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Full text of "St Petersburger Medicinische Wochenschrift 17.1892"

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gerkur. Nach Hirsch feldt (Berl.l klin. Wochen sehr. 
1892, Nr. 11) kann das Herz, ohne dass sein Muskel ge¬ 
schwächt wird, solch eine knappe Diät ganz gut ein 
paar Wochen aushalten. Dadurch dass dem Körper 
geringere Mengen Flüssigkeit zugeführt werden, wird nach 
Oertel der Blutdruck in den Gelassen geringer, somit 
die Herzarbeit leichter; es steigt dabei ferner nach Znntz 
(Berl. klin. Wochenschrift 1892, Nr. 15) der relative 
Haemoglobingehalt des Blutes, es kann von einem hae- 
moglobinreicheren Blute bei der Athmung der Sauerstoff 
leichter aufgenommen werden, woraus wieder eine Ar¬ 
beitserleichterung für das Herz resultirt. Durch strenge 
Bettruhe und durch leicht verdauliche Nahrung in gerin- 
geron Mengen, wie ia die Milch bei der Milchkur es ist. 


Die Milchkur kann nach allem dem also nicht 
die Kraft des Herzmuskels und die Leistungs¬ 
fähigkeit desselben steigern, wohl aber verringert 
sie die Grösse der dem Herzen auferlegten Ar¬ 
beit, so dass dieselbe auch schon von einem ver- 
hältnissmässig schwachen Herzen geleistet wer¬ 
den kann. Hierauf beruht die Bedeutung und der 
Werth der Carell'sehen Milchkur. Eine relative In¬ 
su fficienz des Herzens kann durch sie zum Schwinden 
gebracht werden, indem sie die Widerstände des Blut¬ 
druckes vermindert, die vom Herzen überwunden werden 
müssen. Auch in unserm Fall wurde eine eigentliche 
Kräftigung der llerzthätigkeit durch die Kur nicht erreicht. 
Es schwanden wohl die ('vanose. das Oedem und die 


St Petersburger 
Medicinische Wochenschrift 














































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St. Petersburger 

KESICIIIISGEE WQCEEISCEEIFT 

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a 

unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio, Dr. Johannes Krannhals, 

Dorpat. Biga- 

Dr. Rudolf Wanach, 

St. Petersburg. 


XVII. JAHRGANG 

(NEUE FOLGE IX. JAHRGANG). 


ST. PETERSBURG. 

Buchdruckerei von A. Wienecke, Katharinenhofer-Prosp., Nr. 16. 

1892. 


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INHALTS-VERZEICHNISS. 

(Die mit * bezeichnten Zahlen beziehen sich anf Original-Arbeiten, die eingeklammerten auf die rassische Literatur-Beilage). 


uA.. 

Abführmittel, üb. subcut. u. rectale 
Anwend. v. —n 440. 

Abort, 'Fall von arteficiell. — (14). j 
Fall v. — i. 5 Monat, lebende 
Frucht (22). 

Abi*in, üb. — 5. 

Abscess, Fall v. idiopath. Magen— 
u. Fall v. snbphren. — 373*. 

—, Fall v. Gehirn —, geh. d. 
Trepanation 433. 

Acidum hyperosmicum. Inject v. — b. 
Kropf 235. 

Aderlass, Einfl. period. massiger — e 
auf d. Blut u. d. Anaemie (22). 

—, 4. — b. Chlorose t. Anaemie 361. 

Aerzte, weibliche — 321. 

—, Ausbildung d. — sonst U. jetzt (9). 

Agrostemma Githago, üb. — 51. 

Akromegalie, z. Fr. V. d. — (19). 

Aktiüomykose, Fall v. — d. Unter¬ 
kiefers (30). 

Alaun, — b. Malaria (11). 

Albuminurie, Fall v. periodischer — 
97. 

—, Charakter d. Harüsecretion b. 
phjsiol. — (21). 

Algeslffietrie, üb. — 243*. 

Alkohol, — behandl. d. Carcinoma 
portion. vagin. 248. 

— Waschung b. Erosionen d. port. 
vag. 248. 

Alkoholismus, Behandlung d. — mit 
Strychnin 37. 

Alopecia, faradischer Strom b. — are- 
ata 146. 

Amenorrhoe, Fall v. — m. Galak- 
törrhoe 320*. 

Anaemie, perniciöse — durch Botrio- 
cephalus 116. 

—, Zusammens. d. Blutes i. ein. Falle 
hochgräd. — u. ein. solch, v. Leu- 
kaeinie 203*. 

—, Fall v. perniciöser Botliriocepha- 
lus - 226. 

—, Cuprum arsenicosum b. essent. 
— 344. 

—, Retinitis haemorrhagica b. perni¬ 
ciöser — (19). 

—, d. Aderlass b. Chlorose u. — 361. 


Sach-Register. 

Anaemie, üb. d. Ursachen d. primär, od. j 
essentiell. — 471*. ! 

—, Einfl. period. massiger Aderlässe i 
auf d. Blut u. d. acute — (22). 

—, z. Fr. d. syphilitischen U. Queck- 
silber-Chloro — (26). 

Aneurysma, üb. d. — d. Aorta etc. 
146. 

— arteriae fossae Sylvii 146. 

—, z. Differentialdiagnose d. Aorten — j 
u. Pulmonal — 268. 

Angina pectoris, z. Behandlung d. — i 
177. I 

Angiom, elektrolytische Behandl. d. j 
—e 497. 

Anilinfarbstoffe b. Nasen-, Hals- u. i 
Ohrenleiden 209. 

—, üb. Sublimat — e. i. d. Bakte- ; 
riologie (26). 

—, s. a. Pyoktanin. i 

Anthrax s. Milzbrand. 

Antimonpräparate, geg. d. medicament. 
Anwend. d. — 248. 

Antipyrin, Fall v. Idiosynkrasie geg. 
— 21 . 

—, b. Keuchhusten 263. 

—, Fall v. —Vergiftung 462. 

Anuria paradoxa 186. 

Anus praeternaturalis vestibularis 
(21). 

Aorta, üb. d. Aneurysma d. — 146. 

Aortitis, Contusion d. Brust, — (?) 
251* 273. 

Aphasie, Localisation d. — i. d. Gross¬ 
hirnrinde 20. 

Appendicitis, d. operat. Behandl. d. 
— 196. 431. 

Apomorphin, b. Convulsionen 33. 

Argentum nitricura, b. chron. Blasen- 
Katarrh 210. 

Aristol, — b. Tuberculose 54. 

Armenhäuser, Untersuch, i. d. St. Pe¬ 
tersburg. — n. (2). 

Arsen, üb. chron. — Vergift. 290. 

—, subcut. Inject, v. —(Solut. Fow- 
leri) (18). 

Arterie, d. elastische Gewebe d. —n- 
wand u. seine Veränder. b. Arte¬ 
riosklerose etc. 19. 

—, Elasticität d. —n b. Vergift, m. 
j Phosphor, Hg. u. Blei 299. 


Arteriosklerose, Veränder. d. elasti¬ 
schen Gewebes d. Arterienwand b. 

— etc. 19. 

Arzneimittellehre, Handb. d. — 94. 
Arznei Verordnung, Compendium d. 

— 34. 

Ascaris, Uebertragung d. menschl. — 
lumbricoldes 126. 

Ascites, Fall v. —, Echinokokken d. 
Leber etc. 422. 

Aseptik, d. Operationssaal u. d. — i. 
Marienhosp. (7). 

—, z. Lehre v. d. — etc. (14). 

—, d. — L d. Bauch- und Becken¬ 
chirurgie (22). 

Asphyxie, Anwend. d. Donders’schen 
Theorie z. Erklär, d. — (2). 

—, Fall v. symmetr. — 473. 
Asthma, üb. — cardiale (27). 
Astrachan, sanitärer Zustand d. Fi¬ 
schereien i. — (9). 

Athempausen, üb. — 229*. 483. 
Athmung, d. Leben Neugeborener ohne 

— (ß)- 

Atlas, d. gerichtlich. Medicin 105. 

pathol. anat. — 486 aüat. 497. 

—, — d. gerichtl. Medicin 394. 

—, d. Larynxkrankh. 405. 

Atresia, operative Behandl. d. — recti 
et ani. 116. 

—. Fall v. — ani et urethrae 117. 
—. Lappenmethode b. Operat d. — 
ani vestibul. (13). 

; —, Fälle v. — hymenalis (11), (22). 
Atropin, Bradykardie u. Wirk. d. — 
a. d. Herz 1*. 

—, — b. Hypersecretion d. Magens. 
265, (7). 

—, als Haemostaticum (ll). 

—, b. parenchymat. Blutung (17). 

| Auge, Bezieh, d. Sympathicus z. — 6. 
i —, Hygiene d. — s 134. 344. 

I —. Fall v. Sarkom d. — s u. d. 
Orbita, geh. 136. 

Äugeneutzündung, z. Aetiol. d. period. 

— (Mondblindheit) d. Pferde (25). 
j Augenheilkunde. Compendium d. — 

144. 

—, Einführ. i. d. — 441. 
Augenkammer, colorimetr. Bestimm, 
d. Aufsaug. i. d. vord. — (31). 


175694 


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IV 


Augenkrankheiten, Statist, d. — i. 
Woronesh (24). 

—, d. — u. d. Blindheit d. Landbe- \ 
vülkerung d. Kreises Nowotorshok 
(24). i 

—, Ber. üb. d. — i. d. Ambulanz d. ; 
Barmherzigen Schwestern z. Krenz- ! 
erhöhung (24). 

—. Bezieh, d. — z. allgem. Pathol. | 
386. | 

Augenlid, üb. Vaccinepusteid. —es 246. J 
—, Pustula maligna d. — es (23). , 

—. s. a. Trichiasis 

Auscnltation, Percussion u. — an ] 
Kindern (10).' 

Auswanderer, sanitärer Zustandd. — 
v. Odessa n. Wladiwostok (9). 

B. ! 

Bacillus coli communis, d. — u. d. 

Beding, seiner Invasion etc. 165. i 
—, Nachweis v. — i. einer Myomo- 
tomiewunde 167. ( 

Bäder, üb. — behandl. d. Hautkrankh. j 
261. 

—, d. XX. schlesische —tag, Yer- 
handl. 320. | 

—, Wirk. v. Salz — na. Schwind- j 
sücht. u. Gesunde (1). 

—. Einfl. v. — n a. d. Assimil. d. ä 
Fettes (8). j 

—, Wirk. v. Salz — na. Gesunde(9). , 
—, heisse Luft — b. Chlorose (30). 
—, Mineral — während d. Menstru¬ 
ation (30). 

—, physiol. Wirk. d. Schwefel — v. 
Pjatigorsk (34). 

Bakterien, Wirk. d. Ozons auf — (8). j 
—, Einfl. d. Producte einig, pathog. | 
— auf d. Organism. (30). 
Bakteriologie, d. Fortschritte d. — i. | 
J. 1891 (1b). 

—, Grundriss d — 453. 

Bandwurm, Strotiansalze geg. 235. 
—, s. a. Botriocephalus. 

Bauch, z. Casuist. d. — Chirurgie 161*. 
—, penetrir. — Verletzung, Resect. 
d. Colon. 162*. 

—, radical. Behandl. d. Diastase d. j 
geraden —muskelu (11). 

—, z. Casuist. d. Schussverletzungen j 
d. — organe (19). 

—, z. Diagn. u. Therap. d. perforir. 

—Verletzungen 491*. 

Bauernhäuser, sanit. Zust. d. — i. 

Rjasan’schen Gouv. (ll). 

Becken, Einpressen d. Kindskopfes 
ins — 107. 

—, ein osteomalacisches — (4). 

—, z. Leitung <L Geburt b. engem — 
(11). 

Belladonna, b. Epilepsie 10. 

—, bei Gallensteinen 108. 310. 

Benzin, als Antiseptic. u. Autipara- 
sitic. 10. 

Benzosol, als Ersatz d. Kreosot 274. 
Beschneidung, Hygiene d. — (35). 
Bier, Uebertrag. v. Cholera, Typhus 
u. Milzbrand d. — 393. 

Bismuthum salicylicura, bei chron. 
Diarrhoe d. Kinder (17). 


Blasenmole (13). 

Blasenstein, Sectio lateralis als Vor¬ 
operation z. Extraction v. —n. 135. 
—, ungewühnl. grosser — 166. 

—, Fall v. hohem —schnitt 234. 

—, z. Fr. v. hohen —schnitt (17). 
Blei, Elasticität d. Arterien b. — ver¬ 
gift. 299. 

Blepharospasmus, Heil. v. — d. 
Hypnose 337. 

Blindheit, d. Augenkrankh. u. d. — 
d. Landbevölker, d. Kreises Nowo¬ 
torshok (24). 

Blitzschlag, Verletz, d. — 133. 

Blut, Untersuch, d. —es auf Recur- 
rensspirillen 40*. 

— Untersuch, b. Myxoedem 42. 

—, Zücht d. Influenzabacillen a. d. 

— e 44. 

—, zerstörende Wirk. d. — es auf 
Protozoen 86. 

—, Steiger, d. Coagulationsfähigk. d. 

— es 143. 

—, üb. ein. Bacillus i. — v. Masern¬ 
kranken 164. 

—, Zusammen8. d. —es i. ein. Falle 
v. Anaemie und ein. v. Leukämie 
203*. 

—. üb. subcut. — inject, u. intrave¬ 
nöse Transfusion 280. 

— serumtherapie b. Diphtlieritis u. 
Tetanus 307. —, b. Syphilis 322. 

—, raorphol. Veränder. d. —es b. 
Scharlach (1). 

—, Veränder. d. —es während Schwan- 
gersch., Geburt u. Wochenbett (3). 
—, Einfl. frischen Kälber —es aHf 
A6similat. u. Stoffwechsel (11). 

—, Unters, d. —es auf Gonokokken 
b. Gonorrhoe (18). 

—, Parasiten i. —e b. Malaria (21). 
—, Einfl. period. massiger Aderlässe 
auf d. — etc. (22). 

—, üb. — untersuch, b. Malaria (26). 

— Veränder. d. — es entrailzter Meer¬ 
schweinchen (29). 

—, s. a. Anaemie, Haemotokrit, Hae- 
mometer, llaemogiobin. 

—, —untersuch, b. Syphilis u. Hg.- 
behandl 361. 

—. —untersuch, b. Lepra 365*. 

—. —serumtherapie d. Pneumonie 
421. 

Blutdruck, Einwirk. v. Hautreizen a. 
d. - (7). 

Blutung, z. Therapie d. Uterus —en 
106. 

—, innere — b. Nephritis gravidarum 
3r6. 

Borax, — b. Epilepsie 37. 
Borverbindungen, Behandl. d. chron. 

Otorrhoe ni. einig, neueren — 209. 
Botriocephalus, perniciöse Anaemie d. 

— latns 116 . 

—, wie inficirt sich d. Bevülker. Pe¬ 
tersburgs m. —? 214* (29). 

— Fall v. perniciüser — anaemie 226. 

— Annen i. Petersburger Hechteu. 
270*. 

Bradykardie, Fälle v.— 21. 42. s. a. 
Herz 

—, üb. — 391*. 


Branntwein, hygien. Untersuchung d. 

käuflich. —Sorten (34). 

Brod, Bereit, v. Roggen— m. Kartoffel 
etc. (3oj. 

Bromoform, locale Anwend. d. — s 98. 
—, b. Keuchhusten 281. 

Bronchien, Ausgüsse d. — 146. 336. 
Bronchitis, z. Casuist. d. — flbrinosa 
83* 96. 

Brustwarzen, Pinselung wunder — m. 
Eiweiss 2.7. 

Bubonen, z. Fr. d. Abortiv behandl. d. 
- (30). 


c. 

Calabarbohne, b. Epilepsie 10 . 
Caloiumsalze, üb. neue — i. d. The¬ 
rapie 843. 

Calomel, — insufflationen b. Laryn¬ 
gitis syphilit (17). 

—, antisept Eigensch. d. — s (33). 
Campheröl, Inject, v. — b. Lungen- 
tuberculose 146. 

Cantharidin. Behandl. d. Tu bereu lose 
m. — 248 (26). 

Carbolgangraen, üb. — 185. 
Carbolsäure, Klysmen v. — b. Dy¬ 
senterie (30). 

Carcinom, Reagens z. Untersuch, v. 

— en 137. 

—, Fall von Magen — v. einem Ul¬ 
cus ausgehend 166. 

—, üb. d. primäre — d. Leber 198. 
—, Möglichkeit ein. günstig. Verlauf. 

d. Magen — s 234. 

—, Resection d. Coecumweg. —235. 
—, Alkoholbehandl. d. —s d. Vagi¬ 
nalportion 248. 

—, Fall v. primär. — d. Leber 269*. 
—, Fall v. — d. Prostata. 272. 

—, Fall v. — d. Pankreas 272. 

—, d. Uteruskörpers 273. 

—, Uebertrag. v. — auf frische Wun¬ 
den b. vagin. Totalexstirpat d. Ute¬ 
rus 299. 

—. schleimige Degeneration d. — 
Zellen (7). 

—, Veränder. d. Uterüsschleimh. b. 

- (13). 

—, Fall v. primär. — d. Tube (14). 
—, Indicat. i. partiell. Amputat. d. 

Cervix Uteri b. — (22). 

—, Fall v. primärem Lungen — (23). 
—, üb. Parasiten i. d. — Zellen (26) 
(29) (30). 

Castration, Fall v. — wegen Torsion 
des Testikels i5ö. 437*. 

—, b. Fibromyomen d. Uterus (19). 
—, b. llodentuberculose (19). 
Celastrin, 10. 

Cheiro-Pompholyx (Dysidrosis) 79. 
Chemie, Lehrb. d. pharraaceut —144. 
—. moderne — 262. 

Chinin, Wirk. d. — s a, Granulatio¬ 
nen (3). 

—, cutane Darreich, d. —s b. Kiu- 
dern (11). 

Chirurgie, Lehrb. d. — n. Operatious- 
lehre 34. 

—Lehrb. d. orthopäd. — 42. 

—, Compendium d. allgem. — 20. 


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T 


Chirurgie, spec. — 474. 

Chloroform, — behandlung d. Typhus 
9. 26* 444. 

—, Fall v. —tod 22. 

—. Versuche m. d. Rückständen v. 
(L Reetificat. d. —s d. Kälte 222. 

—. z. Fr. v. — a. d. — narkose 222, 
(2H). 

—, Zusatz v. Alkohol z. — 256. 

—, ttb. —narkose 310. 

—, Methode d. Wiederbelebung b. 
Herztod n. —einathmung 335. 

—, Ursach. d. —todes (28) (32). 

Chlorose, z. Therapie cL — 300. 

—, üb. d. BehandL d. — m. heissen 
Luftbädern (30). 

Chlorzink, Aetzungen ra. — b. Diph- 
theritis 210. 

Cholelithiasis, s. Gallensteine. 

Cholera, subcut. Wasserinject. b. — 
infantum 41. 

—. BehandL d. — nostras in. Zufuhr 
v. Wasser 105. 

—, Salzwasserinject. b — infantum 
133. 

—, üb. Aetiolog. u. Toxikol. d. — 
asiat 298. 

—, Schutzimpfung gegen — 336. 344. 
377. 

—, z. Pathol. u. Hydrotherapie d. — 
336. 

—, populäre Schriften ttb. d.— 352. 

—, Behandl. d. — 338, 341* (Am¬ 
moniak und Nitroglycerin) 342*, 
352 (Sammelreferat.) 369. Behandl. 
d. — i. Paris 377 (Sammelreferat), 
434. 

—, Gefahr f. d. medicin. Personal 
b. d. — 369, 386. 

—, Uebertrag. v. — etc. d. Bier 
393. 

—, d. gegenw. Stand d. —frage, 
—epidemien v. 1871 (Dorpat u. 
Reval) 399*. 

—, experiment. Stud. üb. — an 
Hunden 413. 

—, therapeut. Erfahr, aus d. gegen¬ 
wärt. —epidemie 423. 

—, z. Therap. d. —infantum 424. 

—, ttb. d. gegen wärt, —epidemie i. 
St Petersb. 442. 

—, z. Pathol. u. Therap. d. —asia- 
tica 463. 

—, üb. d. gegenwärt —epidimie i. 
Riga 474, 475. 

—, d. —epidemie i. St. Petersb. 485. 

—, Mortalität an d. — i. d. Ham¬ 
burger Brauereien 487. 

—, Wirk. d. — gifteß auf d. Organism. 
498. 

—, Uebertrag. d. — d. Fliegen 498. 

Chorea, Fall v. — u. Psychose 223. 

—. Exalgin b. — 263. 

—, üb. — chron. hereditaria 361. 

Chromopsie, ttb. d. b. Sehen d. be¬ 
stäubt Glas entstehende — (23). 

Chromsäure, — als Reagens auf Ei- 
weiss u. Gallenfarbstoff 321. 

Chylocystis myxomatosa mesenterii. 
(13). 


Circulation, Handb, d. allgem. Therapie 
d. —Störungen 34. 

Cocain, b. Hyperemesis gravidarum 
(14). 

Cocalnum phenylicum, üb. d. — 300. 

Coecum, s. Darm. 

Cognac, Einfl. d. —s auf d. Assimi- 
lat. b. Milchdiät (25.) 

Coma diabeticuni, Behandl. d. — 235. 

Comfort, d. — d. Kranken 197. 

Conjunctiva, z. pathol. Anat. d. Amy¬ 
loidtumoren d. — 261. 

Conjunctivitis, z. Therapie d. — folli- 
cul. (26). 

Constitutionskrankheiten, Lehrb. d. 

— 484. 

Cornea, z. Fr. d. Naht b. Wunden d. 

— (23). 

Craniektomie, weg. Idiotie u. Mikro- 
cephalie 291. 

Creolin, — b. Influenza 156. 

Cuprum arsenicosum, b. Auaemie 344. 

Curort, d. klimat —e d. Kaukasus 
f. Tuberculüse (4). 

Cyste, üb. Blut — n am Halse (28). 

—, z. Fr. d. proliferir. Kiefer —n (28). 

Cysticercus, d. Echinococcus u. — i. 
Tiflis (19). 

Cystitis, Behandl. d. eitrig. — ra. Jo¬ 
doformemulsion (32). 

X>. 

Damm, z. —bildung n. d. Lappen- 
methode (13). 

—, üb. Restitution totaler —risse (14). 

—, z. Lehre v. d. central. — rissen 
(18). 

Dampfhitze, physiol. u. therap. Wirk, 
d. — 309. 

Dampftrichter, d.— 7. 

Dakryoadenitis, ttb. — 377. 

Darm, d. Zellbrücken i. d. — muscu- 
latur 20. 

—, d. locale Meteorismus b. — occlu- 
sion 67*. 

—, Resection d. Dick — es wegen pe- 
netr. Verletz. 162*. 

—, Einfl. d. Opiumalkaloü le auf d. 

— bewegung 184. 

—, infect —erkrank, n. Genuss un 
gekocht Milch 208. 

—, z. Behandl. d. irreponibl. —in- 
tussusception 215. 

—, Resection d. Blind — es weg. Car- j 
cinom 235. 

—, Laparotomie weg. —Perforation j 
b. Abdominaltyphus 235. 

—, z. Casuist. d. acuten —occlusion I 
247. 

—, acut —Verschluss, geh. durch i 
Hg. 321. 

—, eingeklemmt, gangrän. Schenkel¬ 
hernie, geh. <L Resection u. Naht 
d. —es 326*. 

—, z. Diagnose u. Therap. d. Magen 
u. —krankheit 343. 

—, Gascyste d. —es (7). 

—, Auftret u. Verbreit niederer Or- 
traetus (11). 


| Darm, z. Anatomie d. Blind—es u. 
j Wurmfortsatzes etc. (19), (27). 

I —, 2 Fälle v. acut. —occlusion (21). 
i — wandbrüche (23). 

—, physikal. Untersuch, d.—es (26). 
! —, Laparotomie b. Verletz, d. —es 
i (29). 

— Parasiten als Complic. acut. 
Krankh. (30). 

—, s.a. Appendicitis, Diarrhoe, Hernie, 
Ileus, Rectum, Typhiitis. 

—, üb. —resection b. gangraen. Her¬ 
nien 406. 

Dermatol, d. — i. <L Geburtshilfe u. 
b. gynaek. Operat (6). 

; —, b. Ulcus molle (18). 

: —, b. Ohreiterung (21). 

Desinfection, — d. Hände 62. 

1 Diabetes, Brod aus Sojabohnen b. — 
108. 

—, n. Pankreasexstirpation 108. 

—, Syzygium jambolanum b.— 116, 
181* 225. 

—, z. Ernährung d. —Kranken 281. 
—, ttb. d. Ebsteinsche Theorie d. — 
i mellitus 412. 

; —, Bedeut, d. Kohlehydr.-Nahr. b. 

— mellitus 412. 

! —, s. a. Coma, diabet. 

Diagnostik, medicin klin. — 209. 

—, z. — d. pathoL Trans- und Ex¬ 
sudate, Bestimm, d. spec. Ge¬ 
wichtes 299. 

Diaphterin, üb. d. — 300. 

Diarrhoe, Karlsbader Wasser b. chron. 

— 10. 

—, antisept Behandl. profuser —n 
210. 

—, Bismuth salicyl. b. chron. — d. 
Kinder (17). 

Digitalin, b. Pneumonie 186. 

Digitalis, z. — Behandl. d. Pneumo¬ 
nie 246. 

—, z. —Wirkung (7). 

—, subcutane Anwend. d. -— b. Herz¬ 
kranken (21). 

Diphtheritis, z. Therapie d. — 33. 

—, üb. d. Behandl. d. — 66, 73. 

—, d. galvanokaust. Behandlung d. 

Rachen — 86, 117. 

—, Invasion <L —bacillus i. d. Unter¬ 
haut 133. 

—, z. BehandL d. — 146. 

—, üb. Scharlach — 164. 

—, Behandl. d. — m. Quecksilber- 
inunction 156. 

—, Aetzung m. Chlorzink b. — 186 
210. 

—, üb. Lähmungen n. — 208. 

—, z. Behandl. d. — 263. 

—, Blutserumtherap. b. — 307. 

—, Immunisirung u. HeiL b. — 307. 

— epidemie i. Kassari (Baku) (4). 

—, z. BehandL d. — (27). 

—, z. bakteriol. Diagnost. d. — 361. 
—, Pyoktanin b. — etc. 434. 
Diuretin, d. —Wirkung im Kindes¬ 
alter 184. 


Drillinge, Geburt v. —n mit Eklamp¬ 
sie (14). 

trauuiat. i Duboisin, als Sedativum u. Hypnoti- 
! cum 22. 


ganism. i. 

Circulation, allgem. Physiol. u. Pathol. : —, Fall v. —perinäalfiste] 
d. — 94. j Ursprungs (12). 


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fl 

Duodenalgeschwür, ein rundes — (4). 
Dysenterie, mikrosk. u. bakteriol. Be¬ 
obacht. üb. eine —epideraie 155. 

—, Carbolsäure-Klysmen b. — (3u). 

—Natrium sulfuric. b. — 477. 

B. 

Echinococcus, z. Behandl. d. — alve- j 
olaris d. Leber 18. 

—, üb. d. multilocul. — u. s. Taenie 
289. 

—, d. Gehirns (4). 

—, z. Symptomatol. d. Leber — (7). 
—, d. solitäre — d. Milz (8), (14). 

—, d. Leber etc. (9). 

—, d. — u. Cysticerens i. Tiflis (19). 
d. Leber (25). 

—, z. Casuist. d. —krankh. (32.) 

—, Fall v. Ascites, — d. Leber u. 

4. Peritoneum 422. 

Eiter, üb. rothen — (31). 

Eiterung, üb. d. Aetiologie d. acuten 
—en (28). 

Eiweiss, empfindl. Reaction auf — i. 
Harn 164. 

—, Verwand], d. Harn — es i. Pro¬ 
pepton u. Albumose b. d. Milch- 
cur 344. 

—, z. Fr. d. —norm i. d. Nahrung 
d. Greise etc. (30). 

—, —gehalt d. Fleischsaftes, Bouillon- 
Pepton etc. (30). 

Eklampsie, z. Aetiol. d. puerperal.— 
208. 

—, üfy. d. Bacillus d. — etc. 271. 

—, b. Drillingsgeburt (14). 

Ekzem. Bäderiehandl. d. —e 261. 
Elektricität, Anwend. d. — i. d. Gy- 
naekologie 6, 94. 

—, üb. d. Heilwirk. d. — b. Nerven 
u. Muskelleiden 253. 

Elektrolyse, Entfern, v. Haaren durch 
- (26). 

—. d. Angiome 497. 
Elektrophototherapie (19). 
Elektrotherapie, Studien üb. — 262. 
Elementarorganismen, z. Lehre v. d. 

— 291, 296*. 

Eipbotye, Fall v. — d. Art. centr. 
retin. 291. 

Embryotomie, z. Fr. d.— (22). 
Empyem, s. Pleura, Pleuritis. 
Endometritis, z. Bakteriologie d. — 79. 
(14). 

Entzündung, z. trockenen Nachbe- 
handl. acut, infect. —en d. Haut 
u. d. IJnterhautgeweb. (2\ 

Enuresis nocturna, Rhus aromatica b. 

— 217. 

Epidemie, Diphtheritis — i. Kassari 
(Baku) (4). 

—, d. Influenza — 1889/90 352. 

—, d. Cholera—n v. 1871 (Dorpat 
u. Reval) 399*. 

—, üb. d. gegen^ärt. Cholera— i. 
St. £etersb. 442. 

—, üb. d. gegenw^rt. Cholera— i. 
Riga 474, 475. 

—, d. gegenw. Cholera — i. St. Pe- 
tersb. 486. 

Epidermin, als Salbenvehikel 255. 


Epilepsie, Calabarbohne, Pikrotoxin, 
Belladonna b. — 10. 

—, Borax b. — 37. 

—, Fall v. —, bedingt d. Hirntumor 98. 
—, üb. d. Circulationsstörung b. d. — 
290. 

—, d. partielle — (18). 

Epitheliom, Fall v. —, behandelt n. 
Adamkiewicz 177. 

Erbrechen, unstillbar. — d. Schwan¬ 
geren u. s. Behandl. m. Cocain (14). 
—, Fall v. unstillbarem — (26). 

—, z. Diagnose d. blutigen —s (29). 
Ernährung, künstl. — d. Säuglinge (8). 
—, üb. — tracheotomirt. Pat. (17). 
—, üb. — d. Säuglings m. Kuh¬ 
milch 469*. 

Erysipel, heisses Bad b. — 37. 

—, Behandl. d. —s ra. d. permanent. 

heissen Bade 54. 

—, Impfung d. — s 71. 

—, Salbe gegen — 108. 

—, Ichthyol b. — 167. 

—, 70 Fälle v. — (21). 

Erythem, z. Casuist. d. —e (26). 
Europheü, b. Rhinitis 62, 

—, d. — als Verbandmittel 131* (25). 
—, —salbe b. Verbrennungen 263. 
Exalgin, b. Chorea 263. 

Exanthem, Salbe gegen d. Juckreiz 
b. acut. —en 146. 

—, z. Casuist d. Arznei — e (27), 
Exarticulation, d. Oberschenkels we¬ 
gen Sarkom 185. 

Expertise, üb. Reorganisation d. ge- 
richtl. medic. — (18). 

Extract. filic. mar. aeth., Vergiftun¬ 
gen m. — 166. 

!F. 

Fabiana imbricata, b. Erkrank, d. 
Harnorgane 10. 

Fabrik, sanitäre Controlle d. — en(8). 
—, Morbidität d. Arbeiter a. d. Pa¬ 
pier— en (32). 

—, z. Geschichte d. sanitär. Inspect. 
d. —en (34>. 

Favus,' Resorcin b. — 108. 
Fettgewebe, speclf. färbbare Körner 
i. — 43, 144. 

Fettnekrose, üb. multipl. Pankreas- 
u. — 420. 

Fieber, üb. d. — 8. 

Filter, ein neues — (4). 

Fischgift, z. Lehre v. d. —en 290. 
Fliegenstich, Pyämie n. — 59. 
Fractur, Behandi. d. —en ra. Mas¬ 
sage (21). 

—, z. Behandl. d. Patella —en (26). 
Frau, d. Bestimm, d. — u. d. ärztl. 
Beruf 321. 

Fremdkörper, — d. Harnröhre u. — 
blase 136. 

Fuss, d. menschl. — etc. 176. 

G. 

Galega, — als galaktogenes Mittel 
166. 

Galle, Wirk. d. Ureterenunterbind. auf 
d. Secretion d. — 16* (22). 


Galle, üb. d. Fäulniss d. — etc. 215. 
Gallenblase, üb. Ektasie d, — (19). 
—, z. Chirurgie d. — 486. 
Gallensteine, Belladonna b. —n 103. 
—, Behandl. d. — m. Belladonna 3 lO. 
—, z. Chirurg. Behandl. d. — etc. (2). 
—, Natr. salicyl. u. Salol b. —n (12). 
—, z. Behandl. d. —kolik (26). 

—, Klinik d. — 360. 

—, z. Kenntn. d. Pseudo— u. sog. 
Leberkolik 421. 

Gangraen, Fall v. symmetr. — 95. 
—, Fall v. — d. Fusses 125. 

—, — d. Penis n. Influenza 213*. 
—. Fall v. idiopath. — d. unt. Ex¬ 
trem. (12). 

Gehäran8talt, Ber. d. St. Petersb. — 
(13). 

Geburt, — unt. ungewöhnl. Umstän¬ 
den (33). 

Geburtshilfe, Grundriss d. — 352. 
Gehirn, d. Centralwindungen d. —s 
als Centralorgane d. Hinterstränge 
u. d. Trigeminus 18. 

—, Localisation d. apbasischen Stö¬ 
rung. i. d. Gross—rinde 20. 

—, Fall v. Epilepsie, bedingt d Tu¬ 
mor d. —s 98. 

—, üb. eine syphilit. —erkrank. 114. 
—, Fall v. —abscess 176. 

—, Methode z. Anfertig, v. -prä- 
paraten 209. 

—, anat. Beschreib, ein. Falles v. 
Syphilis d. —s u. Rückenmarkes 
223. 

—, Fall v. Apoplexie d. — s 225. 

—, Echinococcus d. —s (4). 

—, z. Casuist. d. —syphilis (12). 

—, s. a. Hydrocephalns, Pachjmenin- 
gitis, Sklerose. 

—, Fall v. —abscess, geh. d. Tre¬ 
panation 433. 

Geisteskranke, Versorgung <L —u i. 
Russland (33). 

—, üb. d. NCl-Secretion d. Magens 
b. — n 433. 

Geistesstörung, üb. amnestische — 80. 
—, s. a.: Idee, Irresein, Paranoia, Psy¬ 
chose etc. 

Gelenk, Resection d. Schulter—es 
weg. Caries 235. 

—, Erkrank, d. —e b. Hemiplegie 
(1). 

—, Fall v. —körperi.Knie — (11). 
—, atyp. Resectionen i. Fuss—(21). 
—, 2 Fälle v. Syphilis d. —e (26). 
—, s. a. Luxation. 

Genitalien, angeb. Anomalien d. Wjeibl. 

- (17), (21). (26). 

Geschlecht, zeit!. Verschieden^ i. d. 
Zusammensetz. d. Bevölker. n. d. 
(36). 

Geschlechtskrankheiten, Lehrb. d. — 
413. 

Geschwür, locale Wärme b. d. Be- 
handL V. —en (15). 

—, z. Therap. syphilit. Unterschenkel 
—e (30). 

—, üb. d. perforir. — d. knorpel. 

Nasenscheidewand 427*. 
Gesundheitswesen, d. — Deutschlands 
395. 


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vn 


Glaukom, z. Pathol. d. — s etc. (23). j 

—, günst. Wirk. d. Iridektomie b. | 
~ (24). 

Gonokokken, üb. d. yorkomraen v. ! 

' — i. vrcibl. Genitalsecret 438*. 

Gonorrhoe, z. Behandlung d. acut. — 
224. 

—, Unters, d. Blutes auf Gonokokken 
b. - (18). 

—, Entzünd d. Samenbläschen b.— 
(29). 

Granulationen, Wirk. d. Chinins a. 

—, s. a. Urethritis. 

- (3). 

Guajacol, — carbonat b. Tubercu- 
lose 17. 

—, Wirkungsweise d. — 309. 


KC. 

Haematokrit, d. — 233. 
Haematomyelie, üb. — 223. 
Haemoglobin, Bezieh, zwisohen — u. ■ 
Protoplasma 11». j 

Haemometer, Kritik d. Fleischlichen 
—s 19, 96. 

Hände, professionelle Veränder. a. d. • 
~n (8). 

Handbuch, ärztl. — f. hygien. diä- ' 
tet u. a. Verordn. 246. 

Hapsal, — als Curort (16). 

Ham, Einft. Alkohol. Getränke a. d. 

— 51. 

—, biologische —analyse 137. 

—, Method. d. quantit. Bestimm, d. 

Urobilins i. — 162*. 

—, empfind]. Reaction auf Eiweiss i. ! 

— 164. 

—, d. —cylinder i. eiweissfreien — e 
298. 

—, Charakter d. — absonder, b. phy- 
siol. Albuminurie (21). 

Harnblase. Fall v. Carcinom d. — u. 
d. Ureteren 21. 

—, Fremdkörper d. Harnröhre u. — ! 
136. 

—, Behandl. chron. —nkatarrhe m. 

Argem, nitric. 210. 

—, z. Salolbehandt. d. —nkatarrhs 
262. 

—, üb. —n — Cervixfisteln (14). 

—, z. Casuist. d. —ntumoren (17). 

—, s. a. Blasensteme, Cystitis. 
Harnorgane Fabiana. hnbrieata h. Er¬ 
krank. d. — 10. 

Hausthiere, Lehrb. d. spec Pathol. 

u. Therap. d. — 406. 

Haut, z. Fr. v. Firnissen d. — (3). 
Hautkrankheiten, d. d. Impfung m. 

eitererreg. Mitteln entsteh. — 6. 

—, eintrocknende Linimente b. — 59. 
—, üb. Bftderbehandl. d. — 261. 

—, Lehrb. d. — 386. 

Helminthiasis s. Ascaris, Bandwurm, 
Bothriocephalus, Oxyuris. 
Hemeralopie, — als Folge v. Fett¬ 
hunger (36). 

Hemianopsie, Fall v. Hemiplegie m. 

— etc. Ul*. 

Hemiplegie, Fall v. — m. Hemianop¬ 
sie m Öemianaesthesie 111*. 


Hemiplegie, Erkrank, d. Gelenke n. 

Muskeln b. — (1). 

—, n. Kohlenoxydvergiftong (30). 
Hernie, Radicaloperation einer Leisten 

— n. Bassi ni 21. 

—, Fall v. eingeklemmt, gangrän. 

Nabelschnur— 161*. 

—, eingeklemmt, gangrän — geh. d. i 
Resection u. Naht d. Darms. 325*. 
—, Shocktod infolge incarcer. innerer 
Dünndarm— (4). 

—, z. Behandl. gangraenöser—n(7), 
(19), (27). 

—, Fall v. Ovarial— (22). 

—, z. Behandl. gangrän verdächt. — n. 
383*. 

—, üb. Darmresection b. gangrän. 

■—n 405, 464, 465. 

—, Strangulationsileus infolge ein. 

— d. Epigastrium 483*. 
Herniotomie, — am 4 Tage n d. Ein 1 

klemm, etc. (33). 

Herz, Bradykardie u. Wirk. d. Atro¬ 
pin a. d. — 1*. 

—, Erkrankung d. — muskels 8. j 
—, Fall v. —tod durch Thrombose I 
d. Coronararterie 87. 

—, üb. —krankheiten 95. 

—, üb. Erkrank, d. —muskels 197. 

—, Fall v. anfallsweise auftret. —in- 
sufficienz 216, 

—, Fall v. Schwäche u. Dilatation 
d. —ens, Milchkur 291. 

—, Wirk. d. Oarell’schen Milchkur b. 
Dilatat. und Schwäche d. —ens 
303*. 

—, Velociped u. —gymnastlk (11). 
—, subcutane Anwend. d. Digitalis 
b. —kranken (21). 

—, z. Casuist. d. angeb. —fehler 
(26). 

—, Embryokardie b. ein. —fehler 
(27) 

—, Verwachs, d. —beutels etc. (30). 
—, s. a. Bradykardie, Tachykardie. 

—, Fall v. —erkrankung 4 s 6. 
Hydrargyrum, Behandl. d. Diphtheritis 
m. —Inunctionen 156. 

—, Inject v. — salicyl. b. Syphilis 
281. 

—, Elasticität d. Arterien b. —Ver¬ 
giftung 299. 

—, — b. Därmocclnsion 321. 

—, Temperaturerhöhung n. Inject v. 

— salicyl. (7> 

—, — oxydat. flav. b. gummös. Sy¬ 
philis (17). 

—, Behandl. d. Syphilis m. Ipjection 
unlüsl. — Präparate (25). 

—, z. Fr. d. Chibro-Anaemie n. Sy¬ 
philis u. — (26). 

—, Blutuntersuch b. Syphilis u. — 
behandl. 361. 

Hydrocephalus, Lumbalpunction b. — 
198. 

Hydropyonephrose, Fall v. —, ope- 
rirt (7). 

Hydrotherapie, Blätter f. — etc. 320. 
Hygiene, — d. Auges 134. 344. 

—, Leitfaden d. — 344. 

—, — d. Schwangersch. 352. 
Hyperemesis gravidarum, s. Erbrechen. 


Hypnose, d. therap. Verwend. d. — 
63. 

Hypnose, was ist d. —? 145. 

—, Heil. v. Blepharospasmus d. — 
387. 

Hypnotismus, z. Lehre v. — 126. 

—, s. a. Suggestion. 

Hypochondrie, üb. — 417*. 

Hysterie, Fall v. —, eine Gliomatose 
vortäuschend (31). 

—, Fall v. vasomotor. Störung a. d. 
Haut b. — (31). 


J. 

Ichthyol, — b. Erysipel 167 
Idee. üb. fixe —n 327. # 

Idiot, d. — u. d. Imbecille 134. 

—, Craniektomie an ein. —en 291. 
Ileus, z. different. Diagnose d. Peri¬ 
tonitis u. d. — 96. 

Immunisirung, — u. Heilung b. Diph¬ 
theritis 307. 

—, — b. Tetanus 307. 

—, Heil. v. Infectionskrank. d. nach- 
herige — 308 

—, künstl. — geg. Cholera 325. 

: —, — geg. Abdominaltyphus 463. 

Immunität, experim Unters, üb.—5. 

I —, z. Theorie d. — geg. Milzbrand 
232. 

—, üb. — durch Vererbung u. Säu 
gung 289. 

—, üb. — u. Giftfestigung 308. 

—, d. Lehre v. d. — etc. (3). 

: —, üb. —geg. Abdominaltyphus303. 

! Impfung, unentgeltliche Pocken— i. 

| Riga 9. 

i —, Schutz— s. Immunisirung. 
Infection — m. Tubercnlose durch d. 
Milch 44. 

i —, z. Fr. d. Selbst— d. Wöchnerin¬ 
nen (22). 

—, — ra. Syphilis b. Rasiren (1). 
—. d. Selbst — v. bakterioJ. n. ex- 
per. Gesichtspunct (26). 

I —, Fall v. Re— m. Syphilis (27). 

! —, 2 Fälle v. — m. Anthrax (33). 

| —, — m. Tnberculose durch Beschnei- 
I düng (35). 

I Infectionskrankhcit, Fall einer eigen- 
thüml. — 395. 

Influenza, Salipyrin b. — 10. 

—, Untersuch, üb. d. Mikroorganis¬ 
mus d. — 17. 
j —, Kreosot b. — 87. 

! —, d. — im Winter 1889/90 42. 

| —, Zücht. d. —bacillen a. d. Blut 44. 
i —, eigenthüml. Fall v. — 96. 
j —, Daten üb. d. gegenwärt, herr- 
| sehende — 97. 

I —, üb. einige Complication. d. — 136. 
| —, Creolin b. — 166. 

| —, Gangraen d. Penis n. — 213*. 
i. —, —bacillen b. Otitis raedia 266. 

! —, üb. d. — i. Obuchow-Hospit. 263. 
j —, d. — epidemie 1889/90. 352. 

—, Verl. d. Scharlachs b. Compl. m. 
- (18). 

—, Fall v. sero-fibrinöser Peritonitis 
! n. — (23) 


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Influenza, üb. d. Pnenmococcus b. d. I 
—epidemie (25). i 

—, — u. Pneumonie i. Charkow (26). . 
Instrumente, Schutz d. — geg. Ver- » 
rosten 454. 

Ipecacuanha b. Wehenschwäche 11 t, 
174*. 

Iridodialysis, Fall v. — 284. 
Jrrenanstalt,d. französischen —en (32). . 
—, s. a. Geisteskranke. 

Irresein, tlb. Ansteckungs— 87, 80. 

« 7 . 

Jahrbuch, Klinisches — 51. 

—, — d. prakt. Medicin 474. 
Jodoform, Inject, v. — b. Kropf 62. 

—, —emulsion b. Cystitis (32). 
Jodtincttfr, — b. Milzbrand 477. 

K 

Kaiserschnitt s. Sectio caesarea. 
Karlsbad, —er Wasser b. chronisch, i 
Diarrhoe 10. 

Katarakte, Extraction d. — i. ausser- 
klinischer Behandl. 62. 

—, Resorption einer senilen —(1). 

—, Ber. üb. 1000 — Extractionen 
(23). | 

—, Ber. üb. 100 — Extract. (23). j 
—, dasselbe (26). 

—, z. Kenntniss d. — n. Ergotismus | 
(23). 

—, d gegenw. Stand d. —Operation 
496. 

Kehlkopf, s. Larynx. 

Keuchhusten, Resorcin, Antipyrin u. ' 
Naphtalin b. — 263. 

—, Bromoform b. — 281. 

—, z. Therapie d. —s (17). 

Kinder Anscultation n. Percussion 
an —n (10). 

—, Dosirung v. Medicamenten b. —n 
(10). 

—, einige besond. Erschein, d. acut. 

Rheumatismus b. —n (22). 

—, z. Casuist. d. Recidive d. Abdo¬ 
minal typhus b. —n (23). 

—, verstärkte Ernähr typhnskranker 
~ (29). 

—, üb d. Pneumonien d. kleinen — 
(31). 

—, z. Diagnost. d. Pneumonie b. klei¬ 
nen —n (31). 

Kinderheilkunde, d. — i. russ. Volke 
(8). 

Kinderkrankenhaus, Arbeit, a d. Kai¬ 
ser u. Kaiserin Friedrich —e 51. 
Kinderkrankheiten, Semiotik u. Dia¬ 
gnost. d. — 843. 

Klumpfuss, s. Pes varus. 

Kniescheibe, s. Patella. 

Knochen, eigenthüml. perniciöse — er¬ 
krank. (Lymphadenia ossium) 2TO. 
—, —plastik (21). 

Kohlenoxyd. Reaction auf — 300. 

—, Hemiplegie n. —Vergiftung (30). 
Kopfschmerz, üb. —en b. Landleuten 
(11). 

Kopfverletzung, Fall v. schwerer —, 
Genesung 194*. 


Krankenhaus, Jahresber. üb. d. — | 
Sabbatsberg 224. 

Kreislauf, s. Circulation. 

Kreosot, — Klysma 22. 

—, b. Influenza 37. 

—, Application d. — per Klysma 137. 1 
Kropf, Behandl.d. — es m. Jodoform- 1 
inject. 62. 

—, Inject, v. Acidum hyperosmicum 
b. — 235. 

—, üb. d. — u. seine Behandl. 343. t 
—. z. pathol. Anat. d. —es (29). 

—, 2 Fälle v. — Exstirpation (31). j 

Tu 

Lähmung, Epidemie spinaler Kinder 

— 10. 

—, üb. diphtlieritische —6n 208. 

—, doppelseit. Facialis— u. Taub¬ 
heit n. Trauma (12). 

—, s. a. Hemiplegie. Paralyse. 
Landärzte, Landschaft u. — (29 . 
Landhospital, Plan eines Normal — s 1 
(35). 

Landpraxis, Ber. üb. d. Chirurg. Thä- 
tigk. i. d. - (2). 

—, aus d. — (11). 

—, Forensisches aus d. — (34). 
Laparotomie, Indicationen z. — 10G. 
—, weg. Darmperforation b. Abdo¬ 
minaltyphus 235. 

—, 55 —en, ausgef. i. Moskau (1). 
—, z. Casuist. d. — b. intraligaraent. 
Ovarialcysten (14). 

—, 2 Fälle v. — b. Peritonitis (21). i 
—, d. conservative — (22). 

— b. extrauteriner Schwangerschaft 
(26). 

— b. Verletz d. Bauchhöhle u. d. 
Darmes (29). 

—, intraperitoneale Infusion b. — 
(31). 

—, z. Fr. d. Bauchnaht n. d. — (31). 
Laryngitis, üb. — syphilit u. Be- 
1 handl. m. Calomel (17). 

| Laryngoskopie, Technik d. — u. Rhi- 
! noskopie 209. 

I Larynx, Fall v. Verletzung d. Halses 
j u. d. — (23). 
i —, Atlas d. —krankh. 405. 
j —, Fall v. Sklerom d. — 497. 

; Leber, z. Behandl. d. Echinococcus al- 
! veolaris d. — 18. 

I —, Phosphor- u. Schwefelgehalt d. 
j —zellen 42. 

—, üb. primären —krebs 198. 

—, Fall v. primär. Carcinom d. — 
259*. 

—, üb. nervöse —kolik 300. 
i —, acut, gelbe — atrophie m. günst. 
Ausgang 351. 

j —, über Regeneration d. — etc. (I). 
i —, Fall v. acuter gelber —atrophie 

i (n 

! —, z. Symptomatol. d. — echinococ- 
: cus (7). 

—, Echinococcus d. — etc. (9), (25). 
—, Fall v. Ascites, Echinokokken d. 
— u. d. Peritoneum 422. 
j Leiche, Bedeut, d. —nverseifung (9). 
j Lepra, Contagiosität d. — 7. 


Lepra, d. — auf Madeira 7. 

—, bakterioskop. Befunde b. — 43. 
—, Bezieh, zw. Hantflecken u. Ner¬ 
venerkrank. b. — anaesthetica 144. 
—, ein Sectionsbefund b. — 198. 

— Blutuntersuch, b. — 365*. 

—, i. Sachen d. Bekämpf. d. — 
3t$7. 

—, z. d. Sensibilitäts-Anomal, b. — 
484. 

Leprosorien, üb. d. — i. Livland 156. 
Leukaemie, üb. — od. Leukocytae- 
mie 47*. 

—, eine seltene Complicat. d. — 165. 
—, Zusammens. d. Blutes i. ein. Falle 
v. Anaemie n. ein. solch, v. — 203*. 
—, Fall v. acut. — 361. 

—. eine n. Trauma rasch z. Tode 
führende — 412. 

Lexikon, diagnost. — f. prakt. Aerzte 
422. Real— d. medic. Propaedeu- 
tik 422. 

Licht, Einfl. d. —es auf Fäulnissmi- 
krobin (29). 

Losophan, üb. — 462., 

Luftwege, Krankh. d oberen — 216. 
Lunge, Volum d. rtickständ. Luft i. 
d. —n 42. 

—, üb. Steine d. —, d. Pleura etc. 
59. 

—, üb. —nemphysem 143. 

—, üb. —nhypostasen 177. 

—, Dämpfungen i. <L —nspitzen b. 

marant. Individ. 263, 254. 

—, Fall v. Pneumotomie b. —nab- 
scess (18). 

—, Fall v. primär. Carcinom d. — (23). 
—ntuberculose, s. Tube reu lose. 

Lupus, Autotuberculisation b. — 6 
Luxation, Fall v. — d. Zeigefingers n. 
hinten 39*. 

—, Behandl. veraltet —en d. Ellbo¬ 
gengel. 101*. 

— d. Clavicula n. vorn 183*. 

—, d. Radius n. aussen 183*. 

—, d. Tibia n. hinten (1). 

— d. Radiuskopfes n. aussen (4). 

| —, z. operat. BehandL veralteter —en 
d Ellenbogens (7). 

I —, habituelle — d. Hüftgelenkes (30). 

I Lymphe, Detritus oder —? (25). 

| Lysol, üb. — 310. 

IsjT. 

I Magen, operat. Behandl. d. —erwei- 

| terung 69. 

—, Verletz, d. Coronaarterie d. —s 
91*, 216. 

—, Fall v. Carcinom d. —s v. ein. 

Ulcus ausgehend 156. 

—, Möglichkeit ein. günst. Verlauf. 

d. —carcinoms 234. 

—, z. Diagnose u. Therap. d. — u. 

Darmkrankheiten 343. 

—, Atropin b. Hypersecretion d. 
—s 255. (7). 

—, 2 Fälle v. Leptothrix d. —s 

(Iß). 

—, z. Lehre v. d. motor. Neurosen 

| d. -s (25). 

| —, Schussverletzuug d. —s (28). 


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IX 


Magen, Allgem Diagnostik u. The- j 
rapie d. — krankheit. 18. 

—, Fall v. idiopath. — abscess u. 

Fall v. subphren. Abscess 373*. 

—, üb. 4. —douche 386. 

—, d. qnantit. HCl-Bestimm, d. — 
inhaltes 430. 

—, üb. d. HCl-Secretion d. —s 
Geisteskranker 433. 

—, Fall v. Anadenie'u. Cirrhose d. 
—s 444. 

—, s. ä. Pyloroplastik. 

Malaria, Diagnose verschied. Mikro- j 
Organismen d. — u. Behandl. m. j 
■ Alaun (11). 

—, Blutparasiten b. — (21). 

—, diagnost. Bedeut, d. —parasiten 
(23). 

—, üb. Blutuntersuch, b. — (25). 

—, 2 . Diagnose d. unregelmäss. u. 

4 tägigen — (26). 

Malleus, Fall v. — b. Menschen 
(26). 

Malzextract, d. diStet. Werth d. —e 
(11). 

Masern, üb. ein. Bacillus i. Blut v. 
—kranken 164. 

—, Fall v. Psychose i. Prodromal- 
stad. d. — (21). 

Massage, Handb. d. — 8. 

—üb. gynaekol. — n. Thure- 
Brandt 52. 

—, Behandl. d. Prostatahypertrophie 
m. — 216. 

—, Gefahren d. — 217. 

—, d. Schleimhäute b. chrou. Er¬ 
krank. d. Nase etc. 233. 

—, Cursus d. — u. Heilgymnastik 
320. * 

—, üb. — d. Prostata (18). 

—, b. Fracturen (21). 

Mastkur, üb. d. — b. Sexualleiden 
115. 

Mediastinitis, z. Symptomatol. d. 

fibrösen — 277*, 285*. 

Medulla oblongata, üb. d. Striae 
acust. s. medull d. — (17). 
Melaena neonatorum, Fall v. — 
166. 

Melanose, Fall v. multipler — (14). 
Menstruation. Mineralbäder während 
d.— (30). s. a. Amenorrhoe. 
Mentholisator (27). 

Milch, sterilisirte — 80. 

—, Unterdrückung d. — secretion 
108. 

—, Galega als —treibendes Mittel 
166. 

—, infect Enteritis n. Genuss un¬ 
gekocht — 208. 

—, als Chirurg. Verbandmittel 247. 
—kur in ein. Falle v. Dilatat. d. 
Herzens 291. 

—, Wirk. d. —kur b. Herzschwäche 
303*. 

—, Verwandl. d. Eiweiss i. Harn i. 
Propepton u. Albumose b. d. 
—kur 344. 

—behandl. <L Skorbuts (1). 

—, Stickstoff-Aufnahme u. —Um¬ 
satz b. Genuss roher u. sterilisir- 
tel- - (1). 


Milch, Assiinil.it. b. —diät u. Einfl. 
v. Kalkwasser (11). 

, Einfl. d. Cognacs auf d. Assimi- 
lat. b. —diät (25). 

—, üb. d. Mittel, gesunde — f. d. 

Städte z. erhalten (36). 

—, Bakteriengehalt sterilisirter — 361. 
Milchdrüse, Fall v. —ngangfistel (32). 
Milz, diagnost. Werth d. —punction 
b. Typhus abdom. 154. 

—, üb. -^-abscesse (7). 

—, d. solitäre Echinococcus d. — 
(8), (14). 

Milzbrand, z. Behandl. d. —es 196. 
—, Immunität geg. —• 232. 

—, z. Lehre v. — (2). 

—, 2 Fälle v. Infection m. — (33). 
—, z. Behandl. d. —es 477. 
Mineralwässer, d. -— d. Tambow'- 
schen Gouv. (10). 

Missbildung, Fall v. — (13). 

—, Fall v. — u. Verletz, d. Mutter 
währ. d. Schwangersch. (33). 
Morbilli, s. Masern. 

Morbus Basedowii, pathol. anat. Be¬ 
fund b. — 137. 

- , z. pathol. Anat. d. — 164. 

—, üb. d. — 233. 

Morphinismus, z. Fr. v. — etc. (29). 
Mortalität, d. — i. Dorpat 357*. 
Mumps, s. Parotitis. 

Muskel, s. Myositis, Polymyositis. 
Muskelatrophie, üb. — (Dystrophia 
muscul. progr.) 5. 

—, 1 . Lehre v. d. progr. neurot. — 
70. 

—, Fall v. progress. — (Pseudo¬ 
hypertrophie) 116. 

—, Fall v. progress. —, syringoraye- 
lit. Ursprungs 333*. 

Mutterkorn, üb. d. — u. d. Mittel z. 

seiner Bekämpf. (35). 

Myelitis, Fall v. — lateralis amyo- 
troph. etc. (7). 

Myomektomie, — a. einer Schwan¬ 
geren 92*. 

Myomotomie, 2 Fälle v. — 166. 

—, Nachweis v. Bacillus coli i. Se- 
cret n. — 167. 

—, üb. 7. Hystero — n. (14). 
Myopie, operative Behandl. hochgra¬ 
diger — 235. 

Myositis syphilit diffusa 41. 

—, ossificans multiplex 43, s. a. 
Polymyositis. 

Myxoedem, Blutuntersuch, b. — 42. 
—, Fall v. gelung. Implantat, d. 
Thyreoidea weg. — 434. 

IN. 

Naphtalin, — klysmen gegen Oxyu- 
ris 210. 

—, b. Keuchhusten 263. 

Nase, üb. adenoide Vegetationen d. 
— 60. 

—, Europhen b. — krankh. 62. 

—, Galvanokaustik L d. - 198. 

—, Krankh.- u. Behandlungslehre d. 

—n., Mund- u. Rachenhöhle 271. 
—, 9 . a. Ozaena, Rhinitis, Rhino¬ 
plastik. 


Nase, üb. d. perforir. Geschwür d. 
knorpel. —nscheidewand 427*. 

—, Sarkom d. — m. Pyoktanin be¬ 
händ. 443. 

Natrium bicarbonicum, Einfl. d. — 
u. citricum auf d. N-Umsatz (35). 

Natrium cantharidinicum auf Granu¬ 
lationen 198. 

Natrium dithiosalicylicum als Anti- 
rheumaticum 198. 

Natrium salicylicum b. Pleuritis 175. 

—, b. Gallensteinen (12). 

Natrium sulfuricum, — b. Dysen¬ 
terie 477. 

Nephritis, z. Prophylaxe <L —scarla- 
tinosa 164. 

—, üb. innere Blutung b. gravidarum 
386. 

Nerv, Heilwirk. d. Elektricität b. 
—en- u. Muskelleiden 263. 

—, Endigung, d. —en i. d. Tastkör¬ 
perchen (1). 

—, Veränder. d. centr. Theiles moto¬ 
rischer —en b. Läsion d. per.pher. 
(29). 

Nervensystem, üb. d. toxischen Er¬ 
krankung. d. —s 18. 

—, üb. einige neuere Forschung, i. 
<L Anat. d. Central —s 247. 

—, Vorles. üb. d. Bau d. Central—s 
321. 

Nervus facialis, doppelseit. Lähmung 
d. — u. Taubheit u. Trauma (12). 

Nervus hypoglossus, üb. d. Ursprung 
d. — 167. 

Netzhaut, opbthalmosk. Bilder einig. 
—erkrank. 60. 

—, Fall v. Embolie d. Ceutraiarte- 
rie d. — 291, s. a. Retinitis. 

Neuralgie, d. —n u. ihre hydriatr. 
Behandl. 320. 

Neurasthenie, d. object. Zeichen d. 
— 252. 

Neuritis, Fall v. alkohol. — 73. 

Neurose, z. Lehre v. d. traumati¬ 
schen —n (26). 

Niere, üb. erworbene Cysten — 
198.' 

i —, Fall v. erworben. Cysten — 
24l*. 

j —, Fall v. congenit. Mangel d. — 
i (4). 

—, doppelte Pelves u. Ureteren d. 

~ (4). 

—, s. a. Albuminurie, Hydropyone- 
phrose, Nephritis, Pyelonephritis. 

Nierenstein, Fall y. —exstirpation 

(7.) 

—, üb. d. Behandl. d. —e (7). 

Nishni-Nowgorod, sanitär. Verhöltn. 
auf d. Jahrmarkt i. — (34). 

o. 

Oberdöbling, Privatheilanstalt zu — 
135. 

Obstipation, diätetische Behandl. d. 
habituellen — 22. 

Oedem, Fälle v. acut, angioneurot. — 
223. 

—, Entleerung subcut. —e 274. 

Oesophagitis dissecans superfic. (21). 


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X 


Ohr, Behandl. d. chron. —eiterung 
(Otorrhoe) rn. ein. Borverbindung. 
209. 

—, Dermatol b. Eiterung, d. —es 
(21). 

—, s. a. Otitis, Paukenhöhle, Trom- ; 

melfell. , 

Ohrenkrankheiten, einige operirte ; 
Fälle v. — 186. 

—, üb. Chirurg. Eingriffe b. — 234. 
Onychia syphilitica, Fall v. — 80. 
Operationslehre, Chirurg. — 422. 
Operationssaal, Alkoholbehälter f. d. 

— 130*, 216. 

Opium, Einfl. d. —alkaloide auf d. 

Darmbewegung. 184. 

Optographie, d. — i. gerichtsärztl. 
Bezieh. (33). 

Optometer, ein neues — (Refrac- 
tions-Binocle) 191*. 

Osteomyelitis, Fall v. multipl. — 
135. 

Otitis. Influenzabacillen b. — media 
255. 

Ovariotomie, Fall v. — 43. 

—, 11 —n (22). 

Ovarium, Entfern, d. — (Oophorek¬ 
tomie) b. Hystero-Epilepsie 216. 

—, Erfolge d. operat. Behandl. d. 

Flimmerpapillarcystome d. — (13). 
—, z. Casuist. d. Laparotomie b. 

intraligament. Cysten d. — (14). 

—, doppelseit. Hernie d. — (22). 
Oxyuris, Naphtalin Klysmen gegen 

— 210 . 

Ozaena, Ausspül. u. Massage b. — 
137. 

Ozon, Wirk. d. —s auf Bakterien 
(8). 

3?. 

Pachymeningitis, Fall v. — geh. 

durch Trepanation (23). 

Pankreas, Diabetes n. —exstirpation 
108. 

—, Fall v. Carcinom d. — 272. 

—, üb. multipl. — u. Fettnekrose 
420. 

Papierfabrik, Norbidität d. Arbeiter 

a. d. —en (32). 

Paraldehyd, Vergift, d. — 321. 
Paralyse, Fall v. progress. —, anti- 

syphilit. behänd. 464. 

Paranoia, üb. — 235, 336. 
Paratyphlitis, s. Typhlitis. 

Parotitis, Erkrank, d. Thränendrüse 

b. — 377. 

Patella, z. Behandl. d. —fracturen 
126). 

—, z. Anat. u. Therap. d. —brüche 
459*. 

Pathologie, Lehrb. d. speciell. — u. 

Therapie d. inn. Krankh. 497. 
Paukenhöhle, Larven i. d. — d. Jodo¬ 
form ausgetrieben 321. 

Peliosis rheumatica, üb. — 97. 141* 
(26). 

Penis, Gangraen d. — n. Influenza 
213*. 

Pensionskasse, — Livland. Aerzte 344. 
—, d. Aerzte Estlands 387. 


Percussion, — u. Auscultation au 
Kindern (10). 

Perinäum, Pcrinäoplastik, s. Damm. 
Peritoneum, Fall v. Ascites, Echino¬ 
kokken d. Leber u. d. — 422. 
Peritonitis, z. Behandl. d. allgem. 
eitrig, jauch. 80. 

—, z. different. Diagnose d. — u. d. 
Ileus 96. 

—, subacute eitrige — trauraat. 
163*. 

—, 2 Fälle v. Laparotomie b. — 
(21). 

—, Fall v. sero*fibrinös. — n. In¬ 
fluenza (23). 

Perityphlitis, s. Typhlitis. 

Pes varus, Fälle v. m. Knochenex¬ 
stirpation operirt. — 166. 

—, z. Operat. d. — (14). 
Petro-Alexandrow'skaja, medic.-topo- 
graph. Skizze v. — (Amu-Darja) 
(10). 

Pharmakognosie, — d. Pflanzenreichs 
144. 

Pharmakologie, Vorles. üb. — 116. 

—, — d. neueren Materia raedica 
(engL) 405. 

Pharynx, Fall v. Lähmung d. — 65. 
—-, üb. syphilit. Narbenstenosen d. 
- (18). 

Phlegmone, Behandl. d. —n 108. 
Phosphor, Elasticität d. Arterien b. 

—Vergiftung 299. 

Phthisis, s. Tuberculose. 

Pichi, s. Fabiana imbricata. 
Pikrinsäure, Anwend. d. — z. Nach¬ 
weise v. Alkaloiden (83). 
Pikrotoxin, b. Epilepsie 10. 

Placenta, partielle Verwachs, d. — 
m. d. Uterus etc. (11). 
i Platin-lridium-Cantilen f. Subcutan- 
| spritzen 62. 

Pleura, Chirurg. Behandl. d. —empyems 
65. 

—, üb. primär. Endothelkrebs ( Lymph- 
angit. prolif.) d. — 420. 

—, d. Erkrank, d — 463. 

Pleuritis, Behandl. d. serösen — m. 

salicyls. Natron 175. 

—, Fall v. — etc. (15 J. 

—, z. Therap. d. serösen — (Anti- 
pyr. Antifebr.) (27). 

Pneumococcus, üb. d. — währ. d. In¬ 
fluenzaepidemie (25). 

Pneumonie, prognost. Bedeut, d. Leu- 
kocytose b. croupöser — 164. 

—, Digitalin b. — 186. 

—, z. Digitalisbehandl. d. — 246. 
—, Fall v. — m. Gelenkaffection 
262. 

—, Fall v. croupöser — m. unre- j 
gelm. Verlauf (26). 

—, Influenza u. — i. Charkow (26). 
—, üb. d. sog. pseudolobäre — (30). 
—, üb. d. —n d. kleineu Kinder 
(31). 

—, z. Diagnost. d. — b. kleinen 
Kindern (31). 

—, Ber. üb. 20 Fälle speciflsch be¬ 
handelt — 421. 

Pocken, —Sterblichkeit ü. unentgelt. 
Impfung, i. Riga 9. 


I Pocken, z. Behandl. d. — 361. 
j Poliomyelitis, Fall v. chron. — (12). 
Polykymographion (25). 

Polymyositis, z. Kenntn. d. prim, 
acut. — 176. 

Polyneuritis, Steiger, d. Reflexe b. 

- (26). 

Prostata, Massagebehandl. d. — hy- * 
pertrophie 216. 

— Fall v. Carcinom d. — 272. 

—, üb. Massage d. — (18). 
Prostitution, d. — i. St. Petersburg 
etc. (32). 

Protokolle d. Vereins St. Petersbur¬ 
ger Aerzte 21, 66, 78, 86, 97, 
116, 135, 166, 165, 177, 198, 
216, 395, 422, 443, 453, 464, 497. 

—, d. deutschen flrztl. Vereins i. St. 
Petersb. 247, 263, 262, 272, 433, 
442, 497. 

—, d. Gesellsch. prakt. Aerzte zu 
Riga 80, 87, 126, 136, 145, 166, 
176, 185, 234, 336, 464, 474. 

—, d. Dorpater roediciu. Facultät 

19, 115, 135. 

—, d. Dorpater medicin. Gesellsch. 

20, 42, 62, 95, 216, 224, 281, 
290. 

—, d. Iivländ. AerzteUges 8, 34, 43, 

53, 60, 106, 337, 361. 

Psoriasis gyrata (19) 

Psychiatrie, Vorles. üb. — 134, 
432. 

Psychose, z. Aetiol. d. puerper. — 

( 21 ). 

—, Fall v. — i. Prodromalstad. d. 
Masern (21). 

—, period. Neuro— auf hystero- 
degenerat. Grundlage (25). 

Pterygium, z. Operat. d. — (Trans¬ 
plantat.) 444. 

Ptomain, Einfl. d. Temper, etc. auf 
d. Bild. v. —en (10). 

Puerperalfieber, Bedeut, d. Väginal- 
| secrets f. d. — 126. 

! Puls, Bezieh, zwisch. —, Athmung 
u. Wuchs (31), s. a. Tachykardie, 
Bradykardie. 

Pulses differens, üb. d. —als Sympt. 
d. Stenose d. Ost venös, sin. 
CH). 

Pustula maligna d. Augenlides (23). 
Pyaemie, Fall v. multipl. krypto- 
genet. — 129*, 216. 

Pyelonephritis, anat. u. bakteriol. üb. 

— 404. 

Pyloroplastik, Fälle v. — m. günst. 
i Ausg. 443. 

Pyoktanin, üb. d. Wirk. d. — (F7). 

—, — b. Diphtheritis etc. 434. 

| —, Behandl. v. Sarkomen ra. — 186, 
448, 458. 

< 2 *. 

Quarantäne, d. — i. d. Türkei u. 
Aegypten etc. (34). 

IR. 

Ranula, z. Therap. d. — (31). 
Recepttaschenbuch, klin. — 186. 


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■—^ jtay<rc3jo-€^' _^t . - */^i ettyns ( 23 ). 

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—.j -*-&<£ftnim+Jk*'', ^IZ'. )^>*vrrt4^U//Ct^ 

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</Yc*a/rrri-aunms / ~^~ YSr, 

^f/ayo- (/ff 

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fo&rv-üyu (ffj. 

Sif ior. 

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$f<>4vnjut^’ 4~. *£ded6&£4^a<-' 

(//*/' 

Cf^ 

*c. i/n 

foy-toj/ct/temr *• • Z^na/cxn'/tx./. 

^Orn^^JkAt-yiy , t. i~ /(/. 

fl- 

«/’+cc'/j- 1 //• 

^offjßsc/joo' (/fj. 


for+t&yhr (fj- 

afcw/rXvigtsr ff ^-Zf. 

(lj. 

, ßf -f- t$5~. 
fontt J. -t /ff- 

f<z<£ nt. 

^o<cfu/z^ nr^/fc/L fj. 

3 V 1 /; 

< ff CÜYHJvttc/us/,tno-' (^J / O^J ' 

$tf*r ^ 

^»M2 nV//y /Yi • 

, < 4 , / YfS 

<£+c<&ot&^fs' @rj' 


//* / Yf} *? 

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t/c<ytnaot-n^ (//''/ (f 

/fri-foY-cno-' (ij. 

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/ • ~y~ /3s . 

c&>YCeJ/e-, ■/ Yjy. 

c f**-ea/vHjffY-' (33j. 

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xvii. jahroang. ST. PETERSBURGER Nei, ° Folge IX. Jahrg. 


KEDICIIISCI1 VOOnnOIUR 


unter der Redaction von * 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 

Die <St. Petersburger Mediclnisv.be Wochenschrift» erscheint jeden ! AhonneSie&tl*Aufträge sowie alle Xnier&te '*W 

Sonnabend. — Der Abonnettentiprei* ist in Bueiltnd 8 Rbl. Cär das , bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von ÖWl Äiölter in 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. I’ostzustellung; in den anderen | St. Petersburg, Newsky-ProspectM 14, eu richten — XanUlcrlftf 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xmertionipreil sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man au 
filr die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfeun.—Den den geschSftsführendeu Redacteur Dr. Theodor Ton 8chrSdar iu 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— St. Petersburg, Malaja Italjauskaja J4 33,Quart. 3, zu richten. Sprech* 
Referate werden nach dem Satze von 1‘6 Rbl. pro Bogen honorirt. | stunden täglich von 2— 4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 

n i St. Petersburg, 4. (16.) Januar 1892 


Inhalt: Prof. Karl Dehio: Ueber Bradycardie und die Wirkung des Atropin auf das gesunde und kranke menschliche 
Hers. — Referate: P. Ehrlich: Aus dem Institut für Infectionskrankheiten: Experimentelle Untersuchungen über Immu¬ 
nität. II,'Ueber Abrin. — H. Leloir: Ueber die nach Impfling mit eitererregenden Mitteln entstehenden Hautkrankheiten. — 
W. Erb: Dystrophia muscularis progressiva. — Tizzoni: Beitrag znm Stadium der Ausscheidungswege des Staphylococcns 
pyogenes aurens. — P. G. Unna: Ueber Autotubercalinisation beim Lupus. — Heese: Ueber die Beziehungen des Sympathien» 
zum Auge. — Eugen Arendt: Ueber die Anwendung der Elektricitfit in der Gynaekologie. — P. G. Unna: Der Dampf- 
trichter. — Bücheranzeigen und Besprechungen: 1. A. v. Bergmann (Riga): Zur Contagiosität der Lepra. 2. J. Gold¬ 
schmidt: Die Lepra auf Madeira. -- Emil Klein: Handbuch der Massage. — Protokolle der Sitzungen des III. livliin- 
dischen Aerztetages in Walk. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — 
Vacanz. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Artzeigen. 


ABONNEMENTS-AUFFORDERUNG. 

Die St. Petersburger 

Medtctnfcetie Wochenschrift 

wird auch im Jahre 1892 unter der jetzigen Redaction und 
nach dem bisherigen Programm erscheinen. Sie bleibt ihrer 
Aufgabe getreu, ein Organ für praktische Aerzte zu sein und 
"letztere durch Originalarbeiten sowohl als dusch Referate 
und Besprechungen neu erschienener Werke mit den Ergeb¬ 
nissen zeitgenössischer medizinischer Forschung bekannt zu 
erhalten. — Wie bisher werden die wissenschaftlichen Ver¬ 
handlungen der Dorpater med.Facnlt&t in der Wochenschrift 
erscheinen und wird dieselbe als Organ nachstehender Vereine 
und Gesellschaften fortfahren mit der Veröffentlichung der 
Protokolle des allgem. Vereins 8t. Petersburger Aerzte, 
des ÖL Petersburger Vereins deutscher Aerzte, der Ge¬ 
sellschaft praktischer Aerzte sn Biga, der medioini- 
scben Gesellschaft sn Dorpat nnd der Gesellschaft lhr- 
l&ndisoher Aerzte. — Besondere Aufmerksamkeit wird die 
Wochenschrift auch fernerhin der russischen medicinisohen 
Literatur widmen und in gleicher Weise, wie im vorigen Jahre, 
' auch weiterhin dnrch fortlaufende Referate über alle wichti¬ 
geren in russ. medioin. Journalen erscheinenden Ar¬ 
beiten, sowie über die Verhandlungen russischer medioini- 
sober Gesellschaften, den mit der russischen Sprache nicht 
vertranten Fachgenossen die Einsicht in diese stetig an Be¬ 
deutung gewinnende Literatur ermöglichen. — Der Abonne¬ 
mentspreis ist incl. Zustellung in Bussland 8 RbL für das 
Jahr, 4 Rbl. für ein halbes Jahr; in den anderen Ländern 
20 Mark für das Jahr, 10 Mark für ein halbes Jahr. Abon¬ 
nements-Aufträge bittet man an die Buchhandlung von 0. 
BJoker in St Petersburg, Newsky-Prospect Nr. 14, Manu- 
scripte sowie alle anf die Redaction bezüglichen Mittheilnn 
gen an den geschüftsführenden Redacteur Dr. Theodor von 
Sehr öder (Malgja Italj&nskaja, Haus 38, Quart. 3) zu richten. 


| Uebtr Bradycardie und die Wirkung des Atropin 
i auf das gesunde und kranke menschliche Herz. 

Von 

Prof. Dr. Karl Dehio 
in Dorpat. 

(Ein anf der Versammlung der deutschen Naturforscher und 
Aerzte (Sectioa für innere Medicin) im September 1891 zu 
Halle a. S. gehaltener Vortrag). . ' 

M. H. Die Verlangsamung der Schlagfolge des Herzens 
hat als eine pathologische Veränderung der normalen 
Herzthätigkeit bei den Engländern und Franzosen schon 
seit längerer Zeit Beachtung gefunden, während in Deutsch¬ 
land erst in den letzten Jahren durch die Arbeiten von 
Grob *) und F. Riegel 3 ) die ärztliche Aufmerksamkeit 
auf dieselbe gesenkt worden ist. 

Dfe genannten Autoren haben das Verdienst, auf Grund 
eines grossen klinischen Materials alle diejenigen physio¬ 
logischen Zustände und pathologischen Vorgänge zusattl- 
mengestellt und in Gruppen gesondert zu haben, bei wel¬ 
chen eine auffallende Verlangsamung der rhythmischen 
Herzthätigkeit beobachtet worden ist. Grob (1. c.) hat 
hierfür die Bezeichnung « Bradycardie»vorgesohlagen, welche 
rasch nnd allgemein acceptirt worden ist. Riegel rechnet 
hierher alle Fälle, bei denen das Herz weniger als 60 
Schläge in der Minute ausfuhrt, doch existiren Beobach¬ 
tungen, bei denen die Herzfrequenz auf 30, 15, ja 
8 Schläge in der Minute reducirt gefunden wurde. 

Ueberblickt man die bunte, von den genannten Au-< 
toren gegebene Casnistik der Bradycardie, so drängt sich 
unwillkürlich die Ueberzeugung auf, dass die Ursachen 
dieser eigenthümlichen Veränderung der Herzthätigkeit 
nichts weniger als einheitlicher Natur sind. Ein Jeder 
von Ihnen hat schon die Pnlsveriangsamung bei Apo¬ 
plexia cerebri, Basilarmeningitis und raumbesohrinkenden 

l ) Grob. Ueber Bradycardie. Deutsch. Aich. f. kliu. Medic, 
, Bd. 42. - 1888. 

i 3 ) F. Riegel. Ueber Verlangsamung der Schlagfolge de« 
I Herzens. ZeTtschr. f. klin. Medic. Bd. 17. — 1890. 


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Hirntumoren beobachtet und dieselbe in diesen Fällen 
auf die directe oder reflectorische Reizung des pulsver¬ 
langsamenden, in der Medulla oblongata gelegenen Vagus- 
centröms bezogen. Eine analoge Erklärung finden Sie bei 
schmerzhaften Affectionen der Bauch- und Unterloibs- 
organe selbstverständlich; anders dagegen, wenn Sie 
die Bradycardie bei einem Individuum beobachten, das 
an einem chronischen Herzfehler leidet; hier liegt die 
Annahme gewiss nahe, dass die Ursache derselben nicht 
im centralen Nervensystem, sondern im Herzen selbst 
gelegen ist. In den angeführten Beispielen ist die Ent¬ 
scheidung leicht; wenn Sie jedoch andere Fälle, z. B. 
die Bradycardie im Wochenbett, oder während der ße- 
convalescenz nach einer Pneumonie oder einer sonstigen 
acuten fieberhaften Krankheit ins Auge fassen, so werden 
Sie mir zugeben, dass Ihnen alle Anhaltspuncte mangeln, 
um zu entscheiden, ob es sich um einen krankhaften Zu 
stand des Herzens selbst, oder um eine, vielleicht durch 
Hirnanämie bedingte Reizung des medullären Vaguscen¬ 
trums handelt, und ebenso verhält es sich mit der zu¬ 
weilen. beobachteten Bradycardie der Chlorotischen, sowie 
in vielen anderen Fällen, mit deren Aufzählung ich Sie 
nicht ermüden möchte. Immer drängt sich uns die Frage 
auf, ob die Ursache der Bradycardie ausserhalb des 
Herzens oder in demselben liegt, ob dieselbe extracar- 
dialen oder cardialen Ursprunges ist. Diese letztere, 
die cardiale Bradycardie, wie ich sie nennen möchte, 
wird mich hier hauptsächlich beschäftigen. 

Es lässt sich nun a priori erwarten, dass die Frage, 
ob es sich in einem gegebenen Fall von Bradycardie um 
eine Reizung des herzverlangsamenden Vagussystems oder 
um eine Affection des mehr automatischen motorischen 
Apparates des Herzens selbst handelt, mit Hülfe des 
Atropin entschieden werden kann. Da dieses Alkaloid die 
im Herzen gelegenen Endigungen der Vagusfasern lähmt, 
so bedarf es nur einer subcutanen Atropininjection, um 
über die Natur der Bradycardie ins Klare zu gelangen, 
ln allen den Fällen, wo die Bradycardie auf einer Rei¬ 
zung des bulbären herzverlangsamenden Vaguscentrums 
oder der zugehörigen cardialen Vaguszweige beruht, und 
somit extracardialen Ursprunges ist, da wird dieselbe 
durch eine Atropininjection zum Schwinden gebracht 
werden müssen. Thatsächlich ist dem auch so, wie z. B. 
folgende Beobachtung beweist: 

Fall I. Am 4. März 1891 wurde ich zu einem 26jährigen 
Kandidaten der Philologie gerufen, welcher eine Stunde vorher 
bei völligem Wohlsein von einem anoplectifonnen Insult be¬ 
troffen worden war Ich fand ihn in leichter Somnolenz dalie¬ 
gend, jedoch noch im Stande, meine Fragen zu beantworten, 
und über heftige Schmerzen in der rechten Schläfe klagend. 
Parese der linkon Gesichtshälfte und des linken Armes, fast 
vollständige Lähmung des linken Beines. Die Sensibilität der 
linken Körperhälfte herabgesetzt. Pulsfrequenz normal. In den 
folgenden drei Tagen steigerte sich die Benommenheit zu voll¬ 
kommenem Sopor und der Puls sank auf 48 Schläge in der 
Minute. Herzdämpfung normal, Töne rein. Ich irgiclrte nun 
0,0016 Atropin, sulf. subcutan, und der Erfolg davon war, dass 
der Puls nach dreissig Minuten von 48 auf 144 Schläge in 
der Minute gestiegen war. Zwei 1 age später starb Patient 
in tiefem Koma. Die Section ergab eine frische Thrombose 
der rechten Arteria fossae Sylvii mit weisser Erweichung des 
rechten Linsenkerns und eines Theils des Thalamus optic. und 
der Capsola int. Das Herz anscheinend gesund. 

Ich habe den Fall zum Beweise dafür angeführt, dass 
extracardiale Pulsverlangsamungen, die vom 
Gehirn ausgehen und auf Vagusreizung beruhen, 
beim Menschen ebenso durch Atropin gehoben 
werden, wie im Thierexperiment. 

Es fragt sich nun, wie sich die Sache bei Brady- 
cardien cardialen Ursprungs gestaltet. Auch hier 
habe ich Untersuchungen am Menschen angestellt, die ich 
Ihnen referiren möchte. 

Fa 111 II. Es handelt sich um einen 74 Jahre alten Herrn 
der sich stets einer guten Gesundheit erfreut haben will. Vor 
4 Jahren stürzte er plötzlich auf einem Spaziergang ohne 
iftglirh« bekannte Ursache ohnmächtig zusammen:, nach ein 


Paar Minuten kehrte das Bewusstsein wieder, und damals ist. 
zum ersten Mal eine auffallende Langsamkeit des Pulses bei 
ihm constatirt worden, jedoch mag dieselbe schon lange Jahre 
vorher bestanden haben. .Seit dieser Zeit hat die Pulsfrequenz 
constant zwischen 24 und 36 Schlägen in der Minute betra- 
en. Solche Ohnro&chtsanfälle haben sich seitdem etwa 6 bis 
Mal jährlich in unregelmässigen Zwischenräumen wieder¬ 
holt, sind jedoch nie von Kopfschmerzen oder hemiplegisehen 
Symptomen begleitet gewesen. Während eines zweimaligen 
Winteraufenthaltes in Nizza hat er sich recht wohl gefühlt 
und die Ohnraachtsanfälle sind leichter gewesen, aber doch 
zuweilen wiedergekehrt. Vor einer Woche ist ihm in Dorpat 
eine alte Hydrocele durch Punction und nachfolgende Joain- 
jection opetirt worden. Einen Tag bevor ich ihn sah, bückte 
Patient sich nach dem Nachtgeschirr und während des Urini- 
rens im Stehen entstand plötzlich ein unbeschreibliches 
'himmlisches* Gefühl im Kopr, gleich darauf schwand das Be¬ 
wusstsein und Patient stürzte auf der Diele zusammen, wobei 
er sich den Arm zerschnnd und das Nachtgeschirr in Trümmer 
ging. Nach wenigen Secunden kehrte das Bewusstsein ziuiick. 
und Patient fühlte sich wieder ganz wohl. 

Am 10. Nov. 1889 habe ich den alten Herrn untersucht. Ich 
fand einen guten Ernährungszustand, ganz geringes, pralles 
Oedem der Unterschenkel; geringe Kurzathmigkeit, sonst 
keine Herzbeschwerden. Er empfindet nicht das Schlagen des 
Herzens j der Radial- und Carotispuls beiderseits gleich, rhyth¬ 
misch, ziemlich voll, die Frequenz beträgt 2o Schläge in 
der Minute; am Herzen ist dieselbe Anzahl von 8chlägen zu 
hören. Trotz einer geringen emphysematischen Erweiterung 
der Lungengrenzen reicht die kleine Herzdämpfnng bis zur 
linken Mamillarlinie; der Spitzenstoss weder sicht- noch fühl¬ 
bar. An der rechten Seite des Sternum zwischen der 1. nnd 
3. Rippe eine deutliche, 2—3 Finger breite Dämpfung. Der 
erste Herzton überall recht dumpf und rauh; der zweite Ton 
überall deutlich nnd rein, über der Pulmonalarterie ein wenig 
verstärkt. Am innern Ende des 2. rechten Intercostalraumes, 
sowie an den Carotiden ein blasendes, systolisches Geräusch. 
Die Leber nicht nachweislich vergrössert, kein Ascites; im 
Urin Spuren von Eiweiss, aber keine Hamcylinder zu finden. 
Durch eine Injection von 0,5 Milligr. Atropin sulf. 
wurde die Pulsfrequenz von 28 auf 33 Schläge in der 
Minute gesteigert. — Der Kranke reiste auf sein Landgut 
zurück, woselbst er sich bis vor einem Jahr, wo ich die letzten 
Nachrichten über ihn erhielt, bei einem Pulse von 32—36 
Schlägen in der Minute recht wohl gefühlt und keine Ohn¬ 
machtsanfälle mehr gehabt hat. 

Es handelt sich also vermuthlich um ejne Hypertrophie 
und Dilatation des linken Ventrikels, allgemeine Arterio¬ 
sklerose mit Dilatation der Aorta ascend. und skleroti¬ 
scher Induration der Aortenklappen. Gleichzeitig Brady¬ 
cardie mit eigenthümlichen Ohnmachtsanfällen. Der Effect 
der Atropineinspritzung war fast Noll, jedenfalls viel ge¬ 
ringer, als er bei einem gesunden Herzen hätte sein 
müssen. 

Fall III. betrifft einen Mann von 48 Jahren, welcher vor 
25 Jahren an acutem Gelenkrheumatismus erkrankte nnd seit¬ 
dem noch fünfmal von dieser Krankheit heimgesucht worden 
ist. Der letzte Anfall derselben erfolgte vor vier Jahren und 
fesselte ihn zwei Monate ans Bett. Seitdem ist ein Herzfehler 
nachgeblieben, infolge welches Patient bei stärkeren Bewe¬ 
gungen kurzathmig ist und leicht Herzklopfen bekommt. Zu¬ 
weilen, besonders des Abends und Nachts, treten ohne be¬ 
kannte Ursache Schmerzen und Druckgefühl in der Herzge¬ 
gend mit gleichzeitiger Athemnoth auf, was Patienten sehr 
quält und ihn veranlasst, die Nächte dann wachend im Lehn¬ 
stuhl zu verbringen. 

Am 7. März 1891 untersuchte ich den Kranken nnd fand 
einen hagern, etwas bla sen Mann, mit leichter Andeutung von 
Kolbentingern, jedoch keine Cyanose, keine Oedeme; ganz ge¬ 
ringe Albuminurie, jedoch keine pathologischen Formelemente 
im Urin; Patient giebt an, in den letzten Jahren nie mehr 
als 50 Pulsschläge in der Minuie gehabt zu haben. Gefäss- 
system: die peripheren Arterien geschlängelt, rigide und auf¬ 
fallend weit; keine Pulsation in der Fossa jugnlaris, keine 
Ueberfüllung der Halsvenen: der Puls ist auffallend kräftig, 
von hoher Welle, äqual, tardus und auffallend langsam; das 
Herz macht, was ich auch mit dem Stethoskop controllirt 
habe, 50—52 Schläge in der Minute. Der Spitzenstoss im 
V. ICR. 2 Finger breit über die linke Mamillarlinie hinaus 
fühlbar; die Herzdämpfung dem on sprechend nach links, aber 
nicht nach rechts vergrössert. Ueber dem Ostium Aortae ein 
systolisches und ein diastolisches Geräusch, letzteres über das 
ganze Sternum verbreitet und gegen das Ende der Diastole 
immer leiser werdend. An der Herzspitze sind gleichfalls beide 
Geräusche hörhar; an keiner der genannten Stellen ist ein 
deutlicher erster oder zweiter Ton wahrzunehmen. Ander Ca¬ 
rotis ist das herzsystolische Geräusch sehr laut, das herzdia- 


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vtoliSche nur ftussent leise, lieber der Pnlmoualarterie ist neben 
den fortgeleiteten Geräuschen ein reiner zweiter Ton zu be¬ 
merken. Geringe Albuminurie, Leber ^cht deutlich ver- 
RTöaserL 

Eine Injection von 1,0 Milliirr. Atropin hat auf die Puls¬ 
frequenz gar keinen Einfluss; eine Stunde später stellt sich 
Trockenheit des Mundes und Durst ein. — Am 8. März liess 
ich Patienten das Bett hüten und machte ihm am Vormittag 
eine Injectjion von 1,8 Milligr. Atropin sulf. Der Puls 
betrug vor der Injection 39—40, und stieg 38 Min. 
nachher auf 46, um dann wieder allmählich auf 
40 Schläge in der Minute zu sinken. 

Ich lasse die sphj gmographischen Pulscurven folgen; dieselben 
sind mit dem Duageon’schen Sphygmograph bei schwacher 
Federspnnnung aufgenommen. 



^Ohne Atropin. Puls JO in der Minute. | 



37 Minuten nach der Injection von 1,8 Mgr. Atropin. Puls 
45 Schläge in der Minute. Dass die Pulswellen auf der ersten 
Cnrve kürzer erscheinen als auf der zweiten, beruht auf dem 
ungleichen Gange des Apparates. 

Den ganzen Tag nach der Injection hat Patient nicht gut 
in der Nähe sehen und lesen können und starke Trockenheit 
im Munde gehabt, sich aber sonst ganz wohl gefühlt. Die 
folgende Nacht hat Patient besser geschlafen als gewöhnlich 
und sich den folgenden Tag frischer gefühlt als sonst. 

Es handelte sich also tim eine noch ziemlich gut com- 
pensirte Insuffizienz und Stenose des Aortenostium mit 
leichten Anfällen von cärdialem Astlima, und um Brady- 
cardie, bei der durch Atropin keine Beschleunigung des 
Pulses bewirkt werden konnte. 

Der collegialen Gefälligkeit der Herrn DDr. Hampeln 
(Vorstand der internen Abtheilung des städtischen Kranken¬ 
hauses in Riga) nnd Krannhals (Prosector desselben Kran¬ 
kenhauses) verdanke ich einen Bericht über den weiteren Ver¬ 
lauf des obigen Krankheitsfalles, dem ich folgendes entnehme: 
Im Mai 1890, also 10 Monate vor meiner Untersuchung, be¬ 
stand Bigeminie der Herzthätigkeit, wie Dr. Hampeln con- 
statirte. Zu Ende des März 1891 betrug die Puls- und Herz¬ 
frequenz 40 nnd es bestanden die Zeichen der Herzinsnfflcienz: 
leichte Oedeme, Albuminurie, Stauungsleber; oft, besonders des 
Nachts aufretende heftige asthmatische Anfälle, nie Schmerzen. 
Einige Zeit später hämorrhagisch gefärbte Spnta (vermuth- 
lich Lungenintarct), Bassein auf den abhängigen Lungen- 
Partien. Unter Anwendung von Morphium, Digitalis, Coffein, 
natro-benz. trat allmählich auffallende Besserung ein, so 
dass Patient-zu Anfang Juni auf’s Land zog, wo er sich 
bis zum August relativ wohl gefühlt hat. Am 12. August 
wurde ein Exsudat der rechten Pleurahöhle constatirt: am 
20. Aug. trat plötzlich, während Patient im Lehnstuhl auf 
dem Balcon sass, der Tod ein. Die von Dr. Krannhals aus- 

E rfflhrte Section der Brusthöhle ergab: In der rechten 
unge ein alter, im Centrmn erweichter Infarct. in der rechten 
Pleurahöhle ca. 2000 Ccm. eines serofibrinösen Exsudates. Di¬ 
latation und Hypertrophie des linken. Dilatation und im obern 
Theil Hypertrophie des rechten Ventrikels. Geringe Ver¬ 
dickung und Schrumpfung aller Aortenklappen, Dilatation des 
08tium aortienm und der Aorta, letztere nicht sklerotisch. 
Umschriebene Sklerose des linken Astes der art. 
coronaria. Muskulatur des linken Ventrikels anscheinend 
verfettet. Die mikroskopische Untersuchung des Myocard ergab 
körnige resp. fettige Degeneration der Muskelfasern; inter¬ 
stitielle entzündliche Veränderungen oder bindegewebige De¬ 
generation sind nicht gefunden worden. 

Wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, ist die 
Thateache der «umschriebenen» Sklerose der Coronar- 
arterie von grossem Interesse, da sie vielleicht als eine 
nachträgliche Bestätigung meiner in diesem Vortrag aus¬ 


einandergesetzten Vermuthungen über die Entstehung der 
Bradycardie gelten kann. 

Fall IV. betrifft eine 40jährige Waschfrau, die ich auf der 
Dorpater med. Klinik beobachtet habe. Die sehr nnintelligente 
Patientin will erst seit sechs Wochen an Kurzathmigkeit, 
Herzklopfen. Ohrensausen leiden nnd weisR keine sonstigen 
anamnestischen Angäben zu machen. Die objective Untersu¬ 
chung ergab die bekannten Veränderungen einer typischen, 
noch compensirten Mitralinsufflcienz mit deutlicher Verstär¬ 
kung des zweiten Pulmonaltones, Vergrössernng der HerZ- 
dämpftmg nach rechts, systolischem Geränsch an der Herz¬ 
spitze; keine besondere Cyanose, keine Leberschwellnng, keine 
Oedeme. Der Puls betrug stets 42 bis 50 Schläge in der Mi¬ 
nute und war von ziemlich geringer Wellenhöhe, aber gleich 
nnd rhythmisch. Nur an zwei Abenden stieg er bei geringem 
Fieber auf 56 Schläge in der Minute. 

Am 27. November iirficirte ich der Kranken 1,6 Milligr. 
Atropin, sulf.; der Puls betrug vorher 44 und wurde 
durch die Einspritzung anf 47 Schläge in der Mi¬ 
nute gesteigert, ohne in seiner Qualität verändert zu 
werden. Einige Tage darauf injicirte ich der Patientin 2,0 Mgr. 
Atropin bei einer ursprünglichen Pulsfrequenz von 
36; zwanzig Minuten danach war der Puls auf 56 ge¬ 
stiegen nm dann wieder allmählig auf seine ursprüngliche 
Frequenz zurück zu gehen. Doch ist dabei zn bemerken, dass 
die Patientin wegen Trockenheit im Munde aufgestanden war, 
um sich Trinkwasser zu holen; diese Körperbewegung 
mag nicht ohne Einfluss auf die Pulszahl geblieben 
sein, immerhin blieb dieselbe trotz der starken Dosis Atropin 
weit hinter der Norm zurück. 

In den drei angeführten Beobachtungen blieb also die 
Schlagfolge des Herzens verlangsamt, auch nachdem die 
Vaguswirkung auf das Herz völlig ausgeschlossen war: 
die Ursache der Bradycardie muss hier also im Herzen 
selbst gesucht werden. Diese Fälle scheinen mir den 
Beweis zu liefern, dass wir im Atropin ein zu¬ 
verlässiges Mittel besitzen, um zn entscheiden, 
ob es sich um eine cardiale oder extracardiale 
Bradycardie handelt. Ja wir können noch einen 
Schritt weiter gehen nnd feststellen, dass die Verlangsa¬ 
mung des Herzschlages in den angeführten Fällen nicht 
auf einer Reizung oder Erregung der cardialen Vagus¬ 
endigungen beruht hab$n kann, da ja gerade, diese durch 
das Atropin gelähmt werden. 

Sehen wir nun zu, ob wir dem Wesen der cardialen 
Bradycardie mit Hülfe unserer Beobachtungen noch näher 
kommen können. 

Zunächst möchte ich betonen, wie das auch schon 
lluchard 8 ) gethan hat, dass die cardiale Brady¬ 
cardie oft ein sehr charakteristisches und kli¬ 
nisch gut umgrenztes Krankheitsbild darbiete.t, 
wobei es gleichgültig ist, ob dieselbe ein scheinbar gesun¬ 
des Herz betrifft oder im Gefolge irgend einer andern 
chronischen, klinisch diagnosticirbaren Herzkrankheit auf- 
tritt. Wir finden nämlich in einer grossen Zahl der Fälle, 
dass es sich nicht nur um eine mehr oder weniger hoch¬ 
gradige Verlangsamung der Schlagfolge des Herzens 
handelt, sondern dass noch andere, und manchmal sehr 
gewichtige Beschwerden gleichzeitig vorhanden sind; die 
Kranken leiden nämlich überaus häufig zugleich an mehr 
oder weniger schweren Ohnmachtsanfällen, welche meistens 
in der Literatur als apoplektiforme Anfälle beschrieben 
worden sind; sie verlieren plötzlich das Bewusstsein, 
brechen zusammen, stürzen hin und kommen dann wieder 
ebenso rasch zn sich, ohne sich an das Vorgefallene zu 
erinnern; in den seltenen Fällen, wo der ärztliche Be¬ 
obachter in der günstigen Lage war, solch’ einen Anfall 
direct zu beobachten, ist constatirt worden, dass während 
desselben das Herz still stand oder doch wenigstens keine 
sicht- oder hörbaren Contractionen mehr ansführte. So 
beschreibt Flint 4 ) einen Fall von Bradycardie, wo 
das Herz während der Ohnmachtsanfälle ein Mal wäh¬ 
rend 16 Secunden und ein anderes Mal während 18 Se- 


*) H. Hnchard. Maladies du coeur et des vaisseaux. Paris. 
1891, pag. 255 ff. 

4 ) Citirt nach Grob 1. c. p. 582. 


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cunden gänzlioh an schlagen aufhörte, in der Zwischen¬ 
zeit zählte der Puls 24 Schläge in der Minute. Die Er¬ 
klärung dieser Anfälle bietet keine Schwierigkeit. Es ist 
klar, dass die plötzliche Pause der Herzthfttigkeit eine 
Unterbrechung der Blutcirculation im Gehirn zur Folge 
haben muss, und dass diese letztere zur plötzlichen Auf¬ 
hebung der Hirnfunctionen führt. Eino so grosse Aehn- 
lichkeit solche Anfälle mit den apoplektischen Insulten ! 
bei Hirnhämorrhagie auch haben, so unterscheiden sie 
sich von letzteren dooh klinisch dadurch, dass sie niemals 
von Hemiplegien oder sonstigen cerebralen Herdsympto¬ 
men begleitet sind. 

Es liegt auf der Hand, dass unter Umständen ein 
solcher Anfall direct in den Tod hinüberleiten kann. Es 
sind das Fälle von Synkope, welche wir auch heutigen 
Tages noch als «Herzschlag» bezeichnen können. Ande¬ 
rerseits giebt es aber auch leichtere Anfälle, wo es nicht 
zum völligen Bewusstseinsverlust kommt, sondern die 
Kranken nur über Schwindel oder Ohnmachtsanwand- 
lungen klagen, während derer der Puls plötzlich ganz 
langsam und klein wird, aber nicht vollkommen ver¬ 
schwindet; in seltenen Fällen sind auch epileptiforme 
Convulsionen während der Bewusstseinspause beobachtet 
worden. Die typischen Ohnraachtsanfälle sind weder von 
Athemnoth, noch von irgend welchen Schmerzen begleitet 
und dürfen daher nicht mit der cardialen Dyspnoe oder 
mit der Angina pectoris verwechselt werden. Aber frei¬ 
lich sind die Fälle nicht so selten, wo im Verlauf der 
cardialen Bradycardie auch die beiden letztgenannten 
Zustände auftreten, wie andererseits die Verlangsamung 
der Schlagfolge des Herzens auch lange Zeit bestehen 
kanü, ohne dass stärkere Herzbeschwerden oder beun¬ 
ruhigende Zufälle sie begleiten. 

Aus den erörterten Erscheinungen setzt sich der cha¬ 
rakteristische Symptomencomplex zusammen, für welchen 
auch meine Krankengeschichten gute Illustrationen bieten. 
Das Krankheitsbild ist gewiss prägnant genug, um den 
Gedanken nahe zu legen, dass demselben eine einheit¬ 
liche ihm eigenthümliche Ursache zu Grunde 
liege, deren Natur uns freilich bis jetzt unbekannt ist. 

Fragen wir zunächst, bei welchen pathologisch-anato¬ 
mischen Veränderungen des Herzens die als cardiale 
Bradycardie bezeichnete Functionsstörnng des Herzens 
bisher beobachtet worden ist, so linden wir als häufigsten 
Befund das Fettherz und die Fettdegeneration des Herz¬ 
muskels angegeben; nächstdem die Sklerose der Coronar- 
arterien des Herzens und deren Folgezustände: wie fibröse 
Myocarditis und thrombotische Myoraalacie; und endlich 
unter den Klappenfehlern die Aortenstenose und sehr 
selten die Mitralstenose. Diese Veränderungen ver¬ 
laufen jedoch sämmtlich viel häufiger ohne als 
mit einer Verlangsamung der Schlagfolge des 
Herzens. Wo eine solche vorhanden ist, da bildet sie 
eine Complication, die als etwas Neues und Ungewöhn¬ 
liches zu den genannten Krankheiten hinzutritt, und 
wir haben somit kein Recht, diese letzteren als 
die directe Ursache der Bradycardie anznsehen. 
Wenn wir also nicht eine rein functioneile Störung an¬ 
nehmen wollen, womit Nichts erklärt ist, so bleibt nur 
'übrig, auf eine Erkrankung derjenigen Herzpar¬ 
tien zu : recnrriren, von wo aus die Herzthätig- 
ke.it. regulirt und in einem gewissen gleichmässi- 
gen . Tempo erhalten wird. Sicherlich wird es also 
darauf ankommen, wie diese Centralstelle functionirt; 
ich kann mir denken, dass, wenn dieselbe in ihrer 
Energie nachlässt, das Herz die Fähigkeit verliert rasch 
zu schlagen. 

Wenn es sich hierbei thatsächlich um eine Verringe¬ 
rung der Energie oder Reizbarkeit des automatischen 
Centrums oder der automatischen Centra für die coordi- 
nirte Herzbewegung handelt, so besitzen wir im Atropin 
ein Mittel, um die Erregung, resp. Erregbarkeit dieses 


Centrums zu prüfen. Wenn ich durch das Atropin alle 
von aussen Auf das Herz einwirkenden herzhemmenden 
Einflüsse ausschalte, so wird die dadurch erzielte Be¬ 
schleunigung der Schlagfolge des Herzens mir einen di- 
recten Maassstab für die Energie der automatischen, moto¬ 
rischen Herzcentra abgeben r> ). Von dieser Ueberlegnng 
ausgehend, habe Ich nun versucht mit Hälfe von Atro¬ 
pinin jectionen die Bedingungen festzustellen, unter denen 
das automatisch und rhythmisch arbeitende Herz die 
Fähigkeit einbüsst, je nach Umständen in beschleunigtem 
Rhythmus zu pulsiren. 

Die Resultate dieser Untersuchung hat Dr. E. Mül¬ 
ler 6 ) in seiner Dissertationsschrift veröffentlicht. Aus der¬ 
selben geht hervor, dass die allgemeine Anschannng, 
nach welcher das Atropin beim gesunden Menschen 
eine Beschleunigung der Schlagfolge des Herzens be¬ 
wirkt, nur eine eingescliränkte Gültigkeit besitzt. Herr 
Müller hat 61 gesunden Personen aller Altersstufen bei 
ruhiger Bettlage derselben l bis 2 Milligr. Atropin sulf. 
subcutan injicirt und den Effect dieser Einspritzungen 
auf die Pulsfrequenz durch Zählung des Pulses festge¬ 
stellt. In 20 bis 30 Minuten war in der Regel die höchste 
Pulszahl erreicht; danach sank sie im Laufe mehrerer 
Stunden wieder zur Norm herab. Während nun das 
Atropin bei jugendlichen Personen eine sehr bedeutende 
Vermehrung der Pulsschläge (um 30 bis 60 Schläge pro 
Minute) bewirkte, war dieser Effect bei älteren Indivi¬ 
duen, namentlich jenseit der fünfziger Jahre ein uuver- 
hältnissmässig geringerer, ja manchmal fast gamicht zu 
bemerken. Da zu diesen Versuchen ausschliesslich ge¬ 
sunde Individuen benutzt wurden, so lassen sie nur den 
Schluss zu, dass die Fähigkeit des Herzens, bei Aus¬ 
schluss der Vaguswirkung frequentere Contractionen zu 
vollführen, im hohem Alter beeinträchtigt ist; es muss 
sich hierbei um Veränderungen des Herzens handeln, 
die noch nicht als pathologische bezeichnet werden können, 
sondern in die Breite der mehr physiologischen, senilen 
Veränderungen hineingehören. 

ln derselben Weise habe ich ferner gemeinsam mit 
Herrn Dr. Müller die Wirkung des Atropin bei verschie¬ 
denen chronischen Herzkrankheiten, die nicht mit Bra¬ 
dycardie verbunden waren, geprüft und bin dabei gleich¬ 
falls zu nicht uninteressanten Resultaten gekommen. 
Unter 12 Fällen von Aortenklappenfehlern wirkte das 
Atropin 9 Mal nur in sehr geringem Maasse pulsbe- 
schleunigend und 4 Mal versagte seine Wirkung ganz, 
und das auch bei jungen Individuen von 17 und 35 Jahren; 
bei den Mitralklappenfehlern, von denen ich 17 unter¬ 
sucht habe, blieb die Wirkung des Atropin dagegen nur 
ein Mal ans. Bei den sonstigen Herzfehlern (Herzhyper¬ 
trophien aus verschiedenen Ursachen u. s. w.) deren ich 
übrigens nur 9 untersuchte, liess sich eine abnorm schwache 
Wirkung des Atropin 2 Mal coimtatiren. 

Wir sehen also, dass das Herz zwar im jugend¬ 
frischen Zustand die Fähigkeit und die Tendenz 
besitzt frequente Contractionen anszuführen, im 
höhern Alter aber immer mehr die hierzu nöthige 
Energie einbüsst. Dasselbe ist auch bei vielen 
Herzfehlern der Fall. Man könnte also sagen, 
dass die Herzfehler häufig ein rasche^ vorzei¬ 
tiges Alter des Herzens bewirken, und es ist wohl 
kein Zufall, dass diejenigen Herzfehler am ehe¬ 
sten und häufigsten zu einer solchen Ermattung 
des Herzens führen, welche die stärkste Hyper¬ 
trophie, namentlich des linken Ventrikels be¬ 
wirken und somit die grössten Ansprüche an die 

5 ) Ich nehme an, dass die« den Herzschlag beschleu lügende 
bnlbäre Centrum sich beim Menschen für gewöhnlich nicht in 
tonischer Erregung befindet. 

*) E. Müller. lieber die Wirkung des Atropin auf das ge¬ 
sunde und kranke menschliche Herz. Derpater Inaogural-Ins- 
sertation. 1891. 


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IRtigfceit der motorischen Centra der Herzbe- 
sgung stellen. Wir sehen endlich, dass die Unfähig- 
\% des Herzens frequente Pulsationen zu vollführen im 
allerhöchsten Grade bei der cardialen Bradycardie ange- 
troffen wird; hier ist das Herz nicht nur nicht im 
Stande rascher als in der Norm zu schlagen, sondern es 
vermag nicht einmal mehr die normale Pulszahl zu pro- 
dnciren, auch wenn die Vaguswirkung ausgeschlossen ist 
Wir haben also offenbar in der cardialen Bradycardie 
die höchste Steigerung derjenigen Veränderungen vor 
un», die wir in geringem Graden am senilen Herzen und 
bei vielen Herzfehlern antreffen. 

Was die Entstehung der Bradycardie betrifft, so geben 
meine Beobachtungen der Hypothese freilich noch einen 
weiten Spielraum, allein sie gestatten wenigstens, diese 
Störung zu andern analogen Veränderungen der Tätig¬ 
keit des alternden und kranken Herzens in Beziehung zu 
setzen und für alle eine gemeinsame Ursache zu ver- 
muthen. Da wir bis jetzt, unbeschadet der interessanten 
Untersuchungen der jungen Leipziger Schule, noch das 
Recht haben, automatisch arbeitende Centra im Herzen 
anzunehmen, welche den Rhythmus und die Coordination 
der Herzschläge regieren, so müssen wir wohl Ernäh¬ 
rungsstörungen dieser Centra, also locale Verän¬ 
derungen als die letzte Ursache der erwähnten Anomalien, 
nnd besonders der cardialen Bradycardie vermnthen. 

Zuweilen, wie z. B. bei der vorübergehenden Brady¬ 
cardie nach acuten Infectionskrankheiten, mag es sich um 
leichtere Erschöpfungszustände dieser Centra, um eine 
«functioneile Schwäche» derselben, handeln, in der Mehr¬ 
zahl der Fälle aber dürften die localen Ernährungsstö¬ 
rungen in der Herzwand wohl auf localer Sklerose der¬ 
jenigen Aeste der Coronararterien beruhen, welche die 
wichtigen Centralstellen des Herzens ernähren, auf deren 
ungestörter Function die normale Herzaction beruht. 
Dass eine solche locale, ciroumscripte Sklerose häufig nur 
eine Theilerscheinung der allgemeinen Sklerose der Co- 
ronararterien ist und sich daher häufig mit den Sympto¬ 
men und Folgezuständen einer solchen verbindet, ist 
übrigens leicht verständlich. 

Referate. 

P. Ehrlich: Aus dem Institut für Infectionskrankheiten: 

Experimentelle Untersuchungen über Immunität. II. 

Ueber Abrin. (Deutsche med. Wochschr. Nr. 44). 

Nachdem Wecker 1862 den Jequirity-Infns in die Therapie 
der Augenheilkunde eingeführt hatte, erhob sich ein lebhafter 
Streit, über die Ursachen der hierdurch bewirkten Ophthalmie. 
Han gelangte schliesslich zur Ueberzeugung, dass aas Agens 
ein Eiweisakörper sei — das Abrin. Durch eingehende experi¬ 
mentelle Untersuchungen wurde dann von Robert und sei¬ 
nem Schüler Hellia festgestellt, dass das Abrin ein dem Ri¬ 
eht ähnlicher Körper ist. P. Ehrlich fand, dass beide Körper 
doeh wesentliche Unterschiede in ihrer physiologischen Wir¬ 
kung erkennen lassen. Er eonstatirte, dass das Abrin eine 
geringere Giftigkeit besitzt, dass die Darmblutungen bei weis- 
sen Mäusen nach Abrinapplication nicht eintreten, ferner dass 
in der Peripherie des Iqjeetiensgebietes sich stets ein Haar¬ 
ausfall bemerkbar macht, der aber kein bleibender ist. Was 
die Wirkung des Abrin auf das Auge anlangt, so übertrifflt es 
in dieser Beziehung das Bicin. Lösungen von 1:800 bedingen 
sehen eine ganz ausgesprochene Conjunctivitis. Doppelt so 
starke Lösungen bedingen meist schwere Entzündungen mit 
Hornhauttrübungen. Bei Verwendung noch stärkerer Lösun¬ 
gen (1:100, 1:50), die in der Regel den Verlast des Auges 
bedingen« sind die primären Entzündungserscheinungen bei 
beiden Stoffen wesentlich die gleichen. Nnr fand Lazarus, 
dass nach Anwendung des Abrin eine Enthaarung in der Lid- 
gegend beginnt, die sich dann weiter anf die Gesichts- nnd 
Kopfhaut ausbreitet. Dieses System tritt auch bei subcutaner 
Anwendung der Substanz anf und ist als eine dem Abrin ei- 
genthümliche specifische Wirkung auf den Haarboden aufzn- 
fassen. Ehrlich hat dann nach den bekannten Fütterungs- 
inethoden Thiere gegen Abrin immunisirt. Abrinfeste Tbiere 
fand er von ausserordentlicher Wideistandsfähigkeit gegen¬ 
über den allgemeinen nnd localen Wirkungen des Giftes. Am 
Ange gelingt es, nach Ehrlich, leicht absolute Immunität zu 


erzielen, indem man — schon nach einigen Wochen der syste¬ 
matischen Fütterung — ohne den geringsten Nachtheil einen 
dicken Abrinbrei in deu Conjunctivalsack einstreichen kann; 
auch die specifische Wirkung des Abrin auf den Haarboden 
fällt bei höner immnnisirten Thieren vollständig fort. Diese 
Erscheinungen bernheu, wie Ehrlich meint, darauf, dass im 
Blute ein Körper — das Antiabrin — vorhanden ist, welcher 
die Wirkungen des Abrin vollkommen paralysirt — wahrschein¬ 
lich durch Zerstörung dieses Körpers. Irgend ein Yicariiren 
der Hicin- und Abrin-Immunität konnte Ehrlich nicht con- 
statiren. Ricinfeste Thiere sind gegen Abrin ebenso empfind¬ 
lich, wie völlig normale; ebenso abrinfeste gegen ßicin. Ein 
Kaninchen, welches durch tägliche Ricininstillationen in’s Auge 
soweit gebracht war, dass es anstandslos beliebige Mengeu 
festen Ricins in die Bindehaut gepulvert ertrug, erkrankte 
sofort mit heftiger Entzündung, als ihm eine Abnnlösung von 
der Stärke 1:10,000 in’s Auge geträufelt wurde; das beweist, 
dass Antiabrin mm Antiricin in keiner Beziehung steht. Was 
den praktischen Werth der Ehrlich’schen Untersuchungen 
anlangt, so ergiebt es sich, dass wenn man mit dünnen Lö¬ 
sungen von Abrin resp. Ricin vorgeht nnd dieselben langsam 
und vorsichtig steigert, man jede ernste Gefahr für das Auge 
vermeiden kann, ohne den Heileffect zu beeinträchtigen. Bei 
seinen Kaninchen konnte Ehrlich pannöse Trübuugefi rela¬ 
tiv schnell sich auf hellen sehen, Ulcera verschwanden auch in 
kurzer Zeit. Verf. ertheilt den Rath beim Menschen mit ganz 
schwachen Lösungen 1:500,000 zu beginnen und die Steige¬ 
rungen ganz allmälig vorzunehmen. Sobald im Laufe der Be- 
handlnng Reizerschemnngen auftreten, müsse inan zu dünne¬ 
ren Lösungen zurückgehen. Abelinann. 

H. Leloir: Ueber die nach Impfung mit eitererregen¬ 
den Mitteln entstehenden Hautkrankheiten. (Monats¬ 
hefte für praktische Dermatologie Bd. XIII, Nr. 1. 1891). 

Leloir führt einige Fälle vor, die von grossem prakt. Inter¬ 
esse sind. Er weist darauf hin, dass gewisse Krankheiten, die 
bisher für verschiedenen Ursprungs gehalten wurden, nur zu¬ 
rückzuführen sind anf eitererregende Mikroorganismen. Dazu 
gehören die Impetigoformen. Impetigo contagiosa ist insofern 
als Process sui generis nicht vorhanden, als alle Jmpetigofor- 
men contagiöser Natur sind, ebenso wie die gewöhnliche Ek¬ 
thyma. Ferner gehören dazu die zu gewöhnlichen Ekzemen 
hinzutretenden Formen von Impetigo, Ekthyma und Furnn- 
culose mit phlegmonöser Adenitis und gleichfalls das Panari- 
tium, wie die zu Scabies hinzutretenden eitrigen Exantheme. 
Er erinnert daran, wie die verschiedenen Dermatosen durch 
hinzutretende Infection mit Eitererregern verändert werden 
können, wie Ekzeme, Favus, Sykosis, Lupus, Gumma, die übri¬ 
gen Syphilide mit Impetigo, Ekthyma, Furunkel, Karbunkel, 
Phlegmone etc. complicirt werden"können. 

Als Mikroorganismen fand L. im Fnrnnkel und Karbunkel 
Staphylococcns pyogenes aureus, ebenso in vielen Fällen von 
Ekthyma; bei Impetigo liess sich immer nur Staphylococcns 
pyogen, aur., bei Panaritium immer nur Staphylococcus pyo¬ 
genes alb. züehten. 

Daraus ergeben sich principielle Schlüsse auf die Therapie. 
Der Herd selbst muss durch antiseptische Waschungen steri- 
lisirt werden, ebenso die Kleidung und Bettwäsche; die Eiter¬ 
herde müssen verbunden und die gesunde Umgebung geschützt 
werden, damit es nicht zu Antointoxicationen kommt. Als an- 
tibaktet ielle Mittel empfehlen sich Borsänre, Salol, Salicyl- 
säure etc. E. Krong (Hungerburg-Narva). 

W. Erb. Dystrophia muscularis progressiva. Klinisch- 
nnd pathologisch-anatomische Studie. (Deutsche Zeit¬ 
schrift f. Nervenheilkunde I. Bd.). 

Diese grössere Arbeit des berühmten Forschers eröffnet in 
würdiger Weise den ersten Band der «Deutsch. Zoitschr. f. 
Nervenheilkunde». Zunächst polemisirt E. erfolgreich gegen 
Landonzv und De j er ine, welche das Verdienst, die nivopa- 
thische Form der Muskelatrophie von der spinalen geirennt 
zu haben, für sich beanspruchen. Hierauf präcisirt Verf. die 
iuvenile Form der Muskelatrophie als eine meist in jugend¬ 
lichem Alter beginnende Atrophie der oberen Körperhälfte 
(Pectoralis, Cncullaris, Latissimus, Rhomboideus etc.), wobei 
die Vorderarme nnd Handniuskeln frei bleiben; im f\päteren 
Verlauf der Erkrankung werden auch die Muskeln der unte¬ 
ren Körperhälfte in Mitleidenschaft gezogen. Die Atrophie 
befällt häutig nur einen Theil des Muskels und kommt ausser 
der Atrophie auch wahre und falsche Hypertrophie zur Beob¬ 
achtung. Alis dieser Atrophie resultiren"abnorme Stellung der 
Schulterblätter, Lendenlordose, watschelnder Gang etc. Fibril¬ 
läre Znckungen fehlen fast immer, die Muskelerregbarkeit ist 
herabgesetzt, ohne dass Entartungsreaction vorhauden wäre. 
Die Reflexe verschwinden im Verlauf der Erkrankung; es 
fehlen Störungen der Sensibilität, der Blase und des Mast¬ 
darmes, der Hirnnerven und sonstige nervöse Symptome. 

An der Hand zahlreicher, tlieils eigener, theils fremder Be¬ 
obachtungen erbringt Verf. den He weis, dass zwischen 


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der juvenilen, pseudohvpertrophischen, infantilen 
und hereditären Hnskelatrophie eine weitgehende 
Uebereinßtimmung der klinischen Merkmale besteht 
und dass sich eine scharfe Grenze zwischen diesen 4 
Formen nicht ziehen lässt, weil sich eine Menge von 
Uebergangs- und unbestimmteren Formen findet und so^ar 
Beobachtungen vorliegen, dass in einer und derselben Familie 
zugleich mehrere Formen vertreten sind. Aus Obigem ergiebt 
sich die Nothwendigkeit, diese 4 Formen als eine klinische 
Einheit zusammenzufassen unter dem Namen «Dystrophia 
mnscularis progressiva». 

Auch in pathol. anat. Beziehung herrscht bei den verschie¬ 
denen Formen dieselbe Uebereinstimmung der Befunde; überall 
Hypertrophie und Atrophie der Muskelfasern, Abrundung der¬ 
selben, Kern Vermehrung und Lipomatose, während das Ner¬ 
vensystem im Allgemeinen intact bleibt. Ob die Muskelprä¬ 
parate der Leiche entstammten oder an Lebenden excidirt 
waren, ergab keine Unterschiede. 

E. spricht sich für die Möglichkeit aus, dass wir es bei der 
Dystrophie mit einer Trophonenrose zu thnn haben, und wirft 
die Frage auf. ob nicht bei der bestehenden Aehnlichkeit 
zwischen der Dystrophie und der Amyotrophia spinalis viel¬ 
leicht auch eine Verwandtschaft zwischen beiden Erkranknngs- 
formen besteht. 

Zum Schluss hält E. aus praktischen wie aus theoretischen 
Gründen ein Beibehalten von Unterarten für gerechtfertigt 
und proponirt folgendes Eintheilungsschema: 

I. Dystrophia inusc. progr. infantum: 

1. Hypertrophische Form: 

a) mit Pseudohypertrophie. 

b) mit wahrer Hypertrophie. 

2. Atrophische Form: 

a) mit primärer Gesichtsbetheiligung (infantile 
Form Duchenne's). 

b) ohne Gesichtsbetheiligung (einfach atrophische 
Form). 

II. Dystrophia musc. progr. juvenum et adultorum 

(juvenile Form). Kusick. 

Tizzoni: Beitrag zum Studium der Ausscheidungswege 
des Staphylococcus pyogenes aureus. (Monatshefte 
für prakt. Dermatologie. Bd. XIII, Nr. 4, 1891). 

Patient litt vom April bis August 1890 an Furunculose des 
linken Arms. Im September Trauma am linken Knie. Zwei 
Tage später hohes Fieber. Es zeigten sich Symptome localer 
Irntation, die sich auf das ganze Gelenk und anf einige an¬ 
dere Gelenke ausdehnten. 

7 Tage nach dem Trauma wurden Culturen mit der ans dem 
kranken Knie aspirirten Flüssigkeit angelegt, dieselben stellten 
sich als Reincultnren von Staphylococcus pyogenes aureus 
heraus. Tags darauf wurde eine Arthrotomie vorgenommen; 
das Fieber Tiess jedoch nicht nach und es stellten sich profuse 
Schweisse ein; wieder nach 4 Tagen trat auf einmal eine mi¬ 
liariaähnliche Bläschen-Eruption auf der Haut auf, während 
die Allgemeinerscheinnngen sich änsserst verschlimmerten. Es 
wurden Culturen mit dem Inhalt der Bläschen angelegt und 
es entwickelten sich Reincnlturen von Staphylococcus pyogenes 
aur. Auch aus dem Urin wurden Culturen gezüchtet, die nur 
aus ßeincnlturen des betreffenden Coccus bestanden. 23 Tage 
post tranma starb der Patient. Verf. schliesst daraus, dass 
bei der durch Staphylococcus pyogen, aur. erzeugte Septi- 
cämie derselbe sowohl auf dem Wege der Niere als der Haut 
ausgeschieden werden kann. 

E. Kroug (Hungerburg-Narwa). 

P. G. Unna: Ueber Antotuberculinisation beim Lupus. 
(Monatshefte für prakt. Dermatologie. Bd. XIII. Nr. 2. 
1891). 

Verfasser recapitulirt zuerst das über die Wirkung des Tu- 
berculins auf lupöses Gewebe Bekannte, erinnert an die Ein¬ 
wirkung desselben nur auf die jüngeren. noch progressiven 
Charakter tragenden zelligen Elemente des Lupus, auf die 
Plasmazellen und das dem Lupus eigene fibröse Gewebe, also 
das lupöso Plasmom und Fjbrom. Dieses fibröse Gewebe ist 
nicht zu verwechsein mit anderen Fibromen, wie es bei dem ge¬ 
wöhnlichen Keloid, beim Keloid und elephantiastischen Ver¬ 
dickungen auf syphilitischer Basis incl. der Initialsklerose, der 
circumscripten Sclerodermie und Akromegalie auftritt, end¬ 
lich nicht mit der definitiven Lnpusnarbe; es ist ebenso spe- 
cifiBch, wie z. B. bei der Lepra, welche .ja auch auf Tuberculin 
reagirt; dieses überlebende Gewebe ist der Effect des durch 
die Bacillen, oder unter ihrem Einfluss gebildeten Stoffes, des 
Tuberculins. Es ist anzunehmen, dass entweder im lebenden 
oder im absterbenden Bacillus die wesentlichen Bestandtheile. 
des Tuberculins enthalten sind, somit auch ferner hin, dass 
jeder Lupuskranke ein gewisses Quantum desselben bei sich 
im Krankheitsherde herum trägt. Es mussten also, wenn man 


im Stande war, diese Stoffe in die Circnlation gelangen zu 
lassen, am Lupus dieselben Erscheinungen auftreten, wie bei 
der Injection mit Koch’scher Lymphe. Als resorptionsbeför¬ 
derndes Mittel wählte Unna, da chemische Stoffe, wegen der 
unbekannten chemischen Zusammensetzung des Tuberculins, 
nicht anwendbar w’aren, die Massage una sah in der That 
seine Voraussetzungen bestätigt. Unter dem Einfluss der Mas¬ 
sage irgend eines beliebigen Lupusherdes sah er nicht nur die 
bekannten Veränderungen des lupösen Gewebes au den raas- 
sirten Stellen, sondern auch, weun auch in geringerem Maasse, 
an w'eit entfernten Herden auftreten. Der geringste Effect, 
die von ihm sogenannte «negative Reaction» bestand im Ein¬ 
sinken entfernter Lupusstellen; bei stärkerer und ausgedehnter 
Massage kam es zur «geringsten positiven Reaction», Rand- 
röthe, ohne locale sonstige Veränderung. In der massirteu 
Substanz selbst, waren die Veränderungen natürlich am inten¬ 
sivsten; die betreffenden Partien waren hochroth und oede- 
matös, nach 24 Stunden aber abgeflachter, als vorher. Dieser 
Process war also nicht mit einem künstlichen Erythem, wie 
z. B. dem durch Jodpinselungen herbeigeführten zu ver¬ 
wechseln, es war specifischer Reiz des Tuberculins. Es fehlten 
jedoch allgemeine Reactionserscheinungen vollständig, nach 
Verf. Ansicht, weil die in die Circnlation gelangten Tubercu- 
linmengen zu gering waren, wie ja der Lupus auch bekanntlich 
nur wenig Bacillen aufweist. dieselben zu dem weit ab von 
den Gefässen, von einem trockenen Zellwail umgeben, liegeD, 
aus dem sie sogar die Koch’schen Injectionen nicht heranszu- 
locken vermögen; daher ist die Massage auch ungefährlich. 

Um das zarte Gewebe, ohne die Oberhaut zu exulceriren, 
massiren zu können, bedeckte Unna die zu massirenden Herde 
mit Zink-Pflastermull. Er empfiehlt die Methode nicht als ra- 
dicales Heilmittel, aber als rasch wirkendes, ungefährliches 
Unterstützungsmittel, dem sich natürlich Aetzung und Mikro¬ 
kauter in bekannter Weise anschliessen. 

Schliesslich führt U. die von Squire und Vidal mit so 
günstigem Erfolge geübten Discissionen des Lupus auf die¬ 
selbe Ursache zurück: Durch Einleitung der rapiden Resorp¬ 
tion tritt Autotuberculinisation ein. 

E. Kroug (Hungerburg-Narwa). 

Ileese; Ueber die Beziehungen des Sympathicus znm 
Auge. (Naturf. Versammlung in Halle 1891. Centralbl. 
f. Nerv, und Psych. October). 

Nach bisher geltender Annahme soll der Augapfel hervor¬ 
treten, wenn der Sympathicus gereizt, dagegen zurticksinken, 
wenn dieser durchschnitten wird. Verfasser hat diese Vor¬ 
gänge einer experimentellen Prüfung unterzogen und stellt 
die Behauptung anf, dass solches sien in der That am Auge 
des Hundes und der Katze abspiele, dass man aber bei dem 
Kaninchen gerade entgegengesetzte Verhältnisse antreffe. Dies 
gelte aber nur für das lebende Kaninchen; denn auch am eben 
getödteten Kaninchen trete das Auge auf Reizung des Sympa¬ 
thicus hervor, genau wie es bei Hund und Katze sowohl intra 
vitam, als unmittelbar nach erfolgtem Tode stattflndet. Eine 
Erklärung für diese Vorgänge findet Verf. in folgendem Um¬ 
stande: 

Die in Folge der Sympathicus-Reizung eintretende Contrac- 
tion der Orbitalgefässe und die dadurch hervorgerufene Anämie 
in der Augenhöhle führen zu einem Einsinken des Augapfels; 
dagegen muss nach der Durchschneidung des Nerven die in 
Folge der Gefässlähmnng entstehende Blutfülle den Bulbns 
hervordrängen. Wohl wirkt der glatte Orbitalmuskel Müller’s 
dieser Bewegung entgegen, doch ist er zu schwach, alß dass 
er dieselbe neutralisiren, geschweige denn ein Hervortreten 
des Auges verursachen kann. Erst dann ist er im Stande 
diese Wirkung hervorznrufen, wenn sein überlegener Gegner 
ausser Function getreten ist, wie am eben getödteten Thiere. 
Es ist demnach der Schluss zu ziehen, dass die Lagerungs¬ 
verhältnisse des Augapfels, welche unter dem Einfluss des 
Sympathicns vor sich gehen, von zwei Faetoren beeinflusst 
werden, dem M. orbitalis und den Gefässen der Augenhöhle, — 
Faetoren, die jedoch das Bestreben haben, bei Reizung oder 
Durch8clmeidung des Nerven einander entgegenzuwirken. In 
Folge der wechselnden Grösse beider Kräfte bei den verschie¬ 
denen Thierarten geschieht es, dass die Wirkung der Syrapa- 
thicus-Reizung in Bezug auf die Bulbusbewegung so verschie¬ 
denartig ausfällt, je nachdem die eine oder die andere Kraft 
das Uebergewicht besitzt. Kallmeyer. 

Eugen Arendt: Ueber die Anwendung der Elektricität 
in der Gynaekologie. (Deutsche raed. Wochenschr. Nr. 50). 

Nachdem die Anwendung der Elektrotherapie in der Gynae¬ 
kologie zuerst in England, Amerika und Frankreich Verbrei¬ 
tung gefunden hatte, begannen auch deutsche Frauenärzte 
den elektrischen Strom therapeutisch zu verwerthen. Nach 
Apostoli’s Vorgang wird jetzt der galvanische Strom häufig 
bei Uterusmyomen angewandt: er soll uns die Möglichkeit geben, 
die Zahl der chirurgischen Eingriffe zu veringern. Arendt 
hat 11 Fälle von Uterusmyom behandelt. Von diesen wurden 


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r 


8 Patientinen wegen abundanter Blutungen mit der activen 
(intrauterin applicirten) Anode behandelt. Sieben derselben 
wurden symptomatisch geheilt, indem die Menses wieder in 
regelmässigen Intervallen auftraten. Unter ihnen war eine 
Patientin vorher wegen der Blutungen ohne wesentlichen Er¬ 
folg castrirt worden. Die achte Pat. verlor während der Be¬ 
handlung wegen Eintrittes des Climacteriums ihre Menstrua¬ 
tion. In allen acht Fällen trat mehr oder minder ausgespro¬ 
chene Verringerung des Tumorurafanges ein. 

Drei Patientinen wurden wegen starker Schmerzen behan¬ 
delt. Die eine von ihnen verlor nach 12 maliger Anwendung 
des activen negativen Pols ihre Schmerzen und blieb aus der 
Behandlung fort. Bei der zweiten musste wegen Unzugäng¬ 
lichkeit des Cavum nteri die Galvanopunctur angewandt wer¬ 
den, wobei alle Cautelen der Antisepsis beobachtet wurden. 
Nach 5 Galvonopuncturen (alle 5—6 Tage, Einstossen der 
Nadel '!*—*/* Cm. tief) schwanden alle Beschwerden, es trat 
Wohlbefinden ein. Fünf Tage nach der letzten Sitzung trat 
jedoch acute Peritonitis auf mit letalem Ausgang. Die letzte 
Pat. hatte ein interstitielles Myom ,das bis zum Nabel reichte. 
Der Befund wurde in Chloroformnarkose unter Controlle von 
3 College« aufgenommen. Application des activen Pols. Nach 
6 Sitzungen (50—60 Milliamperes) trat heftige Pelviperito- 
nitis auf, die Pat. 4 Wochen ans Bett fesselte. Wiederauf¬ 
nahme der Behandlung und Steigerung der Stromstärke bis 
220 Milliamperes. Zwanzig Sitzungen innerhalb 3 1 /* Monaten 
erzielten fortschreitende Verkleinerung des Tumors und 
Schwnnd aller Symptome. Als Pat. sich einen Monat nach der 
letzten Sitzung vorstellt, findet sich nichts mehr vom Tumor 
vor. Cavum Uteri statt wie früher 9 Cm. jetzt T/t Cm. lang. 
(Ob es sich nicht doch um ein Exsudat gehandelt hat, w r agt 
ßef. nicht zu entscheiden; jedenfalls haben wir es nach A. 
mit einer auffallenden Besorption eines grossen derben Tumors 
in kurzer Zeit zu thun). 

Verfasser empfiehlt die grosse indifferente Thonelektrode 
und die Apostoli’sche Serie activer Kohlenelektroden. Ausser 
in den beschriebenen hat A. in anderen weniger instrnctiven 
Fällen Exacerbationen chronischer Pelviperitoniden bei An¬ 
wendung starker Ströme gesehen. W. Beckmann. 

P. G. U n n a. Der Dampftrichter. (Monatshefte für prakt. 

Dermatologie. Band XIII. Nr. 1, 1891). 

Dieser Apparat hat sich in der Unna’schen Klinik sehr gur 
bewährt. Er dient zum rascheren Filtriren aller schwer fil- 
trirenden Flüssigkeiten, namentlich der Agarlösungen. Die 
Vorzüge sind folgende: 1) filtrirt durch ihn Agarlösung statt 
in 8 nur in 2 Stunden; 2) kann man Flüssigkeiten verschie¬ 
dener Procentuation filtriren, als z. B. 3—4 u /o Agarlösungen 
während sonst nur 2"/'oige gut filtriren; 3) sterilisirt er gleich¬ 
zeitig das Filtrat; 4) fallt das vorherige Klären der Agarlö¬ 
sungen mit Eiweiss fort und das lange Garkochen. Während 
früher die Herstellung einiger Hundeit guter Agargläser viel 
Sorgfalt und einen Zeitraum von 5 Tagen in Anspruch Dahm, 
läset sich mittelst des Dampftrichters dieses Geschäft sicher 
und bequem in 3 Stnnden absolviren. 

Der Apparat besteht aus einer kupfernen Hohlkngel, von 
der ein oberes Segment als Deckel abgehoben werden kann. 
Durch ein Loch im Boden ragt ein emalllirter eiserner Trich¬ 
terstiel, dessen oberer Band etwas höher steht, als der Band 
der Kupferblase nach Abheben des Deckels, damit das kochende 
Wasser nicht in den Trichter hineingelangt und das Filtrat 
verdünnt. Der Deckel ist miitelst einer Fitigelschraube ange¬ 
schraubt. Ein in denselben eingelassener Hahn dient als Ven¬ 
til. Der ganze Trichter ruht auf 3 Füssen; unter ihm kommt 
die Gasflamme zu stehen. In den Trichter kommt gewöhnliches 
Filtrirpapier, welches 2 Cm. hoch mit geglühtem Kieselgnhr 
augefüllt ist, welches den Agar vollständig klärt. Die Dampf- 
hemraung wird durch stärkeres resp. schwächeres Filtriren 
angezeigt. Es dürfen keine grösseren Dampfblasen den Filtrir- 
strom unterbrechen, dazu braucht man nur die Gasflamme 
etwas zu reguliren. 

Der Apparat sei für die bakteriologischen Untersuchungen 
sehr brauchbar nnd daher hiemit die Aufmerksamkeit der 
ärztlichen Kreise auf denselben gelenkt. 

E. Krong (Hungerburg-Narwa). 

Bücheranzeigen und Besprechungen. 

1. A. v. Bergmann (Riga): Zur Contagiositat der Lepra. 

(Sammlung klin. Vorträge v. Volkmann N. F. Nr. 33). 

2. J. Goldschmidt: Die Lepra auf Madeira. (Leipzig. 

F. C. W. Vogel. 1891. 27 Seiten mit 13 Lichtdruck tafeln. 

1. Der Vortrag A. v. Berg mann’s, gehalten in der Gesell¬ 
schaft prakt. Aerzte zu Biga und ursprünglich nur für locale 
Interessen bestimmt, ist auf Wunsch des Prof. E. v. Berg¬ 
mann in die Volkmann’sche Sammlung aufgenommen und 
wird mit einigen äusserst anerkennenden Worten von diesem 
eingeleitet. 


Im Beginn seines Vortrages giebt A. v. B. einige kurze 
Daten über die soeben in einer Entfernung von 4 Kilometer 
von Biga’8 Thoren eröffüete Leproserie und geht dann zur 
Darlegung des von ihm gesammelten Materiales über, wobei 
besonders bemerkenswerte dass Verf. beim Beginn seiner Be¬ 
schäftigung mit der Leprafrage noch der Voraussetzung der 
Nichtübertragbarkeit der Lepra huldigte und sieb erst durch 
die Besultate seiner Forschung die Ueberzeugnng von derCon- 
tagiosität erwarb. Nachdem seit Anfang der öOger Jahre sich 
alljährlich 2—3 Lepröse zur Aufnahme in das Bigaer Stadt¬ 
krankenhaus gemeldet, die meist von ausserhalb der Stadt 
kamen, werden 1870—1880 bereits 9 neue Erkrankungen in Biga 
selbst constatirt, 1880—1886 aber schon 27. Zur Aufnahme ins 
Krankenhaus melden sich von Biga’schen Einwohnern als neue 
Erkrankungsfalle: 

1885 — 9 Personen 1888 — 12 Pesoneu 

1886 - 11 » 1889 - 18 > 

1887 - 14 » 1890 - 20 

Diese hoch interessanten Zahlen legen ein klares Zeugniss 
ab für die Ausbreitung der Lepra in Biga. B. nimmt die Zahl 
der in Biga lebenden Leprösen auf über 100 au, somit kommt 
1 Lepröser auf je ca. 2000 Einwohner. 

Zum Schluss giebt B. ein Verzeichniss von 108 Leprapa¬ 
tienten mit Angabe ihrer Thätigkedt und Wohnung. Dieses 
ist sehr wichtig, da man daraus klar ersieht, wie die Krank¬ 
heit durch Zusammenleben ihre Verbreitung findet. Ein auffal¬ 
lend starkes Contingent stellen die Wäscherinnen unter den 
44 Fällen, die zunächst als Einzelerkrankungen erscheinen. 
In weiteren 11 Fällen ist die Wahrscheinlichkeit der Ueber¬ 
tragung sehr naheliegend, meist ist längeres Zusammenleben 
mit Leprösen sicher nachgewiesen. Somit kann B. bei ca. 60 pCt. 
seiner Fälle mehr oder weniger sicher die Uebertragung vom 
Menschen zum Menschen- nachweisen, wobei er sehr richtig 
bemerkt: wenn man sich erst daran gewöhnt möglichst ge¬ 
naue Anamnesen, auch über die früheren Wohnungen der Le¬ 
prösen, aufzunehmen, man auch den Contact mit Leprösen 
nachweisen kann, wo dieselben angeben, nie mit Leprösen zn- 
sammengekommen zu sein. Die Details der einzelnen Gruppen 
bringen ein reiches, für die Uebertragbarkeit sprechendes Ma¬ 
terial, so dass wir den Vortrag B’s ganz besonders demjenigen 
zum Studium empfehlen möchten, die bezüglich der Contagio- 
sität noch subjective Zweifel hegen. - 

2. Gold Schmidt, von der Anschauung ausgehend, dass 
vergleichende Beobachtungen aus den verschiedensten inficirten 
Gegenden dazu führen können, die eigentlichen Existenzbedin¬ 
gungen dieser merkwürdigen Seuche kennen za lernen, die er 
als unabhängig von Klima, Boden und Bace anteieht, giebt 
eine kurze Geschichte der Lepra auf Madeira. Wahrscheinlich 
ist sie auf diese Insel von den frühesten Ansiedlern einge- 
schleppt, da zu denselben viel Proletariat und Verbrecher ge¬ 
hörten, denen in Portugal die Gefängnisstrafe erlassen wurde, 
wenn sie auswanderten. Eine Leproserie ist bereits vor vielen 
Jahren (jedenfalls vor 1515) errichtet worden, doch hat man 
keine genaueren Berichte über deren Thätigkeit. Sie liegt in 
unmittelbarer Nähe der Stadt Funchal und ist ihre Einrich¬ 
tung, wie aus der beigelegten Heliographie ersichtlich, eine 
ziemlich primitive und düstere. Statistische Aufzeichnungen 
sind nur von 1830 an vorhanden. Von 1830—1890 betrug die 
Zahl der Lazarus-Kranken — 224. 1840—1861 waren durch¬ 
schnittlich stets 24 Pat. pro Jahr im Hause. In den letzten 
15 Jahren wurden jährlich nur 1—2 neue Patienten aufge¬ 
nommen. da keine Zwangsmaassregeln zur Aufnahme bestehen. 

G. berechnet die gegenwärtige Zahl der Leprösen auf Madeira 
auf ca. 70 (d, h. 6:10000). Eigenthümlicher Weise stammen 
die meisten Leprösen von der Südwestküste, aus dem Kreise 
Pouta do Sol, während aus der Karte ersichtlich, dass die 
Nordwestküste ganz frei ist. Auch G. kommt zu dem Schlüsse, 
dass die Ausbreitung durch Uebertragung von Mensch auf 
Mensch stattfindet, wobei er eine gewisse Disposition aner¬ 
kennt. Interessant ist die Thatsache, dass der Aussatz auf 
Madeira auch durch Einwanderung aus British Guyana unter¬ 
halten wird, wo in der lejprösen Gegend eine zahlreiche Ma- 
deiresen-Colonie besteht. Das Alter der 224 Leprösen in Ma¬ 
deira war folgendes: 


1-10 Jahr . 

. . 7 

40-50 Jahr 

. . . 31 

10-20 » . 

. . 56 

50-60 » 

, . . 6 

20-30 » 

. . 72 

60- 70 > 

, . . 6 

30 -40 » . 

. . 45 

70-80 » 

. . 1. 


(Diese Zahlen sind wiederum ein Beweis mehr gegen die Here¬ 
ditätstheorie. Nimmt man an, dass ein 7Qjähriger selbst 25 oder 
30 Jahr leprös ist, dann müsste nach der Erbliohkeitshypo- 
these eine Incubation von 40 Jahren stattgehabt haben (!) Bef.). 

Von den 224 Patienten starben in der Leproserie — 189, 
nachdem sie dort durchschnittlich 4—6 Jahre verbracht, die 
längste Aufenthaltsdauer betrug 20 Jahre, nur 5 aber hatten 
dort länger wie 15 Jahre verbracht, 32 aber weniger wie ein 
Jahr. Die Tuberculininjeetionen gaben auf die Dauer keine 
guten Erfolge. Petersen. 


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Emil Klein: Handbuch der Massage. Aus dem Schwe¬ 
dischen übersetzt von G. Schütz. Berlin 1890. 8°, 311 S. 

Verf., ein in Karlsbad prakticirender Schwede, lässt in sei¬ 
nem Buche überall den erfahrenen Praktiker hervortreten, wo¬ 
durch man sofort ein gewisses Vertrauen gewinnt. Er ver¬ 
theilt sein Interesse auch ziemlich gleichförmig zwischen die 
verschiedenen Kapitel. Dabei zeigt das 11 Seiten umfassende 
Literatnrverzeichniss, wobei besonders zahlreiche skandinavi¬ 
sche Namen auflhllen, eine starke Belesenheit. Die Literatur 
ist durchaus kritisch behandelt, überall tritt des Verf. eigene 
Anschauung hervor und erregt das Interesse des Lesers auch 
wo er nicht einverstanden ist, so z. B. kann ich nach eigener 
Erfahrung keineswegs in das verwerfende Urtheil über die 
Oertel’8che mechanische Behandlung des Herzens einstimmen. 
Eine gewisse feindselige Haltung gegenüber Oertel ist übri¬ 
gens in Karlsbad und Marienbad zu Hause. Jedenfalls ist das 
Buch, das bei geringem Umfange viel bietet, aufs angelegent¬ 
lichste zu empfehlen. Abbildungen fehlen. 

Buch (Willmanstrand). 


Protokolle 

der Sitzungen des III. livländisehen Aerztetages 
in Walk. 

II. Sitzung. 9.8eptember 1891, Nachmittags 5 Uhr. 

2. Herr Unverricht (Dorpat). «Ueber das Fieber». 
Vortragender hält es für notnwendig, sich die Frage vorzu¬ 
legen, was man eigentlich unter Fieber zu verstehen habe, 
denn die Behandlungsmethoden, welche sich auf den modernen 
Anschauungen vom Fieber aufgebaut, hätten nicht za dem 
gewünschten Besnltat geführt. 

Die frühere Vorstellung, dass das Fieber ein eigenes Krank¬ 
heitswesen sei, habe man immer mehr fallen lassen. Man be¬ 
trachte es als Symptomencomplex, der gewisse Krankheiten 
begleite. Aber dieser Symptomencomplex sei ein sehr vager, 
es fehle bald dieses, bald jenes Symptom, gelegentlich auch 
die erhöhte Temperatur. Etwas logischer erscheine schon die 
Liebermeistersche Auffassung: Das Wesentliche im 
Fieber sei die höhere Einstellung der Körpertemperatur, und 
die Übrigen Symptome seien davon abhängig. Aber auch diese 
Anschauung sei unhaltbar, denn die anderen Symptome beglei¬ 
teten durchaus nicht regelmässig die Steigerung der Körper¬ 
temperatur und seien ihr auch nicht proportional, so dass sie 
nicht von ihr abhängen könnten. Auch sei die Temperatur 
nicht auf einen bestimmten Grad eingestellt, sondern man 
könne ein regelloses Schwanken viel eher als das Gesetz be¬ 
trachten. 

Es bliebe nichts Anderes übrig, als die erhöhte Temperatur 
schlechtweg als Fieber zu bezeichnen, dann müssten wir auch 
von dem Gesunden, im Dampfbade, der 39° hat, sagen, er fie¬ 
bert. Besser wäre es wohl, den Begriff, dem in Folge seiner 
historischen Entwickelnng soviel mystischer Beigeschmack 
anhafte, ganz fallen zu lassen, denn die Bezeichnung «Tem- 
peratursteigerung» erschöpfe alle Erscheinungen und könne 
nicht zn Missverständnissen führen. — Von antifebriler Be¬ 
handlung könne demnach nicht die Rede sein, sondern nur 
von antithermischer. Sollte man die erhöhte Temperatur her¬ 
absetzen? 

Unsere klinischen und experimentellen Erfahrungen bewie¬ 
sen nicht die Schädlichkeit erhöhter Körperwärme. Man habe 
immer den Fehler begangen, der Teraperatursteigerung in die 
Schuhe zu schieben, was der Vergiftung, z. B. bei Infec ions- 
krankheiten. zukomme. — Schliesslich sprächen sogar gewisse 
Gründe dafür, dass möglicher Weise die erhöhte Temperatur 
eine zweckmässige Einrichtung sei, insofern, als dabei gewisse 
Keime schlechter gediehen, gewisse chemische Gifte schneller 
zerfielen, als bei normaler Körperwärme. 

Discussion: 

Herr Koppe (Pernau) fragt, ob eine antiphlogistische 
Wirkung der Kälte durch die klinische Erfahrung erwiesen 
sei. In Praxi schienen Eisnmschläge z. B. die Entwickelung 
einer Pneumonie zu hemmen, ebenso häufig gewechselte kalte 
Umschläge die capilläre Bronchitis. 

Herr Unverricht hat absichtlich vermieden die Kaltwas¬ 
serbehandlung zu berühren. Nicht als ob er sie verwerfe, er 
sei aber der Ansicht, das kalte Wasser sollte nicht als anti¬ 
pyretisches, sondern als diätetisches Mittel vei wandt werden. 
Was die antiphlogistische Wirkung der Kälte anlange, so 
theile er die Ansicht des Vorredners, dass sie die Entzündung 
in engeren Grenzen zn halten scheine. 

Herr Hartge (Dorpat). Das Suchen nach Mitteln gegen 
fieberhafte Erkrankungen scheine ihm weniger auf die Theorie 
Liebermeister’s zurückzuführen, als anf die Thatsache ba- 
sirt zn sein, dass wir schon sneciflsche Mittel, wie Chinin bei 
Interroittens, besitzen und weitere für andere Krankheiten zu 
finden wünschen. 


Herr Unverricht: Das Suchen nach specifischeM Mitteln 
sei durchaus zu billigen. Er habe nur von der symptomati¬ 
schen Fiebertherapie gesprochen. Die Intennittens werde na¬ 
türlich Niemand mit anderen Antipyreticis, als mit dem spe- 
cifisch wirkenden Chinin behandeln. 

Dass die Salicylsäure als Specificum gegen Gelenkrheumatis¬ 
mus anzusprechen sei, erscheine Red. noch nicht ganz erwie¬ 
sen. Sie habe aber gewisse specifische Beziehungen zu dieser 
Krankheit, bei der sie mit Frfolg verwandt werde, während 
sie bei anderen fieberhaften Erkrankungen zu den schlech¬ 
testen Mitteln gehöre. 

Herr Hampeln (Riga) erklärt sich mit der Theorie des 
Vortrgd. und ihrer Begründung einverstanden, hält aber da¬ 
für. dass sich daraus sehr wohl auch die Befürwortung der 
antipyretischen Methode folgern lasse. Die theoretischen Er¬ 
wägungen befänden sich zudem im Einklänge mit der prakti¬ 
schen Erfahrung, welche z. B. zu Gunsten der Kaltwasser¬ 
behandlung des Typhus sprächen. 

Herr Unverricht: Die schwierige Frage der Kaltwasser¬ 
behandlung-sei nur auf dem Wege der Statistik oder dem der 
snbjectiven Erfahrung zu beantworten. Die Statistik sei lei¬ 
der nicht überall gleich ausgefallen und auch bezüglich der 
subjectiven Erfahrung sei man zu keinem einheitlichen Resul¬ 
tate gelangt. Der Wechsel der Schwere gewisser Erkran¬ 
kungen z. B. des Typhns im Lauf längerer Zeitperioden könne 
.leicht zu Irrthümern führen. Ausserdem läge es / nahe, dass 
der einzelne Beobachter sich durch Bessernng gewisser 
Symptome zn sehr imponiren lasse. Die Klärung des Be¬ 
wusstseins durch die Kaltwasserbehandlung beweise z. B. noch 
nicht den Nutzen derselben. 


3. Herr Hampeln (Riga). «Die Erkrankung des 
Herzmuskels». Red. spricht sich zunächst, den Einfluss 
mechanischer Schädlichkeiten auf die Entstehung von Herz¬ 
krankheiten ira Allgemeinen wohl zugebend, docn gegen die 
so£. «Ueberanstrengung des Herzens* als besonderes Krank¬ 
heitsgenus aus. 

Wesentliche Ursache der Herzerkrank irngen im eigentlichen 
Sinne des Wortes seien, wie bei den anderen inneren Orga¬ 
nen, Infectionen und Intoxicationen im Allgemeinen. Dafür 
sprächen die Erfahrungen des Krankenhauses in Riga, welche 
unter den zur Obduction gelangten Fällen von Herzfehlern 
keine einzige uncoraplicirte Ueoeranstrengungshypertropbie 
des Herzens anfweise. Immer lag nach Ausschluss der Klap- 

S enfehler Arteriosklerose, Coronarsklerose oder Emphysem oder 
fepliritis etc., jedes für sich oder zugleich mit den anderou 
vor. In Berücksichtigung ferner dessen, dass Frauen fast zur 
Hälfte an den Myopathien betheiligt sind { hält er eine Ableh¬ 
nung der Ueberanstrengung als wesentliche Ursache chroni¬ 
scher Herzerkrankungen für geboten. 

Demgemäss unterscheidet er folgende bekannte anatomische 
Kategorien: 

1. Herzhypertrophie. Doch handle sich’s bei der Stauungs¬ 
hypertrophie nicht um eine Erkrankung im eigentlichen Sinne, 
sondern um eine physiologisch-anatomische Kategorie. 

Als Krankheit im engeren Sinne hätten zu gmten: 


1. Die chronische Myocarditis. 

2. Die fettige Degeneration and das Fettherz. 


Charakteristisches Merkmal beider sei die Dilatation; Ursache 
der Dilatation am hänflgsten die Myocarditis, in seltenen Fäl¬ 
len die fettige Degeneration. 

Die Myocarditis bestehe als parenchymatöse und interstitielle, 
oft bereits makroskopisch an sehnigen und fettigen Herden 
erkennbar. Selten fehlten dabei endocarditische und endarte- 
ritische Processe. Die Myocarditis entwickele sich als secnn- 
däre oft auf dem Boden einer Stauungshypertrophie, trete 
aber ausserdem sehr häufig als primäre auf. Dabei komme es 
natürlich zur compensirenden Hypertrophie des rechten, in 
anderen Fällen zur ausgleichenden, vicariirenden Hypertrophie 
des gleichen, meist linken Ventrikels. 

Die Thatsache, dass bei chronischer Myocarditis Aorta and 
Nieren meist normal, bei primärer umgekehrt fast immer als 
erkrankt angetroffen würden (Arteriosklerose, interstitielle 
Nephritis) spräche ^egen die wesentliche Identität der anato¬ 
misch scheinbar gleichartigen Vorgänge. 

Diffuse fettige Degeneration käme im Ganzen selten zur 
Beobachtung (im Ganzen 10 Fälle unter 1400 Leichen). Red. 
verfüge dazu über keinerlei charakteristische klinische Merk¬ 
male. Höchstens Hesse sich die isolirte fettige Degeneration 
des rechten Ventrikels beim Lnngenemphysem erkennen. 

Das eigentliche Fettherz, die Fettumwachsung stehe an Be¬ 
deutung, wenigstens in Bezog anf die Gefahr, erheblich hinter 
den anderen zurück. Im Todesfall lägen gewöhnlich die ande¬ 
ren, schwerer wiegenden Veränderungen des Herzmuskels 
neben der möglicherweise unschuldigen Fettauflageniög rer. 

Zur differentiellen Diagnose. 

Red. hält es für wichtig, zunächst die Vorfrage nach der 
Gegenwart oder Abwesenheit eines Klappenfehlers so erledi¬ 
gen. Sowohl Aorten- als Mitralklappenfehler könnten ohne 


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9 


Geräuschbilduug bestehen, doch spräche das Fehlen von Ge¬ 
räuschen im Ganzen gegen den Kluppenfehler. 

Schwieriger sei die Ausscheidung eines Klappenfehlers, trotz 
bestehenden Geräusches. Relative Insuflicienz werde recht 
häufig sowohl an den Aortenklappen als an der Mitralis beob¬ 
achtet. entere wesentlich bei Aortendilatation, letztere bei 
Lungenemphysem, Morbus Brightii, gelegentlich bei Mvocar- 
ditis. Bei bestehendem Emphysem oder Morb. Brightii sei die 
Insutficienz fast immer eine relative. Für. relative Stenose aui 
Aortenostium spreche das Auftreten systolischer Aortenge- 
riusche bei bestehender Aorten- od. Ventrikeldilatation trotz 
normalen Klappenbefundee. Man sei daher mit der Diagnose 
einer anatomischen Aortenstenose sehr zurückhaltend, da dies«- 
selten, die Geräusche aber sehr häutig angetroffen würden. 

Nach Ausschluss der Klappenfelder wäre das Verhältnis 
zn etwaigen anderen Organerkrankungen festzastellen. 

Fassförmiger Thorax spräche für Emphysem, gegen primä¬ 
res Herzleideu. Die Erkennung universeller Arteriosklerose, 
der genuinen Sehmmpfniere bereite keine besonderen Schwie¬ 
rigkeiten, wokl aber die yersteckte Arteriosklerose, welche oft 
die Ursache einer Herzerkranknng werde. Uebrigens sei 
immer zu bedenken, dass alle diese Erkrankungen oft neben 
einander, gleicher Ursache entsprungen, ohne causalen Zu¬ 
sammenhang beständen. Die perioardialen Svnechien endlich 
meint Red. nicht in den -Kreis differenziren'der Betrachtung 
ziehen zu sollen, da ihr Einfluss auf Hei-zbeschwerden zu nn 
sicherer Natur sei. 

Nach Ausschluss der auch secundüren Herzmuskelerkran¬ 
kungen gelange mau zur Diagnose der primären Myoeardi- 
tis resp. fettigen Degeneration, Für welche kein directes. cha¬ 
rakteristisches Merkmal existire, und auf die nnr aus den 
allgemeinen klinisclien Erscheinungen geschlossen werden 
dürfe. 

Myocarditis nnd fettige Degeneration Hessen sich endlich, 
zunächst wenigstens, nooh nicht difterenziren. 

Die Diagnose des Fettherzens stosse anf keine Schwierig¬ 
keiten. Sie erscheint berechtigt, wenn neben allgemeiner 
Lipomato8e Herzbeschwerden und Herzvergrösserung nach¬ 
weisbar waren. Zum Schluss recapitulirt Bed. kurz seinen 
v ortrag. 

I) i s c n s s i o u : 

Herr Unverricht wendet sich an Vurirgd. mit der Frage, 
ob er häufig eclatante Fälle von Insuflicienz gesehen, in 
welchen das diastolische Geräusch gefehlt. 

Die Entsendung der Frage, ob eine Insufficienz vor liege 
oder nicht, sei deshalb so schwierig, weil kein strenger ana¬ 
tomischer Beweis für die Schlussfülligkeit der Aortenklappen 
existire. Die Klappen könnten recht stark geschrumpft 3 ein 
nnd doch beim bedeutend kleineren lebenden Ostium seldiessen. 
wenn an der Leiche auch die Probe negativ ausfalle. 

Herr Hampeln diagnosticire aus dem systolischen Geräus¬ 
che über dem Sternum eine relative Aortenstenose Bed. halte 
dieses Geräusch im Allgemeinen für ein arteriosklerotisches: 
die entartetsten Arterien brächten statt des Tones ein Geräusch 
hervor. Die Aorta könne dabei dilatirt sein, so dass eine rela¬ 
tive Stenose am Klappenostinm — hn Sinne Hampelns — vor¬ 
liege, es brauche sich aber um keine Erweiterung zu handeln. 

Herr Hampeln hat Fälle von Insufficienz der Aortenklap¬ 
pen beobachtet, die während des Lebens längere Zeit keine 
Geräusche veranlasst. Trotzdem habe die anatomische Unter¬ 
suchung Klappenschrumpfnng nnd fehlenden Schluss con- 
statirt. 

Red. betont, dass, seiner Auffhssung nach, nie Schwingun¬ 
gen der Gefässwand sondern des Blutes Geräusche erzeugten. 
Diese entstünden am Aortenostium bei Erweiterung der Aorta 
ascendens oder des Ventrikels. Sie würden häufig am unteren 
Sternalende oder an der Herzspitze gehört, was für die Un¬ 
abhängigkeit von der Aorta spreche. In jedem Fall, wo auch 
die Geräusche entstehen mögen, warne er davor, anf das sy¬ 
stolische Geränsch hin anatomische Stenose zu diagnostieire'n. 

Herr Brennsohn (Mitan). In einer vor mehreren Jahren 
erschienenen Arbeit schildere Leyden Herzerkranknngen, 
welche sich direct an eine Ueberanstrengung angeschlossen. 
Aus eigener Praxis erwähnt Red. eines Falles, in dem sich 
unmittelbar an eine Ueberanstrengung schwere Herzsymptome 
angeschlossen, die sich zwar nach einigen Wochen gebessert, 
doch aber ein Herzleiden hinterlassen hätten. 

Herr Hampeln giebt zn. darin von Leyden abzn weichem, 
dass er (Bea.) chronische Ueberanstrengung des Herzens als 
Krankheitstypus nicht gelten lasse. Acute Ueberanstrengung 
dagegen komme gewiss vor und sei auch von ihm beobachtet 
worden. Man müsse indessen nicht vergessen, dass bis dahin 
latente Herzleiden durch irgend welche mechanische Schädlich¬ 
keit offenbar werden nnd zur Annahme einer Ueberanstren- 
gungskrankheit verleiten könnten. 

4. Herr Heerwagen (Riga). «Blatternsterblichkeit 
und unentgeltliche Impfungen in Riga (abgedrucktin 
der Zeitschrift für Hygiene. Bd. X 1891). 

Vom Jahre 1882 an' liege brauchbares statistisches Material 


über Blatternsterblichkeit vor. Von 1882 bis 87 hatte Riga 
durchschnittlich 108 Todesfälle an Blattern jährlich, von aa 
an nnr etwas über 7. Im Deceinber 188*5 bis 87 lies« sich ein 
epidemisches Auftreten der Krankheit constatiren. 

Die von der Stadtverwaltung besorgten unentgeltlichen 
Impfungen hätten bis 1885 Incl., wo eine liberale und bequeme 
Neuordnung der Gratisimpfung stattgefunden, nie die Zahl 
500 erreicht, seien 1886 anf 2000, ja 1887 unter dem Druck 
einer Blatternpanik auf 8188 gestiegen. In den letzten Jahren 
: seien durchschnittlich 2700 Gratisimpfongen vollzogen worden, 
j Das Verhältniss der Bhvtternsterbhchkeit zur Impffrequenz 
deinonstrirt Vortrgd. an einer graphischen Tafel. 

; • Aus der Vergleichung beider Zahlenreihen ergebe sich, dass 
die Zahl der Blatterntoaten in Biga gross sei, so lange die 
Zahl d,er unentgeltlich Geimpften klein bleibe. Nachdem 
Massenimpfungen vollzogen worden und auch weiterhin die 
.Impfung ihren regelmässigen Fortgang genommen, seien Todes 
fülle an Blattern fast zur Seltenheit geworden. 

5a. P. Werner (Petersburg). «Geber Chloroformbe¬ 
handlung des Danntyphus» (hält den angekündigten 
Vortrag, der demnächst in dieser Wochenschrift erscheinen 
wird). 

1 5b. A. Eeck (Oberpalilen). Correferat. 

Die Erkenntnis«, dass es neben der erhöhten Temperatur 
, beim Darmtyplms namentlich die toxische Einwirkung der 
Ptoraaine der Bacillen sei, welche die Gefahr der Erkran- 
kung mit sich bringe, habe der antipyretischen Behandlungs¬ 
methode einen .argen Stoss versetzt und zur Anpreisung spe- 
cifischer Mittel geführt. Red. nennt die «graue Salbe», aas 
Sublimat Naphtalin, Carbol, Eukalyptol, Jod. die alle, na¬ 
mentlich die drei letzten, mehr oder weniger Fiasco gemacht. 
So lange keine sichere Aussicht vorhanden sei, mit den Stoff- 
wechselprodncten der Mikroben selbst im Sinne Koch’s gegen 
diese mit absoluter Sicherheit zn Felde zu ziehen, wäre der 
praktische Arzt genöthigt, mit der diätetisch-hygienischeu 
Methode unter Zuhilfenahme symptomatischer Mittel den In- 
feetionskraiikheiten zu begegnen. 

Von diesem Gesichtspunkte ans erlaube sich Bed. einem 
Heilmittel das Wort zu reden, das. in Vergessenheit gerathen. 
jetzt erneute Beachtung verdiene. 

Auf die Methode der Clüoroformbeliandlung des Typhus sei 
Red. durch ein Referat über Stepp’s Aufsatz (Allg. Medicin. 
j Ceutral-Ztg. Novb. 90) aufmerksam geworden, und sei sie ihm 
; durch ihre Einfachheit und Billigkeit für den Landarzt geeig- 
1 net erschienen. 

j Sein Material ihi Kirchspielshospital habe aus 8 jungen, 
kräftigen Leuten (Arrestanten) bestanden. Nach Stepp gab 
I Red. 1,0 Chloroform pro die in 3 Portionen (Schüttelmixtur 
i ,u it Zuckervyasser oder Fruchtlimonade). Bei hohem Fieber 
, wurde der Kopf des Pat. mit dem Eisbeutel gekühlt; sonst 
i keine Therapie. Diät: anfangs Milch, später gekochte Eier, 
Fleischsnppe. Zwieback. Cldoroform wurde 8—14 Tage, bis 
zur Entfieberung gegeben, und gern und ohne übeie Neben¬ 
wirkung genommen. Das Fieber sank schnell und erheblich; 
nach Aufhofen desselben bekamen die Kranken 3 Mal täglich 
zu 5 Tropfen Acid. muriat. dilut. Geliirnerscheinungen seien 
sehr mässig gewesen, nur in einem Falle habe wegen Delirien 
Chloral gegeben werden müssen. Die Patienten hätten den 
Eindruck gemacht, sich im Allgemeinen wesentlich wohler zu 
fühlen, als es sonst bei Typhösen der Fall sei. namentlich hätte 
Somnolenz der Behandlung nicht lange getrotzt. Pnls und 
Respiration seien der Temperatur entsprechend gewesen, die 
Zunge wäre bald feucht und reiner geworden. Die Stühle 
seien nicht frequent, nnd schon sehr bald kothig geworden. 

Der wesentlichste Vorzug der Chloroformbehandlnug des 
Typhus sei im vollkommenen Fehlen von Complicationen und 
in der kurzen Dauer des Processes, welche auch nur eine sehr 
kurze Reconvalescenz bedinge, zu sehen. Nach 3 Wochen 
hätten die meisten Kranken aas Hospital verlassen, gestorben 
sei keiner. 

So zufrieden Red. mit seinen Erfolgen sei, so könne er nicht 
umhin zu betonen, dass er ein sehr geringes Krankenmaterial 
in Beobachtung gehabt, dass vielleicht auch die Epidemie eine 
leichtere oder doch nur mittelschwer gewesen sein möge, die 
einer anderen Methode gegenüber sich nicht renitenter gezeigt 
hätte, und dass auch die Naturheilung des Tvphus abdomina¬ 
lis immerhin nur 20°/o Mortalität aufweise. 

D i s c u s s i o n : 

Herr Krannhals (Riga) fragt Herrn Werner, ob bakte¬ 
riologische Untersuchungen der znr Section gelangten Fälle 
stattgefundeu. Er halte dieselben für absolut nothwendig, da 
nur durch den positiven Ausfall solcher Untersuchung sicher¬ 
gestellt werden könne, dass es sich bei den vom Vortrgd. ge¬ 
schilderten Krankheitszuständen wirklich um «Typhus abdo¬ 
minalis» gehandelt und nicht etwa um irgend welche andere, 
uns vielleicht noch unbekannte Erkrankung. 

Herr AVer ne r hält den Einwand des Vorredners nicht für 
wesentlich, da es sich einerseits doch bei allen Leichenbefun¬ 
den herausstellte, dass der Dünndarm, wenn auch wenig er- 


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e n, dennoch die charakteristischen Merkmale des 
Uphus: die Infiltration, mindestens der Peyer’schen Pla¬ 
ques, darbot, es sich also unmöglich um eine «neue» Krank¬ 
heit handeln könne, — Red. aber andererseits den von Herrn 
Krannhals verlangten Untersuchungen keine Ausschlag ge¬ 
bende Bedeutung für die Diagnose beizumessen vermöge. 
(Schluss der II. Sitzung). 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Als Specificum gegen die Influenza empfiehlt Ar¬ 
thur Hennig in Königsberg das Salipyrin. Das Mittel 
wird am besten in grösseren Dosen in kurzen Intervallen in 
den NachmittagBstunden gereicht. Oft genügt ein Verbrauch 
von 3,0—5,0 um Euphorie eintreten zu lassen. Am nächsten 
Morgen sind die Beschwerden ganz oder zum grössten Theil 
geschwunden. Zuweilen muss das Mittel noch einige Tage in 
Dosen von 1,0—2,0 fortgesetzt werden. Die Dauer der Krank¬ 
heit wird wesentlich abgekürzt, Complicationen treten seltener 
auf. Man giebt das Mittel entweder in Oblaten zn 0,5—1,0 oder 
als Schüttelmixtnr: Rp. Salipyrin 6,0, Glycerin 14,0, Syr. Rnb. 
Idaei 30,0 Aq. dest. 40,0 MD. '/*—*/a stündlich 1 Esslöffel. 

(Wiener med. Blätter Nr. 48). 

— Ueber eine Epidemie von spinaler Kinderlähmung 
berichtet Medin (Stockholm). Während M. sonst nur verein¬ 
zelte Fälle in jedem Jahre gesehen hatte, traten von Mai 1887 
ab die Fälle häufiger auf, so dass bis November 44 Fälle, in | 
den Monaten August und September allein 39 Fälle von ihm ; 
beobachtet wurden. Zweifellos handelt es sich doch hier nm j 
eine Infectiomtkrankheit. (Centraibl. r. kl. Medicin Nr. 36). 

— Zur Behandlung chronischer Diarrhoen, soweit die* 
selbem nicht das Symptom einer unheilbaren Krankheit dar* 
stellen, sind nach Pollatschek die Karlsbader Wässer, 
in kleinen Dosen and warm getrunken, als Heilmittel sehr 
empfehlenswerte Noch besser wirken Injectionen warmen 
Thermalwassers in das Rectum. Man kühlt die Wässer An¬ 
fangs auf 38* C. ab und nimmt etwa 300 Grm., um später bis 
auf 43° C. und etwa 500 Grm. bei Erwachsenen zu steigen. 
Besonders günstige Resultate soll diese Behandlungsmethode 
in der Kinderheilkunde liefern. 

(Wiener med. Wochen sehr. Nr. 33). 

— F. W. Langdon lenkt die Aufmerksamkeit auf das 

Benzin als Antisepticum und Antiparasiticum. Einen 
wesentlichen Erfolg sah er von demselben bei Pityriasis ver- 
sicolor; er liess zweimal täglich 3 Tage hindurch mit Watte 
das Benzin flott Aufträgen und erzielte dauernde Heilung. 
Ein wenig Cavendeltinctur kann man dem Benzin binzusetzen. 
Auch bei Furunculose bewährt sich das Mittel. Man tränkt 
ein Wattepolsterchen mit Benzin, drückt es fest, aber ohne 
Gewalt, etwa eine halbe Minute lang, auf die fnrunculöse 
Schwellung und wiederholt dieses Verfahren am ersten Tage 
stündlich oder alle 3 Stunden, später 3 oder 3 Mal täglich. 
Des weiteren erwies sich dem Verr. das Benzin nützlich gegen 
die Sandflöhe, jene widerwärtige Insectennlage der Tropenge¬ 
gend Auch bei Trichinose innerlich verabfolgt, soll das Benzin 
wirksam sein. (Medic. Neuigkeiten Nr. 39). 

— Boy er hatte schon 1886 die Anwendung der Fabians im- 
bricata bei Erkrankungen der Harnorgane empfohlen. 
Bei den Einwohnern Chiles und im Handel ist die Pflanze 
unter dem Namen Pichi bekannt. Laval empfiehlt gegen 
aente und chronische Cystitis folgende Formel: Extr. flnidi 
Pichi 33.0, Kali nitrici 4,0, Syr. simpl. 90,0 S. 3 stündlich ein 
Kaffeelöffel. Contraindicirt soll das Mittel bei gleichzeitig be¬ 
stehendem Morbns Brightii sein, da es erfahrungsgemäss die 
Albuminurie steigert. (Deutsche med. Wochenschr. Nr. 38). 

— Poulet räth bei der Epilepsie neben Bromsalzen an¬ 
dere die nervösen Centra beeinflussende Stoffe anzuwenden, 
so die Calabarbohne, Pikrotoxin, Belladonna. Auch 
Tinctura digitalis hat der Autor bewährt gefunden. 

(Therap. Monatshefte Nr. 7). 

— Ein von Mos so in Turin im Celastrus edulis aufgefun- 
denes Alkaloid, das Celastrin, bewirkt nach dessen Angaben 
bei Thieren mit kaltem Blute (Frösche) in schwacher Dosis 
und in der ersten Periode eine Excitation des Nervensystems, 
in der zweiten Periode nnd in starker Dosis eine Depression. 
Bei Thieren mit warmem Blute (Kaninchen, Hunde) fand der 
Verfasser nur sehr schwache Veränderungen im Blutdrucke 
und in der Athmung, cerebrale Excitation, ohne Spur einer 
Depression, dann eine rectale Temperaturerhöhung. M. ist der 
Ansicht, dass das Celastrin ein besseres und activeres Exci- 
tans, als das Cocain sei. (Wiener medic. Blätter, Nr. 38). 


Vermischtes. 

— Ordensverleihungen: Der St. Alexander- 
Newski-Oiden — dem Leibchirurgen des Kaiserlichen 
Hofes, Geheirarath Dr. Hirsch. Der St. Wladimir-Or¬ 


den II. Classe — dem Director und Oberarzt des Kinder 
hospitals des Prinzen von Oldenburg, Leibpädiater Geheimrath 
Dr. Rauchfass. Der St. Annen-Orden I. Classe — 
den Professoren der pathol. Anatomie, wirkl. Staatsräthen 
Klein (Moskau) und Brodowski (Warschau). Der St. Sta¬ 
nislaus-Orden I. Classe — dem Flaggmanndoctor der 
Baltischen Flotte, wirkl. Staatsrath Dr. Smlrnow; dem älte¬ 
ren Arzt der Erziehungsanstalt für adlige Fräulein, wirkl. 
Staatsrath Weidemann^ dem Gehülfen des Directors des hie¬ 
sigen Marienhospitals, wirkt. Staatsrath S. Ssabinski. Der 
St. Wladimir-Orden III. Classe — dem gelehrten 
Seoretär des Medidnalraths nnd Mitglied des Conseils des Mi¬ 
nisters der Volksaufklärung, wirkl. Btaatnrath Dr. Anrep; 
dem beratenden Mitglieds des Medidnalraths. Staaterath Ör. 
Schidlowski; dem Ehrea-Hofnedicus des Kaiserlichen Hofes, 
wirkl. Staatsrath Hunnius in Hapsal. Der St. Annen- 
Orden II. Classe — den jüngeren Ordinatoren des hiesi¬ 
gen Harienfaospitals, Staatsrath Dr.Theodor Nenmana, and 
der ambulatorischen Abteilung des hiesigen Nikolai-Kinder- 
hoepitals, Dr. Ernst Hörschelmann. Der St Stanis¬ 
laus-Orden n. Classe — dem Flottenarat Dr. Bunge. 

— Befördert: Zn Geheirarätheu — der Rector der 
Warschauer Universität Prof, einer. Dr. Schtschelkow und 
der Professor der Augenheilkunde an der Moskauer Universität, 
Dr. Braun. Zu wirklichen Staatsräthen —der Ge- 
hülfe des Medicinal-Inspectors des St Petersburger Haftes, 
Dr. Rambach; der Professor der Therapie an 2er Kiewer 
Universität, Dr. Tritschel: der Director der Heilanstalt des 
Comit&i zur Fürsorge für die Bettler in St Petersburg, Ni¬ 
kolai Winter. 

— Zum Geschäftsführer des Mediciaalraths des Mi¬ 
nisteriums des Innern ist an 8teile Dr. Jepifanow’s, wel¬ 
cher bekanntlich Vicedirector des Medicinaldepartements ge¬ 
worden ist, der bisherige ältere Ordinator am hiesigen klini¬ 
schen Elisabeth-Kinderhospital, Staatsrath Dr. N. A. Woro- 
nichin, ernannt worden. 

— Der Director des hiesigen St. Andreas-Kinderasyls, Ge- 
heimrath Dr. Nedats, ist zum Ehrenmitglied des St Pe¬ 
tersburger Conseils der Kinderasyle ernannt worden. 

— Die Professoren der militär-medicinischen Academie, Dr. 
Julius Tschudnowski (Therapeut) und Dr. N. W. Ssoko- 
low (Chemiker) sind nach Ausdienung der 35jährigen Dienst¬ 
frist auf weitere 5 Jahre im Dienst belassen worden. 

— Als Candidat für den durch den Abgang Prof. Man as¬ 
sein's erledigten Lehrstuhl der speciellen Pathologie und kli¬ 
nischen Propädeutik an der mllitär-med. Academie wird, wie 
der «Wratsch» erfährt, auch der Professor am klinischen In¬ 
stitut der Grossfürstin Helene Pawlowna, Dr. M. I. Afa- 
nassjew, anftreten. 

— Verstorben: 1) Im Döcember 1891 in St. Petersburg 
der ehemalige Militär-Medicinalinspeotor, Geheimrath Dr. Ju¬ 
lius Holtermann. Am 31. October 1821 in Livland geboren, 
bezog H. i. J. 1845 die Universität Dorpat, an welcher er bis 
1851 Medicin stndirte. Nach Erlangung der Doctorwürde i. J. 
1853 wurde der Hingeschiedene Flottenarzt und war sodann 
successive Chef des Mil.-Medicinalwesens in Ostsibirien, von 
1876—1882 Militär-Medicinalinspector des Kasan’schen und seit 
1882 des Wilna’schen Militär-Bezirks. Im J. 1890 nahm er 
seinen Abschied and lebte in letzter Zeit in St Petersburg. 
2) Am 90. December 1891 in Warsohau der dortige Arzt uad 
Redacteur der polnischen Zeitschrift «Medycyna», Dr. Gustav 
Fritsche, im 52. Lebensjahre. Nach Absolvirung des Cursus 
au der medico-chirurgischen Academie liess sich F. in seiner 
Vaterstadt Warschau als Arzt nieder, wo er anfangs als Or¬ 
dinator an einem dortigen Hospital, dann als Leiter einer 

S nenraatisch - hydropathischen Heilanstalt fuugirte. Äusser¬ 
em war er Redacteur der Wochenschrift «Medycyna» nnd ist 
auch sonst mehrfach literarisch thätig gewesen. 3) Ara 36. De¬ 
cember in Wien der weltberühmte Physiologe, Prof, einer. Hot¬ 
rath Ernst Ritter v. Brücke, an den Folgen der Influenza. 
Der Hingeschiedene war am 6. Jnni 1819 in Berlin geboren 
und hatte seine medicinische Ausbildung in Berlin nnd Hei¬ 
delberg erhalten, worauf er vom Jahre 1843 an als Prosector 
am Museum für vergleichende Anatomie fungirte. Im J. 1848 
wurde er als Professor der Physiologie nach Königsberg be¬ 
rufen, folgte aber schon im nächstfolgenden Jahre einem ehren¬ 
vollen Rufe an die Universität Wien, zu deren Zierden er bis 
zum vorigen Jahre gehörte, wo er wegen Erreichung der ge¬ 
setzlichen Altersgrenze geaöthigt war, sich znr Ruhe zu 
setzen. Brücke’s erste grosse Arbeit, welche die Aufmerksam¬ 
keit der wissenschaftlichen Welt auf sich zog, war seine «Ana¬ 
tomische Beschreibung des menschlichen Augapfels», die i. J. 
1847 in Berlin erschien. Es folgten dann eine stattliche Reihe 
werthvoller Abhandlungen über die verschiedensten Fragen 
der Anatomie und Physiologie. Aus der Zahl seiner hervor¬ 
ragenden Werke wollen wir hier nur noch seine «Vorlesun¬ 
gen über Physiologie» hervorheben, welche auch in’s Russische 
übersetzt sind. 


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Den Hingeschiedenen sind während seiner langen Gelehrten- 
Lftttfbfthn viele Auszeichnungen zu Theil geworden: bereits 
I. J. 1850 wurde er zum Mitgliede der Wiener Academie der 
'Wissenschaften gewählt, mehrmals ist er fiector der Univer¬ 
sität gewesen und i. J. 1879 wurde er zum Mitgliede des 
österreichischen Herrenhauses ernannt 4) Am 30. December 
». 8t. in Paris der bekannte Professor der Chirurgie, Dr. Ei¬ 
chet, im 76. Lebensjahre. 5) In Bordeaux Dr. Zalewski im 
Alter von 111 Jahren. Bis in sein hohes Alter erfreute sich 
der Hingeschiedene einer seltenen körperlichen und gütigen 
Frische. Als Knabe hatte er die Greuel der französischen Re¬ 
volution (1798) gesehen and i. J. 1812 war er mit der Napo- 
konischen Armee in Moskau gewesen. 

— Von der Hauptverwaltung des «Rothen Kreuzes» werden 
in diesen Tagen mehrere Aerzte, Feldscherer und barm¬ 
herzige Schwestern in’s Gouvernement Ssamara ent¬ 
sandt. am den in vielen Dörfern am Hungertyphus Erkrank¬ 
ten Hülfe zu leisten. 

— Wie wir seiner Zeit gemeldet haben, ist ein Preis für 
#ie beste populär gehaltene Brochtre über Syphilis, 
•um Gebrauch für das Volk, ausgesetzt Von len 25 zur Be¬ 
werbung um diese« Preis eingegangenen Arbeiten hat der 
Iledicinalrath zwei befriedigend befunden und den Verfassern 
derselben 1500 KU. anerkannt, von denen der Landschaftsarzt 
des Sslobodskische« Kreises (Gouv. Wjatkai A.W. Iwanow- 
«ki, 1000 Rbl. imd der Arzt ai der Balasctisw’schen Zmdter* 
fabrik, G. A. Nadwtozki, 500 Rbl. erhält. 

— Unsere Acatemie der Wissenschaften hat die grosse 
Baer-Prämie (1000 Rbl.) dem bekannten Bakteriologen, Pro¬ 
fessor 1.1. Metschnikow, welcher gegenwärtig am Pasteur- 
Insdtnt in Paris arbeitet und die kleine Baer-Prämie 
1400 Rbl.) dem Professor der Odessaer Universität W. W. Sa¬ 
le nski, für ihre werthvolien biologischen Arbeiten* verliehen. 

— An Spenden für das Kapital, welches zur Errich¬ 
tung eines anf den Namen des verst Prof. Botkin zu 
gründenden Asyls für mittellose alte Aerzte and de¬ 
ren Familien gesammelt wird, waren bei dem Casdrer der 
hiesigen Gesellschaft russischer Aerzte bis zum 10. December 
1891 bereits 7529 Rbl. 26 Kop. eingelaufen. 

— Vom Medicinaldepartement ist nachstehendes Cironlar 
am alle Medidnalverwaltungen versandt worden, welche es zur 
Kenntnisa und Nachachtung aller, die es Angeht, zu bringen 
haben: «In Anbetracht dessen, dass zuweilen Versehen Vor¬ 
kommen in Folge des Gebrauchs von Synonymen solcher Apo- 
thekerwaaren, welche nur in zweifelhafter Beziehung zu den 
verschriebenen Präparaten stehen, und Aus alten, nicht allen 
zugänglichen Wörterbüchern herstammen, hat der Medicinal- 
rath es für nothwendig befunden, mittelst Journal-Verfügung 
vom 29. October 1891 sub Nr. 513 in Erinnerung zu bringen, 
Aase die in Dienet stehenden, wie auch die freiprak- 
ticirenden Aerzte beim Verschreiben von Recepten 
nicht Synonyma der erwähnten pharmaceutischen 
Präparate gebrauchen sollen, welche sich nicht in der 
russischen Pharroakopöe linden, und ferner, dass dieRecepte 
selbst deutlich zu schreiben sind, da unvergleichlich häu¬ 
figer, als durch Synonyma, durch unleserliche Handschriften 
Versehen herbeigeführt werden. 

— Die neue Apothekertaxe für Russland ist bereits 
vom MedfeinAl-Departement im Regierungs-Anzeiger veröffent¬ 
licht worden. Dieselbe tritt an Stelle der gegenwärtig gülti¬ 
gen Taxe für Anfertigung der Recepte (Taxa laborum, 
HI. Abtheilung der Apothekertaxe, Ausgabe v. J. 1881) auf 
Anordnung des Ministers des Innern als Richtschnur zur obli¬ 
gatorischen Beachtung bei der Verabfolgung von Arzneien: 
in St. Petersburg und Moskau — vom 1. Januar 1892, in den 
Gouvernements-, Gebiets- und Stadthauptmannschafts-Städten 
— vom 1. Juli 1892, in allen übrigen Ortschaften des europäi¬ 
schen Russlands und des Kaukasus — vom 1. Januar 1893 und 
in Sibirien und dem Transkaspi-Gebiet — vom 1. Juli 1893 
ab in Kraft. Die neue Taxa laborum weist in den meisten 
Punkten eine erhebliche Herabsetzung der früheren Preise auf. 

— Wie aus Berlin gemeldet wird, ist der Influenza-Ba¬ 
cillus in zwei dortigen Instituten fast za gleicher Zeit ge¬ 
funden worden, im Koch'sehen Institut für Infectionskrank- 
heften und im städtischen Krankenhanse Moabit. In dem ersten 
ist es der Stabsarzt Richard Pfeiffer, Dirigent der wissen¬ 
schaftlichen Abtheilung des neuen Instituts für Hautkrank¬ 
heiten, in dem letzteren Dr. Canon, Assistenzarzt des Direc- 
tors P. Glitt mann. Der betreffende sehr kleine Bacillus fln- 
-dat sich, wie im Moabiter Kraakeuhause nachgewiesen worden, 
bei jedem Influenzakranken ira Blute zur Zeit des Fiebers und 
auch noch kure nach Ablauf desselben. Im Institut für Infec- 
tionskrankheiteu ist dieser Bacillus auch künstlich gezüchtet 
worden. 

— Von der Dorpater Universität wurden im verflosse¬ 
nen Jahre in allen 5 Facaltäten im Ganzen 548 gelehrte 1 


Grade nnd Würden ertheilt, darunter in der medicini- 
sehen Faonltttt allein 391, und zwar: die Wffyft Q tritt fe 
Kreisarztes 22 Personen, der Grad eine* Doctors 66, die WIHO 
eines Arztes 35, der Grad eines Magisters der Pharmacie 7, 
die Würde eines Provisors 68, die Würde eines Apothekerge- 
hUlfen 119, die Würde eines Dentisten 45 und die Würde einer 
Hebamme 29 Personen. 


— Die hiesige militär-medicinische Academie beging 
am 18. December 1891 ihren 8$. Stifte« ge tag mit einem 
murfLkdien Act. Die Ffebfrele lfcflt der Profmbst der Hiftofo- 
gfe Sawarykin über «Die Aufgabe der Bfwogie in Verbin¬ 
dung mit dem gegenwärtigen Stande der Embryologie*. — 
De» von de» gelehrten Secretär dbr Academie Prof. Nästi- 
low verlesenen Jahresberichte entnehmen wir nachstehende 
Daten: Die Zahl der Stidireide« betrug am 1. September 
1891 — 696, nicht gerechnet die H8 Studenten, welche in dfta 
Berichtsjahre den Corsas absolvirt haben. Ausserdem gab £s 
24 freie Zuhörer, Eingeborene verschiedener slavischer Länder. 
Das Lehrpersonal bestand aus 16 ordentlichen und 16 adl- 
serordentlichen Professoren, 6 Assistenten bei verschiedenen 
Lehrstühlen, 8 Prosoctoren, 44 Privatdocenten and 1 Religioau- 
lebrer. Durch den Tod hat die Academie 2 Professoren (KoBeA- 
lakow und Brandt) verloren. Die Matorin-Prämie erhielt 
der Student Borowikow für die Bearbeitung des Thema* 
«Die Sehnenreflexe beim gesunden Menschen» and die golffeSe 
Medaille Stud. Mereshkowski für die Lösung der Aufgabe 
«In welchem Zustande befinden sfcn afe Mikroben in der Ladt». 
Die Botkin- nnd die Ujinski-PyamlÄt kamen «Beumnl nicht kat 
Vertheilung. An gelehrten Würden hat die Academie ia 
Berichtsjahr ia Ganzen 484 verliehoBk und zwar die Würde 
dnea MedicinnllnipectoN 1 Perion, cfon Kreisirtftes i Person, 
einet Dr. med. 98 Personen, eines Artbet 140, eines Dentisten 
19 und einer Hebamme 225 Personen. 


— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug atn Ä.Deeettber 1891 — 8863. 
darunter 601 Typhus —, 512 Syphilis —, 52 Scharlach —, 15 
Diphtherie—, 66 Masern — nnd 8 Pockenkranke. 


Vacanz. 

Für den Flecken Bobrowizy an der Kufsk-KieW'sehen 
Eisenbahn fm Gouv. Tschernigow wird ein Arzt gesucht. 
Nähere Auskünfte ertheilt der örtliche Apotheker. 


Mortalitäts-Öulletin St Petersburgs. 

Für die Woche vom 22. December bis 28. December 1891. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 


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265 257 522 103 31 77 16 5 14 43 54 61 34 36 40 8 0 
2) nach den Todesarsachen: 

— Typh. exanth. 1, Typh. abd. 8, Febris recurrens 1, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 2, Masern 16, Scharlach 10, 
Diphtherie 8. Croup 4, Keuchhusten 2, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 17, Erysipelas 3, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tfca 0, Ruhr 0, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Kotzkrankheit 0, Anthra* 0, 
Hydrophobie 0, P u erper alfi eber 1, Pyimie und Septieaeaie 1, 
Tuberculose der Lungen 97, Tubercnlose anderer Organe 6. 
Alkoholismus und Delirium tremens 8, Lebensschwäche und 
Atroph» hrfantmn 89, Marasmus senilis 29, Krankheiten des 
Verdau ongscaAal* 49, TodtgeboreAS 31. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 7. Januar. 

Tagesordnung: E. Anders: Zur operativen Behandlung 
der Missbildungen des Rectum. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den IS. Januar. 


Beriohtiguttg: 

Auf Seite 34 der russ. LiterSflir-Beilage, Zeile 15, 21 u. 22 
von unten (rechts) ist zu lesen: Jenner (statt: Senner). 


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XVlf. JAHRGANG. ST. P1TIRSBURGBR Neue Folge \X. Jahrg. 

MEBICINISCIE WODHESSDERIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Er. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 

Die «St. Petersburger Medicinisdie Wochenschrift» erscheint eilen WW Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 
Sonnabend.— Der Abonnemontspreis ist in Bussland B Rbl. für das ; bittet man Ausschliesslich ah die Buchhandlung von Oarl Biekcr ia 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. rostzustellung; in den anderen ! St. Petersburg, Newsky-ProspectJÄ 14, zu richten.— Manuioripte 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreis ' sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau aa 
mr die 3 mal gespaltene7yeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den ! den geschäftsführenden Redac.tenr Dr. Theodor TOn Bcbröder ia 
Autoren werden 25 Separatahzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— St. Petersburg, Malaja Italjanskaja JS 33,Quart. 3, zu richten. Sprech- 
Referate werden nach dem Sutze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. ' stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 

2 S(. Petersburg, 11. (23.) Januar 1892 


Inhalt: F. Schnitz: Aus der forensischen Praxis. Zweifelhafte Todesursache: Trauma oder Otitis media. — M. Mi- 
chailow: lieber die Wirkung der Ureterenunterbindung auf die Absonderung und Zusammensetzung der Galle. — Referate: 
R. Pfeiffer: Vorläufige Mittlieilung über die Erreger der Influenza. — S. Kitasato: lieber den Influenzabacillus und sein Cul- 
tnrverfahren. — P. Canon: Heber einen Mikroorganismus im Blute von Influenzakranken. -- Richard Seifert und Fritz 
Hölscher: Ueber die Anwendung von Guajacolcarbonht bei Tuberculose. - Brunner: Ein Beitrag zur Behandlung des Echino¬ 
coccus alveolaris hepatis. — Hösel (Hubertusburg): Die Centralwindungen im Centralorgan der Hinterstlänge und des Trige¬ 
minus. — Oppenheim: Allgemeines nnd Specielles über die toxischen Erkrankungen des Nervensystems. — Bficheranzeigen 
und Besprechungen: J. Boas: Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten. — Le Laboratoire de Toxicologie. Methodes 
d’expertises toxicologiques; Travaux du Laboratoire par P. Brouardel. — Wissenschaftliche Verhandlungen der Dor- 

S ater medicinisehen Facultät. — Auszug aus den Protokollen der mediciui.scheu Gesellschaft zu Dorpat vom 
ahre 1891. — Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — Kleinere Mittheilungen und therapeu¬ 
tische Notizen. — Vermischtes. —Vacanz. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Aus der forensischen Praxis. 

Zweifelhafte Todesursache: Trauma oder Otitis media. 

Von 

Dr. F. Schultz 
Riga. 

M. H.! Wenn ich es unternehme, Ihre Zeit durch 
Mittheilung eines Falles aus meiner gerichtsärztlichen 
Praxis in Anspruch zn nehmen, so kann ich dafür weder 
seine Seltenheit, noch den Aufwand an zur Klarstellung 
desselben erforderlich gewesenem Scharfsinn als Grund 
anführen, wohl aber dürfte derselbe ein lehrreiches Bei¬ 
spiel dafür sein, was für eine Menge Staub aufgewirbelt 
werden konnte durch ärztlichen Uebereifer im Verein 
mit kleinstädtischer Klatschsucht. Das erklatschte Fami¬ 
liendrama, in dessen letztem Acte auch der gerichtlichen 
Medicin handelnd einzngreifen beschieden war, spielte zn 
Beginn dieses Jahres in Walk und bestand in Kurzem 
aus Folgendem: 

Frl. M. W. R. hatte seit frühester Kindheit an eitrigem 
Ausfluss aus dem rechten Ohr gelitten; sehr häufige Kopf¬ 
schmerzen und interenrrente Fieberbewegungen wurden von 
den Angehörigen, wie üblich, durch Erkältungen erklärt. In 
der Schule kam sie nur langsam vorwärts, war aber sanft und 
munter und unter den Mitschülerinnen beliebt. Im übrigen war 
sie gesund; schwere Krankheiten soll sie nicht dnrchgemacht 
haben. — Ueber die letzte Krankheit, an welcher Def., 18 Jahre 
alt, zn Grunde ging, kann ich nach den Processacten und den 
Mittheilungen der Herren Collegen Folgendes referiren: Am 
17. December Abends erschien der Bruder Def. beim Collegen 
A. mit der Bitte, ein Mittel gegen Ausfluss von Blut aus den 
Ohren der Schwester zn verschreiben, was auch geschah. Am 
19. December wurde derselbe College zur Kranken in’s Haus 
gebeten; er fand sie vollständig bekleidet auf dem Bette lie¬ 
gend nnd über Kopfweh und sehr heftige Schmerzen im rech¬ 
te», seit jeher kranken Ohre klagend. Es wurde ein Reeept 
verschrieben. Da der Zustand sich verschlimmerte, wurden am 
21. December nach einander die Collegen B. und C. consultirt; 
beide constatirten recht beunruhigende Krankheitserscheinun¬ 
gen und zwar: starken Kopfschmerz, besonders in der Gegend 
aes rechten Ohres, Zuckungen, Erbrechen; der College B. 
glaubte erheblichen Hirndruck in Folge einer Anhäufung von 
Flüssigkeit in der Schädelhöhle annehmen zu müssen, währeud 


College C. die angeführten Symptome durch reflectorischen 
Ilirnreiz in Folge eitrigen Mittelolirkatarrhs erklärte; derselbe 
hatte den äusseren Gehörgaug derartig geschwollen gefunden, 
dass er sich über den Zustand des Trommelfelles kein Bila zu 
machen vermochte; Temp. 38,3. Stuhlverstopfung. Nachdem 
für Behebung der letzteren gesorgt worden war. kehrte die 
Temperatur zur Norm zurück, das Allgemeinbefinden wurde 
etwas besser. Am 25. Deo., wieder Verschlimmerung, abermals 
Zuckungen in den Armen, die jedesmal etwa eine Minute an¬ 
dauerten, Kopfschmerz, schnarchende Respiration, aber ohne 
eigentlichen Sopor. Gleichzeitig Parese de« rechten Facialis. 
Irgend welche anderen Paralysen, Paresen oder sonstige cen¬ 
trale Localsymptome bestanden nicht 1 ). Die Pupillen waren 
gleich, reagirten prompt. Nachdem Blutegel hinter das kranke 
Ohr gesetzt worden waren, trat eine geringe Besserung ein. 
l)a am 26. December der Zustand sieb abermals verschlimmert 
hatte, wurde aus Dorpat der Specialist für Ohrenkrankheiten, 
College D., telegraphisch hinzugerufen. Nachdem dieser die 
Diagnose Otitis meaia purulenta bestätigt hatte, führte er die 
Aufmeisselung des Proc. mastoideus aus, nm dem etwa ange- 
häufteu Eiter Abfluss zu verschaffen. Gleichzeitig wurden 
durch den äusseren Gehörgang üppig wuchernde Granulatio¬ 
nen ansgelöffelt. Wenn auch durch die Operation unmittelbar 
kein Eiter zu Tage gefördert wurde, so fand sich doch am 
Morgen des 27. December beim Wechsel des Verbandes auf 
demselben eine mässige Menge stiukenden Eiters. Nun erholte 
sich die Kranke allmälig, die Facialparese ging langsam zu¬ 
rück; gegen Neujahr wurde die Kranke nur mit Mühe im 
Bette zurückgehalten. In den ersten Tagen des Januar stell¬ 
ten sich heftige Schmerzen in dem Sinus frontalis ein, giugen 
aber von selbst nach einigen Tagen zurück. Pat. verliess nun 
das Bett, um Tags über auf dem Lehnstuhle zu sitzen: die 
gute Laune kehrte wieder, ja einmal vermochte Pat. in einem 
Anfluge von Mnthwillen, sich den Armen dev Mutter entreis- 
send, etwa 30 Schritte weit iu's Nebenzimmer zu laufen. Nichts¬ 
destoweniger blieb sie noch immer schwach, wenn auch die 
Temp. während dieser Zeit nie 38° C. überschritten hatte. Recht 
unerwartet traten am 14. Januar vor. Jahres Zuckungen des 
rechten Augapfels ein, bald darauf Unmöglichkeit die Augen¬ 
lider zn schliessen, erst rechts, dann links. Dieser Zus and 
dauerte fort, bis ungefähr 43 Stunden später der Exitus leta¬ 
lis plötzlich eintrat, nachdem die Kranke noch eine halbe 
Stunde zuvor mit Appetit etwas Compott gegessen hatte. 

Nach ihrem Tode entstand das Gerücht, Krankheit nnd Tod 
Def. seien die Folgen einer Misshandlung, welche ihr in der 
Nacht vom 16. auf den 17. December von ihrem Vater znge- 

>) Solche sind auch im späteren Verlauf der Krankheit nicht 
beobachtet worden. 


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u 


fügt worden wäre. Dieses Gerächt nahm eine bestimmtere Ge¬ 
stalt an, so dass schliesslich die Staatsanwaltschaft eine ge¬ 
richtliche Untersuchung anordnen musste. Natürlich wurden 
in erster Linie die behandelnden Aerzte als Zeugen befragt ; 
hierbei gestattete es sich der College B., aus dem Kähmen der 
Zengenschaft heraustretend, ein ausführliches Gutachten ab¬ 
zugeben, durch welches Krankheit und Tod Def. als durch 
Trauma entstanden erklärt wurden. Im Verlaufe der Vorun¬ 
tersuchung kam es am 18. Februar zur Exknmation und zur 

g erichtlichen Section, welche am 19. Februar in einem neuen 
ause unweit des russischen Kirchhofs ausgeführt wurde und 
im Wesentlichen Folgendes ergab. 


Aeussere Besichtigung: 


Leiche eines etwa 18jährigen jungen Mädchens, von Mittel¬ 
grösse, schlankem Körperbau und reducirtem Ernährungszu¬ 
stände. Haut hellbräunkch-rosaroth, weich, glatt; kein Leichen- 
geruch; keine Leichenstarre; die Hautdecken teigartig; anzu¬ 
fühlen (Kälteeinwirkung). Au den Fingerspitzen beginnende 
Mumification. Kopf symmetrisch, länglich-oval. Auf dem Ge¬ 
sicht beginnende Schiuimelbildung. Augäpfel welk, ein trock¬ 
nend. Hornhäute vollständig trübe. Bindehaut blass. Lippen 
sehr blass, durch zähen Schleim verklebt. Mundwinkel sym¬ 
metrisch, ebenso die übrigen Gesichtszüge. Auch sonst ist der 
Körper wohlgebildet bis auf die Brust, welche rechts im Ver¬ 
laufe der Kippenknorpelgelenke eine Depression zeigt; die 
Maasse der beiden Brusthälften, von der Mittellinie des Brust¬ 
beins bis zu den Dornfortsätzen gemessen, ergeben einen Un¬ 
terschied von 27» Cm. zu Ungunsten der rechten Seite; auch 
die rechte Mamma ist vollständig flach, Brustdrüse nicht durch- 
fühlbar. 

Hinter der rechten Ohrmuschel eine vertikale 3 Cm. lange 
4 Mm. breite Wunde, deren obere Hälfte durch feste, rothe 
Narbenbildnng vollkommen verheilt ist. Die untere Hälfte ist 
mit rothen Granulationen bedeckt. Hier kann zwischen den 
Wundrändern die Sonde l Cm. tief eingeführt werden; rund¬ 
umher keine vitalen Beactionserscheinungen. Haut blass. Aus 
der Tiefe der Wunde lässt sich zähflüssige blutige Masse her¬ 
vordrücken (Operationswunde nach der Aufmeisselung). Sonst 
am Körper nirgend Spuren irgend welcher Verletzung. 


Innere Besichtigung: 

Schädelhöh le: Haut und Unterhautbindegewebe vollkommen 
blass. Schadelknochen hart, durchscheinend, 4—0 Mfn. dick. 
Diploö blass. Zwischen Dura nnd Knochen Spuren blutigen 
Serums, besonders in der hinteren Schädelgrube. Die Dura 
lässt schmale Venen der Pia durchscheinen. Die Arteria me- 
ningea media enthält geringe Spuren von Blut. Innenfläche 
glatt, rosaroth mit einem Stich m’s Violette. Im Längsblut- 
leiter etwa 20 Tropfen flüssigen Bluts. In den» Querblutleiter 
vollkommen flüssiges Blut, ohne eine Spur von Gerinnseln. 
Nach Entfernung des Gehirns erscheint in keiner der Schadel- 

f rnben irgend eine Spur von Eiter oder einer sonstigen frem- 
en Substanz; die Dura an der Basis vollkommen heil, auf 
dem First des rechten Felsenbeins ist die Dura leicht getrübt, 
grau verfärbt. I... Porus acusticns internus Eiterung. Der Kno 
chen über Labyrinth und Mittelohr dunkelblau durchschiui- 
mernd. Nach Aufmeisselung erscheint der Knochen vom Mit¬ 
telohr medianw'ärts eitrig infilfrirt. Schleimhaut des Mitfelohrs 
blass. An Stelle des Laoyriuths findet sich eine käsige, von 
Knochensplittern durchsetzte, eiterähnliche Masse; links an 
derselben Stelle normale Verhältnisse. Die Hirnwindungen ab¬ 
geplattet. Die Venen der Pia erscheinen links als schmaie, 
höchstens l Mm breite Linien, rechts sind sie bis 4 Mm. breit. 
Die Hirnsubstanz von weicher, schmieriger Consistenz. Die Pia 
blass, von der Hirnrinde nicht mehr leicht trennbar. Links 
ist die gros»e Hemisphäre auf den Schnittflächen vollkommen 
blass, die graue Substanz von der weissen kaum zu unter 
scheiden; alles gleichmässig blass, fast weiss. Hechts in dem 
Stirnlappen derselbe Befund wie linkerseits; weiter nach hin¬ 
ten erscheint die Hemisphäre gleichmässig grau. Das Corpus 
Striatum normal gestaltet, der Thalamus opt. dunkelgrau, löst 
sich aus seiner Umgebung in Gestalt einer weichen, elasti¬ 
schen, etwa Hühnereigrossen Geschwulst. Nachdem diese Ge¬ 
schwulst heransgenommen, platzt sie, wobei sich ziemlich 
dicker grünlich-gelber Eiter entleert. Die Kapsel dieses Absces- 
ses ist sonst ziemlich derb, 3—4 Mm. dick, ihre Innenfläche 
rauh, mit demselben grünlich-gelben Eiter bedeckt, während 
ihre äussere Oberfläche ebenfalls rauh, aber mit einer grauen 
eiterähnlichen Masse überzogen ist. Aus eben dieser grauen 
eiterähnlichen Masse besteht, bis auf einen geringen.Best hei¬ 
ler Binde, der ganze rechte Schläfelappen. Bei genauerer Be¬ 
sichtigung ergiesst sich diese Masse aus zweien an der Basis I 
des Schläfelappens sich bildenden Einrissen, deren einer an der 
Spitze des Schläfelappens, der andere 5—6 Cm. dahinter liegt. ! 
Die unteren Bänder der beiden Stirnlappen und rechterseits 
Stirn und Schläfelappen mit einander fest verwachsen, so dass 
eine Untersuchung der rechten Sylvi’schen Grube unmöglich 
ist. Das Gangliengran rechts dunkelgrangrünlich, auch die 
Kleinhirnhemisphäre grünlich verfärbt. Im rechten Hinter- i 


hauptlappen, der noch so ziemlich normale Consistenz besitzt, 
ein Abscess von Bohnengrösse mit ziemlich dünner Kapsel, der 
4. Ventrikel normal; Arteria basilaris zart, leer, mit der Va- 
rolsbrücke ziemlich fest verwachsen; letztere von einem feinen 
rothen Gefässnetz umsponnen. Nirgends innerhalb des Schä¬ 
dels Spuren stattgehabter Blutungen. 

Halsorgane. In den Venen geringe Mengen flüssigen Blu¬ 
tes. Die Schleimhaut auf dem Kehldeckel leicht rosaroth, sonst 
blass, überall glatt. In Kehlkopf und Luftröhre etwas farblo¬ 
ser, zäher Schleim. 

Brusthöhle. In den beiden Pleurahöhlen ie 300 Ccm. blutig 

G efärbten Serums. Die Lungen frei, Oberfläche glatt. Auf den 
chnittflächen erscheinen die Oberlappen hellroth, die Unter¬ 
lappen dunkelrothbraun. Auf Druck entleeren sich einige 
Tropfen dunklen Blutes, stellenweise Spuren von feinblasigem 
Schaum. Im Herzbeutel etwa 50 Ccm. blutigen Serums. Wan¬ 
dungen glatt. Die Ostien des Herzens für 2 Fingerspitzen 
durchgängig. Im Herzen selbst etwas dunkles flüssiges Blut: 
keine Spuren von Gerinnseln. Herzraaasse: 9. 9. 5. Klappen und 
Endokardium zart, stark imbilirt; sonst normale Verhältnisse. 

Bauchhöhle enthält etwas freie blutige Flüssigkeit. Netz 
mässig fettreich, bedeckt die Darmschlingen. Im Magen etwa 
4 Esslöffel voll schmutzigrothen dicklichen Speisebreies, haupt¬ 
sächlich aus wenig gekauten Apfelsinenscheiben bestehend; 
kein specitischer Geruch. Schleimhaut mit«iner dünnen Schicht 
schmutzigen Schleimes bedeckt, sonst glatt, blass, nicht auf- 

f elockert. Die Därme bieten nichts Bemerkenswerthes. Leber 
77», 20, 157«, 6*,a. Kapsel glatt. Gewebe mässig fest, rothbraun. 
Länpchenzeichnung deutlich. Gefässe mässig bluthaltig. Gal¬ 
lenblase enthält etwa 40 Ccm. hellbrauner dünnflüssiger Galle. 
Milz 127«, 6*/a, 27»; Kapsel glatt, Gewebe dunkelrothbraun, 
morsch. Nieren 127*, 5, ä; Kapsel leicht trennbar; Oberfläche 
glatt; Gewebe dunkelrothbraun, mit einem Stich in’s Violette. 
Zeichnung deutlich, normal. Harnblase leer. Geschlechtstheile 
virginal. — fiückenmark nicht eröffnet. 

Gutachten. 

Vergegenwärtigen wir uns nochmals das oben Ausein¬ 
andergesetzte, so sehen wir, dass Defuncta nach einem 
Krankenlager, welches vom 17. December 1890 bis zum 
16. Januar 1891 angedauert hatte, gestorben war. Die 
Krankheit begann mit einem Blutfluss aus dem schon seit 
Jahren kranken Ohre, welcher leider von keinem der 
behandelnden Collegen beobachtet worden ist; erst zwei 
Tage spater wurde ein Arzt zur Kranken geholt. Dieser 
beschränkte sich auf das Verschreiben eines Receptes, 
folglich können bedrohliche Erscheinungen von Seiten des 
Ohres damals noch nicht Vorgelegen haben. Wiederum 
zwei Tage spater ärztliche Consultation, durch welche 
beginnender Krafteverfall, Stuhlverstopfung, Erbrechen, 
Kopfschmerz, hauptsächlich aber starker Schmerz im rech¬ 
ten Ohre mit Anschwellung der Weichtheile des äusseren 
Gehörganges und iutercurrentem Tremor der oberen Ex¬ 
tremitäten constatirt wird. Es gelingt die bedrohlichen 
Symptome durch geeignete medicinische Maassnahmen für 
einige Zeit zum Weichen zu bringen. Doch bald setzen 
sie wieder ein. Der Krankheitszustand verschlimmert sich, 
es treten Erscheinungen auf, die einen chirurgischen Ein¬ 
griff als unbedingt nothwendig erscheinen lassen; solche 
Erscheinungen waren: der unerträgliche Schmerz im rech¬ 
ten Ohre, drohende Paralyse des Gaumensegels, das Fie¬ 
ber. Auf Gruudlage dieser Erscheinungen waren die Aerzte 
gezwungen, eine eitrige Entzündung des rechten Mittel¬ 
ohres mit Eiterretention zu diagnosticiren. Diese Diagnose 
konnte auch die Affection des weichen Gaumens und die 
Zuckungen in den Händen als reflectorische Erscheinungen 
verständlich machen. Der chirurgische Eingriff hatte nun 
den Zweck, dem angehäufteu Eiter Abfluss zu verschaf¬ 
fen. Wenn nun auch die Operation den gesuchten Eiter 
weder in den Zellen des Zitzenfortsatzes, noch nach 
Auslöffelung der Granulationen im Mittelohre fand, so 
war sie doch nicht nutzlos ausgeführt worden, da bis 
zum nächsten Morgen der Eiter durch die verminderten 
Widerstande sich einen Ausgang verschafft hatte. Die 
Diagnose hatte sich durchaus bestätigt; der Eiter war 
übelriechend, wie solches der Fall ist, wo er wie in casu 
mit Luft in Berührung steht. Eine weitere Bestätigung 
erfuhr die Diagnose durch den Krankheitsverlauf: nach 
Entleerung des Eiters besserte sich der Krankheitszu- 
stanci, die bedrohlichen nervösen Symptome sehwanden, 


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16 


die Athjmmg wurde frei; das Schnarchen und das Zucken 
in den Händen hörte auf, die Facialisparese besserte sich 
rasch. Somit stimmt alles mit der Diagnose; selbst die 
intercurrenten Anfälle wüthenden Schmerzes in der rech¬ 
ten Stirngegend stehen mit der diagnosticirten Grund- 
krankheit in einem wenn auch entfernten Zusammen¬ 
hänge; der alte Mittelohrkatarrh war durch die Tuba 
Eust. in die Nasenhöhle übergegangen, hatte chronischen 
Nasalkatarrh hervorgerufen, welcher unter dem Einflüsse 
irgend welcher Schädlichkeit leicht auf die Schleimhaut 
des Sinus frontalis übergehen und die beobachteten 
Schmerzen hervorrufen konnte. Dieser Katarrh schwand, 
nachdem die nöthigen Maassnahmen ergriffen worden 
waren; auf den Krankheitsverlauf hatte er weiter keinen 
Einfluss. Höchstens konnte auch er eine Ursache der 
langsamen Reconvalescenz nach verhältnissmässig günsti¬ 
ger Operation sein, wo die Hauptursache in dem auch 
vor dem 17. Deceraber mangelhaften Ernährungszustand 
der Kranken lag. 

Somit entsprach das. klinische Bild durchaus der im 
Beginne der Krankheit gestellten Diagnose — bis zum 
14. Januar. Da traten Krankheitserscheinungen auf, die 
sich nicht mehr aus der Otitis media allein erklären Hes¬ 
sen, cerebrale Herdsyraptorae, die auf eine Affection des 
Centrums des Oculomotorius hin wiesen, wie mangelhafter 
Lidschluss, klonischer Krampf am rechten Bulbus. Wenn 
auch jetzt weder Paralysen noch Paresen, auch keine 
Bewusstseinsstörungen beobachtet wurden, so missten 
doch diese Symptome ernstlichste Besorgniss hervorrufen. 
ln der That erfolgte nach Verlauf von kaum 48 Stun¬ 
den der Tod. Die Erklärung hierzu liefert in ausreichen¬ 
dem Maasse das Sectionsprotokoll, dessen bemerkenswer- 
theste Ergebnisse folgende sind: 

1. Die gut verheilende Operationswunde nachAufmeis- 
selung .des rechten Proc. inastoideus. 

2. Die Zeichen der Otitis media dextra: a. Verdün¬ 
nung und Auftreibung der Umgebung des cariösen Oh¬ 
res; die Anfüllung des Labyrinthes mit eitrig käsiger 
Masse und cariösen Knochensplittern: c. eitrige Infiltra¬ 
tion der durch den Porus acust. int. in’s Felsenbein ein¬ 
tretenden Nerven. 

3. Chronische Leptomeningitis, Verwachsung der unteren 
Ränder der beiden Stirnlappen, der rechten Fossa Sylvii, 
möglicherweise auch Verwachsung der Pia mit der Rinde 
der rechten Grosshirnhemisphäre *). 

4. Chronische Entzündung des mittleren und hinteren 
Drittels der rechten Grosshirnhemisphäre und der rechten 
Kleinhinihemisphäre. 

6. Ein abgekapselter Abscess, der Zeuge einer in frü¬ 
herer Zeit im rechten Thalamus opticus acut verlaufe¬ 
nen Encephalitis. 

Alle diese pathologisch-anatomischen Erscheinungen 
stehen in gut nachweisbarem causalem Zusammenhang. 

Im Uebrigen wäre noch auf einige negative Befunde 
hinzu weisen: 

6. Fehlen jeder Spur irgend eines Traumas (die Diffor- 
mitüt des Thorax ist, wenn nicht schon angeboren, so 
jedenfalls in frühester Kindheit entstanden). 

7. Abwesenheit jeglicher Blutgerinnsel. 

Der causale Zusammenhang zwischen den Sectionser- 
gebnissen ist folgender: Durch einfache Zeugenaussagen 
ist festgestellt, dass Def. seit frühester Jugend an Otorrhoe 
gelitten. Eine solche besteht nur auf Grundlage einer 
Otitis media; diese geht bei mangelhafter Pflege unfehl¬ 
bar auf die Knochen über, wo sie Caries hervorruft. Ca- 
ries ist aber eine der häufigsten Ursachen von Gehirn - 
abscessen, also von acuter Encephalitis. Wann letztere 
sich in casu abgespielt hat, lässt sich auch nicht an- 

*) Die Unmöglichkeit, die Pia von der Rinde zu trennen, 
könnte ungezwungen auch als Fänlnisserscheinung erklärt 
werden, da auch links die Trennung nur sehr mangelhaft, mit 
häufigen Zerreissungen, ausgeführt werden konnte. 


nähernd feststellen. Jedenfalls steht fest, dass der Ab¬ 
scess im Thalamus schon vor Beginn der letzten Krank¬ 
heit abgekapselt war: eine derartig dicke Kapsel bildet 
sich nicht in wenigen Wochen, zumal während einer mit 

— wenn auch geringem — Fieber verlaufenden Krank¬ 
heit. Aller Wahrscheinlichkeit nach bestand der Abscess 
schon viele Jahre vor der letzten Krankheit; wenigstens 
weisen darauf hin die Kopfschmerzen und die «Erkältun¬ 
gen» <als welche wohl intercurrente fieberhafte Zustände 
von den. Angehörigen erklärt wurden), an denen Def. so 
häufig gelitten haben soll. — Wenn nun nach erfolgter 
Abkapselung eines Abscesses der Organismns vor der di- 
recten schädlichen Einwirkung des Eiters geschützt ist, 
so bleibt die Eiterkapsel nichts desto weniger ein Fremd¬ 
körper, der jederzeit in seiner Umgebung Reizerschei¬ 
nungen bedingen kann, welche reflectorische Fernwirkun¬ 
gen hervorzurufen im Stande sind. Zunächst aber wirkt 
ein solcher Abscess zerstörend auf seine nächste Nach¬ 
barschaft ein, indem durch immer weiter greifende chro¬ 
nisch entzündliche Vorgänge die Hirnmasse in einen ei¬ 
terähnlichen Detritus verwandelt wird, in welchem die 
Eiterkapsel so zu sagen schwimmt. In vorliegendem Falle 
hat Def. während ihres Lebens an keinerlei Krankheiten 
gelitten, die auf eine schwere Hirnläsion, wie einen Ab¬ 
scess, hätten aufmerksam machen können; höchstens hätte 
sich die Existenz eines solchen vermuthen lassen, da Def. 
bei bestehender vernachlässigter Otorrhoe so häufig an 
Kopfschmerzen und den «Erkältungen» gelitten hatte. 
Hirnabscesse werden eben nicht all zu oft während des 
Lebens diagnosticirt; bekanntlich gehört ein typischer 
Verlauf gerade bei dieser Krankheit zu den Seltenheiten. 
Als eine weitere Folge der um den Abscess in Form der 
grauen Erweichung sich abspielenden chronischen Encepha¬ 
litis ist die chronische Meningitis aufznfassen, welche, 
ebenfalls ohne stürmische Symptome liervorzurufen, die 
erwähnten Verwachsungen der Hirnlappen hervorgebracht 
hatte. Endlich finden wir die Spuren der letzten Exacer¬ 
bation in den Veränderungen am rechten Felsenbein, 
welches etwas umfangreicher und weniger hart als links 
war, während die Eiterung auf die Nn. acusticus und 
facialis Ubergegangen war und im zerstörten Labyrinth der 
nicht zum Abfluss gelangte Eiter eingedickt erschien. Ein 
Theil des während der letzten Exacerbation angehäuften 
Eiters hatte nach der Operation — sei es durch den 
äusseren Gehörgang, sei es durch die Operationswunde 

— Abfluss gefunden; ein Rest war zurückgeblieben, bis 
zu ihm vorzudringen war nicht möglich gewesen. Dass 
aber der auf dem Verbandzeug Vorgefundene Eiter aus 
dem Ohr, und nicht aus einem Hirnabscess stammte — 
wie der College B. behauptete —, erhellt zur Genüge, 
wenn man 1. die Unversehrtheit der Eiterkapsel, 2. das 
Fehlen irgend einer Oeffnung sowohl in den Knochen, 
als auch in der Dura in Betracht zieht, durch welche 
irgend etwas aus der Schädelhöhle hätte nach aussen 
abfliessen können. Zudem konnte ein aus der geschlos¬ 
senen Schädelhöhle stammender Eiter niemals übelrie¬ 
chend sein. — Die erwähnte eitrige Infiltration der Ner- 
venstämrae ist dann weiter wohl auch die Ursache der 
Verschlimmerung der Krankheit während der letzten Tage 
gewesen. Der durch die Eiterung bedingte Reizzustand 
konnte an den Nervenstammen bis zu den centralen 
Wurzeln fortkriechen und von dort reftectorisch einen 
Reizzustand des Oculomotorius auslösen, das Circula- 
tionscentrum afficiren und so plötzlichen Herzstillstand 
herbeiführen. Dass aber ein solcher die nächste Todes¬ 
ursache gewesen, wird durch die Abwesenheit jeglicher 

I Blutgerinnsel bewiesen; denn es lässt sich doch wohl 
! kaum annehmen, dass hier eine Dissolution des Blutes 
i eine Gerinnung verhindert hat. Zudem konnte gewiss 
schon der Erweichungszustand eines so beträchtlichen 
Theiles der rechten Grosshirnhemisphäre an und für sich, 
auch ohne vorhergegangene periphere Eiterung, jederzeit 


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16 


Zustande hervorrufen, wie sie in den letzten Tagen der 
Krankheit beobachtet wurden. 

Es lässt sich also der ganze Krankheitsverlauf und der 
letale Ausgang leicht und ungezwungen erklären: die 
Vernachlässigung des Mittelohrkatarrhs war die Ursache 
der Entstehung des erst durch die Section constatirten 
Hirnabscesses; ebenso war Vernachlässigung die Ursache 
der im December 1890 eingetreteneu Exacerbation; eines 
von beiden, möglicherweise beides zusammen, war geeig¬ 
net, die an und für sich ungefährliche Krankheit zu einer 
tödtlichen zu machen. Trotzdem muss angesichts des 
Verdachtes, dass Def. in Folge der am Vorabend der Er¬ 
krankung erhaltenen Schläge zu Grunde gegangen, die 
Möglichkeit einer solchen Entstehungsursache in Betracht 
gezogen werden, zumal da letztere von einem der be¬ 
handelnden Aerzte, dem Collegen B., in seiner Zeugen¬ 
aussage unterstüzt wird. 

Aus den Processacten ist zu ersehen, dass gegen Mor¬ 
gen des 17. December der Vater Defunctae zu Letzterer 
in’s Schlafzimmer gegangen, worauf sehr bald Schreien 
und Hilferufe der Tochter vernommen wurden. Was zwi¬ 
schen Vater und Tochter vorgegangen, hat die Unter¬ 
suchung nicht aufgeklärt. Im Laufe des 17. December 
ist Def. von vielen. Zeugen in der Bude gesehen worden, 
wo sie gewohnter Maassen der Kasse Vorstand. Keiner 
der Zeugen erwähnt, dass er an ihr irgend eine Verän¬ 
derung bemerkt, ebensowenig hat irgend Jemand Spuren 
Yon Schlägen an ihr wahrgenommen. Solche sind auch 
nicht gesehen worden von den Collegen, ■welche Def. am 
19. und 21. untersuchten. Schliesslich hat auch die Sec¬ 
tion nichts ergeben, was auf stattgehabte Körperverletzung 
hätte hinweisen können. Es kann also das Factum statt¬ 
gehabter Körperverletzung nicht als bewiesen hingestellt 
werden. 

Doch angenommen, eine Körperverletzung habe statt- 
gefunden, so entsteht die Frage, ob sich eine solche An¬ 
nahme durch den Krankheitsverlauf stützen lässt? Von 
irgend welchen gewichtigen, durch naehbleibende Spuren 
augenfälligen Verletzungen kann gar keine Rede sein. 
Spuren hätten, wenn auch nicht die Angehörigen und 
sonstige Zeugen, so doch die Aerzte sehen müssen, end¬ 
lich hätte die Section solche aufgedeckt. Es erübrigt 
also die Annahme, die Körperverletzung habe keinerlei 
Continuitätstrennungen, also auch keine Blutaustretungen 
gesetzt, sei aber doch geeignet gewesen, eine Gehirner¬ 
schütterung hervorzurufen. Dem gegenüber steht aber 
die Erfahrung, dass die schwersten Folgen der Gehirn¬ 
erschütterung sich unmittelbar an das Trauma anschlies- 
sen, und, wenn sie nicht direct zum Tode führen, all- 
mülig spurlos verschwinden. Im vorliegenden Falle ist Def. 
einige Stunden, nachdem ihr das Trauma hätte zugefügt 
werden können, schon bei der gewohnten Arbeit, folglich 
kann jenes nicht die Ursache der Krankheit gewesen 
sein. Als erstes Krankheitssymptom erscheint erst am 
Abend des 17. December die Blutung aus dem kranken 
Qhr; leider liegt hierfür keine ärztliche Bestätigung vor. 
Jedenfalls kann diese Blutung keine beträchtliche gewe¬ 
sen sein, da von den Angehörigen der Arzt nicht ins 
Haus gebeten wird, sondern man sich mit einem in ab- 
sentia der Kranken verschriebenen Recepte begnügt. Doch 
auch diese Blutung kann nicht eine Folge des etwa zu¬ 
gefügten Trauma sein, eine solche w r äre doch dem Trauma 
sehr bald gefolgt und hätte, wenn sie nur einigermaassen 
erheblich geworden wäre, schon viel früher ärztliche 
Hilfe nöthig gemacht. Nun lässt sich ja nicht abstreiten, 
dass Schläge auf den Kopf Blutungen aus einem kranken 
Öhr hervorrufen können; es lässt sich ferner nicht ab¬ 
streiten, dass bei sehr geringen äusserliehen Symptomen 
sehr bedeutende Blutungen in die Schädelkapsel hinein 
erfolgen können, diese hätten aber doch sehr bald nach 
dem Trauma Symptome setzen müssen und wären jeden¬ 
falls bei der Section nachgewiesen worden; solche ver¬ 


schwinden ja nicht so rasch, wie aus Weichtheilen; dass 
aber, wie der College B. anzunehmen geneigt schien, ein 
solcher Bluterguss gleichzeitig mit dem Eiter am 27. 
December hätte entleert werden können, ist unmöglich, 
weil einfach bei der Section keine Oeffnung gefunden 
wurde, durch welche eine solche Entleerung hätte statt¬ 
haben können. Ausserdem war der entleerte Eiter nicht 
blutig, und wenn er auch blutig gewesen wäre, so hätte 
das noch lange nicht die incriminirte Provenienz bewie¬ 
sen, sondern hätte sich sehr leicht durch Blutung aus 
den das Mittelohr ausfüllenden Granulationen erklären 
lassen. Im Gegentheil, die den Krankheitsverlauf eröff¬ 
nende Blutung erklärt sich leicht, wenn man sich dessen erin¬ 
nert,dass bei jedem vernachlässigten Katarrh des Mittelohres 
dieses mit Granulationen ausgekleidet ist, welche bekanntlich 
auch ohne nachweisbare Ursache zu Blutungen geneigt 
sind. Gewiss hätte auch ein gegen das rechte Ohr ge¬ 
führter Schlag eine solche Blutung hervorrufen können, 
doch dann wäre sie, wie schon oben erwähnt, unmittel¬ 
bar nach dem Trauma aufgetreten; im vorliegenden Falle 
wurde aber erst nach Ablauf des Tages ärztliche Hilfe 
gesucht; folglich kann ein causaler Zusammenhang zwischen 
der Blutung und irgend welchem Trauma nicht consta- 
tirt tverden. Die Blutung ist vielmehr als ein Anfangs- 
Symptom der imminenten Entzündung aufzufassen. Solche 
Entzündungen können jederzeit einen vernachlässigten 
Katarrh des Mittelohres compliciren, in Folge Eindrin¬ 
gens von Entzündungserregern, ohne dass irgend eine 
Gelegenheitsursache nachweisbar gewesen wäre; durchaus 
nicht immer ziehen diese Entzündungen einen tödtlichen 
Ausgang nach sich; dass sie in diesem Falle zu letalem 
Ausgange führten, war durch Ursachen bedingt, die erst 
durch die Section aufgedeckt wurden. Ein Zusammen¬ 
hang also zwischen der letzten Krankheit und dem — 
möglicher Weise — in der Nacht vom 16. auf den 17. 
Decbr. der Verstorbenen zugefügten Trauma erscheint 
zum mindesten unwahrscheinlich. Und so komme ich 
zu folgendem Schluss: 

1) Def. verstarb an rellectorischer Herzlähmung, welche 
sowohl durch den verbreiteten chronischen Entzündungs- 
process in der rechten Hirnhälfte, als auch durch die 
eitrige Infiltration des Acusticus und Facialis, vielleicht 
auch durch beides zusammen bedingt sein konnte. So¬ 
wohl die Hirnerweichung um den abgekapselten Abscess, 
als auch die Eiterinfiltration der Nervenstämme sind auf 
denselben Krankheitsprocess, den vernachlässigten Mittel¬ 
ohrkatarrh, zurückzuführen, wobei constatirt werden muss, 
dass die Hirnerweichung sehr alten Datums, die Eiter¬ 
infiltration erst in letzter Zeit entstanden ist. 

2) Alle Krankheitserscheinungen, ebenso der letale 
Ausgang erklären sich leicht und ungezwungen, ohne dass 
man genöthigt wäre, ein Trauma als Entstehnngsursache 
anzunehmen. 

:i) Die Obduction hat keine Spuren oder Folgeerschei¬ 
nungen eines Trauma nachgewiesen. Wenn ein solches 
dom Beginn der Krankheit vorhergegangen, so ist es 
ohne Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf der 
Krankheit gewesen. 

Der Process ist von der Staatsanwaltschaft niederge¬ 
schlagen worden. 

Ueber die Wirkung der Ureterenunterbindung auf 
die Absonderung und Zusammensetzung der Galle. 

Ans Prof. A. Popow’s therapeutischer Klinik an der railitär- 
medicinischen Akademie. 

Eine vorläufige Mittheilnng von 
Dr. M. M i c h a i 1 o w. 

Prof. Popow hat in seiner Experimentalarbeit «Ueber 
die Folgen der Unterbindung der Ureteren und Nieren¬ 
arterien bei Thieren im Zusammenhang mit einigen an- 


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deren pathologischen Processen» 1 ) 1 ) ausser verschieden¬ 
artigen Veränderungen in der Leber, in den Nieren und 
im Gehirn auf die ziemlich beträchtliche Harnstoffanhäu¬ 
fung in der Leber hingewiesen. Dieses liess von selbst 
den Gedanken aufkommen, ob sich dieser Stoff nicht 
unter den erwähnten Bedingungen auch im Drüsensecret 
d. h. in der Galle befinde; das schien auch deshalb sehr 
wahrscheinlich, weil derselbe Autor in der Galle von 
Vögeln unter denselben Bedingungen eine ungeheure An¬ 
häufung von harnsauren Salzen fand. 

Prof. Popow schlug mir vor, die Lösung dieser Frage - , 
so wie auch überhaupt das Studium der Veränderung der 
Gallensecretion unter dem Einfluss der oben erwähnten 
Bedingungen zu unternehmen. 

Die Versuche, die ich im Juni 1891 begann, wurden 
hauptsächlich an Hunden gemacht. 

Vor den Experimenten wurde bei den Tliieren eine 
Zeit lang eine bestimmte Diät eingehalten. 

Im Allgemeinen können meine Versuche in zwei Haupt¬ 
gruppen eingetheilt werden. Zur ersten Gruppe gehören 
diejenigen, wo bei den Versuchstieren gleichzeitig eine 
Gallenfistel angelegt und die Ureteren unterbunden wur¬ 
den; zur zweiten — Con troll versuche, wo nur eine Gal¬ 
lenfistel angelegt wurde und die Thiere gar keine Nah¬ 
rung bekamen. Die letzte Bedingung wurde deshalb in 
die Coiitrollversuche eingeführt, weil Tliiere mit unter¬ 
bundenen Ureteren gewöhnlich Speise und Getränk ver¬ 
weigern. 

Die Operationen wurden unter Morphiumnarkose aus¬ 
geführt. Die Unterbindung der Ureteren wurde nach 
den allgemein bekannten Regeln unter Eröffnung der 
Bauchhöhle in der Linea alba gemacht. Die Gallenfisteln 
wurden ebenfalls in den Hauptziigen nach der allgemeinen 
Regel für die Anlegung von temporären Fisteln ange¬ 
legt. Beide Operationen, wo sie bei einem Thiere ge¬ 
macht wurden, wurden eine gleich nach der anderen 
ohne Intervall ansgeführt, zuerst eine Gallenfistel ange¬ 
legt und dann die Ureteren unterbunden. Die Galle 
wurde vom Moment der Fistelanlegung bis zum Tode 
des Thieres ununterbrochen gesammelt. Die Galle wurde 
in einzelnen in 12stündigen oder öfters in 24stiindigen 
Intervallen gesammelten Portionen analysirt. Die Galle 
sammelte sich in besonderen Kautschukrecipienten an; 
die letzteren waren fest an die Canülen angebunden, 
durch welche die Galle aus der Gallenblase abüoss. 
Hauptsächlich wurden untersucht — Gallemnenge, Reac- 
tion, specifisches Gewicht, Farbe, fester Rückstand, gal- 
leusaure Salze, Harnstoff- und überhaupt Stickstoff¬ 
gehalt. 

Die Taurocholsäure wurde entweder direct bestimmt 
nach einem speciellen für diesen Stoff angegebenen Ver¬ 
fahren (von H o p p e - S e y 1 e r), oder indirect und zwar 
nach Behandlung des festen Rückstandes mit Alkohol 
und Aether, wobei noch andere Stoffe bestimmt wurden 
(Cholestearin, Fette, Lecithin u. s. w.). Der Harnstoff wurde 
zuerst nach Hoppe-Seyler untersucht und dann 
nach der Stickstoffmenge bestimmt (in Borodin's Ap- . 
parat); dabei wurde zur vorläufigen Entfernung der Ex- 
tractivstoffe das in diesem Falle etwas modificirte Ver- | 
fahren von Biasson zur Entfernung derExtractivstoffe i 
aus dem Harn angewandt. Der Gesammtstickstoff der 
Galle wurde nach dem Verfahren von Kjeldal-Bo- 
rodin bestimmt; die Stickstoflinenge der Extractivstoffe 
nach der Differenz zwischen dem Gesammtstickstoff und ! 
dem Stickstoff des Harnstoffs. 

Die Resultate, zu denen ich gekommen bin, sind im 
Allgemeinen folgende: 

1) Die Gallenmenge bei Thiereu mit unterbundenen 

') Protokolle der Gesellschaft russischer Aerzte. 1880. 

') Ueber die Folgen der Unterbindung der Ureteren und j 
der Nierennrterien bei Thieren etc. Virdiow’s Archiv 1880. 
Bd. 82. I 


Ureteren nimmt im Allgemeinen im Vergleich mit unter 
gleichen Bedingungen hungernden Thieren zu. 

2) Die Menge des festen Rückstandes und das speci- 
fisclie Gewicht der Galle sinkt. 

3) Die Reaction wird neutral (bei absolutem Hungern 
fand ich sie alkalisch). 

4) Taurocholsäure verschwindet aus der Galle und 
zwar in sehr kurzer Zeit. 

5) Harnstoff, welcher in normaler Galle in minimalen, 
kaum merklichen Quantitäten oder selbst gar nicht ge¬ 
funden wird, tritt in der Galle von Thieren mit unter¬ 
bundenen Ureteren in beträchtlicher Menge auf. 

6) Die Piginentmenge nimmt sehr bedeutend ab. 

7) Die Menge des Gesammtstickstoffs nimmt ab. 

8) Die Stickstoffmenge der Extractivstoffe sinkt sehr 
stark. 

Näheres sowohl über die Versuche selbst, als auch 
über die hier mitgetheilten Resultate und ferner noch 
einige andere nicht uninteressante Thatsacheu werde ich 
in der nächsten Zeit in extenso publiciren. 

Referate. 

R. Pfeiffer: Vorläufige Mittheilung Uber die Erreger 

der Influenza. (D. Med. Woclienschr. 1892. Nr. 2.) 

Bei 31 Influc.nznfälleii, von denen 6 zur Section kamen, 
fand Pfeiffer in dem charakteristischen Bruiie.hialsecret in 
ungeheurer Menge einen winzigen Bacillus von der Dicke des 
Mäusesepticäiuiebacillus. Derselbe fand sich in complicirten 
Influenzafällen in »absoluter Keincultiir'. bei Pat., die schon 
vorher krank waren, neben anderen Mikroorganismen (z. B. 
Tuberkelbacillen). Bei Brouchialkatarrhen. Phthise und Pneu¬ 
monie wurde der Bacillus nicht gefunden. Ei- färbt sich mit 
basischen Anilinfarben schwer, besser mit verdünnter Ziehl’- 
scher Lösung oder heissem Löffler'schein Methylenblau: dabei 
nehmen die Eudpole der Bacillen den Farbstoff intensiver auf, 
so dass Verwechslung mit Streptokokken leicht möglich ist. 
Nach Grain lässt sich der Pfeiffer'sche Bacillus nicht färben. 
Auf P/Wo Zuckeragar erhält man kleinste, mit der Lupe 
sichtbare Colonien in Form wasserheller Tropfen. Uebertra- 
gunger ergabeu nur bei Affen und Kaninchen positive Re¬ 
sultate. W. Beckmann. 

S. Kitasato: Ueber den Influenzabacillus und sein Cultur- 

verfahren. (ü. Med. Woclienschr. 1892. Nr. 2.) 

Nach einem noch nicht veröffentlichten Verfahren von 
Koch gelang es Kitasato direct aus dem Sputum In¬ 
fluenzakranker Reinculturen des Influenzabacillus zu erhalten. 
Auf schräg erstarrtem Glycerinagar »räsentiren sich die Co¬ 
lonien als kleine wassertropfenahnliciie Punkte. Die einzel¬ 
nen Colonien bleiben stets getrennt von einander und fliessen 
nicht zusammen. Dieses charakteristische Verhalten unter¬ 
scheidet die lnfluenzabacillen von anderen Bakterien. Auf 
Gelatine konnte K. sie leicht fortzüchten. \V. Beckmann. 

P. Canon: Ueber einen Mikroorganismus im Blute von 

Influenzakranken. (l). Med. Woclienschr. 1892 Nr. 2)- 
ln Deckglastrockenpräparatcn vom Blut Influenzakranker 
fand C. einen mit dem Pfeiffer’schen identischen Bacillus nach 
•folgender Färbeinet liode. Die Gläschen wurden 3-tS Stunden 
im Brütschrank bei 37° C. in folgender Farbstofflösung ge¬ 
halten: Concentrirte wässrige Metliylenblaulösung 40.0 ‘.Wo 
spirituö.se Eosinlösung 20.0 Aq. destill. 40.0; darauf in Wasser 
abgespiilt, getrocknet und in Canadabalsam untersucht. Der 
Bacillus färbt sich blau, die rotlien Blutkörperchen roth, die 
farblosen blau. Bei schwacher Färbung erscheint der Bacillus 
als kleiner Diplococcus. bei starker als kurzes Stäbchen, ln 
Fällen fand er sich im Blut während oder kurz nach dem 
Temperaturabfall. In einigen klinisch zweifelhaften Fällen 
konnte Verf auf Grnnd. seiner Blutpräparate die Diagnose 
Jnfluenza stellen. Cultnrversuche und Uebertragung des Ba¬ 
cillus auf Mäuse blieben ohne Resultat. W. Beckmann. 

Richard Seifort und Fritz Hölscher: Ueber die 

Anwendung von Guajacolearbonat bei Tuberculose. 

(Berlin, klin. Woclienschr. Nr. 51). 

Die Ursache der widerspruchsvollen Erfahrungen der ein¬ 
zelnen Kliniker bezüglich der Wirkung des Creosots bei Tn- 
bercnlose sehen Verff. darin, dass das Creosot ein unreiner 
Stoff ist, keine einheitliche chemische Verbindung, vielmehr 
ein Gemisch, welches neben sehr wechselnden Mengen von 
Guajacol beträchtliche Quantitäten der giftigen Creosotc und 


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Derivate de* giftigen Pyrogallols enthalt. Auch das von 
Sahli empfohlene Guajacol ist durchaus nicht als chemisch 
rein zu bezeichnen. Beide Mittel, sowohl Crt-osot, als auch 
sein Ersatzmittel - das Guajacol üben als carbolahnliche 
Körper auf die Schleimhäute des Verdauungscanals eine Beiz¬ 
wirkung aus. Bonrget constatirte sogar an den Stellen, wo 
sich eine Creosotkapsel entleert hatte, circumscripte Entzün¬ 
dungen. Verff. haben nun ein chemisch reines Präparat dar¬ 
gestellt—das Guajacolcarbonat und sind mit diesem Mittel 
sehr zufrieden. Zunächst wurde, diese Substanz im Drei- 
Königen-Hospitale (in Mülheim a. Rhein) angewandt. Von 
September v. J. bis jetzt wurden 60 Phthisiker in den ver¬ 
schiedenen Stadien der Krankheit damit behandelt. Zunächst 
wurde 1—2 Mal täglich 0,2—0.5 Gramm gereicht, allmälig 
wurde dann die Dosis bis auf 6.0 Gramm pro die erhöht. Alle 
Kranken, darunter auch 2. welche Creosot stets erbrachen, 
haben das Guajacolcarbonat sehr gut vertragen und gerne 
enommen, es \ erursaehte absolut kein Unbehagen. Die Wir- 
ung des Mittels machte sich bald geltend. Die Patienten 
bekamen einen starken Appetit, das Körpergewicht nahm 
rasch zu. Die Hustenanfälle milderten sich, der Auswurf 
nahm eine mehr schleimig-eitrige Beschaffenheit an und wurde 
geringer; auch die Nacht sch weisse hörten auf. Objectiv wurde 
eine Verminderung, sogar völliges Verschwinden der Rassel¬ 
geräusche constatirt. Leichte Dämpfungen hellten sich über¬ 
raschend schnell auf, der Auswurf enthielt viel geringere 
Mengen von Bacillen, als zuvor. Die mitgetheilten Kranken¬ 
geschichten, welche im Original nachzulesen sind, demonstri- 
ren den evidenten Nutzen des neuen Mittels. Abelmann. 

Brunner. Ein Beitrag zur Behandlung des Echinococ¬ 
cus alveolaris hepatis. (Münchener ined. Wochensc.hr. 
1891, Nr. 29). 

Es handelt sich um den ersten durch Operation geheilten 
Fall von multilocnlärem Leberechinococcus. Bisher ist die Ope¬ 
ration nur 3 Mal versucht worden, endete aber immer mit dem 
Tode des Kranken. Die angewandten Methoden waren Pnnc- 
tion. Simon’sche Doppelpunction und zweizeitiger Schnitt. 

Die Brunner’sche Patientin, 27 Jahre a.. wurde wegen 
Sehwerathraigkeit, Schmerzen in der rechten Brustseite, Frös¬ 
teln und Herzklopfen im April 1889 in das Münchener Kran¬ 
kenhaus aufgenoramen. Es waren keine Zeichen einer 
Leberkrankheit, namentlich auch kein Ikterus vor¬ 
hergegangen. Es fand sich anf de>- rechten Seite 
der Brust eine Dämpfung, die vorn von der 4. Rippe, hinten 
3 Qnertinger unterhalb des Angulus seapulae begann; das 
Respirationsgeräusch aufgehoben, das Herz nach links auf¬ 
wärts verschoben, die Leber überragte den Rippenrand um 2 
Querfinger, die Lebergegend vorgewölbt, etwas druckempfind¬ 
lich. Bei der Probepunction in der hinteren Axillarlinie ent¬ 
leerte sich Eiter. Die Diagnose wurde auf ein abgesacktes 
eitriges Plenarexsudat gestellt. 

Am 23. Aril 1889 Operation. Nach der Resection der 8. 
Rippe und Eröffnung der Pleurahöhle erweist sich diese nur 
mir wenig seröser Flüssigkeit gefüllt; das Zwerchfell wölbt 
sich stark nach oben. Es wird in die Wunde eingenäht, 
durchschnitten und der im rechten Leberlappen befindliche 
Absc.ess eröffnet. Es entleeren sich ausser Eiter kalkige 
Concremente und ein grösserer Membranfetzen. Die Abscess- 
wand besteht aus derben wulstigen Gewebsmassen, deren 
mikroskopische Untersuchung älteres und jüngeres Bindege¬ 
webe mit eingebetteten charakteristisch geschichteten Chitm- 
häuten erweist. — Die Abscesshöhle zeigte wenig Tendenz 
zur Verkleinerung, trotz wiederholter Excisionen der derben 
Grenzmembran. Nach Iwöchentlicher energischer Salicylbe- 
handlung (es wurden 3—4 Esslöffel reiner Salicylsäure in die 
Höhle geschüttet) granulirte der Abscess, in ausgeschnittenen 
Gewebspartikeln waren keine Echinococcusmembranen mehr 
nachweisbar. Sie traten aber im Marz 1890 wieder anf. Jetzt 
wurde die Wunde erweitert, die schwartige granulirende Abs- 
cesswanduug möglichst vollständig mit Scheele und Messer 
ausgeschnitten und die ganze Höhle mit dem Thermokauter 
enei gisch ausgebrannt.l)ie mikroskopische Untersuchung der exci- 
dirten Gewebspartie ergab reichlich Echinococcusblasen, in der 
Umgebung Granulationsgewebe. Der weitere Verlauf war 
durch eine starke Nachblutung, acute Nephritis und Bronchi¬ 
tis complicirt: schliesslich erfolgte aber doch Anfang 1891 
vollständige Heilung, die. bis zum Juli d. J. noch vorhielt. 

W a n a c h. 

Hösel (Hubertusburg); Die Central Windungen im Central¬ 
organ der Hinterstrünge und des Trigeminus. (Ans 
den Sitzungsberichten der Naturf.- Versamml. in Halle, 
1891. Centralbl. für Nervenheilkunde 1891, October). 

Die hei diesem Vortrage demonstrirten Präparate stammen 
von einem Gehirn, das einen porencephalischen Defect in den 
Central Windungen der linken Gehirnhemisphäre trägt. Vor¬ 
tragender kommt nach Untersuchung des Gehirns und Rücken¬ 
markes zu folgenden Schlüssen; 


1) Die Centralwindungen sind ausser mit den Vorder- und 
Seitensträngen des R. M.(Pv.bahn Flechsig’s) mit einer zweiten 
langen Bahn direct, ohne Einschaltung grauer Substanz mit 
den contralateralen Hinterstrangskernen verbunden, die beim 
Menschen bisher unbekannt war. Sie sind demnach ein Rin- 
dencentrnm für die Hinterstränge. 

2) Ein bestimmter Theil der Trigeminusfasern endet in den 
CVntralwindungen der anderen Seite, was bisher noch unbe¬ 
kannt war. Letztere sind demnach auch ein Rindenoentrum 
für den Trigeminus. 

3) In der Schleife verlaufen Vorder-Seitenstrangfasern. 

4) Die Cenlralwindungen verbindet eine Bahn mit der con- 
tralaterälen Kleinhirnhemisphäre, die durch den rothen Kern 
derselben und den Bindearm der anderen Seite läuft, 

5) Sind die ans den Hinterstrangkernen entspringenden und 
in der Schleife verlaufenden degenerirten Fasern des demon¬ 
strirten Präparates sensibler Natur, dann ist es auch ihr 
Rindencentrum. Die Centralwindungen sind demnach, wenn 
nicht ausschliesslich, so doch zum grossen Theil zugleich ein 
sensibles Rindencentrura. Jedenfalls stellen sie nicht mehr 
allein die «motorische Rindenzone» dar. 

6) Hierfür spricht auch das Verhalten des Trigeminus. 

7) Welche Sensibilitäts-Qualität an diese degenerirten Fa¬ 
sern und ihr Centrum gebunden ist, ist nicht sicher, höchst 
wahrscheinlich der Mnskelsinn, sicher nicht snbjective Schmerz¬ 
empfindung und die grobe Bertihrungssensibilitiit. 

8) Die zerstörten Trigeminusfasern haben für das Gesicht 
dieselbe functioneile Bedeutung, wie die degenerirten, aus den 
Hinterstrangkernen stammenden Fasern für die Extremitäten. 

9) Der vorliegende Fall liefert einen anatomischen Nach¬ 

weis zu den experimentellen Arbeiten Hitzig’s, Fritsch’« 
Munk’s etc. Kallmeyer. 

Oppenheim; Allgemeines und Specielles über die toxi¬ 
schen Erkrankungen des Nervensystems. (Naturf.- 
Versammlung in Halle 1891. Centralblatt f. Nervenheil¬ 
kunde. October). 

In dieser Mittheilung behandelt Vortragender die bisher 
wenig beobachteten Lähmungsformen, welche durch combi- 
nirte Wirkung mehrerer Gifte herbeigeffibrt werden. Die 
Dosis des einen Giftes braucht hierbei keine toxische zu 
sein, um zu einer Erkrankung des Nervensystems zu führen, 
wenn sich die Wirkung eines anderen Virus hinzugesellt. 
Durch solche Addition der Intoxicationssymptome z. B. bei 
chron. Blei- u. Alkoholintoxication entständen enorme diffe¬ 
rentialdiagnostische Schwierigkeiten. Auch Infectionskrank- 
h eiten erweisen sich besonders wirksam in der Erzeugung 
nervöser Erkrankungen bei Personen, die berufsmässig mit 
der Verarbeitung von Giftstoffen zu thun hatten. 

Auch 2 in disseminirten Herden anftretende Krankheits¬ 
formen können toxisch-infectiösen Ursprung haben. 1) Die dis- 
seminirte Myelitis resp. Myeloencephalitis nach Infections- 
krankheiten, 2) die disseminirte Sklerose nach Infections- 
krankheiten. 

Endlich kann eine indirecte Beeinträchtigung des Nerven¬ 
systems durch toxische Producte dadurch veranlasst werden, 
dass eine allgemeine Anämie und Kachexie entsteht. — Ferner 
weist Redner daranf hin, dass die Gifte das Nervensystem 
empfänglicher machen für andere Schädlichkeiten, so fiirTranma, 
nna schliesslich schaffe Alkohol- und chronische Blei-Intoxi- 
cation eine entschiedene Prädisposition für die Beschäftigungs- 
Atrophien nnd professionellen Paresen. Kallmeyer. 

BUcheranzeigen und Besprechungen. 

J. Boas: Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten. 
I. Theil. Allgemeine Diagnostik und Therapie der 
Magenkrankheiten. Zweite neu bearbeitete Auflage. Leip¬ 
zig, Georg Tliieme 1891. 

Die erste Auflage des oben bezeichneten Werkes wurde im 
Laufe eines Jahres vergriffen. Bei der nicht geringen Zahl 
von Büchern, welche die Krankheiten des Magens behandeln, 
spricht dieser Erfolg allein genügend für die Brauchbarkeit 
und Güte des Buches. In der zweiten Auflage ist besonders 
der Abschnitt betreffend die allgemeine Therapie umgearbeitet 
und erweitert worden, doch ist auch sonst überall auf die 
ailerneuesten Arbeiten Rücksicht gsnommen. 

Nach einer Einleitung über Anatomie und Physiologie des 
Magens behandelt Verfasser die allgemeinen Untersnchungs- 
methoden, unter denen naturgemäss die chemischen Methoden 
den grössten Raum beanspruchen. Die Methoden der quantita¬ 
tiven Salzsäurebestimmung werden einzeln aufgezählt und be¬ 
schrieben; in einem Resum6 findet der Leser die kritische 
Stellungsnahme des Verfassers zu denselben. In zwei Capiteln 
wird daranf die diagnostische Bedeutung der Harn- und Blut- 
untersuchung bei Magenkrankheiten besprochen, worauf der 
schon oben erwähnte sehr lesenswerthe Abschnitt über allge¬ 
meine Therapie den Schluss bildet. 


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ila Buch bedarf wohl kauin einer Empfehlung; es enthält 
die praktischen Erfahrungen eines auf dem Gebiet der Magen¬ 
krankheiten wissenschaftlich gut bekannten Autors. Dem hin 
nen Jahresfrist versprochenen zweiten Theil über specielle 
Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten sehen wir mit 
Spannung entgegen. \V. Beckmann. 

Le Laboratoire de Toxicologie. Methodes d'expertises 
toxicologiques; Travaux du Laboratoire par P. Brou- 
ardel, doyen de la facultd de MMecine de Paris 
et J. Ogier, directeur de Laboratoire. Paris, Bail¬ 
iiere et tils 1891, Gr. 8°, 224 pp., avec 25 fig. 

Da in Paris die Pharraacie nicht zur med. Facultät gerech¬ 
net wird, so dürfte jeder Unbefangene unter dem Titel «toxi¬ 
kologisches Laboratorium, hsgbn vom Decan der med. Facul- 
ein Buch erwarten, welches die zum Nachweis der Gifte 
in pharmakologischen Instituten üblichen physiologischen, pa¬ 
thologisch-anatomischen und chemischen Methoden enthalt. 
Leider erfüllt der Inhalt dieses Buches derartige Hoffnungen 
nur zum dritten Theil, denn es ist meist nur von chemischen 
Methoden die Rede und auch von diesen nur soweit sie sich 
anf die allergewöhnlichsten Gifte beziehen. Die dabei ange¬ 
wandten analytischen Methoden sind, wie übrigens auch ge¬ 
bührend mehrfach hervorgehoben wird, meist dem Buche von 
Prof. Dragendorff entlehnt. Die Bilder scheinen für Nicht¬ 
fachmänner berechnet zu sein, denn was lernt der Fachmann 
ans einem vor das Spektroskop gehaltenen ßeagensglas? Was 
aus einer Quecksilberluftpumpe, noch dazu da dieselbe hinter 
den von Geppert angegebenen modernen Formen zurück¬ 
bleibt? 

Im llebrigen ist der Inhalt des Buches für Specialisten auf 
dem Gebiete der gerichtlich-chemischen Untersuchungen nicht 
ohne Interesse; für Mediciner ist besonders ein Aufsatz «sur 
une epidemie d’intoxication saturnine causee par les fariues* 
wichtig, indem er zeigt, dass noch heutzutage selbst in sehr 
civilisirten Landern in Mühlen das Getreide mit Blei verun¬ 
reinigt werden kann. Wahrend in früheren Fallen sich meist 
mit Blei ausgegossene Mühlsteine als die Ursache des Bleige¬ 
haltes des Mehies herausgestellt haben, handelte es sich hier 
um einen Elevatear aus 21 Schöpfeimern, von denen 12 aus 
Zinn, aber 9 aus verbleitem Eisenblech bestanden. 

Ein Artikel über den spektrophotometrischen Nach¬ 
weis des Kohlenoxydes ist recht interessant, würde aber 
viel lehrreicher sein, wenn die beweisenden Spektralbilder und 
der gaqze Apparat nicht nur uacli einer .Pariser These eitirt, 
sondern abgebildet wäre. Nur dann würde der Leser im Staude 
sein sich eiue Vorstellung darüber zu machen, ob der von 
Dupre erfundene, hier benutzte Apparat besser ist als der 
von Hüfner und Vierordt. (Hüfner wird übrigens als Kult - 
ner irrig angeführt;. 

Bei einer Untersuchung über den Eiweissgehalt vou 
Leichenharn kommen Vibert und Ogier zu dem uns nicht 
unbekannten Ergebniss, dass der Harn beliebiger Leichen sehr 
häufig Eiweiss enthalt, und zwar um so mehr, ,]e länger die 
Leiche liegt. Unsere Autoren sprechen sich dafür aus, dass 
dieses Eiweiss aus den Wandungen der Harnblase stammt. 

Eine Studie «sur l’asphyxie de cause luecanique» von 
Pat^nko ist für Gerichtsarzte nicht ohne Wichtigkeit. 

Kobert. 


Wissenschaftliche Verhandlungen der Dor- 
pater medicinischen Facultät. 

Sitzung am 28. Novbr. 1891. 

Vorsitzender Herr R. Thoma. 

Berichterstatter Herr ß. Kobert. 

1. Herr Dehio berichtet über Untersuchungen, welche un¬ 
ter seiner Leitung von Dr. C. Tomberg zur Kritik des 
Fleischlichen Haemometers augestellt worden sind und 
den Zweck hatten, diesen Apparat auf seine Tauglichkeit zu 
klinischen Untersuchungen zu prüfen und die mit dem Gebrauch 
desselben verknüpften hehler festzustellen. Aus diesen Unter¬ 
suchungen ergiebt sich, dass die Angaben des Haemometers 
in der That mit einem constanten Fehler behaftet sind; letz¬ 
terer muss empirisch für jeden einzelnen Apparat festgestellt 
werden, da die Fehler bei den verschiedenen Apparaten nicht 
gleich sind. Der Apparat, welcher v. Neubert und Lezius 
zu ihren Untersuchungen (cfr. die Dissertationen der Genann¬ 
ten und Dehio’s Aufsatz in Nr. 1 der Petersb. medic. Wochen- 
schr. v. J. 1891.) benutzt wurde, ergab nach Tomberg’s Prü¬ 
fung einen fortschreitend zunehmenden Fehler, so dass bei 
einemBlut, welches 90% des normalen Hämoglobingehaltes be¬ 
sitzt, durchschnittlich 89,67° angegeben werden, also ein Feh¬ 
lar von — 0,4 entsteht. Die Fehlerreihe ist folgende: 


bei 90% der Norm durchschnittlich -- 0,4% Fehler. 



80°, o 

> 

> 

» 

- 1,4% 

> 


70% 

» 

> 

» 

- 2,8% 

> 


607° 

> 

1 

> 

- 3,67° 

> 


50°/. 

> 

> 

» 

- 4.57° 

» 


40°/o 

» 

1 

> 

- 5,2% 

» 


30% 

> 

1 

> 

- 5,4% 

> 


20% 

> 

» 

» 

— 5,5% 

> 


Bei einem Blut, das z. B. nur noch 38°/° des normalen Bämo- 
globingehaltes besitzt (also etwa 4,0 Gr. Haemoglob. statt 
12,0 Gr. in 100,0 Gr. Blut enthält), ergiebt das Haemometer 
die Zahl 27,7 statt der Zahl 33. 

Diese aus einer grosseren Untersnchnugsreihe eruirten Zah¬ 
len, nach denen die Ablesungen am Apparat corrigirt werden 
müssen, stimmen mit den schon von Lezius und Neubert 
festgestellten und benutzten Correcturzahlen gut überein, so 
dass die von jenen Autoren gemachten Angaben in allen Stücken 
aufrecht erhalten bleibeu. 

Andrerseits kam es darauf an, die Breite der Fehlerschwan- 
kungen festzustellen, welche nach derCorrecturdesconstauten 
Fehlers, für den sich nur Mittelwerthe angeben lassen, noch 
übrig bleiben. In 907° aller Fälle überschreiten die Fehler¬ 
schwankungen nicht den Werth von zwei Theilstrichen der 
Fleischlichen Scala (-2% des normalen Haeuioglobingehaltes 
des Menschenblutes) nach der positiven oder negativen Seit« 
keinen Falles aber reichen die Gren/.en der Schwankungen 
weiter als bis 4,3% nach der positiven und 3,9'Vo nach der 
negativen Seite. Diese letztgenannten starken Abweichungen 
finden sich übrigens nur bei sehr blassem Blut, iu dem nur 
noch weniger als 60% des normalen lläinoglobingehaltes vor¬ 
handen sind. Bei so hämoglobinarmem Blut sind die grösseren 
Fehler aber weniger störend, als bei hämoglobinreicherem Blut. 

Tomberg kommt deshalb mit Recht zu folgendem Schluss: 
«Dem Kliniker wird es in den meisten Fällen nicht darauf 
ankommen, geringere Veränderungen des Hämoglobingehaltes 
festzustellen, denn solche sind, nach unsern bisherigen Erfah¬ 
rungen klinisch belanglos; wo aber bedeutende Verarmung des 
Bluts anHämoglobin vorhanden ist. da gestattet das FleischlVhe 
Hämometer immerhin derartige Veränderungen mit genügen¬ 
der Sicherheit festzustellen, um klinische und diagnostische 
Schlüsse zu ziehen.» — Conditio sine qua non aber ist. dass 
jeder Beobachter für seinen Apparat nach der von Tomberg 
angewandten Methode die constanten Fehler empirisch fest¬ 
stem und späterhin diese Fehler stest corrigirt. so oft er den 
Apparat, gebraucht. 

2. Herr Thoma über das elastische Gewebe der 
Arterienwand und seine Veränderungen bei Arterio¬ 
sklerose und arteriosklerotischem Aneurysma. 

Die Untersuchuiigeu des Vortragenden, welche im Archiv 
für pathologische Anatomie, in der Deutschen Medicinischen 
Wochenschrift (1889) und an anderen Orten im Laufe der letz¬ 
ten acht Jahre veröffentlicht wurden, haben unter Anderem 
gezeigt, dass eine weitverbreitete Aneui > sinaform iu nächster 
aetiologi8cher und lfistogenetischer Beziehung zur Arterioskle¬ 
rose steht. Es ist dadurch die alte, vielfach bezweifelte Lehre 
vom arteriosklerotischen Aneurysma, welche sich im Wesent¬ 
lichen nur auf die sehr verschieden zu deutende, häufige Coin- 
cidenz von Arteriosklerose und Aneurysma stützte, in neuer 
Form erstanden, zugleich aber auch in dieser neuen Form ge¬ 
nauer begründet worden. 

Das arteriosklerotische Aneurysma und die Arte¬ 
riosklerose sind Folge mehr oder weniger hochgradiger 
Schwächungen der Gefässwand, welche ihrerseits wieder von 
mannigfachen allgemeinen Ernährungsstörungen abhängen. 
Die Schwächung der Gefasswaud führt in der Regel zu lang¬ 
sam sich entwickelnden, mässigen Erweiterungen des Gefäss- 
lumen mit consecutiver bindegewebiger Verdickuqg der Intima 
(Arteriosklerose). Ist die Schwächung der Gefässwand eine er¬ 
heblichere, so wird die Erweiterung des Gefasslumen stärker 
ausfallen. Sie kann in gewissen, umschriebenen Bezirken eine 
so starke werden, dass sie sich als arteriosklerotisches 
Dehnungsaneur ysma darstellt (Aneurysma per dilatationein 
arterioskleroticum). Immer erweist sich dabei nach hinreichen¬ 
der Dauer der Störung die Intima bindegewebig verdickt 
(Consecutive, compensatorische Endarteriitis fibrosa). Nur in 

f anz frischen Fällen kann die Bindegewebsneubildung in der 
ntima fehlen. Dann ist nur die physikalische Untersuchung 
im Stande, die Ursache der Aneurysmabildung nachzuweisen. 
Sie findet sich, ebenso wie in den Anfangstadien der Arte¬ 
riosklerose, als eine erhebliche Abnahme der Gefässwand- 
elasticitht, also als eine Schwächung der Gefässwand. Bei 
stärkster Dehnung der Gefässwand erfolgen endlich mehr oder 
weniger tiefgreifende Einrisse in die Gefässwand, welche scharf 
begrenzte, sackförmige oder cylindermantelförmige Ausbauchun¬ 
gen des Lumen zur Folge haben. Diese oft colossal grossen 
Erweiterungen der Gefasslichtung werden, wie die Dilatations- 
aneurvsmen später mit neugebildeten Bindegewebsschichten 
ansgefcleidet (Aneurysma per ruptnram arterioskleroticum, 
sacciforme et dissecans). 


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20 


Es ist nicht möglich, an dieser Stelle die Begründung die¬ 
ser allgemeinsten Ergebnisse zu versuchen. Vielmehr muss 
in dieser Beziehung auf die verschiedenen ausführlichen Ar¬ 
beiten des Vortragenden und seiner Schüler hingewiesen wer¬ 
den. Doch waren diese Ergebnisse zu erwähnen, um die Be¬ 
deutung der Aueurysinalehre zu beleuchten, weichein von 
Recklinghausen ihren Urheber findet. Dieser hochange¬ 
sehene Forscher kann sich von der aetiologischen und histo- 
genetischen Zusammengehörigkeit gewisser Aneurvsmen mit 
der Arteriosklerose nicht überzeugen. Er hält die relativ 
häufigste Form des Aneurysma für eine Erkrankung beson¬ 
derer Art. Neuerdings wurde nun diese Auffassung durch 
einen seiner Schüler, Mauchot, genauer zu beweisen ver¬ 
sucht. Demgemäss soll die Ursache der Aneurysmabildung 
gegeben sein in dem Auftreten kleinster Risse in den elasti¬ 
schen Fasern und Membranen der Gefässwand. Diese mi¬ 
kroskopischen Zerrei8sungen finden sich, wie Mauchot 
nach wies, bereits in den von dem Vortragenden als arterio¬ 
sklerotische Dilatationsaneurysmen bezeiclmeten Bildungen, 
während die gleichzeitig vorkommenden Rupturaneurysmen 
dieselben Verhältnisse in riesiger Vergrösserung darstellen 
sollen. 

Das Wesen des Aneurysma ist demgemäss nach v. Reck¬ 
linghausen und Mauchot in jenen mikroskopischen Rup¬ 
turen der elastischen Membranen zu suchen, welche das Un¬ 
terscheidungsmerkmal gegen die Arteriosklerose bilden und 
den Ausgangspunkt der Störung abgeben sollen. 

Der Vortragende ist bemüht gewesen, die durch v. Reck¬ 
linghausen und Mauchot gefundenen Thatsachen zu prü¬ 
fen. Die im Dorpater pathologischen Institut vorgenoramenen 
Untersuchungen v. Zwingmann’s bestätigten zunächst die 
Befunde von Mauchot, sie zeigten aber zugleich, dass auch 
bei Arteriosklerose jene mikroskopischen Zerreis- 
sungen der elastischen Fasern und Membranen der 
Gefässwand ungemein häufig sind und bei knotiger 
Sklerose regelmässig Vorkommen. 

Die in Rede stehenden kleinsten Zerreissungen der elasti¬ 
schen Membranen und Fasern der Gefässwand sind somit 
eine der Arteriosklerose und dem arterioskleroti¬ 
schen Aneurysma gemeinsame Erscheinung, welche 
bei näherer Prüfung die aetiologische Zusammen¬ 
gehörigkeit beider Erkrankungen von Neuem be¬ 
stätigt. Auch tritt hier wieder die von Vortragendem be¬ 
reits früher erörterte, nähere Beziehung zwischen dem 
arteriosklerotischen Aneurysma und der Arteriosklerosis no¬ 
dosa hervor. Man begreift, dass zwei in ihrer Entstehung 
so nahe verwandte Störungen, wie die letztgenannten, auf¬ 
fällige Uebereinstiromungeu in Beziehung auf ihre Localisation 
darbieten müssen. 

Die Untersuchungen sind indessen noch nicht abgeschlossen. 
Es kommen nämlich bereits in anscheinend n orma- 
leu Arterien sehr häufig Risse in den elastischen 
Platten und Membranen vor, sogar bei Kindern. Diese 
unter Leitung des Vortragenden von Theodor Schulmann 
aufgefundene noch genauer zu prüfende Thatsache ist von sehr 
erheblicher Bedeutung für obige Fragen. Denn es gewinnt 
den Anschein, dass ein Tlieil der mikroskopischen Zerreissun- 
gen der elastischen Membranen der Gefässwände unter die 
normalen Waehsthums-Erscheinungen zu rechnen 
sind. Doch kann man die in gesunden Arterien vorkommen¬ 
den Continuitätstrennungen der elastischen Membranen der 
Gefässwand auf Grund einer Reihe hier nicht näher zu erör¬ 
ternder Unterschiede ohne Schwierigkeit von den pathologi¬ 
schen Zerreissungen unterscheiden. 

Nach diesen Ergebnissen liegt es nahe, die Frage zu 
erheben, ob die Unterscheidung des arteriosklerotischen 
Dilatations- und Rupturaneurysma auch in der Folge gerecht¬ 
fertigt ist. Vortragender muss diese Frage entschieden be¬ 
jahen. Die Zerreissung einzelner Gewebselemente hat eine 
ganz andere Bedeutung als eine Coniinuitätstrennung der 
ganzen Dicke der Gefässwand oder doch des grössten Theiles 
ihrer Dicke. Beide Vorgänge sind verwandt und ähnlich, 
haben auch — soweit es sich um pathologische Vorgänge 
handelt — in gleicher Weise Schwächungen der Gefässwand 
zur Ursache. Zwischen ihnen besteht nur ein gewaltiger 
Grössen unterschied. Bei der Arteriosklerose und bei dem 
arteriosklerotischen Dilatationsaneurysma erscheint dem un- 
bewaffneten Auge uer Zusammenhang der Gefässwand unver¬ 
ändert. Erst, nach Zuhilfenahme besonderer Färbungsmetho¬ 
den gelingt es mit Hilfe des Mikroskopes Zerreissungen einer 
grösseren oder kleineren Anzahl von elastischen Gewebsele- 
meuten nachzuweisen, welche Zerreissungen zudem in etwas 
anderer Anordnung und Verbreitung auch in normalen Ge- 
fässen von Erwachsenen regelmässig vorzukommen scheinen. 
Das arteriosklerotische Rupturaneurysma zeigt dagegen be¬ 
reits dem unbewaffneten Auge Continuitätstrennungen meh¬ 
rerer Gefässhäute der Intima und mindestens eines grossen 
Theiles der Media, zuweilen ausserdem noch der Adventitia. 
Solche Continuitätstrennungen fehlen bei Arteriosklerose und j 
arteriosklerotischen Dilatationsaneurysmen. Sie verleihen dem I 


I anatomischen Befund eine charakteristische Erscheinung, 
welche Vortragender bei einer anderen Gelegenheit näher 
schilderte. Auch die klinische Bedeutung ist in Beziehung 
auf Prognose und Therapie eine verschiedene. Das arterio¬ 
sklerotische Dilatationsaneurysma ist in der Regel als das 
erste, noch nicht unbedingt Gefahr drohende Stadium einer 
Erkrankung zu bezeichnen, welche in ihrem zweiten Stadium 
als arteriosklerotisches Rupturaneurysma in Kürze einem un¬ 
günstigen Ausgange zustrebt. Das Dehnungsaneurysma giebt 
bei Befolgung geeigneter Vorsichtsmaasregeln Aussichten auf 
Erreichung annähernd stationärer Zustände und völligen 
Wohlbefindens, während das Rupturaneurysma jeder Therapie, 
abgesehen von dem chirurgischen Eingriff der Excision, trotzt 
und beinahe unbedingt mali ominis ist. 

3. Herr Barfurth referirt eine Untersuchung von C. Klecki 
betreffend die Zellbrücken in der Darm muskula- 
tur der R a u b t h i e r e, die von Kultschi tzki bei Hunden; 
vom Referenten bei Katzen gefunden worden sind. C. Klecki 
bestätigte die Beobachtung des Referenten, dass die Zell¬ 
brücken auf dem Höhepunkte der Verdauung deutlicher wer¬ 
den und wies nach, dass dieselben auch bei der C o n t r ac¬ 
tio n der Muskulatur höher und breiter erscheinen; gleich¬ 
zeitig sind dann auch die Intercellularräume grösser. Diese 
Eigenthümlichkeit erklärt sich aus der Mechanik der unbe¬ 
hinderten Contractiou der Muskelfasern. 

Auszug aus den Protokollen 
der medicinischen Gesellschaft zu Dorpat 
vom Jahre 1891. 

1. Herr Krüger: «Ueber die embryonalen Verdau¬ 
ungssäfte*. Veranlassung zur Beprüfung vorliegender 
Frage gaben Vortragendem einerseits die vielfach in der dies¬ 
bezüglichen Literatur entgegentretenden Widersprüche, ande¬ 
rerseits die bakteriologisch unzuverlässigen Methoden, die bei 
den bisherigen Untersuchungen in Anwendung kamen. — Die 
Versuche wurden mit Extracten aus den betreffenden das 
verdauende Secret liefernden Drüsen ausgeführt und zwar 
wurde zur Extraction (der Gland. submaxill., der Parotis, des 
Pankreas und der Darmschleimhaut) gesättigtes Chloroform¬ 
wasser benutzt, welches, wie Vortragender bereits bei Gele- 

f enheit einer anderen Mittheilung betonte, jede bakterielle 
Wirkung ausschliesst. — Zur Gewinnung des künstlichen 
Magensafts wurde die Magenschleimhaut mit Salzsäure ent¬ 
haltendem Wasser extrahirt. Die Versuche wurden zum 
grössten Theil an Embryonen von Rindern resp. Schafen aus- 
geluhrt. Das Ergebniss derselben war Folgendes: 

I. Speichel: die Bildung des Ptyalin von Seiten der Sub- 
maxillaris und Parotis tritt bei Rindern schon ziemlich früh 
auf, etwa im 7. Monat des Foetallebons — die Tragzeit der 
Rinder erstreckt sich auf 10 Monate — bleibt jedoch bis zur 
Geburt hin nur eine sehr geringe. Bei Schaftbeten fehlt das 
Ptyalin in den Speicheldrüsen oder tritt erst ganz kurze Zeit 
vor der Geburt in nomineller Quantität auf. 

II. Magensaft; die Pepsinausscheiduug tritt schon in der 
ersten Hälfte des intrauterinen Lebens auf, sowohl bei Rin¬ 
dern als auch bei Schafen, steigert sich mit fortschreitender 
Entwickelung und erlangt bei der Geburt schon einen recht 
bedeutenden Grad. Ob die Salzsäureproduction während des 
Embryonallebens schon im Gange ist, wagt Vortragender nicht 
mit Sicherheit zu entscheiden, doch scheint ihm dieses un¬ 
wahrscheinlich, da er nie eine saure Reaction der Magen¬ 
schleimhaut wahrnehmen konnte. 

III. Der Pankreassaft: Das Trypsin, Pankreatin und 
fettzerlegende Ferment treten nicht gleichzeitig auf. Das 
Trypsin erscheint zu Ende des 1. oder Anfang des 2. Drittheils 
des Embryonallebens (bei Schafen sowohl wie bei Rindern). 
Das Pankreatin erscheint zu Ende der 1. oder zu Anfang der 
2. Hälfte der Tragzeit. Das fettzerlegende Ferment endlich 
steht bei den Rindern hinsichtlich des Auftretens zwischen 
den beiden andern, bei Schaliöeten hingegen scheint erst das 
diastatisclie, dann das fettzerlegende Ferment aufzutreien. 
Entsprechend der Entwickelung steigt natürlich die fermen¬ 
tative Wirksamkeit des pankreatischen Saftes. 

IV. Der Darmsaft: Es wurden gesondert Extracte der- 
Schleimhaut des Dünndarms und des Dickdarms angestellt. 
Beide erwiesen sich als vollkommen unwirksam, wenigstens 
bei Rinderfoeten bis zu einer Länge von 7ti Cm. (entsprechend 
dem Anfang des letzten Tragemonats). Weder wurde Amy- 
lum in Zucker verwandelt, noch wurde Rohrzucker invertirt. 

2. Herr Robert Koch: Ueber Localisation der apha- 
sischen Störungen in der Grosshirnrinde. Vortra¬ 
gender stellt einen Patienten vor, der vor drei Jahren, 
im Schlaf überfallen, durch einen stumpfen Gegenstand eine 
Verletzung, eine 9—10 Cm. lange und 1—2 Cm. breite Im¬ 
pression des Knochens in der linken Schläfengegend davon¬ 
getragen hatte. In Folge derselben hatten sich Sprachstö-, 
rungen eingestellt, die der Vortragende nach den klinischen 
Symptomen und der anatomischen Lage der Verletzung al s 


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21 


motorische Aphasie (Broca), Worttaubheit (Kussraaul) 
diagnosticirt. Zugleich bestehen Paraphasie und Paragraphie, 
die als Leitungsaphasien gedeutet werden. — Im Anschluss 
hieran giebt Vortragender ein kurzes Referat Über die Mono¬ 
graphie Prof. Ballet's in Paris, «Über die innerliche Sprache 
und die verschiedenen Formen der Aphasie». Es folgt zum 
Schluss Demonstration von Schädel- und Hirnpräparaten, die 
eine cranio-cerebrale Topographie, eine genaue Bestimmung 
der Beziehungen zwischen den Hauptfurchen und Windungen 
des Gehirns einerseits und der Oberfläche des Schädels und 
seiner Nähte andererseits zur Veranschaulichung bringen. 

Herr Dehio warnt vor Schematismus; in den meisten Fäl¬ 
len hätte man es mit Combinationen zu thun; überdies diver- 
gire die französische und deutsche Schule, indem die erstere 
sich auf die Psyche, letztere auf die anatomischen Verhält¬ 
nisse stütze. 

Herr Robert Koch glaubt gerade die einzelnen von Ballet 
aufgestellten Typen betonen zu müssen, denn nur so sei man 
im Stande, die Combinationen annähernd richtig deuten zu 
können und es werde die ganze Frage der Sprachstörungen 
dadurch ausserordentlich erleichtert. 

3. Herr Dehio referirt über einen Fall von Bradykar - 
die. Ein Herr von 74 Jahren hat schon seit einigen Jahren 
eine Pulsfrequenz von blos 25—30 Schlägen in der Minute; 
er ist mehrmals von plötzlichen Ohnmachtsanfälleu heimge- 
Bncht worden, während deren er zusammengestürzt ist, und 
die meist nur Bruchtheile einer Minute dauerten. Objectiv 
liess sich eine massige Vergrösserung des linken Ventrikels 
(arteriosklerotische?) und Dilatation des Arcus aortae feststel¬ 
len, sowie allgemeine aber nicht hochgradige Sklerose der 
peripheren Arterien. Vortragender erörtert die Frage, auf 
was für anatomische Veränderungen und pathologische Vor¬ 
gänge dieser Zustand der Bradykardie mit plötzlichem Be- 
wnsstseinsver-lnst (Synkope) zurückgeführt werden könne. — 
Durch Lunz wissen wir, dass die bei permanenter Bradykar¬ 
die vorkommenden Anfälle von Bewusstlosigkeit mit zeitwei¬ 
lig eompletem Herzstillstand verbunden sind. Welche Ver¬ 
änderungen liegen nun der Bradykardie und dem zeitweiligen 
Herzstillstand zu Grunde? In Bezug hierauf ist nur bekannt, 
dass derartige Anomalien der Herztnätigkeit bei Sklerose der 
Coronararterien Vorkommen, im Allgemeinen jedoch selten mit 
Bradykardie verbunden sind. Dehio schliesst aus diesem Um¬ 
stande, dass Sklerose der Coronararterien wohl nur als ent¬ 
ferntere Ursache der Bradykardie angesehen werden kann, 
dass aber die directe Ursache anderswo und zwar wahrschein¬ 
lich im automatischen Gangliensystem des Herzens gesucht 
werden müsse. Falls der sog. noeud vital in Folge der Arte¬ 
riosklerose mangelhaft ernährt und dadurch functionsunfähig 
wird, so dürfte es zum Symptomencomplexe der Bradykardie 
kommen, dafür sprechen die Experimente von G. S6e, Kron- 
ecker, Cohnheim u. And. — Hat aber die Sklerose andere 
Theile des Coronararteriensystems ergriffen, ohne dass der 
noeud vital ergriffen ist, so komme die Bradykardie nicht zu 
Stande. Endlich macht Dehio darauf aufmerksam, dass das 
charakteristische Krankheitsbild der mit Ohnraachtsanfällen 
einhergehenden Bradykardie schon von Stokes, Huchard 
und G. S6e vortrefflich beschrieben, aber auffallender Weise 
in Deutschland nur sehr wenig bekannt geworden sei. 

4. Herr Kessler berichtet über einen Fall von Idiosyn¬ 
krasie gegen Antipyrin: Eine sonst gesunde Frau von ca. 40 
Jahren hatte 0,5 Antipyrin genommen. Bald darauf Brennen 
im Munde, Hitze im Kopfe, die sich von da rasch über den 
ganzen Körper ausbreitete; dann Beängstigung und Athem- 
noth, mühsame Respiration; reichlicher Schweiss, kaum fühl¬ 
barer Puls; Anwandlung von Ohnmacht abwechselnd mit 
krampfhaften Erscheinungen; Zusammenschnüren im Halse, 
Unvermögen zu schlucken, Kinnladenkrampf; unwillkürliche 
Harnentleerung. Circa Vu Stunde darnach: Schüttelfrost, Er¬ 
brechen, ängserst heftiges und quälendes Jucken und Brennen 
in allen Schleimhäuten, Ohrensausen; Leibschmerzen und 
Stuhlentleerung; wehenartige Schmerzen im Unterleib und 
nochmalige unwillkürliche Harnentleerung. Darauf Jucken 
und Brennen auch an der Körproberfläche. Nach Steigerung 
der Uteruskoliken, die etwa 3 Stunden anhielten, ruckweise 
Blutentleernng aus den Geschlechtstheilen, die allmälig heller 
werdend von reichlichem einige Tage anhaltendem schleimi¬ 
gem Ausfluss gefolgt sind. Der häufig entleerte Urin enthielt 
gleichfalls während der folgenden Tage viel Schleim. Nach 
circa 36 Stunden bald wieder vorübergehende scharlachähn¬ 
liche Röthe des ganzen Körpers. Nocli am 3. Tage Anfälle 
heftigen Juckens in den Schleimhäuten. Mit dem Ende des 
3. Tages war der ganze Process abgelaufen. — Als in diesem 
Fall speciell beachtenswerthe Erscheinung bezeichnet Vortra¬ 
gender, gegenüber den übrigen auch anderweitig nach Anti- 
pyringebrauch beobachteten, das Eintreten einer Genital- 
(resp. Uterin-)blntung, die bei dieser Patientin auch bei einer 
früheren, im Verlauf einer schweren Pneumonie stattgehabten 
Verabfolgung dieses Mittels in derselben Weise und gleich¬ 
falls, wie auch dieses Mal, mitten im Menstrnationsintervall 
sich eingestellt hatte. — Diese Fähigkeit des Antipyrins, 


unter Umständen schon in kleiner Gabe so heftige Reizung 
und Congestion der Becken- resp. Sexualorgane herbeizufüh- 
ren, mahne zur Vorsicht in der Anwendung, vielleicht zur 
gänzlichen Vermeidung desselben in der Schwangerschaft, 
namentlich in den ersten Monaten, wenn man nicht riskiren 
will, Abort zu provociren. 

Z. Z. Secretär: Dr. Richard Otto. 

(Fortsetzung folgt). 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 12. November 1891. 

1) Herr Dombrowsky stellt einen Patienten vor, an wel¬ 
chem er vor 6 Wochen die Radicaloperation einer recht¬ 
seitigen Leistenhernie nach der Methode von Bassini 
ausgetuhrt hat; die Methode, welche in der Anlegung eines 
neuen rauskelwandigen Leistencanals besteht und im XI. Bande 
des Langenbeck’schen Archivs beschrieben ist. hat im vor¬ 
liegenden Falle, trotz der vorher bestehenden starken Ausdeh¬ 
nung und Erschlaffung der Bauchmuskeln dennoch gute Dienste 
geleistet, indem der Verschluss der Bauchpforte ein ganz 
vollständiger geworden ist; Vortr. möchte indess den Erfolg 
noch nicht als einen dauernden bezeichnen; linkerseits hat Pat. 
gleichfalls eine grosse Inguinalhernie, welche demnächst operirt 
werden soll. 

2) Herr Hagen-Torn referirt die Krankheitsgeschichte 
des verstorbenen Collegen Dr. Rodde und demonstrirt das 
Präparat der Blase mit den Ureteren und Niereh. 

Seit einigen Jahren schon fühlte Defunctus leichteB3Schwer- 
deu beim Harnen; vor zwei Jahren stellte sich blutiger Harn 
ein, mit häufigem Urindrange und Erbrechen, kolikartigen 
Schmerzen in der linken unteren Bauchgegend, welche nach 
Abgang einiger kleiner Concremente schwanden; bald daranf 
erholte sich der Patient. Verlangsamte Entleerung und grösse¬ 
re Frequenz des Unnirens blieben jedoch bestehen; der Harn 
war durchsichtig. Im Mai d. J. trat wieder eine Blasenblutung 
ein; ausser Blutkörperchen (in den ersten 2 Wochen stark vor- 
herschend rothe, dann bis einige Wochen vor dem Tode—weisse) 
fanden sich keine anderen Formeleraente vor; in der letzten 
Zeit vor dem Tode konnte Vortr. auch spärliche kleine Epithel - 
zellen im Urin constatiren; kolikartige Schmerzen während der 
letzten Blutung fehlten vollständig, die Uebelkeit war viel 
seltener als im Beginn der Krankheit; die Hauptbeschwerden 
bestanden in häufigem Harndrang und dnmpfschmerzhafem 
Gefühl beim Druck auf die Blasengegend, welches der Kranke 
am Damm empfand. Die Temperatur war nnd blieb bis auf 
einige Tage, an welchen sie 38 überschritt, im Verlauf der 
ganzen Krankheit nahezu auf 38. 

In der ersten Zeit waren dann und wann Schmerzen in der 
linken, später häufiger in der rechten Nierengegend, aber im 
Ganzen waren Nierenschraerzen selten. Dreimal während des 
Verlaufs der Krankheit trat Harnretention auf, das erste 
Mal am prägnantesten Anfang Juni — fast vollständige Anurie 
während 3 Tage, welche mit Btarker constatirbarer Dilatation 
des rechten Ureters einherging. 

Merklich zunehmende Abmagerung, Appetitlosigkeit, allge¬ 
meine Schwäche, sehr häufiger Urindrang, auch in der Naclit, 
deprimirte Gemüthsstimmung, zeitweilig Polyurie, manchmal 
tagelang die Harnmenge für 24 Stunden unter der Norm, sehr 
lästiges häufiges Erbrechen in der letzten Zeit, waren die 
Haupterscheinungen. 

Im Juni schon war nur ein kleiner Theil des rechten Pro¬ 
statalappens als Gewebe der Vorsteherdrüse zu fühlen, der 
Fundus der Blase war nicht zu erreichen; bei der Rectalunter¬ 
suchung war eine fast gleichmässig feste, nicht höckerige 
Masse zu fühlen, in welcher die hintere Blasenwand, die Vesi- 
culae seminales und die Prostata aufgingen. Keine Drüsen 
in den Leistengegenden. Erst, in der, zweiten Hälfte Juli er¬ 
schienen nicht stark schmerzende Hämorrhoidalknoten und 
konnte man einzelne feste Knötchen um den Mastdarm herum 
nalpiren. In den letzten Tagen des Juli gesellte sich zu dem 
beschriebenen peinlichen Zustande noch eine auffallende Ge- 
dächtnissschwäche hinzu. Einige Tage vor dem Tode Halluci- 
nationen in der Nacht, leichte Delirien und beständiges Er¬ 
brechen, welches in den letzten Tagen kaffeesatzfarben wurde. 
(Ausser dem Vortr. haben an der Behandlung des Falles theil- 
genommen die Herren Moritz, Assmuth und Höhlein). 

Die am 14. August ausgeführte Section der Bauchhöhle 
ergab an den Harnorganen folgendes: 

Die Nieren (rechte: 117* Cm.47*Cm. 37* Cm.; linke 107* Cm. 
47* Cm. 3 Cm.) mit verkürzten Pvamiden und verdünnter Rin¬ 
denschicht, das Gewebe trocken. Die Nierenkelche und die 
Harnleiter sind erweitert, dünnwandig, die lezteren mit we¬ 
nig trübem Harn gefüllt. 

Die Blase ist mässig erweitert, bietet einen massigen Grad 
der sogenannten vessie ä colonnes, die Schleimhaut ist ver¬ 
dünnt. An und um die Orifica vesicalia uretrornm befinden sich 
Krebsmassen von der Grösse einer Wallnuss, welche von einer 
bis an die normale Schleimhaut reichenden Spalte getrennt sind 


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in der Dicke der hinteren Blasenwand, wie auch um die Cervix 
lagern platte Krebsknoten; einige kleinere Knötchen sind äuf 
dem entsprechenden Bauchfell der hinteren Blasenwand zer¬ 
streut; noch kleinere Knoten ragen in den unteren Theil des 
rechten Ureters hinein and durchsetzen den unteren Theil des 
Vas deferens dextrum. Die Vesiculae seminales sind nur 
durch Höhlungen in der Krebsmasse angedeutet und von der 
Prostata (bis auf den atrophischen rechten Lappen) nicht zu 
scheiden. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung findet man in 
allen Theilen die Structur des Carcinoms vor. Die Zellen 
sind überall gleich klein; die Krebsalveolen an manchen Stellen 
klein, das Gerüst dick, stellenweise sind jedoch grosse 
Ansammlungen derselben Krebszellen vorzufinden. In Bezug 
auf die Entstehung der primären und desseminirten Herde 
ist es schwer zu bestimmen, welches von den so nahe beiein¬ 
ander liegenden Organen den primären Herd abgegeben hat. 
Sicher kann man nach dem Aussehen und besonders nach der Grösse 
der Zellen, nach Ansicht des Vortr. einen primären Blasen¬ 
krebs ausschliessen, es müssen also die Vesiculae seminales 
oder die Prostata als die wahrscheinlichen Ursprungsstellen 
angesehen werden. Der rechte Lappen der Vorsteherdrüse 
bietet nur Erscheinungen von regressiver Metamorphose 
(Weichheit und fettig entartete Zellen), der linke scheint in der 
Geschwulst aufgegangen zu sein, während die vesiculae semi¬ 
nales alte indurative rrocesse anfweisen; deshalb hält Vortr. 
es für wahrscheinlich, dass der Process von den Letzteren 
seinen Ausgang genommen hat. 

Herr Assmuth hält den Fall insofern für lehrreich, als das 
Krankheitsbild in der ersten Zeit des Leidens auf eine Nie 
renaffection (Nephrolithiasis) hin wies und erst viel später 
(nach Ablauf von 2 Jahren) die Blasenbeschwerden und der 
Abgang von Blut durch den Catheter (aus der fast leeren Bla¬ 
se) die Aufmerksamkeit auf die unteren Harnwege lenkten. Die 
Anurie erklärt sich jetzt durch Verlegung des einen Ureters 
durch die Krebsmassen und wahrscheinlichen consensuellen 
Verschluss des andern Ureters. Was den Ursprung des Carci¬ 
noms anlangt, so halt A. es nicht für wahrscheinlich, dass das¬ 
selbe von den Samenbläschen ausgegangen sei, ebenso wie 
auch der primäre Prostatakrebs bei alteren Leuten sehr selten 
ist; eher hat die Neubildung ihren Ausgang von der Blase 
oder von den Ureteren genommen^ doch ist diese Frage auch 
auf Grund des Präparates nicht mit Bestimmtheit zu 
beantworten. Die Concrementbildung, welche in der ersten 
Zeit das Wesentliche zu sein schien, stellt sich jetzt als eine 
nur symptomatische, das Grundleiden begleitende, lediglich 
dureh Stagnation des Harns bedingte Erscheinung heraus. Je¬ 
denfalls beweist der Fall, dass Carcinöme der Harnwege einen 
langsamen über Jahre sich ersteckenden Verlauf nehmen kön¬ 
nen, wofür A. aus seiner Praxis noch andere Fälle anführen 
kann. 

3) Herr Moritz spricht über die diätetische Behandl ung 
der habituellen Obstipation. 

Es ist bekannt, dass die Obstipation als hartnäckiges und 
der medicamentösen Behandlung oft trotzendes Uebel bei den 
Städtern, und so auch bei den Petersburgern sehr verbreitet 
ist; insbesondere sind es weibliche Individuen, anämische und 
clilorotische Mädchen und Frauen der besseren Stände, selte¬ 
ner Männer, welche von dieser Plage heimgesucht werden. Die 
Thatsache, dass dergleichen bei unserem Landvolke fast nie 
vorkommt, legt den Gedanken nahe, dass neben manchen an¬ 
deren Factoren, als: Mangel an Bewegung, unzweckmässiger 
Kleidung (Schnüren!) auch ganz besonders eine unzweckmässige 
Diät bei den Städtern für die habituelle Stuhlverhaltung ver¬ 
antwortlich zu machen sei. Das Landvolk geniesst eine vor¬ 
wiegend vegetabilische Kost, der wohlhabende Grossstädter 
(speciell der Petersburger) — eine vorwiegend animalische, ei- 
weisBreiche, wenig Rückstände im Darm hin (erlassende Nahrung 
neben vielfachen Reizmitteln. Auf Grund solcher Erwägungen 
hat Vortr., wie wohl so mancher College, seine besondere Auf¬ 
merksamkeit der Diät zugewandt und eine gewisse Auswahl 
der Nahrung, bei welcher viel Masse und vi. 1 Schlacke geben¬ 
de Vegetabmen, insbesondere Grützen und Gemüse bevorzugt 
werden, in einer grossen Reihe von Fällen habitueller Obstipa¬ 
tion für zweckmässig und wirksam befunden. Vortr. entwirft 
eine der Petersburger Lebensweise und den hiesigen Markt¬ 
verhältnissen entsprechende Speisekarte für die Obstipirten, 
die er übrigens nicnt schematisch durchgeführt, sondern Je nach 
Gewohnheit und Geschmack nötigenfalls modificirt wissen 
will. Danach empfehlen sich 1) zum 1. Frühstück: Schottische 
Hafergrütze, Schwarzbrod mit Butter und Milch, Kaffee mit 
Cichorien; 2) zum 2. Frühstück: Butterbrod, Milch oder dunk¬ 
les Bier; 3) zur Hauptmahlzeit: dicke Suppen. Grützen aller 
Art, Fleischspeisen nur mit Zuthat von Gemüsen oder Salat 
(besonders Gurken und Kohl), Frucht- oder Mehlspeisen, als 
Getränk: Weisswein, Bier oder Kwas (zu meiden: Käse, star¬ 
ke Alkoholien, Kaffee nach Tisch, Gewürze, Confect!). 4) zum 
Abendbrod spärliche Kost: rohes oder gekochtes Obst, But¬ 
terbrod. 

Natürlich ist von einem solchen diätetisohen Beginne nur 


dann ein Nutzen zu erwarten, wenn es auch durch anderwei¬ 
tige Maassnahmen: rationelle, nicht schnürende Kleidung, 
reichliche Bewegung, eventuell Gymnastik oder Massage un¬ 
terstützt wird. Zu bemerken ist ferner, dass obige Diät nicht 
für die katarrhalischen Affectionen des Magendarmcanals passt. 
Die Herren Severin und Mos sin weisen auf die Macht der 
Gewohnheit und der gesellschaftlichen Rücksichten hm, welche 
den Darm auf die Dauer träge machen. Herr Hoerschelmann 
macht darauf aufmerksam, dass die Vegetarianer gerade die 
Regelung des Stuhlganges für einen Hauptvortheil ihres Regi¬ 
meserklären und diesem Umstande thatsächlich viele Anhän¬ 
ger verdanken. Herr Schmitz hat bei der habituellen Obsti¬ 
pation anämischer und chlorotischer Mädchen von dem regel¬ 
mässigen Genuss frischen Kalbsblutes oft eine günstige Wir¬ 
kung auch auf den Stuhlgang gesehen. 

Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Mitttieiiungen and therapeutische NsHmvi. 

— Kreosotklystiere empfiehlt Revillet in folgender Zu¬ 
sammensetzung : 2—4 Grm. Kreosot werden in 25 Grm. süssem 
Mandelöl gelöst und vermittelst eines Eigelbes und 200 Grm. 
Wasser zur Emulsion gebracht. 

— Parker berichtet über einen Fall von Cbloroformtod, 
der ein gesundes llj&hriges Mädchen betraf, an welchem in 
der Narkose die Exstirpation eines Nävus pigmentosus der 
Wange vorgenommen wurde. Die Pat. zeigte vor und während 
der Operation, die eine Viertelstunde dauerte, kein einziges 
beunruhigendes Symptom; nachdem 5 Minuten zuvor das Chlo¬ 
roform weggelassen worden war, traten allgemeine Convulsio- 
nen auf und nach einigen schweren Athemzügen erfolgte der 
Exitus letalis. Künstliche Respiration, Elektrizität, Injectionen 
von Aether, Whiskey und Amylnitrit blieben erfolglos. 

(Jourh. of Aineric. ined. assoo, — N. Y. med. Mon. 10). 

— Das Duboi8inum sulphuricum als Sedativum und 
Hypnoticum bei Geisteskranken ist neuerdings von Prei- 
ninger in Prag erprobt und empfohlen worden. Seine Wir¬ 
kung soll nach 10—20 Minuten eintreten und einige Stunden 
dauern. Es wird in Gaben bis 0,002 subcutan applicirt. Inner¬ 
lich gegeben bleiben Gaben von 0,002 ohne sedativen Erfolg. 

(Allg. Zeitschr. f. Psych. Bd. 48. — Neur. Centralbl. Nr. 18). 


Vermischtes. 

— Der König von Dänemark hat dem Russisch-Kaiserlichen 
Leibarzt, Geheimrath Dr. Hirsch, das Grosskrenz des Da- 
nebrog-Ordens verliehen. 

— Ordensverleihungen. Der St. Stanislaus-Orden 
I. Classe — dem Arzt vom Charkow’schen Fräuleininstitut, 
wirkl. Staatsrath Dr. W. üageutorn und dem Oberarzt des 
hiesigen St. Olga-Hospitals, wirkl. Staatsrath Dr. L. Tscher- 
njawski. Der Wladimir-Orden III. Clasae — dem Arzt 
des St. Petersburger Blindeninstitute. Staatsrath Dr. Schul- 
gowski. Der St. Annen-Orden II. Classe — den älteren 
Aerzten des hiesigen Marienhospitals G. Trachtenberg und 
des Moskauer Nikolai-Waiseninsiituts N. Hagmann, sowie 
dem Arzt des Gefängnisses in Witebsk, C. Bergner. 

— Befördert: Zum Geheimrath — der Curator des west¬ 
sibirischen Lehrbezirks, Dr. med. W. Florinski. Zu wirk: 
liehen Staatsräthen — die Professoren der Universitäten - 
von Kasan — Chomjakow (Therapeut), von Charkow—Du. 
dukalow (Chirurg) und von Kiew — Tritschel (Therapeut)* 

— Verstorben: 1) Ara 22. December a. pr. in Kiew der 
dortige Arzt Alexander SadoWBki. Er verschied plötzlich 
am Bett einer Kranken, zu welcher er behufs Hülfeleistmig 

f erufen worden war. 2) Im Kreise Jadrin (Gonv. Kasan) 
Schipulin, welcher soeben den med. Cnrsus an der Uni¬ 
versität Kasan absolvirt hatte und vor Kurzem mit der Sani¬ 
tätsabtheilung aus Kasan zur Bekämpfung der Typhösejrfde- 
mie im Jadrin'schen Kreise eingetroffen war, an der Gesichts¬ 
rose, complicirt mit Meningitis. 3) In Graz am 30. December 
n. St. der Professor für Hautkrankheiten und Syphilis, zu¬ 
gleich Director des allgemeinen Krankenhauses in Graz, Dr. 
Eduard Lipp, im 61. Lebensjahre an Oesophaguskrebs. Mit 
ihm ist ein Mann aus dem lieben geschieden, der als Gelehr- 
ter ; als praktischer Arzt und als politischer Charakter allge¬ 
meine Achtung verdient und genossen hat. Er hat sein ganzes 
100,000 Gulden betragendes vermögen dem deutschen Schul¬ 
verein vermacht. 

— Vom Chef der militär-medicinischen Academie 
weiden Diejenigen, welche als Bewerber um die vacant 
ewordene Professur der speciellen Pathologie und 
herapie an der genannten Academie auftreten wollen, auf¬ 
gefordert, ihre Gesuche bei der Conferenz der Academie lus 
zum 5. April 1892 einzureichen und gleichzeitig das Doctor- 
diplom, ihre wissenschaftlichen Arbeiten und ein eigenhändig 
geschriebenes Curriculum vitae beiznfügen. Der von der Con- 
feienz gewählte Candidat wird, je nach dem Ermessen der 


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Voreesfttilen, entweder als ordentlicher oder ausserordentlicher 
PreRusuui 1 angestellt. Der ordentliche Professor steht in der 
V. Rangklasse und bezieht, nach Abrechnung der gesetzlichen 
Abzüge: ab Gehalt 2352 Rbl., an Tisch^eldern 294 Rbl., Quar¬ 
tiergeld 300 fibl. und ausserdem für die Leitung der zweiten 
therapeutischen Hospitalabtheilung eine Zulage von 800 Ebl. 
Der aossefordentliche Professor steht in der VI. Rangklasse 
und erhält an Gage 1568 Rbl., an Tischgeldern 196 Rbl., Qnar- 
tiergeld 200 Rbl. und die oben erwähnte Zulage von 800 Rbl. 

— Wie ein Telegramm aus Venedig meldet, ist die gegen¬ 
wärtig dort tagende internationale Sanitätsconferenz. 
welche die Frage der Quarantäne bei Passiren des Suezkauals, 
sowie die Reorganisation des internationalen Sanitätsraths 
in Alexandria berathen soll, in Folge der zwischen den Dele- 
girten der interessirten Mächte entstandenen Differenzen ver¬ 
tagt wordeh. 

— Der bekannte Anthropolog und Neurolog, Prof. Dr. Mo¬ 
ritz Benedikt in Wien, ist von der russischen anthropologi¬ 
schen Gesellschaft in St. Petersburg zum Ehrenmitglieae 
gewählt worden. 

— Mit der Leitung des Instituts für Staatsarznei- 
kande an der Berliner Universität ist, bis zur Ernen¬ 
nung eines Nachfolgers für den verstorbenen Prof. Liman, 
der Privatdocettt Dr. Fr. Strassmann betraut worden. 

— In der vorigen Woche begingen drei Professoren der mi- 
litärmedicinischen Academie, die DDr. Manassein, Tschud- 
noWski nnd N. W. Ssokolow ihr 25jähriges Dienstjubi¬ 
läum. Von ihnen scheidet Prof. Manassein bekanntlich auf 
eigenen Wunsch aus dem Lein-personal der Academie aus, 
während die beiden Letztgenannten auf weitere 5 Jahre im 
Amte belassen worden sind. 

— Prof. Klebs hat die von ihm bekleidete Ptoieestr ftsr 
pathologischen Anatomie an der Züricher Universität lieder¬ 
gelegt. An seine Stelle ist der ausserord. Profeswr Dr. Hugo 
Bibbert ans Bonn berufen worden. 

— Der bekannte Kliniker Prof. Biermer in Leipzig tritt 
ans Gesundheitsrücksichten zurück und ist als sein Nachfolger 
in der Leitung der Breslauer med. Klinik Prof. Käst, gegen¬ 
wärtig Direetor des allgemeinen Krankenhauses in Hamburg, 
in Aussicht genommen. 

" — Professor Max Schiller (Berlin) bat sich auf Einladung 
des dortigen Vereins deutscher Aerzte nach New-York bege¬ 
ben, um daselbst einen Vertrag über die von ihm erprobte 
und empfohlene Behandlung der Tuberculose mit Gua- 
jacol zu halten. 

— Für den «Jahresbericht Für Geburtshülfe und Gynäkolo¬ 
gie!, redigirt von Prof. Fwammel in Erlangen, hat die Refe¬ 
rate Über russische und polnische Arbeiten Dr. Franz 
Neugebaner (Dorpater Dr. med.) in Warschau uud für 
«Schmidt’« Jahrbücher dar in- und ausländischen. Ifedicin» die 
Referate über russische med, Arbeiten Dr. A. Grün¬ 
feld, Aoristent am Dorpater pharmakologischen Institut, Über¬ 
nommen. 


— in Philadelphia int von Dr. Edward ein neues me- 
dicinisches Journal gegründet worden, welches täglich er¬ 
scheinen wird. Bis jetzt gab es nnr eine täglich erscheinende 
med .Zeitschrift in der Welt — die (Riforma Medica» in Neapel. 

— Die in Posen erscheinende polnische med. Monatsschrift 
cNowiny lekarskie» sollte wegen Mangels au Abonnenten ein- 
gehen. Wie dar Redacteur derselben, Dr. Wicherkiewicz, 
im letzten Decemberheft mittheilt, ist in Folge seines Appells 
an die polnischen Collegen nm Unterstützung der Monats¬ 
schrift aas Weitererscheinen derselben gesichert. 

— Von den Verhandlungen der 64. Versammlung 
deutscher Naturforscher und Aerzte in Halle liegt 
der I. Band (Leipzig F. C. W. Vogel) vor, welober den Be¬ 
richt Über die allgemeinen Sitzungen enthält. Der II. Band, 
welcher die Ergebnisse der Sectionesitzungen bringen wird, 
erscheint in nächster Zeit. 


— Kürzlich ist eine Abhandlung von L. M. Tschitscha- 
gow erschienen, betitelt: «Kprrioe auoaeiiie moxbubhckhxi. 6e- 
eZffs JL M. HtMfaroM. Mockbb. 1892 ». Angesichts der bei uns 
za Lande sich breit machenden Curpfusclierei möchten wir 
auch auf diese neue Blüthe medicinischen Halbwissens und die 
letantieoher Heilkünstlerei aufmerksam machen. Am Eingang- 
der 83 Druckseiten umfassenden Broschüre sagt der Verfasser: 
«Durch die Darlegung meines Heilsystems nnd den Druck der 
medicinischen Gespräche (uexHUBHenix-b 6ectjp>) bin ich bestrebt 
gewesen, der Gesellschaft nnd der medicinischen Körperschaft 
das Recht zu nehmen, zu sagen, dass man nicht wisse, wie 
und womit ich behandle». Es folgt eine laugathmige, vielfach 
mit Citaten aus der medicinischen Fachliteratur gespickte Aus¬ 
einandersetzung über das Verhältniss der Allopathie. Homoeo- 
pathie und Hydropathie zn einander, über allgemeine Aetio- 
logie der Krankheiten, über Heilmittel, deren Anwendung und 
DoBirung etc. etc., worauf der Verf. zur Darlegung seiner ei¬ 
genen Princjpien übergeht. Danach ist die Grundursache aller 


Krankheiten in einer gestörten Blutcircalgtnm zu suchen, und 
an diesem Punkt hätten alle Heilmittel anzusetzen; er sagt: 
«da alle meine Heilmittel, mit wenigen Ansnahmen, momentan 
wirken, so verfahre ich folgendemaassen: ich gebe die Arze- 
nei und frage nach 2—3 Minuten den Pat., was er fühlt. 
Wenn gar keine Empfindlichkeit vorhanden ist, so muss die¬ 
selbe bei richtiger Diagnese hervoraerufen werden, da die be¬ 
schleunigte Blutcirculation durch den Druck des Heilmittels 
auf das Blut (rcx&xctbm *»a*6HU h* npoBh j«*apcr*oni») unbe¬ 
dingt eine Empfindlichkeit im kranken Organ wachrnfen wird. 
Bei Schmerzen muss «ns demselben Grande die Empfindlich¬ 
keit geringer werden. War die Diagnose fehlerhaft, so wird 
das Mittel gar keine Einwirkung ausüben» (pag. 65). — Nach 
dieser Probe wird der Leser gerne auf weitere Citate verzich¬ 
ten, nur möchten wir noch anführen, was der Verf. auf Seite 
73 über die Behandlung der Cataracte sagt: «Die Cataracten 
werden ausschliesslich operirt, ohne Rücksicht auf ihre Ent- 
stehungsursache. Dagegen hat mein Heilsystem auch in die¬ 
sem Falle bewiesen, dass durch die alleinige Herstellung der 
Blutcirculation die Bildung einiger Cataracten verhindert wer¬ 
den kann, welche die Augenärzte nicht als eine Krankheit 
behandeln, sondern zom Zwecke schnellerer «Reifung» ver¬ 
nachlässigen». Der Arzneischatz Tschitschagow’s besteht 
fast ausschliesslich ans pflanzlichen Stoffen (verschiedener ein¬ 
heimischer und fremdländischer Bäume, Sträncher und Kräu¬ 
ter); von Mineralien wendet er nur den Schwefel und Mineral¬ 
wässer an. Wer den mühseligen, stellenweise sehr dunklen 
Weg vom Aufang dieser Schritt. bis au ihr Ende zurückgelegt 
hat, der wird am Schluss durch das stolze Wort des Verfas¬ 
sers erfrischt: «Auf Grund des eben Dargelegten bin ich der 
Meinung, dass eine wahre vorbeugende Medicin nnr durch mein 
Heilsystem geschaffen worden ist, welches alle wichtigen me- 
dici Machen Fragen umfasst «nd mit solchem Triumph tarn 
Nutzen der leidenden Menschheit entschieden hat». 

Welche Bescheidenheit! 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrag am 5. Januar d. J. 6079 
(216 mehr als in der Vorwoche), darunter 528 Tvphns — 
(27 mehr), 533 Syphilis — (21 mehr), 68 Scharlach — (16 mehr), 
10 Diphtherie — (5 weniger), 72 Masern — (6 mehr) und 12 
Pockenkranke (4 mehr). 


Vaeanz. 

Es wird ein Arzt für eine kleine Fabrik in einem 7 
Werst von der Eisenbahn belegenen starkbevölkerten Han¬ 
del sdorf im Gouvernement Kaluga gesucht. Gehalt 400 Rbl. 
jährlich und freie Wohnung mit Beheizung. Näheres per Adresse: 
«Kaxyra, Mojotrobcr&ii yi., x* AyöeucRaro, CaBaay». 


Martalit&ts-BuUotln St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 29. December 1891 bis 4 Januar 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschleckt nnd Alter: 


Im Ganzen: ? § | 

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284 254 636 103 25 91 8 6 16 57 61 49 36 42 28 12 1 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 8, Febris recurrens 2, Typhus 
ohne Bestimmung der Form L Pocken 2, Masern 11, Scharlach 9, 
Diphtherie 8, Croup 1, Keuchhusten 5, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 21, Eryaipelas 9, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 0, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, .Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax.0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyämie und Septicaemie 7, 
Tuberculose der Lungen 107, Tuberculose anderer Organe 7. 
Alkoholismus und Delirium tremens 7, Lebensschwäche una 
Atrophia infantum 40, Marasmus senilis 27, Krankheiten des 
Verdauungscanals 61, Todtgeborene 24. 


Nächste Sitzung dos Vereins :St. Peters« 
burger Aerzte Dienstag den 21. Januar. 

Tagesordnung: E. Anders: Zur operativen Behandlung 
der Missbildungen des Rectum. 

W. Beckmann: Ueber Uterusruptur. 

+ Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 18. Januar. 


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24 


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Öaxa h A. «$. BpxHQsaro — bt. ileTepöyprfc; T. 4b. Toftepa, B. «t. fCoMOQK&ro — 
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E. van der Vliet, Erbtsp. k&h. 166, kb. 25. 
Paniine Gebhardt, Bac. OcTp. B. npocn., 
H 5, kb. 18. 

Fr. Amalie 8ohulze, $oiiTanKa 52. kb. 41 
Oxasr. TpacpcKaro nep. 


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flo8B. neHs. Cn6.14 ÜHBapa 1892 r. Herausgeber: Dr. Th. v. Sc hrö der. Buchdruckerei von Wienecke, Katherinenhofor-Pr. JV6 15. 


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XVII. JAHRGANG. 



Neue Folge IX. Jafirg. 



unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krinnhalk 

Dorpat. Riga. 

Br. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Mediciiiische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonntmsntiprsil ist in Buula&d 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Hostzustellung; in deu anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertloiupreii 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


BC Abonnements-Aufträge eowie alle Inierate 

bittet man ausschliesslich au die Buchhandlung von Carl Blfiker4t> 
j St. Petersburg Newsky-Prospect J4 14, zn richten.— JCanuiaripts 
I sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheiluugen bittet map an 
; den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von 8chr8der ln 
1 St. Petersburg, Malaja Italjanskaja >4 33,Quart. 3, zn richten. Spreeli 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


Ns 3 


St Petersburg, 18. (30.) Januar 


1892 


Inhalt: Pani Werner: UeUer Chloroformbehandlung des Darmtyphus. — Referate: Prof. Strübiug: Znr Therapie 
der Diphtherie. — Horsley: Apomorphin bei Convulsionen. — Bücheranzeigeu nnd Besprechungen: Prof. Eduard 
Albert: Lein buch der Chirurgie und Operationslehre. -- Oscar Liebreich und Alex. Langgaard: Compendium der Arznei - 
Verordnung. — Prof. M. J. Oertel: Handbuch der allgemeinen Therapie der Kreislaufsstörungen. — Protokolle der 
Sitzungen des 111. livländischen Aerztetages in Walk. — Kleinere Mittheilnngen und therapeutische No¬ 
tizen. — Vermischtes. — Mortalitäts-Bulletin St Petersburgs. — Anzeigen. 


Ueber Chloroformbehandlung des Darmtyphus. 

(Ans d. Hosp. der Börsenkaufmannschaft zu St. Petersb.). 

Von 

Paul Werner. 

(Nach einem auf dem livl. Aerztetage in Walk gehaltenen 

Vortrage). 

M, H. Wenn ich Ihnen heute eine neue Waffe vorzei¬ 
ge, die ich gegen einen alten Feind in’s Feld führe, so 
habe ich zuerst bei der Frage zu verweilen: zeigt dieser 
Feind, der Darmtyphus, noch seine frühere Physiognomie, 
ist sein Bild nicht verändert, vielleicht in der Weise, 
dass er schwer erkennbar ist, oder hat er gar an Kraft 
verloren resp. gewonnen? 

Nach Erfahrungen aus der Vergangenheit haben wir 
uns ja darauf gefasst zu machen, dass manche Krankheit 
auf die Dauer nicht stabil bleibt. Schon aus grauer Vor¬ 
zeit schöpfen wir, nicht ans verbürgten Thatsachen son¬ 
dern aus Andeutungen, eine solche Vermnthung; aber 
auch aus historischer Zeit haben wir unzweifelhafte Bei¬ 
spiele, wie sehr sich eine Krankheit in ihrem Wesen 
verändern kann. 

Die Möglichkeit einer Veränderung im Bilde einer 
Krankheit hat besonders der Arzt in’s Auge zu fassen, 
der, wie ich, für eine Reihe von Jahren nur sporadische 
Fälle von Typhus gesehen, nicht aber Gelegenheit gehabt, 
wie früher, beständig zahlreiche Fälle endemischer Krank¬ 
heit in Hospitalbeobachtung zu haben. 

In die Beobachtung, über welche ich Ihnen heute re- 
ferire, trat ich, in Rezug auf die obige Frage, nicht un¬ 
vorbereitet. Ich erwartete keineswegs dasselbe Bild des 
Darratyphus wiedtrzufinden, wie ich es beispielsweise An¬ 
fang der 70-er Jahre in Moskau gesehen. 

Der -verstorbene Kliniker S. P. Botkin pflegte z. B. 
seine Schüler wiederholt darauf aufmerksam zu machen, 
wie sehr sich das Bild der Krankheit seit der Zeit sei¬ 
ner Studienjahre verändert habe. Zahlreiche mündliche 
Mittheilungen von Collegen bestätigten dies Factum; des¬ 


gleichen der Augenschein bei Gelegenheit von Besuchen 
hiesiger Hospitäler im Laufe des letzten Jahrzehntes. 

Aus dem Weiteren werden Sie ersehen, in welche Irr- y 
thümer derjenige verfallen würde, der sich bei Beurtbei- »' 
lung des Darmtyphus hier am Ort, in Bezug auf Anam¬ 
nese, Diagnose und Prognose ausschliesslich au die Be¬ 
schreibungen in den Handbüchern oder an das Eigener¬ 
fahrene aus früherer Zeit halten wollte. Nur genaue 
Kenntniss des gegenwärtigen Charakters der Krankheit 
schützt vor möglichen Trugschlüssen in der Therapie. Wenn 
es sich z. B. ereignen sollte, dass nach Anwendung neuer 
Medication eine früher nicht beobachtete schroffe Wenduüg 
zum Besseren öfters eintreten sollte, so wäre man nur 
zu geneigt, letztere von der therapeutischen Einmischung 
abhängig zu denken. 

Darum, m. II. Collegen, erlauben Sie wohl, ehe ipji 
über meinen Versuch der Chloroformbehandlung berichte, 
Ihnen ein Bild der Krankheit zu entwerfen, wie sich mir 
dasselbe im Jahre 1890 dargeboten. 

Diese Beobachtungen, vor Einleitung der Chloroform- 
befiandlung, erstrecken sich auf 102 Fälle.’) Nach dem 
Alter gruppiren sich dieselben folgendermaassen: 


Unter 

16 

Jahren 

waren 

4 . 

Von 

16 

bis 

20 

J. 

56. 

» 

21 

» 

25 

» 

25. 

» 

26 

» 

30 

» 

10. 

» 

31 

» 

35 

» 

4 . 

» 

36 

» 

40 

» 

4. 


Alle mit Ausnahme Zweier hatten ihr Domicil im Wassili- 
Ostrowschen Stadttheil, ein Umstand, dessen ich beson¬ 
ders erwähne, weil dieser Theil der Stadt, auf einer In¬ 
sel gelegen, in Bezug auf mögliche Localeigenthümlich- 
keiten einer Krankheit als besondere Stadt betrachtet 
werden könnte. 


') Im Lauf des J. 1890 waren im Ganzen 111 Typhnskranke 
im Hospital; 9 derselben wurden bereits der Chloroform behänd - 
lung unterworfen, sie sind daher hier nicht njitgezählt. 

J ) Das Hospital der St. P. Bttrsenkanfmannscnaft ist aus¬ 
schliesslich für Männer. 


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Im Mittel traten die Patienten am 9. Tage der Krank¬ 
heit in Behandlung; in der ersten Woche nur 82°/». 

Von Allen waren nur drei in St. Petersburg geboren. 
Von den Uebergesiedelten befanden sich weniger als 6 
Monate am Ort 55, von 1 bis 3 Jahren 15, der Rest 
seit mehreren Jahren. Es bestätigt sich also wiederum 
das Gesetz von der grösseren Ansteckungsfähigkeit der 
Nichtacclimatisirten. 

Die Anzahl der von mir beobachteten Fälle ist somit 
eine verhältnissmässig geringe. Ich hielt mich daher nicht 
für competeut, mit derselben an die Oeffentiichkeit zu 
treten, umsomehr, da mir bekannt, dass es hierzu viel 
Competentere giebt, so z. B. einen Collegen hier am 
Ort, der mit dem Sichten und Ordnen eines Materials 
beschäftigt ist, welches weit über tausend Fälle umfasst. 
Aber ein Beweggrund ist es, in dem ich nicht nur die 
Berechtigung, sondern die Verpflichtung frühzeitigster 
Veröffentlichung erblicke: Jede bis dahin noch nicht no- 
tirte Veränderung im Wesen einer Krankheit kann ja die 
Einleitung zu etwas Bleibendem bedeuten, muss daher so 
früh als möglich zur allgemeinen Kenntniss gebracht wer¬ 
den, um vorzeitig die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand 
zu lenken. Ist cs doch überaus wünschenswerth, dass be¬ 
reits die allerersten Anfänge einer Veränderung bemerkt 
würden. Es ist aber schwer anzunehmen, dass solche 
Veränderungen nur localer Natur sein sollten. 3 ) 

Wo ich in dem Nachfolgenden zu Vergleichen zwischen 
sonst und jetzt Veranlassung finden werde, verstehe ich 
unter ersterem das Krankheitsbild, wie es mir aus den 
60-er Jahren (Dorpat) und Anfang der 70-er Jahre (.Mos¬ 
kau) in der Erinnerung fixirt ist, und wie solches auch 
völlig mit den Beschreibungen in älteren, aber auch neue¬ 
sten Handbüchern übereinstimmt. 

Bei einer allgemeinen Uebersicht der 1890 beobachte¬ 
ten Fälle erscheint mir zunächst erwähnenswerth die Grup- 
pirung je nach der Schwere derselben. 

Die althergebrachteEintheilung in «leichte, mittelschwe¬ 
re und schwere» steht zwar nicht auf festen Füsseit, in¬ 
sofern sie die Feststellung der Grenzen subjectivem Er¬ 
messen anheimstellt; in praktischer Hinsicht hat dieselbe 
aber ihre Berechtigung. 

Da ist es nun, verglichen mit Vergangenem, in die 
Augen fallend, dass die Gruppe der leichten Fälle sehr 
erweitert erscheint und zwar auf Kosten der mittel¬ 
schweren, die sehr zusamiuengeschrumpft ist. Auch 
die Gruppe der schweren oder allerschwersten ist gegen 
früher bedeutend verringert, aber zugleich, so zu sagen, 
verdichtet, d. h. die einmal zu derselben als zugehörig 
erkannten lassen nur den übelsten Ausgang erwarten. 

In der Gruppe der «leichten» finden sich die auffälligsten 
Abweichungen im Verlauf, schon darin, dass zu ihnen die 
meisten der «plötzlich» Erkrankten gehören, ln ihren 
Unterschieden von den anderen entfernen sie sich aber 
viel weiter, als die entsprechenden früherer Beobachtung. 

8 ) Gegen die Bemerkung eines Collegen aufdemlivl. Aerzte- 
tag, ich hätte «das Bild einer ganz neuen Krankheit» 
vorgeführt, erlaube ich mir Folgendes aus einem Vortrage des 
Dr. Fiedler in Dresden, geh. am 26. Jan. und 16. Febr. 1884 
anzuführen (Ref. in «Fortsebr. d. Med. 1885 Nr. 24): Der 
Typhus verläuft seit langer Zeit in vieler Hinsicht unregel¬ 
mässig und abnorm. Die schönen und charakteristischen Tem- 

S eiaturcurven bekam er nur selten zu Gesicht, häutig zeigte 
as Fieber schon in der Mitte oder zu Ende der ersten Woche 
den Typus der Febr. remittens oder selbst interraittens. Im 
Initialstadium zeigte sich selten der staffelförraige Anstieg, 
sondern innerhalb weniger Stunden war meist die Maximalhö¬ 
he erreicht. Häutig kam ein kritischer Abfall des Fiebers zu 
Stande. 

Kurz, F. ist der Ansicht, dass der T. abd in Dresden in ( 
klinischer und pathologisch-anatomischer Hinsicht eine i 
andere Gestalt angenommen hat.; 

Aus New-York wurde kürzlich gemeldet, dass dort der Ab- | 
dominaltyphus so einsetzt, wie etwa Interraittens. Also ■ 

S leiche iho’ achtungen aus sehr weit auseinanderliegenden 
rten. 1 


Mit anderen Worten: es werden jetzt viel crassere Un¬ 
terschiede zwischen «leicht» und «schwer» wahrgenom¬ 
men als früher. 

Der allgemeine Eindruck, wie icli solchen aus meinen 
Beobachtungen seit dem J. 1890, auch bei Besuchen an¬ 
derer ^Krankenhäuser, gewonnen, lautet dahin, dass der 
Darmtyphus der Gegenwart ein in die Augen fallend mil¬ 
derer geworden. In wie weit dieser Eindruck der Wirk¬ 
lichkeit in Bezug auf das allendliche Resultat, das Sterb- 
lichkeitsverhältniss, entspricht, darüber, m. H., werde ich 
Ihnen zum Schluss meines Referates Rechenschaft geben. 4 ) 

Die von mir im J. 1890 beobachteten Abweichungen 
im Verlauf des Darmtyphus erlaube ich mir Ihnen in der 
Weise vorznführeu, dass ich nacheinander die Erschei¬ 
nungen in folgender Reihenfolge bespreche: 

1. Das Prodromalstadium. 2. Allgemeinbefinden und 
Sensorium. 3. Das Fieber. 4. Erscheinungen von Seiten 
des Darmtractus. 5. Sonstige Begleiterscheinungen. 6. Aus¬ 
gänge und Sectionsbefund. 

1. Das Prodromalstadium. 

Früher hatte' man die Berechtigung, einen Darmtyphus 
auszuschliessen, wenn es sich um einen Kranken handelte, 
der, gestern völlig gesund, heute eine Temperatur von 
40° und darüber zeigte. Gegenwärtig und hier am Ort 
würde man in schweren Irrthum verfallen, wollte man 
sich von solcher Richtsfchnur leiten lassen. 

Wenn überhaupt die Zahl Derjenigen eine sehr gerin¬ 
ge ist, — etw'a der zehnte Theil, — bei welchen ein in 
früherer Weise protrahirtes Vorläuferstadium zu consta- 
tiren ist, so fehlte ein solches gänzlich bei 38°/° Aller. 

Hierbei sehe ich mich veranlasst, Folgendes besonders 
hervorzuheben: Da nur in den seltensten Fällen die Kran¬ 
ken gleich von Beginn an zur Beobachtung kamen, so 
lässt sich die Anamnese nur auf Aussagen bauen. Hier, 
wie wohl auch anderwärts, ist es nichts Seltenes, dass der 
Patient seine Krankheit vom Tage der vollen Arbeitsun¬ 
fähigkeit, deutlicher Entkräftung oder völliger Appetitlo¬ 
sigkeit datirt. Mit den Gepflogenheiten aller Bevölkerungs¬ 
schichten seit 20 Jahren wohl vertraut, habe ich mich 
selbstverständlich nie mit kurzen Antworten der Krau- 


4 ) Ich nehme aber Veranlassung zu betonen, wie Vielerlei 
bei Anstellung solcher Vergleiche für verschiedene Zeitperio¬ 
den und an verschiedenen Orten zu berücksichtigen bleibt, wie 
scheinbar gleiches statistisches Material möglicherweise doch 
sehr verschieden sein kann. 

Ein Factum z. B., für das ich mich verbürgen kann { ist es, 
dass in der Typhusabtkeiluug, die mir vor 20 Jahren in Mos¬ 
kau unterstellt war, stets mehr als die Hälfte Soporöser wa¬ 
ren, wählend ich jetzt kaum einen solchen auf 10 zähle. Das 
Bild ist also ein ganz verändertes. Dieses Factum hat, in Ver¬ 
bindung mit vielen anderen, als Glied einer Kette zahlreicher 
Beobachtung Vieler, gewiss seine Bedeutung. Doch darf sie, 
als Einzelerscheinung nicht immer so aufgefasst werden, als 
wäre sie der richtige Ausdruck für das am Ort Gütige, wie 
solches allerdings gegenwärtig in Petersburg wohl der Fall 
ist. Gegenwärtig sind bei uns die Verhältnisse so gestaltet, 
dass unsere Stadthospitäler stets und besonders bei nicht ex¬ 
tensiver Epidemie, ausgiebig Raum für alle Infectiösen bieten: 
zweitens kann es, dank einer ebenso vorsorglichen als ener¬ 
gischen und aufgeklärten Admiuistrativ^ewalt, kaum je Vor¬ 
kommen, dass ein Kranker, dessen häusliche Vei hältnisse sol¬ 
ches gebieten, nicht alsbald der Hospitalbehandlung überwie¬ 
sen würde; ausserdem ist das Vertrauen der städtischen Be¬ 
völkerung zur Anstaltsbehandlung ein durchaus normales. 

Ganz anders lagen diese Verhältnisse vor 20 Jahren inMoskau. 
Wir sind also gegenwärtig vollberechtigt anzunehmen, dass 
bei uns eine Infectionskrankheit mit all ihren Variationen und 
Ausläufern der Hosnitalbeobachtung ganz zur Verfügung steht, 
dass das Hospitalbild ein getreuer Spiegel der Epidemie ist. 
Früher und anderorten mögen die leichteren Fälle wohl kaum 
in die Hospitäler gekommen sein; wahrscheinlicher ist es, das« 
die letzteren es mehr mit dem, so zu sagen, nbtiltrirten Rückstän¬ 
de der Materie zu thun hatten, üebrigens vollzieht sich, durch 
die Umstände geboten, auch am Hospital der Börsenkaufmann¬ 
schaft eine solche, zwar sehr geringfügige «Filtration»: wegen 
geringer Bettenzahl können nicht alle sich Meldenden Anfnah - 
me finden. Die Zurückweisungen treffen selbstverständlich die 
leichten Fälle. 


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27 


ken begnügt, sondern habe stets nach den geringsten An¬ 
zeichen beginnenden Unwohlseins, Unbehagens, vermin¬ 
derten Appetites oder verringerter Arbeitsleistung gespürt. 
Doch auch mit den scheinbar verlässlichsten Aussagen* 
der Kranken habe ich mich nicht begnügt; nur diejenigen 
derselben habe ich für vollgiltig angenommen, die mir 
von Angehörigen, Schlafgenossen etc. präcise und zu ver¬ 
lässigst bestätigt wurden. 

Wo ich also notirt: «plötzlich erkrankt», da hat es 
die Bedeutung, wie etwa aus folgenden in Kürze ange¬ 
führten Beispielen erhellt: kräftiger junger Mann, vom 
Börsenartell, verrichtet am 21. Juni bis spät Abends 
recht schwere Arbeit: Packen, Abladen etc. Nach vollen¬ 
deter Tagesarbeit fühlt er sich so frisch, dass er eine 
Vergnügungsfahrt unternimmt. Spätes Abendessen bei aus¬ 
gezeichnetem Appetit. Nachts ein Frostanfall, danach 
Kopfschmerz; Morgens nicht im Stande, das Bett zu ver¬ 
lassen. Am 22. Juni Mittags Temper. 40,8° und damit 
der Beginn eines dreiwöchentlichen mittelschweren Typhus. 
Oder: Arbeiter von 26 Jahren. Fühlt sich am Abend 
des 24. Aug. so wohl und frisch, dass er nach vollbrach¬ 
tem Tagewerk mit Anderen einen weiten Spaziergang in 
den Wald — Pilze zu suchen — unternimmt. In völliger 
Munterkeit kehrt er spät Nachts heim, um am anderen 
Morgen mit Kopfschmerzen zn erwachen; jeder Versuch 
sich zum Aufstehen zu zwingen, scheitert, er bleibt bett¬ 
lägerig. Am 26. Aug. Temper. 39,6°. 

Solche plötzliche Erkrankungen sind, wie angeführt, in 
38% aller Fälle notirt. 

Hiernach haben wir keine Berechtigung mehr, aus dem 
Umstande, dass eine Erkrankung so beginnt, wie etwa 
das Recurrens- oder Wechselfieber, zu schliessen, dass 
kein Darmtyphus zu erwarten sei. 

Die in dieser Weise beginnenden Fälle bieten meist die 
höchsten Temperaturen, bis 41°, im Beginn der Krank¬ 
heit, dabei die allerhöchsten unter den in dieser Zeitpe¬ 
riode an Typhösen beobachteten. 

Es wird hiermit ein anderer aus der Vergangenheit 
übernommener Satz umgeworfen, dass nämlich «die Prog¬ 
nose dort bedenklich, ein sehr schwerer Verlauf dort zu 
erwarten sei, wo gleich in der ersten Woche die Tempe¬ 
ratur 40° und darüber erreicht» (Niemeyer und Andere). 

Im Gegentheil, diese plötzlich einsetzenden Fälle sind 
gewöhnlich die prognostisch günstigeren, möglicher, ja 
wahrscheinlicher Weise, weil die Betroffenen sofort bett¬ 
lägerig, hilflos werden und ihnen damit die Möglichkeit 
genommen ist, ihre Kräfte abzunntzen, wie solches aus¬ 
nahmslos in Fällen protrahirten Prodromalstadiums ge¬ 
schieht. 

Unter den Schwersten kommen Fälle von plötzlicher 
Erkrankung nur äusserst selten vor; unter den mittel¬ 
schweren etwas häufiger. Etwa die Hälfte aller Kranken 
boten ein gegen früher «abgekürztes» Prodromalstadium, 
von etwa 3 bis 4 Tagen. 

2. Allgemeinbefinden und Sensorium. 

Wenn wir von den Symptomen absehen, welche von 
Localprocessen der Krankheit abhängig sind, so hat man 
die Allgemeinerscheinungen beim Darmtyphus in der Haupt¬ 
sache anf zwei Quellen zurückzuführen: zum geringeren 
Theil auf das Fieber, zum grösseren aber auf das speci- 
fische Gift, eine Blntentmischung, bedingt durch Aufnah¬ 
me specifischer Zersetzungsstoffe. 

Die Symptome derselben, beginnend mit den leichtesten 
Graden von Apathie bis zn totaler Gleichgiltigkeit, aus¬ 
gesprochener Somnolenz und weiter völligem Verlust des 
Bewusstseins, herabgesetzter oder gar ganz geschwunde¬ 
ner Sensibilität, Sopor, Stupor fehlten viel häufiger, als 
in früheren Zeiten beobachtet. 

Zunächst in den leichteren Fällen, die sich als solche 
durch kurzwährendes und rasch abfallendes Fieber, haupt- j 
sächlich aber durch Fehlen bedrohlicher Darmerscheinun- I 


gen kennzeichnen, war nichts zn bemerken, was auf eine 
Blutentmischung zu beziehen wäre. Unruhe, Durst, ge¬ 
störter. aber kaum für länger unterbrochener Schlaf — 
dies aber auch mehr für die stühnische Anfangsperiode — 
waren die Symptome, wie solche bei jeder fieberhaften 
Krankheit zu beobachten sind. 

Es ist dies aaffallend, wenn man bedenkt, wie in den 
früher als «leicht» bezeichneten Fällen bei gleicher Dauer, 
aber viel geringerem Fieber, als in den gegenwärtig von 
mir so bezeichneten, ausnahmslos ein, wenn auch noch 
so geringer Grad der Narkose, geringe Schläfrigkeit, Apa¬ 
thie und etwas undeutliche oder traumhafte Erinnerung 
für die Dauer der Krankheit zu beobachten waren. 

Unter «mittelschweren» verst eheich solche, die nach Auf¬ 
nahme ins Krankenhaus 10 bis 20 Tage anhaltend hohes 
Fieber zeigen und bei denen die Erscheinungen von Sei¬ 
ten des Darms, auf die es eben hauptsächlich ankommt, 
ein- oder mehrmals eine Wendung nehmen, die einen 
Uebergang zu Schwerem oder Schwerstem (befürchten las¬ 
sen. Bei diesen ist das Allgemeinbefinden folgendes: Geklagt 
wird Uber Schwindelgefühl beim Erheben, selten und 
meist nur im Anfang über Kopfschmerz, zuweilen über 
Schlaflosigkeit, Träume, selten und mehr auf Befragen 
über Schmerz im Unterleibe. Meist ist aber der Schlaf 
anhaltend, zuweilen % der Tageszeit andauernd. Dabei 
keine Somnolenz. Die Kranken sind ruhig, einsichtig, las¬ 
sen sich gern über ihren Zustand aufklären, bleiben theil- 
nehmend. Bei nachträglicher Prüfung erweist sich, dass 
im Bereich der psychischen Sphäre nur eine Alteration 
des Gedächtnisses für die Dauer der Krankheit zn con- 
statiren ist. 

Kommt es aber bei einem Kranken, der im Beginn 
ein solches Bild dargeboten, zu einer üblen Wendung 
d. h. lassen die Darmerscheinungen auf eine anfangs nicht 
zu erwartende Verschärfung und Ausbreitung des Local- 
processes schliessen, dann entwickeln sich die schweren 
Gehirnsymptome sehr schnell, nicht in der früher gewohn¬ 
ten, unmerklich ansteigenden Weise. 

Unter den Allerschwersten, den elf Gestorbenen, befin¬ 
den sich nur zwei, an denen von der ersten Woche der 
Krankheit an jener schleichende Uebergang in den sopo¬ 
rösen Zustand bemerkt wurde. Dieselben boten auch sonst, 
in Bezug auf Prodromalstadium bis zum Befunde auf dem 
Sectionstisch, 5 ) ein dem früheren entsprechendes Bild. Von 
den Complicirten ging einer an Gangraena tonsillarum et 
fauc. und retropharyngealer Eiterung zu Grunde. Bei die¬ 
sem entwickelte sich der Sopor mit Auftreten der Gan- 
graen.*) Bei einem Anderen, der eine alte Eiterung des 
Mittelohres — Durchbruch des Trommelfelles — hatte, 
und der einer eiterigen Meningitis erlag, waren die Symp¬ 
tome von Seiten des Gehirns intra vitam anf die Compli- 
cation zu beziehen. 

Bei den Uebrigen fehlten zwar jene schwersten, dem 
Darmtyphus eigenen, aufspecifische Vergiftung des Central¬ 
nervensystems deutenden Erscheinungen nicht; sie ent¬ 
wickelten sich aber nicht in unmerklich zunehmender 
Weise, wie wir es zu sehen gewohnt sind, zeigten oft 
Unterbrechungen von lichteren Perioden und waren Stumpf¬ 
sinn und Verlust der Sensibilität nicht vollständig. Na¬ 
mentlich in dem oft sehr lange währenden Todeskampf 
wurde Wiederkehr wenn auch getrübten Bewusstseins, 
Klagen und Schmerzäusserungen beobachtet. 

3. Das Fieber. 

In Bezug auf dieses finden sich die grössten Abweichun¬ 
gen von dem altbekannten Bilde. 

Eine typische Fiebercurve nach den früher gütigen Ge¬ 
setzen findet sich noch seltener, als Fälle mit überhaupt 
regelrechtem Verlauf. 1 ) Erwähnt ist bereits, dass dieselbe 


5 ) Reiner Ileotyphus, fast ohne Betheiligung; des Dickdarms. 

6 ) Alter Geschwürsprocess und Narbengewebe im Kehlkopf. 

7 ) Häufiger, als ich es angebe, würde sich dje Fiebercurve 


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28 

\ 


nicht selten gleich im Beginn steil einsetzt; sie pllrja | 
dann oft vom ersten Tage an rasch abzufallen. Es sind 
das Fälle mit ganz stürmischem Anfang; nach einem 
Schüttelfrost oder auch geringeren wiederholten Frost- 
anfällea zeigt der Kranke geröthetes Gesicht, injicirte 
Conjunctivae, bei sehr beschleunigter erschwerter Ath- 
mung, aber selten entsprechend beschleunigtem Puls, ver¬ 
bunden mit grosser Unruhe, Delirien im Schlaf, schreck¬ 
haften Träumen. In anderen Fällen bleibt die Tempera¬ 
tur länger in ziemlich gleicher, aber verglichen mit dem 
Beginn etwas geringerer Höhe, um dann erst den Rltck- 
zug anzutreten. 8 ) 

Im ganzen Verlauf des Fiebers, am häufigsten gegen 
das Ende 1 *), aber auch in der Mitte und im Anfänge der 
Krankheit, finden sich Remissionen und Intermissionen. 

Diese letzteren dauern fast niemals 24 Stunden, einen 
ganzen Tag an, meist nur wenige Stunden oder, seltener, 
mehrere Tage. 

Dauert nun die Unterbrechung des fieberhaften Zustandes 
längere Zeit an, z. B. zwei Tage und darüber, dann ent¬ 
steht die Frage, ob es sich um verlängerte Intermissionen 
oder um Recidive handelt? Selten nur lässt sich diese 
Frage so ohne Weiteres beantworten. Selbstverständlich 
ist es eine Intermission, wenn der Fieberabfall einen hal¬ 
ben Tag dauert, dann aber Fieber und sonstiger Verlauf 
die deutliche Fortsetzung des Begonnenen bieten. Und 
selbstverständlich heisst es ein Recidiv, wenn bei einem 
bereits Genesenen ein neuer Schub der Krankheit und 
damit auch das Fieber auftritt. 10 ) 

In jedem einzelnen Fall beantwortet sich die Frage 
bald in dem einen, bald in dem anderen Sinn. Es giebt 
aber auch Fälle, wo sie eine offene bleiben muss. 

Soweit es sich um wirkliche Intermissionen handelt, 
werden solche von nur mehrstündiger Dauer kaum je sub- 
jectiv als Erleichterung empfunden; aber auch nicht im¬ 
mer diejenigen, die ein paar Tage dauern, wie überhaupt 
dem plötzlichen Abfiebern selten eine Besserung des Ge¬ 
meingefühls auf dem Fusse zu folgen pflegt. Die Inter- 
misfflon wird ebenso oft von Schweissausbruch begleitet, 
als auch nicht. Eine Erklärung dafür in irgend welchen 
Veränderungen der Krankheitsprocesse liess sich nicht 
finden. 

Was die Häufigkeit der Intermissionen betrifft, so ist 
bereits angeführt, dass eine in ununterbrochener Reihe 
hohe Temperaturen bietende Curve fast zu den Ausnah¬ 
men gehört. Die gegen das Ende sonst zu beobachtenden 
Remissionen gestalten sich jetzt zu lntermissionen; sobald 
jetzt einmal erst eine Tendenz zum Sinken der Tempera¬ 
tur bemerkt werden, kann man darauf gefasst sein, Inter¬ 
missionen für die Morgenstunden zu sehen, während Abend- 
und Nachttemperaturen um 2 bis 8 Grade höhere bleiben 
und zwar in schwereren Fällen eine Woche lang und 
darüber. 

Doch diese fast die Regel bildenden Temperaturdifferen- 1 


als eine mit dem Hergebrachten übereinstimmende erweisen, 
weilte man sich mit zweimaligen Messungen in 24 St. begnü¬ 
gen. Meine Beobachtungen beziehen sich auf 5 bis 6 Mal vor¬ 
genommene Messungen; die Abweichungen — Intermissionen — 
zeigen sich aber oft zn unerwarteten Stunden, die Remissionen 
zuweilen zu früherer Tageszeit als sonst. 

*j Im Durchschnitt verbrachten die Kranken 28,7 Tage im 
Hospital, darunter an fieberlosen Tagen im Mittel 11,4 Tage. 
Zu den fieberhaften Tagen wurden auch diejenigen gerechnet, 
an welchen wenn auch nur die geringste und knrz währende 
Temperatnrerhöbung, beispielsweise bis 37,8 — 38,0, bemerkt 
wurde. 

*) Wie ja auch früher beobachtet, nur jetzt viel häufiger. 

10 ) Einer der bei mir Verstorbenen hatte nach überstanaenem 
leichtesten Typhus von im Ganzen 14 tägiger Dauer die völli¬ 
ge Gbnesung abgewartet und bot nnr noch ein geringes Deficit 
an Kraft bei ausgesprochener Anaemie. Am 12. Tage nach dem 
Fieberabfall, während welcher Zeit kein Mal eine Temperatur¬ 
erhöhung eingetreten war, erneuerte sich plötzlich die Krank¬ 
heit, von vornherein viel stürmischer und bedrohlicher als das 
erste Mal, und führte im Beginn der 3. Woche zum Tode. 


zon in der zweiten Hälfte der Krankheit halte ich für 
weniger erwähnenswerth, als die Intermissionen, welche 
sich mitten in den Verlauf der noch ungeschwächten Krank¬ 
heit hineindrängen. Wie erstere stets als Anzeichen dafür 
zu deuten sind, dass die Gewalt der Krankheit gebrochen, 
so haben auch letztere eine durchaus günstige Bedeutung. 
Es kamen zwar solche plötzliche Intermissionen selten 
auch bei den leicht verlaufenden Fällen vor, doch von 
ganz anderer Art, nämlich nur als Collapsersclieinung, 
während sie sonst nicht im mindesten das momentane 
Bild der Krankheit störten und namentlich durchaus nicht 
einen Schwächezustand bedeuteten. Die Ansicht, dass sie 
als Zeichen eines abgeschwächten Krankheitserregers zu 
nehmen seien, wird dadurch hervorgerufen, dass sie in den 
schweren und mittelschweren Fällen äusserst selten, in den 
leichten, aber anfangs stürmisch verlaufenden sehr oft 
auftreten. 

Die Recidive in Bezug auf Temperatursteigerung be¬ 
deuten nur in Ausnahmefällen die Erneuerung einer schon 
abgelaufenen Krankheit, wie in dem citirten Falle,, son¬ 
dern die Tendenz einer schubweisen Fortsetzung der¬ 
selben. n ) 

Charakteristisch für die Krankheit, wie sie hier jetzt 
zur Beobachtung kommt, ist, dass man diese Recidive sehr 
lange Zeit hindurch zu befürchten hat und dass sie um 
so häufiger auftreten, je leichter und kürzer der Verlauf 
gewesen. Schon im Anfang meiner Beobachtung hierauf auf¬ 
merksam gemacht, verdoppelte ich meine Vorsicht in Bezug 
auf den Entlassungstermin der Kranken, auch wo sie 
scheinbar ganz genesen waren. 12 ) Es stellte sich heraus, 
dass man selbst 14 Tage nach Abfall des Fiebers noch 
dessen nicht sicher sein kann, dass nicht ein neuer Schub 
des Fiebers auftrete. 

Ob aber solch eine neue Temperaturerhöhung nicht die 
Bedeutung eines neuen Schubes des Darmprocesses habe, 
das lässt sich nie vorausbestimmen. 

So ein Fieberrecidiv erscheint und schwindet, nachdem 
es bald einige Stunden, bald einige Tage bestanden, ohne 
dass irgend ein Anhaltspunkt, auch nur eine Vermuthung 
über Entstehung und Ursache gewonnen würde. In man¬ 
chen Fällen steht es im Zusammenhang mit den später 
zu erwähnenden Vorgängen an der Milz. 

Endlich aber ist es entweder die Einleitung oder be¬ 
reits ein Symptom einer Erneuerung des Processes am 
Darm. In diesem Falle findet man gleich mit Beginn der 
Fiebererhöhung oder gleich nach derselben das Auftreten 
von Meteorismus oder flüssige Ausleerungen, wo dieselben 
entweder längst normal geworden oder gar während des 
ganzen Verlaufs normale gewesen; unvergleichlich selte¬ 
ner beobachtet man Verlust oder auch nur Verminderung 
des Appetites. Sonstige Störungen im Allgemeinbefinden, 
wie auch Kräfteverlust, treten selten gleichzeitig mit der 
Temperaturerhöhung ein, sondern folgen erst bei längerer 
Dauer derselben. 

In der bei Weitem grössten Mehrzahl aller Fälle bleibt 
die Temperaturerhöhung ohne Folgen. Es gab einen Fall 
von Recidiv, wie angeführt, mit tüdtlichem Ausgang; bei 
einigen Kranken, 5 bis (>, kam es zu Erscheinungen, die 
deutlich auf einen weiteren Schub des Darmprocesses bin- 
wieseu, aber in wenigen Tagen mit Genesung endigten. 
Wenn man hiermit die unzähligen Fälle von Temperatur¬ 
sprüngen vergleicht, bei denen es sein Bewenden batte 
und die meist sogar nicht bemerkt worden wären, wenn 
nicht an den Convalescenten die Messungen fortgesetzt 
würden, so hätte es den Anschein, als brauchte man den- 


**) Wie solches der Sectionsbefund bestätigt. 

• 2 ) Unsere «Abtheilnng für Genesende» erleichterte mir we¬ 
sentlich diese Sache. Auch hierbei zeigt es sich, um wieviel 
eine demonstratio ad oculos wirkungsvoller ist als Auseinan¬ 
dersetzungen und Ermahnungen: jeder Convalescent hatte 
mehr als einmal Gelegenheit zu sehen, wie «Genesene» aus die^' 
ser Abtheilung wieder zurficktrftnspörtirt werden mussten. 


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29 


selben keine grosse Bedeutung beizulegen. Das ist keines¬ 
wegs der Fall, denn es muss in Betracht gezogen wer¬ 
den, dass in jedem einzelnen Fall, sobald eine ungehörige 
Temperatursteigerung bemerkt wurde, sofort alle Vor¬ 
sichtsmaassregeln ergriffen wurden: es erfolgte eine Herab¬ 
setzung der Diät, es wurde Bettruhe verordnet etc. 
Trotz dieser Vorsicht und des langen Verweilens der 
Convalescenten im Krankenhause ist es doch vorgekommen, 
dass Entlassene wegen leichter Recidiverscheinungen das¬ 
selbe wieder aufgesucht haben. Ein Grund mehr zu gröss¬ 
ter Vorsicht. 

4. Die Darmerscheinungen. 

Die Erscheinungen von Seiten des Darms sind auch in 
sehr weiten Grenzen schwankende. Sie sind es, die dem 
ganzen Bilde das Gepräge und den Ausschlag geben. 

ln der Minderzahl der Fälle, in denjenigen, die ich in 
ihrem ganzen Verlauf als von dem Früheren nicht ab¬ 
weichende bezeichnet habe, zeigen sich auch in Bezug auf 
die Darmerscheinungen keine Abweichungen von dem Her¬ 
gebrachten, bei den übrigen aber die grössten Verschie¬ 
denheiten. 

Häufiger als früher sind die Falle, wo gar kein Durch¬ 
fall besteht, der Stuhlgang sogar retardirt ist. Zuweilen 
weicht derselbe nur in Geruch und Färbung von dem 
normalen ab (ausserordentlich dunkel bis schwärzlich); 
oder es erfolgt dazwischen einmal eine flüssige, charakte¬ 
ristisch «typhöse» Ausleerung. In der Mehrzahl erfolgen 
solche, auch wo Durchfall besteht, nicht häufig, zwei bis 
vier Mal in 24 Stunden und sind nicht reichlich, 150 bis 
250 oder 300 Ccm. pro die. 13 ) 

Von diesen zu den schwersten Fällen sieht man kaum 
einen Uebergang; in letzteren werden die Ausleerungen 
sowohl häufig (bis 20 und mehr in 24 Stunden), als auch 
copiös (bis 4000 Ccm. in 24 St., ungerechnet das Ver¬ 
lorene). Der Stuhlgang erfolgt dann oft im Bett, nicht 
weil der Kranke etwa empfindungslos ist, sondern weil 
bei dem plötzlichen Andrang zuweilen die Hilfe nicht 
rechtzeitig kommt. 

Doch das Entscheidende liegt nicht in dieser Erschei¬ 
nung. Ein oft sehr heftiger Durchfall, wie z. B. nicht 
selten bei dem stürmischen Anfänge der Krankheit, mindert 
oder verliert sich in kurzer Zeit. 

Das prognostisch Wichtigste liegt in der Frage nach 
dem Vorhandensein und dem Grade des Meteorismus. 

Er fehlt oder ist sehr gering in allen rasch und gün¬ 
stig verlaufenden Fällen. 

Hochgradigster Meteorismus, anhaltend, macht die Prog¬ 
nose stets bedenklich, meist zu der allerungünstigsten. 
Er bedeutet einen sehr ausgebreiteten, namentlich 
auch tiefgreifenden Darmprocess. Der Durchfall hat diese 
Bedeutung nicht; er dient nur als Ausdruck des beglei¬ 
tenden Katarrhs, der nicht im Verhältniss zu der Schwere 
der Darmläsion zu stehen braucht. 

Bei allen Verstorbenen und denen, die sich in Lebens¬ 
gefahr befanden, war hochgradigster Meteorismus, der 
nicht weichen wollte, das constante Symptom. 

Etwaige Verschlimmerungen im Laufe der Krankheit 
werden von einer Steigerung desselben eingeleitet oder 
begleitet; umgekehrt eine eintretende Besserung. 

Prognostisch ist diese Auftreibung des Leibes soweit 1 
verwerthbar, dass bei höchsten Temperaturen und sonst 
bedenklichen Erscheinungen das Nichtvorhandensein dieses 
Symptoms jede Befürchtung fast mit Sicherheit ausschlies- 
sen lässt. Die Schmerzhaftigkeit im Leibe ist im Allge¬ 
meinen eine bedeutend geringere, als früher beobachtet 
wurde. Ich erinnere nur an das «schmerzverzerrte Ge¬ 
sicht» sogar Besinnungsloser, während jetzt spontane 
Schmerzensäusserungen selten und in nicht hohem Grade 
Vorkommen, selbst in schweren Fälleu und bei klarer Be- 

n ) Dfe Quantität wurde fortlaufend in. graduirten Gefftssen 
gemessen. 


siniiung; es ist dies um so auffallender, da, wie der Lei¬ 
chenbefund lehrt, die Zerstörungen im Darm sehr weit¬ 
greifende sind. 14 ) Eine gewisse Schmerzhaftigkeit, mint 
destens Empfindlichkeit auf Druck, fehlt fast nie; sie is- 
fast ausnahmslos auf eine ziemlich genau begrenzte Stelle 
beschränkt, auf der rechten Seite des Leibes, in der Mitte 
einer von der Spin. il. anter. zum Nabel gezogenen Linie. 

Blutungen kommen entschieden häufiger vor als frü¬ 
her. Selbst in scheinbar normalen, nur dunkler gefärbten 
Stühlen, in denen makroskopisch keine Beimengung von 
Blut bemerkbar ist, finden sich unter dem Mikroskop 
meist veränderte Blutscheiben. 

ln zalilreichen Fällen findet sich Beimengung von rei¬ 
nem Blut, angefangen von vereinzelten Tröpfchen, und 
zwar bei consistenteren Ausleerungen. Endlich in schwe¬ 
ren und verzweifelten Fällen kommt es zu erheblichen 
Blutbeimengungen zu flüssigen Ausleerungen oder zur 
Entleerung von Blut per se theils in flüssigem, theils in 
frischgeronnenem Zustande ibis ‘/- Pf- und darüber). 

Was die Frage von der Häufigkeit der Blutungen be¬ 
trifft, so kann ich über die zuerst erwähnten keine Zah¬ 
lenangaben machen, da mikroskopische Untersuchung aller 
oder auch nur der meisten Ausleerungen zu den Unmög¬ 
lichkeiten gehört. Die zweiterwähnte Erscheinung, deut¬ 
liche Quantitäten von reinem Blut, habe ich an 11 Kran¬ 
ken 30 Mal notirt. 

Gefahr bringende Blutungen kamen bei 4 Kranken vor. ,: ‘) 

5. Von sonstigen Begleiterscheinungen sind erwüh- 
nenswerth: 

Die Hauteruptionen. Alle waren ganz unabhängig von 
der Schwere des Falles. Sie zeigten ein periodisches Auf¬ 
treten, d. h. erschienen nicht vereinzelt, sondern meist 
bei mehreren Kranken auf einmal, waren an gewisse Zeiten 
gebunden. Wie 1890 so auch im laufenden Jahr waren 
sie meist in den Sommermonaten häufig. 

Die den Darmtyphus gewöhnlich begleitende Roseola 10 ) 
fehlte zuerst ganz. Bei Vorhandensein zeigte sie bald keine 
Abweichungen von dem Gewohnten, bald aber solche in der 
Localisation, der Zeit des Auftretens und der Verbreitung. 
Statt der gewöhnlich undeutlich schmutzig-rosa Färbung 
hatten die Flecken eine lebhaftere helle Färbung, traten 
nicht selten in der zweiten Hälfte, gar gegen Ende der 
Krankheit auf, erschienen zuerst in der Lenden- oder 
Kreuzbeingegend und hatten oft einen grossen Verbrei¬ 
tungsbezirk. In den Fällen, wo sich eine lebhafte Roseola 
über Rumpf, Extremitäten und Gesicht verbreitete, lag die 
Annahme einer «Mischform» des Typhus (Darm- und 
exanthem. Typhus) nahe. Dagegen aber spricht die Zeit 
des Auftretens, nämlich bei Nachlass der Krankheitser¬ 
scheinungen, ausserdem, dass die Fälle mit ausgebreitetem 
Exanthem meist zu den leichteren gehörten. Die Zeitdauer 
des Ausbruches und Schwindens des Exanthems war eine 
sehr verschiedene; ersterer erfolgte, wo die Kranken das- 
scdbe nicht bereits mitgebracht hatten, bald so langsam, 
dass es mehrere Tage dauerte ehe die Roseolaflecken in 
beträchtlicher Anzahl deutlich zu Tage traten; in ande¬ 
ren Fällen waren in zweimal 24 Stunden grösste Haut¬ 
bezirke von demselben eingenommen. Im Allgemeinen liess 
sich constatiren, dass rasch deutlich gewordenes und rasch 
verbreitetes Exanthem viel schneller zum Schwinden kam, 
als die wenigen an begrenzten Bezirken der Bauch- und 
Brustgegend langsam entstandenen Flecken. 17 ) 

14 ) Noch auffallender wird diese Beobachtung im Vergleich 
mit den entsetzlichen Schmerzen und Qualen, welche bei einem 
anatomisch-patholog. so ähnlichen Procesa, dem ulcerösen Darm¬ 
process bei Malaria, nie fehlen. 

15 ) Im laufenden Jahr 5 Mal. 

ll! ) Vergl. in Bezug hierauf «Fiedler» 1. c. 

,: ) Auch dieses gilt nicht ohne Ausnahme. Eben, November 
1891. ist im Hosp. ein Fall von mittelschwerem Typhus, bei 
welchem das Exanthem am 4. Tage nach der Aufnahme, etwa 
am 14. der Krankheit erschien, sich in kürzester Zeit über 


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30 


Sehr oft wurde, auch periodisch sich häufend, eine Uber 
den ganzen Körper verbreitete, zuerst an Hals und Brust 
auftretende Miliaria beobachtet, und zwar gegen Ende 
der Krankheit. Die Bläschen standen ausserordentlich dicht 
und waren so fein, dass sie eher durch das Gefühl, als 
durch das Gesicht zu unterscheiden waren. 

Mehrmals trat Urticaria auf, bald in einmaligem Aus¬ 
bruch, bald in wiederholten Schüben. Ein Einfluss auf 
Temperatur und Allgemeinbefinden war nicht zu bemer¬ 
ken; das sonst hierbei so lästige Jucken war nicht vor¬ 
handen oder so gering, dass darüber nicht geklagt wurde; 
es wurde nur auf Befragen zugegeben. 

Sowohl die weitverbreitete Roseola, als auch die letz¬ 
teren Ausschläge kamen bei Schwerkranken nicht vor. 

Bemerkenswerth ist ferner das Verhalten der Milz. 
Im Beginn und Verlauf der Krankheit war dieselbe eben¬ 
so oft nachweisbar vergrüssert als auch nicht. Während 
der Periode des Nachlassens der Krankheitserscheinungen 
und der Genesung kam es oft zu ebenso plötzlichen als 
äolossalen Milzschwellungen. Diese erfolgen m verschie¬ 
dener Weise. In einigen Fällen ist es eine einmalige An¬ 
schwellung, die in wenigen Tagen nicht mehr nachzuwei 
sen ist; in anderen wiederholt sich der Vorgang zwei bis 
dreimal; meist dauert An- und Abschwellung zusammen 
nur einige Tage. In seltenen Fällen ist die Anschwellung eine 
andauernde. Einmal liess sie sichunverändert durch 8 Wochen 
constatiren, ehe es zu einer Abschwellung kam. Der Pro- 
cess entsteht und verläuft bald vom Kranken gar nicht 
empfunden, bald unter geringem erträglichem Schmerz 
(Stechen, oft nur bei Druck oder Bewegung), zuweilen 
aber auch unter unerträglichen stechenden und bohrenden 
Schmerzen, die dem Kranken keine Ruhe gönnen und 
ihn zu verzweifeltem Gebahren bringen. Immer erfolgt 
erhebliche Temperatursteigerung, bald der Milzschwellung 
vorhergeltend, bald ihr folgend, auch wieder subjectiv 
zuweilen gar nicht empfunden. Bei längerer Dauer ist 
das Ausbleiben einer Störung des Allgemeinbefindens um 
so auffälliger, da das anhaltende sehr hohe Fieber einen 
bereits durch vorhergehende längere Krankheit Geschwäch¬ 
ten betrifft In einem Fall von 8 wöchentlicher Dauer 
dieses Nachfiebers mit Milzschwellung war Frösteln, bis 
zu anhaltendem Frieren, das einzige subjective Symptom, 
bei ausgezeichnetem Appetit und sehr geringer Abnahme 
der Kräfte. Dagegen bringen die mit den heftigen Schmer¬ 
zen vergesellschafteten Schwellungen auch bei kurzer 
Dauer den Kranken sehr herunter. 

Kein einziges Mal hatte dieser Vorgang, selbst nicht 
bei Kranken, die aus Malariagegenden stammten und frü¬ 
her an Wechselfieber gelitten hatten, einen ätiologischen 
Zusammenhang mit dieser Krankheit. 18 ) 

Die Verzögerung der Convalescenz war eine recht er¬ 
hebliche. 

6. Ausgänge. 

Bei einer allgemeinen Uebersicht der Krankheit ge¬ 
winnt man den Eindruck, dass dieselbe in der Gegenwart 
eine gegen früher viel mildere Form angenommen habe. 
So richtig das ist—in den Ausgängen kommt es nicht zum 
Ausdruck 

Zunächst betreffs der Convalescenz. Dieses langsame 
Wiedererwachen aus traumhaftem Zustand, dieses Auf¬ 
dämmern des verlorenen Bewusstseins, diese schleppende 
Restitution verlorener Körper- und Geisteskräfte, wie sol- 


Brust, Bauch, Hals, Gesicht, Böcken und obere Extremitäten 
verbreitete und nach 14 tägigem Bestehen noch im Gesicht 
deutlich zu unterscheiden ist. 

18 ) Kein Zweifel, dass man diese Zufälle, ohne entsprechende 
Untersuchung des Blutes, früher als Intermittens aufgefasst 
hätte: wenn z. B. ein seit vielen Tagen nicht mehr Fiebernder 
ganz plötzlich unter Schüttelfrost und excessiver Tempera¬ 
tursteigerung eine colossale Milzschwellung bietet, mit nach¬ 
folgendem raschem Fieberabfall, Schweissansbrucii und Ab¬ 
schwellung der Milz. 


ches früher die Regel bildete, gehört jetzt zu den Aus¬ 
nahmen Namentlich zeigt sich während der Genesung, 
wie selten und wie wenig das Gehirn in Mitleidenschaft 
gezogen war. Selbst in Fällen längerer Fieberdauer, wo 
zeitweilig das Bewusstsein getrübt war und im Schlaf 
delirirt wurde, zeigt sich gleich im Beginn der Genesung' 
lebhafte Theilnahme für das Umgebende, reges Interesse 
für das Eigene, oft noch ehe der Fieberabfall vollendet. 
Desgleichen erwacht schon sehr früh der Wunsch aufzu- 
stehon, nach Lectüre etc. Diesem entsprechend bessern sich 
auch die Körperkräfte rasch. 

Aber Alles, oder fast Alles, was hierdurch an Kraft 
und Zeit für den Kranken gewonnen wird, geht verloren 
durch eintretende, mindestens anrückende Recidive. Die 
unmittelbare Convalescenz ist eine viel leichtere als frü¬ 
her, die völlige Genesung in Summa doch keine abge¬ 
kürzte. 

Aehnlich steht es auch in Bezug auf die Sterblichkeit. 
Der Procentsatz der Gestorbenen ist kein wesentlich ge¬ 
ringerer, als er früher, wenigstens im letzten Jahrzehnt, 
unter günstigen Hospitalverhältnissen zu sein pflegte, 1 a ) bei 
mir gegen 11 °/o Es liegt das daran, was ich schon mit 
den Worten andeutete: «es habe sich die Gruppe der 
schweren Fälle verdichtet», d. h. in den Fällen, .wo 
einmal der Darmprocess ein sehr ausgebreiteter, da gehen 
die Kranken auch unrettbar verloren. 

7. Sectionsbefund. 

Bei den zwei Gestorbenen, die das gewohnte Bild eines 
schweren Typhus dargeboten hatten, fand sich auch in 
den Leichen der dem Gewöhnlichen entsprechende Befund. 

Das Sectionsergebniss für die neun Uebrigen war, ab¬ 
gesehen von den erwähnten Complicationen, in Kürze 
zusammengefasst, folgendes: 

Als letzte Todesursache Allen gemeinschaftlich: Ueber- 
füllung im kleinen Kreislauf, Anschoppung in den Lungen, 
Ausdehnung der Herzhöhlen, die mit entfärbten Gerinn¬ 
seln vollgestopft waren. Bei keinem fanden sich Entar¬ 
tungen, wiö sie schweren Infectionskrankhelten eigen und 
auch bei den zwei Ersterwähnten nicht fehlten, z. B. De¬ 
generation des Herzmuskels. Keines der sonstigen Orga¬ 
ne erwies sich als in Mitleidenschaft gezogen. 

Während nun gewöhnlich das Hauptergebnis der Sec- 
tion bei Darmtyphus, wie auch in den angeführten zwei 
Fällen unter meinen Verstorbenen, dahin lautet: Locali- 
sation des Processes im Dünndarm mit ausnahmsweiser 
und geringer Betheiligung des Dickdarms, ergiebt sich bei 
den neun Anderen betreffs des Darmprocesses folgender 
Eefund. 

Schleimhaut des Magens und Duodenums meist ganz 
unbetheiligt. Weiter abwärts bemerkt man absatzweise 
Bezirke lebhafter Injectionsröthe, die von den folgenden 
durch Abschnitte unveränderter Schleimhaut von etwa 10 
bis 15 Cm. Länge getrennt sind. Röthung und Schwellung 
wird allmälig immer deutlicher, je näher zum Dickdarm. 
Im ganzen Dünndarm fanden sich einmal zwei, als Maxi¬ 
mum zehn Peyersche Drüsengruppen im Zustande der 
Infiltration, 20 ) die wenigsten derselben verschwürt, so. dass 
in einigen Fällen eine Ulceration ganz fehlte. 

Im Coecum ändert sich mit einem Schlage das Bild; 
Der Blinddarm erscheint ausgedehnt; die Schleimhaut ist 
nicht blos injicirt, sondern stark geschwellt, aufgelockert 
und durchtränkt. Selbst in den Fällen, wo in dem Dünn¬ 
darm nur geringe Injection, keine Ulceration bemerklich, 
finden sich hier ausgedehnte Zerstörungen der Schleim- 


19 _) d. h. 10 bis 15 von Hundert. «Ein Viertel an Gestorbe¬ 
nen, wie es noch Niemeyer anführt, dürfte wohl für die 
letzten Jahrzehnte nirgend mehr zutreffen. 

ao ) In einem Fall war an dem ausgebreiteten Darm ausser 
4inflltirten Plaques von oben gesehen bei sorgfältigster Betrach¬ 
tung nichts Abnormes bemerkbar; erst gegen das Licht ge¬ 
halten erschien die Zeichnung einiger Peyerscher Gruppen in 
lebhaftem Rosa, ohne jede Schwellung. 


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kaut. In den zwei Fällen, von denen in dem einen der 
Kranke einer Meningitis, im anderen einer complicirenden 
Gangrän erlag, war der Darmprocess überhaupt wenig aus¬ 
gebreitet. In den Uebrigen war der ganze Dickdarra un¬ 
unterbrochen der Sitz der Erkrankung. Die Entzündungs¬ 
erscheinungen nahmen meist nach abwärts hin etwas ab. 
Abschnitte ganz intacter Schleimhaut fanden sich nur 
ausnahmsweise. Es wechselten höchstergriffene Bezirke 
mit solchen, wo die Erscheinungen etwas geringer waren, 
so Schwellung und Auflockerung; die Färbung von leb¬ 
haftestem Roth, auch bezirksweise, bis schwarzviolet. Des¬ 
gleichen in Abschnitten zeigen sich Unterschiede in Be¬ 
zug auf die ergriffenen Drüsen. Dicht gesäet im Verlauf 
des ganzen Dickdarms, meist bis hart an den Anus, 
erscheinen die infiltrirten, geschwellten solitären Follikel, 
manche erst sichtbar bei durchscheinendem Licht, viele 
von Hirsekorngrösse, die meisten vom Umfang einer Lin¬ 
se; vereinzelte infiltrirt aber bis dreifach so gross und 
mehr! Der Geschwürsprocess findet sich in allen Stadien, 
die Unterschiede hierin seltener an benachbarten einzel¬ 
nen Infiltrationen, als gruppenweise. Es wechseln solche, 
an denen eben im geringsten Umfange eine Abstossung 
der Mucosa mit Muhe zu entdecken ist, mit anderen, in 
denen die Zerstörungen bis auf die Serosa gegangen und 
selbst diese ergriffen erscheint. Während die Geschwüre 
meist rundlich, obgleich theils mit unregelmässigen Rän¬ 
dern und von Linsengrösse sind, finden sich immer im 
Coecam und seiner nächsten Nachbarschaft abwärts, aber 
auch weiter hin Stellen, an denen, meist entsprechend 
hochgradigster Entzündung, confluirende Geschwüre von 
unregelmässiger Form und bis drei Cm. im Durchmesser 
auftreten. Es sind nicht die grössten, sondern einige der 
mittelgrossen Geschwüre, an denen die Serosa den Eindruck 
macht, als müsste sie gleich der Perforation unterliegen. 

Für den Fall, dass solche Kranke am Leben blieben, 
lässt sich der Zweifel nicht unterdrücken, ob sich an ih¬ 
nen das alte Gesetz «Typhusgeschwüre heilen ohne Hin¬ 
terlassung von Narben» bewahrheiten würde. Beschränkt 
sich doch zuweilen sowohl Infiltration als Geschwürsbil-* 
düng nicht auf die Follikel, sondern greift auf benach¬ 
bartes und zwischenliegendes Gewebe über. 

Es macht den Eindruck, als ob der Process im Dick¬ 
darm um so intensiver auftritt. je weniger der Dünndarm 
ergriffen ist. In dem Fall, wo in letzterem nur zwei Pey- 
ersche Gruppen betheiligt und gleichzeitig die katarrha¬ 
lischen Erscheinungen geringfügige waren, liess sich in 
Bezug auf die Anzahl der ergriffenen Follikel keine 
Abnahme nach abwärts constatiren; im Gegentheil, das 
Rectum bis dicht an den Anus war noch dichter besetzt, 
als weiter oben, nur waren begleitender Katarrh und Ge¬ 
schwürsbildung geringer. Diese katarrhalischen Erschei¬ 
nungen schwankten graduell in viel weiteren Grenzen, als 
die Geschwürsbildung. Sie fehlten fast gänzlich in den 
Fällen, wo der Tod nicht directe Folge des Typhus war. 
Sie standen in geradem Verhältnis zu der Heftigkeit des 
intra vitam bemerkten Durchfalls. Hochgradigste Schwel¬ 
lung und Durchtränkung der Schleimhaut entspricht durch¬ 
aus nicht immer den Abschnitten, wo Geschwüre oder 
Infiltrationen am dichtesten sitzen; letztere finden sich zu¬ 
weilen dort angehäuft, wo in der Umgebung keine Ver¬ 
änderungen an der Schleimhaut zu bemerken sind. 

Ausbreitung und Tiefe der Geschwüre befanden sich in 
genauer Proportion zu dem Grade des am Lebeuden be¬ 
obachteten Meteorismus. 

Erlauben Sie mir nun, m. H., dass ich das von mir j 
Beobachtete resumire. 

Neues habe ich Ihnen mit meinen Beobachtungen nicht j 
gebracht, kaum etwas, was Ihnen nicht bereits aus ver- ; 
breiteten Lehrbüchern bekannt wäre. 

Die Abweichungen, deren ich erwähne, sind alle bereits 
früher beobachtet. 1 

Es ist beobachtet, dass das Prodromalstadium zuwei- i 


len ein abgekürztes ist. Es War Ihnen nichts Neues, zu 
erfahren, dass der Temperaturverluuf sich zuweilen nicht 
andie Wunderlich’sche Curve hält. Sie wissen von Ty¬ 
phusfällen, bei denen Allgemeinbefinden, und Sensorium so 
wenig ergriffen werden, dass die Krankheit ambulant 
abgemacht wird. In jedem Lehrbuch ist- erwähnt, dass 
der Dickdarm sich zuweilen auch an dem Typhusprocess 
betheiligt («Colotyphus»). 

Die neue Erscheinung in dem von mir Beschriebenen be- 
stehtdarin, dass früher zuweilen, selten, als Ausnahme 
Bemerktes jetzt nicht selten sondern oft, sogar sehr oft 
eintritt. Ja, in Bezug auf die Leichenerscheinungen scheint 
früher selten Gefundenes jetzt die Regel werden zu wollen. 

Ueber die Bedeutung, welche/ die constatirten Verän¬ 
derungen im Einzelfall für den Kranken haben, giebt 
Ihnen das Berichtete Aufschluss. 

Gestatten Sie mir noch einige Worte über die Bedeu¬ 
tung, welche dieselben, meiner Ansicht nach, für das 
Allgemeinwohl haben. 

Ein sprungweises Abweichen von dem vorgezeichneten 
Wege im Verlaufe einer Epidemie bemerken wir jedes¬ 
mal, wenn sich eine solche wesentlich verändert, vor ei¬ 
ner Verschlimmerung oder vor dem Erlöschen; im erste- 
ren Fall aber fehlen niemals ominöse Symptome, welche 
das schlimme Prognostikon stützen. Die Abwesenheit sol¬ 
cher lässt mich glauben, dass die Ihnen vorgeführten 
Abweichungen eine Abschwächung der Infection bedeuten. 

Sollte diese Voraussetzung zur Thatsache werden, so 
hätte sie auch für andere Orte ihre grosse Bedeutung. 

Ausbreitung und Unterhaltung des Darmtyphus ist, wie 
kaum bei einer anderen Krankheit, abhängig von den 
Bodenverhältnissen, resp. Verunreinigung oder Assaini- 
sirung. 

In früheren Zeiten geschah bei uns, wie noch gegen- * 
wärtig in manchen sehr intelligenten Städten, Alles, was 
der Endemie reichlichst Nahrung zuführen konnte und 
musste. Uneingeschränkt übte der intelligente Hausbe¬ 
sitzer das Recht des freien Bürgers aus, der Infection 
zum Schaden der Mitbürger und der Nachkommenschaft 
Nahrung zu liefern. Jetzt, seit etwa 2 Jahrzehnten, steht 
es anders. In zweifacher Richtung wird gegen eine Aus¬ 
breitung der Krankheit gewirkt. Erspriesslichste Maass¬ 
regeln gegen Anhäufung Arbeitsloser, gegen zusammen¬ 
gepferchtes Wohnen, strenge — und was noch mehr 
Werth hat — consequente Aufsicht über Haus und Hof 
verhindern weitere Verunreinigung des Bodens. Die un¬ 
gesäumte Placirung der Inficirten in Hospitäler, nament¬ 
lich aus den Kreisen, welche Hauptträger der Infection 
darstellen, bedeutet Verhinderung weiterer Zufuhr von 
Infectionsstoff in den Boden. 

8. Chloroformbehandlung. 

Aus dem Ihnen vorgeführten Bilde werden Sie ersehen, 
welche Schwierigkeiten die geschilderten Abweichungen 
der Beurtheilnng von Resultaten eines neu angewandten 
Mittels entgegenstellen. Besonders die Erfahrung, dass 
überraschend schnell und günstig ablaufende Fälle so oft 
in den ersten Tagen bedrohliche Erscheinungen schwerer 
Erkrankung bieten, erlaubt es nicht, rasch eintretende 
günstige Veränderungen einem angewandten Medicament 
zuzuschreiben. Hierzu kommt noch der Umstand, dass 
sich solche Fälle periodisch häufen. Während einer sol¬ 
chen Periode, im Sommer 1890, hatte ich, auf der Suche 
nach möglichst indifferenten, den Darm desinficirenden 
Mitteln, das Jodoform angewandt. Ich verwarf es, da fort¬ 
laufende Harnuntersuchungen reichliche Aufnahme des 
Mittels ins Blut nachwiesen. Aber die Thatsache, das9 
zahlreiche Kranke unter dieser Behandlung in bis dahin 
nicht beobachteter Schnelligkeit genasen, verbunden mit 
dem Umstande, dass die Ausleerungen völlig desodorirte 
wurden, während das Jodoform unverändert den Darm 
passirte, Hessen mich vorübergehend au einen Erfolg 


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glauben, bis weitere Parallelbeobachtung mich vom Irr¬ 
thum überzeugte. 

In dem Entschluss, eine Behandlung mit Chloroform 21 ) 
zu versuchen, bestärkte mich eine Mittheilung aus der 
Zeitschrift für Hygiene, Bd. IX, Heft 3, vom ‘27. Der. 
1890, in dem Artikel von Dr. Behling: lieber Desinfec- 
tion, Desinfectionsmittel und Desinfectionsmethoden: Ty¬ 
phusbacillen werden durch '/* pCt. Losung von Chloro¬ 
form in einer Stunde getödtet. Nach Salkowski werden 
Cholerabacillen in 1 pCt. Lösung keimfrei in einer Mi¬ 
nute, in 7* pCt. Lösung abgetödtet in einer Stunde. Diese 
eminent baktericide Wirkung des Chloroforms drängte 
dazu, den desinficirenden Einfluss desselben auf den 
Darmkanal zu prüfen. 

Es wurden dieser Behandlung in der Zeit vom No¬ 
vember 1890 bis jetzt 21 ) 56 Kranke unterworfen, mit 
einer Unterbrechung für die Monate Juni und Juli d. J. 
wo die Behandlung durch eine andere ersetzt wurde 23 ). 

Es wurde stets eine 1 pCt. Lösung 21 ) angewandt; von 
dieser wurden ein bis zwei Esslöffel 1- bis 2 stündlich 
verabfolgt und zwar Tags und Nachts auf d*r Höhe der 
Krankheit. Bei Nachlass der Krankheitserscheinungen 
wurde nur zu einem Esslöffel gegeben, später noch die- 
gelbe Gabe 2- und 3 stündlich und so weiter in verrin- 
serter Dosis, bis nach völligem Abfiebern der Kranke 
nur noch einige Löffel Tags über erhielt. 

Ausser diesem wurde ausnahmsweise noch von folgen¬ 
den Medicamenten Gebrauch gemacht: Zwei Kranke be¬ 
kamen wegen gefahrbringender Darmblutungen Ergotin 
subcutan und zu wiederholten Malen wurde Chinin bei 
recidivirendem Fieber gegeben, wo es mit Milzschwellung 
gepaart war; es wirkte auffällig günstig, nachdem es sich 
erst herausgestellt hatte, dass grosse Dosen, 15 bis 30 
'Gran in Lösung, anzuwenden waren 25 ). 

Irgend welche üble Zufälle beim Einnehmen you Chlo¬ 
roform wurden nicht beobachtet. Sehr selten kam es, 
gleich nach dem Einnehmen, zu Erbrechen, das sich aber 
bei energischer Weitergabe nicht wiederholte. Etwaige 
Proteste wegen des üblen Geschmacks wurden sofort 
unter Hinweis auf die Nachbarn beseitigt, ln 4 Fällen 
wurde Ikterus beobachtet, dreimal ganz leicht, einmal in 
so deutlichem Grade, dass ich das Mittel aussetzte. Alle 
vier Fälle betrafen sehr junge Individuen, drei von ihnen 
waren Knaben. Leberschwellung oder Empfindlichkeit 
dieses Organs liess sich bei keinem nachweisen *"). 

Der Gang der Krankheit, unter der neuen Behandlung, 
gestaltete sich folgendermaassen: 

Von allen mit Chloroform Behandelten ist keiner ge¬ 
storben 21 ). 


21 ) Gleichzeitig hatte ich in der med. Tagespresse die Notiz 
gefunden, dass ein deutscher Arzt, das Chloroform bei Typhus 
angewandt und den Erfolg gerühmt hatte. Ich erinnere mich 
leider weder der Zeitschrift noch des Namens des Arztes. 

n ) September 1891. 

23 ) Seit meiner Mittheilung auf dem Aerztetage in Walk 
habe ich die Behandlung an weiteren 70 Kranken fortgesetzt 
und habe Veranlassung, mich mit grösserer Entschiedenheit 
als damals über den Nutzen des Mittels auszusprechen. 

u ) Genau genommen 3 /* pCt., da mehr vom Wasser nicht in 
der Lösung behalten wird. 

**) Dieses Medicament kam also nur bei Genesenden zur An¬ 
wendung. 

36 ) Bei später mit Chloroform behandelten sechs Knaben un¬ 
ter 15 Jahren hat sich trotz längeren Gebrauchs des Mittels 
diese Complication nicht eingestellt. 

”)Ftir aieZeit der Chloroformbehandlung habe ich zwar auch 
Todesfälle zu verzeichnen und zwar vier. Sie betrafen aber 
Individuen, bei denen das Chloroform nicht angewendet wurde, 
weil bei ihnen überhaupt von keiner Behandlung des Typhus 
die Rede sein konnte. 

F. 1. Moribundus, 4. Krankheitswoche. Anwendung von Ex- 
citantien innerlich und äusserlich. Tod am 2. Tage des Hospi¬ 
talaufenthaltes. F. 2. Croupöse Pneumonie. 3. Krankheits¬ 
woche. Anamnese: hochgradiger Meleorismus. Allgemeinbild 
und Ausleerungen deuten gleichzeitig auf Typhus. Calomel- 


Bei der verhältnissmässig geringen Anzahl der Behän- 
delten und der relativ kurzen Beobachtungszeit darf man 
diesem Factum keine irgend entscheidende Bedeutnng 
beimessen, muss dasselbe aber immerhin nicht unter¬ 
schätzen, besonders da gewisse Anzeichen für den Ein¬ 
fluss des Mittels sprachen. Auf rasche Besserungen, selbst 
sehr zahlreiche, konnte kein Gewicht gelegt werden. Ich 
messe also nur den Erscheinungen Bedeutung zu, welche 
nach Anwendung des Chloroforms ohne Ausnahme sich 
an allen Kranken constatiren liessen. Die Zunge wurde 
in schweren Fällen wohl auch trocken, sogar rissig, es 
bildete sich aber kein Mal mehr der schwärzliche übel¬ 
riechende Belag in der Mundhöhle; es wurde zwar die 
Zunge in solchen Fällen mehrmals täglich mit einer Salz- 
säurc-Pepsin-Glycerinlösung bepinselt, solches geschah aber 
auch früher nebst Säuberung der ganzen Mundhöhle ohne 
eine Zersetzung in derselben verhindern zu können. Der 
sonst immense Durst liess stets in ein bis zwei Tagen 
nach. Bestehender heftigster Durchfall nahm regelmässig 
von Tag zu Tage ab. Besonderes Gewicht aber lege ich 
auf den Umstand, dass hochgradigster Meteorismus jedes¬ 
mal schwindet, oder, wo er nicht vorhanden war, sich 
nicht entwickelt. Das Schwinden erfolgt stets ganz all- 
mälig, so dass sich die Abnahme meist nur nach Ab¬ 
lauf von 24 Stunden constatiren lässt. Die Ausleerungen 
werden alsbald nicht mehr von den polternden Entwei¬ 
chungen von Gasen begleitet, wie vorher. Ich messe dem 
Angeführten umsomehr Bedeutung zu, als diese Anzeichen 
der Besserung fehlten oder mindestens nicht so regel¬ 
mässig zu der Zeit bemerkt wurden, als das Chloroform 
ausgesetzt worden war. 

In dieser Zeitperiode kamen, wie auch früher, wieder 
Fälle zur Beobachtng, die im Beginn der Erkrankung 
eingetreten, unter der Behandlung bei stetiger allmäliger 
Verschlechterung mit tödlichem Ausgang endeten. Einen 
solchen Verlauf, d. h. gradatim fortschreitende Verschlech¬ 
terung, habe ich unter Chloroformbehandlung nicht beob¬ 
achtet. Bei keinem Kranken, der mit klarem Bewusstsein 
$n die Behandlung trat, entwickelten sich die Erscheinun¬ 
gen von Seiten doß Grosshirns, die wir als typhöse zu 
bezeichnen gewohnt sind: wo dieselben bereits vorhan- 


behandlung. Section: Pneumon. er. lat., d. lob. infer. Coloty- 
phus geringeren Grades. F. 3. Bis dahin stets gesunder, kräf¬ 
tiger Schmied von 29 J. Ende der 3. Woche der Erkrankung, 
während welcher er nur zeitweilig bettlägerig gewesen, sich 
dazwischen aber zur Arbeit genöthigt hat; so noch zwei Tage 
vor Eintritt in’s Hospital. Der Appetit war gestört, doch hat 
der Pat. die ganze Zeit hindurch die gewohnte Kost fortge¬ 
setzt und zwar recht kräftige, grobe. Durchfall hat von An¬ 
fang an bestanden. Abwechselnd hat Pat. Frostschauer und 
Hitze verspürt. Mehrmals ist Schweissausbruch erfolgt. Der 
Schlaf war schlecht, vielfach durch Träume gestört. Den kur¬ 
zen Weg zum Krankenhause hat Pat. zu Fuss zurückgelegt. 
Das subjective Befinden ist wenig gestört. In den ersten 36 
Stunden bleibt die Diagnose zweifelhaft. Meteorismus recht 
hochgradig. Es erfolgen fünf flüssige Ausleerungen. Die Tem¬ 
peratur (8 Messungen) schwankt zwischen 39,2 und 37,0. Dann 
tritt plötzlich eine schroffe Wendung ein. Aus dem Schlaf er¬ 
wachend fühlt sich der Kranke «zum Sterben». Todesangst, 
kalter Schweiss. Verfallene Gesichtszüge. Temperatur 40,4. 
Puls fadenförmig, kaum zu zählen, bis 140. Hochgradige Athem- 
noth. Excessive Auftreibung des Leibes. Hochstand der Leber. 
Leberdämpfung nachweisbar. Absolute Schmerzlosigkeit, 
sowohl bei Druck als Bewegungen. Der Kranke lässt sich nur 
mit Mühe zur Bettruhe bewegen, bittet wiederholt aufstehen 
zu dürfen und nimmt, gegen das Verbot, zweimal die sitzende 
Stellung, mit herabhängenden Füssen, ein. Ohne weitere Ver¬ 
änderungen Tod 18 Stunden später. Section: Colotyphus mit 
sehr geringer Betheiligung des Dünndarms (hier nur geringe 
Infiltration). Tiefgreifende Geschwüre besonders im Colon 
transvers. und descendens. Perforationsperitonitis.^ Gegen 2 
Pfd. klarer Flüssigkeit im Peritonealraum. Leichte Verklebung 
der hochgradigst aufgetriebenen Därme. Zwei Perforations¬ 
stellen am Col. transvers. F. 4. Anamnese nicht zu erniren. 
Tobsüchtiger, rasender Patient. Zwangshemd. Diagnose: Ty¬ 
phus. Speit fast alles ihm Eingeflösste aus. Tod am 3. Tage. 
Section: Ileo-Colotyphus. Vergrössertes, verfettetes Herz; 
Sklerose der Aortenklappen. 


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33T 


den waren, blieb es 2 bis 3 Mal 24 Stunden zweifelhaft, 
ob jene Symptome in Zunahme oder im Stillstand befind¬ 
lich; dann aber war im schlimmsten Fall ein solcher mit 
bald folgender Besserung zu constatiren. Dieser pflegte, 
wie bereits erwähnt, eine merkliche Besserung von Sei¬ 
ten der Darmerscheinungen stets vörauszugehen. Auffal¬ 
lend waren die Fälle, die sich durch die Erscheinungen 
im Beginn der Krankheit und durch das sehr lange anhal¬ 
tende und sehr hohe Fieber als schwere manifestirten 
und dabei ein völlig freies Sensorium behielten, bei we¬ 
nig gestörtem Befinden, so dass die beständigen Notizen 
lauten: einziges objectives Symptom das Fieber, subjec- 
tiv Schwäche und geringer Appetit; dieser zuweilen 
aber sogar rege. 

In den letzten zwei Monaten, November und Decem- 
ber. kamen in der Abtheilung in schroffem Gegensatz zu 
kürzlich Beobachtetem wieder nur Fälle vor, die 
durch die ganz typische, regelmässige Fiebercurve und Art 
des Beginnes mit dem früher Gewohnten völlig Uberein- 
stimmten. Auch bei diesen constatirte ich ausnahmslos 
Besserung oder Schwund des Meteorismus, der Diarrhoe 
und Fehlen der specifischen Erscheinungen einer Vergif¬ 
tung des Grosshirns.. Diesem aber entsprechend war das 
gute Functionsvermögen des Gehirns gleich im Beginn 
der Convalescenz. 

Bei den mit Chloroform Behandelten fehlten fast aus¬ 
schliesslich die Recidive und sonstigen Zufälle während 
der Convalescenz. Meine Erfahrungen über Anwendung 
des Chloroforms lauten, zusammengefasst, folgendermaas- 
sen: 

Das Chloroform ist durchaus nicht als ein Mittel auf¬ 
zufassen, das die causa morbi angreift; es ist kein Spe- 
cificum, wie etwa Chinin bei Malaria, wo es direct den 
Parasiten tödtet. Es ist ein symptomatisches Mittel, aber 
eins, das wie mir scheint die Hauptgefahr beim Typhus 
entweder vermeiden oder beseitigen lässt, wo es noch 
rechzeitig angewandt wird. Ich halte mich für fest 
überzeugt, dass es die Bildung der deletären Stoffe, der 
specifischen Zersetzu ngsproducte im Darm beseitigt oder 
wenigstens hindert. Damit wirkt es günstig einerseits auf 
den Darmprocess, andererseits — und dies in vielleicht 
noch entscheidenderer Weise — als Schutz des Central¬ 
nervensystems. 

Nach bisheriger Erfahrung verordne ich das Mittel 
mit Zuversicht auf völligen Erfolg, wenn ich dessen 
sicher bin, dass der Kranke den 10. Tag nach der Er¬ 
krankung noch nicht überschritten hat. Diese Zuversicht 
hat mich noch kein Mal getäuscht. 

Dagegen bei Kranken in der 3. Woche greife ich zu 
dem Mittel schon ohne besondere Hoffnung, mit um so 
geringerer, je mehr bereits der Status typhosus ausge¬ 
bildet ist. Dennoch gebe ich das Mittel nicht ganz ohne 
Hoffnung selbst in verzweifelten Fällen, wie der unter 
F. 4 mit Exitus letalis angeführte. Der Zustand, wie bei 
dem Erwähnten, ist noch kein absolut hoffnungsloser; 
er kann zum Theil bedingt sein durch ungünstige Ver¬ 
hältnisse vor der Aufnahme, während des Transportes 
und kann sich, wie es auch geschieht, bei der Anstalts¬ 
pflege bessern, so dass die erste unmittelbare Gefahr be¬ 
seitigt wäre; für diesen Fall möchte ich keine Zeit ver¬ 
loren haben, um auf den Darm, resp. Darminhalt günstig 
eingewirkt zu haben, 

Es ist kein Fall von Decubitus, ja nicht einmal von 
verdächtiger Hautröthung seit Anwendung des Chloro¬ 
forms vorgekommen, auch nicht bei einem Schwerkranken, 
der 48 Fiebertage im Krankenhause getobt (Gesichts¬ 
rose bei beginnender Convalescenz). 

Ich habe nur noch hinzuzufügen: 

Das, was ich heute (Ende December) Günstiges Uber 
Chloroformbehandlung ausspreche, geschieht, verglichen 
mit meinem Urtheil darüber auf dem livl. Aerztetage, 
mit um so grösserem Nachdruck, als sich in den seit¬ 


dem \crflossenen vier Monaten meine Erfahrungen um 
eine weitere beträchtliche Anzahl von Kranken bereichert 
haben. Sie erstrecken sich nun bereits auf 130 Kranke. 
Ich kann also nur den dringenden Wunsch hegen, dass 
diese Behandlung, die sich nach meiner Erfahrung durch¬ 
aus bewährt hat, in recht ausgiebiger Weise weiter ge¬ 
prüft werde. 


Referate. 

Prof. Strübing. Zur Therapie der Diphtherie. (Deutsch» 
medic. Wochsch. Nr. 48). 

Verf. weist zunächst auf dieThatsache hin, dass eine grosse 
Anzahl der unter dem klinischen Bilde der Diphtheritis ein¬ 
hergehenden Krankheitsprocesse ätiologisch als Pseudodiph¬ 
therie anfzufassen sind, aa der Löffler’sche Bacillus in solchen 
Fällen nicht nachznweisen ist. vielmehr finden sich andere 
Mikroorganismen, insbesondere Streptokokken. Beide Infec- 
tionen — die echte Diphtherie und die sog. PBeudodiphtherie 
unterscheiden sich sehr wesentlich in ihrem Verhalten thera¬ 
peutischen Maassnahraen gegenüber. Die Streptokokbendiph- 
therie ist es zum Theil gewesen, welche so vielen Mitteln 
unverdienten Ruhm verschafft hat. Wenn nun auch bakterio¬ 
logisch die echte Diphtherie in einem Falle festgestellt wor- 
den ist, so ist doch noch zur Beurtheilnng der Wirkung von' 
Arzneisubstanzen die weitere Forderung Löffler’s zu erfüllen— 
durch Impfung von Reinculturen beim Meerschweinchen auch 
die Virulenz der Bacillen im gegebenen Falle zu erweisen, 
denn zweifellos wird das klinische Bild durch die wechselnde 
Virulenz bestimmt. Des weiteren lenkt Verf. die Aufmerksam¬ 
keit auf die Arbeiten von Roux, Yersin, Kolisko und 
Paltauf, welche die von Löftier ausgesprochene Meinung be* 
stätigten, dass der Diphtheriebacillus ein Gift producirt, dessen 
Einwirkung der Organismus in der Folge unterworfen ist. 
Dieses Gift kann, beim Meerschweinchen in die Blutbahn ge¬ 
bracht, unter Umständen nach längerer Zeit, nach Wochen, 
ja nach Monaten unter Abmagerung und Lähmungserschei- 
nungen den Tod bedingen. Eine erfolgreiche Therapie müsste 
deshalb nicht nur die Lebensfähigkeit der Bacillen nnd ihre 
weitere Entwicklung hemmen, sondern auch die Wirkung des 
bereits eingedrungenen Giftes paralysiren. Ausserdem müsste 
eine erfolgreiche Behandlung die Invasion anderer Mikroorga¬ 
nismen hindern und, falls eine solche bereits stattgefunden, 
die Wirkung der letzteren aufheben. Diesen Forderungen 
vermag die Therapie bei ihrem heutigen Stande nicht zu ge¬ 
nügen, sie muss sich damit begnügen, die Entwicklung der 
Diphtheriebacillen durch energische locale Behandlung zn nem- 
men; aber auch diese kann nur erfolgreich sein, wenn der 
locale Krankheitsprocess im Entstehen begriffen ist; bei weit 
vorgeschrittener Krankheit sind die Chancen der localen The- 
rapie ebenfalls geringe: in Folge dieses Umstandes ist es von 
ausserordentlich grosser Wichtigkeit die Diagnose so früh, 
wie nur möglich zu stellen. 

Seine Patienten behandelte Strübing theils mit Carbol- 
säure-, theils mit Quecksilberpräparaten. 

1) Locale Application der von Löffler empfohlenen Mi¬ 
schung: Acidi carbolici 3,0—5,0 01- Terebinth. rectif. 40,0 Al- 
cohol. abs. 60,0 und Gurgelung mit: Acidi Carbolici 3,0 Al- 
cohol. 30,0 Aquae destillat 70.0. 

2) Locale Application von Snblimatlösung 1:1000 nebst Gur- 

gelung der Lösung von 1:10,000. Mit grossem Nutzen wandte 
Verfasser auch das Cyanquecksilber 0,01:100 stündlich einen 
Theelöffel an. Beim Gebrauch der Quecksilber- und Carbol- 
säurepräparate ist mit grösster Sorgfalt darauf zu achten, 
dass kein Verschlucken der Lösungen eintrete. Im Allgemei¬ 
nen Bcnien dem Verf. die Quecksilberbehandlung bei derTMph- 
therie am vortheilhaftesten. Bei der Scharlacndiphtherie er¬ 
wies sich dagegen die Carboisäuretherapie, als die erfolg¬ 
reichste.- Verf. empfiehlt sogar beim Scharlach die prophy¬ 
laktische Anwendung der Carbolsäure mittelst Pinselung oder 
Gurgelnng. A b e 1 m a n n. 

i Horsley. Apomorphin bei Convulsionen. (The American 
Journal of the Med. Sciences 1891—Centralbl. f. Nerven¬ 
heilkunde 1891 Novbr). 

I 

j Verf. fand zufälligerweise, dass Apomorphin Einfluss auf 

[ die Krämpfe habe, welche durch Stryclininvergiftung hervor¬ 
gerufen werden. Seit jener Zeit gebrauchte er Apomorphin 
gegen alle Convulsionen und wurde von dem Mittel in keinem 
Falle im Stiche gelassen. Gestützt auf seine Erfahrungen, 
welche, wie er selbst behauptet, begrenzt seien, spricht er dem 
Apomorphin die Wirkung zu. dass alle Krämpfe, welche nicht 
auf einer Gehirn- oder Rückenmarksläsion beruhen, durch die 
Anwendung desselben bekämpft werden können. Er hat das 
Mittel noch nicht angewandt bei Tetanus, Hydrophobie und 
Eklampsie, obgleich sein Gebrauch Symptome zum Schwinden 


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34 


brachte, welche ihn Eklampsie vermntlien Hessen. Die D<» «> | 
schwankte zwischen \so bis 7* Gran und wurde immer suh | 
cutan injicirt. .... 

BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Prof. Eduard Albert. Lehrbuch der Chirurgie und 
Operationslehiv. Vorlesungen f prakt. Aerzte und 
Studirende. 4. Auflage Wien und Leipzig. Urban und 
Schwarzenberg. II Band 1S90. Die chirurgischen 
Krankheiten der Wirbelsäule, der Brust, des Schul- 
texgürtels und der oberen Gliedmassen. III Band. 
I89i. Bauch, Mastdarm und Scrotalhühle. Mit zahl¬ 
reichen Holzschnitten. 

Die Fortsetzung der neu umgearbeiteten Auflage des bekann¬ 
ten und bewährten Lehrbuchs ist durchaus dazu angethan 
seinen Ruf mehr und mehr zu festigen und das Buch auf der 
Höhe der Zeit zu erhalten. Die Schilderung ist stets lebendig 
und anregend, wie in einer guten Bede; so wird der Leser 
gleichsam zum Zuhörer. Die bekannte Vorliebe des Verf. für 
Geschichte und zwar gerade alte Geschichte der Chirurgie 
erhöht entschieden das Interesse und zeigt dem angehenden, 
heutzutage alles Alte wenig achtenden Chirurgen, was schon 
vor Jahrhunderten geleistet worden ist. 1 lotz dieser Zugabe 
kann man sagen; das Buch hat keine «Längen» und ist also 
auch nirgend langweilig oder pedantisch. Einzelne Kapitel, 
wie z. B. die Diagnose der Brustdrüsengeschwülste, kann man 
nur mit dem Ausdrnck «glänzend» bezeichnen. Die Lehre 
von den Hernien nimmt allein 227 Sei.en ein — eine hübsche 
Monographie. Der Magen wird etwas stiefmütterlich mit 14 
Seiten abgethan, was bei einem Wiener Professor allerdings 
Wunder nehmen kann; allein wer Magenoperationen machen 
will, der darf sich in seinen Studien natürlich nicht mit einem 
Lehrbuch begnügen. Von Einzelheiten ist uns aufgefallen, 
dass der Verf. bei der Empyembehandlung die einzige noch 
mit der Radicaloperation concurrirende Methode, die perma¬ 
nente Aspirationsdrainage nach Biilau, die ja von Wölfler 
mit Vorliebe cultivirt worden ist, garnicht einmal erwähnt. - 
Die Holzschnitte sind sehr schön und in genügender Anzahl 
vorhanden; die Ausstattung des Buches überhaupt gut. Von 
Herzen wünschen wir ihm eine möglichst grosse Verbreitung. 

Selenkow. 

Oscar Liebreich und Alex. Langgaard. Compendium 
der Arzneiverordnung. Berlin 1891. 1 u. 2 Hälfte. 
Fischer’s medic. Buchhandlung. 

Unter Zugrundelegung der neuen deutschen Pharmakopoe 
und der neuesten fremden Pharmakopoen bringen die Verff. eine 
alphabetisch geordnete Beceptsammlung für die Formen, in 
welchen die Verordnung der einzelnen Arzneistoffe erfolgen 
kann. Für jede Substanz sind die Sj nonyma in fremden Spra¬ 
chen angeführt, dann die Abstammung oder das Vorkommen, 
die Darstellung der wirksamen Bestandteile, die chemische 
Zusammensetzung nnd Eigenschaften, die Vergiftungssymp¬ 
tome nebst Behandlung durch Antidote: ferner sind auch 
die Indicationen und Contraindicationen berücksichtigt. Das 
Compendium zeichnet sich durch die übersichtliche Druck- 
weise, durch die Ermöglichung einer bequemen und raschen 
Orientirung recht vorteilhaft ans und kann deshalb dem 
praktischen Arzt empfohlen werden. A b e 1 m a n n. 

Prof. M. J. Oertel. Handbuch der allgemeinen Therapie 
der Kreislaufsstdrnngen. Vierte,völligumgearbeiteteAuf- 
lage. Leipzig. Verlag von F. C. W. Vogel. 1891. Preis 9 Mk. 

Das berühmte, weit verbreitete Werk, welches den vierten 
Band von «Ziemssen’s Handbuch der allgemeinen Therapie» 
bildet, liegt uns in der 4. wesentlich umgearbeiteten Auflage 
vor. Der Inhalt des Buches setzt sich zusammen aus der Symp¬ 
tomatologie und dem Verlauf der Kreislaufstörungen und den 
Grundsätzen der allgemeinen Therapie derselben. Ihnen folgen: 
eingehende Erörterungen der therapeutischen Methoden (Ein¬ 
wirkung auf die Wasseransammlung im Blute und in den Ge¬ 
weben, Ernährung, mechanische Einwirkung anf das Herz, 
Bäder), die Indicationen und Contraindicationen des Oertel’schen 
Heilverfahrens, die praktische Durchführung desselben. Die 
neueren Ergebnisse der Forschung werden vom Verf. beson¬ 
ders berücksichtigt, so die Untersuchung des Blutes auf seine 
Dichtigkeit bei den verschiedenen Circulationskrankheiten, die 
Wärmeregulirung, die jüngst publicirten Arbeiten von Fried¬ 
rich nnd Stricker über dio Zählung der Blutkörperchen und 
deren Bedeutung für Diagnose und Therapie. Das Sclilussca- 
pitel nmfasst die praktische Verwerthung des Oertel’scben 
Heilverfahrens, die Vorschriften für Anlegung der Terrain- 
Cnrorte, für die Ausführung der Geh- und Steigbewegungen i 
anf den Curwegen, sowie die gymnastische und baineologische 
Behandlung. PaB Werk verdient im vollsten Maasse die unge¬ 
teilte Anerkennung der gesammten ärztlichen Welt und 
kann dem praktischen Arzte znm Studium einfohlen werden. 

_Abelmann. 


Protokolle 

der Sitzungen des III. livlAndischen Aerztetages 
in Walk. 

111. Sitzung. 10. September 1891, Morgens 9 Uhr. 

A. Demonstration von Dampf- und Heissluft-Sterili- 
siiungsapparaten, spec. auch für chirurgische Zwecke, Desin- 
feotion von Instrumenten, Verbandstoffen etc.. Demonstration 
von Präparaten der Malaria-Plasmodien dnreh P. W einer- 
Petersbnrg. 

B. Vorträge und Discussion über folgende The¬ 
mata: 

1) «Die Lues inLivland und die Mittel zur Ab¬ 
wehr derselben».— A. v. Bergmann. (Coireferen- 
ten: W. Zoege v. Manteuffel und 0. Petersen). 

Herr v. Bergmann (Riga); »Es wäre eine sehr dankens¬ 
werte Aufgabe für unseren Aerztetag, wollte derselbe seine 
Mitglieder veranlassen, nach einem näher festzusetzenden 
Modus Erhebungen über die Zahl der Luetischen in Livland 
anzustellen und zwar nicht nur derjenigen noch augenblicklich 
manifester Lues, sondern sämmtlicher Individuen, welche sich 
einmal eine luetische Infection zugezogen haben. Nur eine 
derartige Erhebung wüide uns ein genaues Bild der Luesver- 
breitung geben, sie wäre die Basis, auf der man Stellung 
nehmen könnte zu Fragen, deren definitive Lösung auf Grund 
einer grossen Sammelforscnung zur Zeit noch anssteht; so vor 
allem der Frage nach der Tragweite der hereditären Lues, 
die von den Autoren sehr verschieden beurteilt werde (z. B. 
Pi 1 eni . Tarnowsky n. A. einerseits, Neumann. 
K a s s o w i t z u. A. andererseits). Die Bedeutung der hereditä¬ 
ren Lues sei allerdings sehr verschieden je nach dem Stande 
und Bildungsgrade der Kranken, im Ganzen erscheine es je¬ 
doch geboten, in dieser Beziehung nicht allzu optimistisch zu 
urteilen. - «Wollen wir die Mittel zur Abwehr der Lues¬ 
verbreitung discutiren, so müssen wir zunächst und vor Allem 
ein klares Bild über ihre Grenzen haben. Der officielle Be¬ 
richt des Medicinäldepartements ergiebt pro 1886 — 350,719 
Erkrankungen an Lues oder 2,4°/" sämmtlicher Erkrankungen 
im Reich. 1887 giebt es 3,23°/.», 1888 bereits 3,41 ’/o. 

1S86 kamen in Livland auf 1,219.007 Einwohner - 2725 
Lues d. h. 2,24 pro Mille der Bevölkerung überhaupt 


1887 . 

. 1,229,000 Einw 

2361 Lues - 2.0 v. 

M 

Rigascher Kreis . 

. 316.000 

4 

1622 

* - 5.1 « 


Wendenscher « . 

. 133.000 

« 

161 

« - 1.2 * 


Dorpater « . 

. 188,009 

« 

190 

« = 1,0 « 

« 

Werroscher « . 

. 97,000 


75 

« =0,8 « 

« 

Pernausclier « . 

. 100,000 

*. 

81 

« = 0,8 « 

« 

Fellinseher « . 

. 100,000 


78 

« = 0.7 « 

« 

Wolmarscher « . 

. 119.000 

f 

89 

« = 0.75 * 

« 

Walkscher « . 

. 1 ] 8,000 

« 

46 

« - 0.4 * 

« 

Oeselscher « . 

. 59,000 

« 

16 

. =0.2 * 


1888 . 

. 1.239,758 

« 

2595 

« «= 2,0 « 

« 

Rigascher Kreis . 

. 318,258 

« 

1782 

« *= 5.6 « 


Wendenscher « . 

. 133.617 

« 

110 

« «= 0,9 « 

4 

Dorpater « . 

. 188,960 

4 

235 

« = 1,3 « 

c 

Werroscher « . 

. 98,087 

4 

102 

« = 1.0 V 


Pernausclier « . 

. 100,835 

* 

93 

♦ = 0.92 « 

« 

Fellin scher * . 

. 100.628 

i' 

55 

* = (>,54 « 

4 

Wolmarscher « . 

, 120,582 

« 

87 

. =0,72* 

C 

Walkscher « . 

. 119,000 


119 

« - 1.0 « 

4 

Oeselscher « . 

1890 . 

. 59.722 


12 

2804 

« = 0.2 * 

« 


Im Riga’schen S adtkrankenhause waren: 


1884 von 2240 Kranken — 193 Luetische = 8.62 % 


1885 

€ 

2178 

< 

— 172 

* 

- 7.9 

« 

1886 

« 

2369 


- 217 

f 

= 9,16 


1887 

< 

2402 

♦ 

— 264 

€ 

=10,99 


1888 

€ 

2534 


- 181 

€ 

= 7,14 


1889 

C 

2696 


- 192 

t 

= 7,12 


1890 

4 

2585 

« 

- 224 

4 

= 8,66 



Diese Zahlen geben an. wie viel frische Erkrankungen 
resn. Recidive in jedem Jahre zur Behandlung gekommen 
sind. Wollen wir aber die verschiedenen Formen der viscera¬ 
len Lues, ferner die Tabes, die Paralyse nach ihrem aetiolo- 
gisch gemeinschaftlichen Ursprung gleichfalls unter die 
Rubrik Lues stellen, so müssen die statistischen Erhebun¬ 
gen in erster Linie von Aerzten angestellt werden, die abge¬ 
grenzte Bevölkerungsgruppen zu ihrer Praxis zählen, also 
von Krankenkassen-, Arbeitervereins-, Fabriks-, Eisenbahn- 
und Gemeindeärzten. Die Daten der freipraktieirenden, na¬ 
mentlich städtischen Aerzte können nach gründlicher Sichtung 
des Materials erst in zweiter Reihe in Betracht kommen, denn 
die städtische Bevölkerung, soweit sie aus Luetischen besteht, 
wechselt mit Vorliebe ihren Arzt.» — «Sicher stehen die offi- 
ciellen Daten weit zurück hinter der Wirklichkeit» (extra¬ 
genitale Infection, Lues infantium), — «Haben wir eine Sara- 


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35 




mdforschung über die Luesverbreitnng in Livland abge¬ 
schlossen, dann müsste nnser Bestreben danin gehen, für die 
wenigst inficirten Kreise am durchgreifendsten die Separi- 
rnng der Kranken von den Gesunden zu verlangen und 
zwar durch Errichtung von Hospitälern, durch welche das 
Ambulatorium allinälig zu ersetzen wäre». — Für das ein¬ 
zelne Individuum haben die Schutzmaassregeln im Grossen 
nnd Ganzen ihre Erfüllnng gefunden, sobald es gelingt der 
Prostitution die Gefahren zu nehmen. Allein alle Vorschläge 

— and es giebt deren keinen, der nicht schon gemacht wor¬ 
den wäre — scheitern daran, dass nur der eine, der weibliche 
Theil, überwacht wird, während der männliche thun und 
lassen kann was er will. Es ist nicht mehr als recht nnd 
billig, dass eine verschärfte Controle der Toleranz- 
Läuse r verlangt wird, worunter ebenso eine Controle der 
Besucher verstanden sein soll, wie die tägliche Visitation der 
weiblichen Insassen. Endlich ist zu verlangen, dass dort, wo 
viel Lues vorhanden, ganze Gruppen lediger Männer 

— nach Analogie des Militärs in aller Herren Länder — in 
gewissen Zeiträumen sich einer festgesetzten sanitäts¬ 
ärztlichen Untersuchung zu unterwerfen haben. Unter 
unseren Verhältnissen wäre z. B. zu erwägen, ob nicht für 
unsere Hochschulen eine derartige Maassregel dringend wtin- 
schenswerth geworden.» — «Heber den vom sanitären Stand¬ 
punkte ans geforderten Massnahmen darf nicht vergessen 
werden, welche gewaltige Aufgabe zur Lösung der uns be¬ 
schäftigenden Frage dem Hause und der Schule gegeben 
ist, heute wo die Verführung in stetem Wachsen begriffen, 
wo eine anschwellende Schandliteratnr durch gewissenlose 
Colportage Jedermann zugänglich ist — die. Aufgabe meine 
ich, in den Knaben den sittlichen Kern zu legen, der ihn an 
allen diesen Gefahren vorüberzuleiten im Stande ist. Es darf 
nicht ausser Acht gelassen werden, welchen Segen die Fabrik¬ 
herren. Handwerkermeister etc. bringen können, wenn sie 
mit vollem Ernst und ganzer Hingebung in den Kampf ein- 
treten wollten gegen die stetig wachsende sittliche Verwahr¬ 
losung. Es ist ein Kampf, an dem die ganze Gesellschaft 
thcllzunehmen die Pflicht hat nnd den sie mit Erfolg auf- 
uelimen kann, sobald sie ihn richtet zunächst gegen den 
Alkoholismns, der neben all dem Unheil, den er in den hö¬ 
heren Schichten unserer Gesellschaft anrichtet, für den Arbei¬ 
ter, den kleinen Handwerker die Quelle bedeutet der Verar¬ 
mung, der sittlichen Verwahrlosung und der Prostitution. 

A. v. Bergmann stellt hierauf folgende Thesen zur l)is- 
cussion: 

1) Die Diagnose «.Ulcus molle^ ist uur gestattet, wenn die 
charakteristischen Merkmale desselben vorhanden sind: 
Multiplicität kleiner kreisrunder speckiger Geschwüre. 

2 ) Ein unitarischer Standpunkt in Bezug auf die Infection 
ist heute nicht mehr berechtigt. 

3) Vor'Ablauf von 3 Jahren seit der Ansteckung ist jedes 
Individuum als infectiös anznsehen. 

4) Ambulatorische Behandlung recenter Lues ist zu ver¬ 
werfen. 

5) Aborte nnd Frühgeburten in einer Ehe, deren einer Theil 
Lues durchgemacht hat, indiciren specifische Behandlung 
beider Theile. 

b) Statistische Erhebungen über die Luesverbreitung sind 
in ergter Linie durch Gemeinde-, Genossenschafts- nnd 
Krankenkassenärzte anzustellen. 

Um die Syphilisverbreitung einzuschränken sind folgende 
Postulate zu erfüllen: 

7 ) Verschärfte Ueberwachung der Prostitution, tägliche 
ärztliche Visitation der Toleranzhäuser; Visitation der 
Be« n eher. 

8) Internirung der Prostituirten für die ersten 3 Jahre 
nach der syphilitischen Infection in Magdalenenasyle, 
Arbeitshäuser oder dergl. 

9) Obligatorische ärztliche Controle des Ammen Wesens. 

10) Ausschliessliche Verwendung animaler Lymphe zur Vac- 
cinatiou. 

11; Sanitäre Controle aller Genossenschaften und Arbeiter- 
Vereine und der nnverheiratheten Männer nach Analogie 
des beim Militär gehandhabten Usus. 

12) Aerztliches Attest, welches erst zur Eheschliessung be¬ 
rechtigt. 

Correferent Herr Zoege von Manteuffel (Dorpat) 
schliesst sich in allen wesentlichen Punkten dem Referen¬ 
ten an, wünscht jedoch die Aufmerksamkeit der Collegen auf 
einige durch die localen Bedingungen der ländlichen Verhält¬ 
nisse gegebene Fragen zu richten. Vor allen Dingen sei 
die Cardinalfrage zn beantworten: ln welcher Weise inficirt 
sich unsere ländliche BevölkerungV Soviel Redner sich ent¬ 
sinnt, ergaben die klinischen Journale in Dorpat fast 50'Vo 
Lues infantium. Noch jüngst entdeckte Ref. ein Nest Lueti¬ 
scher in einer Arbeiterwolmung: Männer, Frauen, Kinder, im 
Ganzen 32 Individuen fanden sich im condylomatösen Stadium, 
alle bis anf 2 augenscheinlich frisch und gleichzeitig erkrankt 


und bei allen ohne Ausnahme lies« sich die Infection per oe 
nachweisen. —■ Gegen diese Art der Infection sei unser Band- 
volk bei dem gemeinsamen Essen aus einer Schüssel schutzlos. 
Was Hesse sich nun hiergegen thun? Mit Isolirnng und Be¬ 
handlung sei noch nicht Alles gethan, auch hier sei Prophy¬ 
laxe nöthig. Zu dem Zweck sei Kenntniss der Infections- 
qnellen von grösster Bedeutung. Beurlaubte Soldaten (wie 
anch in dem angeführten Beispiel) seien nur zu oft der Aus¬ 
gangspunkt der Ansteckung gewesen. 

Eine zweite Form der Infection der Landbevölkerung sei 
gegeben durch gelegentliche Benützung der städtischen Pro¬ 
stitution seitens der anwohnenden ländlichen Jugend. 

Drittens käme die vom Gesetz geforderte*) Maassregel in 
Betracht, welche es den Polizeiorganen vorschreibt passlose 
vagabnndirende etc. Individuen den betreffenden Gemeinden 
znznschicken. Solche Individuen würden ja allerdings ärztlich 
untersucht und im Krankheitsfälle auch auf ihre etwaige 
Lues hin behandelt — aber oft genüge eine einmalige ärzt¬ 
liche Visitation nicht und eine etwaige Behandlung würde 
doch nnr bis zum Schwinden augenfälliger Symptome fortge¬ 
führt werden. 

Die Prophylaxe der Lues auf dem Lande falle so ziemlich 
zusammen mit der der grösseren nnd kleineren Landstädte. 
Die Principien, die uns hier leiten sollen, habe Vorredner in 
These 7, 8 und 11 formnlirt. 

Wenn Ref. mit einem anderen Vorschläge komme, so ge¬ 
schehe es, weil er der Ueberzengung sei, das9 hier ein prak¬ 
tisch durchführbarer Vorschlag Nutzen bringt, selbst 
wenn er auch als Conipromiss gellen muss. Es hilft 
nichts, wenn wir uns hier Gesetze wünschen, so z. B. die In- 
ternirnng der Prostitnirten anf 3 Jahre; wohl aber sei die 
Polizei in der Lage, die Prostituirten jeden Augenblick zur 
Beobachtung etc. ins Lazareth zu schicken. Wenn diese 
Machtbefugnis ausgenutzt würde, könne - soweit 
Dorpater Verhältnisse in Frage kommen — recht Vieles ge¬ 
leistet werden. Wir wissen ja, in welchem Typus annähernd 
die Recidive einander folgen; es gelte schon lange die Regel, 
mit einer geeigneten Cur dem Recidive zuvorzukommen nnd 
somit in bestimmten Intervallen, nach festgesetztem 
Typus die Kranken zu mercurialisiren. Dieser Grund¬ 
satz müsste auch bei Behandlung luetischer Prostituirter fest¬ 
gehalten werden. Es wäre jede Prostituirte. die Lues aqui- 
rirt hat, in vorzuschreibenden Intervallen einzuberufen und 
einer gründlichen antisyphilitischen Cur zn unterziehen, 
gleichviel ob sie gegenwärtig frische Symptome von Lues 
aufweist oder nicht, Durch eine solche Maassregel wäre die 
Prostitnirte zudem im ersten Jahre ca. 5 Monate, im zweiten 
ca. 3 Monate dem Verkehre entzogen. Da diese Entziehung 
znm Zwecke der Cur geschehe, würde sich die Prostituirte 
in dieselbe viel eher linden, als in eine Internirung-auf 3 
Jahre in einem Magdalenenasyl oder drgl. — Nachdem sich 
: Ref. mit maassgebenden Persönlichkeiten in Relation gesetzt, 
habe er die Zusicherung erhalten, dass eine derartige zwangs¬ 
weise Einberufung der Prostituirten gesetzlich sehr wohl 
durchführbar sei. 

Das Correferat des Herrn Petersen (Petersburg) wird, 
da derselbe nicht anwesend, vom Vorsitzenden verlesen: Es 
sei ganz besonders erfreulich, dass der livländische Aerztetag, 
nachdem er sich eingehend mit der Leprafrage beschäftigt, 
nun anch einer anderen Volksseuclie, der Syphilis, seine Auf¬ 
merksamkeit schenken wolle nnd sei Ref. fest überzeugt, dass 
anch auf diesem Gebiete der Verein das Volkswohl fördern 
i werde, wenn auch znm Kampfe gegen die Lues Maassregeln 
ehören, deren Durchführung zu den schwierigsten Aufgaben 
es Sanitätswesens zu zählen seien. Auch er halte vor Allem 
eine sichere Kenntniss der Ausbreitung der Krankheit für 
nöthig. Von grosser Bedeutung für statistische Erhebungen 
halte Kef. eine einheitliche Nomenclntnr und proponire er die 
Unterscheidungen in: 

1) Syphilis recens. 

2) Syphilis recidiva- 

3) Syphilis tardiva. 

Als 4. Rubrik könnte dann noch die «Syphilis hereditaria» 
notirt werden. 

Was die Thesen des Herrn A. v. Bergmann anbetreffe, 
sei Ref. mit These VI vollkommen einverstanden, glaube je¬ 
doch, dass man auch auf diesem Wege nur relative Daten 
erhalten werde. Ebenso einverstanden sei er mit These VII 
lind VIII. Von These XI glaube er, dass dieselbe sich prak¬ 
tisch nicht werde durchführen lassen, wie These XII. Ref. 
glaubt, dass man hier nicht Gesetze erlassen könne, sondern 
individnalisiren müsse Ganz besonders warm möchte Kef. 
die These IV befürworten. Es sei die Pflicht jedes Arztes 
bei frischer Syphilis anf Hospitalbehandlung zu dringen, so¬ 
bald Pat. seine Cur nicht systematisch durchführt. In Bezug 
auf These I bemerke Ref., dass es durchaus nicht selten sei, 

*) CBo*b 8aKonoBT> (Gesetzsammlung). Bd. XIV, § 158 (Vor¬ 
beugung von Verbrechen etc.). 


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36 


dass sich nur ein einziges Ulcus raolle finde. Andererseits 
käme auch das Ulcus induratum nicht allzu selten multipel 
vor. Die Multiplicität dürfe nicht als Charakteristicum des 
Ulcus raolle angesehen werden, charakteristischer sei die 
Scharfrandigkeit (resp. Unterminirung) der Ränder, der gelb- 
weissliche Belag. «In zweifelhafien Fällen hilft die mikrosko¬ 
pische Untersuchung des Geschwüreiters, in welchem man 
stets 4-5 Arten Bacillen und mehrere Kokkenarten vorfindet. 
Specilisch erscheint eine Art kurzer Bacillen, mit deren Rein* 
culturen ich mich seit einiger Zeit beschäftige. Denselben 
Bacillus hat Primo-Ferrari bereits 1879 beim Ulcus molle 
nachgewiesen.» 

Discussion: 

Herr Hampeln (Riga) meint im Allgemeinen, bevor in die 
Specialdebatte eingegangen wird, darauf hinweisen zu sollen, 
dass zum Unterschiede von allen anderen Erkrankungen die 
Behandlungsfrage der Syphilis zwei Seiten hat, ausser der 
medicinischen noch eine und zwar die wichtigere pädagogische, 
und die Betrachtung lediglich nach einer Richtung ohne Be¬ 
rücksichtigung der anderen nothwendig die Nachtheile einer 
Einseitigkeit aufweisen müsse. Ihm scheint nun das gänzliche 
Ausserachtlassen der pädagogischen Seite, wie es von dem 
Referenten und den Correferenteu geschehen, namentlich in 
Rücksicht auf die vorgeschlagenen prophylaktischen Maass¬ 
regeln eine wichtige Versäumniss, um so wichtiger als alle 
vorgeschlagenen staatlichen und medicinischen Mittel zur Vor¬ 
beugung der Syphilis, wie eine vielhundertjährige Geschichte, 
die Natur der Seuche und der Menschen deutlich lehrt, nie 
etwas fruchten können und werden. Und doch dürfe der 
Kampf um das Ideal, Beseitigung der Syphilis, nicht aufge¬ 
geben werden. Nur seien die wesentlichen Mittel dagegen, 
von welchen allein etwas erhofft werden kann, nicht medici- 
niscli-hygienischer sondern pädagogischer Natur. Auf die 
Hinweisungen ärztlicherseits zu Eltern, Erziehern und Leh¬ 
rern komme es an und gemeinsam mit ihnen die geeigneten 
Schutzwehren gegen die Seuche zu errichten. Diese Seite 
der Frage dürfe daher unter keinen Umständen völlig über¬ 
gangen werden, müsse wenigstens als eine besondere aner¬ 
kannt werden. 

Herr Zoege v. Manteuffel. Die sociale Erschwerung der 
Eheschliessnng wird den Termin derselben weit hinausschie¬ 
ben. Dm oh pädagogische Maassregel wird es nie und nimmer 
gelingen das Einzelindividuum unter bestimmte Moralgesetze 
zu zwingen, wo dem der mächtigste Trieb, der Geschlechts¬ 
trieb gegenübersteht. 

Herr A. v. Bergmann: Die Ansführungen Hampelns be¬ 
treffen die Prostitution, nicht die Syphilis, welche eine rein 
medicinisch zu besprechende und zu behandelnde Beigabe der 
Prostitution ist. 

Herr Hampeln: Es sei ja nicht blos von der Behandlung 
der manifesten Syphilis, welche freilich eine rein medicinische 
Frage ist, sondern ebenso von der Prophylaxe die Rede. Auf 
die von ihm hervorgehobene Seite der Frage, über die viel zu 
reden wäre, wolle er sich ja nicht weiter einlassen, sondern 
lasse er sich daran genügen, ihrer überhaupt Erwähnung zu 
thnn. Seinerseits erkläre er allerdings diese pädagogische Seite 
für die bei weitem wichtigere, was freilich nicht ausschliesst., 
sich einmal lediglich der medicinischen zuzuwenden; doch 
immer mit ausdrücklicher Anerkennung auch der anderen 
Seite. Letzteres habe er in den Referaten vermisst. 

Herr Ed. Schwarz (Riga) führt gegen die Ausführungen 
des Vorredners Zoege an, dass die psychische Behandlung, resp. 
die Erziehung eines der schwierigsten Probleme unseres Wis¬ 
sens sei. Eine bekannte Tliatsache sei es, dass die Psyche 
einen eminenten Einfluss auf den Geschlechtstrieb besitze. 
Bei umfassenderen Kenntnissen in der psychischen Erziehung 
unserer Kinder, namentlich der Knaben, würden wir vielleicht 
doch ein Verhalten derselben erzielen können, wie es Herr 
Hampeln angedeuiet. 

Der Vorsitzende leitet die Discussion über die Thesen des 
Herrn v. Bergmann mit dem Bemerken ein, dass eine Debatte 
über These II (Aufgeben des unitarischen Standpunktes) als 
von rein akademischem Interesse wohl kaum nöthig erscheine. 
Was . hese I betreffe, halte er Multiplicität der Ulcera nicht 
für beweisend, er sah auch nach multiplen Geschwüren Skle¬ 
rose auftreten. 

Herr v. Bergmann: Sehr häufig findet man die Diagnose 
Ulcus molle nur auf die Abwesenheit der Infiltration eines 
solitären Geschwüres gegründet. Noch mehr als bei Multi¬ 
plicität sei bei Abwesenheit der Sklerose eines solitären Ge¬ 
schwüres Reserve nöthig. 

Herr Zoege v. Manteuffel ist ebenfalls der Ansicht, dass 
man sich in Betreff der Diagnose des Ulcus molle sehr reser- 
virt halten müsse, schon im Hinblick auf den Chancre mixte, 
der in Dorpat sehr häufig sei. 

Herr v. Bergmann bemerkt in Bezug auf These III, die¬ 
selbe solle nur eine Art von Richtschnur für ärztliches Han¬ 
deln andeuten, da in der That in den ersten 3 Jahren die 
häufigsten Reejdive nachgewiesen seien. 


Herr Unverricht ad These.V: Hat Herr v. Bergmann be¬ 
weisende Erfahrungen, dass die Mutter eines syphilitischen 
Foetus immer oder wenigstens in der Mehrzahl aer Fälle in- 
ticirt ist? Im Allgemeinen nimmt man doch an, dass das Sy¬ 
philisgift die Placenta nicht so leicht überschreitet. In sol¬ 
chen Fällen die Mutter zu schmieren, würde natürlich keinen 
Zweck haben. 

Herr v. Bergmann: Frauen werden hin und wieder symp¬ 
tomlos inficirt. Eine Scbmiercur der Männer allein genügt 
nicht zur Erzielung eines gesunden Kindes. Die praktische 
Erfahrung lehrt, dass erst sobald die Frau geschmiert wor¬ 
den, eine Reihe gesunder Kinder zur Welt kommt. 

Herr Zoege v. Manteuffel bestätigt diese Ausführungen 
Bergmanns. 

Herr Dehio (Riga) erwähnt in Bezug auf These V, dass 
in den in der Irrenanstalt Rothenberg beobachteten Fällen 
rogressiver Paralyse beim Weibe sehr selten Spuren von 
yphilis bei der Kranken zu finden seien, wahrend dieselbe 
der Anamnese nach mit höchster Wahrscheinlichkeit anzu- 
nehmen ist. Oft leugnen die Pat. jede frühere Erkrankung, 
während sonst die Erinnerung an eine überstandene Infection 
sehr fest haftet. In der Anamnese spielen die Aborte eine 
sehr grosse Rolle. 

Herr Heerwagen (Riga) bemerkt, dass Mütter syphiliti¬ 
scher Kinder immun gegen Syphilis seien. 

Herr Unverricht: Es ist wohl möglich, dass die Behand¬ 
lung der Mutter auch bei Fehlen der Erscheinungen Erfolg 
hat, aber dann ist die Syphilis nicht erkannt worden; das 
dürfte die Ausnahme, nicht die Regel sein. Die Lues der 
Frauen entgeht uns häufig in der Anamnese, weil die Männer 
es möglichst zu vertuschen wissen, wenn sie ihre Frauen in¬ 
ficirt haben. Ausserdem ist der Primäraffect so schwer nach¬ 
zuweisen wohl in Folge anatomischer Verhältnisse. Als ge¬ 
heilt ist Syphilis nur dann zu betrachten, wenn ohne Queck¬ 
silber ein gesundes Kind erzeugt wird. Quecksilber macht 
sie mir latent. Die Nervenerkrankungen, z. B. die Tabes, 
sind wohl nicht als Beweis zu betrachten, dass das Indivi¬ 
duum noch syphilitisch ist, sondern sie sind wohl nur als 
Nachkrankheit anzusehen, wie die Arteriosklerose und die 
Schrumpfniere. 

Herr Ed. Schwarz: So interessant ihm eine eingehen¬ 
dere Discussion über die Frage, ob die Tabes als Nachkrank¬ 
heit oder als syphilit. Product anznsehen sei. erscheinen würde, 
so ziehe sie doch zu weit vom Thema ab. Bewiesen sei we¬ 
der die eine, noch die andere Auffassung, obgleich für die zweite 
pathol.-anatom. Erfahrungen (Rumpf, Krause) sprächen, sowie 
ein Krankheitsfall, den genauer zu beschreiben Red. auf dem 
letzten Aerztetage Gelegenheit genommen. 

Herr Brennsohn (Mitan). Es wäre wünschenswert^ dass 
die Frau, welche, nachdem der Mann zu wiederholten Malen 
einer energischen antisyphilitischen Behandlung unterzogen 
ist, fortfährt, blos Aborte und Frühgeburten zu produciren. 
nun allein eine Cur durchmache. Dieses Verfahren könnte 
zur Klärung der Frage beitragen, ob die Frau trotz vollstän¬ 
dig mangelnder luetischer Symptome doch syphilitisch inficirt 
sein kann. Die Geburt gesunder Kinder nach einer derartigen 
Schmiercnr der Fran allein würde alle Zweifel heben. 

Herr Zoege v. Manteuffel: Zu These VII und VIII 
möchte ich bemerken, dass es mir unzweckmässig erscheint, 
eine These aufzustellen, die den Keim der Unerfüllbarkeit in 
sich trägt. Ideale Thesen schaden, weil man damit sein Ge¬ 
wissen beruhigt. Wenn Bergmann These VIII aufstellt, so 
thut er es, weil These VII wenig nützt. Wenn die Verkehrs¬ 
entziehung der Prostituirten auf 3 Jahre aber möglich wäre, 
wäre die Untersuchung sehr einfach. Es ist aber die lnter- 
nirung auf drei Jahre nicht möglich, gesetzlich undenkbar. 
Wohl aber ist es möglich, die Kranke auch zwangsweise in 
Behandlung zu nehmen, sie in bestimmten Typen zu behan- 
seln, so dass dadurch erstens einmal die Infectionsfähigkeit 
durch Mercuriali8ation herabgesetzt wird, auf 14 Ta^e, 4 
Wochen fast vernichtet wird; zweitens werden die Prostituir¬ 
ten dadurch auf ca. 5 Monate im Jahr dem Verkehr entzogen 
und die ärztliche Controle wird wesentlich erleichtert. 

Herr v. Bergmann: These VII und VIII fixiren nur die 
theoretischen Gesichtspunkte, von denen man auszugehen 
hat; die praktische Lösung derselben steht noch aus; der Sa¬ 
nitätsarzt hat Vorschläge zu machen. Die Empfehlung Zoege’s 
ist gefährlich, da unterschiedsloses Schmieren eventuell pro- 
vocatorisches Moment sein kann. 

Herr Zoege v. Manteuffel schlägt vor, ein Reglement 
zur Untersuchung der Prostitution ausznarbeiten. 

Dieser Vorschlag wird von der Gesellschaft ange¬ 
nommen und durch Acclamation die Herren Tr u h ar t 
(Fellin), v. B e r g m an n (Riga), Zoege v. Manteuffel 
(Dorpat) und H e e r w a g e n (Riga) erwählt, um ein derar¬ 
tiges Reglement auszuarbeiten. 

In Bezug auf Syphilisstatistik wird beschlos¬ 
sen: die Stadt- und Kreisärzte zur Sammlung statistischen 
Materials, besonders frische Infectionen betreffend, zu veran- 


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lassen. Dieses Material soll nach etwa 3 Jahren der Gesell¬ 
schaft vorgelegt werden. 

Herr v. Bergmann will hiermit Erhebungen über die 
Ehen Syphilitischer verknüpfen, welcher Vorschlag jedoch als 
undurchführbar nicht acceptirt wird. 

(Fortsetzung folgt). 


Kleinere Mittheiluogen und therapeutische Notizen. 

— .Die Aebnlichkeit des Aussehens Shockkranker mit dem¬ 
jenigen von Verblutenden brachte Kottmann auf die Idee den 
Shock mit Salzwassertransfusionen zu behandeln. Er 
erzielte in 4 Fällen einen vollen Erfolg. Sein schwerster Pa¬ 
tient hatte durch Ueberfahrenwerden eine bedeutende Quet¬ 
schung mit ausgebreiteter Suffusion an der Bauchseite und am 
linken Oberschenkel ohne Wunde nebst coraplicirter Fractur 
des linken Oberarmes acqnirirt. Trotz reichlich verabreichter 
Excitantien kam Pat. moribund ins Hospital mit unregelmässi¬ 
gem kaum zählbarem Puls von 72 Schlägen. 

Infusion von 800 Ccm. Salzwasser in die Vena cephalica be¬ 
wirkte Heben des Pulses. Steigerung der Temperatur auf 39,5 
and Ausbruch von reichlichem Schweiss. Nach 2 Stunden Tem¬ 
peraturabfall und vollständige Euphorie. Genesung. 

(Correspondenzblatt f. Schw. Aerzte 1891, Nr. 24). 

— Iselin empfiehlt als zweckentsprechende Behandlungs¬ 
weise der Influenza das Kreosot in Dosen vqh 1—5 Grm. 
täglich in den üblichen Ordinationsforraeln. Er glaubt an eine 
antimykotische Wirkungsweise des Mittels. 

(Correspbl. f. Schw. Aerzte 1881 Nr. 34). 

Bei Erysipel am Rumpfe und an den Extremitäten wandte 
Rose (New-York) mit bestem Erfolge das permanente heisse 
Bad an. Nach 24 Stunden Schwinden der Schmerzen und des 
Fiebers, nach einigen Tagen in der Regel definitive Heilung. 

(Deutsche medic. Woc^schr. Nr. 34). 

— Auf die Empfehlung von Portugalow^ind Jergolski 
das Strychnin als Heilmittel gegen die Trunksucht 
anzuwenden liess Kleefeld im Stadtkrankenhanse zu Görlitz j 
sieben notorische Sänfer einer lOtägigen Strychnincur unter- ; 
werfen, und zwar wurden Tagesmengen von 0.001 steigend j 
bis 0,004 Strychninum nitrieum subcntan injieirt. Die Erfolge I 
waren absolut negativ. Ein Widerwille gegen Alkohol war bei | 
keinem einzigen Säufer zu constatiren. Im Gegentheil wurde I 
nach Beendigung der Cur, während welcher Alkohol nicht j 
verabfolgt worden war, der langentbehrte Schnaps mit grosser ; 
Begierde genossen. (Deutsche med. Wochenschr. Nr. 39). I 

— Stewart empfiehlt Borax gegen Epilepsie und nimmt 
an, dass derselbe hauptsächlich die Zahl der nächtlichen An¬ 
fälle vermindert und Brom die bei Tage auftretenden. Treten 
die Anfälle Tag und Nacht auf, so müssen beide Medicamente 
in systematischer Darreichung angewendet werden. 

(Neurolog. Centralbl.). 


Vermischtes. 

— Seit der vorigen Woche weilt der berühmte Massage-Arzt, 
Dr. Mezger ans Wiesbaden, In St. Petersburg. 

— Zum Gonvernements-Medicinalinspector von Liv¬ 
land ist an Stelle.des verstorbenen Dr. Hess der ältere Arzt 
des Hospitals des Collegiums der allgemeinen Fürsorge zu 
Astrachan, Colle£ienrath Dr. Nikolai Malinin ernannt wor¬ 
den. 

— Verstorben: 1) Am 0. Januar in-Charkow der ordent¬ 
liche Professor der Anatomie an der dortigen Universität, 
wirkl. Staatsrath Dr. Johann Wagner, im 69. Lebensjahre. 
Der Hingeschiedene stammte aus Riga und bezog i. J. 1851 
die Universität Dorpat, wo er bis 1856 anfangs Chemie, dann 
Mediciri studirte. Nach Erlangung der Doctorwürde i. J. 1858 
war W. mehrere Jahre (1868—1864) Prosector am anatomi¬ 
schen Institut in Dorpat, wurde aber i. J. 1864 nach Charkow' 
berufen, wo er anfängs als Docent, dann als ord. Professor 
der Anatomie an der dortigen Universität bis zu seinem Le¬ 
bensende thätig war. 2) Am 3. Jannar in Davos der Landarzt 
zu Gross-Essern in Kurland, Dr. Fritz Katterfeldt. Am 
15. Februar 1861 in Kurland geboren, widmete er sich i. J. 
1881 dem Studium der Medicin an der Universität Dorpat. 
Nach Absolvirung des Arztexamens i. J. 1888 setzte er seine 
Studien an der Universität Freiburg fort und liess sich dann 
als Arzt auf dem Gute Gross-Essern in Kurland nieder. 3) Am 
2. Januar hei der Eisenbahnstation Pljussa im Petersburger 
Gonvernümeht der dortige Arzt August Monkewitz. 4) Am ; 
8. December a. pr. der Arzt am Perm’scheu Gefängnisshospi- i 
Ul, I. Alexanarow, im 34. Lebensjahre am Flecktyphus. 1 
Der Verstorbene leitete auch aas mediclnisch-statistische Bü- : 
reau beim Perm’schen Landschaftsamte und hat mehrere ein- I 
schlägigd Arbeiten veröffentlicht. 5) Im Elatma’schen Kreise ; 
der Landschaftsarzt W. A. Wassiljew, welcher sich in einem , 
Anfalle von Irrsinn mit Chl o ro fo r m vergiftete. 6) In Excidevil 1 


der bekannte französische Pädiater Dr. Bart he z de Mar- 
moriCres, 89 Jahre alt. 8ein treffliches Werk: «Traitd des 
maladies des enfants», welches er in Gemeinschaft mit seinem 
Freunde Rililet herausgab, hat ihm einen Namen in der 
med. Literatur gemacht. 

— Von dem Chef der militär-medicinisclien Academie 
ist ein Concurs znr Besetzung des durch den Tod Prof. 
Ed. Brandt’s erledigten Lehrstuhls der Zoologie und 
vergleichenden Anatomie an der genannten Academie 
ausgeschrieben worden. Etwaige Bewerber um diese Professur 
haben ihre Gesuche bis zum 5. März 1892 einzureichen und 
ihr Diplom über die Würde eines Doctors der Medicin nnd 
Magisters der Zoologie sowie ihre wissenschaftlichen Arbeiten 
und ein eigenhändig geschriebenes Curriculum vitae beizufü¬ 
gen. Die übrigen Bedingungen Bind dieselben wie die in der 
vorigen Nr. für den vacant^u Lehrstuhl der specielleu Patho¬ 
logie und Therapie mitgethejlten. 

— Wie verlautet, beabsichtigt der Professor der Zoologie 
an der Universität Charkow, Dr. med. et zoolog. Alexander 
Brandt, ein ehemaliger Schüler der »edico-chkuvgmchan Aca- 
demie, als Candidat für diese Professur aufzutreten. 

— Der Concurstermin für die Besetzung des vacanten 
Lehrstuhls der gerichtlichen Medicin an der militär* 
medieinischen Academie läuft am 19. Januar d. J. ab. Bis jetzt 
sollen sich bereits 7 Candidaten für diesen Lehrstuhl gemeldet 
haben, nämlich der Professor der gerichtl. Medicin m Chai^ 
kow, Dr. F. Patenko, die Privatdocenten der Academie W. I. 
Afanassjew und D. P. Kossorotow, der Privatdocent der 
Charkower Universität Bell In, sowie die DDr. Blumberg, 
Petermann und Smlrnow. 

— Wie die «Kasanskija Wjesti» berichten, haben drei 
Wärterinnen der psychiatrischen Abtheilung des Charkow’* 
sehen Gonvernements-I-Andschaftshospitals eine Kranke nm l 

f ebracht, welche ihnen viel zu schaffen machte. Anfangs 
ielten die Aerzte der Abtheilung den Fall für einen Selbst¬ 
mord, da ein Handtuch um den Hals gewickelt und an di# 
Bettlehne befestigt war. Die gericbtlich-mediciniscbe Section, 
welche auf Verlangen der Angehörigen der Kranken vorge¬ 
nommen wurde, erwies aber, dass die Kranke erfrürgt war. - 

(Wr.). ^ 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 12. Jänner d. 3. fflTUi 
darunter 534 Typhus —, 557 Syphilis —, 66 Scharlach —, 17 
Diphtherie--, 90 Masern — und 13 Pockenkranke. 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 5. Jannar bis 11. Januar 1892. 


Zahl der Sterbefftlle: 


1) nach Geschlecht nnd Alter: 


Im Ganzen : 
M. W. Sa. 
m 247 539 


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12 46 67 50 46 38 36 8 3 


2) nach den Todesursachen: 


— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 10, Febris recurrens 3, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 1, Masern 11, Schariackld/ 
Diphtherie 4. Croup 2, Keuchhusten 8, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 24, Erysipelas 5, Cholera nostras 0, Cholera aaa- 
tica 0, Ruhr 3, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Antiirak 1, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 3, Pyäinie und Septicaemie 3, 
Tubercnlose der Lungen 99, Tnberculose anderer Organe 6. 
Alkoholisams und Delirium tremens 2, Lebensschwäche una 
Atrophia infantum 28, Marasmus senilis 26, Krankheiten des 
Verdauungscanals 51, Todtgeborene 31. 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters- 
bi^pger Wjnstag den 21. Januar. 

Tagesordnung: E. Anders: Zur operativen Behandlung 
der Missbildungen des Rectum. 

W. Beckmann: Ueber Uterusruptur. 

Nächste Sitzung des deutschen ärptli- 
chen Vereins Montag den 10. Pebruar. _ 

Sehering’s Pepsin-Essenz. Verdauohgsbeudliwerden. 
Trägheit der Verdauung. Sodbrennen, MagenverschleMpHing, 
die Folgon von Unmässigkeit im Essen und Trinken werden 
dnreh diesen angenehm schmeckenden Wein binnen kürzer 
Zeit beseitigt. 


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38 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


• * 


ST. PETFiKSBUKlilR 


UBIlICimiE WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 

Prof. Br. Karl Behio. Br. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Br. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 

Di« «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint eden ; |V Abonnements-Aufträge lowie alle Inserate 
Sonnabend.— Der Abonnementsprels ist in Bauland 8 Rbl. für das bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bloker in 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. I’ostzustellung; in den anderen St. Petersburg, Newsky-Prospect JA 14, zu richten — Kanusoripte 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xneertionapreis sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheiluugen bittet mau au 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von SchrBder in 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesaudt.— j St. Petersburg, Malaja Italjanskaja Jfi 33,Quart. 3, zu richten. Sprech- 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. ! stunden täglich von 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 

JG 4 St Petersburg, 25. Januar (6. Februar) 1892 


Inhalt: Paul Klemm: Ein Fall von Verrenkung des Zeigefingers nach hinten. — Pani Werner: Mittheilungen 
aus dem Hospital der Börsenkanfmannschaft in .St. Petersburg. — Referate: G. Wild: Nutzen der subcutanen Wasgerin- 
jectionen bei Cholera infantum. — Prof. G. Lewin: Ueber Myositis syphilitica diffusa s. interstitialis. — Bücheranzeigen 
und Besprechungen: S. Rahemann: Die Influenza in dem Winter 1889/90 nebst einem Rückblick auf die früheren In¬ 
fluenza pandemien. — Albert Hot'fa: Lehrbuch der orthopädischen Chirurgie. — Auszug aus den Protokollen der medi- 
cinischen Gesellschaft zn Dorpat vom Jahre 1891. (Foitsetznng). — Protokolle der Sitzungen des III. livlän- 
diachen Aerztetages in Walk. (Fortsetzung). — Kleinere Mittneilungen und therapeutische Notizen. — Ver¬ 
mischtes. — Vacanz. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Ein Fall von Verrenkung d*s Zeigefingers nach 

hinten. 

(Aus d. chirnrg. Ambulanz des Stadtkrankenhanses zu Rign). 

Von 

Dr. med. Paul Klemm. 


Die Luxationen der Fingergelenke, speciell diejenigen 
der Articul. metacarpo-phalangea indicis gehören zu den 
selteneren Verletzungen dieser Art. Wir finden in der 
Casuistik eine beschränkte Anzahl hierher gehöriger Fälle 

Albert 1 ) erwähnt 6 Fälle von Verrenkung des Zei¬ 
gefingers nach hinten, Hamilton 2 ) 2, Puky 3 ) theilt eine 
eigene Beobachtung mit und giebt zugleich eine litera¬ 
rische Hebersicht der uns hier interessirenden Verletzung. 
Er zählte dabei 6 Fälle auf: je einer gehört Raiser, 
Bertillon und Hüter, 2 Hamilton. Ferner berichtete 
Bardenheuer 4 ) über 3 Fälle und von Zoege-Man- 
teuffel 5 ) Uber einen. 

In Summa macht das, wenn ich meinen Fall mitzähle, 
11 Fälle von Verrenkung des Zeigefingers nach hinten. 

ieh erlaube mir nun folgenden, in der chirurgischen 
Ambulanz des Rigaschen Stadtkrankenhauses von mir 
beobachteten Fall zu schildern: 

Anamnese: 

Patient X. 30 a. u. giebt an, dass ihm vor einigen Stunden 
ein Schrank auf das Dorsura der rechten Hand gefallen sei. 
Nach der Verletzung konnte Pat. den Zeigefleger der betref¬ 
fenden Hand nicht mehr bewegen. Von einem Feldscheer waren 
Repositionsversuche, jedoch ohne Erfolg, unternommen worden. 

Statns praesens: 

Der gut genährte, kräftig gebaute Patient zeigte an der 
rechten Hand folgende Abnormität : der Zeigefinger befindet 
sich in dorsaler Flexion und erscheint verkürzt. Die Verkiir- 


’) Lehrbuch d. Chirurgie. 

*) Knochenbrüche n. ^ errenkungen. -Deutsch v. Rose 1877. 
3 ) Wien. med. Wochschrift. 1875 Nr. 27. 

*) Die Verletzungen d. oberen Extremitäten. 
s ) Ein Fall von Luxation d. Zeigefingers nach hinten. St. 
Petersb. med. Wochenschrift. 1869 Nr. 49. 


znng betrifft besonders die I Phalanx desselben. In der Vola 
raanns lässt sich das Capitnlnm metacarpi indicis deutlich pal- 
pireu, während am Dorsnm das Köpfchen der Grundphalanx 
vorspringt nnd zwar ist dasselbe ulnarwärts gelagert, die 
Strecksehne ist als deutlicher Strang fühlbar; die Beugesehne 
ist nicht zu palpiren. 

Activ können keine Bewegungen atugeführ* vraopdou, panaiv 
8ind solche nur unter grossen Schmerzen möglich. 

Am Dorsum der Hand. 3 Cm. unterhalb des Capitnlnm me¬ 
tacarpi indicis ist eine 1.5 Cm. im Durchmesser haltende exco- 
riirte Stelle sichtbar. 

Therapie: Die Reposition gelang in der Chloroformnarkose 
ziemlich leicht dnrch Ueberstrecken der luxirten Phalanx nnd 
Verschieben derselben in der Richtung der Geleukfläche des 
Mittelhandknochens. 

Was den Mechanismus dieser Luxation anbetrifft, so 
kann derselbe auf 2 Arten zu Stande kommen. Es kann 
einmal eine starke Ueberstreckung des Zeigefingers iin 
Metacarpo-phalangealgelenk stattfinden. Durch dieselbe 
wird das Köpfchen der Grundphalanx allmälig auf das 
Dorsum des Mittelhandknochens herübergeführt, bis bei 
fortgesetzter Gewalteinwirkung schliesslich eine Abhebe- 
lung der Gelenkflächen eintritt. Bei Fall auf die Hand 
mit stark dorsaler B’lexion der Finger, ja wohl auch 
durch Fall auf die gestreckten Finger selbst, kann durch 
den eben geschilderten Mechanismus Luxation der Finger 
nach hinten verursacht werden. Gewaltsames Rückwärts¬ 
biegen der Finger, wie es bei Raufereien vorkommt, kann 
gleichfalls die in Rede stehende Verrenkung bewirken. 
So theilte Hamilton einen Fall von Luxation des Zei¬ 
gefingers nach hinten bei einer 30jährigen Frau mit, die 
dadurch entstanden war, dass ihr Mann den betreffenden 
Finger gewaltsam nach hinten gebogen hatte. 

ln einer anderen Reihe von Fällen wird die Verren¬ 
kung dadurch erzeugt, dass die Gewalt direct auf die 
dorsale Fläche des oberen Endes des Metacarpus einwirkt. 
Das Köpfchen desselben wird gewaltsam nach vorn getrie¬ 
ben, die Gelenkkapsel reisst ein und das Capitnlnm pha- 
langis luxirt auf das Dorsum des Mittelhandiknocliens. 

Ich glaube in meinem oben geschilderten Fall den 
Luxationsmechanismus in dieser Weiso erklären zu müssen. 

Die Diagnose dieser Form der Verrenkung wird wohl 


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meist keine Schwierigkeit machen, da die Verkürzung des 
Fingers, die charakteristische Stellung desselben, sowie 
die deutlich sicht- und fühlbaren Vorsprünge der Köpfchen 
des Metacarpus und der Phalanx I einen Irrthum werden 
ausschliessen lassen. 

Eine andere Frage ist die der Reposition dieser Luxa¬ 
tionen und sie ist es, die denselben ein grösseres prak¬ 
tisches Interesse verleiht. Es ist eine den Chirurgen be¬ 
kannte Thatsache, dass in einer Reihe von Fällen sich 
der Reposition der Fingerverrenkungen unüberwindliche 
Schwierigkeiten in den Weg stellen. Schon die Mannig¬ 
faltigkeit der Instrumente, die dem Arzt die Einrichtung 
erleichtern sollen, giebt einen Beweis für die Wahrheit 
dieser Behauptung. Ich nenne unter Anderen den Flaschen¬ 
zug von Cooper, die Lewis’sche Vorrichtung zur Ein¬ 
richtung von Daumen- und Fingerverrenkungen, den 
Kirchhof’schen Apparat, das von Hamilton in seinem 
Lehrbuch beschriebene, einem Spielzeug der Indianer 
nachgebildete Instrument u. s. w. 

Man hat bei Repositionsversuchen gelegentlich solche 
Kraft entfaltet, dass die letzte Phalanx abriss, ohne dass 
es gelang die erste einzurichten, wie Hamilton mit Be¬ 
rufung auf Hey berichtet. 

Dass solche Kraftstücke auf Unkeuntniss des patholo¬ 
gischen Vorgangs der uns hier interessirenden Luxations¬ 
form beruhen, liegt auf der Hand. 

Wir werden die Reposition am besten nach der Methode 
von Roser, der dieselbe experimentell an der Leiche 
studirt hat, versuchen. Wir beugen zu diesem Zweck die 
verrenkte Phalanx kräftig nach rückwärts, um zunächst 
das Capitulum der Phalanx nach vom auf die Gelenk¬ 
fläche des Metacarpus zu bringen, dann wird schnell volar 
flectirt, wobei unter deutlichem Einschnappen die Reposi¬ 
tion erfolgt Misslingt die Einrichtung auf diese Weise, 
dann werden wir auch durch die verstärkte Gewalt, wie 
sie uns die Application der vorhin genannten Instrumente 
ermöglicht, nicht zum Ziel gelangen. 

Es handelt sich eben in derartigen schwierigen Fällen 
um ein Hinderniss in der Reposition, über dessen Gestalt 
viel gestritten worden ist. Für die Luxationen des Zeige¬ 
fingers nach hinten besteht dasselbe wohl in einer Inter¬ 
position von Theilen der vorderen Kapsclwand zwischen 
die beiden Gelenkköpfchen, wie von Zoege-Manteuffel 
das in seinem Fall beschrieben hat. Er konnte nach ope¬ 
rativer Eröffnung des Gelenkes beobachten, wie sich ein 
Theil der vorderen Kapselwand mit den Beugesehnen 
zwischen die Gelenkflächen hineinstülpte und die Reposi¬ 
tion verhinderte. Auch die Leichenversuche von Roser 
und Hüter machen es wahrscheinlich, dass die Interpo¬ 
sition von Theilen der Gelenkkapsel das gewöhnlichste 
Repositionshinderniss darstellt. 

Es empfiehlt sich jedenfalls, wenn die unblutige Repo¬ 
sition nicht gelingt, von weiteren gewaltsamen Maass¬ 
nahmen abzustehen, das Gelenk zu eröffnen und das Hin¬ 
derniss zu beseitigen, worauf die Einrichtung wohl meist 
gelingen wird. Es kommt natürlich Alles darauf an, eine 
baldige prima intentio zu erzielen, damit durch frühzeitige 
passive Bewegungen und Massage dem Gelenk seine volle 
Functionsfähigkeit gesichert wird. 


Mittheilungen aus dem Hospital der Börsenkauf¬ 
mannschaft in St. Petersburg. 

Von 

Paul Werner. 


Das neue Verfahren von Dahmen zur Auffindung von 
Tuberkelbacillen im Sputum 

Die verhältnissmässige Umständlichkeit des Bieder t- 
schen Verfahrens, namentlich der Umstand, dass man 

l ) S. u. A. Pharmaceut. Zeitschrift Nr. 39, 1891. 


bei demselben bis 2 Tage warten muss, ehe man zur 
Untersuchung schreiten kann, und die Ungleichmässigkeit 
der Untersuchungsresultate der gewöhnlichen Methode 
Hessen es mir wünschenswerth erscheinen, die neu em¬ 
pfohlene einer Nachprüfung zu unterziehen. 

Fortgesetzte, durch 2 Monate fast täglich vorgenommene 
Untersuchungen nach der einfachen und mühelosen Me¬ 
thode von Dahmen ergaben ausnahmslos gleichmässige 
Resultate, wie aus folgenden Beispielen zu ersehen. 

Mann von 28 Jahren. Acute Tuberculose der Lungen 
und des Darmes. Bis Ende October ergab jede Unter¬ 
suchung massenhafte Anwesenheit von Bacillen. Am 
25. October wurden bei der gewöhnlichen sorgfältigsten 
Untersuchung 2 ) keine Bacillen nachgewiesen; am 26. 
finden sie sich sehr spärlich, am 27. und 28. sind wie¬ 
der in 6 bis 8 Präparaten keine zu finden, am 1. Nov. 
sehr wenige. Die Controlluntersuchungen nach Dah¬ 
men ergaben: an allen gen. Tagen eine gleichmässige 
unzählbare Menge von BaciUen. 

Mädchen von 26. Jahren. Seit 1 Jahr hustend. Seit 
3 Monaten rascher Kräfte verfall, bis zu gezwungenem 
Aufgeben der Stellung. Befund: Consumptionsfieber. Sehr 
geringer Husten. Minima von Auswurf. Starke und 
auffallende Einziehung der Subclaviculargegend rechts. 
Fast absolute Dämpfung V. 0. R. in 2 Querfingerbreite; 
scharfes Exspirium und feines, selten hörbares Rasseln 
oberhalb und unterhalb des rechten Schlüsselbeins. Sonst 
an Lungen etc normaler Befund. 

Bei der gewöhnlichen Art der Untersuchung finden 
sich am 20. und am 26. Nov. keine Bacillen, am 23., 
29. Nov., am 4., 7., 11., 15. Dec. Bacillen in nicht 
grosser, stets wechselnder Anzahl. Unter manchem Ge¬ 
sichtsfelde keine, dann einige, 2 bis 8, dann zuweilen io 
kleinen Häufchen. Bei gleichzeitiger Untersuchung nach 
Dahmen findet sich an all den angeführten Tagen ohne 
Ausnahme eine stets gleichbleibende Anzahl von Bacillen 
in der Gleichmässigkeit, dass auf fast jedes Gesichtsfeld 
2 bis 6 Stäbchen kommen. 

Dieser Befund ist bis heute, wo das Fieber geschwun¬ 
den, der Allgemeinzustand ein ganz zufriedenstellender 
geworden und Auswurf nur noch selten zur Untersuchung 
zu erlangen ist, ganz derselbe geblieben. 

So constant sicher wie in den angeführten, waren die 
Resultate in allen vorgenommenen Untersuchungen, na¬ 
mentlich fanden sich Bacillen und oft reichlich da, wo 
bei gewöhnlicher Art der Untersuchung gar keine zu 
finden waren. 

Zu bemängeln wäre allenfalls bei dem neuen Verfah¬ 
ren nur folgender Umstand: Bei der gewöhnlichen Art 
des Fixirens über der Spiritusflamme ist die Haltbarkeit 
eine geringe: zuweilen schon beim Nachfärben, oft aber 
beim Abspülen, geht ein Theil — und zuweilen fast AUes — 
vom Präparat verloren. Beim Fixiren im Exsiccator 
wird dieser Uebelstand vermieden. 

2. Zur Untersuchung des Blutes auf Recurrensspirillen. 

Ein Verfahren, welches dem Praktiker die Diagnose 
erleichtert, muss jeder Zeit willkommen sein, besonders 
eben, wo von den bestehenden, wenn auch nicht sehr 
verbreiteten Epidemien drei, nämlich Abdominaltyphus, 
Influenza und Recurrens die Diagnose während der ersten 
Tage der Krankheit in dubio lassen. 

Von einem Collegen in Riga, Dr. Voss am Stadt¬ 
krankenhause, hatte ich vor Jahresfrist erfahren, dass 

*) Unter Sorgfältigster Untersuchung verstehe ich folgendes 
Verfahren: aus der ganzen 24stünd. Menge des Auswnrfs 
werden etwa sechs ca. bohnengrosse Partien herausgehoben 
und in einer Glasschale geduldigst durchgerührt; aus dieser 
Menge werden wieder 6 Theile genommen und auf minutiös 
gereinigtem Object träger mit Nadeln nach Möglichkeit zu 
einem gleichmüssigen Ganzen verbunden. Ans dem so Gewon¬ 
nenen werden endlich die Theilchen zu den Präparaten von 
verschiedenen Stellen entnommen. 


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41 


dort während einer Recurrensepldemie, wegen der gros¬ 
sen Schwierigkeit mit Mikroskop und Zubehör am Kran¬ 
kenbett zu erscheinen, der Versuch gemacht worden sei, 
Blutproben in den zum Aufsaugen der Lymphe beim Im¬ 
pfen gebräuchlichen Röhrchen zu entnehmen. Der Er¬ 
folg hatte gezeigt, dass in so gewonnenem Blut nach 
Stunden, ja nach mehreren Tagen die wohlerhaltenen Spi¬ 
rillen ganz ebenso gut nachzuweisen waren, wie im fri¬ 
schesten Präparat. 

Bei Gelegenheit des seit Beginn des Winters wieder 
auftauchenden Recurrensfiebers machte ich von diesem 
Verfahren Gebrauch. 

Von 10 Proben, die ich am 12. Dec. aus dem Alexan¬ 
der-Barackenhospital genommen, Hessen sich in zweien, 
die ich nach 24 St. untersuchte, keinerlei Unterschiede 
gegenüber ganz frischem Blut nachweisen. Die Blutscheiben 
waren intact, Spirillen in lebhaftester Bewegung. In den 
Proben, die erst 3, resp. ö und 8 Tage später zur Un¬ 
tersuchung kamen, Hessen sich keine Spirillen finden, 
während die zelligen Elemente des Blutes unverändert 
waren. Ein ähnliches Verhältnis fand sich auch in 
weiteren sehr zahlreichen Proben, die beim hiesigen Hos¬ 
pital genommen waren. 

Es erscheint somit das Verfahren nicht sicher genug 
betreffs der directen Untersuchung des Blutes. 

Dagegen ist es absolut sicher zu diagnostischen Zwecken, 
wenn man gefärbte Präparate anfertigt. In allen von 
mir angestellten Versuchen, über 30, bei denen ich 
Färben und Untersuchen bis 10 Tage seit Entnahme 
der Blutprobe hinausschob, Hessen sich die Spirillen in 
jedem Falle von Recurrens finden, selbst dort, wo, wie 
es zuweilen vorkommt, bei directem Untersuchen unter 
dem Mikroskop keine sichtbar waren. 

Es ist somit diese Art des Nehmens von Blutproben 
nur empfehlenswert^ namentlich den College«, die sich 
selber mit solchen Untersuchungen nicht befassen. 


Referate. 

G. Wild: Nutzen der subcutanen Wasseriiyectionen bei 
Cholera infantum. Memorabilien 5. Dec. 1891. 

Mittheilnng zweier Krankengeschichten: 1. Verf.’s eigenes 
Kind von7Monaten erkrankte plötzlich am Abend an stürmischem 
Erbrechen und Dnrchfall, so dass in wenigen Stunden das 
Kind vollständig verfiel. Alle Medieamente, sogar Aether, 
Champagner wurden erbrochen. Nach 4 ständiger Dauer der 
Krankheit war das Kind puls und respirationslos. Verf. spritzte 
mit einer . 5 Gr. fassenden Aspirationsspritze etwa 6 Spritzen 
destillirten Wassers an verschiedenen Körperstellen unter die 
Bant. Nach wenigen Minuten schon war der Puls wieder fühlbar, 
das Kind athmete - und genas. 

2. Ein ljähriges, schlecht genährtes Kind erkrankte an pro¬ 
fusen Diarrhoen und unstillbarem Erbrechen. Nach einigen 
Tagen hörte zwar das Erbrechen auf, nicht aber die Durch¬ 
fälle und das Kind kam so herab, dass der Exitus letalis unver¬ 
meidlich schien. Das Kind lag regungslos da, kalt, die Augen 
eingesunken und trocken, kaum sichtbare Respiration. Nach , 
den Wasserinjectionen (5 Spritzen ä 25 Gr. einer physiolog. 
Kochsalzlösung) wurde das Kind warm, fing an zu schreien, 
der Puls hob sich. Da aber Mutterbrust nicht zu beschaffen 
war, so ging das Kind doch an Atrophie zu Grande. 

Abelmann. 

Prof. G. Lewin: Ueber Myositis syphilitica diffusa s. in- < 

terstitialis. (Separatabdruck aus den Charite-Annalen j 
1891). 

Von den beiden Kategorien der Myositis syphilitica, näm¬ 
lich der M. gummosa und der M. diffusa, ist die erstere schon 
seit dem 15. Jahrhundert allseitig bekannt, die letztere dage- . 
gen erst in diesem Jahrhundert erforscht. Trotzdem die Myo¬ 
sitis diffusa wiederholt Gegenstand eingehender Untersuchun- j 

f ren gewesen ist, sind doch nur verhältnissmässig wenig wirk- 
iche Krankenbeobachtungen publicirt worden. Höchst wahr¬ 
scheinlich ist in der grossen Mehrzahl der Fälle die Myositis 
diffusa nicht diagnosticirt und für rheumatische Affectionen 
gehalten worden. Das genaue Krankheitsbild der Myositis dif¬ 
fusa syphilitica entwirft L. an der Hand von 39 aus der Li¬ 
teratur gesammelten und 6 eigenen Krankheitsbeobachtungen, 
nachdem er in der Einleitung die geschichtliche Entwickelung 


der Mvositis syphilitica gegeben hat. Der pathologische Pro- 
cess, aer der Myositis zu Grunde liegt, wird von aen älteren 
Autoren als die Exsndation einer eigentümlichen die Muskel¬ 
textur umwandelnden Lymphe aufgefasst (Ricord). Virchow 
sieht in der Myositis eine mit Granulationsprocessen im Mus¬ 
kel einhergehende Entzündung, die eine Disposition des be¬ 
fallenen Muskels zu schwieliger Entartung bedingt. Die spe- 
cielle mikroskopische Untersuchung bestätigt in Einzelheiten 
die Auffassung Virchow’s über den Krankheitsprocess. 

Ueber die Aetiologie der Myositis diffusa ist wenig Posi¬ 
tives bekannt. Das Geschlecht spielt keine, das Lebensalter 
nur in sofern eine Rolle, als die Myositis wie die syphiliti¬ 
schen Erkrankungen überhaupt in der Altersstufe von 20—40 
Jahren am häufigsten vorkommt. Von keiner Bedeutung für 
die Entstehung der Myositis ist Constitution und Lebensweise. 
Unter den Puellis pnblicis der Charit^, die zuin grossen Theil 
durch die Ausschweifungen geschwächt nnd entkräftet sind, 
wnrde nnr ein Fall von Myositis beobachtet. Die Myositis tritt 
in den meisten Fällen in den früheren Perioden (’/*—17* Jahr 
nacli der Infection) auf, obwohl auch Erkrankungen in spä¬ 
terer Zeit nicht zu den Seltenheiten gehören. Meist erscheint 
die Affection nicht allein, sondern ist von CompHcationen theil - 
weise schwerer Art (Exostosen) begleitet. Trotzdem kann man 
nicht behaupten, dass die Myositis vorwiegend bei den 
galoppirenden Formen der Lues vorkommt. Von der Myositis 
können alle quergestreiften Muskeln befallen werden. Am 
häufigsten erkrankt der M. biceps brachialis. Ein Ueberwie- 
gen des rechten über den linken Biceps als Folge des stärke¬ 
ren Gebrauches des ersteren ist nicht zu constatiren. Ueber- 
haupt sind die Angaben der Autoren über die Gelegenheitsur¬ 
sache der Myositis (forcirte Bewegung, Erkältung, Sinapisraus 
n. s. w.) mit Vorsicht anfznfassen. 

Der Symptomencomplex der Mvositis ist ein verhältniss¬ 
mässig einfacher. Die bei jeder Entzündung anftretende Hy- 
peraemie, Transsudation von Blutserum und Exsudation von 
weis8en Blutkörperchen stellen sich mehr oder weniger ein. 
Die Hyperaeraie kann natürlich bei intacter Haut nicht er¬ 
kannt werden. Das zweite Entzündungsstadinm stellt sich 
durch Bildung eines Tumors dar, der duvch Vergleich des 
Muskels mit dem der andern gesunden Seite leicht constatirt 
werden kann. Diese Geschwulstbildung geht stets völlig 
schmerzlos vor sich, wie überhaupt alle aUmälig entstehenden 
syphilitischen Processe indolent verlaufen. Schmerzen treten 
nnr dann anf, wenn das Periost beim Fortscureiten der Er¬ 
krankung ergriffen wird. Da die Nerven des fest auf dem 
Knochen liegenden Periosts dem Drucke der wachsenden Ge¬ 
schwulst nicht ausweichen können, entstehen die von vielen 
Autoren als für Myositis pathognomonisch angegebenen Schmer¬ 
zen. Die Schmerzlosigkeit der Myositis ist vpn grosser Bedeu¬ 
tung: sie erklärt die Seltenheit der Krankheitebeobachtnngen 
der Myositis. Die schmerzlos entstandenen, wenig Symptome 
machende Muskelgeschwulst wurde übersehen; erst wenn eine 
gummöse Neubildung entstanden war, wnrde die Diagnose ge¬ 
stellt. Trotz des ira Allgemeinen schmerzlosen Verlaufs der 
Myositis giebt es Fälle, in denen irradiirte Schmerzen z. B. 
bei Bicepserkranknng in den N. thoracicis u. a. empfanden 
werden. Sehr charakteristisch sind für die Myositis die moto¬ 
rischen Störungen. Wahrscheinlich besteht eine dynamome- 
trisch nachweisbare Herabsetzung der Muskelkraft. Doch ist 
dieser Nachweis oft durch die accidentell vorhandene Schmerz¬ 
haftigkeit erschwert. Die. Entwickelung der motorischen Stö¬ 
rung beginnt mit einer «Gene» beim Gebrauch des erkrankten 
Gledes (z. B. Schwierigkeit beim Einfädeln der Nähnadel). Im 
weiteren Verlauf werden die Glieder in Flexion gehalten, so 
dass eine Contractur vorgetäuscht werden kann. Die Contrac- 
tur des M. sterno-cleido-mastoidens bewirkt Capnt obstipum, 
des M. trapezins Torticollis. Die Myositis des Mm. masseter 
und teinporalis erschwert die Oeffnung der Mundes und dem 
entsprechend das Kauen: ja es kann in hochgradigen Fällen 
zur Kieferklemme kommen. Werden Muskeln von Extremitä¬ 
ten befallen, so ist Gebranchsunfähigkeit der betreffenden Ex¬ 
tremität die Folge. Myositis des M. sphincter ani externus be¬ 
wirkt während und nach der Defäcation Tenesrans. Eine wirk¬ 
liche Lähmung des erkrankten Organs durch Myositis ist nur 
bei der Affection des M. spliincter ani beobachtet worden. 
Dieselbe ist durch den Ersatz der M uskelsubstanz durch Nar¬ 
bengewebe zu erklären. Diese Thatsache beweist, dass die 
Myositis syphilitica auch auf das trophische Verhalten des er¬ 
krankten Muskels von Einfluss ist. Während zuerst eine Hy¬ 
pertrophie sich entwickelt, entsteht in der Folge durch Inac- 
tivität und durch den anatomisch nach gewiesenen Ersatz der 
Muskelfibrillen durch neugebildetes schwieliges Bindegewebe 
eine directe Atrophie. Im weiteren Verlauf kann es zu völli¬ 
gem Ersatz des Muskels durch festes Bindegewebe, zu Ver¬ 
knorpelungen, Verkalkungen und Verknöcherungen kommen. 
Doch existirt in der von L. gesammelten Casuistik kein Fall, 
der für die drei letzten von den Anatomen angegebenen Even¬ 
tualitäten spricht. Die Therapie der Myositis syphilitica ist 
die der Syphilis. In vielen Fällen hat sich'Jodkali bewährt, oft 
haben Quecksilbercuren Erfolg gebracht. Sublimat!njectionen, 


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Inunctionen, Quecksilberjodür haben in gleicher Weise Hei¬ 
lung herbei geführt. Adjuvantia bilden Massage und Elektrici- 
tftt. Bei der Myositis des M. sphincter ani wurde die Myotomie 
mit Erfolg angewandt. _ Heller. 

BUcheranzeigen und Besprechungen. 

S. Ruhemann. Die Influenza in dem Winter 1889/90 
nebst einem Rückblick auf die früheren Influenza¬ 
pandemien. Leipzig. Verlag von Georg Thieine 1891. 

Diese von der Berliner Hufeland’schen Gesellschaft preisge¬ 
krönte .Schrift wird gewiss nicht verfehlen binnen kürzester 
Frist einen grossen Leserkreis unter den Aerzten sich zu 
erwerben, steht doch der Gegenstand des Themas noch immer im 
Vordergründe des Interesses. Zudem bietet die vorliegende 
Arbeit einen äusserst klaren Ueberblick über das Bild der 
Krankheit. Nachdem Verf. einen vorzüglich zusammengestellten 
Rückblick auf frühere Influenzapandemien, angefangen vom 
Jahre 1387, gegeben hat. schildert er eingehend den Gang der 
Epidemie von 1889,90 und die dabei in Betracht kommenden 
ätiologischen Verhältnisse der Influenza. Die Symptomatologie 
der Krankheit, die verschiedenen Complicationen von Seiten 
der Brustorgane, des Nervensvsteras. der Sinnesorgane werden 
ausführlich behandelt unter Zugrundelegung der Litteratur. 
Da die vorliegende Abhandlung in einem Zeitraum abgeschlossen 
wurde, wo das literarische Material über die letzte Influenza¬ 
pandemie noch lange nicht seinen Abschluss gefunden hatte, 
sind einzelne Symptome weniger berücksichtigt worden, jedoch 
der Gesammtbli’ck über das Bild der Krankheit lässt nichts 
zu wünschen übrig. Abel mann. 

Albert Hoffa Lehrbuch der orthopädischen Chirurgie. 

Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke 1891. 

Das 748 Seiten starke Buch bildet den ersten Band einer 
neuen Sammlung medicinischer Lehrbücher, welche unter dem 
Titel «Bibliothek des Arztes» von der rühmlichst bekannten 
Verlagshandlnng herausgegeben wird. Die Sammlung soll das 
gesammte Gebiet der wissenschaftlichen Medicin umfassen. 
Wenn die folgenden Bände in ähnlicher Weise bearbeitet 
werden, wie der vorliegende erste, so kann man dem Unter¬ 
nehmen eine sehr günstige Prognose stellen. Das Hoffa'sehe 
Lehrbuch dürfte ziemlich Alles enthalten, was wir an Wissens- 
werthem im Gebiet der allgemeinen und speciellen ortho¬ 
pädischen Chirurgie besitzen. Lobend hervorzuheben ist beson¬ 
ders, dass ans der fast unübersehbar grossen Litteratur nur das 
bleibend Werthvolle berücksichtigt wird; bei der in unserer 
Zeit herrschenden Vielschreiberei ist strenge Kritik sehr am 
Platz. Die Darstellung ist knapp und präcise. Angenehm wäre 
es, wenn der häufig recht trockene Stoff sich in lebendigerer 
und daher mehr anregender Form präsentiren würde. 

Auf Einzelheiten einzugehen liegt keine Veranlassung vor. 
Wer sich für den Gegenstand interessirt, muss das Buch selbst 
lewen. Wanach. 

Auszug aus den Protokollen 
der medicinisohen Gesellschaft zu Dorpat 
vom Jahre 1891. 

(Fortsetzung). 

5. Herr Dehio referirt im Anschluss an seinen auf der vo¬ 
rigen Sitzung gehaltenen Vortrag über Bradvcardie einen 
weitern Krankheitsfall. Ein Mann von 46 Jahren leidet in 
Folge mehrerer Attaquen von Gelenkrheumatismus an einer 
leichten Aortenstenose mit massiger Vergrösserung des linken 
Ventrikels; seine Pulsfrequenz beträgt im Stehen und Gehen 
etwa 50, in ruhigem Liegen etwa 40 Schläge in der Minute. 
Atropininjectionen von 1,0 und 1,8 Milligramm Atropin, sulf. 
bewirken keinerlei Beschleunigung des Pulses. Redner führt 
aus, dasB dieses auffallende Factum sich wohl nur durch die 
Annahme einer der Bradycardie ei gen tliüra liehen Erkrankung 
des automatischen Gangliensysteras des Herzens erklären lässt. 

6. Ferner referirt Herr Dehio über experimentelle Un¬ 
tersuchungen zur Bestimmung des Volumens der rück¬ 
ständigen Luft gesunder Lungen. Die Untersuchungen 
sind in Königsberg von Dr. Berenstein unter Leitung des 
Prof. Hermann ausgeführt worden, und ist das Nähere in 
der DisBertationsschrift des Dr. Berenstein nachzulesen. Die 
Methode eignet sich nach Ansicht des Vortragenden auch sehr 
gut, um die rückständige Luft emphysematischer Lungen zu 
bestimmen. 

7. Herr Krüger: Ueber den Phosphor- und Schwefel¬ 
gehalt der Leberzellen in verschiedenen Lebens¬ 
altern. 

De hinsichtlich des Eisengehalts der Leberzellen gewon¬ 
nenen und in einer Sitzung hierselbst mitgetheilten Resultate 
veranlassten Vortragenden zu weiteren Untersuchungen an 
dem genannten Organ. Ebenso wie das Eisen in der foetalen 
Leber aufgespeichert wird, um gleich nach der Geburt, mit 
Eintritt der Lungenathmnng und der daraus resultirenden 


Circulationsänderung, aus ihr weiter in den Organismus be¬ 
fördert zu werden und zum Aufbau irgend welcher Körper¬ 
teile, wahrscheinlich des Haemoglobins zu dienen, kann dieses 
auch von andern Elementen angenommen werden. De Bedeu¬ 
tung des Phosphors für das Knochenwachsthum legte es 
nahe, zunächst an ihn zu denken. Es war nicht ganz unwahr¬ 
scheinlich, dass auch er lieim Foetus in der Leber deponirt 
würde, um nach der Geburt zweckentsprechend zur Geltung 
zu kommen. Neben dem Phosphorgehalt sollte aber auch gleich¬ 
zeitig der Schwefelgehalt bestimmt werden. Auf die Unter¬ 
suchungsmethode geht Vortr. nicht näher ein, sondern ver¬ 
weist auf das schon früher Gesagte. 

Zur Untersuchung gelangten im Ganzen 133 Lebern von 
Rinderfoeten, Kälbern und erwachsenen Rindern. Das Resul¬ 
tat ist in nachstehender Tabelle wiedergegeben. 




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n. 



Kälber 

qphjcn 

Rübe. 

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30-40 ; 

40-60 ! 

50-80 I 

60—TO 

70-90 \ 

80-100 




Cm. | 

Cm. 

Cm. I 

CcQ. 

Cm. 

Cm. 1 
1 1 

Cm. 




P. 1,75! 

1,74 1 

1.71 1 

1,73 1 

1,65 1 

1,69 ! 

1,72 

1,46 

1,30 

1,29 

S. 1.86! 

1,78 i 

1,82 

1,86 ; 

1,75 

1,70 

1,74 

1,77 

1,75 

1,73 


Daraus ergeben sich folgende Schlüsse: 

1. Der Schwefelgehalt ist in allen Lebensaltern fast der 
gleiche. 

2. Beim Phosphor zeigen sich deutliche Unterschiede je 
nach den Lebensperioden. Den grössten Gehalt an Phosphor 
weist die foetale Leber auf, doch ist derselbe während dieser 
ganzen Periode annähernd gleich. Sofort nach der Geburt tritt 
eine Verminderung in dem nrocent. Phosphorgehalte ein. Am 
geringsten fällt er bei den Erwachsenen ans. • 

3. Das Geschlecht bedingt weder im Phosphor- noch im 
Schwefelgehalte einen Unterschied. 

8. Herr Krüger theilt die Resultate aus 3 Analysen 
des Bluts von an Myxoedem leidenden Weibern mit. 

Die Untersuchungen sind nach der Methode von Alex. 
Schmidt ausgeführt. Das Ergebniss ist in folgender Tabelle 
wiedergegeben, und daneben zum Vergleich die mittlere Zu¬ 
sammensetzung des Bluts gesunder Männer und Weiber au¬ 
geführt . . 






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43 


Ans den vorstehenden Untersuchungen ergebt sich, dass 

1. beim Myxoedem das spec. Gewicht des Bluts und des Serum, 
sowie die betreffenden Trockenrückstände gegenüber der Norm 
bedeutend erhöht sind; 

2. der Haemoglobingehalt gesteigert ist, und 

3. das Verhältnis zwischen feuchten Blutkörperchen inner¬ 
halb sehr weiter Grenzen schwankt. 


9. Herr Me yer demonstrirt eine Patientin, an welcher er am 
22. Mürz die Ovariotomie unternommen. Von der Exstirpa¬ 
tion des ganzen Tumors hatte Abstand genommen weraen 
müssen und wurde die Operation durch Einnähun^ der Cysten¬ 
wand in die Banchwunde beendet.—Eh Noormäggi, 50V* Jahre 
alt, II para, hatte im 48. Lebensjahre die Menses verloren. Im 
Herbst 1890 traten atypische Blutungen ein gelegentlich stär¬ 
kerer körperlicher Anstrengungen. Nach einer gynäkologischen 
Untersuchung (möglicher Weise Aufrichtung des Uterus) si- 
stirten unter Auftreibung des Leibes die Blutungen. Der Leib 
nahm bis Weihnachten 1890 wieder ab, von da an continnir- 
lich zu. Pat. wurde immer schwerfälliger, es traten Oedeme 
der unteren Extremitäten, namentlich der linken, ein. Ara 
12. März wurde durch eine Punction etwa 1 Liter leimfarbe- 
ner Flüssigkeit entleert. Im Abdomen fand sich ein enormer 
fluctuirender Tumor, der vorderen Bauchwand anliegend, die 
Darmschlingen in die seitlichen Abdominalre^ionen ver¬ 
drängend. Elender Ernährungszustand, jedoch keine Albumi¬ 
nurie. Bei der Operation erwies es sich, dass der Tumor im 
ganzen Umfange verwachsen war. Das Cystom wurde beim 
Suchen nach dem Peritoneum eröffnet. Da innerhalb l’/s 
Stunden nur etwa \s des Tumors von Bauchwand und Darm 
getrennt worden war. musste die Cvstenwand mit der Bauch¬ 
wand vernäht werden. -- Vom 9. Tage an trat anhaltendes 
Fieber ein, für welches sich anch nachträglich keine, andere 
Ursache constatiren Hess, als die Resorption des jauchigen 
Cysteninhalts. Es wurden täglich Spülungen ansgeführt, 
mehrfach auch mehrstündige continuirliche Irrigationen. Na¬ 
mentlich erwies sich das Chlorzink in l°/oger Lösung wirk¬ 
sam. Die Jauchung wurde dadurch begrenzt, die Schrumpfung 
der Cyste ausserordentlich befördert. Vortragender gewann 
den Eindruck, dass Fiebers.eigerungen nach Anwendung des¬ 
selben eintraten. Pat. ist seit einigen Tagen afebril, die Cyste 
auf ein ganz geringes Volumen geschrumpft. Vortragender 
spricht die Ansicht aus, dass er die Bauchwunde in grösserer 
Ausdehnung hätte vernähen sollen. Die Ausbildung einer 
Hernie mit Vorwölbung der Cystenwand, welche sieb jetzt 
schon demonstriren lasse, hätte sich dadurch vermindern las¬ 
sen. Pat. soll nach einigen Wochen mit einer passenden 
Leibbinde versehen in die Heimath entlassen werden. Eine 
plastische Operation nach völliger Verödung der Cyste muss 
von vornherein ins Auge gefasst werden. Bemerfienswerth 
ei-scbeint die rapid rasche Entwickelung einer colossalen Cyste 
3 Jahre nach Eintritt der Klimax. 

Herr Zoe ge glaubt die Fiebersteigerungen nach der durch 
Oberst vertretenen Auffassung erklären zu dürfen. Beim 
Druck der Ausspülungen werden die oberflächlichen Granula¬ 
tionen zerstört, die Resorption begünstigt. Dass ferner die 
Wunde in nicht grösserer Ausdehnung vernäht worden ist, 
glaube er nicht als Fehler in Anschlag bringen zu können. 
Alle llaassnahmen der Nachbehandlung wären dann erschwert 
gewesen, der Ausgang quoad vitam in Frage gestellt worden. 
Das kleinere Uebel ist Neigung zur Hernienbildung. 

z. Z. Secretair Dr. Richard Otto. 


Sitzung am 28. August 1891. 

Der Präeseß weist hin auf den Verlust, den die Gesellschaft 
durch das Hinscheiden seines thätigen Gliedes Dr. Franz 
Hartraann erlitten. Die Mitglieder erheben sich von ihren 
Sitzen. — 

An Stelle des von seinem Amte zurückgetretenen Dr. Ri¬ 
chard Otto wird Dr. Robert Koch zum Secretair ge¬ 
wählt. 

HerrGerlach hält seinen angekündigten Vortrag: Ueber 
das Vorkommen specifisch färbbarer Körner im 
menschlichen Fettgewebe. 

Herr Gerlach referirt über zwei Befunde, welche er ge¬ 
legentlich einer bakterioskopischen Untersuchung 
eines Falles von reiner anaesthetischer Lepra fest¬ 
stellen konnte. 

I. Findet man anch bei macnlöser Form des Aussatzes die 
von Babes-Unna beschriebenen Involutiousformen von Lepra¬ 
bacillen in den Schweissdrüsen, welche in einer nicht zu 
grossen Entfernung von einem Hauptflecken gelegen sind. 
Somit erscheint die bisher gemachte principielle Unterschei¬ 
dung zwischen einer Haut- und einer Nervenlepra als end¬ 
gültig beseitigt. 

II. War eine eigenartige Erkrankung der Fettzellen vor¬ 
handen, welche bei weiteren Nachforschungen sich als eine 
von dem Aussätze ganz unabhängige Erscheinung erwies, da 
sie auch bei allen möglichen Krankheiten in 48"/o der Fälle 
nachweisbar war. Die Erkrankung besteht darin, dass 1) die 


Fettzellkerne eine deutliche bläschenförmige Vacuolisirnng 
erlitten und zugleich deutlich an Grösse 'zugenommen hatten, 
und 2) dass in den Protoplasmaresten um die Zellkerne herum 
sich ein Kranz von diplokokkenähnlichen Körnern gebildet 
hatte. Diese Gebilde sind dadurch scharf charakterisirt, dass 
sie nicht nur eine constante Gestalt besitzen, sondern auch die 
Tuberkelbacillenreaction ergeben. Durch Ausschliessung ver¬ 
schiedener Möglichkeiten bleibt schliesslich die Hypothese als 
die wahrscheinlichste nach, dass diese Körner bacillärer Natur 
seien, wenngleich betont werden muss, dass der stricte Nach¬ 
weis einer solchen durch Reinzüchtungen noch ausstehe. -- 
Zur mikroskopischen Technik wird hinzugefügt, dass man, wie 
es so oft wünschenswerth erscheint-, beim Einschluss der Prae- 
parate in Canadabalsam die Entwässerung derselben durch 
absoluten Alkohol dadurch umgehen kann, dass man das in 
Wasser getauchte Object zunächst mit Fliesspapier abtupft 
und hierauf eine kurze Zeit, und zwar nur nicht bis zur völ¬ 
ligen Austrocknung, der Lufteinwirkung überlässt. Dadurch 
wird eitle beim Trocknen unvermeidliche Schrumpfung der 
Praeparate vermieden und dem Origanumöl keine unüberwind¬ 
liche Aufgabe zugemuthet. 

Im Anschluss an einen Passus im Vorträge des Herrn Ger- 
lnch, dass diese Körner vielleicht als Residuen von Infections- 
stotfen aufgefasst werden könnten, erwähnt Herr Meyer einer 
in Schweden als «Cellulitis» beschriebenen Krankheit, die sich 
bei corpulenteren Personen als eine grobkörnige Beschaffenheit 
des Fettgewebes charakterisirt. Die Patienten klagen über 
dumpfe Schmerzen in den betroffenen Theilen (am häufigsten 
im Abdomen, ferner im Rücken, Oberschenkel, seltener in den 
Häuden und Füssen). Sie wird namentlich bei Frauen, die 
mehrfach geboren haben und an Cervicalkatarrhen leiden, beob¬ 
achtet, sie kommt wenn auch seltener bei Männern vor, die sich 
mrtder Grippe inficirt haben. Die mikroskopische Untersuchung 
steht leider noch aus. Herr Meyer hebt auch nur die rein 
klinisch interessante Seite der Krankheit hervor und hält es 
nicht für unmöglich, dass es sich hier um Ablagerung von 
Infectionsstoffen und Körnern handelt, die diese grobkörnige 
Beschaffenheit des Fettgewebes bedingt. 

z. Z. Secretär: Dr. Robert Koch. 

(Schluss folgt). 


Protokolle 

der Sitzungen des III. livländisohen Aerztetages 
in Walk. 

III. Sitzung. 10. September 1891, Morgens 9 Uhr. 

(Fortsetzung). 

2. Herr J. Brennsohn (Mitau): «Ueber Myositis ossi- 
ficans multiplex (progressiva)». 

Bis zum Janre 1887 sind nnr 2b Fälle von Myositis oss. 
uralt, mitgetheilt worden, seitdem, soweit dem Vortragenden 
die Literatur zugänglich gewesen, kein einziger. Der uns 
intere88irende Fall verhielt sich folgendermaassen: Ans Gram¬ 
kau, 20 a. n. stammt aus gesunder Familie Kurlands. Pat. 
ist von 8 Geschwistern in der Reihenfolge der dritte. Mutter 
an Phthise gestorben, die beiden älteren Geschwister in junr 
gen Jahren; die übrigen Geschwister und der Vater leben und 
sind gesund. Kein derartiges Muskelleiden in der Familie 
gewesen, anch sonst keine hereditäre Beanlagung. Pat. ist 
bis zu seinem gegenwärtigen Leiden gesund gewesen, ebenso 
wie seine Geschwister. Bereits ira frühen Kiudesalter fiel 
eine gewisse Schwerfälligkeit seiner Bewegungen auf, dann 
ein Höherstand der rechten Schulter und endlich eine seitliche 
Verkrümmung der Wirbelsäule. Vor 3 Jahren trat Pat. als 
Arbeiter in eine Fabrik ein (Wolltockerei). Weder hier 
noch auch sonst in seinem früheren Leben hat er Entbehrun¬ 
gen, Misshandlongen, Stösse oder Schläge zu erdulden gehabt. 
Zn der Zeit bemerkte Pat. eine Steifigkeit zuerst des rechten, 
dann auch des linken Armes, weiterhin des Rumpfes und der 
Beine. Die Zunahme dieser Erscheinungen machte ihm das 
Weiterarbeiten in der Fabrik unmöglich. Die Functionen der 
inneren Organe blieben gut. 

Stat. praesens: Aengstlich-blöder hilfloser Gesichtsausdruck, 
unsichere Haltung, bleischwerer Gang. Pat. ist nicht im 
Stande, sich allein an- und auszukleiden, er setzt sich müh¬ 
sam und nur mit Hilfe einer anderen Person. Der Thorax 
ist unbeweglich starr. Abdominaler Respirationstypus. 

Die Untersuchnng der inneren Organe und der Sinnesorgane 
ergiebt keinerlei Abnormitäten. 

Die Beweglichkeit des Kopfes ist auf ein Minimum reducirt, 
nur ganz geringe Neigung ist möglich, Drehbewegungen voll¬ 
ständig aufgehoben. Die Arme am Thorax fixirt, können 
nicht vom Rumpfe abdneirt werden, Beweglichkeit in den 
Schultergelenken gleich Null; linkes Ellbogengelenk ankylo- 
tisch, rechts sind unvollständige Beugungen und Streckungen 
möglich. Hand und Fingergelenke sind frei. Die Bewegun¬ 
gen an den unteren Extremitäten (Hüft-, Knie-, Fussgelenke) 


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44 


«ud möglich, werden aber Ärgernd, langsam und mit grosser 
Steifigkeit ausgeführt. 

Die Wirbelsäule ist mit der Oonvexität nach rechts skolio- 
tisch verkrümmt und zwar in den mittleren und unteren 
Partien. Auch dem Laien fällt neben dieser Skoliose sofort 
eine Unebenheit des Rückens auf, es wechseln Erhöhun¬ 
gen und Ver:iefungen mit einander ab, etwa wie bei 
einer plastisch dargestellten Gebirgskarte, beim Palpiren fühlt 
man eine unebene höckerige harte Masse, welche an Stelle der 
Rückenmuskulatur getreten ist. Die Unbeweglichkeit der 
Oberarme hat ihren Grund in einer Verknöeherung der Wan¬ 
dungen der Achselhöhlen, des Latissimus dorsi und des Peclo- 
ralis major. An den letzteren finden sich noch hier und da 
flngerkuppengrosse weiche Stellen. Das Gleiche gilt von den 
Muse, deltoiaei. A ähnliche Verhältnisse findet man an den 
Muse, serrat. ant. maj. und den Intercostalmuskeln ; desgleichen 
sind die Nackenmuskeln vollkommen verknöchert. An der 
Vorderseite des Halses fühlen sich alle Muskeln rigid an, 
besonders der rechte Sternocleidomastoideus; unter dem linken 
Unterkiefer, dem Mnsc. mylohyoid. entsprechend fühlt man 
eine knöcherne Wucherung, die sich deutlich mit den Fingern 
umgreifen lässt, stalaktitenförmig senkrecht zur Haut hinzieht. 
Die Muskeln des Bauches fühlen sich ebenfalls hart an, am 
oberen Drittheil des rechten Muse, rectus abdom. fühlt man 
eine 3—4 Cm. im Durchmesser haltende rundliche teigige, je¬ 
doch nicht schmerzhafte Stelle (6 Wochen später war diese 
Stelle _ bereits härter und fester geworden). Ebenso fühlen 
sich die Muskeln der Oberschenkel rigid an. An der Streck¬ 
seite des linken Oberschenkels, etwa in der Mitte derselben, 
ist eine dicke korallenartige knöcherne Wucherung, die senk¬ 
recht zur Haut zieht, vorhanden. Alle übrigen nicht nament¬ 
lich genannten Muskeln sind fester und straffer, als in nor¬ 
malem Zustande. Vollständig frei sind die Gesichtsmuskeln, 
namentlich ist das Kauen noch vollständig ermöglicht; ebenso 
die Muskeln der Vorderarme, der Hände und ist die motori¬ 
sche Kraft derselben nngeschwächt. 

Zum Unterschiede von den bisher beobachteten Fällen ist 
dieser Fall ganz ohne jegliche schmerzhafte Empfindungen 
verlaufen. Ebenso haben Röthung und vermehrte Wärme sich 
nicht gezeigt. 

Die Krankheit hat wahrscheinlich nicht erst vor 3 Jahren, 
sondern bereits in früher Kindheit ihren Anfang genommen. 

Ueber die Aetiologie der in Rede stehenden Krankheit giebt 
auch dieser Fall keinerlei Aufklärung. 

Pathologisch-anatomische Untersuchungen liegen von meh¬ 
reren Autoren vor: nach diesen handelt es sich nm eine Um¬ 
wandlung der Muskeln in wirkliches Knochengewebe. Neben 
den verknöcherten Muskeln fanden sich fibrös degenerirte und 
einfach atrophische. 

Der Verlauf der Krankheit ist ein durchaus chronischer, 
die Therapie ohnmächtig. 

Im August 1891 war Gelegenheit zu einer erneuten Unter¬ 
suchung des Patienten geboten. Das Leiden hatte weitere 
Fortschritte gemacht. An den Halsmuskeln ist noch die Ver¬ 
knöcherung der Scaleni hinzugekoramen, die beiden Muse, 
rect. abdom. springen als straffe fibrös sich anfühlende 
Wülste vor; von den beiden Crist. oss. il. ziehen leistenför¬ 
mige stark verzweigte Knochenspangen den Glut. magn. ent¬ 
sprechend hin, die sich an ihren Ansatzpunkten federnd be¬ 
wegen lassen. Am linken Oberschenkel ist der Vastus exter- 
nus vollständig verknöchert. Pilzförmige dicke Exostosen 
finden sich auch an der Crista des linken Schienbeines. Die 
Lage des Pat. ist eine noch hilflosere geworden. 

Discussion: 

Herr Ed. Schwarz (Riga) erwähnt, dass die Aetiologie 
dieses sonderbaren Leidens dunkel sei. Wenn man jedoch 
einigen Symptomen, die der Vortragende weniger berücksich¬ 
tigte, näher tritt, so wird es möglich, in dieses Dunkel ein¬ 
zudringen. Red. habe im Jahre 1885 Gelegenheit gehabt, 
einen einschlägigen Fall zu beobachten und erlaube sich den¬ 
selben in p* otographischen Bildern vorzulegen. Dieselben 
stellten einen damals 11jährigen Judenknaben, Zemach Herr, 
aus Kurland dar, der das Bild der Myositis ossificans progr. 
in typischer Weise zeig e. Die Uebereiustimmung der einzel¬ 
nen Fälle sei meist eine sehr grosse. So könnte es z. B. den 
Anschein haben, dass zu den Photographien, die dem Zemach 
Herr entstammen, ein Kranker gesessen hätte, den Herr I)r. 
Gerber in seiner Dissertation beschrieben (die Gerber’sche 
Zeichnung wird zum Vergleiche demonstrirt). Bei der Myo¬ 
sitis ossif. progr. sei von aetiologischer Bedeutung zunächst 
eine Missbildung; bei genauerer Betrachtung der Photogra¬ 
phien des Zemach Herr falle der überaus kleine Daumen und 
eine noch rudimentärere grosse Zehe auf. Diese atavistischen 
Bildungen seien von den meisten Autoren beobachtet worden 
und deuteten auf eine fehlerhafte congeDitale Anlage. 

Weiterhin sei eine grosse Regelmässigkeit im Befallensein 
der einzelnen Körperregionen zu erkennen Die Erkran¬ 
kung beginnt meist an den Schultermuskeln, in zweiter 
Linie würden Rücken-, Brust- und Halsmuskeln befallen, 


schliesslich die Oberarme und Obersclieukel; Unterschenkel 
und Unterarme blieben meist frei. Das Befallen werden dieser 
Gegenden finde sich in auffallendster Weise wieder bei der 
Dystrophia musculorum progr. Herr Müller sei so freundlich 
gewesen, einen typischen Fall dieser Krankheitsform mitzu¬ 
bringen und erlaube sich Red. an dem Kranken diese Ver¬ 
hältnisse zu demonstrirep. Hier sei schon die Rücken-, Brust-, 
Schulter-, Oberarm- und Oberschenkelmusculatur hochgradig 
atrophisch; die Unterschenkel sind, wie häufig in diesen Fällen, 
hypertrophisch und contrastiren dadurch noch besonders zu 
den dünnen Oberschenkeln. Ein ähnliches Verhältniss zeigten 
die oberen Extremitäten; die Ausbreitungsbezirke beider Er¬ 
krankungen seien dieselben; auch einige andere Symptome 
wurden bei beiden Erkrankungen gefunden. Bei der Myositis 
oss. prog. finden sich, wie auch Herr Brennsohn referirt, 
einfache Atrophien von Muskeln, die in anderen Fällen ossi- 
ficirt gefunden und die auch bei der Dystrophia musc. progr. 
befallen würden; beide Erkrankungen bevorzugten jugendliche 
Individuen, sonderbarer Weise meist Knaben. Die Dystrophia 
musc. progr. beruht auf fehlerhafter congenitaler Anlage, was 
an dem Befallenwerden ganzer Familiengenerationen gut stn- 
dirt werden könne. Somit sei es wohl Kaum zu weit gegan¬ 
gen, wenn man auch die Myositis ossif. progr. als auf fehler¬ 
hafter congenitaler Grundlage entstanden auffasse. Ganz 
dunkel sei die Pathogenese der Myositis oss. progr. Die Er¬ 
krankung träte in einzelnen Schüben auf und sei der Hergang 
meist ein gleicher; an einer oder der anderen Schulter zeigte 
sich eine Beule, die wenig schmerze, sich ein wenig wärmer 
anfühle, als die Umgebung: diese schwinde allmälig in 1—2 
Wochen und aus ihr entwickele sich direct knochiges Gewebe; 
dann entständen nach einiger Zeit in der Umgebung andere 
Beulen, aus denen sich wieder direct Knochenmassen entwickel¬ 
ten. Ausnahmsweise vereiterten diese Beulen, wiedas an einem 
Kranken an einer Beule unter dem Kinn zu beobachten ge¬ 
wesen sei. Diese eigentümlichen Verhältnisse zu erklären, 
sei man heut zu Tage ausser Stande. 

Was die pathol. Anatomie anlangt, so weise Red. a tf die 
Sectionen hin, die in dem Arnold’schen Institute in Heidelberg 
gemacht worden. Die von Miinchmeyer und Gerber beschrie¬ 
benen Kranken kamen in Heidelberg zur Section und seien 
die Befunde in einer Dissertation von K. Mays niedergelegt 
worden. Hier werde betont, dass die Erkrankungen der Mus¬ 
keln secundärer Natur seien, theils in einfacher Atrophie, theils 
in lipomatöser Entartung beständen. Der pathologische Pro- 
oes8 nähme seinen Ausgangspunkt vom Bindegewebe und die 
Muskelerkrankungen kämen durch Compression und verän¬ 
derte ErnährungsVerhältnisse zu Stande. 

(Schluss folgt). 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— In einer der letzten Sitzungen der Academie der Medicin 
zu Paris berichtete Olli vier über den folgenden Fall: Ein 
junges Mädchen von 20 Jahren erlag einer aenten tuberculö- 
sen Meningitis. Das Mädchen war von kräftiger Constitution 
gewesen und keineswegs erblich irgend wie belastet. Es hatte 
seine Erziehung in einem Pensionate erhal en, in welchem im 
Verlauf von einigen Jahren 13 Elevinnen an Tuberculose er¬ 
krankten, von denen 6 starben. Bei allen war anscheinend 
eine erbliche Belastung zur Tuberculose ausgeschlossen. Die 
dem Pensionate gehörige Kuh, welche ihm mehrere Jahre hin¬ 
durch die Milch lieferte, zeigte, als sie abgeschlachtet wurde, 
eine ausgedehnte Tuberculose des Euters. 

(Allgem. med. C.-Ztg. Nr. 53). 

— Inder Deutschen med. Wochenschrift Nr. 3 giebt Canon 
folgende Methode an, die Inflnenzabacillen aus dem 
Blute zu züchten. Das Blut wird nicht in Röhren auf Gly¬ 
cerin oder Zucker-Agar geimpft, sondern in Petri’schen 
Schalen. Eine Fingerkuppe w'ird in bekannterWeise mit Sub¬ 
limat, Alkohol und Aether gereinigt, dann wird mit einer 
glühenden Nadel eingestochen; ein Assistent drückt tropfen¬ 
weise das Blut heraus und achtet darauf, dass der Blutstropfen 
nicht verrinnt; 8—12 Tropfen werden auf diese Weise auf eine 
Petri’sche Schale verstrichen: diese kommt dann in den Brut¬ 
schrank bei 37°C. Nach 48 Stunden sind die Colonien bereits 
deutlich. Die aus diesen Colonien gewonnenen Reinculturen 
haben dasselbe Aussehen, wie es Kitasato beschrieben hat. 


Vermischtes. 

— Bei der am 17. Januar stattgehabteu Immatriculation 
wurden, wie die «N. D. Ztg.» berichtet, in die Zahl der Stu- 
direnden der Dorpater Universität 67 neu.aufgenom¬ 
men, von denen sich 23 dem Studium der Medicin und 21 dem 
Studium der Pharmacie widmen. Im Ganzen betrug die Zahl 
der Studir enden an diesem Tage 1649 (gegen 1735 im 
Januar des vorigen Jahres), von denen die Mehrzahl, nämlich 
996 (und zwar 855 Mediciner und 141 Pharraaceuten), der me- 
dicinischen Facultät angehören. 

— Die auch von uns wiedergegebene Nachricht, dass Prof. 
Brandt in Charkow als Canaidat für den vacanten Lehrstuhl 


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4H 


der Zoologie an der militär-medicinischen Academie aufzutreten 
beabsichtige, entbehrt, wie Prof. Brandt selbst im «jushny 
Krai» mittheilt, jeder Grundlage. 

— Verstorben: 1) Am 16. Januar in Hasenpoth (Kur¬ 
land) der dortige Stadtarzt, Collegienrath Dr. Theodor 
G o e b e 1, nach kurzer Krankheit im 77. Lebensjahre. l)er 
Hingeschiedene stammte aus Kurland und hatte seine medici- 
nische Ausbildung auf der Dorpater Universität erhalten, wo 
er von 1834—41 studirte. Nach Absolvirung des Arztexamens 
war G. lange Zeit Landarzt in Durben und Zirau in Kurland, 
bis er i. J. 1871 zum Stadtarzt von Hasenpoth ernannt wurde, 
welches Amt er bis zu seinem Lebensende bekleidete. 2) Am 
22. December a. pr. in St Petersburg der frühere Beamte der 
Ober-Militär-MedicinalVerwaltung, wirkl. Statsrath Dr. Theo¬ 
dor Stark, nach mehrjährigem schwerem Leiden. Der Ver¬ 
storbene war lange Zeit Leiter des wirthschaftlichen Theils 
der Redaction des «Militär-medicinischen Journals» u. Comite- 
Mitglied der Medicinischen Unterstützungscasse. 3) In St. Pe¬ 
tersburg der frühere Bezirksarzt des hiesigen Findelhanses, 
Staatsrath Dr. Andreas Rodosski im 60. Lebensjahre. 

4) In St. Petersburg der frühere Abtheilungschef der Ober- 
Militär-Medicinalverwaltnng, wirkl. Staatsrath Peter Popo w. 

5) In Murom der dortige Stadtarzt Peter Lutno wski im 
Alter von 94 Jahren. L war anfangs Feldscher gewesen und 
hatte erst i. J. 1844 das Arztexamen gemacht. 6) In Gent der 
Professor der Pharmakologie Dr. D u b o i s. 

— Der bekannte Wiener Chirurg, Professor Dr. Albert 

feierte am 22. Januar sein 25jähriges Doctorjubilänra. Die stür¬ 
mischen Zurufe seiner Schüler und die huldigenden Ansprachen 
der Assistenten beantwortete Albert mit einer längeren Rede, in 
welcher er die Phasen skizzirte, welche der Aerztestand von der 
prähistorischen bis zur gegenwärtigen Zeit durchgemacht hat. 
Einst ein «merkwürdiges Gewerbe», später, als der Nihilismus in 
der Medicin blühte, ein Gelehrtenstaud, ist er in der Gegenwart 
ein Amt, nnd zwar ein beschwerliches und verantwortungs¬ 
reiches. Wenn die alte Medicin ein Mythus, die neue eine 
Wissenschaft war, so werde die Medicin in Zukunft —wie sie 
es auf operativen Gebieten schon heute ist — eine wirkliche 
Heilkunde sein. Was diese in Zukunft auch finden möge, die 
Gegenwart habe eine Riesenaufgabe zu lösen: die hygienische 
Erziehung des Volkes. Um zur Lösung dieser Aufgabe erspriess- 
lich beitragen zu können, müsse der ärztliche Stand entspre¬ 
chend vorgebildet, Methoden und Mittel des Unterrichts ver¬ 
bessert werden. Beides steht bevor. — Die ehemaligen Schüler 
Albert’s haben ihrem verehrten Meister anlässlich seines 
Jubiläums eine künstlerisch ausgeführte silberne Medaille 
überreicht. (Wien. med. Presse). 

— Die Vorlesungen über specielle Pathologie und Therapie 
sowie die Leitung der propädeutischen Klinik an der militär- 
medicinischen Academie ist nach dem Abgänge Professor 11a- 
nassein’s, bis zur Besetzung des Lehrstuhls, dem Professor 
der Academie Dr. Tschndnowski, welcher seine Professur 
der Diagnostik und allgera. Therapie beibehält, übertragen 
worden. 

— Der bekannte Ophthalmologe Prof. Alfred Graefe in 
Halle tritt mit dem Beginn des Sommersemesters in den Ruhe¬ 
stand. Als sein Nachfolger wird in erster Linie sein langjäh¬ 
riger Vertreter nnd erster Assistent Prof, extraord. Pr. ran 1 
Bunge genannt. 

— Zum ausserordentlichen Professor und Director der Po¬ 
liklinik an der Universität Kiel ist an Stelle des verabschie¬ 
deten Professors Edlefsen dessen ehemaliger Assistent, Pri- 
vatdocent Dr. Wilh. v. Starck, ernannt worden. 

— Am 19. Januar beging der hiesige Arzt N. P. Tsche- 
repnin das 25jährige Jubiläum seiner ärztlichen Thä- 
tigkeit. Von einer Anzahl Collegen und Freunde wurde dem 
Jubilar zu Ehren ein Diner veranstaltet. 

— Die vor Kurzem verstorbene Wittwe des Generals Arisch- 
tschenko hat 25,000 Rbl. zum Bau einer vorzugsweise 
für Leprakranke bestimmten Baracke bei dem hiesigen 
städtischen Barackenhospital testamentarisch vermacht. — Wie 
das St. Petersburger Stadthaupt in der letzten Dumasitzung 
mittheilte, sind seit der Uebernahme der Hospitäler durch die 
Stadtverwaltung an Spenden von Privatpersonen für 
das städtische Hospital wesen bereits mehr als 500,000 
Rbl. in die Stadtcasse geflossen. 

— In den wissenschaftlichen Kreisen London’s wird gegen¬ 
wärtig die Einberufungeiner internationalen Influ¬ 
enza-Conferenz erörtert. Es würde sich, da eine Beschickung 
der Conferenz durch fachwissenschaftliche Autoritäten der 
ganzen civilisirten Welt in’s Auge gefasst ist, um Sichtung u. 
angemessene Verwerthung alles bisher betreffs dieser Geissei 
der modernen Menschheit gesammelten Materials und um Aus¬ 
findigmachung einer wirksamen Vorbeugungs- und Cur-Methode 
handeln. Die Conferenz soll, falls sie zu Stande kommt, unter 
dem Vorsitze Dr. Jenner's, eines Nachkommen des berühm¬ 
ten Urhebers der Schutzpockenimpfung, möglichst schon im 
d. J. zusammen treten. 


— Auf Anregung Prof. v. Schrötter’s hat sich in Wien 
eine grosse Zahl hervorragender Persönlichkeiten der Stadt 

— darunter die Directoren der Krankenhäuser, mehrere Profes 
soren nnd Aerzte — znsammengethan, nm einen Verein zu 

ründen, welcher, unter dem Protectorate des Erzherzogs 
a rl L u dwi g, die Errichtung eines Asyls für Tu- 
berculöse in der Nähe Wiens ermöglichen soll. Diese nicht 
zu fern von der Stadt, in günstiger Lage gedachte, mit allen 
zweckdienlichen hygienischen Einrichtungen ausgestattete nnd 
unter bewährter ärztlicher Leitung stehende klimatische Heil¬ 
anstalt soll ein offener Zufluchtsort für unbemittelte Brust¬ 
kranke aller Confessionen werden und so den Armen jene 
günstigen Heilungsverhältnisse bieten, wie solche bisher nur 
den Wohlhabenden zugänglich waren. 

— Mortalität und Morbidität London’s im Jahre 

1890. Bei einer Bevölkerung 4,421,611 Einwohnern ergab sich 
ein Sterblichkeitsverhältnis8 von 20 auf 1000. Auf 1000 Lebende 
kamen 26,1 Geburten; auf 1000 Geburten betrug die Sterblich¬ 
keit von Kindern unter 1 Jahr 162. Unter 89, 694 Todesfällen 
im Jahre 1890 waren 3 Pockenfälle, 3286 Masernfälle, 861 
Scharlachfälle, 1285 Diphtheriefälle, 3272 Keuchhustenfälle, 11 
Flecktyphusfälle, 592 Abdominaltyphus- und 2744 Diarrhoefälle 
(wahrscheinlich bei Kindern). (A. m. C.-Ztg). 

— Der Ostercyclus der Feriencurse für praktische 
Aerzte in Berlin'wird am 9. März n. St. beginnen und bis 
zum 6. April n. St. dauern. 

-- Der elfte Congress für innere Medicin findet vom 
20.—23. April 1892 zu Leipzig im Deutschen Buchhändler¬ 
hause, Hospitalstrasse, unter dem Vorsitze des Herrn Professor 
Curschmann (Leipzig) statt. 

Die Themata, welche zur Verhandlung kommen sollen, sind: 
Mittwoch, den 20. April: «Die schweren anämischen Zustände». 
Referenten: Herr Biermer (Breslau) und Herr Ehrlich 
(Berlin). 

Freitag, den 22. April: «Die chronische Leberentzündung». 
Referenten: Herr Ros enstein (Leyden) und Herr Stadelmann 
(Dorpat). 

Die nachstehenden Vorträge sind bereits angemeldet: Herr 
Emmerich ^München): «Ueber die Ursache der Immunität und 
die Heilung von Infectionskrankheiten».—Herr Peiper (Greifs¬ 
wald): «Ueber Urämie» — Herr Rob. Binswanger (Kreuzlin- 
gen-Constanz): «Ueber die Erfolge der Suggestiv-Therapie».— 
Herr Goltz (Strassburg): «Ueber die Folgen der Ansschnei¬ 
dung grösserer Stücke des Rückenmarkes (Bericht über Beo¬ 
bachtungen, welche von den Herren Goltz und Ewald an 
Hunden angestellt wurden). — Herr Schott (Nauheim): «Zur 
Aetiologie der chronischen Herzkrankheiten».—Herr v. Jak sch 
(Prag): Thema Vorbehalten.—Herr Fürbringer (Berlin): «Zur 
Kenntniss der sogenannten Leberkolik und Pseudogallen¬ 
steine». — Herr Vucetic (Mitrovitz): «Behandlung des Alko¬ 
holismus».—Herr Minkowski (Strassburg): «WeitereMitthei¬ 
lungen über den Diabetes mellitus nach Pankreasexstirpation». 

— Herr Ebstein (Göttingen): Thema Vorbehalten. — Herr 
Adamkiewicz (Krakau): «Ueber die Behandlung des Carci- 
nomes». — Herr Finkler (Bonn): «Die verschiedenen Formen 
der Pneumonie». — Herr Gerhardt (Berlin): Thema Vorbe¬ 
halten. — Herr Geppert (Bonn): Thema Vorbehalten. — Herr 
Israöl (Berlin): «Ueber die secundären Veränderungen der 
Kreislaufsorgane bei Insufticienz der Nierenthätigkeit».—Herr 
Landois (Greifswald): «Ueber den therapeutischen Werth der 
Bluttransfusion beim Menschen. — Herr Rütimeyer (Basel- 
Richen): «Zur Pathologie der Bilharziakrankheit». — Herr 
Grawitz (Greifswald): «Ueber die hämorrhagischen Infarcte 
der Lungen» — Herr Klebs (Zürich): «Ueber die Heilung der 
Tuberkulose und die Biologie der Tuberkelbacillen. — Herr G. 
Kleuiperer (Berlin) und Herr F. Klemperer (Strassburg): 
«Untersuchungen über die Ursachen der Immunität und Heilung, 
besonders bei der Pneunomie». — Herr Büchner (München): 
«Ueber Immunität gegen Infectionskrankheiten». — Herr v. 
Ziemssen (München): «Ueber subcutane Bluttransfusion». — 
Herr F. Wolff (Reiboldsgrün): «Ueber das Verhältniss der 
Infectionsgefahr zum wirklichen Erkranken bei Tuberkulose. 

— Herr Löffler (Greifswald): Thema Vorbehalten. — Herr 
Rieh. Storn (Breslau): «Ueber Darra-Desinfection». — Herr 
H. Leo (Bonn): «Beobachtungen über Diabetes mellitus». — 
Herr Schreiber (Königsberg): «Ueber Circulationsstörungen 
in den Nieren». 

Mit dem Congresse ist eine Ausstellung neuerer ärztlicher 
Apparate, Instrumente, Präparate u. s. w. verbunden. Anmel¬ 
dungen für dieselbe sind an den Local-Secretär des Congresses, 
Herrn Privatdocenten Dr. Krehl, Leipzig, ’lhalstrasse 31, zu 
richten. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den CivilhosDi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 19. Januar d. J. 6o04 
(128 mehr als in der Vorwoche), darunter 513 Typhus— (21 
mehr), 581 Syphilis — (24 mehr), 66 Scharlach — (wie in der 
Vorwoche), 20 Diphtherie — (3 mehr), 87 Masern — (3 mehr) 
und 10 Pockenkranke (3 weniger). 


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Vacanz. 

Für den Lembolaschen medicinischen Bezirk des 
St. Petersburger Kreises wird ein Arzt gesucht. Et¬ 
waige Bewerber haben ihre Gesuche unter Beifügung der 
nöthigen Docuraente beim St. Petersburger Kreis-Landschafts¬ 
amt hieselbst (Ha yrjy MaropoAxaro up n 3ReBnropoACKolt yj, 
ä. Jß 44-2) einzureichen. 

Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 12. Januar bis 18. Januar 1892. 

Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 

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2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 1, Typh. abd. 13, Febris recurrenB 1, Typhus 
ohne Bestimmung der Form L Pocken 7, Masern 23, Scharlach 12, 
Diphtherie 7, Croup 0, Keuchhusten 1, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 29, Erysipelas 2, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 0, Epidemische Meningitis 1, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Kotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 1, Pvftmie und Septicaemie 2. 
Tuberculose der Lungen 111, Tuberculose anderer Organe 4. 
Alkoholismus und Delirium tremens 3, Lebensschwäclie und 
Atrophia infantum 49, Marasmus senilis 25, Krankheiten des 
Verdauungscanals 60, Todtgeborene 18. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 4. Februar. 

Tagesordnung: W. Beckmann: Ueber Uterusruptur. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 10. Februar. 


ANNONCEN JEDER ART werden in der Buchhandlung von CARL RICKER ln 

St. Petersburg, Newsky-Pr. 14, sowie in allen in- und ausländ. Annoncen-Comptoiren angenommen. 


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Frau Ewald. 

Frau Duhtzmann, flemiAOBi nep. a-9,kb. 9. 
A. A. IlflyKHHa, Bacceöaa« 14, kb. 35. 
Pauline Gebhardt. Bac. OcTp. B. npocn.. 
.Aß 5, kb. 18. 

Fr. Amalie Schulze, «tonTaHKa 52, kb. 41 
6aii3t. TpafpcKaro nep. 


floss. qcbb. Cn6. 25 RHBapn 1892 r. 


Heraii6geber : Dr. Th. v. Schro der. Buchdruckerei von Wienecke, Katheriuenholer-I’r. V 15. 


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XVII. 


JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 



KEDICINIICHE WOCHENSCHRIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Soootbend. — Der Abonnementipreil ist iu Bxuslandä Rbl. für das 
•Fair, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Maden20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xniertlonepreif 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den * 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— i 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogeu honorirt. | 

■V* Aboanexnanti-Aufträga sowia all« Inaarata 

bittet man ausschliesslich au die Buchhandlung von Carl Kicker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect }6 14, zu richten.—Kanuacrlpte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mitteilungen bittet man an 
den geschlftsführenden Redacteur Dr. Thaodor TOÄ Sohrödatr in 
St. Petersburg, Malaja Italjan6kaja >4 33,Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 

Jß 5 St. Petersburg, 

1. (13.) Februar 1892 

Inhalt: F. Weber: Ueber Leukaemia oder Leukocytaemia. — Referate: Franz Neumann: Ueber Sauerstofftherapie 
naeh eigener Methode. — K. Glaser: Ueber den Einfluss alkoholischer Getränke auf das Harnsediment des normalen Men¬ 
schen. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Prof. R. Kobert: Arbeiten des pharmakologischen Institutes zn Dorpat. 
LN. Kruskai: Ueber einige Saponinaubstanzen. II. N. Kruskal: Ueber Agrostemma Githago L. — A. Baginsky: Ar¬ 
beiten aus dem Kaiser- und Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhause in Berlin. Festschrift Rudolf Virchow gewidmet. — Prof. 
Guttstadt: Klinisches Jahrbuch, unter Mitwirkung von Prof. Skrzeczka und Dr. Schönfeld. — Auszug aus den Pro¬ 
tokollen der medicinischen Gesellschaft zn Dorpat vom Jahre 1891. — Protokolle der Sitzungen des III. liv- 
ländischen Aerztetages in Walk. (Schluss). — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Ver¬ 
mischte». — Vacanz. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeige^. 

Ueber Leukaemia oder Leukocytaemia. 

Von 

Dr. F. Weber. 

(Vortrag, gehalten am 17. März 1891 in der ärztlichen Section 
der Jaltaer klimatologischen Abtheilung der Gesellschaft zur 
_ "T- _ W^juung dy .Volksgfiamidheit). 

dass nur noch 28 Fälle übrig blieben: somit kam also 
auf je 1000 Kranke 1 Fall. Es ist möglich, dass bei 
Aerzten mit vorwiegend therapeutischer Praxis das Ver- 
höltniss sich anders gestaltet, doch glaube ich annehmen 
zu könneo, dass im grossen Ganzen die Häufigkeit des 
Auftretens der Leukaemie schwerlich l°/oo übersteigen 
wird. fi. *• • 




.M. H.! Erlauben Sie heute als Thema meines Vortrags 
eine Krankheit zu wählen, welche zwar recht selten und 
nicht im directen Zusammenhänge mit den Krankheits¬ 
gruppen steht, die als Hauptobjecte der Behandlung 
in unseren Curorten des Südgestades da stehen, jedenfalls 
aber durch den klinischen Verlauf, sowie durch den Um¬ 
stand, dass dieselbe, besonders was ihr Wesen anbetrifft, 
seiner Zeit zu den lebhaftesten Disputen in der Gelehrten¬ 
welt Veranlassung gab, von grösstem luteresse ist. 

Bis zum Jahre 1 ö 46 hatte man von diesem Leiden 
keinen klaren Begriff, ungeachtet dasselbe wahrscheinlich 
schon Jahrhunderte bestanden hatte, da es wohl wie 
viele andere in die so bequeme Gruppe der scrophulüsen 
Erkrankungen aufgegangen war. Daher glaube ich. dass 
viele derjenigen Fälle, welche als acute scrophulüse Pro- 
cesse mit rascher Bildung von Drüsengeschwülsten unter 
heftigen Fiebererscheinungen, so wie andere Formen von 
erethisch-scrophulösen Erkrankungen hierher gehören. — 
Dass die Leukaemie eine seltene Krankheit ist, erhellt 
aus den statistischen Berichten aller Krankenanstalten, 
da sie in denselben immer nur in ganz vereinzelten Fällen 
vertreten ist. Dasselbe muss ich auch von meinem eigenen 
Material sagen, welches ich den Tagebüchern meiner Pri¬ 
vatpraxis iür 3 Jahrzehnte (186U—1890) entnommen; 
daselbst sind auf die Gesammtzahl von 28367 Krankeu¬ 
nummern nur 31 Fälle von Leukaemie verzeichnet, unter 
denen zwei Mal der Ausgang ein letaler war. Als ich 
diesen Zahlenbericht mit dem vorhandenen Material zusam¬ 
menstellte, erwies es sich, dass 3 Fälle, welche in diese 
Rubrik eingereiht waren, in diagnostischer Beziehung als 
zweifelhaft hingestellt wurden und deshalb beim Ver- 
werthen des Materials ausrangirt werden mussten, so 


Aus meinem Material gedenke ich heute zwei Falle’"* 
besonders hervorzuheben und Ihnen casuistisch zu demon- 
striren, da sie sich durch die ätiologischen Momente, 
den klinischen Verlauf, so wie den Ausgang von einander 
grell unterscheiden und beide lange Zeit hindurch in 
meiner Beobachtung blieben. Der eine der beiden Fälle 
betraf die Gattin eines Collegen, welche ich 215 Tage in 
Behandlung hatte, in welcher Zeit ich sie mehr als 500 
Mal besuchte; der 2. Fall betrifft meine eigene Mutter, 
bei der die Leukaemie 2‘/* Jahre anhielt und mit dem 
Tode abschloss; in der ganzen Zeit blieb sie neben den 
Consultanten in'meiner Behandlung. 

Doch ehe ich zur casuistischen Beschreibung der beiden 
Fälle mit der Entfaltung des klinischen Bildes derselben 
schreite, erlaube ich mir einige Worte über das Wesen 
der Leukaemie, so wie über die allgemeinen Ergebnisse 
aus meinem kleinen statistischen Material mitzutheilen. 

Als Virchow anno 1845 zum ersten Mal einen Vortrag 
über Leukaemie hielt, fand sich sofort ein englischer 
Arzt Benett, welcher mit seinen Prioritätsrechten her¬ 
vortrat und behaupten wollte, dass er schon vor Virchow 
oder doch gleichzeitig mit demselben die genannte Krank¬ 
heit beschrieben und dieselbe mit dem Namen «Leuko¬ 
cytaemia» belegt habe. Die Folge dieser Bekannt¬ 
machung war ein langwieriger gelehrter Prioritätsrechts¬ 
streit, der nie ganz beigelegt wurde. Virchow selbst giebt 
zu, dass Benett zn der genannten Zeit einen Fall 
beschrieben, welcher deutlich alle Symptome einer Leuk¬ 
aemie darbot, aber von Benett nicht Leukocytaemie, 
sondern einfach «Pyaemie» genannt wurde; erst als 
Virchow in seiner classischen Weise das Wesen der 
Krankheit beleuchtet Und seine Entdeckung publicirt 
hatte, trat Benett mit dem Namen der «Leukocjt- 


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aeraie» hervor. — Üebrigens bekämpft Virchow die 
Richtigkeit der letzteren Benennung, weil dieselbe nicht 
dem ^esen der Krankheit entspricht Im Blute eines 
jeden : gesunden Menschen giebt es eine mehr oder weniger 
bedeutende Zahl von weissen Blutkörperchen; ausserdem 
giebt es verschiedene acute Bluterkrankungen, in denen 
zeitweise äie Anzahl der weissen Blutkörperchen rasch 
die normale Menge überschreitet; diese belegt Virchow 
mit dem Namen «Leukocytaemie». 

Doch hat diespr Krankheitsprocess mit der eben be¬ 
sprochenen Krankheit nichts gemein, denn in diesen Fällen 
bleibt der Ueberschuss an weissen Blutkörperchen für die 
allgemeine Ernährungsökonomie ohge weitere Folgen, da 
dabei weder hyper- noch heteroplastische Erscheinungen 
in den Drüsenorganen auftreten. — Virchow behauptet, 
dass die einzige richtige Benennung der zu besprechenden 
Krankheit «Leukaemia» sei, da bei der chemischen 
Untersuchung des Blutes stets in grösseren oder gerin¬ 
geren Mengen «Leucin» vorgefunden wird. — Wennman 
diese Krankheit «Leukaemia» nennt, so ist es selbstver¬ 
ständlich, dass man sich nicht einzubilden braucht, die mit 
derselben behafteten Kranken hätten weisses Blut in den 
Adern, ebenso wenig wie bei den Anaemischen blutleere 
Gefässe existiren uDd bei Hydraemie Wasser in den 
Blutgefässen fliesst; deshalb sind die dahiuzielenden Be¬ 
merkungen der Gegner Virchow’s bedeutungslos. 

Nach Virchow ist also die Leukaemie eine dyskra- 
sische Krankheit, bei welcher die Zahl der weissen Blut¬ 
körperchen im Blute rasch zunimmt und zwar nicht tem¬ 
porär; dieser Zustand des Blutes bleibt vielmehr constaut, 
wobei das Blut immer Leucin in mehr oder weniger 
bedeutender Menge enthält. Dabei bildet sich in verhält- 
nissmässig kurzer Zeit eine Hyperplasie aller oder vieler 
Drüsengruppen, so wie der Milz und der Leber aus, und 
es kommt nicht selten zu massenhaften heteropiastischen 
Neubildungen. Diese Dyskrasie tritt nie als primäre Blut¬ 
erkrankung auf, vielmehr hat man den Urquell derselben 
in der krankhaften Degeneration des Drüsenapparates zu 
suchen, hauptsächlich in den bluterzeugenden ^JNganen: 
in der Milz, den Lymphdrüsen und der Thymusdrüse. 

Bei dieser Dyskrasie kommt die Hyperplasie der ver¬ 
schiedenen Organe nicht wie bei den scrophulösen Erkran- ; 
kungen dadurch zu Stande, dass der Ueberschuss von weissen 
Blutkörperchen aus dem Blute in die verschiedenen Gewebe 
abgelagert wird, wo sie dann der Einwirkung der localen 
Verhältnisse unterliegen. Hier findet keine solche Abla¬ 
gerung statt; hingegen wirken die trabeculären Elemente 
auf die betreffenden Organe als Reizelemente und bedingen 
die Hyperplasie derselben. Dank diesen Verhältnissen wird 
das Gewebe der Drüsenorgane nicht degenerirt, sondern 
hyperplasirt, hypertrophirt, es bilden sich Neubildungen 
mit voller Function, die Drüsen werden vergrössert, wobei 
die Drüsenfunction mit dem Volumen derselben wächst. 

Virchow theilt die leukaemischen Erkrankungen 
in 2 Gruppen: die lienale und die lymphatische, von 
denen jede sich durch besondere Blutbeschaffenheit aus¬ 
zeichnet. Bei der lymphatischen Gruppe sind die weissen 
Blutkörperchen von geringerem Umfang, dafür sind aber 
die Zellenkerne grösser, mit einer sehr reichen Gra¬ 
nulation, so dass der Kern fast die ganze Zelle ausfüllt. 
Bei den lienalen Formen sind die weissen Blutkörperchen 
umfangreicher, die Kerne sind kleiner und glatter, mit 
unbedeutender Granulation der Oberfläche; dabei hat das 
Blut einen grösseren Gehalt an Leucin. — Üebrigens giebt 
es auch gemischte Formen, in denen die Hyperplasien 
von Lymphdrüsen und Milz Hand in Hand gehen. 

Was mein eigenes Material anbetrifft, so fand sich, dass 
in den 28 Fällen die Milz jedes Mal vergrössert war, 
nur mit dem Unterschiede, dass in einigen Fällen die 
Hypertrophie der Milz nicht den Umfang einer tüchtigen 
Recurrensmilz überschritt, wo hingegen in anderen Fällen 
dieselbe mit ihrem unteren Rande die Crista ossis iiei 


berührte. Ungeachtet dessen kann ich doch die Fälle 
meines Materials, je nach dem Vorwiegen der Hyper¬ 
plasien unter die drei Gruppen folgendermaassen ver¬ 
theilen: 

Zur lienalen Form zählte ich 12 
» lymphatischen » » » 4 

» gemischten » » »12. 

Was den Umfang der Milz anbetrifft, so war derselbe 
in 12 Fällen so bedeutend, dass der untere Rand die 
Grenze von der Umbilicallinie bis zur Crista ossis ilei 
erreichte. 

Iu 10 Fällen fand neben der Hypertrophie der Milz 
auch eine bedeutende Volumzunahme der Leber statt 
und erreichte der untere Rand derselben in 4 Fällen die 
Umbilicallinie. 

Was die Hyperplasie der Drüsen anbetrifft, so war in 
10 Fällen eine Polyadenitis, in 4 Fällen eine Hyper¬ 
plasie der Gekrösedrüsen, in 4 Fällen der Jugulardrüsen 
und der Thymus, sowie der Glandula thyreoidea, in 2 
Fällen Hyperplasie der Brustdrüsen mit Abscessbildung, 
in 2 Fällen Hypertrophie der Achseldrüsen mit Abscess¬ 
bildung verzeichnet. — In den mit Polyadenitis ver- 
zeichneten Fällen waren gleichzeitig Hals-, Achsel-, Lei¬ 
sten-, Gekröse-, Thymus- und Thyreoideadrüsen hyper¬ 
plasirt. 

Was die Geschwulst der Milz an betrifft, so war die 
Oberfläche derselben immer glatt; sie hatte eine pralle, 
elastische Consistenz und erinnerte nie an die wachs¬ 
artige Sprödigkeit einer Recurrensmilz. In den Fällen, 
wo die Milz rasch an Umfang zunimmt, so dass der 
untere Rand die Crista ossis ilei erreicht, bekommt 
sie eine weiche Consistenz; diese Fälle sind von localen 
Peritonealerscheinungen oder von Ascites begleitet. Das 
Wachsen der Milz geht entweder langsam oder stürmisch 
vor sich, in letzterem Falle ist heftiges Fieber vorhan¬ 
den, wobei meist bedeutende Morgenremissionen beobach¬ 
tet werden. — Diejenigen Fälle, wo locale Peritouitis 
auftritt, verden auch von heftigem Fieber begleitet. 

Die Geschwulst der Leber bietet nicht immer eine so 
glatte Oberfläche, wie die der Milz dar; in mehreren 
Fällen war sie höckerig, so dass man unwillkürlich bös¬ 
artige Neubildungen vermuthete. Dieses klinische Krank¬ 
heitsbild wird durch die von Virchow beschriebenen 
anatomischen Befunde der Leber erklärt. Wie er con- 
statirt, werden hier nicht nur die Leberzellen hyperpla¬ 
sirt, es wird auch das ganze Gewebe von den Neubil¬ 
dungen überfüllt, so dass der Leberdurchschnitt stark an eine 
von Miliartuberkeln durchsetzte Leber erinuert; ausser¬ 
dem beginnen an der Capsula Glissonii Neubildungen des 
Bindegewebes, welche ausserordentlich rasch an Umfang 
zuuehmen, sich in die Tiefe des Lebergewebes versenken, 
um wieder an die Oberfläche des Organs hervorzutreten. 
Diese Neubildungen durchsetzen die Leber als baum¬ 
artige Hyperplasmata von graugelber Färbung, welche 
aus Zellenmassen mit festen Kernen bestehen. 

Am interessantesten bei der Leukaemie ist das Ver¬ 
halten der Drüsen. Wenn auch in jedem einzelnen Falle 
die Lymphdrüsen participirten, so spielten dieselben doch 
in der sogenannten lymphatischen Gruppe die Hauptrolle. 
Die Schwellung der Drüsen beginnt gewöhnlich an der 
einen Körperhälfte, angefangen mit den Hals- und Nacken¬ 
drüsen der linken Seite, Schwellung des linken Flügels 
der Thyreoidea, worauf die Achseldrüsen, einige Pa¬ 
kete der Milchdrüsen und endlich die Leisten¬ 
drüsen zu schwellen beginnen; gleichzeitig schwel¬ 
len die Thymus und Milz an. Diese Drüsenschwellun¬ 
gen zeichnen sich von den scrophulösen Anschoppungen 
der Drüsenapparate durch Form und Verlauf aus 
Die Drüsen schwellen rasch ohne alle localen Reizerschei¬ 
nungen in der Haut, sowie im benachbarten Zellgewebe, 
die Haut behält an den afficirten Stellen nicht nur die 


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» 


normale Färbung, sondern auch die freie Verschiebbar¬ 
keit, das Zellgewebe ist dabei frei von jedem Infiltrate, 
dabei ist selten eine Empfindlichkeit beim Druck auf die 
JJrtiseu zu bemerken. Hier müssen wir noch auf den 
Sectionsbefund der Drüsen bei V i r c h o w aufmerksam 
machen, welcher ganz diesem klinischen Verhalten der 
Drüsen entspricht. Bei Untersuchung der Drüsen 
Leukaemi scher fand er nie die käsige Entartung, wie 
inan sie beständig in den Drüsen scrophulöser Subjecte 
antrifft; hier haben wir das deutliche Bild einer Hyper¬ 
trophie der elementaren Theile des Organs, der Zellen 
und des Bindegewebes. Wenn man hier und da seröse 
Infiltrationen in der Nachbarschaft der afficirten Drüsen 
Yorfindet, so ist es in den Fällen, wo sich bereits eine 
allgemeine Hydraemie mit Ascites und Anasarka ausge¬ 
bildet hatte. Unter meinen Fällen hatte sich doch vier 
Mal eine Drüsenvereiterung vorgefunden, die übrigens 
auch durch Virchow nicht bestritten und durch zu¬ 
fällige Entzündungsprocesse des Zellgewebes in der Nach¬ 
barschaft der hypertrophirten Drüsen erklärt wird. Die 
Abscessbildung in den Brustdrüsen bei Leukaemischen 
zeichnet sich auffallend von der suppurativen Mastitis 
im Allgemeinen aus. Hier bilden sich bei plötzlicher 
Temperaturerhebung ganz kleine, circumscripte, meist an 
der Oberfläche liegende Abscesse von der Grösse einer 
Haselnuss bis zu der eines Hühnereies aus, wobei die 
vollkommene Erweichung rasch von statten geht, so dass 
der Abscess in 1—2 Tagen messerreif wird. 

Die Aetiologie dieses Krankheitsprocesses ist bis 
jetzt noch in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt, in 
welches durch die Statistik meines bescheidenen Mate¬ 
rials schwerlich Licht gebracht werden kann; dennoch 
will ich es nach dieser Seite zu verwerthen suchen. 

Die 28 Fälle vertheilen sich auf die verschiedenen 
Altersklassen wie folgt: 


Von 

0—1 

Jahre 

— 4 

Fälle 

= 

14 

°/o 

» 

1—10 

» 

— 1 

» 

= 

3,55 

°/o 

» 

10—15 

» 

— 2 

» 


7,10 


> 

15—20 

» 

— 6 

» 

= 

17,75 

7« 

» 

20—26 

» 

— 5 

* 

= 

17,75 

7® 

» 

26—30 

» 

— 2 

» 


7,10 

7* 

» 

30—35 

» 

— 1 

» 

— 

3,5 > 

°/0 

» 

36—40 

» 

— 1 

» 

—• 

3,55 

7® 

» 

40—45 

» 

— 2 

» 

= 

7,10 

7o 


45—60 

» 

— 1 

» 

= 

3,55 

7* 

» 

50—55 

» 

— 1 

» 

== 

3,56 

7o 

» 

60—66 

» 

— 1 

» 

= 

3,56 

7° 

» 

66—70 

» 

— 2 

» 


7,10 

7® 


Aus dieser Tabelle ist zu ersehen, dass dieLeukaemie 
vom ersten Lebensjahre bis in das höchste Alter Vor¬ 
kommen kann; verhältnissmässig die meisten Fälle kom¬ 
men auf das Decennium 16—26 Jahre. 

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das weibliche 
Geschlecht häufiger als das männliche von der Leuk- 
aemie heimgesucht; leider hat meine kleine Statistik 
hier kein Wort mitzusprechen, da meine Fälle nur 
Frauen und Kinder aufweisen, weil meine Privatpraxis 
sich fast ausschliesslich auf kranke Frauen und Kinder 
beschränkte. Doch selbst unter den 6 Kindern meines 
Materials fanden sich 5 Mädchen und nur 1 Knabe vor. 
— Von den 22 Envachsenen waren 8 Frauen und 14 
Mädchen. Von den ö Frauen hatten 7 mehr oder we¬ 
niger häufige Schwangerschaften durchgemacht und nur 
eine war steril geblieben; die Zahl der vorhergegangenen 
Geburten schwankte zwischen 1 bis 11, die Dauer des 
Ehestandes von 1 bis 50 Jahre. 

Was die MenstrualVerhältnisse anbetrifft, so waren 
die Menses in 5 Fällen bereits versiegt und fand der 
Schluss derselben vom 31. bis zum 47. Jahre statt. In 
3 Fällen war, trotz eingetretener Geschlechtsreife, noch 
kehle Menstruation vorhanden, so dass die Fälle neben 


' der Leukämie in der Rubrik Amenorrhoe in pieinen 
Jahresberichten figurirten, da in denselben das TB. Tüls 
28. Lebensjahr überschritten war. — Ueberhaupt muss Jc)i 
bemerken, dass selbst bei bereits eingetretener Menstrua¬ 
tion mit Beginn der Leukaemie die Menstruation unre¬ 
gelmässig wird und sich sogar Amenorrhoe ausbildet. 

Was den Einfluss der Beschäftigung auf die Entwicke- 
luug der Leukaemie anbetrifft, so ist als häufigste Er¬ 
werbsquelle der Patientinen meines Materials die Weiss¬ 
naht bei Handhabung der Nähmaschinen verzeichnet, 
wonach die Nähmaschine bei angestrengter Arbeit und 
ungenügendem Lohn und Verpflegung in der Aetiologie 
der Leukaemie wohl eine Rolle spielen könnte. 

Wenn auch die kleinen Ziffern meines statistische^ 
Materials keine raaassgebende Bedeutung haben, so muss 
ich doch bekennen, dass nach dem allgemeinen Eindruck, 
den die Vorgeschichten in meinen Krankheitsfällen auf 
mich ausübten, ich den moralischen Einflüssen: einer 
plötzlich veränderten Lebensweise, erschütternden Ge- 
müthsaffectionen einen bedeutenden Einfluss auf die Ent¬ 
wickelung der Leukaemie zuschreibe. Aus dem beglei¬ 
tenden Symptomencomplex bei Erwachsenen traten haupt¬ 
sächlich allgemeine Nervosität, die Hysterie in allen 
ihren Formen und Entwickelungsgraden auf. Auch wä¬ 
ren die Affectionen in der Genitalsphäre an der Tages¬ 
ordnung, wobei in 6 Fällen die Harnapparate in Mit¬ 
leidenschaft gezogen waren und sich Anasarka und 
Ascites ausbildeten. — Ueber die Lungenaffectionen und 
sonstigen Zufallskrankheiten schweige ich. 

Ueber das Verhalten der Temperatur muss ich bemer¬ 
ken, dass einige Fälle sich mehr latent verhielten und 
einen torpiden Verlauf nahmen, wogegen die meisten 
Fälle von stürmischen Fiebererscheinnngen begleitet wa¬ 
ren. Diese waren meist der Masse der hyperplastischen 
Processe analog und zeichneten sich durch ihre Hart¬ 
näckigkeit und Intensität aus, wie es durch die beiden 
casuistischen Fälle deutlich illustrirt wird. 

Fall Nf. 1. Frau A. J. N., Frau eines Arztes, 25 Jahr alt 
geboren in Nord-Amerika, jedoch mit 3 Jahren bereits nach 
Petersburg übergesiedelt und in der Residenz erzogen. In der 
Kindheit laborirte sie beständig an chlorotisch-anämischen und 
scrophulösen Processen, Hantausschlägen nnd Drüsenaffectio- 
nen. Die erste Menstruation trat mit 15 Jahren ein nnd hielt 
5 Tage an, hatte einen 4wöchentlichen Typns bei geringer 
Quantität. Pat. ist von schwacher Constitution, leidet an all¬ 
gemeiner Nervosität und verschiedenartigen hysterischen Er¬ 
scheinungen. Sie wurde mit 24 Jahren verheirathet; 11 Mo¬ 
nate nach der Hochzeit stellte sich die rechtzeitige Geburt 
ein. 

Als nach 3 tägigen Gebnrtswehen und 36 Stunden nach Ab¬ 
fluss des Fruchtwassers die Geburt nicht vollendet war. wurde 
ich zur Consultation gebeten, da wegen Kräftevertall der 
Pat. der Gedanke an Verkleinerung der Frucht auftauchte, 
um so mehr da in den letzten 24 Stunden der Kopf in den 
Beckeneingang eingekeilt, kein Vorrücken mehr gezeigt haben 
sollte. Bei der Untersuchung fand ich starkes Oedem der äus¬ 
seren Genitalien, so wie der ganzen Vagina vor; der vorlie- 

f ende Kopf war mit einem starken Caput succedaneum auf 
en Beckeneingang aufgekeilt, das Becken regelmässig geformt, 
doch im Verhältniss zum umfangreichen vorliegenden Theil 
zu eng. Diese Verhältnisse waren beim allgemeinen Kräfte¬ 
verfall der Kreissenden die Ursache, dass man als Indicatio 
vitalis. eine Verkleinerung des Schädels durch Perforation pro- 
ponirte. Da bei der Untersuchung des Abdomens deutlicher 
foetaler Herzschlag zu constatiren war, dabei die Entkräftnng 
der Pat. noch nicht den Grad erreicht hatte, welcher zu einer 
Opferung des Lebens der Frucht berechtigte, so proponirte 
ich eine Extraction des Kindes mit der Zange oder eine Wen¬ 
dung auf die Füsse zu versuchen. Es gelang mir nach vielen 
Bemühungen ein zwar asphyktisches, aber lebendes Kind zu 
extrahiren; die Belebung des Kindes gelang nach energischen 
Versuchen und es lebt bis heute. In Folge des tagelangen 
Druckes des vorliegenden Theiles auf das Becken nnd seine 
Weichtheile hatte sich eine ausgebreitete traumatische Peri- 
parametritis ausgebildet, welche bis zum 12. Tage von hefti¬ 
gen Fiebererscheinungen (38,5—39,2) begleitet war. Vom 12. 
bis zum 18. Tage hielt sich eine subfebrile Temperatur von 
37,5—38° C.; darnach stellte sich hektisches Fieber mit Mor¬ 
genremissionen ein, welches 215 Tage auhielt, wobei das Maxi¬ 
mum der Temperatur gar oft 39° C. überschritt und Schttttlei- 




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50 


fl 

« 

( . — 

fröite und Nachtschweisse sich oft wiederholten. Nach Ablauf 
der 215 Tage gelang es unB, Pat. an das Gestade des finni¬ 
schen Meerbusens überzuführen und nach 3tägrgem Land¬ 
aufenthalte wich das Fieber vollkommen. Im Verlauf der Fie¬ 
berzeit hob sich die Temperatur jedesmal entsprechend der 
Bildung neuer Hyperplasien, so wie Vereiterungen in den 
Drüsenorganen, von denen ich später sprechen werde. Anfangs 
waren wir der Meinung, dass wir es einfach mit einer Ichor- 
aemia puerperalis zu thnn hatten, doch da die Localer¬ 
scheinungen aie Annahme nicht rechtfertigten, so wurde eine 
mikroskopische Untersuchung des Blutes unternommen, w'obei 
sich herausstellte, dass dasselbe eine Unmasse von weissen 
Blutkörperchen enthielt, die ihrer Gestaltung nach den weis¬ 
sen Blutkörperchen entsprachen und die Virchow als charak¬ 
teristisches Zeichen der lymphatischen Form von Lenk- 
aemie festgestellt hatte. Beiliegend habe ich die Ehre den 
Herren Collegen die Teraperaturcurve für die Zeit der Krank¬ 
heitsdauer vorzulegen. Die Messungen der Temperatur wurden 
nie weniger als 3 Mal täglich vorgenommen, oft bis 6 Mal 
täglich mit gleichzeitiger Pulszählung; die Messungen wurden 
immer von Aerzten ausgeführt. Die obere Curve bezeichnet 
den Puls, die untere die Temperatur. Schüttelfröste sind mit 
einem Kreuz bezeichnet. 

In der ersten Woche entsprachen die Localerscheinungen, 
sowie das begleitende Fieber den Symptomen einer traumati¬ 
schen Periparametritis, die sich hauptsächlich durch einen 
tiefen, intensiven Schmerz in regione pubis und Harnbe¬ 
schwerden manifestirten und die Annahme erhärteten, dass 
wir es hier mit einer Abscessbildung in der Symphyse zu thun 
hätten, wobei das Zellgewebe zwischen Symphyse und Harn¬ 
blase in Mitleidenschaft gezogen wäre. Äbscesse dieser Art 
sind durch Palpation sehr schwer zu erkennen, selbst wenn 
sie bereits bis zur Zerstörung des Syraphysenknorpels und 
Caries der Beckenknochen vorgeschritten sind und zu enormen 
Eitersenkungen in die Beckenhöhle Veranlassung gegeben ha¬ 
ben. Glücklicher Weise wurde diese Befürchtung nicht zur 
Wahrheit; statt dessen stellten sich aber bald Schwellung der 
Halsdrüsen, der Schilddrüse, der Achseldrüsen und gleichzeitig 
Anschwellung der Thymusdrüse ein. Bald darauf stellten sich 
knollige Geschwülste in der rechten Brustdrüse, Schwellung 
der Achsel- und Leistendrüsen und zwar auf der rechten Seite 
ein, ja selbst die Vergrössernng der Schilddrüse beschränkte 
sich auf den rechten Flügel; die Achseldrüsen und Knollen in 
der Brustdrüse gingen in Eiterung über. Gleichzeitig wurde 
eine Vergrössernng der Milz constatirt, doch nahm der Um¬ 
fang derselben nicht so rapide zu, wie in vielen der übrigen 
Fälle von Leukaemie, so dass der untere Rand derselben die 
Maximalgrenze von 4 Cm. unter dem Rippenrand erreichte. 
Auch die Leber war ein wenig geschwollen. In der Gegend 
der Symphyse bildete sich nun eine elastische Geschwulst von 
Hühnereigrösse, welche mehr nach der rechten Seite neigte 
und die Annahme einer Vereiterung der Symphyse aufrecht 
zu erhalten schien. Um diese Zeit wurde Pat. durch heftige 
Schüttelfröste und profuse Nachtschweisse entkräftet. — Trotz¬ 
dem Patientin nicht stillte, stellte sich im Verlauf von 9 Mo¬ 
naten keine Menstruation ein. 

Bei den verschiedenen Consultationen wurden gar mannig¬ 
fache Behandlungsmethoden in Anwendung gebracht, ohne 
von Erfolg gekrönt zu werden; mein Vorschlag, auf die Kranke 
durch Veränderung der klimatischen Verhältnisse, wenn auch 
nur durch Ueberfuhrnng derselben aufs Land einzuwirken, 
konnte nicht ausgeführt werden, da es die Mittel des Collegen 
nicht gestatteten, so dass man sich mit einer forcirten Ernäh¬ 
rung sowie mit Arsen begnügen musste. Unter allen Arzneien 
wurde Arsen am besten vertragen. Die Geschwulst der Drü¬ 
sen und Milz schwankte beständig im Umfange. 

Endlich am 211. Tage nach der Niederkunft im Mai gelang 
es uns Pat. an die am Ufer des finnischen Meerbusens gele¬ 
gene Militärstation Lopuchinka überzuführen und es trat so¬ 
gleich ein auffallender Erfolg ein; nachdem sich die Kranke 
3 Tage auf dem Lande befunden hatte, fiel das Fieber voll¬ 
kommen ab, um nicht wiederzukehren; die Schwellung der 
Milz schwand rasch, auch die der Drüsenorgane verlor sich 
allmälig vollkommen. Patientin erholte sich rasch, nahm an 
Körpergewicht zu, die weissen Blutkörperchen im Blute schwan¬ 
den und endlich, nach 2 Monaten Landaufenthalt, stellte sich 
Ende Juli regelmässige Menstruation ein. Im Ganzen genom¬ 
men fühlte sich Patientin, nachdem sie diese Krankheit über¬ 
standen hatte, wohler als je zuvor. 

Fall II. Dieser Fall ist eine gemischte Form von Leukae¬ 
mie mit vorwiegendem linealem Typus. Die 27» Jahre umfas¬ 
sende Temperaturcurve ist in das Archiv Dr. Kernig’s ge- 
rathen, welcher die Freundlichkeit hatte, die Behandlung der 
Kranken hauptsächlich zu leiten. 

A. W. erkrankte im 62. Lebensjahre, war von kräftiger, 

S uter Constitution, erfreute sich überhaupt einer ausserordent- 
ch guten Gesundheit, litt nur im 30. Lebensjahre an einem 
fulminanten Puerperalprocess; im Uebrigen hatte sie ärztliche 
Hülfe fast Die nöthig. — Die erste Menstruation trat mit 15 
Jahren ein, war immer regelmässig, 4—5 Tage anhaltend mit 


4wöchentlichem Typus, Schluss der Menstruation mit 46 Jah¬ 
ren ohne alle Menstrualbeschwerden. Hat 7 ausgetragene, ge¬ 
sunde Kinder geboren, mit Ausnahme des einen (wegen oben¬ 
erwähnten Puerperalprocesses) alle selbst gestillt. Im Verlauf 
von 40 Jahren hatte sie einer ausserordentlich grossen und 
complicirten Wirthschaft, sowie der Leitung eines commerciel- 
len Geschäfts vorgestanden; da erkrankte ihre geliebte Toch¬ 
ter und ging an einem Herzfehler zu Grunde. Die langwierige 
Krankheit derselben hatte das Nervensystem der Mutter stark 
alterirt, so dass sich Pat. plötzlich von der anstrengenden 
Thätigkeit zurückzog. Nach einer so plötzlichen Veränderung 
der Lebensweise wurde die atlethiscne Dame in einem einzi- 

g en Jahre zur Greisin, wobei sie eine ausserordentlich blasse 
esichtsfarbe und ein pastöses, ödematöses Aussehen bekam, 
während sie vordem von Gesundheit strotzte. Eines Tages, 
nachdem sie bei heftigem ßegenwetter eine sehr weite Fahrt 
gemacht hatte, kehrte sie vollkommen ermattet heim; bald 
stellte sich ein heftiger Schüttelfrost ein, dem eine Tempera¬ 
tur von 39° C. folgte. Am anderen Tage schwoll die Milz an, 
so dass dis Entwickelung einer Febris recurrens erwartet 
wurde, da dieselbe zu der Zeit in Petersburg epidemisch 
herrschte. — Am 2. Tage trat rasches Schwellen der Milz, der 
Nacken- und Halsdrüsen der rechten Seite ein, die eine Reihe 
von Ketten mit hervortretenden einzelnen Drüsen bildeten; 
gleichzeitig war der linke Flügel der Schilddrüse stark ge¬ 
schwellt. auch eine Geschwulst der Thymusdrüse nachweisbar; 
darauf schwollen die Achseldrüsen der linken Seite, die linke 
Brustdrüse, sowie die Leisten- und Cruraldrüsen derselben 
Seite an, wobei der Umfang der Milz rasch znnahm. Ara 3. 
Tage hatte diese mit dem unteren Rande das Niveau der Na¬ 
belhöhe erreicht. Bei Untersuchung des Blutes ergab sich, 
dass es massenhaft weisse Blutkörperchen mit den charakte¬ 
ristischen Zeichen einer lymphatischen Leukaemie enthielt; 
im Harn war eine mässige Quantität Eiweiss enthalten. Im 
Verlauf von 2 Monaten dauerte ein continuirliches Fieber mit 
Morgenremissionen und 39° C. Maximaltemperaturen an; die 
allgemeinen Zeichen von Anaeraie nahmen zu, der Kräftever¬ 
fall war bedeutend. Im 3. Monat ging die Hyperplasie der 
Drüsen auch auf die rechte Seite über, angefangen mit der 
Affection der Leistendrüsen, allmälig bis zu den Hals- und 
Naokendrüsen steigend. Die Milz nahm allmälig an Umfang 
zu, wogegen die Leber nur mässig anschwollj ein jeder neue 
hyperplastische Process war von heftigen Fieberexacerbatio¬ 
nen begleitet. Im 4. Monat der Krankheit hatte der Umfang 
der Milz sein Maximum erreicht, so dass der untere Rand 
derselben sich auf die linke Darmbeinschaufel stemmte und 
jeden Tag eine Berstung der Milz befürchtet wurde; gleich¬ 
zeitig traten die Symptome einer heftigen Peritonitis auf, wo¬ 
bei die Temperatur 40° C. überstieg, heftiger acuter Schmerz 
im ganzen Abdomen, unstillbares Erbrechen und ein furcht¬ 
bares Angstgefühl eintraten, so dass Pat. gepeinigt von den 
Symptomen Tag und Nacht schrie; gleichzeitig nahmen auch 
die Brust-, Hals- und Achseldrüsen enorm an Umfang zu und 
es war jeden Angenblick der letale Ausgang zu befürchten. 

Doch plötzlich milderten sich die acuten Symptome, die Ge¬ 
schwulst der Milz begann abznfallen; dasselbe geschah rai- 
den übrigen Drüsen, docli der Gehalt an weissen Blutkörper¬ 
chen im Blute blieb derselbe; der Harn blieb eiweisshaltig, es 
bildete sich ein massiges Anasarka und Ascites aus, es schwant 
den die heftigen Fiebererscheinun^en, statt dessen traten oft 
Zeichen eines Darmkatarrhs auf; im Ganzen verwandelte sich 
der acute Process mit all seinen stürmischen Symptomen in 
ein chronisches Leiden. Der Zustand der Kranken besserte 
sich insoweit, dass sie das Bett verlassen und Ausfahrten un¬ 
ternehmen konnte, doch blieb die blasse Gesichtsfarbe, die 
Mattigkeit und Appetitlosigkeit nach. Die Geschwulst der 
Drüsen verkleinerte sich, doch schwand sie nie mehr, • auch 
blieb der Befund des Blutes der gleiche. 

Im nächsten Herbst und Winter traten von neuem Exacer¬ 
bationen mit acutem Charakter auf, die Milz schwoll, wenn 
auch nicht zu dem Umfange, wie im vergangenen Jahre, so 
dass der Charakter einer chronischen Krankheit mit Exacer¬ 
bationen bestehen blieb. Im darauffolgenden Sommer hielt sich 
beständig ein subfebriler Zustand; die Milz blieb bis zum Tode 
10 Cm. unter dem Rippenrand stehend, die Drüsen blieben 
gross und wurden hart, dabei nahmen die Symptome eines 
allgemeinen Hydrops zu; von Zeit zu Zeit traten ödematöse 
Luugenkatarrhe auf; der Darmkatarrh wurde immer hart¬ 
näckiger und schliesslich ging Pat. an Lungenödem zu Grunde. 
Das Blut zeigte bis zum Tode die der Leukaemie eigentüm¬ 
lichen Veränderungen. 


Referate. 

Franz Neumann; Ueber Sauerstofftherapie nach eigener 
Methode. (Ther. Monatsh. Oct. 1891). 

Als das Wesentliche seiner Methode, den Sauerstoff als 
Heilmittel zu verwenden, stellt N. die Verbindung einer 
p rocentisch höheren Sauerstoffmischung mit einem 


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höheren Luftdruck hin. Er tritt somit in einen Gegensatz 
zu den früheren Methoden der Sauerstofftherapie, da nach 
denselben entweder unvermischter Sauerstoff ohne höheren 
Druck oder aber ein Gemisch von Stickstoff und Sauerstoff mit 
hohen Sauerstoffprocenten bei gewöhnlichem Druck eingeathmet 
werden musste. 

Yerf. ging von der Voraussetzung ans. dass, um eine sichere 
Art der Sauerstoflhthmung zu besitzen, die die Mängel früherer 
Methoden beseitigt, folgende Bedingungen erfüllt sein müssen: 

1. Die Entwickelung des GaseH muss in zu beobachtender re- 
gulirbarer Weise geschehen. 2. Das Gasgemenge muss sich 
annähernd auf den Einzelathemzug berechnen lassen und daher 
sich langsam vertheilen. 3. Der Sauerstoff darf die Respira¬ 
tionsorgane nicht reizen. 4. Er muss daher in Verbindung mit 
atmosphärischer Luft — also gemischt — geathmet werden. 
5. Er muss mühelos auch von Geschwächten inhalirt werden 
können und daher unter mässig erhöhtem Druck zur Auf¬ 
nahme gelangen. 

Neumann hat vom Mechaniker Scheurer in Karlsruhe 
einen Apparat herstellen lassen, der diesen Bedingungen gerecht 
wird.^Die detaillirte Beschreibung desselben an dieser Stelle 
würde zu weit führen und mnss im Original eingesehen werden. 
Erwähnt sei nur. dass die Bedienung des Apparates eine überaus 
einfache ist. 

Unangenehme Zufälle bei der Sauerstoflhthraung nach seiner 
Methode hat Verf. nie beobachtet: die Respiration hielt den 
normalen Typus ein. der anfangs frequente Puls verlangsamte 
sich bald, Herzklopfen etc. kamen bei seinen Versuchen nie 
vor. Zuweilen stellte sich nach den Inhalationen unbezwing- 
liches Bedürfnis nach Schlaf ein, der übrigens als angenehm 
nnd erfrischend von den Patienten geschildert wurde. Von 
allen Kranken wurde ferner das durch die Einathmung her¬ 
vorgerufene allgemeine Wohl- und Kraftgeftihl nnd die Erleich¬ 
terung der Respiration besonders betont. 

Verf. hat seine Methode vor Allem bei schweren Anämien 
angewendet, ferner in der Reconvalescenz nach schwerer Pleu¬ 
ritis, bei Phthise (auch in Verbindung mit dem Tnberculin) und 
bei Diabetes. In drei vom Verf. behandelten Fällen von schwerer 
Anämie, die er in ausführlicheren Krankengeschichten bespricht 
und die jeder andern Therapie hartnäckig getrotzt hatten, 
haben die Sauerstoffinhalationen nach Verlauf einiger Wochen 
eclatante dauernde Besserung erzielt. Die Patientinen stammten 
sämtlich aus der körperlich schwer arbeitenden Klasse und 
konnten nach Beendigung der Cur ihren Beschäftigungen mit 
Erfolg nachgehen. Auch die bei der Behandlung der anderen 
oben genannten Erkrankungen gewonnenen Resultate entspra¬ 
chen durchaus den gehegten Erwartungen. 

H. Stillmark (Helmet). 

K. Glaser. Ueber den Einfluss alkoholischer Getränke 
auf das Harnsediment des normalen Menschen. 
Deutsche medic. Wochsch. Nr. 43. 

Der von Stenbeck erfundene Centrifugalapparat hat zu 
einer wissenschaftlichen Abhandlung bereits Verwendung ge¬ 
funden, indem Glaser auf Veranlassung von Prof. Jak sch 
mit Hilfe des Apparates die Harnsedimente gesunder Personen 
nach dem Genüsse von alkoholischen Getränken untersuchte. 
Ansser der Abscheidung von Harnsäurekrv stallen und von 
oxalsaurem Kalk wurde als wichtigster Befund erhoben eine 
Vermehrung der Leukocyten und das Auftreten vonCvlindern 
und Cvlindroiden. Diese Vermehrung von weissen Blutkörper¬ 
chen fand sich so constant, dass Verf. im Stande war, aus 
diesem Befunde auf einen vorangegangenen Excess zu schliessen. 
Bei fortgesetztem Alkoholmissbrauch wurde die Vermehrung 
der Leukocyten so enorm, dass man glauben konnte, einen 
Eiterharn vor sich zu haben. Auch die hyalinen Cylinder nahmen 
an Zahl zu. 

Auf Grund seiner Untersuchungen gelangt Verf. zu folgenden 
Schlüssen: 1. Die alkoholischen Getränke wirken schon in 
relativ massiger Menge reizend auf die Nieren, so dass es zur 
Auswanderung von Leukocyten und zur Bildung von Cylin- 
dern kommt; ferner bewirken sie das Auftreten grosser Mengen 
von Oxalsäure und Harnsäurekrystallen. Das Auftreten dieser 
Krystalle erklärt Verf. auf Grund des durch den Alkoholge¬ 
nuss veränderten Stoffwechsels. 2. Die Wirkung der alkoholi¬ 
schen Getränke erstreckt sich bei einmaligem Missbrauch nicht 
über 36 Stunden hinaus und ist bei fortgesetztem Gebrauche 
cumnlirend. _ Abelmann. 

BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Prof. R. Robert. Arbeiten des pharmakologischen Insti¬ 
tutes zu Dorpat. Verlag von F. Enke, Stuttgart 1891. 

I. N. Kruskal: Ueber einige Saponinsubstanzen. 
Nachdem schon R. Kobert durch seine Untersuchungen über 
Ouillajasaponin bewiesen hatte, dass dieses kein einheitlicher 
Körper und dass sein pharmakologischer Werth durchaus ab¬ 
hängig ist von der Darstellungsmethode, weist Verf. durch 


eine vergleichende chemisch-pharmakologische Untersuchung 
der Saponine dreier Drogen (Rad. Saponar. alb., Sapindus 
Saponaria L. und Chamaelirium luteum) nach, dass die Sapo¬ 
nine verschiedener Drogen weder chemisch, noch physiologisch 
identisch sind und dass ein Handelssaponin nur dann einen 
Werth hat, wenn neben dem Namen der Droge auch die Dar- 
stellnngsmethode kurz angegeben wird, da einige Methoden 
fast ganz unwirksame Präparate liefern. — Die Wirkung vom 
Blut aus ist quantitativ eine sehr verschiedene. Levaflt.-Sapo- 
toxin ist sehr stark giftig. Sapindus-Sapotoxin weniger und 
Chamaelirin fast ungiftig. Vom Darm aus werden sie äusserst 
schwierig resorbirt und hierauf beruht die pharmakotherapeu- 
tische Anwendung ihrer Decocte (auch das der Quillaja und 
Senega). Die glykosidspaltenden Bakterien des Darms entgiften 
die Sapotoxine sehr rasch, indem sie dieselben in Sapogenin 
und Zucker spalten. Alle drei sind Protoplasmagifte, die auch 
Blutkörperchen theilweise lösen. Das überlebende Herz wird 
zuerst gereizt und dann gelähmt. Die Erniedrigung des Blut¬ 
drucks tritt erst kurz vor dem Tode ein. 

Durch alle drei werden die Gefässe der Niere erweitert nnd 
auffallend ist es, dass hierbei das Chamaelirin am stärksten 
und das levantische Sapotoxin am schwächsten wirkt. 

II. N. Kruskal: Ueber Agrostemma Gitkago L. 

Die Samen dieser, als Getreideunkraut häufigen Pflanze, 
enthalten ebenfalls ein giftiges Sapotoxin. welches aber auch 
vom Darm aus resorbirt werden kann und in Folge von Ver¬ 
unreinigung des Mehles mit Kornradesamen nicht selten Ge¬ 
genstand einer forensischen Untersuchung ist. Die Centrum¬ 
partie der Samen ist ganz ungiftig nnd enthält eine Menge 
Nährstoffe. Der Herausgeber ist der Ansicht, dass wenn den 
Müllern durch ein Gesetz ein Schrotverfahren aufgenöthigt 
wird, welches nicht allein die schwarze Schale, sondern auch 
die vom giftigen Embryo gebildete Randpartie nach Möglich¬ 
keit ablöst, ein Kornradehalti^cs Mehl ohne Nachtheil für die 
Gesundheit zu Speisen verarbeitet werden kann. Kresling. 

A. ßaginsky: Arbeiten aus dem Kaiser- und Kaiserin- 
Friedrich-Kinderkrankenhause in Berlin. Festschrift 
Rudolf Virchow gewidmet. Stuttgart. Verlag von Fer¬ 
dinand Enke. 1891. 

Eine Fülle von Arbeiten liegt uns in dieser Festschrift vor: 
sie sind alle entstanden und ausgeführt im neuen Kinderspi- 
tale zu Berlin und beweisen die rastlose Thätigkeit der Direc - 
toren Babinsky und Gluck, sowie der Assistenten. Zunächst 
finden wir eine ausführliche Beschreibung des neuen Hospi¬ 
tals, der Einrichtungen zur Isolirung und Verhütung der 
Uebertragung von Infectionskrankheiten. Dann schildert Ba- 
insky interessante Beobachtungen aus der raedicinischen 
btheilung und Gluck aus der chirurgischen Abtheilung. Von 
grossem Werthe sind ferner die Erfahrungen, welche in dem 
Isolirpavillon für Diphtherie gemacht wurden. Es kommt jedes 
der Diphtherie verdächtige Kind zunächst in ein Isolirungs- 
zimmer. In diesem Zimmer verbleiben die neu aufgenoramenen 
Kranken so lange, bis der bakteriologische Cnlturversnch Auf¬ 
schluss über die Anwesenheit des Diphtheriebacillus verschafft 
hat. Kinder, bei welchen dieser Mikroorganismus nicht aufge¬ 
funden ist, werden möglichst schleunigst in dem Isolirungs- 
zimmer des Diphtheriepavillons entlassen, während diejenigen, 
welche Diphtheriebacillen bergen, auf die eigentliche Diphthe¬ 
rieabtheilung verlegt werden. Nur auf diese Weise ist man, 
wieBaeiusky richtig bemerkt, imStande, klare Verhältnisse 
in der Behandlung der Diphtheriekranken zu schaffen, denn 
die pseudodipktheritischen Pharvnxattectionen heilen bei der 
einfachsten Behandlungsmethode. 

Treffliche Arbeiten finden sich ferner in dieser Festschrift 
von Arnheim: über anatomische Untersuchungen der diph- 
theriti8chen Lähmungen, von Aronson: über die Anwendung 
der colloidalen Thonerde zur Filtration bakterienhaltiger Flüs¬ 
sigkeiten und von Ullmann aus der poliklinischen Abthei¬ 
lung des Hospitals: Beobachtungen über Keuchhusten. — Auf 
das Wärmste empfehlen wir den Kinderärzten diese Festschrift, 
sie wird gewiss Vielen recht willkommen sein. 

Abelmann. 

Klinisches Jahrbuch, unter Mitwirkung von Professor 
Skrzeczka und Dr. SchönfeId herausgegeben von 
Professor Guttstadt. Dritter Band. Berlin, Verlag 
von Julius Springer 1891. 

Ebenso wie die beiden ersten, enthält auch der vorliegende 
dritte Band des klinischen Jahrbuches eine Fülle lesenswerther 
Abhandlungen und ausgezeichnet angeordneten Materials. Die 
Abhandlungen sind folgende: 

1. Salvatore Tomasi und das Aufleben der Arzneiwissen¬ 
schaft in Italien von Moleschott. 

2. Die Entwickelung der deutschen Geburtshilfe aus der Heb¬ 
ammenkunst von Freund. 

3. Der klinische Unterricht und praktische Ausbildung der 
Aerzte von Prof. Ziemssen. 


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4. Die Krankenabsonderung in Frauenkliniken von Prof. ' 
Fritsch. 

5. Rede, gehalten zur Einweihung der psychiatrischen und 
Nervenklinik zu Halle a. S. von Prof. Hitzig. 

6. Ueber den medicinischen Unterricht in Schweden von Prof. 
Axel Key. 

7. Ueber die Ausbildung derAerztein Belgien von Prof. Nuel. 

8. Ueber die ärztliche Ausbildung in den Vereinigten Staaten 
von Nord-Amerika von Prof. Jacobi. 

Es folgen dann Baubeschreibungen, darunter solche des neuen 
Instituts für Infeetionskrankheiten in Berlin, der medicinischen 
Neubanten in Göttingen. neues Operationsgebäude in Würzburg 
und Berlin etc. 

Sodann kommen Verwaltungsnachrichten und eine sehr aus¬ 
führliche Morbiditäts- und Unterrichtsstatistik der pr'eussischeu 
Universitäten für das Jahr 1889 90. 

Unter den «verschiedenen Nachrichten» sind Nekrologe für 
Richard von Volkmann und Julius Jacobson zu nennen. 

Amtliche Bekanntmachungen machen den Schluss des luxu¬ 
riös ausgestatteten Buches. Wan ach. 


Auszug aus den Protokollen 
der medioinischen Gesellschaft zu Dorpat 
vom Jahre 1891. 

Sitzung am 4. September 1891. 

1. Herr Meyer berichtet über eine Reise, die er nach Stock¬ 
holm unternommen, um die Massage-Behandlung Thure- 
Brandt’s ans eigener Anschauung kennen zu lernen. Nach 
Schilderung des Eindrucks, den die gewaltige Persönlichkeit 
auf Vortragenden gemacht, skizzirt letzterer in kurzen Zügen 
den Entwickelungsgang des genialen Begründers der gynae- 
kologischen Massage-Behandlung. 1847 hatte Brandt einen 
Prolapsus recti durch Hebung der Flexur unter sanfter Schüt- 
telung geheilt. 1861, am 10. August, begann er'die Behand¬ 
lung eines Uterusprolapses, die, von glänzendem Erfolge ge¬ 
krönt, bald von weiteren Curen gefolgt war. Die Uterushe¬ 
bung wurde nun bei vielen anderen Krankheiten versucht, die 
x, Massage in die Therapie eingeführt, und mit der sich mehr 
und mehr ausbildenden Untersuchungstechnik schritt der mit 
rastloser Energie, ausserordentlichem Scharfsinn und meister¬ 
hafter Dexterität ausgestattete Mann in der Behandlung der 
mannigfaltigsten Frauenleiden von Erfolg zu Erfolg, so dass 
Brandt nach 20jähriger Arbeit den ungläubig dreinschauen¬ 
den Gynaekologen ein vollkommenes System einer gymnasti¬ 
schen Massage-Therapie der Frauenkrankheiten vor legen konnte. 
1886 hielt Brandt, der im eigenen Vaterlande mit weni¬ 
gen Ausnahmen blos Widerspruch gefunden, sich einige 
Monate in Jena auf, wo er B. S. Schnitze von der 
Wahrheit seiner Erfolge überzeugen durfte. Seit dieser Zeit 
ist seine Methode bekannt. — Bei der imponirenden Persön¬ 
lichkeit Brandt’s ist es verständlich, dass seine Erfolge hin¬ 
sichtlich Beseitigung subjectiver Beschwerden vielfach auf 
Suggestion zurückzuführen sind. Das Gebet, welches er nach 
jeder Sitzung spricht, muss auf den kältesten Zuhörer einen 
in seiner kindlichen Einfalt erhebenden Eindruck machen. — 
In Scandinavien giebt es gegenwärtig blos 6 ärztliche Ver¬ 
treter der Methode, deren bekannteste Nissen und Lind- 
blom sind. In den Krankenhäusern wird dieselbe je nach den 
Ansichten der maassgebenden Aerzte geübt oder vernachlässigt. 
Die Mehrzahl der schwedischen Aerzte scheint sich indifferent 
zu verhalten. — Neben den von Brandt betonten gymnasti¬ 
schen Maassregeln und den Uterushebnngen glaubt Vortragender 
das weitaus Wichtigste in der Massage zu sehen, welche ihre 
schönsten Triumphe bei den so oft verzweifelten chronischen 
Entzündungen des Peritoneums und der Parametrien im Ver¬ 
ein mit den Dehnungen feiert. — Unter Mittheilung einiger 
besonders charakteristischer von ihm in Stockholm beobachte¬ 
ter Erfolge werden die zahlreichen Krankheitsformen genannt, 
die zweifellos dieser Behandlung zu unterziehen wären. Die 
Behandlung der chronischen Oophoritis wird als weniger be¬ 
deutungsvoll, die der Endometritis als zweifelhaft in ihren 
Erfolgen charakterisirt. Die Therapie der Amennorrhoe auf 
verschiedener Basis sowie der Chlorose verdient als Glanzpunct 
der durch gymnastische Maassregeln gewonnenen Resultate 
ernstliche Nachprüfung. Auf Nieren- wie Mastdarmhebung 
geht Vortragender nicht näher ein. — Mit dem Zugeständnis, 
dass die Ausübung der von Th u re-Brandt angegebenen Me¬ 
thode nicht nur äusserst zeitraubend sei, sondern auch unge¬ 
wöhnliche Anforderungen an die Geduld und Energie sow r ohl 
der Patienten als des Arztes stelle, schliesst Vortragender 
seine. Mittheilung, indem er der Ueberzeugung Ausdruck giebt, 
dass diese segensreiche Therapie sicher bald in allen Centren 
der Civilisation ausgeübt werden wird. 

Discussion: Obgleich Herr Kessler über eine nur geringe 
Erfahrung hinsichtlich der Tbure-Brandt’schen Behandlungs¬ 
methode verfügt, so möchte er einem allzugrossen Enthusias¬ 


mus für dieselbe begegnen, namentlich nachdem er Gelegenheit 
hatte, im letzten Sommer einer Berliner Discussion beizuwon- 
nen. in welcher besonders Duerssen eine mehr oppositionelle 
Stellung einnahm. Man schien allgemein darin einig zu sein, 
dass die Indicationeu für die Methode nicht in dem Umfang, 
wie Thure-Brandt es wünscht, gestellt werden könnten, die 
para- und periraetritischen Exsudate, Adhaesionen und Schwar¬ 
ten kämen vor allen Dingen in Betracht, und wenn überhaupt 
so könne man erst in zweiter Linie von der Behandlung der 
Oophoritis und der Prolapse etwas erwarten, auch habe man 
in Deutschland sich gewisse Abänderungen und Modificationen 
in der Handhabung der Technik erlaubt und für gut befunden. 

Herr Meyer führt zunächst die Misserfolge auf den plau¬ 
siblen Umstand zurück, dass die Berliner Specialisten viel zu 
wenig Zeit haben, um streng nach den Principien Thure- 
Brandt’8 zu behandeln. Es ist ganz richtig, auch Thure- 
Brandt hat bei Oophoritis kaum eine fühlbare Verkleinerung 
des Organs erzielen können, aber jedes Mal subjertives Wohl¬ 
befinden, Linderung der Beschwerden. Aus siechen arbeitsun¬ 
fähigen Frauen wurden blühende frische Wesen — das sind 
bedeutende Erfolge, allerdings nach 6 Monate langer mühsa¬ 
mer Arbeit, eine Zeit, die Duerssen gewiss nicht angewandt 
hat. Daher glaubt M. auch, dass sich die Thure-Brandt’sche 
Methode als Specialität aus der Gynaekologie mit der Zeit ab¬ 
trennen wird, was in Wien schon geschehen ist, wo Dr. Kumpf 
mit 4 Masseusen nur in dieser Disciplin arbeitet. Was die 
Technik anlangt, so wird es einerlei sein, mit welcher Hand 
und mit welchen Fingern massirt wird, das Princip wird sich 
immer gleich bleiben, die Hauptsache sei «Zeit, sehr viel Zeit 
und Geschick». 

Herr Kessler glaubt Duerssen als gewissenhaften vorur- 
theilsfreien Kliniker bezeichnen zu müssen. Er habe auch nur 
angeführt, dass man in Berlin die Indicationen entschieden 
eingeschränkt wissen will, auch sei es ja Thatsache, dass die 
blutige Behandlung dort bevorzugt und mehr geübt werde. K. 
hat gleichfalls Erfolge nach der Thure-Brandt’schen Behand¬ 
lungsmethode gehabt, aber es sei ihm nicht klar, warum die¬ 
ser Erfolg eingetreten sei, es fehle die Ratio. Thure-Brandt 
selbst und seine begeistertsten Anhänger gebeu keine genü¬ 
gende Erklärung. Die Bedeutung des sogenannten «Turgors», 
die durch die Massage bewirkte Hyperaemie und Anaemie der 
bindegewebigen Adnexa des Uterus sei zur Erklärung der 
Fixation dieses Organs nach der Liftung nicht genügend er¬ 
klärt. 

Herr Meyer befürwortet die hypothetische Auffassung, dass 
die physiologische Elasticität durch Dehnung gekräftigt wird, 
durch temporäre Anaemie ein secundärer Turgor hervorgeru- 
fen werde, so dass eine wesentliche Kräftigung den Muskeln 
des Beckenausgangs zufalle. 

Auf eine Anfrage des Herrn Zoege, ob Sectionen vorlägen, 
wo nach Thure-Brandt vorher behandelt worden sei, erwidert 
M., dass ihm solches nicht bekannt sei, wohl aber seien Zeich¬ 
nungen vor und nach der erfolgreichen Behandlung in Jena 
von Prof. Schnitze angefertigt worden. 

Herr Zoege glaubt, dass eine stricte Theorie zur Erklä¬ 
rung der Massage noch nicht möglich sei; durch gewaltsame 
Sprengnng von Adhaesionen werde das Gewebe zerrissen; 
durch Dehnung der Adhaesionen entständen Ligamente; Fas- 
cien könne man nicht durch Dehnung verkürzen. Auch Wan¬ 
dernieren können zurückmassirt werden, seiner Meinung nach 
auf die Art, dass durch die gewaltsame Massage der perito¬ 
neale Ueberzug multiple Querrisse erleide, wodurch nach der 
Heilung derselben in der Längsachse ein Resultat erzielt werde, 
welches man als Autoplastik bezeichnen könnte. Der Vergleich 
mit den Muskeln passe nicht; dagegen glaube er wohl, dass 
die vasomotorische Reizung als Heilfactor von Bedeutung sei. 

Herr Kessler meint, dass die Bedeutung des intraabdomi¬ 
nellen Drucks im Allgemeinen unterschätzt werde, welche 
muthmaa8slich bei dem Effect der Uterusliftung eine hervor¬ 
ragende Rolle zu spielen im Stande sei. 

Herr Meyer betont, dass der vorher reponirte Uterus vor 
Ausführung der Liftung trotz der Einwirkung des intraabdo¬ 
minellen Drucks nicht in der normalen Lage bleiben könne, 
wenn nicht die Liftung hinzukommt. 

2. Herr Zoege spricht über den für Dorpat nothwendigen 
Ersatz des vor einiger Zeit verzogenen einzig brauchbaren 
Masseurs. Die Gesellschaft wendet sich mit der Bitte an ihn, 
einen womöglich auch mit der schwedischen Heilgymnastik 
vertrauten Masseur zur Uebersiedelung nach Dorpat veran¬ 
lassen zu wollen. 

3. Ferner wird der Beschluss gefasst, die Mitglieder des livl. 
Aerztetages fürs nächste Jahr nach Dorpat einzuladen und 
zwar mit schriftlicher Eingabe an das Präsidium desselben. 

4. Es wird bestimmt, den städtischen Collegen die jedesma¬ 
lige Tagesordnung durch gedruckte Karten bekannt zu machen, 
den Landärzten im Dorpatsrhen Kreise semesterlich 1 Mal die 
Sitzungstage ohne nähere Angabe der Tagesordnung in der 
Zeitung zu publiciren. 

z. Z. Secretär: Dr. Robert Koch. 


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Protokolle 

dät Sitzungen des III. livländischen Aerztetages 
in Walk. 

III. Sitzung. 10. September 1891, Morgens 9 Uhr. 

(Schluss). 

3. Herr V. v. Holst (Riga): «Die therapeutische Ver- 
werthung der Hypnose». Vortragender will in erster 
Reihe die Frage beantworten: Wie soll sich der praktische 
Arzt zu dieser Behandlungsmethode verhalten? Hierzu sei es 
nöthig sich über folgende Punkte: «1) Welche Gefahren 
schliesst die Hypnose in sich im Allgemeinen und im concre- 
ten Falle? 2) Welchen curativen Werth haben die durch die 
Hypnose erzielten Erfolge? 3) Können wir nicht dieselben 
Erfolge auch ohne Hypnose auf einem anderen Wege er¬ 
reichen?» 

Die erste Frage: welche Gefahren für den Patienten schliesst 
die Hypnose in sich?» wird von denjenigen (Jollegen, die 
die Hypnose in umfangreichem Maasse benutzen, einfach da¬ 
hin beantwortet: von einem gewissenhaften Arzte ansgeübt — 
gar keine. Sie stützen sich dabei theils auf die theoretischen 
Erwägungen, welche die Hypnose als einen dem normalen 
Schlafe durchaus analogen Zustand ansehen, theils auf die 
praktischen Erfahrungen, dass sie bei vielen hypnotischen Sitzun¬ 
gen niemals eine unmittelbar schädliche Folge beobachtet 
haben. « 

«Dieser Auflassung kann ich nicht ganz beipflichten, wenn 
ich auch zngebeu muss, dass in vielen Fällen von einer schäd¬ 
lichen Wirkung garnicht die Rede sein kann. Möglich ist 
aber eine solche doch und gehört, wenn man nicht die Fälle 
sehr vorsichtig sichtet nicht zu den grossen Ausnahmen». 
Die Hypnose sei nicht ein Analogon des normalen Schlafes 
und häufige Wiederholung von Hypnose bleibe sehr oft nicht 
ohne schädliche Folgen. Vortragender hat schwere Hysterien 
zn beobachten Gelegenheit gehabt, die ihre Entstehung nur 
in leichtsinnigen hypnotischen Experimenten hatten. Aehnlich 
könne eine zu therapeutischen Zwecken angewandte Hypnose 
wirken bei vorhandener Disposition. 

Der cnrative Eflect der Hypnose basire auf der Sugges¬ 
tiv therapie in der Hypnose. Erfolge lassen sich nur be¬ 
ziehen auf Symptome functioneller Natur, resp. auf Complica- 
tioneu functioneller Natur. Das Grundleiden könne durch 
Hypnose nicht beeinflusst werden. Der curative Werth sei 
demnach ein relativ geringer. Eine schwere Hysterie oder 
dgl. könne durch Hypnose nicht geheilt werden, wenn auch 
dieses oder jenes Symptom vorübergehend oder bleibend zum 
Schwinden gebracht werden kann. 

Die dritte Frage: «Können wir nicht denselben Erfolg auch 
ohne Hypnose auf einem anderen Weg® erreichen?» müsse be¬ 
jaht werden und zwar sei diesor audere Weg die «Suggestiv¬ 
therapie» ohne Hypnose, welche zwar nicht so überraschende 
aber bleibendere und radicalere Erfolge aufweise. — Die Be¬ 
rechtigung der Hypnose für einzelne Fälle solle hierdurch 
aber durchaus nicht bestritten werden. 

Zum Schluss fasst Vortragender seine Ansichten über die 
Verwendbarkeit der Hypnose in folgende Thesen zusammen: 

1. Die Benutznng der Hypnose zu therapeutischen Zwecken 
ist wissenschaftlich durchaus berechtigt; sie muss aber 
mit grosser Vorsicht gehandhabt werden, denn sie kann 
unter Umständen anch schlimme Folgen haben. 

2. Die Verwendung der Hy pnose zu therapeutischen Zwecken 
darf immer nur eine beschränkte sein nach wohlüberleg¬ 
ter strenger Indication. 

3. Namentlich ist sie zu vermeiden, wo man die Möglichkeit 
hat, auch auf einem anderen Wege dasselbe Ziel zu er¬ 
reichen. Hierbei ist besonders die Snggestivwirkung 
ohne Hypnose zn berücksichtigen. 

4. Bei der therapeutischen Verwendung der Hypnose soll 
man sich dessen bewusst sein, dass es sich dabei immer 
nm eine symptomatische Behandlung handelt, nie aber 
nm eine radicale. 

5. Die Hanptindication für die Methode bildet darum auch 
die vorwiegende oder alleinige Bedeutung eines Sympto- 
mes in einem Krankheitsbilde, vorausgesetzt, dass nicht 
ein der Hypnose nicht zugängliches ursächliches Moment 
dieses einen Symptomes nachweisbar ist. Bei den zeit¬ 
weilig eine wesentliche Rolle spielenden einzelnen Sympto¬ 
men der Hysterie hat die oft leicht zu erzielende Fort- 
schaffüng desselben durch die Hypnose keinen Werth, weil 
die Hysterie eben dieselbe bleibr. 

6. Je leichter der hypnotische Zustand hervorzurufen ist, 
nm so vorsichtiger muss man sein, denn die Möglichkeit 
der sohädlichen Folgen steht im geraden Verhältniss zur 
Leichtigkeit der Hypuotisirbarkeit. Darum sind häutige 
Wiederholungen der Hypnose, da mit denselben die Hyp- 
notisirbarkeii zunimmt, besonders zu vermeiden. 

7. Nervöse Constitution, hereditäre Belastung, ohne schon 


gerade ausgesprochene Neurose scheint mir eine Contra- 
1 indication gegen die Anwendung der Hypnose zu bieten. 

weil durch die letztere die allgemeine Neurose, nament- 
1 ' lieh die Hysterie zum Ausbruch kommen kann. 

8. Schon'vorhandene Hysterie dagegen bietet keine Contra- 
indication, weil die zu befürchtenden ashädlichen Folgen 
schon ausgebildet vorhanden sind und eine Verschlimme¬ 
rung derselben im Allgemeinen nicht zn befürchten ist. 
Dagegen bietet aber wieder die vorhandene Hysterie 
keine Aussichten für eine bleibende Wirkung der ange¬ 
wandten Hypnose». 

Discussion: 

Herr Dehio (Rothenberg): Ob die Hypnose nur bei functio- 
nellen Störungen Erfolge erzielen kann, mnss dahingestellt 
werden im Hinblick auf die bekannte experimentelle Erzeu¬ 
gung von Blasen, Blutungen etc. in der Hypnose. — In Bezug 
auf die therapeutische Anwendung bedarf es einer grossen 
Erfahrung, um alle schädlichen Folgen mit Sicherheit zu ver¬ 
meiden; ebenso ist eine genaue Keuntniss des Seelenlebens des 
Kranken erforderlich, daher die Hypnose im Sprechzimmer 
des Praktikers sich nicht einbürgern wird; endlich gehört 
eine besondere psychische Constitution des Hypnotisirenden 
selbst zum Erfolge. Dieses letztere Moment wurde im Beginn 
von Bernheim zu wenig gewürdigt, wird aber von Forei be- 
i tont. 

| Herr Ed. Schwarz (Riga) spricht gegen die Behauptung, 

I dass die cnrative Bedeutung gleich Null und führt als Beweis 
I die Erfolge bei conträrer Sexualemplindung an. 

Herr v. Holst hebt hiergegen hervor, dass diese gerade 
als vorwiegendes und einziges Symptom die hypnotische Be¬ 
handlung indicire; dass es sich bei dieser aber doch gerade 
um eine functioneile Störung reinster Art handelt und darum 
die cnrative Bedeutung der Methode durch dieses Beispiel 
nicht bewiesen ist, weil die Ursache der functioneilen Störung 
nicht gehoben werde. Herrn Dehio könne er nur beistimmen, 
wenn derselbe behauptet, dass die Persönlichkeit des Hypnoti¬ 
seurs eine sehr grosse Rolle spiele. Hierauf seien auch die 
sehr auseinandergehenden Augabeu der Autoreu über den 
Procentsatz der Hypnotisirbarkeit zurückzuführen, indem ge¬ 
wisse Persönlichkeiten, die so zu sagen schon von einem hyp¬ 
notischen Nimbus umgeben seien, schon durch ihre Persön¬ 
lichkeit allein die Suggestion, hypnotisch beeinflusst zn wer¬ 
den, hervorrufen. Dass zu diesem Zwecke von einzelnen 
Aerzteo noch allerlei äussere Hilfsmittel mitbenutzt werden, 
halte er für unwürdig eines Arztes. 

Herr ünverricht (Dorpat): Ich möchte meine grosse Be¬ 
friedigung über die von nüchterner klinischer Beobachtung 
zeugenden Auseinandersetzungen des Heilen Collegen Holst 
aussprechen. Hoffentlich uehinen die Herren die Feberzeugung 
mit, dass es besser ist, wenn der praktische Arzt die Hypnose 
garnicht anwendet. Wenn, wie gelegentlich in den Zeitungen 
behauptet worden ist, schwere Epileptiker durch die Hypnose 
geheilt worden sein sollen, so liegt in diesen Angaben, wenu 
sie von Aerzten ausgegangen sind, ein Abgrund klinischer 
Vermessenheit. 

Herr v. Holst (Riga) dankt Herrn Unverricht für die An¬ 
erkennung seiner Anschauungen. Er sieht die Schlussfolge¬ 
rung: «die praktischen Aerzte sollten ihre Hände fern halten 
von der Hypnose* nur als ein weiteres Besinne seines ganzen 
Vortrages an, zudem auch er ein grosses Gewicht darauf lege, 
dass die Hypnose praktisch benutzt werde nur von Personen, 
die sich lange eingehend und gewissenhaft mit dem Studium 
dieser Frage beschäftigt haben. 

Herr Dehio spricht dafür, geeignete Fälle lieber zu Speda- 
listen in dieser Heilmethode zu senden. 

Herr Meyer (Dorpat) meint, dass die Hypnose bei strenger 
Auswahl der Fälle und Beobachtung aller Vorsichtsmaassregeln 
nicht als so gefährlich bezeichnet werden könne, dass der 
praktische Arzt völlig auf dieses wichtige Heilmittel verzich¬ 
ten sollte. Er habe den von ihm Hypnotisirten nie gescha¬ 
det, weil er sich nie an Hysterische gewagt habe. 

Herr v. Holst. Diese Sicherheit, nicht geschadet zu haben, 
kann täuschen, weil die Schädigung nie unmittelbar zu beob¬ 
achten ist, sondern sich immer erst nach mehr oder weniger 
langer Zeit herausstellt. Hysterische zu hypnotisiren halte 
er nicht für besonders gewagt, weil bei ihnen die als Folge 
der Hypnose zu befürchtende Neurose bereits ansgebildet ist. 
Dagegen scheinen ihm nervös disponirte belastete Individuen 
vielmehr der Gefahr ausgesetzt zu sein, dass man ihnen durch 
die Hypnose schaden kann, weil bei ihnen durch die Hv pnose 
die Hysterie zum Ausbruch kommen kann. 

Der Vorsitzende schliesst die Debatte mit dom Bemerken, 
dass die Hypnose jedenfalls ein zweischneidiges Schwert sei, 
dessen Handhabung ganz besondere Geschicklichkeit, Vorsicht 
ui)d Erfahrung bedürfe. 

4. Herr F. Behse (Pernau): «Aus der gerichtsärzt- 
liehen Praxis». Aus den letzten 5 Jahren sind mir 3 Falle 
erinnerlich, bei denen die Frage an mich herantrat, ob der 
gelegentlich der forensischen Leichenöffhnng in den Athmungs- 


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Organen gefundene Speisebrei mit dem Tode der betreffenden 
Personen in Zusammenhang zu bringen sei oder nicht: denn 
bekanntlich kann ja auch nach dem Tode in der Leiche 
Speisebrei in die Luftwege gelangen. 

Wie unterscheidet man nun, ob der Speisebrei durch die 
Athmung aspirirt worden oder ob wir den Befund als Leichen¬ 
erscheinung aufzufassen haben. 

Die gebräuchlichen Handbücher geben hierüber keine diffe- 
renzialdiagnostischen Momente an, wir können uns jedoch die 
Sache etwa folgendermaassen vorstellen: Erfolgt der Eintritt 
des Speisebreies in die Luftwege durch Aspiration erbroche¬ 
ner Massen während des Lebens, so wird derselbe wohl 
meist die Luftwege bis tief in die Lungen hinein anfüllen, 
besonders in den Fällen, wo der Tod durch Erstickung dar¬ 
auf zu beziehen ist. Im anderen Falle können die treibenden 
Kräfte nur sein: äusserer Druck auf den Bi.uch oder Gasdruck 
vom Darm aus und die Schwere des Speisebreies, der ihn in 
die Lunge hinabfliessen lässt. Hierbei kommt es sehr we¬ 
sentlich auf die Lage der Leiche und die Consistenz des 
Speisebreies an. Bei horizontaler Lage der Leiche auf der 
Vorderfiäche des Körpers kann z. B. von einem tieferen Her- 
abfliessen kaum die Hede sein. Finden wir jedoch unter 
solchen Umstanden Speisebrei auch nur in den tieferen Thei¬ 
len der Trachea oder den primären grossen Bronchien, so 
werden wir Aspiration durch Athembewegungen annehmen 
müssen. Das Gleiche gilt von der Seitenlage der Leiche, 
überhaupt von allen Lagen, bei denen sich der Kehlkopf tie¬ 
fer befindet als die peripheren Theile des Bronchialbaumes. 

Viel leichter wird in der Leiche der Eintritt des Speise¬ 
breies in die Luftwege erfolgen, wenn die Leiche auf ihrer 
Vorderttäche mit stark erhöhtem Oberkörper und Kopf sich 
befindet, besonders wenn der Cadaver in dieser Stellung be¬ 
wegt, getragen, gerüttelt, gefahren worden. Aber in keinem 
Falle werden die secundaren Bronchien der Lungen saiuint- 
lich mit Speisebrei gefüllt werden können, denn ein Theil 
derselben wird immer hoher liegen, als andere dem Kehlkopf 
näher gelegene Partien des Bronchialbaumes, die daher früher 
total gefüllt werden müssten. Ist aber einmal ein Theil der 
Luftrohre ganz gefüllt, so hört das weitere Einfiiessen von 
Speisebrei in die Lungen auf. 

Treffen wir Speisebrei in sämmtlichen secundären Bronchien 
oder sind gar Luftröhrenäste dritter Ordnung in allen Lun¬ 
genlappen gefüllt, so müssen wir Aspiration als Ursache be¬ 
zeichnen und bei einigermaassen horizontaler Rückenlage wer¬ 
den wir schon die vollständige Füllung der primären grossen 
Bronchien so deuten müssen. 

Aus dem Gesagten eigiebt sich, dass wir bei gehöriger Be- I 
rücksichtigung der Lage der Leiche, der Consisteuz des Speise¬ 
breies und der Tiefe, bis zu welcher derselbe in die Luftwege 
eingedrungen ist, wohl fast immer zu einer Entscheidung der 
Frage kommen werden, ob wir eine Leichenerscheinung vor 
uns haben, wenn wir Speisebrei in den Luftwegen vorfinden, 
oder ob wir diesen Befund auf einen vitalen Act, Aspiration 
durch Athmung beziehen müssen. 

Gesetzt nun, dass wir in einem gegebenen Falle uns mit 
Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse überzeugt haben, 
dass Aspiration des Speisebreies in die Luftwege vorliegt, so 
folgt daraus selbstverständlich noch nicht, dass die Todes¬ 
ursache darin liegt. Erstickung durch den Speisebrei weiden 
wir nur dann annehmen dürfen, wenn keine andere Todes¬ 
ursache zu entdecken ist, wenn der Speisebrei ziemlich con- 
8istent ist und die Bronchien bis tief in die Lungen hinein 
anfüllt, und auch dann ist zu bedenken, dass diese Erstickungs¬ 
art nur möglich ist, wenn Bewusstlosigkeit mit tiefer Herab¬ 
setzung der fietiexerregbarkeit vorliegt, etwa durch einen 
schweren Rausch, oder durch Gehii ncommotion etc., oder wenn 
das Erbrechen mechanisch, etwa durch Druck auf Mund und 
Nase gehindert worden ist. 

Zur Illustration des vorstehend Gesagten führt Vortragender 
3 Falle aus seiner gerichtsärztlichen Praxis an. ln dem 
ersten handelte es sich um Tod durch Ersticken in Folge 
Aspiration von Milch in die Luftwege. Diese war einem schwer 
betrunkenen, bewusstlos daliegenden Manne als Gegengift 
eingefiösst worden. Der zweite Fall betraf eine Frau, welche 
gestürzt war, eine Commotio cerebri erlitten hatte, während 
der Bewusstlosigkeit erbrochen und Speisebrei aspirirt hatte, 
ln dem dritten Falle musste der Befund von Speisebrei in 
den obereren Luftwegen als Leichenerscheinung gedeutet 
werden. 

Disc ussion: 

Herr Körber (Dorpat): «Prof. Liman’s Versuche mit 
künstlichem Morast, in welchem die Leichen vergraben wurden, 
ergaben dasselbe Resultat: Je durchsichtiger die eingedrun¬ 
genen Massen, je grösser ihre Menge und je weiter in die 
feineren Verzweigungen der Bronchien dieselben vorgedrungen 
waren, desto sichei er liess sich eine bei Lebzeiten stattgehabte 
Aspiration annehmen. 

Herr Behse habe zwei Momente, auf die Liraan bei seinen 
Versuchen aufmerksam macht, nicht berücksichtigt: Die An¬ 
nahme der Aspiration bei Lebzeiten wird um so wahrschein- . 


licher, je frischer die Leiche. Zweitens müsse die Möglichkeit 
einer postmortalen Aspiration bei Druck und Nachlass der¬ 
selben auf den Thorax unter Wasser, eine Bedingung an die 
beim Herausziehen von Leichen aus einer Flüssigkeit gedacht 
werden kann, zugegeben werden. 

Punkt 5 der Tagesordnung: Vortrag «Forensisches» des 
Herrn F. Schultz (Riga) konnte nicht erledigt werden, da 
Vortragender verhindert war am Aerztetage theilzunehmen. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Zu den zahlreichen Behandlungsmethoden der Tu- 
berculose kommt jetzt eine neue hinzu, es ist die von Na- 
daud empfohlene subcutaneInjection vonAristol (1:100 
Mandelöl;. Das Mittel wirke antiseptisch und sei bei Lungen- 
intiltration sehr wirksam. Nur wo Cavernen bereits bestanden, 
erwies sich das Mittel als nutzlos. 

T T , „ „ (Allg. med. C.-Ztg. Nr. 77). 

— ln hallen von Erysipel der Extremitäten und des 
Rumpfes wandte Rose in New-York das permanente heisse 
Bad mit dein besten Erfolge an. Nach Ablauf von 24 Stunden 
schwanden die Schmerzen und das Fieber und die definitive 
Heilung zeigte sich stets bereits nach einigen Tagen. 

(Deutsche med. Wochschr. Nr. 34). 


Vermischtes. 

~ Verabschiedet auf eigenes Ansuchen: der Arzt des 
hiesigen Patriotischen Instituts und der St. Petersburger 
Elisabeth-Madchenschule, wir kl. Staatsrath Dr. E. Lindes. 

Verstorben: 1) In Simferopol der ehemalige Accoucheur 
der taurischen Medicinalverwaltung, Dr. M.l. Kaschkadamow, 
im Alter von 8b Jahren. Der Hingeschiedene, welcher im Fin¬ 
delhause erzogen worden und iin J. 1820 den Arztgrad ander 
Moskauer Universität erlangte, hat sein ganzes wahrend der 
langen Praxis erworbenes Vermögen (mehr als 100,000 Rbl.) dem 
h remdenhospiz in Simferopol, dessen (Jurator er seit 1869 war, 
vermacht. 2) ln Mobilew der Director der dortigen Central¬ 
heldscherschule, wirkl. Staatsrath VV. S. Snigirew. 3) ln 
Grjasowez (Gouv. Wologda) der Landschaftsarzt Leo Wolk, 
28 Jahre alt, welcher sich am 31. December a.pr. erschossen 
hat. Der Verstorbene hatte sich während seiner zweijährigen 
Praxis die allgemeine Liebe der Bevölkerung erworben. 4) Am 
3. Februar n. St. in London der bekannte Londoner Laryn- 
golog, Dr. Sir Mo reif Mackenzie an den Folgen der lnfiu- 
enza. Es war im Mai 1«87, als sein Name in weiteren Kreisen 
bekannt wurde durch seine Berufung nach Berlin zurConsul- 
tation bei dem damaligen deutschen Kronprinzen Friedrich, 
dessen Weiterbehandlung er bekanntlich unter gänzlichem Aus¬ 
schluss der deutschen Aerzte übernahm. Die unglückselige 
Rolle, welche M. im weiteren Verlaufe der verhängnissvoilen 
auch Kaiser Friedrich’s goepielt hat, ist seiner Zeit 

1 i , Un8erer Wochenschrift hinreichend gewürdigt worden 
una wohl noch in Aller Erinnerung. Was den. ausseren Lebens¬ 
gang Sir Morell’s anbelangt, so war er am 7. Juli 1837 in der 
Grafschaft Essex geboren und hatte seine medicinische Aus¬ 
bildung am Londoner Medical College erhalten, worauf er sich 
in Paris, Wien, Pest weiter ausbildete. In das Studium der 
Kehlkopfkrankheiten wurde er durch den Begründer der Laryn- 
gologie Prof. Czermak eingeführt. Nach London zurückge¬ 
kehrt, gründete er i. J. 186J daselbst das Hospital für Hais¬ 
und Kehlkopfkrankheiten, weiches einen Weltruf erlangt hat. 
Im selben Jahre erhielt er einen Preis vom Royal College of 
Surgeons für eine Arbeit über Kehlkopfkrankheiten und galt 
bald in England als der bedeutendste Specialist für Hals- und 
Kehlkopfkrankheiten. Der Verstorbene ist auch vielfach schrift¬ 
stellerisch thätig gewesen. Er schrieb unter Anderem Abhand¬ 
lungen über die Pathologie und Behandlung der Kehlkopfkrank- 
heiten ; über den Gebrauch des Kehlkopfspiegels, über Hygiene 
der Stimmorgane. Sein Hauptwerk ist sein «Lehrbuch der Krank¬ 
heiten des Halses und der Nase», welches von dem bekannten 
deutschen Laryngologen Dr. Felix Semon in London in’s 
Deutsche übersetzt ist. Seine letzte bekannt gewordene Ver¬ 
öffentlichung war seine recht misslungene Entgegnungsschrift 
auf die Denkschrift der deutschen Aerzte über die Krankheit 
Kaiser Friedrich’s. 5) Am 5. Februar n. St. der Präsident des 
«Wiener medicinischen Doctorencollegiums». Hofrath Dr. R. 
v. Schmerling, Leibarzt des Erzherzogs Alb recht, im 82. 
Lebensjahre. Trotz seines hohen Alters nahm der Verblichene 
bis vor Kurzem noch lebhaften Antheil am ärztlichen Vereins¬ 
leben. 6) In Budapest der Professor der Chirurgie und Leiter 
der II. Chirurg. Klinik daselbst, Dr. Alex. Lumniezer im 
72. Lebensjahre. Von seineD einst zahlreichen Arbeiten verdie¬ 
nen jene hervorgehoben zu werden, welche die Pathologie und 
Terapie der Harnröhrenstricturen, sowie der Gelenkverletzun- 
gen behandeln. 

— Wie die Zeitung «Kawkas» mittheilt, ist in Batum einer 
der Actionäre der reichen Gesellschaft angekommen, welche 
die Badeeinrichtungen in Spaa unterhält. Die Gesellschaft soll 


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die Absicht haben, gute Badeanstalten inBatnm einznrichten 
and dieselben bereits im Sommer dieses Jahres za eröffnen. 

— Aaf Ansuchen der Moskaner Universität ist vom Ver¬ 
weser des Marineministerinms der Schiflfearzt Dr. N. Ssljanin 
aus Kronstadt, welcher durch die Sammlungen, welche er von 
seiner Reise als Marinearzt mit^ebracht hat, als tüchtiger 
Zoolog bekannt ist, nach Ostsibirien abcommandirt wor¬ 
den, um Stadien über die Fauna und die Fischindustrie am 
ostsibirischen Meeresstrande anznstellen. 

— In Odessa herrscht gegenwärtig eine Typhusepidemie. 
Laut telegraphischer Meldung befanden sich am 22. Januar im 
Odessaer Stadtkrankenhause 552 und im hebräischen Kranken¬ 
hause 150 Typhuskranke. 

— In den von der Hnngersnoth heimgesuchten östlichen 
Gouvernements Russlands, namentlich im Kasanscheu Gouver¬ 
nement, breitet sich der Typhus immer weiter aus, obschon 
bereits zahlreiche mit dem medicinischen Personal, Arzneien, 
Mitteln zur Beköstigung der Kranken u. s. w. ansgestattete 
Sanitätsabtheilungen dort ihre Thätigkeit eröffnet haben. Auch 
in der Stadt Kasan selbst muss der Typhus schon recht arg 
grassiren, da in dem Gouvernementslandschaftshospital allein 
schon zu Ende des verflossenen Jahres 270 Typhuskranke sich 
befanden. Dadurch erklärt sich auch der eigentümliche An¬ 
trag des dortigen Sanitäts-Comitäs, einen Cordon um die 
Stadt zur Abwehr der Verschleppung des Typhus 
durch einwandernde Bauern zu errichten. Ungeachtet des Pro¬ 
testes einiger Stadtverordneten und der Aerzte, die auf das 
Nutzlose von Quarantäne-Maassregeln hinweisen, hat die Duma 
am 24. Januar diesen Comitö-Antrag angenommen und für einen 
Monat 195 Rbl. angewiesen, um 5 Wachtposten versuchsweise 
einzurichten. 


— Die Verwaltung der Orel-Gräsi-Eisenbahn hat sich bereit 
erklärt, der Familie deB Liwny’schen Kreisarztes Awilow, 
weicher bei der Eisenbahn-Katastrophe an der Optucha umkam, 
35,000 Rbl. Entschädigung zu zahlen. Die Familie verlangt 
aber 40,000 Rbl. 

— In St. Petersburg ist die Kaufmannsfrau Grusdewa 
und ihr Commis Smirnow vom Friedensrichter zu einer 
Arreststrafe von 2 Wochen für den Verkauf von 
Kapor’schem Thee verurtheilt worden. 

— Aus den durch Aufhebung der Lehrämter für Tanz-, 
Schwimm-, Reit- und Fechtkunst an der Dorpater Universität 
frei werdenden 2400 Rbl. sind 500 Rbl. jährlich für das ge¬ 
richtsärztliche Institut bei der genannten Univer¬ 
sität bewilligt worden. 

— Nach dem Jahresbericht der Moskauer Universität 
pro 1891 belief sich die Gesammtzahl der Studirenden an 
derselben am I. Januar 1892 auf 3396, von denen 1096 Medicin 
studiren. Ausserdem gab es noch 246 pharmaceutischeZuhö¬ 
rer. Es gelangten auf dem Jahresactus 2 goldene und 3 silberne 
Medaillen für die Lösung der Preisaufgaben zur Verkeilung. 
Die Würde des Doctors der Medicin wurde im verflossenen 
Jahre 12 Personen verliehen. 


— An der Universität Charkow betrug die Zahl der 
Hörer am 1. Januar d. J. 1010, die Zahl der Lehrkräfte 
101. Den Cursus absolvirten im vorigen Jahre 193 Studenten, 
darunter 112 Mediciner. 

— Die Universität Kiew zählte am 1. Januar d. J. 2110 
Studirende, darunter 942 Mediciner. Ausserdem besuchten54 
Personen die pharmaceutischen Vorlesungen. Von den 79 Stu¬ 
direnden, welche sich im vorigen Jahre der Prüfung auf den 
Grad eines Arztes unterzogen, haben nur 7 die Prüfung nicht 
bestanden. 

— Nachdem die Einführung der neuen Taxa laborum, wie be¬ 
kannt, bereits angeordnet, wird jetzt beim Medicinalrath auch 
die Taxe für Arzneimittel, Gefässe etc. durchberathen und ist 
somit wohl binnen kurzer Zeit eine ganz neue Apothekertaxe 
zu erwarten. Behufs Verringerung der jetzt bestehenden Arz¬ 
neipreise werden, wie verlautet, von der Spedalcommisaionzur 
Prüfung der Apothekertaxe eine fabrikmässige Darstellung 
einiger pharmaceutischer, sogen, galenischer Präparate, sowie 
einige Erleichterungen und Vereinfachungen in der Einrichtung 
der Apotheken selbst pr<yectirt. Der Oberarzt der St. Petersbur- 

S er Polizei ist als Glied dieser Commission vor ca. einem Monat 
i's Ausland abcommandirt worden, um dort die allgemeinen 
Bedingungen zur fabrikmässigen Herstellung galenischer Prä¬ 
parate zu studiren. 

— Die Influenza hat den Lebensversicherungs-Gesell¬ 
schaften in den letzten Jahren recht erhebliche Verluste 
gebracht, wie solche bisher durch keine andere Infectionskrank- 
neit, selbst die Cholera nicht, verursacht worden sind. Vor 
Allem waren es die russischen Lebensversicherungsgesellschaf¬ 
ten, bei denen die grössere Mortalität sich bemerkbar machte, 
als die Influenza-Epidemie, vom fernen Osten her beginnend, 
im Jahre 1889 zuerst Russland heimsuchte. Erst später, als 
die Influenza ihren Zue von hier weiter nach Westen fort- 
setzte, wurden auch die Lebensversicherungs-Gesellschaften 
anderer Länder in Mitleidenschaft gezogen. Diese grössere 


Sterblichkeit wurde, wie auch das Material der Vesicherungs- 
gesellschaften es beweist, namentlich durch die Complicationen 
und Nachkrankheiten bewirkt, an denen die Influenza reicher 
als jede andere acute Infectionskrankheit ist und die nur zu 
oft eine viel grössere Bedeutung hatten, als die ursprüngliche 
Erkrankung. 

Interessant sind die Mittheilungen, welche der ärztliche 
Rathgeber der Gresham Lebensversicherungs-Gesellschaft in 
London, Dr. Smee, in der letzten ausserordentlichen General¬ 
versammlung dieser Gesellschaft über die starke Vermehrung 
der Todesfälle durch die Influenza gemacht hat. Die 
Gesellschaft habe 52,700 Pfd. Sterling gezahlt für Todesfälle, 
welche direct durch die Influenza hervorgernfen worden seien. 
Die Influenza habe somit der Gesellschaft in zwei Jahren 2Va 
mal so grosse Verluste verursacht, als die Cholera in 48 Jah¬ 
ren. Letztere werde den Schlechtgenährten und Leichtferti¬ 
gen gefährlich, erstere den Gutgenährten und den mit dem 
Kopfe Arbeitenden. Er glaube, dass die Influenza während 
der letzten drei Monate mehr Personen vernichtet habe, als 
die Cholera in den letzten 50 Jahren. Nach dem Bericht des 
statistischen Büreaus kommen auf 100 Todesfälle an Influenza 
14°/o im Alter bis 20 Jahren, 25% zwischen 20 —40 Jahren, 
36°/o zwischen 40—60 Jahren und 25°/o auf das Alter von mehr 
als 60 Jahren. Die Influenza sei also am gefährlichsten für 
Leute in den mittleren Jahren, für Frauen weniger als für 
Männer. Was die Nachwirkungen der Influenza anbetrifft, so 
glaubt Dr. Smee, dass dieselben bei Personen unter 40 Jah¬ 
ren nicht schlimm wären, aber bei Personen zwischen 40 und 
65 eine Verkürzung der Lebensdauer von 15 bis 20% hervor¬ 
bringen. Der tödtliche Zusammenbruch, welcher so häufig 
der Influenza folge, sei eine bemerkenswerthe Erscheinung 
der Krankheit und er habe deshalb bei neuen oder Erneue¬ 
rung abgelaufener Versicherungen solche Personen, welche 
die Influenza gehabt hatten, um 6 Monate zurückgestellt. 

Dr. Smee hält es geradezu für eine nationale Schmach, 
dass man in England nicht einige Tausende von Pfunden habe 
ausgeben wollen, um die Krankheit in den biologischen La¬ 
boratorien studiren zu können. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 26. Januar d. J. 6376 
(72 mehr als in der Vorwoche), darunter 539 Typhus— (26 
mehr), 600 Syphilis — (19 mehr), 70 Scharlach — (4 mehr), 16 
Diphtherie — (4 weniger), 92 Masern — (5 mehr)und 11 Pocken¬ 
kranke (1 mehr). _ 


Vacanz. 

Von'der Ardatow’schen Landschaft (im Gouv. Simbirsk) 
wird ein Arzt für einen med. Bezirk dieses Kreises gesucht. 
Gehalt 1200 Rbl. jährlich bei freien Amtsfahrten. Die Mel¬ 
dung geschieht unter Beifügung der Documente bei der *Ap*a- 
tobck&h yfeajH&a Oeucxaii ynpaBa». 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 19. Januar bis 26. Januar 1892. 


Im Ganzen: 
M. W. Sa. 


Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 



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i J. i i J. 1 1 1 1 I 1 


H M (O <1 U5 » 



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CO 


310 241 551 105 33 78 13 6 12 63 48 43 44 56 40 10 0 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 9, Febris recurrens 5, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 3, Masern 12, Scharlach 12, 
Diphtherie 8, Croup 2, Keuchhusten 4, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 25, Erysipelas 3, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 3, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 0, Pyämie und Septicaemie 8, 
Tuberculose der Lungen 94, Tuberculose anderer Organe 6, 
Alkoholismus nnd Delirium tremens 4, Lebensschwäclie lind 
Atrophia infantum 32. Marasmus senilis 29, Krankheiten des 
V erdaunngscanals 54, Todtgeborene 33. 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 4. Februar. 

Tagesordnung: W. Beckmann: Ueber Uterusruptur. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli- 
chen Vereins Montag den 10. Februar. 

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Verlag von Aug. Hirschwald in Berlin. 
Soeben erschien: 1—1 

A nleitnng 

zur 

aseptischen Wundbehandlung 

von 

Dr. C. Schimmelbusch. 

Mit einem Vorwort des Geh. Rath. 

v. Bergmann. 

1892. gr 8. Mit 28 Fig. ln Calico gel>d. 4M, 


Aobb. ueiia. Cnö. 31 ÜHHapa 1892 r. 


Herausgeber: Dr. Th. v. Schrö der. Buchdruckerei von Wienecke, Katheriueuhofer-Pr. 15. 


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XVII. JAHKGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETIRSBIIR6IR 


Illioiimoil W0D1E1SCIKIFT 

unter der Redaction von 

. Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Hrannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnsmantsprsil ist in Russland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für dos halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Inserticniprels 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Antoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nacli dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


i Abonnsments-Auftrigs aoirio alle Znaerate 

| bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Bieter in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect N» 14, zu richten.— Xanusoript# 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja J6 33, Quart. 3, zu richten. Sprecli'- 
stunden täglich von 2—4 Uhr Nachm-, ausser Sonntags. 


N 6 


St. Petersburg, 8. (20.) Februar 


1892 


Inhalt: C. v. Samson: Casuistischer Beitrag zur Frage des localen Meteorismus bei Darmocclusion. — Referate: 
H. Bircher (Aarau): Eine operative Behandlung der Magenerweiterung. — Doc. Rieh. Paltauf: Flie^enstich; Tod durch 
Pyämie nach 48 Stunden. — Prof. Pick (Prag): Ueber die Anwendung eintrockenender Linimente (Linimenta exsiccantia) 
bei der Behandlung von Hautkrankheiten. — Böcheranzeigen und Besprechungen: S. A. Marius Poulalion: Les 

S ierres du poumon, de la pldvre et des bronches et la pseudo-phthisie pulmonaire d’origine calculeuse. — Protokolle der 
itzungen des III. livländischen Aerztetages in Walk. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische No¬ 
tizen. — Vermischtes. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Casuistischer Beitrag zur Frage des localen Me¬ 
teorismus bei Darmocclusion. 

Von 

Dr. C. v. Samson 
in Walk. 

Bekanntlich hat weil. Prof. v. Wahl die Beobachtung 
znm Gesetz erhoben, dass bei Strangulation und Axen- 
drehung die vom Hinderniss betroffene Darmschlinge 
durch Circulationsstörung und faulige Zersetzung ihres 
Inhaltes eine rapide Gasauftreibung und abnorme 
Fixation innerhalb der Bauchhöhle erleidet. Dadurch 
wird solch eine stärker geblähte, resistentere und unbe¬ 
wegliche Darmschlinge, welche ihre Contractionsfähigkeit 
einhllsst und keine Peristaltik anfweist, hei der Ad- 
spection durch Asymmetrien in der Form des Unterlei¬ 
bes und hei sorgfältiger Palpation durch eine deutlich 
vermehrte Resistenz kenntlich. Daraufhin verlangt 
Prof. v. Wahl, die Laparotomie solle in solchen Fällen 
nicht mehr zum Zweck der Orientirung vorgenommen 
werden, sondern den Chirurgen wie bei der Herniotomie 
direct auf den schon vorher erkannten Sitz des Hinder¬ 
nisses leiten und ihm die frühzeitige Beseitigung dessel¬ 
ben ermöglichen. 

Obwohl Zoege v. Manteuffel auf den Congressen 
für innere Medicin und für Chirurgie lebhaften Wider¬ 
spruch erfuhr, als er diese Lehre vertrat, wurden doch 
in der Folge mehrfach Fälle aus Deutschland bekannt, 
in denen es gelungen ist nach v. Wahl’s Vorschrift die 
Diagnose zu stellen und die Patienten durch frühzeitige 
zielbewusste Laparotomie am Leben zu erhalten. Die Ar¬ 
beit Zoege v. Manteuffel’s (Langenb. Arch. Bd. XL1 
Heft 3), welche viele derartige Fälle aus der Dorpater 
chir. Klinik beschreibt, enthält folgendes diagnostisches 

Schema. j Strangulationsileus. 

Pathologische Verände- Klinisches Symptom: 

rnng: 

1) Localisirter Meteorismus, 1) a.Asymmetrien amAbdoinen: 

Blähung der strangnlirten b. localisirte Resistenz. 

Schlinge; 


2) Ischämische Darralähmung 2) Vollkommene Ruhe dev 
der strangnlirten Schlinge. der Banchwand anliegenden 

Schlinge, keinerlei Peristal¬ 
tik. 

In diese Kategorie sind za zählen: 

1) Volvulns, Knotenbildnng, Axendrehnng um die Me* 
senterialaxe, 

2) Abschnürung dnreh Bänder nnd Darmdivertikel, 

3) Incarceration in präformirte Oeffhungen, 

4) Invagination. 

II. Obtnrationsileus. 


Pathologischer Befund: 
1) Meteorismus, bedingt durch 
Stauung oberhalb des Hin¬ 
dernisses. 


Klinisches Symptom: 

1) Nachweisbare Asymmetrie, 
Dalpable Resistenz bei 0. 
aes Dickdarmes. Bei 0. des 
Dünndarmes diffuse Auftrei¬ 
bung. 

2) a. Peristaltik sicht- od. fühl¬ 

bar. 

b. Peristaltik sehr lebhaft. 


2) a. Keine erhebliche Circula¬ 
tionsstörung. 

b. Hypertrophie der Darm¬ 
muskulatur oberhalb des 
Hindernisses bei chroni¬ 
schen Formen des Dick¬ 
darmes. 

Zu dieser Gruppe gehören: 

1) Stricturen, 

2) Drehung um die Darmaxe, 

3) Obstructionen durch Neubildungen und Fremdkörper. 

4) Compression durch Tumoren von aussen etc. 


In seiner Inaugural-Dissertation «Ein experimenteller 
Beitrag zur Frage des localen Meteorismus bei Darm¬ 
occlusion» (Ref. Centralbl. für Chir. 1891) hat B. Kader 
experimentell die Entstehnngsbedingungen des localen 
Meteorismus studirt und seine Abhängigkeit von der Cir- 
culationsstörung in mannigfach modificirten Experimenten 
erwiesen. Damit hat er die auf klinische Beobachtung 
gestützte Vermuthung v. Wahl’s vollauf bestätigt, so 
dass er seine Arbeit mit den Worten v. Wahl’s schlos¬ 


sen kann. 

Durchmustern wir nun die Strangulationsfälle Zoege 
v. Manteuffel’s, so finden wir zunächst 3 Fälle 
von Volvulns der Flexur, welche intra vitam vollständig 
erkannt wurden, sowohl was Art als Sitz des Hinder¬ 
nisses anlangt. Eine Knotenbildung des Ileum wurde we¬ 
gen Abwesenheit der Peristaltik nnd wegen der Re- 


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sfstenz etc. als zur Gruppe der Strangulation gehörig er¬ 
kannt, doch konnte Art und Sitz des Hindernisses nur 
vermuthet werden. Da grössere Wassermassen per rectum 
eingelassen werden konnten, lag das Hinderniss nicht im 
Dickdarm. Auch in den nächsten 3 Fällen (Volvulus des 
ganzen Dünndarms) wurde aus der Abwesenheit der 
Peristaltik, aus dem localisirten Meteorismus und der 
Asymmetrie des Abdomens auf Strangulation geschlossen. 

Nach dem Schema Zoege v. Manteuffel’s dürfte es 
wohl in den meisten Fällen gelingen Strangulation von 
Obturation zu trennen; dass es aber unter Umständen 
in diagnostischer Hinsicht im Stiche lassen kann, zeigt 
der folgende Fall: 

Am 20. Sept. kam das Weib des Andres Predit in meine 
Sprechstunde und bat um Medicin für ihren Mann, der seit 
2 Tagen an Durchfall, Erbrechen und heftigen Leibschmer/.en 
leide. Weil damals sporadische ßnhrfälle beobachtet wurden, 
gab ich der Frau Ricinus nnd Calomel-Magisterinm-Opium- 

nlver nuter der Bedingung mit, dass sie den Kranken zur 

tadt bringe, falls bis morgen keine deutliche Besserung ein¬ 
getreten sein werde. 

Tags darauf kam der Kranke, obwohl er behauptete, es gehe 
ihm viel besser. Das Erbrechen nnd die Durchfalle hatten 
aufgehört, er klagte nur noch über Appetitlosigkeit und zeit¬ 
weilig aaftretenden Leibschmerz besonders in der Nabel- und 
rechten Ingninalgegend, sowie über Aufstossen und Rücken- 
schmerz. Am wenigsten Schmerz verspürte er in hockeuder 
Stellung. Starken Durst hatte er nicht. Die Krankheit hatte 
plötzlich beim Heben einer schweren Last eingesetzt. Früher 
waren ähnliche Erkrankungen nicht vorgekommen. 

Statns 21. Sept. 52 a. n. mager doch kräftig, Gesichts¬ 
züge nicht verfallen, nur wenig leidend. Doppelseitige sehr 
grosse Hydrocele. P. ca. 80, T. nicht fieberhaft. Uebelrie- 
chende aber nicht charakteristisch fäculente Ructus. Seit ge¬ 
stern weder Stuhl noch Flatus. Bei sorgfältigster Adspection 
keine Asymmetrie des Abdomens zu entdecken, die Pal¬ 
pation (ohne Narkose) ergiebt keine vermehrte Resisten¬ 
zen. Das Abdomen ist gleichmässig schwach gespannt. 
Keine Peristaltik. Urinsecretion ungestört, unbedeutender 
Bronchialkatarrh. 

Pat. wird ins Hospital geschickt, Ordin: Opium, Morph, sub- 
cut., Eingiessungen, Eisbeutel. Der 4.-6. Krankheitstag ver¬ 
geht unter häufigen hohen Eingiessungen, welche zuerst gar. 
nichts, späterhin spärliche Kothbröckel zu Tage befördern 
Das Rohr geht hoch hinauf. Trotzdem Patient viel Was’ 
ser trinkt, erbricht er nicht, sondern hat nur häufige 
Ructus von der beschriebenen Beschaffenheit. Seine Hauptsorge 
ist die, dass er keinen Appetit hat und weder Stuhl noch 
Flatus entleert. Die Gesichtszüge verändern sich nicht we¬ 
sentlich. T° und Puls unverändert. 

6. Tag. Das Abdomen wird merklich aufgetrieben, aber 
immer noch treten weder Asymmetrien noch Resisten¬ 
zen auf. Die Coecalgegend ist Vormittags etwas härter und 
heller tympanitisch, am Nachmittag nicht mehr. Die Schmer¬ 
zen nehmen zn an Intensität nnd Daner. Jeder opera ive 
Eingriff wird entschieden zurückgewiesen. 

Bis zum 10. Tage nahm der Meteorismus beständig zu. ohne 
dass sich auch in dieser Zeit Asymmetrien oder vermehrte 
Resistenzen gezeigt hätten; das Abdomen, völlig todt, 
schwoll gleichmässig an. Am 8. Tage konnte undeutlich 
ein Exsudat nachgewiesen werden, welches bis zum 10. Krank¬ 
heitstage Nabelhöne erreichte. Zwerchfell hochgedrängt, hohe 
Athemnoth und starke Schmerzen. P. 100 T® nicht erhöht, 
Respiration beschleunigt, keine Facies Hippoeratica. Plötzlich 
tritt Collaps ein und Patient stirbt mit den Erscheinungen 
der Perforation. 

Die Section ergab Volvulus des ganzen Jejuno- 
ileum um seine mesenteriale Axe in der Weise, dass das 
Ileum nach rechts aufwärts und dann unter das gedrehte 
Mesenterium gerathen war; die Radix mesenterii war also voll 
rechts unten nach links oben znsammengedreht und stellte 
eine Schraube dar, deren Gänge durch frische Fibrinauflage¬ 
rungen fast ausgeglichen waren. Peritoneum in dieser Ge- 
geud getrübt. Das Coeeum stand ungewöhnlich hoch und me¬ 
dial, ungefähr in der Höhe des III Ldw.: die Radix mesen¬ 
terii folglich sehr kurz und steil gestellt. Zahlreiche 
alte Narben zogen vom unteren Ende desselben gegen das 
Mesosigmoideum hin. Dickdarm contrahirt, enthält wenige 
Skybala. Magen und Duodenum massig gefüllt mit bräunli¬ 
cher Flüssigkeit. 

Wenn man sich die gewöhnliche schräge Lago der langen 
Radix mesenterii vorstellt, so scheint es verständlich, 
dass der Dünndarm gewöhnlich keinen Volvulus bildet, i 
denn der fixirte Anfangs- und Endtheil sind weit von 
einander entfernt und liegen wegen der schrägen Lage i 


der Radix nicht in einer fast verticalen Linie, wie in 
unserem Fall, dessen anatomische Verhältnisse zur Vol- 
vulusbildung sehr geeignet erscheinen. Es fragt sich nur, 
welche Momente erst jefctt Äe Katastrophe harbeJUhrten. 
Dass Patient keinen physiologischen Volvulns des Dünn¬ 
darms besass, scheinen die frischen Auflagerungen zu be¬ 
weisen. Dite anatomische Disposition, d. h. Hockstand 
des Coeeum, hat er von jeher gehabt, genoss von Kind¬ 
heit an dieselbe Kost und verrichtete immer dieselben 
Arbeiten. Auch hier glaube ich annehmen zu müssen, 
dass es Narben waren, welche die ohnehin gefährliche 
Beschaffenheit seines Mesenterium noch ungünstiger ge¬ 
stalteten; durch Schrumpfung haben sie das untere Ende 
der Radix vielleicht noch mehr nach links gezogen, sie 
noch steiler gestellt als sie schon vorher war, bis end¬ 
lich die Mesenterialplatte umschlug und der Volvulus bei 
einer Gelegenheit eintrat, die ihn vorher noch nicht her¬ 
beizuführen vermocht hatte. 

Der vorliegende Fall bietet zwar manches vom ge¬ 
wöhnlichen Verlauf Abweichende: lange dauerndes rela¬ 
tives Wohlbefinden, Abwesenheit von Erbrechen bei ho¬ 
hem Sitz des Verschlusses und reichlichem Trinken, 
spätes Auftreten von bedeutenderem Meteorismns; ich 
möchte aber nur das, was sich auf den localen Meleoris- 
mus bezieht, berühren. 

Bei der Untersuchung des Patienten war niemals die 
geringste Andeutung von Peristaltik wahrzuneh¬ 
men; hierdurch wurde der Verdacht auf Strangulations- 
oder dynamischen Ileus gelenkt. Für solch einen fand 
ich keinen Grund, ich konnte mir nicht denken, wes¬ 
wegen der ganze Darm gänzlich unthätig geworden sein 
sollte. Da bei Strangulation ausser fehlender Peristal¬ 
tik Asymmetrien und vennehrte Resistenzen beobachtet 
werden sollen, fahndete ich täglich auf solche und fand 
am 6. Tage die'Coecalgegend resistenter. Es wird aber 
von der bei Strangulation geblähten Schlinge verlangt, 
dass sie in der Bauchhöhle Äxirt und beständig sei: die 
Coecalgegend war aber schon nach wenigen Stunden 
von der Beschaffenheit des übrigen Abdomen in keiner 
Hinsicht verschieden. 

In allen Fällen Zoege von Manteuffels, bei deneii 
Volvulus des ganzen Dünndarms vorlag, wurde von aussen 
localisirter Meteorismus nachgewiesen; aber während das 
Wahl’sclie Gesetz besagt, die vom Hinderniss betroffene 
Schlinge sei gebläht und lasse sich als solche nachweisen, 
wurde in den Zoege v. Man teuf fei’sehen Fällen ein 
verhältnissmässig kleines Stück Darm als besonders 
stark gebläht nachgewiesen und auf Grund dieses Befun¬ 
des die Diagnose gemacht. 

Trotzdem entspricht mein Fall vollkommen dem Wahl¬ 
scheu Gesetz, wiewohl er ihm auf den ersten Anblick 
zu widersprechen scheint: der ganze Dünndarm ist 
incarcerirt, das ganze Abdomen ist gleichmäs¬ 
sig aufgetrieben und zeigt keine Peristaltik. 

Auf Grund der Fälle 6, 6 u. 7 von Zoege-Man- 
teuffel und meines soeben mitgetheilten Falles 
schliesse ich, dass bei der Diagnose auf Strangu¬ 
lation das Hauptgewicht auf die fehlende Peri¬ 
staltik, nicht auf die Asymmetrie des Abdomens 
und localisirte vermehrte Resistenzen einzelner 
Schlingen gelegt werden sollte. In meinem Fall 
war ja auch localer Meteorismus vorhanden; die Loca- 
litat war aber der ganze Dünndarm und deswegeu 
kam keine Asymmetrie zu Stande. 

Deswegen erlaube ich mir, Herrn Dr. Zoege von 
Manteuffel den Vorschlag zu machen, das Verhalten 
der Peristaltik auch in seinem Schema mehr hervorzu¬ 
heben, indem er es an die erste Stelle setzt, nnd bei 
der Asymmetrie und der vermehrten Resistenz anzudeu¬ 
ten, dass diese letzteren nicht immer vorhanden zu sein 
brauchen. Das Schema wäre dann folgendes: 


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I. Strangulationsileus. 

Klinisches Symptom: 

1) Vollkommene Ruhe der der Hauch wand anliegenden 
Schlinge, keinerlei Peristaltik. 

2) ln den meisten Fällen a) Asymmetrien am Abdomen, 

b) localisirte Resistenz. 


Referate. 

H. Bircher (Aarau): Eine operative Behandlung der 
Magenerweiterung. Corr. Bl. f. Schw. Aerzte Nr. 23. 

Für die Fälle von bedeutender Magendilntation, welche grosse 
Beaehwerden machen und der gewöhnlichen Behandlung nicht 
zugänglich sind, ohne durch Pylorusstenose bedingt zu sein, 
proponirt B. eine operative Verkleinerung der Magenhöhle ohne 
Eröflhung derselben. Ein 3—4 Fingerbreiten vom Pylorus ent¬ 
fernter Pnnct der grossen Curvatur wird an den entsprechenden 
der kleinen mit einer nur Serosa und Muscnlaris durchsetzen¬ 
den Naht vereinigt, desgleichen ein äusserst links unweit des 
Netzansatzes gelegenes in der Nähe der Cardia links von der¬ 
selben befestigt; dann wird eine lange gebogene Kornzange 
hinter diese Nähte geführt und mit ihm die ganze zwischen 
den Nähten liegende Linie der Magenwand als Falte gegen 
die Höhle eingedrückt und weiter die grosse Curvatur in der 
Nähe der kleinen durch eine Reihe von Seidennäthen fixirt. 
Mithin hängt die ganze vordere Magenwand als Duplicatur 
wie ein Vorhang ins Magenlumen hinein und das letztere bleibt 
um fast die Hälfte verkleinert. 4 Zeichnungen illustriren den 
Effect dieses originellen Eingriffe; die untere Hälfte der hin¬ 
teren Magenwand wird zur vorderen und ist vom grossen 
Netz bedeckt, dessen Ansatz in die Nähe der kleinen Curvatur 
und der Cardia verlegt ist. Bei 3 Pat. ist die Operation von 
B. mit Erfolg ausgenlhit worden. 

1. H. S. 46j. Knecht, starker Biertrinker, leidet seit 5 Jahren 
an Schmerz im Magen mit Rückenstichen. Appetitlosigkeit, 
Erbrechen etc., ist arbeitsunfähig. 26. Mai 1890 Eintritt ins 
Cantonspital. Nach Ansspfilungen. Diät. Massage bedeutende 
Besserung. Im Januar Entlassung und gleich Wiederkehr der 
Symptome. Desgleichen im Frühling 1891. Weitere Behandlung 
bis 21. Jnli ebenso fruchtlos. 28. Juli Operation. Bauchschnitt 
parallel dem linken Rippenrand. 30 Magennähte. An der kleinen 
Curvatur gegen die Rückwand nnd den Pylorus hin eine ver¬ 
dächtige harte Stelle entdeckt, aber nicht entfernt, weil die 
Einwilligung des Pat. fehlte. Am 10. Tage p. op. verliess Pat. 
das Bett, arbeitete schon am 12. (! Ref.) nnd trank am 21. 
3\* Liter Bier ungestraft. Nach der Entlassung am 32. Tage 
ganz gesund und beschäftigt sich als Erdarbeiter 3 Monate 
lang am Spitalneubau. Darauf nach vielfachem Abusus cerevi- 
siae wieder die alten Symptome. Am 19. Oct. wieder Lapa¬ 
rotomie behufs Exstirpation des praesumirten Tumors, welcher 
sich als alte mit Pancreas und Leber verbackene Narbenmasse 
erwies. Bei der Operation starke Blntung nnd Gallenerguss 
aus dem Magen. Tod am 2. Tage im Collaps. Sowohl bei der 
Autopsie in vivo als in mortuo zeigte sich der Magen nicht 
dilatirt, Magennaht fest bindegewebig verwachsen. Die Falte 
fast so gross und dick wie bei der Operation, ihre Schleim¬ 
haut unverändert, Serosablätter nur leicht verklebt. 

2. St., Fabrikarbeiterin 60j. früher hysterisch, seit 15 Jahren 
Magenbeschwerden, bis zur Arbeitsunfähigkeit. Behandlung 
erfolglos. Bei der am 11. Aug. 1891 vorgenommenen Operation 
erwies sich die Magendilatation hauptsächlich durch Vergrösse- 
rung der Längsaxe bedingt. Darum Faltenbildung nnten 
in querer Richtung, also Verkürzung der grossen 
Curvatur. Ende Ootober ganz gesund entlassen. 

3. M. F. 43 j. Fabrikarbeiter. Seit 22 Jahren Magenbeschwer¬ 

den, vor 13 J. blutige Stühle. 2 Jahre arbeitsunfähig. Vom 
Dec. 89 bis Aug. 91 fruchtlose Behandlung, mehrere Magen- 
bluUmgen. Operation 24. Aug. wie beim ersten Pat. Die Symp¬ 
tome der Dilatation schwanden, es blieb nor chron. Magen- 
darmkatarrb. Carlsbader Cnr. Heilung. Seien kow. 

Doc. Rieh. Paltaof: Fliegenstich; Tod durch Pyämie 
nach 48 Stunden. (Wiener klin. Wochenschrift. 1891. 
Nr. 35). 

Das« Fliegen Kraakheitekeime weiter verbreiten können, ist 
neber; abgesehen von den Partikeln von Faeces, Sputum, Ei¬ 
ter etc., die an ihnen haften bleiben nnd die sie so weiter ver¬ 
breiten, nehmen sie auch solche Substanzen auf nnd entleeren 
sie mit ihren Excrementen. In Anbetracht der Seltenheit der 
zur Obduction gelangten Fälle von Pyämie and Fliegenstich 
und insbesondere wegen der Rapidität des Verlaufes hält Verf. 
sich für verpflichtet, einen derartigen Fall zu veröffentlichen. 
Frau S. B. war am 3. Juli Abends im Prater gewesen und 
dort am rechten Augenlid von einer Fliege gestochen worden. 
Am 4. Juli erwachte sie mit Schwellung der rechten Schläfe- 
gageadf Rothe und Schmerzhaftigkeit der Haut. Gegen Abend 


stellten sich ausser hohem Fieber Gehirnsymptome ein. Dies« 
Erscheinungen dauerten am 5. Jnli an, am Abend trat Collaps 
ein und am Morgen des 6. Juli erfolgte der Tod nach zwei¬ 
tägigem Krankenlager. Die am nächsten Tage vorgenommene 
Obduction erwies unzweifelhaft, dass die Infection von der 
Haut des rechten oberen Augenlides ausgegangen war, an 
welche sich wie die Glieder einer Kette die weiteren Verän¬ 
derungen anschliessen. Die Thrombophlebitis der oberfläch¬ 
lichen und tiefen Venen des Plexus temporalis mit einem hoch¬ 
gradigen, entzündlichen Oedem des Zellgewebes; Fortleitung 
der Thrombophlebitis durch die anastomosirenden Venen des 
Schädelinnern. auf die Venen der Dura und den cavernösea 
Blutleiter; Einschwemmung der mürben Thrombenmasscn in 
die Lungen, welche zahlreiche Infarcte und beginnende Abscesse 
mit fibrinös-eitriger Pleuritis, ausser der Allgemeininfec'ion 
des Blutes, zur Folge hatte. Im Eiter der phlebitischen Abscesse 
im Schläfemuskel, im Safte der Lungeninfarcte und beginnenden 
Abscesse und im Milzsafte ergab die Cnltur auf Agar-Agar 
Staphylococcus anreus in Ueberzalil, daneben auch Staphylo- 
Ooccus albus. Die gewonnenen Cnlturen erwiesen sich als sehr 
virulent: zwei Kaninchen, denen eine halbe Spritze einer trü¬ 
ben Emulsion intravenös injicirt war. verendeten am 2. Tage. 

Hess. 

i 

Prof. Pick (Prag): lieber die Anwendung eintrockenen- 
der Linimente (Linimenta exsiccantia) bei der Be¬ 
handlung von Hautkrankheiten. (Vorläufige Mitthei¬ 
lung. .Separatabdruck a. d. Prager Medic. Wochenschrift 
21. 1891). 

Die bisherigen eintrocknenden Linimente hatten verschiedene 
Uebelstände, die ihre principiell sehr brauchbare Anwendung 
etwas unbequem machten. Vor allem war der Uebelstand vor¬ 
handen. dass die mit Gelatine verfertigten Linimente vor je¬ 
der Anwendung erwärmt werden mussten und auch dann nur 
bei grösserer Uebung regelrecht aufgestriehen werden konn¬ 
ten. Dadurch war in vielen Fällen ein inniges Incontactbrin- 
gen des Medicaraents mit der kranken Haut in der gewünsch¬ 
ten Weise nicht möglich. P. hat nun in dem Bassorin eine 
Substanz erkannt, welcher diese Uebelstände nicht anhaften. 
Die in Betracht kommende Drogue ist der Gnmmi Tragacanth, 
der ans 60 pCt. unlöslicher Peetinsubstanz, 8--10 pCt. löslichem 
Gnmmi und 2—3pCt. Stärke und Cellnlose bestehr. 

Die Mengenverhältnisse sind folgende: 

Gummi Tragacanth 5,0 
Glycerin .... 2,0 
Aq. dist.100,0 

Dazu kann das betreffende Medic auient in beliebiger Menge 
hinzngesetzt werden, und zwar können lösliche sowohl als nn- 
lögliche zur Anwendung kommen. Auch ölige Präparate, z. B. 
Ol. fagi, eadini, Rusci, Ichthyol, Styrax. Ferubafsam ändern 
an der Consistenz nichts, ausser dass sie bei sehr hoher Dosi- 
rung die Eintrocknung etwas verzögern. Ebensowenig sind 
■/.. B. die unlöslichen: Clirysarobin. Zankoxyd, weisses, rothes. 
gelbes Qnecksilberpraecipitat, Jodoform. Jodol, Salieylsäure 
ausgeschlossen; sie geben dem Liniment Pastenconsistenz. Als 
fernere Vorzüge gelten die Umstände, dass die zusammenge¬ 
setzten Linimente auch nach längerer Zeit keine Veränderung 
erfahren, wenn sie in geschlossenen dunklen Tiegeln aufbe¬ 
wahrt werden und bei energischer Localwirknng keine oder 
nur geringe Allgemeinerscheinungen hervorrufen. So hat P. 
z. B. bei universeller Psoriaris 5—10 pCt. Theerlinimente auf 
den gesammten Körper applicirt, ohne die geringsten Intoxi- 
oationserscheinungen wahrzunehraen. Ans den angeführten 
Gründen sei dieses neue Präparat den Collegen warm zur Nach¬ 
prüfung empfohlen; wenn es das hält, was es verspricht, so 
würde es die Behandlung vieler Dermatosen bedeutend erleich¬ 
tern und für Patienten und Arzt bequemer gestalten. 

E. Kroug (Hungerburg-Narva). 


Bücheranzeigen und Besprechungen. 

S. A. Marius Poulalion. Les pierres du poumon, de la 
pl6vre et des bronches et la pseudo-phthisie pulmo- 
naire d’origine calculeuse. Paris 1891 G. Steinheil, Miteur. 

Ein im Hospital Necker beobachteter Fall von «steinigem 
AuswurD bildete die Veranlassung zu dieser Arbeit. Es han¬ 
delte sieh um einen 40jährigen Alkoholiker ohne erbliche An¬ 
lage zur Phthise; iui Alter von 18 Jahren hat er eine linkseitige 
Lungenentzündung durchgemacht, 6 Jahre später eine recht¬ 
seitige und 4 Jahre darauf erkrankte er an einer erneuten 
Entzündung, welche Husten und Auswurf zurückliess. Elf 
Monate vor seinem Tode trat er ins Hospital ein mit typi¬ 
schen Anfällen: dieselben begannen mit Dyspnoe, Hustenreiz 
und endeten mit der Expulsion von Steinchen verschiedener 
Grösse. Das Sputum war dabei immer frei von Tuberkelbacillen. 
Während der letzten 5 Monate seines Lebens stellten sich 
Appetitmangel, Kräfteverfall, zeitweilige kleine Blutungen und 


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69 


"iemlich hohes Fieber ein. Die Section ergab eine frische 
Miliartuberkulose, interstitielle Lungenentzündung und kleine 
Cavernen in beiden Lungen. Im Lungenparenchym eine ausser- 
gewöhnlich grosse Zahl von Concretionen, aber keine Tuber¬ 
kelbacillen. Auch fand sich nur eine Niere vor. Diese Beobach¬ 
tung und das Studium anderer bereits bekannter Fälle führen 
Verf. zur Ansicht, dass es eine selbständige Krankheit gebe, 
die Pseudo-Phthisie pulmonaire d’origine calculeuse. Verf. geht 
in seiner Abhandlung besonders auf das Vorwiegen der petri- 
licirenden Phthise in der Thierwelt ein und schildert eingehend 
die sogenannte pommeli^re der Kühe und Schafe. Zum Schlüsse 
empfiehlt Poulalion dnrch eine vorwiegend vegetabilische 
Diät und durch Darreichung von löslichen Kalksalzen die 
Petrification der tuberculösen Herde beim Menschen zu erstreben. 

Da gerade jetzt die Fragen nach dem Wesen und der Behand¬ 
lung der chronischen Lungeükrankheiten auf der Tagesordnung 
stehen, so ist dieses Buch sehr zu empfehlen. Leider vermissen 
wir hier jeden Hinweis auf vorgenommene Cultur und Inocu- 
} ationsversnche, — die Arbeit würde von noch grösserer Be¬ 
deutung gewesen sein. Abel mann. 


Protokolle 

der Sitzungen des III. livländischen Aerztetages 
in Walk. 

IV. Sitzung. 10. September 1891. Nachmittags 3 Uhr. 

1. R.Otto (Dorpat) cUeber die Paracentese des Trom¬ 
melfells». 

Vortrgd. behandelt geflissentlich dieses an und für sich nicht 
neue Thema, um eine hier zu Lande noch überaus selten geübte 
Operation in ihrer ganzen, für den Verlauf der Otitis media 
acuta entscheidenden Bedeutung zu besprechen. — Wie ein 
jeder Abscess nach chirurgischen Piincipien eröffnet werde, 
so sei die Incision zur Entlastung der Paukenhöhle ebenso, 
wenn nicht dringender indicirt, zumal es sich hier um 
Vermeidung der ernstesten Gefahren für den Kranken handle. 

Eine durchaus nicht schwierige und oft geradezu lebensret- 
l-ende Operation dürfe unter keinen Umständen zum Monopol 
der Specialisten erhoben werden. Ein gewisser Grad otiatrischer 
Kenntnisse müsse von einem jeden Ai-zt verlangt werden: erst 
•lie sichere Diagnose einer Otitis media und die Technik der 
Paracentese werde vor diagnostischen Irrthüraern am Kran¬ 
kenbett schützen, die oft darin bestehen, dass gewisse Symp¬ 
tome mit der Allgemeinerkranknng in Zusammenhang gebracht 
werden, die einzig und allein der begleitenden Ohrenaffection 
angehören; erst dann wird die grosse Zahl chronischer Ohren¬ 
krankheiten gebührend eingeschränkt werden können. 

DiscuBsion: 

Herr I. Müller (Schnjenpahlen) erkundigt sich, ob Vortgd. 
bei der Operation Cocain zur Anästhesie verwende. 

Herr Otto: Anfangs sei von ihm häufig Cocain verwandt 
worden. Mit der Zeit habe sich’s indessen gezeigt, dass dem 
Mittel hier wenig Werth beizulegen sei. weshalb er es ver¬ 
lassen. 

Herr v. Middendorff bestätigt die relative Schmerzlosigkeit 
der kleinen Operation: Red. sei selbst von Herrn Otto nmdie 
Anästhesie betrogen worden. 

2. F. Vo88 (Riga). «Ueber adenoide Vegetationen». 

Ein Zusammenhang zwischen Verlegung der Nasenathmung 

und Ohrenkrankheiten sei schon lange bekannt gewesen, als 
Wilhelm Meyer in Kopenhagen 1868 eine Arbeit veröffent¬ 
lichte, welche von immenser Bedeutung für die Ohrenkrank¬ 
heiten werden sollte. Es war dies die Erkenntniss und voll¬ 
ständige Beschreibung dessen, was wir nach ihm adenoide 
Vegetationen nennen. Diese Arbeit war eine so vollständige, 
dass wir auch jetzt noch sie jeder Beschreibung zu Grunde 
legen und im Laufe von über 20 Jahren nur im Stande gewesen 
sind, weniges ihr hinzuzufügen. Es folgten ihm 1875 Guy ein 
Amsterdam, 1876 Michel in Köln, 1879 Solis Cohen in 
New-York und Löwenberg in Paris, alle bestätigend. Auf den 
Verhandlungen der otologischen Section der Brit. med. 
A8B0C. in Glasgow 1888 konnte der Präsident Barr mit Recht 
sagen, mit Meyer, Guye und Löwenberg beginne eine neue 
Epoche der Ohrenheilkunde. — Schon 1842 hatte Mayer (Bonn) 
eine anatomische Beschreibung des Rachendaches gegeben, 
namenilich aber sind hier Tourtual (1846), Lacauchie (1853), 
Kölliker (1859) und Luschka (1868) zu nennen. Redner 
legt nun an der Hand eines Medianschnittes die anatomische 
Lage der sogenannten Tonsilla pharyngea klar und zeigt, wie 
Vergrösserungen derselben die Nasenathmung behindern, ja 
ganz aufheben können. Das Wichtigste sei jedoch nicht die 
uechanische Verlegung sondern der Umstand, dass die adeno¬ 
iden Vegetationen oder die hypertrophische Rachentonsille die 
Ursache abgeben für die hartnäckigen, jahrelang dauernden 
Katarrhe des Nasenrachenraumes und von hier ans stets reci- 
divirend auf die Nase nnd das Ohr übergingen. Erst die Besei¬ 


tigung dieser Ursache schaffe Erfolg bei der Behandlung der 
von ihr abhängigen Folgezustände. 

Unter den Symptomen könne man 2 Reihen auseinander 
halten: 1) diejenigen, welche auf der mechanischen Verlegung 
derNasenathmung beruhen (Gesichtsausdruck bei offenem Munde 
und schmaler wenig bewegter Nase, von Meyer sog. todte 
Sprache. Unvermögen ordentlich oder überhaupt zu schnäuzen, 
Schnarchen, Fehlen oder Verminderung des Geruches, ja auch 
Hühnerbrust, Spitzbogenform des harten Gaumens, Enuresis) 
und 2) solche, welche durch die Katarrhe hervorgerufen würden 
(stetig recidivirender Schnupfen und Husten im Sommer und 
Winter, sogenannte leichte Erkältbarkeit, verschieden lang 
dauernde Herabsetzung des Hörvermögens bis zu fast völliger 
Taubheit, abwechselnd mit guter Function, Ohrenschmerzen, 
recidivirende Otorrhöen). In Ländern, wo, wie bei uns, den ade¬ 
noiden Vegetationen bisher wenig Beachtung geschenkt worden, 
brächte meist erst die zunehmende Harthörigkeit die Pat. zum 
Arzte. In welchem Grade aber letztere mit den Wucherungen 
in Zusammenhang stände, bewiesen Aussprüche wie vonWolston 
(Edinburgh), welcher 75°/o der Schwerhörigkeit in England auf 
adenoide Wucherungen zurückführt (1888). Jedenfalls seien die¬ 
selben ausserordentlich häufig die Ursache sowohl der Tuben¬ 
mittelohrkatarrhe als auch der Mittelohreiterungen mit allen 
Folgeznständen bei Kindern bis zu 15 Jahren. Sie seien ein 
Leiden der Kindheit, würden aber hier sehr häufig beobachtet. 
Wie häufig, darüber gäben folgende Zahlen Aufschluss: Mever 
selbst fand in Kopenhagen unter 2000 Schulkindern l°/o, doch 
waren dabei nur die, welche auffällige Symptome machten, un¬ 
tersucht worden. Später fand Schmiegelow unter 581 Kin¬ 
dern 107, darunter 28 Mal in höherem Grade. Ferner berichtet 
Schmiegelow, dass 84% dieser mit Ohrenleiden behaftet 
waren. Bronner in Bradford fand unter 250Schulkindern 8%, 
und unter 152 mit Wucherung behafteten Kindern 85% mit 
Mittelohrleiden (1888). Derselbe fand bei Ohrenkranken unter 
15 Jahren unter 198 Fällen 101 Mal Vegetationen. Bei 151 
Vegetationen 125 Mal Symptome einer Mittelohraffection (1889). 
W al b (Bonn) giebt an, er operire jährlich 300 Mal. Kafemann 
(Königsberg): Unter 1100 Knaben 86 - 7,8% mit hypertrophi¬ 
scher Rachentonsille, unter 1102 Mädchen 117 =■ 10,6°/o, nna in 
74% der Hypertrophie bestände Schwerhörigkeit. 

Während anfangs die Berichte betonten, nur im Norden und 
an der Seeküste seien die Wucherungen häufig und gross, 
mehrten sich jetzt die Publicationen, welche angeben, dass sie 
in allen Gegenden (z. B. Basel, welches doch unmöglich See¬ 
klima besitzen könne) eine sehr häufige Erkrankung abgäben. 
Zu betonen, dass dies auch bei uns zu Lande der Fall, sei der 
Zweck dieses Vortrages gewesen, und wolle Redner diese That- 
sache mit Demonstration einer grossen Anzahl von Präparaten 
beweisen, welche ganz bedeutende Dimensionen aufwiesen. Erst 
die Operation schaffe Klarheit, und bewahre so und soviele 
Kinder vor Schwerhörigkeit. 

Discussion: 

Auf die Frage des Herrn Kieseritzky (Dorpat), wie 
Vortrgd. die Vegetationen operire, antwortet Herr Voss: mit 
einer von vorn nach hinten schneidenden gefensterten Curette. 
Zangenförmige Instrumente, die viel mehr Schmerz verur¬ 
sachten, liebe Red. nicht. Die Schlinge, durch die Nase emge- 
führt, habe er nur einmal angewandt, weil ein anderer Weg 
nicht möglich gewesen. 

3. E. JaeBC he (Dorpat) demonstrirt «ophthalmoskopische 
Bilder einiger Netzhanterkrankungen». 

Retinitis albuminurica. 

Das rechte Auge einer seit längerer Zeit an Nierenaffection 
leidenden Frau, gegen 30 J. a. Die Netzhaut in weiterem Um¬ 
kreise um die Papille aufgelockert, geschwollen, in derselben 
sehr zahlreiche, kleinere und grössere, ganz weisse Flecken, 
unregelmässiger Form. Die Blutgefässe, zumal die Venen, der 
Tiefe nnd der Breite nach geschlängelt und deshalb stellen¬ 
weise durch das trübe Netzhautgewebe stark verdeckt, wohl 
auch ausgedehnt. Fettige Degeneration der Netzhautzellen, 
Wucherung des Stützgewebes, Durchsetzung mit Körnchen¬ 
zellen. 

Das Sehvermögen stark herabgesetzt. 

Retinitis luetica. 

Linkes Auge eines an Lues secund. leidenden, ca. 25j. Mannes. 
Die Netzhaut getrübt, anfgelockert, um die Sehnervenpapille 
eine ausgedehnte, mehr gleichmässig verbreitete nach der 
Peripherie zu unregelmässig begrenzte, weissliche Verfärbung. 
Die Netzhautgefässe der Breite und Tiefe nach geschlängelt, 
stellenweise durch das trübe Gewebe verdeckt. Fettige Dege¬ 
neration von Ganglienzellen; Sklerosirung der Gefässe. 

S: Finger werden auf einige Fuss hin gezählt. 

Neuro-retinitis ex causa centrali. 

Das rechte Auge einer an Gehirnaffection leidenden, gegen 
47 J. a. Dame. Wahrscheinlich hat Entzündung der Hirnhäute 
stattgefnnden (Pachymeningitis) und in Folge davon Nenro- 
retinitis descendens. Die Sehnervenpapille nicht deutlich abge¬ 
grenzt, mit der umgebenden, weisslich getrübten Netzhaut 


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verschwommen. Die Netzhautgefässe der Tiefe and Breite nach 
geschlängelt, stellenweise durch die Trübung verdeckt 
Sehvermögen aufgehoben. 

Apoplexia retinae Nr. 1. 

Linkes Auge eines 77 Jahr a. Fräuleins, mit M-V» (5,0 D.) 
Vor einer Woche war ein Blutextravasat in der Gegend des 
gelben Fleckes der Netzhaüt eingetreten. An dieser Stelle 
befindet sich ein über Papillengrösse ausgedehnter schwarz- 
rother Fleck, unten von einem weissen Streifen umsäumt; 
zwischen ihm und der Papille ein ähnlich grosser, aber heller 
rother Fleck. Der ganze Augengrund stark verschleiert. Das 
Sehvermögen im Centrum des Gesichtsfeldes aufgehoben, in 
der Peripherie stark herabgesetzt. 

Atrophia retinae circumscripta post sclerectasiam 
et apoplexiam retinae. Nr. II. 

Dasselbe Auge nach Jahresfrist. Das Blutextravasat völlig 
Tesorbirt. an seiner Stelle eine umfangreiche, ganz weisse 
Fliehe unregelmässiger Form, in der nur zwei ausgedehntere 
Anhäufungen schwarzen Pigmentes auffallen. Diese Fläche er¬ 
scheint glänzend weiss, weil die Sclera biosgelegt ist in Folge 
von Schwund der Chorioidea und wohl auch der Netzhaut. 
Die früher bestandene Sclerectasie mit Conus hat sieh mit der 
neu entstandenen Atrophie vereinigt. 

Das Sehvermögen bis auf Handbewegnngen herabgesetzt. 

Ablatio retinae cum ruptura. 

Beeiltes Auge eines Weibes, bei dem nach überstandenem 
Typhus eine Netzhautablösung eingetreten ist. Die Netzhaut 
ist in vielen kleinen Falten abgehoben und mit einer Menge 
zerstreuter weisser, glänzender Punkte besetzt. Die Abhebung 
betrifft die ganze äussere Hälfte der Netzhaut bis nahe an die 
Papille und ganz nach aussen oben findet sich ein Riss in 
derselben, der länger erscheint, als der Durchmesser des Seh¬ 
nervenquerschnittes nnd etwas weniger breit. Im Grunde des 
Risses sieht man die dnnkelrothe Chorioidea. die auffällig ab¬ 
sticht von der grau scheinenden Fläche der abgehobenen 
Haut. 

Das Sehvermögen ist nur in der äusseren Hälfte des Gesichts¬ 
feldes mangelhaft erhalten. 

Discussion: 

Herr Truhart (Fellin) knüpft an die vom Vortrgd. demon- 
sirirte Retinitis albuminurica in vorgerücktem Stadium die 
Mittheilung über einen von ihm beobamiteten Fall: 

Red. beobachtete bei einem Nephritiker an den feinsten Ver¬ 
zweigungen der RetinalgefäS8e die kleinen weissen Flecke, die 
in der Literatur als signum pessimum hingestellt würden. 
Ebenso wie von ihm wurde ancli von Dorpater Collegen die 
Prognose sehr ungünstig gestellt. Trotzdem lebe der Mann 
noch beute, nach 13 Jahren. 

Herr Jaesche berichtet, gleichfalls Genesung nnd volle 
Wiederherstellung des Sehvermögens in einem Fall erlebt zu 
haben. 

4. A Eeck (Oberpahlen) «Die Behandlung des Trachoms» 
Da das Trachom vielleicht mehr als 50% aller dem Landarzte 
zur Behandlung kommenden Augenaffectionen ansmache, er¬ 
scheine es für diesen von Wichtigkeit, sich über Diagnose und 
Behandlung dieser Krankheitsform genügende Specialkennt¬ 
nisse zu erwerben, namentlich aber sich diejenige Therapie 
zu eigen zu machen, die bei möglichst kurzer Behandlungs¬ 
dauer vollständigen Erfolg garantire. 

Die «Kupferbehandlnng» sei als langwierig nnd unsicher 
nicht zu empfehlen. Das «Ö-Naphtol» wirke auf den Pannus 
garnicht nnn verursache durch Aetzuug der Cornea zu grosse 
Schmerzen. Letztem Vorwurf müsse Red. auch dem von Frank¬ 
reich her empfohlenen «Plumb. aceticnm in 20% Glycerinlösung» 
machen, wie er es an den eignen Augen erfahren. 

Besser bewähre sich das «Sublimat». Man mache täglich 
Pinselungen der Conjunctiva palpebrarum mit einer Lösung 
von 1: 500—300 nebst 2tägiger Irrigation des Auges mit 
1:7000. Namentlich bei Kindern, bei denen chirurgisches Vor- 

f ;ehen unmöglich, empfehle sich diese Therapie. Der Behand- 
nng mit «Borsänrepulver» mit «Creolin» 1— 2% mit «rohem Pe¬ 
troleum» nach Trousseau gedenkt Vortrgd. in kurzen Worten, 
ln letzter Zeit habe die medicamentöse Therapie der chirur¬ 
gischen mehr und mehr weichen müssen. In Betracht kämen 
die folgenden Methoden: 1) die Schröder’sche Ausbürstung 
der Trachomkörner mit dem Drahtpinsel; 2) die Auslöffelung, 
von Sattler dahin modificirt, dass vor Anwendung des scharfen 
Löffels die einzelnen Follikel mit der Staarnadel geritzt werden; 
3) die Qnetschmethode — Ansquetschnng der Granulationen zwi¬ 
schen den Fingernägeln; 4) die Excision — wegen zu starker 
Verkürzung des Bindehautsackes fast ganz verlassen. Endlich 
habe man versucht, mit dem Galvanokauter oder durch Elektro¬ 
lyse die einzelnen Follikel zu zerstören. 

Von diesen Methoden, die alle in kürzerer Zeit, bis zu 8 Ta¬ 
gen, zum Ziele führten, giebt Red. der «Ansquetschung» für 
den Landarzt den Vorzug, weil sie die am wenigsten angrei¬ 
fende, technisch am leichtesten zu beherrschende sei und mit 
einer Sitzung vollständigen Erfolg ergebe. 


Die kleine Operation, die vorzugsweise bei chronischem 
Trachom im Stadium der Follikelbildung indicirt sei, wird in 
ihrer Technik vom Vortrgd. geschildert. Gelänge am untern 
Lide die Ausquetschung mit den Fingernägeln nicht, so nehme 
Red. eine Cilien-Pincette zu Hülfe, zwischen deren Branchen 
er die Schleimhaut dnrchquetsche. Auch letzterem Verfahren 
stelle der äussere Augenwinkel oft Schwierigkeiten in den 
Weg; in dem Falle seien die letzten'Follikel mit dem Gal¬ 
vanokauter zu zerstören, der überhaupt da am Platz sei. wo 
es sich um wenige vereinzelte Follikel handle. — Die Schleim¬ 
haut erhole sich von diesem Eingriff in 48 Standen schon so 
weit, dass man dann höchstens hier und da einen kleinen 
Blutaustritt, der auch bald schwinde, noch an treffe. 

Am meisten eigne sich zu dieser Behandlung das «sulzige 
Trachom», aber auch, Wo die Schleimhaut eia mehr schwieli¬ 
ges Aussehen hat, mache er von der Quetschmethode erfolg¬ 
reichen Gebrauch. Ebenso sei sie am Platz bei den mit Blen¬ 
norrhoe conyriicirten Fällen; Hyperaemie undSecretion liesseu 
nach dem Eingriff überraschend schnell nach. Der Pannus 
schwinde meist nach Entfernung der Follikel spontan. Iu 
hartnäckigen Fällen wende Red. Massage mit Pagenstecher¬ 
scher Salbe an.—Den Vorwurf der Begünstigung von Narben¬ 
bildung, der w'ohl den chirurgischen Methoden gemacht werde, 
weist Red. zurück. Selbst wenn sie einträten, wären sie an 
der Uebergangsfalte für die Lidstellung belanglos. 

Discussion: 

Herr v. Middendorff (Reval) kann sich dem Verdaramungs- 
urtheil des Vortrgd. über den (Juprnmstift nicht anschliessen. 
In frischen Fällen verdiene die chirurgische Behandlung des 
Trachoms den Vorzug, allein in vorgeschrittenen Stadien, wo 
es nichts zu quetschen gebe, sei der Cuprumstift unentbehrlich 
und leiste vorzügliche Dienste namentlich dort, wo Comeal- 
affectionen im Vordergrund ständen. 

Man scheue sich nicht den Stift anzuwenden bei bestehen¬ 
dem Reizzustande des Auges mit aufschiessendem Pannus 
oder Cornealgeschwür, wofern die Conjunctiven nur einen An¬ 
griffspunkt gewährten und das atrophische Narbenstadium 
noch nicht erreicht sei. Von den chirurgischen Methoden habe 
das Quetschen den Vorzug der sicheren Wirksamkeit und 
Einfachheit. Obgleich man mit den Fingernägeln oder der 
Cilienpincette wohl zum Ziel gelange, erscheine Red. doch noch 
geeigneter ein Instrument, das er in Petersburg habe anwen- 
aen sehen. (Vorgezeigt: Pincette mit über die Kante halb¬ 
mondförmig gebogenen Branchen zu haben bei: Schaplygin- 
Petersburg, Grempler — Doimat, Marggraf — Riga). 

Red. schildert eingehend die Operation, bei der er sich aus¬ 
serdem noch zum Fassen der Conjunctiva einer chirurgischen 
Hakenpincette bediene. Meist sei es nicht erforderlich, den 
ganzen Tarsus mitzuqnetschen; Follikel an seiner Unterfläche 
liessen sich mit dem SchrödeFschen Pinsel leicht zerstören. 
Das Verfahren hinterlasse keine makroskopischen Narben. 
Wo Narbenretraction eintrete sei sie durch zo späte Opera¬ 
tion, zn vorgeschrittenes Leiden bedingt. 

Herr Koppe (Pernau) tritt gleichfalls für den Kupferstift 
ein. Die Quetschmethode sei ihm nicht immer gelungen, in 
den Fällen habe er mit dem Messer scarirtcirt. Dem Sublimat 
gegenüber verhalte er sich abwartend. 

Herr Eeck meint mit den Fingernägeln doch sicherer die 
Granulationen, namentlich von der obern Uebergangsfalte, ent¬ 
fernen zu können Itn Uebrigen betont Red., dass die chi¬ 
rurgische Behandlung der medicamentösen vorzuziehen sei, 
ohne zu leugnen, dass der Cuprumstift, der als Specificum ge¬ 
gen Trachom nicht zu betrachten, wohl in veralteten Fällen 
hin und wieder von Nutzen sei. 

Herr Jaesche zieht für die Ausqnetschung die Himly’sche 
Fensterzange vor. Die nachbleibenaen einzelnen Follikel, na¬ 
mentlich in den Falten der Conjunctiva, entferne er mit der 
Scheere. Kinder bis 10 Jahren seien durchaus zur Operation 
zn chloroforrairen. 

Herr v. Middendorff: das Zurückbleiben einzelner Folli¬ 
kel werde durch Hervorheben der Uebergangsfalte mit der 
Hakenpincette sicher vermieden. Dass das Himly’sche Instru¬ 
ment aieselben Dienste leiste, wie das von ihm demonstrirte 
Instrument wolle Red. nicht bezweifeln. Bei Kindern rathe 
er ebenfalls, das Verfahren in Narkose auszuführen. Für die 
Schröder’sche Methode seien nicht, wie Herr Eeck annehme, 
wiederholte Sitzungen erforderlich; es sei sehr wohl möglich 
in einer Sitzung sämmtliche Follikel zu zerstören, nur sei die 
Technik eine schwierigere nnd die geursachten Schmerzen 
nicht gering. 

Herr Truhart erwähnt, dass in Deutschland das Traehom 
wegen lnfectiosität vom Militärdienst ausschliesse, bei uns 
merkwürdiger Weise nur vom Marine-Dienst. — Ob chirurgi¬ 
sche oder medicaraentöse Behandlung des Trachoms das Richtige 
sei, lasse sich nicht a priori entscheiden: es sei dabei die oft 
schwierige Differenzialdiagnose und das Stadium der Erkran¬ 
kung von Wichtigkeit. Daher das verschiedene Urtheil über 
die therapeutischen Erfolge. Bei folliculärem Katarrh könnten 
Aetzmittel nur schaden, bei Betheilignng der Cornea wende 


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'man lieber Lösungen (Sublimat) an. Wo die Cornea frei, da 
sei und bleibe der Kupfer8tift ein ausgezeichnete» Mittel. Die 
wegen Narbenbildung gefürchtete Excision der Uebergangs- 
falte eigne eich dennoch für chronisch-hyperplastische Pro- 
oesse. Quetschung, Pinselung. Ausschneiden mit der Scheere 
sei zu individualisiren je nach der Fertigkeit des Arztes und 
der Art des Falles. Man komme mit einer Methode nicht für 
alle Fälle aus. Das von Middendorff empfohlene Aufheben 
der Schleimhautfalte erscheine praktisch. 

Herr Eeck hat nicht behaupten wollen, die Quetschmethode 
sei in allen Stadien des Trachoms anzuwenden, im Gegentheil 
habe er die Indicationen für das Verfahren namhaft gemacht. 
Den Kupferstift wende er gleichfalls in veralteten Fällen, im 
Narbenstadium an. 

5. E. Johannson (Hallist): «Cataractoperationen 
in ansserklinischer Behandlung». So wttnschens-und 
erstrebenswert!! bei der operativen Behandlung der Cataracta 
der Aufenthalt des Kranken in der Klinik sei, so wolle Red. 
doch über die von ihm (1886—90) ohne klinische Controle ope- 
rirten Fälle berichten, da eine grosse Anzahl von Kranken 
durch materielle Hindernisse von der Aufnahme in eine Anstalt 
ausgeschlossen bliebe oder die Furcht vor der Klinik sie von 
ihr fernbalte. — Vorbereitung zur Operation: Desinfection 
des Zimmers, der Instrumente (3®/o Carbol) und des Conjnnc- 
tivalsackes (1:5000 Sublimat). Anästhesie durch Cocain 2®/o. 
Lidhalter. In wenig Fällen Lappenschnitt nach Jacobsohn, 
meist peripherer Linearschnitt nach Graefe. Nach Abfluss 
des Kammerwassers Iridektomie, Eröffnung der Linsenkapsel 
durch Kreuzschnitt und Extraction der Linse mit einem oder 
zwei Da viel’sehen Löflein. Extraction meist nach oben; 
bei einzelnen Kranken, die nicht im Stande waren die Augen 
nach unten zu bewegen, musste nach unten extrahirt werden. 
Nach Abnahme des Lidhalters leichte Massage zur Entfer¬ 
nung etwa noch vorhandener Reste der Corticalis. Ausspü¬ 
lung mit Sublimat. Verband für beide Augen. Nach je 2—3 
Tagen Verbandwechsel, Einträufelung von Atropinlösnng l°/o. 
Vom 8. Tage an wurde das Auge nur noch mit einem schwar¬ 
zen Läppchen vor Blendung geschützt. 

Uebele Zufälle bei der Operation seien nicht häufig ge¬ 
wesen: Vorfall des Glaskörpers 3 Mal, 2 Mal nach Austritt, 
einmal vor Austritt des Kernes, der in diesem Fall mit der 
Drahtschlinge entfernt wurde. Eine Cataract sei mit sehr 
befriedigendem Resultate in toto mit der Kapsel extrahirt 
worden. 

Die Kranken hielten mit wenig Ausnahmen 2—3 Tage die 
Rückenlage ein, dann 2 Tage zeitweilige Seitenlage. Diät 
Anfangs flüssig, vom 4. Tage an frei. Doppelseitige Operatio¬ 
nen habe Vortrgd. in 2 Sitzungen in Pausen von 10—14 Tagen 
ausgeführt; in 2 Fällen, bei denen beide Augen gleichzeitig 
operirt wurden, traten trotz regelmässiger Heilung bei der 
definitiven Verbandabnahme Schwindel, Kopfschmerzen und 
Erbrechen auf. 

Die in eint :n Fall auf dringenden Wunsch des Kranken 
eingeleitete Chloroformnarkose habe die Operation störendes, 
wenn auch nicht beeinträchtigendes Erbrechen zur Folge ge¬ 
habt. In allen übrigen Fällen sei durch Cocain genügende 
Anästhesie erziehlt worden. Behandlungsdauer: bei einem Auge 
27*-3, bei doppelseitiger Operation bis zu 6 Wochen. In allen 
Fällen. 45 Augen an 33 Kranken, habe sicks um Cataracta 
senilis gehandelt. 2 Kranke standen ira 48. u. 49. Lebensjahr, 4 im 
56.-59., 6 hatten das 70. Jahr überschritten, die Uebrigen waren 
in den Sechzigern. In 2 Fällen keine Trübung im 2. Auge nach¬ 
gewiesen, sonst immer doppelseitige Erkrankung. Geringe 
pannöse Trübung der Cornea (abgelaufenes Tracnom) Sf Mal 
beobachtet. Bei doppelseitiger Erkrankung habe Vortgd. in 
einem Fall das 2. Auge, das bei Cat. hypermatura Strabismus 
convergens aufwies, aus diesem Grunde nicht operirt. Bei 
einem andern Kranken habe die Operation doch relativ gutes 
Resultat ergeben: Fingerzählen auf 20 Fuss,obgleich operirt 
wurde bei erhöhter Tensio bulbi und träger rupillanreaction, 
nachdem das andre Auge an Glaucom zu Grunde gegangen 
war. In 3 Fällen sei die Operation des Auges unterlassen 
worden wegen zu herabgesetzter Function der Netzhaut. 
Bei 40 Fällen handelte sich’s um reife, bei 5 um überreife 
Cataracte. 

Complicationen seitens der Thränenwege seien nicht beobach¬ 
tet worden, wohl aber Trachom nnd Conjunctivitis, die geeig¬ 
neter Behandlung unterzogen wurden. Leichter Katarrh der 
Conjnnctiva habe die Operation nicht contraindicirt. Ueber 
Dauererfolge fehlten Vortrgd. leider von vielen Operirten 
die Nachrichten. Bei der Entlassung lasen mit der corrigi- 
renden Brille: 

J. 1 —J. 2: 8 Kranke, Sehschärfe f. d. Ferne ’/*—*/» 

J. 3-J. 6:15 > > > •/»-*/* 

J. 7- J 11:10 » » > 7* —*/? 

Fingerzähler, auf 20—30 Fubs : 6 Kranke 

» > 8—20 > 5 > (Cat. hypermat 

resp. Hornhauttrübung). 

Absoluten Misserfolg habe Vortrgd. nnr einmal zu verzeich¬ 
nen gehabt. Nach gut gelungener Operation sei der Ver¬ 


band von den Angehörigen des Kranken ans Neugier entfern f 
worden. Das Ange gimg an Infection zu Grunde. 

Die Herren Jaesche und Trtthart sprechen ihre Befriedi¬ 
gung darüber aus, dass diese segensreiche Operation, die 
nicht nur an Kliniken gebunden sein sollte, auch auf dem 
Lande ausgeführt werde. 

(Schluss der IV. Sitzung). 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 


— Nach Mosetig’s Vorgang hat F. Kapper 15 weiche 
Kröpfe mit Joaoforminjectionen behandelt und in 
allen Fällen sehr günstige Resultate (Verkleinerung des Hals¬ 
umfanges um 8—10 Cm.) erzielt. Die von ihm benutzte, stet* 
frisch herzustellende Lösung ist: Jodoformii 1.0, Aetheris, 01. 
olivarum u 7,0. Die gewöhnliche Dosis ist eine Spritze voll, 
in Pausen von 4—6 Tagen zu wiederholen. Die Canüle wird 
2—3 Ca. tief eingestochen, eine Schluckbewegung zeigt, dass 
das Strumagewebe getroffen ist, und der Inhalt der Spritze 
wird langsam entleert. Irgendwie nennenswerte Reactions- 
erscheinungen treten nach der Injection nicht auf. 

(Münchener med. Wochachr. 4. August). 

— Petersen(Würzburg)hat dasEurophen in Pulverfora 

in die Nase geblasen und rühmt es als ein sehr gutes, secre- 
tionsverminderndes Mittel bei Rhinitis acuta, sowie bei 
Rhinitis hypersecretoria (welche Erkrankung besonders 
häufig bei scrophulösen Kindern beobachtet wird), ln S&lben- 
form (10°/o) dagegen soll das Europhen solche Leiden beein¬ 
flussen. die auf Verminderung der Secretion beruhen, wie: 
Rhinitis atrophica simplex nna foetida, indem es die Secretion 
sehr anregt. Auch bei Eczema narium that die Salbe vortreff¬ 
liche Dienste. (München, med. Wochsehr. Nr. 30). 

— Bole bezeichnet das seit mehreren Jahren von Mikulicz 
beobachtete Verfahren zur Desinfection der Hände 
nach sorgfältiger bakteriologischer Prüfung desselben als die 
beste der bisher bekannten Methoden. Die Mi kul icz’scbe Des- 
infectionsraethode besteht in Folgendem: die Fingernägel wer¬ 
den mit Messer oder Nagelscheere von sichtbarem Schmutze 

g jreinigt. daun werden die Hände mit warmem Wasser und 
aliseife drei Minuten lang gewaschen und gebürstet, hierauf 
eine halbe Minute in 3°/o Carbollösung und eben so lange in 
7a*/o Sublimatlösung gewaschen; schliesslich werden die Unter¬ 
nagelräume und Nagelfalze mit nasser Jodoformgaze und 5®/° 
Carbollösung abgerieben. (D. med. Wochschr.). 

— In dom Jahresbericht des poliklinischen Institu¬ 
tes d. k. k. deutschen Universität zu Prag für das Jahr 
1890 giebt R. Winternitz folgende Daten über Blennor¬ 
rhoe, Syphilis und Hautkrankheiten, die insofern für 
uns beraerkenswerth, da im Gegensatz zu den Zahlen unserer 
Polikliniker die Hautleiden bedeutend prävaliren. 

Von 912 Fällen kamen auf 


Erkranknngen der Geschlechtsorgane . . . 307 

Hautkrankheiten.605 

Anderweitige Erkrankungen.49 

Unter den Geschlechtskrankheiten kamen vor: Blen¬ 
norrhoe — 153 Mal (darunter nur 8 Mal bei Weibern), Ulcus 
molle — 38 Mal und Syphilis 95 Mal. 

Von Hautkrankheiten waren zu notiren: 168 Fälle von 
Ekzem, Scabies — 114, Mycosis tonsurans — 31, Urticaria — 
14, Psoriasis — 9, Herpes Zoster — 29, Impetigo — 22, Lupus 
vulgaris — 5. Lupus erythematodes 2 und je 1 Fall von Kera- 
tosis, Trichorrhexis nodosa etc. (Prager med. W. Nr. 46). 

— Platin-Iridium-Kanülen für Subcntan-Spritzen 
empfiehlt Liebreich neuerdings als ganz besonders zweck¬ 
mässig da dieselben sich durch Ausglühen sterilisiren lassen, 
ohne dass ihre Schärfe leidet. Die Kanülen müssen durch 
absolut dichten Schliff mit dem nicht zu spitz zulaufenden 
Conus der Spritze verbunden werden. 

Terap. Monatsh. VII 1891. 


Vermischtes. 

— Die Professoren der militär-medicinischen Academie DDr- 
Iwanowski (Patholog) und Fürst Tarchan-Mourawow 
(Physiolog) sind von der Conferenz der Academie zn Acade- 
mikern gewählt worden. 

— Die bisherigen ausserordentlichen Professoren der mili¬ 
tär-medicinischen Academie DDr. Dianin (Chemiker), Rati- 
mow (Chirurg) und Ssnbbotin (Chirurg) sind zu ordent¬ 
lichen Professoren ernannt worden. 

— Zum Director des Asyls für Geisteskranke Kai¬ 
ser Alexander III. (bei der Station Udeln^ja der finnländi- 
schen Bahn) ist, an Stelle des verstorbenen Dr. P. Nikifo- 
row, der Candidat der Naturwissenschaften nnd Doctor me- 
dicinae A. W. Timofejew ernannt worden. T. war früher 
Assistent an der Botkiu’schen Klinik und wurde darauf vom 


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Mfcfeififa artemeot spec&ll zbm Studium der Geisteskrank- 
heit^m in’s Ausland geschickt. • (Wr.) 

— Se. Majestät der Kaiser hat auf den allerunterthä- 
nigsten Bericht des Ministers der Volksaufklärung am 16. No¬ 
vember v. J. die Aussetzung von 600 EbL aus den Special- 
mitteln der Universität an den Prof. ord. der Universität 
Dorpat für den Lehrstuhl der Psychiatrie, Collegienrath Wla¬ 
dimir Tschish (bekanntlich der jüngste Professor der Dor- 
pater med. Facultät), als Ergänzung zu dem von ihm bezoge¬ 
nen Gehalt als Professor, Allerhöchst genehmigt. 

— Verstorben: 1) Am 25. Januar in Libau der ehemalige 
Kreisarzt in Opotschka (Gouv. Pleekan) Dr. Alexander Vo¬ 
gel hn 71. Lebensjahre. Der Hingeschiedene stammte aus Liv¬ 
land und hatte seine medicinische Ansbildung auf der Univer¬ 
sität Dorpat erhalten, wo er von 1840—1844 Medicin studirte. 
V. war anfangs Landarzt im Gouvernement Witebek, dann 
Kreisarzt i> Opotschka. Seit 1867 lebte er zu Sallenea bei 
Hasenpoth in Kurland. 2) In Kiew am 24. Januar der ältere 
Arzt des Bessarabischen Infanterieregiments, Georg Dow- 
gird. Der Verstorbene beschäftigte sich speciell mit Nasen-, 
Obren- und Kehlkopfkrankheiten und unterhielt in Kiew ein 
ärztliches Cabinet aur Behandlung mit Elektricität. 3) Am 
27. December in Kiew der Landarzt in Rjeshiza (Gouvernement 
Minsk) W. Maziowitsch aa allgemeiner Paralyse. 4) Am 
31. Januar n. St. in Wien der ehemalige Director des dorti¬ 
gen allgemeinen Krankenhauses, Hofrath Dr. Joseph Hoff¬ 
man n, im 68. Lebensjahre. Der Verstorbene galt als ein tüch¬ 
tiger Arzt und Hygieniker, als ein trefflicher Beamter und 
braver Mann. Fast zwei Decennien hindurch hat er als Di¬ 
rector des grossen Wiener allg. Krankenhauses (2000 Betten), 
in welchem sich bekanntlich die Universitätskliniken befinden, 
fowirkt und in dieser seiner Stellung als Chef eines vielköpfi¬ 
gen ärztlichen Corps durch Wohlwollen, Einsicht und That- 
Iraft sich allgemeine Anerkennung, Aehtnng Und Verehrung 
erworben. 5) Am 1. Februar in St. Petersburg der bekannte 
Afrika-Reisende Dr. med. Wilh. Junker im 52. Lebenswahre 
an allgemeiner Sarkoinatose. Der Verblichene war in Moskau 
geboren, hatte seine Schulbildung aber in Deutschland, der 
Schweiz und zuletkt ln St. Petersburg erhalten, worauf er in 
Göttingen, Berlin, Prag und auch in Dorpat Medicin studirte. 
Mit seinem grosseh Äeisewerke, das er vor Kurzem vollendet, 
hat er sich ein monnmentum aere perennius geschaffen. 

— Verabschiedet auf eigenes Ansuchen: Der Corjsarzt 
des XV. Armeecorpe, wirkl. Staatsrath Dr. Zöpfell, mit Uni¬ 
form. 


— Die Statuten der neuen Gesellschaft von Kinder¬ 
ärzten in Moskau sind von der Regierung bereits bestätigt 
worden. Die Zahl der Gründer der Gesellschaft beträgt 30. 
Vor Kurzem haben dieselben die erste Sitzung abgekaken, in 
welcher verschiedene die Organisation der Gesellschaft be¬ 
treffende Angelegenheiten berathen wurden. 

— In dem Hebammen-Institut beim Marien-Gebärhause hie- 
aelbst fand am 28. Januar die öffentliche Prüfung and Ent¬ 
lassung von 30 Hebammen, welche den Cursus vollendet 
haben, statt. Es ist dies bereits der 22. Cnrsns seit dem Be¬ 
steben dieser Anstalt. 

— Eine nene Verfügung des Medkinalraths ordnet an, dass 
die Dienstzeit der Apotnekergehfilfen in den Landapo¬ 
theken künftig nicht mehr angerechnet Werden darf als die 
obligatorische 3jährige Beschäftigung in einer Apotheke, welche 
gesetzlich von denen gefordert wird, die das Provisoreuunen 
abzulegen wünschen. 

— In 9t. PeteAbnrg hat sich eine neno Gesellschaft 
gebildet, welche den Zweck hat, Kinder, die an unheilbaren 
Krankheiten leiden, zu verpflegen, und zwar ohne Unterschied 
des Stande«, Geschlechts and der Confession. Die Gesellschaft hat 
bereits von einer unbekannten Person eine Spende im Betrage 
von 40,000 Rbl. und ton einer anderen Person eine Datsche 
bei der Station Udeln^ja als Geschenk erhalten. 

— Baron Rothschild hat für das in der Nähe Wiens 
nrojectirte Asyl für Tnbercnlöse (cfr. Nr. 4, S. 45 dieser 
Wochenschrift) 100,000 Gulden gespendet. 

— In London prakticiren gegenwärtig ca. 5000 Aerzte -- 
also mehr als ia Schottland und Irland zusammen. 

— Der vor Kurzem verstorbene grosse Wiener Physiologe 
Frqfc Brücke hat die letzten Monate seines Lebens der Ab- 
fasrtng dhtr Hygiene des Kindes- und Adolescentenalters 
gewidmet, welche unter dem Titel: Wie behütet man Leben 
Und Gesundheit seiner Kinder, im Verlage von Brau¬ 
müller in Wien erschienen ist. cDas Buch ist für Laien ge¬ 
schrieben, nicht für Aente», sagt Brücke im Vorwort; esist 
auf Empirie begründet, nicht auf theoretischen Speculationen. 

— Auf Anregung der LivländJschen Medicinalverwaltung 
ist von der Rigaer pharmaceutischen Gesellschaft eine Hilfs- 
tabeile für Aerzte herausgegeben worden, welche im Ver¬ 
lage der Stahl’schen Buchdruckerei (S. Reetz) in Riga vor 
Kurzem erschienen ist. Dieselbe enthält rin übersichtlich su- 


s&mmengestriltes Verzeichntes der wesentlichen Veränderun¬ 
gen in Bezog auf Zusammensetzung und Stärke einzelner 
Arzneimittel, wie solche in der nenen Pharmakopoe, nach deren 
Vorschriften sich sämmtliche Apotheker seit dem 1. November 
1891 zu richten haben, Vorkommen. So ist z. B. die Tinctnra 
Strophanti jetzt circa 2 1 /» Mal so stark wie früher; es können 
somit durch Nichtbeachtung dieser Veränderung seitens des 
Arztes recht anangenehme Eventualitäten eintreten. Beige¬ 
fügt sind noch ein Verzsichniss aller strengwirkenden Mittel, 
nebst Angabe der Maximal gaben für Erwachsene und Minder¬ 
jährige, sowie die wesentlichsten Gesetzesbestimmungen über 
den Ablass strengwirkender Mittel und die Verordnungen, 
welche bei Ueberscnreitnng der von der Pharmakopöe festge¬ 
setzten Maximalgaben zu erfüllen sind. 

Diese «Hilfstabelle» wird den Aerzten ein willkommenes 
Hülfsmittsi zur leichten Orientirung über die fraglichen Ver¬ 
hältnisse sein and dazu beitragen, lieht allein dem Arzte 
manche Unbequemlichkeiten and Zeitverlust, sondern auch den 
Apothekern oft recht unangenehme Verhandlungen mit dem 
Publicum, sowie den Aerzten zu ersparen. 

— In England existirt eine Gesellschaft zur Unter¬ 
stützung von Aerzten ln Unglücksfällen, welche anch 
Pensionen denjenigen zahlt, weiche das 60. Lebensjahr erreicht 
haben. Im verflossenen Jahre haben 159 Aerzte Unterstützun¬ 
gen erhalten; ausserdem bezogen 99 mittellose Aerzte, welche 
über 60 Jahre alt sind, monatliche Pensionen. Die Einnahmen 
der Gesellschaft betrugen mehr als 3800 Pfd. Sterling (ca. 
38,000 Rbl. beim gegenwärtigen Curse). 

— Die Redaction der englischen Zeitschrift «Tit-Bits» hat 

drei Prämien, jede zu 10 Guineen, für die besten Abhand¬ 
lungen (die nicht über 600 Worte enthalten sollen) über nach¬ 
stehende Themata ausgesetzt: 1) Wie soll die Grippe geheilt 
werden? 2) Warum werden die Männer kahlköpfig? und 
3) Warum werden Ae Männer grau? (Wr.) 

— Von der bekannten Annoncen-Expedition von Rndolf 
Mosse in Berlin ist uns der Schön aasgestattete Jnbilänmska- 
talog dieser jetzt seit 85 Jahren bestehenden Firma ringesandt 
worden. Derselbe enthält ausser einem bequemen Noriz-Kalen- 
der Belehrungen über das zweckmässige lnseriren, einen sehr 
ausführlichen Katalog aller Zeitungen und Zeitschriften mit 
Angabe der lnsertionsgebühren, einen reichhaltigen Inseraten- 
anhang und nun Schluss riae sorgfältig ausgeführte Special¬ 
karte Mitteleuropas. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 2. Februar d. J. 6294 
(82 weniger als in der Vorwoche), darunter 496 Typhus — 
(35 Weniger), 618 Syphilis — (12 mehr), 66 Scharlach — (4 we¬ 
niger), 13Diphtherie — (3 weniger), 79 Masern — (13 weniger) 
und 14 Pockenkranke (3 mehr). 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 26. Januar bis 1. Februar 1892. 
Zahl der Sterbefälle; 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 

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290 256 546 

107 48 

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11 

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16 

49 

51 

46 

41 52 

27 

15 1 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 14, Febris recurrens 1, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 1, Pocken 0, Masern 18, Hekßrkek 9, 
Diphtherie 14, Croup 3, Keuchhusten 6, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 33, Ery sipelas 4. Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tsea 0, Ruhr 8, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0. Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Pasrpemllieber 2, Pyftmie und Septlcaemie 6, 
TuberculoBe der Lungen 104, Tuberculose anderer Organe 7, 
AJMokriimnus und De4jrium tremens 8, Lehsusschwäche und 
AtfropMa infatftmn 28, JffarasmuB senilis 28, Krankheiten des 
Verdauangscanals 49, Todtgeborene 21. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 18. Februar. 

'•+- Nächste Sitzung des deutschen ärztli*> 
eben Vereins Montag den 10. Februar. 


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Niedersriters, Ems und Fachiagen ganz vorzügliche Mittel 

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Aobb. uii. Cn6. 7 «teapaa* 1892 r. HerBuegBber: Dr. Th. ▼. Sc h r öd er. Bwhdruekerei von Wieneeke, KBtheriuenhofor-Pr. N> 15. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jalirg. 



iniOIlISSU WOCHENSCHRIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinihclie WoclienBchrift» erscheint jeden 09 “ Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate ^00 
.Sonnabend. — Der Abonnementspreis ist in Bussland 8 Rbl. für das bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bicker in 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr inel. Poetzustellung; in den anderen St. Petersburg, Newsky-Prospect JW 14, zu richten — Xa&ttflcript* 
Ländarn 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Znserüonspreis ! sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungeu bittet mau an 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den : den geschäftsführeuden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
Antoren werdeu 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— St. Petersburg, Malaja Italjanskaja Ns 33,Quart. 3, zu richten. Sprec.h- 
Referate werden nach dem Sutze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. i stunden täglich von 2—4 Ohr Nachm., ausser Sonntags. 

M 7 St. Petersburg, 15. (27.) Februar 1892 


Inhalt : Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. -- Referate: J. Hoffmann: Weitere Beiträge 
zur Lehre von der progressiven neurotischen Muskelatrophie. — 0. Lassar und Friedländer: Zur Erysipeliinpfnng. — 
Vermischtes. — Anzeigen. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 26. November 1891 *) 

1. Herr Selenkow hält einen Vortrag mit Krankenvor- 
stellimg zur Frage der Chirurg. Behandlung des Pleu¬ 
raempyems. Nach einer Einleitung, in welcher die locale 
Behandlung der eiternden Pleura nach der Radicalopera- 
tion, im Gegensatz zur gewöhnlichen Routine des einfachen 
Verbandwechsels befürwortet wird, formulirt S. die Auf¬ 
gabe des Chirurgen dahin, die eitrige Form der Pleuritis 
möglichst bald in die seröse tiberzuführen, um dann die 
Fistel ruhig sich schliessen zu lassen, während noch ein 
Theil der Pleurahöhle nicht durch Verwachsung der Blätter 
obliterirt ist. Dann könnten wir auf schnelle und insofern 
gute Heilung rechnen, als wenigstens der untere Theil 
der Lunge beweglich bliebe und normal functioniren könnte. 
Als zur Lösung dieser Aufgabe geeignete Mittel empfiehlt 
Vortr. die von Mosetig-Moorhof empfohlenen Eingiessun¬ 
gen von 10®/* Jodoformglycerin und die lockere Jodoform- 
mull-Tampouade (Küster, Wagner). Zur Illustration des 
Gesagten berichtet S. über 3 von ihm im Nicola i-Militfir- 
hospital operirte Soldaten, von denen der erste bereits 
im vorigen Jahre gesund in seine Heimath entlassen 
wurde, die beiden übrigen aber als vor kurzem Geheilte 
dem Verein vorgestellt werden. Alle 8 Fälle hatten das 
Gemeinsame eines colossalen in Verjauchung begriffenen 
Ergusses mit Herzverschiebung und Oedem der betr. 
Bnistseite und des deplorablen, fast extremen Krä/tezu- 
standes zur Zeit der Operation. Der erste hatte 2 Monate 
als fiebernder Phthisiker in der internen Abtheilung zu¬ 
gebracht, der zweite litt ‘/j Jahr vorher an chronischer 


*) Anmerknng. Da wir die Inder Debatte über die Behand¬ 
lung der Diphtherie gehaltenen Vorträge der Herren DDr. Ma¬ 
fia ff, La am, v. Mossin and Serck der Wichtigkeit ihres 
Inhaltes wegen in extenso wiederzugeben wünschen, dieselben 
aber ihrer Form nach nur in das Protokoll der Sitzungen des 
Vereins passen, so müssen wir dieselben in diesem und nicht als 
Originalartikel veröffentlichen, können aber in dieser und der 
nächsten Nummer wegen Raummangels keinen anderen Origi- 
Mlartikel bringen. Die Redactiou. 


puriformer Bronchitis, zu welcher sich schliesslich die 
jauchige Pleuritis und septische Phlegmone der kranken 
(linken) Brustseite gesellt hatte, der dritte endlich war 
am 12. Juli an schwerem Abdominaltyphus erkrankt, in 
dessen Verlaufe sich bald Bronchitis und hypostatische 
Pneumonie, später. Anfang August, croupöse Pneumonie 
links und exsudative hämorrhagische Pleuritis entwickelten. 
Die letztere war zur Zeit der Operation, welche in extre¬ 
mis am 14. Sept. d J. vorgenommen wurde in Ver¬ 
jauchung begriffen, deren Ursache nach Entleerung eines 
kleinapfelgrossen Stückes mortificirter Lunge im Laufe 
der Nachbehandlung klar wurde. Die Operation bestand 
in allen 3 Fällen in Resection von 3 ctra. der 7. Rippe 
in lin. axill. unter (einmal rechts, zweimal links), Aus¬ 
spülung mit Borlösung, Drainage, die Nachbehand¬ 
lung in Eingiessung von */*—1 Unze Jodoforraglycerin 
und in den beiden letzten Fällen Mulltamponade, bin 
und wieder Ausspülung zur Entleerung von Fibringerinn- 
seln bis Apfelgrösse. Das Secret hat die seröse Form 
angenommen: im 1. Fall 18 Tage, im zweiten am 25. 
im driten am 28. Tage p. operationem. Die Verheilung der 
Opcrationswunde war am 35. resp. 52. resp. 42. Tage 
vollendet. Die Zunahme der Kräfte trat bei allen Pat. 
sehr schnell ein und die Lungcnerscheinungen schwänden 
noch während der Nachbehandlung ganz. Bei dem zweiten 
der Pat., welcher besonders septisch afficirt war, besteht 
noch eine geringe Skoliose, die sich bereits mit Hülfe 
von Athmungsgymnastik verringert hat; der untere Lun¬ 
gen rand ist hinten seitlich offenbar verschieblich, wie 
die Percussion und Auscultation zeigen (pleurit. Reiben). 

2. Herr Hellat stellt einen Fall von linksseitiger 
Lähmung des Pharynx vor; Pat. hat früher an folli- 
culärem Rachenkatarrh gelitten; niemals Diphtheritis ge¬ 
habt; später traten Schlingbeschwerden ein, die sich nach 
einer Tonsillotomie besserten. Die Lähmung betrifft den 
M. constrictor pharyngis sup., betheiligt ist jedenfalls der 
X. glossopharyugeus, vielleicht auch der Trigeminus: 
Geschmacksempfindung und Sensibilität der Zunge sind 
intact. Ausserdem leidet Pat an Parasthäsien der rechten 
Kopfhälfte. Ein Lungenleiden, an welchem er schon seit 


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längerer Zeit laborirt, und welches anfangs für Tuber- 
culose gehalten wurde, ist vielleicht syphilitischer Natur, 
da es sich beim Gebrauche von KaJ. bessert. 

S. Disoussion über die Behandlung der Diph- 
theritis. 

a) HerrMasing giebt zunächst einen Ueberblick über 
die Geschichte der Kenntniss dieser Krankheit: 

Seit 2000 Jahren ist die Diphtheritis bekannt. Die 
Aerzte Griechenlands beschreiben sie genau mit Croup 
des Kehlkopfes, Lähmung etc. Asklepiades hat die Man¬ 
deln scarificirt und Laryngotoraie gemacht. Galen beschreibt 
sie genau. Das Mittelalter bringt durchaus nichts Neues. 
Im 16. Jahrhundert Jahr für Jahr schwere Epidemien 
in Spanien, wo sie Garolillo heisst, von wo die detail- 
lirtesten Beschreibungen stammen. Von da Verbreitung 
der Epidemien nach Frankreich, England, Italien und 
West-Deutschland. In England im 18. Säe. eine Epide¬ 
mie, von der Haeser sagt, dass sie ärger als die Pest 
gehaust hat. 

Einen ganz wesentlichen Fortschritt in der Erkennt¬ 
nis der Krankheit brachte Bretonneau. Von 1821—2ü 
veröffentlichte er seine Arbeiten über die Krankheit, der 
er den Namen «Diphtherie» gab. Er wies die Identität 
der Nasen-, Rachen-, Kehlkopf-, Trachealmembranen nach, 
trennte dieselben von den katarrhalischen und der Schar¬ 
lachentzündung und lehrte die Wunddiphtherie kennen. 

Von nun an schwillt die Literatur beinahe ins Maass¬ 
lose an. Einmal spaltet sich die Menge der Autoren in 
Anhänger und Gegner der Identität von Diphtherie und 
Croup, noch mehr aber in der Frage, ob die Diphtherie 
zunächst eine Localerkrankuug sei, die später zur Allge- 
meininfection führt, oder zunächst eine Allgemeinerkran¬ 
kung mit secundärer Localisation (al^ Masern, Pocken, 
Abdominaltyphus); die allermeisten Schriften beziehen 
sich aber auf die Therapie der Krankheit. Unzählige 
Mittel werden gepriesen und weder verworfen; die wi¬ 
dersprechendsten Methoden finden eifrige Vertreter: Glüh¬ 
eisen und sonstige Cauterisationen der Rachenaffectionen 
und andererseits dringende Warnung vor irgend welcher 
Localtherapie. Die Frage wurde eine besonders brennende, 
als vor 12 Jahren die Grossherzogin von Hessen-Darm¬ 
stadt und zwei ihrer Kinder an Diphtherie starben und 
die Kaiserin Augusta einen Preis aussetzte für die 
beste Erforschung des Wesens und der Behandlung dieser 
Krankheit. Der Preis wurde Prof. Heubner in Leipzig 
zuerkannt (1882). Seine Schrift ist sehr gründlich, sehr 
scharfsinnig, aber wer sie kennen lernt, sagt sich doch: 
«wir sind nicht weitergekommen». Also eine 2000jährige 
Forschung vergebens! Und doch war die Lösung der 
Frage ganz nahe. 

1883 veröffentlichte Fr. Löffler, damals noch As¬ 
sistent von R. Koch, im II. Bande der Mittheilungen 
aus dem Reichsgesundheitsamte seine Entdeckung 
des Diphtheriebacillus. In dieser 78 Seiten gross Quart 
enthaltenden Arbeit giebt er alle Einzelheiten seiner 
Beobachtungen und Experimente wieder, die ihn zum 
Schlüsse führen, dass er damit wahrscheinlich das Virus 
der Diphtherie gefunden. Die Morphologie und Biologie 
des Bacillus wird genau geschildert, die Thatsache fest¬ 
gestellt, dass er nur an der inficirten Steile in der Mem¬ 
bran sich vermehrt und nicht in die Körpersäfte und in¬ 
neren Organe gelangt; dass die Allgemeininfection also 
wahrscheinlich auf Intoxication durch Resorption von 
chemischen Stoffwechselproducten der Bacillen beruhe, dass 
die Uebertragung der Krankheit bei jüngeren Individuen 
(Meerschweinchen, Tauben) leichter vor sich gehe und 
sicher durch Contagion, d. h. von einem Individuum auf 
das andere. Als praktische Consequenzen zählt Löffler 
auf: strenge Isolirung, Desiufcction aller Secrete und Kx- 
crete der erkrankten Schleimhaut. Desinfection der von 
den Kranken bewohnten Räume, da durch Husten stösse 
die losgerissenen Keime umhergeschleudert werden, und 


eine möglichst frühzeitige desinfectorische Behandlung der 
ergriffenen Körperhöhle. 

Seit 8 Jahren sind, besonders von Koch und seinen 
Schülern, eine Reihe von Entdeckungen der pathogenen 
Mikroorganismen verschiedener Infectionskrankheiten publi- 
cirt. Sogleich erhob sich jedes Mal eine streng control- 
lirende Kritik: ich erinnere daran, wie schwere Zweifel 
der Tuberkelbacillus, derCholerabacillus zu bestehen hatten,' 
ehe sie allgemeine Anerkennung fanden. Ebenso warf 
sich die zweifelnde Kritik auch auf die Löffler’sche 
Entdeckung, aber, meines Wissens, kamen die ernsteren 
Controlleure nur immer gleich auf Anerkennung heraus. 
Die bedeutendste Arbeit ist in dieser Reihe gewiss die 
von M. Beck in Berlin, mitgetheilt im VIII. Bde der 
Zeitschrift für Hygiene. Bis zur Evidenz zeigte B., dass 
der Löffler’sche Bacillus wirklich der Erreger der Diph¬ 
therie sei, was übrigens Löffler selbst in seinen späte¬ 
ren Arbeiten als zweifellos hingestellt hatte (Berl. klin. 
Wochschr. Nr. 39. 1890). Der Bacillus fand sich in allen 
52 Fällen menschlicher Diphtherie, dagegen kein Mal von 
17 Fällen von Ang. follicul und 28 Fällen von Ang. 
catarrh.; er liess sich in Reinculturen züchten und Im¬ 
pfungen von diesen riefen immer bei Meerschweinchen, 
Tauben und Hühnern Diphtherie hervor. Bei dieser lmpf- 
diphtherie liess sich der Gang der Krankheit von Mo¬ 
ment zu Moment verfolgen. 24 Stunden nach der Impfung 
war die Membran da, dieselbe bestand fast nur aus Löff¬ 
ler’sehen Bacillen, die sich rasch auf der Schleimhaut¬ 
oberfläche verbreiteten, dagegen nur die Epithelschicht 
zur Nekrose brachten und nicht tiefer drangen — nie 
fanden sie sich in den nächsten Lymphdrüsen, nie im 
Blute oder den inneren Organen. Nachdem 3 Mal 24 
Stunden so die Diphtheriebacillen sich in den Membra¬ 
nen vermehrt hatten, traten in den Membranen massen¬ 
haft Streptokokken auf, die durch die zerstörte Schleim¬ 
haut eindrangen und bald in Lymphdrüsen, Blut, 
Milz, Nieren etc. gefunden wurden. Damit war die All¬ 
gemeininfection, die Sepsis, declarirt. — Somit bestellt 
der bisher als einheitlicher Vorgang aufgefasste Krank- 
heitsprocess aus zwei zu trennenden: der localen Wuche¬ 
rung der Diphtheriebacillen, die auch von sich aus durch 
Verengerung des Kehlkopflumens tödten können, und der 
Blutvergiftung durch Einwanderung der Streptokokken 
durch die zerstörte Schleimhaut. Dabei mag die Intoxi¬ 
cation durch die Stoffwechselproducte der Diphtheriebacil¬ 
len, wie sie Löffler ursprünglich annahm, auch ihre 
Rolle spielen. 

Welch’ ein Fortschritt in der Erkenntniss des Krankheits- 
processes! Die ganze Kette der Beweise zur Klarlegung 
der Thatsachen lag vor und keiner der nun folgenden Ar¬ 
beiter an dieser Frage zerstörte diese Kette, im Gegentheil — 
jeder nietete die einzelnen Glieder nur fester. Wie ziel¬ 
bewusst war jetzt auch der Weg, den die Therapie ein¬ 
zuschlagen hatte. Wenn es gelang, in loco affectionis die 
Diphtheriebacillen baldmöglichst nach ihrer Ansiedelung 
zu tödten, ehe sie soweit an der Oberfläche fortgewuchert, 
dass Gegenden erreicht wurden, die der localen Therapie 
wenig zugänglich sind, und ehe die Schleimhaut so weit 
zerstört war, dass die Streptokokken in den Säftestrom 
gelangen konnten — so musste Heilung eintreten. Und 
wenn es nun doch noch 3 Jahre währte, ehe die beiden 
Arbeiten, beide unter dem Titel «Zur Therapie der Diph 
therie», erschienen, die eine von Prof. Löffler in Greifs¬ 
wald (März 1891) und die andere von Prof. Strübing 
in Greifswald (November 1891), mit denen — ich möchte 
sagen — die Krönung des Gebäudes vollendet war, so 
hing das damit zusammen, dass Löffler erst durch sorg¬ 
fältige Prüfung im Laboratorium eine grosse Zahl von 
antibakteriellen Mitteln prüfte, welche von ihnen in wel¬ 
cher Dauer und in welchen Concentrationen am sichersten 
die Bacillen ^btödten, während Strübing am Kranken¬ 
bette die Löffler'scheu Vorschläge prüfte und beson- 


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67 


ders anch ermittelte, welche antibakteriellen Mittel dem 
Träger der Diphtherie, dem menschlichen Körper, nicht 
schaden. Diese beiden Arbeiten müssen im Original gele¬ 
sen werden. Nur soviel sei hier gesagt: 

I. Löffler. Nicht jede Entzündung im Rachen mit 
Membranbildung ist Diphtherie. Ob sie es sei, kann nur 
ein Bakteriologe durch Anlegen von Culturen erkennen. 
Löffler kann in 24 Stunden nach Entnahme von etwas 
Schleim oder Membranfetzen aus dem erkrankten Rachen 
den Beweis liefern, ob echte Diphth. oder Pseudodiph¬ 
therie; da aber wiederholt beobachtet wird, dass bei Be¬ 
stehen der Pseudodiphtherie nach einigen Tagen echte 
hinzutritt, so ist es geboten, jede Rachenentzündung mit 
Flecken als Diphtherie zu behandeln. Zur Abtödtung der 
Bacillen in den Culturen erweisen sich Sublimat, Queck- 
siibercyanid, Höllensteinlösungen und alkoholische Carbol- 
säurelösungen als die sichersten und dann auch eine 
Gruppe ätherischer Oele, die in Dampfform wirken, was für 
die vereinzelten Fälle, wo die Diphtherie in der Nase oder 
im Nasenrachenraum beginnt, von grosser Bedeutnng ist. 

II. Strübing bestätigt zunächst die Unmöglichkeit, echte 
Diphtherie von Pseudodiphtherie anders als durch Cultur- 
verfahren zu unterscheiden. «Für den behandelnden prak¬ 
tischen Arzt stellt sich allerdings insofern die Sache gün¬ 
stiger, als er, nicht im Stande zu differenziren, solche 
Fälle immer als echte Diphtherie behandeln wird*. — 
Ferner betont er die Nothwendigkeit, möglichst früh die 
Vertilgung der Bacillen zu beginnen; denn hat die Ein¬ 
wanderung der Streptokokken durch die zerstörte Schleim¬ 
haut und die Aufnahme der toxischen Stoffwechsel- 
producte der Bacillen ins Blut stattgefunden — dann 
haben wir kein sicheres Mittel mehr, das diesen direeten 
Folgen entgegenwirken könnte. Seine Worte: «Immer 
wieder lautet das klinische Urtheil dahin, dass die Früh¬ 
diagnose von Wichtigkeit ist, nnd dass die Fälle im 
Beginn, dann aber mit voller Energie in Behandlung ge¬ 
nommen werden müssen». 

Ob nun die Medicaraente als (iurgelungen, Pinselungen, 
Inhalationen oder auch intern (um während des Schluckens 
zu wirken) angewandt werden sollen, hängt vom Alter 
der Kranken, vom Orte und der Ausbreitung derAffection 
ab; ein für alle Fälle allgemein gültiges Gesetz lässt sich 
da nicht aufstellen. Aber das steht fest: in nicht zu lan¬ 
gen Pausen Tag und Nacht muss der antibakterielle Stoff 
applicirt werden, ob in 2-, 4-, 6stündlichen Pausen, das 
wird die Erfahrung des Arztes sagen. Je stürmischer der 
Verlauf, desto rascher nach einander die Maassnahmen. 
Während Löffler dem Sublimat den ersten Preis bei 
der Diphtheriebehandlung zuerkannt hatte, zieht Strü¬ 
bing die alkoholische Carbolsäurelösung mit oder ohne 
Terpentinzusatz vor und zwar aus dem Grunde, weil der 
Arzt am Urin sehr zeitig erkennen kann, ob Carbolin- 
toxication droht (durch Prüfung mit Liq. ferri sesq.), 
während für Sublimat kein solcher Anhaltspunkt existirt. 

Es folgen nun in der Striibing’schen Arbeit eine 
Reihe von Krankengeschichten, die besonders dadurch 
lehrreich sind, dass Löffler bei jedem Falle von Zeit 
zu Zeit die bakteriologischen Controlluntersuchungen 
machte. Die Abhängigkeit der Krankheitserscheinungen 
von den Bacillen tritt dabei evident hervor. Besonders 
instructiv sind auch die Recidive; in der Reconvalescenz 
fanden sich oft noch lebensfähige Bacillen, woraus der 
praktische Schluss sich ergiebt, nicht zu frühe ganz mit 
der antibakteriellen Behandlung aufzuhören. 

Zum Schlüsse spricht Strübing von der Therapie der 
Scharlachdiphtherie, die nach Löffler keine echte, son¬ 
dern eine durch Streptokokken bedingte ist. Auch hier 
ist die locale Behandlung mit Carboisäurelösungen das 
Beste, zumal sich immer mehr Zeugen finden, dass anch 
gegen den Scharlachprocess selbst die interne Anwendung 
der Carbolsäure wirksam sei. Wenn nun auch die Schar¬ 
lachdiphtherie keine echte sei, so warnt Strübing drin- 


1 gend, hier die locale antibakterielle Behandlung zu un¬ 
terlassen und zwar: «Immer müssen wir hier wie dort 
den Schwerpunkt auf die ersten Tage der Krankheit 
legen. Das Feuer muss im Beginn erstickt werden, seine 
Bekämpfung darf nicht erst erfolgen, wenn das ganze 
leicht gebaute Haus in hellen Flammen steht». 

Seine eigenen günstigen Erfahrungen mit der frühzei¬ 
tigen Localbehandlung des Diphtheritis hat Vortr. ivor 
einigen Monaten im deutschen ärztlichen Verein mitge- 
theilt (s. Protokoll des deutschen ärztlichen Vereins v. 
14. Jan. 1891. St. Petersb. med. Wochschr. 1891. Nr. 33 
S. 294). 

b) Herr Lun in (Elisabeth-Kinderhospital): 

Meine Herren! Soeben hat uns Dr. Masing einen 
interessanten Ueberblick über die Geschichte der Diph¬ 
therie gegeben und uns die rosigsten Aussichten für die 
Zukunft hinsichtlich der Diphtherie-Therapie eröffnet. Er¬ 
lauben Sie mir nun Ihnen auch meine Erfahrungen auf 
diesem Gebiete mitzutheilen. Ich muss im Vorans einge¬ 
stehen, dass dieselben mich leider zwingen mit etwas 
rauher Hand an diesem Nimbus zu rütteln. 

Bevor ich aber auf mein Thema näher eingehe, erlaube 
ich mir I)r. Masing meinen Dank auszusprechen, da er 
durch seine Bemerkungen die Frage von der Diphtheritis- 
Therapie angeregt hat. eine Frage von der grössten Bedeu¬ 
tung, die meines Wissens seit vielen Jahren hier nicht 
zur Sprache gekommen ist. 

Ich werde mir erlauben, erst auf meine persönlichen 
Erfahrungen aufmerksam zu machen, die ich in der 
Diphtheritisabtheilung des Oldenburger Kinderhospitals ge¬ 
macht habe, die aus denselben Jahren stammen, wie die 
Erfahrungen von Dr. Masing und von mir schon im Jahre 
1885 in der St. Petersb. med. Wochenschr. Nr. 6—9 
veröffentlicht worden sind. 

Dann will ich Ihnen die Resultate mittheilen, welche 
im Elisabeth-Kinderhospital in den Jahren von 1867 bis 
1890 erreicht worden sind und die schon theils von 
Dr. Woronichin’) veröffentlicht, theils von .mir nach 
den jährlichen Ilospitalberichten zusammengestellt worden 
sind. 

Zum Schluss, gedenke ich dann etwas näher auf die 
specielle Behandlungsmethode von Dr. Masing einzu¬ 
gehen. 

Ich will mich streng nur an die Erfahrungen halten, 
die in St. Petersburg gesammelt worden sind, da dieselben 
zum grossen Theil aus denselben Epidemien stammen, wie 
die von Dr. Masing, und die ausländische Litteratnr nur 
so weit berücksichtigen, als es mir unumgänglich noth- 
wendig erscheint. 

Es ist eine seit langer Zeit bekannte Thatsache, dass 
über die günstige Wirkung eines Medicaments nur dann 
ein Urtheil gebildet werden kann, wenn dasselbe auch 
bei schweren Fällen angewandt worden ist, und deshalb 
bitte ich Sie, m. H., Ihr Augenmerk besonders auf die 
schweren Fälle zu richten. Da ich wohl annehmen kann, 
dassDr. Masing bei seiner langjährigen und ausgedehnten 
Praxis auch schwere Fälle zur Beobachtung und Behandlung 
bekommen hat, so wird Ihnen gleich der so grosse Un¬ 
terschied unserer Resultate in die Augen springen. Bei 
Dr. Masing ist seit vielen Jahren Keiner gestorben und 
bei uns sind sie fast Alle gestorben! 

Als ich als Assistent der Infectionsabtheilung des Olden¬ 
burger Kinderhospitals eintrat, beschloss ich, mich 
speciell mit der Frage der Therapie der Diphtheritis zu 
beschäftigen. Damals hatte gerade Koch seine Arbeit 
über die Desinfection im ersten Bande der Mittheilungen des 
Reichsgesundheitsarates veröffentlicht und darin die emi¬ 
nente desinficirende Wirkung des Sublimats nachgewiesen. 
Auf den Rath meines verehrten Chefs Dr. Rauchfuss, 


*) Tpy*u o6mecTB& xIitck. Bpaiei bt> C.-IleTep6. (Arbeiten der 
Gesellschaft der Kinderärzte in St. Petersburg) 1887. 


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68 


beschloss ich mit diesem Mittel gegen die Diphtheritis 
vorzugehen. Die Behandlung bestand in 2stündlichen Pin¬ 
selungen der kranken Schleimhaut mit Sublimat 1: 1000 
und stündlichen Spülungen des Rachens mit einer Subli¬ 
matlösung von 1:5000. Solche Spülungen, sei es mit 
einem Irrigationsspatel, sei es mit einer einfachen Spritze 
ausgeführt, sind viel wirksamer, als Gurgelungen, mit wel¬ 
chen meist nur die vorderen Theile der Mandel berührt j 
werden, zumal kleine Kinder gar nicht zu gurgeln ver¬ 
stehen. 

Ausser'diesen Sublimat-Pinselungen, u.—Spülungen beka¬ 
men die Pat. noch eine Eiscravatte um den Hals und 
innerlich Wein und Moschus. 

Nach dieser Methode wurden im Ganzen 57 Pat. behan¬ 
delt; davon starben 45,67®; 

auf die fibrin. Form kommen 43, davon starben 30,2°/o 
» » phlegra. sept. » » 14, » » 93,°/o. 

Das Sublimat hatte also nicht unseren Erwartungen 
entsprochen und nun wollte ich es mit einem alten be¬ 
währten .Mittel versuchen, das schon im Jahre 1848 von 
Gigot empfohlen wurde und in den letzten Jahren in 
Jacobi einen eifrigen Anhänger gefunden hatte — das 
Eisenchlorid. Von diesem Mittel konnte man bei inner¬ 
lichem Gebrauche einen zweifachen Nutzen erwarten: 
einen localen auf die Diphtheritismeinbranen und einen 
allgemeinen roborirenden. Das Mittel wurde je nach dem 
Alter von 2 Tropfen 2stündlich bis 2 Tropfen ‘/stündlich 
und zwar Tag und Nacht hindurch gegeben, so dass die 
in 24 Stunden verbrauchte Menge von 1,0—8,0 betrug. 

Ausserdem wurde allen Pat. der Pharynx mit 3°/o 
Borsäurelösung ausgespült. Das Eisen bekamen die Pat. 
stets nach den Spülungen, damit dasselbe leichter seine 
Wirkung auf die Mambranen ausiiben konnte. Ferner 
Eiscravatte und Wein innerlich. 

Behandelt wurden mit Eisenchlorid 

94 Pat. davon starben 53 also 56,3°/o 
davon kommen a.d.fibrin. Form 43, starben 14 » 39,5°/» 

» » » phlegm. sept.»51, » 39 >» 78,4°/o 

Das Eisen hatte sich also auch nicht bewährt und ich 
musste mich nach einem anderen Mittel umsehen. Ich 
beschloss jetzt auf die warme Empfehlung von Seifert 
das Chinolin zu benutzen. Er hatte von 48 Pat. nur einen 
verloren und dieses warein l 1 /* Jahre altes syphilitisches 
und rhachitisches Kind. 

Die Behandlungsmethode bestand in 2stündlichen Pin¬ 
selungen mit einer 5°/o Chinolinlösung und in stündlichen 
Spülungen des Rachens mit einer Chinolinlösung von 
1:600. 

Behandelt wurden so 

28 Pat. von denen 15 starben, also 53°/» 
davon kommen a. d. fibr. Form. 19, » 6 » 31,6°/« 

» » » phleg. sept.»9, » 9 » 100°/® 

Wie wenig das Chinolin auf die Diphtheritis wirkt, 
davon konnte ich mich bei einer kleinen Pat. überzeu¬ 
gen, die am linken Knie an Hautdiphlheritis litt. Trotz¬ 
dem auf dieser kranken Stelle immerfort 5°/o Chinolin- 
compressen lagen, nahm der diphth. Process unter den 
Compressen stets an Umfang zu. 

Auch dieses Mittel hatte mich im Stich gelassen; deshalb 
ging ich schnell zu einem anderen über. Dieses Mal 
wählte ich das Resorcin, mit dem Andeer 222 Fälle von 
Diphtheritis behandelt haben will, ohne einen Todesfall 
verzeichnen zn müssen. 

Mit einer 10°/« Lösuig wurden die erkrankten Stellen 
2stündlich gepinselt und mit einer 1°/® Lösung stündlich 
gespült. 

Von 10 Pat. mit der fibrin. Form starb. 2=20°/o 
» 19 » » » phleg. sept. » » 17=89,47® 

LGanz.29 Pat. davon starben 19=65,57® 

Also wieder eine Enttäuschung’ 

Jetzt wurde das Brom angewandt, mit dem Schulz 


36 Pat. ohne Todesfall behandelt haben will und Hi 11er 
von 50 Pat nur einen verloren hatte. Die Behandlung 
bestand in 2 stündlichen Pinselungen des Pharynx mit 
einer Bromkalilösung von 0,5—1,0 auf 200,0 und Inha¬ 
lationen einer Bromlösung von 0,2 bis 0,47® halbstünd¬ 
lich bis stündlich. 

Damit wurden behandelt 33 Pat. und starb. 23=69,7*/o 
1 davon kommen a.d. fibr. F. 15 » » » 7=47°/« 

» » » phl.sept. 18 » » » 16—88*/o 

Also war ich wieder um eine Enttäuschung reicher. 

Nun wurden Versuche mit dem 01. Terebinthinae an¬ 
gestellt, welches von Bosse, Lange und Satlew geprie¬ 
sen wurde. Letzterer hatte von 43 Pat. nur einen 
verloren. 

Einige unserer Pat. erhielten 2 mal täglich zu 1 Thee- 
löffel, wie es die genannten Autoren empfohlen hatten; 
andere bekamen zu 10 Tropfen stündlich, also 240 Tropfen 
in 24 Stunden. Ausserdem wurde allen Pat. der Rachen 
stündlich mit 3% Borlösung ausgespült. 

Dabei hatten wir folgende Resultate: 
fibrin. Form: 12 Pat., gestorben 1=8,3°/® 

phlegm. sept Form 11 » » 9~82, 0°/o 

Im Ganzen 23 Pat. gestorben 10=43,07«» 

Also auch dieses Resultat war ein trauriges! Sie kön¬ 
nen sich denken, wie entmuthigend und deprimirend solche 
Erfahrungen auf jeden Arzt wirken können, der sich die 
grösste Mühe gegeben hat, um doch wenigstens in etwas 
diese furchtbare Mortalität herabzudrücken. Zugleich wird 
man aber keinem Arzt es verargen können, yvenn er nach 
solchen Erfahrungen gegen die so häufig als unfehlbar 
gepriesenen Mittel skeptisch wird. 

Doch bei diesen Versuchen hatte ich Folgendes gelernt: 
Erstens, wie gut man mit den Spülungen des Rachens 
denselben rein erhalten und allen Schmutz herausschaffen 
kann, und zweitens, wie schonend man bei schweren 
Formen der Diphtheritis mit der Herzthätigkeit zu ver¬ 
fahren hat, um die drohende Herzparalyse nicht zu be¬ 
schleunigen. So sollte einmal ein kleiner kräftig gebauter 
Bursche von 5 Jahren inhaliren. Ihm behagte unsere 
Behandlungsmethode sehr wenig und er währte sich da¬ 
gegen nach Kräften. Er wurde von einer Wärterin auf 
den Schooss genommen und man versuchte ihm den Mund 
zu öffnen. Er machte die grössten Anstrengungen, um sich 
der Wärterin zu erwehren, doch plötzlich hörte sein Wi¬ 
derstand anf und er war eine Leiche. Ein anderes Beispiel: 
die 4jährige Tochter eines Collegen lag auf der Diphthe- 
ritisabtheilung mit Diphtheritis der Pharynx nnd Larynx. 
Da die Stenose stetig zunahm, so entschlossen wir uns, 
auf den Rath von Dr. Rauchfuss, das Kind zu trache- 
otomiren. Das Kind wollte nicht aus dem Bette nnd 
als es schliesslich mit Gewalt auf den Tisch hingelegt 
wurde, so hörte es plötzlich auf zu athmen. Die in kaum 
einer Minute ausgeführte Tracheotomie und die eingeleitete 
künstliche Respiration blieben erfolglos. Das Kind war 
der Herzparalyse erlegen, da die Lary nxstenose gar nicht 
bedeutend war. Aus diesen Erfalirungen, die auch von 
anderer Seite gemacht worden sind, habe ich mir die 
Lehre gezogen, schwere Diphtheritiskranke möglichst 
schonend zn behandeln. 

Ich muss aber hier zu meinen Zahlen noch hinzufügen, 
dass die Larynxdiphtheritis hier miteingerechnet wurde. 
Diese kommt bekanntlich meist bei der fibrinösen Form 
vor und verschlechtert die Prognose derselben sehr be¬ 
deutend. So starben mir von 96 Pat. mit Larynxdiphth. 
69 also 72,6°/o, welches Procentverhöltniss dom der 
schweren Form sehr nahe kommt. 

Doch nach diesen meinen Resultaten darf man sich 
noch kein Bild machen von der damalige Epidemie, denn 
aufgenommen wurden meist nur die schwereren Fälle, die 
anderen wurden ambulatorisch behandelt. Natürlich war 
bei letzteren das Resultat ein bei weitem besseres. An- 


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geben lässt sich dasselbe aber nicht einmal annähernd, 
weil die arnb. Pat. häufig fortbleiben und man über ihr 
ferneres Schicksal weiter nichts erfahren kann. 

Erlauben Sie mir nun, meine Herren, Ihnen in Kürze 
die Resultate vorzuführen, die im Elisabeth-Kinderhospital 
bei der Diphtheriebehandlung in den Jahren 1«67—1890 
erzielt wurden, und die zum Theil von Dr. Woronichin 
schon veröffentlicht, theils von mir nach den Jahresbe¬ 
richten zusaramengestellt worden sind. 

Um Ihnen die Uebersicht zu erleichtern, sind die Er¬ 
gebnisse dieser Zusammenstellung auf dieser Tafel notirt. 


Zusammenstellungen von Dr. Woronichin 
1867—1886. 


Mortalitätsproc.: 



Gesammt. 

fibrin. 

phlegmon. 


*/0. 

Form 

sept. Form 

Arid, mur . . 

• 21,4°/o 

15,4% 

100, % 

Aq. Chlori. . 

33,3 

23. 

100. 

Mixt. Wissi . 

34,2 

21,9 

100. 

Dec. China« . | 
Aq. Chlor. . J 

| 45,4 

40 

100. • 

Natr. benz. . j 
Natr. salicyl. j 

| 46,1 

22,2 

100. 

Chinin . . . 
Natr. chlorat. | 

• 47, 

f 47,5 

35,7 

100. 

100. 

Calomel . . | 

16,6 

01. Martis . 

. 51,1 

30,3 

87,5 

Thymol . . 

64,5 

43 

92,8 

Gemischte Beh. 

59,5 

41,9 

93,7 

Kali chlor. . 

62,5 

60,5 

100. 

Die Gesammtzahl der Kranken betrug 

442, davon 


litten an der fibrin Form.: 340 mit 40,3°/o Mortal. 

unter diesen- dipht. phar. 279 > 29,3°/» » 

» » dipht. phar. 

et lar. . .61 * 88,5°/o » 

.an der phlegm.-sept. Form. 102 » 93,2°/» » 

Von mir nach den Jahresberichten zusammengestellt: 

1887. Therapie: 01. Tereb. 

137 Fälle, davon starben 60=44°/*. 

Dipht. phar. . . 86, gest. 24. 

» »et nas. 14, » 10. 

» » et lar. 27, » 20. 

» laryng. . . 2, » 2. 

1888. Therapie: theils 01. Mart., theils Salol. 

78 Fälle, gest. 31=39,7%. 

Dipht. phar. . . 53, gest. 13. 

» phar. et lar. 17, » 13. 

» » » nas. 7, » 5. 

1889. Therapie: 01. Mart. 

52 Fälle, gest. 19=36,5%. 

Dipht. phar. . . 35, gest. 8. 

» » et nas. 4, » 4. 

» » » lar. 10, » 6. 


1890. Therapie: 01. Mart. 

55 Fälle, gest. 27 = 49°/o. 

Dipht. phar. . 43, gest. 18. 

» * et nas. 3, * 3. 

» » » lar. 9, » 7. 

Die hier angeführten Methoden sind alle an einer bald 
mehr bald weniger grossen Anzahl von Pat. erprobt; 
Behandlungsmethoden, die nur an wenigen Kranken 
durchgeführt wurden, habe ich hier nicht weiter berück¬ 
sichtigt. 

Sie sehen, dass auch hier die Resultate viel zu wün¬ 
schen übrig lassen. Man kann aber hier nicht umhin, 
den Eifer und die UnVerdrossenheit meiner Specialcolle- 
gen zu loben, mit denen sie, trotz so vielfacher Ent¬ 
täuschungen, immer von Neuem die als unfehlbar ange¬ 
priesenen Mittel versuchten. 

Ich will hier gleich bemerken, dass ich durchaus nicht 


nihilistisch zur Frage der Therapie der Diphtherie stehe 
und fest überzeugt bin, ■ dass so mancher von unseren 
Pat. durch die Behandlung dem Tode entrissen wurde, 
Jeder, der auf einer Diphtherie •'Abtheilung thätig gewe¬ 
sen ist, verfügt sicher über eine oder auch mehrere Be¬ 
handlungsmethoden, von denen er hofft, so manchem 
Kranken damit helfen zu können, doch ebenso fest bin 
ich auch überzeugt, dass keiner von den erwähnten Col- 
legen über ein Mittel verfügt, auf dessen Wirksamkeit 
er sich verlassen kann. 

Jetzt will ich zur Besprechung der Methode von Dr. 
Masing übergehen und will mich an seinen Vortrag 
halten, der in der St. Petersb. med. Wochensch. Nr. 33, 
1891 abgedruckt ist. Diese Methode besteht darin, dass 
die Mutter darauf angewiesen ist, bei jedem Unwohlsein 
des Kindes den Hals zu untersuchen und, sobald sie dort 
irgend einen weissen Fleck findet, sofort mit einer 2"/* 
spirituösen Carbollösung alle 2 Stunden Tag und Nacht 
die kranke Stelle zu pinseln. Nun, wir wissen es ja, 
wie schwer es mitunter fällt, genau zu bestimmen, ob auf 
einer Mandel blos Schleim oder ein wirklicher Plaque 
sich befindet und ich glaube nicht, dass dieses den Müt¬ 
tern leichter gelingt, als uns. Wie häufig wird man zu 
einem Pat. gerufen, bei dem auf den Mandeln weisse 
Flecke gesehen worden sind, die sich dann einfach als 
Schleim erwiesen haben. Ferner sind ja die Acten dar¬ 
über noch nicht geschlossen, ob es nicht auch fibrinöse 
Beläge im Pharynx geben kann, die nicht diphth. Natur 
sind; ich will hier nur auf die Arbeiten von Prof. Wag¬ 
ner 2 ) und Löffler 3 ) und auf die Ausdrücke: croupös, 
diphtheroid und Pseudo-Diphtherie verweisen. Zugleich 
möchte ich hier noch die Untersuchungen von Baginsky 
anführen aus dem neuen Kaiserin Friedrich-Kinderhospi¬ 
tal in Berlin. Alle seine Diphtheritiskranken wurden auf 
den Löffler’schen Bacillus untersucht, von 93 Pat. hatten 
ihn 68 aufzuweisen und bei 25 fehlte er. Von den er- 
steren 68 starben 27 also 40°/# und, von den letzteren 
25 nnr einer und dieser hatte auf der Abtheilung den 
Löffler’schen Bacillus acquirirt. Sie sehen also, dass 
nicht jeder weisse Fleck auf der Tonsille gleich Diphthe¬ 
rie bedeutet. 

Nun kann die Diphtheritis auch im Kehlkopf, im 
Nasenrachenraum oder in der Nase beginnen. Dr. M a- 
sing meint, man könnte durch .die Rhinoskopia post, 
erkennen, ob Beläge im Nasenrachenraum wären und im 
gegebenen Falle auch dort local behandeln, also auch 
2stündlich pinseln. Dagegen möchte ich Folgendes an¬ 
führen: Die Rhinoskopia post, ist bei Kindern eine sehr 
schwierige Untersuchungsmethode und dürfte bei einem 
Kinde mit entzündeter Pharynx Schleimhaut kaum ausführ¬ 
bar sein. Aber gesetzt den Fall, man könnte bei einem 
Pat. Beläge im Nasenrachenraume finden, so würde 
man durch so häufiges Pinseln des Nasenrachenraums 
auch das sanfteste Kind bald aus Rand und Band brin¬ 
gen. Was aber die Diphtheritis des Kehlkopfs betrifft, 
so haben auch die begeistertesten Anhänger des Pinseins 
sich noch nicht daran gemacht, oder falls sie es gethan 
haben, so haben sie darüber wohl weislich geschwiegen. 
Ich würde es auch Keinem rathen, denn durch solch eine 
Behandlungsmethode könnte man leicht die Sterblichkeit 
der Larynxdiphtherie auf 100% bringen. 

Dann glaubt Dr. Masing bei Erkrankungen der Nase 
durch Eingiessuugen von Borsäurelösung in die Nase 
und durch beständiges Riechen an concentrirten Carbol- 
lösungen zweckmässig die Krankheit zu bekämpfen. 

Nun ist leider die Nase bei Diphth. derselben meist vollkom¬ 
men verstopft. DieKinder können durchdieselbe nicht Athmen. 
also auch nicht riechen! Deshalb wird ja auch empfohlen, mit 

*) Wagner: Zur Kenntniss der Diphtherie und ähnlicher 
Erkrankungen des Ganmens. Jahrbuch für Kinderheilkunde 
B. XXIII. 

a ) Berl. klin. Wochenbl. 1891. 


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7Ö 


Sonde und Pincette den unteren Nasengang frei zn ma¬ 
chen. • Dieses gelingt aber auch nur bisweilen und dann 
bleiben doch alle übrigen Theile der Nasenhöhlen voll¬ 
kommen unerreichbar. Deshalb wird auch die Diphthe- 
ritis der Nase von den Aerzten so sehr gefürchtet. Aus¬ 
serdem glaube ich nicht, dass man durch blossen Carbol- 
säuregeruch dem Diphtheriebacillus viel anhaben kann. 
Derselbe kann schon etwas mehr vertragen. 

Was endlich das Pinseln der Tonsillen betrifft, so darf 
man sich von demselben auch keine zu grossen Illusionen 
machen. Die Tonsille stellt keine glatte Oberfläche dar, 
sondern zeigt häufig recht tiefe Lacunen, deren Mündung 
sehr eng sein kann Pinsele ich nun die Mandel, so bleiben 
doch diese Vertiefungen alle verschont, zumal der Schleim 
und die Eiweissstoffe, welche die entzündete Mandel be¬ 
decken, durch den Carboispiritus coagulirt werden und 
nun als schützender Pfropf die Mündung solcher Lacunen 
verlegen. 

Sie sehen also, m. H., dass diese Methode bei Er¬ 
krankungen des Kehlkopfs, des Nasenrachenraums und 
der Nase nicht viel helfen kann und selbst bei Erkran¬ 
kungen der Tonsille auch nicht jeder Kritik Stich hält. 

Dr. Masing erklärt die grosse Sterblichkeit in den 
Hospitälern dadurch, dass die Kinder meist am 2 oder 
8 Tage ins Hospital kommen und dann sei es schon zn 
spät. Darauf habe ich folgendes zu erwiedern: Es kom¬ 
men eine ganze Anzahl Kinder schon am ersten Tage 
der Erkrankung in’s Hospital und ferner haben wir ja 
leider sehr häufig in den Kinderhospitälern Hausepide¬ 
mien. Ich will hier gleich den Einwand vorweg nehmen, 
dass wir es hier mit schon kranken Kindern zn thun 
haben. Viele Krankheiten, wie ein Kopfekzem oder blos 
schwache Demenz, werden schwerlich einen Einfluss auf 
den Verlauf der Diphtheritis haben. 

Dann muss ich hier gerade die schwersten Formen 
der Diphth. erwähnen. Bei diesen ist schon in den er¬ 
sten Stunden der Erkrankung eine starke Schwellung 
des peritonsillären Gewebes vorhanden mit schneller Ver¬ 
breitung auf die Lymphdrüsen und das Unterhautzellge¬ 
webe des Halses. Da sieht man in den ersten 12 Stun¬ 
den kaum einen Belag und schon hat sich die Schwellung 
auf den grössten Theil des Halses ausgebreitet und da¬ 
mit ist auch das Todesurtheil des armen Pat. unterschrie¬ 
ben. Da möchte ich doch fragen, wo sollen wir hier 
pinseln und was können wir vom Pinseln oder jeder an¬ 
deren Localbehandlung hoffen oder erwarten? 

Wenn Dr. Masing glaubt, das so ängstliche Trennen 
der Gesunden von den Kranken könne bei seiner Be¬ 
handlungsmethode unterlassen werden, so will ich nur an 
einen Collegen erinnern, der vor etlichen Jahren hier 
im Verein behauptet hat «er habe mit Cyan-Hg die 
Diphtheritis fest!» Das waren seine Worte. Als er bald 
darauf in einer Familie einen 9 Jahre alten Knaben zu 
behandeln hatte, so hielt er es auch für unnütz, die 
Gesunden von dem Kranken zu trennen. In einigen 
Tagen hatte die Diphtheritis einen 14jährigen Bruder und 
die Mutter des Pat. ergriffen und in einer Woche waren 
alle Drei todt! 

Ich halte sonst die Behandlungsmethode von Dr. M a- 
s i n g für die Privatpraxis für ganz praktisch, doch kön¬ 
nen solche Erfahrungen, wie die seinigen, nicht als Basis 
für eine wissenschaftliche Begründung dienen. Ich will 
hier nur an die Worte von Prof. Gerhard erinnern, 
die er auf dem Congress in Wiesbaden 1883 bei der 
Discussion über Diphtherie-Therapie gesagt hat: wenn 
man liest, dass in einer Epidemie mit einem Mittel 20, 
3') oder 40 Fälle behandelt wurden, ohne dass jemand 
starb, so kann man logischer Weise aus solchen Mit¬ 
theilungen kaum etwas Anderes schliessen, als dass das 
Mittel unschädlich war. 

Zum Schlüsse muss ich nochmals Dr. Masing dan¬ 
ken für die Anregung der Djscussion über die Therapie 


der Diphtherie, von der ich noch manches zn lernen 
hoffe. Doch Dr. Masing muss es uns Kinderärzten 
nicht übel nehmen, wenn wir an der Wirksamkeit seiner 
Methode so lange zweifeln werden, bis er uns an ganz 
genauen Krankengeschichten beweist, dass er Recht habe. 

Bis dahin werden wir an diese Methode nicht glauben, 
weil sie uns keine neuen Gesichtspunkte bringt und weil 
wir das Alles schon selbst durchgemacht haben. Ich 
bitte das nicht als Nihilismus, um Dr. Masing’s Worte 
zu brauchen, zu betrachten, sondern als einen gesunden 
und wohlberechtigten Skepticismus. 


Herr Masing weist zur Erklärung der grossen Differenz 
zwischen seinen eigenen Erfahrungen und denjenigen des 
Herrn Lunin auf folgende Umstände hin: 1) er, M. 
beobachtete an Privatpatienten, L. dagegen an Hospital¬ 
kranken, mithin war das Material ein durchaus verschie¬ 
denes. 2) aus dem eben genannten Grunde hatte er, M. 
verhältnissmässig viel mehr mit ganz frischen Fällen zu 
thun, die vom ersten Beginn an in Behandlung genom¬ 
men werden konnten. 3) L. hat weder mit Jod noch 
mit Carbolsäure gearbeitet, also nicht mit denselben 
Mitteln, welchen M. seine günstigen Resultate zu verdan¬ 
ken glaubt. Ferner bemerkt M.: dass er in keinem Falle 
den Nasenrachenraum oder den Kehlkopf gepinselt hat, 
dass die Diphtheriebacillen an der Oberfläche sich be¬ 
finden und darum wohl auch in den Krypten der Ton¬ 
sillen dem Medicamente zugänglich sein können, dass 
endlich auch riechende, d. h. flüchtige Stoffe wirksam 
sein können, wie z. B. die ätherischen Oele, die ja in 
Darapfform eminent antimykotische Wirkungen entfalten. 
(Experimente Löftler’s mit in die Nase eingeftihrten, mit 
ätherischen Oelen gefüllten Glasröhrchen). 

Herr Lunin hat bei Hausepideraien im Hospital aller¬ 
dings auch Fälle im ersten Beginn zu behandeln gehabt; 
dieselben verliefen wie alle andern. Die Carbolsäure hat 
L. von Baginsky anwenden sehen, doch war die Sterb¬ 
lichkeit dadurch nicht geringer. Uebrigens hat L. so 
schwere Diphtheritis, wie hier in Petersburg, nirgend im 
Auslande zu sehen bekommen; dies gilt besonders von 
der hier so häufigen phlegmonös-septischen Form. 

(Fortsetzung folgt im Protokoll der nächsten Sitzung). 

Secretär E. Blessig. 


Referate. 

J. Hoffmann. Weitere Beiträge zur Lehre von der 
progressiven neurotischen Muskelatrophie. (Aus der 
medicinischen Klinik des Herrn Prof. Erb in Heidelberg 
(Deut. Z. f. Nervenheilkunde I Bd. III). 

An die vomVerf. im Archiv für Psychiatrie u. Nerven¬ 
krankheiten Bd. XX. aus der Literatur unter dem Namen 
«progressive neurotische Muskelatrophie zusammen gestellten 
Krankheitsfälle reiht H. einige weitere theils eigene, theils 
fremde (Sachs, Vizioli u. A.) Beobachtungen. In allen Fäl¬ 
len zeigte sich familiäre Disposition. Der Beginn des Leidens 
fällt häufig in die Kindheit, aber auch das spätere Alter 
bleibt nicht verschont und zwar tritt Parese und Atrophie 
der Muskeln zuerst in den unteren Extremitäten auf mit 
Equinovarus-resp. Equinus-Stellung, später werden die oberen 
Extremitäten befallen, namentlich die kleinen Handmuskeln 
und schliesslich auch die Rumpfmuskulatur. Krämpfe und 
Mnskelrigiditäten werden vermisst, meist auch fibrilläre Zuckun¬ 
gen. Die mechanische und elektr. Muskelerregbarkeit ist 
stark herabgesetzt und zwar bisweilen auch in scheinbar ganz 

f esunden Muskeln; constant Ea R. vorhanden. Das Verhalten 
er Sehnenreflexe wechselt, sensible und vasomotorische Stö¬ 
rungen fehlen in keinem Falle. Blase, Mastdarro und Psyche 
intact. 

Diesen scheinbar typischen Fällen reiht H. weitere Beobach¬ 
tungen (2 eigene und 3 fremde) an, wo das Leiden von den 
oberen Extremitäten seinen Ausgang nahm und erst später 
die unteren Extremitäten und das Gesicht in Mitleidenschaft 
gezogen wurden. Aus diesem Grunde hält Verf. den aus 
Amerika vorgeschlagenen Namen «peroneal form or leg-type 
of progressiv muscular atrophy» unter dem auch SJachs seine 
Beobachtungen beschrieben nat, für unzweckmässig. 


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ftnige zur Section getomifiene Fälle ergaben von der Pe¬ 
ripherie znm Centrum abnehmende Veränderung der Nerven- 
stftmme und Ergriffensein der Goll’schen Strängei ob das 
Rückenmark oder die peripheren Nerven primär erkranken, 
läslt Verf. unentschieden; er hält aber den Process in den 
NeTvengtämmen für eine Degeneration im Gegensatz zu Eisen¬ 
lohr, weichereine interstitielle Neuritis annimmt. Verf. corri- 
girt die von ihm gewählte Benennung der Krankheit in «pro¬ 
gressive neurale Muskelatrophie«. Kusick. 

0. Lassar und Friedländer: Zur Erysipelimpfung. 
(Befer, a. d. deutschen med. Wochenschrift Nr. 29. Mo¬ 
natshefte f. prakt. Dermatologie Bd. XIII Nr. 5. 1891). 

Verf. stellten zuerst mit in strömendem Dampf sterilisirter 
Erysipelstreptokokken-CulturenThierversuche an Kaninchen an, 
die* stet» nur locale Reaction an der Impfstichstelle ergaben. 
Daraufhin injicirte sich Friedlander selbst auf das lüfache 
verdünntes Filtrat in den Arm. Nach 5 Stunden entstanden 
an der Injectionsstelle ziemlich heftige Schmelzen, Röthung 
and Schwellung in der Grösse eines 5Markstückes. Kein Fie¬ 
ber. Am nächsten Tage Steigerung dieser Symptome; dazu 
kamen Kopfschmerz, Appetit- und Schlaflosigkeit. Kein Fieber. 
Nach 48 Stunden Rückgang der Erscheinungen, am 5. läge 
normaler ZuBtand. Jetzt wurden die Injectionen einem Kran¬ 
ken gemacht, um die bekannte Wirkung des Erysipels auf ge¬ 
wisse Tumorarten zu beobachten. Es wurden sowohl am Orte 
det Erkrankung, als auch an anderen Localitäten Injectionen 
gemacht; dieselben wurden bei einem Fall von Lupuscarcinora 
vorgenommen. Die Sy mptome waren dieselben, oie nahmen 
mit jeder folgenden Einspritzung an Stärke ab. Allgeineiner- 
scheinungen traten nie auf, aber es wurde auch kein therapeu¬ 
tischer Erfolg erzielt. E. Krön ff (Hungerburg-Narva). 


Vermischtes. 

— Die Gesellschaft Rjasanscher Aerzte hat den frü¬ 
heren Moskauer Professor der Chirurgie Dr. Beszwetow, 
sowie die Professoren Sklifassowski und Erismann in 
Moskau zu Ehrenmitgliedern gewählt. 

— Ara 29. Jannar beging der Arzt bei der Verwaltung der 
St Petersburger Comandantur, Dr. A. N. Duschinkin, das 
25jährige Jubiläum seiner ärztlichen Thätigkeit. 

— Bestätigt als ordentliche Professoren: die ausser¬ 
ordentlichen Professoren der Moskauer Universität Vogt 
(Patholog), Ostroumow (Therapeut) und Manssurow (Der- 
matolog und Sypbilidolog), sowie der Professor der Charkower 
Unversität M. A. Popow (Anatom) nnd der Professor der 
Warschauer Universität Nikolski (Pharmakolog). 

— Ernannt: der ausseretatmässige ausserordentliche Pro¬ 
fessor der Moskauer Universität Dr. Maklakow — zuiu etat- 
mässigen ausserord. Professor auf den Lehrstuhl der Ophthal¬ 
mologie daselbst nnd der Privatdocent derselben Universität. 
Dr. Korssakow—zum ausseretatmäasigen ausserord. Professor 
anf dem Lehrstuhl der Geburtshülfe und Gynäkologie. 

— Verstorben: 1) Am 1'13 Februar verschied in St. Peters¬ 
burg Dr. Wilhelm Junker. Die eingehende Würdigung des 
verehrten Mannes als Forscher gehört einer competenten Feder 
an; da der Verstorbene aber seinem Bildungsgänge nach auch 
za nns Medicinern gehörte, so sei es mir gestattet hier seiner 
zn gedenken. Jutyker war in Göttingen zum Dr. med. promo- 
virt worden und wollte in Dorpat das Staatsexamen ahlegen 
um den ärztlichen Beruf an treten zu können. Sein Sinnen und 
Trachten ging aber danach, reisen zu können, sich ganz der 
Erforschung von Ländern und Menschen hinzugeben; dieser 
Neigung fehlte absolut jeder abenteuerliche Zug: die ihm eigne 
Gewissenhaftigkeit im Thun nnd Lassen, der Zweifel an seiner 
Leistungsfähigkeit als Forscher, den ihm die Schlichtheit und 
Bescheidenheit seines Wissens dictirten, schufen eineu Conflict 
mit dem Studium zu einem ihm unsympathischen Beruf, der 
ihm Jahre unfruchtbarer Arbeit kostete. 1869 begab Junker 
sich nach Island und erprobte hiebei quasi seine h lugkraft für 
Beharrlichkeit und Energie. Jetzt war er für die Medicin ver¬ 
loren nnd er ergriff die Gelegenheit, 1872 Professor Wilmanns 
nach Tunis zu begleiten; da die Aufgabe der Expedition des 
Letzteren specielle Zwecke, archäologisch historischer For¬ 
schung, verfolgte, so kehrte J. bald nach Tunis zurück und 
blieb dort, die arabische Sprache lernend und Streifzüge in die 
Regentschaft unternehmend, bis in’s Jahr 1873. Die Vorberei¬ 
tungen zu den beiden grossen Afrikareisen und die Rückkehr 
von denselben sind allen seinen Freunden in lebhafter Erin¬ 
nerung. Die furchtlose Energie beim Ausfuhren des Beschos¬ 
senen und die herzgewinnende Anhänglichkeit eines edlen 
zarten Gemüthes an aie Seinigen, an die Freunde, machten 
Junker gerade so überaus ayrnpatisch und gewannen ihm nur 
Freunde m allen Zonen wo er weilte, in allen Gesellschafts¬ 
klassen, die er berührte. Auf einem Ausflug nach Egypten | 
begriffe«, wollte es ein gütiger Zufall, dass ich Janker, der l 


zu seiner zweiten Reise nach dem Süden zog, in Wien traf; üf>er 
Triest gingen wir nach Alexandrien; die Seefahrt und 2 
Wochen, die ich in seiner Gesellschaft in Alexandrien und 
Kairo zubrachte, werde ich stets in schönster Erinnerung be¬ 
wahren. Junker hatte sich stets einer tadellosen Gesundheit 
erfreut, erst nach seiner Rückkehr von der zweiten Reise im 
Jahre 1886 constatirte ich bei ihm als Residuen von Malaria 
eine grosse Milz und etwas vergrösserte Leber mit derb anzu¬ 
fühlendem unebenen Rande. Sein Ernährungszustand war aber 
gut, sein subjectives Betinden tadellos. Während der Verar¬ 
beitung seines Werkes in Wien hatte er wohl gelegentlich 
kurzdauernde Fieberanfälle, aber sein Befinden blieb ungetrübt. 
Ende Oetober vorigen Jahres traf Janker zum Besuche seiner 
Verwandten hier ein; nach etwa 3 Wochen erkrankte er an 
Influenza; die katarrhalischen Erscheinungen waren gering¬ 
fügig, aber neuralgische Beschwerden verschiedener Gebiete 
Hessen ihn während zweier Wochen relativ viel leiden. Bei 
Besserung aller Erscheinungen trat Mitte December Exophthal¬ 
mus des linken Auges mit bald darauf folgender Schwellung 
der linken Schläfengrube ein. Ohne Schmerzen zu verursachen 
nahm dieselbe rasch zu, der Exophthalmus wurde stärker und 
cs liess sich als seine Ursache nun ein weicher, fast tiuctuiren- 
der, mit der Schwellang in der Schläfengrube zusammenliau- 

E der Tumor im äusseren Tlieil der Orbita nachweisen, dessen 
ignitat durch eine bald auftretende Metastase an der rechten 
Linea temporalis und stetig stärker werdende Pulsationser- 
8cheinungen am Exophthalmus bereits am 10. Jaii. a. c. fast 
ausser Frage gestellt wurde. Diese ganze Zeit über klagte der 
Kranke hauptsächlich über Schmerzen in der Lumbalgegend 
und fanden Abends leichte Temperatursteigerungen statt. Die 
Diagnose auf Sarkom wurde nur zu bald durch den weiteren 
Verlauf bestätigt; es trat bedeutende Schwellung des Unter¬ 
leibes mit zunehmendem Ascites auf, die erwähnten Tumoren 
wuchsen rasch und es traten neue Metastasen, zwei kleine 
Tumoren, am Occiput auf; nun verfielen die Kräfte, der Ascites 
stieg bedeutend und bereits am 28. Jan. schwand aas Bewusst¬ 
sein: am 1. Febr. Morgens erfolgte der Tod. die Section ergab 
in Kürze Folgendes: Bedeutende Menge von Ascites (22 Pfd.) 
die Leber und die Wurzel des Mesenterium ganz durchsetzt 
von kleinen weichen Sarkomen; die Milz vergrössert, aber nicht 
hart, zeigt derbe schwielige Verdickung der Kapsel. Nieren, 
Lungen, Herz normal; Aortaatheromatös. Anf der Dura mater 
kleine weiche Sarkome, von denen eines das Schädeldach 
durchbrochen hatte. In dem äusseren Theil der linken Orbita 
ein wallnn88grosses Sarkom, das durch die Fissura arbitalis 
inferior in die Schläfengrube gewuchert war. Die mikroskopische 
Untersuchung der Tumoren stellte ihren Charakter als unge¬ 
mein göfössreiche Sarkome fest. 

Viele, sehr Viele trauern um den Verlust dieses seltenen 
Mannes. Dem grausamen Geschick gegenüber mag es Trost 
gewähren, dass er seine Arbeit, das Facit seines Lebens, zu 
Ende geführt hatte; das noch geplante Otiura cum dignitate 
war ihm nicht mehr vergönnt und wer mag sagen, ob es ihm 
die erhoffte Ruhe und Befriedigung geboten hätte. Ein hohes 
Maass der Anerkennung ist seinen Leistungen geworden; seiner 
unvergesslichen, liebenswürdigen, treuen Persönlichkeit aber 
denkt Jeder mit Liebe, dem es vergönnt war, ihm nahe zu treten. 
Friede seiner Asche! Dr. A. 

2) Am 30. Januar in Odessa der ältere Ordinator des dor¬ 
tigen Stadt-Krankenhauses Dr. J. Smortchewski. Er ist 
während eines Aerzte-Consiliums im Dujourzimraer des Hospi¬ 
tals plötzlich verschieden, nachdem er fast 35 Jahre hindurch 
als Arzt am genannten Hospital gewirkt hat. 3) In Menschinßk 
der dortige Stadtarzt W. P. Kowalew, welcher vor5 Jahren 
den Cursns in Kasan absolvirt hat. Er hat seine Frau mit 3 
kleinen Kindern ganz mittellos hinterlaBsen. 4) Der Chef der 
Sanitätsabtheilung, welche aus Kasan in den Ziwilskisehen 
Kreis zu den Nothleidenden geschickt worden ist, Dr. St. M. 
Winogradow, am Flecktyphus. 5) Am 1. Januar der Land¬ 
arzt im Gouv. Minsk N. Arssenjew an Phthisis. 6) Der Ober¬ 
arzt des Ura-Tubinsk’schen Örtlichen Militärlazareths Ssolski. 
7) In Berlin der Herausgeber und Redacteur der bekannten 
«Allgemeinen raedicinischen Central-Zeitung», Dr. Heinrich 
Rosenthal, im 58. Lebensjahre an den Folgen der Influenza. 
Der Hingeschiedene war bereits seit 1864 Mitredactear und 
Beit 1868 einziger Redacteur dieser weitverbreiteten Zeitschrift. 
Besondere Verdienste hat sich derselbe auch als Gründer und 
langjähriger Geschäftsführer der Centralhiilfskasse für die 
Aerzte Deutschlands erworben. 8) In Amerika der bekannte 
Arzt Dr. Henry Bowditsch im 84. Lebensjahre, Der Ver¬ 
storbene war einer der Erstep, welcher in Amerika die Per¬ 
cussion und Auscultation anwandte und der Erste der die 
Operation des Empyems (noch vor Dieulafoy) ausführte und 
in einer besonderen Brochüre empfahl. 

— Die nen gegründete Gesellschaft der Kinderärzte 
in Moskau hat am 6. Februar ihre Thätigkeit eröffnet und 
zu ihrem Präsidenten Prof. N. Filatow. zum Vicepräsidenten 
Dr. L. Alexandrow, zum Secretär Dr. L. Hippius» und zum 
Cassirer Dr. W. Dreyer erwählt. 

— Der im vorigen Jahre verstorbene Leib-Accoucbeur Dr. 


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Ettlinger hat, wie der «Kiewljanin» mittheilt, der Bauern¬ 
gemeinde seines Gutes im Uman’schen Kreise 3000 ßbl. zur 
Errichtung einer Gemeindebank vermacht. (Wr.). 

— Am 14. Februar d. J. begeht die Privatheilanstalt 
für Geisteskranke des Dr. Frey hieselbst das 25jährige 


N&chste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 18. Februar. 


für Geisteskranke des Di 
Jubiläum ihres Bestehens. 


- Prof. 0. Eversbusch in Erlangen (Glückstrasse 10) hat 
die Referate über die Fortschritte der Augenheilkunde in 
Virchow-Hirsch’s Jahresberichten über die Leistungen der 
Medicin übernommen und ersucht daher alle Augenärzte ihm 
alle ihre Arbeiten von jetzt ab zusenden zu wollen. 


Schering's Pepsin-Essenz. Verdauungsbeschwerdeii. 
Trägheit der Verdauung, Sodbrennen, Magenverschleimung, 
die Folgen von Unmässigkeit im Essen und Trinken werden 
durch diesen angenehm schmeckenden Wein binnen kurzer 
Zeit beseitigt. 

Die Mineralwasser aus den fiskalischen Brunnen zu 
Niederselters, Ems und Fachingen ganz vorzügliche Mittel 
gegen Influenza. 



MP"" Hierzu als Beilage ein Prospect, betr.: Dr. Busemann’s Handbuch der Arzneimittellehre. 


A*«b. mm. Cb6. 14 $eip»JS 1892 r. Herausgeber : Dr. Th. v. Schröder. Bnchdraekerei vou Wienecke, Ketherinenhofer-Pr. H 15. 


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Google 


1891. Preis des Werkes 960 S. in Gr. Lex. 8°. 12 RbK Porto für 7 U. 




















































XVII. 


JAHRGANG. 


ST. PETERSBllRIiER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


MEDICINISGHE WOCHENSCHRIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Earl Dehio. Dr. Johannes Erannhals. 

Dorpat. Riga. 

Br. Theodor von Sthröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Peterßbnrger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend.— Der Ahonnamentapreii ist in]tuaalan&8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postzustellung - , in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertlonaprei* 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Aatoren werden 25 Separatabzüge ihrer Origiualartikel zngesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


0V* Abonnements-Auftrige sowie alle Inserate 

bittet man ausschliesslich au die Buchhandlung von Oarl Riolcer i» 
St. Petersburg, Newsky-Prospect 14, zu richten — Xanusoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschttftsführendeu Redacteur Dr. Theodor Ton Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja >6 33,Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ansser Sonntags. 


N 8 


St. Petersburg, 22. Februar (5. März) 


1892 


Inhalt: Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — Referate: A. Brandt: Zur Bakteriologie 
der Uterushöhle bei Endometritiden. — A. Winkelried Williams (Lohdon): Ueber Cheiro-Pompholyx (Dysidrosis) — Zur 
operativen Behandlnng der allgemeinen eitrig-jauchigen Peritonitis. — Protokolle der Gesellschaft praktischer Aerzte 
za Riga. — Vermischtes. — Vacanz. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 




Protokolle des Vereins St- Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 10. Deoember 1891. 

Zum Protokoll der vorigen Sitzung bemerkt Herr 
Dombrowskj, es seUnkfot bewiesen, dass in den von 
Herrn Selenkow mitgetheilten Fällen das ursprünglich 
«tilge Pleuraexsudat nach der Thorakotomie zn einem 
«serOsen» geworden sei; man könne ein solches Secret 
nur als «schleimig-eitrig» bezeichnen, da das Mikroskop 
darin stets auch Eiterzellen nachweise. Herr Selenkow 
erhält demgegenüber auf Grund des mikroskopischen Aus¬ 
sehens des Secretes, welches denjenigen eines serösen 
Pleuraexsudates ganz gleich ist, den Ausdruck «serös» 
aufrecht. 

1. Herr Openchow9ky stellt einen 2öj. Patienten vor, 
früheren Arbeiter in einer Branntweinbrennerei; derselbe 
bietet folgende Symptome dar; Ataxie, welche bei Augen¬ 
schluss stärker wird, Störung der Sensibilität der Haut 
und des Muskelsinnes, Verspätung der elektrischen Em¬ 
pfindung, doppelseitige Lähmung des Ocnloraotorius, welch’ 
letztere von Herrn v. Schroeder, der den Pat. früher 
im Angenhospital beobachtet hat, entschieden für central, 
und zwar für nncleär erklärt wird. Wahrscheinliche 
Diagnose: hämorrhagische Entzündung der Oculo- 
motoriu8kerne und periphere Neuritis, beides be¬ 
dingt durch Alkoholvergiftung. (Der Fall soll ausführ¬ 
lich veröffentlicht werden). 

Herr Kallmeyer meint den Fall für Tabes dorsalis 
halten zu sollen und zwar «Tabes luetica»; dafür sprechen: 
die in der Anamnese erwähnte anfängliche Steigerung der 
Potenz, nud nachherige Abnahme derselben, die Ataxie, 
die Sensibilitätsstörungen und die Augenmuskellähmung. 

Herr Openchowsky weist darauf hin, dass es sich 
auch bei der Tabes um eine «ascenäirende Neuritis» der 
sensiblen Bahnen im Rückenmark handle, und dass auch 
die periphere Alkoholneuritis mit einem gewissen Rechte 
als eine «Tabes aikoholica» bezeichnet werden könnte. 
Für seine Diagnose führt 0. ferner noch Folgendes an: 
Lues scheint nach der Anamnese nicht vorhanden zu 


sein, dagegen ist jahrelange Alkohol Wirkung (2 Flaschen 
Schnaps: täglich!) constatirt; es bestehen Schmerzpuncte 
in den Gelenken, wie solche für die alkoholische Neuritis 
charakteristisch sind. Herr v. Schroeder betont, dass 
aus der] vorhandenen Augenmuskellähmung ein Schluss 
auf dfeAfcHiologie dieses Falles nicht zu ziehen sei; bei 
der Tabes können die verschiedensten Lähmungen Vor¬ 
kommen. Herr Openchowsky verweist auf die Arbeiten 
von Kosliewnikow und Korssakow, welche Autoren 
nucleäre Lähmungen zugleich mit alkoholischer Neuritis 
beobachteten (Verhandl. d. IV. Congresses russischer 
Aerzte). 

2. Fortsetzung der Discussion über die Be¬ 
handlung der Diphtheritis. 

c) Herr Masing: Zur Ergänzung der Mittheilung über 
meine Behandlungsmethode der Diphtheritis (Protokoll des 
deutschen ärztl. Vereins v. 14. Jan. 91, Nr. :-3 der St. 
Petersb. med. Wochenschrift 1891) mögen folgende Daten 
dienen: 

Im Juni 1883 starb Frl. L. S. an Diphtheritis, die ich 
nach Schummer mit Jodpinselungen behandelt hatte. Seit¬ 
dem fing ich an, mit der 2°/o spirituösen Oarbolsäure- 
lösung 2—8 stündlich Tag und Nacht alle Fälle zu be¬ 
pinseln und zwar in den ersten Jahren vom Herbst 
1883—Januar 18b7 nur die Fälle, wo mir die Beläge 
im Rachen irgend verdächtig waren; schienen mir die 
Flecke sicher den Charakter der folliculären Angina zu 
haben (nur auf den Mandeln zahlreiche kreisrunde an¬ 
fangs nicht confluirende Flecke), so behandelte ich indif¬ 
ferenter. In den 8 1 /* Jahren wurden 29 Kranke mit Carbol 
behandelt. Von diesen starben 3, die 5jährige Ruhlin, 
der 13jährige Vogel und die 8jährige Ackermann. 
Zur Ruh 1 in, in die mir bisher fremde Familie, wurde ich 
am 20. Octob. 1884 gerufen und fand schwere Rachen- 
und Nasendiphtheritis mit diffuser Infiltration der Subraa- 
xillargegend beiderseits mit ganz schwachem Pulse 144 
bei 37,2. Das Kind war schon mehrere Tage krank gewesen, 
aber die Eltern hatten keine ärztliche Hülfe gesucht. 
Nach 24 Stunden war sie todt an Herzlähmung. Moschus 
und Tokayer hatten ebensowenig den Collaps, als di« 


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u 


Carbolpinselong den örtlichen Process bekämpfen können. 
Den Pat. Vogel sah ich am 7. April 1886 znm ersten 
Mal. 2 Tage hatte er schon Halsschmerzen, die er den 
Angehörigen verheimlicht hatte. Jetzt hochgradige Diph- 
theritis, beide Mandeln und ein Theil der hinteren 
Rachenwand sind belegt. Chinin, Wein, Milch uud 2stündl. 
Pinselungen mit Carboispiritus. Am 8. April 39,8. Jetzt 
deutliche Nasendiphtheritis hinzugekommen mit Sehwel¬ 
lung der Submaxillargegend. Hier Jodoformcollodiurn. 
Im Uebrigen fortgesetzt dieselbe Behandlung. 9. April 
rasche Zunahme der Diphtheritis in der Nase bis zu den 
vorderen Nasenlöchern und auf dem Zäpfchen und gan¬ 
zen Rachen. 

10. April 38,0—38,3. Puls 120 — 124 voll. Die Diphthe¬ 
ritis hat auch den harten Gaumen • eingenommen, aber 
die Infiltrationen am Halse nehmen ab. Sublimat innerlich 
‘/ststündlich */« Gran. 

11. April deutliche Besserung in allen Beziehungen; 
37,3. P. 116 kräftig. Die diffuse Infiltration des Halses 
durchaus weicher und begrenzter. Die Beläge im Rachen 
gelber, flüssiger und dünner. Nase noch voll. 

Ohne irgend einen Grund anzugeben, liess der 13jährige, 
überhaupt ganz zuchtlos aufgewachsene Knabe von nun 
an gar keine Behandlung zu, nahm nichts ein. gurgelte 
nicht und schlug um sich, wenn man ihm mit irgend 
einem Vorschläge nahte. Er war bei vollem Bewusstsein 
und duldete auch keinerlei Untersuchungen. Er starb J4 
Stunden nach Beginn seiner Widerspänstigkeit. 

In diesen beiden Fällen konnte ich meine Behandlung 
erst beginnen, als schon mindestens 2 mal 24 Stunden 
vom Beginn der Krankheit vergangen waren und die 
Diphtheritis sich in beträchtlichem Umfange etablirt hatte. 
In diesem Stadium der Krankheit dürften wohl die meisten 
Patienten sein, die die Hospitalärzte in ihre Abtheilungen 
bekommen. Im Falle Vogel ging es vom 4. Tage der 
Behandlung ab durchaus besser und vielleicht wäre er 
genesen, wenn die Behandlung hätte fortgeführt werden 
können. Jedenfalls discreditirten diese Fälle in ^meinen 
Augen die Behandlungsmethode nicht. 

Am 20. Januar 1887 wurde ich zur 8jährigen Käthe 
Aekermann gerufen. Vor wenigen Stunden war den 
sehr aufmerksamen Eltern die Erkrankung des Kindes 
aufgefallen. Mit grosser Sicherheit habe ich an dem Abende 
in mein Journalbuch geschrieben: Angina follicularis. Die 
plötzliche Fiebersteigang bis fast 40°, die Form der Be¬ 
läge auf den Mandeln, die hochgradigen Schlingbeschwer¬ 
den bestimmten mich dazu. Verordnung Chinin innerlich 
und Tannin mit Glycerin zum Pinseln. — Auch am an¬ 
deren Tage heisst es: «Angina mit dicken Belägen doch 
nicht diphtheritisch», dieselbe Behandlung. Am 3. Tage, 
dem 22. Januar schreibe ich: «Temp. besser 38,5 als höchste. 
Mandeln sehr vergrössert, auf ihnen croupöse scharfbe- 
grenzte Membranen in dünner Schicht — aber nur auf 
den Mandeln. Schlucken und Sprechen sehr erschwert, 
etwas Ohrenstiche». Dieselbe Behandlung und Kali chloric. 
innerlich. — Ich erinnere mich wie heute, wie mir schon 
an dem Tage unheimlich wurde, aber quasi unter dem 
Drucke der öffentlichen Meinung «man muss nicht Alles 
für Diphtheritis ansehen» blieb ich doch bei der indiffe¬ 
renten Behandlung. 

Erst am 4. Krankheitstage ist mir die Diphtheritis 
zweifellos, da sie auf die Gaumenbögen übergeht. Nun 
fange ich an 2stündliche Carbolspirituspinselung Tag und 
Nacht, aber es ist zu spät. Die Nase und der Kehlkopf 
werden in rascher Folge ergriffen, die Tracheotomie am 
6. Krankheitstage bringt Euphorie aber am 8. stirbt Pat. 
an Herzlähmung. 

Also auch hier war die allein wirksame, energische 
Behandlung zu spät begonnen aber nicht durch fremde, 
sondern nur durch meine Schuld. Von diesem Januar 1887 j 
an habe ich es mir zum Gesetz gemacht, jede Angina mit 
fibrinösen Exsudationen, mit 2—3#tündticben Pinselungen j 


der 2°/o spirituösen Carbollösung während Tag uud Nacht 
zu behandeln und seitdem ist mir kein Todesfall inmeiner 
Privatpraxis vorgekommen, während ich in derselben 
Zeit in demselben Terrain, in welchem ich hauptsächlich 
prakticire — Wassili-Ostrow — eine Reihe von Todes¬ 
fällen an Diphtheritis gesehen habe, die von den erfah¬ 
rensten und gewissenhaftesten Aerzten dort behandelt 
wurden, zu denen ich entweder zur Tracheotomie oder 
sonst zur Berathung gerufen wurde. 

Während also in den Jahren von 1883—1887 c. 8 
Fälle im Jahre von mir mit Carboispiritus behandelt 
wurden, waren es 1887—28 Fälle, 1888 -30, 1889—41 
und 1890—32. Selbstverständlich wäre von diesen die 
allergrösste Mehrzahl auch bei jeder Behandlung genesen, 
aber dass darunter auch Fälle gewesen wären, die wie 
das Kind Ackermann verlaufen wären — davon bin ich 
wohl fest überzeugt. Um womöglich auch in Anderen 
diese Uebersengung wachzurufen, seien von den in Summa 
160 Fällen vom Herbste 1883 bis Januar 1891 einige 
interessantere kurz skizzirt: 

1. Alfred Baschwitz, 10 Jahre, erkrankt am 14. Sept. 
1883, genesen am 22. Septbr. Gleich am ersten Tage 
weisse Beläge auf den Mandeln, Gaumenbögen und ein 
grösserer Fleck an der hinteren Rachenwand. Am 15. 
Fleck unverändert, eine Submaxillardrüse hart geschwellt. 
Ara 17. dentliche Herzschwäche, Pols 60 ganz ungleich 
und aussetzend, der Fleck besser. Viel Wein, Arnica etc. 
Am 19. Herzschwäche überwunden, Fauces fast rein. 

2. Elzinger 10 Jahre alt. Eben ist in Kolomägt ein 
9jähriger Bruder gestorben, als die Eltern am 9. Juli 
1884 den Neuerkrankten in die Stadt bringen und mir 
zur Behandlung übergeben. Auf beiden Mandeln grau- 
weis6e Fetzen, deren untere Grenzen nicht zu übersehen 
sind. Am nächsten Tage erkrankte noch ein junger Bru¬ 
der ebenso. Abgesehen von vorübergehender Herzschwäche 
geht bei beiden die Heilung sehr schön vor sich; an der 
Uvula des älteren Bruders haftet der Belag sehr hart¬ 
näckig. Am 16. Juli beide rein. 

3. Am 21. October 1884 war — wie vorher erwähnt 
— das Kind Ruhlin gestorben. Eine jüngere Sehwester 
war gleich weit zu einer Verwandten gebracht worden. 
Während 4 Wochen wurde die Wohnung mit Maassnah- 
meu desinficirt, die man damals für die besten hielt. Kaum 
war die Kleine nach Hause gebracht, so erkrankte sie 
am 28. Nov. 1884 an Diphtheritis faucium, die gleich 
bemerkt und mit Carbolpinselungen behandelt wurde. Ge¬ 
nesung in 6 Tagen. 

4. Am 26. November erkrankt der 4jährige Oscar 
Hart wich und gleich recht schwer. 40,3 und dicke Be¬ 
läge auf der linken Tonsille und dem Zäpfchen. Ara 27. 
Theile der hinteren Rachenwand belegt. Temperatur sehr 
hoch. Puls kräftig. Am 28. schreibe ich: «Ernster Zustand, 
Diphtheritis sehr verbreitet über alle Theile des weichem 
Gaumens und des Rachens. Aber Allgemeinbefinden gut 
und keine Phlegmone des Halszellgewebes*. Am 29. Temp. 
38,0—39,5. Puls etwas schwächer und Momente der 
Angst. Fauces etwas reiner. Viel Wein. Pinselungen 
etwas seltener. Am 30. 39,4—38,4. Puls 120 kräftig, 
Lösung der diphtheritischen Massen. Ara 1. December 
schält sich die Uvula in toto, der croupöse Abguss der¬ 
selben ist wie ein kleiner Fiugerhut. Von da ab stete 
Besserung, aber erst am 11. December ist er ganz rein 
und bei guten Kräften. 

5. Am 30. October 1887 erkrankt der 7jährige Hans 
Findeisen an Angina mit Belag der rechten Mandel. 
Das Fieber dauert nur einen Tag und bei dem einen 
Flecke auf der rechten Mandel bleibt es, der nach 4 
Tagen auch schwindet. 4 Wochen später tritt Accomoda- 
tionsstörung ein, die Dr. Schröder als von einer vor- 
hergegangenen Diphtheritis abhängig erklärt. 

6. Rud. Böhtlingk, stud. raed.. erlinnkt am ‘K Au¬ 
gust 1888. Die Beläge sind, sehr li. k u.i . w : •her.: tr ; »u 


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76 


mianterbrochenen 2 stündlichen Pinselungen bald über den 
welchen Gaumen und die hintere Rachenwand. Aber 
affi 26. (4. Krankheitstag) nehmen 6ie schon ab und da 
die wunde Schleimhaut sehr empfindlich ist, so gestatte 
ich, dass in dieser Nacht nur einmal gepinselt werde. 
Gleich am andern Tage Recidiv über die ganze Fläche. 
Unter neuerdings regelmässigen Pinselungen geht die 
Reinigung in dauernde Heilung über. 

Herr Lunin bemerkt hierzu, dass die soeben mitgetheil- 
ten Fälle sämmtlich noch zu der leichten (fibrinösen) 
Form der Diphtheritis zu zählen sind; unter M.’s Fällen 
finden sich überhaupt keine von der malignen (phlegmo¬ 
nös-septischen) Form; bei der letzteren ist die Localbe- 
h&adltmg machtlos, oft auch gar nicht möglich, da die 
Pit. schon zu Grunde gehen, ehe noch die Plaques im 
Kacken sich entwickelt haben. Nicht anwendbar ist die 
von M. empfohlene Behandlung ferner bei Diphtheritis 
des Larynx und der Nase. 


d) Herr M o ss i n(Nicolai-Kinderhospital): Das Material, 
welches ich in Bezug auf die uns beschäftigende Frage 
bringe, stammt aus dem Nicolai-Kinderhospitale und ist 
den jährlich erscheinenden Berichten der betreffenden Ab¬ 
theilungen entnommen. Es umfasst die Jahre 1882 — 
1890 und eine Zahl von 1819 Kranken, mit wenigen 
Ausnahmen im Alter von 3—14 Jahren. 714 von die¬ 
sen Kranken wurden von Herrn Rudolf v. Rücker be¬ 
handelt (1882—84), 812 von mir (1885—89), 247 von 
Herren Oscar Witt und Alexei Schneidemann 
(1890), 46 mit Affection des Larynx von Herrn Koch 
(verstreut über alle diese Jahre) Von den 1819 Kran¬ 
ken, welche wir während der oben genannten 9 Jahre 
hatten, genasen 1280, starben 539, was ein Mortalitäts¬ 
procent von 29,6 ergiebt; es schwankte zwischen 21,0°/o 
and 3ö,3°/o. Das Durchschnittsalter aller Patienten (für 
die Jahre 1888 u. 89 berechnet) war 7 Jahr 7'/a Mon. 
and 7 Jahr 8 Mon. Das Durchschnittsalter der Gene¬ 
senen (für die Jahre 1888 n. 89 berechnet) war 8 Jahre 
9 Mon. und 8 Jahre 3 1 /* Mon. Das Durchschnittsalter 
der Gestorbenen (für dieselben Jahre berechnet) 6 Jahre 
3 Monate und 6 Jahre 8 Mon. Zieht man aus leicht 
begreiflichen Gründen die Zahl der vor Ablauf von 24 
Standen nach Aufnahme ins Hospital Verstorbenen ab 
(und zwar 104 Fälle) so ist das Mortalitätsprocent 26,4. 

Theilen wir unsere Fälle in fibrinöse ohne Affection 
des Larynx, in fibrinöse mit Affection des Larynx und 
in phlegmonös - septische, so bekommen wir, so weit 
uns die nöthigen Daten zu Gebote stehen, nachstehende 
Gruppen von Zahlen: 


Fibrinöse Fälle ohne Affec¬ 
tion des Larynx: 

(von 1883-89). 


Fibrinöse Fälle mit Affection 
des Larynx: 

(von 1883-89). . 



848 mit einem zwischen 7,2 
und 17,8 schwankenden Mor¬ 
talitätsprocent (Durchschnitt- 
M.°/o 11,3). 

DasVerhftltnlss znvGesammt- 
zahl der Kranken schwankte 
zwischen 52,9°/o und 83,47". 

209 mit einem zwischen 40.0 
and 80,8 schwankenden M. 0 /« 
(Durchschnitts-M.*/" 58,0). 

DasVerhältniss zurGesammt- 
zahl der Kranken schwankte 
zwischen 9,0 und 26,8. 

175 mit einem zwischen 72,5 
und 100,0 schwankenden M.7° 
^Dnrch8chnitt8-M.°/° 90,0). 

DasVerhältniss zurGesammt- 
zahl der Kranken schwankte 
zwischen 5,7 und 39,0. 


Vergleicht man die letztgenannten 4 Zahlen mit ein¬ 
ander, so ist es auffällig, dass sie im umgekehrten Ver¬ 
hältnis zu einander stehen, das heisst die grösste Mor¬ 
talität entspricht der kleinsten Zahl Kranker : 6,7 # /o. 

Solches erklärt sich vielleicht durch eine bessere, 
peinlichere Therapie oder durch eine weniger strenge 


t lassificiruug der Fälle in die Kategorie der phlegmonös¬ 
septischen Fülle. 

Vergleichen wir die beiden Jahre 1883 und 1884 mit 
den 5 darauf folgenden Jahren, so hat die Sterblichkeit 
um 10,2°/® abgenommen und zwar auf Rechnung der 
Laryngitiden, deren M °/® für diese 6 Jahre im Durch¬ 
schnitt um 38,0*/o gesunken ist. Das M. ®/® der fibri¬ 
nösen ohne Affection des Larynx ist um 0,6®/», dasjenige 
der phlegmonös-septischen Fälle um 16,l°/o gestiegen. 

Nachdem ich obige Zahlen en bloc angeführt habe, möchte 
ich derjenigen Factoren erwähnen, welche in Betreff der 
Mortalität eine Rolle spielen, ohne dass es sich aus der 
tabellarischen Uebersicht herauslesen lässt. 

Dass die Localisation eine Rolle spielt, ist bezüglich 
der Laryngitiden aus der Tabelle ersichtlich, aber auch 
ob die Nasengänge afficirt sind oder nicht, ist von gros¬ 
ser Wichtigkeit, wie folgende 3 Beispiele zeigen: 


1883. Fälle. 

Proc. d. Ge- 
sammtzahl. 

Gestorben. 

Diphth. fane. 115 

53,5 

9 - 7,8°/o 

> fane. et uar. 81 

37.6 

51 = 62,8°/o 

1884. 


Diphth. fauc. 66 

41,5 

1 = l,5*'o 

» fane. et nar. 80 

50,3 

41 = 50,17" 

1885. 

Diphth. fauc. 56 

46,3 

2 - 3.67" 

> taue, et nar. 49 

40,5 

23 = 46,9°/» 

Proo. im Durohschn. 

Summa Diphth. fauc. 237 

47,1 

12 = 5.17" 

> fauc. et nar .210 

42,8 

115 — 54,7°'o 

Wie die Mortalität durch 

den Zeitraum 

zwischen Er- 

krankung und Aufnahme ins Hospital beeinflusst wird. 

lehrt folgende Uebersicht (1886): 


Ami.Tage d. Krankh. wurden aufgen. 8 ; starb. 0; M.'7o=. 0 

5 2. 5 » > > 

3 44; 3 

2; > - 4.5 

» 3. > » » > 

> 31; 3 

2: 3 _ 6,4 

» 4. 1 ’ > » 

» 15; > 

2; * -13,5 

> 5. » > :> » 

> 4; > 

1: » =25,0 

> 6 . i > 5 > 

> 2 ; J 

0 ; > = 0.0 

» 7. ’ > > > 

> 3; > 

0: 3 =0,0 

> ? 1 3 > » 

» 4: > 

i; 

Weiterhin ist zu beachten. 

dass in der Tabelle andere 


vorhergegangene Krankheiten, zu welchen die Diphtherie 
liinzngetreten ißt, nicht als Todesursache beachtet sind. 
So finden wir für das Jahr 1888 im betreffenden Jah¬ 
resbericht folgende Erläuterung: 

• Nach Abzug von der Gesammtzahl 142 fibrinöser Fälle 
ohne Affection des Larynx: von 3 Fällen, welche vor Ab¬ 
lauf von 24 Stunden starben und von 5 Fällen, die an 
anderen Krankheiten zu Grnnde gingen und zwar: 

1. Pneumonia; Catarrh. intest. Synovitis artic. radio- 
carpalis suppurativa; 

2. Pertussis; Pleuropnenmonia; 

3. Pneumonia catarrhalis duplex post morbillos; 

4. Meningitis cerebro-spinalis; 

5. Pneumonia crouposa; 

ist das M. °/« anstatt 10,9 nur 4,4. 

Es entsprechen folglich die Zahlen in der Tabelle in 
gewisser Beziehung nicht der Wirklichkeit, sie sind eher 
zu hoch, als zu niedrig angegeben. 

Ob die Zahl der Uebergefuhrten einen Einfluss auf das 
M. °/o habe oder nicht, lasse ich dahin gestellt. Ich 
habe Daten für eine zu geringe Zahl von Fällen und 
zwar für 2 Jahre (1885 und 1886) von 14 Fällen mit 
einem Durchschnitts- M. V« von 24,5. 

Zuletzt erlaube ich mir noch einiges über die The¬ 
rapie zu referiren, welche in den Jahren 1886—89 
angewandt wurde. Für die früheren Jahre fand ich 
darüber nichts in den Berichten. 

1885. Therapie für die fibrinöse Form ohne Affection 
des Larynx: 

Innerlich: Liq. ferri sesquiehlorat. gttj—jj, Kali chloric. 
gr. */«— V/i pro dosi, 12Xtäglich oder in den Fällen 
von Diphtherie der Nase 01% tqrebinth. rectificatissimi 
gallic. gr. xvi—pro dosi in Emulsion 12Xtäglich; 


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76 


Aeusserlich: Pinselung des Rachens: Liq. ferri ses- 
düichlor., Giycerini puri ^ oder Liq. ferri sesquichlor.,. 
Glycerini puri, aq. destill, ää 4 X täglich. Bei gan¬ 
gränösem Geruch alternirend mit Sublimati gr. x, Ka¬ 
trin chloric. <5j, Aq. destil. <5jj. In einigen Fällen 
Pinselung mit Argent. uitr. gr. xv: 4 X täglich 

Spülung und Ausspritzung: Kali chloric., Natri bi- 
borici äa <5jj Acidi salicylici <3ß, Aq. dest. feiv 12 X 
täglich. 

Compresses 6chauffantes 8 X täglich. 

Eispillen bei starker Schwellung des Rachens. 

Für die fibrinöse Form mit Affection d. Larynx: 
Innerlich: Sublimati gr. V«—V 20 12 X täglich, ab¬ 
wechselnd mit Apomorphini puri gr. V»«—*/• 12 X täg¬ 
lich (mit Wein). 

Aeusserlich: Inhalationen: Acidi lactici <5j auf Aq. 
dest. &j oder Kali chloric., Natrii biborici, Acidi sa- 
licylic <3ß, Aq. dest. fonv, oder Aq. Calcis, Aq. dest. 
aa 12 X tägl.; jedes Mal wurde 1 Unze inhalirt. Be¬ 
ständige Wasserdämpfe. 

Ung. hydrarg. cinerei wurde zu ,9j— <3j 8Xtäglich 
eingerieben. 

Pinselungen wie oben Compresses ßchauffantes 
Massage der Regio laryngea—8Xtäglich. Einpackun¬ 
gen in nasskalte Laken. 

Die phlegmonös septische Form wurde gleich der fibri¬ 
nösen (ohne Affection des Larynx) behandelt, mit Hin¬ 
zufügung von Insufflationen von Jodoform. 

1886. Fibrinöse Form ohne Affection des Larynx: 
Die Behandlung bestand in 77 Fällen in innerlichem 
Gebrauch von Liq. ferri sesquichl. gttj—ij, Kali chloric. 
gr. */«—j—jß pro dosi—12)<täglich. Darauf wurden in 
34 Fällen folgende 2 Mixturen verabreicht: je nach dem 
Alter 1 Thee- oder Dessertlöffel Liq. ferri sesquichlor. 5j, 
Kali chloric. <3j, Aq. destil. <3v, Syr. simpl. <3j; Ac. mur. 
dil. 5jj Aq. dest. 3v, Syr. simpl. 3j. Zu Anfang wurden 
diese .Mixturen stündlich Tags und Nachts gegeben, da¬ 
rauf bei merklicher Besserung alle 2 Stunden, schliess¬ 
lich nur Tags. Diese Methode wurde nach der Idee 
v. Fokke und Heyder angewandt, nur mit dem Un¬ 
terschiede, dass in unseren Fällen Liq. ferri sesqui- 
chlorat. zugesetzt wurde *). In der ersten Reihe der 
Fälle war das M. °/o 4,0, in der zweiten Reihe 6,1°/». 

Im Uebrigen wurden die Kranken wie im Jahre 1885 
behandelt. Solches gilt auch für die Laryngitiden und 
phlegmonös-septischen Formen. 

1888. In den fibrinösen Fällen ohne Affection des 
Larynx veränderte ich die Behandlung von Zeit zu Zeit, 
wobei ich bemüht war, eine ununterbrochene Reihe von 
Fällen derselben Behandlung zu unterziehen. Die leich¬ 
teren Fälle wurden nur mit Ausspritzungen des Ra¬ 
chens behandelt. Eine Reihe von 30 Fällen wurde mit 
innerlichen Gaben von Ferrum sesquichlor. behandelt; 
davon starben 2. Von 74 Kranken, welche die Mixtu¬ 
ren nach Fokke bekamen, starben 8; davon waren 6 
gangränöse Fälle. Bei der Behandlung mit Eisen war 
das M. °/® 6,7; bei der Behandlung nach Fokke 10,8, 
bei Abzug der phlegmonös-septischen Fälle = 2,9. 

Im Uebrigen war die Behandlung wie früher. Bei der 
Behandlung der Laryngitiden wurden, wo es zur Tracheo¬ 
tomie kam, vor der Operation in die Regio laryngea 
subcutan l /i—l gr. Cocaini mur., in Wasser gelöst, in- 
jicirt. Während der Operation wurden mit derselben Lö¬ 
sung auch die Wandschichten anästhesirt. 

>) Cf. Centralblatt f. klin. Med. 20./III 1886 Heyder: 4°/o 
Lösung von Kalium chloricum und 2°'o Lösung von Acidum 
muriaticura. 

Cf. Ibidem 28./VIII 1886 Fokke: 1) Kali chloric. 4,0, Aq. 
destill. 200,0, Syr. simpl 20,0; 2) Acidi muriatici 3,0, Aq. des¬ 
till. 200,0, Syr. rubi ldaei 20,0. Es kommt nach Meinung 
des Autors nicht auf die Wirkung des Bertholetsalzes, sondern 
der ckloro chlorigen Säure in statu nascendi d. i. auf die oxy- 
dirende Wirkung an. 


Ib89. Die Therapie war dieselbe wie im vorigen Jahre 
d. i. nach Fokke. Zur Mixtur mit Ac. mur. wurde in circa 
einem Drittheil der Fälle als Roborans Extr. chin. frig. 
par. hinzugesetzt. Gepinselt wurde der Rachen 
in keinem einzigen Falle. 

Fassen wir Folgendes ins Auge: 237 Fälle der Jahre 
1883, 84, 85 von Diphtherie des Rachens ergeben ein 
M. % von 5,1 und 142 Fälle des Jahres 1888 von fi¬ 
brinöser Diphtherie ohne Affection des Larynx, wohl 
aber in vielen Fällen mit Affection der Nasengänge er¬ 
geben ein M. °/o von 4,4. Von 74 Kranken welche die 
Mixturen nach Fokke bekamen, starben 8, davon waren 
6 phlegmonös - septische Fälle; das M. °/° l nach 
Abzug aber der phlegmonös-septischen Fälle 2,9°/«. 

Vergleichen wir das Resultat der alten Behandlungs¬ 
methoden mit den Resultaten der warm empfohlenen lo¬ 
calen Carboibehandlung, so finden wir keinen grossen 
Unterschied, wobei hier immer noch in Betracht zu zie¬ 
hen ist, dass meine Zahlen nicht der Privat-, sondern 
der Hospitalpraxis entnommen sind. Man könnte mir 
erwidern, dass vielleicht viele der Fälle, die in die Ru¬ 
brik der Rachendiphtherie ursprünglich gehörten, sich 
späterhin mit Nasendiphtherie complicirten, in Folge des¬ 
sen in die andere Rubrik übergingen und dort als ver¬ 
storben gerechnet sind; auch in dieser Beziehung ver¬ 
schaffte ich mir Gewissheit und überzeugte mich, dass 
einige Fälle wohl in die Rubrik der Nasen-Rachendiph- 
therie übergegangen sind, aber keiner von diesen Kran¬ 
ken gestorben ist. 

Auf Obiges hin möchte ich folgende Sätze aufstellen: 

I. Die alten Behandlungsmethoden des innerlichen Ge¬ 
brauches von Liq. ferri sesq. oder der beiden Mixturen 
nach Heyder und Fokke, combinirt mit alkali¬ 
schen Ausspülungen des Rachens und die moderne lo¬ 
cale Behandlungsmethode mit Carbolsäure Bind gleich¬ 
wertig. 

II. Beide haben ihre Vorzüge und ihre Nachtheile. 

III. Der Vorzug der Carboibehandlung besteht in der 
wissenschaftlichen Basis (Löffler 2 ), S t r ü b i n g 3 ), 
Koczenko und Grabowski 4 ) auf welche sie sich 
stützt. 

IV. Der Nachtheil der Carbolbehandlung besteht: 

a) In der nicht jedem Patienten in nöthigem Maasse 
zur Verfügung stehenden medicinischen Hülfe 
und Pflege. 

b) In der möglichen Car bol Vergiftung. 

c) In der verhältnissmässig grösseren Chance, bei 
der localen Carbolbehandlung dem Patienten 
Gewalt anzuthun, welche zur Folge haben 
könnte: 

1) Unnützen Verbrauch des physischen Kräfte des 
Kranken. 

2) Unnütze Alteration des Gemüthes des Kranken. 

3) Mögliches Trauma der kranken Schleimhaut. 

d) In der schweren Erreichbarkeit mancher erkrank¬ 
ter Partien. 

V. Bei allen Behandlungsmethoden ist es von grosser 
Wichtigkeit, dass die Behandlung möglichst früh be¬ 
ginnt und die betreffenden Mittel in kurzen Intervallen 
applicirt werden. 

VI. Dem Arzt darf es nicht zum Vorwurf gereichen, 
wenn er die locale Behandlung in Form von Pinse¬ 
lungen, Betupfungen etc. unterlässt. 

Zum Schluss möchte ich noch eine Frage aufwerfen, 
in deren Beantworung die Erklärung der Wirkung der 
alten Behandlungsmethoden mit Ferrum sesquichloratum 
und den beiden Mixturen von Heyder und Fokke 
einerseits und den local angewandten alkalischen Lösun- 

2 ) Deutsche med. Wochenschrift 1890. p. 109. Berliner klinische 
Wochenschrift 1890, p. 886, 1889 p. 887. 
s ) Deutsche med. Wochenschrift 1891, p. 1299, 

4 ) Bpa*n» (der Arzt) 1891, p, 490, 


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» - V 


77 


gen andererseits liegen könnte. Sollte es sich hier nicht 
nm eine verstärkte Exosmose ans den Geweben des 
Körpers in die Mundhöhle handeln, wobei sowohl die 
sich bildenden Toxalbumine, als auch die Bacillen hinaus¬ 
gespült werden. Ein auf Exosmose beruhender Process 
vollzieht sich im Darm bei Anwendung von salinischen 
Abführmittel u. 

Wenn ich Einiges pro und contra in Betreff der Car- 
bolbehandlung angeführt habe, so geschah es weniger um 
solche anzugreifen, als um die alten Behandlungsmetho¬ 
den zu vertheidigen und mein Zweck ist vollkommen 
erreicht, wenn auch hier der Spruch des Dichters sich 
bewahrheitet: 


Nur eine Weisheit führt zum Ziel 
Doch- deren Wege giebt es viel, 
e) Herr Serk: (Kinderhospital des Prinzen von Olden¬ 
burg). 

Anfgefordert, zur heutigen Discussion statistische Daten 
über die Diphtheritiskranken im Kinderhospital des Prin¬ 
zen von Oldenburg mitzutheilen, hatte ich die Absicht, 
solche für eine grössere Reihe von Jahren zusammenzu¬ 
stellen. Ans praktischen Gründen habe ich mich auf die 
Jahrgänge 1888 und 1889 beschränkt, da die mir von 
Dr. Rauehfuss freundlichst zur Disposition gestellten 
Monatsberichte für diese Jahre nach einem einheitlichen 
und ausführlichen Plane abgefasst sind. Ausserdem haben 
sie noch den Vorzug, dass sie nach eigenen Beobachtun¬ 
gen von einem und demselben Assistenzarzt (Dr. Sa¬ 
lome) zusammengestellt sind. 



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1888 

2 

131 

11 

144 

54 

70 

13 

(7) 

1889 

(7) 

147 

5 

152 

70 

71 

16 

2 


2 

278 

16 

29 6 

124 

141 

29 

2 


Dies ergiebt eine Sterblichkeit von 47,6 pCt. 

und zwar für 1888 . 48,61 » 

1889 .44,65 » 


und zwar für 1888 . 48,61 » 

1889 .44,65 » 


Fragen wir nun, wodurch diese hohe Sterblichkeitszahl 
bedingt wird, so sind folgende Gründe anzuführen: 

1. Das Ueberwiegen der schweren Erkrankungsformen 
über die leichteren. 

2. Der Umstand, dass verhältnissmässig viele Patien¬ 
ten im letzten Stadium der Krankheit eintreten. 

Die Kranken wurden nach 3 Kategorien rnbricirt: 

Diphtheritis faucium, Diphtheritis faucium et laryngis, 
Diphtheritis maligna d. h. septische phlegmonöse Form. 

Es verhielten sich diese Kategorien in Procenten zn 
einander t „ 

1888 44 : 33 : 23 

1889 44 : 38 . 18 


Zusammen 44 : 35,6 : 20,6 

oder stellen wir die erste leichtere den beiden anderen 
gegenüber .. . 


Es ergaben aber die 3 Kategorien an Sterblichkeits- 
procenten: 



I 

II 

III 

1888 

17,4 

60,4 

90,9 


15,7 

60,6 

82,1 

Zusammen 

iM 

60,5 

86 A 

demnach auf der 

Hand, 

wie 


Es li 

allgemeine Sterblichkeit durch das Verhältniss dieser Ka¬ 
tegorien zu einander beeinflusst wird. 

ln wie weit der späte Eintritt der Patienten sich für 
die Hospitalsterblichkeit geltend macht ergiebt sich dar¬ 
aus, dass nach Abzug der in den ersten 24 Stunden Ge¬ 
storbenen das Sterblichkeitsprocent um mehr als 5 pCt. 
sinkt. 


Ein dritter Grund für die hohe Sterblichkeit bei Diph¬ 
theritis ist das Alter der Patienten. Hierfür stehen mir 
in Betreff der Jahre 88 und 89 keine Daten zn Gebote. 

Ich entnehme indess einem mir vom Chefarzt der con- 
tagiüsen Abtheilung, Dr. Tschoschin, übergebenen, äus- 
serst detaillirt ausgearbeiteten Bericht für das Jahr 86 
folgende Zahlen: 

Im Ganzen 89 Fälle 8 ), die sich folgendermaassen ver¬ 
theilen: 

1 II III 1:11 +III 

45 28 27°/o 45:55 

Mortalität 7,5 88 95,6°/o. Gesammtmortalitöt 53,9°/o. 

Die geringe Sterblichkeit der ersten Kategorie erklärt 
sich wohl hauptsächlich dadurch, dass diese Kranken den 
Altersklassen von 9—15 Jahren angehörten, während die 
der beiden Anderen meistens im Alter von 3 Jahren, die 
Aeltesteu 6 Jahre alt waren. 

Im Bericht des Dr. Tschoschin finde ich interessante 
Daten über ambulatorische Behandlung von Diphtheritis¬ 
kranken. Es kamen in Behandlung 69 Fälle, von denen 
allerdings nur bei 37 das Endresultat bekannt ist. Da¬ 
von betrafen 23 die I. Gruppe, 14 di«; II. und III.; 
Verhältniss 62,2:27,8. Von der ersteren starben 13pCt., 
von den letzteren 100 pCt. Gesammtmortalität 45,9 pCt. 
Wenn wir für sämmtliche behandelte Fälle Nachrichten 
hätten, würde das Resultat vielleicht ein ganz anderes 
sein, daher wage ich nicht aus diesen Zahlen weitere 
Schlüsse zu ziehen. Ich will nur mittheilen, dass Dr. 
Tschoschin nach seinen Beobachtungen für constatirt 
hält, dass bei Scharlach und Masern die Sterblichkeit 
in der Ambulanz in ganz bedeutendem Maasse hinter der 
Hospitalsterblichkeit zurückbleibt, während dieses für die 
Diphtheritis viel weniger zutrifft. Wenn das wirklich der 
Fall ist, so liegt darin wohl ein deutlicher Beweis dafür.* 
dass diese Krankheit in viel höherem Maasse einer sorg¬ 
fältigen Behandlung bedarf, damit diese wirklich von Er¬ 
folg ist. 

Ueber die Therapie und Erfolge derselben in der Diph- 
theritisabtheilung giebt mein Material keinen Aufschluss; 
einer mündlichen Mittheilung des Assistenten der Abthei¬ 
lung zufolge wurde die locale Therapie häufig gehand- 
habt. Im Jahre 88 wurden vielfach die Heu bn er'sehen 
Carbolinjectionen, 89 in umfassender Weise die Tag und 
Nacht fortgesetzten Ausspülungen, Gurgelungen und der 
innerliche Gebrauch von Aq. Calcis angewandt, und es 
zeigte sich in vielen Fällen eine auffällige Beschleunigung 
des Reinigungsprocesses. Ob das etwas günstigere Resultat 
bei Diphth. faucium und der malignen Form im Jahre 
1889 dieser Behandlung zuzuschreiben sei, wage ich nicht 
zu entscheiden; bei Diphth. faucium et laryngis zeigt sich 
kein Unterschied. Ich will hier nur noch bemerken, dass 
die Sterblichkeit für das Jahr 1889 in der Stadt ganz 
bedeutend hinter 88 zurücksteht. — Ueberhaupt scheint 
es mir selbst in einem grossen Hospital bei reichem Ma¬ 
terial äusserst schwierig zu sein, wirkliche Beweise für 
die Ueberlegenheit der einen Methode gegenüber den 
anderen zu liefern. Bei einer solchen vergleichenden Un¬ 
tersuchung erscheinen mir folgende Postulate unbedingt 
uothwendig: 

1. Genaue Diagnose — hier dürfte in Zukunft der 
Nachweis der Löfflerschen Bacillen verlangt werden. 

2. Trennung der Formen. 

3. Präcisirung des Beginnes der Erkrankung resp. der 
Behandlung. 

4. Ausschluss der zu weit fortgeschrittenen Fälle. 

5. Keine zu grossen Altersunterschiede in den zu ver¬ 
gleichenden Gruppen. 

6. Dürften, falls sich die Untersuchung über längere 
Zeiträume erstreckt, sehr extensive Epidemien mit den 


s ) Wegen Umbaues war die Abtheilung nur das halbe Jahr 
belegt. 


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78 


gewöhnlichen Endemien nicht ohne Weiteres in Vergleich 
gestellt werden. 

Allen diesen Anforderungen zu genügen hat gewiss un¬ 
endliche Schwierigkeiten, um so mehr da hier die Gefahr 
droht, das Material zu sehr zu zersplittern und zu kleine 
Zahlen zu erhalten, die sich nicht mehr statistisch ver- 
werthen lassen. Oben dargelegte Gesichtspunkte schei¬ 
nen mir in den vergleichenden Untersuchungen Dr. Lu- 
nin’s nicht genügend berücksichtigt zu sein; diese kön¬ 
nen daher nur einen relativen Werth beanspruchen. Eins 
aber beweisen sie sicher: keine der angewandten Metho¬ 
den hat den Erwartungen entsprochen, welche die Lob¬ 
redner derselben erhoffen liessen. 

In einer noch schwierigeren Lage befindet sich der 
Arzt, welcher aus den mehr vereinzelten Füllen der pri¬ 
vaten Praxis seine Erfahrungen sammeln muss. Die Be¬ 
handlung der Diphtheritis beschäftigt ja gerade daher 
unser Interesse in so hohem Grade, weil ein so wesent¬ 
licher Theil der Krankheitserscheinungen vor unseren 
Augen verläuft, weil wir den Angriffspunkt für unser 
Handeln direct vor uns haben, weil wir den Effect des¬ 
selben fortlaufend controliren können und wir eigentlich 
a priori erwarten müssten, gerade hier hervorragende 
Erfolge erzielen zu können — und trotz alledem bleibt 
er häufig aus und wir finden die grössten Widersprüche 
in den Ansichten der Aerzte über die Mittel und ihre 
Wirkungen. Ich glaube dies erklärt sich theilweise da¬ 
durch, dass wir nicht allzuoft in der Lage sind das post 
hoc und propter hoc unterscheiden zu können. — Es 
giebt aber Fälle, wo ein deutlicher Erfolg zu Tage 
tritt. So habe ich mich trotz der zeitweiligen Perhorres- 
cirung aller Pinselungen nie dazu entschliessen können 
diese in ernsteren Fällen zu unterlassen, seitdem ich in 
mehreren Fällen Gelegenheit hatte zu beobachten, dass 
bei Pinselungen der locale Process sehr bald zum Still¬ 
stand kam; wurde dann aus äusseren Gründen — Wider¬ 
stand der Kranken oder der Angehörigen — das Pinseln 
eingestellt, so breiteten sich die Membranen rapid aus 
um dann wieder bei erneuter Anwendung der Pinselung 
zu schwinden K ). — Durch diese Beobachtungen kam ich 
dazu, die locale Behandlung in immer geringeren Zeit¬ 
abständen vorzunehrnen. Die forcirte Behandlung coup 
sur coup habe ich erst in den letzten Jahren — aller¬ 
dings in wenigen Fällen — anwenden könuen. Die Wirk¬ 
samkeit dieser Methode scheint mir der früheren über¬ 
legen zu sein, auf die Mittel scheint es mir weniger an¬ 
zukommen. Jedenfalls stehen für’s Erste die antibakte¬ 
riellen Mittel oben an, welche uns von den Bakteriologen 
in erster Linie empfohlen werden. 

Der grosse Nachtheil dieser Methode sind die schwe¬ 
ren Anforderungen, welche sie an Kranke und Warte- 
personal stellt, dafür aber dürfte es häufig genügen sie 
in aller Strenge nur in den ersten 24 Stunden durchzu¬ 
führen. Eine directe Gefahr für den Kräf'teznstand der 
Patienten scheint mir im Beginn der Erkrankung nicht 
vorzu liegen. 

Wollen wir hoffen mit dieser Methode dem ersehnten 
Ziele, einer erfolgreichen Bekämpfung der Diphtheritis, 
um Etwas näher gekommen zu sein; bis zu demselben 
haben wir noch einen langen weiten Weg. Schon Viele 
haben geglaubt, diesen Weg zu rückgelegt zu haben, aber 
als sie das Ende erreicht zu haben glaubten, erwies es 
sich, dass sie wieder zum Ausgangspunkt znriiekgekehrt 
waren. 

Neuerdings hat Dr. Masing ein therapeutisches Ver¬ 
fahren mitgetlieilt, welches er seit 8 Jahren in Anwen¬ 
dung zieht, welches mehr oder weniger inoditicirt in den 
letzten Jahren von vielen Seiten empfohlen wird und 
welches durch die neueren bakteriologischen Forschun- 

6 ) Ich habe meistens Tanninlösung mit Carbol- oder Salicyl- 
gäurezusatz angewandt. 


gen eine wesentliche Stütze gefunden hat. Dr. Masing 
schliesst aus seiner 8jährigen Erfahrung, dass wir in 
seiner Methode, welche durchweg günstige Erfolge — 
keinen Todesfall — ergeben hat, ein sicheres Heilverfah¬ 
ren gegen die Diphtheritis besitzen, dass wir falls wir 
im Stande sind dasselbe vom ersten Beginne der Erkran¬ 
kung an consequent durchzuführen, die Diphtheritis nicht 
mehr zu fürchten brauchen. 

Nun meine Herren! es giebt eine nicht geringe Zahl 
Yon Fällen, wo die Erkrankung so symptomlos beginnt, 
dass sie anfangs gar nicht zu constatiren ist und dann 
wieder solche, wo trotz der energischen Behandlung von 
den ersten Anfängen an, die Krankheit völlig unbeein¬ 
flusst durch unser Eingreifen rasch zum Tode führt. 
Dies ist ein unumstössliches Factum. Das Factum be¬ 
steht und wird bestehen, so lange wir kein wirkliches 
Specificum gegen die Diphtheritis besitzen und wohl auch 
darüber hinaus. Wir wollen und sollen die Diphtheritis 
fürchten und unablässig nach besseren Waffen suchen 
um sie zu bekämpfen. Wir werden Jedermann dankbar 
sein, der uns solche liefert, aber ehe dieselben als Pa- 
nacee angepriesen werden, müssen sie nach allen Seiten 
hin geprüft sein. 

Erst heute hat uns Dr. Masing genauere Mittheilun¬ 
gen über seine Fälle gemacht. Es sind ja gewiss recht 
schwere darunter, aber es fehlen die Fälle von primärer 
Nasendiphtheritis, der diphtheritische Croup und die sep¬ 
tisch-phlegmonöse Form. Es handelt sich also ausschliess¬ 
lich um die Kategorie I. Wir sehen, dass diese im Ho¬ 
spital immerhin 17,4 und 15,7 und einmal nur 7,5°/<> 
Mortalität ergab. — Wie sich das Sterblichkeitsprocent 
für diese Form in der Privatpraxis stellt, dafür haben 
wir gar keine Anhaltspunkte. Ich erwähne hier beiläufig, 
dass im Jahre 1887 die St. Petersburger Stadtärzte eine 
Mortalität von 10°/® an Diphtheritis hatten, doch sind 
hier nur die Todesfälle gerechnet, welche in ihrer Be¬ 
handlung eintraten. Die Fälle, welche in die Hospitäler 
übergeführt wurden oder in andere Behandlung übergin¬ 
gen, konnten nicht in Anrechnung gebracht werden. 

Dr. Masing sagt nun allerdings, dass bei seiner Me¬ 
thode die Diphtheritis gamicht die schwere Form annimmt, 
dass dieselbe gewissermaassen coupirend wirkt. Dies ist 
seine snbjective Meinung, da ist ein Zweifel doch erlaubt. 
Wenn seine Methode wirklich so abortiv wirkt, dass der 
Process nicht Zeit findet, sich auf den Larynx auszu¬ 
breiten oder, in die phlegmonöse Form Uberzugehen, wa¬ 
rum breitet sich derselbe dann im Rachen aus. Bleibt 
derselbe aber auf die Mandeln beschränkt, so ist es doch 
eine allgemein acceptirte Thatsache, dass wir nicht im 
Stande sind unsere Diagnosen mit absoluter Sicherheit 
zu stellen, so lange keine bakteriologische Untersuchung 
vorliegt. 

Indess das Factum: in 8 Jahren kein Todesfall unter 
zahlreichen Erkrankungen an Diphtheritis bleibt bestehen. 

Beweist dies dann in Wirklichkeit soviel, speciell für 
unsere Petersburger Verhältnisse? Vielleicht giebt hier¬ 
über die Statistik einige Aufschlüsse. 

Dem statistischen Jahrbuch der Stadt St. Petersburg 
zufolge stellt sich die Sterblichkeit , ) an Diphtheritis für 
die letzten Jahre in folgenden Zahlen dar: 

1883. 1884. 1885. 1886. 1887. 1888. 1889. 

1090 732 396 467 466 512 290 Fälle. 

Hieraus ersehen wir, dass die Sterblichkeit in diesen 7 
Jahren ganz bedeutend abgenomraen hat In den 5 letz¬ 
ten Jahren hat sie nur die Hälfte, ein Drittheil, ja im 
Jahre 1889 beinahe nur ein Viertheil der Grösse des 
Jahres 1883 erreicht. 

■) Ueber die Morbidität stehen leider keine genügenden Daten 
zu Gebote, da die Zahl der Anmeldungskarten hierfür nicht 
zn gebrauchen ist. Nach einer allerdings nicht einwandsfreien 
Berechnung der Statistiker dei Stadt kommt kaum die Hälfte 
xuweilen nur ein Viertheil der Fälle zur Anzeige. 


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fek berücksichtige daher nur die Mortaiitätszahlen. 
Ziehen wir von diesen die Todesfälle ab, welche anf 
die Hospitäler und Anstalten kommen, so ist der Rest, 
welcher anf die Privatpraxis der so grossen Anzahl der 
Aerzte unserer Stadt fällt, gar nicht mehr so gross. 
Diese Zahl genauer zu berechnen ist mir nur für das 
Jahr 1887 möglich gewesen 

Gesammtzahl der Todesfälle 466. 


Stadthospitäler 
Kinderhospitäler 
Findelhaus . . 

Stadtärzte 


26 

168 

52 


246 

67 


Demnach Privatpraxis 163 Fälle. 

Berücksichtigen wir ferner, dass die Thätigkeit der äl¬ 
teren vielbeschäftigten Praktiker sich doch wesentlich 
tu/ die besser sjtuirten Klassen beschränkt, die schon 
uZahl geringer anch relativ eine geringere Morbiditäts¬ 
afer an Diphtheritis anfweisen dürften, lassen wir end¬ 
lich das Spiel des Zufalls nicht ganz ausser Acht — so 
kommen wir zu dem Resultat, dass es sehr wohl denk 
bar ist, dass auch ein vielbeschäftigter Arzt eine Reihe 
re® Jahren keine Todesfälle zu verzeichnen hat. 

Mir ist der Zufall — ich finde keinen besseren Ans¬ 
druck — nicht günstig gewesen. Ich habe ira Laufe der 
4 letzten Jahre bei höchstens 40 Fällen von Diphtheritis 
in der Privatpraxis 6 Todesfälle gehabt, die ich mir er¬ 
laube ganz kurz zu skizziren. 

1. and 2. Zwillinge gegen Ende der 2. Woche. Sehr behin¬ 
dertes Sangen in f olge von Undurchgängigkeit der Nase, kein 
Aisflnss aus der Nase, Rachen vollkommen frei. Bei dem einen 
gelingt es, durch einen festen Wattetampon einen kleinen 
Menbraaietzen ans der Tiefe der Nase an extrahiren, beim 2. 
wurde die Diagnose nur ex onalogia gestellt. Nach 4 resp. 4 1 /» 
Tagen Tod trotz energischer Localbehandlung, soweit eine 
solche bei so kleinen und schwächlichen Kindern möglich war. 
Bein 2. Kinde ergab die Section leichten Beleg im Nasenrachen¬ 
raum auf der Rückseite des Velum. 

3. Noch nicht ^jähriger Knabe, war während des Trubels 
des Umzuges vom Lande erkrankt, lief bei meiner Ankunft 
kreuzfidel zwischen Kisten nnd Kasten mit etwas stridulö9em 
AUhmq umher. Die Inspection des Rachens ergab völlige 
AnsUpezirung des ganzen Rachens mit dicken Membranen. 
Er wnrde sofort ins Hospital transferirt, wo er in weniger als 
24 Standen zu Grunde ging. 

4. Ein wohlgenährtes Kind iu der 6. Woche, saugt schlecht 
and zeigt eine Athmungsstörang, welche den behandelnden 
Arzt — alter erfahrener Kinderarzt — veranlasst einen be¬ 
ginnenden Betropharyngealabscess zu supponiren. Kein Aus¬ 
saat ans der Nase. Rachen vollkommen frei. Eis gelingt mir 
ans der Tiefe der Nase Membranfetzen za extrahiren. Trotz 
fletalgen Spülungen und Einpin sei uugen geht der Process 
weiter. Die ganze Nase und der Rachen ergriffen, starke 
Schwellung der Halsdrüsen and Lymphbahnen. Tod am 5. Tage. 

5. Ein College hatte mich znr Behandlung eines 7jährigen 
Knaben hinzugezogen, welcher an Diph. fauc. et laryngis litt. 
Dieser wurde tracneotomirt und genas. Unterdessen erkrankte 
•ine Schwester von 1 Jahre, die fortwährend unter ärztlicher 
Beobachtung stand. Die Diagnose war sehr frühzeitig gestellt. 
TVotz energischer Behandlung liess sich die maligne Form 
sieht unterdrücken und in 3 Tagen trat der Exitus ein. 

Nein, meine Herren, ich glaube nicht, dass einer von 
dieseii Füllen hätte gerettet werden können, auch bei 
strictester Ausführung der Masing’schen Methode. 

Obgleich ich selbst Anhänger der von Dr. Ma sing ge¬ 
übten Methode bin, so führen mieh meine hier angeführ¬ 
ten Betrachtungen in zwingender Weise zu dem Schluss, 
dass unser geehrter College in keiner Weise berechtigt 
ist aus seiaeu Beobachtungen so weit gehende Schlüsse 
au ziehen. 

Dr. Masing verdammt den therapeutischen Nihilismus 
und mit Recht. Hüten wir uns vor zu grossem Opti¬ 
mismus, die Enttäuschung bleibt nicht aus; Enttäuschung 
ist aber die Mutter des Nihilismus. 

0 Herr Hörschelraann giebt eine literarische Zu¬ 
sammenstellung, betreffend die primäre Diphtheritis 
der Nase. Secretär: E. Blessig. 


Referate. 

A. Brandt: Zur Bakteriologie der Uterushöhle bei 
Endometritiden. Inaug-Dissert. St. Petersburg, 1891 
mit 1 lithogr. Farbentafel. 

Durch die Untersuchungen von Döderlein, Ott, Tscher- 
newski, Thomen und Mironow gilt es jetzt als ziemlich 
feststehend, dass das Cavuw uteri beim normalen Wochenbetts- 
verlauf keine Mikroorganismen enthält, wohl aber bei Wo- 
ehenbettserkranknngen. Bei diesen kommt am häufigsten der 
Streptococcus vor. Ueber die Bakteriologie nicht puerperaler 
Endometritiaformen liegen noch wenig Untersuchungen vor. 
Verf. untersuchte 25 Fälle von Endometritis (hämorrhag. 11, 
kat. chron. 9, gonorrh. 4, septic. 1). Nach sorgfältiger Des- 
infection des Can. cerv., dessen Sterilität durch Controllcultu- 
ren festgestelit wurde, machte B. die Abrasio cavi uteri. Aus 
dem flüssigen Uterusinhalt resp. den ausgeschabten Parti¬ 
keln wurden Cultuien angelegt. Dieselben erwiesen sich nur 
in 3 Fällen als steril. In den übrigen 22 Fällen konnten 13 
Arten von verschiedenen Mikrobien constatirt weiden: Sta- 
phvlococcus pyog., anr., citrens und alb. Streptococcus pyog. 
gelbe nnd weisse Sarcine, Bac. subtilis, ein dünner Bacil¬ 
lus, endlich ovale, grosse, mittlere und kleine Kokken 
uni Diplokokken (1 Fall). Impfversuche an Kaninchen 
ergaben die Virulenz der in 7 Fällen gefundenen Staphylo- 
coccusarten and des in 2 Fällen gefundenen Streptococcus. 
Sie hatten ihren pathogenen Charakter im Uterus nicht ein- 
gebüsst. Die übrigen gefundenen Mikroorganismen erwiesen 
sich bis auf den dünnen Bacillus, der schnell schwindende Infil¬ 
trate ohne Reactionserscheinungen hervorrief, als unschädlich. 
Dieses Resultat stimmt mit den anderer Untersucher überein. 

Durch Vidal, Solowjew und Biimm wissen wir, dass die 
Dathogenen Mikrobieu bei der puerperalen Endometritis ans 
dem Cavuni uteri in die Decidna mehr oder weniger tief ein- 
dringen können, um in sehr schweren Fällen den Uterus längs 
den Lvmphgefässen durchsetzend bis znr Serosa zu gelangen. 

B. beobachtete in 5 Fällen das Eindringen von Mikroorganis¬ 
men in die Schleimhaut. Sein Fall von Endometritis gonor¬ 
rhoica ist besonders interessant. Bis jetzt sah an den weibli¬ 
chen Geschlechtsorganen nur Wertheimer ein Eindringen 
von Gonokokken in das Epithel und Bindegewebe der Tuben 
bei gonorrhoischer Salpingitis. In einem Fall von Endome¬ 
tritis gonorrh., die sich mikroskopisch als Endometritis glan¬ 
dularis präeentirte, fand B. ira Cylinderepithel einen Diplococcus, 
der nach Aussehen und Färbungsvermögen mit dem Gono- 
coecus übereinstimmte. Ihn mit absoluter Sicherheit als Go- 
nococcus ansprechen konnte Brandt nnr deshalb nicht, weil 
wir bis jetzt sichere Kennzeichen für den Gonococcns nicht 
haben. — Zum Schluss sei noch erwähnt, dass sich die Fälle 
von Endometritis, bei denen pathogene Mikroorganismen ge- 
fnnden wurden, klinisch von solchen ohne pathogene Mikrobien 
nicht unterschieden. 

Die Leettire oben kurz referirter Arbeit, die den Durch¬ 
schnittswerte einer Dissertation weit überragt, kann den Fach¬ 
genossen mit gutem Gewissen empfohlen werden. 

W. Beckmann. 

A. Winkelried Williams (London): Ueber Cheiro-Pom- 
pholyx (Dysidrosis). (Monatsheft f. prakt. Dermatolo¬ 
gie XIII Nr. 2. 1891). 

Die Krankheit, von Tilbury Fox zuerst 1882 unter dem 
Namen Dysidrosis beschrieben, wurde von ihm folgendermaas- 
sen charakterisirt: 

1) abnorme Innervation der Knäneldrüsen hat eine heftige 
Steigerung der Schweisssecretion zur Fo’ge; 

2) der durch die gesteigerte Secretion ausgeübte Druck ver¬ 
ursacht Obliteration des Lumens der Schweissdrtisen in ihren 
oberen Partien. Der Schweiss sammelt sich in den Knäaelgän- 
gen unterhalb der obliterirten Stelle und bildet tief in der 
Epidermis ein Bläschen. 

Verf., der an dieser Krankheit erkrankte nnd seit 4 Jahren 
daran leidet^ stellte an von sich selbst entnommenen Haut- 
Stückchen histologische Untersuchungen an und kam zu we¬ 
sentlich anderen Resultaten. Die Ergebnisse waren folgende: 

1) Eine massige Entzündung in der Papillarschicht des 
Coriums führt zu Exsudation von Sernm. Dieselbe nimmt ihren 
Weg zwischen den Stachelzellen und verursacht ihre Com- 
pression, Degeneration und Auflösung. 

2) Es bilden sich daselbst Bläschen; dieselben werden von 
frisch ergossenem Serum erfüllt und nehmen an Grösse zu. 

3) Der Inhalt trocknet ein, es bildet sich neues Epithel dar- 
| unter und die oberflächlichen Lagen werden zusammen mit 
' eiagetrocknetem Inhalt durch Desquamation abgestossen. 

I Semit hat die Erkrankung, wie auch schon die Fälle von 
i Robinson und Santi beweisen, nichts mit den Knäuelgän- 
| gern and Schweissdrüse* zu thun. Es liegt die Möglichkeit 
vor, dass die Erkrankung in die Gruppe der Ekzeme gehört, 
doch enthält sich Verf. jeglicher Theoneu. 

1 EL Kroug (Hungerburg-Narva). 


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Zur operativen Behandlung der allgemeinen eitrig-jau¬ 
chigen Peritonitis. Vers. d. Schweiz, ärztl. Centralver¬ 
eins 31. Oct. 91. Corresp. Blatt für Schweizer Aerzte. 
Nr. 23. 1. Dec. 91. 

Prof. Wvder (Zürich)referirt über 2durch Bauchschnitt und 
Ausspülung- mit l°/oo Salicvllösung geheilte Falle ausderean- 
tonalen Frauenklinik. 1. (Oper, von Dr. Schwyzer) Spontane 
Uterusruptur bei einer VII Para mit plattem Becken; Wendung 
und Extraction des Kindes. Nach 9 Stunden, bei beginnender 
allgemeiner Peritonitis, Entfernung der Placenta aus der 
Bauchhöhle; Uterusnaht; Ausspülung; Heilung. 2. (Operat. von 
Prof. Wyder). 31. Mai Zwillingsgeburt. 13. Juli fiebernd aut- 

S enommen. Diagnose: vereiterte Ovarialcyste. Nach der zweiten 
ntersuchung Ruptur der Cyste; foudroyante allgemeine Peri¬ 
tonitis. Operation bei 40,1 T. im Collaps. 10 Liter scheusslicher 
Jauche entleert; Cyste exstirpirt; Ausspülung^ Darmschlingen 
von Verklebungen gelöst; Douglas drainirt. Pat. wird in blü¬ 
hender Gesundheit vorgestellt. Wyder betont Folgendes: 
1» Der behandelnde Arzt soll Kranke mit eitriger allgemeiner 
Peritonitis möglichst frühzeitig dem Chirurgen zur Operation 
überweisen. In Fällen, wo die Diagnose noch zweifelhaft ist, 
hat eine Probelaparotomie mehr Aussicht auf Erfolg, als das 
Zuwarten. 2. Bei der Operation ist zuerst das ursächliche Mo¬ 
ment anfzusuchen und zu entfernen. Dann folgt eine gründ¬ 
liche Ausspülung der Höhle in allen ihren Buchten mit l°/oo 
Salicylsäure, bis die Flüssigkeit rein abfliesst. Die Därme 
müssen, eventuell eventrirt, auf Verklebungen und Abknickun¬ 
gen revidirt werden. 

Discussion: Prof. Krönlein beschäftigt sich mit der I rage 
seit ca. 8 Jahren und betont 3 Punkte derselben; 1. In wel¬ 
chen Fällen von Peritonitis soll man operiren? In den 
unzweifelhaft eitrig-jauchigen Fällen sofort. Die weniger stür¬ 
mischen serös-fibrinösen gehen oft spontan in Heilung über. 
Erlaubt der Allgemeinznstand kein Zuwarten mehr, so soll 
auch bei zweifelhafter Diagnose die Probelaparotomie gemacht 
werden. 2. Wie spät soll man noch operiren? Bei subnor¬ 
maler 1 0 und fehlendem Pulse sollte nicht mehr operirt weiden. 
3 Wie soll man operiren? Selbst durch die grösste Ener¬ 
gie und Rücksichtslosigkeit der Desinfection wird sich nie 
absolute Asepsis erreichen lassen; darum löst Kr. nur die 
leichtesten Adhaesionen, tupft mit Schwämmen aus, unterlässt 
aber das Bürsten und Spülen. , ,, _ 

Prof. Fehling warnt dringend vor operativer Behandlung 
der puerperalen allgemeinen septischen Peritonitis, da bei 
feststehender Diagnose die Veränderungenderinnereu Orgrne 
schon zu hochgradig seien. Bei gynaekologischen Leiden theilt 
er den Standpunkt Wyders. _ .. 

Prof. Wv der ist ganz damit einverstanden, halt aber K l o n- 
ein gegenüber an der abundanten Ausspülung mit physiolog. 
Kochsalzlösung oder l°/oo Salicylsäure fest, 

Dr Kaufmann stellt 3 Contraindicationen für die Operation 
fest: allgemeine Fettsucht, chronische Anaemie.und acuteste 
Incarcerationen des Darmes. Er hält sich an di® Phy sio og. 
Kochsalzlösung, da sie nie schaden kann und 1 /«> Salicyl- 
säure auch nicht de facto desinflcirend wirkt, aber reizt. 

Dr. Kottman führt 2 Fälle aus seiner Praxis an: 1. Stich¬ 
verletzung des Bauches; Laparatomie nach 2 lagen im elen¬ 
desten Zustande; stinkender mit Gas vermischter Eiter; Perfo¬ 
ration nicht zu finden" Drainage nach Ausspülung; spä er 
Entleerung mehrerer abgesackter Abscesse; Heilung. 2. lncar- 
cerirte Netzhernie; Herniotomie; Peritonitis acutissima mit Ileus; 
Laparotomie am 3. Tage; massenhaft haemorrhagisches Exsu¬ 
dat; Heilung. Am schlechtesten seien die lälle mit ausge¬ 
dehnter Darmverklebung und wenig Exsudat. Selenkow. 

Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Kiga. 

1169. Sitzung 6. November 1891. 

Anwesend 47 ord. Mitgl. und 12 Gäste. 

1. Dr. Goetschel demonstrirt einen Kranken mit Onychia 
syphilitica an sämmtlichen Fingern und Zehen, wobei er 
auf die grosse Parität der universellen Verbreitung dieser 
Affection aufmerksam macht. 

2. Dr.Krannhals demonstrirt einige Mäschclien mit sterin- 
sirter Säuglingsmilch von dem Gute Neumocken, wie sie von 
der hiesigen Firma Ulrich Schaeffer in den Handel gebracht 
wird. Nach den damit in der Praxis gemachten Erfahrungen 
empfiehlt Dr. K. sie wr.rm und macht auf die Vorzüge derselben 
auimerksam, zu denen absolut sichere Sterilität gehört; bei der 
Sterilisirung, welche bei hoher Temperatur vorgenommen wird, 
liegt ein Gumraiplättchen auf der Mündung der Flasche; durch 
die Verdichtung des Flascheninhaltes bei der Abkühlung des¬ 
selben hängt sich dieses Plättchen fest, an und bildet so den 
Verschluss, gleichzeitig aber auch die Controlle über die Ste¬ 
rilität, da jeder Gährungsvorgang in der Milch durch Gasent- 
wickelung das verschliessende Gummiplättchen abheben muss. 

Vortr. weist 2 Flasehen vor, deren Verschlussplatte fest hattet, 


trotzdem dass sie etwa einen Monat lang bei Bruttemperatur 
gehalten worden s’nd. 

3. Dr. Hampeln verliest seinen angekündigten Vortrag: 
«Ueber einen Fall habitueller und paroxystischer 
Tachykardie mit dem Ausgang in Genesung». Derselbe 
erscheint in extenso in der «deutschen med. Wochenschr.» 

Vortr. giebt darin die Krankengeschichte eines Mannes, der 
nach überstandener fibrinös-seröser Perikarditis 15 Jahrelang 
eine Pulsfrequenz von 140—150 in der Minute aufwies, ausser¬ 
dem aber an Anfällen von Herzpalpitationen und von Tachy- 
kardieparoxysmen litt, die den Puls auf 240, ja 280 in der Mi¬ 
nute brachten. Nachdem im letzten Jahre die gewöhnliche 
Pulsfrequenz auf 112 gesunken, ist Pat. in diesem Frühling 
nach einem protrahirten und schweren Anfall plötzlich genesen. 
— Vortr. begründet, wie in diesem Falle die habituelle Tachy¬ 
kardie auf eine die volle Herzcontraction verhindernde perikar¬ 
diale Synechie, die sich bei der Genesung gelöst, za beziehen 
sei, deutet sie also als compensatorischen Vorgang, währe - i 
die Anfälle von Herzpalpitationen und TachykardieparoxyBmen 
als Neurose aufznfassen sind. 

Dr. Ed. Schwarz pflichtet der Anschauung des Vortr., es 
sei nicht wohl möglich, habituelle Tachykardie durch Sympa- 
thicusreizung zu erklären, nicht bei; die durch Sympathi- 
cusreizung zu Stande kommende einseitige Pupillendilatation 
nervöser Individuen bestehe gleichmässig wochenlang, und 
ziehe sich, durch kleine Pausen unterbrochen, oft über Jahre. 
Er weist ferner auf die unvergleichliche Arbeitsfähigkeit des 
der Herzthätigkeit vorstehenden nervösen Centralapparats hin, 
welcher ruhelos das ganze Menschenleben hindurch arbeitet. 

Dr. Hampeln nimmt an, dass eine 15 Jahre hindurch gleich- 
mässig dauernde pathologische Sympathicusreiznng nicht denk¬ 
bar sei, weil eine Ermüdung als unausbleibliche Folge hätte 
viel früher eintreten müssen; dass für eine solche es auch sonst 
an constatirten Beispielen fehle. Gegen die Annahme von Vagus¬ 
lähmung spricht die Genesung nach 15jährigem Bestände des 
Leidens. Es erübrigt die durch die vorhergegangene Perikar¬ 
ditis wohlerklärte mechanische Veranlassung dieser habituellen 
Tachykardie. — Den tachykardischen Anfall blos kann Dr. H. 
sich wie Dr. Sch. durch Sympathicusreizung erklären. 

Dr. Wolferz: die Aetiologieder Tachykardie für einen gage¬ 
benen Fall festzustellen misslinge in der Pegel. Für die Be¬ 
handlung sei es jedoch sehr wichtig, ob Reizung des Sympa- 
thicns oder Lähmung des Vagus vorliege; nach Gerhardt sei 
in letzterem Fall/. B. Digitalis unwirksam. Das Sphygraogramm, 
meint Dr. W., ohne diese Annahme en detail zu motiviren, gebe 
darüber Auskunft, mit welcher von beiden Möglichkeiten man 
es zu thun habe, und sei die Aufnahme von Pulsbildern deshalb 
von entscheidender Wichtigkeit. 

Dr. Hampeln kann Sphygmogrammen hier nur eine das 
Bild ergänzende Bedeutung zusprechen; Pulscurven geben 
wohl Aufschluss über die Vasomotoren, gestatten aber keinerlei 
sichern Schluss auf Sympathicusreizung, resp. \ aguslähmung. 

4. Dr.Tiling verliest seinen angekündigten Vortrag: «lieber 
amnestische Geistesstörung». 

Vortr. wendet sich gegen die neueste Arbeit von Korsakow, 
«Ein Fall von polynenritischer Psychose mit Autopsie» (Aren, 
f. Psych. Bd. XXIII Heft 11891) in welcher derselbe behauptet, 
Vortr. hätte das Vorkommen dieser Geistesstörung bei nicht 
alkoholischer Neuritis gänzlich in Abrede gestellt, und führt 
dagegen Stellen aus seiner Arbeit über die bei der alkoho¬ 
lischen Neuritis beobachtete Geistesstörung (Allg. Atschrtt. 
f. Psvcli. Bd. 46 Hft. 2) an, welche das Gegentheil beweisen. 
Nur das seltene Vorkommen dieser Combination wird darin 
behauptet. Die gleiche missverständliche Auflassung ist in der 
Arbeit von Brasch enthalten, ^Beitrag zur Lehre von der 
multiplen Neuritis». (Neurolog. Centralbl. Nr. 9, 1891). Brasch 
verwechselt ausserdem die amnestische Geistesstörung mit 
einem gewöhnlichen Delirium acutum hallucinatorium, wahrend 
doch ausdrücklich hervorgehoben wurde und heryorgehooen 
werden muss, dass erst nach wiedergekehrter Beruhigung und 
Klarheit die amnestische Geistesstörung durch Gedächtmss- 
mangel ihren speciflschen Charakter documentirt. v ortr. theilt 
darauf wiederum eine Krankheitsgeschichte mit, in wmcher 
amnestische Geistesstörung mit multipler Neuritis in roige 
eines Abdominaltyphus beobachtet wurde. Q , 

Weiter führt Vortr. aus, dass er auf seinem früheren Stand¬ 
punkt verharren müsse, die amnestische Geistesstörung kom¬ 
me nicht allen Neuritiden gleicherweise zu, sondern regel¬ 
mässig nur der Alkoholneuritis und ausnahmsweise nur anderen 
Neuritiden; dagegen gesellt sich dieselbe Geistesstörung j®d®™ 
Alkoholismus zu, auch ohne multiple Neurins und endlich 
trat, dieselbe Geistesstörung im Senium und nach Kopttraumen 
auf, was Vortr. auch schon in seiner früheren Arbeit betont 
hatte. Aus diesen Gründen erklärt sich Vortr.gegen Korsakow, 
wenn er die amnestische Geistesstörung als eine speemsoh 
polyneuritische d. li. nur der Polyneuritis zukommende, bezeich¬ 
net und ebenso wenn er sie zusammen mit der multiplen Neu¬ 
ritis in jedem Fall auf Blutintoxication zurückführt. Die Be¬ 
nennung dieser Geistesstörung als Cerebropathia psychica toxae- 
mica ist also keine zutreffende. 


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V 




XVII. 


JAHIiGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


MEDIGINISC1E W0CEENSCEEI7T 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Ke «St. Petersburger Medicinisclie Wochenschrift» erscheint jeden 
Somi&be nd. — Der Abonnementspreis ist in Eusaland 8 Rbl. für das 
Jilir, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
ISai«n20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der InaertioniprelB 
fir die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


SW Abonn«xnenti-Auftrig« iowi« all« Inserat« *lRp 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Bioksr i« 
St. Petersburg, Newsky-Prospect Jft 14, zu richten. — Kanujoripte 
sowie alle anf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet maa an 
den geschäftsfiihrenden Redacteur Dr. Theodor TO» SohfU«r in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja J4 33,Quart. 3, zu richten. Sprech 
stunden täglich von 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


}ß 9 


St. Petersburg, 29. Februar (12. März) 


1892 


Inhalt: Robert Koch: Zur Casuistik der Bronchitis fibrinosa. — Referate: Max Hagedorn: Die galvanokaustische 
Behandlung der Rachendiphtherie. — Anton v. Eiseisberg: Ueber erfolgreiche Einheilung der Katzenechilddröse in di« 
Banchdecke und Auftreten von Tetanie nach deren Exstirpation. — Fausto Faggioli: Ueber die vernichtende Wirkung 
des Blutes auf die Protozoen. — Bericht über die wissenschaftliche Thätigkeit des Vereins «St. Petersburger 
Aerzte für 1891. — Protokolle der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. — Vermischtes. — Anzeigen. 


Zur Casuistik der Bronchitis fibrinosa. 

Von 

Dr. med. Robert Koch, 

Dorpat. 

' (Vertrag, gehalten in der med. Gesellschaft zu Dorpat am 
18. December 1891). 


Jf. H.! Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen Mittheilung 
mache über einen von mir beobachteten Krankheitsfall, 
der nicht nnr seines seltenen Vorkommens wegen, son¬ 
dern auch sonst in mancher Beziehung Interesse bean¬ 
sprucht; es handelt sich um einen Fall von Bronchitis 
crouposa seu fibrinosa, Bronchialcroup, Bronchitis mit 
Gerinnselbildung. 

Am 20. October a. c. besuchte ich einen 18jährigen mir 
schon seit 4 Jahren bekannten jungen Maun, der mich mit 
den Worten empfing: «Jetzt habe ich wieder meinen Lungen¬ 
katarrh, den ich in jedem Herbst dnrchmachen muss». Mir 
war bekannt, dass er im Jahre 1885 im Frühjahr eine sehr 
schwere doppelseitige und im Herbst desselben Jahres eine 
leichtere einseitige croupöse Pneumonie durchgemacht hatte. 
Im Jahre 1888 im November tiberstand er die Masern ohne 
weitere Complication. In den darauffolgenden beiden Jahren 
musste er im Herbst 14 Tage bis 3 Wochen seines Bronchial¬ 
katarrhs wegen die Schule versäumen. Wie damals, so zeig¬ 
ten sich auch jetzt bei dem ziemlich kräftig gebauten jungen 
Mann keinerlei suspecte Lungenerscheinungen, wenn er auch 
in den katarrhfreien Zeiten immer etwas gehustet hat. D‘e 
Eltern sind gesund, auch ist mir nicht bekannt, dass sonstige 
Familienglieaer an Phthisis zn Grunde gegangen sind. Der Pa¬ 
tient ist guter Reiter, im Sommer und Winter passionirter 
Jäger, hat vielfach Strapazen durchgemacht und mancher Er¬ 
kältung sich ausgesetzt, ohne irgend welche schlimme Folgen 
zu verspüren. Im Herbst hatte er, wie gesagt, jenen Katarrh, 
der ohne Fieber mit Hustenanfällen und geringem Schleimaus¬ 
wurf verlief. Auch dieses Mal dieselben Erscheinungen: objec- 
tiv überall weit verbreitete Rhonchi, pfeifende Geräusche und 
Schnurren, percutorisch bis anf geringe allgemeine Lungen¬ 
blähung nichts Abnormes nachzuweisen. Der Pat. ging im 
Zimmer umher, hatte guten Appetit, schlief die ersten Nächte 
auch gut. Da nach 5 Tagen keine Besserung eingetreten 
war, wurde Patient in’s Bett gelegt und eine diaphoretische 
Behandlung ein^eschlagen. In der Nacht vom 28., 29. October 
hatte Patient last ununterbrochen gehustet, gar nicht ge¬ 


schlafen, Temperatur Morgens ?S,1, Abends 39,5, Frost, Puls 
120—140; hochgradige Dyspnöe, Sputa crocea, Knisterrasseln 
im rechten oberen und mittleren Lappen; Tags darauf Tem¬ 
peratur 38,8, Abends 39,8, Dämpfung, Bronchialathmea, kurz 
die Erscheinungen der croupösen Pneumonie. Kein kriti¬ 
scher, sondern allmäliger Abfall des Fiebers. Am 7. Tage 
(4. Nov.) 37,4° C., von hier an die Temperatur immer normal; 
es trrtiffh starke Schweisse ein, jedoch blieb eine leichte Cya- 
nose, eine noch recht hochgradige Dyspnöe und eine auffallende 
Pulsbeschleunigung (100 -120) bestehen. «Das Athmen wird 
mir schwer, icn bekomme zu wenig Luft», waren von nun an 
die hauptsächlichsten Klagen. Diese Erscheinungen nahmen 
von Tag zu Tag mehr ab, nachdem gewisse Gerinnsel mit 
dem 5. Tage nach dem Frost ausgehustet worden waren. — 
Am 10. November bekam Pat. bei einem Hustenanfall plötz¬ 
lich einen intensiven Schmerz in der linken unteren Thorax¬ 
hälfte, entsprechend der 8. oder 9. Rippe in der hinteren Axil¬ 
larlinie »una zwar so intensiv, dass er sich kaum bewegen 
konnte; die Hustenanfälle verursachten an dieser umschriebe¬ 
nen Stelle die heftigsten Schmerzen, so dass diese Partie kaum 
mit den Fingern berührt werden konnte. Ueber den Grund 
dieses Schmerzes vermochte ich mir zunächst kein richtiges 
Bild zu machen, ich bemerke nur, dass es sich vielleicht um 
eine gleichzeitige Reizerscheinung der Plenra gehandelt 
haben mag. da die Richard Otto’sche') Compressionsbinde 
sehr gute Dienste leistete. Kein Fieber; die Percussion ergab 
überall normalen Lungenschall; es war auf der ganzen linken 
Lunge abgeschwächtes und unten hinten zum Theil gar kein 
Athmen wahrnehmbar; ausserdem liess sich ein eigenthüm- 
liches, lautes, sogar fühlbares Geräusch constatiren, das der 
Patient als «Piepsen» bezeichiiete, auf welches ich mir erlaube 
später znrtickznkommen. Erst mit dem Moment, wo mit äus- 
serst kräftigen Hustenstössen etwa 3—4 Gerinnsel expectorirt 
worden waren, trat bedeutende Erleichterung und grosse Lin¬ 
derung ein. Es handelte sich hier um dichotomisch sich thei- 
lende und gegen das Ende sich verzweigende Gerinnselbildnn- 
gen von 5—6 Ctm. Länge und */■*—*/* Ctra. Dicke, ohne jede 
Blutbeiniöiigung; die Consistenz ist eine ziemlich derbe. Mein 
besonderes Interesse an diesem Befunde bestimmte den Kran¬ 
ken zu der weiteren Mittheilung, dass er bereits vor 14 Tagen, 
also vor der letzten Lungenentzündung, solche Gerinnsel — 
nur sehr viel dünnere und kürzere — ausgenustet habe, denen 
er damals durchaus keine Beachtung geschenkt habe; früher 
soien solche Gerinnsel von ihm nicht bemerkt worden. Bis 
vor 8 Tagen wurden nun fast täglich 1—2 solcher Gerinnsel 


l ) Ueber den pleuritischen Schmerz und seine Behandlung 
durch partielle Compression des Thorax. Dr. med. Richard 
Otto in Dorpat. Berliner klin. Wochenschrift. 1889. Nr. 39. 


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ftxpectorirt, und der Patient glaubte jedes Mal genau zu wis¬ 
sen, ob ein solches aus den Luftwegen der rechten oder lin¬ 
ken Lunge ausgestossen werde. Gewöhnlich am Morgen früh 
stellte sich ein heftiger, V* Stunde dauernder Husten ein; bald 
darauf verspürte Pat. beim Athmen ein eigenthümlich klap¬ 
pendes Ventil-Geräusch und hatte den Eindruck, als wenn 
eine häutige Masse durch In- und Exspiration gesenkt und 

g ehoben werde; nun begann er mit beiden Handflächen den 
rustkorb abzupalpiren und wo er eine Vibration des Thorax 
verspürte, dahin versetzte er den Sitz des Gerinnsels. Mit je¬ 
dem heftigen Hustenstoss fühlte er deutlich das Höhersteigen 
des Pfropfes. 

In Kürze haben wir folgendes Krankheitsbild: Nach¬ 
dem Patient vor 6 Jahren, und zwar im Lauf eines hal¬ 
ben Jahres zweimal, croupöse Pneumonie durchgemacht 
hat, gehörte zur Folgeerscheinung recidivirende gewöhn¬ 
liche Bronchitis. Zu den Symptomen der letzten ein¬ 
fachen katarrhalischen Bronchitis ohne Fieber gesellte 
sich dann die Bildung und Herausbeförderung von Ge¬ 
rinnseln und nach einigen Tagen unter Frost, Fieber, 
heftigen Hustenparoxysmen und hochgradiger Dyspnöe 
traten die Erscheinungen einer lobären Pneumonie auf, 
bei deren Ablauf keine Gerinnsel ausgehustet wurden; 
erst als das Fieber am 6. Tage nachliess, aber Dyspnöe, 
leichte Cyanose und Pulsbeschleunigung weiterhin das 
Allgemeinbefinden in beträchtlichem Grade störten, da 
trat die Bildung von bedeutend grösseren und längeren 
Gerinnseln wieder ein, mit deren Herausbeförderung die 
lästigen Symptome allmälig nachllessen. 

M. H.! Dass es sich hier in diesem Fall um Bronchi¬ 
tis mit fibrinösem Auswurf handelt, unterliegt keinem 
Zweifel. Was die Literatur dieser im Allgemeinen selte¬ 
nen Erkrankung betrifft, so ist die Bronchitis fibrinosa 
sehr früh, aber falsch gedeutet worden. Schon Galenus 
erzählt, dass er ein Lungengefäss habe auswerfen sehn; 
während Morgagni von einer ausgeworfenen kleinen 
venösen Röhre spricht; Ruyschius bezeichnet die aus¬ 
gehusteten Massen als Polypen. Die erste genaue Be¬ 
schreibung eines Falles von chronischer fibrinöser Bron¬ 
chitis giebt Clarke 2 ). Mit grosser Gründlichkeit tst die¬ 
ses Thema erst von Biermer 3 ), dann von Lebert 4 * ), 
von Riegel 6 ) und Weil 6 ) bearbeitet worden. Biermer 
und Riegel schliessen sowohl jene Formen aus, in denen 
die croupöse Laryngitis sich auf die Trachea und Bron¬ 
chien fortgesetzt hat, als auch jene, in denen die crou¬ 
pöse Entzündung der Lungenalveolen sich auf die End¬ 
verzweigungen der Bronchien secundär fortgepflanzt hat; 
Lebert zählt die Gerinnselbildungen in den Bronchien 
bei der croupösen Pneumonie zur fibrinösen Bronchitis 
und unterscheidet mehrere Kategorien, — anatomisch 
müssten wir alle jene Fälle zur Bronchitis crouposa 
rechnen, in denen faserstoffhaltige Producte auf die Bron¬ 
chialschleimhaut abgelagert werden, die Trennung ist 
aber von praktischer Seite gewiss berechtigt, weil, wie 
bekannt, kleinere fibrinöse Gebilde sehr oft in hepatisir- 
ten Lungen sich finden, ohne besondere Symptome zu 
machen, dagegen bei genuiner fibrinöser Bronchitis sehr 
stürmische Erscheinungen hervorrufeu. — Die fibrinöse 
Bronchitis als genuine primäre Krankheit ist eine höchst 
seltene Affection, die häufiger chronisch als acut auftritt. 
Lebert fand in der Literatur (bis 1869) nach sorgfälti¬ 
ger Analyse 17 acute und 27 chronische Fälle. — Unter 
dem Titel «Plastic Bronchitis» r ) fasst West das Resultat 
der in den letzten 20 Jahren (seit Lebert’s Arbeit) 
über die fibrinöse Bronchitis veröffentlichten Arbeiten zu¬ 
sammen (nach ihm sind es 62 Fälle). Hiernach bestehe 
eine sichere Beziehung dieser Krankheit zur Phthise nicht; 
bemerkenswert!! sei die Verbindung mit Herz- und einige i 


2 ) Philos. Transact. Vol. XIX. pag. 779. 

*) Virchow’s Handbuch d. spec. Pathol. u. Therapie Bd. V. 
*■) Im deutschen Archiv für klin. Medic. 1869. 

3 ) Im v. Ziemssen’schen Handbuch IV. Bd. 2. S. 164. 

*) Gerhardt Kinderkrankheiten III. Bd. 2. S. 455. 

7 ) Practitioner XLI11 2. pag. 83. 1889. 


Mal mit schweren Hautkrankheiten (Pemphigus und Im¬ 
petigo). Der Auswurf enthalte die charakteristischen Ab¬ 
güsse der Bronchien, nie Charcot-Leyden’sche Krystalle 
oder Curschraaim’sche Spiralfäden. Die Dauer des Anfalls 
sei meist kurz, während die Intervalle von einigen Stun¬ 
den bis zu Monaten dauern. BezügÜch der Aetiologie sei 
nichts bekannt. 

Ich möchte Sie, m. H., nicht ermüden mit der Wieder¬ 
gabe der einzelnen Krankeugeschichten, sie stimmen im 
Wesentlichen mit den von West angeführten überein.— 
Nur auf zwei in den letzten Jahren erschienene Arbei¬ 
ten will ich näher eingehen, weil sie in aetiologischer 
Hinsicht neue Gesichtspuncte bringen. — Picchini 8 ) giebt 
nachstehende Krankengeschichten mit folgender Pathoge¬ 
nese: 3 Ziegelbrenner, welche in der Nähe von Latrinen 
arbeiteten und längere Zeit im Schmutzwasser standen, 
erkrankten unter den gleichen Symptomen einer acuten fibri¬ 
nösen Bronchitis. Die Sputa, welche die charakteristischen 
Ausgüsse der Bronchien zeigten, enthielten drei verschieden¬ 
artige Mikroorganismen. Injicirte man sie unter die Haut, 
in die Peritoneal- oder Pleurahöhle, so war der Effect 
negativ; machte man aber die Injection in die Trachea, 
so ergaben zwei dieser Species, wenn man Reinculturen 
verwendete, ein positives Resultat. Es entstand eine Affec¬ 
tion, welche die grösste Aehnlichkcit mit dem bekannten 
Bilde der Bronchitis fibrinosa zeigte. Diese Mikroorga¬ 
nismen besitzen nach Picchini, trotz grosser Vitalität 
eine pathogene Kraft, die schon nach kurzer Dauer 
erlischt. — Die letzte Arbeit über die Bronchitis fibri¬ 
nosa ist alsInaugural-Dissertation von Lehmann Model 
in Freiburg im B. 1890 erschienen. Model sucht durch 
Mittheilung und Besprechung von 7 Fällen aus der dor¬ 
tigen med. Klinik etwas Licht in die Aetiologie und 
Pathogenese zu bringen. In 6 Fällen war intra vitam und 
post mortem ein Zusammenhang der fibrinösen Bronchitis 
mit Tuberculosis zu constatiren. 

Ganz besonderes Interesse bot der als 7. und letzter 
ausführlich mitgetheilte Fall. Das ganz eigenthümlich 
milchige fettreiche Sputum liess mit Sicherheit darauf 
schliessen, dass es sich um einen Chyluserguss oder 
Lymphorrhoe in die Luftwege handelte. Er meint, dass 
derartige Fälle doch schon öfter beobachtet, aber falsch 
als fibrinöse Bronchitis gedeutet sein möchten. 

Hinsichtlich der Aetiologie lässt sich in der That 
nichts Sicheres bringen. Man ist der Bronchitis fibrinosa 
in jedem Lebensalter begegnet, und selbst in der Leiche 
eines Neugeborenen hat Hayn a ) die Gerinnsel angetroffen, 
doch wird sie am häufigsten in den Pubertätsjahren, etwa 
vom 10. bis 30. Jahre beobachtet. Das männliche Geschlecht 
erkrankt häufiger. Wiederholte acute und chron. Bron¬ 
chialkatarrhe gingen in den meisten Fällen dem Ausbruch 
des eigentlichen Bronchialcroups voraus. Auch Schwächung 
des Körpers durch vorausgegangene Krankheiten wird in 
einigen Fällen als praedisponirendes Moment angeführt. 
In dem von Eisenlohr 10 ) angeführten Fall entwickelte 
sich im Verlauf eines Typhus eine fibrinöse Bronchitis. 
Auch mehrere Glieder einer Familie sind von der Krank¬ 
heit heimgesucht worden. Bei Frauen hat man in einigen 
Fällen Einfluss von Schwangerschaft und Menstruation 
gefunden. So haben Oppoltzer und Schnitzler eine 
Beobachtung beschrieben, in welcher es bei einer Frau 
jedes Mal zur Zeit der eintretenden oder ausbleibenden 
Menses zum Bronchialcroup kam. Cohnheim giebt an, 
dass verkäste Lymphdrüsen, welche in die Trachea oder 
in die Bronchien durchgebrochen sind, zu fibrinöser Entzün¬ 
dung führen können. 

Am häufigsten geht, wie gesagt, der fibrinösen Bron¬ 
chitis eine einfache katarrhalische Bronchitis voraus. Dys- 

“) ßiv. clin. arch. ital. di olin. med. 1, pag. 105. 1889. 

'■’) Königsb. med. Zeitschrift 1844. 

' Berlin, klin. Wochenschi ift 1876, Nr. 31. 


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krasische Zustände (Syphilis. Scrophulose, Rhachitis) 
werden als aetiologische Momente in keinem Fall ange¬ 
führt, wohl aber Anaemie und Chlorose. — Auf den Zu¬ 
sammenhang mit Tuberculose wird nur von einer Seite 
(Model) mit Nachdruck hingedeutet. Nach Riegel bedarf 
es einer besondern Disposition oder Einwirkung eines 
besondem unbekannten Agens, um die Krankheit hervor- 
znrufen. 

Die Symptome des acuten Bronchialcroups zeichnen 
sich gegenüber dem chronischen durch ihre grosse Heftig¬ 
keit aus; heftige Hustenparoxysmen, die höchste Dyspnöe, 
ja sogar Erstickungsangst kann eintreten und bald ein 
letales Ende erfolgen; 7« der bisher beobachteten acuten 
Fälle endete letal. — Die chronische Form, zu der auch 
der von mir beobachtete zu zählen ist, hat selbstver¬ 
ständlich zahlreiche Uebergangsformen von acuten und 
suiacuten Anfällen, unterbrochen durch kürzere und län¬ 
gere vollkommen freie oder nur von bronchitischen Er¬ 
scheinungen ausgefüllten Intervalle. Die Dauer dieser 
chron. Form ist eine sehr verschieden lange; die Gesammt- 
erkrankung kann sich über viele Jahre erstrecken (7—8 
Jahre); in einem Fall hat sie 14 Jahre mit Intermis¬ 
sionen gedauert. 

Was nun die Gerinnselbildung selbst anlangt, so 
kommt sie entweder diffus vor (in der Trachea und den 
meisten Bronchialverzweigungen durch die Section nach¬ 
gewiesen) oder circurascript, wie gewöhnlich in der chro¬ 
nischen Form. Das frisch ausgeworfene Bronchialgerinnsel 
stellt gewöhnlich eine knäulartige Masse dar, die eine 
weisse oder graugelbliche oder auch schwachröthliche Farbe 
zeigt. In Wasser gebracht tritt diese Form mit 3—4facher 
Verzweigung auf. Die Dicke des Hauptstammes hat hier 
den Umfang eines Bleistifts, kann aber auch den eines 
kleinen Fingers erreichen Der Hauptstamm und die dicken 
Aeste sind häufiger hohl als solid und enthalten Schleim 
und Leukocyten; die feineren Stämmchen sind fast immer 
solid. An den dickeren Aesten sind oft gleichmässige 
kleine kolbige Ausbuchtungen bemerkbar, deren Entste¬ 
hung in der Art zu erklären ist, dass bei der Exsudation und 
schnellen Gerinnung Luftblasen in die Masse eingeschlossen 
werden, — eine Erklärung, die schon Biermer angiebt.— 

Der mikroskopische Bau der Gerinnsel lässt sich am 
besten an Alkoholpräparaten studiren. Die mikroskopi¬ 
schen Schnitte, die ich Ihnen später demonstriren möchte 
und die Färbung der Präparate verdanke ich der Freund¬ 
lichkeit unseres Collegen Dr. Ger lach, der sich dieser 
mikroskopischen Arbeit mit grossem Interesse, aber auch 
mit grossen Zeitopfern gewidmet hat, wofür ich ihm 
meinen herzlichen Dank ausspreche. — Die Gerinnsel be¬ 
sitzen eine geschichtete oder lamelläre Anordnung, wobei 
die einzelnen Lamellen bald concentrisch um einander 
gelagert sind, bald unregelmässige Schichtung zeigen. Die 
Zahl der Lamellen schwankt, aber jedenfalls deutet ihre 
Anordnung auf schubweise Exsudation und Gerinnung 
hin. Der Hauptmasse nach bestehen die Gerinnsel aus 
hyalinem Grundgewebe. Leukocyten sind reichlich nach¬ 
weisbar. Gegenüberder von Picchini vertretenen Ansicht, 
welche die in Rede stehende Krankheit auf bacillären 
Ursprung zurückführt, will ich auf die Resultate Gerlach’s 
hinweisen. Die Präparate desselben, welche nach der von 
Kühne modificirten Gram’schen Methode hergestellt sind 
und die ich Ihnen sogleich demonstriren werde, weisen 
freilich auch Bakterien auf; man findet sie aber nur an 
bestimmten Partien, nicht zerstreut, sondern gewöhnlich 
in Haufen, in einer von fibrinösem Exsudat eingeschlos¬ 
senen Schleimflocke. Dass es sich wirklich um eine Schleim¬ 
flocke handelt und nicht um croupöses Exsudat, beweisen 
1) das Aussehen der Grundsubstanz, 2) die in letztere 
eingeschlossenen zelligen Elemente, welche zum Theil 
aus gequollenen Lungenepithelien und aus Leukocyten 
bestehen, 3) sind es 3 oder 4 Species, so dass man in 
Anbetracht aller dieser Umstände, endlich auch der That- 


sache, dass man sie nur in geringer Menge antrifft, in 
ihnen kein aetiologisches Agens, sondern nur einen zu¬ 
fälligen Befund erblicken darf. Pneumoniekokken und 
Tuberkelbacillen (Gabbet) sind nicht nachweisbar, wohl 
aber in grosser Menge Charcot-Leyden’sche Asthmakrys 
talle, wie Sie sich davon leicht in vorliegenden Präpa¬ 
raten überzeugen können. — Ganz kurz will ich nur er- 


Charcot — Leyden’sche Asthma- 
krystalle. 

(Seibert: Ocular Oberhäuser und Ob- 

jectiv 3 Abstand Bild vom Prisma 
35 Ctm.). 

Vergrösserung circa 200. 

wähnen, dass Ph. Schreiner“) diese Krystalle für das 
phosphorsaure Salz einer Basis von der Formel CsHrN 
erkennt, diese freie Basis nach ihm in intensivem Grade 
den Geruch nach frischem menschlichem Sperma besitzt 
und diesen Geruch gelegentlich auch den Sputis der Lun¬ 
genkranken verleiht. 

Esche rieh fand neben fibrinösen Gerinnseln Cursch- 
mann’sche Spiralen, ein Befund, den auch ich bestätigen 
konnte. — 

M. H.! Wenn ich den von mir beobachteten Fall von 
chron. fibrin. Bronchitis mit den früher beschriebenen 
vergleiche, so haben wir es auch hier mit Bildung und 
Expectoration von Gerinnseln zu thun, denen ausgedehnte 
chron. Bronchitis über Wochen, Monate selbst Jahre in 
wechselnden Intervallen vorherging. Die leichte Haeraoptoß 
fehlt, wie sie gewöhnlich den Gerinnselauswurf begleitete. 
Ferner hatten wir es weder mit blutiger Tingirung der 
Gerinnsel zu thun, noch mit jener meistentheils beobachte¬ 
ten klumpigen, sich später im Wasser entrollenden Form.— 
Innerhalb des Zeitraums der Gerinnselbildung und des 
Auswurfs schiebt sich eine acute Lungenaffection ein, die 
ich der physikalischen und symptomatischen Erscheinun¬ 
gen wegen als Alveolarpneumonie — lobäre Pneumonie — 
ansprechen muss. Es ist ja bekannt, dass mit jeder 
lobären oder Alveolarpneumonie eine fibrinöse Bronchiolitis 
verbunden ist, und dass sich im pneumonischen Sputum 
immer kleine Gerinnsel der feinen und feinsten Bronchien 
nachweisen lassen. Dass diese Alveolarpneumonie mit der 
Bronchitis fibrinosa aetiologisch in naher Beziehung stand, 
schien mehr als wahrscheinlich. Der Umstand, dass die 
Bronchitis fibrinosa mehrfach in einer Familie beobachtet 
wurde, die Thatsache ferner, dass die fibrinöse Pneu¬ 
monie infectiöser Natur ist, legten den Gedanken nahe, 
dass auch hier die Mikroorganismen Ursache zur Ent¬ 
wicklung beider Affectionen seien. Nichts desto weniger 
hat die mikroskopische Untersuchung dies nicht bestätigt, so 
dass die Aetiologie dieser seltenen und seltsamen Krank¬ 
heit durch den von mir beobachteten Fall leider nicht 
geklärt worden ist, die Entscheidung dieser Frage viel¬ 
mehr zur Zeit noch als eine offene bezeichnet werden muss. 


**) Fortschritte der Medicin, 1889 (Kobert, Therapeutische 
Notizen). 




Querschnitt eines 
Ästhraakrystalls. 
(Seibert: Ocular 
Oberhäuser und 
Objectiv 5b.). 
Vergrösserung 
circa 650. 


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Referate. 

Max Hagedorn: Die galvanokaustische Behandlung der 
Rachendiphtherie. (Der ärztliche Praktiker 1892 Nr. 6). 

Verf. tritt warm für die galvanokaustische Behandlung der 
Bachendiphtherie ein. weil die durch den elektrischen Strom 
erzeugte Glühhitze des Platinabrenners das stärkste Antisep- 
ticnm ist, das dem Kranken jedoch nicht schadet, da man seine 
Anwendung aufs Genaueste localisiren kann. Unbeabsichtigte 
Nebenverletzungen und Nebenwirkungen (cf. Carbolsfture und 
Sublimat) kommen nicht vor. Ein weiterer Vorzug des Galva¬ 
nokauters ist der, dass seine Anwendung nur eine einmalige 
und schmerzl -e (Chloroformnarkose resp. Cocainisirung) ist; 
Verf. hat nie .als nach der Behandlung neue Infectionsherde 
auftreten sehen. Contraindicirt ist diese Behandlung bei Diph¬ 
therie der Nasenhöhle, des Nasenrachenraumes und Kehlkopfes, 
weil man durch Hervorrufen von Synechien und Stenosen den 
Kranken dauernd schädigen kann, ohne doch im Stande zu 
sein in diesen engen Höhlen alles Erkrankte beseitigen zu 
können; auch die Scarlatinadiphtherie als rein septischer Pro- 
cess wird durch die Behandlung nicht beeinflusst. Zur Aus¬ 
übung der galvanokaustischen Behandlung sind erforderlich: 
1 Accumulator, 1 Handgriff unu 2 Platinabrenner, ein flacher und 
ein steigbügelförmiger, der als glühende Curette zu benutzen ist. 

Nachdem der Geschwürsgrnnü mit dem steigbügelförmigen 
Brenner ausgekratzt ist, wird die Umgebung des Geschwürs 
ira Umkreise von ca. 1 Cm. m J t dem flachen Brenner bestrichen 
und so 8terilisirt. Keine Blutung, geringe örtliche Reaction. 
Als Nachbehandlung dienen Gnrgelungen mit antiseptischen 
Lösungen oder Einblasungen mit Jodoform oder Jodol auf die 
Brandwunde. Bei Schluckbeschwerden Eispillen. Die Behand¬ 
lung ist stets im Beginn der Erkrankung und auch bei Ver¬ 
dacht auf beginnende Diphtherie anzuwenden. 

W. Beckmann. 

Anton v. Eiseisberg: Ueber erfolgreiche Einheilung 
der Katzenschilddrüse in die Bauchdecke und Auf¬ 
treten von Tetanie nach deren Exstirpation. (Wiener 
klin. Wochenschrift Nr. 5). 

Bekanntlich hat Verf. durch eine Reihe einschlägiger Ver¬ 
suche den Nachweis geliefert, dass man die Schilddrüse auf 
das Peritoneum, besonders auch zwischen Fascie und Perito¬ 
neum verpflanzen kann; sie heilt auf ihrem neuen Boden ein, 
ohne resorbirt zu werden; or wies ferner nach, dass dieser 
Eingriff im Stande ist, die Thiere vor der tödtlichen Tetanie 
zu bewahren. Es blieb nun noch übrig den Beweis zu liefern, 
dass die verpflanzte Drüse vicariirend für die Hnlsdrüse fnnc- 
tionirt. Dieses ist ihm nun in überzeugender Weise gelungen. 
Im ersten Falle seiner Experimente wurde bei einer Katze 
zunächst das Bauchfell blossgelegt, dann die linke Schilddrüse 
exstirpirt und zwischen Fascie und Peritoneum gebracht. Die 
Katze vertrug den Eingriff sehr gut. Genau nach einem Mo¬ 
nate wurde die rechte Schilddrüse exstirpirt, ohne dass tetanie¬ 
artige Symptome nach dem Eingriffe sich einstellten. Als nun 
aber nach einiger Zeit auch das implantirte Stück herausge¬ 
nommen wurde, erkrankte das Thier schon Tags nach der 
Operation und ging rasch an Tetanie zu Grunde. Im zweiten 
Falle bekam Verf. dasselbe Resultat; hier betrug das Inter¬ 
vall zwischen der halbseitigen und der Totalexstirpation nut- 
wenige Tage. Eine dritte Katze ging in gleicher Weise an 
Tetanie zu Grunde. Im vierten Falle traten nach Exstirpation 
des implantirten Restes wohl tetanieartige Symptome auf 
(spontanes Zittern, geringe Krämpfe), doch besserten sich 
bald die Erscheinungen, das Tliier wurde munter und nahm 
etwas feste Nahrung, viel Milch zu sich. Auffallend blieb je¬ 
doch die seit dem letzten Operationsacte eingetretene rasche 
Abmagerung, verbunden mit vermehrtem Speichelfluss. Nach 
3 Wochen traten die Symptome der Tetanie wieder deutlich 
auf, und die Katze verendete einen Monat nach der letzten 
Operation. Verf. erwähnt in seiner Arbeit auch einen Fall 
von Tetanie bei einer 54jährigen Frau, bei welcher er nach 
totaler Exstirpation der krebsig entarteten Drüse 9 Tage 
nach der Operation je ein Stückchen einer anderen eben ex- 
stirpirten hypertrophischen Schilddrüse zwischen Fascie und 
Peritoneum und intraperitoneal zu implantiren versuchte. Die 
Patientin ging nach 15 Tagen unter den Erscheinungen von 
Tetanie zu Grunde, gleichzeitig war eine schwere Bronchitis, 
bedingt durch partielle Gangrän der Luftröhre, vorhanden. 
Bei der Section zeigten sich beide Drüsenstücke ohne Adhäsion 
mit der Umgebung, nekrotisch und mit Eiter umgeben. Das 
negative Resultat kann also durch die Nekrose der implantir- 
ten Stücke bedingt gewesen sein. Abel mann. 

Fausto Faggioli: Ueber die vernichtende Wirkung des 
Blutes auf die Protozoen. (Arch. ital. de biologie XVI. 
Fase. II—III. p. 266. 1892). 

F. hat das Blut resp. daa Blutserum von nicht weniger als 
70 der verschiedensten Thierspecies bezüglich seiner deletären 
Wirkung auf Protozoen untersucht und nur wenige Fälle 


beobachtet, in denen sich dasselbe weniger wirksam oder gar 
wirkungslos erwies. Aber auch bei einigen derjenigen Thiere, 
deren Blut den Protozoen gegenüber indifferent zu sein schien 
(Carassius aurat is und HeYix~pomata), gelang es dem Verf. de¬ 
letäres Blut zu erzielen und zwar dadurch, dass er dieselben 
auf einige Zeit in NaOl-haltiges Wasser überführte. Ferner 
wurde das Blutserum der in dieser Weise behandelten Gaste- 
ropoden eingeäschert und die Asche wieder in Wasser gelöst 
— und auch diese Lösung zeigte volle Activität während in 
gleicher Art bearbeitetes Blut der Controllthiere aus Snss- 
wasser für Protozoen unschädlich blieb. Hieraufhin hat sich 
Verf. durch eine Reihe von Versuchen davon überzeugt, dass 
nur dem hohen NaCl-Gekalt des Blu.es und nicht etw r a ande¬ 
ren Blutbestandtheilen die protozoenwidrige Eigenschaft des 
Blutes z.iznschreiben ist. Schliesslich sieht sich der Verf. in 
seiner Annahme noch durch einige Beobachtungen gestützt, 
welche darthun, dass das Blut von Individuen, deren Art in 
der Regel für Protozoen giftiges Blut besitzt (Taube, grüne 
Eidechse, Mensch), unter Umständen diese Eigenschaft ein- 
büssen kann z. B. durch Inanition oder iDfectionskrankhoiten. 
Leider giebt aber Verf. nicht an. ob er bei derartigen Aus¬ 
nahmefällen die Menge des in dein Blute vorhandenen NaCl 
bestimmt hat. Jedenfalls sind die Entdeckungen Faggiolrs 
für die Mikroparasitologie hochbedeutsara und es steht zu er¬ 
warten, dass dieselben in dieser oder jener Weise auch von 
der Therapie werden ausgebeutet werden können. 

Wladimirow. 

Bericht Uber die wissenschaftliche Thätigkeit des 
Vereins St. Petersburger Aerzte für 1891. 

Während des Jahres 1891 hielt der Verein 17 wissenschaft¬ 
liche Sitzungen ab. in welchen von 28 Mitgliedern und 2 Gästen 
45 wissenschaftliche Mittheilungen gemacht, 17 Patienten vor¬ 
gestellt und zahlreiche Praeparate demonstrirt wurden. 

Die Vorträge und Mittheilungen vertheilen sich folgender- 
maassen auf die einzelnen Disciplinen: 

Innere Medicin. 

Kernig (8. Januar): Ueber die Behandlung Tuberculöser 
mit dem Koch’schen Mittel im weibl. Obuehow-Hospital. 

Lunin (30. April): Ueber physiologische Albuminurie. 

Moritz (16. April): Ueber einen Kall von periodischer Albu¬ 
minurie. 

Derselbe (12. November): Zur diätetischen Behandlung der 
habituellen Obstipation. 

Moritz und Westphalen (8. Januar und 19. Februar): 
Ueber die Behandlung Tuberculöser mit dem Koch’schen 
Mittel im Deutschen Älexanderhospital. 

v. Schrenck und de la Croix (2. und 16 April): Fall von 
Ulcus rotnndum und Carcinom des Magens. 

Westphalen (2. April): Ueber die Pathologie und Therapie 
der Gastritis glandularis chron. simpl. 

Derselbe (1. October): Ueber die Bedeutung des fehlenden 
HCl-Nachw-eises im Magensafte bei Carcinom. 

Chirurgie. 

Dombrowsky (19. Februar): Heftpflasterverband zur Ver¬ 
hütung von Hernien nach Laparotomien. 

Derselbe (12. November): Radiealoperation einer Leisten¬ 
hernie nach Bassini. 

Schmitz (15. October): Fall von Klumpfuss, operirt nach 
Phelps. 

Selenkow (2. April): Ueber Anastomosenbildung zwischen 
verschiedenen Theilen des Magen-Darmtractus. 

Derselbe (26. November): Zur operativen Behandlung des 
Pleuraempyems. 

Severin und Schomacker (5. März): Ueber die Behandlung 
chirurgischer Tuberculosen mit dem Koch’schen Mittel im 
Nikolai-Kinderhospital. 

Tiling (15. October): Zwei Fälle von Arthrodese wegen 
paralytischen Schlottergelenkes. 

Geburtshilfe und Gynaekologie. 

Bidder (5. Februar): 

Clemenz (22. Januar): 

Dobbert (22. Januar): 

Dombrowsky (22. Januar): 

v. Rentein (5. Februar): 

v. Schrenck (19. März): Graviditas extrauterina, Laparo¬ 
tomie, Heilung. 

Wiedemann (22. Januar): Ueber Graviditas extrauterina. 

Nervenkrankheiten. 

Hellat (26. November): Fall von einseitiger Pharynxläh- 
mung. 

Openchowskv (30. April): Kall von Meningitis basilaris 
syphilitica, mit Äffection der Vierhügel und des Pons. 

Derselbe (14. April): Fall von atypischer progressiver Mus¬ 
kelatrophie. 


! Fälle von Graviditas extrau- 
terina. 


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Derselbe (14. April): Fall von partieller Epilepsie nach 
Hemiplegie. 

Derselbe (14. April): Tumor der mittleren Schädelgrube. 
Derselbe (10. December): Fall von Neuritis alkoliolica mit 
Affection der Oculoraotoriuskerne. 

Ssokolow (5. Februar): Fall von Syringomyelie mit mul¬ 
tiplen Gelenk Veränderungen. 

Augen- und Ohrenheilkunde. 

Germann (1. October): Fall von hochgradiger Myopie, mit 
Erfolg operirt. 

Hellat (19. März): Ueber die Anwendung des Pyoktanins 
in der Ohrenheilkunde. 

v. Schröder (19. März): Ueber die operative Behandlung der 
hochgradigen Myopie (nach Fukala). 

Derselbe (30. April): Noch ein Fall von hochgradiger Myo¬ 
pie, mit Erfolg operirt (complicirt mit Sckichtstaar). 

Hautkrankheiten und Syphilis. 

Petersen (5. März): Ueber die Verbreitung der Lepra in 
ßnssland. 

Derselbe (19. März): Fall von Elephantiasis. 

Derselbe (17. September): Ueber Temperaturschwankungen 
nach tiefen Injectionen von Hydrarg/rum salicylicum. 

Krankheiten der Harn- und Gesohleehtsorgane. 

Assmuth (15. October): Ueber chronische und latente Go¬ 
norrhoe. 

Ebermann (15. October): TFeber Endoskopie und Therapie 
der weiblichen Harnröhre. 

Hagen-Torn (12. November): Fall von Carcinom der Blase. 

Kinderheilkunde. 

Lunin (26. November): l 

Masing (26. Nov. u. 10. Dec.): i Ueber die Behandlung der 
Mossin (10. December): i Diphtheritis. 

Serck (10. December): J 

Fernere Vorträge. 

Buch (19. März): Ueber Kurpfuscherei und Wissenschaft. 
Fremmert (17. September): Ueber die Morbiditätsverhält- 
nisse in den Papierfabriken. 

Längere Discussionen fanden statt über: Graviditas extrau- 
terina, die Behandlung der Tuberculose mit dem Koch’schen 
Mittel, die Behandlung der Gonorrhoe, die Behandlung der 
Diphtheritis. Secretär: E. B1 e s s i g. 

Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

1170. Sitzung am 20. November '1891. 
Anwesend 46 ord. Mitgl. und 10 Gäste. 

1. Di*. F. Schultz demonstrirt folgende anatomische Prae- 
parate: 

a) Ein Herz, welches 4 Klappen am Pulmonalostium und 
ein offenes Foramen ovale aufweist (accidenteller Befund bei 
der gerichtl. Section eines über 60 Jahre alten Mannes). 

b) Ein Herz, an welchem dicht über der vorderen Aorten¬ 
klappe ein Aneurysma von der Grösse eines Damenfingerhutes 
sitzt, welches bei seiner Berstung den Tod verursachte. 

c) Die inneren Organe eines neugeborenen Kindes, welches 
anscheinend gesund geboren, immer schwächer athmete und 
nach einer halben Stunde starb; die linke Lunge ist gar nicht 
evolvirt, die rechte vorzüglich; im linken Pleuraraum finden 
sich, und zwar nicht von einem Bruchsack umschlossen, Ma¬ 
gen, Dünndarm, Milz und Nieren. In der Bauchhöhle befinden 
sich blo8 Dickdarm und Leber. 

d) Das Herz eines Selbstmörders, der sich durch einen Messer¬ 
schnitt in die Brust entleibt hatte. Bei der Section gelang es 
überhaupt nicht, an der Aussenseite der stark sugillirten Aorta 
eine Wunde zu finden, während an der Innenwand eine 4—5 
Mm. lange Querwunde sichtbar war. An dem im Laufe der 
Zeit geschrumpften Präparat gelingt es, auch an der Aussen- 
wand der Aorta die dort kaum einen Millimeter grosse Ver¬ 
letzung zu sehen. 

2. Dr. Schoenfeldt hält seinen angekündigten Vortrag 
»lieber das sogen. Ansteckungsirresein». 

Im Anschluss an die Vorstellung zweier Geisteskranker 
berichtet Vortr. über eine aus 6 Personen bestehende Kran¬ 
kengruppe die er seit l 1 /» Jahren zu beobachten Gelegenheit 
gehabt. 

Der Ersterkrankte, ein 29jähriger Maurergesell, leidet seit 
Jahren an ausgesprochener expansiver religiöser Paranoia und 
vermochtezweien Schwestern und seinem Bruder seine Wahnideen 
von der ihm zngefallenen Mission des wiedergekehrten Christus, 
seinem Welterlöserthum u. s. w. glaubhaft zu machen, so dass 
die Angehörigen nicht nur die äusserst auffallende Verände¬ 
rung in dem Wesen, der Haartracht etc. des Kranken unbe¬ 


hindert sich vollziehen Hessen, sondern auch die dem Pat. 
nothwendig scheinende Abänderung seiner Kleidung bewerk¬ 
stelligten. 

We$en Störung des Gottesdienstes der Anstalt Bothenburg 
überwiesen, gelang es ihm, in seinem Wärter sich einen gläu¬ 
bigen Jünger heranzubilden und unter thätiger Mitwirkung 
des Letztem auch noch auf den jüngern Bruder des Wärters 
das reUgiöse Wahnsystem zu übertragen. — Der ersterkrankte 
Maurergesell und sein ehemaliger Wärter werden vorgestellt, 
der jüngere Bruder ist bereits der Anstalt entnommen worden. 

Nach eingehender Wiedergabe der Krankheitsgescliichten 
bespricht Vortr. die diesbezügUche Litteratur und schHesst, 
nachdem er die Nothwendigkeit einer präcisen Begriffsbestim¬ 
mung begründet, den grössten Theil der hierher gezählten 
Fälle aus der Zahl der «Nachahmungspsychosen» aus. 

Die Annahme einer imitatorischen Psychose sei erst dann 
berechtigt, wenn 

1. bei der zweiterkrankten Person das Bestehen einer den 
bekannten Krankheitsformen sich anreihenden Psychose nach¬ 
gewiesen ist; 

2. die Geisteskrankheit der ersterkrankten Person die spe- 
cifische, nicht zufällige, Ursache der zweiten Erkrankung 
ist und wenn 

3. die zweite Erkrankung — als Product der Nachahmung 
— der Primärerkrankung in der Form gleichartig ist. 

^ (Autorreferat). 

(Der Vortrag wird in ausführlicher Bearbeitung im Druck 
erscheinen). 

Dr. Tiling macht auf die cardinaleBedeutung solcher Fälle 
von Imitationspsychose für die Beurtheilung der Aetiologie 
von Geisteskrankheiten aufmerksam. Sie beweisen, dass eine 
anatomische Hirnveränderung nicht die primäre Ursache einer 
Psychose zu sein braucht; dass solche Psychosen, eine Krank¬ 
heitsdisposition als Naturanlage vorausgesetzt, als abnorme 
Function von Centralorganen, die auch normal functioniren 
können, aufzufassen sind. — Die Prognose der Fälle ist fraglich: 
sie wild schlecht, wenn sie in ausgesprochene Paranoia' tiber- 
gegaifgen. 

Dr. Holst erkennt Dr. Schoenfeldt’s Kritik an der bezüg¬ 
lichen Litteratur im Allgemeinen voll an; glaubt aber, dass 
Vortr. in einem Falle (Finklenburg IV) zu weit gehe, und 
ebenso, dass das Postulat: die zweite Erkrankung müsse der 
Primärerkraukung in der Form völlig gleichartig sein, zu 
weit gegriffen sei. Im erwähnten Falle Finklenburg’s haben 
sich die Grössenideen des primären Falles von Dementia para- 
lvtica auf die Frau übertragen, die jedoch paranoiisch wurde. 
Dr. Holst will auch die Paralyse für geeignet halten, Imita¬ 
tionsirresein zu provociren; er fordert für den seenndären Fall 
blos, dass er im Anfangsstadium dem primären gleicht. 

Dr. Schoenfeldt fasst den erwähnten Fall Finklenburgs 
anders auf als Dr. Holst: die im Klimakterium befindüche Frau 
gerieth bei der anstrengenden Pflege des paralytischen Mannes 
aus ihrem psychischen Gleichgewicht und reproducirte in der 
Anstalt anfangs Grössenideen ihres Mannes, die sie aus tau¬ 
sendfältigem Hören in frischem Gedächtniss hatte. — Dass Pa¬ 
tienten in der ersten Zeit ihres Anstaltsaufenthalts Reminis- 
cenzen aus jüngster Zeit reproduciren, sei nun ein so gewöhn¬ 
licher Fall, dass sich dies für die Diagnose imitatorischen 
Irreseins durchaus nicht, verwertlien lässt. 

Dr. Donner sieht in dem zweiten Falle des Vortr. nicht 
ein imitirtes, sondern ein suggerirtes Irresein, und proponirt 
überhaupt letztere Bezeichnung an Stelle erstererzu setzen — 
ein Vorschlag, auf den Dr. Schoenfeldt nicht eingeht, weil 
in einer Beihe von veröffentlichten Fällen absolut keinerlei 
Beeinflussung des Zweiterkrankten von Seiten des Erster¬ 
krankten stattgehabt habe; — in den meisten Fällen spielen, 
wie in seinen, Beeinflussung und Nachahmung gleichzeitig eine 
Rolle, letztere aber die grössere. 

Wegen vorgerückter Stunde wird die Fortsetzung der Dis- 
cussion auf die nächste Sitzung verschoben. 

1171. Sitzung am 4. December 1891. 

Anwesend 54 ord. Mitgl. und 12 Gäste. 

1. Praeses widmet dem verstorbenen permanenten Gaste 
Dr. J. A. Berendt, sowie dem verstorbenen ord. Mitgliede 
der Gesellschaft, Medicinalinspector Dr.N.Hess warme Worte 
des Nachrufs. Die Gesellschaft ehrt das Andenken der Ver¬ 
storbenen durch Erheben von den Sitzen. 

2. Im Anschluss hieran berichtet Dr. Hampeln über den 
Krankheitsverlauf, Dr. Krannhals über den Sectionsbefund 
bei dem verstorbenen Collegen Hess. 

Dr. Hess bot vor etwa 2 Jahren Veranlassung an die Entwicke¬ 
lung eines Herzleidens zu denken, doch ohne irgend welche 
scheinbare oder offenbare Iusufficienzerscheinungen. Weder 
Schmerzen, noch Athemnoth, noch Herzklopfen bestanden; der 
Urin, oft untersucht, erwies sich stets normal, nur die Ver¬ 
dauung war etwas träge. Der Aufenthalt in Marienbad und 
Carlsbad that ihm wohl. Eine Consultation in Berlin und nach 
einigen Monaten in Dorpat hatte wie der Verstorbene erzählte, 


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keine Zurück Weisung: des Verdachtes eines Herzleidens erge¬ 
ben,. doch wurde die Beschaffenheit der Verdauungsorgane, die 
Unterleibsplethora als wesentlich betont, um so mehr, als 
objective Zeichen einer Herzerkrankung sicherer Art nicht 
Vorlagen. So war es in den verflossenen 2 Jahren. Im August 
dieses Jahres hörte Vortrgd. zum ersten Mal ein leises systo¬ 
lisches Aortengeräusch, aber nicht immer, bei normalem Pulse 
und übrigens intacter Herzaction. Seitdem klagte H. über 
leichte Drnckempfindnngen in der Magengegend. Vortrgd. war 
geneigt, diese als leichte Attaquen von Angina pectoris aufzu¬ 
fassen und verordnete Jodkali. Einige Zeit später traten sich 
häufig, auch Nachts wiederholende, als Koliken empfundene, oft 
heftige Schmerzen ein, verbunden mit gurrenden Geräuschen. 
Meist hörten sie plötzlich auf, nachdem Gase oder der feste 
Darminhalt scheinbar die Gebend oberhalb des Nabels passirt 
hatte. Meist erfolgteein Stuhl oder gingen wenigstens reichlich 
Flatus ab. Aber auch die erschütternde Bewegung des Fahrens 
wurde unangenehm empfunden und pflegteH. zur Abschwächung 
des Stesses znsainmengekanert zu sitzen und den Leib mit den 
Händen zu stützen. Wenn Vortr. dennoch eine Weile, oft zum 
Aerger des Patienten, an der Annahme einer Angina festhielt, 
so geschah das doch nur, weil er seinen Schilderungen und 
seiner Localisation nicht gleich traute. Allgemach aber musste 
er sich überzeugen lassen, dass in der That eine intestinale 
Neuralgie vorlag, für welche in der chronischen, Wochen 
dauernden Obstipation genügende Veranlassung gegeben zu 
sein schien. Es kam nur mit Hilfe von Laxantien und Darm¬ 
spülungen zu flüssigen, breiigen und spärlichen, mitunter 
schleimigen Ausleerungen, nie zu normal gefärbtem und geform¬ 
tem Stuhl. So war es dem Vortr. denn ein Trost zugeben zu 
können, dass ein Darmleiden nnd zwar ein selbständiges vor¬ 
liege, obschon sich die freilich leicht zu beseitigende Befürch¬ 
tung eines stenosirenden Neoplasmas oder einer Stenose, an¬ 
derer Provenienz mitunter regte. So ging es. schliesslich bei 
leidlichem Befinden bis zum 26. Nov. 1891. An diesem Tage 
wurde Vortr. um 5 Uhr Nachmittags zum Kranken berufen. 
Er wfir nach einer guten Nacht bei Tisch plötzlich von einem 
äusserst heftigen Schmerz in der Regio epigastrica befallen 
worden, bot jetzt das Bild eines schweren, lebensgefährlichen 
Zustandes. Kalte Extremitäten, ein weicher, kleiner, kaum fühl¬ 
barer ßadialpuls (140 in der Min.) wiesen auf die Betheiligung 
des Herzens hin. An Stelle des ersten Herztones ein leiser, 
kaum hörbarer Doppelton, ein ebenso leiser 2. Aortenton, 
Galloprythmus, kein Spitzenstoss, Herzdämpfung nicht ver¬ 
breitert. Zunächst w'urde an die Möglichkeit einer blossen 
Ohocwirkung gedacht, in zweiter Reihe an Perforation eines 
Aneurysma in den Herzbeutel, den ret;roperitonealen Raum, an 
Aneurysma dissecans. Darum zunächst Opiate und Eis. Erstere 
Annahme einer Chocwirkung wurde bald aufgegeben, als die 
Herzschwäche trotz nachlassender Schmerzen fortdauerte- Aber 
auch die Perforation eines Aneurysma konnte, je länger das 
Leben währte, nachdem im Laufe von 16 Stunden sogar eine 
geringe Aufbesserung der Herzkraft bemerkbar wurde, zurück¬ 
gewiesen werden; ebenso die Annahme eines An. dissecans: So 
wurde denn bald die Ueberzeugimg nahe gelegt, dass die Ur¬ 
sache der acuten Herzparese im Herzmuskel selbst zn 
suchen sei nnd zwar höchst wahrscheinlich in einer 
Infarcirungdes Herzens inFolgevonThrombosirnng 
oder Embolisirung der Art- conaria und dieses wieder 
in Folge einer Sklerose der Coronararterie. Dieser 
Diagnose schlossen sich denn auch die hinzugezogenen Colle- 
gen an. Ja, es knüpfte sich an sie die Hoffnung, es könnte, 
wenn nur noch eine Weile das Leben erhalten bliebe, ein 
Collateralkreislauf sich ausbilden und so wieder relative Gene¬ 
sung eintreten. 

Diese Hoffnung auf ein wenn auch unwahrscheinliches, so doch 
mögliches Ereigniss wurde jedoch bald vernichtet. Etwa 2 Tage 
nach Beginn der schweren Erkrankung, am 28. Nov. Mittags 
V»3 Uhr, fand Vortrgd. den Patienten, welcher vorher sich 
relativ wohl gefühlt hatte und an seine mögliche Genesung zn 
glauben begann, im schlimmsten, jetzt wohl hoffnungslosen 
Zustande. Geringe Benommenheit. Athemnoth. R. 40. wieder 
eiskalte Extremitäten, verfallene Gesichtszüge, keine Spur von 
einem Radialpulse, keine Spur von einem Herztone oder einer 
Herzerschiitierung, nur an der Carotis lässt sich eine Puls¬ 
regung bei übrigens stets ungestörter Regelmässigkeit von 
52 in der Min. nachweisen. Bald entwickelte sich das Cheyne- 
Stoke'sche Phänomen. Während der nun bis zum Abend ein¬ 
geleiteten Chloroformnarkose (es waren c. 100 Gramm ver¬ 
braucht) und unter fortgesetzten Injectionen von Campheröl 
(stündlich 2 Spritzen, im Ganzen c. 7,0 Gramm) trat wiederum 
geringe Besserung ein. Das Cheyne-Stoke’sche Athmen wich 
dem gewöhnlichen Typus, die Kälte der Extremitäten Hess nach, 
Patient wurde ruhiger; die Herzthätigkeit freilich bewahrte 
den gleichen objeetiven Charakter grösster Schwäche. Dabei 
blieben die Lungen frei, nur im Bereich des rechten Unter¬ 
lappens etwas Rasseln. Anurie. Die Nacht vom 28. auf den 29. 
Nov. wurde ruhig verbracht und verlief auch der nun folgende 
Tag, der 29. Nov. bei besserem Befinden. Es wurde wieder 
Nahrung (Bouillon. Gelee, Wasser mit Wein) angenommen, das 


anfängliche Erbrechen galliger Massen hatte aufgehört, die 
Extremitäten waren weniger kühl, Respiration 40 in der Min.,- 
regelmässig und gleichmässig, keine Cyanose, 2. Aortenton 
wieder vernehmbar, sonst die gleiche Pulslosigkeit. Es lässt 
sich dieses Mal der harte, verdickte, schmerzhafte Leberrand 
unterhalb des Rippenbogens bei erschlafften Bauchdecken 
deutlich fühlen; die Herzdämpfung ist nach links über die 
Mamillarlinie hinaus stark ausgedehnt. An diesem letzten Tage 
ereignete sich nichts Besonderes, bis Abends V*9 Uhr mit einem 
inspiratorischen Schrei plötzlich die Respiration stockte und 
nun auch in wenigen Minuten der Tod erfolgte. 

Die Section ergab: myokarditische Herde beider hyper- 
trophirter Ventrikel, hochgradige Sklerose der Art. corouaria 
beiderseits, Thrombosirnng ihres linken Astes, Verdickung des 
Endokards, der Aortenklappen, Sklerose der Aorta, arterioskle¬ 
rotische Schrumpfniere, grosse, harte Leber, vergrösserte Milz. 
Lungen normal. Keinerlei Hydrops. 

Es erfuhr also einerseits die intra vitam gestellte Diagnose 
einer Thrombosirnng der sklerosirten Coronararterien eine Be¬ 
stätigung, andererseits wurde durch die Section eine Erkran¬ 
kung der gesammten Gefässapparates aufgedeckt, welche nicht 
erst seit gestern entstanden sein konnte, nämlich die vorge¬ 
schrittene Aorten-Coronarsklerose, Nieren- und Lebersklerose, 
endlich die ausgedehnte Myokarditis und Herzhypertrophie. Es 
drängt sich darum die weitere Frage nach den Beziehungen 
dieses anatomischen Befundes zu den früheren Krankheitser¬ 
scheinungen auf. Da überrascht denn zunächst die Fülle anato¬ 
mischer Veränderungen, auf welche während des Lebens kein 
klinisches Zeichen hingewiesen Hat. Ein Beispiel mehr für die 
Thatsache, dass wichtige anatomische Veränderungen auch 
dieses Organs mit klinischer Latenz wohl vereinbar sein können, 
welches wir darum einfach zu registriren haben. Auf der an¬ 
deren Seite ist trotz dieser Fülle eine Erklärung der in den 
letzten Wochen auffallenden Leibschmerzen nicht ohne Wei¬ 
teres gegeben. In erster Reihe dürfte da wohl an eine larvirte 
Angina pectoris gedacht werden, da, wie andere Erregungs¬ 
zustände. auch die der sensiblen Herznerven nicht am Erre¬ 
gungsorte selbst, sondern zugleich, oder selbst allein in ent¬ 
fernten Nervengebieten als Schmerz zur Wahrnehmung gelan¬ 
gen können. Tn diesem Falle jedoch glaubt Vortrgd.. alles das 
zugegeben und ganz abgesehen von der grossen Seltenheit 
eines Versteckens der Angina pectoris hinter einer Enteralgie. 
eine derartige Erklärung znrückweisen zu müssen, ohne darum 
den freilich verborgen gebliebenen Zusammenhang der abdo¬ 
minalen Visceralgie mit dem Herzleiden zu negiren. Für 
die Selbständigkeit der abdominalen Visceralgie spricht ihre 
Abhängigkeit von der Fortbewegung des Darminhaltes durch 
das Colon transversum, von der Haltung des Kranken, erschüt¬ 
ternden Bewegungen, endlich das Zusammenfällen der Stelle 
des spontanen Schmerzes mit dem dem Leberrande entsprechen¬ 
den Druckschmerz. Diesen hält Vortrgd. darum auch für den 
eigentlichen Schmerzherd. Dieses spricht aber für die Abhän¬ 
gigkeit des Schmerzes vom Herzleiaen überhaupt, welches ja 
eine Stauung der dazu cirrhotischen Leber, wohl in den letzten 
Wochen, bewirkt hatte. Welch heftige Schmerzen aber eine 
Stauungsleber begleiten können, ist bekannt genug. Es hat 
sich in den letzten Lebenswochen um einen Leberschmerz ge¬ 
handelt, begründet in der venösen Stauung und gelegentlich 
durch die Darmbewegungen und körperliche Erschütterungen 
hervorgerufen. Von ihm ist gänzlich zu scheiden die letzte 
heftige, den tödtlichen Ausgang einleitende Schmerzattaque, 
welche ganz nach Art einer schweren Angina pectoris einsetzte 
nnd sich auch mit dem bekannten Schmerz im linken Arm 
verband. 

Wir haben es hier also wieder mit einem wichtigen Fall 
einer allgemeinen, die Organe ergreifenden Sklerose zu thun, 
um so lehrreicher, als ihre unheilvollen Wirkungen sich in so 
rascher Folge entwickelten und noch dazu in ungewöhnlicher, 
französischerseits bereits betonter Reihenfolge. Das erste präg¬ 
nante klinische Symptom Lebersklerose und davon abhängige 
Darmsymptome bei latenter Nieren -— und Herzsklerose, endlich, 
kurz vor Thoresschluss. die acuten, rasch zum Tode führenden 
Erscheinungen der Herzerkrankung. Letztere gruppirten sich 
zum Bilde einer Herzinfarcirung: hochgradige Herzschwäche, 
plötzlich und anhaltend leerer Puls bei fehlenden Stanungser- 
scheinungen, Anurie, geringe Besserung, dann wieder Ver¬ 
schlimmerung bis zu völligem Stillstände der Herzthätigkeit, 
anfänglich beschleunigter, schliesslich verlangsamter Puls. 

3. Dr. A. Bergmann verliest seinen angekündigten Vor¬ 
trag: «Zur Indication der Trepanation». 

Vortr. stellt einen 24jährigen Arbeiter vor, der sich am 
3. October c. 2 Revolverkngeln in die rechte Schläfe geschos¬ 
sen. Die etwa 3 Mm. messende Einschussöffnung liegt dicht 
vor dem oberen vorderen Rande des Helix, die zweite höher 
und mehr nach vorn. Kein Bewusstseinsverlnst. kein Erbre¬ 
chen, klares Sensoriiun. Nachdem sich in der Nacht auf den 
5. October grosse Unruhe eingestellt, bei einer Pulsfrequenz 
von 53, die Temperatur auf 38,4 gestiegen, wird operativ ein- 
egriffen. Der oberen Wunde entsprechend findet sich im 
tirnbein eine 2 Ctm. lange und IV» Ctm. breite Schussfrac- 


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tar; die Knochenfragmente liegen fast alle extradural, das 
Loch in der Dura liegt nach oben und vorn von der äusseren 
Schädelwunde; aus der Wunde dringen Blutcoagula und Hirn¬ 
bröckel: im Stirnlappen eine kleinapfelgrosse Höhle. Die Ku¬ 
gel wird nicht gefunden. Tamponade der Wunde mit sterili- 
sirter Gaze. Der zweite Schusscanal liegt tangential zum 
knöchernen Schädel, er wird nicht weiter verfolgt. Bis zum 
22. Oct. allnächtliches Bettnässen; viel Kopfschmerzen, die 
um den 10. Novbr. schwinden. Am 14. Novbr. hat sich die 
Hirnwunde geschlossen. 

Vortr. referirt über 3 weitere Fälle von Trepanation wegen 
complicirter Schädelfractur mit Hirnverletzung, von denen 
zwei Verletzungen des Stirnlappens geheilt wurden, während 
eine Verletzung des Schläfenlappens erst 12 Stunden nach 
der Verletzung zur Operation kam und durch Meningitis letal 
endete. 

In Betreff der Trepanation wegen Hirnabscess theilt Vortr. 
4 Krankengeschichten mit, welche die Schwierigkeit der Dia¬ 
gnose bei fehlenden Herdsymptomen illustriren. 2 betreffen 
eitradurale Abscesse, in einem Fall handelt es sich um H\- 
drops des rechten Seitenventrikels bei einem tuberculösen 
Individuum. Im 4. Fall — Comiuinutivfractur des Unterkiefers 
durch einen Balken, welcher von der linken Seite her den 
Kopf des Bat. getroffen — ti eten am 8. Tage nach der Verlet¬ 
zung folgende Erscheinungen auf: Fieber, linksseitiger Kopf¬ 
schmerz, Erweiterung der linken Pupille und Retinalhype- 
raeinie, Bücken- und Nackenschmerzen bei ansteigender Temp. 
Puls verlangsamt und dikrot. Die Hauttemperatur hinter dem 
linken Ohr um 0,6 u. mehr höher als hinter dem rechten. 
Diagnose: Basisfractur durch die mittlere Schädelgrube, Abs- 
cess im Schläfenlappen. Trepanation: die Dura pulsirt nicht, 
das Scalpell wird nach mehreren Richtungen hin ins Hirn 
gesenkt, stösst aber nicht auf Eiter. — Am folgenden Tage 
Puls 82, am übernächsten Tage Temperaturabfall und Schwin¬ 
den sawmtlicher Erscheinungen in den nächst folgenden Ta¬ 
gen; ungestörte Heilung. (Autorreferat). 

4. Fortsetzung der Discussion über Dr.Schönfeldts 
Vortrag über das sog. Ansteckungsirresein. 

Dr. Packiewicz sieht in der Nachahmung bereits ein 
Symptom der Erkrankung, die Ursache dagegen in Suggestion 
und will die Krankheit von Dr. Schoenfeldt’s erstem Pat. mit 
Paranoia hallucinatoria, die des Zweiterkrankten mit Paranoia 
suggestiva bezeichnen. 

Dr. Tiling giebt die Möglichkeit zu,dass nur ein Kranker 
ein solches Krankheitsbild imitirt. — Die Bezeichnung »Para¬ 
noia hallucinatoria’ für den Fall sei nicht wohl anwendbar, 
weil Hallucinationen in dem Krankheitsbilde anderen Erschei¬ 
nungen gegenüber sehr zurückt raten und sich überhaupt nur 
ganz vorübergehend zeigten. Den Fall 11 ins Gebiet der ge¬ 
wöhnlichen Paranoia zu zahlen, ist unthunlich, weil diese ein 
protrahirtes Initialstadium hat. während dessen nur vage ner¬ 
vöse Symptome beobachtet werden und bei dieser Krankheit 
erst spät ein festes Wahnsystem auftritt. Das feste Wahu- 
system ist aber die erste Krankheitsäusserung des Pat. II — die 
Erkrankung kann demgemäss nicht als gewöhnliche Paranoia 
aufgefasst werden. 

Dr. Schönfeldt führt aus, wie die Nachahmung, eine Le- 
bensftusserung eines jeden Menschen \on der Wiege an, an und 
für sich noch kein Ausdruck von Geisteskrankheit ist. Aus¬ 
führliche Behandlung der äusserst subtilen und schwierigen 
Frage, wieweit Beeinflussung und wieweit Nachahmung eine 
ursächliche Rolle gespielt, sei in dem Rahmen des einen Vor¬ 
trags unthunlich gewesen; er hoffe dies noch in einem besou- 
dern Vortrage thun zu dürfen. In der Litteratur werde diese 
Frage nur selten berührt, und wo dies geschieht, da falle die 
Antwort in dem Sinne aus, dass Suggestion nur selten, und 
nie die einzige Ursache der Iraitationspsychosen sei. 

Dr. Holst erklärt sich mit dem Gedanken Dr. Donner’s, die 
Imitationspsychosen mit Suggestion zu erklären, nicht einver¬ 
standen. Dr. Hol st will von Suggestion nur sprechen, wenn 
die Absicht des Suggerirenden in seinem Object eine be¬ 
stimmte Vorstellung hervorzurufen, vorliegt. Bei Geistes¬ 
kranken könne doch von der Absicht, einem Andern seine 
patholog. Erscheinungen zn übertragen, nicht wohl die Rede sein. 

Dr. Dehio führt aus, wie ungeheuer schwierig es sei, eine 
scharfe Grenzlinie zwischen Suggestion und Nachahmung zu 
ziehen. Nicht speculativ, sondern auf klinischem Wege sei 
zu entscheiden, welcher von diesen Factoren bei den sogen. 
Imitationspsychosen die maassgebende Rolle spiele. — Für 
Dr. Schönfeldt’s Fälle sei entscheidend, dass der,Ersterkrankte 
bereits etwas schwachsinnig war, als sein Wächter krank 
wurde; ein Schwachsinniger könne nun doch nicht wohl einem 
Nichtimbecillen etwas suggerireu. Die thatsächliche Prädis¬ 
position zur psychischen Erkrankung beim Zweiterkrankten 
halte er lur sehr viel wichtiger als den Einfluss des Erst¬ 
erkrankten auf ihn. — Aus der Litteratur kennt Dr. Dehio 
eine Reihe von Fällen, wo jeder Einfluss völlig ausgeschlos¬ 
sen ist j die Möglichkeit jedoch, dass auch Suggestion densel¬ 
ben Effect haben könne, wie für’s Gewöhnliche die Imitation, 
wolle er zugeben. 


Dr. Donner concedirt den Vorrednern nichts. Er sehe 
keine Veranlassung den Begriff «Suggestion» so eng zu fassen, 
wie Dr. Holst es gethan, da es Suggestion ohne Absicht giebt. 
»Ich sehe in der Beeinflussung eines Menschen durch den An¬ 
dern immer Suggestion». 

Dr. Eduard Schwarz warnt wie Dr.Holst, vor der ver¬ 
wirrenden Verallgemeinerung des Begriffs «Suggestion». Das 
Wort ist in Gebrauch gekommen für die specitische Beein¬ 
flussung in Hypnose. Wird derartige Beeinflussung ohne 
Hypnose ausgeübt, so füge man, wohlbegründeter Weise, stets 
hinzu: Suggestion in wachem Zustand. Man liäbe nur 
Veranlassungj bei diesem Gebrauch zu verbleiben, keinerlei Ur¬ 
sache jedoch sich Dr. Donn er’s Verallgemeinerung des Begriffs, 
«Suggestion» anzuschliessen. Ein Mensch beeinflusst den andern 
durch Beispiel, durch Befehl, durch Anregung zum Nachden¬ 
ken etc. — warum soll dieses Alles Suggestion genannt wer¬ 
den ?! 

Da die Discussion auf die Frage der Suggestion übergegan¬ 
gen ist, über dieses Thema aber für die nächste Sitzung ein 
\ 7 ortrag in Aussicht steht, wird auf Vorschlag des Präses die 
Discussion geschlossen. 

5. Dr. Hampeln demonstrirt Leber und Milz des Patienten, 
welchen er am 20. Marz 1890 in der Gesellschaft als einen 
Fall von Lebercirrhose, der den Ausgang in relative Genesung 
genommen, vorstellte. Derselbe ist jüngst an einer intercur¬ 
renten Krankheit gestorben. 

z. Z. Secretair: Heer wagen. 


Vermischtes. 

— Die Professoren der militär-medicinischen Academie L. W. 
Popow (Therapeut) und N. P. Iwanowski (Patholog) sind 
nach Ausdienung der 25jälirigen Dienstzeit auf weitere 5 
Jahre in ihren bisherigen Stellungen belassen worden. 

— Der Prosector beim Lehrstuhl der Anatomie an dermili- 
lär medicinischen Academie, Dr. b. N. Delizin, hat sich mit 
einstimmiger Genehmigung der Conferenz als Privatdocent 
für Anatomie an der Academie habilitirt. 

— Der Professor der Hygiene an der Moskauer Universität, 
Dr. Erismann, hat seine Stellung als Leiter des Landschafts- 
Sani tätswesens im Gouvernement Moskau mit dem Beginn 
dieses Jahres aufgegeben. 

— Verstorben: 1) Am 30. Januar in Twer der frühere 
Mediciual-inspector, Staatsrath Dr. Paul Milowski, welcher 
sich erschossen hat. Der Verstorbene sah sich im vorigen Jahre 
genöthigt, seine Stellung als Medicinal-lnspector aufzugeben und 
w'ar in Folge dessen schwermüthig geworden. Die Liebe und 
Achtung, welche M. unter seinen Collegen und im Publicum 
genoss, sprach sich deutlich bei seiner Bestattung aus. Es ist 
bereits eine Summe zu einem Denkmal für den Verstorbenen 
gesammelt worden. 2) In Kronstadt der frühere ältere Ordi- 
nator am dortigen Marienhospital, Staatsrath W. S. A lasche - 
jew im 62. Lebensjahre. 3) In Nikolajew der ältere Urdinator 
und Professor am Marienhospital daselbst, Staatsrath J. 0. 
Popow. 4) In Moskau am 8. Februar der dortige praktische 
Arzt Anton Diemunsch. 5) In Brüssel am 27. Februar n. 
St. der frühere Generalinspector des Sanitätswesens der bel¬ 
gischen Armee, Dr. Charles Hubert De Change. Der Ver¬ 
storbene, welcher früher an der Lütticher Universität docirte, 
war ein bedeutender Chirurg und hat sich durch seine gelehrten 
Schriften, sowie durch die von ihm erfundenen Verbesserungen 
chirurgischer Instrumente bekannt gemacht. 6) In Heidelberg 
der dortige auch in weiteren Kreisen bekannte Pauk-Dootor 
Friedr. Immisch im 72. Lebensjahre in Folge eines Schlag- 
ttusses. Seinem Wunsche gemäss wurde die Leiche im neuen 
Crematorium in Heidelberg verbrannt. Immisch hat fast 44) 
Jahre lang das Amt eines Paukarztes bei den Studenten in 
Heidelberg versehen; während dieser Zeit hat er mehr als 
30,000 Mensuren beigewohnt. 

— Am 22. Februar fand im Sitzungssaale der städtischen 
Duma die statutengemässe Generalversammlung der St. Pe¬ 
tersburger ärztlichen Gesellschaft zur gegenseiti¬ 
gen Hilfe statt. Die von etwa 200 Mitgliedern besuchte Ver¬ 
sammlung, welcher Prof. Iwanowskij präsidirte, nahm mit 
Befriedigung die Berichte des Präsidenten des Vorstandes 
Dr. Ebermann, des Secretärs Dr. Tscherepnin und des 
Cassirers Dr. Trojanow entgegen. Aus den Berichten geht 
hervor, dass die Gesellschaft ihre in den Statuten ausge¬ 
sprochenen Ziele im ersten Jahre ihres Bestehens in erfreu¬ 
licher Weise verfolgt hat, und zwar in dreierlei Richtung: 
materielle Unterstützung hilfsbedürftiger Collegen und deren 
Angehöriger, Vertretung einzelner Mitglieder vor Gericht und 
Schlichtung persönlicher Differenzen zwischen Collegen durch 
das Ehrengericht. Die gewährten Unterstützungen konnten 
freilich bei den noch geringen. Geldmitteln der Gesellschaft 
nur bescheidene sein. Die Vertretung der Mitglieder vor Ge¬ 
richt durch den Jurisconsulten der Gesellschaft, Herrn Rechts¬ 
anwalt Leon tjew, hat sich in zwei Fällen glänzend bewährt: 
in dem einen wurde der verklagte College in zwei Instanzen 
lreigesprocheu, in dem anderen das gerichtliche Verfahren ein* 


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90 


gestellt. Das Ehrengericht trat im Berichtsjahre zweimal zu¬ 
sammen. Folgende Fragen wurden von der Versammlung dem 
Vorstande zur Berathung überwiesen: Gründung eines Con- 
sumvereins. Gewährung von Darlehen an Mitglieder der Ge¬ 
sellschaft. collective Lebensversicherung von Mitgliedern. Das 
Ehrengericht, welches in seinem gegenwärtigen Bestände per 
acclamationem für das nächste Jahr wieder gewählt wurde, 
soll eine Instruction für die Ehrenrichter ausarbeiten, in wel¬ 
cher die Competeuzen derselben fixirt werden. Zu Ehrenmit¬ 
gliedern der Gesellschaft wurden erwählt: der Präsident des 
Medicinalraths, Akademiker Geh.-Rath Pascliutin, der Direc- 
tor des Medicinaldepartemens. wirkl. Staatsrath Dr. ßagosin, 
und der Oberprocureur Geh.-Rath Koni. In einigen Gouverne¬ 
mentstädten sind Zweigvereine entstanden oder in Entstehung 
begriffen. 

— Nach dem soeben herausgegebenen Personal verzeich¬ 

niss der Kais. Universität zu Dorpat, welches zum ersten 
Mal in russischer Sprache erschienen ist, betrug die Gesa mint- 
zahl der Studirenden zum 1. Februar a. J. 1682 gegen 
1723 am 1. September und 1784 am 1. Februar 1891. Die medici- 
nische Facultät hat trotz des allgemeinen Rückganges der 
Zahl der Studirenden gegen das vorige Semester doch noch 
einen Zuwachs erfahren: die Zahl der zu derselben gehörenden 
Studirenden beläuft sich auf 1017 gegen 1014 im vorigen 
Semester. Was die Herkunft der Studirenden betrifft, so stam¬ 
men aus den Ostseeprovinzen 1020 (gegen 1044 im vorigen 
Semester), und zwar aus Livland 591 (gegen 606) aus Kurland 
313 (gegen 303' und aus Estland 116 (gegen 135). Die Zahl 
der aus dem Innern des Reiches Stammenden betrug insge- 
sammt 635 (gegen 674 im vorigen Semester). Die Zahl der 
Ausländer betrug 7 und diejenige der nichtimatriculirten Zu¬ 
hörer 8. . (N. D. Ztg.). 

— Die Königl. Academie der Medicin und Naturwissen¬ 
schaften in Brüssel hat für die Bearbeitung der von ihr ge¬ 
stellten Preisaufgabe: lieber die Aetiologie, Diagnose und Be¬ 
handlung der Eileiterentzündungen» den Preis Leutin (gross 
5000 Frcs.) einstimmig einem deutschen Arzte. Dr. Theodor 
landau in Berlin, zuerkannt. Die in französischer Sprache 
verfasste Monographie wird auf Kosten der Academie ver¬ 
öffentlicht werden. 

— Der 17. französische Chirurgen-Congress wird 
unter dem Vorsitz de* Prof. Demo ns (Bordeaux) am 18. April 
n. St. in Paris eröffnet werden. Auf der Tagesordnung stehen: 
die chirurgische Gangrän, die infectiösen Processe bei Erkran¬ 
kungen des Harnapparates und die Chirurgie der Gallenwege. 

— Wie die «Allg. med. Ceutral-Ztg.» erfährt, wird Prof. 
Klebs, welcher bekanntlich die Impfungen mit dem von ihm 
dargestellten «Tnbemilocidin» fortsetzt, in nächster Zeit die 
bisherigen Ergebnisse seiner Forschungen über dieses Mittel 
in Form einer Brochüre veröffentlichen. 

— In der Kiew’schen geburtshilflichen Klinik hat ein Stu¬ 
dent (im I. Semester), welcher eine Kianke daselbst besuchte, 
diese Kranke und darauf sich selbst erschossen. 

— Die Influenza-Epidemie ist bei uns, wie auch in allen 


Theilen des russischen Reiches in rapider Abnahme begriffen. 
Aus Deutschland. Oesterreich. Frankreich und England wird 
dasselbe gemeldet. Nur Belgien, Dänemark und scandinavische 
Halbinsel weisen noch nenneswerthe Ziffern auf. 

-- In vielen Städten des Ostens und Südens von Russland, 
namentlich aber in den von der Hungersnoth heimgesuchten 
Gegenden, herrscht der Flecktyphus epidemisch und breitet 
sich immer weiter aus. Odessa, Charkow, Kasan, Saratow, Pensa, 
Jekaterinburg und andere grosse Städte haben eine so grosse 
Zahl von Typnuskranken, dass besondere Typkushospitäler ein¬ 
gerichtet werden mussten. In Charkow sind die Aerzte Trach¬ 
tenberg, Tschugajew und Krawzow, in Kasan Dr. Ar¬ 
no Ido w am Flecktyphus erkrankt. In Jekaterinburg ist eine 
Strasse fast im Centrum der Stadt für den Verkehr gesperrt 
worden, da diese Strasse zu den vom Flecktyphus inlicirten 
gehört. 

— Die von der Kasanschen Duma beabsichtigte Errichtung 
eines Cordons um die Stadt zur Abwehr der Verschleppung 
des Typhus durch einwandernde Bauern (cfr. Nr. 5, S. 55 un¬ 
serer VVochenschr.), wird nicht zu Stande kommen, da der 
Gouverneur eine derartige Maassregel für ungesetzlich er¬ 
klärt hat. 

— Wie die Tagesblätter melden, soll das beim Medicinalde- 
partement ausgearbeitete Project einer Honorar-Taxe füi 
Aerzte bereits dem Reichsrath zur Bestätigung unterbreitet 
worden sein. 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 3. März. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli- 
ch en Vereins Montag den 9. März. _ 

Schering’s Pepsin-Essenz. Verdauungsbeschwerden, 
Trägheit der Verdauung. Sodbrennen, Magenverschleimung, 
die Folgen von Unmässigkeit im Essen und Trinken werden 
durch diesen angenehm schmeckenden Wein binnen kurzer 
Zeit beseitigt. 

Bad Hall in Obe rösterreich im Besitze der stärk¬ 
sten Jodsoole des Continents und in Folge seiner glänzenden 
Heilerfolge bei Scropliulose und allen Erkrankungen, bei wel¬ 
chen Jod einen wichtigen Heilfactor bildet, schon seit Jahren 
von Erwachsenen und Kindern stark freqnentirt, erfrent sich 
in den letzten Jahren einer stets steigenden Frequenz, so dass 
seitens des oberösterreichischen Landesausschusses als Verwal¬ 
ters des Haller Kurfondes bereits Vorkehrungen getroffen wer¬ 
den, um bei der zu gewärtigenden weiteren Steigerung dev 
Frequenz allen Ansprüchen der Kurgäste entsprechen zu können. 
Zu Beginn der Saison 1892 wird auch das neuerbaute, modernen 
Anforderungen entsprechende Armenbadehospital in Bad Hall 
seiner Bestimmung übergeben. Nachdem die Eisenbahnstrecke 
Steyr—Pergern—Bad Hall bereits im December v. J. dem Ver¬ 
kehre übergeben wurde, ist nunmehr Bad Hall nicht nur über 
Linz (via Kremsthalbahn), sondern tuch über Steyr direct per 
Bahn zu erreichen. 



ANNONCEN JEDER ART werden in der Buchhandlung von CARL RICKER in 

St. Petersburg, Newsky-Pr. 14, sowie in allen in- und ausländ. Annoncen-Comptoiren angenommen. 



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nach Vorschrift von Dr. Oscar Liebreich, Professor der ^ 
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Niederlagen in fust sämmtlicheu Apotheken und Droguenhandlungen. ~4 




aase. Cn6. 28 (espui 1892 r. 


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XVII. 


JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


HEIMISCH WOOmSCIWT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Earl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. , Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
$onnaben d. — Der Abonnemsntapreis ist in Bauland 8 Rbl. fiir das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xniertiomprels 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogeu honorirt. 


IC Aboünementa-Auftr&ge sowie alle Inserate "W 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von (Jarl Bioker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect 14, zu richten.— Äannsoripfce 
sowie alle aul'aie Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjauskaja H 33, Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich von 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


JG 10 


St. Petersburg, 7. (19.) März 


1892 


Inhalt: Zoege von Manteuffel: Casuistische Mittheilungen. — Max von Strauch: Myomectomia in graviditate. — 
Referate: H. Büchner: Tuberkulin Wirkung durch Proteine nicht speciiisclier Bakterien. «— W. Siebei: Pharmakologische 
Untersuchungen über Salophen, ein neues Salicylsäurederivat. — A. Mar tin und Mackenrodt: Was leistet die Elektrotherapie 
der Myome? — Bticheranzeigen und Besprechungen: S. v. Basch: Allgemeine Physiologie und Pathologie des Kreis¬ 
laufes. — Theodor Husemann: Handbuch der Arzneimittellehre. -• Auszug aus den Protokollen der Medicinischeu 
Gesellschaft zu Dorpat. — Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — Kleinere Mittheilnngen und 
therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanz. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Casuistische Mittheilungen. 

^ on 

Dr. Zoege* ; von Manteuffel, 

4h»ant der Chirurgie in Dorpat. 


I. Verletzung der Arteria und Vena coronaria 
ventriculi dextra. Unterbindung. Heilung. 

Hans Lestmann, 39 Jahre alt, aus Lngden, Schuster in Dor¬ 
pat, stach sich, nachdem er 3—4 Tage Zeichen von Delirium 
potatorum gezeigt, am 27. September 1890 Morgens mit einem 
öchustermesser durch die Kleider in die Gegend der Herz¬ 
grube. Er wurde durch die Polizei auf die psychiatrische 
Klinik gebracht, wo er früher als Wärter gedient hatte, und 
legte den Weg bis zur Anstalt zn Fuss zurück. Bald nach 
der Aufnahme collabirte er plötzlich unter kaltem Schweiss. 
Das wiederholte sich unter Angstgefühl, Steifwerden der 
Glieder sowie unwillkürlichem Abgang von Koth noch 2 mal 
in kurzen Intervallen. Da eine intraabdowinelle Blutung an¬ 
zunehmen war, consultirte mich Prof. Kraepelin. Ich traf 
den überaus anämischen Kranken bei vollem Bewusstsein, et¬ 
was dyspnoisch. Puls c. 100, klein. — Eine Handbreite von 
der Mittellinie. 2 Fingerbreiten unter dem linken Rippenbogen 
and parallel demselben findet sich eine 4 Cm. lange Wunde, 
deren oberer Rand abgeschrägt, deren abwärtiger unterminirt 
erscheint. 5 Cm. weiter abwärts eine zweite 1'/* Cm. lange 
ebenfalls gradlinige Schnittwunde parallel der ersten. 

Die Lage der äusseren Wunde legte den Verdacht einer 
Verletzung des Magens nahe. Jedoch fehlten alle übrigen 
Symptome einer Laesion dieses Organs, wie Blutbrechen etc. 
und praevalirte im Symptomenbild die Anaemie. Wenn somit 
eine Verletzung des Magens nicht sehr wahrscheinlich war, 
musste schliesslich die Verwundung des Colon als möglich be¬ 
zeichnet werden. Ich insnfflirte daher per anum WasserstotT- 
gas (nach Senn) konnte jedoch an keiner der beiden Wun¬ 
den eine Flamme entzünden. Zugleich trieb sich das vorher 
ziemlich eingesunkene Abdomen etwas auf. Ich liess daher 
das Rohr im Mastdarm liegen in der Hoffnung, dass das Gas 
entweichen würde. 

Darin sah ich mich getäuscht, wagte auch aus nahe liegen¬ 
den Gründen nicht einen Druck auf das Abdomen, zur Aus¬ 
treibung des Wasserstofifgases, aaszuüben. Erweiterung der 
Wunde. Nach dem Hantschnitt schon lag Netz vor. Spal¬ 
tung der Bauchdecken auf dem durch die Wunde eingeffihrten 
Finger bis zur Mittellinie, wobei der Rectus sinister quer 
durchtrennt wird. Es liegt die Magenwand vor. Sie erscheint 


überall intact, desgleichen das Lig. gastrocolicum and das Co¬ 
lon. Ueberall dringt Blut in beträchtlicher Menge zwischen 
den Intestinis hervor, namentlich vonoben her. Sofort Schnitt 
in der Linea alba vom Proc. xiphoideus bis 3 Ouerfinger über 
den Nabdl- . Leber unverletzt, ebenso Milz. Da es den An¬ 
schein hat j als wenn das Blüt namentlich hinter dem Magen 
hervorqu jla, wird dieser dpi Netz heraufgeschlagen. Bei 
allen MaiAplationen stören die stark geblähten Därme sehr. 
Auch hier die Quelle der Blutung nicht zu finden. — End¬ 
lich, wie ich den stark gefüllten Magen herabziehe, der Assi¬ 
stent Leber und Rippenbogen gewaltsam herauf hebt, findet 
sich nnter dem vorqneilenden Blut ein ca. V/* Cm. grosses 
Loch im Omentum minus. Die Oeffhnng wird stumpf erwei¬ 
tert und ein über 2 Faust grosses Gerinnsel zwischen den 
Blättern des Omentum entfernt und dabei die Quelle der Blu¬ 
tung entdeckt. Arteria und Vena coronaria ventriculi dextra, 
erstere etwa in der Stärke einer Radialis, sind durchtrennt 
und bluten lebhaft. Zwischen den Blättern des Omentum we¬ 
nige weiche zerfliesslicbe Gerinnsel, sonst überall flüssiges 
Blut. Bei dem engen Raum zwischen Leberrand und Magen 
gelingt es nur schwer die Gefässe zu fassen. Dabei findet 
sich aas hintere Blatt des Liq. hepatogastricnro an verletzt. 
Unterbindung. Toilette derBaucnhöhle. 

Die beiden unter dem Proc. xiph. sich schneidenden Laparo¬ 
tomiewunden bilden einen Lappen mit unten links liegender 
Basis. Der Schnitt in der Linea alba wird mit tiefgreifen¬ 
den, das Peritoneum mitfassenden Suturen, der seitliche durch 
fortlaufende Etagennath geschlossen. Da ans dem Muskel 
Blutung stattfindet, wird am äusseren Rande desselben, ent¬ 
sprechend der ursprünglichen Verletzung, die Haut nicht ver¬ 
näht. Dauer der Operation 3 Stunden, der Kranke ist stark 
collabirt, erholt sich jedoch. Am 29. Sept. Morgens Alkohol 
und Opium per Klysma. Abends unter Schweissen ein bald 
vorübergehender Colläps. Ernährung per os. Am 2. October 
eitern einige Stichkanäle. Am 3.0ct. findet sich in dem offe¬ 
nen Wundwinkel Netz. Am 7. Oct. (10 Tage post Operatio¬ 
nen!) erster Stuhl; Entfernung der an mehreren Stellen eitri- 

S en Suturen. Um */a 5 Uhr Nachmittags bei einem heftigen 
iustenanfall platzt die Wunde unter hörbarem Krachen. Da 
ich nicht in Dorpat anwesend war, wurde mein Stellvertreter 
und Assistent Dr. Kader hinzugernfen. Derselbe fand fast 
die ganze Wunde aufgeplatzt. Leber, Magen und Netz voll¬ 
kommen intact, Peritoneum überall spiegelnd. Nirgends Blut 
oder Gerinnsel. Da die W 7 undräuder stellenweise von den 
Stichkanälen aus inflcirt waren nnd eine Infection des Peri¬ 
toneums somit nicht sicher auszoschliessen war, konnte die 
Wunde nicht ohne weiteres geschlossen werden. Es wurden 
Spannnähte angelegt und dieselben über einem grossen Watte¬ 
tampon (dem einagen in der Eile zn beschaffenden sicher 
aseptischen Material) so weit angezogen, als es ohne zn grosse 


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Spannung geschehen konnte. Am 14. October wurden die 
Tampons zum grössten Theil entfernt. 

Terpentininhalationen wegen des heftigen Hustens. Am 15.0ct. 
an der linken Lunge unten hinten crepitirende und klingende 
I&IMelapr&usche, rechts Bronchialathmea. Ich hatte bis da* 
hjSnianfc gewagt, deH Kranken, der von Anfang an hustete, 
aufeuahtzen und war vorne an der Lunge nichts zu hören ge¬ 
wesen, erst:.jetzt konnte somit Lnngenphthise auch otg'ectiv 
coB8tatirt werden. Der sehr abgezehrte Kranke, dir: fast die 
ganze Zeit über hektische Temperaturen gezeigt hatte, erholte 
sich endlich langsam aber stetig, nahm an Körpergewicht zu, 
wobei die granmirende Wunde unter Zuhülfenahme von Sil- 
bersuturen sich zusehends verkleinerte. Am 18. Nov. verlässt 
der Kranke nach 52tfigteem. Krankenlager das Bett. Am 
29. Nov. Haemoptoe. Am 28. December entlassen. Die Wunde 
hat sich überhäutet und zusammengezogen, so dass nur noch 
ein circa 1 Cm. breiter und 5 Cm. langer Streifen noch gra- 
nulirt. Beim Husten wölbt sich das linke Epigastrium mit 
der Narbe ziemlich stark vor. Appetit und Verdauung gut. 

Nach 2 Wochen sah ich den Kranken wieder und fand die 
Wftade vollständig vernarbt. Er sah jedoch sehr reducirt 
aus,- hustet* und fieberte und hatte mehrfach Haemoptoe ge- 
gehabt; Am 15. März 1891 starb er. Section am 17. März 
(Dr. Luntz, Assistent am hiesigen patholog. Institut». Es 
fand sich hochgradige Lungentuberculose und Gangraen. Die 
Magenwand in die Bauchwand eingeheilt. Im Lig. hepatogas- 
tricum, das geschrumpft erschien, der centrale Stumpf der ob- 
literirten Arteria coronaria ventr. dextra noch von der Li¬ 
gatur umschlungen. Das periphere Ende war nicht zu finden. 

Ich habe der Krankengeschichte wenig hinzuzufügen. 
Die Eiterung der Bauchdeckenwunde schien von der 
Stelle der Verletzung auszugehen. Doch war eine Infec- 
tron bei der sehr lange dauernden Operation, zumal auf 
der Tobabtheilung eines darauf natürlich nicht vorberei¬ 
teten Irrenhauses selbstredend nicht ausgeschlossen. Ich 
hätte jedenfalls trotz der Eiterung oder gerade wegen 
derselben, wie Ohlshausen das betont, die Nähte 
länger liegen lassen sollen, zumal der Kranke heftig hustete. 

Als dann die Wunde aufgeplatzt war, konnte allein 
die Tamponade der Bauchhöhle Aussicht auf Erfolg ver¬ 
sprechen und bewährte sich auch in erwarteter Weise. 
Der. am 29. September auftretende Collaps wurde anfangs 
einer Nachblutung zugeschoben, doch fand sich hernach, 
als die Wunde aufplatzte, nichts was in dem Sinne ge¬ 
deutet werden konnte. Die Blutung hätte jedenfalls nur 
aus dem peripheren Ende erfolgen können, da das cen¬ 
trale noch: bei der Section verschlossen gefunden wurde. 

Was die Unterbindung der A. coron. ventr. dextra in 
technischer Hinsicht anlangt, so ist das Auffinden der 
Quelle der Blutung entschieden sehr mühsam und zeit¬ 
raubend. Gerade bei einem weniger grossen Gefäss, wie 
es die in Rede stehende Arterie ist, quillt das Blut, das 
sich in der Tiefe der Bauchhöhle ansanimelt, so gleich- 
massig von allen Seiten hervor, dass man anfangs keinen 
rechten Fingerzeig besitzt, wohin man sich wenden soll. 

Sehr erschwert waren die Manipulationen und die 
Orientirung in der Bauchhöhle durch die sehr beträcht¬ 
liche Blähung der Därme. Es dürfte in derselben ein 
Uebelstand zu sehen sein, der der praktischen Ver- 
werthung der Insufflatiou von Wasserstoffgas bei Ver¬ 
letzungen des Abdomens nach Senn einen Theil ihrer 
Bedeutung nimmt. Gewinnt man dureh Austreten des 
Gases ans der Wunde allerdings einen sicheren Beweis 
für die vorhandene Verletzung des Darmrohres, so er¬ 
schwert man sich die Orientirung in der Bauchhöhle 
durch die gesetzte Blähung doch sehr, namentlich wenn 
der Darm intact ist und kein Gas aus3treicht, da man 
dann naturgemäss das Quantum steigern und damit eine 
noch stärkere Blähung erzeugen wird. 

Dass auch andere Zufälle die Senn’schen Insufflatio- 
nen in ihrem Nutzen ganz illusorisch machen können, 
zeigte mir folgendes Experiment. Mittelgrosser Hund, 
Chloroformnarkose. Schuss aus 7 Mm. Revolver durch 
das Abdomen. Mit dem Schuss springt ein Strahl Urin 
aus dem Ausschuss hervor (Verletzung der gefüllten 
Blase). Der Versuch Gas einzublasen scheiterte anfangs 
daran, dass der. After sich um das eingeführte Rohr 


nicht schloss (Narkose). Er wurde dann künstlich dicht 
gemacht und nun unter hohem Druck (es setzten sich 
2 Männer auf das Gaskissen), Wasserstoffgas eingetrie¬ 
ben. Auch jetzt ging nichts hinein: es liess sich das 
sonst gut brennende Gas an der Wunde nicht nach weisen. 
Section: Mastdarm und ganzes Colonstrotzend voll Koth. 
Im Colon deseendens 2 weit klaffende Schussöffnungen 
(desgl. in der Blase). — Es hatte also die den Darm 
füllende Kothmenge das Einströmen des Gases vollstän¬ 
dig verhindert — ein Vorkommniss, das beim Proletariat 
z. B. nicht zu den Unmöglichkeiten gehört. 

Was den orientirenden Bauchschnitt anlangl, so würde 
ich in Zukunft den amerikanischen Vorschlägen, sofort bei 
bestehender Indication zur Laparotomie, nachdem man 
sich von der Verletzung des Peritoneums überzeugt hat, 
den Schnitt in der Linea alba anzulegen, den Vorzug 
geben vor der Dilatation der Verletzungswunde, die nur 
soweit zu erfolgen hätte, als die Diagnose die Eröffnung 
der Bauchhöhle erheischt. Der Schnitt in der Mittel¬ 
linie giebt doch wohl stets eine bessere Orientirung (aus¬ 
genommen Stichverletzungen der Lende und der seitli¬ 
chen Bauchwand, cf. auch K ö n i g ’ s Lehrbuch) und wir 
vermeiden die complicirten Lappenwunden, die doch was 
Naht und Heilung sowie spätere Festigkeit der Narbe 
anlangt recht wenig günstige Bedingungen setzen. 

Das Regime bei der Operation war ein aseptisches 
nach Länderer. Flüssigkeiten nur zur Desinfection der 
Hände und des Operationsfeldes benutzt. Auch die Därme 
wurden während der Operation in trockene Handtücher 
eingeschlagen, was mir bequemer und besser zu sein 
scheint, als die Benutzung l'euchtwarmer Tücher, die ent¬ 
weder fortwährend gewechselt werden müssen oder eine 
ganz beträchtliche Verdunstungskälte erzeugen. Wenn 
man alte Leintücher gebraucht, sind Fäserchen nicht zu 
fürchten. 

Sehr eigenthümlich ist in vorstehendem Falle die Art 
und der Weg der Verletzung. Die der Bauch wand an¬ 
liegenden Organe sind intact und die weit hinten und 
versteckt' liegende Ader ist verletzt. Ich habe einen 
vollkommen analogen Fall nicht auffinden können und 
wird wohl meist auch dor Magen oder die Leber zugleich 
von dem Projectil oder Messer getroffen werden, wie in 
dem von Reclus und Noques im X. Bande der Revue 
de Chirurgie auf png. 136 referirten Falle, bei dem Ja- 
laquier nach Schnssverletzung ins Epigastrium ausser 
dem Magen die Arteria coron. ventric. (welche ist nicht 
gesagt) verletzt fand und mit Erfolg unterband. 

Obgleich der Magen vor einem breiten Schustermesser 
wohl besser ausweichen kann, wie vor einem Projectil, 
so fehlten doch in unserem Falle jegliche Sugillationen 
und Schrammen an dem recht beträchtlich gefüllten Organ, 
das bei der Operation mit seiner vorderen Rundung den 
Weg zur verletzen Arterie durchaus verlegte. Ich meine, 
dass der Selbstmörder im Moment des Stosses in der 
That jene von unseren Bühnenkünstlern acceptirte «Morti- 
mer»-Stellung einnimmt, gleichviel ob er unter oder über 
den Rippenbogen mit seinem Stosse zielt. Immer krümmt 
er den Rücken, schiebt das Abdomen vor, den Thorax 
vorne zusammen. Dadurch muss der Magen herabtreten, 
so dass die kleine Curvatur und das Oment. minus, nur 
vom Leberrande bedeckt, durch einen Stoss von unten 
nach oben direct zu erreichen ist. 

Dorpat, Januar 1892. 

Myomectomia in graviditate. 

Von 

Dr. Max von Strauch. 

(Moskau). 

Frau M., nunmehr 28. Jahre alt, bekam ihre Regel zum er¬ 
sten Male im 13. Jahr; dieselbe wiederholte sich sogleich re¬ 
gelmässig und verlief ohne alle Beschwerden 4—5 Tage lang. 


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m 


Im 18. Jahr verheirathete sich Pat. und gebar nach einem 
Jahr eine 6 monatliche, faultodte Frucht. Das Puerperium 
verlief fieberhaft und fesselte die Wöchnerin volle 6 Wochen 
ans Bett, wonach sie sich sehr langsam erholte. Im 22. Jahr 
acquirirte Pat. eine Unterleibsentzündung (Gonorrhoe?!), der¬ 
entwegen sie 7 Monate bettlägerig war. Die bis zu dieser 
Erkrankung normale Regel trat zwar auch ferner zur Zeit 
auf, war aber stets mit starken Schraerzeu vergesellschaftet. 
Als zu dieser Zeit sich Pat. wegen ihrer Dysmenorrhoe an 
mich wandte, konnte ich eigentlich nur eine grosse Empfind¬ 
lichkeit des ganzen Beckenperitoneuras constatiren. 4 Jahre 
hindurch wandte ich alle nur denkbaren Mittel vergeblich an. 
selbst eine nach Kreuznach unternommene Badereise lin¬ 
derte die Dysmenorrhoe nicht. Da entschloss ich mich am 
3. Mai 1889 der Frau, obgleich die Vaginalportion eher klein 
war, eine Excision zu machen. Der Erfolg war ein unerwar¬ 
tet guter, die Menstruation wurde nahezu schmerzlos! 

Vom 17—22. October 1890 hatte Frau M. ihre letzte Regel. 
Mitte Februar, also vier Monate schwanger, kam die Frau zu 
mir und klagte über Schmerzen in der linken unteren Bauch- 
hälfte. Ich fand den Fundus Uteri zwischen Nabel und Sym¬ 
physe. Links und oberhalb der linken Uterusecke konnte ich 
eine etwa gänseeigrosse, rundliche, feste Geschwulst fühlen. 
Dieselbe war leicht beweglich und mit grosse]- Bestimmtheit 
bezeichnete die Pat. diesen Tumor als den Ausgangspunkt 
ihrer jetzigen Schmerzen. Ich hielt die Geschwulst für ein 
subBeröses Myom und verordnet^ gegen die Schmerzen eine 
Compresse echauffante zur Nacht und des Morgens eine Opium¬ 
salbe auf die unteren Theile des Leibes leicht einznreiben. 
Als die Pat. nach 10 Tagen mich wieder anfsuchte fand ich 
die Geschwulst um das Doppelte gewachsen, von weicher Con- 
8istenz, fast fiuctuirend; auch waren die Schmerzen stärker 
geworden. Nach weiteren 10 Tagen hatte die Geschwulst die 
Grösse einer grossen Mannesfaust erreicht; sie Bchien deutlich 
flüssigen Inhalt zu haben, so dass ich einen linksseitigen Ova¬ 
rientumor annahm und der Kranken die Entfernung desselben 
aurieth. Am 6. März 1891 machte ich in meiner Privatklinik 
die Laparotomie. Um die Operation schnell zu beendigen und 
die schwangere Gebärmutter so wenig wie möglich zu mal- 
traitiren, legte ich den Schnitt in der Linea alba sofort gross 
an, 14 Cm. lang, seinen Mittelpunkt bildete der Nabel. Nach 
Eröflhung des Peritoneums präsentirte sich in der Schnitt¬ 
wunde ein Tumor, der beim directen Befühlen eine Cyste zu 
sein schien, zudem die bläulich weisse für Ovarientumor cha¬ 
rakteristische Farbe hatte. Nachdem die Geschwulst unver- 
kleinert hervorgewälzt war, erwies es sich, dass sie einen sehr 
kurzen, etwa daumendicken Stiel besass, der vom linken Ute- 
Tushorn ausging. Es handelte sich also um ein gestieltes, 
subseröses, durch die bestehende Schwangerschaft sehr erweich¬ 
tes Fibromyom. 

Nach doppelter Ligirung des Stieles mit starkem Seidenfa¬ 
den, wurde der Tumor abgetragen, der Stumpf noch etwas 
zugestutzt und das Peritoneum über demselben durch 3 Sei¬ 
denknopfnähte zusammengezogen: hierauf die Bauchwnnde in 
üblicher Weise geschlossen. Die Operation dauerte vom ersten 
Schnitt bis zum vollendeten Verbände 12 Minuten. Noch auf 
dem Operationstische erhielt die Pat. 20 Tropfen Tinct. the- 
bai'cae per annm um etwaige Uteruscontractionen hintanzu¬ 
halten. Solche Opiuraklystiere mussten in den nächsten Ta¬ 
gen leichter Wehen wegen wiederholt werden. 

Die Reconvalescenz war eine ungestörte. 

Aus dem Tumor, der nach seiner Entfernung in eine Schale 

f ethan war, hatten sich etwa 100 Gramm einer röthlichen 
'lüssigkeit entleert. Er besass eine längliche Gestalt und 
wies in der Mitte eine seichte Einschnürung auf, so dass er 
an eine Sanduhrform erinnerte. Er war 12 Cm. lang, 8 Cm. 
breit, 7,5 Cm. dick. 

Die Schwangerschaft verlief normal und Frau M. wurde 
rechtzeitig von einem kräftigen Mädchen entbunden. 

Es handelte sich also um eine falsche Diagnose! —ein 
subseröses Fibromyom war von mir für einen Ovarientu • 
mor gehalten worden! Ich glaube recht viele Leidensge¬ 
fährten unter den operirenden Gynäkologen zu haben! 
Es wäre wirklich interessant, die volle Wahrheit der 
Häufigkeit solcher Felddiagnosen an den grossen Kliniken 
zu erJahren! Ich selbst habe mich zwei Mal geirrt. 

Das eine Mal handelte es sich um eine Pat. die mir von 
einem äusserst erfahrenen Gynäkologen zur Myomotomie 
geschickt wurde. Ich konnte die Diagnose nur bestätigen, 
zumal auch alle objectiven Symptome für Myom sprachen. 

Bei der Laparotomie entpuppten sich diese vermeint¬ 
lichen Myome als doppelseitige pseudointraligamentöse ') 
Ovarientumoren. 


J ) Ueber pseudo intraligamentöse Eierstocksgeschwülste von 
Prof. Dr. K. Pawlik. Wien. Verlag von Josef Salär 1891. 


Mein zweiter Fall ist der eben beschriebene. 

Ferner habe ich drei Mal andere Collegen denselben 
Fehlgriff machen sehen. 

Doch ich bin weit davon entfernt, meine Fehler gut 
zu heissen, weil Andere sie eben auch machen. 

In meinem soeben ausführlich beschriebenen Falle hatte 
ich ja bei der ersten Untersuchung die richtige Diagnose 
gestellt. Da aber der Tumor so rasch wuchs, dabei, 
allerdings bei ziemlich dicken Bauchdecken Flnctuation 
vortäuschte, da ferner bei bestehender Schwangerschaft 
ein forcirtes Suchen nach den Stielverhältnissen and 
Ovarien unstatthaft war, glaube ich meine Fehldiagnose 
als nicht zu grob ansehen zu müssen. Selbst bei er- 
öffneter Bauchhöhle glaubte ich noch einen Ovarientumor 
vor mir zu haben, bis mich die Stiel Verhältnisse eines 
Besseren belehrten. 

Ich machte also die Laparotomie, weil heute wohl alle 
Operateure darüber einig sind, dass ein jeder Ovarial¬ 
tumor, sowie er als solcher erkannt ist, auch sofort ent¬ 
fernt werden muss! 

Es fragt sich nun: war in meinem Falle auch die 
Exstirpation dieses Myoms nöthig? 

Wenn ein Tumor binnen 3 Wochen um das 3—4 fache 
wächst, dabei seiner Trägerin recht arge Schmerzen 
macht, so glaube ich entschieden eine solche Neubildung 
entfernen zu müssen. 

Denn selbst ein solcher Sitz der Geschwulst garantirt 
durchaus nicht, dass sich der Tumor bei der Geburt nicht 
dennoch ins kleine Becken senkt und dem Durchtritt des 
Kindes den Weg verlegt! 

Auf Rückbildung eines solchen Myoms im Wochenbett 
ist ebenfalls wenig zu rechnen. 

Wenn man zudem die grossen Statistiken vom N a u s s, 
Süsserott und I, e f o r t über diesen Gegenstand durch¬ 
sieht und die äusserst trübe Prognose solcher Fälle vor 
Augen hat, so handelt man bei den heutigen schönen 
Resultaten der Laparotomie sicher gut, wenn man solche 
Neubildungen, die eine so gewaltige Neigung zum Wach¬ 
sen zeigen, entfernt. 


Referate. 

H. Büchner: Tuberkulin Wirkung durch Proteine nicht 
specifischer Bakterien. (Münchener med. Wochenschr. 
Nr. 49. 1891). 

Die neuesten Untersuchungen Büchner’s and seiner Schü¬ 
ler, insbesondere Fr. Römer’s, sind darauf gerichtet, dem 
Tuberkulin seine scheinbare Sonderstellung zu nehmen und 
ihm den gebührenden Platz unter allen übrigen Bakterienex- 
tracten zuzuweisen. Ausgehend von der Ueberzeugung, dass 
das wirksame Agens im Tuberkulin ein ebensolches Bakterien- 
protei'n ist, wie es Büchner bereits aus anderen Mikroben 
dargestellt hat, haben diese Forscher die Wirkung von Pro¬ 
teinen nicht specilisoher Bakterien auf den gesunden und tu¬ 
berkulösen Organismus untersucht und mit aer des Tuberku¬ 
lins verglichen. 

Das Resultat ist ein überraschendes. Römer erzielte mit 
protei'nhaltigen Extracten des B. pyocyaneus formative Rei- 
zungsvorgftnge an den Leukocyten, ferner starke Steigerung 
der Lympnabsonderung durch intravenöse Injection bei Hun¬ 
den, endlich bei tuberkulösen Thieren tu-berkulinavtige 
Wirkung. Die auf breiterer Basis angestellten Versuche von 
Büchner bestätigen und erweitern diese Beobachtungen. B. 
experimentirte mit Pneumobacillen-, Pyocyaneus- und Prodigio- 
Bus-Protei'n und konnte bis jetzt Folgendes constatiren: 

1. Bei subcutaner Einführung in sterilen Spindelrökrchen, 
die unter der Haut bei vollständiger Asepsis zerbrochen wur¬ 
den: starke Chemotaxis, Bildung von Eiterpröpfen an den 
freien Röhrenenden nach drei Tagen. 

2. Beim gesunden Hund erzeugte subcutane Injection Fie¬ 
ber mit Schläfrigkeit und Apathie. 

3. Beim gesunden Menschen bewirkte subcutane Injection 
von je 0,1 Mg. Protein (gelöst in 1 Cc. sterilen Wassers) in¬ 
tensive über Handtellergrosse Röthnng nnd Schwellung in der 
Umgebung der Injectionsstelle, erhöhte Hauttemperatur und 
Schmerzgefühl in ganz gleichmässiger Weise bei drei Ver¬ 
suchspersonen. Allgemeinerschewmngen fehlten entsprechend 
der geringen Dosis. Die entzündlichen Erscheinungen hielten 

I etwa 48 Stunden lang an und verschwanden dann allmälig 


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94 


B. zweifelt nicht daran, dass grössere Dosen auch Fieber er¬ 
zeugen wurden, analog dem Verhalten der sterilisirten Pneu- 
mobacillenemulsion, deren liebererregende Wirkung er vor 
zwei Jahren an sich selbst erfahren hat. 

4. Bei tuberkulösen Meerschweinchen erzeugte subcutane 
Injection tödtlicher Dosen genau die nämliche Wirkung, 
welche von Koch als specifisch für Tuberkulin be¬ 
zeichnet worden ist. Die Sectiou bot überall in höchst 
charakteristischer Weise dasjenige Bild, welches 
Koch in seiner neuesten Mittheilung beschrieben hat. 
Dasselbe gilt auch von dem mikroskopischen Befund. 

Bezüglich der interessanten Mittheilung einer neuen ver¬ 
vollkommnten Methode zur Gewinnung von Bakterie n-Pro- 
tei'nen müssen wir auf das Original verweisen. 

Wladimir ow. 

W. Siebei: Pharmakologische Untersuchungen über Sa- 
lophen, ein neues Salicylsäurederivat.Therap. Monats¬ 
hefte Nr. 1. 1892. 

Die Thatsache, dass nach dem Gebrauche von Salol häufig 
Vergiftungserscheinungen beobachtet werden, welche auf den 
hohen Gehalt an Phenol zurückzuführen sind, veranlassten die 
Farbenfabrik F. Bayer et Co. Elberfeld nach einem Körper zu 
suchen, bei welchem die Salicylsäure mit einem ungiftigen 
Componenten gepaart ist. Als solchen stellten sie den Salicyl- 
8äureacetylparamidophenolaether unter dem Namen «Salophen» 
dar. Es ist eine weisse, geruch- und geschmacklose, in Wasser 
unlösliche, in Alkali, Alkohol und Aether leicht lösliche Sub¬ 
stanz. Sie enthält 50,9 pCt. Salicylsäure und wird in ihre 
Componenten schon durch Alkali in der Kälte gespalten, ferner 
durch das Pankreasenzym, durch die Darmschleimhaut. Die 
Grösse der Spaltung fand Siebei verschieden; bei grossen 
Dosen verlässt ein Theil des Salophens ungespalten den Orga¬ 
nismus und zwar mit den Excrementen. Eine Reihe von Ver¬ 
suchen an Thieren ergaben, dass das Mittel erst bei ganz 
grossen Dosen (10 Gramm beim Kaninchen) Vergiftungser- 
scheinungen hervorruft und zwar reine Salicvlsäurevergiftung, 
die andere Componente ist absolut unschädlich. Das Mittel 
wurde im Krankenhause Moabit vonGuttmann therapeutisch 
geprüft, und waren die Erfolge sehr zufriedenstellend. Insbe¬ 
sondere wurden keine schädlichen Nebenwirkungen beobachtet. 

Abelmann. 

A. Martin und Mackenrodt: Was leistet die Elektro¬ 
therapie der Myome? Deutsche Med. Wochensclir. Nr. 2. 

Verf. wenden sich gegen den Enthusiasmus der amerika¬ 
nischen Aerzte für die Elektrotherapie, welche auch in Deutsch - 
land die anderen Methoden der Myombehandlung zu unter¬ 
drücken scheint. Im Ganzen wurden 66 Fälle beobachtet. 36 
Fälle wurden in der Anstalt nach Apostoli's Vorschriften 
behandelt, 16 anderwärts elektrisirte Pat. kamen zur Operation, 
14 ebensolche zur Berathung. Bei 20 von den 36 Kranken 
wurde eine Besserung resp. «symptomatische Heilung» erzielt: 
Blutungen und Schmerzen wurden geringer, das Allgemein¬ 
befinden hob sich. Bei allen 20 Fällen waren die Tumoren von 
geringerem Umfang und wurden durch die Behandlung nicht 
verkleinert. 8 der Patientinen traten im Lauf der Behandlung 
ins Klimakterium ein, 12 bekamen nach Monaten relativer 
Euphorie Recidive der Beschwerden und waren zur Wieder¬ 
holung der Behandlung nicht zu bewegen. Von den übrigen 
16 Pat. gingen 3 im Anschluss resp. in Folge der Therapie 
zu Grunde: eine an profusen Blutungen mit nachfolgender 
Embolie der A. pulra., eine an Vereiterung des Tumors und 
Sepsis, eine an Peritonitis, bei 13 wurde der Zustand verschlim¬ 
mert. Also in 30,3% Besserungen, in 69,0% keine Besserung, 
bei 4,5% Tod. 

Bei Zusammenfassung der 212 Fälle von Keith, Schäffer 
und denen der Verf. erhält man folgende Ziffern: 32% sympt. ge¬ 
bessert, 44,4% nicht gebessert resp. verschlimmert, in 4.3°/o 
Tod, 19,0% zu kurze Zeit behandelt. Niemals wurde ein Ver¬ 
schwinden des Tumors beobachtet; die sympt. Heilung war 
nur dauernd bei Kranken, die inB Klimakterium eintraten. 

Die einzig sicher erwiesene Wirkung des elektrischen Stromes 
besteht in einer Verschorfung der Schleimhaut und ist daher 
nur gegen die Blutung gerichtet. Deshalb ist der elektrische 
Strom nur ein palliatives Mittel, das sich von den übrigen 
palliativen Mitteln durch seine Umständlichkeit und Schmerz¬ 
haftigkeit unterscheidet. Die anderen palliativen Mittel erzielen 
niemals soviel Verschlimmerungen wie der elektrische Strom. 
Deshalb ist «die elektrische Behandlung der Myome als ein 
geradezu bedenkliches Palliativverfahren zu bezeichnen und 
8omitzu verwerfen». 

Bei 39 operativ behandelten Fällen hatten Verf. 5,1% Mor¬ 
talität, also kaum mehr als bei der Elektrotherapie (4,3%), 
trotzdem das operative Verfahren radicaler ist und die Fälle 
complicirter waren. Verf. verwerfen die elektrische Behandlung 
der Myome und behandeln sie bei leichteren Symptomen mit 
Jod- und Soolbadekuren und den üblichen palliativen Mitteln, 
bei ernsteren Störungen wird der operative Weg beschritten. 

_W. Beckmann. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

S. v. Basch. Allgemeine Physiologie und Pathologie des 
Kreislaufes. 186 Seiten gr. Octav. Verl. v. Alf. Holder, 
Wien 1892. 

Wir wollen nicht unterlassen, alle Aerzte und speciell die 
Fachgenossen, welche sich mit innerer Medicin befassen, auf 
dieses Buch aufmerksam zu machen, dessen Verfasser Jedem, 
der die Literatur der Herz- und Lun^enkrankheiten der letzten 
Jahre verfolgt hat. durch seine originellen, aber experimentell 
gestützten Ansichten über Lungenschwellung und Lungen- 
starrheit und Herzinsufficienz wohlbekannt ist. In dem vor¬ 
liegenden Werk macht Verf. nun den Versuch zunächst die 
rein mechanischen Verhältnisse des Kreislaufes mit Hilfe eines 
sinnreich construirten Phantoms des Herzens und Blutgefäss¬ 
systems zu analysiren und dem Leser klar auseinander zu 
setzen. Wer an sich selbst und an Andern, besonders an Stu- 
direnden, erfahren hat, wie schwierig es ist, sich eine physi¬ 
kalisch richtige Vorstellung von der Entstehung und Bedeu¬ 
tung des Blutdruckes für die Circulation zu machen, und wie 
langsam man sich in die complicirten Verhältnisse hinein denkt, 
die durch Aenderungen in aer Triebkraft des Herzens und 
seiner Theile für den Ablauf der Blutbewegung gesetzt werden, 
der wird dem Verf. für seine Arbeit sicher Dank wissen. Die¬ 
selbe ist, wie Verf. selbst sagt, nicht für Anfänger berechnet; 
wer aber bis zu einem gewissen Grade mit physiologischen 
und pathologischen Kenntnissen bereits ausgerüstet" ist, wird 
das Buch mit hohem Interesse lesen können. 

Der erste Abschnitt behandelt die Aenderungen des Blut¬ 
drucks und des Blutumlaufes, welche am schon erwähnten 
Phantom durch die Nachahmung beliebiger Herzklappenfehler, 
sowie durch beliebige Verstärkung oder Abschwächung der 
Thätigkeit des einen oder andern Ventrikels künstlich her^e- 
stellt, sowie in klaren Bildern graphisch fixirt und analysirt 
werden können. Wenngleich die Einfachheit des Experimentes 
am todten Röhrensystem einen directen Analogieschluss auf 
die complicirten, durch das Nervensystem und die übrigen 
Körperorgane mannigfach beeinflussten Verhältnisse der leben¬ 
den Natur nicht gestattet, so gewährt sie uns doch eine treff¬ 
liche Einführung in die physikalischen Kreislaufsbedingungen, 
über die man hier jedenfalls leichter Klarheit gewinnen kann 
als am Experimentthier und vollends am kranken Menschen. 
Wie weit sich nun die am Phantom gewonnenen Erfahrungen 
für die Physiologie und Pathologie des Kreislaufes bei Thier 
und Menschen verwerthen lässt, das zeigt uns Verf. im II. und 
III. Abschnitt seines Buches, wo die durch das Thierexperi- 
ment und am Krankenbett eruirten Thatsachen im Licht der 
im ersten Abschnitt gewonnenen physikalischen Vorstellungen 
erörtert werden. Dass der Verf. auch hier in reichem Maasse 
über eigne Untersuchungen verfügt, braucht kaum erwähnt 
zu werden. 

Wir müssen uns an dieser Stelle natürlich eine auf den 
Inhalt des Buches eingehende Kritik versagen; dazu ist das 
beigebrachte Material und die Fülle der originalen Anschau¬ 
ungen des Verf. zu gross. Auch wird gewiss einige Zeit nöthig 
sein, bis die Ansichten des Verfassers kritisch nachgeprüft 
und in den Anschauungen der medicinischen Welt soweit aus¬ 
gereift sind, um sich definitiv einwurzeln zu können. Nur 
Eines lässt sich schon heute sagen: Mag die vorliegende Arbeit 
auch vielleicht Gegner finden, mag Manches aus derselben nur 
bedingt und in modificirter Form acceptirt werden — jeden¬ 
falls zeichnet sie sich durch den Muth einer selbständigen, 
wohlerwogenen Meinung ans und wirkt daher belehrend und 
in hohem Grade anregend. Wir wünschen deshalb dem Buch 
zahlreiche Leser. D—o. 

Theodor Husemann: Handbnch der Arzneimittellehre. 
Mit besonderer Rücksichtnahme auf die neuesten Phar¬ 
makopoen für Studirende und Aerzte bearbeitet. III. 
Auflage des Handbuchs der gesammten Arzneimittellehre. 
Berlin 1892, Springer’s Verlag. Gr. 8°. 687 pp. 

Die Autoren, welche in den letzten Jahrzehnten den euro¬ 
päischen Büchermarkt mit Lehr- und Handbüchern der Phar¬ 
makologie und Arzneimittellehre bereichert haben, kann man 
ohne ungerecht zu sein, in zwei Klassen eintheilen, nämlich 
in solche, welche die liierher gehörige ungeheuer weitschichtige 
Literatnr wirklich kennen zu lernen sich Mühe gegeben haben, 
und in solche, welche sich mit einem verschwindenden Brnch- 
theil derselben begnügt haben. Während die Zahl der Au¬ 
toren der letzten Klasse recht gross ist, ist die Zahl der in 
die erste Klasse gehörigen minimal. Unbestritten den ersten 
Platz unter den Autoren, welche die pharmakolo¬ 
gische Weltliteratur seit 40 Jahren verfolgt haben, 
nimmt Th. Husemann ein. Aus diesem Grunde hat sein 
Handbuch seit dem Erscheinen der ersten Auflage immer eine 
hochgeachtete Stellung eingenommen. Die vorliegende dritte 
Ausgabe unterscheidet sich von den beiden ersten wesentlich 
durch Zusammendrängen des Stoffes auf einen Band, während 
die früheren zweibändig waren. Natürlich war dies nur möglich 


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unter Weglassung aller jetzt nicht mehr gebräuchlichen Mittel. 
So wie das Buch jetzt ist, dürfte es für Stndirende und Aerzte 

f leicli brauchbar sein. E« enthält alle officinellon Mittel der 
eatschen und österreichischen Pharmakopöen nebst zahlreichen 
anderen nicht officinellen. Von den in Russland officinellen 
fehlen nur ganz unwesentliche. 

Das Werk zerfällt in einen allgemeinen und einen speciellen 
Theil. Der allgemeine Theil enthält die allgemeine Pnarmako- 
dynamik und die Arzneiverordnungslehre. Der specielle Theil 
enthält vier Abtheilungen, nämlich die der Vorbeugungsmittel, 
der Örtlich wirkenden Mittel, der allgemeinen Arzneimittel 
und der entfernt wirkenden. Unter diese vier Abtheilungen 
sind alle Gruppen von Arzneimitteln, welche es überhaupt giebt, 
übersichtlich untergebracht. Dass kein wichtiges Mittel unbe¬ 
rücksichtigt geblieben ist, ist selbstverständlich. 

Möge auch diese dritte Ausgabe die Anerkennung finden, 
welche den vorigen zwei nicht versagt geblieben ist! 

Robert. 


Auszug aus den Protokollen 

der Medioinisohen Gesellschaft zu Dorpat. 

Sitzung am 18. September 1891. 

Vortrag des Herrn v. Zoege : Zur differentiellen 
Diagnose der Peritonitis und des Ileus fder Vortrag 
wird in extenso in dieser Zeitschrift erscheinen), v. Zoege 
knüpft an früher gemachte Mittheilungen (cf. Langenbeck's 
Archiv, Bd. 41) an. Wenn er dort die Ansicht ausgesprochen, 
dass der Eintritt der Peritonitis zumeist das Bild des Ileus 
derart trübe, dass eine differentielle Diagnose oft nicht mehr 
möglich sei, so wolle er jetzt im Anschluss an zwei Fäll6 zwar 
durchaus nicht die principielle Richtigkeit dieser Behauptung 
widerlegen, wohl aber zeigen, dass man selbst in diesen gewiss 
insidiösen Fällen durch sorgfältiges Abwägen der Symptome, 
namentlich im Sinne v. Wahl’s hier und da zu einer praecisen 
Diagnose käme. Es sei das vorab allerdings meist nicht mehr 
von therapeutischem Interesse, da die Kranken nicht mehr zu 
retten wären, doch aber müsse man auch hier den Muth nicht 
sinken lassen, wie die Erfahrungen auf dem Gebiete der Peri¬ 
tonitis ohne Tieus zeigen 

In dem einen der Fälle war eine alte fibröse Perityphlitis 
die Ursache der Verengerung einer Dünndarmschlinge, an deren 
Kuppe schliesslich Perforation eintrat. Der Beginn der Erkran¬ 
kung liess auf einen Obturations-Heus schliessen (Wechsel der 
Erscheinungen bis zum völligen Nachlass — ausgesprochene 
Prodromi). Andrerseits war eine resistente Partie, die ihre 
Stellung nicht veränderte, allerdings erst zuletzt nachzuweisen, 
so dass demgemäss eine Strangulation nicht auszuschliessen 
war. Erst als es gelang peritonitisches Knirschen an mehreren 
Stellen des Abdomens nachzuweisen, musste die erste Annahme 
eines Obturationsileus wieder zur Geltung kommen, da die 
Lähmung der Schlinge sich durch die Peritonitis erklären liess. 
Incision und Drainage der Bauchhöhle mit Gazestreifen brachten 
vorübergehende Erleichterung; die Section bestätigte die Dia¬ 
gnose.—Indem anderen Falle bestanden ähnliche Schwierig¬ 
keiten. Auch hier handelte es sich um einen anfänglich ange¬ 
nommenen Obturationsileus, bei dem die später eintretende Pe¬ 
ritonitis die anfangs noch peristaltisch bewegten Schlingen 
lähmte. Die Operation wurde lange verweigert. Als sie in 
extremis schliesslich vorgenommen wurde, fand sich der 
Darm durch ältere fibröse Stränge an 5 Stellen obturirt, ver¬ 
engt und ausserdem eine frische Peritonitis. Die Section wurde 
verweigert. Jedenfalls war jedoch die Diagnose durch die Au¬ 
topsie bei der Operation bestätigt. 

Sitzung am 2. October 1891. 

Als Gast anwesend Herr Heydenschild — Reval. — 

Herr Dehio demonstrirteinen Fall von «symmetrischer 
Gangraen aller 10 Finger» an einer 31jährigen Kranken. 
Diese seltene Erkrankung entwickelte sich bei der im Uebri- 
en völlig gesunden Patientin in Folge eines heftigen Schrecks, 
uerst wurden die Finger blau und gefühllos unter gleichzei¬ 
tigen Schmerzen und dann mumificirten die letzten Phalangen 
an allen Fingern und zwar an beiden Händen in völlig symme¬ 
trischer AnsdehnungJ)a alle sonstigen Ursachen einer Gangraen 
(Thrombose, Embolie. Endarteriitis obliterans) ausgeschlossen 
werden können, so bleibt nur die Annahme einer vasomotorischen 
Störung übrig, welche zu einem Gefässkrampf. zu localer Asphy¬ 
xie und weiterhin zur Mumifica ion geführt hat. Die symme¬ 
trische Anordnung der Gangraen führt zur Vermuthung, dass 
die Ursache der vasomotorischen Störung central (etwa im 
Rückenmark) gelegen sein muss. Die Gelegenheitsursache hat 
wohl der Schreck gegeben. Es handelt sich somit um die zuerst 
von Raynaud beschriebene Krankheit, die er als locale Asphy¬ 
xie una symmetrische Gangraen bezeichnet hat. Sobald die 
genaue Untersuchung der zu amputirenden Finger beendet 
sein wird, wird der Vortrag in extenso im Druck erscheinen. 


Herr Hey denschild erwähnt den bekannten von Braraan 
auf einem Chirurgen-Congress in Berlin vorgestellten Fall vou 
symmetrischer Gangraen, der von v. Bergmann-Riga aetiolo- 
gisch auf eine lepröse Erkrankung der Nervenstämrae der oberen 
Extremitäten zurfickgeführt werden konnte. 

Herr Dehio: In dem von ihm vorgestellten Fall lassen sich 
keine verdickten Stränge im Sulcus bicipitalis nachweisen, es 
sind auch sonst keine Lepraerscheinungen vorhanden. 

Als Herr Ströhmberg die Pat. zum ersten Mal sah, waren 
die Hände geschwollen, erst nach der Suspension begrenzte 
der Process sich auf die Finger. Herr Ströhmberg behält 
sich vor, seine Ansicht über die Aetiologie dieser Gangraen 
dann auszusprechen, wenn nach Amputation Nerven und Ge- 
fässe genau untersucht worden sind. 

Sitzung am 16. October 1891. 

Herr Kieseritzky spricht: Ueber Rhachitis. Nachdem 
Vortragender in kurzen Zügen die Unhaltbarkeit der chemi¬ 
schen Theorie in Bezug auf Erklärung der Rhachitis be¬ 
sprochen, geht er auf die anatomischen Vorgänge, wie sie am 
rhachi tischen Knochen gefunden werden, über und stellt die¬ 
selben als Folge einer chronisch verlaufenden Entzündung 
hin, durch welche eine verstärkte Wucherung der ossificirenden 
Gewebe, verbunden mit Hvperaemie und vermehrter Vasculari- 
sccion und mangelhafter Verkalkung, bewirkt werde. Unter 
den verschiedenen, die Entstehung der Rhachitis befördernden 
Schädlichkeiten werden besonders die respiratorischen hervor - 
gehoben. Zum Schluss macht der Vortragende auf die grössere 
Häufigkeit der Rhachitis in der örtlichen jüdischen Bevölke¬ 
rung aufmerksam. 

Herr Hart ge giebt die Häufigkeit der rhachitischen Er¬ 
krankungen bei den Juden zu, bei den Esten hat er sie sehr 
selten gesehen. Nachdem Herr Gerl ach darauf hingewiesen, 
dass der rhachitische Rosenkranz an den Rippenknorpeln bei 
den Esten sehr oft beobachtet werde, fügt Herr Kieseritzky 
hinzu, dass spätes Zahnen, überhaupt das ganze Symptomen- 
bild der Dentitio difficilis als leichtere Form der Rhachitis oder 
als primäres Stadium derselben aufgefasst werden müsste — 
Erscheinungen, die sowohl bei den Juden als auch bei den 
Esten oft gesehen werden und aetiologisch auf die gleichen 
hygienischen Schädlichkeiten zurückzuführen sind. So schwere 
Formen von Rhachitis, wie Herr Kieseritzky sie in Wien 
gesehen, kommen hier garnicht vor. 

Herr Kessler hat in der Frauenklinik ein Mal einen Fall 
von foetaler Craniotabes beobachten können. Da die Mutter 
weder an intercurrenten Krankheiten während der Schwanger¬ 
schaft gelitten, noch auch unter wirklich schlechten Ernäh¬ 
rungsverhältnissen gelebt hat, so geben für diesen Fall intrau¬ 
terin entstandener Rhachitis die angeführten aetiologischen 
Momente keine Anhaltspunkte. Herr Ströhmberg hat mehr¬ 
fach beobachtet, dass Kinder mit Ossificationslücken geboren 
werden, und meint.dass so abnorm weiche Schädel auf ungleich - 
mäS8ige Entwickelung der Ossification zurückgeführt werden 
müssten. 

Nachdem von Herrn Hart ge in der Frage der Phosphor¬ 
therapie angeführt worden, dass He noch und Baginsky sich 

f egen dieselbe ausgesprochen haben, weist Kieseritzky auf 
ie günstigen Berichte hin, die von Kassowitz, Biedert und 
Rauchfu8s veröffentlicht worden sind; die leichteren Fälle 
heilen spontan, die schweren werden durch Phosphor gut 
beeinflusst. 

Sitzung am 6. November 1891. 

Herr Hart ge spricht über die neuesten Ergebnisse auf 
dem Gebiet der Herzkrankheiten und giebt eine Zusammen¬ 
stellung der wichtigsten Arbeiten hierüber. In den neuesten 
Arbeiten lasse sich trotz der grossartigsten Mannigfaltigkeit 
ein gemeinsamer Zug entdecken, der anatomische Standpunkt 
trete zurück gegenüber dem physiologischen, fnnctionellen. 
Es werden besprochen die Arbeiten von His und Romberg 
über die Innervation des Herzens, die Untersuchungen von 
Martius über den Spitzenstoss, von Rosenbach über die mu¬ 
sikalischen Herzgeräusche. Das bewegliche Herz ist von Pick 
als Factum festgestellt worden. Es tolgen dann die Arbeiten 
von Unverricht über Systolia alternans nebst Krankenge¬ 
schichte, von Dehio über Hemisystolie und Herzbigeminie. 
Von grösseren Werken wird das Lehrbuch von Germain See, 
übersetzt von Salomon, besprochen, welches den äussersten 
Standpunkt dei Eingangs betonten Richtung vertritt; der 
anatomische Sitz der Krankheit tritt ganz zurück gegen den 
Begriff der fnnctionellen Störung, wie dies die Typen recht 
deutlich beweisen. Etwas eingehender werden die idiopathi¬ 
schen Herzmuskelerkrankungen besprochen, besonders ihre 
Aetiologie berücksichtigt und für ihr Zustandekommen die 
Sommerbrod’sche Theorie ins Feld geführt. Es folgt als Illu¬ 
stration der acuten Ueberanstrengung eine eigene Kranken¬ 
geschichte nebst Demonstration der betreffenden Pulscurve. 
Auf dem Gebiet der Klappenfehler finden nur Aorteninsuffi- 


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cienz und Mitralstenose ihre Berücksichtigung. Beider Mitral¬ 
stenose bleibt die Frage der Entstehung der Geräusche trotz 
der mannigfaltigsten Forschungen als offen stehn, anders bei 
der Aorteninsufficienz. wo die Arbeiten von Dehio, Litten 
nnd Anderen einige Klarheit geschafft haben. Die relative 
Aorteninsufficienz ist durch mehrfache casuistische Beiträge in 
der Literatur jetzt feststehende Thatsache. 

Nach Geigel hat da« Sphygmogramm einen wichtigen dia¬ 
gnostischen Werth für die Differenziiung der Aorten- und 
Mitralinsufficienz resp. Ausschliessung anderer Klappenfehler. 
-- Erwähnt werden die capillarpulsatorischen Phaenomene bei 
Aorteninsufficienz an den Gaumenbögen (Müller) und der Re¬ 
tinalpuls von Rae hl mann. — Die Herzneurosen betreffend, 
lässt sich der Gesichtspunct nicht von der Hand weisen, dass 
länger andauernde und häufig sich wiederholende Störungen 
in der Herzrhytmik doch immer den Verdacht einer Herzer¬ 
krankung nahe legen müssen. — Das Capitel der Therapie 
weist von grösseren Arbeiten auf die von Basch über die 
Principien der Therapie der Herzkrankheiten. Sonst werden 
nur erwähnt die einzelnen Herzmittel, wie T. Stroplianti, das 
Spartein. sulf.. das Nitroglycerin; das neueste «Barvumchlorid», 
das Jodkali, Calomel, Coffein. Theobromin, der Milchzucker, 
Sambnens niger u. s. w. 

Sitzung am 20. November 1891. 

Nachdem der Präses Herrn Dr. Lezius als Gast begriisst 
hat, ergreift Herr Dehio in der Discussion über den Vortrag 
des Herrn Hartge vom 6. November 1891 das Wort, um seine 
Ansichten gegen die His und Romberg’schen Untersuchungen 
über die Innervation des Herzens, die er schon auf dem Aerzte- 
tage in Halle im Sept. 1891 vertreten, auch hier anszusprechen. 
Knoll und Germain See haben seiner Meinung nach un¬ 
zweifelhaft nacligewiesen, dass das Kronecker’sche Herzgang¬ 
lion — ein motorisches, coordinatorisches Centrum — vorhan¬ 
den sei; eine Zerstörung dieser stecknadelkopfgrossen Stelle 
im Herzen bewirke zuerst ein Flimmern und Wogen derMus- 
culatur, sehr bald Herzstillstand. His nnd Romberg haben 
das Nichtvorhandensein dieses Centrums nicht bewiesen. Es 
giebt nach Dehio ein Herzcentrum, dessen Zerstörung die 
Automatie aufhebt — eine Anschauung, der die meisten Kli¬ 
niker auf dem Aerztetage in Halle beistimmten. 

Sitzung am 4. December 1891. 

Herr v. Sahmen berichtet übereinen Krankheitsfall (mit 
Demonstration einer Temperaturcurve), den er für Influenza 
hält und der ihm geeignet erscheint, auf einen veränderten 
Charakter der gegenwärtigen Epidemie gegenüber der vor 2 
Jahren aufmerksam zu machen. 

Es handelt sich um eine Dame, bei der ein Fieber mit ziem¬ 
lich regelmässigen zwei Mal täglich erfolgenden Exacerbationen 
nnd starken Remissionen fast 3 Wochen dauerte ohne Katarrhe 
und nachweisbare Localsymptome. An den meisten Tagen, 
wenn nicht durch Chinin oder Antifebrin das Fieber beeinflusst 
war. ist die höchste Temperatur zwischen 4 und 5 Uhr Morgens 
nnd dieselbe Stunde Nachmittags, die niedrigste Mittags. Vom 
9. Krankheitstage an bis zum Schluss ist mit Ausnahme eines 
Tages dieser Temperaturgang regelmässig zu verfolgen, wäh¬ 
rend nur noch Salzsäure und Abends eine Gabe Codein gegeben 
wurde. Da die Fiebersteigerung Morgens zwischen 4 und 5 
Uhr mehrere Tage hindurch in der zweiten Hälfte der ersten 
und zu Anfang der zweiten Woche besonders lästig empfunden 
wurde, so wurde versucht durch 0,6 Chinin spät Abends da¬ 
gegen zu wirken, aber nur mit dem Erfolg, dass die Nacht 
besonders qualvoll durch Schlaflosigkeit, Kopfschmerz und Un¬ 
ruhe war. Die Klagen bezogen sich nur auf Kopfschmerz. Schlaf¬ 
losigkeit und Wiederwille gegen Nahrung. Keine Durchfälle, 
keine Druckempfindlichkeit des Leibes, keine Roseola, eine sehr 
massige Vergrösserung der Milzdämpfung, kein Albumin im 
Harn. Die Temperaturcurve zeigt als höchste Erhebung 39.5° C. 
in der ersten Woche, gegen Ende der zweiten Woche geht die 
Mittagsremission bis 37,5° C. herunter. Maximum 39,0 und 
etwas darüber, gegen Ende der dritten Woche 38,5, Minimum 
36,1, 35,7. 35.8. Gegen die Kopfschmerzen erwies sich Codein 
ebenso hilfreich wie gegen die Schlaflosigkeit. —- Es scheinen 
in diesem Jahr mehrfach Fälle vorzukommen, in denen Katarrhe 
sowohl der Respirations- als auch der Unterleibsorgane fehlen 
oder unbedeutend sind und bei denen man mehr oder weniger 
lange zweifeln kann, ob man es mit Influenza oder mit Typhus 
zu thun hat. 

Herr Dehio referirt über Untersuchungen, die unter 
seiner Leitung von Dr. Tomberg ausgeführt worden sind 
und den Zweck hatten, das Fleischl’sche Haeroometer auf seine 
Tauglichkeit zu klinischen Untersuchungen zu prüfen und die 
mit dem Gebrauch dieses Apparats verknüpften Fehler festzn- 
stellen. Aus diesen Untersuchungen ergiebt sich, dass die An¬ 
gaben des Fleischlichen Haemometers in der That mit einem 
constant vorhandenen Fehler behaftet sind; letzterer muss 
empirisch für jeden einzelnen Apparat festgestellt werden, da 
die Fehler bei den verschiedenen Apparaten nicht, gleich sind. 
Dcg Apparat, der von Neubert und Lezius zu ihren Unter¬ 


suchungen (cf. die Dissertation der Genannten und Dehio's 
Anfsatz in Nr. 1 der Petersburger med. Wochenschrift 1891) 
benutzt wurde, ergab nach Tomberg's Prüfung einen fort¬ 
schreitend zunehmenden Fehler, so dass bei einem Blut, welches 
80 pCt. des normalen Haemoglobingehaltes besitzt, durchschnitt¬ 
lich 1,4 pCt. zu wenig angegeben werden, bei 70 pCt. beträgt 
der Fehler im Durchschnitt 2,8 pCt.; bei 60 pCt. des normalen 
Haemoglobingehaltes 3,6 pCt. bei 50 pCt„—4,5 pCt.; bei 40 pCt. 
- 5,2 pCt.; bei 30 pCt.—5,4 pCt.; bei 20 pCt —5.5 pCt. Diese 
aus einer grossen Untersuchungsreihe eruirten Zahlen, nach 
denen die Ablesungen am Apparat corrigirt werden müssen, 
stimmen mit den schon von Lezius und Neubert festge¬ 
stellten und benutzten Correcturzahlen gut überein, so dass 
die von jenen Autoren gemachten Angaben in allen Stücken 
aufrecht erhalten bleiben. — Andrerseits kam es darauf an, die 
Breite der Fehlersohwankungen festzustellen, welche nach der 
Correctur des constanten Fehlers für den sich nur Mittel - 
wertlie angeben lassen, noch übrig bleiben. In 90 pCt. aller 
Fälle überschreiten die Fehler der Bestimmung nicht den Werth 
von 2 pCt. nach der positiven oder negativen Seite, keinesfalls 
aber reichen nach Tomberg’s Erfahrungen die Grenzen der 
Fehlerschwankung weiter als 4.3 pCt. nach der positiven und 
3,9 nCt nach der negativen Seite. — Diese letztgenannten 
starken Abweichungen finden sich übrigens nur bei sehr blassem 
Blut, in dem nur noch weniger als 60 pCt. des normalen Hae¬ 
moglobingehaltes vorhanden sind. Bei so haeraoglobinarmem 
Blut sind die grösseren Fehler aber weniger störend, als bei 
haemoglobinreicherem Blut. Tom b erg kommt deshalb mit 
Recht zu folgendem Schluss: dem Kliniker wird es in den 
meisten Fällen nicht darauf ankommen, geringe Veränderungen 
des Haemoglobingehaltes des Blnts festzustellen, denn solche 
sind nach unsern bisherigen Erfahrungen klinisch belanglos: 
wo aber bedeutende Verarmungen des Bluts an Haemoglobin 
vorhanden sind, da gestattet das Fleischliche Haemometer 
immerhin, derartige Veränderungen mit genügender Sicherheit 
festzustellen, um klinische und diagnostische Schlüsse zu ziehen. 
Conditio sine qua non aber ist, dass jeder Beobachter für seinen 
Apparat, bevor er ihn praktisch benutzt, nach der von Tom- 
berg angewandten Methode die constanten Fehler empirisch 
feststellt, und späterhin diesen Fehler stets corrigirt, so oft 
er den Apparat gebraucht. 

Auf eine Anfrage des Herrn von Zoege, ob die Schwan¬ 
kungen der Fehlerquelle nicht auch auf persönliche Einflüsse, 
des Beobachters zurückzuführen seien, erwidert Herr Dehio, 
dass die fortschreitende Fehlerquelle am Apparat selbst liege, 
die Schwankungen eine verschiedene Ursache haben können: 

1. Das Blut ist nicht immer gleich durchsichtig (warum ist 
nicht klar); 

2. Das Auge des Beobachters ist an verschiedenen Tagen 
verschieden disponirt (dieser Fehler ist nicht gut zn eliminiren). 

Sitzung am 18. December 1891. 

Vortrag des Herrn Robert Koch: Zur Casuistik der 
Bronchitis fibrinosa. (Der Vortrag ist in der St. Petersb. 
med. Wochenschrift Nr. 9 a. c. in extenso erschienen). 

Herr Kieseritzky erwähnt einen Fall von Bronchitis crou- 
rtosa bei einem Erwachsenen, den er im vorigen Jahre in der 
Nothnagel’schen Klinik gesehn. Es wurden unter starken 
dyspnoischen Anfällen fein dendritisch verzweigte Abgüsse der 
Bronchien expectorirt. 

Herr Kessler ergreift zur Entstehung der Exsudate das 
Wort und vermisst m den ausgelegten Praeparaten das Lumen 
und die charakteristische Faltenbildung im Centrnm, wie sie 
durch nachfolgende concentrische Exsudation entstehn müsste. 

Herr Dehio weist auf die Analogie der Gerinnselbildnng 
bei Bronchitis cronposa mit der bei Diphtherie hin, wo die Ge¬ 
rinnsel durch Exsudation von der Schleimhaut aus entstehn 
und ein Lumen haben. 

Herr Zoege meint, dsss sich in manchen Querschnitten der 
ausgelegten Praeparate sehr gut die von Kessler geforderte 
Fältelung nachweisen lasse. Ausserdem liegen die Leukocyten 
im Centrum, in den peripheren Schichten fehlen sie ganz. 
Auch dieser Befund spräche für concentrische Entstehung der 
Gerinnsel. 

Herr Gerlach schliesst sich in Bezug auf die Deutung des 
von Zoege angeführten Praeparates diesem vollkommen an und 
weist drauf hin. dass man im Centrum desselben eine unregel¬ 
mässige homogene Fläche sieht, welche eine ganz andere 
Structur besitzt, als die sie umschliessenden typischen fibri¬ 
nösen Schichten. Abgesehn davon findet man in dieser homo¬ 
genen. durch den Farbstoff ausserdem weniger intensiv gefärb¬ 
ten Grundsubstanz Alveolarepithelien in reichlicher Anzahl, 
während das fibrinöse und hyalin degenerirte Substrat fast 
nur Leukocyten enthält. Dieser Zellbefund macht zugleich 
den Einwand unhaltbar, dass es sich hier um ein durch Alkohol¬ 
härtung erzeugtes Kunstproduct handle. Auch die Faltenbil¬ 
dung sei ohne Weiteres zu sehn, wenn man sich nur daran 
halte, dass im gegebenen Fall die einzelnen Schichten der 
croupösen Ausschwitzungen einen sehr verschiedenen Zellen¬ 
reichthum aufweisen. Denselben Structumnterschied zwischen 


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dem centralen Baum und der Peripherie eines Bronchial? e- 
rinnsels könne man noch viel schöner wahrnehmen in dem 
Praeparat, in welchem sicn die* Saprophyten demonstriren 
lassen, welche sich auch ausschliesslich in diesem hellen homo¬ 
generen und Alveolarepithelien führenden Centralranme nach- 
weisen lassen. 

Herr Kessler proponirt, bei Demonstration mikroskopischer 
Praep arate kleine Zeichnungen zur Erleichterung der Ver¬ 
ständigung beizulegen, z. Z. Secretair: Dr. Robert Koch. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 7. Januar 1892. 

Herr Moritz giebt folgenden Nachtrag zu dem in der 
Sitzung von 16. April initgetheilten Fall von periodischer 
Albuminurie: 

In der Sitzung vom 16. April 1891 habe ich über einen Fall 
von periodischer Albuminurie berichtet, welcher sich durch 
die Abhängigkeit der Eiweissausscheiduug von der Körper- 
stdfung charakteri8irte. Der Zustand wurde von mir damals 
als «v er ticale» Albuminurie bezeichnet, denn die aufrechte 
Stellung war das alleinige Moment, durch welches unabänder¬ 
lich jedesmal Albuminurie hervorgerufen wurde, wahrend alle 
übrigen bekannten eiweissvermehrenden Umstände keinen 
deutlichen Einliuss zeigten — nameutlich nicht im Stande 
waren, bei horizontaler Lage Eiweissausscheidung zu be¬ 
wirken. 

Seit jener Mittheilung sind 9 Monate verflossen, während 
welcher der erwähnte Patieut unter fortdauernder Controle 
bez. seiner Albuminurie steht. Der Zustand hat sich seitdem 
nicht wesentlich geändert und lege ich die Curve, welcüe den 
täglichen Eiweissverlust veranschaulicht, bei. Aus derselben 
ersieht man, dass kein Eiweiss nachzuweisen (durch Koch¬ 
probe mit Essigsäure sowie Essbach) war an alleu denjenigen 
Tagen, an welchen Pat. ununterbrochen zu Bette lag, resp. 
halbsitzend im Bett sich beschäftigte: 14. April. 24. und 26. 
Mai, 11. August, 11. Se.pt., 14—26. October und 14—20. Nov. 
Während dieser letzten "/tägigen Liegezeit war Pat. genöthigt 
am 16. auf 10 Minuten das Bett zu verlassen und sofort zeigte 
die nächste Portion einen Eiweissgehalt von 0,2 p. M. (im 
Essbach). Ferner stellte sich herans, dass der nächste auf 
einen Liegetag folgende Tag einen sehr hohen Eiweissverlust 
ergab, sowie dass regelmässig am Morgen oder Vormittag 
resp. anmittelbar nach dem Verlassen des Bettes der Eiweiss¬ 
gehalt viel stärker war als in den später gelassenen Portio¬ 
nen, während Patient auf war und sich bewegte, so dass 
augenscheinlich der Uebergang') von horizontaler zur 
verticalen Stellung, resp. die dadurch bewirkte posi¬ 
tive Druckschwankuug des Venendrucks die stärk¬ 
ste eiweisstreibende Wirkung hat. Angeregt durch 
einzelne Angaben über günstige Einwirkung einer (Jompres¬ 
sion anf die Nierengegend wurde 2 mal — im Mai und De- 
cember — mittelst Flanellbinde ein kleines Kissen auf den 
Leib gebunden und einige Tage getragen, — im Mai bei 
gleichzeitig 2 Tage lang dauernder Einvvickelung beider 
Unterextremitäten. Ein Erfolg war nicht deutlich, obzwar 
doch die betr. Tage eher zu den besseren gehörten, ln den 
5 Tagen vom 29. hov. bis 3. Dec. wurden wieder verschiedene 
Experimente zur Controle und Vervollständigung früherer 
Wahrnehmungen gemacht: bei Bückenlage im Bett wurden 
Uebungen mit Hanteln gemacht und danach bei ruhenden 
Armen Balanciren einer Last auf den Fusssoblen, — beides 
bis zur Ermüdung und beides ohne Eiweissausscheidung. Am 
30. Nov. sass Pat. auf dem Bande des Bettes mit herabbän- 
genden Beinen */* Stunde lang, am 1. Dec. im Stuhl 1 */» 
Stauden — ohne Eiweiss zu produciren. Als er jedoch am 
2. und 3. Dec. auf seinem Stuhl sitzend sich im Zimmer her- 
umsehob, auch in entferntere Zimmer auf diese Weise sich be¬ 
wegte, ergab sich ein ziemlich erheblicher Eiweissgehalt. — 
Was den Einfluss von Körperbewegungen, resp. körperlichen 
Strapazen anlangt, von welchen man eine entschieden schäd¬ 
liche Wirkung voraussetzen durfte, — so liess sich eine solche 
nicht immer con6tatiren; im Juli und August wurden mehr¬ 
mals sehr angreifende Jagdpartien unternommen, — ohne 
jede Verschlimmerung. Es muss bemerkt werden, dass auch 
in dieser Zeit jeden Morgen die Kochprobe klaren Urin 
zeigte. — Im Laute des Sommers wnrde öfters mehrere i age 
nach einander viel gelegen, — doch nur einmal mehr als 24 
Stunden ununterbrochen (11. Aug.), wobei es keinen grossen 
Unterschied machte, ob Pat. etwa 3—4 Stunden oder 8—10 
ausser Bett war, denn wie schon bemerkt waren die ersten 
Stunden nachdem Aufstehn immer am stärksten eiweissreich. 

Arzneimittel sind successive verschiedene genommen worden: 


’) Senator, die Albuminurie. 

Heubner, JBeri. kl. W. 1891. S. 543. 
a ) Casaretti (Pisa) Bef. in Supplem. to the British Med. 
Journal 26. Sept. 1891. 

V erco (Australien) Bef. ibid. 24. Oct. 1891. 


Acid. nitr. (3 Woch.) ohne Erfolg; am 20. Mai wurde begon¬ 
nen mit eiuer Mischung von Tr. Strophanti mit Tr. hydrastis 
Can. wonach am 3. Tage (22. Mai), einem besonders angrei¬ 
fenden Examentage die höchsten Eiweissziffern beobachtet 
wurden (in einer Portion 8 p. M.) und zahlreiche mit Epithel 
besetzte und grobgranulirte Uylinder sich fanden, auch war 
der drauffolgende Morgen der einzige, welcher noch etwas 
Niederschlag im Essbach (0,5 p. M.) zeigte. — Seitdem sind 
Cylinder nur vereinzelt 3 oder 4 mal beobachtet worden, meist 
fehlten sie im mikroskop. Bilde, es gab überhaupt meist kein 
sichtbares Sediment so lau^e der Barn frisch war. Später 
wurde Natr. salicyl. längere Zeit gebraucht, dann Tannin, An- 
tipyrin, Protojoduret. hydrargyri, Kali jodat, Atropin. — Von 
diesen Mitteln schien Tannin ungünstig, die andern gar nicht 
zu wirken. Das Tagesquantum des Harns betragt durch¬ 
schnittlich ca. 900 — 1000, — der tägliche Eiweissverlust 
schwankt zwischen 0,1 und 0,2 Gramm und steht in keinem 
bestimmten Verhältnis zur Harnmenge. Die Schwankungen 
im Eiweissverlust sind allerdings nach oben wie nach unten sehr 
bedeutend. 

Pat. geniesst gemischte Kost mit den übrigen Hausgenossen: 
Kaffee, Thee, Spirituosen kommen nur ausnahmsweise vor, 
dagegen trinkt er seit der Kindheit sehr viel Milch. Iu der 
letzten Zeit vereinzelt vorgekommene Gesellschaften, bei denen 
Wein genossen wurde, haben keine deutliche Verschlimmerung 
bewirkt. Das Körpergewicht schwankt zwischen 143—150 Pt. 
russisch. 

Eine nunmehr lOmonatliche Beobachtung dieses Falles hat 
mich dazu geführt, ihn zunächst nicht als Nephritis anzuer¬ 
kennen und die Bezeichnung «verticale Albuminurie» auf¬ 
rechtzuerhalten: denn Pat. zeigt, abgesehen von ziemlich be¬ 
deutender der Familie eigentümlicher Magerkeit, keinerlei 
Krankheitssymptome, alle übrigen Organe sind so weit er¬ 
kennbar gesund, desgleichen volle körperliche und geistige 
Leistungsfähigkeit vorhanden. Indessen kann ich mich doch 
der Besorgniss nicht verschliesse«, es könnte sich handeln um 
ein Frühstadium jener verderblichen Granularatrophie jünge¬ 
rer Leute, welche meist erst durch die ersten anämi¬ 
schen Erscheinungen entdeckt wird. 

Der weitere Verlauf wird’s lehren. 

2. Herr Abelmann hält einen zur Veröffentlichung be¬ 
stimmten Vortrag über Peliosis rheumatica im Sängiings- 
alter. 

3. Herr Kernig giebt einige den Journalen des weiblichen 
Obuchowhospitals entnommene Daten über die gegenwärtig 
berrscheude Influenza. Eine plötzliche epidemische Steige¬ 
rung der Zahl der Influenzafälle wurde im Juni des vergange¬ 
nen Jahres, also etwa um dieselbe Zeit beobachtet, als die 
Fregatte «Miuin», von einer Influenzaepidemie an Bord heim- 
gesucht, von Schweden nach Kronstadt zurückkehrte; vom 
Juni an bis jetzt dauert die Epidemie, jetzt in entschiedener 
Abnahme begriffen an; die Zahl der mit Influenza in das Ho¬ 
spital aufgenommenen Kranken warindeu einzelnen Monaten 
d. J. 1891 folgende: 


Januar 23 Juli 47 

Februar 13 Aug. 19 

März 7 Sept. 22 

April 5 Oct. 63 

Mai 12 Nov. 64 

Juni 70 (!) Dec. 24. 

Von den gesammten 369 Influenzaf&llen mit 14 Todesfällen 
waren 72 (= 19,5 pCt.) durch Pneumonia catarrhalis compli- 
cirt; die Mortalität betrug im Ganzen 3.8 pCt., für die mit 
Katarrhalpneumonie complicirten aber 19,4 pCt. Die im Juni 
aufgetretene Epidemie ist fast nur in den Hospitälern, fast 
gar nicht in der Privatpraxis beobachtet worden, weil in der 
Zeit das bessere Publicum zum allergrössten Theil ausserhalb 
der Stadt lebt. Die meisten Fälle waren sehr typisch, beson¬ 
ders ausgeprägt war neben den anderen katarrhalischen Erschei¬ 
nungen die initiale Iniection der Conjnnctiva. Ausser der 
Katarrhalpnenmonie und den Fällen von croupöser Pneumonie, 
die gleichtalls auf Influenza bezogen werden konnten, oben 
aber nicht miteinbegriffen sind, wurden als Complicationen 
noch beobachtet: Polyneuritis (2 Fälle, davon einer mit Ver¬ 
änderungen im Rückenmark) und (privatim) Pneumonia mi- 

f rans mit secundärer letaler Meningitis (1 Fall). Inbetreff 
er Inflnenzapneumonien bemerkt K. dass dieselben sich 
durchaus als etwas Eigenartiges, als Pneumonien sni generis 
darstelleu, indem es auch bei der Autopsie oft nicht möglich 
ist, sie mit Bestimmtheit als katarrhalisch oder als croupös 
zu bezeichnen; in ihrem klinischen Verlaufe geben sie das 
Bild einer katarrhalischen Pneumonie.—Herr Hirsch erwähnt 
demgegenüber einiger Fälle von mnthmaasslicher Influenza¬ 
pneumonie, welche Anfangs einige Symptome der croupösen 
(Sputa crocea) darboten, später aoer als katarrhalische verlie¬ 
fen.—Herr de la Croix bestätigt die anatomische Eigenar¬ 
tigkeit der Inflnenzapneumonie; dieselbe zeige ein der eitrigen 
Infiltration bei cronpöser Pneumonie ähnliches Bild, doch fehle 
die Hepatisation und sei der Eiter flüssiger; die Pleura werde 


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weniger betheiligt gefunden, der Process sei meist lobulär, 
nicht lobär. 

4. Herr Mendelsohn und Herr Petersen berichten über 
folgenden Fall von Epilepsie, bedingt durch einen 
Hirntumor: 

Pat. 32 Jahre alt, seit 2 Jahren von M. beobachtet, heredi¬ 
tär belastet, acquirirte 1879 Lues, bekam 1886 die ersten epi¬ 
leptischen Anfälle; 1879 und 1888 Schmiercuren; 1889 wurde 
der Zustand von Cliarcot als essentielle Epilepsie bezeichnet. 
Im Laufe des letzten Jahres wurden die typischen Anfälle 
seltener, dagegen Aura und petit mal häufiger; Consultation 
mit Prof. Tarnowskv, erneute Schmiercur; in letzter Zeit 
Erscheinungen von Hirndruck (linksseitige Paresen) und 
psychische Störungen, wegen welcher Pat. in eine Anstalt 
gebracht wurde f 5. Januar 1892. (Der Augenspiegelbefund 
war 1889 normal, später wurde nicht ophthalmoskopirt). De¬ 
monstration des Gehirns: beide Hemisphären sehr gross, 
Gyri abgeplattet, besonders rechts; pia mater normal, an der 
Convexität nichts weiter wahrzunehmen; bei der Betrachtung 
der Basis cerebri zeigt sich der rechte Schläfen lappen 
von einer diffusen gelatinös aussehenden Ge¬ 
schwulstmasse (Gliom?» eingenommen; die weitere Un¬ 
tersuchung zeigt, dass auch der rechte Thalamus opticus und 
das rechte Corpus striatnm von der Geschwulst eingenommen 
sind. Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Zur Anwendung des warmen Wassers bringt H arley 

in «Medical Age» folgende werthvolle Indicationen des heissen 
Wassers in Erinnerung: Geringe Kopfschmerzen hören bei 
gleichzeitiger Application des heissen Wassers auf den Nacken 
und die Fiisse bald auf. Eine in heisses Wasser getauchte, 
rasch ausgewundene Serviette auf den Magen gelegt, wirkt 
beinahe augenblicklich gegen Koliken. Nichts coupirt rascher 
eine Lungencongestion, eine Angina oder einen Rheumatismus, 
wie Heisswassercompressen. Eine mehrfach zusammengelegte, 
in heisses Wasser getauchte und dann ansgewundene Serviette 
auf die schmerzhafte Stelle gebracht, bringt bei Zahnschmerzen 
und Neuralgien bald Erleichterung. Ein mit heissem Wasser 
angesangtes Flanellstück um den Hals eines von Croup befal¬ 
lenen Kindes gelegt, erzeugt in 5—10 Minuten auffallende Be¬ 
ruhigung. Dieses gelingt namentlich beim sogenannten Pseu¬ 
docroup. Grosse Dosen heissen Wassers eine halbe Stunde vor 
dem Schlafengehen genommen, sind ein gutes Mittel gegen 
Verstopfung. Dasselbe Mittel, Monate lang genommen und mit 
einer passenden Diät vereint, wirkt bei gewissen Formen der 
Dyspepsie vortrefflich. Memorabilien 12. Sept. 1891. 

— Solis-Cohen empfiehlt die örtliche Anwendung des 

Bromoform. Bei schweren Fällen von Ozaena hat er gute 
Erfolge mit diesem Mittel e» zielt. Er wandte auch das Mittel 
bei tuberculösen und anderweitigen Geschwüren des Kehlkopfes 
an, nachdem er hier wie bei der Ozaena eine Reinigung mit 
Wasserstoffsuperoxyd hatte vorhergehen lassen. Das Bromoform 
wirkt örtlich analgesirend und desinficirend, da aber die 
Substanz flüchtig ist, so ist der Effect ein rasch vorüberge¬ 
hender; deshalb empfiehlt S. Jodoforminsufflationen folgen zu 
lassen. Med. News. 11. Juli. 


Vermischtes. 

Befördert: Zum Geheimrath — der Professor der Psy¬ 
chiatrie an der railitär-medicinischen Academie, Dr. Mierze- 
jewski. 

Verstorben: 1) Am 5. Februar in Kowel (Wolhynien) der 
freiprakticirende Arzt Marcus Kulkin im 32. Lebensjahre 
am Abdominaltyphns. Der Hingeschiedene hatte seine medi- 
cinische Ausbildung an der Universität Kiew erhalten und 
darauf behufs weiterer Vervollkommnung seine Studien an aus¬ 
ländischen Universitäten fortgesetzt. Wie grosse Liebe und 
Achtung derselbe unter den Einwohnern der Stadt sich er¬ 
worben hatte, geht daraus hervor, dass eine grosse Menschen¬ 
menge seinem Sarge folgte und die Kaufleute am Tage der 
Beerdigung, zum Zeichen der Trauer, ihre Magazine geschlos¬ 
sen hatten. (Wr.). 2) Im Kreise Tscheljabinsk (Gouv. Oren- 
burg) der Bezirksarzt des Orenburgschen Kosakenheeres A n- 
dreas Wjatkowski im 57. Lebensjahre. 3) Im Kreise Cho- 
rol (Gouv. Poltawa) der noch junge Landschaftsarzt Nikolai 
Jedlitschka, welcher sich erschossen hat. 4) ln Wiesbaden 
am 5. März der Generalarzt ausser Diensten Dr. Robert We¬ 
ber. 5) In Wien Dr. Victor Iwanchich de Margita nach 
soeben vollendetem 80. Lebensjahre. Sein Name wird in der 
Geschichte der Chirurgie stets genannt werden, da er einer 
der Ersten war, welcher die Lithotripsie in Oesterreich-Un¬ 
garn ausiibte und in seiner ausgebreiteten Praxis nicht weni¬ 
ger als 300 Steinzertrümmerungen mit glänzendem Erfolge 
ansgeführt hat. Dieser Operation, deren Technik er meister¬ 
haft beherrschte, sind auch die meisten seiner zahlreichen 


Schriften gewidmet. Seit dem Jahre 1881 lebte Jv wegen 
Kränklichkeit in stiller Zurückgezogenheit, aus welcher sein 
Name jedoch noch häufig anlässlich seiner Wohlthätigkeits- 
acte in die Oeffentlichkeit gelangte. 

— Ein Kreis von Tiflisschen Aerzten, welche Prof. Virchow 
während seines letzten Aufenthalts im Kaukasus auf der 
Reise von Tiflis nach Abastuman begleiteten, hat beschlossen, 
zum Andenken an den berühmten Gelehrten und Arzt in der 
Orpir’8clien Schlucht an der Spitze eines Felsens eine Tafel 
mit der Aufschrift: «An dieser Stelle hielt der grosse 
Gelehrte Rudolf Virchow einen hochbedeutenden 
Vortrag über Gebirgscurorte» anzubringen. 

— Am 9. März n. St. beging der Director der Marburger 
inneren Klinik, Prof. Dr. Mannkopf das Jubiläum seiner 
25jährigen Thätigkeit an derselben 

— Prof. emer. Dr. Kussmaul hat aus Anlass der Feier 
seines 70jährmen Geburtstages in Erinnerung an seine Stu¬ 
dienzeit iil Heidelberg der dortigen Luisen-Heilanstalt ein 
Kapital von 10,000 Mark geschenkt, welches nach einem früh¬ 
verstorbenen Kinde des Stifters den Namen: «Hedwig-Kuss- 
maul-Stiftung» tragen wird. 

— Der bekannte Bakteriologe und Mitarbeiter Prof. Rob. 
Koch s am Institut für Infectionskrankheiten in Berlin, Dr. 
Kitasato, soll in nächster Zeit in sein Heimathland Japan 
znrückkehren, um die Leitung eines nach dem Muster des 
Berliner in Tokio neu zu errichtenden Instituts zu über¬ 
nehmen. 

— Dr. Felix Wolff, welcher seit dem Tode Dr. Breh- 
mers dessen bekannte Heilanstalt für Lungenkranke in Gör- 
bersdorf leitete, übernimmt jetzt die Leitung der bekannten 
I)r. Driver’schen Lungenheilanstalt in Reiboldsgrün (König¬ 
reich Sachsen). 

— Sanitätsrath Dr. Jastrowitz, der langjährige frühere 
Leiter der «Maison de Sante» in Schöneberg bei Berlin, hat 
die Leitung der neuen Dr. James Fräenkel’schen Heil- 
lind Pflegeanstalt für Gemüthskranke in Steglitz 
bei Berlin übernommen. 

— In Twer ist ein ärztlicher Verein in’s Leben getre¬ 
ten, nachdem die Statuten desselben am 23. Januar d. J. be¬ 
stätigt worden. Die Zahl der Gründer beträgt 48. In der am 
8. Februar abgehaltenen ersten Sitzung fanden die Wahlen 
des Vorstandes statt. Zum Präsidenten wurde der Oberarzt 
des örtlichen Gouvernements-Landschaftshospitals Dr. M. J. 
Petrunkewitsch, zum Vicepräsidenten ' Dr. E. Landesen, 
zum Bibliothekar und Cassirer Dr. N. M. Pawlow und zum 
Secretär Dr. A. P. Rosanow gewählt. 

— Die TwerBche Abtheilung des «Rothen Kreuzes» hat auf 
ihreKosten eine Gemeinschaft barmherziger Schwertern 
in der Stadt Twer gegründet. Für's Erste werden 9 Schwe¬ 
stern in dem für diesen Zweck angekauften Hause ausge¬ 
bildet. 

— Die Kiewer Universität hat zum ersten Mal den Grad 
einer Apothekergehülfin verliehen, und zwar einem 
Fräulein A. M. Makarowa, welche im Smolna-Institutin St. 
Petersburg erzogen ist, und gegenwärtig als Pharmaceutin in 
der Apotheke der Pokrow’schen Gesellschaft barmherziger 
Schwestern in Kiew fungirt. 

— Wie die «Nowosti» erfahren hat ein Odessaer Krösus den 
Assistenten Prof. Billroths, Dr. Eiseisberg aus Wien nach 
Odessa kommen lassen behufs Ausführung einer Operation au 
den Schädelknochen seiner Tochter und demselben dafür 5000 
Rbl. gezahlt. 

— Die Charkowsche Duma hat beschlossen, den dortigen 
Arzt Dr. W. A. Frankowski, dessen 50jähriges Jubiläum in 
nächster Zeit von der Charkower medicinischen Gesellschaft 
festlich begangen werden wird, in Anbetracht seiner Verdienste 
um die Stadt zum Ehrenbürger der Stadt Charkow zu 
wählen, die Abtheilung für Infectionskrankheiten im städti¬ 
schen Kinderhospital, dessen Curator er ist, nach ihm zu be¬ 
nennen und sein Portrait im Empfangszimmer des Kinderho¬ 
spitals aufzuhängen. 

— In der Jahresversammlung der St. Petersburger (russi¬ 
schen) medicinischen Gesellschaft sind der Medicinalinspector 
Dr. J. W. Berthenson zum Präsidenten, Dr.Theremin zum 
Vicepräsidenten, zu Secretären die DDr. Wassiljew und Ein¬ 
horn und zum Cassirer der Apotheker Heermeyer gewählt 
worden. In derselben Sitzung wurden die DDr. Theremin 
und A. L. Win ogradow zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft 
gewählt. 

— Der bekannte, vor Kurzem verstorbene Dr. Morell Ma- 
cenzie in London hat, wie Labouchere, der mit ihm befreun¬ 
det war, mittheilt, durch seine Praxis bereits einige Jahre nach 
Beginn derselben (i. J. 1862) ca. 5000 Pf<L Sterling (gegen 
50,000 Rbl. nach dem gegenwärtigen Curse) eingenommen. Un¬ 
gefähr vom Jahre 1875 an stiegen seine jährlichen Einnahmen 
schon auf 12.000—15.000 Pfd. Sterling (gegen 120,000 bis 
150,000 Rbl.). 


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^wr. 


99 


— Wiederum hat ein Veteran der medicinischen Wissen¬ 
schaft, Prof. Conrad Eckhard in Giessen, sein70. Lebens¬ 
jahr vollendet. E. docirt bereits seit 1850 in Giessen, anfangs 
gleichzeitig Physiologie und Anatomie, in den letzten Jahren 
nur Physiologie und hat sich durch hervorragende Arbeiten 
auf beiden Gebieten hervorgethan. Am bekanntensten ist sein 
«Lehrbuch der Anatomie des Menschen* (1862), dann seine 
«Beiträge zur Anatomie und Physiologie», von aenen 12 Bände 
bereits erschienen sind. 

— Vor Kurzem ist zur Erinnerung an den berühmten Ana¬ 
tomen und Pathologen Jean CruveTlhier (f 1874) in seiner 
Vaterstadt Limoges eine Gedenktafel an seinem Geburt«- j 
hause angebracht worden. C. begann seine med. Praxis in 
Limoges und war später Professor in Montpellier und Paris. 

— Vom Kasanschen Bezirksgericht wurden vor Kurzem zwei 
Tataren zu l^jähriger schwerer Arbeit in den Bergwerken 
verurtheilt für die Ermordung eines 6jährigen Mäd¬ 
chens, dessen Berz sie herausgeschnitten hatten, nm es einem 
Kranken zu essen zu geben. Den Rath, das menschliche Herz 
zu essen, hatte ein Kasanscher Mull an gegeben, der sich mit 
der Behandlung von Krankheiten befasst. 

(Kas. Wjesti-Wr.). 

— Am 27. Februar verstarb hierselbst das active Mitglied 
des hiesigen Kaiserl. Instituts für Experimental-Medicin, Ma¬ 
gister der Veterinärkunde Christoph Hellraann. Er ist ein 
Opfer seines Berufs geworden indem er vor ca. 2 Jahren 
bei seinen Versuchen mit dem von ihm dargestellten Mittel 
(«Mallein») gegen die Rotzkrankheit sich mit letzterer inft- 
cirt hat. 

— Das hiesige Kaiserliche Institut für Experimen¬ 
tal-Medicin gedenkt in nächster Zeit ein eigenes Journal in 
russischer und französischer Sprache unter dem Titel «A rchiv 
für biologische Wissenschaften» herauszugeben. 

— In J. 1889 wurde bekanntlich von dem Homöopathen 
Dr. Dittmann 17 Werst von der Station Nykirka der Finn- 
ländischen Bahn im Gouv. Wiborg in gesunder Gegend ein 
Sanatorium für Lungenkranke imHalilaeröflhet, welches 
aber — wohl in Folge der vorzugsweise homöopathischen Lei¬ 
tung — nicht prosperirte und im Herbst des vorigen Jahres 
wegen Mangels an Mitteln geschlossen werden musste. Gegen¬ 
wärtig hat nun S. Majestät befohlen, obiges Sanatorium mit 
dem dazu gehörigen Gute aus Allerhöchstseinen Mitteln anzu¬ 
kaufen und nach den nothwendigen Remonten im Frühjahr 
d. J. für Lungenkranke wieder zu eröffnen. Mit dem Sanato¬ 
rium wird anch ein bakteriologisches Laboratorium zu wissen¬ 
schaftlichen Untersuchungen verbunden werden. Die Regeln 
für die Aufnahme der Kranken etc. können schon jetzt in der 
Allerhöchsteigenen Kanzlei, welcher die Anstalt unmittelbar 
unterstellt ist, täglich von 11—3 Uhr eingesehen werden. 

— Wie der «Wratsch» berichtet, haben die Studenten des 
letzten Cursus der milit.-med. Acaderaie sich bereit er¬ 
klärt, an den Sanitäts-Detachements, welche in die 
von Epidemien heimgesuchten Hungergegenden ge¬ 
sandt werden, sich activ zu betheiligen. 

— Bei der militär-medicinischen Academie ist eine Prämie 
auf den Namen des verstorbenen Medico-Chirurgen 
N. S. Juschenow gestiftet worden, welche alljährlich am 
26. März für das beste in russischer Sprache gedruckte medi- 
cinische Werk, das zur Bewerbung um die Prämie eingere'cht 
ist, verliehen weiden wird. Als Bewerber können nur russi¬ 
sche Unterthanen orthodox-griechischer Confession auftreten. 

— Gemäss einer Allerhöchst bestätigten Resolution des Mi- 
nistercomites wird das Recht der Militär- und Marineärzte 
auf privilegirte Eisenbahnfahrten auch auf die Glieder des 
Lehrpersonals der militär-medicinischen Academie, welche eine 
Uniform nach dem Muster der Militärärzte tragen, ausgedehnt. 

— Der Zudrang zur medicinischen Laufbahn ist ln 

Deutschland in starker Zunahme begriffen, wie aus der 
Steigerung in der Zahl der Approbationen ersichtlich ist. 
Während des Prüfnngqjahres 18£K)/91 sind im deutschen Reiche 
1570 Aerzte approbirt worden, während im Jahre 1880/81 die 
Zahl der Approbirten nur 556 betrug und allmälig zu der 
obigen Ziffer gestiegen ist. In 10 Jahren hat sich also die 
Zahl der Approbirten nahezu verdoppelt. Bei den Zahnärz¬ 
ten war die Zahl der Approbationen von 1880/81 bis 1888,89 
auf das 67* fache gestiegen, hat im letzten Prüfungqjahre aber 
abgenommen j es sind nämlich nur 96 approbirt gegen 103 in 
den beiden Vorjahren. Die Zahl der approbirten Apotheker 
ist in dem letzten Decenniura verhältnissmäBsigam wenigsten 
gestiegen: 1880/81 worden 365 Apotheker, 1890/91 dagegen 
549 approbirt. (Al g. med. C.-ZtgJ. 

— Am 16. Februar sind die Statuten einer neuen Ge¬ 
sellschaft ministeriell bestätigt worden, welche es sich znr 
Aufgabe gestellt hat, die Wöchnerinnen und deren Kinder in 
den hiesigen städtischen Gebärasylen mit Kleidung, Wäsche 
und Geldmitteln zur Reise in die Heimath zn versorgen, so- 1 


wie die Unterbringung der Neugeborenen in die betreffenden 
Anstalten in den Fällen zu erwirken, in welchen die Neuge¬ 
borenen aus triftigen Gründen nicht bei ihrer Mutter verblei¬ 
ben können u. s. w. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 5 Rbl. jähr¬ 
lich oder 100 Rbl. einmalig. Als Gründerinnen der Gesellschaft 
werden die Gräfinnen N. A. und 0. J. Bobrinski, die Für¬ 
stinnen M. W. Wjasemski und A. A. Obolenski, Frau 
W. G. v. Gerngross und Fran A. G. Paschkow genannt. 

— Nach dem Tode Dr. Rosenthals hat die interimistische 
Leitung der Redaction der rühmlichst bekannten «Allgemei¬ 
nen medicinischen Central-Zeitnng» (in Berlin) Dr. 
H. Lohnstein übernommen. 

— Das bekannte grosse Charitä-Krankenhaus, in wel¬ 
chem ein grosser Theil der Berliner Universitäts-Kliniken und 
Institute untergebracht sind, soll in nicht allzu ferner Zeit 
unter Verlegung auf einen anderen Platz Den erbaut 
werden. 

— In den von Prof. Rob. Koch geleiteten Baracken für 

Infectionskrankheiten in Berlin können jetzt 60 Män¬ 
ner, 36 Frauen und 12 Kinder untergebracht werden. Gegen¬ 
wärtig werden daselbst etwa 70 Personen mit dem verbesser¬ 
tem Tubercnlin behandelt. (A. m. C.-Ztg.). 

— Alvarenga-Preisaufgabe. DieHnfeland’sche Gesell¬ 
schaft hat in der Sitzung vom 25. Februar er. beschlossen, 
folgende Preisaufgabe zu stellen: 

«lieber Morbus Basedowii. Es soll eine Darstellung der 
Geschichte des Morbus Basedowii gegeben werden-, hieran soll 
anknüpfen eine Darstellung der neueren Erfahrungen auf dem 
Gebiete der Pathologie und pathologischen Anatomie der 
Krankheit: schliesslich sollen die Theorien der Erkrankung 
kritisch beleuchtet und die Therapie eingehend erörtert 
werden». Der Preis beträgt 800 Mark. Einzureichen sind die 
Arbeiten bis zum 1. April 1893 an den Unterzeichneten, Ber¬ 
lin, W. Margarethenstr. 7. Zulässige Sprachen: deutsch, eng¬ 
lisch und französisch. Die nicht preisgekrönten Arbeiten 
werden anf Verlangen bis zum 1. October 1893 zurückgegeben. 
Die Bekanntmachung der Zuertheilung des Preises findet am 
14. Juli 1893 statt. Der Vorsitzende der Hufeland’schen 

Gesellschaft Liebreich. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 16. Februar d. J. 6201 
(169 weniger als in der Vorwoche), darunter 461 Typhus — 
(18 weniger), 603 Syphilis — (41 weniger), 53 Scharlach — (9 we¬ 
niger), 29 Diphtherie — (12 mehr), 73 Masern — (4 weniger) 
und 21 Pockenkranke (2 mehr). 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Clvilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 23. Februar d. J. 6586 
(185 weniger als in der Vorwoche), darunter 444 Typhus — 
(17 weniger), 650 Syphilis — (6 mehr), 56 Scharlach — (6 we¬ 
niger), 30 Diphtherie — (13 mehr), 75 Masern — (2 weniger) 
und 17 Pocken — (2 weniger). 

Am 1. März d. J. betrug obige Gesammtzähl 6468 (82 
mehr als in der Vorwoche), darunter 463 Typhus — (19 mehr). 
661 Syphilis — (11 mehr), 69 Scharlach — (13 mehr), 22 Diiph- 
therie — (8 weniger), 73 Masern — (2 weniger) und 26 Pocken 
— (9 mehr). 


Vacanz. 

Von dem Nolinsk’schen Kreis-Landschaftsamte wird ein 
Arzt für das Ambulatorium im Kirchdorf Ludjano 
(25 Werst von Nolinsk entfernt) und den umliegenden med. 
Bezirk gesucht. Der Bezirk besteht aus 6 Gemeinden mit 
ca. 50.000 Einwohnern. Gehalt 1000 Rbl. jährlich und 100 Rbl. 
Quartiergeld. Bewerber haben ihre Documente der «HoiHHcsan 
3enciaa ynpaaa» einzusenden. 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 16. Februar bis 22. Februar 1892. 


Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 


M. W. Sa. 


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£3 GS 

SSSSSSSSSB'Sl 

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1 1 1 
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312 237 549 92 46 94 7 

2) nach den Todesursachen: 


<M CO «t iß ® S QO “ 

11 15 58 64 38 39 43 28 14 0 


— Typh.exanth. 0, Typh. abd. 9, Febris recurrens 1, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 1, Pocken 5, Masern 12, Scharlach 15, 
Diphtherie 6, Croup 1, Keuchhusten 4, Croupöse Lungen- 


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Google 




100 


entztindang 27, Erysipelas 4, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tfaJa O, Bohr 1, Epidemische Meningitis 0, Äcnter Gehmkrhen- 
'taatismtts 0. Patontis epidemica'0; Kotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
' Hydrophobie 0, Pnerpteralheber 0. Pyämie und Septacaemie 6, 
• 'Tnberculose der Lungen 103, Tuberculose anderer Organe 12, 
Alkoholismus und Delirium tremens 6, Lebensschwäche und 
Atrophia inftfrttum 32. Marasmus senilis 27, Krankheiten des 
' Vwrdaunngseanals 55, Todtgeborene 33.' 

. Für die Woche vom 23. Februar bis 29. Februar 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 


a ^ 3 .^sjsjsä 'CiM'ajs 

gSctcacScScacScSceaSoSU 
S S»-J »“5 »-stf. Ha HaHa-HjH,Ha g 


» u. s, • a ^ 2 S 8 8 S S 8 ? ä ? | 
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H « « ^ ifl to N 00 


347 257 604 107 39 76 15 10 25 63 59 61 56 42 40 11 0 


2) nach den Todesursachen: 

— Typli. exantli. 0, Typh. abd. 15, Febris recurrens 2, ^Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 3, Masern 11, Scharlach 
i 15, Diphtherie 8, Croup 2. Keuchhusten 3, Croupöse Lungen- 
j entzünd ung 34, Erysipelas 7, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 1, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 1, Parotitis epidemica 0, Kotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
! Hydrophobie 0, Puerperalfieber 3, Pyämie und Septicaemie 1, 
j Tuberculose der Lungen 116, Tuberculose anderer Organe 9, 
Alkoholismus und Delirium tremens 5, Lebensschwäche und 
f Atrophia infantum 33, Marassmus senilis 32, Krankheiten des 
; Verdanungscanal 58, Todtgeborene 25. 


Nächste. Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte, Dienstag den .17. März. 

Nächste•; Sitzung des ^deutschen „ärztli¬ 
chen Vereins .Montag den 9. März. 


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St. Petersburg, Newsky-Pr. 14, sowie in allen in- und ausländ. Annoncen-Coinptoiren angenommen, -n 



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TOpa H BO BCftXl. KHHXHUXt M&ra8HBaxi>. 

Adressen von Krankenpflegerinnen: 

E. van der Vliet, ExaTep. r&h. 166, rb. 25- 
' Melanie Tromberg, Bac. OcTp., 4 jrh., 
H 19, rb. 6. 

Frau Hasenfuss, Ma.i. noxtHiecK. x. 14, 
KB. 15. 

Frau Marie Kuberc, MoBks 84, kb. 19, 
naupoTHB-b pe4>opMaTCKoB gepKBH. 
Bipa AHÄpteBHa CKopanraHa, Hcbck. 
np. 98, kb. 18. 

Schwester Elise Tennison, Bojibiua« Ca- 
XOBUX, fl. 9, kb. 36. 

Antoinette Lücke, HeBCKift np., 32/34, 

KB. 13. 

' Frau A. M. Wiander, B. 0. 7 jl x. 6, 
kb. 6. 

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floss. ueas. Cu6. 6 MapTa 1892 r. 


Herausgeber: Dr. Th. v. Schröder. Buchdruckerei von \Y'ieuecke, Katheriuenbofer-Pr. >615. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 



MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 

nnter der Redaction von 

Prof. Br. Karl Behio. Br. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Br. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden i 
Sonnabend. — Der Abonnementiprels ist in Bnssland s Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. I'ostzustellnng; in den anderen , 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Inaertionsprels 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Siitze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


0V Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Ucker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect 34 14, zu richten. —Äanuscripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilnngen bittet man an 
den gesohäftsführenden Redacteur I)r. Theodor von Schröder i» 
St. Petersburg, Malaja Italjauskaja 34 33,Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


N 11 


St. Petersburg, 14. (26.) März 


1892 


Inhalt: N. A. Ssokolow: Zur operativen Behandlung veralteter Luxationen im Ellbogengelenk. — Referate: Man¬ 
fred Fritz: Ueber Thermopalpation und ihre praktische Verwerthbarkeit. — K. Fiedler: Ueber die Behandlung der Cholera 
nostras (Erwachsener) mit Zufuhr grosser Mengen Wassers. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Prof. Adolf 
Lesser: Atlas der gerichtlichen Medicin. — Protokolle der Sitzungeii des III. livländischen Aerztetages in Walk. — 
Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin 
St. Petersbnrgs. — Anzeigen. 


Zur operativen Behandlung veralteter Luxationen 
im Ellbogengelenk. 

Von 

N. A. Ssokolow 
in St. Petersburg. 

(Ans der chirurgischen Abtheilung des klinischen Institutes 
der GroBsfürstin Helene Pawlowna). 


Die Luxationen im Ellbogengelenk bieten ein beson¬ 
deres Interesse für den Chirurgen durch die grosse Zahl 
ihrer verschiedenen Formen nnd der Complicationen, die 
dabei beobachtet werden. Es schien mir daher nicht un¬ 
interessant, vier Fälle mitzutheilen, die in verhältniss- 
mässig kurzer Zeit im klinischen Institut zur Beobach¬ 
tung kamen. 

Es ist bekannt, wie häufig die Ellbogenluxationen sind, 
besonders im kindlichen und jugendlichen Alter. Krönlein 1 ) 
hält sogar diese Luxationen für die häufigsten im kind¬ 
lichen und jugendlichen Alter, da auf 113 Luxationen bis 
zum 20. Lebensjahre die Ellbogenluxationen 70 pCt. ans¬ 
machten. Es ist bekannt, dass eine erhebliche Anzahl von 
Ellbogenluxationen schon von Anfang an schwer repo- 
nible oder selbst irraponible sind. Hueter hat schon 
längst darauf hingewiesen, dass die Ursache davon in 
den anatomischen Verhältnissen des Gelenkes gelegen 
ist. Ein Abbruch dieses oder jenes Knochenvorsprunges, 
ein abgerissenes Stück irgend einer Epiphyse, Stücke 
zerrissener Weichtheile können leicht zwischen den Ge¬ 
lenkenden eingeklemmt werden und die Reposition 
hindern. Das verhältnissmässig späte Verwachsen der 
Epiphysenpunkte begünstigt natürlich solche Complica¬ 
tionen bei Luxationen bis zum 20. Lebensjahre. Leider 
konnte ich keine genaueren Angaben über das procentische 
Verhältniss solcher Complicationen bei Luxationen im 
Ellbogengelenk finden. 


*) Deutsche Chirargie Liet 26. 


Ich verweise daher auf Vamossy 2 ), bei welchem unter 
9 Fällen von Ellbogenluxationen 8 mit Brüchen dieses 
oder jenes Condylus complicirt waren. Sechs seiner Fälle 
betreffen Kinder im Alter von 9, 11, 13, 14 und 15 
(2) Jahren. In meinen 4 Fällen wurde ebenfalls jedes Mal 
elae^’AapIication mit einem Bi9ü^.j2£9bächtet ; sie . be¬ 
trafen ebenfalls junge Patienten ira Alter von 12, 14, 
16 nnd 19 Jahren. Ich will diese Frage nicht genauer 
discutiren und gehe gleich zur Behandlung über. Es ist 
klar, dass, wenn eine solche Complication vorliegt, be¬ 
sonders günstige Bedingungen nöthig sind, um die Luxa¬ 
tion zu reponiren. Bekanntlich gelingt es zuweilen, sehr 
veraltete Ellbogenluxationen zu reponiren, es muss daher 
immer in solchen Fällen ein Versuch zur Reposition ge¬ 
macht werden; ich glaube trotzdem, dass bei complicirten 
Luxationen Repositionsversuche kaum gelingen werden; 
ausserdem wissen wir, dass eine forcirte Reposition ver¬ 
alteter Luxationen zu sehr unangenehmen Complicationen 
führen kann; eclatante Beispiele von solchen finden wir bei 
Nodot"). Andererseits wissen wir, dass nach Luxationen 
in den Gelenken sich sehr rasch mehr oder weniger 
erhebliche Veränderungen ausbilden. Bindegewebswuche¬ 
rung in den Knorpeln, Knorpelschwund, narbige Schrum- 
piung der anliegenden Weichtkeile— das Alles sind solche 
Factoren, welche selbstverstäidlich die Reposition nicht 
begünstigen können. Es ist daher wünschenswerte die 
Reposition nicht allzusehr zu forciren und danach zu 
streben, das Gelenk so rasch als möglich auf diese oder 
jene Weise in für die Function günstige Verhältnisse zu 
bringen. Das einzige Mittel dazu ist selbstverständlich ein 
operatives Einschreiten. Es gehört nicht zu meiner Auf¬ 
gabe in eine genaue Discussion sämratlichor Operations¬ 
methoden einzugehen, ich varweise auf Ollier 4 ), welcher 
diese Frage sehr genau erörtert. Um die Resectiouen zu 
beschränken, hältOllier e* in einigen Fallen für besser, 

*) Zur Arthrotomie veralteter Luxationen. Wieuer klinische 
Wochenschrift, 1890, Nr. 50. 

*) Nodot, Des indicatiow operatoires dans les luxations 
anciennens du conde. Thöse. Paris 1888. 

4 ) Trait4 des resectiona. Tome II, 1889. 


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sich mit einer forcirten Beugung zu begnügen, bei Er¬ 
wachsenen nach Durchschneidung der Tricepssehne, bei 
Kindern nach Durchreissen dieser Sehne. 

Auf diese Weise bekommen wir ein Ellbogengelenk, 
welches unter einem Winkel von 100—110° gebeugt steht 
und bei gewisser Nachbehandlung eine Beweglichkeit von 
20—25° erlangen kann. Dieses ist besser, als eine Re- 
section zu risquiren und den Kranken für 4—5 Monate 
arbeitsunfähig zu machen. Aber Ollier (1. c. p. 285) 
selbst sagt auch: II y a quelque chose de mieux, que la 
rßsection, c’est de remettre les surfaces articulaires eu 
place par la section des brides, des ligaments, des muscles, 
de tous les obstacles, en un mot, qui retiennent les ex- 
tr6mit6s osseuses dans leur position anormale. C’est R le 
moyen id6&l. 

Also — Arthrotomie. Aber welche Chancen bietet 
diese Operation? fragt Ollier und glaubt, dass als gün¬ 
stigste Zeit für dieselbe nur die ersten acht Wochen 
gerechnet werden können. Es verhält sich aber nicht 
ganz so. Die Arthrotomie von Nicoladoni, welche Va- 
mossy anführt 6 ), ebenso meine Fälle gaben ziemlich 
gute Resultate selbst nach einigen Monaten, ln meinen 
Fällen wurde die Operation ausgeführt 7 Monate, 4 Mo¬ 
nate, 7 Wochen, 2 Monate nach der Luxation. Was den 
Modus der Gelenkeröffnung betrifft, so ist es natürlich 
am besten, so zu eröffnen, dass man möglichst freien 
Zutritt gewinnt. Nur indem wir das Gelenk breit eröffnen, 
können wir uns orientiren und uns einen genauen Plan 
für unser Eingreifen machen. Schon Vamossy spricht 
sich dahin aus, dass der alleinige Langenbeck’sche Schnitt 
nicht immer genügend ist, nicht deswegen, weil er für 
die genaue Uebersicht des Gelenkes nicht ausreiche (ob¬ 
gleich dies freilich auch eine Rolle spielt), sondern haupt¬ 
sächlich wegen der Schwierigkeit, die Wunde beigebeug¬ 
ter Extremität zu decken. Daher wandte er in seinen 
Fällen einen zweiseitigen Schnitt an. Selbst Ollier, ein 
Gegner der Muskeldurchschneidung bei Resectionen, em- 
pfieliit in den schwierigeren Fällen den Triceps zu durch- 
sclmeiden, und Vamossy hält es für besonders wichtig, 
subperiostal zu operiren, um nach Möglichkeit die Er¬ 
nährung zu erhalten und die Heilung zu beschleunigen. 

In meinen Fällen, welche von Prof. Tiling operirt 
wurden, wurde das Gelenk immer von hinten eröffnet, 
wie das schon früher beschrieben worden ist*). Dabei 
kann man das Gelenk vollkommen übersehen und sich 
in den vorliegenden complicirten Verhältnissen orientiren. 

Genau diesen Operationsmodus durchzuführen, gelang 
nicht immer. Und zwar gelang es nicht immer, die An¬ 
satzstellen der Bänder vom Humerus abzumeisseln, um 
nach der Toilette des Gelenkes die abgemeisselten Kno¬ 
chenlamellen wieder anzunageln. Dies lag zum Theil an 
der totalen Zerreissung des Bandapparates, zum Theil 
an der Unmöglichkeit sich zu orientiren wegen narbiger 
Neubildungen. Die weiter unten angeführten Krankenge¬ 
schichten werden es klarer machen. Fast in allen vier 
Fällen gelang die Reposition leicht nach Entfernung der 
abgebrochenen Knochenstücke und nach Befreiung der 
Gelenkenden von den Narhenmasseu. 

Aber die luxirten Knochen in normaler Stellung zu 
erhalten gelang in 2 Fällen nur dank einer temporären 
Naht. In einem Falle musste man sogar die Arthrotomie 
wiederholen, da nach der ersten Operation es wieder zur 
Luxation kam, und nur nach Anlegung einer Naht wurde 
die gewünschte feste Stellung der Gelenkenden erreicht. 
Auf die zuweilen vorkommeade Schwierigkeit, nach der 
Arthrotomie die Gelenkenden in richtiger Lage zu erhal¬ 
ten, hat schon Bardenheuer hingewiesen’’). Die Ursache 


s ) 1. c., auch Wiener medicinische Wochenschrift 1885, Nr. 23. 
") «XHpypniqecKiö Bihthhkt.> (Der chirurgische Bote) 1887. 
Tiling. Neue Moditicationen der Resectionstechnik. 

7 ) Barden heuer. Die Verletzungen der oberen Extremität. 
Deutsche Chnuigie Lief. 69. B. 8. 33. 


davon ist nicht nur die unregelmässige Lage der Gelenk¬ 
knochen in Folge des begleitenden Bruches, sondern auch 
die starke elastische Zusammenziehung der das Gelenk 
umgebenden Muskeln, Sehnen, Bänder u. s. w.; dies 
letztere hat natürlich eine desto grössere Bedeutung, 
je älter die Luxation ist; nicht selten ist man gezwungen, 
zur beabsichtigten Arthrotomie noch die Resection eines 
Gelenkendes hinzuzufügen, wenn durch die alleinige Durch¬ 
schneidung der Weichtheile die Reposition nicht gelingen 
will. Bardenheuer hat schon zwei Mal zum Festhalten 
der Knochen in normaler Stellung die Naht angewandt 
und war beide Mal mit dem erreichten Erfolg sehr 
zufrieden. Die Entfernung der Naht gelingt leicht bei 
vorsichtiger Einführung einer Scheere in den Canal der 
ausgestochenen Naht. Hauptsächlich hatten wir nach der 
Operation gegen die Muskelatrophie zu kämpfen. Die 
Unthätigkeit der Muskeln nach dem Trauma und die 
Unthätigkeit nach der Operation summiren sich zuweilen 
so, dass sie die Geduld des Kranken und des Arztes 
erschöpfen. In dem dritten unten angeführten Falle gelang 
es, dank dem beharrlichen Willen der Kranken selbst, 
die besten Resultate zu erzielen; aber auch in den übri¬ 
gen Fälleu war die Bewegungsexcursion mehr oder we¬ 
niger genügend statt der fast vollständigen Unbeweglich¬ 
keit vor der Operation. Leider gelang es mir nicht, die 
Kranken in der allerletzten Zeit zu untersuchen. Die von 
mir beobachteten Fälle waren folgende: 

I. A. E. M., Bäuerin, 14 Jahre alt, trat in die Klinik 
am 6. November 1887 ein. Im April 87 ist die Pat. 
auf die ausgestreckte rechte Hand gefallen, dabei kam 
der Vorderarm unter den Körper zu liegen und als die 
Pat. aufstand, hing der Vorderarm ganz schlaff herab. 
Die Repositionsversuche waren selbst unter Chlorofonn- 
narkose erfolglos 

St. pr.: Die Gelenkenden der Vorderarmknochen sind 
im Ellbogen nach aussen verschoben, so dass der innere 
Condylus des Humerus stärker als gewöhnlich hervor¬ 
tritt und verdickt erscheint; nach aussen vom Condylus 
fühlt man an der hinteren Humerusfläche eine Grube. 
Das Verhältniss zwischen dem Radiusköpfchen und der 
Ulna ist nicht gestöri. Die Tricepssehne bietet eine merk¬ 
liche Grube. Weder Ober- noch Vorderarm sind merklich 
verkürzt. Die Beweglichkeit ist beschränkt, so dass Beu¬ 
gung nur bis zum rechten Winkel, Streckung bis 155° 
möglich ist. Passiv sind auch laterale Bewegungen nach 
aussen bis 15°—20° möglich. Bei Bewegungen hört man 
weiche Crepitation, bei starker Streckung fühlt man an der 
Beugeseite des Ellbogens harte Knochentheile. Die Rota¬ 
tionsbewegungen sind erhalten. 7. Nov. Zum Zweck der 
Einrichtung wird das Gelenk nach Tiling eröffnet, wobei 
die Basis des Lappens wegen Dislocation des Olekranon 
nach aussen beträchtlich enger ausfiel. Nach Eröffnung 
des Gelenkes erwies es sich, dass das gegenseitige Ver¬ 
hältniss der Gelenkenden folgenderrnaassen verändert war: 
die Gelenkenden der Yorderarmknochen sind nach hinten 
dislocirt und zwar so, dass der Rand des Radiusköpfchens 
am hinteren Knorpelrande der Eminentia capitata steht, 
der vordere Rand des Processus coronoideus an die hintere 
Trochleafläche anstösst und die Trochlea von der halb¬ 
mondförmigen Grube des oberen Endes der Ulna nicht 
umfasst wird. Das Gelenkende des Humerus ist ebenfalls 
verändert, am besten erhalten ist die Eminentia capitata, 
während die beiden Gruben oberlialb der Trochlea nicht 
existiren, statt ihrer aber Knochenvorsprünge bemerkbar 
sind. Oberhalb der Eminentia, dem Radiusköpfchen ent¬ 
sprechend, findet sich eine neue Gelenkgrube, in welcher 
die Bewegung des Köpfchens stattfindet. Die Knorpel¬ 
flächen des Radiusköpfchens, der Eminentia capitata und 
des erhaltenen Theiles der Trochlea sind mit Bindege¬ 
webswucherungen bedeckt, welche in noch höherem Grude 
in der Incisura serailunaris bemerkbar sind. Da eine ein¬ 
fache Einrichtung nicht gelang, so wurden die Humerus- 


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103 


condylen mit den Ansätzen der erhalten gebliebenen Sei¬ 
tenbänder abgemeisselt, darauf wurde das richtige Ver- 
hältniss der Gelenkenden hergestellt. Aber auch jetzt 
wollte es nicht gelingen die Knochen in der einmal gege¬ 
benen Stellung zu erhalten, es störte nämlich die stark 
veränderte Form des unteren Humerusendes; es wurde 
daher der am meisten veränderte und entstellte Theil 
des Humerus abgesägt und hinten mit dem Meissei eine 
kleine Grube ausgeraeisselt der Fossa supratrochlearis 
posterior entsprechend. Die Bindegewebswucherungen an 
den Knorpeln wurden mit dem Messer entfernt. Die 
Knochen wurden in die normale Stellung gebracht, die 
abgemeisselten Theile der Condylen an ihrem früheren 
Orte durch Naht befestigt und die Wunde genäht. Die 
Extremität wurde unter einem Winkel von 130° — 140° 
"ebeogt, um eine starke Spannung des Lappens zu ver¬ 
meiden, welcher in seiner Basis sehr schmal war. Der 
Verlauf nach der Operation war gut und am 13. Tage 
stand die Pat. auf; es wurde der erste Verbandwechsel 
gemacht und die Beugung im Ellbogen bis zum rechten 
Winkel vergrössert. Sehr unbedeutende Mortification der 
Hautränder in geringer Ausdehnung, sonst vollkommene 
prima intentio. Die Nachbehandlung gab die Möglichkeit 
die Bewegungsexcursion zu vergrössern, und als die 
Kranke am 27. Februar 1888 ausgeschrieben wurde, 
hatte sie ein gutes bewegliches Gelenk; die Configuration 
desselben war zwar etwas verändert, aber die Kranke 
konnte den Vorderarm bis zu einem Winkel von 38° 
beugen und bis zu 138° strecken. Am Schluss der Stre¬ 
ckung fühlte Pat. ein geringes Krachen, aber die 
Bewegungen selbst waren vollständig schmerzlos. Die 
kaum merkliche seitliche Beweglichkeit war so beschränkt, 
dass sie die Pat. im Gebrauch des Armes nicht hinderte; 
die Kraft des Armes war merklich gewachsen. 

II. M. J. R. Bäuerin, 16 Jahre alt, trat am 2. Mai 
1890 in die Klinik ein. Die Kranke giebt an, dass sic» 
im December 1^89 auf die linke Seite gefallen sei. 
Gleich darauf bemerkte sie im linken Ellbogengelenk 
eine starke Schwellung, Schmerzen und Unbeweglichkeit. 
Die wiederholten Repositionsversuche einer alten Dorf¬ 
fraa, welche die Luxation erkannt hatte, blieben erfolg¬ 
los. Die Schwellung und Schmerzen dauerten 6 Wochen, 
worauf beides abzunelimen begann und allmälig eine 
gewisse Beweglichkeit wiederkehrte; die letztere war 
aber sehr beschränkt und Pat. merkte, dass dieselbe noch 
stetig abnahm. Ich führe nur Folgendes aus dem Kran¬ 
kenbogen an: der linke Ellbogen ist unter einem Win¬ 
kel von 135° gebeugt und etwas abducirt. Die Contou- 
ren des Gelenkes sind stark verändert. Die Gruben zur 
Seite des Olekranon sind verstrichen. Der innere Con- 
dylus des Humerus tritt stark hervor. Der äussere Con- 
dylus ist beträchtlich verdickt, nach hinten von ihm ist 
nur undeutlich das Radiusköpfchen durchzufühlen. Das 
Olekranon steht etwas oberhalb der Condylenlinie. Die 
Extremität ist um 4 Ctm. verkürzt, der Umfang des Ell¬ 
bogens ist links um 3 Ctm. breiter als rechts. Prona¬ 
tion und Supination geschehen ziemlich leicht, aber 
Streckung und Beugung sind kaum auszuführen und da¬ 
bei sind selbst diese minimalen Bewegungen (bis 15°— 
20°) sehr schmerzhaft. Am 5. Mai wurden in Chloro¬ 
formnarkose die Bewegungen nicht ausgiebiger und Prof. 
Tiling eröffnete das Gelenk durch einen bogenförmigen 
Schnitt, da er auf die Möglichkeit der Einrichtung nicht 
rechnen konnte; das Abpräpariren des Lappens wurde 
durch die starken Verwachsungen des Ulnarnerven mit 
den umgebenden Theilen verzögert; in den letzteren, so 
wie auch im Nerven, sind Reste von Blutergüssen. Als 
der Lappen genügend abpräparirt war und der Arm im 
Ellbogen gebeugt wurde, um das Gelenk zu eröffnen, 
hörte man ein leises Krachen. Es existirte keine eigent¬ 
liche Gelenkhöhle, da sie vollständig von einer Narben¬ 
masse ausgefüllt war; es war nicht leicht sich in den 


complicirten Verhältnissen des vorliegenden Falles zu 
orientiren und gelang es erst allmälig. Nachdem die 
Narbenmassen, welche das Gelenk ansfüllten, durchschnit¬ 
ten waren und es gelungen war, den Arm so stark zu 
beugen, dass die Gelenkenden deutlich zu sehen waren, 
erwies es sich, dass die ganze halbmondförmige Grube 
von Bindegewebe durchwachsen w r ar und dass sich in 
ihr ein dreieckiges 3,6 Ctm. langes und 1,25 Ctm. brei¬ 
tes Knochenstück befand. Dieses Knochenstück, welches 
von Narbenmassen dicht umwachsen war, war anderer¬ 
seits mit der hinteren Fläche des äussersten Theiles der 
Trochlea verwachsen; an dieser Stelle war noch jetzt 
ein geringer Knorpeldefect zu constatiren. Nachdem 
sämmtliche Narbenmassen entfernt waren, trat die halb¬ 
mondförmige Grube des Ulnarfortsatzes deutlich hervor, 
der in vollem Zusammenhang mit dem Radiusköpfchen 
in toto nach aussen und zum Theil nach oben dislocirt 
war, so dass der Processus coronoideus hinten fast bis 
zwischen die Eminentia capitata und Trochlea reichte und 
das Radiusköpfchen sich noch mehr nach aussen befand 
und vor der Operation nur darum nicht durchzufühlen 
Avar, weil es von einem Theil des äusseren Condylus 
verdeckt war; dieser Theil des Condylus erwies sich jetzt 
als beweglich. Die Distanz zwischen den Humeruscon- 
dylen war vergrössert und die ganze Partie des Humerus 
zwischen Fossa supratrochlearis und Condylus externus 
beträchtlich verdickt; die Fossa supratrochlearis poste¬ 
rior war durch gewucherte Knochenmasse stark verklei¬ 
nert. Ein Theil des äusseren Condylus war beweglich 
und es war natürlich anzunehmen, dass man es hier mit 
einer Fractur des äusseren Gelenkendes des Humerus 
und des äusseren Condylus zu thun hätte. Der abge¬ 
brochene Theil des Condylus externus wurde entfernt 
und ein Theil der Knochennarbe, welche die hintere 
Grube ausfüllte, mit einem Hohlmeissei abgetragen, da¬ 
mit das Olekranon in dieser Grube einen genügenden 
Platz finden könnte. Nachdem die hintere Grube auf 
diese Weise praeparirt und ein Theil des äusseren Ban¬ 
des entfernt worden war, gelang es ziemlich leicht, die 
Gelenkenden zu reponiren; aber jedes Mal, so wie der 
Arm im Ellbogen gebeugt wurde, entstand die Luxation 
von Neuem, zum Theil daher, weil die Eminentia capi¬ 
tata stark verändert und entstellt war und sich dem Ra¬ 
diusköpfchen nicht gut adaptirte; dieses letztere rutschte 
immer ab und stemmte sich mit seinem vorderen Rande 
an die hintere Fläche der Eminentia an. Prof. Tiling 
machte die Grube für das Olekranon noch tiefer nnd 
vernähte die Wunde bei gebeugter Stellung des Armes. 
Die Knorpelflächen waren trotz der Durchwachsung mit 
Bindegewebe ziemlich fest geblieben. Die Kranke erholte 
sich sehr bald von der Operation, fühlte sich wohl nnd 
der Verlauf nach der Operation war vollkommen fieber¬ 
frei. Heilung per primam, aber die Bewegungen sehr 
beschränkt. Zwei Wochen nach der Operation ging man 
zu passiven Bewegungen und nachher zur Massage Uber; 
aber wegen der Schmerzen musste es mit grosser Vor¬ 
sicht geschehen. Leider wurde die Klinik geschlossen 
und die Pat. musste ausgeschrieben werden. Die Stel¬ 
lung des Ellbogens ist normal, die Hand in voller Supi¬ 
nation, die Pronation ist activ und passiv etwas be¬ 
schränkt. Seitliche Bewegungen sind nicht vorhanden, 
aber Streckung und Beugung sind vorläufig noch ziem¬ 
lich beschränkt und gehen nicht über 50°—60°. Massige 
Atrophie der Ober- und Vorderarmmuskeln der kranken 
Seite. 

III. E. B., Bürgermädchen, 19 Jahre alt, aufgenommen 
am 4. September 1890. Aus der Anamnese ist ersicht¬ 
lich, dass die Kranke am 24. Juli 1890 von einer 3 Fa¬ 
den hohen Leiter herabfiel. In bewusstlosem Zustande 
wurde sie in ein Spital gebracht; dort wurde eine be¬ 
trächtliche Schwellung des unteren Endes des Oberarms, 
des Ellbogens und des Vorderarms constatirt; ausserdem 


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starke Schmerzen; der Vorderarm ist unter einem stum- | 
pfen Winkel gebeugt und unbeweglich. 2 wöchentliche 
Eisapplication und darauf Massage verringerten die 
Schwellung, haben aber die Beweglichkeit nicht herge¬ 
stellt. Spater vorgenommene Repositionsversuche blieben 
ohne Erfolg. Bei der Aufnahme der Kranken wurde 
folgendes constatirt: ein gut gebautes Mädchen mit gut 
entwickeltem Panniculus adiposus. Die Contouren des 
linken Ellbogengelenkes verstrichen, die Furchen zu bei¬ 
den Seiten des Olekranon sind verschwunden. Der Vor¬ 
derarm im Verhältniss zum Oberarm etwas abducirt und 
unter einem Winkel von 120° gebeugt. Das Olekranon 
steht V/i Fingerbreiten oberhalb des Condylus internus, 
die Entfernung zwischen diesen beiden beträgt links 
6 Ctm., rechts nur 4‘/2 Ctin. Der Condylus internus ist 
stark verdickt und seine Contouren merklich verstrichen. 
Der Umfang des linken Gelenkes beträgt 28,5 Ctm., 
rechts nur 25 Ctm. Die Muskeln des Ober- und Vor¬ 
derarms sind atrophisch (die Mitte des Oberarms rechts 
27,5, links 25 Ctm.; die Mitte des Vorderarms rechts 
25 Ctm., links 22,5 Ctm.). Der obere Theil des Radius- 
küpfchens ist nach aussen vom Olekranon fühlbar, bei 
Pronation beweglich, die Gelenkfläche desCapitulum radii 
ist nicht durclizufühlen. Die activen Bewegungen der 
Beugung und Streckung sind minimal (nicht über 10°), 
die passiven fast von derselben Excursion, sehr schmerz¬ 
haft. Die Pronation geht nur bis zum Erheben der ra¬ 
dialen Seite der Handwurzel nach oben, Supination nor¬ 
mal. Bei Rotationsbewegungen ist ein Krachen hörbar. 
Nach aussen von der Tricepssehne fühlt man einen har¬ 
ten Knochenvorsprung. 

11. Sept. Prof. Tiling eröffnete mit seinem Schnitt das 
linke Ellbogengelenk; dabei erwies eS sich, dass beide Vor¬ 
derarmknochen nach aussen dislocirt waren, so dass die 
Trochlea von dem Ausschnitt des Ulnarfortsatzes nicht 
umfasst wurde und das Capitulum radii nach aussen 
von der Eminentia capitata seine Lage hatte. Der Kuor- 
pelüberzug ist erhalten. Das Capitulum radii bietet an 
seiner vorderen Fläche einen Defect, welcher etwas ge¬ 
ringer ist, als die Hälfte seiner Geleukfläche. In der 
Gegend des Condylus externus finden sich Narbenmassen, 
im Centrum der letzteren ein Knochenabbrueh, etwas 
kleiner als das fehlende Stück des Capitulum radii; in 
der halbmondförmigen Grube des Olekranon wurde eben¬ 
falls ein kleiner Knochenabbruch gefunden, welcher durch 
Narbenmassen mit der Gclenkgrnbe verlöthet war. Die 
Reposition gelang erst nach Durchschneidung der Seiten¬ 
bänder, aber die Luxation kehrte sehr leicht bei Bewe¬ 
gungen im Gelenk zurück. Naht. Die Kranke vertrug die 
Operation gut und klagte nur am Abend über Schmerzen. 
Zwei Mal abendliche Temperatursteigerung bis auf 38,0 
am zweiten und dritten Tage, dann fieberfreier Verlauf. 
19. Sept. Verbandwechsel, Alles ist verheilt, die Nähte 
werden entfernt. Vom 21. an nimmt man leichte pas¬ 
sive Bewegungen vor, welche aber wegen Schmerzhaftig¬ 
keit sehr beschränkt sind. Am 21. Sept. wurde beim 
Verbandwechsel bemerkt, dass die Bewegungen sehr be¬ 
schränkt waren und dass die Stellung des Vorderarmes 
anomal war; letzterer befand sich nämlich in derjenigen 
Subluxationsstellung nach aussen, welche die Extremität 
so leicht nach der Operation bei Beugung des Armes an¬ 
nahm, nur mit dem Unterschiede, dass es jetzt nicht 
mehr gelang, den Vorderarm zu reponiren. Die Versuche, 
die Bewegungen zu forciren und die Stellung zu corrigi- 
ren, waren ebenfalls erfolglos, man entschloss sich daher, 
die Reposition unter Narkose zu versuchen und im Falle 
des Misserfolges wieder zur operativen Einrichtung und 
zum Zusaramennähen der Knochen zum Zweck einer bes¬ 
seren Fixation überzugehen. Dies geschah auch am 
ti. October. Der Repositionsversuch blieb olme Erfolg 
und Prof. Tiling eröffnete zum zweiten Mal das Gelenk, 
wobei sich erwies, dass der Vorderarm in der früheren 


I Stellung der Luxation nach aussen sich befanl. Die 
Gelenkenden sind durch Narbengewebe ziemlich fest ver¬ 
löthet; die ganze halbmondförmige Grube ist mit Granu¬ 
lationen ausgefüllt; nach Entfernung der letzteren wird 
die Stellung der Extremität corrigirt und, um die Mög¬ 
lichkeit einer neuen Luxation zu vermeiden, das Capi¬ 
tulum radii mit der Eminentia capitata mit Seide ver¬ 
näht. Die Enden der Nähte werden nach aussen heraus- 
geleitet und die Wunde dicht vernäht. Fieberfreier Ver¬ 
lauf und vollkommene Verheilung der Wunde nach 14 
Tagen (erster Verbandwechsel). Die Knochennaht wird 
mittelst einer Scheere entfernt, welche in den Canal der 
Ligatur bis zum Knochen eingeführt wird. Am 23. Oct. 
beginnt man passive Bewegungen auszuüben und geht 
dann zur Massage und Elektricität über. Die Stellung 
der Extremität ist normal; Schmerzen sind nur bei for- 
cirten Bewegungen vorhanden. Die Kranke wurde am 
5. December ausgeschrieben mit folgendem Zustande der 
Extremität: Normale Stellung des Gliedes. Die Contou¬ 
ren des Condylus internus sind etwas verstrichen, die 
Furche des Nervus ulnaris deutlich ausgespochen, der 
äussere Condylus etwas abgellaeht und die Furche zwi¬ 
schen diesem und dem Olekranon verstrichen. Das Ra- 
diusköpfchen ist ziemlich deutlich zn fühlen und bewegt 
sich beim Supiniren und Proniren. Der Umfang des 
Ellbogens ist links um 2 Ctm. grösser, als rechts. Atro¬ 
phie der Ober- und Vorderarmmuskeln der linken Seite 
(der Umfang des Oberarms rechts 25, links 22 Ctm.; 
der Umläng des Vorderarms rechts 22, links 20 Ctm.). 
Der Kranken wurde empfohlen zur ambulatorischen Be¬ 
handlung zu kommen. Als ich sie am 15. Januar 1891 
sah, constatirte ich folgendes: die Kranke beugt den 
Vorderarm bis zu 50" und streckt ihn bis zu 145°, die 
Supination ist normal, die Pronation geht etwas über 
die Mittelstellung; Pat. klagt nur, dass der linke Arm 
bei der Arbeit ermüde. 

III. P. M., 12 Jahre alt, anfgenommen am 10. October 
1890. Ara Abend des 14. August ist die Kranke ge¬ 
fallen und hat sich dabei das rechte Ellbogen gelenk ver¬ 
letzt; sie ging in ein Spital, dort wurde ein Gypsverband 
angelegt, welcher erst am 12. September entfernt wurde; 
dabei erwies sich der Arm im Ellbogen gebeugt; Bewe¬ 
gungen nur in minimalem Maasse, nicht über 20°, mög¬ 
lich. Bei der Aufnahme in die Klinik wurde folgen¬ 
des constatirt: Die Kranke ist von mittlerem Körperbau, 
anämisch, Knochen- und .Muskelsystem normal entwickelt. 
Die inneren Organe bieten keine merklichen Veränderun¬ 
gen. Die rechte obere Extremität ist im Ellbogen unter 
einem Winkel von 125" gebeugt und der Vorderarm et¬ 
was abducirt. Die Contouren des linken Ellbogengelen¬ 
kes sind verändert; das Radiusköpfchen tritt hinten 
scharf hervor, so dass die Gelenkfläche leicht mit dem 
Finger zu betasten ist; hinten an den Hautdecken an 
der dem Radiusköpfchen entsprechenden Stelle ist eine 
merkliche Vertiefung zu sehen. Der Condylus externus 
ist nicht ganz deutlich durchzufühlen, der innere dagegen 
tritt scharf hervor. An der medialen Seite der Beuge¬ 
fläche des Ellbogens ist deutlich die Trochlea zu fühlen. 
Der Umfang des Ellbogengelenkes ist rechts um 1,5 Ctm. 
grösser, als links; die Entfernung zwischen Condylus 
externus und Olekranon ist rechts geringer, als links 
und dementsprechend ist die Distanz zwischen Condylus 
internus und Olekranon verdrössen, die Bewegungen im 
Ellbogen gehen nicht Uber 20° (die grösste Beugung bis 
110°, die grösste Streckung bis 130°). 

Am 13. October machte Prof. Tiling eine Arthrotomie 
mittelst seines Schnittes. Der obere Theil der Fossa 
sigmoidea ist mit Narbenmasse ausgefüllt. Die Entfer¬ 
nung dieser Masse, oben, besonders unterhalb der Tri¬ 
cepssehne, recht schwierig, wurde immer leichter je mehr 
man sich dem unteren Theil der Grube näherte. Nach 
Entfernung der Narbenmassen tritt die glänzende Knor- 


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10B 


pelöberfläche deutlich zu Tage. Auf dieselbe Weise ge¬ 
lang es die Gelenkfläche des Radius zu entbltfssen. Die beiden 
Vorderarmknochen boten keine Veränderungen dar, das 
innere Band war abgerissen. Das Gelenkende des Hu¬ 
merus war von Narbenmassen verdeckt. In den Nar¬ 
benmassen, welche die Rolle bedeckten, fand sich ein 
kleiner Knochenabbruch; dieser entsprach wahrscheinlich 
einer an der Eminentia capitata constatirten kleinen 
Usur, da weder die Trochlea, noch die Fossae supra- 
trochleares Veränderungen darboten. Die Eminentia ca¬ 
pitata bot ausser einer kleinen, dem gefundenen Kno¬ 
chenabbruch entsprechenden Usur, keine weiteren Ver¬ 
änderungen dar. Ueber der Fossa supratrochlearis po¬ 
sterior geringe Knochenunebenheiten, wahrscheinlich in 
Folge einer Fractur entstanden, da die ganze Epiphyse 
im Verhältniss zum Humerus etwas um ihre Axe gedreht 
erschien. Das gegenseitige Verhältniss der Knochentheile 
war derartig, dass der Processus coronoideus der Ulna 
ein wenig nach aussen und hinten dislocirt war, da er 
sich mit seinem vorderen Theil an die Trochlea anstem¬ 
mend nicht der Incisur der Rolle, sondern mehr dem 
äusseren Rande der letzteren gegenüber stand. In Folge 
der Spannung des äusseren Bandes wollte die Reposi¬ 
tion nicht gelingen, es wurde daher der Ansatz des 
Bandes am Humerus mit dem Meissei abgetragen, wo¬ 
rauf die Einrichtung leicht vollbracht wurde. Die richtige 
Stellung der Gelenkenden erhielt sich aber nur in der 
Beugestellung und es entstand sofort die frühere Luxa¬ 
tion, so wie das Gelenk gestreckt wurde. Prof. Tiling 
vernähte daher auch hier das Capitulum radii mit dem 
anliegenden Theil der Eminentia capitata und wurde auf 
diese Weise einer nachträglichen Dislocation vorgebeugt. 
Die Enden der Seidennähte, mit welchen die Knochen¬ 
enden zusammengenäht waren, blieben in der Wunde lie¬ 
gen; die Wunde selbst wurde dicht vernäht. 

Nur gegen Abend geringe Schmerzen im Arm. Am 
anderen Tage erholte sich die Kranke und fühlte sich 
wohl. Fieberfreier Verlauf. Am 14. Oct. werden sämmt- 
liche Nähte entfernt und mit einer bis zur Stelle des 
Knotens eingeführten Scheere die Knochennaht durch¬ 
schnitten. Heilung per primam. Bewegungen werden 
aosgeführt, sind aber beschränkt. Nach 2 Tagen passive 
Bewegungen und nachher Massage. Später wandte ich 
den faradischen Strom an. Die Kranke fühlte sich die 
ganze Zeit sehr wohl; sie musste leider vor Beendigung 
der Behandlung die Klinik verlassen. Am 3. Dec. con- 
statirte ich folgendes: Der rechte Ellbogen befindet sich 
in Beugestellung unter einem Winkel von 100°; active 
Bewegungen werden ausgeführt: Beugung bis 50°, 
Streckung bis 110°; passive Beugung bis 40°, passive 
Streckung bis 130°. Pronations- und Supinationsbe¬ 
wegungen fast normal. Das gegenseitige Verhältniss der 
Knochentheile ist normal und nur die Ober- und Vor¬ 
derarmmuskeln etwas atrophisch (der Umfang des Obers 
arms ist rechts um 2 Ctm., der Umfang des Vorderarm- 
ura 1 Ctm. kleiner, als links). Die Zunahme der Kraft, 
so wie auch der Bewegungsexcursion ging immer vor¬ 
wärts, so dass die Amplitude der Excursion von 20° 
(vor der Operation) bis auf 60° activer und 90° passi¬ 
ver Beweglichkeit stieg. Seitliche Bewegungen sind nicht 
vorhanden. 


Referate. 

Manfred Fritz: Ueber Thermopalpation und ihre prak¬ 
tische Verwerthbarkeit. (Deut. med. Wochenschr. Nr. 3). 
Benczur uud Jönäs fänden durch Messungen mit thermo¬ 
elektrischen Nadeln, dass die Temperatur der Hautdecke des 
menschlichen Rumpfes abhängig ist von den darunter liegenden 
Organen, und zwar ist die Hautdecke über allen lufthaltigen 
Organen höher teinpeiirt, wie über luftleeren Organen. So ist 
die Haut über der Lunge warmer, wie die über dem Herzen 
und der Leber gelegene; ebenso ist die über dem lufthaltigen j 
Darm liegende Haut wärmer, wie über der Milz und der Leber ' 


Die verschieden warmen Bezirke sind durch scharfe deutliche 
Grenzen von einander getrennt; die thermischen Grenzen sind 
den percutori8chen ähnlich. Die thermische Grenze des Herzens 
entspricht der relativen percutorischen Dämpfung. Auch bei 
pathologischen Grössenverändernngen der Organe treten ent¬ 
sprechende Verschiebungen der thermischen Grenzen ein. Nur 
bei pleuritischen Exsudaten sind die Grenzen nicht scharf 
bestimmbar, da ein allmäliges Uebergehen vom Wärmeren ins 
Kühlere statt findet. 

Da die nachweisbaren thermischen Unterschiede 0,5° C. und 
mehr betrugen, Temperaturunterschiede von 0.2° C. aber schon 
mit den Fingerspitzen sicher gefühlt werden, ist eine Thermo¬ 
palpation ausführbar. Verf. machte sich auf Grund obiger 
Thatsachen an die Thermopalpation. Die Fingerspitzen resp. 
dorsalen Flächen der ersten und zweiten Phalangen werden 
mit leichtem Druck streichend über die Haut geführt (für den 
Anfang müssen wegen der Controlle beide Hände benutzt 
werden), indem man von den vermuthlich wärmeren Theilen zu 
den kühleren (gedämpften) streicht, weil das Kältegefühl mo¬ 
mentan erscheint, während das Wärmegefühl langsam anschwillt 
(Landois). Der Höhestand der Lungenspitzen kann leicht be¬ 
stimmt werden, während es bei intiltrirten Spitzen schwierig 
ist die obere Grenze anzugeben, doch ist schon das Fehlen der 
scharfen Grenze für den Geübten charakteristisch. Das Resultat 
der thermopalpatorischen Bedeutung 4^8 Höhestandes der Lun. 
genspitzen stimmt mit den percutorischen Grenzen überein- 
Dasselbe gilt von der hinteren unteren Lungengrenze. Vorn 
ist die untere Grenze der rechten Lunge thermopalpa torisch 
2—3 Fingerbreit höher, wie die percutorische. und entspricht 
der relativen Leberdämpfung, von dort zieht sie leicht nach 
aussen abwärts, um schon zwischen den Axillarlinien mit der 
percutorischen Grenze zusamraenzufallen. Die Herz grenzen 
sind: unterer Rand der TU. R., von dort im Bogen nach links 
unten zur Mamilla, rechts der linke Sternalrand. Die untere 
Grenze des Herzens hebt sich direct fühlbar vom wärmeren 
Magen ab. Die untere Grenze der Leber erscheint gegenüber 
der percutorischen um etwas nach unten genickt. .Milz- und 
Nierengrenzen entsprechen den percutorischen. Untersnchim- 

f en in 12 Fällen von Phthisis. 5 Fällen von Pleuritis und 3 
allen von Pneumonie Hessen im Wesentlichen thermopalpa- 
tori8ch die Veränderungen richtig diagnosticiren. wenngleich 
die Methode der Percussion im Allgemeinen bei leichteren 
Schall Veränderungen nachstand. 

Verf. glaubt nicht, dass die Thermopalpation die altbewährte 
Percussion verdrängen werde, immerhin ist sie, eine der Be¬ 
achtung werthe Untersuchiyigsmethode. Die Krankenbeobach- 
tungen und der Erklärungsversuch des Verfassers für die Er¬ 
scheinung der thermischen Unterschiede mögen im Original 
ein gesehen werden. W. Beckmann. 

K. Fiedler: Ueber die Behandlung der Cholera nostras 
(Erwachsener) mit Zufuhr grosser Mengeu Wassers. 
(Therap. Monatsh. 1891. December). 

Auf der Naturforscherversammlung des Jahres 1890 hat be¬ 
kanntlich Meinert (Dresden) in einem längeren Vortlage 
über Cholera infantum aestiva die Verabfolgung grosser 
Wassermengen per os empfohlen. Sein damaliger Assistent 
hat nun diese Methode in Fällen von Cholera nostras bei Er¬ 
wachsenen angewandt und ausserordentlich gute Resultate er¬ 
zielt. Er Hess den Kranken in unbeschränkter Menge kaltes 
Wassei- mittelst Trinkrohres schlürfen und fand, dass die pro¬ 
fusen Darmentleerungen in kürzester Zeit schwanden, ebenso 
das Erbrechen. Patienten, die noch vor einigen Stunden das 
bekannte Bild des Choleracollapses dargeboten hatten, waren 
nach Anwendung der .Meinert’schen Methode bald vollständig 
beruhigt; selbst in den schwersten Fallen überschritt die Hei¬ 
lungsdauer nicht einige Tage. Dass sogar grosse Wassermen- 
gen gut vertragen werden können, beweist ein Fall, wo eine 
54 Jahre alte Frau im Verlaufe von 8 Stunden 8 Liter Was¬ 
ser zu sich genommen hat, dabei verschwand das cliolerifornie 
Aussehen sehr rasch. Abelmann. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Prof. Adolf Lesser: Atlas der gerichtlichen Mediein, 
II. Abtheilung, Lieferung 5. Breslau 1891. Verlag von 
Schottländer. 

Die erste Tafel der vorliegenden 5. Lieferung ist. noch der 
Darstellung der «bedeutungsvollsten Befunde am Neugeborenen» 
gewidmet und zwar betreffen die Abbildungen: Kopfgeschwulst, 
Lungen, Nieren, Knochenkern, Pupillarmembran, Pankenhöli- 
leninhalt und Meconium (die beiden letzteren bei 340 fachen 
Vergrösserung). Mit den beiden anderen Tafeln beginnt der 
letzte der in Aussicht gestellten Abschnitte «die wesentlichster 
Leichenerscheinnngen >. Die cadaverüsen Hantveränderungen 
Erwachsener kommen vorzüglich zur Anschauung an dem über¬ 
aus glücklich gewählten Objecte, einer Wasserleiche, .die in 
der That fast sammtliche Hautveränderungen darbietet, welche 


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106 


durch die Fäuluiss erzeugt werden. Dasselbe lässt sieh auch 
von der Wahl des dargestellten Fötus sanguinolentus sagen, 
weil er neben den Characteristicis intrauteriner Maceration 
auch die äusseren Zeichen eiuer recht häutigen Ursache vor¬ 
zeitigen Frnchttodes in Gestalt typischer Pemphigusblasen 
erkennen lässt. 

Ans dem begleitenden Texte der 5. Lieferung glauben wir 
die tabellarischen Zusammenstellungen besonders liervorheben 
zu müssen, welche gegründet auf 750 Fälle aus der Praxis des 
Verfassers «Auskunft geben über die Häufigkeit der gerichts¬ 
ärztlich wichtigen Todesursachen und einen lieberblick gewäh¬ 
ren über die Objecte der forensischen Leicheneröffnungen». 

Mit der folgenden Lieferung soll der II. Theil dieses in der 
gerichtsärztlichen Literatur einzig dastehenden Tafelwerkes 
seinen Abschluss finden. Wladimirow. 

P rotokolIe 

der Sitzungen des III. livländischen Aerztetages 
in Walk. 

V. Sitzung. 11. September 1891 Morgens 9 Uhr. 

1. 0. Küstner (Dorpat) «Ueber einige Indicationen 
zur Laparotomie». 

An der Hand seines aus 129 Dorpater Fällen bestehenden 
Materials beleuchtet. Red. einen Theil der Indicationen zur 
Laparotomie. Ueber eine ganze Reihe der Anzeigen zur Ope¬ 
ration bestehe ja heute keine Meinungsverschiedenheit mehr, 
was namentlich von den Neoplasmeu der inneren Genitalien 
gelte. Die Myome betreffend fehle allenfalls noch die Eini¬ 
gung. Seine Stellung zu dieser Frage charakterisire am Be¬ 
sten die Thatsache. dass die Myomotomie unter seinen Laparo¬ 
tomien mit der Zahl 80 fignrire. 

Die Laparotomie sei keine lebensgefährliche Operation mehr 
bei richtiger Indicationsstellnng und Technik. Trotzdem dürfe 
man den Eingriff nicht als ungefährlich hinstellen; die Ent¬ 
stehung peritonealer Adhäsionen sicher zu vermeiden, sei man 
noch nicht im Stande. Die Frage, wodurch die Adhäsionen 
entständen, bleibe noch offen. Die letzten Versuche, dieselbe 
zu lösen, seien von Red’s. Klinik ausgegangen. Im Gegensatz 
zu Dombrowsky habe Red. bei wiederholten Laparotomien 
erfahren, dass weder Brandschorfe noch auch Ligaturfäden in 
jedem Falle Adhäsionen bedingten. 

Kelterborn und Thomson seien auf experimentellem 
Wege zu demselben Resultat gekommen. Ersterer stelle als 
einzige Entstehungsursache die Sep'sis hin. während Letzterer 
nachgewiesen, dass auch bei absoluter Asepsis Adhäsionen 
entstehen könnten. Lange nach der Operation brächten solche 
Adhäsionen noch Gefahr durch Incarceration (ein von Red. 
durch die Operation geheilter Fall von Achsendrehung') oder 
Blutung (Dr. Holowko: tiidtliche Blutung aus der Adhäsion 
bei einer Entbindung). 

Derartige Unglücksfälle seien indessen selten und deshalb 
die Laparotomien trotzdem wegen nicht lebenbedrohlicher 
Leiden erlaubt, ja selbst zur Vervollständigung der Diagnose. 
Diese sog. Probeincision, der letzte Schritt auf dem Gebiete 
der Diagnose, zugleich der erste auf dem der Therapie, mache 
Red. recht ausgiebig, bis zur Einführbarkeit der ganzen 
Hand. Der Bardenheuer’sche Explorationsschnitt, blos auf’s 
Peritoneum dringend, habe für einen geübten Explorator keine 
Bedeutung. 

Von den 132 Fällen sei die Laparotomie 4 Mal w r egen Peri- 
touealtnberculose gemacht worden (alle Fälle bakteriologisch 
sichergesti 11t). Makroskopisch der Tubercnlose täuschend 
ähnliche Fälle chronischer Peritonitis kämen vor, wie ein von 
Brut tan 1890 in der Dorpater Klinik operirter Fall beweise. 
Das Koch’sche Mittel werde die klinische Diagnose sicherzu¬ 
stellen geeignet sein. Red. spricht sich wenig günstig über 
die Heilwirkung der Laparotomie bei Tubercnlose aus und 
meint, es könnte sich in vielen der geheilten Fälle um Pseu- 
dotuberculose gehandelt haben. 

Unter den das Leben nicht bedrohenden Affectionen, die als 
Indication zur Laparotomie gelten, ständen an erster Stelle 
die entzündeten Tuben n.Ovaneu und die Lageveränderungen 
des Uterus. Die Exstirpation der erkrankten Adnexe, von 
einigen Operateuren enorm häufig ausgeführt, figurirten in 
der Statistik Red. nur mit 6 Fällen. Gonorrhoe-Salpingitiden 
heilten oft ohne Operation, welch letztere doch (len Status 
qno ante nicht wieder herstelle. Septische Salpingitiden, 
meist früher als parametritisches Exsudat angesprochen, er¬ 
forderten weniger die Laparotomie als die Incisiou von den 
Bauchdeeken oder der Vagina aus. Die chronische Salpingo- 
Oophoritis mit starker Beteiligung des Peritoneums kehre 
weder spontan noch durch Therapie zur Norm zurück: die 
grossen Beschwerden der Kranken drängten oft zum operati¬ 
ven Vorgehen. Dieser Indication gehörten 3 Fälle an, ohne 
Todesfall aber auch ohne befriedigendes Resultat. 

Wegen Lage,Veränderung des Uterus mache Red. die La¬ 
parotomie bei lixirten Retrofiexiouai und bei mobilem Uterus. 


Bei fixirter Hetroflexio sei das Wesentliche die operative 
Trennung der fixirenden Adhärenzen. Das beweglich gemachte 
Organ werde dann entweder an die vordere Bauchwand ge¬ 
näht oder, bei jüngeren Frauen, eventuell mit Pessaren be¬ 
handelt. Red. trennt die Stränge mit dem Paqnelin, um dem 
Wiederentstehen derselben sowie einer Nachblutung oder son¬ 
stigen Complicationen vorzubeugen. 

Die Ventrofixation des beweglichen Uterus habe Red. nur 
dann ausgeführt, wenn die Lagecorrectur auf die sonst übliche 
Weise nicht erzielt wurde. Es handele sich hier nur um 
seltene Fälle, in diesen aber verdiene die Ventrofixation den 
Vorzug vor jedem andern Verfahren (Schücking; Freund- 
Frommel-Stratz). Bei sogenanntem Totalprolaps des Ute¬ 
rus ventrofixirt Red. das Organ und macht in derselben Sit¬ 
zung eine ausgedehnte hintere Colporrhaphie. Portioamputa¬ 
tion und Ausschabung sei dabei überflüssig; am reponirten 
Organ bildeten sich Portio und Schleimhaut in wenig Wochen 
zurück. Bei einer Operirten sei der Prolaps nach Jahresfrist 
recidivirt, sonst habe Redner günstige Nachrichten über Dau¬ 
ererfolge erhalten. 

D i s c u s s i o n. 

Herr Meyer (Dorpat) giebt der Thure-Brandt'sehen 
Methode, als dem Normal verfahren, den Vorzug vor der Ven¬ 
trofixation. Die Ventrofixation bei fixirter Hetroflexio setze 
an Stelle des alten einen neuen pathologischen Zustand mit 
viel subjectiven Beschwerden und grossen Gefahren im Falle 
eintretender Gravidität. Gegen die Ventrofixation bei Prolaps 
seien dieselben Gründe anzuführen, wozu noch die Möglichkeit 
des Recidives unter Elongation der Pars snpravaginalis cer- 
vicis käme. 

Herr Küstner kennt Th. Brandt und meint dessen Lei¬ 
stungsfähigkeit beurtheilen zu können. Dieselbe sei allerdings 
staunenswerth, habe aber auch ihre Grenzen (was Red. an 
Beispielen erläutert). 

Dass er mit der Ventrofixation einen pathologischen Zu¬ 
stand setze, dessen sei sich Red. klar bewusst. Bei jugend¬ 
lichen Frauen ventrofixire er nicht, nur bei solchen, die we¬ 
nigstens im 4 Lebensdecennitim ständen. Uebrigens häuften 
sich in letzter Zeit die Publicationen. welche die Möglichkeit 
des Anstragens nach Ventrofixation bewiesen. 

Herr Koppe (Pernau) Nach den Erfahrungen, die Red. 
in den letzten Jahren mit gynäkologischer Massage gemacht, 
glaube ei behaupten zu dürfen, dass Stränge und Adhäsionen 
der Massage nur selten wiederständen, besonders wenn man 
die Kur durch warme Bäder und heisse Scheideuspülungen 
unterstütze. Mindestens könne man die Adhäsionen so weit 
dehnen, dass die Zerrung des Uterus fortfalle und nötigen- 
falls ein Pessar vertragen werde. Bei mehr flächenhafter 
Verklebung, etwa mit dem Kreuzbein, möge die Massage 
machtlos sein; doch dürfte hier das Glüheisen ebensowenig 
ausreichen, sondern im Gegen theil eine vielleicht noch schlim 
liiere Narbe setzen. 

Herr Kus mann off (Jcwe) richtet an Herrn Meyer die F rage, 
wie die letzten Resultate Thure-Brandt’s lieschaffen wären. 

Herr Meyer hält die Angabe Th. Brand t’s «über 75 pCt. 
Heilung bei Prolaps» für zuverlässig; die Behandlungsmethode 
sei 30 Jahre geübt. Die lauge Dauer der Behandlung und 
die. unermüdliche Energie, die dieselbe beim Arzte veraassetzte, 
seien gewiss schwere Hindernisse. Red. gehe gerne zu, dass 
Th. Brandt durch die Macht seiner Persönlichkeit auf sug¬ 
gestivem Wege einen grossen Theil seiner subjectiven Erfolge 
erzielen möge. 

2. Herr v. Stryk (Riga). «Zur Therapie der Metror¬ 
rhagie». 

Vortrgd. betont die Nothwendigkeit der Diagnose zu erfolg¬ 
reicher Behandlung der Gebärtmutterblutung. Die Diagnose 
aber lasse sich unmöglich ohne exacte Exploration stellen. 
Warum trotzdem so häufig die gynäkologische Untersuchung 
unterlassen werde, könne er sich nur aus dem Widerstande 
erklären, auf den der Arzt seitens der Kranken in solchen 
Fällen stosse. Hier müsse die Gesammtheit der Aerzte aufs 
Publikum erzieherisch wirken; ganz ausgeschlossen sollte die 
Möglichkeit sein, sich ärztlichen Rath zu holen, ohne sich 
vorner einer eingehenden Untersuchung unterworfen zu ha¬ 
ben. So lange diese Forderung nicht allgemein sei, könne 
der Einzelne, der sie stellt, nicht in jedem Falle duichdrin- 
gen. Dass. wie jede Regel, auch diese Ausnahmen zulasse, 
wolle Red. nicht unerwähnt lassen. Bei der Virgo intacta, 
bei welcher die differenzialdingnostisehen Möglichkeiten be¬ 
deutend eingeschränkt und als Ursache der Blutung auch Con- 
stitntionsanomalien anzusprechen seien, könne und müsse man 
der Genitalexploration oft entrathen. 

Red. gedenkt einesteils der einzelnen Untersuchungsmetho- 
den, anderenteils der möglichen Quellen und Ursachen aus- 
serpuerperaler Metrorrhagien. 

Nach sichelgestellter Diagnose ergebe sich die Therapie 
mehr oder weniger von selbst. Blutende Läsionen seien durch 
die Naht (Catgut) zu schliessen, kleinere eventuell zu ver- 
8chorfen. Chronisch entzündlichen Zuständen des Uterus, die 
zu Menoi rhagien disponirten, suche man durch Regelung der 


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tO'T 


Circnlation des kleinen Beckens tind des Uterus speciell zu 
begegnen. Entlastung des Darmes, Vaginaldouche, Sitzbäder, 
locale Behandlung des Endometriums. Ob diese letztere mit 
Adstringenden. Desinficientien. der Ctirette oder Elektrode ge¬ 
schehe — Eines hätten die Methoden gemein, und darauf 
schiene Red. ihre Wirksamkeit zu beruhen, dass sie auf das 
muskulöse Organ einen Contractionsreiz ausübten und durch 
solche Uterusgymnastik die Circnlation günstig beeinflussten. 
Auch die Wirkung des Glycerintampons sei auf diese Weise 
zn verstehen. Acute Metritis dagegen und Endometritis er¬ 
forderten Ruhe, zu erzielen durch Bettlage. Eis und Opium. 
Dieselben Maassnahmen hätten für drohenden Abort Geltung, 
während gegen das gelöste Ei activ vorzugehen sei: Schei¬ 
dentamponade, Ausräumung. 

Ergäben sich Neubildungen als Ursache der Blutung, dann 
seien sie, wenn irgend erreichbar, eventuell mit dem sie tra- 

S snden Uterus, zu entfernen. Bei inoperabelen Myomen bleibe 
e Zuflucht zum Ergotin oder der elektrischen Behandlung 
nach Apostoli. 

Das Carcinom und Sarkom des Uterus indiciren die Total¬ 
exstirpation des Uterus, so lange diese noch Erfolg verspre¬ 
che. bei inoperabelen Fällen gewähre Ausräumung und Ver¬ 
schorfung immerhin Erleichterung. Zum Schluss weist Red. 
darauf hin, dass, wie bei d m geschilderten, so auch bei allen 
andern gynäkologischen Eingriffen die erste und dringendste 
Anforderung an gedeihliche Therapie die Asepsis ist. 

3. A. Holowko. Ueber das Einpressen des hochste¬ 
henden Kindskopfes in's Becken. 

Bekanntlich hat zuerst Ho fm ei er') das Einpressen des noch 
über oder im Beckeneingange stehenden Kindskopfes durch 
einen direct auf den Schädel von aussen einwirkenden Hände¬ 
druck empfohlen, besonders für die Fälle von engem Becken, 
wo die Wehenthütigkeit nicht genügte, das durch die Becken¬ 
verengerung gesetzte räumliche Hinderniss zu überwinden und 
wo bei der langen Dauer der Geburt die gefürchtete Dehnung 
des unteren Uterinsegmentes eintrat. Sowohl die hohe Zan$e, 
wie auch die Wendung auf die Füsse, war hier contraindicirt 
und die Perforation im Interesse des lebenden Kindes ver¬ 
werflich. — Hofmeier gelang es unter diesen Umständen bei 
engem Becken mit einer Conjugata vera von durchschnittlich 
8 Cm. in 10 Fällen den Kopt durch die verengte Stelle hin- 
dnrchzapressen und die Geburt entweder spontan verlaufen 
zn lassen oder durch eine leichte Zange zn beenden. In 9 
Fällen war es möglich das kindliche Leben zn erhalten, ’i rotz 
so guter Resultate scheint doch das Hofmeier’sche Verfahren 
die ihm gebührende Verbreitung bei den Geburtshelfern nicht 

S efnnden zu haben. In der neueren Zeit tritt sehr warm für 
ie Hofmeier’sche Methode Muret 2 ) ein, der seine sehr gün¬ 
stigen Erfahruugen mit dem genannten Verfahren veröffentlichte 
und die Indicatjonen zur Vornahme desselben auf Asphyxie 
des Kindes und lange Dauer der Geburt ausdelinte. 

In der Dorpater Frauenklinik wurde die Hofmeier’sche Ex¬ 
pressionsmethode in 9 Fällen angewandt: in 4 Fällen von 
massig engem Becken mit einer Conjugata vera von durch¬ 
schnittlich 9 Cm. und in 5 Fällen von normalem Becken. -- 
In 3 Fällen von engem Becken gelang das Einpressen des 
Kopfes vollständig: der hochstellende, wenig confignrirte. 
bewegliche Kopf wurde durch kräftigen Druck von aussen ins 
Becken eingepresst; die bestehende vorderst-heitelbeinein Stel¬ 
lung schwand, das Hinterhaupt trat tiefer, das Hinderniss 
war häufig mit einem fühlbaren Ruck überwunden und jetzt 
konnte leicht die Zange applicirt werden. Im 4. Falle von 
engem Becken handelte es sich um eine Ipara. mit einer 
Conjugata vera von 8,5 Cm. Der Kopf stand in Hinterschei¬ 
telbeineinstellung über dem Beckeneingange und bot gar keine 
Configurationserscheinungen dar. Es gelang das Ein pressen 
trotz kräftigen Druckes nicht und es mnsste die Wendung 
auf die Füsse mit darauf folgender Extraction vorgenommen 
werden. -- In sämmtlichen Füllen gab die Indication zum 
Eingreifen die Asphyxie des Kindes ab. 

In weiteren 5 Fällen wurde der hochstellende Kopf beim 
normalen Becken eingepresst. Auch hier war der Kopf noch 
beweglich, so dass eine Wendung auf die Füsse in Frage 
kommen konnte, das Einpressen des Kopfes wurde als ein 
geringerer Eingriff vorgezogen. Die Indication zur Vornahme 
der Expression bildete auch hier die Asphyxie des Kindes, in 
2 Fällen Wehenschwäche in der Anstreibungsperiode; die 
Geburt wurde darauf durch den Forceps, einmal spontan, 
beendet. — Als Bedingung zur Vornahme der Expression nach 
Hofmeier muss, ausser dass die Blase gesprungen, eine gewisse 
Ccnfignration des Schädels bestehen, die Cervix muss voll¬ 
ständig entfaltet, der äussere Muttermund braucht dabei nicht 
vollständig erweitert zn sein. Was die Technik der Operation 
anbetrifft, so wurde vor Allem eine tiefe Narkose eingeleitet, 
da ohne dieselbe ein zweckmässiger Druck sich nicht ausführen 


') Hofmeier:Ueber Contractionsverhältnisse des kreissenden 
Uterus. Zeitschrift für Geb. und Gyn. Bd. VI. 

*) Muret: Ueber das Einpressen des Kindskopfes ins enge 
Becken. Berliner klin. Wochenschrift 1890. 


lässt. Nach der Empfehlung von Fehling wurde der Druck 
mit beiden Händen ansgeführt, wobei die eine Hand auf das 
Hinterhaupt, die andere auf den Unterkiefer ein wirkten. — 
Ein schädlicher Einfluss von der Anwendung des Verfahrens 
wurde nicht beobachtet. 

Das Hofmeier’sche Verfahren wird daher empfohlen bei 
engem Becken, besonders in den Fällen von Cervixdehnung 
(Hofmeier), bei lange andauernder Geburt (Muret) und 
überhaupt in allen Fällen, wo Indication zur Vornahme der 
Entbindung besteht und die Bedingungen dazu erfüllt sind. 
Ferner wird sich das Verfahren an wenden lassen bei der Ein¬ 
leitung der künstlichen Frühgeburt, wo der kleine Kopf sich 
leicht ins Becken einpressen lassen wird. Auch bei normalem 
Becken empfiehlt sich die Hofmeier’sche Expression beson¬ 
ders in Fällen von Wehenschwäche beim zweiten Zwilling 
u. s. w. 

Ungeachtet des grossen Aufschwunges der Antisepsis sind 
noch immer Misserfolge gerade in der geburtshilflichen Praxis 
zu verzeichnen; man muss daher bestrebt sein gefährlichere 
geburtshilfliche Eingriffe möglichst zu vermeiden; daher 
empfiehlt Vortragender die Expression nach Hofmeier als 
einen viel geringeren Eingrift' gegenüber der hohen Zange 
und der Wendung auf die Füsse in allen geeigneten Fällen 
anznwenden. (Autorreferat). 

Discussion: 

Herr Koppe (Pernan) begrüsst mit Freuden diesen Vor¬ 
schlag, mit manueller Hülfe in der Praxis auszukommen, ver¬ 
misst aber eine genauere Beschreibung des Handgriffes. Au- 
schliessend erlaube er sicli auf einen Vorschlag seines Bru¬ 
ders Robert Koppe (Moskau), die Expression des nachfolgen¬ 
den Kopfes betreffend, hinzuweisen. Von der Beobachtung 
ausgehend, dass ein elastischer Körper, etwa ein Gummi ball, 
durch eine enge Oeffnung vermittelst eines Druckes von oben 
sich nicht durchpressen lasse, im Gegentheil das Missverhalt- 
niss nur vergrössert werde, eine seitliche Compression dagegen 
zum Ziel führe, empfehle R. Koppe für den nachfolgenden 
Kopf einen Druck von vorn nach hinten, das heisst, aufs 
Promontorium gerichtet. So, meine Red., müsste auch bei 
vorangehendem Kopfe ein länger andauernder seitlicher 
Dnick geeignet sein, dem Schädel die gewünschte Conflgura- 
tion zu geben, in welcher er von den Wehen tixirt werden 
könnte. 

Herr Holowko - - Misserfolge beim Einpressen des Kopfes 
würden nicht immer zu vermeiden sein, so lange sich der Kopf 
noch nicht configurirt habe. Am vorangehenden Kopf lasse 
sich der äussere Druck kaum anders anwenden, als von vorn 
nach hinten und unten. 

4. Herr H. v. Brehm (Riga). «Ueber Dammschutz». 

Nachdem Red. die Wichtigkeit der Erhaltung des Dammes 
und seine Gefährdung bei physiologischen wie pathologischen 
Geburten eingehend gewürdigt, wendet er sich zur Prophylaxe 
der Perinealruptur. Eine Hinterhauptslage vorausgesetzt 
solle der Kopf des Kindes : 

1) mit seiner niedrigsten Stelle, der Nackengrube, im gra- 
den Durchmesser unter den Arcus pubis treten; 

2) sich nur langsam über den Damm schwingen, damit die 
Elasticität der Weichtheile möglichst ausgenntzt werde; 

3) nur in einer Wehenpause austreten. 

Den ersten Anprall habe der Levator ani ausznhalten. Ein¬ 
fache Vermehrung der Widerstände direct gegen den Kopf 
gerichtet, lasse den Muskel langsam auseinander weichen. 
Dann sei das Hinterhaupt- bis zum Nacken unter die Scham¬ 
fuge zn bringen: zn dem Zweck übten 2 unter die Symphyse 
geschobene Finger der einen Hand einen Druck nach unten 
aufs Hinterhaupt, während die andere Hand die Scheitelbeine 
nach hinten dränge. 

Jetzt erst handle sicli’s um den Damiuschntz im engeren 
Sinne. Red. unterscheidet drei Methoden derselben: 1) Druck 
auf den Damm. 2) Druck auf den Kopf des Kindes. 3) Hand¬ 
riffe, vom Mastdarm und Hinterdamme ans wirkend. Die 
eiden ersten kämen nur in Frage bei Drangwehen und Mit¬ 
messen der Kreissenden, während die unter 3 angedeuteten 
Maassnahmen allein allen Anforderungen genügten, weshalb 
nur diese Gegenstand der folgenden Besprechung sein sollen. 

Vortrgd. schildert ausführlich den Ritgen’schen Mastdann- 
handgriff, der ihm stets ausgezeichnete Dienste geleistet. Was 
er an ihm anssetze, sei die mit der Asepsis schwer vereinbare 
Einführung der Finger ins Rectum und die Nothwendigkeit 
völliger Entblössung der Kreissenden. Verletzungen desDaunes, 
vor denen Fritsche gewarnt, habe er nie erlebt. 

Als «Ersatz für den Ritgen’schen Handgriff» empfehle 
Fehling (87) den «Steissbeinhandgriff», zuerst gleichfalls von 
Ritgen ausführlich beschrieben (Citat: Monatsschrift für Ge¬ 
burtskunde Bd. 6, ] g. 339). 

von Brehm benutzt nach Lölilein’s Vorgang zur Ausübung 
des Druckes die ganze Vola raanus, statt der bald ermüdenden 
Fingerspitzen. An Vorzügen dieses Verfahrens seien zu nennen: 
weil in Seitenlage ausführbar, geringere Entblössung der 
Kreissenden, bei Ausschaltung der Bauchpresse; ferner grössere 
Sanberkeit sowie vollständiges Unberührtbleiben des Vorder- 


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dammes. Endlich gestatte dieser Handgriff, die Zange vor dem 
Durchschneiden des Kopfes abzunehmen. 

Bei anderem Schutzverfahren zahlte Schröder 15—20 pCt. 
Dammrisse, während Löhlein bei diesem Handgriffe nur 7 j>('t. 
geringeren Werthes berechnete. 

Zur Episiotomie, die er meist doppelseitig l’;V-2 Cm. von 
der Rhaphe entfernt in der Richtung auf die Sitzkuorren aus¬ 
führe. habe Red. nur selten gegriffen. 

Mehr noch als der Kopf gefährdeten die Schultern den 
Damm. Die meist geübte. Art. die Schultern zu entwickeln: 
zuerst durch Senkung des Kopfes die unter dem Arcus pubis 
befindliche, drauf durch Heben und Anziehen die zweite über 
den Damm schneiden zu lassen, erscheine nicht praktisch. 

Der Apex acromialis bohre sich in die Ausbuchtung der 
hinteren Cominissur und zerreisse diese und oft noch einen 
grossen Theil des Dammes. Vortrgd. lasse die Schultern nicht 
in gradem sondern in schrägem Durchmesser durchschneiden. 
Sofort nach Austritt des Kopfes, ehe sich der Damm retrahirt 
oder eine neue. Wehe eingetreten, leite er durch Heben des 
Kopfes zuerst die hintere Schulter über den Damm, lasse drauf 
den Kopf sinken, dann werde durch die Schwere, des kindlichen 
Körpers der Damm soweit gedehnt, dass die vordere Schulter 
unter dem Scham bogen hervortrete. 

Diese Methode des Dam msriiutzes empfehle Red. nach eigener 
Erfahrung aufs Wärmste. 

Discnssion: 

Herr Ktistner (Dorpat) kommt anf die Episiotomie zurück. 
Ans der Thatsache. dass die typischen Dammrisse immer seitlich 
erfolgten, ergebe sich die ifnzweckmässigkeit der seitlichen 
Entspannungsschnitte, Red. lege den Entspannnngsschnitt. wie 
es Michaelis zuerst gethan, in die stärkste Stelle des Dam¬ 
mes in die Rhaphe. und könne dieses Verfahren nnr dringend 
empfehlen. 

5. Der Präses theilt der Versammlniig mit. dass es aus 
mehrfachen Gründen inopportun erscheine, die Verhandlung 
der «Hebammenfrage» auf diesem Aerztetage in Angriff zu 
nehmen. Im Einverständniss mit der zum Referate erwählten 
Commission schlage er vor, die Angelegenheit auf ein Jahr 
zu vertagen. Angenommen. 

(>. Die Anfrage des Präses (cf. § 23 d. Stat.) über etwa 
gewünschte Abänderung der Statuten wird von der Versamm¬ 
lung verneint. 

7. Nach einigen Abschiedsworten des Präses erklärt Stadtarzt 
Dr. Koch den III.livl. Aerztetag für geschlossen. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— lieber die Behandlung schwerer Phlegmonen sprach 
Helfer ich-Greifswald anf der Naturforscherversammlung in 
Halle. Er hat daR Verfahren ganz verlassen, Phlegmonen 'mit 
kleinen Incisionen und Drainage zu behandeln. Er macht viel¬ 
mehr immer grosse Incisionen unter Esmarch’scher Blutleere, 
soweit; als überhaupt die Eiterang reicht und füllt die ganze 
Wunde sorgfältig mit Verbandstoffen (Jodoformgaze und mit 
essigsaurer Thonerde oder Borsalicyl getränktem Mull) aus. 
Ein Drain ist dann nur ausnahmsweise nothwendig. Von einer 
Dnrchschneidung des Lig. carpivolare bei Vorderarm phlegmo- 
nen hat er keine Nachtheile gesehen. Eine Irrigation der Wun¬ 
de mit starken Antisepticis vermeidet er, weil deren Wirkung 
auf die Nieren nicht ohne Bedeutung sei. er verwendet hierzu 
vielmehr sterile Kochsalzlösung. 

— Znr Unterdrückung der Mllchsecretion bei Wöcline. 

rinnen hat Guibert Antipvrin mit bestem Erfolge angewandt- 
Er verabfolgt 2stündlich 0,25 in Pulverform und lässt pro die 
2,0 verbrauchen. Sem. med. Nr. 34. 

— Esteves empfiehlt auf Grund seiner Erfahrungen das 
Resorcin gegen Favus., Obwohl die Krankheit bei seinen 
Patienten eine grosse Ausdehnung zeigte, gelang es ihm mit 
seiner Methode in einem Monat Heilung zu erzielen. Vor 
Application des Resorcin werden die Krusten abgeweicht und 
der Haarboden mit Theerseife und einer Sublimat-oder Carbol- 
lösung gewaschen. Dann erfolgt die bekannte Epilation und 
schliesslich die Application einer Resorcinlösung (1: 8). 

Deutsche med. Wochsch. Nr. 13. 

— Mcnudier liess aus Sojabohnen ein Brod bereiten, das 
wegen des besonderen Nährwerthes grosse Dienste in der Be¬ 
handlung des Diabetes leisten dürfte. Wie aus der Analyse von 
Joulie liervorgelit, ist das Sojabrod zwei Mal so reich ah stick¬ 
stoffhaltigen Nährproducten wie das Weizenbrod und enthält 
nur ein Fünftel in Zucker uniwaiidelbare Stärkesubstanz des 
letzteren; an Fett enthält es zehn Mal so viel wie Weizenbrod. 

Deutsche med. Wochsch. Nr. 43. 

— G. Sticker (Köln) hält von den Mitteln, welche Gallen¬ 
steinkolik zum Gallensteinabort vollenden oder den Steinabgang 
ohne Kolik bewirken, für das beste die Belladonna, nach deren 
Darreichung sehr oft im Stuhl Concremente abgehen. Indica- 
tionen: Eintreten oder Herannahen einer Kolik, mehrtägige 
Einklemmung des Steines mit häntigen Kolikanfällen. Fehlen 


von Zeichen tiefer Gejvebsläsionen und Abwesenheit von Collaps- 
erscheinungen infolge heftigster Schmerzen. 

Anwendung: Inf. folior Belladonnae 1,0—1,5 (!) 

Aq. destillat 150 */»—1 stündlich ein 
Esslüff. oder Extr. Belladonnae 0,1—0,15, Aquae destillat 20,0 
V»— 1 stündl. 20 Tropfen. 

Deutsche Medicinal-Zeitg. Nr. 69. 

— Lubliner theilte einen Fall von ausgebreitetera Rhino- 
sklerom der Nase mit, welcher unter dem Einflüsse eines 
intercurrirenden Typhus exanthematicus nahezu vollkommen 
verschwand. Ebensofeh eine günstige Beeinflussung durch den 
Infectionsstoff des Typhus exanthematicus sah Lubliner bei 
einem Falle von Lupus vulgaris und Lupus tumidus. 

Berlin, klin. Wochsch. Nr. 40. 

— In der Sitzung des naturwissenschaftlich-medicinischen 
Vereins zu Strassburg (18. Dec. 1891) theilte Prof. Minkowski 
seine weiteren Untersuchungen überden Diabetes mellitus 
nach Pankreasexstirpation mit. Ausser bei Hunden hat 
M. das Auftreten des Diabetes auch bei einer Katze und bei 
einem Schweine beobachtet. Bei letzterem musste ein kleines, 
hinter der Pfortader gelegenes Stückchen der Drüse zurück¬ 
gelassen werden; es trat daher nur Diabetes leichten Grades 
auf, wie er nach dem Zurücklassen von kleinen Pankreas¬ 
stückchen auch bei Hunden beobachtet werden kann. Sehr 
interessant sind die Versuche der Transplantation von Pau- 
kreastheilen. Es ist M. gelungen bei mehreren Hunden Stücke 
von Pankreas unter der Bauchhaut zur Einheilung zu bringen 
und dadurch das Auftreten des Diabetes nach der vollständigen 
Entfernung des Pankreas aus der Bauchhöhle zu verhindern. 
Der Diabetes trat erst dann in voller Stärke auf ; als die 
subcutau eingeheilten Pankreasstücke nachträglich wieder ent¬ 
fernt wurden. Es war also möglich, durch eine rasch und leicht 
ausführbare extraperitoneale Operation, bei welcher nichts 
anderes, als die Entfernung des Pankreasstückes in Betracht 
kommen konnte, den Diabetes zu erzeugen. 

Wiener klin. Wochsch. Nr. 1 1892. 

— Trapeznikow behandelte Erysipelas mit sehr befrie¬ 
digenden Erfolgen mittels folgender Salbe: Acidi carbolic 2,0 
01. Terpenth. 30,0. Stündlich aufzustreichen. 

(Russk. Med. Nr. 14. 1891). 


Vermischtes. 

— Am 25. Februar beging der Professor der Histologie an 
der Universität Kasan, wirkl. Staatsrath Dr. Carl Arnstein 
sein 25jähriges Doctorjnbiläum, bei welcher Gelegenheit 
demselben von der Universität durch eine Deputation eine 
Adresse übergeben wurde. Znr Beglückwünschung waren auch 
die Professoren und Studenten der medicinischenFacnltftt, mit 
dem Rector an der Spitze erschienen. (Prof. Arnstein ist ein 
Schüler der Dorpater Universität, an welcher er im J. 1867 
die Doctorwürde erlangte. An der Universität Kasan wirkt 
er bereits seit 1869 und zwar anfangs als Prosector der 
patholog. Anatomie, seit 1872 aber als Professor der Histologie). 

— Vor Kurzem feierte der bekannte Cur-Arzt und med. 
Schriftsteller Dr. W. N. Dmitrijew in Jalta das 25jährige 
Jubiläum seiner ärztlichen Thätigkeit. ln Anbetracht 
seiner Verdienste um den Curort hat die Jaltasche Abtbeilung 
der Gesellschaft zur Wahrung der Völksgesundheit den Jubilar 
zu ihrem Ehrenmitgliede erwählt. 

— Verstorben: 1) Am 4. März in Kiew der bekannte 
Chirurg und Senior der Professoren der dortigen Universität, 
wirklicher Geheimrath Dr. Wl. A. Karawajew, an einer 
Lungenentzündung im 81. Lebensjahre. Die ärztliche Thätig- 
keit des Hingeschiedenen umfasst einen Zeitraum von mehr 
als sechs Jahrzehnten, von denen über 51 Jahre auf seine 
Wirksamkeit als Professor der Chirurgie in Kiew entfallen. 
Karawajew war am 8. Juli 1811 in Wjatka geboren und 
hatte seine medicinische Ausbildung an der Universität Kasan 
erhalten, wo er im Jahre 1831 den Cursus mit dem Grade 
eines Arztes absolvirte. Nachdem er einige Zeit in St. Peters¬ 
burg practicirt und sodann einige Jahre mit wissenschaftlichen 
Studien im Auslande verbracht, studirte er als Arzt noch 2 
Jahre (1836—38) in Dorpat Medicin und wurde daselbst nach 
Verteidigung seiner Dissertation «De nhlebitide traumatica» 
zum Doctor medicinae promovirt. Nacn kurzem Dienst als 
Marinearzt in Kronstadt erhielt er im J. 1840 bereits einen 
Ruf als Professor der Chirurgie an der Universität Kiew, 
welcher er seine Lehrtätigkeit ununterbrochen bis zu seinem 
Lebensende gewidmet hat. Hier erlangte er sehr bald den 
Ruf eines tüchtigen und geschickten Chirurgen und wurde 
daher häufig auch in entfernte Gegenden zu schwierigen Ope¬ 
rationen berufen. Für eine solche schwierige Operation, welche 
er im J. 1844 in der Krimm an dem Fürsten Golizyn mit 
Erfolg ausführte, erhielt er von Kaiser Nikolai Pawlo- 
w i tsc h einen Brilliantring. Dem Hingeschiedenen sind während 
seiner langen Professoren-Laufbahn zahlreiche Auszeichnungen 
zu Theil geworden: Er wurde zum Ehrenmitgliede der Kiewer 
Universität, sowie vieler medicinischen Gesellschaften erwählt 


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nnd zum berathenden Mitgliede des Medicinalraths ernannt. 
Von hohen Orden wurden ihm der Stanislaus- und Annen- 
Orden I. Klasse, der Weisse Adlerorden, der Alexander-Newski- 
Orden und der Wladimirorden II. Klasse verliehen. Ihm zu 
Ehren erhielt eine Strasse in Kiew den Namen «Karawajew- 
skiya». 2) In Balachna (Gouv. Nishni-Nowgorod) der dortige 
Kreisarzt Staatsrath Heinr. Girard, nach längerem Leiden 
im 58. Lebensjahre. Der Hingegangene stammte aus Livland 
und bezog im J. 1851 die Universität Dorpat, an welcher er 
bis 1861 Medicin studirte. Nach Erlangung des Arztgrades 
war G. successive Stadtarzt zu Buinsk, Alatyr. Ardatow und 
seit 1876 Kreisarzt in Balachna. 3) In St. Petersburg Dr. 
Wlad. J. Antonow. 4) Am 8. Februar der junge Landschafts¬ 
arzt des Bronnizy’schen Kreises N. J. Jaskow am Fleck¬ 
typhus; 4) Am 2/14. März in Leipzig der bekannte Gynäkolog 
Prof. Carl Cred£ im 73. Lebensjahre. Nachdem Cr. mehrere 
Jahre als Privatdoeent in Berlin docirt, wurde er 1856 als 
ord. Professor der Geburtshilfe und Gynäkologie nach Leipzig 
berufen, wo er bis 1887 lehrte. Ohne hier auf seine zahlreichen 
Leistungen in seiner Fachwissenschaft näher einzugehen, 
heben wir nnr eines seiner Haupt Verdienste hervor, welches 
bekanntlich in der von ihm angegebenen Methode, die Bleu- 
norrhoea neonatorum zu coupiren, besteht. 5) In Halle der 
Prof, extraord. für innere Medicin, Dr. B. Küssner, im 40. 
Lebensjahre. Der Verstorbene war früher Assistent von Prof. 
Naunyn in Königsberg, dann von Prof. Westphal in Berlin 
und seit 1884 Professor in Halle. 

— Prof. Dr. Billroth in Wien begeht im April Monat 
sein 40jähriges Doctor-Jubiläum und sein 25 jähriges 
Jubiläum als Professor an der Wiener Universität. 

— Am 12. März feierte der Professor der Pharmacie an 
der Universität München, Dr. Ludwig Büchner, sein 
ÖOjähri^es medicinisches Doctorjubiläum. Der Jubi¬ 
lar steht im 78. Lebenyahre uud bekleidet seit 40 Jahren die 
Professur der Pharmacie in München. 

— Vom Curatorium der Liebig-Stiftung ist dem Pro¬ 
fessor der Physiologie Dr. Carl v. Voit in München «in An¬ 
betracht der Verdienste desselben um die Lehre von der Er¬ 
nährung des Menschen und der Tliiere» einstimmig die gol¬ 
dene Liebig-Medaille zuerkannt worden. 

— In Moskau hat Dr. Henry Cazalis, welcher von der 
französischen Regierung zu wissenschaftlichen Zwecken nach 
Russland geschickt worden ist, die dortigen Universitäts • 
Kliniken besehen. 

— Am 5. März wurde im polytechnischen Museum in Mos¬ 
kau der 11. Congress der Landschaftsärzte des Mos¬ 
kauer Gouvernements, welcher bis zum 14. März dauern 
wird, eröffnet. Zum Präsidenten des Cougresses, zu welchem 
sich ca. 50 Aerzte eingefunden haben, ist Prof. Erismann 
gewählt worden. 

— In Riga ist am 3. März der Senior der Apotheker Russ¬ 
lands Carl Frederking, welcher von der Universität in 
Anbetracht seiner Verdienste um die pharmaceutische Wissen¬ 
schaft zum Magister pharm, honoris causa ernannt wurde, 
nach längerem Leiden ans diesem Leben geschieden. Fre¬ 
derking wurde i. J. 1864 anfgefordert, die Professur der 
Pharmacie zu übernehmen, lehnte aber diesen Ruf ab und 
schlug den gegenwärtig noch fungirenden Professor Dragen- 
dorff für diesen Lehrstuhl vor. 

— Am 8. März fand hierselbst eine Generalversamm¬ 
lung der Gesellschaft des russischen «Rothen Kreu¬ 
zes» statt. Wie der Präsident General-Adjutant v. Kauf¬ 
mann mittlieilt, hat sich das Capital der Centralverwaltung 
um 90,000 Rbl. und das der Provincial-Abtheilungen der Ge¬ 
sellschaft um 189.000 Rbl. im verflossenen Berichtsjahre ver- 
grössert, obschon die Central-Verwaltung aus ihren Mitteln 
170,000 Rbl. und die Provincial-Abtheilungen 367,000 Rbl. zur 
Linderung der Noth in den von der Hungersnoth heimge¬ 
suchten Gouvernements hergegeben haben. Die Zahl der von 
der Gesellschaft unterhaltenen barmherzigen Schwestern ist 
um 90 gestiegen, so dass die Gesammtzahl der barmherzigen 
Schwestern des Rothen Kreuzes gegenwärtig 1.900 beträgt. 
Hierbei sind die in der Reserve befindlichen Schwestern nicht 
einmal mitgezählt, von denen 25 pCt. im Falle eines Krieges 
sofort in Function zu treten im Stande sind. 

— Wie ans Saratow telegraphisch gemeldet wird, haben 
11 Landschaftsärzte des Saratowschen Kreises in 
Folge der Aufhebung des Sanitäts-Conseils und wegen beleidi¬ 
genden Gebahrens des Präsidenten des Landschaftsarates gegen 
sie ihren Abschied eingereicht. 

— Der amerikanische Krösus Mr. William Vanderbilt 
hat auf eine Reise nach Europa, welche sich auf 6 Wochen 
erstreckte, seinen Hausarzt mitgenommen nnd demselben für 
diese Zeit laut Abmachung 10,000 Dollar (ca. 20,000 Rbl. nach 
dem Course) baar und ausserdem alle Ausgaben auf der Reise 
bezahlt. Freilich gehört der Arzt zu den renommirten Prak¬ 
tikern New-YorkB. welche nicht weniger als 1,000 Dollar in 
der Woche durch ihre Praxis verdienen. (Tits-Bits.-Wr.). 


— Zur Ausschmückung des Langenbeck-Hauses in 
Berlin hat der deutsche Kaiser die Marmorbüste der Kaiserin 
Auguste gewidmet. Ein Bildniss von Langenbeck und 
das Virchow-Porträt von Lenbach werden in dem Hause 
ebenfalls einen Ehrenplatz erhalten; ausserdem wollen die 
Schüler R. Volkmann’s eine Marmorbüste ihres unvergess¬ 
lichen Lehrers darbringen. 

— Die Gesellschaft der Aerzte in Wien beabsichtigt 
ein eigenes Heim zu errichten. Wie der Präsident der Ge¬ 
sellschaft, Prof. Billroth in einer der letzten Sitzungen mit¬ 
theilte, ist durch die reichlich erfolgten Zeichnungen der Mit¬ 
glieder, sowie die Spenden Kaiser Franz Joseph’s im Be¬ 
trage von 5,000 Gulden und einer Dame, die nicht genannt 
werden will, im Betrage von 4000 Gulden der Bau des Ge¬ 
sellschaftshauses gesichert. Der Bauplatz ist bereits in der 
Garelligasse angekauft. 

— Die Wittwen- und Waisen-Societät des Wiener 
medicinischen Doctoren-Collegiuras besitzt nach dem 
letzten Jahresbericht bereits ein Vermögen von 2.537,199 
Gulden. Die Einnahmen beliefen sich im verflossenen Jahre 
auf 141,330 Gulden, die Ausgaben auf 131,662 Gulden. Die 
Zahl der Mitglieder betrug 334. 

(Oesterr. ärztl. Vereiuszeitungb 

— Die Untersuchung des Schweinefleisches auf 
Trichinen kommt der Stadt Berlin die ansehnliche Summe 
von nahezu *fr Millionen Mark zu stehen. 

— Der IV. internationale Congress derGesellschaf- 
ten vom «Rothen Kreuz» wird am 21. April in Rom er¬ 
öffnet werden. Zu demselben sind bereits mehr als 170 Dele- 
girte angemeldet. (R. m. C.-Ztg.). 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
j tälern St. Petersburgs betrug am 8. März d. J. 6492 
; (24 mehr als in der Vorwoche), darunter 453 Typhus —(10 we¬ 
niger), 656 Syphilis — (5 weniger), 61 Scharlach — (8 weniger), 
28 Diphtherie — (6 mehr), 71 Masern — (2 weniger) und 
17 Pockenkranke (9 weniger). 


Vacanzen. 

1. Im Kreise Nowouseusk (Gouv. Samara) sind 2 Land¬ 
schaftsarztstellen erledigt. Gehalt 1,000 Rbl, jährlich bei 
freien Amtsfahrten. Die Meldung geschieht unter Beifügung 
der Documente bei der «IIoBoyaeHcitaa 3excK&n ynpoBa». 

2. Für den Kreis Sudogda (Gouv. Wladimir) wird ein 
Landschaftsarzt gesucht. Wohnsitz in der Stadt Su¬ 
dogda. Gehalt 1,000 Rbl. jährlich bei freien Amtsfahrten. 
Nähere Auskünfte ertheilt die «CyAorojcKM 3encKaH ynpaBa». 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 1. März big 7. März 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 

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325 281 

606 

127 44 103 15 

5 

23 

56 

48 

55 

45 40 

33 

11 

1 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 1, Tvph. abd. 4, Febris recurrens 3, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 6, Masern 9, Scharlach 
21, Diphtherie 12. Croup 1, Keuchhusten 8, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 40, Erysipelas 5, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 0, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0. Parotitis epidemica 0. Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 3, Pyämie und Septicaemie 6, 
Tuberculose der Lungen 122, Tuberculose anderer Organe 5, 
Alkoholismus und Delirium tremens 0, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 35, Marassmus senilis 23, Krankheiten des 
Verdauungscanal 63, Todtgeborene 27. 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 17. März. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 13. April. 

Bad Ems: Indicationen: Chronisch-katarrhalische und 
entzündliche Zustände der Schleimhäute und der anderen Ge¬ 
bilde der Athmungsorgane, von der Nase und dem Halse bis 
zu den feinsten Bronchien. Dieselbe Erkrankung des Magens, 


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110 


des Darms und seiner Anhänge, der Gallengänge und Blase, j Sterilität u. s. w. Nervöse Leiden verseil. Art, besonders mit 
der Niere und Harnblase mit Gries und Steinleiden, Eiweiss • dem Character gesteigerter Erregbarkeit, Reconvalescenz nach 
und Zuckerbildung im Urin, Uebersättigung des Körpers mit ! Lungen-, Rippenfell- etc. Entzündungen, Folgen der Influ- 
Harnsäure, Gicht, chronischer Rheumatismus, Katarrh, chron. ! enza u. s. w. Die günstigen Erfolge unserer Quellen und 
Entzündung mit Anschoppung der weiblichen Organe und j Producte, Pastillen pp. bei der von Neuem herrschenden In- 
ihre mannigfachen Folgen für das Blut- und Nervenleben, | fluenza erweisen sich durch den anhaltend steigenden Begehr. 


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speciellen Chirurgie a 95 K., der 
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riologie ä 66 K., der Pharmakologie, 
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Frau A. M. Wiander, B. 0. 7 j. *. 6, 

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M. Winkler, Moxobbh ya. ä. 29, kb 5, bei 
Frau Ewald. 

Frau Duhtzmann, HeuHflOB-b nep.«. 9 ,kb. 9. 
A. A. IHyKHHa, IloBapcKoB nep., *. 17, 
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Pauline Gebhardt, Bac. OcTp. B. npoen., 
N 5, kb. 18. 

Ida Belajew, KasaHCKuji 52, kb. 24. 


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Ä08B. neH8. Cnö. 13 Mapta 1892 r. Herausgeber: Dr. Th. v. Schröder. Buchdruckerei von Wienecke, Katherinenhofer-Pr. J’tflö. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge (X. Jahrg. 


ST. PETERSBHR6E« 


UEEICINISC1E W0CEENSCIBIF1 


unter der Redaction von 

Prof. Dr. Earl Dehio. Dr. Johannes Erannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abozmementipreif ist in Biusland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für daB halbe Jahr iucl. Postzustellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xniertlonspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


flJV Abonnementa-Auftrig# soiri« alle Znaerate 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bioker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect 14, zu richten. — Xanuaoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschäftsführenden Redactenr Dr. Theodor von Schröder iu 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja >6 33,Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


n 12 


St. Petersburg, 21. März (2. April) 


1892 


Inhalt: Paul Brasche: Ein Fall von linksseitiger Hemiplegie begleitet von linksseitiger homonymer lateraler Hemi¬ 
anopsie und Hemianaesthesie. — Referate: A. Erlenmeyer: Ueber eine durch Syphilis bedingte Gehirnerkrankung. — 
Arendt: Ueber Mastcuren und ihre Anwendung bei chronischen Krankheiten der weiblichen Sexualorgane. — Eduard 
Spiegler: Das Thiophen und seine therapeutische Anwendung. — August Hock: Ueber chirurgische Anwendung des 
Tniopnendijodid. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Prof. C. Binz (Bonn): Vorlesungen über Pharmakologie für 
Studirende und Aerzte. — Wissenschaftliche Verhandlungen der Dorpater medicinischen Facultät. — Proto¬ 
kolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Ver¬ 
mischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Ein Fall von linksseitiger Hemiplegie begleitet 
von linksseitiger homonymer lateraler Hemianopsie 
und Hemianaesthesie. 

Von 

Paul Brasche 

jöng. Arzt des II. ostsibirischen Scharfschützenbataillons. 
(Ans der Universitätsabtheilnng des Dorpater Bezirkshospitals. 


In den letzten Jahren sind, soweit ich ans der mir zu¬ 
gänglichen Literatur ersehen kann, nur wenige Veröffent¬ 
lichungen über «Hemiplegie mit gleichzeitiger Hemi¬ 
anopsie und Hemianaesthesie bei Gehirnblutung» erschie¬ 
nen und dürfte aus diesem Grunde der nachfolgende in 
der Universitätsabtheilung des Bezirkshospitals zu Dorpat 
beobachtete Fall, welcher mir von Prof. K. Dehio zur 
näheren Beschreibung freundlichst überlassen wurde, um 
so mehr von Interesse sein, als eine nach Möglichkeit 
genaue Autopsie stattgefunden hat und beigeftigt worden ist. 

Oscar Brand, 57 Jahre alt. Ziramermaler aus Wesenberg. 
Ina Boroital aufgenommen am 29. December 1888, gestorben 
den 4. März 1889. Patient ist Wittwer, hat 4 gesunde Kinder 
und will in der Jugend den Scharlach durchgemacht, vor 
einigen Jahren das Nervenfieber und in der letzten Zeit 2 Mal 
Gelenkrheumatismus gehabt haben; auch giebt er an, seit vie¬ 
len Jahren an unregelmässig auftretenden vorübergehenden 
Schwindelanfällen gelitten zu haben. Am 20. December, also 
vor 9 Tagen, will Patient in Folge von Dunst in seinem Zim¬ 
mer mit heftigen Kopfschmerzen und Erbrechen erkrankt 
sein und ziemlich gleichzeitig bemerkte er ein Gefühl von 
Schwäche und Vertaubung in den Extremitäten der linken 
Seite, so dass er sich nicht mehr frei zu bewegen vermochte. 
Schwindelgefühl fehlte angeblich vollständig, das Bewusstsein 
und die Sprache sollen erhalten geblieben sein, wohl aber 
hatte Patient über eine leichte schleierartige Verdunkelung 
der Augen zu klagen. Da dieser Zustand sich nicht besserte, 
hat er sich in’s Hospital aufnehmen lassen. 

Die am 31. Dec. vorgenommene Untersuchung ergab folgen¬ 
den Status praesens: Patient ist von kräftigem Körpeibau, 
gutem Ernährungszustand und gesunder Hautfarbe. Auf dem 
Kreuz eine thalergrosse gerötliete Stelle. Pat. klagt über das 
Unvermögen die Extremitäten der linken Seite zu bewegen, 
sowie über Gefühllosigkeit in denselben; ferner über Schmer¬ 
zen im Kreuz, in der Brust und besonders im Nacken, welch 


letztere bei seitlichen Kopfbewegungen sehr heftig werden. 
Leichter Husten. 

Das Sensorium ist leicht benommen. Pat. antwortet nur 
langsam und unlustig, aber immerhin verständlich und deut¬ 
lich; interessirt Sich wenig für seine Umgebung. 

Das Gehör scheint wohl erhalten. Homonyme laterale He¬ 
mianopsie fn Folge deren auf beiden Augen die linke Seite 
des Gesichtsfeldes fehlt; Pat. bemerkt nur Gegenstände, die 
von rechts her in sein Gesichtsfeld gebracht werden, doch 
ist die Ausdehnung des Geeichtsfelddefectes wegen der un- 
präcisen Antworten des ziemlich unaufmerksamen Kranken 
nicht mit Sicherheit festzustellen. Die Beweglichkeit der 
Bulbi scheint etwas herabgesetzt, indem beide Augen nur un¬ 
vollkommen nach links bewegt werden ; Pupillen gleich, von 
mittlerer Weite und ziemlich träger Lichtreaction. 

Die Sprache etwas langsam und erschwert, die Stimme 
normal. 

Motilität: Parese der linken Gesichtshälfte. Die Zunge 
weicht beim Herausstrecken nach links ab; der linke Gaumen 
bogen steht tiefer. Im Stirntheil des Facialis ist jedoch die 
Motilität erhalten, desgleichen sind die Augenlider gut be¬ 
weglich. Schlaffe Lähmung der linken oberen und unteren 
Extremität, auch kann der Kopf nur wenig nach links be¬ 
wegt werden. Auffallende motorische Unruhe der nicht ge¬ 
lähmten Glieder. 

Sensibilität: Vollkommene Anaesthesie der ganzen linken 
Körperhälfte für Tast-, Schmerz- und Temperaturempfindun¬ 
gen, auch ist Pat. nicht im Stande, bei geschlossenen Augen 
über die Lage seiner gelähmten Glieder Auskunft zu geben 
(Fehlen des Muskelsinnes). Auf der linken Gesichtshälfte ist 
die Sensibilität nur stark herabgesetzt, aber nicht völlig ge¬ 
schwunden. Bei passiven Bewegungen des Kopfes erfolgen 
lebhafte Schmerzäusserungen. 

Die Hauttemperatur der Extremitäten der linken Seite ist 
niedriger als rechts. Die Hautreflexe fehlen auf der gelähm¬ 
ten Seite, der Patellarsehnenreflex ist links verstärkt, Fuss- 
elonu8 nicht zn erzeugen. Sehnenreflexe der Arme links leb- 
h(ift6r ^ig rechts. 

Pat. schläft viel und fest und lässt Urin und Koth häufig 
unter sich. 

Die Untersuchung der übrigen Organe ergab nichts Abnor¬ 
mes; massige Arteriosklerose, Temporalarterien stark ge¬ 
schlängelt; Appetit vorhanden. Linksseitige reponible Ingui¬ 
nalhernie. 

In den folgenden Wochen trat eine allmälige Besserung 
der Lähmungserscheinungen ein, so dass Pat. in den letzten 
Tagen des Januar den Kopf und die Augen frei bewegen, 
den linken Arm einwenig neben und die gelähmten Finger 
etwas krümmen konnte; auch vermochte er das Bein im Knie 
jetzt bis fast zum rechten Winkel zu flectiren, sowie den Fuss 


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On<f die Zehep linkerseits zu bewegen. Stärkere passive Be¬ 
wegungen der gelähmten Glieder erregten jedoch lebhafte 
Schmerzäusserungen. 

Die Hemianaesthesie war gleichfalls etwas geringer ge¬ 
worden, so dass tiefe Nadelstiche jetzt wahrgenommen wur¬ 
den, am deutlichsten am Oberschenkel. Auch der Tempera- 
tnrsinn schien im Bein vorhanden, denn Kälteapplication 
wurde an demselben unangenehm empfunden; das Tastgeftihl 
jedoch fehlte nach wie vor. Die Hemianopsie bestand unver¬ 
ändert fort, wie durch vielfach wiederholte Prüfungen sicher 
festgestellt wurde, und betraf, soweit sich das ohne Perime¬ 
ter constatiren liess, die ganze linke Hälfte des Gesichtsfeldes. 

Urin und Koth wurden seltener ins Bett entleert. 

Bis zur Mitte des Februar war die active Beweglichkeit 
der gelähmten Extremitäten noch weiter gestiegen, welch’ letz¬ 
tere nun schon eine kurze Zeit frei in der Luft gehalten 
werden konnten. Von nun an jedoch zeigten die Krankheits- 

Fig. I. 


erscheinungen keine' Veränderung zum Besseren mehr, das 
Sensorium war häutig etwas verwirrt, die Hemianopsie und 
die Hemianaesthesie bestanden nach wie vor. Zeitweilig trat 
Harnverhaltung ein, die durch den Katheter beseitigt werden 
musste und am Kreuzbein entwickelte sich ein gangränöser 
Decubitus mit gerötheten und nuterminirten Bändern. Am 

2. März trat plötzlich Fieber auf (Temp. 39.2° 0.) und ent¬ 
sprechend dem linken unteren Lungenlappen machten sich 
Dämpfung, leises Bronchialathmeu und feuchte, grossblasige 
Basselgeräusche bemerkbar. Pat. wurde soporös und starb 
am 4. März. 5 Tage vor dem Tode war noch das unver¬ 
änderte Bestehen der Hemianopsie constatirt worden. 

Die Section, welche ich nur im Auszüge mittheile, ergab 
folgendes: Das Herz gross, namentlich Hypertrophie des linken 
Ventrikels, dessen Musculatur etwa 2 Ctm. aick und von 
derber Consistenz ist. Die Mitralklappen am freien Bande 
sehnig verdickt, die Sehnenfäden verkürzt, die Papillarmuskeln 



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Fig. I. 

a. Dunkler Fleck auf der Oberfläche des 
Gehirnes. 

b. Ausdehnung des Herdes in der Mark¬ 
masse des Hirnes. 

c. Horizontalschnitt, dessen Flächenansicht 
Fig. II wiedergiebt. 

1. Sulcus parieto-occipitalis, Grenze zwi¬ 
schen Occipital- und Parietallappen. 

2. Gyrus occipitalis H. 

3. Mittlerer gyrus temporalis. 


Fig. II. 
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Fig. II. 


1. Blutherd. 

2. Hinterhorn des rechten Seitenventrikels. 

3. Sulcus parieto-occipitalis. Grenze zwischen 
Cuneus und Praecuneus. 

4. Insula Beilii. 

5. Hinterschenkel der Capsula interna. 

6. Linsenkern. 

7. Thalamus opticus 


3 


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113 


gross and breit, fibrös indurirt. Die Aortenklappen verdickt 
aber schlussfähig. Die Wand der Aorta thoracica verdickt, mit 
zahlreichen gelblichen flachen arteriosklerotischen Erhebungen. 

Die Lungen gebläht, im linken Brnstfellsack ein Liter 
gelblicher etwas trüber Flüssigkeit. Der untere Lappen der 
linken Lunge vollkommen luftleer, von zäher Consistenz; der 
obere Lappen oedematös durchtränkt. Die rechte Lunge durch¬ 
weg lufthaltig. Die Bronchialschleimhaut gewulstet von grau- 
rother Farbe. 

Die Nieren klein, die Oberfläche granulirt, die Binde ver¬ 
schmälert; Ureteren erweitert, die Blase stark erweitert, die 
Wand derselben verdickt, die Prostata sehr derb und fest. 

Die Dura mater cerebri verdickt, die Pia mater weisslich 
getrübt. An der convexen Oberfläche der rechten Hemisphäre, 
entsprechend der Uebergangsstelle der mittleren Temporal¬ 
in die 2. Occipitalwindung, ein etwa erbsengrosser dunkelbraun- 
tother Fleck mit bräunlich verfärbter Umgebung, welcher 
einem etwa apfelgrossen mit zum Theil entfärbten Blutge- 
linnseln gefüllten apoplektischen Herd entspricht, der in der 
hinteren Hälfte der Markmasse des rechten Grosshirn’s gelegen 
i»t und bis an das hintere Horn des rechten Seitenventrikels 
heranreicht. Das Gehirn wird in Alkohol aufbewahrt. 

Ich habe nun das Gehirn behufs genauerer Untersuchung 
zunächst von seiner Pia befreit und in successiv auf einander 
folgende Horizontalschnitte zerlegt. Beide Hemisphären erschie¬ 
nen im Allgemeinen gleich gross, die Gyri nicht abgeflacht. 
Die bräunliche Verfärbung an der Uebergangsstelle zwischen 
der 2. Occipital- und mittleren Temporalwindung ist schon 
erwähnt und als dunkel schraffirte Partie (a) in der beige¬ 
fügten Seitenansicht des Gehii n’s (Fig. I.) wiedergegeben. Die 
Horizontalschnitte Hessen nun einen grossen mit bröckligen 
Crnormassen gefüllten Hohlraura erkennen, der von unregel¬ 
mässiger Gestalt ist und dessen Wandungen von Gehirnsub¬ 
stanz gebildet werden, welche letztere in einer Dicke von etwa 
2—3 Mm. bräunUch imbibirt ist. Der Blutherd liegt in der 
unteren Hälfte der rechten Hemisphäre derart, dass er mit 
seiner vorderen Hälfte in das Gebiet des Temporallappens, mit 
seiner hinteren in das des Occipitallappens hineinragt. Die 
hell schraffirte Partie (Fig. I, b) giebt die Ausdehnung desselben 
in seitlicher Projection wieder, wie sie sich etwa aus meinen 
Horizontalschnitien construiren Hess. Die grösste horizontale 
Ausdehnung des Herdes ist in Fig. II wiedergegeben, welche 
einen genau mit dem Storchschnabel gezeichneten Horizontal¬ 
schnitt durch das Präparat darstellt. Der Schnitt liegt in der 
Höhe der gestrichelten Linie (c), welche in Fig. I sichtbar 
ist. Die Ausdehnungen des Herdes sind folgende: nach oben 
reicht er etwa bis zur Höhe der oberen Fläche des Balkens, 
nach unten reicht er in ziemlich flacher Ausbreitung bis etwa 
*■’< Ctm. oberhalb der unteren Fläche des Grosshirns herab, so 
dass seine grösste verticale Ausdehnung 2 'h Ctm. betrögt. 
Die horizontale Ausbreitung (cf. Fig. II) ist folgende: nach 
hinten reicht der Herd etwa ’/a Ctm. über das hintere Ende 
des Hinterhorns hinaus, nach vorn tritt er auf V» Ctm. Ent¬ 
fernung an die Insula Beilii heran; seine laterale Seitenfläche 
stösst im Gebiet der mittleren Temporal* und der 2. Occipital¬ 
windung, dort, wo diese beiden Gyri in einander übergehen, 
direct an die graue Substanz derselben, so dass an einer etwa 
bohnengrossen Stelle die unteren Schichten der Binde durch 
den Blutherd zerstört erscheinen und nur eine etwa 2 Mm. 
breite aus fiindensnbstanz bestehende Lamelle den Herd von 
der Oberfläche des Gehirns trennt. Hier ist der braune Fleck 
aussen sichtbar. Medianwärts tritt der Herd mit seiner hinteren 
Partie direct an die Anssenwand des Hinterhorns des Seiten¬ 
ventrikels heran, ohne jedoch in den Ventrikel selbst dnreh- 
gebrochen zu sein. Eine kaum 2 Mm. dicke Lage von Hirn¬ 
substanz und Ependym ist noch als Scheidewand erhalten. 

Weiter nach vorn streicht die Begrenzung des Blutherdes 
quer am hinteren Ende des Hinterschenkels der Capsula interna 
vorbei und tritt dann an den Linsenkern, dessen hinteres 
Drittel nebst dem hinteren Ende des Claustrum zerstört ist. 
Die grösste Ausdehnung des Herdes von vorn nach hinten 
beträgt 5 Ctm. 

Die directen Druckwirkungen, welche der Herd ausgeübt 
hat, sind noch an der Confignration der inneren Hirntheile 
bemerkbar. Das Hinterhorn des Seitenventrikels ist comprimirt. 
der Thalamus opticus ein weuig von vorn nach hinten znsam- 
mengedrückt und das hintere Ende der Insula Beilii nach 
vorne gedrängt. 

Im hintern Theil der Markmasse des linken Temporallappens 
findet sich gleichfalls ein etwa bohnengrosser, unregelmässig 
gestalteter Bluterguss, der jedoch augenscheinlich keine kli¬ 
nischen Svmptome bewirkt hat. Auch im vorderen Ende des 
rechten Nucfeus candatns sind ein paar stecknadelkopfgrosse 
Erweichungscysten vorhanden, die klinisch belanglos gewesen 
sein dürften. 

Wir haben es hier mit einem Fall von Hemiplegie zu 
thun, welcher plötzlich, aber angeblich ohne Bewusst¬ 
seinsverlust aufgetreten ist und wo die hemiplegische 
Lähmung der linken Seite sich mit einer anfänglich voll¬ 


kommenen linksseitigen Hemianaesthesie combinirte und 
sich als auffallendes Symptom noch eine linksseitige He¬ 
mianopsie hinzugesellte. 

Kahler und Hauer (cfr. Nr. ß und Nr. 15 des Li¬ 
teraturverzeichnisses) haben nun darauf aufmerksam ge¬ 
macht, dass die Hemianopsie eine recht häufige Begleit¬ 
erscheinung schwererer Gehirnblutungen ist. Dieselbe 
pflegt aber meist nicht lange zu bestehen, sondern meist 
ziemlich rasch wieder zu schwinden, womit sie sich als 
ein indirectes Herdsymptom zu erkennen giebt, wel¬ 
ches nicht durch Zerstörung der betreffenden Leitungs¬ 
bahnen, sondern durch den anfänglich vorhandenen und 
später nachlassenden Druck hervorgerufen wird, den der 
Blutherd auf seine Nachbarschaft austlbt. 

Wie die Hemianopsie, so kann nun auch die Hemian¬ 
aesthesie in einer grossen Zahl der Fälle schwinden und 
es bleibt dann bei der gewöhnlichen Form der cerebra¬ 
len Hemiplegie nur die motorische Störung zurück. Die¬ 
ses sind die häufiger beobachteten Blutungen in der 
Nähe das Seiten Ventrikels, welche zwar die von den Cen- 
tralwjndungen zum mittleren Drittel des hinteren Schen¬ 
kels der Capsula interna ziehende Pyramidenbahn in 
grösserer oder geringerer Ausdehnung zertrümmern, aber 
die benachbarten, mehr nach hinten gelegenen centripe- 
talen Bahnen verschonen. 

In unserem Falle nun verhält es sich umgekehrt. 
Schon im Verlauf der ersten Wochen trat eine bedeu¬ 
tende Besserung in den hemiplegischen Erscheinungen 
ein, während die Hemianaesthesie sich relativ weniger 
besserte. Die Hemianopsie vollends blieb bis zum Tode 
unverändert in derselben Ausdehnung und Intensität be¬ 
stehen, wie in den ersten Tagen nach dem Insult. 

Es lag deshalb in unserem Falle die Annahme nahe, 
dass die Hemianopsie ein directes Herdsymptom sei, 
bedingt durch eine Zerstörung im Gebiet der dem Seh¬ 
acte dienenden Theile der Hemisphaere. Ein ähnliches 
Verhältniss konnte theilweise auch für die hemianaesthe- 
tischen Erscheinungen angenommen werden. Die moto¬ 
rische Hemiplegie jedoch liess wegen ihrer deutlichen 
Besserung die Annahme zu, dass die Pyramidenbahn nur 
indirect, etwa durch Druckwirkungen des Herdes, in Mit¬ 
leidenschaft gezogen worden. 

Versuchen wir nun auf Grund dieser Annahmen eine 
genauere topische Diagnose des Sitzes der Zerstörung, 
so sind drei Möglichkeiten zur Erklärung der Hemianop¬ 
sie in’s Auge zu fassen. Entsprechend dem Verlauf der 
centralen Opticusfaserung konnte der Herd erstens im 
hintern Theil des Thalamus opticus (Pulvinar) oder zwei¬ 
tens in der Marksubstanz des Hinterhauptslappens und 
im hintersten Drittel des Hinterschenkels der Capsula 
interna oder endlich in der grauen Rinde des Occipi¬ 
tallappens liegen. Die erste Möglichkeit musste von der 
Hand gewiesen werden, da bei den räumlich nahen Be¬ 
ziehungen des Pulvinar zu den Corp. geniculata und 
quadrigemina dann mit grosser Wahrscheinlichkeit auch 
eine mehr oder weniger umfangreiche und dauernde Stö¬ 
rung in den conjugirten Augenbewegungen zu erwarten 
gewesen wäre. 

Die letzte Möglichkeit, Zerstörung der Rinde des 
Occipitallappens, war gleichfalls nicht acceptabel, denn 
eine solche hätte die Hemianaesthesie und die hemiple¬ 
gischen Erscheinungen, welche doch gleichzeitig mit der 
Sehstörung aufgetreten waren, unerklärt gelassen, man 
hätte denn die sehr unwahrscheinliche Annahme aufstel¬ 
len müssen, dass auf ein Mal zwei Apoplexien an ver¬ 
schiedenen Stellen derselben Hemisphäre stattgefunden 
hätten, oder dass eine Hämorrhagie, durch welche nur 
die corticalen Sehcentra des Hinterhauptlappens zerstört 
wurden, ihre Druckwirkungen bis auf die entfernte Re¬ 
gion der sensiblen und motorischen Bahnen ausdehnen 
könnte, ohne stärkere Erscheinungen des allgemeinen 
Hirndruckes zu verursachen. 


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114 


Es blieb also nur die Vermuthung übrig, dass der 
apoplektische Herd seinen Sitz in der Marksubstanz des 
Occipitallappens habe, nahe genug vom Ende der Capsula 
interna und von den sensiblen und motorischen Fasern 
des Stabkranzes, um dieselben direct, wie man es für 
die sensiblen Faserzüge vermuthen konnte, oder indirect 
wie es für die Pyramidenbahn anzunehmen war, in 
Mitleidenschaft zu ziehen. 

Die von mir vorgenommene genauere Untersuchung 
des Gehirns ergab denn in der Tliat auch, dass es sich 
um einen grossen hämorrhagischen Herd handelte, welcher 
zum Theil im Hinterhauptslappen lag. Ein Blick auf 
Fig. II zeigt, dass alle Faserzüge, welche aus dem Cuneus 
und den hintersten Theilen des Occipitallappens zur Cap¬ 
sula interna und zum Thalamus opticus hinziehen, durch 
den Herd zerstört sein müssen, denn derselbe erstreckt 
sich von der Oberfläche der Hemisphäre bis an den 
lateralen Ventrikel und schneidet somit den ganzen Ilin- 
terhauptslappen gleichsam von der Capsula interna ab. 
Die aus dem Parietallappen stammenden motorischen, 
eventuell auch sensiblen Fasern, welche von oben aussen 
nach innen unten ziehen, konnten dagegen unzerstürt 
über den Herd resp. vor demselben hinweg zur Capsula 
interna gelangen. 

Die Hemianaesthesie, welche wohl zum Theil auf directe 
Einwirkung des das hinterste Ende der Capsula interna 
eben berührenden Herdes zurückzuführen ist, blieb denn 
auch fast unverändert bestehen. Die motorische Bahn, 
als im mittleren Drittel des hinteren Schenkels der Cap¬ 
sula interna verlaufend, dem hämorrhagischen Herd schon 
entfernter, war wohl nur indirect durch Druck etc. in 
Mitleidenschaft gezogen und erklärt sich daraus auch das 
ziemlich rasche Zurückgehen der motorischen Störungen. 

Die vordere Hälfte des Herdes, welche mehr dem Tem¬ 
porallappen angehört, scheint keine klinischen Symptome 
hervorgerufen zu haben, doch ist über dieses Gebiet ja 
auch nichts Sicheres bekannt. 

Mir scheint also der vorliegende Fall zu beweisen, und 
darin dürfte das klinische Interesse desselben liegen, dass 
eine permanente Hemianopsie, wenn sie mit Hemian¬ 
aesthesie derselben Seite und vollends mit hemiple- 
gischen Störungen verbunden ist, die Annahme einer 
Herderkrankung in der Markmasse des Hinterhaupts¬ 
lappens gestattet. Die Fälle von Seguin (Nr. 2 und 12) 
und die Erfahrungen dieses Autors bestärken mich in 
dieser Ansicht. 

Was endlich die Frage betrifft, ob der Cuneus, wie 
Nothnagel (Nr. 7), Seguin und Noyes (Nr. 17) es 
vermuthen, oder ob die übrigen Rindentheile des Occipi¬ 
tallappens die eigentlichen Centra des optischen Wahr- 
nchmens beherbergen, so lässt unser Fall dieselbe unent¬ 
schieden, da alle nach vorn zur innern Kapsel ziehenden 
Fasern in den Blutherd eintreten und dort zerstört sein 
müssen, gleichgiltig, ob sie aus der medialen oder der 
dorsalen Partie der Rinde des Hinterhauptslappens stammen. 

Die im beifolgenden Literaturverzeichniss zusammen¬ 
getragenen Fälle habe ich leider nur in Referaten ein- 
sehen können, doch dürfte die Zusammenstellung derselben 
manchem Leser willkommen sein. 

1. Richter. Hemianopsie bei Erweichung des Occipi¬ 
tallappens (Guttmann. Jahrb. Für pract. Medicin) 
188b, pg. 133. 

2. Sigmund Exner. Ueber neuere Forschungsresultate, 
die Localisation der Hirnrinde betreffend (Mendel. 
Neurol. Centralbl. 1887, pg. 150). 

3. Janeway. Hemianopsie bei Abscess im Hinterhaupts¬ 
lappen (Guttmann, Jahrb. der pract. Medic. 1887, 
pg. 137). 

4. Seguin. Hemianopsie bei Verletzung des Hinter¬ 
hauptslappens (das. pg. 495). 

5. Kahler. Constantes Vorkommen der Hemianopsie 


bei cerebraler Hemiplegie (Erlenmeyer, Centrlbl. 
für Nervenh. und Psych. pg. 317). 

6. De Schweinitz. Hemianopsie bei Läsion des Lob. 
pariet. inf. und des Gyr. ang. oder des Lob. occip. 
(das. pg. 716). 

7. Laqueur. Hemianopsie gebunden an Störung, im Cu¬ 
neus und I Occipitalwind. (Mendel. Neurol. Centrlbl. 
pg. 213). 

8. Alfred Hinde. Hemianopsie bei umschriebener Er¬ 
weichung im Hinterhauptslappen (Erlenmeyer. Cent¬ 
ralbl. für Nervenh. und Psych. 1888, pg. 134). 

9. Seguin. Diagnostische Regeln für versch. Formen 
der Hemianopsie (das. pg. 367). 

10. Mooren. Originalmittheilung. Gesichtsstörungen 
in ihrem Abhängigkeitsverhältniss von Occipitallap- 
penerkr. (Mendel. Neurol. Centrlbl. 1888, pg. 219). 

11. Seymour Sharkey. Hemianopsie. — Folge von cor- 
ticaler und subcorticaler Erkrankung d. Regio occi- 
pito-angularis (Mendel. Neurol. Centrlbl. 1888. 
pg. 243). 

12. Ferrier. 7 Fälle cerebraler Hemianaesthesie (5, 6, 
7 zugleich Hemianopsie, ebendas, pg. 244). 

13. Bruns und Stoelting. Originalmittheilung. Ein 
Fall von Alexie mit rechtsseitiger Hemianopsie (das. 
pg. 481, 509). 

14. L. Putzei. Corticale Hemianopsie (Erlenmeyer Cen¬ 
tralbl. f. Nervenh. und Psych. 1889, pg. 140). 

15. Hauer. Hemianopsie, Theilerscheinung frischer cere¬ 
braler Hemiplegie (das. pg. 140). 

16. Alfred Saenger. Fall von corticaler Hemianopsie 
(das. pg. 519). 

17. W. Noyes. Fall von lateraler Hemianopsie (Erlen¬ 
meyer, Centrlbl. 1890, pg. 121) dors. Fall genauer 
(Mendel. Neur. Centrlbl. 1890, pg 48). 

18. Doyne. Hemianopsie bei Erweichung der Rinde des 
Occipitallappens (das. pg. öl). 

19. J. Dejerine, P. Sollier et E. Ausclie. Fall von He¬ 
mianopsie bei Erweichungsherd in den oberen Occi- 
pitotemporal- und OccipitalWindungen. Cuneus völlig 
intact. (Mendel. Neurol. Centrlbl. 1890, pg. 110). 

20. M. Caswey. Hemianopsie, ein diagnostisches Merk¬ 
mal bei Hirnerkrankungen (Erlenmeyer. Centrlbl. 
1891, pg. 213). 

21. ? Fall von Hemianopsie in Beziehung zum Cuneus 
(Mendel. Neurol. Centrlbl. 1891, pg. 53). 


Referate. 

A. Erlenmeyer: Ueber eine durch Syphilis bedingte 

Gehirnerkrankung. (Centralbl. f. Nervenheilkunde und 
Psych. 1891 Novemb.). 

Verf. hat in 5 Fällen von Jackson'scher Epilepsie bei Kindern 
von 12—16 Jahren gefunden, dass dieselben Extremitäten, die 
von den Krämpfen befallen wurden, in ihren Grössenverhält¬ 
nissen gegenüber den Extremitäten der anderen Seite zurück- 
eblieben waren. So fanden sich Armverkürzungen bis zu 
Ctm., Beinverkürzungen bis zu 2 Ctm. Die Motilität der ver¬ 
kürzten Extremität war normal; nur fand sich eine geringere 
Stärke der erkrankten Extremität gegenüber der gesunden. 
Die Anamnese ergab, dass die Kranken im ersten oder in den 
ersten Lebensjahren von einer iieberhaften Erkrankung befallen 
worden waren, nach welcher sich die epileptischen Anfälle 
eingestellt hatten, sei es gleich in ihrer vollen Ausbildung oder 
allmälig. Verf. nimmt an, dass es sich um Gehirnentzündungen 
gehandelt hat und sucht die Wachsthumshemmung dadurch zu 
erklären, dass eine Entwicklungshemmung der zugehörigen 
Rindencentren stattgefunden habe, deren Ursache eben in dem 
entzündlichen Processe (Meningitis, Encephalitis) zu suchen 
sei. — Das Entstehen der Krämpfe in diesen Fällen möchte 
Verf. am ehesten dadurch erklärt sehen, dass ein meningi- 
tisches Exsudat angenommen wird, welches die betreffenden 
atrophischen Rindencentren reizt und dadurch die Krämpfe 
anslöst. Merkwürdig ist, dass Verf. in dreien von diesen Fällen 
die Thatsache feststellen konnte, dass der Vater der Patienten 
vor seiner Verheirathung syphilitisch war. In der Folge liess 
sich sogar für alle 3 Kinder die einwandsfreie Anamnese (durch 
den Hausarzt resp. Eltern) erheben, dass bei der Geburt resp. 


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in den ersten Lebensjahren Symptome von congenitaler Sy- 

J hilis zur Beobachtung kamen. Verf. hält diese 3 Fälle von 
ackson’scher Epilepsie für Folgezustände congenitaler Lues 
(hervorgerufen aurcli eine syphilitische Meningitis resp. Peri¬ 
encephalitis). Für die 2 übrigen Fälle liess sich dieser Nach¬ 
weis nicht ohne weiteres führen. Endlich spricht Verf. den 
Gedanken aus, dass die sog. cerebrale Kinderlähmung und die 
Jackson’sche Epilepsie nur graduell von einander verschiedene 
Krankheitsbilder vorstellen und dass der Ausschlag für die 
eine oder andere Form gegeben werde durch die Ausdehnung 
der cerebralen Läsion. 

Es sei daher in Zukunft bei genannten Affectionen strenger 
auf hereditäre Lues zu fahnden; man würde so vielleicht leichter 
zu einer Erklärung für das Entstehen der cerebralen Kinder¬ 
lähmung kommen, wenn man nicht vergisst, dass eine latente 
congenitale Syphilis durch eine fieberhafte Erkrankung manifest 
werden kann. Kallmeyer. 

Arendt: Ueber Mastcnren und ihre Anwendung bei chro¬ 
nischen Krankheiten der weiblichen Sexualorgane. 
(Therap. Monatshefte Jan. 1892). 

Verf. wandte die von Weir-Mitchell zuerst gegen schwere 
Neurasthenie und Hysterie empfohlene Cnrmethoae bei Geni¬ 
talleiden an. Die cMastüur» besteht bekanntlich in Isolirung 
der Pat., Hube resp. Bettlage, Massage nebst Widerstandsbe¬ 
wegungen der schwedischen Heilgymnastik nach Thure-Brandt, 
Elektricität und Diät. Pat. müssen sich an das Milchtrinkeu 
gewöhnen und täglich 2—3 Liter Milch ausser ihren regel¬ 
mässig eingenommenen Mahlzeiten zu sich nehmen. Die Menge 
der Nahrung wird allmälig gesteigert, ebenso die In- und Ex¬ 
tensität der Massage (2—3 Mal täglich —1 Stunde), welche 
durch Beschleunigung der Circulation und Hervorrufen von 
Müdigkeit das Nahrungsbedürfniss steigert. Schlafmittel kön¬ 
nen meist vermieden werden, die Obstipation giebt sich wäh¬ 
rend der Cur von selbst oder wird mit Darmmassage und Fa- 
radisiren des Unterleibes bekämpft. Das Allgemeinbefinden 
bessert sich, der Stoffwechsel wira lebhaft, die Circulation in¬ 
tensiver, es wird Fett angesetzt Die nervösen Symptome 
schwinden, die normale Libiao sexualis stellt sich ein." Contra - 
indicirt ist die Cur bei hereditärer Disposition zum Fettwer¬ 
den und bei Individuen mit krankhaft gesteigerter Sinnlich¬ 
keit (für letztere passt die Hydrotherapie). Verfasser behan¬ 
delte 22 gynäkologische Kranke und sah besonders gute Er¬ 
folge bei Dysmenorrhoe, Amenorrhoe (die Menses stellen sich 
ein), Endometritis und Metritis und para- resp. perimetritischen 
Exsudaten. Dabei schwillt der vergrösserte Uterus ab, die pro¬ 
fusen Menorrhagien und Uterussecretionen lassen nach, die 
Exsudate werden in Folge gesteigerten Stoffwechsels resorbirt. 
Gute Erfolge sah Verf. auch bei Retroflexio uteri fixata, wo 
die Versuche den Uterus zu lösen zur Verschlimmerung der 
nervösen Symptome geführt hatten, und in drei Fällen von 
Tubensäcken. Die Cur ist kostspielig und umständlich. 

W. Beckmann. 

Eduard Spiegler: Das Thioplien und seine therapeu¬ 
tische Anwendung. (Therap. Monatshefte Nr. 2). 
August Hock. Ueber chirurgische Anwendung des 
Thiophendijodid. (ebenda). 

Das Thiophen, ein schwefelhaltiger Kohlenwasserstoff der 
aromatischen Seihe, wurde 1883 von Victor Me vor im Stein- 
kohlentheerbenzol aufgefunden. In therapeutischer Hinsicht 
worden in Betracht gezogen: 1. das thiophensulfosaure Natron 
und 2. das Thiophendyocud. Ersteres ist ein weisses Pulver, 
enthält 33 pCt. S., hat einen sehr schwachen, unangenehmen 
Geruch. Es wurde als 5—10 pCt. Salbe mit sehr gutem Er¬ 
folge bei Prurigo angewandt. In ca. 30 mit diesem Praepa- 
rate behandelten Fällen trat binnen kurzer Zeit (schon nach 
Ablauf einer Woche) stets der gewünschte Erfolg ein. Die 
Haut wurde glatt, die Verdickung ging zurück, aas Jucken 
verschwand. In Fällen, wo die Prurigo mit starkem Ekzem 
sich combinirt, wo daher /?-Naphtol contraindicirt ist, kann 
man eine Thiophensalbe ohne Bedenken anwenden. Das Thi¬ 
ophendijodid hat einen nicht unangenehmen, aromatischen Ge¬ 
ruch. Es wurde vom Verf. als Ersatz für das Jodoform an¬ 
gewandt, namentlich als 10 pCt. Gaze. Culturen von Staphy- 
lococcus aureus blieben, nachdem sie mit Thiophendijodid be¬ 
streut worden waren, steril. 

August Hock hat das Praeparat bei eiternden Wunden 
(Phlegmonen, complicirten Fracturen etc.) verwendet, ferner 
bei Mastitiden, Onvchien, Caries. Es wurde entweder direct 
auf die Wunde aufgepulvert oder aber in Lösung gebracht 
(Thioplieni bijodati 50,0, Alkoh. rectif. Aeth. sulf. 500,0 
Glycerini 10,0) auf Gaze. In allen Fällen war Hock mit der 
Substanz sehr zufrieden: sie erwies sich als desodorisirend 
und secretionsbeschränkend. Ekzeme wurden nach Anwen- 
ung des Thiophendijodid’s nicht beobachtet, dagegen ging ein 
odoformekzem bei Ersatz von Jodoformgaze durch Thiophen- 
gaze ohne anderweitige Medication zurück. Wenn energische 


Desinfection gewünscht wird, so empfiehlt es sich das Pulver 
in Substanz in die Wunde einzubringen. Es verklebt im Ge- 

f ensatz zu austrocknenden Pulvern nicht zu Schorfen, macht 
aher auch keine Secretretention. Auf Wunden in Substanz 
ebracht erzeugt es ein leichtes Brennen, das aber bald voll- 
ommen verschwindet. Die Thiophengaze erzeugt aber kein 
Brennen. Die Desodorisation ist eine vollkommene und dem 
Jodoform weit überlegene. Die Granulationsbildung tritt zwar 
langsamer ein, als unter Jodoform, doch sind die Granulatio¬ 
nen fester, kleiner und zeigen weniger Tendenz zur Wu¬ 
cherung. Abel mann. 

BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Prof. C. Binz (Bonn): Vorlesungen über Pharmakologie 
für Studirende und Aerzte. 2. gänzlich umgearbeitete 
Auflage. Berlin 1891. Verlag von A. Hirschwald. VI. 
732 S. 

Die Vorlesungen über Pharmakologie von Binz nehmen un¬ 
streitig unter den pharmakologischen Handbüchern einen her¬ 
vorragenden Platz ein, sowohl durch ihre Vollständigkeit, als 
auch durch die fesselnde und angenehme Darstellung des Stoffes, 
was für einen Wissenszweig, wie die Pharmakologie, von nicht 
zu unterschätzender Bedeutung ist. Bei der ungemein rasch 
fortschreitenden Entwickelung des pharmakologischen Wissens 
ist nach einem verhältnissmässig kurzen Zeitraum eine erneu¬ 
erte Auflage nothwendig geworden. Obgleich der Verf. in der 
letzteren alle neuen Forschungen auf dem Gebiete der Phar¬ 
makologie berücksichtigt, hat sie dennoch an Umfang nicht 
nur nicht zngenommen, sondern abgenommen, der Verf. hat 
es für zweckmässig erachtet, den Inhalt des Buches zu ver¬ 
dichten statt ihn auszudehnen. Streng vermieden hat der Verf. 
toxikologische Details, welchen keine Bedeutung für die ärzt¬ 
liche Praxis zukommt, ferner die Erwähnung von Debatten 
über noch nicht feststehende Thatsachen und Theorien. Die 
Literaturangaben sind möglichst vollständig und mit wenigen 
Ausnahmen nach dem Original gemacht. 

Die Grundsätze, die den Verf. in der Behandlung der Phar¬ 
makologie überhaupt leiteten, hat derselbe am Ende des Buches 
in einer Schlussbetrachtung niedergelegt. 

Das Werk beschliessen eine Tabelle der Maximaldosen der 
wichtigeren Arzneimittel nach der Deutschen Pharmakopoe, 
ein Sachverzeichnis und ein Verzeichniss der Autoren; die 
äussere Ausstattung und der Druck des Buches sind gut. 

Möge die neue Auflage des ausgezeichneten Buches die ihr 
gebührende Anerkennung und Verbreitung finden. Hess. 

Wissenschaftliche Verhandlungen der Dor- 
pater medicinischen Facultät. 

Sitzung am 27. Februar 1892. 

Vorsitzender: Herr Thoma. 

Berichterstatter: Herr E. Kobert. 

1. Herr Kobert spricht über die Wechselbeziehungen 
zwischen Hämoglobin und thierischem Protoplasma. 

Unter obigem Titel ist soeben von Dr. Gürber, Assist, des 
physiologischen Institutes in Würzburg, eine Mittheilung J ) 
erschienen, welche den Vortragenden zu einer Prioritätser¬ 
klärung veranlasst. 

Bekanntlich hat Aug, Sch war tz in seiner unter Alex. 
Schmidt angefertigten und daun selbständig im Buchhandel 
erschienenen Dissertation a ( die Behauptung anfgestellt. er 
könne extra corpus durch isolirte Zellen das Haemoglobin 
zerlegen und aus den farblosen Componenten wiederauf¬ 
bauen, ja mehr Haemoglobin zu Tage fördern, als ursprüng¬ 
lich vorhanden war. Schon bevor diese Arbeit im Druck er¬ 
schien, hat Prof. Al. Schmidt die Ergebnisse derselben in 
einer wissenschaftlichen Sitzung der Facultät mitgetheilt und 
dabei nahe liegende berechtigte Einwände gegen die von ihm 
und von Schwartz vertretene Deutung der Ergebnisse der zu 
Gjunde liegenden Versuche z. B. von Prof. Thoma und vom 
heutigen Vortragenden erfahren müssen. Nichts destoweniger 
ist Al. Schmidt bei seiner Ansicht geblieben, dass man in 
der That mit Zellenbrei Haemoglobin zerstören und wieder 
aufbauen könne. Nur einer seiner Doctoranden, Nicolai Höh- 
lein, hat in seiner 3 Jahre später erschienenen Dissertation 3 ) 
die Schwartz’schen Ergebnisse zum Theil angezweifelt. Bei 
dem ungeheuren Interesse, welches die Thatsache des künst¬ 
lichen Aufbaus von Haemoglobin für die gesammte theoreti- 

') Sitz. Ber. der Würzburger Physik, med. Gesellschaft 
Jahrg. 1891, sechzehnte Sitzung. 

2 ) Ueber die Wechselbeziehungen zwischen Haemoglobin 
und Protoplasma etc. Inaug. Dissert. Dorpat 1888 und Mono¬ 
graphie, Jena bei Fischer. 

3 ) Ueber die Einwirkung der Milzzellen auf das Haeraoglo- 
bin. Inaug. Diss. Dorpat, 1891. 


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V 


sehe Medicin hat, hat auch der Vortragende es nicht an Ver¬ 
suchen fehlen lassen, welche zur Klärung dieser Entdeckung 
beitragen sollten. Er hat die Schwartz'schen Versuche sehr 
oft wiederholt, hat aber niemals eine wirkliche Zerstörung 
des Haemoglobins wahrgenommen sondern stets nur eine Fül¬ 
lung desselben, die später mit eintretender Füulniss wieder 
schwindet. Von einer wirklichen Vermehrung war dabei gar 
nichts wahrznnehmen. Immerhin ist die Arbeit von Aug. 
Schwnrtz, auch wenn wir nur diese eine. Thatsache aus der¬ 
selben gelten lassen, nämlich dass Milzzellen und überhaupt 
Protoplasmamassen aus Haemoglobinlösungen den Farbstoff zu 
fällen vermögen, eine hoch interessante und verdienstliche. 
Es fragt sich jetzt nur, wie diese Füllung, welche übrigens 
auch z. B. von Leberzellen prompt nusgefiihrt wird, zu stände 
kommt. Der Vortragende glaubt für diese merkwürdige Er¬ 
scheinung die richtige Erklärung gefunden zu haben und hat 
sich darüber in einem von Experimenten begleiteten Vorträge 4 ), 
welchem leider Prof. Al. Schmidt nicht beiwohnte, schon im 
Frühjahr 1801 ausgesprochen. Der gedruckte Bericht dieses 
Vortrages ist wenige Wochen später erschienen (als Separat¬ 
abdruck) und an verschiedene Gelehrte versandt worden, ja er 
ist auch sogar bereits referirt und mehrfach citirt worden 
(z. B. vom Oesterreichisrh-Ungarischen Centralblatt). Nichts 
destoweuiger ist er nicht sehr bekannt geworden, so dass hier 
noch einmal das Ergebniss desselben kurz wiedergegeben wer¬ 
den möge. Es lautet: «Die von Zellbrei hervorgebrachte Fäl¬ 
lung des Haemoglobins ist ein Bednctionsvorgang. wobei 
das Haemoglobin in eine in Wasser unlösliche Moditication 
übergeht, die man vorläufig mit Anlehnung an die Nenckische 
Nomenclatnr als ein Parhaeraoglobin bezeichnen kann. Ein 
ganz ähnlicher Vorgang lässt sich auch ohne Zellbrei in 
Haemoglobinlösungen durch redneirend wirkende Partikelchen 
von Zink (d.h. durch Zinkstaub) hervorrufen. Faulnies führt, 
wenn dabei mit Luft geschüttelt wiid, wieder Lösung des 
Parhaemoglobins herbei». 

Als der Vortragende zum Zweck wissenschaftlicher Studien 
sich im Sommer 1891 in Würzburg aufhielt, erfuhr er von 
Prof.Fick, dassDr.Gürber mit Experimenten nach Schwartz's 
Angaben beschäftigt sei. Um Herrn Gürber in keiner Weise 
in seinen Forschungen zu beeinflussen, wurde ausgemacht von 
den beiderseitigen Versuchen nicht, zu reden, und so liegen 
nnu die Giirber’schen Ergebnisse jetzt ganz vom Vortragenden 
unbeeinflusst vor. Auch Gürber hat weder eine Zerstö¬ 
rung noch eine Neubildung vonHaemoglobin consta- 
tiren können, sondern erklärt wie der Vortragende die Ent¬ 
färbung der Haemoglobinlö8ung durch Fällung des Farb¬ 
stoffes und zwar — abweichend vom Vortragenden — durch 
eine rein physikalische Fällung ohne chemische Umwand¬ 
lung. Sei dem, wie ihm wolle, jedenfalls möchte der Vortra¬ 
gende die Priorität der Erklärung der Schwartz’schen Versu¬ 
che für sich in Anspruch nehmen. Er gedenkt in einem an¬ 
deren Blatte ausführlicher den ganzen Gegenstand zu be¬ 
sprechen. 

2. Herr Dehio berichtet über zwei Fälle von Diabetes mel¬ 
litus leichterer Form, bei denen er nach Lewaschew’s Empfeh¬ 
lung das neue Mittel Sizygium Jambolanum versucht hat. 
Angewandt wurden die gepulverten Saanien der Pflanze in 
Dosen von 30 bis 60 Gramm täglich. Ein Erfolg wurde nicht 
erreicht, indem weder die tägliche Harnmenge, noch das täg¬ 
lich ausgeschiedene Zuckerquantum sich verminderte. Ob die¬ 
ser Misserfolg auf die Mangelhaftigkeit des Präparates und 
die ungeeignete Form der Verordnung zurück zu führen ist 
oder ob die beiden Krankheitsfälle an sich dieser Therapie 
nicht zugänglich gewesen sind, lässt Redner dahingestellt. 
Beide Falle werden durch Dr. Gerlach in dieser Zeitschrift 
veröffentlicht werden. 

3. Herr Dehio bespricht ferner einen von ihm beobachteten 
Fall von schwerer pernieiöser Anämie, bewirkt durch 
Bothriocephalus latus. In (len Faeces des 36jährigen 
änsserst anämischen, schwachen Mannes fanden sich massen¬ 
haft Bothriocephaleneier. Die Krankheit endete letal, aber 
bei der Section fand sich, wie das schon öfters beobachtet 
worden ist, kein Bothriocephalus, wohl aber waren auch in 
dem der Leiche entnommenen Darminhalt massenhaft die Eier 
dieses Parasiten vorhanden. 

Am drittletzten und vorletzten Lebeustage des Kranken 
waren Blutkörperchenzählungen vorgenommen worden, welche 
68,000 resp. 72,000 rothe Blutkörper pro Ciib. Mm. Blut erga¬ 
ben. Am letzten Lebenstage wurden dem Kranken 1110 Cub.- 
Cmtr. physiologischer Kochsalzlösung intravenös injieirt und 
gleich darauf wieder die Blutkörperchen gezählt, deren sich 
nunmehr blos 47,000 pro Cub.-Mra. Blutes voifanden. Aus 
diesen Zahlen lässt sich berechnen, dass das gesammte im 
Körper des Kranken vor d er Kochsalzinfusion vorhandene 
Blutquantum 2,35 Liter betragen hat. — Der Patient wog 
52,4 Kilo und hätte somit als normales Quantum 3,8 Liter 
Blut beherbergen müssen. Es ist somit der Beweis geliefert, 


4 ) Ueber ein neues ParhaemogIobin. Sitzungsberichte der 
Dorpater Naturforschergesellschaft Bd. IX, Heft 3, p. 446. 


dass in diesem Fall die pernieiöse Anämie sich nicht nur 
in einer relativen Verminderung der Blutkörperchenzahl, son¬ 
dern anch in einer sehr bedeutenden Verkleinerung 
der gesammten Blutmasse geäussert hat. 

Vortragender behält sich eine ausführlichere Veröffentli¬ 
chung des Falles vor. 

Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 21. Januar 1892. 

1. Herr Kall me y er stellt eine Patientin vor mit Dystro- 
hia muscularis progressiva (Erb) (Pseudohypertrophie 
er Muskeln). 

Pat. 10 Jahre, alt. unehelich geboren. Vater früher Pota¬ 
tor. seit seinem 44. Lebensjahre hemiplegisch. Mutter und 
7jährige Schwester gesund. Pat. entwickelte sich bis zum 
3. Lebensjahre gut und bot keine Abnormitäten dar, machte 
dann eine fieberhafte Erkrankung durch, mit BewusstseinsVer¬ 
lust und Krämpfen; seit jener Zeit wurde das Gehen und 
Laufen erschwert und es gesellten sich Störungen der Kör¬ 
perhaltung hinzu. 

Status: Lendenlordose, vorspringender Bauch, watscheln¬ 
der Gang, abstehende Schulterblätter, Glutaeal- und Waden- 
muskulatur voluminös, Oberschenkel und Oberarme dünn, lose 
Schultern, Emporklettern an den Beinen beim Erheben vom 
Boden. Deutlich atrophisch die Mm. pectorales. deltoidei, cu- 
cullares, latissimi, bicipites braehii. coracobraehiales. tricipites, 
supinatores longi, serrati ant. raaj, rhomboidei. supraspinati, 
infraspinati, sacrolumbales, extensores cruris quadr., sartorii, 
adductores. In geringerem Maasse: die Mm. iuteroostales und 
die kleinen Handmuskeln. Hypertrophisch: die Glutaeal- und 
Wadenmuskuiatur. Normal: die übrigeu Muskeln und die 
Gesichts-; Kan- und Zungenmuskulatur. Geistige Entwicklung 
gut; keine Schädelasymmetrieu, keine Sensibilitäts-, keine 
Sphinkterenstörungen,’keine Contracturen. keine fibrillären 
Zuckungen. Mechanische und elektrische Erregbarkeit der 
Muskeln einfach herabgesetzt. Keine Ea R. Zuweilen Mar- 
morirung der Haut. Beim Eintritt Tremor bei Spreitzung der 
Finger; jetzt geschwunden. Sehnenreflexe an den unteren 
Extremitäten fehlend, an den oberen herabgesetzt. 

Im Anschluss an die Demonstration theilt Vortragender der 
Gesellschaft einiges über das Wesen dieser seltenen Erkran¬ 
kung mit, wobei die neueste Arbeit Erb’s besondere Berück¬ 
sichtigung erfährt. 

2. Herr Anders referirt in längerem Vortrage über die 
operative Behandlung angeborener anomaler Aus- 
mündungen des Rectum’s so wie angeborener analer 
und rectaler Atresien. Bis auf die 1860 erschienene sta¬ 
tistische Arbeit von Curling (Med. chir. Transact. XLIII) 
aus der Literatur möglichst alle casuistisciien Beiträge be¬ 
nutzend, welche in der 1882 von Cripps (Saint Bartholomew’s 
Hospital reports. vol. XVIII. London) verfassteu Zusammen¬ 
stellung noch nicht statistisch verwerthet waren, ergänzt A. 
dieselben durch 21 von ihm operirte Fälle dieser Hemmungs¬ 
bildung zu der Zahl 100. So wurde ein Vergleich mit den 
Statistiken gleicher Zahl der beiden oben genannten Autoren 
möglich. Den embryologischen Theil nicht in den Vortrag 
hiueinziehend, die Aetiologie und Häufigkeit des Vorkommens 
kurz berührend, bespricht Vortr. zunächst die einzelnen Grup¬ 
pen dieses Leidens, um sogleich auf die operative Seite über¬ 
zugehen. Punctur und einfache Perinaealincisionen an der 
Hand des gesammelten Materiales verwerfend, polemisirt A. 
eingehender gegen die Kolotomie. als eine bis auf’s äusserste 
zu vermeidende und fast in allen Fällen vermeidliche Opera¬ 
tion. A. weist nach, dass in einer grossen Reihe von Fällen 
nach sehr ungenügend weitem Vordringen vom Perinaeum 
aus, die Operation unterbrochen und der Anus praeternatura¬ 
lis angelegt wurde. In vielen Fällen, die sich nachträglich 
als leicht vom Perinaeum aus operirbar erwiesen, wurde eine 
Proktoplastik überhaupt nicht versucht. Das relativ häufige 
nicht Finden des Mastdarmes, wie es bis zur Stunde mitge- 
theilt wird, beruhe auf bisher nicht genugsam gefestigten In- 
dicationen der proktoplastischen Methode, welcher A. die aus¬ 
schliessliche Berechtigung zuspricht. Von diesem Gesichts¬ 
punkte ausgehend hat A. in allen von ihm operirten Fällen 
den Mastdarm vom Damme aus zu erreichen gesucht, was ihm 
auch in allen Fällen ohne Ausnahme gelungen ist. A. räth 
dringend, bei fehlendem Rectum nach Strohmeier die Bauch¬ 
höhle von unten her zu perforiren, was Leisrink 1872, und 
in einem von ihm operirten Falle mit befriedigendem functio- 
nellem Resultate glückte, — ebenso in äussersten Fällen zu 
dem Macleod’schen Verfahren zu greifen, den Leib zwischen 
Nabel und Symphyse zu öffnen, den meist stärker gefüllten 
Dannblindsack mit der Hand gegen den Damm zu leiten, von 
oben her das Peritoneum zu perforiren und den Darm an nor¬ 
maler Stelle einzunähen. Bei Atresia recti exstirpirt A. aus¬ 
nahmslos die Schleimhaut des Analblindsacks, was ohne Ver¬ 
letzung der Sphinkteren ausführbar, weil nur auf diesem Wege 
die Proktoplastik correct zu beendigen sei. Zur Resection 


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des Os coocygis hat Vortr. nur einmal Zuflucht nehmen müs¬ 
sen. Bei Anus vaginalis dem Dieffenbach-Rizzoli’schen 
Verfahren der Proktoplastik mit Abtrennung der Fistel von 
ihrer vaginalen Insertion das Wort redend, hält A. ein ähn¬ 
liches Verfahren beim Anus vesicalis für das. nach dem jetzi¬ 
gen Stande der Dinge, einzig berechtigte Verfahren. Betreffs 
des Anus vaginalis spricht sich A. für frühzeitiges Operiren 
aus, da bereits in etwas späterer Zeit die grössere Rigidität, 
und Resistenzfähigkeit der Gewebe ein ausgiebiges Lösen des 
Mastdarmes aus seiner Umgebung wesentlich erschweren und 
die Prognose verschlimmern. Ausgiebige Lösung des Dann- 
bliudsackes aber betont A. seiner Erfahrung gemäss als die 
Vorbedingung erfolgreichen Vorgehens beim proktoplastischen 
Verfahren in schweren Fällen. Verkürzte Beckendimensionen, 
wie sie namentlich der Atresia ani et recti eigenthümlich. 
vermehren oft sehr namhaft die Schwierigkeiten der Operation 
and seien in Fällen pathognomonisch verwerthbar. Dagegen 
dürfe constatirte Beckenenge durchaus nicht, wie noch in 
jüngster Zeit behauptet worden, als das proktoplastische Ver¬ 
fahren contraindicirend angesehen werden. — Gegenüber den 
oft unvollständigen Angaben über die weiteren Schicksale des 
Operirten, legt A. grösseres Gewicht auf die von ihm operir- 
ten und bis zum 10. Jahre in ihrer weiteren Entwickelung 
beobachteten Fälle. 

Auf den statistischen Theil übergehend macht A. zunächst 
anf die Schwierigkeiten aufmerksam, die sich dem Sammler 
einer Casuistik entgegenstellen, bei der grossen Vorliebe, 
günstige Fälle mitzutheilen, und ist geneigt, der Zusammeu- 
stellnng eines einzelnen Autors, der alle seine Erlebnisse mit¬ 
theilt, eine unvergleichlich grössere Verwerthbarkeit zuzu¬ 
sprechen. Ebenso seien die procentischen Zahlen bei ihrer re¬ 
lativen Kleinheit nur mit Vorsicht zu nehmen. Würden sich 
doch die Zahlen für jede einzelne Gruppe bei den sehr ver¬ 
schiedenen und wechselnden Factoren, welche bei jedem Falle 
zu berücksichtigen sind (wie Alter, Geschlecht. Complicationen 
mit anderen angeborenen Zuständen, Termin der Operation. 
Art des operativen Verfahrens, Nährfähigkeit der Mutter u. 
s. w.), auf sehr wenige reduciren müssen. Eine Uebersicht. der 
A.’sclien Statistik zeigt die grösste Sterblichkeit nach Koloto- 
mie, und zwar bezieht sich dieses im Gegensatz zur C r i p p s’schen 
Anschauung sowohl auf den primär als den secundär angelegten 
Anus praeternaturalis. — Die nächst grösste Mortalität gehört 
der Punrtur an. A. scheidet streng die Proktoplastik von der 
blossen Perinaealincision in seiner Zusammenstellung. Letztere 
fol^t in der Mortalitätsziffer der Punctur. Die geringste Mor¬ 
talität nimmt die Proktoplastik in Anspruch. — Nach einer 
vergleichenden Zusammenstellung seiner Statistik mit denen 
von Curling und Cripps, und anf eigene Erfahrungen zu¬ 
rückgreifend, spricht A. der Kolotomie jede Berechtigung ab, 
weist auf die günstigeren Verhältnisse der Proktoplastik ge- 
enüber allen anderen operativen Eingriffen hin, und sieht den 
ortschritt in der Entwickelung letzterer Operation für extreme 
Fälle in ihrer Erweiterung durch Zuhülfenahme der Perfo¬ 
ration der Bauchhöhle vom Damme aus, uud der Laparotomie. 

(Die umfangreiche Arbeit ist für den Druck bestimmt). 

Herr Schmitz schliesst sich den Ausführungen A.’s zu 
Gunsten der Proktoplastik an: 

Im Kinderhospital des Prinzen von Oldenburg sind von 1870 
bis 1891 (22 Jahre) zur Beobachtung und Operation gekommen: 
74 Fälle von angeborenem Darmverschluss, davon 58 Knaben 
(=■78 pCt.) und 16 Mädchen ( = 22 pCt.). Es waren vertreten: 

Die Atresia ani.mit 8 Fällen. 

Darunter 1 membranacea. 

Die Atresia recti .... mit 54 Fällen. 

Darunter 2 membranaceae. 

Der Anus perinaealis . . mit 1 Fall. 

» » vesicalis . . . . > 1 » 

» » urethralis ...» 4 Fällen. 

» » vaginalis ...» 6 » 

(letztere Form betraf Kinder von 13 Tagen, 2 Monaten, 2'/2 
Monaten, 10 Monaten, l 3 /* Jahr und 6 Jahren). 

Es wurden ausgeübt: 

Die Proktotomie (^einfache Incision bei häutigem Ver¬ 
schluss) in 2 Fällen mit 0 pCt. Mortalität. 

Die Proktoplastik in 69 Fällen. — Mortal. = 49 pCt. 

Die Kolotomie in 3 Fällen mit 100 pCt. Mortalität. 

Dass die Sterblichkeit sich mit den Jahren verringert hat, 
beweisen folgende Ziffern: in den ersten 12 Jaliren( 1870—1881) 
kamen anf 22 Operirte 16 Todesfälle =73 pCt. Mort. — in den 
folgenden 5 Jahren (1882—1886) auf 21 Operirte 11 Todesfälle 
=52 pCt. Mort., —- in den letzten 5 Jahren (1887—1891) auf 
31 Operirte 10 Todesfälle =32 pCt. Mort. — 

3. Im Anschlüsse hieran demonstnrt Herr Schmitz das Prä¬ 
parat eines Falles von Atresia ani et urethrae. 

Krankheitsgeschichte: Kind weibl. Geschlechtes, 36 Stunden 
alt, mit 2970 Gr. Körpergewicht. Hochgradige Cyanose, insbe¬ 
sondere der unteren Extremitäten. Abdomen trommelai tig ge¬ 
spannt; Banchdecken, Geschlechtstheile und untere Extremi¬ 
täten stark oedematö8. An Stelle des Afters eine kleine Haut¬ 


falte. Aeussere Genitalien scheinbar normal entwickelt. Beim 
Auseinanderfalten der kleinen Schamlippen zeigt sich ein 
ziemlich weiter, mehrere Centimeter langer, blindendender 
Kanal (Scheide V), doch darüber keine Urethralöffnung. Das 
Kind hat bisher nicht urinirt. — Der Versuch, an normaler 
Stelle auf blutigem Wege einen Zugang zur Blase zu schaffen, 
war erfolglos. Es wurde nun die Proktoplastik ausgeführt, 
wobei neben Meconium auch etwas Flüssigkeit sich entleerte, 
wahrscheinlich Harn. Trotz der jetzt supponirten Communi- 
cation zwischen Blase und Darm wurde darauf zur Epicysto- 
tomie geschritten, um den Urinabfluss sicherzustellen. Die¬ 
selbe gelang leicht ohne Bauchfellverletzung. Annähung der 
Blasenwand an die äussere Wunde, ln der Blase nur wenig 
Urin. — Nach 41 Stunden Tod. 

Das Präparat zeigt im Wesentlichen folgendes: der an 
seinem Ende stark verengte, daselbst mit zahlreichen feinen 
Längsfalten (Morgagni’sche Taschen) versehene Darm mündet 
in eine embryonale Kloake, welche durch die Operation 
eröffnet und an die Dammwunde angenäht worden war. In 
dieselbe Kloake münden mit getrennten Oeffnungen 
2 Vaginen sowie durch eine 4. Oeffnung die Urethra, 
die auf geradem Wege in die Blase führt. In diese letztge¬ 
nannte Oeffnung mündet aber auch ein feiner Gang, durch 
welchen eine Sonde in den zwischen den kleinen Schamlippen 
sich nach aussen öffnenden Kanal eindringt. Es besteht ferner 
ein Uterus septus, desgleichen eine Vagina septa, von welcher 
die eine Hälfte ausserordentlich weit ist. Der rechte Ureter 
ist in seinem untersten Theil auch für eine feine Sonde un- 
passirbar, der linke dagegen vollkommen durchgängig. — (Eine 
eingehendere Untersuchung und Beschreibung des Präparates 
ist von anderer Seite in Aussicht genommen). 

Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Hagedorn (Hamburg) heilte unter 24 Fällen von Diph¬ 
therie des Pharynx 23 nach 2—7 Tagen durch eine galvano¬ 
kaustische Behandlung. Es waren darunter auch schwere, 
gangränöse Formen. Durch Ausbrennen der afticirten Stellen 
werden statt der diuhtheritischen Geschwüre einfache Brand¬ 
schorfe hervorgeruien, den Bacillen ein undurchdringlicher 
Riegel gesetzt, die locale Ausbreitung sow'ie die Allgemeinin- 
fection und Ansteckung verhindert. Instrumente: Transpor¬ 
table, galvanokaustische Batterie und einige Platinbrenner. 
Am besten geeignet zur Operation ist die Diphtherie der Man¬ 
deln, des weichen Gaumens, Zäpfchens und der hinteren Rachen¬ 
wand. Operation schmerzlos, event. Cocain oder Chloroform. 

(Deutsche med. Wochenschr. Nr. 28 u. 29). 

— Drapes (Quarterly tlierapeut. review) empfiehlt Ipe- 
cacuanha gegen Wehenschw'äche sowohl im ersten als 
auch im zweiten Gedurtsstadium. Man giebt 2—3 mal in In¬ 
tervallen von 10 Minuten 10—15 Tropfen Vinum Ipecacuanhae. 
Als Vorzug des Mittels giebt D. an, dass es nicht wie Secale 
cornutum tetanische Contraction des Uterus veiursacht. 


Vermischtes. 

— In der vorigen Nummer der Wochenschrift haben wir 
in Kürze gemeldet, dass sämmtliche Landschaftsärzte des 
Ssaratowschen Kreises in Folge der Aufhebung des Sanitäts- 
Conseils und wegen beleidigenden Gebahrens des Präsidenten 
des Ssaratower Landschaftsamtes ihren Abschied eingereicht 
haben. Heute können wir bereits Genaueres über das mann¬ 
hafte Auftreten der Ssaratowschen Collegen berichten, da die¬ 
selben in einer Zuschrift an den «Wratsch» die erbärmliche 
Lage der Landschaftsärzte schildern und ausführlich die 
Grunde darlegen, welche sie zu dem äussersten Schritte ge- 
nöthigt haben. Beigefügt ist diesem Schreiben ein Protokoll 
der «.Ssaratower Abtheilung des ärztlichen Rechtsschutzver¬ 
eins», welche nach Prüfung dieser Angelegenheit beschlossen 
hat, zu Gunsten der beleidigten Aerzte einzutreten und durch 
das Medicinaldepartement eine gesetzliche Regelung der Be¬ 
ziehungen der Landschafts-Institutionen zu den Landschafts¬ 
ärzten anzustreben. 

Der Sachverhalt ist im Wesentlichen folgender: Seit dem 
Jahre 1887 befand sich das Medicinalwesen im Ssaratower 
Kreise unter der Leitung eiues Sanitätsconseils, welches aus 
8 Deputirten der Landschaft und sämmtlicben Landschafts¬ 
ärzten des Kreises bestand. Den Vorsitz im Conseil führte 
ein Deputirter nach der Wahl der Landschaftsversammlung. 
Bei dieser Einrichtung gedieh das Medicinalwesen des Kreises, 
wie die Landschaftsversammlungen oftmals anerkannt haben, 
vortrefflich: die Aerzte wurden ausschliesslich vom Conseil 
angestellt und entlassen; im Conseil hatten die Aerzte selbst¬ 
verständlich ebenso eine entscheidende Stimme, wie die übri¬ 
gen Mitglieder. Als aber im September vorigen Jahres durch 
die Wahlen der Personalbestand der Landschaftsversammlung 
und des Landschaftsarates sich veränderte, traten auch ganz 
unerwartet für die Aerzte Aenderungen im Medicinalwesen 
des Ssaratowschen Kreises ein. Zum Vorsitzenden des Sani- 


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fätsconseiTs wurde der Präsident des Landschaftsamtes Kro- 
potow gewählt, welcher gleich bei Beginn seiner Thätigkeit 
eine eigenthümiiche Stellung den Landschaftsärzten und über¬ 
haupt dem Medicinalwesen gegenüber einnahm. So empfahl er 
den Aerzten statt des Jods—Terpentinöl, statt des krystalli- 
nischen salicylsauren Natron — das amorphe anzuwenden und 
dergl. in.; er bestand darauf, dass künftig die Medicamente 
nicht ans dem Auslande, wo sie billiger sind, verschrieben, 
sondern aus dem unbedeutenden örtlichen Apothekermagazin 
eines gewissen Toropzew bezogen würden und verlangte 
eine Einschränkung der ohnehin kärglichen Ausgaben für 
Medicamente von 8,000 auf 5,000 Rbl.; ferner stellte er, gegen 
das Gesetz und den Protest der Aerzte, von sich aus einen 
ganz unfähigen Militär-Feldscher auf einem selbständigen 
Feldscherpunkte an und verbot dem Arzte mit irgend wel¬ 
chen Vorstellungen in dieser Angelegenheit bei dem Land¬ 
schaftsamt einzukommen. Ueberhaupt verhielt er sich den 
Aerzten gegenüber äusserst anmaassend und beachtete ihre 
Meinungen und Vorschläge nicht im Geringsten. 

In Folge dieses beleidigenden Gebahrens des Landschafts- 
Präsidenten sahen sich die Landschaftsärzte des Ssaratowschen 
Kreises veranlasst, bei der ausserordentlichen Landschafts- 
Versammlung am 28. Februar d. J. mit dem Anträge einzu¬ 
kommen, die gegenseitigen Beziehungen zwischen ihnen und 
dem Landschaftspräsidenten zu untersuchen und die bisherige 
Einrichtung des Sanitäts-Conseils beizubehalten. 

Die Landschaftsversammlung ignorirte aber nicht nur mit 
grosser Majorität die gerechten Forderungen der Aerzte, son¬ 
dern hob sogar das bisherigeSanitätsconseil ganz auf 
und setzte statt desselben eine Commission von llDeputirten 
ein, von welcher die Aerzte als Glieder ausgeschlossen wur¬ 
den. Die Aerzte können zwar von dem Landschaftsarate zu 
den Sitzungen dieser Commission hinzugezogen werden, haben 
aber kein Stimmrecht — selbst in rein raedicinischen Fragen 
nicht, ln derselben Versammlung fielen ancli beleidigende 
Aeusserungen gegen die Aerzte und es wurde sogar die Frage 
betreffe der gegen die Epidemien im Kreise zu ergreifenden 
Maassregeln ohne Hinzuziehung der Aerzte entschieden. 

Somit hat die Landschaftsversammlung mit einem Schlage 
die ganze bisherige bewährte Einrichtung des Hedicinalwe- 
sens vernichtet und eine Missachtung gegen ihre Aerzte, von 
denen einige schon fr-12 Jahre in diesem Kreise tliätig sind, 
bewiesen. Es blieb daher sämmtlichen elf Aerzten (Aptek- 
mann, Amsterdamski, Nikolajew, Gromow, Noskow, 
Schmucker, Iwanowa, Saposhnikow, Snjewotscheski, 
Knorfe uud Nikolski) kein anderer Ausweg übrig, als den 
Dienst zu quittiren. Bis zur Neubesetzung der Stellen blei¬ 
ben jedoch diese Aerzte in ihrer bisherigen Function, um den 
Kreis nicht plötzlich ohne ärztliche Hülfe zu lassen. 

Die «Ssaratower Abtheilung des ärztlichen Rechtsschutz- 
vereins», der die obigen Landschaftsärzte des Ssaratowschen 
Kreises ihre Handlungsweise zur Beurtheilung unterbreiteten, 
hat nach sorgfältiger Prüfung einstimmig folgende Beschlüsse 
gefasst: 1) den obigen 11 Collegen ihre volle und innige 
Sympathie anszudrücken und deren mit der ärztlichen Würde 
vereinbare Handlungen bedingungslos gutzuheissen, denn der 
Arzt, dem die Gesundheit einer grossen Bevölkerung anver¬ 
trant wird, ist kein einfacher Miethling, wie man ihn fälsch¬ 
lich und ungerechter Weise zu behandeln liebt; 2) den sei¬ 
tens einiger Deputirten erhobenen Vorwurf, dass die Aerzte 
die Bevölkerung des Kreises im kritischen Augenblick der 
Entwickelung von Epidemien verlassen wollen, als ungerecht 
anzusehen, da die Sache sich faktisch nicht so verhält; 3) die 
Verwaltung zu beauftragen, in nächster Zeit durch das Medi- 
cinaldeparteraent eine Regelung des Verhältnisses der Aerzte 
zu der Landschaft auf dem Wege der Gesetzgebung zu er¬ 
wirken; 4) eine Abschrift des Protokolls an die Hauptver¬ 
waltung des Rechtsschutzvereins in St. Petersburg, den Gou¬ 
verneur von Ssaratow und die Ssaratowsche Lanaschaftsver- 
sammlung zu senden: 5) die medicinischen periodischen Zeit¬ 
schriften um Abdruck des betreffenden Protokolls zu bitten. 

Wie wir hören, stimmt der hiesige ärztliche Rechtsschutz¬ 
verein den Beschlüssen der Ssaratower Abtheilung vollkommen 
zu und wird ihr daher seine volle moralische Unterstützung 
zu Theil werden lassen. . 

— In der Jahresversammlung der russischen medi¬ 
cinischen Gesellschaft bei der Warschauer Univer¬ 
sität werden gewählt: Zum Präsidenten — der Professor der 
Anatomie M. D. Tschaussow, zum Vicepräsidenten — der 
Professor der medicinischen Chemie und Physik M. J. Schal- 
fejew, zum Secretär — Dr. A. A. Lagodowski, zum Cas- 
sirer — Dr. L. J. Rklizki und zu Gliedern der Redactions- 
Commi8sion — der Professor der pathologischen Anatomie 
S. M. Lukjanow und der Medicinalinspector P. A. Troizki. 

— Verstorben: 1) Am 4. März in St. Petersburg der äl¬ 
tere Ordinator des hiesigen städtischen Barackennospitals, 
Dr. Wl. I. Antonow, im 33. Lebensjahre. Der Verstorbene 
war ein Schüler der medico-chirurgischen Akademie, an wel¬ 
cher er im Jahre 1884 den Cursus absolvirte. A. ist vielfach 
literarisch thätig gewesen. Ausser seiner Dissertation «Ueber 


Kehlkopfgeschwüre beim Äbdominalthyphus» hat er einen Auf¬ 
satz über «Antipyrin und Thallin beim Äbdominalthyphus» 
und mehrere casuistische Mittheilungen veröffentlicht. Der 
Hingeschiedene hat seine Frau mit zwei unmündigen Kindern 
ganz mittellos zurückgelassen. — 2) Am 27. Februar in Kasan 
der Prosectorgehülfe beim Lehrstuhl der chirurgischen Patho¬ 
logie und Therapie, A. E. Michailow, im 28. Lebensjahre an 
der Schwindsucht. 3; Am 8. Februar der Arzt Leo Eysy- 
mont im 6b. Lebenswahre. E. war nach Absolvirung des 
Curses an der Moskauer Universität anfangs Bezirksarzt des 
Moskauer Domänenhofs und zuletzt Hausarzt in der gräflichen 
Familie Scheremetjew. 4) Am 29. Februar in Romny der 
dortige freiprakticirende Arzt, Staatsrath M. I. Kusnezow, 
im 63. Lebensjahre. K. war anfangs Militärarzt im Krimm- 
kriege, darauf Hausarzt des reichen Gutsbesitzers Kukol- 
Jasnopolski und seit 1869 Arzt in Rorany. 5) Am 8. März 
auf seinem Gute Lysohn (Livland) Dr. Ferdinand Baron 
Wolff. Am 29. August 1830 in Livland geboren, bezog W. 
im Jahre 1849 die Universität Dorpat, an welcher er bis 1854 
Medicin studirte und im Jahre 1856 zum Doctor medicinae pro- 
movirt wurde. Wenn der Hingeschiedene der Medicin auch 
nie ganz entfremdet ist, so hat er doch die ärztliche Praxis 
mehr in freundlicher Fürsorge für die ihn umgebende Land¬ 
bevölkerung ausgeübt und auf einem anderen Gebiete, der 
Landwirthschaft, einen ehrenvollen Namen in seiner Heimatk 
sich errungen. 6) Am 15. März in Helsingfors der emeritirte 
Professor der G'eburtshülfe und Gynäkologie Staatsrath Dr. 
Pippinskjöld. Der Verstorbene gehörte zu den beliebtesten 
und angesehensten Aerzten und Universitätslehrern von Hel¬ 
singfors. Sein auf eine halbe Million flnnländische Mark sich 
belaufendes Vermögen hat er grösstentheils zu wohlthätigen 
und gemeinnützigen Zwecken testamentarisch vermacht, so 
zum Besten einer Gebäranstalt mit humanitärem und wissen¬ 
schaftlichem Zwecke 100,000 Mark, zur Errichtung einer neuen 
Professur für Physik an der Alexander-Universität zu Hel¬ 
singfors 200,000 Mark, der Wittwencasse 80,000 Mark und 
dem flnnländischen Aerzteverein 20,000 Mark. 7) In Berlin 
der frühere Lehrer der Zahnheilkunde am zahnärztlichen In¬ 
stitut der dortigen Universität, Prof. Carl Sauer, welcher 
sich grosse Verdienste um die Entwickelung der Zahnheil¬ 
kunde erworben hat. Namentlich haben seine Methoden und 
Vorrichtungen, Defecte im Gaumen zu verschliessen, allge¬ 
meine Anerkennung gefunden. 

— W’ährend der gegenwärtig in Kasan herrschenden 
Flecktyphusepidemie haben viele Ordinatoren des dorti¬ 
gen Landschaftshospitals, welches von Typhuskranken üoer- 
füllt ist, bereits den Flecktyphus dnrchgemacht, so die DDr. 
Poroschin, Ostrowski, Teplow, Dolgow, Kytmanow, 
Arnoldow, Pitkainen, Kolomarow, Worms, Lewtschat- 
kin und Andere. 

— Aus St. Petersburg begiebt sich in diesen Tagen die 

erste Partie von 10 Studenten des letzten Cursus der 
militär-medicinischen Akademie in’s Ssamarasche 
Gouvernement, um als freiwillige Theilnehmer in die dor¬ 
tigen Sanitätsabtheilungen zu treten. Wr. 

— In Anlass der in der Tagespresee aufgetauchten Gerüchte 
über ein von irgendwelchen Beamten ansgearbeitetes und 
bereits im Reichsrath vorgestelltes Project zur Regulirung 
des ärztlichen Honorars, klagt die eMedicina» mit Recht 
darüber, dass in einer für die Aerzte so wichtigen Frage weder 
die medic. Gesellschaften, noch die Facultäten um ihre Meinung 
gefragt worden seien, und eifert gegen die dem Project zu 
Grunde liegende Annahme, dass für das Publikum ärztliche 
Hülfe nur schwer und theuer erreichbar sei, dass es von den 
Aerzten exploitirt werde. Das Umgekehrte sei der Fall, wofür 
als Beweis ein Artikel des bekannten Prof. Janson (Journal 
d. Ges. zur Wahrung d. Volksgesundheit 1889) herangezogen 
wird, in dem sich folgende interessante Daten finden: tAbge¬ 
sehen von den Hospitälern des Militärressorts, die eine specielle 
Bestimmung haben, von den Kliniken der milit. raed. Akademie, 
die zu Lehrzwecken bestimmt sind, von verschiedenen kleinen 
Hospitälern bei Lehranstalten, von einer Menge Privathospi¬ 
tälern, von den Fabriks- und Gefängnisshospitälern u. s. w. 
giebt es in St. Petersburg 54 Hospitäler mit über 7500 Betten, 
fast ausschliesslich zur Behandlung des ärmsten Theiles der 
Bevölkerung bestimmt, und 70 Ambulatorien d. h. ein Hospital 
und ein Ambulatorium auf 7500 Einwohner, ein Bett auf 127 
Einwohner. Die Ausgaben für ganz oder fast ganz unent¬ 
geltliche Behandlung übersteigt 2400000 Rbl. so dass 2 Rbl. 
60 Cop. auf einen Einwohner kommt. In den Hospitälern 
wurden im J. 1889 behandelt 75763 Menschen, in den Ambu¬ 
latorien aber mehr als 690000 bei mehr als 2 Millionen 
Besuchen. Das macht zusammen 765000, also 80 pCt. der 
Bevölkerung St. Petersburgs»! Wohlverstanden nach Abzug 
aller derjenigen, die in den oben genannten, von der Berech¬ 
nung ausgeschlossenen Hospitälern behandelt wurden. Da es 
wohl nicht auzunehmen ist, dass 80 pCt. der Bevölkerung 
St. Petersburgs aus unbemittelten Leuten besteht, so beweisen 
diese Zahlen, dass die nur für Unbemittelte bestimmten Ambu¬ 
latorien auch sehr vielfach von Bemittelten besucht wurden, 


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die auf diese Weise beimlieh den Arzt um seine Zeit und 
sein Geld bringen. Uebrigens ist es jedem hiesigen Arzte ja 
wohl genugsam bekannt, dass sein Armenambulatorium auch 
von Wohlhabenden besucht wird, wogegen sich nichts machen 
lässt. — Das Honorar, das der Arzt in seiner Privatpraxis 
erhält ist meist auch gering; sehr wenige Aerzte erwerben 
sich ein Vermögen, während es oft genug vorkommt, dass 
nach dem Tode des Arztes seine Familie ohne jegliche 
Eristenzmittel zurückbleibt. Besonders schlecht ist die Lage 
der Landärzte, die bei den schlimmsten materiellen Bedin¬ 
gungen sich in ihrem Beruf aufopfern müssen und tätlich 
gewärtig sein können, ihre Stelle und damit ihr Brod zu 
verlieren. Dass man den Aerzten nicht den Vorwurf machen 
kann, ein zu grosses Honorar zu verlangen und dasselbe ener¬ 
gisch im Falle der Nichtzahlung einzutordern, geht schon ans 
der Thatsache hervor, dass in dem vor einem Jahre gegründeten 
Rechtsschutz verein der Aerzts mit ca. 500 Mitgliedern im 
Laufe des ganzen Jahres kaum eine Klage gegen nichtzah¬ 
lende Patienten anhängig gemacht worden ist, obgleich eine 
Aufgabe des Vereins die Eintreibung schuldiger Honorare 
von säumigen Zahlern ist und gewiss jedes der Mitglieder Im 
Laufe eines Jahres mehrere solche unter seinen Patienten hat. 

Zum Schluss meint die «Medicina», dass die den allerver¬ 
schiedenartigsten Bedingungen unterliegenden Beziehungen 
zwischen Arzt und Publikum sich nicht auf dem Kanzelleiwege 
regnliren lassen und dass eine gewisse Eegulirung, wenn auch 
nicht znm Vortheil der Aerzte, durch das Leben selbst ge¬ 
schaffen sei und noch stetig aasgebildet werde. 

Wir können dem nur beistimmen nnd als Beweis für die letzte 
Behauptung hinzuftigen, dass in den seltenen Fällen von 
Klagen der Aerzte gegen ihre ihnen schuldenden Patienten 
das Gericht unseres Wissens nie auf die alte, jetzt ganz 
unanwendbare Taxe recurrirt, sondern stets entsprechend den 
Mitteln des Beklagten nach dem in der Gesellschaft ange¬ 
nommenen Zahlungssatz entschieden hat. 

— Der VI. Aerztetag der Landärzte des Petersburger Gou¬ 
vernements, welcher vom 3.—12. März a. c. in Petersburg 
abgebalten wurde, bat einen Beschluss gefasst, der für die 
Leprafrage von bedeutender Tragweite ist. In Folge eines am 
4. März in der Section für Epidemiologie von Dr.O. Petersen 
gehaltenen Vortrages über die Lepra und deren Bekämpfung 
sprach sich die Section einstimmig für die Nothwendigkeit 
der Gründung eines Lepra-Asyls für das Petersbur¬ 
ger Gouvernement aus, da laut Angaben des Dr. Procho- 
row allein im Jamburger Kreise bereits 23 Lepröse vorhanden 
(in 16 Dörfern) nnd Dr. Petersen kürzlich Lepröse aus dem 
Zarsko-Selskischen und Peterhofer Kreise erhalten nnd aus 
dem Gdow’schen Kreise im J. 1890 über 7 Fälle Notizen ein- 
gesandt sind. 

Am 10. März wurde der erwähnte Sections-Beschluss von 
der allgemeinen Versammlung bestätigt mit dem Zusatz, dass 
eventuell die Leprösen auch znm Eintritt ins Asyl gezwungen 
werden sollen. 

Auf dem Diner, mit welchem der Aerztetag am 13. März 
seinen Abschluss fand, wnrde anch in einem Toaste des wich¬ 
tigen Beschlusses der Gründung: eines Lepra Asyls gedacht 
nnd der erste Schritt zur Realisirung dieser Idee gethan. indem 
einer der anwesenden Collegen dem Präsidenten des Peters¬ 
burger Landscbaftsamtes ein Couvert mit 50 Ebl. überreichte 
und somit die Sammlung eines Baukapitales de facto eröffnete. 

— Helsingfors; Der a. o. Prof, der Chirurgie M. U. af 
Schulten ist zum ordentlichen Prof, ernannt worden. — Der 
Dr. med. M. Ayrapää ist zum Docenten für Odontologie 
ernannt. — Der Docent für Padiatrik U. Pipping ist zum 
ausserordentlichen Prof, für Pädiatrik ernannt worden. — 
Dr. Hjalmar Bonsdorf ist znm Docenten für Chirnrgie 
ernannt Eine Klinik für Zahnkrankheiten ist eingerichtet- 
worden. 

— Der dirigirende Arzt der städtischen Irren-Siechen-Ant 
stalt Dalldorf (bei Berlin), Privatdocent Dr. Carl Moeli, is- 
zum ausserordentlichen Professor an der Berliner Uni 
versität ernannt worden. 

— Eine Anzahl deutscher Ohrenärzte (Bürkner — Göt¬ 
tinnen, Kessel — Jena, Kuhn — Strassburg, Lucae — 
Berlin, Moos — Heidelberg und Walb — Bonn) haben sich 
zur Gründung einer otologischen Gesselschaft ver¬ 
einigt und laden die Ohrenärzte Deutschlands, Oesterreich- 
Ungarns und der deutschen Schweiz ein, sich an der zu 
Ostern (17. April) d. J. in Frankfurt a/Main stattflndenden 
constituirenden Versammlung za betheiligen. 

(A. m. C.-Ztg.) 

— Ein Erlass des österreichischen Ministeriums des Innern 
verfügt mit Rücksicht auf das Reclametreiben der Pfarrer 
Kneipp’schen Wasserheilanstalten, Verschärfungen für die 
Concesslonirung solcher Heilinstitute. 

— Durch Erlass des preussischen Ministeriums sind die 
Gebühren für jede vom Arzt in der Wohnung des Eiranken 
eigenhändig ausgeftthrte Massage auf 2—5 Mark festgesetzt. 


— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 14. Marz d. J. 6507 
(15 mehr als in der Vorwoche), darunter 455 Typhus — (2 mehr), 
675 Syphilis — (19 mehr), 64 Scharlach — (3 mehr), 26 Diphtherie 
— (2 weniger), 66 Masern — (6 weniger als in der Vorwoche) 
und 17 Pockenkranke (wie in der Vorwoche). 


Vacanzen. 

Im Gouvernement Wladimir sind folgende Landschafts- 
arztstellen vacant: 1) Beim Gonvernemen ts-Landschaftshospi- 
tal in Wladimir die Stelle eines Specialisten für Angenkrank¬ 
llei ten mit 1,100 Ebl. Jahresgehalt. 2) Im Wladirair’schen 
Kreise die Stelle eines Bezirksarztes mit 1,000 Rbl. Gehalt 
nebst freier Wohnung. 3) Im Perejaslawl’schen Kreise die Stelle 
eines Landschaftsarztes mit 1,350 Ebl. Gehalt. 4) In der 
Stadt Sudogda die Stelle eines Bezirksarztes mit 1,000 Ebl. 
Gehalt. 5) Im Jurjew’schen Kreise die Stelle eines Bezirks¬ 
arztes mit 1,000 Rbl. Gehalt. 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 8. März bis 14. März 1892. 


Im Ganzen: 


M. W. Sa. 


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Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 

IJ-a-a-i-s^-s-s-s-a-a-sg 

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321 261 582 115 37 97 14 10 13 66 57 38 48 45 31 13 1 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 1, Tvph. abd. 9, Febris recurrens 4, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 2, Masern 13, Scharlach 
17, Diphtherie 7, Croup 4, Keuchhusten 6, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 33, Ery sipelas 2, Cholera nostras 0, Cholera aaia- 
tica 0, Ruhr 2, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0. Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyämie und Septicaemie 5, 
Tuberculose der Lungen 105, Tuberculose anderer Organe 5, 
Alkoholismus und Delirium tremens 2, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 45, Marassmus senilis 28, Krankheiten des 
Verdauungscanals 59, Todtgeborene 28. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 31. März. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli- 
ohen Vereins Montag den 13. April. 


Bad Hall in Oberösterreich im Besitze der stärk¬ 
sten Jodsoole des Continents und in Folge seiner glänzenden 
Heilerfolge bei Scrophulose und allen Erkrankungen, bei wel¬ 
chen Jod einen wichtigen Heilfactor bildet, schon seit Jahren 
von Erwachsenen und Kindern stark freqnentirt, erfreut sich 
in den letzten Jahren einer stets steigenden Frequenz, so dass 
seitens des oberösterreichischen Landegausschusses als Verwal¬ 
ters des Haller Kiu fondes bereits Vorkehrungen getroffen wer¬ 
den, um bei der zu gewärtigenden weiteren Steigerung der 
Frequenz allen Ansprüchen der Kurgäste entsprechen zu können. 
Zu Beginn der Saison 1892 wird auch das neuerbaute, modernen 
Anforderungen entsprechende Armenbadehospital in Bad Hall 
seiner Bestimmung übergeben. Nachdem die Eisenbahnstrecke 
Steyr—Pergern—Bad Hall bereits im December v. J. dem Ver¬ 
kehre übergeben wurde, ist nunmehr Bad Hall nicht nur über 
Linz (via Kremsthalbahn), sondern ruch über Steyr direct per 
Bahn zu erreichen. 

Bad Ems: Indicationen: Chronisch-katarrhalische und 
entzündliche Zustände, der Schleimhäute und der anderen Ge¬ 
bilde der Athmungsorgane, von der Nase nnd dem Halse bis 
zu den feinsten Bronchien. Dieselbe Erkrankung des Magens, 
des Darms und seiner Anhänge, der Gallengänge und Blase, 
der Niere und Harnblase mit Gries und Steinleiden, Eiweiss 
und Zuckerbildung im Urin, Uebersättigung des Körpers mit 
Harnsäure, Gicht, chronischer Rheumatismus, Katarrh, chron. 
Entzündung mit Anschoppung der weiblichen Organe nnd 
ihre mannigfachen Folgen für das Blut und Nervenleben, 
Sterilität u. s. w. Nervöse Leiden versch. Art, besonders mit 
dem Character gesteigerter Erregbarkeit, Reconvalescenz nach 
Lungen-, Rippenfell- etc. Entzündungen, Folgen der Influ¬ 
enza u. s. w. Die günstigen Erfolge unserer Quellen und 
Producte, Pastillen pp. bei der von Neuem herrschenden In¬ 
fluenza erweisen sich durch den anhaltend steigenden Begehr. 


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120 


ANNONCEN JEDER ART werden in der Buchhandlung von CARL RICKER ln 

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drichshain, in der Klinik für TTervenleidende von Herrn Professor Dr. Eulenburg, 
sowie in der Klinik für innere Krankheiten von Herrn Professor Dr. Litten und 
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Auas. uen8. Cnö. 20 Mapra 1892 r. 


Herausgeber: Dr. Th. v. Sohröder. Bachdruckerei von Wisnecke, Katheriaenhofer-Pr. .V 15. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. JpUrß. 




ST. PETERSBURGER 


IEDICIEISI3IE WOCHENSCIEIFT 

unter der Redaction von 

Frof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersbnrg. 


Die «St. Petersburger Medicinisclie Wochenschrift» erscheint jeden j 
Son 11 abend. — Der Afcon&UMntcpreia ist in Bauland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Poetzustellung; in den anderen 
Lindern 20 Merk jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Zmertionsprele 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoreu werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogeu honorirt. 


! MT Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet mau ausschliesslich an die, Buchliandlung von Carl Blojcer ih 
St. Petersburg Newsky-Prospect J4 14, zu richten.— Mänusoripte 
sowie alle auf (lie Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau au 
den geschäftsführeuden Redacteur Dr. Theodor von Schröder ip 
St. Petersburg, Malaja ltaljau6kaja M 33,Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich von 2—4 Uhr £iachm., ausser Sountags. 


Jß 13 


St. Petersburg, 28. März (9. April) 


1892 


Inhalt: A. Wiltschur: Zur kliniecheo Diagnose des Sarkoms der inneren Organe. — Referate: Brümmer: Ein 
Fall von Gangraen des Fnsses infolge eines Hnfschlages gegen den Unterleib, PirogolFscke Fussamputation. — Prof. Epstein 
(Prag): Ueber die Uebertragung des menschlichen Spulwurmes (Ascaris lumbricoides). — Bücheranzeigen und Bespre¬ 
chungen: Albert Döderlein: Das Scheidensekret und seine Bedeutung für das Puerperalfieber. — Protokolle der 
Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Peters- 
bnrgs. — Anzeigen. 


Zur klinischen Diagnose des Sarkoms der inneren 
Organe *)• 

Von 

A. Wiltschur 

Ordiaator des Obuchow’sefcen Hospitals in St. Petersburg. 


Die Diagnose einer Geschwulst derjenigen inneren 
Organe, welche der Palpation schwer oder gar nicht 
zugänglich sind, wie z. B. die Lunge, die Nebennieren, 
die Bauchspeicheldrüse, bietet bekanntlich recht grosse 
klinische Schwierigkeiten. Noch mehr Schwierigkeiten 
begegnet man bei Versuchen, den Charakter der Neubil¬ 
dung zn bestimmen. Höchstens kann man in solchen 
Fällen diagnosticiren, ob die Geschwulst gutartig oder 
bösartig ist. Weiter geht die klinische Diagnose nicht. 
Aber gerade die genaue Erkenntniss der Geschwulst selbst 
und insbesondere ihres Charakters hat ein sehr grosses 
Interesse, sowohl in prognostischer Beziehung, als auch, 
bei der gegenwärtigen Entwickelung der Chirurgie, in 
therapeutischer. Ich halte es daher für wichtig, zwei Fälle 
von Sarkom der inneren Organe zu publiciren, da ich in 
beiden Fällen im Stande war, auf Grund der mikrosko¬ 
pischen Untersuchung schon bei Lebzeiten der Kranken 
den Charakter der Neubildungen ganz genau zu bestimmen. 
Diese Fälle sind auch durch ihren klinischen Verlauf 
interessant. Aus den langen Krankengeschichten führe 
ich nur das Weseutliche an. 

L Michail Tsclmtschilow, Fuhrmann, 56 Jahre alt, trat in 
das Obnchow’sche Hospital am 3. August 1889 ein, klagte über 
Schmerzen in der linken Seite und über Husten. Die Zeit des 
Auftretens dieser Krankheitssymptome kann er nicht genau 
angeben, glaubt jedoch ungefähr drei Monate krank zu sein. 
Er hat trotzdem die ganze Zeit gearbeitet und nur die in der 
letzten Zeit aufgetretenen starken Schmerzen beim Husten 
haben ihn genöthigt die Hospitalhülfe aufzusuchen. Früher 
will er immer gesund gewesen sein. Seit dem Auftreten des 
Hustens zeigte sich einige Mal Blut im Sputum, aber in sela- 
geringer Menge. 


•) Vorgetragen in der Versammlung der Aerzte des Obu- 
cliow’schen Hospitals. 


Status praesens: Das Knochen- nnd Muskelsystem gut 
entwickelt. Panniculus adiposus in massiger Menge vorhanden. 
Die Hautfarbe blass. Die Athmung ist hinten über beiden 
oberen Lappen etwas abgeschwäcbt, unter der linken Clavi- 
cula rauh. Unterhalb des Winkels der rechten Scapula und 
in der Linea axillaris von der 6. Rippe beginnend ist der 
Percu**i«wschall gedämpft, die Athmung und der Fremitus 
pectoralis abgeschwächt; man hört nichtklingende, subcrepi- 
tirende Rasselgeräusche nnd ein sehr deutliches schabendes 
pleuritisches Reiben. Der untere Leberrand steht zwei Fin¬ 
gerbreit unterhalb des Rippenbogens, die Leber selbst nicht 
hart nnd nicht schmerzhaft. Am Herzen und den übrigen 
Organen ist nichts Abnormes zn finden. Appetit gut. Stuhl 
regelmässig. Puls 80. Temperatur 38,8° am Morgen und 38,5“ 
am Abend. Das nicht reichliche Sputum ist von blass-rosiger 
Farbe, enthält weder Diplokokken der croupösen Pneumonie, 
noch Tuberkelbacillen. Im Harn kein Eiweissund keine Form- 
eleraente. Diagnose: Pleuritis fibrinosa dextra. Verordnet: 
Compresses echauffantes auf die rechte Seite und ein Narco- 
ticmn innerlich. 

Nach fünf Tagen ist die Temperatur auf 37,6* abgefallen. 
Der Husten geringer. Der objective Befund derselbe. Ein 
Blasenpflaster verordnet. 

10. August. Seitenschmerzen viel geringer; subjectives Be¬ 
finden besser: Temperatur gegen 37°. Die otyectiven Erschei¬ 
nungen von Seiten der Lunge dieselben, nur ist das pleuri- 
tiscbe Reiben stärker ausgesprochen. Der Husten gering, fast 
kein Sputum. 

Vom 10. bis zum 20. August bleibt die Temperatur normal. 
Die objectiven und subjectiveu Erscheinungen bieten keine 
auffallenden Schwankungen nach der einen oder der anderen 
Seite bin. 

20. August. Abends starker Schüttelfrost; Temperatur39,2". 
Pat. klagt über Stechen in der rechten Seite. Der Husten ist 
stärker, das Sputum schleimig-eitrig mit bedeutender Beimen¬ 
gung von hellrotheiu Blute. Die Symptome von Seiten der 
inneren Organe bieten keine merkliche Veränderung dar. Puls 
100; Athmung 32. 21. August am Morgen die Temperatur 
37,6°. Am Abend wiederum ein Schüttelfrost; Temperatur 39.2°. 

22. August. Temperatur am Morgen 37,2", am Abend 39,2° 
ohne Schüttelfrost. 

23. August. Das Blut ist aus dem Sputum verschwunden; 
das Sputum schleimig. Temperatur normal, Puls 72; Athmung 
20. Das Seitenstechen hat aufgehört. Die sorgfältige Unter¬ 
suchung des Sputums auf elastische Fasern, Tuberkelbacillen, 
Aktinomyceskörner und Echinococcushaken ergab auch dieses 
Mal ein negatives Resultat. Die Probepunction im sechsten 
rechten Interrostalraum ergab eine sanguinolente Flüssigkeit, 
welche sich unter dem Mikroskop als aus rothen Blutkör¬ 
perchen mit geringer Beimengung von farblosen, aup Fetp 


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fröpfchen und aus einer ziemlich grossen Menge kugelig auf¬ 
geblasener Epithelzellen zusammengesetzt erwies. Zellen irgend 
welcher Neubildung wurden nicht gefunden. 

Wegen des eigentümlichen Verlaufes der Pleuritis, welche 
dazu noch der Therapie trotzte, wegen des Auftretens von 
Blut im Sputum und wegen des blutigen Exsudates in der 
Pleurahöhle bei Abwesenheit von Skorbut und Tnberculose, 
kam man zu der Annahme einer langsam wachsenden Neu¬ 
bildung, welche den unteren Lappen aer rechten Lunge mit 
der anliegenden Pleura ergriffen hat. Ueber den anatomischen 
Charakter der Neubildung konnte man natürlich nichts Genaues 
aassagen. 

3. September. Am Abend wiederum Schüttelfrost, Tempe¬ 
ratur 39,0°. Starker Husten, im Sputum Blut. 4. September 
Temperatur Morgens 37,2. Geringer Husten. Kein Sputum. 
Das subjective Befinden am Morgen gut. Der Kranke theilt 
Folgendes mit: in der Nacht, gegen 10 Uhr, bevor sich Blut 
im Sputum zeigte, spürte er eine Athembeklemraung, es trat 
ein quälender Husten auf und sehr starke Schmerzen in der 
rechten Brustseite in der Gegend des fünften Intercostalraumes, 
nach aussen von der Mamillarlinie. Dieser Zustand dauerte 
ungefähr eine Stunde und nur nachdem aus der schmerzhaften 
Bruststelle ein «Stückchen herausgesprungen» war, fühlte er 
eine grosse Erleichterung. Die Schmerzen und die Athembe- 
klemmung vergingen und im Sputum zeigte sich Blut. 

Im Spucknapf mit dem nächtlichen Sputum des Kranken 
fand ich in der That einen cylindrischen 5 Ctm. langen und 
2 Ctm. breiten Körper. Die Enden dieses Cylinders sind zuge¬ 
spitzt, die Oberfläche ist sehr schlüpfrig, so dass er gar nicht 
mit der Pincette zu fassen war; ich musste ihn mit der Hand 
herausnehmen, was ebenfalls nur mit grossen Schwierigkeiten 
gelang. Nach Peinigung des Cylinders vom angeklebten Schleim, 
zeigte derselbe ein gallertartiges Aussehen mit blutigen Adern 
an der Oberfläche; die Consistenz war ziemlich fest. Dasselbe 
Bild zeigte sich auf dem Durchschnitt. Bei der mikroskopischen 
Untersuchung erwies sich unser Cylindep als aus einer geringen 
Menge zumTheil structurloser, zum Theil fibrillärer Zwischen¬ 
substanz bestehend mit in geringer Zahl eingelagerten rothen 
und weissen Blutkörperchen; die Hauptmasse aber bildeten 
spindelförmige, kernhaltige, feinkörnige Zellen, welche in 
Zügen angeoranet waren. 

Nach der mikroskopischen Untersuchung des ausgehusteten 
Cylinders blieb nunmehr kein Zweifel darüber, dass derselbe 
ein Stück einer Geschwulst ist, welche in der Lunge wächst 
und welche ihrer Structur nach vollständig einem Sarcoma 
fusocellulare entspricht. Im Laufe der Krankheit hat der Pat. 
noch 3 Mal solche dem ersten ganz ähnliche Geschwulst¬ 
stückchen ausgehustet; die begleitenden Erscheinungen waren 
ebenfalls ganz analog den oben beschriebenen. Vom 3. bis 16. 
September änderte sich der Zustand des Pat. nicht. Dis Tem¬ 
peratur, gewöhnlich normal, erhob sich zeitweise bis 39° mit 
oder ohne Schüttelfrost. Gewöhnlich fand sich nach jeder 
Steigerung der Temperatur mit Schüttelfrost am nächsten 
Tage Blut im Sputum. Einige Mal war das Sputum blutig 
gefärbt auch bei normaler Temperatur. 20. September. Die 
Vorwölbung des unteren Theiles der rechten Brustseite ist 
deutlicher ausgesprochen. Die Gegend des gedämpften Schalles 
ist nicht vergrössert. Affrictus pleuriticus ist ebenso deutlich, 
wie im Beginn. Im Harn kein Eiweiss. 

10. October. Pat. klagt über stärkere Schmerzen in der 
rechten Seite. 

16. October. Der Kranke erwachte um 2 Uhr Nachts in Folge 
eines «schrecklichen» Schmerzes in der rechten Seite. Als ich 
am Morgen den Pat. sali, war er unerkennbar: er zittert am 

anzen Körper vor Schmerzen in der rechten Seite, das 
esicht todtenblass, die Lippen cyanotisch, Puls 130, faden¬ 
förmig, Athmung 40, oberflächlich; er schont merklich bei der 
Athmung die rechte Brusthälfte. An den Brustorganen keine 
Veränderung zn finden. Der Leberrand drei Finger breit unter 
dem Rippenbogen. Der Bauch gespannt. Bei Palpation der 
rechten Bauchhälfte, besonders des Hypochondriums, schreit 
Pat. vor Schmerzen. Temperatur Morgens 37,8°, Abends 36,8“. 
Eine subcutane Morphiuminjection, Eis auf die schmerzhafte 
Stelle und eine warme Wanne brachten dem Pat. Erleichterung; 
die Schmerzen wurden geringer, die Cyanose weniger ausge¬ 
sprochen, Athmung 34. Puls 120. 

17. October. Pat. klagt über Erbrechen, welches sowohl in 
den Intervallen zwischen 2 Speiseaufnahmen häufle; eintritt, 
als auch unmittelbar nach jedem Schluck Thee oaer Milch. 
Beim Husten quälender Schmerz im rechten Hypochondrinm. 
Der Bauch ist weniger gespannt, rechts sehr schmerzhaft. 
Die Athmung hat denselben Charakter wie gestern, 32; Puls 
110. Im Harn weder Eiweiss, noch Formeleraente. Temperatur 
am Abend 38,5°. 

18. October. Geringe ikterische Verfärbung der Skleren und 
der Hautdecken. Das Sputum von grüner Farbe, enthält in 
reichlicher Menge Gallenpigmente. Im Harn keine Gallen¬ 
pigmente. 

Das oben geschilderte Bild nöthigte zur Annahme, dass 


die Geschwulst das Diaphragma perforirte und dass auf 
diese Weise eine Communication zwischen dem unteren 
Lappen der rechten Lunge und der Leber entstand. Diese 
Annahme wurde, wie wir später sehen werden vollkom¬ 
men bei der Section bestätigt. 

Fünf Tage lang blieb die Temperatur subfebril. Die Ath- 
a inungsstörnng ging allmälig zurück, das Sputum nahm seine 
'normale Farbe an, die ikterische Verfärbung der Haut und 
der Skleren verschwand, das Erbrechen hörte auf und der 
Pat. fühlte sich wieder wie früher, war aber abgemagert. Ohne 
den weiteren Verlauf der Krankheit zu schildern, da derselbe 
nichts Besonderes an sich hatte, bemerke ich nur, dass einen 
Monat vor dem Tode bei dem Pat. eine linksseitige haemor- 
rliagische Pleuritis und eiue ganze Reihe von Metastasen in 
der linken Lunge und Pleura constatirt wurden. Die Metastasen 
konnte man erkennen am rauhen pleuritischen Reiben, am 
gedämpften Schall und am blutigen Sputum. 

Der rat. verblieb im Hospital 146 Tage. Er starb an Ent¬ 
kräftung, welche allmälig zunahm. Die Section wurde vom 
Prosector des Hospitals, Prof. Winogradow, gemacht. 

Sections-Protokoll: Gehirnanaemie. In der linken Pleura¬ 
höhle ein grosses haemorrhagisches Exsudat mit Fibrinflocken. 
Ueber der Pleura, besonders der Costalpleura, sind harte, 
weis8liche erbsen- bis haselnussgrosse Geschwülste zerstreut; 
einige derselben haben das Lungengewebe durchwachsen. Die 
Lunge ist coraprimirt, schlaff, enthält keine Luft. Die rechte 
Lunge ist adhaerent, der untere Lappen mit Fibrin bedeckt. 
Im oberen und im unteren Lappen finden sich weissliche, zum 
Theil erweichte, erbsen- bis gänseeigrosseGeschwülste zerstreut; 
eine Geschwulst von letzterer Grosse findet sich im unteren 
Theil des unteren Lappens. Das Herz ist verkleinert, von 

f lauer Farbe. Die Leber ist grau, auf dem Schnitt körnig. 

wischen dem rechten Leberlappen und der Niere befindet 
sich eine Geschwulst von Faustgrösse, weicher Consistenz und 
gelber Farbe, welche die Stelle der Nebenniere einnimmt; im 
oberen Theil dieser Geschwulst findet sich ein hühnereigrosser 
Bluterguss; von dieser Stelle führt ein Fistelgang durch das 
Diaphragma in die rechte Pleurahöhle; das Loch im Dia¬ 
phragma ist von der Pleuraseite mit fibrinösen Membranen . 
bedeckt. Die rechte Niere ist von der Geschwulst stark 
comprimirt und mit derselben verwachsen. Die Nierenkapsel 
leicht abziehbar. Die linke Niere ist in ihren 2 oberen 
Dritteln von einer faustgros&en Geschwulst eingenommen, 
die höckerig, weich und von gelber Farbe ist und eiue 
cystische, seröse, haselnussgrosse Bildung im Centrum zeigt. 
Das Nierengewebe ist ohne sichtliche Veränderungen erhalten. 
Die linke Nebenniere ist nicht zu sehen. Die Milz etwas ver¬ 
grössert, von schlaffer Consistenz. Die Magen- und Darm¬ 
schleimhaut ist blass. Die mikroskopische Untersuchung der 
Geschwulst, von Prof. Winogradow ausgeführt, zeigte, dass 
es sich um ein Sarcoma fusocellulare handelte. 

Auf Grund des Sectionsbefundes müssen wir das Sarkom 
der Nebennieren als das primäre ansehen, die Geschwülste 
in den Lungen und in der Pleura als secundäre. Aber 
wie aus der Krankengeschichte ersichtlich, hat Nichts 
auf eine Geschwulst der Nebennieren gedeutet; es waren 
keine Symptome von Morbus Addissonii vorhanden, im 
Harn war trotz starken Druckes auf die Nieren kein 
Eiweiss nachzuweisen etc. , 

Ich habe in der mir zugänglichen Literatur nur 2 
Fälle gefunden, welche meinem Fall analog sind. In 
beiden Fällen handelte es sich um ein metastatisches 
Lungensarkom, welches seinen Ausgangspunkt in einem 
Osteosarkom der unteren Extremitäten hatte. 

Der erste Fall gehört Hampeln 1 ) und ist im Jahre 
1876 beschrieben worden. Leider konnte die Section nicht 
gemacht werden, da es sich um einen Privatpatienten 
handelte. Aus der Krankengeschichte ist ersichtlich, dass 
die Erscheinungen, unter welchen der Pat. Geschwulst¬ 
stückchen aushustete, vollkommen den von uns beschrie¬ 
benen analog waren. Bei Hampelu’s 19jährigem Pati¬ 
enten verlief die Krankheit ebenfalls unter den Symp¬ 
tomen einer Pleuritis. Bevor ein Geschwulsttheil ausge¬ 
hustet wurde, trat bei dem Pat immer ebenfalls ein 
Schüttelfrost ein uod Blut erschien im Sputum. Dabei 
kam es auch zum Erbrechen. Die Geschwulst selbst 
beschreibt Hampeln als einen eiförmigen 6 Linien 
langen und 2 Linien breiten Körper, von der Farbe 
eines entfärbten Blutcoagulums, aber von härterer Con¬ 
sistenz. Im Laufe der Krankheit hat Hampeln’s Pat. 


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ane 1 * 


123 


4 Mal solche Geschwalststückchen ausgehustet. Bei der 
mikroskopischen Untersuchung erwiesen sich dieselben 
immer als aus Elementen eines Rundzellensarkoms 
bestehend. 

Huber 2 ) beobachtete in der Züricher Klinik einen 
Studenten, bei welchem 6 Monate nach einer Schenkel¬ 
amputation wegen eines Osteosarkoms Metastasen in den 
Lungen auftraten. Dabei schied der Kranke ebenfalls 
Geschwulsttheile aus, welche sich bei der mikroskopischen 
Untersuchung als sarkomatöse erwiesen. Dabei trat immer 
Bluthusten auf, aber ohne Dyspnoe und Schmerzen, wie 
in unserem Fall. Die Geschwulsttheile beschreibt Huber 
so: sie sind ö’/a Ctm. lang, 2'/* Ctm. dick, spindelförmig 
mit zugespitzten Enden. Zuweilen sind sie mehr abgeflacht, 
zuweilen mehr rund und gewöhnlich von einer gelatinösen 
Kapsel umgeben. 

Unser Fall, welcher im Allgemeinen mit Huber’s und 
Hampeln’s Beobachtungen stimmt, bietet noch ein beson¬ 
deres Interesse darum, weil bei uns auf die Existenz eines 
Sarkoms nur nach der mikroskopischen Untersuchung 
des ausgeschiedenen Geschwulsttheiles geschlossen werden 
konnte. Andere Symptome, welche für ein Lungensarkom 
sprechen könnten, hatten wir nicht. In beiden Fällen der 
genannten Autoren aber bestand- ein Osteosarkom der 
unteren Extremitäten, nach deren Amputation die Meta¬ 
stasen in den Lungen auftraten. 

Wir können daher unsere Beobachtung über die Dia¬ 
gnose eines Lungensarkoms bei Lebzeiten auf Grund 
mikroskopischer Untersuchung der ausgeworfenen Ge¬ 
schwulsttheile (ohne sichtliche Symptome von sarkomatöser 
Entartung anderer Organe) vorläufig als die einzige 
betrachten. 

' Einen zweiten Sarkomfall, welcher dem ersten durch 
die Möglichkeit, schon bei Lebzeiten auf Grund mikrosko¬ 
pischer Untersuchung der Geschwulst eine genaue Dia¬ 
gnose zu stellen, analog war, habe ich im März 1891 
beobachtet. 

Am 21. März trat in das Obuchow’sche Hospital ein Bauer, 
Zachar Petrow, ein; 57 Jahre alt : Schmied. Will erst seit drei 
Wochen krank sein. Behauptet eine Schwäche erst dann ver¬ 
spürt zu haben, nachdem er in der Butterwoche recht viel 
Schnaps getrunken hatte. Bisher war er niemals krank; Syphilis 
nicht gewesen. Alkoholmissbrauch wird in Abrede gestellt. 
Jetzt klagt er über Schmerzen im Epigastrium, über Appetit- 
mangel und Schwäche. In den letzten 2 Wochen leidet er an 
Verstopfung und Auftreibung des Bauches. 

Status praesens: kräftiger Körperbau, guter Ernährungs¬ 
zustand. Die Skleren und die Hautdecken stark ikterisch 

S efärbt. Die Lymphdrüsen am Halse, besonders rechts, und in 
er AxHlargrube sind vergrössert und hart. An den Lungen, 
ausser Randemphysem, nichts Abnormes. Die Herzdämpfung 
begiunt an der 5. Rippe, weder rechts, noch links vergrössert, 
der Spitzenstoss nicht zu fühlen, die untere Percussionsgrenze 
des Herzens an der 6. Rippe. Die Milz ist nicht palpirbar. In 
der Axillarlinie und vorne ist die Milzdämpfung nicht ver- 

S rössert, hinten reicht die Dämpfung fast bis zur Wirbelsäule. 

er Bauch aufgetrieben, nicht schmerzhaft. Die Leber stark 
vergrössert. Bei oberflächlicher Percussion beginnt die Leber¬ 
dämpfung in der Linea parasternalis an der 5. Rippe, in der 
L. mamillaris an der 6. Rippe und in der Axillarlinie am 
oberen Rande der 7. Rippe; bei tiefer Percussion beginnt die 
Dämpfung in derselben Reihenfolge an der 4., 5. und 6. Rippe. 
Die Percussion ist in der ganzen Ausdehnung der Leber¬ 
dämpfung schmerzhaft. Unten reicht die Leber 3 Finger breit 
unterhalb des Rippenbogens, sie ist hart und sehr schmerzhaft 
bei Palpation. Der Rand ist dick und hart; Höcker sind nicht 
zu fühlen. Puls 88, Athmung 22. 

Im Harn eine grosse Menge Gallenpigmente und */* pro 
mille Eiweiss (nach Essbach). Die Excremente sind nur wenig 
gallig gefärbt. Unter dem Mikroskop findet sich in denselben 
ausser einer grossen Fettmenge nichts Abnormes. 

Während des Aufenthaltes des Pat. im Hospital wurde das 
Blut mehrere Male im frischen und im gefärbten Zustande 
mikroskopisch untersucht. Bei jeder Untersuchungsmethode 
fand sich eine grosse Menge vacnolenhaltiger rother Blutkör- 
rchen. In einigen Gesichtsfeldern konnte man kaum ein 
utkörperchen ohne Vacnolen finden. 

Die Frage nach der Bedeutung der Vacnolen im Blut ist 
noch lange nicht entschieden. Einige sehen bekanntlich in den 
Vacnolen nur ein Kunstproduct, bei der Anfertigung des 


Präparates entstanden. Andere Autoren sehen in den Vacnolen 
eine pathologische Erscheinung. Ohne in die Details dieser 
Frage einzugehen, bemerke ich beiläufig, dass bei meinen 
Blutuntersuchnngen, eine grosse Menge vacuoleuhaltiger 
rother Blutkörperchen nur in solchen Fällen vorkam, wo das 
Blut in seiner Zusammensetzung verändert war, sei es bei 
Anaemia perniciosa, sei es bei Skorbut oder bei starkem 
Ikterus mit Uebertreten grosser Gallenmengen ins Blut. 

29. März. Pat. sehr schwach, Ikterus deutlicher ausgespro¬ 
chen. Die Wangen geröthet. Unterhalb des rechten Scapu¬ 
lawinkels ist der Schall gedämpft, die Athmung hat einen 
bronchialen Charakter. Die obere Lebergrenze beginnt bei 
oberflächlicher Percussion in der Parasternallinie an der 5. 
Rippe, in der Mamillarlinie an der 5., in der Axillarlinie an 
der 6. Bei tiefer Percussion an der 4., 4 und 5. Rippe. Der 
untere Leberrand steht eine Hand breit unter dem Rippenbo¬ 
gen; die Leber ist sehr schmerzhaft in ihrer ganzen Ausdeh¬ 
nung. Unter dem Rande des linken Lappens aer Leber fühlt 
man eine harte mit dem Rande unbeweglich verbundene Ge¬ 
schwulst. Die Milzdämpfung beginnt an der 7. Rippe. Die 
Milz ist leicht zn palpiren, schmerzhaft. Im unteren Theil 
des Abdomens Fluctuation und gedämpfter Percnssionsschall; 
die Dämpfung verschwindet bei Seiten- oder Rückenlage des 
Pat. Der immer zunehmende Ikterus, die auffallende Grössen- 
zunahrae der Leber und Milz im Laufe einiger Tage, der 
Ascites, die geschwellten Hals- und Axillarlymphdrüsen und 
endlich hauptsächlich die unter der Leber palpirbare Ge¬ 
schwulst — alles das nöthigte uns zur Annahme einer Neu¬ 
bildung in der Leber selbst und unter derselben in der Ge¬ 
gend der Leberpforte. Die Localisation der Geschw'ulst in der 
Leberpforte erklärte uns leicht den Ikterus, den Ascites und 
die Vergrösserung der Milz. Ueber den Charakter der Ge¬ 
schwulst konnten wir natürlich nichts Genaues aussagen. 

Am 30. März wurden bei dem Kranken an der Brust einige 
snbeutane linsengrosse Knoten bemerkt. Die Menge der sub- 
cutanen Knoten nahm von Tag zu Tag mit solcher Sch Hellig¬ 
keit zu, dass am Tage des Verscheidens, 12 Tage nachdem 
die ersten Knoten bemerkt worden waren, wir derselben am 
ganzen Körper bis 200 zählen konnten. Einer dieser Kno¬ 
ten wurde 4 Tage nach seinem Auftreten aus dem Unterhaut- 
zellgewehe unter der rechten Clavicula ausgeschnitten und 
mikroskopisch untersucht; er bestand aus ziemlich grossen 
Zellen mit körnigem Protoplasma mit grossen runden, leicht 
färbbaren Kernen. Die Schnitte wurden mit Alauncarrain und 
Eosin gefärbt *). Die Intercellularsubstanz ist stellenweise in 
geringer Menge vorhanden, homogen oder körnig, stellenweise 
besteht sie aber aus langen zu Fasern ausgezogenen Zellen. 

Die mikroskopische Untersuchung hatte also bewiesen, 
dass die subcutanen Knoten Rundzellensarkome waren. 
Da wir schon vordem eine Geschwulst der Leber mit den 
bekannten klinischen Begleiterscheinungen constatirt hatten, 
so war jetzt natürlich anzunehmen, dass die erwähnten 
subcutanen Knoten Metastasen der Lebergeschwulst waren 
und dass diese letztere ein Rundzellensarkom war. Die 
mikroskopische Untersuchung bei Lebzeiten des Pat. hat 
also endgültig die Frage nach dem Charakter der Leber¬ 
geschwulst entschieden. Wie schon früher erwähnt, blieb 
der Pat. vom ersten Auftretender subcutanen Geschwülste 
noch 12 Tage unter meiner Beobachtung. Im Laufe dieser 
Zeit konnte ich das Wachsthum dieser Geschwülste und 
die Reihenfolge, in welcher sie im Körper aufschossen, 
genau verfolgen. Zuerst zeigten sie sich an der Brust, 
dann in den beiden Axillarlinien, am Halse, am Rücken, 
Bauch, an dep oberen Extremitäten, in der Inguinalgegend 
und an den unteren Extremitäten. Sie sassen alle im 
Unterhautzellgewebe mit der Oberfläche der Fascie 
verlöthet; immer, sobald die Knoten so gross wurden, 
dass sie gefühlt werden konnten, waren sie schon unbe¬ 
weglich und hart. Dank ihrer Knorpelhärte und ober¬ 
flächlichen Lage, waren sie sehr leicht zu entdecken. 
Bei leichtem Streichen der Haut fühlte man sofort die 
sehr harten, unbeweglichen Knötchen. Der tastende Finger 
konnte sie schon dann constatiren, wenn sie noch hirse- 
korn- oder stecknadelkopfgross waren. 

Im Anfang war ihr Wachsthum ein sehr rasches. Von 
der Grösse eines Stecknadelkopfes aufschiessend, erreich¬ 
ten sie nach 5—6 Tagen den Umfang einer kleinen 
Mandel. In den folgenden 5—6 Tagen wuchsen sie viel 

*) Die mikroskopische Untersuchung wurde vom Prosector 
des Hospitals, Dr. Petrow, ausgeführt. 


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langsamer und die grössten Knoten überschritten nicht 
die Grösse einer mittelgrossen Mandel. Der Vergleich 
mit einer Mandel in Bezug auf ihre Form ist am mei¬ 
sten passend, da die Knoten flach und im Centrum dicker 
als in der Peripherie sind. Ich muss noch bemer¬ 
ken, dass sie alle nicht schmerzhaft sind. Im Anfang 
ist die Haut über denselben beweglich. Bei weiterem 
Wachsthum, nach 2—3 Tagen, verwachsen sie mit der 
Haut. Die Haut selbst bleibt normal, sie wird weder 
roth, noch blau. 

Aus dem weiteren Krankheitsverlauf führe ich nur an, dass 
der Pat. bei zunehmendem Ikterus und unter Erscheinungen 
von Cholämie sechs Tage vor dem Tode in einen soporösen 
Zustand mit zeitweiligen Anfällen von Excitationsaelirien 
verfiel. Die Leber erreichte schliesslich den Nabel und nach 
links die Linea mamillaris. Die Milz erreichte eine Grösse 
von 20 Ctm. in der Länge und 16 Ctm. in der Breite. Trotz 
des soporösen Zustandes reagirte der Krauke auf Schmerzen 
bei Palpation der Leber und Milz. 

10. April. Es trat eine Darmblutung auf; die Milz ist nicht 
zu palpiren und die Percussion ergiebt keine Vergrösserung 
derselben. In der Nacht vom 9. auf den 10. erfolgte ein reich¬ 
licher blutiger Stuhl. Am 11. Excitationsdelirien und am 12. 
um 6 Uhr Abends Tod. Bis zum 27. März überschritt die 
Temperatur nicht 37°; vom 27. März bis zum 8. April schwankte 
dieselbe zwischen 36,6° und 36.8° und in den letzten 4 Tagen 
war sie äm Morgen gegen 35,9° und am Abend gegen 36,4°. 

Die Section, vom Prosector des Hospitals, Dr. Petrow, 
ausgefUhrt, ergab folgendes: Die Hautdecken sind stark ikte- 
riscn verfärbt. An der ganzen Körperoberfläche sind unter 
der Haut kleine Geschwülste zerstreut.- Beim Anschneiden 
dieser Stellen findet man im Unterhautfettgewebe Geschwulst¬ 
knötchen, welche aus einem recht harten gränlich-weissen 
Gewebe bestehen. Dura mater fest mit den Schädelknochen 
verwachsen, verdickt. Pia mater fibrös verdickt, leicht ablös¬ 
bar. In der Binde und im Mark des linken Occipitallappens 
ein Erweichungsherd. Die Gefässe an der Gehirnbasis skle- 
rosirt. Das Herz mässig hypertrophisch, die Musculatur 
schlaff; die Valvula bicuspidalis und die V. semilnnares Aortae 
verdickt; die Aorta leicht dilatirt mit sklerotischen Plaques 
in der Intima. 

Die Lungen nicht adhaerent, emphysematös und oedematös, 
crepitiren überall mit Ausnahme eines kleinen Herdes ira obe¬ 
ren nnd des ganzen unteren Lappens der rechten Lun^e; 
diese Stellen sind hepatisirt mit einer rothen körnigen Schnitt¬ 
fläche. In der Bauchhöhle eine mässige Menge serös-blutiger 
Flüssigkeit. Die Milz mit der Umgebung durch feste Mem¬ 
branen verwachsen, ihr Gewebe von breiiger Consistenz, Struc- 
tnr undeutlich. Die Schleimhaut des Dünn- und Dickdarms 
schiefergran verfärbt, trübe. Im absteigenden Schenkel des 
Duodenum eine kleine haeraorrhagische Erosion. In der Ge¬ 
gend des Pankreas findet sich eine riesige Wucherung von 
harter, gelblich-weisser Geschwulstmasse, mittelst deren das 
Pankreas und die benachbarten Lymphdrüsen mit einander 
verwachsen und verlöthet sind. Diese Geschwulst verbreitet 
sich durch das Ligamentum hepato-duodenale auf die Leber, 
die letztere in ihrem centralen Theil auf dem Wege der gros¬ 
sen Gallengänge und Gefässe durchwachsend. Die Leber 
stark ikterisch, die Galleugänge dilatirt, enthalten eine dicke, 
schleimige Masse. Die Gallenblase sehr stark dilatirt, ent¬ 
hält Blutcoagula und flüssiges Blut. Der Magen- und Darm¬ 
inhalt blutig. Die Mesenteriallymphdrüsen geschwellt, schlos¬ 
sen in sich Herde gelblicher Geschwulstmasse ein. Die Nieren 
etwas vergrössert, die Nierenkapseln adhaerent; die Nieren¬ 
rinde von graulich-gelber Farbe mit einem Stich ins Ikteri- 
sche und nicht scharf von der Marksubstanz abgegrenzt. Co- 
lumnae Bertini mit gelben Punkten nnd Strichen bedeckt; 
die Papillen verdickt; die Nierenbecken erweitert. 

Epikrisis: Sarcoma globocellnlare glandularum lymphati- 
carum retroperitonealium, pankreatis et hepatis. Metastases 
sarcomatosae cutis mnltiplices. 

Die mikroskopische Untersuchung verschiedener Theile 
der Abdominalgeschwulst constatirte die vollkommene 
Identität des Baues der letzteren mit dem Bau der bei 
Lebzeiten und post mortem ausgeschnittenen subcutanen 
Knoten*). Der Unterschied bestand nur darin, dass in 
den Abdominalgeschwülsten die Degenerationserscheinun¬ 
gen sehr deutlich ausgesprochen waren; stellenweise fet¬ 
tige Entartung der Zellen, stellenweise Coagulationsne- 
krose. Als ich die Literatur der uns interessirenden 
Frage vom Jahre 1860 bis zum Jahre 1891 d. h. seit 

# ) Die mikroskopischen Präparate der subcutanen Knoten 
und des Lebertumors worden beim Vortrage demonstrirt. 


der Zeit, als die genaue mikroskopische Geschwnlstdia- 
gnose Allgemeingut wurde, durchmusterte, fand ich fol¬ 
gendes: am 6. Mai 1863 hat Körte*) in der Berliner 
Aerztegesellschaft eine Mittheilung über eine verbreitete 
Sarkomatose der inneren Organe und der Haut gemacht. 
Der Fall betrifft eine 40 jährige Frau, bei welcher wegen 
Rectalblutungen eine mandelförmige nicht hoch im Rec¬ 
tum gelegene Geschwulst exstirpirt worden war. 

Bald nach der Operation zeigten sich bei der Kranken 
geschwellte Lymphdrüsen in der Axilla und darauf tra¬ 
ten Knoten in der Haut auf. Letzterer konnte man bis 
80 zählen. Alle Avaren sie beweglich Und sassen im 
Unterhautzellgewebe. Die Section ergab Metastasen in 
sämmtlichen Organen. Die Geschwülste hatten einen 
sarkomatösen Charakter. Der Meinung Körte’s, dass 
eine solche Propagation eines Sarkoms selten Vorkom¬ 
men soll, schloss sich auch Gurlt an; er bemerkte näm¬ 
lich, dass Sarkome hauptsächlich Metastasen in den 
Lymphdrüsen machen, während Metastasen in der Haut 
eine grosse Seltenheit seien. 

Zwei ähnliche Fälle hat Heinrich Köbner 4 ) im Jahre 
1869 beschrieben. Der erste Fall betrifft einen Mann 
von 43 Jahren, welcher auf Syphilis wegen eines Leisten¬ 
bubo behandelt wurde.- Als der Autor den Pat. zum 
ersten Mal sah, fielen ihm die Knoten auf, welche in der 
Haut und im Unterhautzellgewebe der Brust sassen. 
Diese Knötchen waren sehr hart, leinsamen- bis erb¬ 
sengross. Vor dem Tode fanden sich 20—30 Knötchen 
in der Bauchhaut, 12—15 an der Brust, 8—10 in der 
behaarten Kopfhaut und nur sehr spärliche an den Ex¬ 
tremitäten. Es fanden sich auch Knötchen an den Li¬ 
dern. Die grössten Knoten sassen in der Bauchhaut und 
waren kirschgross. Die Section wurde nicht gemacht.' 
Es wurden nur behufs Untersuchung die Inguinalge- 
schwulst und einige Hautknötchen ausgeschnitten. Alle 
erwiesen sich von der Structur eines Sarcoma fusocellu¬ 
lare. Als Ausgangspunkt sieht Köbner die Hoden an, 
da in denselben zuerst die Knötchen coustatirt wurden. 

Im zweiten Fall dieses Autors handelte es sich um 
ein Spindelzellensarkom, welches sich aus einem Mutter¬ 
mal des linken Zeigefingers gebildet und Metastasen im 
Unterhautzellgewebe der Brust-, Schulterblatt- und Len¬ 
dengegend erzeugt hatte. Hampeln 5 ) erwähnt im oben 
citirten Artikel unter Anderem einer Kranken, bei wel¬ 
cher nach Exstirpation eines Sarkoms der Lendenge¬ 
gend Knötchen im Unterhautzellgewebe auftraten. Prof. 
Böttcher in Dorpat hat diese Knötchen unter¬ 
sucht und gefunden, dass dieselben die Structur eines 
Rundzellensarkoms hatten. Paul Weisser 6 ) hat ein 
raelanotisches Sarkom bei einem 24 jährigen Bäcker be¬ 
schrieben Im August 1875 wurde bei dem Kranken 
eine haselnussgrosse Geschwulst aus dem Fussrücken des 
linken Fusses exstirpirt. Im März 1876 Schwellung der 
Inguinaldrüsen. Bald darauf traten metastatische Kno¬ 
ten in der Haut der Brust, des Bauches etc. auf. 2 Mo¬ 
nate später konnte Weisser schon über 100 Knoten in 
der Haut zählen. Dieselben waren hirsekorn- bis hasel¬ 
nussgross. Die Section ergab Metastasen fast iri sämmt ¬ 
lichen Organen. Trelat’’) führt einen Fall von Hoden¬ 
sarkom ebenfalls mit Metastasen in der Haut an. 

Behring und Wiecherkiewicz 8 ) haben ebenfalls 
Metastasen in der Haut bei einem Rundzellensarkom des 
KeilbeiDS beobachtet. 

Aus der Volkmann’schen Klinik erschien im Jahre 
1882 eine Dissertation v. Maurer 9 ), in welcher ein An- 
giosarkom des Penis • mit Metastasen (desselben Charak¬ 
ters) in der Haut beschrieben wird. Im Kawka’schen *•) 
Fall von Melanosarkom fanden sich ebenfalls metastati¬ 
sche Knoten in der Haut. 

Porter und Formand ") haben multiple Geschwülste 
im Unterhautzellgewebe (79) nach Operation eines Spindel¬ 
zellensarkoms des Halses beobachtet. Die Geschwülste 


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125 


iiu Untßrhant&dlgewebe wurden aber erst bei der Section 
constatirt. Cheever ,a ) hat im Jahre 1886 einen Fall 
von kleinzelligem Spindelzellensarkom mit 200 Knoten 
in der Haut beschrieben. 

Die geringe Zahl metastatischer Hautsarkome, welche 
in der Literatur beschrieben sind, weist unzweifelhaft anf 
die Seltenheit einer solchen Localisation der Metastasen 
hirt. Die sarkomatöse Entartung der Lymphdrüsen mit 
Metastasen in den inneren Organen ist bekanntlich eine 
ganz gewöhnliche Erscheinung und hat auch ihre wissen¬ 
schaftliche Erklärung. Warum in einigen, wenn auch sehr 
seltenen Fällen Metastasen auch iu der Haut auftreten, 
darüber kann ich auf Grund meiner Beobachtung nichts 
aussagen. 

Porti '*), Reisz 14 ), Köbner ,6 ), Schattuck Fre- 
derick ,6 ), G. Levin n ) und Kaposi *’) haben eine 
ganze Reihe von idiopathischen Hautsarkomen beschrie¬ 
ben, deren klinisches und pathologisch-anatomisches Bild 
sich aber vollständig von unserem Fall unterscheidet. 
Erstens ist das idiopathische Hautsarkom in der grössten 
Mehrzahl der Fälle melanotischen Charakters, zweitens 
werden die inneren Organe dabei nicht immer befallen, 
drittens kann dieses Sarkom in einigen Fällen durch 
Injectionen von Solutio Fowleri geheilt werden (Köb¬ 
ner, Schattuck Frederick) und endlich unterscheiden 
sich diese Geschwülste dadurch, dass sie schmerzhaft 
sind, dass die Haut über denselben eine dunkel blaue 
Farbe hat mit Haemorrhagien in der Umgebung der 
Knoten und unter denselben im Unterhantzellgewebe. 
Häufig zerfallen sie und lassen Narben zurück oder fliesr 
sen mit einander zusammen und bilden eine höckerige 
Masse. 

Literatur. 

1) Sarkom der Lungen, St Petersburger Medicin. 
Wochenschr. 1876. 2) Zeitschr. f. Klin. Medicin. 1890. 
3) Ein Fall von weit verbreiteter Sarkombildung. Deut¬ 
sche. Klinik Nr. 22. 4) Zur Kenntniss der allgemeinen 
Sarkomatose und der Hautsarkome insbesondere. Archiv 
für Dermatol, und Syphilis I. 3. 5) loc. cit. 6) Ueber 

Melanosarkom. Diss. inaug. Berlin 1876. 7) Diagnostic 

des tumeurs de testicule. Progrös med. NNr. 3 und 4. 
8) Ein Fall Yon metastasir. Melanosarkom. Berlin Klin. 
Woch. 18S2, Nr. 33. 9) Eigenthümlicher Fall von An- 
giosarkom. Diss. Halle, 1882. 10) Ueber Melanosarkom. 
Diss. Berlin 1884. 11) Arare form of multiple sarcome. 
Americ. med News. Aug. 7. 1886, citirt nach den Jah- 
resber. 12) A case of multiple Sarcom. of the skin Bost, 
med. and surg. journ. Vol. CXIV Nr. 2, citirt nach Vir- 
cho#’s Jahresber. 13) Ein Fall von multipler Sarkom¬ 
bildung der Haut etc. Deutsch. Archiv, f. klin. Med. 
Bd. XII p. 134. 14) Citirt nach Virch. Jahresbericht 

18) Untersuchung eines Falles von multiplen Hautsarko¬ 
men def Extremitäten. Berlin, klin. Woch. Nr. 12, 1886. 

16) Multiple sarcom of the skin. Bost med. and surg. 
journ. Nr. 26, 1885 citirt nach Virch. Jahresbericht. 

17) Fall von Sarkomatose. Berlin, klin. Woch. Nr. 26, 

1889. 18) Handbuch der Hautkrankheiten. 


Referate. 

Brüinmer: Ein Fall von Gangraen des Fusses infolge 
eines Hufschlages gegen den Unterleib, Pirogoff’- 
sche Fussamputation. (Deutsche Militärärztl. Zeitschr. 
Heft 6). 

Am 16. Aug. 1889 erhielt ein Soldat von einem Pferde mit 
dem eisenbeschlagenen Hnfe gegen die rechte Unterbauchge¬ 
gend dicht oberhalb des Ligam. Ponpartii einen Schlag, der 
so stark war, dass der kräftige Mann zu der hinter ihm offen 
stehenden Stallthöre hinausflog nnd betäubt zu Boden stürzte. 
Aeussere Verletzungen, abgesehen von einzelnen leichten Haut¬ 
abschürfungen, waren nicht vorhanden. Der Schlag war bei 
ziemlich stark gefüllter Harnblase erfolgt. Schmerzen im Un¬ 
terleibe, Harndrang; Entleerung der Blase mittelst eines Ka¬ 
theten wobei sich kein Blut zeigte. Am 3. Tage war die 


Urinentleerung schmerzlos und normal. Die Temperatur des 
Körpers war in den ersten Tagen etwas erhöht (bis 38,7° C.), 
der ruls klein und frequent (112—120), es erfolgte 2—3 Mal 
täglich Erbrechen grünlicher Massen beim Bestehen eines 
starken Meteorismus, der erst am 24. Aug. nach einer reich¬ 
lichen Stuhlentleernng schwand; starker Singnltns, hochgra¬ 
diger Kräfteverfall. Am 9. Tage nach der Verletzung, nach¬ 
dem im Allgemeinbefinden eine entschiedene Besserung einge¬ 
treten war, traten die ersten Zeichen einer beginnenden Gan¬ 
graen des rechten Fasses von den Zehen an ein, die auf einen 
volkommenen Verschluss der Schenkelarterie zurückznführen 
war und schliesslich, bei langsamem Fortschreiten sich fast 
genau in der Linie des Chopart’schen Gelenkes demarkirte; 
nur auf dem Fussrücken überschritt die Gangraen diese Grenze 
gegen die Vorderfläche des Unterschenkels zu nnd zwar bis 
etwa 5—6 Ctm. über die Linie des Sprnnggelenks. doch betraf 
sie hier nur die Haut nicht die tiefgelegenen Gebilde. Nach 
eingetretener Demarcatiou wurde am 7. Nov. (12 Wochen 
nach der Verletzung) die von Günther modificirte PirogofT- 
sclie osteoplastische Fnssampntation vorgenommen. Hierbei 
wurden die Sägeflächen, die sich leicht aneinander bringen 
Hessen, mittelst eines durch die anverletzte Sohlenhaut und 
den Calcaneus in die Tibia hineingetriebenen polirten 
viereckigen Bretternagel (Thiersch) vorzägUch fixirt. Der 
Nagel wurde am 26. Nov. (19 Tage nach der Operation) mit 
Leichtigkeit entfernt Das Endresnltat ist Folgendes: Der 
Stampf ist von vorzüglicher Form und unbeweglich. Der 
Pat. geht nnd läuft behende umher in einem einfachen Schmier- 
stiefel und kann mit dem Fass aafstamnfen. ohne Schmerzen 
zu haben. — Die Art. femor. dext ist deutlich als ein harter 
Strang fühlbar; das rechte Bein ist noch etwas abgemagert 
und die Muskulatur schlaffer als am linken Bein. 

Grimm. 

Prof. A. Epstein (Prag): Ueber die Uebertragung des 
menschlichen Spulwurmes (Ascaris lumbricoYdes). 
Jahrb. f. Kinderheilk. N. F. Bd. 33. H. 3. 1892. 

Der Erste, welcher durch Verschlucken von embryonenhalti¬ 
gen Spnlwnrmeiern die Entstehung von ansgebildeten Ascari¬ 
den an sich selbst beobachtet hat, ist Grassi; sein Versuch 
ist jedoch nicht ganz einwandsfrei und daher nicht beweisend. 
Nach ihm hat Lutz an einem 32jährigen Individuum einen 
reinem Versuch mit positivem Erfolg ausgeführt nnd dadurch 
die allgemeine Annahme, dass die Uebertragung des Spul¬ 
wurmes anf den Menschen durch Vermittelung eines bisher 
unbekannten Zwischenwirthes erfolge, schwankend gemacht. 
Epstein nnn hat weitere Untersuchungen angestellt. Zu¬ 
nächst stellte er fest, dass die in den Fäces von Kindern, die 
an Spulwürmern leiden, stets vorhandenen Eier dieses Para¬ 
siten sich in feuchten Nährböden, die der Lnft zngängig sind, 
Jahre lang entwicklungsfähig erhalten; werden die eierhalti¬ 
gen Fäcalien in Glaskolben bei warmer Zimmertemperatur ge¬ 
halten, von Zeit za Zeit mit Wasser angefenchtet and dem 
Sonnenlicht ans^esetzt, so entwickeln sich schon in 5 Wochen 
innerhalb der Eier schlanke, lebhaft sich bewegende Embry¬ 
onen. Versenkung der Eier in viel Wasser, wodnrch der 
Luftzutritt zu denselben behindert wird, verhindert die Wei¬ 
terentwicklung des Dotters. Verf. hat, nachdem diese That- 
Sachen constatirt waren, kleine Partikelchen einer Eiercnl- 
tnr, die ein Jahr lang in der Feuchtigkeit bei Zimmertempe¬ 
ratur anfbewahrt worden war und in deren Eiern sich lebendige 
Embryonen befanden, an zwei Kinder verfüttert, die vor dem 
Versuch sicher nicht an Ascariden litten. Nach 3 Monaten 
zeigten die Fäces derselben reichliche Ascavideneier und dnrch 
Santonin nnd 01. ricini wurden dem einen Kinde 22 Spulwür¬ 
mer (16 Weibchen und 6 Männchen), dem andern 79 Spulwür¬ 
mer (41 Weibchen und 38 Männchen) abgetrieben. Ein drit¬ 
tes Kind, das gleichfalls Spulwurmeier geschluckt hatte und 
sicher damals, wie die mikroskopische Untersuchung der Faeces 
erwies, nicht an Ascariden litt, konnte erst nach 5 Monaten 
wieder nntersncht werden, und wies nun massenhafte Spul¬ 
würmer in seinen Dejectionen auf. 

Durch diese'Versuche ist wohl sicher festgestellt, dass die 
Einwanderung des Spulwnrmes in den menschlichen Darm 
dnrch directes Verschlucken lebens- nnd entwicklnngsfähiger 
Eier ohne Vermittelung eines Zwischenwirthes erfolgt. Da 
sich die Eier, wie Epstein’s Versuche zeigen, in Wasser 
nicht entwickeln, so ist das Trinkwasser wohl kanm als Ve¬ 
hikel für die Infectionen zu beschuldigen, vielmehr dürften 
die Eier sich am ehesten in den oberflächlichen Schichten der 
Erde bei warmer Sommertemperatur entwickeln, falls die eier¬ 
haltigen Dejectionen, was wohl nicht zu selten geschieht, da¬ 
hin gelangen. Kinder, die beim Spielen wohl häufig Gelegen¬ 
heit naben, Erdpartikelchen zn verschlucken, können sich anf 
diese Weise mit Ascariden inficiren; ebenso Menschen, die 
eng und schmutzig wohnen nnd nicht genügend anf die Ent¬ 
fernung der Excremente aus ihrer Umgebung achten. So er¬ 
klärt es sich am besten, warum die Kinder der Dorfbevölke¬ 
rung fast 20 Mal häufiger an Ascariden leiden als Stadtkin- 


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126 


der, nnd warum die Schmutzesser der Irrenanstalten (Vix ) 
und die Soldaten in russischen Festungen (Gretschanino w) 
so oft Spulwürmer beherbergen. 

Das vorwiegende Vorkommen der Spulwurmkrankheit in 
südlichen, warmen Ländern erklärt sich aus den günstigem 
Entwicklungsbedingungen, die der Erdboden daselbst bietet. 

Biologisch ist von Interesse, dass nach den vorstehenden 
Versuchen die Entwicklung des Eies bis zum geschlechts- 
reifen Spulwurm im menschlichen Darm etwa 3 Monate be¬ 
ansprucht. D—o. 


Bücheranzeigen und Besprechungen. 

Albert Düderlein. Das Scheiden sekret und seine Be¬ 
deutung für das Puerperalfieber. (Leipzig 1892. Verlag 
von Eduard Besold). 

Das Scheidensekret ist in letzter Zeit häufig Gegenstand 
bakteriologischer Untersuchungen gewesen, doch sind die 
Angaben der verschiedenen Autoren durchaus nicht überein¬ 
stimmend. Die Studie D.’s, welche mit grosser Sachkenntnis 
und Fleiss an einem grossen Material gemacht worden ist, 
wird ohne Zweifel nicht allein von den Fachgenossen mit 
Freuden begrüsst werden, weil dieselbe Aufschluss über 
manche noch streitige Punkte zn geben im Stande ist. 

D. untersuchte das Scheidensekret von 195 Schwangeren 
und fand dasselbe in 108 Fällen normal, in 87 anormal. Die 
beiden Arten der Sekrete charakterisiren sich schon durch 
ihre chemische Reaction. Während nämlich das normale Sekret 
intensiv sauer reagirt, ist das pathologische von schwach 
sauerer, seltener neutraler oder schwach alkalischer Reaction. 

Das normale Scheidensekret enthält ausser Plattenepi- 
thelien regelmässig Spaltpilze. Die nahezu als Reincultur vor¬ 
kommenden Scheidenbacillen bedingen den Säueregehalt des 
normalen Sekretes. Recht häufig findet sich ferner im normalen 
Sekret ein Hefepilz (Soorpilz, Monilia candida Bouordeu). 
Pathogene Keime wurden im normalen Scheidensekret 
niemals gefunden. Die Scheidenbacillen resp. ihre Stoffwech¬ 
sel Produkte scheinen ein Hindernissmittel für die Entwickelung 
pathogener Mikroorganismen (Staphylokokken) darzustellen, 
welches jedoch nur dann zur Geltung kommt, wenn die Schei¬ 
denbacillen in vorwiegendem Maasse vorhanden sind. 

Das pathologische Sekret ist im Gegensatz zum nor¬ 
malen dünnflüssiger, weissgelblich, wird in einzelnen Fällen 
sehr reichlich producirt; zuweilen findet in demselben lebhafte 
Gasbildung statt. Der spec. Geruch der Vulva (Trimethylamin) 
tritt bei Genitalien mit patholog. Sekret zurück und schwindet 
bisweilen vollständig. Unter dem Mikroskop findet man ausser 
Plattenepithelien reichlich Eiterkörperchen. Ferner sind in 
demselben zahlreiche Spaltpilze (hauptsäclilich Kurzstäbchen 
und Kokken) vorhanden. 

Eine solch tiefgreifende Umwandlung des normalen Sekretes 
kann jedoch nur statt finden, wenn der normale Säueregehalt 
des Sekretes verändert wird, wodurch Culturbedingungen 
geschaffen werden, welche im normalen Sekret nicht oder 
nur schwer und vorübergehend bestehen können. 

Eine solche Umwandlung des Sekretes findet in physiolo¬ 
gischer Weise bei jeder gesunden Frau statt zur Zeit der 
Menstruation und des Wochenbettes. 

Bei Schwangeren mit normalem Sekret beobachtet man in 
den Scheidenlochien am 3.-4. Tage post partum ein Zugrun¬ 
degehen der bisher vorhandenen Scheidenbacillen, während an 
ihre Stelle Cnlturen von Saprophyten erscheinen. Mit dem 
Aufhören der Lochien Sekretion verschwinden dieselben wieder 
aus der Scheide und 6 Wochen nach der Gebnrt finden sich 
in dem wieder stark saueren Sekret der Scheide Reinculturen 
von Scheidenbacillen. 

Als Ursachen der Veränderung des normalen Sekretes sind 
anznselien 1) fnnctionelle Störungen: traumatische oder 
chemische Reize, welche eine excessive Transsudation inner¬ 
halb der Scheide bedingen, 2) tiefer greifende anatomische 
Veränderungen, Infection mit Eiterkokken, Gonokokken etc. 

Die Streptokokken spielen bekanntlich beim Puerperalfieber 
die Hauptrolle. D. fand in 8 Fällen (4,1 pCt.), welche vorher 
nicht digital untersucht worden waren, reichlich Staphylo¬ 
kokken, welche jedoch nicht immer gleich virulente Eigen¬ 
schaften besassen. Da die Virulenz der Streptokokken in 
erster Linie durch die Beschaffenheit des Nährbodens bedingt 
wird, muss die Abschwächnng der Keime bald grösser bald 
geringer sein, je nach der Zeit und dem Grade der ungünstigen 
Verhältnisse, unter denen sie im Scheidensekret verweilen 
müssen. 

D. fand bei 55,3 pCt. aller Schwangeren normales Sekret, 
bei 35,5 pCt. pathologisches Sekret ohne virulente Strepto¬ 
kokken, in Summa also in 90,8 pCt. ein Scheidensekret ohne 
Infectionsgefahr in demselben. 

Es ergiebt sich hieraus, dass l)das normale Sekret keinerlei 
Infectionsgefahr für das Puerperalfieber darstellt, 2) das 
pathologische Sekret hingegen in einem gewissen Procentsatz 


bei Anwesenheit von Streptokokken eine Infectionsquelle für 
Puerperalfieber werden kann. 

Die bakteriologischen Untersuchungen D.’s zeigen somit, dass 
bei der weitaus grössten Mehrzahl von Frauen eine 
innere Desinfection gegenstandslos ist und dass in 
der überwiegenden Zahl der Fälle eine Infection 
der Kreissenden verhütet wird, wenn nur der Unter-, 
suchende selbst nicht Infectionskeime überträgt. 

Dobbert. 

Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

1172. Sitzung am 18. December 1891. 

Anwesend 52 ord. Mitgl., das corresp. Mitgl. Prof. Stieda- 
Königsberg und 11 Gäste. 

1. Dr. Schroeder verliest seinen angekündigten Vortrag: 
Zur Lehre vom Hy pnotismus. Bericht über die hypnotische 
Klinik des Dr. Wftterstrand in Stockholm. 

Der Vortrag erscheint demnächst in extenso in dieser 
Wochenschrift. 

Discussion: 

Dr. Holst wendet sich gegen den Ausspruch Dr. Schroeders, 
die hypnotische Therapie bringe nie Schaden. Er müsse dies 
nicht nur als möglich hinstellen, sondern nach seinen Erfah¬ 
rungen sogar sagen, dass durch diese Behandlungsmethode 
häufig geschadet wird. Allerdings tritt der schädigende Ein¬ 
fluss in der Regel erst nachträglich zu Tage, wenn die 
Patienten nicht mehr unter dem Einfluss der hypnotischen 
Behandlung stehen. Aus einer ganzen Reihe von Beobach¬ 
tungen dieser Art, die er gemacht, führt Redner einen Fall 
an, den er in der verflossenen Woche in Behandlung bekommen: 
dem betreffenden Kranken war sein heftiger Kopfschmerz — 
das einzige Kraukheitssymptom, welches er bisher hatte — 
allerdings wegsuggerirt worden; dagegen traten in der Folge 
allgemeine hysterische Krampfanfälle auf. Dr. Schroeder habe 
ferner über Wetterstrand’s günstige Behandlungsresultate 
Epileptischer berichtet; er wolle seine Zweifel hieran nicht 
unterdrücken. Die Differentialdiagnose zwischen grossen Krampf¬ 
anfällen Hysterischer nnd wahrer Epilepsie sei schwierig; 
solange die Berichte nur von gebesserten und genesenen 
Epileptischen sprechen, ohne dass die Diagnose «echte Epi¬ 
lepsie» begründet wird, wie das bisher stets der Fall, nehme 
er an, dass es sich um fortgeschaffte hysterische Symptome 
haudle; von der Annahme, die wahre Epilepsie sei eine unheil¬ 
bare Krankheit, sei er abzugehen bisher nicht veranlasst. 

Bei Hysterischen, wie andern Kranken, habe er bisher durch 
Suggestion nur Symptome fortschaffen gesehen, nie das WeBen 
der Krankheit heilen. Es kommen Fälle vor, wo ein Krank¬ 
heitssymptom das ganze Krankheitsbild beherrscht, so Zusagen 
die Hauptsache der ganzen Krankheit wird. Da sei die Sugges¬ 
tionstherapie an ihrem Platz. 

Die von Dr. Schroeder empfohlene Benutzung der Hypnose 
zu erzieherischer Beeinflussung Hysterischer verwirft Dr. 
Holst, weil er seinen Einfluss bei klarem Bewusstsein der 
Patienten anwenden will, um sich ein Resultat davon zu 
versprechen. 

Dr. Schroeder: die Nancy’er Methode, die Hypnose durch 
rein psycliische Wirkung hervorzurufen, habe nie Schädigungen 
im Gefolge. Auch principiell sei nicht einzusehen, warum eine 
solche Hypnose schaden soll. 

Dr. Donner: für ihn sei Dr. Schroeder’s Vortrag herzer¬ 
freuend gewesen. Von allen Autoritäten sei Dr. Holst der 
Einzige, der Schädigungen beim Hypnotisiren erlebt; Forel 
und A. erklären die Hypnose für völlig ungefährlich. Dr. 
Donner vertritt ferner noch Dr. Ed. Schwarz gegenüber (cf. 
Protokoll der vorigen Sitzung) die Verallgemeinerung des 
Begriffs Suggestion. 

Dr. Holst stellt die irrthümliche Annahme Dr. Donner’s: 
er habe Patienten durchJSuggestion Schaden zugefügt, zurecht; 
bei seiner vorsichtigen Auswahl der Fälle und seltenen An¬ 
wendung dieses Hülfsmittels habe er Schädigungen glücklicher¬ 
weise selbst nicht zu registriren; wohl aber habe er häufig 
Patienten in Behandlung bekommen, welche vorher von Anderen 
hypnotisirt worden waren. 

Dr. Ed. Schwarz: die Aerzte der Jetztzeit haben alle Ver¬ 
anlassung, vorsichtige Kritik der Empfehlung neuer Heil¬ 
mittel entgegenzutragen; er erinnere nur daran, wie’s mit 
dem Tuberculin gegangen! — Und die Kritik lehre, dass die 
Suggestion weder ein so unschuldiges, noch ein so wirksames 
Mittel ist, wie enthusiastische Berichte angeben. Redner spricht 
sich weiter in demselben Sinne aus wie Dr. Holst und fügt 
hinzu, dass selbst durch Suggestion gelungene Heilung durch¬ 
aus nicht immer von Dauer ist, er habe Patienten gesehen, 
die nach 1—2 Monaten Recidive aufwiesen. 

Auf das Princip der Suggestionstherapie übergehend, erinnert 
Redner daran, dass die Erfahrungen der Nancy’er Schule 
darauf hinwiesen, dass es sich bei der hypnotischen Beein- 


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flussung wesentlich nm einen psychischen Vorgang handle, 
nicht am Kettexvorgänge: es werden durch die hypnotische 
Suggestion Vorstellungen erzeugt. Die Klarlegung dieses 1 Ver¬ 
hältnisses reihe die hypnotische Therapie in die Gruppe der 
psychischen Behandlungsmethoden ein, die hauptsächlich falsche 
Vorstellungen zu vernichten und lichtige Vorstellungen an 
deren Stelle zu setzen haben. 

Wenn auch für den Kundigen die hypnotische Beeinflussung 
viel von ihrer Uebernaturlichkeit verloren habe, so hafte für 
den Patienten jedoch derselben immer etwas Mystisches an. 
Die directe psychische Behandlung wendet sich an die Intel¬ 
ligenz des Kranken, die Suggestionstherapie an den Glauben. 
Bei dem Hange des Menschen zum Mystischen, bei der heut 
zu Tage immer mehr um sich greifenden Entnervung und 
Willenserschlaffung sei es sehr wenig rathsam der Menschheit 
eine Behandlungsmethode darznbieten, welche dem Hang zum 
Wunderbaren direct Vorschub leistet. Es sei Aufgabe des 
Arztes, seine Patienten vom Aberglauben zu befreien und sie 
zu Willensstärken Menschen zu erziehen, die mit offenem Auge 
den Schädlichkeiten, welche ihrem Organismus drohen, entge¬ 
gentreten. Eine Kräftigung des Willens werde aber durch 
Hypnose nie erreicht werden. Man bediene sich daher zweck¬ 
massiger der directen psychischen Beeinflussung. 

Handle es sich um Patienten, denen die nöthige Intelligenz 
mangelt, dann kamen alle Behandlungsmethoden in Frage, 
die jeder autoritative Arzt zu rein psychischen Behandlungs¬ 
methoden umzugestalten vermag: so z. B. die medicamentöse 
Behandlung — Rosenbach gab Sacch. alb. erfolgreich als 
Hypuoticum. Weiter käme hierbei Hydro- und Elektrotherapie 
in Frage, ebenso Massage. Thure-Brandt selbst nutzt den 
psychischen Factor voll aus. Erst wenn alle diese Methoden 
nn Stich gelassen haben, will Redner zur hypnotischen Be¬ 
handlung greifen. Es gebe vielleicht einzelne b alle, für welche 
die Suggestionstherapie in erster Linie in Anwendung zu 
ziehen ist; so einzelne Fälle von sexueller Perversität. 

Was schliesslich die Anwendung des Ausdrucks Suggestion 
anlangt, so sei Redner bekannt, dass sie jetzt eine allgemei¬ 
nere sei; jedoch geschehe dieses mit Unrecht. Das Wort Sug¬ 
gestion sei seines Wissens zuerst in Nancy gebraucht worden 
und zwar für «Einflüsterung in Hypnose». Von streng kritisch 
vorgehenden Autoren werde dieser Ausdruck auch heute nur 
in diesem Sinne gebraucht — so von Rosenbach-Breslau, und 
das mit Recht. Verallgemeinerten Gebrauch dieses Wortes für 
jede Beeinflussung eines Menschen durch den andern hält 
Redner für verwirrend und unbegründet. 

Dr. Tiling erinnert daran, dass man von Staatswegen sich 
veranlasst gesehen, gegen das Hypnotisiren vorzugehen, 
dasselbe zu verbieten. Das sei doch nur durch die geursachien 
Schädigungen begründet gewesen. 

Dr. Schroeder: gewiss könne das Hypnotisiren und Sug- 
geriren Gefahren involviren; aber diese entstehen nur durch 
schlechte Methoden der Anwendung. Die Fragestellung müsse 
aber auch so lauten: lassen sich bei richtiger Methode und 
gewissenhafter Handhabung derselben die Gefahren der Hy pnose 
vermeiden? Darauf müsse die Antwort so ausfallen, dass bei 
der Nancy’er Methode die einzige Gefahr darin besteht, dass 
die Patienten nachher spontan in Hypnose verfallen, was 
man ihnen übrigens auch wieder wegsuggeriren kann. 

Dr. Packiewicz ist der Ansicht, dass die unerwünschten 
Nebenwirkungen auch suggestiver Natur sind. Das geheime 
Grauen, welches die Laienwelt vor der Hypnose hat, der 
Gedanke an übernatürliche Kräfte öfffien unerwünschten Auto¬ 
suggestionen Thür und 'lhor. Dr. Packiekvicz empfiehlt im 
Nothfalle die Suggestionstherapie bei schlafenden Patienten 
in Anwendung zu ziehen, wenn das Hypnotisiren sonst nicht 
gelingt. Vor dem Erwachen aus der Hypnose müsse stets 
suggerirt werden, dass das Ganze ein total natürlicher Vor¬ 
gang sei, der keinerlei üble Nebenwirkungen habe. 

Dr. Schultz fragt auf welchem Wege die von Dr. Schroeder 
referirte Behauptung eines von Wetterstrand gebesserten 
Lungenemphysems erwiesen worden sei? Ob Dr. Schroeder sich 
persönlich davon übel zeugt habe ? 

Dr. Schroeder hat den Fall nicht selbst gesehen. Wetter¬ 
strand berichtete, es sei constatirt. 

z. Z. Secretär: Heerwagen. 


Vermischtes. 

— Die Charkow’sche medicinische Gesellschaft hat das Pro¬ 
tokoll der Sitzung, welche sie zu Ehren des 50jährigen Jubi¬ 
läums ihles um das Medicinalwesen Charkow’s hochverdienten 
Ehrenmitgliedes Dr. W. A. Frankowski veranstaltete, in 
Form einer elegant ausgestatteten Brochöre heransgegeben. 
Diese Brochüre, welche mit dem Bildniss des Jubilars geschmückt 
ist, wird für 1 Rbl. zum Besten der Gründung vonFreibetteu 
auf den Namen Frankowski’s in dem Krankenhause der 
Charkow’schen med. Gesellschaft und dem städtischen Kinder¬ 
hospital verkauft. 

— Verstorben: 1) Am 21. Februar in Perajaslawl-Saleski 
(Gouv. Wladimir) der Landschaftsarzt Dr. J. G. Petrowski 


im 43. Lebenswahre an einem Herzleiden. Der Verstorbene hatte 
seine Ausbildung an der Moskauer Universität erhalten und 
bekleidete bereits seit 20 Jahren die Stellang eines Land¬ 
schaftsarztes in Perejaslawl. Zu Anfang der 80ger Jahre machte 
er das Doctorexamen und schrieb eine Dissertation über die 
Physiologie des Sehens. Trotz einer ausgebreiteten Praxis, die 
er seiner grossen Beliebtheit bei der dortigen Bevölkerung 
verdankte, hat er seiner Familie nichts als Schulden hinter¬ 
lassen. 2) Am 28. Februar in Jadrin der dortige Landschafts¬ 
arzt N.A.Lotow am Flecktyphus. Das Landschaftsamt hat die 
Beerdigungskosten getragen und es soll Aussicht vorhanden sein, 
dass die Landschaft seiner in dürftigen Verhältnissen zurück¬ 
gebliebenen Familie eine Pension bewilligen wird. 3) ln Rjasan 
am 5. März der Arzt der Moskau-Kasanschen Eisenbahn 
W. A. Petrow. 4) Der Oberarzt des Tschardschui’schen Mili- 
tärlazareths Tokarew. 5) Der Brigadearzt der 5. Sapeur- 
Brigade Lebedew. bi In Wiesbaden plötzlich der Leiter der 
bekannten Caranstalt Bad Nerothal, Dr. Gustav Lehr. 
Die Leitung der Anstalt haben seine bisherigen Gehülfen 
Dr. Georg Rosenbaum und Dr. Nik. Gierlich übernommen. 
7) In Heidelberg der ausserord. Professor der Chirurgie Dr. 
Lossen. 

— Am 26. März n. St. vollendeten sich50 Jahre, seit der 
Doctorpromotion des berühmten Würzburger Anatomen, 
Prof. A. v. Koelliker. Da der Jubilar gegenwärtig in Italien 
weilt, so ist die Feier dieses Tages aufgeschoben wofden. 

—- Mit dem Schluss dieses Semesters geben Prof. Dr. Ross- 
bach. Director der medicinischen Klinik in Jena, und Prof. 
Dr. Flückiger, Director des pharmacentischen Instituts in 
Strassburg, ihre Lehrthätigkeit auf, ersterer Krankheits¬ 
halber. 

— Za der am 9./21. April in Rom stattfindenden interna¬ 
tionalen Conferenz der Gesellschaften des «Rothen Kreuzes» 
sind als Vertreter des russischen «Rothen Kreuzes» Geheim- 
rath 0. A. Oom und Prof. Martens abdelegirt worden. Wie 
verlautet, werden von russischer Seite nachstehende zwei 
Fragen der Conferenz zur Berathung in Vorschlag gebracht 
werden: 1) Ueber Maassregeln zur Verbreitung der Ideen und 
Aufgaben der Gesellschaft des Rothen Kreuzes in der Bevöl¬ 
kerung; 2) Die Erlangung eines unentgeltlichen Transportes 
der dem «Rothen Kreuz» gehörigen Gegenstände auf Eisen¬ 
bahnen und anderen Verkehrswegen 

— Im Atkarsk’schen Kreise (Gouv. Ssaratow) sind zwei 
Landschaftsärzte, Fofonow und N. W. Smirnow (Leiter 
des Landschaftshospitals), am Flecktyphus erkrankt. 

— Den zehn Studenten der railitär-medicinischen 
Academie, welche am 17. März auf die Aufforderung des 
örtlichen Gouverneurs zur ärztlichen Hülfeleistung in das vom 
Typhus heimgesuchte Gouvernement Ssamara abgereist sind, 
ist es gestattet worden, ihre Schlussexamen auf den Herbst 
d. J. zu verlegen, jedoch müssen dieselben bis zum 10. Decembei 
beendigt sein. 

— Laut Allerhöchst bestätigter Verordnung des Minister- 
comit6s sind nach den «ß. W.» die Gouverneure angewiesen 
worden, die Eröffnung von Apotheken, sowie die Leitung 
derselben nur solchen Personen zu gestatten, welche volles 
Vertrauen hinsichtlich ihrer pharmaceutischen Erfahrung und 
ihrer moralischen Eigenschaften verdienen. 

— Eine Frau Sitkiewicz, die erste russische Dame, welche 
den pharmaceutischen Provisorgrad in Russland erlangt hat, 
ist beim Medicinaldepartement des Ministeriums des Innern 
mit dem Gesuch eingekommen ihr zu gestatten, in Warschau 
eine Apotheke zn eröffnen und in derselben ausschliess¬ 
lich weibliche Praktikantinnen zu beschäftigen. Zugleich 
erbittet sie sich die Concession zur Gründung einer Schule, in 
welcher junge Mädchen für das Apothekerlehrlingsexamen 
vorbereitet werden sollen. 

— In Moskau ist eine Hygienische Gesellschaft in 
der Bildung begriffen auf Grund von Statuten, welche bereits 
vor 11 Jahren für einen derartigen Verein, der aber damals 
nicht ins Leben getreten ist, obrigkeitlich bestätigt worden sind. 

— ln New-York ist im Februar eine Flecktyphusepi¬ 
demie ansgebrochen, die auf Einschleppung durch russische 
Auswanderer /urückgefülirt werden muss. Am 23. Januar war 
nämlich der französische Dampfer «Massilia» daselbst einge¬ 
troffen, weicher ausser anderen Passagiren 250 russische Juden 
au Bord hatte. Einige Tage nach der Anknnft wurden mehrere 
Fälle von Fleckty phus unter den russischen Jnden constatirt 
und nach einigen Wochen betrug die Zahl der Erkrankungs¬ 
fälle in New-York bereits etwa 100, welche auf Anordnung 
der Sanitätsbehörden in North Brother Island internirt wurden. 
Da ein Theil der Emigranten von New-York in andere Ort¬ 
schaften, meist grosse Städte, sich begeben hatten, so wurden 
energische Ajaassregeln zur Ermittelung und Internirung der¬ 
selben ergriffen. Doch waren bereits in Chicago (7 Fälle), 
Pittsburg und anderen Orten Fälle von Flecktyphus aufge¬ 
treten. Alle Dampfer, die mit aus Flecktyphusgegenden stam¬ 
menden russischen Juden an Bord aus Europa anlangen, werden 
jetzt einer Quarantäne unterworfen und die Dampfer selbst 
dürfen erst nach sorgfältigster Desinfection einlanfen. 


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— In der prenssischen Armee werden gegenwärtig Versu¬ 

che mit einer neuenArt von Kriegs-Krankenbaracken 
angestellt, deren Wandungen aus Bastleder, einem neuen pa- 
tentirten Stoff, bestehen. Dasselbe besteht aus einem unter 
starkem Druck bearbeiteten Gewebe von Rohrabfällen, das 
grosse Dauerhaftigkeit mit Leichtigkeit vereinigt. Der Stoff 
ist 3 Mmtr. stark und feuersicher imprägnirt. Bastleder hat 
vor der Leinewand den Vortheil, dass es im Sommer die Hitze, 
im Winter die Kälte besser abhält. (A. in. C.-Zig.). 

— Von der riihmlichst bekannten Fabrik chirurgischer 
Instrumente und Bandagen H. Windler in Berlin (N. W. 
Dorotheenstrasse Nr. 3) ist uns ihr vortrefflich ansgestatteter 
Katalog für 1892 zugegangeu, der von der umfangreichen 
Thätigkeit der Fabrik Zeugniss ablegt und die mit Nummern 
versehenen Abbildungen aller Instrumente, Bandagen und 
Apparate enthält, wodurch die Bestellung nach dem Katalog 
sicher und einfach zu bewerkstelligen ist. 

— Von der Fabrik chirurgischer Instrumente, Bandagen 
etc. J. Harmsen in Hamburg (Roseustrasse 11) ist uns das 
Muster eines Holz-Zungenspatels eingesandt worden, der 
als einfach und bequem, vor Allem aber als den Anforderungen 
der Reinlichkeit entsprechend sehr empfohlen zu werden ver¬ 
dient, da er nnr zu einmaligem Gebrauch bestimmt ist, nach 
welchem er fortzuwerfen ist. Natürlich kann jeder Tischler 
das einfache kleine Instrument herstellen, das von obiger Finna 
aber fabrikmässig hergesteilt und zum Preise von 35 Pfennig 
pro Dutzend geliefert wird. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilliospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 21. März d. J. 3352 
(155 weniger als in der Vorwoche), darunter 429 Typhus — 
(26 weniger), 628 Syphilis — (47 weniger), 63 Scharlach — 
(1 weniger), 27 Diphtherie -- (1 mehr), 51 Maseru — (14 we¬ 
niger) und 9 Pockenkranke (8 weniger). 


Vacanzen. 

1) Die Bürgerschaft desFleckens Nowo-Mysch (Kreis 
Nowogrudok im Gouv. Minsk) sucht einen freiprakticirenden 
Arzt für den Flecken. Die Bürgerschaft stellt dem Arzte eine 
gute Wohnung mit Beheiznng und Beleuchtung zur Verfü¬ 
gung. Etwaige Bewerber belieben sich an die Bürgerschaft zu 
wenden unter der Adresse: «Crann. EapapoBHiH Mocx.-BpecT. 
*ea. *op. bi, ÜOBOMumcKyto Mtmaacxyio ynpaßy». 

2) Landschaftsarztstelle im Kreise Staraja Russa 
(Gouv. Nowgorod). Gehalt 1000 Rbl. jährlich bei freien Amts¬ 
fahrten. Nähere Auskünfte ertheilt die »CTapopyccKaa 3eMcica8 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für. die Woche vom 15. März bis 21. März 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 




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50 53 47 

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2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exantli. 1, Typh. abd. 9, Febris recurrens 6, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 8, Masern 16, Scharlach 
6, Diphtherie 5, Croup 2, Keuchhusten 5, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 35, Erysipelas 8, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 1, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 1, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyämie und Septicaemie 9, 
Tuberculose der Lungen 102, Tuberculose anderer Organe 10, 
Alkoholismus und Deiiriam tremens 3, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 37, Marassmus senilis 31, Krankheiten des 
Verdauungscanals 43, Todtgeborene 29. 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 31. März. 

^ Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 13. April. 


Bad Ems: Indicationen: Chronisch-katarrhalische and 
entzündliche Zustände der Schleimhäute und der anderen Ge¬ 
bilde der Athmungsorgane, von der Nase und dem Halse bis 
zu den feinsten Bronchien. Dieselbe Erkrankung de» Magens, 
des Darms und seiner Anhänge, der Gallengänge and Blase, 
der Niere and Harnblase mit Gries and Steinleiden, Eiweiss 
und Zuckerbildung im Urin, Uebersättigung des Körpers mit 
Harnsäure, Gicht, chronischer Rheumatismus, Katarrh, chrop. 
Entzündung mit Anschoppung der weiblichen Organe and 
ihre mannigfachen Folgen für das Blut and Nervenleben, 
Sterilität u. s. w. Nervöse Leiden versch. Art, besonders mit 
dem Character gesteigerter Erregbarkeit, Reconvalescenz nach 
Lungen-, Rippenfell- etc. Entzündungen, Folgen der Influ¬ 
enza u. s. w. Die günstigen Erfolge unserer Quellen und 
Producte, Pastillen pp. bei der von Neuem herrschenden In¬ 
fluenza erweisen sich durch den anhaltend steigenden Begehr. 


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■ /Y ff ft r fff C Quellen von 22-40* R. 

£ MW UU Beträchtlicher Lithiongehalt. 

™ Verschiedene Trinkquellen, Molken, Milchkur-Anstalt, Bäder jeder Tem¬ 

peratur, änsserc und innere Duucheu, Kaltwasserbehandlung, Massage, Inhala- 
tionsstile, pneumatische Cabiuette und Apparate jeder Art, Luftkurort «Malberg*, 
333 m. mit Drahtseilbahn. Kurzeit vom 1. Mai bi» L Ootober- Die 
Quellen und Bäder, sowie der grösste Theil der vorbezeicbneten Kurmittel stehen 
jedoch, auch schon vor und nach der officiellen Kurperiode zur Verfügung. 

Amtliche Prospecte über Kur-Einrichtungeu und Wohnungsverhältnisse 
versendet nur die Königl. Badeverwaltung und die Kur-Commissipn. 


flo sb. ueas. Cnö. 28 Mapra 1892 r. 


Herausgeber : Dr. Th. v. Schröder. Buchdruckerei tob Wien ecke, KatherinenhoJEer-Pr. H 15. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 



IMIIIMIE WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Br. Karl Behio. Br. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Br. Theodor von Schröder. 


St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medieinisclie Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend.— Der Abonnementapreii ist iu Su*land8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das Italbe Jahr incl. l'oetzuctellnng; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Znserüoneprril 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabznge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden naeh dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen houorirt. 


SV* Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate "W 

bittet man ausschliesslich an die Buchhaudlung von Qarl RjokfT i" 
St. Petersburg, Newsky-Prospect >6 14, zu richten — Äanusoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschäftsfiihrenden Reaacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjau6kaja N> 33,Quart. 3, zn richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonutags. 


N 14 


St. Petersburg, 4. (16.) April 


1892 


Inhalt: Zoege von Manteuffel: Casuistische Mittheilungen. — 0. Petersen: Das Enrophen als Verbondmittel. — 
Referate: fl. F. Nicolai: Verletzung durch Blitzschlag. — Pani Demieville: Snbcntane Injection von Salzwasser bei 
der Gastroenteritis kleiner Kinder. — C. H. H. Spronck: Die Invasion des Klebs-Löffler’sehen Diphtheriebacillus in die Unter¬ 
baut des Menschen. — V. Tassinari: Wirkung des Tahakrauches auf einige pathogene Mikroorganismen. — Bücheran¬ 
zeigen and Besprechungen: Arnold Pollatschek: Fortschritte der Therapie in den Jahren 1889 und 1890. — Paul 
Sollier: Der Idiot und der Imbecille. — H. Cohn: Lehrbuch der Hygiene des Auges. — Magnau: Psychiatrische Vorle¬ 
sungen. I. Heft: Ueber das Dälire chroniqne ä Evolution systematiqne. (Paranoia completa). — Die Privatheilanstalt zn 
Oberdöbling (Wien). — Wissenschaftliche Verhandlungen der Dorpater medicinischen Facultät. — Proto¬ 
kolle der Gesellschaft praktischer Aerzte zn Riga. — Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — 
Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin 
St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Casuistische Mittheilungen. 

Von 

Dr. Zoege von Manteuffel 

Dorpat. 


IL Pyaemia multiplex cryptogenetica. Gene¬ 
sung *). 

Am 22. Juni 1891 wnrde ich zn Herrn v. E. aufs Land 
consoltirt und fand bei ihm eine tiefe Phlegmone der rechten 
Achselhöhle, über deren Entstehnng mir der Patient und der 
behandelnde College. Dr. Hasenjäger, folgendes mittheilteu: 
Als Herr v. E. vor etwa 14 Tagen ein Paar unruhiger Pferde 
katschte, hatten sich die Enden der Leinen int Rade ver¬ 
wickelt. Nor mit einem gewaltsamen Ruck gelang es v. E. 
noch rechtzeitig die starken ledernen Leinen zn zerreissen. 
Dabei verspürte er in der Achselhöhle einen ziemlich heftigen 
Schmerz und gleich darauf eine erhebliche Schwäche im rech¬ 
ten Arm, die auch die folgenden Tage nicht weichen wollte. 
Trotzdem ging er den ganzen Tag Überim Walde nmher, legte 
auch bei den Arbeiten mehrfach selbst Hand an, doch störte 
ihn dabei eine schmerzhafte Schwäche und Steifigkeit. Nach 
3 Tagen wurde Temperatursteigernng constatirt und Pat. zu 
Bett gebracht. Er gab ferner an, seit seiner Schulzeit eine 
geschwollene Achselarüse, deren Entstehung er auf ein stark 
misshandeltes Ekzem zurückführte, bemerkt zn haben. Die Drüse 
war namentlich im Sommer, wo sein Beruf (Förster) ihn zu viel¬ 
fachem Gebrauch des rechten Armes nöthigte, immer wieder ange¬ 
schwollen und zwar zu solcher Grösse, dass sie ihn z. B. im 
Schlüssen hinderte, ohne doch dabei weh zu thun. Nach der 
gewaltsamen Muskelactlon beim Zerreissen der Leinen war die 
Drüse, die Dr. Hasenjäger noch einige Tage vorher zufällig 
deutlich vergrössert hatte fühlen können, nicht mehr nach- 
zuweisen gewesen. Wie ich später erfuhr, hatte Pat. einige 
Monate früher einen räudigen Hund selbst behandelt und 
in dieser Zeit eine kleine Risswunde an der rechten Hand be¬ 
merkt, die jedoch anstandslos verharscht nnd verheilt war. 
Ich ordnete die Ueberführung des bis 40° Fiebernden zur 
Stadt an, woselbst er eilige Tage später eintraf. Der Befund 
an dem kräftigen muscnlösen Manne war folgender: 

Respiration frequent, Puls circa 100; Temp. 39,9. Gesicht 
etwas cyanotisch. Haut von Schweiss bedeckt. Local fand 
sich am axillaren Rande des M. pectoralis dexter eine oedema- 
töse Infiltration, die die vordere Hälfte der Achselhöhle in 
ihrem unteren Theil einnahm und nach abwärts bis 3 Finger 
breit von der Brustwarze ging. Keine Fluctnation, keine 


*) In der Dorpater med. Gesellschaft vorgetragen. 


erhebliche Druckempfindlichkeit. Am anderen Tage, den 28. 
Jnni, Eröffnung des Abscesses in Narkose. Erst aof den Mm. 
intercostales stösst man auf den etwa apfelgrossen Abscess. 
aus dem sich dicker gelber Eiter, etwa von der Consistenz 
sauren Rahms, entleert. — Drainage, lockere Tamponade. Die 
Temperatur fällt auf 37,9, ist am folgenden Morgen 37,2, 
steigt jedoch gleich wieder. Am 3. Juli Eröffnung eines zwei¬ 
ten Abscesses in der linken Achselhöhle, der den M. pectoralis 
bis zur Clavicula hinauf nnterminirt, der auch hier beste¬ 
henden Schmerzlosigkeit wegen früher nicht bemerkt); vor¬ 
übergehender Temperaturabfall. Nach einigen Tagen tritt 
am rechten Oberschenkel und in der Weiche ein Erythem in 
grossen Flecken auf. Jetzt werden die Morgenreinissionea 
der Temperatur deutlicher; Abends immer noch 39,4—39,5; 
Puls um 100, Plötzlich eines Tages hartnäckiger Husten, 
ohne dass an den Langen was nachzuweisen ist, Sputum spärlich, 
schleimig, mehrere Fröste. (Consultation mit Prof. Dehio). 

Plötzlich am 14. Juli Schmerzen im Leibe, Abdomen gebläht, 
ohne dass vorher Stnhlverstopfung bestanden hätte. Nach 24 
Stunden spontan mehrere dünne Stühle, die etwas Eiter ent¬ 
halten; grosse Erleichterung. Ordinationen in der Folge, da 
der Stuhl wieder in Ordnung und keine Erscheinungen von 
Seiten des Abdomen: tägl. 1 Flasche Cognac, */* Fl. Champag¬ 
ner, 3 Glas Bier, Vs Fl. Rothwein (mit dem der Champagner 
versetzt wird). — Appetit vorzüglich, namentlich isst rat. 
viel Fleisch; täglich kalte Bäder. Damit gelingt es aber doch 
nur zeitweise die Temp. anf die Norm herabzudrücken, stets 
steigt sie wieder zur früheren Höhe. Milz nicht erheblich 
vergrössert. 

Am 22. Juli kann Pat. plötzlich sein linkes Bein nicht 
strecken, es steht in einem Winkel von ca. 150 -160 ft flectirt. 
Die Flanken beiderseits gedämpft, namentlich links, wo anch 
eine bei dem inzwischen fettleibig gewordenen Krauken nur 
undeutlich zu palpirende Resistenz und leichte Drnckempfind- 
liehkeit sich geltend macht. Ara 23. Juli plötzlich ziemlich 
lteftiger, sich steigernder Harndrang. Pat. mnss 13 Mal am 
Tage uriniren. Unn enthält bis linsengrosse Eiterflocken in 
mässiger Menge, mikroskopisch Eiterkörperchen nnd Kokken¬ 
ketten, anscheinend dieselben, wie sie sich auch im Abscess 
nach weisen Hessen. Jetzt geht die Temperatur stetig, aber 
langsam zurück. Die ganze Zeit über ist das Sensorium voll¬ 
kommen frei, der Kräftezustand ein vorzüglicher. Am 5. Aug. 
Temp. zum ersten Mal unter 37° Morgens, 37,5 Abends. Dann 
wird das Abdomen weicher. Der die letzten 10 Tage nur mit 
Klysma zu erzielende Stuhl wird weicher und kommt spontan. 
Blasenreizung besteht noch, nimmt aber auf einige Salolga- 
ben ab. 

Am 27. August konnte Pat. mit geheilter Wunde entlassen 
werden. Er sah frisch und gesund aus und hatte beträcht¬ 
lich zugenommen. 


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Diese kurze Wiedergabe der sehr langen Leidensge¬ 
schichte dürfte genügen um Ihnen, m. H., das Bemer- 
kenswerthe des Falles zu illustriren. So eigenthümlich 
wie die Entstehungsgeschichte der Achselhöhlenphlegmone 
war, so eigenthümlich waren die verschlungenen Pfade, 
die das pyämische Virus wählte, um doch schliesslich aus 
dem Körper eliminirt zu werden. Eine chronische 
Drüsenschwellung von jahrzehntelanger Dauer, jedoch 
nicht tuberculöser oder scrophulöser Natur, vielleicht eine 
Exacerbation ein gewisses Plus an Infectionskeimen 
durch die Rhagade — das sind die aufgespeicherten 
Schädlichkeiten. Eine kräftige Muskelaction, die die 
erweichte Drüsenmasse zum Platzen bringt, ist die aus¬ 
lösende Kraft, die das Virus in die Blut- und Lymphbahn 
bringt. Auffallend war die geringe Eitermenge, seine 
dicke Consistenz — Dinge die wir sonst in diesem Maasse 
bei Achselhöhlenphlegmonen nicht zu sehen gewolmt 
sind. Die Entleerung von 2 Eiterherden schafft nur vor¬ 
übergehenden Temperaturabfall. Es stellen sich Symptome 
einer Affection des Respirationstractus ein. Anfangs ver- 
muthete ich eine Pleuritis durch Contiguitätsausbreitung 
von der Achselhöhlenphlegmone durch die Thoraxwand. 
Es war jedoch objectiv nichts derartiges nachzuweisen. 
Vielleicht haben kleine pneumonische Herde bestanden, 
das Sputum wies nicht darauf hin; es war sehr spärlich, 
nur schleimig. Vielleicht aber, und die Wege, die das 
Virus im übrigen Körper wählte, scheinen darauf hinzu¬ 
weisen, war die Ursache des quälenden und heftigen 
trockenen Hustens eine Schwellung der Bronchialdrüsen. 

War bisher noch ein Zweifel an dem septisch-pyämi¬ 
schen Charakter des Processes möglich, so schwand der¬ 
selbe mit dem Auftreten des Exanthems. Noch während 
die Symptome von Seiten des Respirationstractus bestehen, 
kommt schon das Abdomen an die Reihe. Es wird auf¬ 
getrieben; Schmerzen stellen sich ein, die Zeichen peri- 
tonitischer Reizung. Auch diese localisirt sich eigenthümlich. 
Wie die Flectionsstellung der linken unteren Extremität 
zeigt, geht der Process an der hinteren Abdominalwand 
entlang, also dort, wo wiederum die Lymphdrüsen sich 
hinziehen. Von hier breitet er sich dann nach 2 Seiten 
aus, perforirt, wahrscheinlich extraperitoneal, in den 
Darm, bald darauf in die Blase, aus welchen Organen 
der Eiter, allerdings in spärlicher Menge, entleert wird. 

Wenn der Kranke alle diese Dinge relativ gut ertrug, 
ja im Verlauf des Krankenlagers sehr erheblich zunahm, 
so hat er das sicher seiner durch Waldluft und 
kräftige Bewegung gefestigten Constitution zu danken. 
Doch konnte ich der Alkoholtherapie, die ja neuerdings 
wieder etwas in den Hintergrund gedrängt werden soll, 
doch einen sehr bemerkenswerthen Einfluss nicht abspre¬ 
chen. Ganz ebenso wie nach den Bädern stieg der 
Appetit sofort zu der Höhe eines Reconvalescentenap- 
petits, ein Moment, das für die Erhaltung der Resistenz 
bei nicht absehbaren Eiterungen von der allergrössten 
Bedeutung sein muss. 

Eine kryptogenetische Pyämie im Sinne der älteren 
Schule erkennen wir nicht mehr an. Irgendwo muss das 
Virus die innere oder äussere Oberfläche des Körpers 
durchsetzt haben. Nur die Eingangspforte ist oft nicht 
mehr zu finden, sie ist schon verheilt, bis die Erschei¬ 
nungen der Allgemeinerkrankung auftreten. Dass aber 
die Eitererreger als noch locales Leiden Jahrzehntelang 
ruhig im Körper herumgetragen werden können, um 
schliesslich doch Allgemeininfection zu bedingen, dürfte 
vorstehender Fall recht anschaulich illustriren. 

Noch aus anderen Gründen habe ich geglaubt Ihnen, 
m. H., diese casuistische Mittheilung nicht vorenthalten 
zu dürfen. Ist doch der Gang, den die Eitererreger 
wählen, ein in solcher Ausdehnung ungewöhnlicher. Nicht 
sehen wir, wie sonst meist, die synovialen, und nur 
ganz secundär eine seröse Höhle in Mitleidenschaft gezogen. 
Ebensowenig findet sich eine Betheiligung der grossen 


Drüsen. — Ganz ausschliesslich hält sich der Process an 
den Lymphapparat, ein Gang, wie ich ihn auch in der 
jüngst von Denniz veröffentlichten Arbeit (Ueber septische 
Erkrankungen: Leipzig, Vogel 1891) nicht angegeben 
gefunden habe. Auch sonst ist mir aus der Litteratur 
kein Fall bekannt, in dem das pyämische Virus aus¬ 
schliesslich die Lymphdrüsen in so multipler Weise 
ergriffen hätte, und die Blutbahn unberührt gelassen hätte. 

III.Ein Alkoliolbehälter für denOperationssaal. 

Seit Fürbringer’s Publicationen über die Desinfection 
der Hände ist der Gebrauch von Alkohol vor der An¬ 
wendung des eigentlichen Desinficiens wohl ein ziemlich 
allgemeiner Ich habe mich seit der Zeit stets dieses 
Mittels bedient und habe den Eindruck gewonnen, dass 
kein anderes fettlösendes Mittel die Einwirkung des 
nachfolgenden Antisepticum so begünstigt, weder Aether 
noch das viel billigere Benzin, weil sie beide zu flüchtig 
und in Wasser unlöslich sind. Während ich in dieser Hin¬ 
sicht mich durchaus den Fürbringer’schen Ausführungen 
anschliessen kann, muss ich gestehen, dass die praktische 
Ausführung umständlich und theuer ist, beides Uebel- 
stäude, die in einer grösseren Klinik, wo viele Hände 
mithelfen, vielleicht weniger fühlbar sind, in kleineren 
Hospitälern aber recht unbequem werden. Entweder es 
sind 2 Hände nöthig, die dem Operateur den Alkohol 
auf den Wattebausch giessen und danach wieder selbst 
desinflcirt werden müssen, was sich bei jeder Operation 
schon wegen der Assistenz häufig wiederholen wird, oder 
es muss der Alkohol in eine offene Schaale gegossen 
werden, wobei sehr viel durch Verdunstung verloren geht 
und der Rest meist fortgegossen werden muss. 



Ich habe mir nun einen kleinen Apparat construirt, der 
mir schon längere Zeit in der Privatklinik und seit 
kurzem auch in dem hiesigen Kreishospital gute Dienste 
leistet. Der Apparat besteht, wie nebenstehende Abbil¬ 
dung zeigt, aus einer Wolf sehen Flasche (a), die oben 2 
Oeffnungen aufweist, deren eine (6) das Zugiessen von 
Alkohol gestattet, während die andere den Zutritt filtrirter 
Luft ermöglicht. Um aber zugleich das Luftrohr beim 
Nichtgebrauch abzuschliessen, habe ich das von c abge- 


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131 


Iiende gebogene Glasrohr mit einem Gummischlauch arrairt, 
der mit dem von d abgehenden Abflussrohr durch den¬ 
selben Krahn läuft, mithin zugleich mit ihm geöffnet und 
geschlossen wird. Den Krahn habe ich vom Instrumenten¬ 
macher Schwabe aus Moskau gekauft. Er schliesst durch 
einen von Federkraft getriebenen Stempel beide Rohre 
bei /. Tritt man auf das Brett g , so zieht man den 
Stempel im Krahn herab und öffnet beide Rohre gleich¬ 
zeitig, ohne Gebrauch der Hände. Der Krahn ist sowohl 
an wagerecht, wie senkrecht stehenden Brettkanten (Tisch, 
Thüre) anzuschrauben, und ist von Schwabe auf dem 
internationalen Congress in Berlin an Waschtischeinrich¬ 
tungen demonstrirt. Die Abbildung zeigt den Krahn 
geschlossen. Will man die zuströmende Luft filtriren, so 
kann man bei h in das Gummirohr etwas Watte schieben. 
Bei i habe ich eine kleine Glasspitze angebracht, sowohl 
um ein constantes Herabhängen zu erzielen, als auch, 
weil gelegentliche zufällige Berührungen mit den Händen 
oder der den Alkohol auffangenden Watte eine Desin- 
fection dieses Endes wünschenswerth erscheinen lassen. 
Soll der Apparat gut functioniren, so muss stets die 
Flasche etwas höher stehen als / und sollen zweitens die 
beiden Rohre in / über einander, nicht neben einander 
liegen. 


Das Europhen als Verbandmittel *) 

Von 

Dr. 0. Petersen 
in St. Petersburg. 

Im Verlauf der letzten zehn Jahre begegnete man oft 
der Mittheilung, es sei ein Mittel gefunden, welches das 
Jodoform vollständig ersetze, aber leider sah man sich 
fast ebenso oft enttäuscht. Es ist daher ganz natürlich, 
dass wir uns derartigen Mittheilungen gegenüber änsserst 
skeptisch verhalten. Von allen Ersatzmitteln des Jodo¬ 
forms hat mir nur ein Mittel genügt, welches in der 
That gute Resultate giebt, wie ich im«Wratsch» vor l*/a 
Jahren berichtet: das ist das Pyoktanin. Im Verlaufe 
der letzten 2 Jahre habe ich es in grossem Maassstabe 
sowohl in der Hospitals- als auch in der Privatpraxis 
angewandt und bin mit ihm vollkommen zufrieden. Aber, 
wie es keinen Menschen ohne Fehler giebt, so hat auch 
jedes Mittel ausser seinen Licht- auch seine Schatten¬ 
seiten. Die Nachtheile des Pyoktanin bestehen darin, 
dass es bei ungenügender Vorsicht des Kranken die Wä¬ 
sche verfärbt, und zweitens, dass es sich nicht eignet zu 
Verbänden, die wir auf Wunden oder Geschwüren länger 
liegen lassen wollen, z. B. bei Druckverbänden nach 
Auskratzung von Bubonen. 

Daher sind wir gezwungen immer wieder neue Mittel 
zu versuchen, um ein gutes Surrogat durch ein besseres 
zu ersetzen. Jodol, Sozojodol, Aristol und Dermatol ha¬ 
ben mir ungenügende Resultate gegeben. Vor einigen 
Monaten tauchte ein neues Mittel auf: das Europhen. Die 
Erfahrungen, die ich mit diesem Mittel gemacht habe, 
sind so befriedigende, dass ich es für meine Pflicht halte, 
sie den Collegen mitzutheilen, in der Hoffnung, dass sie 
sich bewogen sehen werden, auch selbst das Mittel zu 
versuchen. 

Die erste Mittheilung über Europhen als ein Mittel, das im 
Stande wäre das Jodoform in vielen Fällen zu ersetzen, 
hat Siebei *) gemacht. Nach seinen Erfahrungen ver- 

# ) Vorliegende ist die einzige vom Verf. antorisirte 
Uebersetzung seiner im ; « Wratscn» erschienenen Arbeit. Die von 
der Verwaltung der Farbenfabriken vormals Bayer und Co. 
in Elberfeld ohne Wissen des Verf.’s veranstaltete und ver¬ 
sandte Uebersetzung bittet Verf. unbeachtet zu lassen, da er 
dagegen protestiren muss, dass russische Arbeiten zu Recla- 
men verwandt werden, ohne die Einwilligung des Verf. ein¬ 
geholt zu haben, die der Verf. entschieden verweigert hätte. 

') Therapeutische Monatshefte 1891 Nr. 8. 


zögert Europhen bedeutend die Entwickelung der Eiter¬ 
kokken und anderer Mikrobien, während es zugleich für 
den Menschen vollkommen ungiftig ist. Ein Mensch kann 
innerlich 0,5 Europhen einnehmen, ohne irgend eine Ne¬ 
benwirkung zu spüren, nach 1,0 tritt ein schnell vor¬ 
übergehendes Magendrücken ein. Eines nur ist änsserst 
bedauerlich: die Fabrik vormals F. Bayer und Co., hat 
die Herstellungsweise des Europhen leider nicht detail- 
lirt angegeben. Siebei beschränkt sich auf die Mitthei- 
lnng, dass das Europhen gewonnen werde durch Einwir¬ 
kung von Jod auf Isobutylorthokresol bei Anwesenheit 
von Salzen der Alkalien. Das Europhen, oder chemisch 
ausgedrückt, das Isobutylorthokresoljodid, enthält 28,l°/o 
Jod und stellt ein änsserst feines, gelbes Pulver dar, 
unlöslich in Wasser, dagegen leicht löslich in Alkohol, 
Aether, Chloroform und in Oelen. Ueber den Geruch 
schreibt Siebei nichts; Eichhof 2 ) sagt, Europhen habe 
einen aromatischen Geruch, der leicht an Safran erin¬ 
nere und Nolda 3 ) begnügt sich mit der Angabe, Euro¬ 
phen habe einen nicht unangenehmen Geruch. Ich mei¬ 
nerseits möchte behaupten, der Geruch erinnere an den 
des Cedernholzes, andere Collegen haben gefunden, es 
rieche nach Thymol, Jod, etc. Mit einem Wort, und 
das ist hier die Hauptsache, Europhen hat keinen star¬ 
ken und eigenartig widrigen Geruch, wie Jodoform 4 ). 
Die Farbe des äusserst feinen Pulvers ist nicht so gelb, 
wie die des Jodoforms und Dermatols, und ist eher bräun¬ 
lich-gelb, so dass man es leicht von Dermatol unter¬ 
scheiden kann; am meisten Aehnlichkeit hat es in der 
Farbe von Aristol. Eichhof fügt noch hinzu, das Euro¬ 
phen löse sich leicht in Collodium und Traumaticin. 'Wich¬ 
tig ist noch (wie es auch auf den Schachteln, in denen 
das Pulver verschickt wird, angegeben ist), dass man 
das Europhen nicht der Einwirkung von Licht und Feuch¬ 
tigkeit aussetzen darf, welche beiden es schnell zer¬ 
setzen; übrigens habe ich es 2 Monate lang in meiner 
Hospitalabtheilung gehalten, ohne dass es sich zersetzt 
hätte. Zum Gebrauch halte ich es in einem dunklen 
Glasgefäss. Uebrigens hat neulich ein Patient Europhen 
aus der Apotheke in einem hellen Glase bekommen und 
ist im Verlauf von 3 Tagen keine Zersetzung zu be¬ 
merken gewesen. Der Preis ist, wie bei jedem neuen, 
noch dazu patentirten Mittel, ein verhältnissmässig hoher, 
3 Rbl. 60 Kop. die Unze, doch ist es auch jetzt in der 
That nicht theuer, da es 5 Mal leichter ist als Jodo¬ 
form. 

Ueber die therapeutische Wirksamkeit des Europhen 
sind, ungeachtet der kurzen Zeit, schon 4 Arbeiten er¬ 
schienen, über die ich referiren will, bevor ich meine 
eigenen Resultate berichte. 

Die erste Mittheilung über die Wirkungen des Euro¬ 
phen stammt von Eichhof. Er wandte das neue Mittel 
als Streupulver unvermischt, in Salben, und subcutan in 
Oel gelöst in folgenden 33 Fällen seiner Praxis an: 15 
Fälle von Syphilis, 6 Fälle von parasitärem Ekzem, 2 
Fälle von Ulcus molle, 2 Fälle von Gonorrhoe, 2 Fälle 
von Ulcus cruris, 1 Fall von Ekzema impetiginosum, 1 
Fall von Psoriasis, 1 Fall von Favus, 1 Fall von Scro- 
phuloderma, 1 Fall von Lupus und 1 Fall von Combu- 
stio. Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich; dass 
als Indication für die Anwendung des Europhen Desin- 
fection diente. Eichhof kommt dabei zu folgenden 
Schlüssen: Europhen wirkt günstig auf venerische Er¬ 
krankungen und wird einen festen Platz unter den Des- 
inftcientia einnehmen; seine Wirkung erklärt sich aus 
einem allmäligen, aber beständigen Abspalten kleiner 


2 ) Therapeutische Monatshefte 1891 Nr. 8. 

3 ) Therapeutische Monatshefte 1891 Nr. 10. 

4 ) Einer meiner Privatpatienten hat übrigens schon ein 
Mittel gefunden, um auch die Spuren von Geruch zu beseiti¬ 
gen, indem er sich sein Taschentuch mit Syringenodeur par- 
fumirte. 


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182 


Mengen von Jod; seine Wirkung tritt nnr bei Anwesen¬ 
heit von Feuchtigkeit (auf feuchten Flächen) ein; bei 
Ekzema parasitarium, Psoriasis und Favus ist Europhen 
wirkungslos. Dank dem Europhen kann man den Gebrauch 
des Jodoforms einschränken. Zu den 38 kurzen Kranken¬ 
geschichten, die Eichhof anführt, muss ich einige Be¬ 
merkungen machen. Im ersten Falle, einer ulcerirten 
Sklerose von der Grösse eines silbernen Fünfkopeken¬ 
stückes, hat Eichhof 2 Mal täglich das Pulver aufge¬ 
streut; nach 5 Tagen hörte die Eiterung auf und nach 
10 tägiger Behandlung (es waren 5 Quecksilberinunctio- 
nen gemacht worden) waren nicht nur die Geschwüre 
glatt vernarbt, sondeni auch die knorpelige Induration 
war verschwunden. Eine so frappante Wirkung haben 
wir bisher noch bei keinem einzigen Mittel gesehen und 
daher entsteht unwillkürlich ein Zweifel an der Objecti- 
vität des Beobachters und das Misstrauen gegen das 
Mittel wird verstärkt. Dasselbe muss man auch vom 
2. Falle sagen, in dem breite Condylome des Afters bei täglich 
Bmaliger Bepuderung mit Europhen vollständig schwanden. 
Nach derartigen Resultaten wundert man sich um so mehr, 
dass bei parasitärem Ekzem, (der Autor hat wahrscheinlich 
Dermatomykosis im Auge), Europhen gar keine Wirkung 
zeigte. Auf solche Fälle bezieht sich augenscheinlich auch 
die Bemerkung Eichhof’s, dass Europhen nur bei An¬ 
wesenheit von Feuchtigkeit wirke. Da nun bei der näs¬ 
senden Flechte (Ekzem) immer einige Feuchtigkeit vor¬ 
handen ist, so hat Eichhof es offenbar nicht mit Ek¬ 
zem zu thun gehabt. Dagegen hat in 4 Fällen, wo er das 
Europhen auf Wunden an wandte, die umgebende Haut ein 
ekzematöses Ansehen gewonnen. 

Die subcutane Anwendung des Europhen bei Syphilis 
(0,015—0,1 täglich einmal eingespritzt) stellt, obgleich 
die Erscheinungen zum Schwinden gebracht wurden, den¬ 
noch keinen Fortschritt in der Therapie der Syphilis 
dar, da sie keinerlei Vorzüge vor anderen Methoden der 
Therapie aufweist. Interessant ist nur, dass bei ver- 
hältnissmässig geringen Mengen nach der ersten Ein¬ 
spritzung sich Leib- und Kopfschmerzen einstellten; die 
folgenden Einspritzungen riefen jedoch keine Nebenwir¬ 
kungen mehr hervor (Temperaturmessungen wurden leider 
nicht angestellt). Daher verdient der Vorschlag Eich¬ 
hof’s, das erste Mal nur eine kleine Quantität zu inji- 
ciren und dann allmälig die Dosis zu steigern, ernste 
Beachtung. In die Beschreibung des 29. Falles (pag. 
384) hat sich ein unangenehmer Druckfehler eingeschli¬ 
chen: es wird gesagt, es seien (',5 eingespritzt worden, 
offenbar muss man aber lesen: 0,05. Bei Gonorrhoe wa¬ 
ren die Resultate schlechter als negativ. Die Reizung 
der Urethra und die Schmerzen wurden vermehrt. Eich¬ 
hof spritzte eine‘/ j— 2‘/-s pCt. Emulsion ein^ (Europhen 
1,0—5,0, Oleum oliv, und Gummi arabicum ää 10, Aquae 
dest. 200,0). Und so ermuthigte die Arbeit Eichhof’s 
im Allgemeinen nicht zu Versuchen mit dem neuen Mit¬ 
tel, und zwar um so weniger, als er in Elberfeld lebt, wo 
sich auch die das Europhen erzeugende Fabrik befindet. 

Die zweite Arbeit ist von Löwenstein 6 ) (auch aus 
Elberfeld), der das Europhen in 23 Fällen von Nasen- 
und Ohrenkrankheiten angewandt hat. Er hat ganz gute 
Resultate bei atrophischer Rhinitis, bei leicht blutenden 
Erosionen der Nasenscheidewand und bei kleinen Opera¬ 
tionen in der Nase erhalten. Bei Ozaena zieht er das 
Aristol vor. In 2 Fällen von Tuberculosis laryngis blieb 
Europhen wirkungslos. Löwenstein schlägt vor, es in 
Salbenform anzuwenden. Seine Arbeit muss man als 
objectiv anerkennen und daher hinterlässt sie den Allge¬ 
meineindruck, dass man dem Europhen augenscheinlich 
gute Wirkungen zuschreiben kann. 

Die Arbeit Petersen’s fi ) bestätigt auch die therapeu- 

5 ) Therapeutische Monatshefte 1891 Nr. 9. 

r j Münchener med. Wochenschrift 1891 N. 10. 


tische Wirksamkeit des Europhen. Endlich ist noch ein 
Artikel von A. Nolda" 7 ) erschienen, welch’ Letztererdas 
Europhen in 7 Fällen von Ulcus molle als Streupulver 
2 Mal täglich anwandte und in 7—14 Tagen Heilung 
erzielten. Ferner hat das Mittel noch in 2 -Fällen 
von Ulcera cruris und in einem Fall von hartem Schan¬ 
ker gut gewirkt und mit besonderem Erfolge ist es in 
drei Fällen von eitriger Otitis media angewandt worden. 
Nolda kommt zu dem ein wenig voreiligen Schluss, 
man könne das Europhen in allen Fällen, wo man bis¬ 
her Jodoform anwandte, brauchen. Wie schnell sich in 
unserer Zeit die Autoren eine Meinung bilden, kann 
man sehr schön im gegebenen Falle sehen. Nolda ver¬ 
sichert ganz ruhig, das Europhen übertreffe an Wirksam¬ 
keit das Jodoform, und thut dieses, gestützt auf einen 
einzigen Fall, wo er die eine Hälfte eines ausgebreiteten 
weichen Schankers mit Jodoform, die andere mit Euro¬ 
phen bestreute, wobei letztere 2 Tage früher zuheilte, 
als erstere! 

Ich trat, nach Durchsicht obengenannter Arbeiten, mit 
einigem Misstrauen an die Prüfung des Europhens heran, 
einem Gefühl, welches immer auftaucht, wenn ein neues 
Mittel übermässig gelobt wird, zumal wenn die Autoren 
es direct vom Fabrikanten erhielten. 

Bis jetzt habe ich das Europhen in 60 Fällen ange- 
wand und zwar: 

in 25 Fällen von Circumcisio 

» 20 » » Ulcus molle 

» 7 » » Ulcus durum 

» 3 » » gummösen Geschwüren 

» 2 » » Spaltung von Bubonen 

» 2 » » Geschwüren des Scrotums und 

» 1 » » Panaritium. 

Wie man aus der Zusammenstellung sieht, gehören 
alle meine Fälle der kleinen Chirurgie an; daher haben 
weder ich noch die anderen Autoren das Recht von 
einem völligen Ersatz des Jodoforms durch das Europhen 
zu reden. Es ist sehr leicht möglich, dass sich hier das¬ 
selbe abspielen wird, wie mit dem Pyoktanin. Die Ver¬ 
treter der kleinen Chirurgie lobten es, daher fing man 
an es auch bei grossen Operationen zu verwenden, wo 
es sich als ungeeignet erwies 

Die Resultate, die ich erhalten habe, sind, wie schon 
bemerkt, sehr befriedigende. 

Die Circumcisionswunden heilten fast alle per primam 
(die genähten Wunden wurden mit dem Pulver bestreut, 
darauf kam sterilisirte Marly, Watte und eine Binde, 
Verbandwechsel täglich oder über einen Tag). Nur in 
einem Fall, wo der Patient 2 Tage nach der Operation 
an Influenza erkrankte, ging ein Theil der Wunde wie¬ 
der auf; in 2 Fällen gingen die Wunden 3—4 Tage 
nach der Verheilung in Folge heftiger Erectionen wie¬ 
der auf. 

In Fällen von weichem Schanker reinigten sich die 
Wunden schnell und verheilten 8 ). Die Einpuderung der 
Wunden mit Europhen geschah im Hospital 1—2 Mal 
täglich, in der Privatpraxis 3—5 Mal, je nach dem Zu¬ 
stande der Geschwüre. Hierbei muss ich hervorheben, 
dass die Geschwüre nicht ausgeschabt und mit Desinficien- 
tien gewaschen, sondern nur mit hygroskopischer Watte 
abgewischt wurden 9 ). In einem Falle verheilten 2 wei¬ 
che Schanker der Streckseite des Vorderarms langsam 
(ca. in :< Wochen). Der Kranke, von recht schlechter 
Constitution und Ernährung, trat mit 7 recht unreinen 

: ) Therapeutische Monatshefte 1891 Nr. 10. 

8 ) Die Zahl der Fälle ist noch zu gering, um eine Durch¬ 
schnittsdauer der Heilung zu berechnen. Sie ging in 12—15 
Tagen vor sich. 

0 In einem Falle, der in der Poliklinik des klinischen In¬ 
stituts behandelt wurde, wurden am 16. December 2 weiche 
Schanker der Pars pendula ausgekratzt und mit Europhen 
verbunden. Als ich den 21. Dec. (nach 5 Tagen), den Verband 
abnahm, waren die Wunden schon vernarbt. 


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13 « 


retroglandulären Geschwüren, die einen härtlichen Boden 
hatten, in’s Hospital ein. Die Ingninaldrüsen waren ver¬ 
größert, ein wenig schmerzhaft, ziemlich hart. Die 
Anamnese ergab Syphilis. In Folge dessen wurden, der 
Differentialdiagnose wegen, Impfungen auf den Vorder¬ 
arm gemacht. Es entstanden typische weiche Schanker, 
deren Grund jedoch bedeutend indurirte. Anfangs ver- 
grösserten sich die Geschwüre trotz des Europhen, welche 
Thatsache übrigens sich nach 10 Tagen aufklärte. Der 
Kranke begann über Halsschmerzen zu klagen; auf den 
Tonsillen erschienen Schleimhautpapeln; folglich hatten 
wir es mit einem Syphilitiker zu thun, der einen wei¬ 
chen Schanker acquirirt hatte und bald darauf ein Reci- 
div bekam. Die Geschwüre auf dem Penis verheilten 
viel schneller, als die auf dem Vorderarm; nach 4Injec- 
tionen von Hydrarg. salicyl. (wöchentlich einmal 0,1) 
verschwand die Härto des Grundes schnell. 

Auch bei hartem Schanker nnd zerfallenem Gumma er¬ 
hielt ich mehrfach gute und ziemlich schnelle Erfolge. 

Am meisten iuteressirte mich die.Wirkung des Europhens 
bei eröfifheten und ausgekratzten Bubonen. Leider hatte 
ich in letzter Zeit nur 2 derartige Fälle und kann 
nur sagen, dass auch hier die Resultate gute waren. 
Der Druckverband wurde 7—9 Tage liegen gelassen, 
nach seiner Abnahme erwiesen sich die Wunden als rein 
und in Heilung begriffen, obgleich ich in einem Falle 
eine Dermatitis der Umgebung fand. 

In einem Fall von Panaritium wurde die Heilung mit 
2 maligem Verbandwechsel (nach 4 nnd 3 Tagen) erzielt. 

Und so kann ich auf Grundlage meines, ich wiederhole 
es, nicht grossen Materials sagen, dass das Europhen 
ein taugliches Surrogat für Jodoform in der kleinen 
Chirurgie und bei weichem Schanker bildet und verdient, 
dass die Versuche mit ihm fortgesetzt werden. Ein Je¬ 
der, der weiss, wie die Privatpatienten den Geruch des 
Jodoforms scheuen, wird begreifen, wie wichtig es ist, 
ein Mittel zu haben, welches weiche Schanker zum Ver¬ 
heilen bringt, Ohne dass die Kranken ihre Bernfsthä- 
tigkeit zu unterbrechen brauchen. 

Zum Schluss muss ich bemerken, dass in Bezug auf 
weiche Schanker das Europhen eben nur die Rolle eines 
«Streupulvers für den Verband» spielt; für eine erfolg¬ 
reichere Therapie verbleibt dennoch der Auskratzung 
die Hauptrolle, da sie alles pathologisch veränderte Ge¬ 
webe nnd die Parasiten entfernt. 


Referate. 

H. F. Nicolai: Verletzung durch Blitzschlag. (Deutsche 
Militärärztl. Zeitschr. 1892). 

Am 9. Juni 1891 schlug ein Blitzschlag in eine Gruppe 
Soldaten, die bei einer Felddienstübung auf dem Schätzelberge 
bei Mariendorf unweit Berlin beschäftigt war, und tödtete ein 
Pferd, während durch Neben strahlen ein Mann schwer nnd 4 
Mann leicht verletzt wurden, so wie ein Officier, der 10 Schritte 
»bseits vom Pferde stand, und mehrere andere Leute, welche 
in der Nähe standen, umgeworfen und betäubt wurden. Verf. 
hat den vorliegenden Unglücksfall zum Thema einer einge¬ 
henden Betrachtung gewählt, wobei er die genau geführten 
Krankenbogen anführt. Von den Verletzten genasen einige 
früher, andere nach längerer Zeit; die Blitzfiguren auf dem 
Körper der Verletzten sind theilweise durch photographische 
Abbildungen erhalten und werden eingehender Erklärung 
unterworfen. — Auf das Nähere einzngehen verbietet uns der 
Ranm, doch können wir bei der spärlichen Litteratur, die 
über diesen Gegenstand existirt, Jedem, den es interessirt, 
diese gründlich durchgearbeitete Schrift empfehlen, die als Son¬ 
derabdruck zum Verkauf vorliegt. Verf. kommt zu folgendem 
Schluss: «So mannigfach sich auch die Erscheinungen gestalten 
mögen, so lassen sich dieselben bei nüchterner Betrachtung 
doch stets auf dieselben allgemeinen Gesetze zurückführen, und 
die Mannigfaltigkeit hat ihren Grund nicht in einer qualitativ 
verschiedenen Einwirkung derselben Kraft, sondern nur in 
der Verschiedenheit der Angriffsobjecte, in der verschiedenen 
Art des Verhaltens letzterer gegenüber der gewaltigen Ein¬ 
wirkung des Stromes nnd in der Verschiedenheit der Medien, 
welche die betroffenen Körpertheile umgeben». Grimm. 


Paul Demiöville: Subcutane Injection von Salzwasser 
bei der Gastroenteritis kleiner Kinder. (Revue m^dic. 
de la Snisse Romande. Nr. 1). 

Wir haben bereits mehrfach Referate über die Anwendung 
der subcalanen Wasserinjectionen bei acuten katarrhalischen 
Affectionen des Darmtractus gebracht und wollen nicht unter¬ 
lassen auf den von DemiSville beschriebenen Fall aufmerk¬ 
sam zu machen, der sehr geeignet ist den Nutzen der er¬ 
wähnten Therapie zu demonstriren. Ein 7 Monate altes Kind, 
welches mit Kuhmilch ernährt wird, erkrankt an profuser 
Diarrhoe, welcher sich nach einigen Tagen Erbrechen hinzu¬ 
gesellt. Alle Mittel versagen ihren Dienst, weder Calorael 
nnd Kreosot noch die Anwendung von Cognacwasser und 
Taninklysmen sind im Stande Linderung zu schaffen. Am 
5. Tage der Erkrankung constatirt der Autor das vollstän¬ 
dig ausgeprägte Bild der Erschöpfung und des Verfalles, mit 
Krämpfen und nicht mehr fühlbarem Pulse. Es werden nun 
150 Gramm einer 6°/<x> Kochsalzlösung unter die Haut infun- 
dirt mit darauf folgender centripetaler Massage. Bald nach 
der Operation hörten Erbrechen und Diarrhoe auf, der Puls 
war wieder fühlbar, und das Kind erholte sich im Verlaufe 
einiger Tage vollkommen. A b e 1 m a n n. 

C. H. II. Spronck: Die Invasion des Klebs-Löffler’schen 
Diphtheriebacillus in die Unterhaut des Menschen. 
(Centralbl. f. allg. Path. und pathol. Anatomie, Bd. III. 
Nr. 1, 1892). 

Verf. hat bei 3 Obductioneu von Kindern, welche an Diph¬ 
therie gestorbeu und einige Tage vor dem Tode tracheotomirt 
worden waren, in der Umgebung der Operationswunde ein 
mehr oder weniger ausgedehntes subcutanes Oedem gefunden. 
Dasselbe bestand ans einer farblosen oder leicht gelblichen 
Flüssigkeit, welche eben nur das subcutane Bindegewebe er¬ 
füllte. An der äusseren Haut, sowie an den Wundrändern 
war von einer Schwellung oder Röthnng wenig oder gar nichts 
zu entdecken. In allen 3 Fällen gelang es dem Vert. aus der 
Oedemflüssigkeit reichliche Culturen der Diphtheriebacillen zu 
züchten. Ausser diesen Bacillen, welche zuweilen direct als 
Reincultnren der Leiche entnommen werden konnten, fanden 
sich in der Nähe der Tracheotomiewunde dazu noch Mikro¬ 
kokken. 

Ohne seinen wenigen Untersuchungen mehr als eine vorläufig 
orientirende Bedeutung beiznmessen, glaubt Verf. doch darauf 
hinwemen za müssen, «dass auch beim Menschen die Diphthe¬ 
riebacillen das lockere Zellgewebe invadiren können und dass 
diese Invasion durch Entwickelung eines progressiven ent¬ 
zündlichen Oedems gekennzeichnet ist ... auch bei gutem 
Aussehen der Wunde». 

Die Möglichkeit einer derartigen C'omplication des Wund- 
verlaufes nach Tracheotomie wegen Diphtherie ist jedenfalls 
von prognostisch nicht zu unterschätzender Bedeutung. 

Wladimirow. 

V. Tassinari: Wirkung des Tabakrauches auf einige 
pathogene Mikroorganismen. (Vortrag, gehalten auf 
dem XIV Congress der italienischen Medicinischen Ge¬ 
sellschaft (Arch. ital. de biologie XIV, Fase. I, 1891). 

Schon Hufeland empfiehlt in seiner Makrobiotik den Aerz- 
ten während der Epidemien Tabak zu rauchen, falls sie dar¬ 
an gewöhnt sind, um sich dadurch vor Infection zu schützen, 
ohne eine weitere Begründung seines auf Empirie gestützten 
Rathes angeben zu können. Diese Begründung wird nunmehr 
von der exacten Forschung geliefert, denn, wie die Versuche 
von Tassinari schliessen lassen, ist der Tabaksrauch, we¬ 
nigstens für gewisse pathogene Bakterien, durchaus nicht in¬ 
different. 

Mit Hilfe eines besonders construirten Apparates hat T. 
eine Reihe von Krankheitserregern in Bouillonculturen kür¬ 
zere und längere Zeit dem Rauche verschiedener Cigarren- 
und Tabaksorten ansgesetzt und sie darauf auf ihre Fort- 
flanznngsfähigkeit in Plattenculturen geprüft. Angesichts 
er Resultate seiner zahlreichen Untersuchungen fühlt sich T. 
berechtigt, folgende Thesen aufzustellen: 

1) Der Rauch der Cigarren (cavonr, Virginia, toscans) nnd 
des Tabaks (moro, trinciato) besitzt eine ausgesprochene bak- 
terientödtende Wirkung, besonders gegenüber aem B. choler. 
asiat. 

2) Diese bakterientödtende Wirkung muss aller Wahrschein¬ 
lichkeit nach den Verbrennungsproaucten (prodnits pyrogA- 
nianes) des Nicotins zugeschrieben werden. 

o) Zur Zeit von Cholera- und Typhusepidemien kann die 
Gewohnheit Tabak zu rauchen, anstatt zu schaden, sogar 
von einigem Nutzen sein. 

4) Der Tabakrauch verdient in der Hygiene des Mundes 
ernste Beachtung als prophylaktisches Mittel gegen Affectio¬ 
nen der Mundhöhle parasitären Ursprungs. 

Wladimirow. 




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134 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Arnold Pollatschek: Fortschritte der Therapie in den 
Jahren 1889 und 1890. (Ycnixa Tepania. Eaceroa- 
hhkT) äjä npaRTauecKBXT» Bpaueft). Uebersetzung ans 
dem Deutschen mit einigen Zusätzen ans der russischen 
Literatur. Verl, der Kais. Hofbuchhandlung H. Schmitz¬ 
dorff (Kranz und Böttger). St. Petersburg, 1892. 471 S. 

Das bekannte therapeutische Jahrbuch Dr. Po Hatsche k’s, 
welches in gedrängter Kürze eine dankenswerte Zusammen¬ 
stellung der in der medicinischen Fachliteratur der Jahre 
1889 und 1890 zerstreuten therapeutischen Angaben, nach dem 
Namen der Krankheiten alphabetisch geordnet, enthält, und 
dadurch dem praktischen Arzt ein recht brauchbares Hülfs- 
mittel zur raschen Orientirung in der Masse der therapeuti¬ 
schen Arbeiten ist, liegt uns hier in einer ganz gelungenen 
russischen Uebersetzung vor. Der Gedanke der Verlagsbuch¬ 
handlung, die werthvolle Arbeit auch dem russischen Aerzte 
Publicum leichter zugänglich zu machen muss als ein recht 
glücklicher bezeichnet werden. Eine Bereicherung hat die 
russische Ausgabe dadurch erfahren, dass in derselben auch 
die einschlägige russische Literatur (unter jedesmaliger Quel¬ 
lenangaben) Berücksichtigung gefunden hat, was den Werth 
des Buch es noch erhöht, welches, wie bereits im Auslande so 
auch unter den russischen Praktikern, sich gewiss Freunde 
erwerben wird. Druck und Ausstattung sind befriedigend. 

Das vorliegende Werk ist der erste medicinische Verlags¬ 
artikel der hiesigen Schraitzdorff’sehen Hofbuchhandlung; 
wie wir erfahren, beabsichtigen die jetzigen Inhaber der Firma 
diese Richtung künftig weiter zu cultiviren, wozu wir ihnen 
den besten Erfolg wünschen. Bernhoff. 

Paul Sollier. Der Idiot und der Imbecille. Eine psycho¬ 
logische Studie, deutsch von Dr. P. Brie. Mit einem 
Vorwort von Prof. Pelman. (Hamburg, Voss. 1891, 
226 Seiten mit 12 Schrifttafeln). 

Bei der gegenwärtig vorhandenen Massenproduction von 
medizinischer Literatur ist es ein natürlicher Umstand, dass nur 
wenige Bücher entstehen, welche von vornherein den Eindruck 
des Ungewöhnlichen, des bleibenden Wertlies erzeugen. Das 
vorliegende Werk des französischen Autors gehört zweifellos 
zu diesen seltenen Erscheinungen. Mit Beeilt schenkt Prof. 
Pelman, der die deutsche Uebersetzung mit einer Vorrede 
begleitet, der Feinheit des Verfassers in psychologischenDingen, 
mit welcher dieser der geistigen Entwickelung des Idioten und 
des Imbecillen nachgegangen ist, das höchste Lob. «Wir sind 
durch Sollier in den Besitz einer Psychologie des Schwach¬ 
sinns gekommen in einer Vollständigkeit, wie sie uns bisher 
nicht zu Gebote stand». 

Es ist hier nicht möglich auf den reichen Inhalt des Buches 
in vollständigem Referat einzugehen. Nur einige Grundan¬ 
schauungen seien hervorgehoben. S. delinirt die Idiotie als 
eine auf verschiedenartigen Veränderungen beruhende Gehirn- 
erkrankung, welche charakterisirt ist durch Störungen der 
intellectuelien, sensitiven und motorischen Functionen bis zur 
fast vollständigen Aufhebung derselben, und die ihren beson¬ 
deren Charakter, namentlich was die intellectuellen Störungen 
betrifft, nur dem jugendlichen Alter der Individuen entlehnt, 
die sie befällt. Verf. sieht die Aufmerksamkeit als die 
Hauptsache bei der geistigen Entwickelung an und theilt auf 
dieser Grundlage die Idiotie in 3 Kategorien: 

1. Schwere Idiotie: vollständige Geistesabwesenheit und 
Unvermögen zur Aufmerksamkeit; 

2. leichte Idiotie: Schwäche und Erschwerung der Auf¬ 
merksamkeit; 

3. Imbecillität: Unbeständigkeit in der Aufmerksamkeit. 

Unter gleichzeitiger Berücksichtigung der körperlichen Ab¬ 
normitäten giebt Verf. die Psychologie des Idiotismus in der 
Betrachtung der Sinneswahrnehmnngen, der Aufmerksamkeit, 
der Triebe, Gefühle, der Sprache, der Intelligenz, des Willens, 
des Selbstgefühls, der Verantwortlichkeit. In psychologischer 
wie in socialer Beziehung findet er durchgreifende Unterschiede 
zwischen dem Idioten und dem Imbecillen. 

Der Idiot ist ein zum Handeln und Denken unfähiges 
Geschöpf; er ist ein unvollkommen entwickeltes Individuum. 
Der Imbecille dagegen ist abnorm, ungleichmässig entwickelt. 
Er kann handeln und denken, aber seine Handlungen sind 
meist abnorm. Der Idiot kann dauernd eine gewisse Gutmiithig- 
keit zeigen; der Imbecille ist Egoist, oft boshaft, selbst gegen 
Die, welche es gut mit ihm meinen. Jener ist schüchtern, 
dieser anmassend; jener arbeitsam, dieser ein verstockter 
Faulenzer. Bei jenem ist das Unheil schwach, bei diesem 
fälsch; bei jenem der W T ille schwach, bei diesem unbeständig. 
In Allem sind — hiervon giebt es jedoch auch nach Sollier 
Ausnahmen — die Idioten der Gesellschaft viel weniger schädlich 
als die Imbecillen; Letztere sind «antisocial», die Idioten 
«extrasocial». 


Es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, dass das 
Buch durch die zahlreichen Hinweise auf die Behandlung und 
Erziehung der Schwachsinnigen, wie durch seine Beziehungen 
zur criminellen Anthropologie einen besonderen praktischen 
Werth gewinnt. Es ist oft bedauert worden, dass die deutsche 
Literatur kein ausführliches Werk über den Idiotismus besitzt, 
die verdeutschte Monographie Sollier’s sei den diesen Mangel 
empfindenden Collegen hiermit empfohlen. Mercklin. 

H. Cohn. Lehrbuch der Hygiene des Auges. Erste Hälfte. 

Wien und Leipzig. Urban und Schwarzenberg. 1891. 

In der vorliegenden ersten Hälfte des Buches werden von 
dem um die Augenhvgiene hochverdienten Verf. einige der 
häufigeren Augenleiden abgehandelt, welche in der Aetiologie 
der Blindheit und Schwachsichtigkeit eine wichtige Bolle 
spielen: Blennorrhoe, scrophulöse Erkrankungen, Trachom, 
Pocken, Befractionsanomalien. Bei einem jeden dieser Leiden 
werden Krankheitsbild, Verlauf, Ansgang. Ursache, Verhütung 
und Behandlung berücksichtigt. Uns will es jedoch scheinen, 
als entspreche diese Anordnung des Stoffes nicht dem Titel 
des Buches, welcher erwarten lässt, dass in diesem nur von 
der Prophylaxe der Augenkrankheiten die Rede sei; bei der 
grossen Zahl bereits existirender guter Lehrbücher, in denen 
Aetiologie, Symptome, Diagnose und Therapie mit grösserer 
oder geringerer Ausführlichkeit besprochen werden, wäre 
es rathsara gewesen, sich hier nur auf die hygienische, pro¬ 
phylaktische Seite der Sache zu beschränken. Bei der Lectüre 
dieses «Lehrbuches» bleibt man auch im Unklaren darüber, 
ob dasselbe für Laien oder für Aerzte geschrieben sein soll, 
zumal ein erläuterndes Vorwort leider fehlt; dem Laien wird 
darin vieles zu fachmännisch sein, dem Arzte aber manches, 
wie z. B. die anatomisch-physiologischen Vorbemerkungen, gar 
zu elementar erscheinen. Dennoch empfehlen wir gerne dieses 
Buch unserem Leserkreise wegen der klaren, übersichtlichen 
Darlegung des wichtigen Gegenstandes. Die gute, allen 
Anforderungen der Augenhygiene thatsächlich entsprechende 
Ausstattung ist auch zu loben. Blessig. 

M agil an. Psychiatrische Vorlesungen. I. Heft: Ueber 
das D61ire chronique k 6volution systeraatique. (Pa- * 
ranoia completa). Deutsch von P. J. MObius. (Leipzig, 
Thieme 1879). 

Das vorliegende Heft giebt im Zusammenhang M.’s Vorle¬ 
sungen wieder, welche während der letzten Jahre im Progr^s 
medical veröffentlicht worden sind. Im Vordergründe steht die 
Schilderung des Delire chronique ä evolution syst<$matique 
(Paranoia completa. Möbius), aber auch Magnan’s Anschau¬ 
ungen über die verschiedenen Erscheinungsformen des Irre¬ 
seins der erblich Entarteten finden Erwähnung und differen¬ 
tialdiagnostische Auseinandersetzung. Als Delire chronique etc. 
schildert M. eine Krankheitsform, welche sich seiner Ansicht 
nach wesentlich von der Störung der Entarteten (so z. B. den 
«verfolgten Verfolgern») unterscheidet. Vorher geistesgesunde 
Menschen meist reiferen Alters erkranken daran. Die Krank¬ 
heit dauert lange, 50 und mehr Jahre, der «methodisch» stetig 
fortschreitende Verlauf charakterisirt sie, vier Stadien sind 
deutlich zu erkennen. Die erste (Incubations ) Periode ist 
charakterisirt durch Illusionen, durch wahnhafte Auslegungen, 
durch die stetige und zunehmende Unruhe der Kranken. In 
der zweiten Periode sind Haupterscheinungen peinliche Hallu- 
cinationen, besonders des Gehörs und Verfolgungsvorstellungen. 
Die dritte Periode, die der Selbstüberschätzung, zeigt Halluci- 
nationen und Wahnvorstellungen im Sinne des Grössenwahns. 

In der vierten Periode verfällt die Urtheilskraft, es stellt sich 
Schwachsinn ein. «Diese Perioden folgen einander unwieder- 
rnflich in derselben Weise und kein Kranker, der plötzlich Ver- 
folgungs- oder Grössenwahn zeigt, oder bei dem jener auf diesen 
folgt leidet an Paranoia completa». 

Das von M. mit plastischer Deutlichkeit geschilderte und 
durch eine grosse Anzahl ausgezeichneter Krankheitsge¬ 
schichten erläuterte Krankheitsbild entspricht einer Gruppe 
von Krankheitsfällen, die jedem Beobachter bekannt sind und 
in der Regel als Paranoia bezeichnet werden. Gleichwohl muss 
bezweifelt werden, dass stets die vier Stadien Magnan’s ein- 
treten und in derselben Reihenfolge. Auch erscheint die Frage 
berechtigt, ob die scharfe Gegenüberstellung dieser Fälle gegen 
die sog. «verfolgten Verfolger» und anderelrreseinsformender 
Entarteten eine berechtigte ist? Es werden also — mit dieser 
Andeutung müssen wir uns an dieser Stelle begnügen — nach 
der Anschauung der meisten deutschen Irrenärzte mehr Krank¬ 
heitsfälle dem Begriff der Paranoia mit chronischer Entwicke¬ 
lung zu subsumiren sein, als M.’s Definition des Delire chro¬ 
nique dies gestattet.—Die Vorlesungen M.’s bilden einen werth¬ 
vollen Beitrag der französischen Psychiatrie zur Klinik der 
Paranoia, welche an offenen Fragen immer noch reich ist, und 
es ist ein unzweifelhaftes Verdienst von Möbius durch die 
Uebersetzung diese Vorlesungen leicht zugänglich gemacht 
zu haben, Mercklin. 


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Die Privatheilanstalt zu Oberdöbling (Wien). 
II. Bericht. 1875—1891. Wien, Deuticke 1891.191. S. mit 
12 Lichtdrncktafeln. 

Veröffentlichungen der Art, wie die vorliegende aus der 
auch bei uns rühmlich bekannte Anstalt, verfolgen den dop¬ 
pelten Zweck, nicht nur den Aerzten sondern auch dem gebil¬ 
deten Laienpublicum Bericht zu erstatten. Dem entsprechend 
muss die Darstellung im allgemeinen Theil Popularität und 
eine gewisse Breite, im meaicinischen Theil relative Kürze 
einhalteu. Es ist anzuerkennen, dass bei Einhaltung dieses 
Programms die Anstaltsleitung einen Bericht veröffentlicht, 
der gewiss bei beiden Gruppen der Leser Interesse erwecken 
wird. Der Laie kann hier vollen Einblick in Bau, Einrichtung 
und Leben der Privatirrenanstalt gewinnen, und ist es nicht 
nnzweckmässig, dass auch das Statut der Anstalt und die 
Wärterordnung dem Bericht einverleibt sind Im medicinischen 
Theil macht zunächst Prof. Oberst ein er einige klinische Be¬ 
merkungen, worauf der erste Arzt Krueg einige Fragen aus 
dem Capitel der Behandlung berührt, deren praktische Bedeu¬ 
tung besondere Erwähnung der örtlichen Anstaltserfahrungen 
rechtfertigt. 

Die Ausstattung des Berichts ist eine vornehme sowohl in 
Bezug auf den Text wie die beigegebenen Tafeln. 

Mercklin. 


Wissenschaftliche Verhandlungen der Dor- 
pater medicinischen Facultät. 

Sitzung am 26. März 1892. 

Vorsitzender Herr ß. Thoma. 

Berichterstatter Herr B. Robert. 

1. Herr Robert spricht über Sarsaparille. 

Vortragender betont die grosse ßolle, welche die Sarsapa¬ 
rille als Volksmittel seit Jahrhunderten gehabt hat und in 
vielen Gegenden noch hat. Er hält es für einen sehr wesent¬ 
lichen Fortschritt unserer Kenntnisse, dass Herr Witold v- 
Schulz soeben die Frage nach den wirksamen Bestandtheilen 
dieser Droge im Laboratorium des Vortragenden gelöst hat. 
Nach diesen Untersuchungen hat man 3 active Stoffe zu un¬ 
terscheiden, welche als 1; Smilacin s. Parillin. 2) Sar- 
saparill saponin s. Saponin von Otten und als 3) Sar- 
sasaponin von v. Schulz zu bezeichnen sind. Alle3 wurden 
auf ihre chemische Zusammensetzung und ihre Spaltungspro- 
ducte genau untersucht. Ebenso wurden zum ersten Male jetzt 
Thierversuche über die Wirkung sowohl der Sarsaparille, als 
der genannten 3 Substanzen angestellt. Weitaus die wirk¬ 
samste Substanz ist das Sarsasaponin von v. Schulz. 
Alle 3 Substanzen gehören chemisch und physiologisch zur 
Gruppe der Saponinkörper und haben die von Robert schon 
vor längerer Zeit aufgestellte allgemeine Formel O H Jn - 6 ü 10 . 

Auf Grund dieser Vorarbeiten wird es jetzt möglich sein 
die Frage nach der Wirkung der Sarsaparille auf 
Syphilitische endlich wissenschaftlich zu studiren 
und soll gerade dieser Vortrag die Collegen in der 
Praxis zu derartigen Versuchen anregen. 

Der Vortrag wird anderweitig in extenso veröffentlicht 
werden. 

2. Herr Zoege v. Manteuffel spricht: 

1. Ueber einen Fall von Exarticulatio femoris 
wegen myelogenen Sarkoms. Heilung (mit Demonstration). 

Das Sarkom war im Trochanter raaj. entstanden. Spontan- 
fractur. Etwa 2-faustgrosser Tumor. Da die Möglichkeit der 
Ausschäinng des Tumors in Form einer Continiutätsresection 
nicht ganz ausgeschlossen schien (cf. Kraitse, über die mye¬ 
logenen Sarkome), wählte Redner ein Verfahren, das etwa in 
einer Umkehrung des Pit ha-Volk mann’schen (primäre Am put.) 
bestand. Schnitt über den Trochanter, wie bei Besection. 
Exstirpation des Tumors mit Exarticulation des Konfes und 
Durchsägung des Femurschaftes erst eine, dann V/a Handbreit 
nnter dem Trochanter. Da auch hier die Markhöhle noch von Tu¬ 
mormasse erfüllt ist, Abtrennung des Gliedes mit einem Mes¬ 
serzuge bei Compression sämmtliclier Weichtheile durch Assis- 
tenten-Hände. Die Vortheile der Operation seien die derPitha- 
Vo 1 k m an n’schen, nur dass vorher durch die Autopsie die 
Diagnose verificirt werden kann, was sowohl dem Operateur 
von Werth sein kann, als auch dem Patienten den Entschluss 
zur verstümmelnden Operation erleichtert. Gegenüber dem 
Roser'schen Verfahren sei die bessereBlutsparnng hervorzu¬ 
heben, da die Exstirpationsschnitte parallel der Axe der Extre¬ 
mität liefen und die quere Durchtrennnng in einem Zuge unter 
Compression erfolgen könne. Heilung prima intentione bis auf 
eine Draintistel. Höchste Teiltp. einmal 38. 

2. Ueber Sectio lateralis als Voroperatiou zur 
Extraction von Blasensteinen. 

Demonstration von Patienten and Steinen. 

(Der Vortrag wird in extenso veröffentlicht werden). 


Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

1173. Sitzung am 15. Januar 1892. 

Anwesend 52 ord. Mitgl. und 12 Gäste. 

1. Dr. Behr (Gast) verliest seinen angekündigten Vortrag: 
Zur Pathologie des Sexualtriebes. 

Vortr. führt aus, wie mit der zunehmenden Renntniss des 
menschlichen Seelenlebens sich auch die Auffassung des ge¬ 
schlechtlich Abnormen geändert hat nnd wie sich die An¬ 
schauung von der Kranldiaftigkeit, resp. der krankhaften An¬ 
lage sexuell perverser Personen mehr und mehr Bahn bricht. 
Nach Darlegung des Vortr. stellt die conträre Sexualempfin¬ 
dung ein Symptom dar, weiches zu allen Psychosen und allen 
Neurosen hinzu treten kann. Dementsprechend wäre es wün¬ 
schenswert!^ dass die Lehrbücher die conträre Sexualempfin¬ 
dung beider allgemeinen Symptomatologie abhandelten, nicht 
aber in den speciellen Theil einverleibten. 

Die conträre Sexualempfindong kommt nie jsolirt vor, son¬ 
dern erwächst immer auf einem kranken Boden. Sie kann an¬ 
geboren sein oder erworben werden, allgemeine Krankheit ist 
aber immer das Primäre. Als lasterhafte Handlungen werden 
diejenigen Vorkommnisse bezeichnet, in denen sonst normal ver¬ 
anlagte und gesunde Individuen sich perverser Delicte schul¬ 
dig machen z. B. um Geldes willen sich missbrauchen lassen. 
Im Einzelnen ist die Entscheidung schwierig und eine genaue 
Beobachtung erforderlich. Die Anschauung Meynert’s, dass 
die conträre Sexualempfindung in allen Fällen einen occasio- 
nellen Ursprung trage, wird verworfen, desgleichen die An¬ 
sicht MendeTs, dass die Aufstellung der rsychopathia sexualis 
Krafft-Ebing’s einen Rückschritt zu den Monomanien bedeute. 
An der Hand dreier ausführlich referirter Krankengeschich¬ 
ten werden die psychische Hermaphrodisie, die Effeminatio 
und eine sexuelle Perversion bei einem heterosexualea Indi¬ 
viduum besprochen. 

Dr. Tiling: das vorliegende Thema behandelt ein Gebiet, 
auf welchem Laster und Krankheit sich begegnen. Die Grenz¬ 
linie zu ziehen sei in praxi manchmal schwierig; andere Er¬ 
scheinungen allgemeiner Neurosen lassen den Kranken erken¬ 
nen. Geschlechtlich perverse Individuen bieten neben den 
Erscheinungen sexueller Reizbarkeit und Schwäche auch andere 
nervöse Symptome, oft auch psychische Abnormität. 

Dr. Eduard Schwarz hebt den Unterschied zwischen ab 
origine sexuell perversen Individuen nnd acqnirirten, resp. 

f ezüchteten Fällen hervor. Letztere betreffen z. B. Indivi- 
nen, die früher normal geschlechtlich empfanden, durch la¬ 
sterhaften UebergenuBs impotent wurden, und nur durch den 
für sie höheren Heiz perverser Acte noch potent sind. Hat 
sich in solchen Fällen neben der nie fehlenden Neurasthenien 
das perverse sexuelle Empfinden consolidirt, so ist die Frage 
schwer zu entscheiden, ob man es mit einem strafbaren, la¬ 
sterhaften Menschen zu thun hat oder nicht. 

Dr. Behr neigt zu der Ansicht, dass es sich in letzteren 
Fällen, — von denen natürlich perverse Handlungen laster¬ 
hafter, aber nicht eigentlich pervers empfindender Individuen 
streng zn trennen sind—meist um psychische Hermaphrodisie 
handelt. Die Literatur spreche nicht dafür, dass es sich um 
Verbrecher handle. 

Zum Schluss der Discnssion wird Prognose und Therapie 
sexueller Perversionen flüchtig berührt von DDr. Voss, 
Schröder, Tiling und Behr, die forensische Seite von 
DDr Ed. Schwarz, Tiling und Schultz. 

2. Dr. Voss, als Cassaführender, verliest den Ca s sähe- 
rieht pro 1891 und legt der Gesellschaft den Budgetent- 
wnrf pro 1892 vor. Beide werden acceptirt. 

3- Zu ordentlichen Mitgliedern der Gesellschaft werden 
anfgenommen die DDr. Ludwig Gauder, Bernhardt Blan¬ 
kenstein, Eugen Burmeister und Paul Bergengrnn. 

z. Z. Secretär: Heerwagen. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 4. Februar 1892. 

1. Herr Wanach berichtet über einen Fall von multi¬ 
pler Osteomyelitis (mit Krankenvorstellung): 

Anamnese: N. B. 29 Jahre alt, Fleischer, tritt am 27. Juli 
1891 in das Peter-Paulshospital. Pat. giebt an, dass er sich 
vor 4 Tagen mit einem Knochensplitter am IV. Finger der 
rechten Hand verletzt habe. 

Status präsens: Gut genährter kräftiger Mann. Tempe¬ 
ratur 40,6° C. Die Weichtheile an der Volarseite des IV Fin¬ 
gers der rechten Hand bis anf den Knochen gangränös zer¬ 
fallen. Die Hant am inneren Knöchel des linken Fusses etwas 
geröthet nnd geschwellt. Amputation des Fingers wird nicht 
zugelassen, wie Patient auch später jeden operativen Eingriff 
durch energische Proteste bedeutend verzögerte. 

Am 28. Juli werden die nekrotischen Weichtheile am Finger 


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mit Scheere und scharfem Löffel möglichst vollständig ent¬ 
fernt. 

31. Juli. Am linken Unterschenkel haben sich, vom malleolus 
int. ausgehend lymphangitische Streifen gebildet. 

4. Ang. Am Finger hat sich die Eiterung längs der Scheide 
der Beugesehnen in die Hohlhand hinein verbreitet. Incision 
bis zum lig. carpi transv. — Die Weichtheile über dem mal¬ 
leolus intern, sin. werden bis auf den Knochen gespalten. 
Kein Eiter unter dem Periost. Darnach sinkt die Temperatur, 
um nach 2 Tagen von Neuem anzusteigen. 

5. Aug. Pat klagt über Schmerzen im linken Humerus- 
köpf. Objectiv daselbst nichts Abnormes wahrnehmbar. 

8. Aug. Amputation des kranken Fingers im Metacarpo- 
phalangealgelenk. — Das untere Ende der linken Tibia ver¬ 
färbt, aas reriost abgehoben. Aufmeisselung des Knochens, 
Auslöffelung der mit kleinen Eiterheerden durchsetzten Spon- 
glbsa. Da auch die Spongiosa des untern Endes der Fibula 
Eiterheerde enthält, wird dieses entfernt. Aus dem breit er- 
öffneten Sprunggelenk entleert sich reichlich Eiter. Incision 
eines grossen Abscesses in den Weichtheiien der Wade. — 
Geringer vorübergehende-! Temperaturabfall. 

10. Aug. Die Weichtheile über dem rechten Schnltergelenk 
inflltrirt. Es bildet sich daselbst ein grosser Abscess. Erst 
am 16. Aug. willigt Pat. in die Eröffnung dösseiben. Das Pe¬ 
riost am obern Ende des Humerus ist durch Eiter vom Kno 
chen abgehoben. Bei der Aufmeisselung des Knochens er¬ 
weist sich die Spongiosa des Schulterkopfes und das Mark 
der obern *'» der H inner usdiaphyse vereitert. Gründliche 
Ausschabung bis ins Gesunde hinein. Das Schnltergelenk 
nicht eröffnet. Die Temp. fällt nur vorübergehend, steigt 
dann wieder stark an. — Pat. sehr heruntergekommen, der 
Puls sehr beschleunigt, Delirien, Incontinentia urinae. Profuse 
Eiterung aller Wunden. 

17. Sept. Eiterung in den kleinen Gelenken zwischen den 
Knochen der linken Fusswurzel. Incisionen. Die Temp. steigt 
an. Es bildet sich ein grosses Infiltrat am Trochanter major 
des linken Oberschenkels. 

20. Sept. Aufmeisselung des Trochanter major, dessen Spon¬ 
giosa stecknadelkopfgrosse Eiterheerde enthält. Auslöffelung 
bis in den Schenkelhals hinein. Jetzt fällt endlich die Tem¬ 
peratur zur Norm. 

Am 4. Nov. fängt Pat. an mit Krücken zu gehen. 

Am 9. Dec. ist die Wunde am Oberarm verheilt. 

Am 16. Dec. tritt Pat. mit dem kranken Fnss auf, geht mit 
einem Stock. 

Status am 4. Februar 1892. Ausgezeichneter Allgemeinzu¬ 
stand. Die Wunden bis auf einige kleine Granulationsstrei¬ 
fen solid vernarbt. Function des rechten Armes vollständig 
normal. Bewegungen im linken Hüftgelenk ganz frei. Der 
linke Unterschenkel ödematös, der Fuss, im Sprunggelenk ein¬ 
wenig beweglich, in leichter Valgns- und Spitzfussstellung 
(die fehlerhafte Stellung wird durch methodische passive 
Gymnastik immer mehr corrigirt). 

Der soeben mitgetheilte Fall ist ebenso wie der von Anders 
am 24. April 1890 dem Vereine berichtete, mit welchem er 
grosse Aehnlichkeit hat, als «multiple Osteomyelitis» zu be¬ 
zeichnen: die Eingangspforte für die Infection war dort in 
einem Furunkel, hier in der Verletzung des Fingers gegeben. 
W. sieht keinen Grund, solche Fälle von Osteomyelitis, bei 
denen die Infectiouspforte nachweisbar ist, und welche daher 
auch als «secundäre» Osteomyelitis bezeichnet werden, princi- 
piell von der sogen, «typischen» primären Osteomyelitis zu 
scheiden; denn abgesehen davon, dass nach einigen Autoren 
(wie Bobrow) auch in den typischen Fällen eine Eingangs¬ 
pforte (unbeachtete oberflächliche Verletzung etc.) stets vor¬ 
handen ist, zeigt auch die bakteriologische Untersuchung, 
dass die pathogenen Mikrobien auch der primären Osteomye¬ 
litis, ebenso wie der secundären, keine specifischen sondern 
die allgemein als Eiterungserreger bekannten Kokken (be¬ 
sonders Staphylokokken) sind. Bemerkenswertu ist an dein be¬ 
sprochenen Falle der Umstand, dass die meisten Herde sich 
in den Epiphysen fanden, ein Verhalten, welches auch bei der 
typischen Osteomyelitis nicht ganz selten beobachtet wird: 
der langsame, mehr chronische Verlauf der Krankheit soll 
für die secundäre Osteomyelitis charakteristisch sein. Inbe¬ 
treff der Therapie spricht Vortr. sich entschieden für mög¬ 
lichst frühzeitige und möglichst ausgiebige Aufmeisselung des 
erkrankten Knochens aus. 

Herr Anders will den von ihm am 24. April 1890 mitge- 
theilten Fall nicht ohne Weiteres als multiple Osteomyelitis, 
sondern eher als septische Allgemeininfection mit Localisation 
in den Knochen bezeichnen, weil letztere nicht den einzigen 
Sitz der Affection abgaben, sondern auch Abscesse in den 
Weichtheiien vorhanden waren. 

Herr Tiling ist der Ansicht, dass die Entscheidung dar¬ 
über, ob man einen multiplen osteomyelitischen Process mit 
allgemein septischen Erscheinungen als «Osteomyelitis» be¬ 
zeichnen will oder nicht, nur von dem Symptomencoroplexe 
abhängt: beherrscht die Affection der Knochen das Bild, so 
spricht man von «Osteomyelitis», treten die allgemein septi- 


lichen Erscheinungen in den Vordergrund, so braucht man 
die Bezeichnung: «Sepsis mit Localisation in den Knochen»; 
ein principieller Unterschied besteht da nicht, die Infections- 
träger sind die gleichen. 

2. Herr Beckmann hält einen zum Druck bestimmten Vor¬ 
trag über Uterusruptur und zeigt einige Abbildungen von 
mikroskopischen Schnitten aus einem ruptnrirten Uterus. 
Herr Biader spricht Vortr. seinen Dank für die mikrosko¬ 
pische Untersuchung eines solchen Falles aus, da dieselbe be¬ 
weist, wie Uterusruptur auch ganz ohne Schuld des Arztes 
eintreten kann, was forensisch von grosser Wichtigkeit ist. 

Sitzung am 18. Februar 1892. 

1. Herr v. Schröder theilt folgenden Fall von Heilung 
eines in das orbitale Gewebe durchgebrochenen Sar¬ 
koms der Chorioidea mit: J. W. 28jährige Bänerin, ver- 
heirathet, hat mehrmals geboren, keine Allgemeinleiden gehabt; 
seit 2 Jahren allmälige Abnahme des Sehvermögens des rech¬ 
ten Auges, seit einigen Monaten Erblindung desselben, in letz¬ 
ter Zeit heftige Schmerzen. Ara 12. März 1891, bei der Auf¬ 
nahme der rat. in die Augenheilanstalt, zeigt das rechte 
Auge glaukomatöse Erscheinungen: Injection, Hornhauttrübung, 
flache Kammer, Vortreibung und Starre der Pupille; T. b.+3 
V=0. Als Ursache der glaukomatösen Drucksteigerung wird ein 
das Augeninnere, besonders dessen mediale Hälfte, erfüllender 
Tumor nachgewiesen, welcher bei seitlicher Beleuchtung im 
Pupillargebiete dicht hinter der klaren Linse sichtbar ist und 
deutlich ein eigenes Gefässnetz erkennen lässt. Diagnose: 
Sarkoma chorioideae. Am 14. März Enncleation 
des Augapfels; dabei erweist es sich, dass der Tumor die 
Sklera hinten durchbrochen hat, längs dem Sehnerven aufwärts 
gewuchert ist und im orbitalen Zellgewebe zahlreiche disse- 
minirte metastatische Knoten gebildet hat. Letztere wurden 
so gut es ging mit Messer und Scheere entfernt, doch blieben, 
wie die Untersuchung mit dem Finger erwies, noch zahlreiche 
kleinste Knötchen (Sarkomknoten?) im Gewebe zurück, und 
war auch der Sehnervenstumpf in der Tiefe als tumorartige 
harte Masse zu fühlen. Die Untersuchung des enucleirten 
Bulbus zeigte einen grossen melanotischen Tumor der Chorio¬ 
idea (melanotisches Sarkom), Netzhautablösung, Vortreibung 
des Linsensystems. (Demonstration des von Herrn Blessig 
verfertigten makroskopischen Gelatine-Präparates). In Er¬ 
wartung eines baldigen Eecidivs, wnrde gleich nach der Ope¬ 
ration und noch mehrmals während der nächsten 2 Wochen, 
damit überhaupt etwas geschähe, die ganze Wundhöhle 
der Orbita mit reinem blauem Pyoktanin (im Ganzen 
etwa ITheelöffel voll) eingepulvert; in den ersten Ta¬ 
gen nach der Operation war über den Zustand der Wundflä¬ 
che nichts Bestimmtes auszusagen, da das ganze Gewebe in¬ 
tensiv dunkelblau gefärbt war; im Laufe von 2 Wochen aber 
heilte die Wunde wider Erwarten mit glatter 
Narbe und Einziehung der Lider. Auch besserte sich das 
früher recht elende Allgemeinbefinden der Pat. Heute, also 
ein Jahr nach der Operation, hat Pat. sich wieder vorgestellt 
und wird sie dem Vereine demonstrirt: ein Beeiaiv ist 
nicht eingetreten, die Narbe ist glatt, stark eingezogen; 
Allgemeinbefinden gut. Vortr. hält es für möglich, in diesem 
Falle den günstigen Ausgang dem Pyoktanin zuzuschreiben, 
welches, wie e3 schien, eine ätzende Wirkung auf das Gewebe 
ausübte. Das Mittel wäre in ähnlichen Fällen noch zu versuchen. 

2. Herr Eberraann demonstrirt einige aus der Harn¬ 
röhre und Blase extrahirte Fremdkörper (abgebrochene 
Katheterstücke, Bougies filiformes, Lichtdochte) und zeigt 
einige von ihm zur Extraction benutzte Instrumente vor; 
zugleich warnt Vortr. vor den abgelegenen sogen, «englischen» 
Gummi - Kathetern, welche leicht brüchig werden und wie 
Glas absplittern. 

3. Mittheilnngen über einige Complicationen der 
Influenza. Herr Moritz erwähnt einiger in letzter Zeit 
von ihm beobachteter Fälle, in denen anschliessend an eine 
Influenza zu wiederholten Malen leichte Fieberzustände 
mit Unregelmässigkeit der Herzaction und Herz¬ 
eräuschen auftraten, ohne anderweitige Localerkrankung, 
ielleicht. Hessen solche Fälle sich als endokarditische Affec- 

tionen auffassen, welche durch Ansiedelung der Influenzaba¬ 
cillen auf dem Endokardium hervorgerufen wurden ; Autopsien, 
welche hierüber Aufschluss geben könnten, fehlen zur Zeit; 
M. ersucht die Collegen, eventuelle ähnliche Beobachtungen 
initzutheilen. 

Herr Masing hat im Verlaufe der Influenza mehrmals Ir¬ 
regularitäten der Herzaction, auch ausgesprochene Herz¬ 
schwäche und Collapsznstände gesehen, möchte dieselben 
aber auf Störungen der Herznerven beziehen, mithin 
als drohende Herzlähmung auff'assen; derartige Zustände tra¬ 
ten auch bei solchen Kranken auf, die vorher keine Antipy- 
retica bekommen hatten. 

Ferner erwähnt Masing eines Falles von rein nervöser 
Nachkrankheit der Influenza, bestehend in tagelang anhal¬ 
tendem Schwindel, bei einem sonst gesunden 14jährigen 
Knaben; die Ersoheinong hielt etwa eine Woche an, um dann 


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spurlos zu verschwinden; weder von Seiten des Gehirns noch 
auch der Ohren oder Angen lagen objective Störungen vor. 

Zum Capitel der Affection gewisser Nerven nach Influenza 
theilt Herr v. Schröder einen kürzlich von ihm gesehenen 
Fall von Atrophie des einen Sehnerven mit, welcher 
bei Anwendung subcutaner Injectionen von Strychnin nitric. 
über Erwarten günstig verlief Nachdem Pat., eine Dame von 
80. Jahren, zweimal (Sommer 1891 nnd November 1891) die 
Influenza überstanden, bemerkte sie Abnahme des Sehvermö¬ 
gens auf dem linken Auge: am 7. Januar d. J. constatirte 
Schröder Blftsse und flache Excavation des linken Sehnerven, 
bei V 20,2 und beschränktem Gesichtsfelde für Farben (rechts 
normale Verhältnisse). Jetzt ist V links = 1,0 (voll!) bei un¬ 
verändertem ophthalmoskopischem Befunde. Eine vorausge- 
gangene Neuritis opt. ist nach dem ophtlialmosk. Bilde nicht 
anzunehmen. Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Wittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Gegen Ozaena empfiehlt Demmö Ausspülungen mit 

warmem Wasser und Massage mit einer Sonde von 2 Mm. 
Dicke und 20 Cm. Länge, an der oben ein Wattebäuschchen 
kegelförmig angedreht ist. beschickt mit 20 pCt. Pyoktanin- 
Lanolinsalbe. Die ganze Nasenschleimhaut wird mittelst kur¬ 
zer, gleichmässiger, effleurageartiger Bewegungen im Ellen¬ 
bogengelenk bestrichen, ln 60 Fällen constatirte D. rasche 
Besserung. (Deutsche Medicinal-Ztg. Nr. 62. 1891). 

— Rävillet gelang es sehr grosse Dosen Kreosot durch 

Rectaliniectionen dem Organismus einzuverleiben: Kreosot 
2,0—4,0, 01. amygd. dulc. 25,0 Vitell. ovi unius, Aq. destillat 
200,0. Das in dieser Form Abends applicirte Klysma wird die 
ganze Nacht über belialten (in den ersten Tagen muss der 
Darm zuerst durch Warmwasserclystiere gereinigt werden). 
Gute Resorption. Auf diese Weise gelingt es in einem Monat 
bis 90—100 Gr. Kreosot zu verabfolgen. Im Laufe von 5 Mo¬ 
naten behandeltes. 13 Fälle, davon sind 3 (Beginnende Tuber- 
calose) vorläufig als vöUig geheilt anznsehen, die übrigen sind 
bedeutend gebessert (Verschwinden der Nachtschweisse, Ver¬ 
besserung des Appetits, Gewichtszunahme, Verminderung des 
Auswurfs). (Semaine ra6dic. Nr. 33. 1891). 

— Da die chemische Harnanalyse uns häufig über Natur 
and. Intensität einer Krankheit nicht aufzuklären vermag, so 
versuchte Semmola, gestützt auf die bekannten Bouchard’- 
schen Untersuchungen über die Toxicität des Urins, die biolo¬ 
gische Harnanalyse zu jenem Zwecke heranzuziehen. Es 
gelang ihm in zwei zweifelhaften Fällen durch diese erwähnte 
Analyse diagnostische und prognostische Anhaltspunkte zu 
ermitteln. In dem einen Falle handelte es sich um eine schwere 
Pneumonie, die nach einer Influenza sich entwickelte. Am 4 
Krankheitstage zeigten sich eklamptisclie und tetanische 
Symptome und man musste an die Existenz cerebrospinaler 
Meningitis denken. Die biologische Analyse des zu Beginn je¬ 
ner schweren Erscheinungen gewonnenen Harns liess bei den 
Versuchsthieren, welchen dieser Urin injicirt wurde, dieselben 
Itreseren Erscheinungen erkennen (vollständige Uebereinstim- 
aung des klinischen Bildes am Kranken mit dem experimen¬ 
tellen toxischen Nosographismns), was Semmola zu der Er¬ 
klärung drängte, dass die schweren Symptome auf eine toxi* 
•ohe Wirkung zurückznftihren seien und Meningitis auszu- 
schliessen wäre. In der That hörten die Krämpfe bald auf. 

Die biologische Untersuchung des Harns ergab auch dem- 
eatsprechend keine Zeichen der vorherigen Toxicität mehr. So 
konnte der Autor diagnostische und prognostische Schlüsse 
machen. Der zweite Fall betrifft einen Mann, der eine ausge¬ 
breitete Phlegmone am rechten Am hatte und dabei schwer 
septicämisch erkrankte. Durch die biologische Analyse sah 
man am Thiere dieselbe klinische Form anrtreten. Der Zustand 
des Kranken schien sich nicht zu bessern; aber die zum zwei¬ 
tenmal vorgenommene Analyse ergab zwar dasselbe klinische 
Bild,. aber in einem viel schwächeren Grade. S. stellte auf 
Grund dieses eine gute Prognose, und obwohl der Kranke 
starken Kräfieverfall zeigte, bewahrheitete sich der Ausspruch 
des Arztes. 

Als Versuchsthiere eignen sich am besten Meerschweinchen 
und Kaninchen. S. empfiehlt die Injection mit einer kleinen 
Dosis Urin zu beginnen und dann die Quantität progressiv zu 
steigern. 

(Bulletin de l'Acadämie de m6d. Sitzung vom 4.Aug. 1891). 

— Professor Benedikt theilt Näheres über die neue Be¬ 
handlungsmethode der Tabes von Bonuzzi mit. Diese 
Methode hat einen doppelten Vortheil 1) keines Apparates zu 
bedürfen und 2) dass ihre mechanische und therapeutische Wir¬ 
kung eine unvergleichlich energischere ist. Die Bonuzzi’sche 
Methode besteht darin, dass die Beine an den Sprunggelenken 
dnrck ein Handtuch gefasst und über den Kopf so weit her¬ 
vorgezogen werden, dass auch die Wirbelsäule in hohem Grade 
nach vorne gebeugt ist, und diese Beugung wird bis zu dem 
Grade fortgesetzt, dass die Kniee an die Stirne angedrückt 
werden. Bonuzzi lagert den Körper flach und erhöht den 


Kopf durch ein Kissen. Seine vergleichenden Versuche am 
Caaaver ergeben für die mechanische Zerrung des Rücken¬ 
marks bei seiner Methode ein dreimal so grosses Resultat und 
bei vergleichenden Versuchen am Cadaver und beim Lebenden 
eine circa vierfach so starke Ausdehnung der Wirbelsäule bei 
seiner Methode gegenüber der Methode von MotschutkowskL 
Benedikt hat diese Bonuzzi’sche Methode angewandt und in 
einer Reibe sehr schwerer Fälle überraschende Resultate er¬ 
zielt. Patienten, die nahezu vollständig unfähig waren zu 
stehen oder zu gehen, wurden dahin gebracht, lange Prome¬ 
naden zu machen: die neuralgischen Anfälle hörten auf,, die 
Sicherheit im Stehen mit gescnlossenen Augen nahm zu. 

(Wiener med. Blätter Nr. 51. 1891). 

— Dennis (New-York) giebt folgendes Verfahren als Rea¬ 
gens auf carcinomatöBes Gewebe an; man bringt das 
Frisch exstirpirte und vom anhaftenden Blut gesäuberte Car- 
cinom (der Mamma) in 5 pCt. wässerige Salpetersäure, lässt 
es 10 Minuten darin liegen, setzt es hierauf 5 Minuten lang einem 
starken Wasserstrom aus und taucht es endlich für 2—3 Minuten 
in nicht verdünnten Methylalkohol; man findet dann infolge 
der Coagulation des Eiweisses das Krebsgewebe opak, während 
das Bindegewebe und das Drüsenparenchym homogen gelatinös, 
durchsichtig werden; auf diese Weise kann man die kleinsten 
Krebsnester auf der Schnittfläche erkennen. 

(D. M. W. Nr. 4a - Prag. M. W. Nr. 48). 

— In der Berliner Gesellschaft flir Psychiatrie nnd Nerven¬ 

krankheiten berichtete Mendel über den patholog. anat.Be¬ 
fund in einem Falle von Morbus Basedowii. Gehirn¬ 
ganglien, Rückenmark nnd Sympathicns erwiesen sich normal, 
ebenso der periphere Vagus. Dagegen fand sich Atrophie des 
linken Corpus restiforme und Atrophie des Solitär¬ 
bündels. Zu dem ersteren Befunde ist zu bemerken, dass es 
Filehne (1879) gelang, durch Einstich in beide Corpora resti- 
formia bei jungen Kaninchen die Symptome der Basedow’schen 
Krankheit hervorzurnfen; der zweite Befund ist insofern inte¬ 
ressant, als das Solitärbiindel zum Vagus Beziehungen hat 
und seine Läsion mit den Symptomen des Morbus Basedowii 
in Einklang zu bringen ist. Die Schilddrüse bot in diesem 
Falle normale Verhältnisse in Bezug auf das Gewebe dar, nur 
waren ihre Gefässe erweitert. (D. M. Z. Nr. 103). 


Vermischtes. 

— Der Ehren-Leibinedicu8 wirkl. Staatsrath Dr. Joseph 
Bertenson ist von dem Amte des Inspectors der Petersburger 
Gouvernements-Medicinalverwaltung, welches er fast 25 Jahre 
hindurch bekleidet hat, zurückgetreten. Aus diesem Anlass 
wurde dem Scheidenden zu Ehren von den ihm unterstellten 
Aerzten und Veterinären am 21. März ein Diner veranstaltet 
und zugleich eine Adresse überreicht. 

— Die Landschaftsärzte des Moskauer Gouvernements über¬ 
reichten in der Schlusssitzung des XI. Congresses der Land¬ 
schaftsärzte in Moskau am 14. März dem Präsidenten des 
Congresses, Prof. Th. Erisinan zum Andenken an ihren lang¬ 
jährigen gemeinschaftlichen Dienst als Sanitfitsärzte der Ijand- 
schaft, ein elegantes Schreibzeug mit einer Adresse. 

— Der Ssaratowsche Sanitats-Verein hat in einer ausseror¬ 
dentlichen Sitzung am 13. März nach genauer Prüfung der 
Gründe, welche die Landschaftsärzte des Ssaratower Kreises 
zum Aufgeben ihrer Stellung veranlassten, einstimmig an¬ 
erkannt, dass die Aerzte durch die Vernichtung der 
bisherigen Sanitätseinrichtungen des Kreises und 
d u rch die Conflicte mit dem Präsidenten des Land¬ 
schaftsamtes Kropotow, nnd zwar Conflicte in rein medi- 
cinischen Fragen, zum Quittirenihres Dienstes gezwun¬ 
gen worden sind.Zugleich hatderSanitäts-Verein beschlossen, 
den betreffenden Landschaftsärzten ihre volle Zu¬ 
stimmung und Sympathie auszudrücken, sowie ein moti- 
virtes Gutachten bezüglich der Gefahren, welche dem Land¬ 
schafts-Sanitätswesen in Folge der Abschaffung des Kreis- 
Sanitätscomitäs drohen, der Ssaratowschen Gouverneraents- 
Landschaftsversammlung und der Kreisversammlung vorzu¬ 
stellen. In dem Gutachten wird auch hervorgehoben werden, 
dass die bisherige Einrichtung des Medicinalwesens im Ssara¬ 
towschen Kreise vollkommene Garantie für das Gedeihen 
desselben bot. 

— Der Ssaratowsche Incident mit den Landschafts- 
ärzten ist noch nicht zum Abschluss gelangt; die Landschaft 
kann nämlich keine neuen Aerzte finden. Es hatten zwar 
einige Moskauer Aerzte der Aufforderung des Herrn Kra- 
potkin Folge leisten wollen, haben sich aber, als sie Näheres 
über den Conflict erfuhren zurückgezogen. Wie die «Russkwa 
Shisn» erfährt, sind der Ssaratowschen Landschaft später meh¬ 
rere Anerbietungen von Kasanschen und Charkowschen Aerzten 
zugegangen, doch wagt dieselbe noch nicht, diese Angebote 
zu aeceptiren aus Furcht vor einem Widerruf, wie es die 
Moskauer Aerzte thaten. Unterdessen können die Ssaratow¬ 
schen Aerzte der immer mehr um sich greifenden Typhusepi- 


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(lemie wegen ihre Posten nicht verlassen, obwohl manche schon 
recht günstige Anerbietungen erhalten haben. 

— Verstorben: 1) Am 24. März auf seinem Landsitz Keg¬ 
gum bei Bingmundshof (Livland) Dr. Julius Seeck an einem 
Lungenleiden im nahezu vollendeten 62. Lebensjahre. In Riga 
geboren und erzogen, widmete er sich von 1851—56 dem Stu¬ 
dium der Medicin in Dorpat, wo er 1859 den Doctorgrad er¬ 
langte. Nachdem er sodann zur weiteren Vervollkommnung 
noch im Ansslande studirt, Hess er sich im Jahre 1860 in 
Riga als praktischer Arzt nieder und erwarb sich dort sehr 
bald eine ausgebreitete Praxis. Zunehmende Kränklichkeit 
veranlasst# ihn jedoch im Jahre 1867, die aufreibende Thä- 
tigkeit in der Stadt mit dem Aufenthalt auf dem 
Lande zu vertauschen. Aber auch hier hörte er nicht auf 
seine Berufstätigkeit auszuüben, zu der er als Arzt der 
Riga-Dünaburger-Eisenbahn, sowie auch als Privatarzt mehr, 
als seiner Gesundheit zuträglich war, Gelegenheit fand. Hin¬ 
ter der nervösen Unruhe, die den Hingeschiedenen äusserlich 
kennzeichnete, sagt ihm die «Ztg. f. St. u. L.» nach, verbarg 
sich ein weiches erapündunswarraes Gemüth und ein reger 
Geist, der nur die Ruhe kannte, welche körperliche Erschlaf¬ 
fung ihm anfnöthigte. Tief betrauert von Allen, die ihm je¬ 
mals nahe gestanden sinkt mit Jul. Seeck ein Mann in’s 
Grab, der den schweren Kampf mit dem Leben in Ehren aus- 
gefochten. 2) Am 17. März in Nishni-Nowgorod der ansser- 
etatmässige Ordinator am Gouv.-Landschaftshospital J. K. 
Malischewski am Flecktyphus, mit dem er sich bei der 
Behandlung von Typhuskranken inficirt hatte. Der Verstor¬ 
bene hatte im Jahre 1891 den Cursus in Moskau absolvirt 
und erst vor einem Monat die Leitung eines temporären Ty¬ 
phushospitals übernommen. 3) Am 2. Januar in Semipalatinsk 
der Gebietsarzt Staatsrath Ludwig Mazejewski am Fleck¬ 
typhus. M. hatte als Militärarzt von 1861 bis zur Einnahme 
von Taschkent an -allen Kämpfen in dortigen Gebiet Theil 
genommen. 4) In Tiflis der Gehülfe des Meaicinalinspectors, 
Staatsrath Bacliutow. 5) Ara 30. März n. St, der ord. Pro¬ 
fessor der Arzneimittellehre an der Universität Graz, Dr. 
Carl v. Schroff im 48. Lebensjahre. Er hat sich durch eine 
Reihe pharmakologischer (Wirkungsweise des Chinins und 
Aconits), sowie pathologischer Arbeiten einen Namen in der 
med. Wissenschaft gemacht. 6) Im fernen Osten Dr. med. 
L. F. Grinewezki, welcher zuletzt Chef des Anadyrschen 
Bezirks war. Der Verstorbene ist bekannt durch seine For¬ 
schungsreisen im höchsten Nordosten und durch seine Tlieil- 
nahme an der Expedition Dr. Bunge’s zur Lenamündung. Er 
hat auch ein Jahr auf Nowaja Semlja zugebracht. 

— Der bekannte Anatom und Anthropologe Prof. Dr. Herrn. 
Welcker in Halle, beging am 8. April n. St. seinen 70. Ge¬ 
burtstag. Er hat sich namentlich durch seine Forschungen 
über das Blut und seine Untersuchungen über Wachsthum 
und Bau des menschlichen Schädels grosse Verdienste er¬ 
worben. 

— Nach dem Rücktritt Prof. Rossbach’s ist die interimi¬ 
stische Leitung der Jenaer medicinischen Klinik Prof. Dr. 
Stintzing übertragen worden. 

-- Von der ältesten Tochter Prof. Langenbecks, der ver 
wittweten Gräfin Anna Hardenberg, ist ein von Prof. 
Schräder gemaltes Bild ihres Vaters in Lebensgrösse dem 
Langenbeckhause geschenkt worden. 

— Die Gründung einer medicinischen Facultät an 
der neurussischen Universität in Odessa mit einem 
Hospital ist von dem Stadtverordneten Dr. Motschutkowski 
wieder angeregt worden und zwar zur Erinnerung an die 
100jährige Feier des Bestehens der Stadt Odessa, im Jahre 
1894. 

— Das verdienstvolle Unternehmen des hiesigen Arztes 
Dr. K. J. Smigrodski, der «Bibliographische Anzeiger 
der russischen medicinischen Literatur! (BH6jiorpa*ii- 
secKift yna8aTejb PoccificKoä MeximiiHcitoft JlRTepsnypij), von dem 
bis jetzt zwei Bände erschienen sind, geht leider, wie Dr. 
Smigrodski mittheilt, «wegen Mangel an Abonenten» ein. 

Der Kreisarzt von Wlaaislawow (Gouv. Suwalki) E. J. 
Nonewitsch, 58 J. alt, ist für Erpressung und Bestechlich¬ 
keit beim Empfange von Rekruten vom Warschauer Gerichts¬ 
hof znm Verlust aller persönlichen und dem Stande nach ihm 
znkommenden Rechte und zur Verbannung ins Gouvernement 
Tobolsk verurtheilt worden. 

— Der «WolshBki Wjestnik» erzählt nachstehende gera¬ 
dezu unglaublich klingende Historie ans der geburts- 
hülflichen Abtheilnng einer unentgeltlichen Heil¬ 
anstalt in der Stadt Ufa. Ein gewisser Banquier Kolotow, 
hat alle Aerzte, welche diese Heilanstalt leiteten, vertrieben 
und darauf in seiner Eigenschaft als Mitglied des Armen- 
comit^s angefangen in der Anstalt auf eigene Faust zu wirt¬ 
schaften. Auch die Hebamme Kusnezowa, welche den Schutz 
der Aerzte genoss, wurde von ihm entlassen und durch eine 
Dorfhebamme ohne Diplom ersetzt. Nicht genug, — Kolotow 
war persönlich bei jedem Geburtsact in der Abtheilung: zugegen 
und beschränkte aus ökonomischen Rücksichten die Verab¬ 


folgung reiner Wäsche aufs äusserste. Die Folge war, dass in 
der Anstalt das Puerperalfieber sich entwickelte, an welchem 
mehrere Frauen starben, so dass die geburtshilfl. Abtheilung 
auf einige Zeit geschlossen werden musste. 

— ImLaufedes März-Monats sind aus Moskau drei Sani¬ 
tätsabtheilungen, bestehend aus Aerzten, Feldschern und 
barmherzigen Schwestern nach Ssamara und in die Kreise 
Busuluk und Nowousen zur Bekämpfung der Typhusepidemie 
abgegangen. In einer Sanitätsabtheilung sind 3 Studenten der 
Medicin als Feldschere beschäftigt. Der Unterhalt dieser Sani¬ 
tätsabtheilungen, sowie die Versorgung derselben mit Medica- 
menteu, Wäsche, Wein etc. wird durch Spenden von Privat¬ 
personen bestritten. 

— Sir Morel! Mackenzie hat ein Testament hinterlassen, 
aus dem sich ersieht, dass der ganze Nachlass des vielbe¬ 
schäftigten Specialisten ca. 22,0000 Pfd. Sterling (nach dem 
gegenwärtigen Curse über 200,000 Rbl.) bestand, eine Summe, 
die ausser allem Verhältnis zu seinen colossalen Einnahmen 
stellt und nur dadurch erklärt wird, dass Mackenzie seiner 
Gattin zu Liebe eine sehr luxuriöse Lebensweise führte. 

— In Wien ist der Fabrikant chirurgischer Instrumente 
Joseph Leiter, welcher sich namentlich durch die Verfer¬ 
tigung der Beleuchtungsapparate innerer Körperhöhlen einen 
Namen gemacht hat, im Alter von 83 Jahren gestorben. 

— Der Schweizerische Verein der Typographen hat den 
Professor der Hygiene, Dr. Adolph Vogt in Bern, zu seinem 
Ehrenmitgliede gewählt für seine grossen Verdienste um 
die Volkshygiene und die Einführung des 8stündigen Arbeits- 
tiiges». 

— Prof. Dr. Erwin v. Esiuarch (Königsberg) ist aus der 
Redaction der «Hygienischen Rundschau» ausgeschieden 
und an seine Stelle sind Prof. Ru bner (Berlin) und Dr. Thier - 
felder getreten. Prof. Carl Fränkel (Marburg) ist in der 
Redaction verblieben. 

— Die Zahl der Aerzte in Belgien ist seit dein Jahre 

1885 von 2286 auf 2900 gestiegen, so dass 1 Arzt auf 2120 
Einwohner entfällt. In Brüssel kommt sogar 1 Arzt auf 950 
Einwohner. (Brit. med. Journal). 

— In Frankreich ist mittelst Parlaments-Beschlusses der 
Grad eines «Officier de sant6» (ein Mittelding zwischen 
unserem Feldscher und einem Arzt) definitiv abgeschafft 
worden. 


Vacanzen. 

1) Bei dem Gouvernements - Landschaftshospital in 
Wladimir ist die Stelle eines überetatmässigen Ordi- 
nators mit einem Jahresgehalt vou 1100 Rbl. erledigt. Be¬ 
werber, welche speciell mit der Behandlung von Augenkrank- 
heiteu vertraut sein müssen, haben ihre Docuraente bis znm 
1. Mai 1892 bei der «BaaimiipcKaH 1'yöepucKaa 3eMcnan ZnpaBa» 
einzureichen. 

2) Für einen ärztlichen Bezirk im Kreise Kargopol (Gouv. 
Olonez) wird ein Arzt gesucht. Gehalt 1500 Rbl. bei freien 
Amtsfahrten. Adresse: «KapioaoxbCKaa Y csAnaa 3eMCKa>i ynpana». 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 14. April. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 13. April. 


Curort Salzbrunn, Schlesien: Heilbewährt bei Erkran¬ 
kungen der A;kraung8organe und des Magens, bei Scrophulose 
Nieren- und Blasenleiden, Gicht, Hämorrhoid albeschwer den 
und Diabetes. 1 

Bad Ems: Indicationen: Chronisch-katarrhalische und 
entzündliche Zustände der Schleimhäute und der anderen Ge¬ 
bilde der Athmungsorgane, von der Nase und dem Halse bis 
zu den feinsten Bronchien. Dieselbe Erkrankung des Magens, 
des Darms und seiner Anhänge, der Gallengänge und Blase, 
der Niere und Harnblase mit Gries und Steinleiden, Eiweiss 
und Zuckerbildung im Urin, Uebersätti^ung des Körpers mit 
Harnsäure, Gicht, chronischer Rheumatismus, Katarrh, chron. 
Entzündung mit Anschoppung der weiblichen Organe und 
ihre mannigfachen Folgen für das Blut- und Nervenleben, 
Sterilität u. s. w. Nervöse Leiden versch. Art, besonders mit 
dem Character gesteigerter Erregbarkeit, Reconvalescenz nach 
Lungen-, Rippenfell- etc. Entzündungen, Folgen der Influ¬ 
enza u. s. w. Die günstigen Erfolge unserer Quellen und 
Producte, Pastillen pp. bei der von Neuem herrschenden In¬ 
fluenza erweisen sich durch den anhaltend steigenden Bege hr. 

Königliches Bad Oeynhausen: Bewährt gegen Er¬ 
krankungen der Nerven, des Gehirns und Rückenmarks, ge gen 
Muskel- und Gelenkrheumatismus. Herzkrankheiten, Scrop lin- 
lose, Anämie, chronische Gelenkentzündungen, Frauenkrank¬ 
heiten n. s. w. 


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Krankenhause vom dirigirendeu Arzte Herrn Professor Dr. Langenbuoh, ferner in 
der königlichen Charite, in den städtischen Krankenhäusern Moabit und Frie- 
drichshäin, in der Klinik für Nervenleidende von Herrn Professor Dr. Eulenburg, 
sowie in der Klinik für innere Krankheiten von Herrn Professor Dr. Litten und 
Anderen; in Wien: im allgemeinen Krankenhause auf der Abtheilung des Herrn 
Professor Dr. Meynert von Herrn Dr. Schubert und im städt. Krankenhause 
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Influenza, Tabes, Diabetes, Fettsucht, Gicht und Podagra ohne schädliche Ne¬ 
benwirkungen hervorragende Dienste leistet. Bedeutend billiger als Antipyrin. 10 Gramm =» 

30 Kop. 

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form und das Ichthyol in allen Fällen; frei von üblem Geruch, local nicht irritirend. An- ! 
wendung als Streupulver und in 10°/o Salbe mit Vaseline gegen syphilitische und 
tuberoulöse Geschwüre und Hautaussohläge ; in l°/o wässeriger Lösung gegen i 
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und Blasenleidende — Alleinige Fabrik Badlauer’s Kronen-Apotheke in Berlin W. I 

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Adressen von Krankenpflegerinnen: 
Sophie Jordan, Bac. OcTp., 5 sbh. 38, 
KB. 19. 

Ida Belajew, KasancRn« NI 52, kb. 24. _ 


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stalten jeder Art. — Terrain-Curort zur Behandlung von allgemeiner Fettsucht, Krank¬ 
heiten des Herzens etc.— Molkenanstalt, Milchkur. Versandt des au Lithium reichsten 
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gymnastisches Institut. Bade- und 
sonstige Einrichtungen ersten Ban¬ 
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Herausgeber: Dr. Th. v. Schröder. Buchdruckerei vou Wienecke, Katberinenhofer-Pr. M15. 


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XVII. JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Nene folge l)f. Jaftrg. 


HEBIMIISCIE WOCEENSCIEIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Earl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St Petersburg. 


Die «St Petersburger Mediciuisclie Wochenschrift» erscheint jeden 
Sou nabend. — Der Abonnementspreis ist in Bussland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postzustellung; in den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspr jis 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


MF" Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet man ausschliesslich an die Bachhandlung von Oarl Bioker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect H 14, zu richten. — KauuscxiptC 
sowie alle aufaie Red&ctiou bezüglichen Mittheilangeu bittet man an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor ton Schräder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja H 33,Quart. 3, za richten. Sprech« 
stunden täglich von 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


N 15 


St. Petersburg, 11. (23.) April 


1892 


Inhalt: M. Abelmann: Peliosis rheumatica im 


salter.— Referate: St. Wright (London): Ueber ein neue® 


färbbarer Körner im menschlichen Fettgewebe. — W. Gerl ach: Ueber die Beziehungen zwischen den Hautflecken und der 
Nervenerkrankung bei der Lepra anaesthetica. — Bticheranzeigen und Besprechungen: Hersing: Compendium der 
Augenheilkunde. — Silex: Compendium der Augenheilkunde. *— 1) F. A. Fltickiger: Pharmakognosie des Pflanzenreiches. — 
2) E. Schmidt: Ausführliches Lehrbuch der pharmaceutischen Chemie. — Protokolle der Gesellschaft praktischer 
Aerzte zu Riga. — Kleinere Mittheilnngen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanz. — Mor¬ 
talitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Peliosis rheumatica im Säuglingsalter. 

Von 

Dr. med. M. Abel mann. 

Vortrag, gehalten im Verein St. Petersburger Aerzte am 
7. Januar 1892. 

Gestatten Sie, meine Herren, Ihnen die Krankenge¬ 
schichte eines jugendlichen Patienten vorzuführen, die, 
meiner Meinung nach, unser Interesse wohl in Anspruch 
zu nehmen verdient; schon allein aus dem Grunde, weil 
die betreffende Affection bei so jugendlichen Kindern, 
es handelt sich nämlich nm einen sechs Monate alten 
Knaben, bis jetzt noch nicht beschrieben worden ist. Es 
knüpfen sich aber an diesen Fall noch andere recht 
interessante Gesichtspunkte, die ich mir weiter unten 
auszuführen erlauben werde. Hier vorerst der Kranken¬ 
bericht: 

Am 29. October d. J. wurde mir im Ambulatorium des Eli- 
sabeth-Kinderhospitals ein 7jähriges Mädchen vorgeführt, das 
unter heftigem Fieber einige Tage vorher erkrankt war. Es 
sollen sich Schmerzen in den Knie- und Handgelenken einge¬ 
stellt haben, bald darauf auch eine Schwellung der Gelenke. 
Es handelte sich also um einen acnten polvarticulären Ge¬ 
lenkrheumatismus. Während meiner Behandlung trat noch 
Schwellung und Schmerzhaftigkeit des rechten Fass- und des 
linken Ellenbogengelenkes auf, und am 15. November, nachdem 
die Schwellung der Gelenke auf Natron salicylicum völlig 
verschwunden war, constatirte ich eine Endokarditis. Das 
Mädchen befindet sich augenblicklich auf dem Wege der Besse¬ 
rung, muss aber noch das Bett hüten. 

Am 8. November erkrankte nun ein 6 Monate altes Brüder¬ 
chen der Patientin, unter heftigem Erbrechen und Tempera¬ 
tursteigerung. Die Mutter giebt an, sofort eine Schwellung in 
der Gegend des rechten Handgelenkes bemerkt za haben. Dann 
sollen am 11. November Blutungen unter der Hant aufgetreten 
sein, die sich zunächst an der Planta beider Füsschen bemerk¬ 
bar machten und am 12. auch die hintere Fläche der Unter¬ 
schenkel befielen. Das Fieber soll unregelmässig bald stark, 
bald wieder völlig verschwunden gewesen sein. Erbrechen soll 
seit dem ersten Krankheitstage nicht wieder aufgetreten sein. 
Diarrhoe bestand nicht. 

Die Eltern erfreuen sich einer guten Gesundheit, sind im 
Besitze von.fünf Kindern, die ziemlich gut genährt sind. 
Bluter sollen in der Familie nie gewesen sein. Die Wohnungs¬ 


verhältnisse sind durchaus nicht mangelhaft, auch scheint die 
Wohnung nicht fencht zu sein. 

Status praesens 12. November: Ein ziemlieh gut genährtes, 
dem Alter entsprechend entwickeltes Kind, dessen sichtbare 
Schleimhäute etwas anaemisch sind. Temp. 38,9. Puls 128. 

Die Haut am ganzen Körper ist von blasser Farbe, nirgends 
Oedeme. An der hinteren Fläche des rechten Unterschenkels 
findet sich eine flache Snffnsion von roth-bläulicher Farbe und 

2 Cm. im Durchmesser: eben solch eine bemerkt man am linken 
Unterschenkel in der Gegend des oberen Fussgelenkes. Auf 
der Planta beider Füsse finden sich zahlreiche Hautblutungen 
von der Grösse einer Erbse bis zu der eines 3 Kopekenstückes, 
deren Farbe mehr in's Blaue spielt. Die Anordnung der Snffu- 
sionen scheint den kleinen Fussgelenken zu entsprechen. An 
der Hant des übrigen Körpers finden sich nnr spärliche punkt¬ 
förmige Blutungen. Das rechte Handgelenk ist deutlich ge¬ 
schwellt, die Hant über demselben nicht oedematös. 

Die Schleimhaut der Rachenhöhle ist anaemisch, das Zahn¬ 
fleisch von normaler Beschaffenheit. Die 2 mittleren unteren 
Schneidezähne bereits dnrchgetreten. Blutungen sind auf der 
Schleimhaut nicht vorhanden. — Die Herzspitze befindet sich 
im 6. Intercostalranm in der Mamillarlinie, Herzgrenzen nnd 
Herztöne normal. In den Lungen spärliche Rasselgeräusche. 
Die Verdauung geht normal von Statten, kein Erbrechen, keine 
Diarrhoe. Die Milz ist bei tieferem Eindrücken wohl fühlbar, 
doch scheint sie nicht stark vergrössert zu sein. Der im Strahle 
aufgefangene Urin ist klar, enthält keine pathologischen Be¬ 
standteile. Ordination: Emuls. amygd.dulc. 60,0, Na. sallcylici 
0,12 Syr. simpl. 20,0. S. 5 Theelöffel täglich. 

13. November Morgens. Temp. 38,8. Puls 140. Die Schwellung 
des rechten Handgelenkes hat etwas zugenommen, in der Um¬ 
gebung desselben sind vereinzelte Petechien bemerkbar. 
Ferner sind Hautblutungen in der Gegend der Metacarpo- 
phalangealgelenke und der einzelnen Phalanxgelenke anfge- 
treten. In der Gegend des Trochanter major linkerseits findet 
sich eine grosse flache Suffusion von blauröthlicher Farbe und 
von 4 Cm. im Durchmesser. Das Talocruralgelenk des linken 
Fasses ist deutlich geschwellt. Snffnsion una Petechien finden 
sich auch in der Gegend der Metatarsonhalangealgelenke. 

3 normale Stühle. — Abends Temperatur 3»,5 Puls 150. 

14. September Morgens. Temperatur 37,2. Die Schwellung 
des Handgelenkes hat etwas angenommen, dagegen ist jetzt 
das linke Schultergelenk, namentlich an der hinteren Fläche, 

f eschwellt. Einige spritzförmige Blutungen sind auf der Haut 
es rechten Oberschenkels bemerkbar. 

Die mikroskopische Untersuchung des Blutes ergiebt keine 
auffallenden Abnormitäten. Eine Vermehrung der weissen Blut¬ 
körperchen scheint nicht zu bestehen. Mikrocyten finden sich 
nicht. In 0,6 pCt. Kochsalzlösung entfärben sich die rothen 
Blutkörperchen recht langsam. Bei leichtem Druck auf das 


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Deckglas beobachtet man keinen Zerfall der rotben Blutkör¬ 
perchen in Fragmente. 

Abends: Temperatur 39,4 Puls 140. Die Schwellung des 
ü^rtre}enkes nimmt zusehends ab. Einige röthlich- blaue 

E ntWföftnige Blutungen siqd auf der Bauenhaut bemerkbar. 

•asi&ind ist den Verhältnissen entsprechend ziemlich munter, 
nimmt die Brust recht kräftig. 4 Stühle von normaler Be- 
scha&nfceit. 

15. September Morgens. Temperatur 38,8. Die Snffuskmen in 
der Gegend des Fussgelenkes und des Trochanter major blassen 
ab. Die Schwellung des Handgelenks ist kaum wahrzunehmen. 
Abends: Temperatur 39,0. 2 normale Stühle. 

16. September Morgens:, Temperatur 38,2 Puls 132. Die 
Schwellung des Schultergelenkes hat stark abgenomraeti. Neue 
Blutungen sind nicht aufgetreten. Geringes Oedem an dem 
Fussröcken und den Malleolen beiderseits, Abends: Temperatur 
39,0. Im Laufe des Tages waren 8 - dünnflüssige graugrüne 
Stühle ohne Blutbeimengung. 

17. September Morgens: Temperatur 38,1 Puls 140. Die 
Blutflecken sind kaum noch wahrnehmbar, ebenso die Gelenk¬ 
schwellung. Eine erneuerte Untersuchung des Herzens ergiebt 
normale Verhältnisse der Percussion und Auscultation. 

Abends: Temperatur 39,0 Puls 156. Geringe Schwellung des 
Kniegelenkes rechterseits. Im Verlaufe des Tages 6 dünnflüssige 
Stühle. Ordination: Calomel 0,006 4 mal täglich. 

18. September Morgens: Temperatur 38,2. Die Schwellung 
des Kniegelenkes nimmt nicht zu. Der kleine Patient ist 
munterer, soll des Nachts stark geschwitzt haben. Abends: 
Temperatur 37,9 4 wässrige Stühle. 

19. September Morgens. Temperatur 37,2. Abends 37,5. Im 
Verlaufe des Tages 3 breiige Stühle. 

Bis zum 24. November blieb dann die Temperatur normal. 
An diesem Tage brachte die Mutter das Kind wieder zu mir. 
Die Temperatur war 39,3. Ich constatirte eine Schwellung des 
früher afficirt gewesenen Handgelenkes und LymphdrÜsen- 
Schwellung am Halse. Am 27. war die Temperatur wieder 
normal, die Gelenkschwellung verschwunden. 

Wenn wir die wichtigsten Symptome zusammenfassen, 
die wir bei unserem kleinen Patienten beobachtet haben, 
so waren es: acut einsetzendes Fieber von remittirendem 
Charakter, Schwellung der Gelenke, Suffusionen und Pe¬ 
techien auf der Haut, besonders in der Gegend der Ge¬ 
lenke. Unzweifelhaft haben wir es hier mit derjenigen 
Affection zu thun, die zuerst von Schönlein 1 ) beschrieben 
und mit dem Namen «Peliosis rheumatica» belegt 
worden ist. Als charakteristisches Merkmal der Krankheit 
fasste Schönlein das Auftreten periodischer Schmerzen 
in verschiedenen Gelenken (Knie, Hand- und Schulter¬ 
gelenk) und gleichzeitige Eruption von Petechien auf der 
Haut auf. Die Krankheit wurde dann eingehender gewür¬ 
digt von Latour 8 ), Fuchs 3 ), Rehfeld 4 ), Canstatt 6 ), 
Vallin 8 ), Wagner’’), Leuthold*) und vielen anderen 
Autoren. Eichliorst 9 ) giebt in seinem Handbuche an, 
dass er der Peliosis rheumatica in Berlin recht häufig 
begegnete, namentlich in den kühlen Herbst- und Win¬ 
termonaten, mitunter gehäuft, fast epidemisch. Was 
speciell das kindliche Alter anlangt, so nahm man früher 
allgemein mit Red er 1 ”) an, dass die betreffende Affec¬ 
tion dem jugendlichen Alter ganz fehle; doch wurde 
später die Reder’sche Behauptung widerlegt. So hat 
Schmitt 11 ) das Vorkommen der Peliosis bei Kindern 
erwähnt. Kaltenbach 12 ) beschrieb einen Fall bei einem 
10jährigen Knaben, bei dem der Purpuraeruption starke 

*) Schönlein: Allgemeine nnd spec. Pathol. und Therapie. 
4. Anfl. Leipzig 1839. Bd. II p. 42. 

2 ) Latonr: Histoire des h£morrhagies. 1828. Bei Conty. 
Gazette hebdom. 1876 p. 563. 

*) Fach8. Die krankhaften Veränderungen der Hant und 
ihrer Anhänge. Göttingen 1840—41. 

4 ) Rehfeld. Schmidts Jahrb. der ges. Medic. 1838 p. 308. 

5 ) Canstatt. Handb. der medic. Klinik 4 Bd. p. 1008. 

*) Val 1 in. Gaz. m6d. de Paris. 1863 p. 735. 

7 ) Wagner. Archiv der Heilk. X 1869 p. 361. 

") Lenthold. Traubes gesam. Beiträge zur Path. nnd Phys. 
Bd. II p. 760. Berlin klin. Wochsch. 1865 Nr. 50. 

*) Eichhorst. Handb. der spec. Path. und Therapie Bd.IV 
p. 47. 2. Auflage. 

,0 ) Red er (Hebra) Virchow’s Handb. der spec. Path. und 
Therapie. Bd. III 1. Abth. p. 620. 

“) Schmitt. Memorabilien ausd. Praxis V 3.1860. Schmidt's 
Jahrb. Nr. 107. 

’*) Kaltenbach. Jahrbuch f. Kinderbeikunde 1873 p. 30. 


Schmerzen und Schwellungen der Gelenke vorausgingen. 
Eingehende Würdigung erfuhr die Krankheit bei Henoch’ 3 ). 
Er beschrieb 1864 und 1866 Fälle von Peliosis rheuma¬ 
tica bei Kindern. Später erweiterte er den, Symptoraen- 
complex der Krankheit, indem er die Beobachtung machte, 
dass in einer Reihe, von Fällen zp den bereits bekannten 
Symptomen Darmerscheinungen sich hinzugesellen: Erbre¬ 
chen, Koliken und blutige Stühle. Solche Fälle sind in 
jüngster Zeit von Silbermann 14 ), ferner von v. Dnsch 
und Hoche 16 ) publicirt worden. 

In den 60. und 70-ger Jahren stand der von Schönlein 
aufgestellte und durch seine Autorität gefestigte Krank¬ 
heitsbegriff fest, und man war allgemein der Ansicht, 
dass die Peliosis in enger Beziehung zu rheumatischen 
Affectionen stehe. Diese Beziehung zum acuten Gelenk¬ 
rheumatismus ist von Fuchs, Kinnicut 16 ), später beson¬ 
ders von französischen und englischen Autoren betont 
worden; ganz besonders beweiskräftig war der auf der 
Traube’schen Klinik beobachtete, von Leuthold beschrie¬ 
bene Fall, bei welchem die Section Veränderungen an 
den Gelenken aufwies, die in jeder Beziehung den beim 
polyarticulären Gelenkrheumatismus constatirten analog 
waren, ln neuerer Zeit hat sich aber eine ganz andere 
Auffassung der Peliosis rheumatica geltend gemacht; nur 
wenige Autoren, unter ihnen namentlich Henoch, halten 
an der ursprünglichen Scliönlein’schen Auffassung fest 
und erklären die Krankheit als Morbus sui generis. 
Dagegen hat nun Scheby-Buch 17 ) auf Grund von 77 
den Journalen des Hamburger allgemeinen Krankenhauses 
aus einem Zeitraum von 41 Jahren entnommenen Kran¬ 
kengeschichten die Behauptung aufgestellt, dass sämmtliche 
Purpuraarten, — die Purpura Simplex, rheumatica, hae- 
morrhagica mit Einschluss des Skorbuts als Erscheinungs¬ 
formen einer transitorischen, haemorrhagischeii Diathese 
aufzufasseu seien und pathogenetisch einen und denselben 
Ursprung haben. Er begründet seine Auffassung dadurch, 
dass sich Uebergänge und Mischformen fänden, welche 
eine klinische Trennung der einzelnen Formen nicht 
gestatten. Noch weiter geht in dieser Beziehung Prof. 
W. Koch 18 ) in Dorpat: er proclamirt Skorbut, Purpura 
simplex, rheumatica und haemorrhagica, Erythema nodo- 
sum, Ilaemophilie, Nasenbluten, Blutschwitzen und Fett¬ 
entartung der Neugeborenen pathogenetisch als eine und 
dieselbe Infectionskrankheit. 

Der Scheby-Buch’schen Ansicht haben sich auch 
viele Kliniker angeschlossen, so Immermann’ 9 ), Strüm¬ 
pell 20 ), Gerhardt 21 ); Steiner 22 ) hält die Purpura 
rheumatica nicht für eine, selbständige Erkrankung. 
Baginsky 23 ) betrachtet die Purpura simplex und hae¬ 
morrhagica nur als dem Grade nach verschiedene Er¬ 
scheinungsweisen einer und derselben Krankheitsforin, 
die Peliosis rheumatica deckt sich nach diesem Autor 
bis auf die Gelenkschwellung mit der einfachen Pur¬ 
pura; einen rheumatischen Charakter spricht Baginsky 
der Krankheit ab. Dieselbe Meinung finden wir bei 


,s ) Henoch: Beiträge zur Kinderheilk. N.F. 1868. p. 402; 
Berliner klin. Wochsch. 1867 Nr. 15, 1868 Nr. 50, 1874 p. 641 
und Vorlesungen über Kinderkr. 

14 ) Silbermann. 

,5 ) v. Dusch und Hoche. 

Kinnicutt. Peliosis rheumat. Archiv, of Dermatology 
Vol. I w. 31 Vierteljahrsch. für Denn, nnd Syphilis 1875 
4. Heft p. 533. 

n ) Scheby-Buch: Deutsches Archiv für klin. Medicin XIV 
p. 466. 

,8 ) W. Koch: Deutsche Chirurgie von Billroth und Lücke, 
Bd. XII. 1889. 

19 ) Immermann: v. Ziemssens Handb. der spec. Path. Bd. 
II 1. Abth. p. 676. 

20 ) Strümpell: Lehrbuch der spec. Path. und Therapie. 
Bd. II 2. Abth. p. 231. 

*‘) Gerhardt: Lehrbuch der Kinderkrankheiten 1881 p.269. 
22 ) Steiner: Compendium der Kinderkrankheiten p. 370. 

23 j Baginsky: Lehrbuch der Kinderkrankheiten III. Aufl. 
p. 317. 


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d’Espine und Picot 14 ) vertreten. So ist heutzutage der 
Begriff der Schönlein’schen Krankheit durchlöchert worden, 
und v. Dusch und Hoche haben wohl Recht, wenn sie 
behaupten (1. c.), dass viele Autoren nur noch aus 
Achtung vor dem berühmten Kliniker der Peliosis rheu- 
matica Erwähnung thun. 

Wenn wir uns aber die Gründe, die Scheby-Buch, 
Wilhelm Koch und andere Autoren gegen die Annahme 
der Peliosis rheumatica als einer besonderen Erkrankung 
geltend machen, näher ansehen, so können wir uns 
durchaus dem nicht verschliessen, dass diese Gründe 
gesucht erscheinen. Es ist durchaus nicht stichhaltig 
Krankheiten nur aus dem Grunde zu analogisiren, weil 
sich gemeinsame Symptome und Uebergänge finden. Wie 
häufig constatiren wir Aehnlichkeiten zwischen Variola 
sad Varicellen, Masern und Rubeolen, ja sogar zwischen 
Abdominal- und Flecktyphus, und doch wird es Nie¬ 
mandem einfallen, diese Krankheiten zu identificiren. Eine 
Identität verschiedener Krankheitsformen sind wir nach 
dem heutigen Standpunkte nur dpnn anzunehmen berech¬ 
tigt, wenn die klinische Erfahrung lehrt dass die eine 
Form aus der anderen durch Contagion entstehen kann, 
oder aber wenn für alle Formen ein identisches infec- 
tiöses Agens gefunden ist. Dieser Nachweis identischer 
Krankheitserreger ist bis jetzt nicht erbracht worden. 
Es sind wohl von verschiedenen Autoren, so von Letze- 
rich, Petrone und Koch, Bacillen und Mikrokokken 
im Blute bei Skorbut und Morbus Werlhofii entdeckt 
worden, Letzerich gelang es sogar bei Kaninchen dem 
Morbns maculosus ähnliche Symptome zu erzeugen, indem 
er Reinculturen von Bacillen aus dem Blute eines an 
Morbus Werlhofii leidenden Patienten injicirte. Damit 
könnte aber nur die Contagiosität des Morbus maculosus 
bewiesen sein. Keineswegs ist man aber berechtigt, aus 
diesen Beobachtungen irgend welche Schlüsse in Bezug 
auf die Purpura rheumatica zu ziehen. 

Unzweifelhaft hat diese Krankheit in einer grossen 
Reihe von Fällen einen ganz typischen, schematischen 
Verlauf. Solche typische Fälle sind ja vielfach beschrieben 
worden. Auch ich habe 2 Fälle der Krankheit in Dorpat 
gesehen und einen Fall in Berlin bei einem 25jährigen 
Mädchen, welches an einer Endokarditis valvularum aortae 
laborirte. Kehren wir nun zu unserem kleinen Patienten 
zurück, so haben wir auch hier ein typisches Krank¬ 
heitsbild, das weder mit der einfachen Purpura, noch 
mit irgend einer anderen Bluterkrankung identiftcirt werden 
kann. Dass hier ein enges Verhältnis zwischen der Er¬ 
krankung des Mädchens und der des kleinen Bruders 
desselben besteht, wird man wohl gewiss annehmen dürfen, 
um so mehr, als wir in der angeführten Literatur mehrfach 
erwähnt finden, dass die betreffenden Patienten entweder 
selbst schon früher rheumatisch erkrankt waren, oder 
dass in der Familie acuter Gelenkrheumatismus herrschte. 
Ich erwähne hier nur den bereitscitirten Leuthold’schen 
Fall, ferner den von v. Dusch und Hoche beschriebenen. 
Es handelte sich da um ein läjähriges Mädchen, dessen 
Familienglieder bereits an Gelenkrheumatismus laborirt 
hatten; die Patientin selbst hatte mehrfache Attaquen des 
polyarticulären Gelenkrheumatismus durchgemacht und 
als deren Folge einen Herzfehler acquirirt. Beide Krank¬ 
heiten zu identificiren fällt mir natürlich nicht ein, so 
lange der Beweis noch nicht erbracht ist, dass beiden ein 
identischer Mikroorganismus zu Grunde liegt. Dass man 
aber entschieden viel zu weit geht, wenn man den Begriff 
der Schönlein'schen Krankheit fallen lassen will, möchte 
ich hier nochmals betonen. 

Zum Schlüsse erlaube ich mir mit einigen Worten die 
Frage der Pathogenese der Krankheit zu berühren. Trotz 
neuerlicher bedeutsamer Forschungen bleibt doch die Frage 


**) d’Espine et Picot: TraitS des maladies des enfants 
IV Edit. p. 212. 


noch nicht entschieden, ob bei der Bildung der Purpura 
Gefässwand oder Gefässinhalt die Hauptrolle spielt. Jeden¬ 
falls ist soviel als feststehend hinzunehmen, dass es nicht, 
wie man früher annahm, einer Gefässzerreissung bedarf, um 
den Durchtritt rother Blutkörperchen aus Capillaren und 
sogar aus kleinen Venen zu ermöglichen. Die Cohn- 
heim’schen Forschungen haben zur Evidenz ergeben, dass 
makroskopische Extravasate durch Anomalien der Ge¬ 
fässwand, welche mikroskopisch nicht wahrnehmbar zu 
sein brauchen, zu Stande kommen können. Eine andere 
Frage, die uns hier näher angeht ist nun aber, ob die 
Veränderung des Blotes resp. der Gefässwand primär 
bestehe und die Gelenkaffection erst secundär äuftrete, 
oder ob letztere das Primäre sei und die Veränderungen 
des Blutes resp. der Gefässwand erst consecutiv auftreten. 
Darüber kann man verschiedener Meinung sein, und es 
fehlt auch nicht an Vertretern für beide Auffassungen. 
Für die übergrosse Mehrzahl der Fälle aber ist es, 
meiner Meinung nach, viel wahrscheinlicher anzunehmen, 
dass die Blutungen erst consecutiv in Folge des rheuma¬ 
tischen Krankheitsproeesses entstehen; denn, wie wir 
gesehen haben, betrifft die Peliosis Individuen, welche 
früher an rheumatischen Affectionen bereits gelitten haben; 
auch erscheinen die Blutungen gewöhnlich erst, nachdem 
Gliederschmerzen voräusgegangen sind. 


Referate. 

St. Wright (London): Ueber ein neues Stypticum und 
über die Möglichkeit die Coagulationsfähigkeit des 
Blutes in den Gefässen bei Hämophilie, Aneurismen 
und inneren Blutungen zu steigern. (The Brit. MeA. 
Joorn. 1891. 19. XD. Therap. Monatshefte Nr. 2. 1892). 

Verf. hat ursprünglich eine Lösung des Fibrinfennents mit 
Erfolg als Stypticum benutzt; er kam aber später zur Ueber - 
zeugung, dass die Gerinnung noch beschleunigt werden kann, 
wenn man eine 1 pCt. Calciumchloridlösung hinzufügt. Dieses 
Stypticum entfaltet seine Wirkung nur auf das Blut, während 
die übrigen Gewebe von ihm vollständig unverändert gelassen 
werden. Verf. gelang es mit diesem Mittel bei Thieren die 
Blutung nach Durchschneidung der Vena jugularis communis, 
der Vena axillaris, der Art. hepatica sofort zum Stehen zu 
briugon. Ferner beobachtete er, dass arterielles und venöses 
Blut ausserhalb des Körpers unter Zusatz des genannten Re¬ 
agens beträchtlich rascher coagulirt. als ohne dasselbe. Beim 
Menschen ist bis jetzt nur einmal ein derartiger Versuch, 
nach supravaginaler Cervixamputation, mit gutem Erfolg ge¬ 
macht worden. Verf. ist der Meinung, dass sich das Mittel 
bei unstillbarem Nasenbluten, bei Haeraophilie, bei Blutungen, 
in denen es nicht möglich ist, die Gefässe zu ligiren, bewäh¬ 
ren wird. Um die Coagulationsfähigkeit des Blutes innerhalb 
der Gefässe zu steigern, empfiehlt Verf. Kalksalze per ob oder 
durch intravenöse Injectionen zu appliciren. Die Gefahr der 
Gerinnung in den Gefässen selbst tritt nicht ein, das Blut 
behält seine ursprüngliche Flüssigkeit. Zwecks Herstellung 
des Stypticums wird das Blut von Herbivoren in der drei¬ 
fachen Menge Wasser aufgefangen, dann bis zum Beginn der 
Gerinnung stehen gelassen und durch Schlagen defibrinirt. 
Das auf diese Weise erhaltene Fibrin wird durch Auswaschen 
im Wasser vom Blutpigmente gereinigt und dann für einige 
Zeit in starken Alkohol gebracht. Nach Entfernung des letz¬ 
teren kann hieraus das r ibrinferment durch Extraction mit 
sterilisirtem Wasser gewonnen werden. Hierzu wird dann 
eine 1 pCt. Lösung von Calciumchlorid hinzugesetzt. 

A b e 1 m a n n. 

P. Grawitz: Ueber Lungenemphysem. (Deutsche Medic. 
Wochenschr. Nr. 10). 

Nach der Theorie von Traube kommt das wahre Lungen- 
emphysem dadurch zu Stande, dass beim trockenen Katarrh 
der Bronchien ein Verschluss kleinster Luftröhrenästchen 
durch zähen Schleim stattfindet, und dass alsdann sowohl bei 
der Erweiterung des Brustraumes bei der Einathmung als 
auch bei der Ausathmung und bei Hustenstössen der dahinter 
liegende Abschnitt der Lunge unter hohen Druck geräth, 
welcher Schwund der Alveolarscheidewände zur Folge hat. 
Um letzteren Schwund zu erklären hältVirchow den mecha¬ 
nischen Druck allein nicht für ausreichend, er glaubt viel¬ 
mehr, dass das Lungengewebe vorher eine gewisse Schwäche 
besessen habe, welche den später eintretenaen Schwund vor¬ 
bereitet. Grawitz erscheinen beide Erklärungsversuche un¬ 
genügend, da die Haupteigenthümlichkeiten des wahren Ein- 


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physems, nämlich seine besondere Localisation an den scharfen 
Longenrändern und der Pigmentmangel der emphysematös 
veränderten Stellen, dadurch nicht erklärt werden. Alle, sowohl 
die peripher gelegenen Lnngenbezirke, als auch die omtral- 
gelegenen, stehen stets unter gleichem Luftdruck, dagegen 
werden letztere durch zahlreiche Anastomosen seitens der 
Bronchialarterien besser mit Blut versorgt, als erstere; des 
wegen können Ernährungsstörungen in den Randpartien der 
Lunge leichter Vorkommen. 

Nach wochenlanger chronischer Vergiftung von Kaninchen 
mit Phosphorwasserstoffinhalationen findet sich in Folge auf¬ 
tretender Circulationsstörung neben oedematöser Beschaffen¬ 
heit der Gewebe in den Randpartien der Lungen das Bild des 
wahren Emphysems. Bei dieser Form des Emphysems, das 
Grawitz «hydropisches Emphysem» nennt, findet aus den stark 
erweiterten Ly mph wegen des Bindegewebes eine Anschwem- 

S des Pigments statt. Beim herzkranken Menschen be¬ 
tet man hydropisches Emphysem in Folge zeitweiliger 
Herzschwäche. 

Eine zweite Art des Emphysems bezeichnet Grawitz als 
«entzündliches Emphysem». Um das Zustandekommen 
desselben zu erklären benutzt er die Resultate seiner neuesten 
Arbeiten über das Verhalten der Bindegewebszellen bei pro¬ 
gressiver Ernährungsstörung. Nach Grawitz entstehen die 
Bindegewebsfibrillen aus den ursprünglichen embryonalen 
Bindegewebszellen selbst durch Umwandlung, andrerseits kann 
unter krankhaften Ernährungsstörungen das fertige faserige 
Bindegewebe wieder in den ursprünglichen dem Embryo eigen¬ 
tümlichen, rein zelligen Zustand zurückkehren: es vergrössern 
sich zuerst die fixen Bindegewebszellen, dann erweitern sich 
die Saftspalten, sie sind zuerst kernlos, dann treten an ihren 
Wandungen schlanke Kerne, darauf eine spindelige Zellsub¬ 
stanz hervor: auch in den Fasern, selbst den elastischen, tre¬ 
ten in bestimmten Abständen färbbare Kerne auf, zu jedem 
Kern gehört ein angrenzendes Stück der Faser, welches all- 
mälig körnig wird, Bich von dem benachbarten Stück los¬ 
trennt und nunmehr eine Spindelzelle formirt. Von besonde¬ 
rer Wichtigkeit ist diese Auflösung der festen Bindegewebs- 
lagen in frei bewegliche Zellen für die Erklärung des Pig- 
mentschwundes aus dem Lungenparenchym bei entzündlichen 
Processen in der Lunge. Ans den langen perlschnurartig 
aufgereihten Pigmentkörnchen werden wieder Spindelzellen, 
die die erweiterten Saftkanäle füllen und fortwandern. Gra¬ 
witz fand in sehr stark kohlenpigmenthaltigen Lungen die 
entzündeten Partien hellroth, fast pigmentfrei; das Pigment 
war aus letzteren in das Gewebe der Milz und Leber ange¬ 
schwemmt. Auch nach Ablauf der Entzündung sticht die 
erkrankt gewesen« Stelle durch ihren Mangel an Farbstoff 
von den gesund gebliebenen ab. Werden solche Abschnitte 
des Bindegewebes und der Alveolen, welche bei der Entzün¬ 
dung eine vollständige Umbildung erfahren hatten, nur unvoll¬ 
ständig oder gar nicht zurückgebildet, so entsteht eine Atro¬ 
phie d. h. ein Emphysem, das wegen seiner Entstehungsart 
als entzündlich bezeichnet werden kann. 

Auch bei länger dauernder mangelhafter Ernährung beson¬ 
ders im hohen Alter erfährt das Bindegewebe eine Rückbil¬ 
dung in der Weise, dass Bindegewebsfasern wieder zu Zellen 
werden, gleichzeitig findet ein Uebertritt von pigmenthaltigen 
Zellen in die Lymphbahn statt und ein Verschwinden der 
Kohle aus den atrophischen Bezirken — « atrophisches Em¬ 
physem» —-: es entsteht als Altersemphysem am häufigsten 
in den scharfen Lungenrändern, wo die schwächste Circula- 
tion besteht und betrifft nicht nur die Alveolarsepta sondern 
auch das Bindegewebe und lässt in der Regel nur in dem 
Pleuraüberzug noch einen Theil intacter kohlenstaubhaltiger 
Zellen unberührt fortbestehn. 

«Das wahre Lungenemphysem ist also ein Schwund von 
«Alveolarsepten und Bindegewebe, welcher entweder durch 
«ein vorausgegangenes Oedem oder durch eine vorausgegan- 
«gene Entzündung unter dem Erwachen der Grundsubstanz 
«zu zelligen Elementen verursacht ist, oder demjenigen lang- 
«samen Umbildungsprocess der Fasern zu Zellen bei schwach 
«ernährten und greisen Individuen zuzuschreiben ist, den wir 
«bisher ohne eine Kenntniss der histologischen Vorgänge als 
«einfache Atrophie oder insensible Atrophie des Bmdegewe- 
«bes bezeichnet haben». W. Beckmann. 

W. Gerl ach: Ueber das Vorkommen specifisch färbba¬ 
rer Körner im menschlichen Fettgewebe. Ein Beitrag 
zur Pathologie der Fettzelle. (Virchow’s Archiv. Bd. 
125, 1891). 

Man findet verhältnissmässig häufig, namentlich bei älteren 
Individuen, um die Fettzellkerne herum eigenartige, kokken¬ 
ähnliche Gebilde, welche sich besonders dadurch auszeichnen, 
dass sie die Tuberkelbacillenreaction aufweisen, sich mit ba¬ 
sischen Anilinfarbstoffen gut, mit gewöhnlichen Carmin- und 
HämatoxylinlöBungen schwach und nach Gram-Kühne sich gar 
nicht färben lassen. Sehr gut sind sie auch mittelst der Wei- 
gert’schen Hämatoxylinnervenscheidenfärbung darzustellen. 


Gleichzeitig findet man an den Fettzellen selbst zweierlei 
Veränderungen: ersten? eine Ltickenbildnng im Protoplasma 
derselben, welche allem Anscheine nach durch erwähnte 
Körner erzeugt worden ist, und zweitens eine Vacuolisirung 
und Aufquellung der Zellkerne. Die Vacuolen können in letz¬ 
teren so gross werden, dass schliesslich von der Kern Substanz 
blos ein einfacher Ring nachbleibt. 

Durch Ausschliessung verschiedener Erklärungsversuche 

G elangt man zur Vermuthung, es handele sich im gegebenen 
alle um im Augenblicke harmlose Mikroparasiten des mensch¬ 
lichen Fettgewebes. (Autorreferat). 

W. Gerlach: Ueber die Beziehungen zwischen den Haut- 
■ flecken und der Nervenerkrankung bei der Lepra 
anaesthetica. (Virchow’s Archiv. Bd. 125, 1891). 

Die Abhandlung enthält im Wesentlichen die Resultate der 
Dissertation des Verf.’s, welche in dieser Zeitschrift bereits 
in einem Vortrage von Prof. Dell io wiedergegeben sind und 
den Nachweis bringen, dass auch die sogen, anästhetische 
Lepra eine primäre Hauterkrankung darstellt. Neu ist die 
genauere Untersuchung der Muskeln, welche zeigt, dass die¬ 
selben erst secundär in Folge der Nervenerkrankung atro¬ 
phisch geworden sind. Eine weitere Ergänzung der ursprüng¬ 
lichen Arbeit liefert die Untersuchung der Haut der fleckigen 
Aussatzform. Diese ist insofern von Interesse, als sich im 
gegebenen Falle in den Schweissdrüsen ans der Umgebung 
jüngerer Hautflecke körnige, die Leprabacillenfärbung ver¬ 
tragende Gebilde nachweisen liessen, welche offenbar als In- 
volütionsformen der Leprabacillen aufgefasst werden müssen, 
analog wie es bereits von mehreren Forschern bei denselben 
Gebilden in den Schweissdrüsen der tuberösen Lepra gethan 
worden ist. (Antorreferat). 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Hersing: Compendium der Augenheilkunde. Siebente 
Auflage. Stuttgart. F. Enke. 1891. 

Silex: Compendium der Augenheilkunde. Berlin. S. Karger. 
1891. 

Das Hersing’sche Buch, welches uns nun schon in der 
siebenten Auflage vorliegt, erfreut sich einer grossen Beliebt¬ 
heit unter den Studirenden, für welche es ein guter Leitfaden 
ist; auch der praktische Arzt, der sich schnell über wichtige 
Fragen der praktischen Augenheilkunde infonniren will, kann 
hier bei der knappen und gleichraässigen Bearbeitung des 
Stoffes die gewünschte Auskunft finden. Anatomische Vorbe¬ 
merkungen zu jedem Capitel und kurze historische Rückblicke 
vervollständigen den Text, welcher durch gewissenhafte An¬ 
führung der Autoren an Werth gewinnt. Die zahlreichen 
Holzschnitte sind instrnctiv in der Auswahl und gelungen 
in der Ausführung, was von der Farbendrucktafel (ophthal¬ 
moskopische Bilder; leider nicht gesagt werden kann. Die 
beigefügten Probebnchstaben sind gut zu brauchen. 

Das Büchlein von Silex giebt in handlichem Taschenformat 
nnd in kleinem aber übersichtlichem Druck auf 190 kleinen 
Seiten einen möglichst knappen Grundriss der Augenheilkunde. 
Zum Nachschlagen und zur vorläufigen Orientirung ist es 
daher wohl geeignet. Wenn aber der Verf. dem Studirenden 
dadurch die Möglichkeit geben will «am Ende des Semesters 
oder der Studienzeit in wenigen Tagen das ganze Gebiet der 
Augenheilkunde za durchfliegen, wodurch aas Gehörte nnd 
Gesehene in seinem'Gedächtniss festeren Halt gewinnen wird» 
so möchten wir doch an dem pädagogischen Nutzen eines so 
gedrängten Auszuges zweifeln. Blessig. 

1) F. A. Flückiger: Pharmakognosie des Pflanzenreiches. 

III. Auflage mit einem geschichtlichen Anhänge Berlin 
1891, Gaertner’s Verlag, 1113 pp. 

2) E. Schmidt: Ausführliches Lehrbuch der pharmaceu- 

tischen Chemie, in. vermehrte Aufl. Erster Band, An- 
org. Chemie. I. Braunschweig, 1892, 480 pp. Mit zahl¬ 
reichen Holzschnitten. 

Die beiden obigen Bücher haben das Gemeinsame, dass der 
Stndirende der Medicin in Deutschland dieselben mit einer 
sträflichen Nichtachtung straft, obwohl er aus beiden unend¬ 
lich viel Nützliches für sein späteres Leben erlernen könnte. 
Die Studirenden der Medicin in Dorpat unterscheiden sich in 
Bezug auf die Werthschätzung dieser beiden Werke von ihren 
Commilitonen in Deutschland sehr vorteilhaft, indem sie 
sowohl auf die Pharmakognosie, als auf die pharmaceatische 
Chemie recht viel Zeit und Mühe verwenden und gerade die 
genannten Bücher dabei mit Vorliebe zum Zweck der Belehr 
rung zur Hand nehmen. Aus diesem Grunde dürfte auch eine 
kurze Anzeige der neuen Auflagen dieser Bücher in dem ein¬ 
zigen medicinischen Fachblatte, welches den Specialinteressep 


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der deutsch sprechenden Aerzte in Russland gewidmet ist, 
wohl am Platze sein. 

Der Unterzeichnete, welcher offen eingesteht, dass er als 
Stndent leider nie ein Werk über Pharmakognosie in den 
Händen gehabt hat und erst mehrere Jahre nach absolvirtem 
Staatsexamen durch die Pharmakologie zur Pharmakognosie 
hmgeleitet worden ist, hat dem Werke Fltickiger’s auch in 
den vorigen Auflagen schon die grösste Sympathie entgegen¬ 
gebracht. Nach seiner Ansicht riebt es kein Concurrenzbuch, 
welches sich mit dem vorliegenden in Bezug auf sachgemässes 
selbstständiges Urtheil sowie peinliche Genauigkeit jeder ein¬ 
zelnen Angabe messen könnte, und welches doch dabei nirgends 
zur trockenen Aufzählung und Recapitulation wird, sondern 
das Interesse des Lesers dauernd wach hält. Dieses schöne 
Resultat wäre wohl nicht zu erzielen gewesen, wenn Fl. nicht 
auf das Vorzüglichste die Pharmakognosie mit der Geschichte 
der Drogen zu verflechten wüsste. Gerade auf historischem 
Gebiete ist Fl. aber eben so gut Meister, wie auf dem der 
eigentlichen Pharmakognosie. Nur mit Wehmuth kann man 
angesichts eines so ungemein gründlichen Werkes daran 
denken, dass der Lehrstuhl, den der Verfasser seit den 70. Jahren 
inne gehabt hat. und dem er seine ganze Kraft und Thätig- 
keit seit jener Zeit zugewendet hat, verwaist steht. Möge es 
dem in die bergige Heimath der Schweiz zurückgekehrten 
Forscher Freude und Trost gewähren, zu erfahren; dass seine 
Schöpfung, sein Buch, in Deutschland, England, Amerika, 
Italien, Frankreich, Russland, ja wohl in allen Ländern die 
Anerkennung gefunden hat und dauernd behaupten wird, 
welche es verdient! 

Das Lehrbuch E. Schmidt’8 ist unter den Studirenden 
unserer med. Facnltät Dorpat so bekannt, dass das Erscheinen 
einer neuen Auflage in Dorpat ein viel besprochenes Ereigniss 
namentlich für die Pharmaceuten bildet, welche «ohne den 
Schmidt durchgemacht» zu haben nicht zum Examen «vorzu¬ 
gehen» wagen. Sie verlieren die Vorliebe für dieses Werk 
aber auch nach dem Examen nicht, sondern sie nehmen die 
neueste Auflage desselben mit sich in ihre Lebensstellung 
selbst in den entferntesten Gouvernements des grossen Reiches, 
so dass sich selbst in Theilen Asiens, wo deutsche Lehrbücher 
nur selten sich hinverirren, so manches Exemplar des «Schmidt» 
zu finden ist. Für die Dorpater Mediciner wird das Werk in 
der neuen vermehrten Aunage nun freilich noch schwerer zu 
bewältigen sein, als in der alten, und es darf daher vielleicht 
in der wohlmeinendsten Absicht der Wunsch ausgesprochen 
werden, dass der verehrte Autor ein Extractum concentratum 
seines Werkes selbst herausgeben möge, welches in der An¬ 
ordnung dem vorliegenden genau entspricht, aber nur die 
wichtigsten Thatsachen daraus enthält. Dasselbe würde zur 
Repetition für Mediciner und Pharmaceuten gleich geeignet 
sein. 

Sowohl das Werk von Fltickiger, als das von Schmidt 
sind Originalwerke ersten Ranges, auf welche die deutsche 
Litteratur stolz sein kann. Möchten doch derartige achtung¬ 
gebietende Leistungen endlich allen jenen Blinden in Deutsch¬ 
land und Oesterreich die Augen öflfhen, welche noch immer der 
vorweltlichen Anschauung huldigen, dass die Pharmakognosie 
und Pharmacie an die Lehrstuhle der Pharmakologie, der 
Chemie etc. als unbedeutende Appendices angehängt werden 
können! _ Robert. 

Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

1175. Sitzung am 19. Februar 1892. 

Anwesend 46. ordt. Mitgl. und 12 Gäste. 

1. Dr. Packiewicz verliest seinen angekündigten Vor¬ 
trag, betitelt: 

«Was ist die Hypnose?» 

Nachdem Vortr. einleitend auf die verkehrten Vorstellun¬ 
gen hingewiesen, welche die Laienwelt, zum Theil auch der 
ärztliche Stand über den Hypnotismus hat, spricht er sich da¬ 
hin aus, dass sich ihm beim Studium der Hypnose die Ueber- 
zeugung aufgedrängt habe, der Mensch habe eine bewusste 
und eine unbewusste Hirnthätigkeit, ein bewusstes und ein 
unbewusstes «Ich», welche unabhängig von einander sowohl 
Eindrücke empfangen, wie arbeiten können. Nachdem Vortr. 
diese Theorie durch Beispiele erläutert und die perpetuelle 
Thätigkeit des unbewussten Ich darzulegen versucht, bespricht 
er die gewaltige Rolle, die letzteres spielt, und kommt zu dem 
Schluss, dass die unbewusste Hirnthätigkeit der bewussten 
gewaltig überlegen sei: Die Musculatur des Herzens, unbe¬ 
wusst arbeitend, ermüdet im ganzen Leben nicht, der bewuss¬ 
ter Weise bewegte Arm sehr bald; aber auch ein und dieselbe 
Muskelgruppe leiste, durch unbewusste Hirnthätigkeit ange¬ 
trieben (in Hypnose) unendlich viel mehr, als wenn sie be¬ 
wusster Weise mnervirt wird. 

In der Hypnose sieht Vortr. den Schlaf des bewussten Ich, 
Während das unbewusste Eindrücke empfängt und arbeitet. 


Der Unterschied zwischen gewöhnlichem Schlaf und der Hyp¬ 
nose bestehe blos darin, dass das unbewusste Ich in ersterem 
Falle sich selbst überlassen, in letzterem Falle aber mit seiner 
ganzen Aufmerksamkeit an den Hypnotiseur gefesselt ist. 

Zum Schluss prognosticirt Vortr. der Hypnose eine heute 
noch ungeahnt grosse Rolle in der Therapie, und weist auf 
die grosse Rolle hin, welche dieselbe im gewöhnlichen Leben 
spiele und stets gespielt habe. 

Dr. Schröder: aie Theorie von dem bewussten und unbe¬ 
wussten Ich, stamme seines Wissens von dem Berliner Pro¬ 
fessor der Philosophie Dessoir; sie sei wohl ein geschickt ge¬ 
wähltes Bild, biete aber keine Erklärung, denn abgegrenzte 
Begriffe für seine beiden «Ich’s» gebe Dessoir nicht. Als fer¬ 
tige Wahrheit, wie Dr. Packiewicz die« gethan, könne 
Redn. diese Theorie nicht acceptiren, zumal noch andre Er¬ 
klärungen für die verschiedenartigen Aeusserungen des mensch¬ 
lichen Seelenlebens vorliegen: ein Philosoph spaltet die Seele 
statt in 2 in 3 Theile und hat Anhänger, ein anderer gar 
in 4! 

Dr. Packiewicz: nur für die Erklärung der Hypnose 
durch Schlaf des bewussten Ich nehme er die Priorität für 
sich in Anspruch; die Theorie von der bewussten und unbe¬ 
wussten Hirnthätigkeit habe er acceptirt, weil sie plausibel 
sei und die einzige Möglichkeit biete, die Hypnose zu er¬ 
klären. 

Dr. Donner sieht im Bewusstsein nur eine Begleiterschei¬ 
nung der Seelenthätigkeit. Die Dessoir’sche Theilung der 
Seelenthätigkeit ermöglicht erst, in der Hypnose kein Schreck¬ 
gespenst zu sehen, wogegen Dr. Schr.öder erklärt, er theile 
die Seele nicht, erschrecke aber auch nicht vor der Hypnose. 
Dr. Schröder wendet sich schliesslich kurz gegen die Ver¬ 
allgemeinerung des Begriffe Suggestion als ein Bestreben, 
welches nur verwirrend wirke. 

Thatsachen zurechtstellend, weist Dr. Wolfram darauf hin, 
wie das Herz durchaus nicht ruhelos arbeitet, sondern in je¬ 
der Diastole, also 12 Stunden am Tage, ruht; bestreitet fer¬ 
ner Di*. Mercklin die oft angeführte ungeheure Kraft Gei¬ 
steskranker, er habe eine Steigerung der Körperkraft bei 
Irren nie gesehen. 

1176. Sitzu n g am 4. Mär z 1892. 

Anwesend: 53 ord, Mitgl. und 10 Gäste. 

In Abwesenheit des Secreiairs tritt statutenmässig Dr. P. 
Bergengrün als jüngstes Mitglied in dessen Function. 

1. Dr. Bergengrün demonstrirt mehrere weisse Bänder 
und Bandfetzen, von denen das längste 47* Ctm. lang und 
17* Ctm. breit ist. Die eine Fläche ist glatt und spiegelnd, 
während die andere ein mehr körniges, rauhes Anssenen hat, 
hie und da leicht mit Blut gefärbt ist und derbe Querstrei- 
fung zeigt. Die Präparate stammen aus den Luftwegen eine? 
Dame Frl. M. B. v. A., die seit 6 Jahren an bacillärer Lungen- 
phthisis leidet, zu welcher sich seit 3 Jahren auch Larynxbe- 
schwerden gesellten. Anfang October vorigen Jahres flaches, 
oberflächlich ulcerirendes Infiltrat der Interaryschleimhaut. 

Im vorigen Winter Tuberculincur in Königsberg. — Im 
November vorigen Jahres zweimaliges Curettement der inzwi¬ 
schen stärker zerfallenen Stelle; die Stimme welche damals 
rauh und klanglos war, erhält normale Beschaffenheit und die 
Interaryschleimhaut zeigt durch die folgenden 4 Monate bis 
auf eine leichte Röthung absolut normales yerhalten. Nach 
dieser Zeit wieder Zerfall der Schleimhaut, mit starker Heiser¬ 
keit, nachdem in der ganzen Zeit tägliche Milchsäurepinselung 
angewandt worden. 

Die Milchsäure, welche fast durchweg in 10 pCt., selten 15 
pCt. Lösung angewandt wurde, war während der ganzen Zeit 
mit einem auf einem rauhen Sondenknopf gewickelten Watte¬ 
bausch in den Larynx gebracht worden. Da die Berührung 
der Watte aber in letzter Zeit zu enormem Husten reizte, 
wurde die Applicationsweise in der Weise abgeändert, dass 
das Medicament mit einer Kehlkopfspritze in den Larynx ge¬ 
träufelt wurde (ä 1—1,5 Gramm jedes Mal). Diese Methode 
wurde ca. 84 Tage vor der letzten Operation in Anwendung 
gezogen. 

Diese fand am 25. Februar 1892 statt: nach derselben un¬ 
ausgesetztes heftiges Husten, unaufhörliches Erbrechen durch 
3 Tage und 2 Nächte, so dass Patientin stark herunter kam. 

Nach Verlauf dieser ungeheuer qualvollen Zeit warf Pat- 
das grösseste der vorliegenden Bänder aus, täglich folgten 
kleinere Stücke, stets unter colossalen Schleimbeimengungen. 
Die Beschwerden hatten mit einem Schlage aufgehört, die 
Heilung ging nun anstandslos von Statten. Configuration 
der Stücke, die im frischen Zustande schneeweiss sind und 
sich schwammig anfühlen, Bowie die grobe Querstreifung deu¬ 
ten mit einiger Sicherheit auf die Trachea resp. einen Bron¬ 
chus hin. 

Ein anderer Fall, der vor etwa 6 Wochen im Krankenhause 
in Dr. Deubners Abtheilnng beobachtet wurde, hat viel 
Aehnlichkeit mit dem oben Besprochenen. Ein junges Mäd¬ 
chen von 24 Jahrep leidet an schwerer Lftrynxpbthise mit 


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f eringer Mitbetheiligung der Lungen. Bacillen vorhanden. 

Inde November vorigen Jahres Cnrettement. Pinselung mit 
50 pCtiger Milchsäure, wie oben, vermittelst des Wattebau¬ 
sches, der anfangs brillant vertragen wurde, schliesslich aber 
die Pat. doch so stark erschütterte, dass auch hier die Spritze 
für denselben ein trat. Dabei geschah es 2 Mal, dass die 
Flüssigkeit aspirirt wurde. Pat. warf eines Tages weisse 
Bänder aus, die sie für Bandwürmer hielt. Dr. Deubner hat 
die Gebilde gesehen. 

Die mikroskopische Untersnchung der hier demon- 
strirten Stücke ergab feinkörnigen Detritus, Fibrin, verän¬ 
derte Eiter- resp. Schleimkörperchen, vereinzelte veränderte 
rothe Blutkörperchen. 

Indem Vortr. die Frage aufwirft, ob vorliegende Gebilde 
etwa zu den Producten der noch so wenig gekannten und 
seltenen membranösen Schleimhauterkranknngen, wie 
sie in Pharynx und Nase hie und da beobachtet worden, ge¬ 
hören, und die Ansicht ausspricht, es handle sich hier nicht 
um einen Aetzschorf (da intacte Schleimhaut von mässig con- 
centrirter Milchsäure nicht angegriffen werde, in dem einen 
Falle nur 10 pCtige, in dem anderen 50 pCtige Lösung, er- 
stere nur durch eine Woche, letztere consequent durch 3—4 
Wochen angewandt wurde), sondern um eine Schleimhauter¬ 
krankung sui generis, wendet er sich an die grössere Erfah¬ 
rung älterer Collegen mit der Bitte um Mittlieilnng einschlä¬ 
giger Beobachtungen und Beurtheilungen. (Autorreferat). 

Im Anschluss an den 2. der referirten Fälle äussert Dr. 
Deubner, dass die von der Pat. expectorirten Stücke genau 
den vorgelegten entsprächen, sie seien 10—15 Ctm. lang, 
4—5 Mm. breit gewesen, welche in der That den Proglottideu 
von Bothriocephalus latus ähnlich gesehen; auch die mikro¬ 
skopische Untersuchung ergab denselben Befund, wie ihn 
Vortr. angegeben. Im Üebrigen ist Dr. Deubner ebenso wie 
Dr. Worms der Anschauung, dass es sich hier um Kunstpro- 
ducte handle, da bei beiden Patientinen Milchsäure ange¬ 
wandt sei und nicht bekannt sei, ob die Tracheal- resp. Bron¬ 
chialschleimhaut intact gewesen. 

Dr. A. Bergmann hält di« Stücke für Producte einer 
eigenthümlichen, ihrem Wesen nach noch unbekannten 
Schleimhautmetamorphose und spricht sich strict gegen die 
Auffassung aus, dass es sich um einen Schorf handle. 

Dr. Hampeln hält diesen Fall für äusserst selten, im 
Krankenhause hat er in der Reihe der Jahre keinen einzigen 
Fall von Bronchitis membranacea gesehen und in der Privat¬ 
praxis nur einen ähnlichen Fall und zwar an sich selber be¬ 
obachtet. Aetiologie im Allgemeinen unbekannt. In alter 
Zeit werde als aetlologisches Moment der innerliche Gebrauch 
des Jodkali angeführt und im Allgemeinen werden irritirende 
Agentien dnrch ihren Contact mit der Schleimhaut als we¬ 
sentliche Entstehungsursache derartiger Membranbildungen 
angegeben. Aus diesem Grunde muss er sich der Anschauung 
wie sie Dr. Worms vertreten, durchaus anschliessen. 

Dr. Wolfram proponirt zur Klärung der Frage eine che¬ 
mische Analyse der Stücke vornehmen zu lassen. 

2. Dr. Hampeln verliest seinen Vortrag: 

«Ueber das Aortenaneurysma und seine Beziehungen 
zu Lungenblutungen». 

Vortragender geht von den Perforationsblutnngen der inne¬ 
ren Aneurysmen als einer der hauptsächlichsten Todesursachen 
beim Aneurysma aus. Während sie für das Urtheil der Ge¬ 
genwart blos die Bedeutung einer lediglioh terminalen Kata¬ 
strophe besitzen, wurde in früheren Zeiten auch den pränio- 
nitorischen, prodromalen, oft Monate lang währenden Perfo¬ 
rationsblutungen Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Angabe 
wird durch Citate ans Ichelmayer 5 , Bamberger, Sto¬ 
kes, Cannstatt, Lebert, belegt. Vortragender schliesst 
sich der älteren Auffassung auf Grund seiner Erfahrungen an. 

Unter 17 Fällen seiner Beobachtung: 15 Männer und 2 Wei 
ber betreffend, perforirte das Aneurysma nach innen 7 Mal 
und zwar 1 Mal in die Trachea ohne, in den übrigen Fällen 
mit Blutung und zwar 1 Mal in das Zellgewebe des Mediasti¬ 
nums und Halses, 2 Mal in die Trachea, 2 Mal in die Bronchi, 
1 Mal in den Oesophagus. Also 4 Mal Perforationsbintung 
in die Luftwege, dabei 3 Mal, nach dem längere Zeit prämo- 
nitorische Blutungen voransgegangen waren. 

Ueber diese Fälle referirt Vortragender: 

1. Eduard H. 48a. n. (aufgenommen den 18. August gestor¬ 
ben den 19. September 1884) hatte vom 13. Aug. bis 19. Sept. 
stündlich leichte Lungenblutungen, die zum Schluss proius 
werdend den Tod herbei führten. Die Section ergab ein kinds¬ 
kopfgrosses Aneurysma der Aorta ascendens und des Arcus. 
Perforation einerseits in den Oesophagus, andererseits in den 
rechten Bronchus. 

2. L. Nostrin, 40 a. n. (aufgenommen den 10. Juni, gestor¬ 
ben den 20. Juni 1887) wirft im Verlaufe von neun Tagen 
gelatinöses, bräunliches Sputum aus und stirbt gleichfalls an 
profuser Haemoptoö. Die Obduction ergiebt ein in die Tra¬ 
chea perforirtes Aneurysma des Truncus anonymus. 

3. Friedrich Bolt, 37. a. n. (anfgenommen den 26. Novemb. 
1890 — gestorben den 27. April 1891) litt durch 4 Monate an 


beständigen leichten Lungenblutungen und endete gleichfalls 
mit profuser, tödtlicher Haemoptoe. Die Obduction ergab ein 
mässiges Aneurysma der Aorta ascendens und des Arcus mit 
secundären und tertiären Ausbuchtungen. Von Ersteren war 
eine in den linken Bronchus perforirt. 

Diese in allen drei Fällen der terminalen, tödtlichen Hae¬ 
moptoe vorausgehende habituelle Haemoptoe-Periode fasst 
Vortragender als gleicher Ursache, eben der Perforation ent¬ 
springend auf. Dafür spräche sowohl der klinische Verlauf, 
als vor Allem der pathologisch-anatomische Befund, welcher 
keine andere Blutungsquelle entdecken liess. 

Demgemäss unterscheidet Vortragender die Perforations¬ 
blutungen : 

1. als paroxysmale, meist terminale und 

2. als habituelle, prämonitorische, Tage, Wochen, Monate 
dauernde. 

Während im ersten Falle die Diagnose meist keine Schwie¬ 
rigkeiten mache und mit letaler Prognose Zusammenfalle, 
werde man im 2. Falle gerade durch die Blutungen gar zu 
leicht von der Annahme eines Aneurysma abgelenkt und über 
die vorliegende grosse Gefahr getäuscht. Es sei darum von 
grösster Wichtigkeit, diesen leichten, continuirlichen Lungen¬ 
blutungen, als eigenthümlichen Erscheinungen einer drohenden 
nach einiger Zeit zum Tode führenden Perforation des Aneu¬ 
rysma nähere Aufmerksamkeit zuznwenden und seiner Ansicht 
nach richtig, zur Auffassung der Alten über die Natur der 
Aneurysmablutungen zurückzukehren. (Autorreferat). 

3. Dr. F. Schultz demonstrirt ein Aneurysma arteria'e 
fossae Sylvii. Der Träger desselben war, nachdem er seine 
Tagesarbeit ganz wie gewöhnlich verichtet und sich zur Ruhe 
begeben hatte, todt auf dem Bette gefunden worden. Der Fall 
ist absolut symptomeulos verlaufen. Die Dura sehr adhaerent. 
Starke Suffusion der Pia und der Aussenseite der rechten 
Hemisphaere und über die ganze Hirnbasis bis links hinauf 
in die Fossa Sylvii. Ausserhalb der Pia mater kein Blut¬ 
austritt zu entdecken. Das Aneurysma selbst hat die Grösse 
einer kleinen Erbse; die Ränder der ungemein winzigen Perfora- 
tionsötfhung rund und glatt. 

1177. Sitzung am 9. März 1892. 

Anwesend 63 ord. Mitglieder. 

Interna, Statutenveränderungen betreffend. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— In der Sitzung der Berliner medioinischen Gesellschaft 
am 21. October 1891 stellte A. Blaschko einen Kranken mit 
Alopecia areata vor, bei dem er durch halbseitige An¬ 
wendung des faradischen Stromes (mittelst kammför¬ 
miger Elektrode) halbsei'iges Haarwach stimm auf den erkrank¬ 
ten Theilen bewirkte. Täglich wurde 5 bis 10 Minuten lang 
die eine Kopfhälfte mit dem Kamm behandelt, während der 
Kranke die andere Elektrode in der Hand hielt. Nach 4 
Wochen zeigten sich die ersten Haare. 

(Therap. Monatsh. 1892). (Sitzungsbericht). 

— Richard Klein (Berlin) empfiehlt als ausserordentlich 
wirksames Mittel zur Beseitigung des Juckreizes bei 
Masern, Scharlach und Windpocken fönende Salbe: Lanolini 
purissimi 50,0 Vaselini amerie. 20,0 Aquae destillat. 25,0. Mi6ce 
terendo f. unguentum 3stündl. einzureiben. Bei dem grossen 
Wassergehalte der Salbe entsteht nach ihrer Verreibung’ eine 
starke Verdunstung des suspendirten Wassers und damit eine 
angenehm wirkende Abkühlung der Hautoberfläche. 

(Theraji. Monatshefte 1892 pg. 56). 

— JacobMunk wendet bei Dip htheritis folgendes Ver¬ 
fahren an: Bei continuirlichen Eisnmschlägen auf den Hals 
und gehöriger Ernährung (kleinere Quantität Cognac allein 
oder in Milch) pflegt er den Rachen des Patienten 3 mal 
täglich mit folgender Lösung auszuwischen: Creolini purissimi 
2,0 Aq. fontis 100,0. Verf. hebt hervor, dass er bei dieser 
Behandlung seit 3 Jahren keinen Kranken verloren hat. 

(Pester med.-chir. Presse Nr. 4. 1892). 

— Huchard und Faure Miller behandeln die Lungen- 

S hthise mit Infectionen von Campheröl: Camphor. 25,0 
1. olivar. puriss steril. 100,0, alle 2 Tage eine volle Spritze 
tief unter die Haut zu injiciren. Die Injectionen verursachen 
keine Schmerzen. In 3 A aller Fälle constatirten die Autoren 
Abnahme der Nachtschweisse, Zunahme des Appetites. Gewichts¬ 
zunahme trat in 8 Fällen (von 27) ein, objectiv nachweisbare 
Besserung des Allgemeinzustandes und der Localaffection in 
6 Fällen. 

(Rev. g6n. de clin. et de th6rap. 1891. Memorabilien 1892. Heft 2). 


Vermischtes. 

— Ordensverleihungen: Der Weisse Adler-Orden 
— dem Ober-Medicinalinspector der Flotte, Ehrenleibmedicus 
Geheimrath Dr. Kudrin. — Der St. Stanislaus-Orden I. 


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Classe — dem Director des Marienhospitals, Ehrenleibmedicus, 
wirkl. Staatsrath Dr. Alyscliewski nnd dem Beamten für 
besondere Aufträge beim Ministerium des Innern, Dr. med. 
Leschtschinski. 

— Ernannt: Der Director der Moskauschen Entbindungs¬ 
anstalt. wirkl. Staatsrath Dr. Dobrynin — zum Ehren-Leib- 
accoucheur des Kaiserlichen Hofes. 

— Befördert: Zum Geheimrath — der Medicinalinspector 
der Anstalten der Kaiserin Maria, Dr. Sutu^in. Zum wirk¬ 
lichen Staatsrath — der Director des hiesigen Andreas- 
Kiuderasyls, Dr. Höppener. 

— Verabschiedet: Der Militär-Reservearzt, wirkl. Staats¬ 
rath Dr. Schmulewitscü, mit Uniform. 

— Zuin Vorsitzenden des Examinations-Comites in 
Moskau ist Prof. W. K. Anrep (St, Petersburg) um} zum 
Vorsitzenden dieses Comites in Kasan der frühere Professor 
der Kasanschen Universität M. F. Subbotin (in Moskau) 
ernannt worden. 

— Verstorben: 1) Am 22. März in Bjeliya Zerkow der 
freiprakticirende Arzt Heinrich Tscherkasski im 27. Le¬ 
bensjahre am Flecktyphus. 2) Der Operateur der Medicinal- 
verwaltung in Jeaisseisk Staatsrath r. J. Masharow. 3) Am 
2t>. März in Warschau der jüngere Arzt des Kalugaschen In¬ 
fanterieregiments 8. J. Makarow, welcher erst vor 4 Monaten 
den Cursus an der militär-medicinischen Academie absolvirt 
hat, an Tuberculose. 4) In Philadelphia der Professor der 
operativen Chirurgie an der Universität von Pensylvanien, 
Dr. David Ray es Agnev, einer der berühmtesten Aerzte 
und Operateure Nordamerikas, im 74. Lebensjahre. Der Ver¬ 
storbene ist der Verfasser des grossen Werkes «Prineiples 
and Practice of Singery», welches in fast alle Culturspracnen 
übersetzt ist. 5) In London der berühmte Physiolog und Au¬ 
genarzt, Prof. William Bowman, im 75. Lebensjahre. 

— Die Leitung der bekannten Dr. Brehmer’schen Heil¬ 
anstalt für Lungenkranke zu Görbersdorf übernimmt Dr. 
Wilh. vAchterma*n (aus Potsdam),- welcher früher lapge 
Jahre Assistent Dr. Brehmer’s war. 

— In England lebt ein Arzt Dr. Salmon, welcher bereits 
102 Jahre alt ist. (Lancet). 

— In Wesenberg (Estland) ist der ältere Kreisarzt Staats¬ 
rath Dr. Voss wegen stark zerrütteter Gesundheit der Oblie¬ 
genheiten eines Wesenbergschen Kreis- und Stadtarztes ent¬ 
bunden worden. 

— Um der Verschleppung des in Russland in erheb¬ 
lichem Umfange herrschenden Flecktyphus nach 
Preussen vorzubeugen, hat die preussiBche Regierung an¬ 
geordnet, den Personenverkehr an der russischen Grenze, sowie 
auf denjenigen Bahnhöfen, auf welchen aus Russland kommende 
Personen Aufenthalt haben oder zu nehmen pflegen, einer 
strengen Oontveto zu unterwerfen. Naeh dec betrefleuden 
ministeriellen Verfügung sind alle des Flecktyphus verdächtige 
Reisende aus Russland sdforfc anzphaften, ärztlich au unter¬ 
suchen nnd, falls sich der Verdacht bestätigt, unverzüglich 
streng zu isoljren. Zugleich dürfen auch die etwaigen mitnäi- 
senden Angehörigen des Kranken zum freien Verkehr nieht 
zugelassen, sondern müssen unter genauer Beobachtung gehalten 
werden. Ihre Kleider und Effecten werden, wie diejenigen der 
Kranken selbst, einer Desinfection unterworfen. 

— Die diesjährige Gelbfieber-Epidemie in Brasilien 
ist ebenso langwierig als heftig und scheint auch mit dem 
Eintritt kühlerer Witterung nicht erlöschen zu wollen. Die 
amtliche Statistik verzeichnet allein für Rio de Janeiro nnd 
allein für den Monat Januar 1011 Todesfälle am gelben Fieber. 

(A. m. C.-Ztg.). 

— Die Zahl der in New-York am Flecktyphus, welcher 
ans Russland eingeschleppt worden, Erkrankten betrug bis 
zui® 10. März bereits 153. Von diesen sind 13 gestorben, 
darunter 2 Krankenpflegerinnen. 

— Nach einer statistischen Zusammenstellung in den Publi- 
cationen der Moskaner Stadtduraa existirten in Moskau im 
Jahre 1890— 156 verschiedene Heilanstalten, wie Kran¬ 
kenhäuser, Lazarethe, Gebärasyle u. s. W. Die Zahl der Kran¬ 
kenhäuser belief sich atrf 90, der Ambulatorien «uf 60 nnd der 
Kranken-Aufnahmezimmer in den Polizeigebäuden auf 16. Von 
den Krankenhäusern waren nur 42 allen Kranken zngänglich; 
die übrige« gehörte« verschiedenen Institutionen, wie 
Schulen, Gefängnissen etc. an. Von der Krone und vott-Pri- 
vatgesellschafte« wilden 59 Kriflikettliäuser unterhalten, von 
Privatpersonen 16 find von der Stadtverwaltung 15. Ihrem 
Charakter nach zerfielen die Krankenhäuser in aligemeiue und 
specielle, von denen erstere 74 pCt. aller (6049) Betten der 42 
allgemeinen Kränkenhäuser einnahmen, während auf die Spe- 
cialheilanstalten nur 26 pCt.—1570 Betten entfielen. 

— Mit Allerhöchster Genehmigung wird diel, allrussische 
hygienische Ausstellung, welche von der russischen Ge¬ 
sellschaft zur Wahrung der Volksgesundheit veranstaltet wird, 
im Frühjahr 1893 in St. Petersburg stattfinden. DasAus- 


stellnngsbfireau bittet, die Anmeldungen von Ausstellungsge¬ 
genständen* bis zum 1. September d. J. einzusenden. Das 
Büreau befindet sieh in St. Petersburg, Dmitrowski Pereulok 
Nr. 15. 

— Durch ein Circular des Medicinal-Departeinets V&m 24. 
Februar d. J. ist es gestaltet, dass Personen weiblichen 
Geschlechts als Apotheker-Lehrlinge in Privatapo¬ 
theken gleichzeitig mit Personen männlichen Geschlechts 
fungiren, jedoch nur unter der Bedingung, dass sie ausserhalb 
der Apotheken wohnen und nur am Tage in denselben beschäf¬ 
tigt sind. 

— Der Druck der Verhandlungen des X. internatio¬ 
nalen medicini8chen Congresses ist nunmehr beendet. 
Die sämmtlichen 5 Bände des Werkes liegen abgeschlossen 
vor. In kurzer Zeit wird auch der Druck des Sachregisters, 
welches in deutscher, französischer und euglischer Sprache 
verfasst ist, fertiggestellt werden und dann das vollständige 
Werk zur Versendung gelangen. 

— Die Ergebnisse der vom deutschen Verein für innere 

Medicin veranstalteten Sammelforschung über die Influ¬ 
enza-Epidemie werden demnächst veröffentlicht werden. 
Von den an sämmtliche Aerzte Deutschlands versandten 
Fragekarten waren 6000 mit ausführlichen Antworten zurück¬ 
gekommen, so dass der vom Verein für innere Medicin einge¬ 
setzten Commission, an deren Spitze Prof. Leyden und Geh. 
Sanitätsrath S. Guttmann stehen, eine erschöpfende Ueber- 
sicht über die Art und Ausbreitung der Epidemie in Deutsch¬ 
land vorlag. Von hervorragenden Fachmännern geordnet und 
bearbeitet, wird nun der gewaltige Stoff in Form eines statt¬ 
lichen Bandes unter dem Titel: «Die Influenza-Epidemie 
1889/90, iia Aufträge des.Vereins für innere Medicin 
herausgegeben von E. Leyden und S. Guttmannt, im 
Verlage von J. F. Bergmann in Wiesbaden erscheinen. In 
der wissenschaftlichen Literatur steht ein solches Werk bfeher 
vereinzelt da, und mit seinen Ergebnissen ist es nicht nur 
ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Medicin, sondern auch 
zur Culturgeschichte. (A. m. C. Ztg.). 

— Von dem Organisations-Comite der im Jahre 1893 stattttn- 
denden Weltausstellung in Chicago ist die Veranstaltung 
eines internationalen hygienischen Congresses bei 
dieser Gelegenheit in Aussicht genommen. Zn diesem Zwecke 
hat sich das genannte Comitä mit der ständigen Commission 
des internationalen hygienischen Congresses in Verbindung 

S esetzt, um eine Vereinbarung dahin zu trefiten, dass der für 
as Jahr 1893 in Budapest abzuhaltende X1IL internationale 
hygienische Congress erst im Jahre 1895 daselbst stattfinüe. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 28. März d. J. 6160 
(192 weniger als in der Vorwoche), darunter 419JTyphns — 
(10 weniger), 591 Syphilis — (37 weniger), 58 Scharlach — 
(5 weniger)» 23 Diphtherie — (4 weniger), 49 Masern — (2 we¬ 
niger) und 15 Pockenkranke (6 mehr als in der Vorwoche). 


Vacanz. 

Es wird ein erfahrener Arzt gesucht. Nähere Auskünfte 
über die Bedingungen erhält man anf schriftliche Anfrage 
unter der Adresse: «CT&Huia Apreja, rpnse U,apmujHCKofl *. *. 
H. B. ÄHTOBOBy ». 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 22. März bis 28. März 1892. 


Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 


M. W. Sa. 


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12 68 60 50 44 42 22 9 1 


2) nach den Todesursachen: 

^ Typt, exantli. 3, Tvpb. abd. 8, Febris recurrenB 1, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 0, Masern 9, Scharlach 
9, Diphtherie 5, Croup 1, Keuchhusten 4, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 23, Eryiipelas 8, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 2, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkraukheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 0, Pyämie und Septicaemie 3, 
Tuberculose der Lungen 120, Tuberculose anderer Organe 7. 
Alkoholismus und Delirium tremens 5. Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 39, Marasmus senilis 19, Krankheiten des 
Verdauongscanals 64, Todtgeborene 20. 


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Wachste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 14. April. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 13. April. 

Sehering’s Pepsin-Essenz. Verdanangsbeschwerden, 
Trägheit der Verdauung, Sodbrennen, Magen Verschleimung, 
die Folgen von Unmässigkeit im Essen und Trinken werde* 
durch diesen angenehm schmeckenden Wein binnen kurzer 
Zeit beseitigt. 

Ichthyol wird mit Erfolg angewandt bei Frauenleiden und 
Chlorose, bei Krankheiten der Hant, der Verdauungs- und 
Circulations-Organe, bei Hals- und Nasen-Leiden, sowie bei 
entzündlichen und rheumatischen Affectionen aller Art, theils 
in Folge seiner durch experimentelle und klinische Beobach 
tungen erwiesenen reducirenden, sedativen und antiparasitären 
Eigenschaften, anderntheils durch seine die Resorption beför¬ 
dernden und den Stoffwechsel steigernden Wirkungen. 

Bad Wildungen seit lange bekannt durch unübertroffene 
Wirkung bei Nieren-, Blasen- und Steinleiden, bei Magen und 
Darmkatarrhen, sowie bei Störungen der Blutraischung, als 
Blutarmuth, Bleichsucht, u. s. w. 

Wildbad: Die Krankheiten, für welche in Wildbad laut 
jahrhundertelanger Erprobung Heilung oder Linderung in 
Aussicht stehen, sind: Chronischer Rheumatismus und Gicht; 
Nervosität, alle Formen von Lähmungen, Krarapfkrankheiien, 
Neuralgien und Anästhesien; Metall Vergiftungen; Erschöpfung 
der Kräfte; Folgen von Verletzungen; chronische Leiden der 


Knochen und Gelenke; Skröphulose;' Rhachitis; chronische 
Verdauungsstörungen; Katarrhe der Luftwege; Harnbe¬ 
schwerden ; Frauenkrankheiten. 

Bad Langenschwalbach: Wirksam gegen Blutarmuth, 
ihre Folgen und Complioationen, Nervenleiden, Frauenkrank¬ 
heiten. Sehwächezustände der Muskeln, Lähmungen, Katarrhe 
der Schleimhäute, namentlich der Geschlechts- und Harn- 
orgame. 

Bad Ems: Indicationen: Chronisch-katarrhalische und 
entzündliche Zustände der Schleimhäute und der anderen Ge¬ 
bilde der Athmungsorgane, von der Nase und dem Halse bis 
zu den feinsten Bronchien. Dieselbe Erkrankung des Magens, 
des Darms und seiner Anhänge, der Gallengänge und Blase, 
der Niere und Harnblase mit Gries und Steinleiden, Eiweiss 
und Zuckerbildung im Urin, Uebersättigung des Körpers mit 
Harnsäure, Gicht, chronischer Rheumatismus, Katarrh, chron. 
Entzündung mit Anschoppung der weiblichen Organe und 
ihre mannigfachen Folgen für das Blut- und Nervenleben, 
Sterilität u. s. w. Nervöse Leiden verseil. Art, besonders mit 
dem Character gesteigerter Erregbarkeit, Reconvalescenz nach 
Lungen-, Rippenfell- etc. Entzündungen, Folgen der Influ¬ 
enza u. s. w. Die günstigen Erfolge unserer Quellen und 
Producte, Pastillen pp. bei der von Neuem herrschenden In¬ 
fluenza erweisen sich durch den anhaltend steigenden Begehr. 

Franzensbad: Heilanzeigen: Blutarmuth, fehlerhafte Blutmi¬ 
schung, allgemeine Ernährungsstörungen. Chronische Katarrhe 
sämmüicher Schleimhäute. Verdauungsschwäche und chronische 
Stuhlverstopfung. Chronische Nervenkrankheiten. Chronischer 
Rheumatismus, Gicht. Chronische Exsudate. Frauenkrankheiten. 


ANNONCEN JEDER ART werden in der Buchhandlung von CARL RICKER in 

St. Petersburg, Newsky-Pr. 14, sowie in allen in- und ausländ. Annoncen-Comptoiren angenommen. 


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Schwester Elise Tennison, Boxbmaa Ca- 
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Antoinette Lücke, HeBCKli np., 32/34, 
rb. 13. 

Frau A. M. Wiander, B. 0. 7 x. x- 6, 

RB. 6. 

Marie Mohl, B. 0. 1 i. x- 44. rb. 3. 

M. Winkler, Moxobbh yx. x- 29, rb 5, bei 
Frau Ewajd. 

Frau Dnhtsmann, Ioiirxobi. nep. x- 9,rb. 9. 
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■TTi'r 


XVII. JAHRGANG. 


ST. P1TERSBBK6ER 


Neue Folge IX. Jalirg. 


MEEICINISGHE WODCIRIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Br. Earl Behio. Br. Johannes Erannhals. 

Dorpat. Riga. 

Br. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
S onnabend. — Der Abonnonienttprsis ist in Russland 8 Rbl. ftir das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den andern 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspnds 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


■MT* Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate "WB 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bioker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect 14, zu richten. — Kanusoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man au 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja 33, Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 

stunden täglich vou 2— 4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


Jf! 16 


St. Petersburg, 18. (30.) April 


1892 


Inhalt: Karlotto von Rentein: Ein Tubenabort. Casuistische Mittheilung. — T. Bo gomolow: Die Methoden der quan¬ 
titativen Bestimmung des Urobilins im Harn. — Referate: L. Redtenbacher: Ueber den diagnostischen Werth der Milz- 
pnnction bei Typhus abdominalis. — S. T. Sörensen: Ueber Scharlachdiphtherie. — Arnoldo Maggiora: Einige mikrosko¬ 
pische und bakteriologische Beobachtungen während einer dysenterischen Enterocolitis-Epidemie. — J. Longara: Ueber die 
Beschaffenheit der Sehnenreflexe bei fieberhaften Krankheiten und unter der Einwirkung psychischer Einflüsse. — W. H. 
Welch: Der Bacillus coli communis. — Die Bedingungen seiner Invasion in den menschlichen Körper und seine pathogenen 
Eigenschaften.— Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische 
Notizen. — Vermischtes. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Ein Tubenabort. Casuistische Mittheilung. 


Dr. Karlotto von Rentein, 

Ordin&tor der gynäkologischen Abtheilung des Evangelischen 
Hospitals in St. Petersburg. 

Fra« B. in K. 29 a. n. hatte im Juni verflossenen Jahres 
geheirathet. Mit dem 14. Lebensjahre begann die Menstrua¬ 
tion, die im Anfang normal, im 19. und 20. Jahre jedoch mit 
heftigen Schmerzen verbunden war. 

Einen Fluor hat Pat. immer nur vorübergehend gehabt, 
besonders stark aber in der ersten Zeit ihrer Verheirathung. 
Im Uebrigen will Pat. stets gesund gewesen sein. Die letzten 
Menses Ende September 1891 hatten am 1. Oct. aufgehört. 
Am 22. Oct. kam es zu einer leichten Blutung, die aber nur 
einen Tag anhielt, worauf sich Leibschmerzen und subjective 
GrraviditätsBymptomej wie Uebelkeit, Schwindel etc. einstell¬ 
ten. In der Folgezeit blutete Pat. ab und zu jedoch nur we¬ 
nig und nicht länger als ein paar Stunden, höchstens einen 
halben Tag; das Allgemeinbefinden verschlimmerte sich aber 
in hohem Grade, Pat. verlor ihre Kräfte, wurde mager, blut¬ 
arm und nervös. 

In der Nacht vom 16. auf d. 17. Jan. a. c. traten äusserst 
heftige kolikartige Schmerzen im Unterleibe auf; Compressen 
und Morphium in kleinen Dosen milderten dieselben in gerin¬ 
gem Grade. Am folgenden Nachmittage Wiederholung der 
Schmerzen, zu denen sich grosse Schwäche hinzugesellte mit 
Ohrensausen, Ohnmächten, kaltem Schweiss, sehr kleinem 
fadenförmigem Pulse bei normaler Temperatur. Schon jetzt 
stellte College Hoffmann die Diagnose auf Ruptur einer gra¬ 
viden Tube und verordnete absolute Ruhe, Eis und Opium. 
Gegen Abend steigerte sich der Collaps in bedrohlicher Weise, 
die Besinnung schwand zeitweise und der Puls war mitunter 
nicht zu fühlen. Es wurde eine Kochsalzinfusion von 500 Cbctm. 

f ern acht, worauf eine leichte Besserung eintrat. Die nächsten 
age verliefen bei leidlichemJWohlbeflnden und der Kräftezn- 
stand hob sich etwas; zugleich stellte sich aber eine Blutung 
per vaginam ein und die Temperatur wurde subfebril. 

Am 21. Jan. 3 Uhr Nachmittags fand ich Pat. in folgendem 
Status: eine sehr bleiche, mässig genährte Frau reit tiefein¬ 
gesunkenen Augen, schwacher Stimme, elendem Pulse (100 in 


Per vaginam: Uterus an die Symphyse gedrängt, steht 
schräg, Fundus nach links, Cervix nach rechts sehend, be¬ 
trächtlich vergrössert, weich; die Palpation äusserst empfind¬ 
lich. Das hintere Scheidengewölbe vorgebaucht, schlaff; Va¬ 
gina stark aufkelockert^ links dicht am Uterus eine ca. htihner- 
eigrosse, längMche, wenig bewegliche Geschwulst mit unregel¬ 
mäßigen Cpiramren. Das linke Scheidengewölbe durch narbige 
Schrumpfung unnachgiebig, das rechte normal-, das rechte 
Ovarium nicht zu fühlen. Blutung per vaginam nicht stark, 
ohne Gerinnsel. Am Herzen überall blasende Geräusche. Lun- 


er vaginam nicht stark, 
lasende Geräusche, Lun- 


nur in der linken Lendengegend complete Dämpfnng bis 2 
Querflnger hinter der Spina ilei. Ueber der Symphyse links 
von der Linea alba eine circumscripte Resistenz wie vom 
Fundus uteri 


f en etc. gesund. Die Diagnose des behandelnden Collegen 
onnte nur bestätigt werden: Graviditas tubae sinistrae mit 
Beratung des Sackes und Blutung in die freie Bauchhöhle. 
Augenblicklich Stillstand der Blutung, doch in allernächster 
Zeit eine Erneuerung derselben fast sicher vorauszusehen, 
weshalb die absolute Nothwendigkeit der Laparotomie dem 
Manne auseinandergesetzt und seine Zustimmung zu derselben 
eingeholt wurde *). 

Ein Transport ins Hospital zum Zweck der Operation 
erschien durchaus contraindicirt und es wurden daher die 
nöthigen Vorbereitungen in derselben Wohnung getroffen. 
Um 6 Uhr Abends Laparotomie: Chloroformnarkose, Becken¬ 
hochlagerung nach Trendelenburg, Stearinkerzenbeleuchtung. 
An der Wunde assistirte mir freundlichst Dr. Wiedemann 
und die Herren Collegen Hoffmann, Hey king und Sommer 
leisteten mir in liebenswürdigster Weise Beistand. 

Bauchschnitt vom Nabel bis zur Symphyse ohne viel 
Blutverlust. Schon durch das freipräpanrte Peritoneum 
schimmerte das dunkle Blut hindurch und beim Eröffnen der 
Peritonealhöhle strömte dasselbe in reicher Menge hervor, 
untermischt mit nur wenigen kleinen Gerinnseln. Die geblähte 
Schlinge des S roraanum drängt sich vor und wird, in eine 
heisse Compresse gehüllt, hinaufgeschlagen. Mit der linken 
Hand wird der Fundus uteri aufgesucht: er ist umgeben von 
leicht unter einander verklebten Dünndarmschlingen, die sich 
jedoch leicht von einander trennen liessen, worauf der Uterus 
erfasst und angezogen wird. Das linke Lig. latura erwies sich 
aber als so straff, dass ein genügendes Vorziehen des Uterus 
und ein Einblick in die Beckenverhältnisse nicht möglich war. 
Daher wird mit 2 Fingern vorsichtig längs der Tum lateral- 
wärts weitergetastet und so die Auftreibung derselben gefunden 

*) Schauta veröffentlicht in seinen Beiträgen zur Casuistik, 
Prognose und Therapie der Extrauterinschwangerschaft vom 
Jahre 1891 pag. 43 folgende Zahlen: 

«Ruptur mit Blutung in die freie Bauchhöhle geheilt 7, 
gestorben 115 Fälle». 

«Ruptur mit innerer Blutung und Laparotomie mit Exstir¬ 
pation des Fruchtsackes geheilt 102, gestorben 19 Fälle». 

Diese Zahlen bedürfen wohl keiner weiteren Erklärung. 


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152 


and vor die Wände gezogen. Dabei bildet sich ein langer 
dünner Stiel aus der Tube und oberen Duplicatnr des Lig. 
lat. welches schnell unterbunden und durchgeschnitten wird. 
DaB Ovarinm lag bedeutend tiefer, war breit gestielt und voll¬ 
kommen gesund, weshalb es auch nicht mit. in die Ligatur 
genommen, sondern In die Bauchhöhle reponirt wurde. Da die 
Adnexa der andern Seite ganz normal gefunden wurden, wird 
nun schnell ohne Rücksicht auf das znrilckbleibende Blut, also 
ohne weitere Toilette des Peritoneum, die Bauch wunde vernäht. 
Zuletzt Anlegung eines fest angezogenen Bindenverbandes. 
Dauer der Narkose 45 Minuten, verbraucht 50 Grm. Chloroform, 

Nach dem Erwachen keine Schmerzen im Leibe, keine Uebel- 
keit oder Erbrechen; desgleichen die folgenden Tage. 

Der Wundveriauf war in sofern abweichend vom gewöhn¬ 
lichen, als die Temperatur die nächsten 8 Tage erhöht war. 
(Abendtemperatur 38,0—38,6, Morgentemperatur 37,6—37,8). 
Theils beruhte das auf Resorption des in der Bauchhöhle zu¬ 
rückgelassenen Blutes, theiis auf künstlich unterhaltener Darm- 
unthätigkeit. Das subjective Befinden war ein denkbar gutes. 
Die Pulsfrequenz sank stetig; die höchste Temperatur war 
38,6 bei 90 Pulsen am 7. Tage; sie fiel nach ansgiebiger Ent¬ 
leerung des Darmes zur Norm und blieb auch niedrig von 
hier ab. Am 3. Tage nach der Operation war bereits die 
Decidua ausgestossen worden, worauf die Blutung allmählich 
sistirte. Am 12. Tage entfernte Dr. Hoffmann die Nähte, 
welche reactionslose Stichkanäle aufwiesen. Am 8. Febrnar 
d. h. am 18. Tage verliess Patientin das Bett. 

Das Präparat stellt den graviden Tubensack dar, welcher 
die Grösse eines gewöhnlichen Hühnereies hat und in der Mitte 
eine circuläre Einschnürung aufweist. Medianwärts ist ein 
ca. centimeterlanges Stück der Tube unverändert erhalten. 
Der ampulläre Theil, dessen oberer Rand in schräger Richtung 
auf l‘/t Ctm. eingerissen ist, präsentirt ein wallnussgrosses 
Blutgerinnsel und die Placenta, auf deren oberer Fläche die 
unverletzte klare Fruchtblase mit dem in derselben vollständig 
erhaltenen Fötus gelagert ist. Die eben erwähnte Einschnü¬ 
rung entstand wohl dadurch, dass das Ovulum sich abgelöst 
und weitergeschoben hatte, denn Placenta, Fruchtblase und 
Blutcoagulum stehen im Begriff aus dem abdominalen Tuben¬ 
ende geboren zu werden, was deutlich an den rings um die 
Tubenöffnnng gruppirten Fimbrien zu erkennen ist. 


Aus der akademischen therapeutischen Klinik des Prof. 
L. W. Popow. 

Die Methoden der quantitativen Bestimmung des 
Urobilins im Harn. 

Von 

Dr. T. B o g o m o 1 o w. 

Docenten der militair-medicinischen Akademie. 


Seitdem man auf die Ausscheidung von Urobilin im 
Harn zu achten anfing und die Bedeutung der Urobilin- 
ausscheidung nicht nur bei Lebererkrankungen, sondern 
auch bei anderen Leiden, welche eine Zerstörung der 
rothen Blutkörperchen nach sich ziehen, erkannte, machte 
sich das Bedürfniss nach einer Methode der quantitativen 
Urobilinbestimmung geltend. 

Die ersten Versuche den Urobilingehalt quantitativ zu 
bestimmen gehören Vierordt (Die quantitative Spektral¬ 
analyse, Tübingen 1876). Bei seinen Bestimmungen wandte 
er die Spektralanalyse an, da aber im Harn sich gleich¬ 
zeitig mit Urobilin noch andere Farbstoffe finden, welche 
die Bestimmung selbst beeinflussten, so erwies sich 
Vierordt’s Methode nicht als ganz geeignet. Es musste 
also nach einfacheren und für klinische Zwecke mehr 
geeigneten Methoden der quantitativen Urobilinbestimmung 
gesucht werden. In den letzten 4 Jahren wurden von 
mir 1 ), von Georg Hoppe-Seyler 2 ) und von Viglezio 3 ) 
besondere Methoden der quantitativen Urobilinbestimmung 
empfohlen. Da sich in der ausländischen Literatur die Be¬ 
schreibung meiner Methode, welche viel einfacher und 
bequemer ist, als die Verfahren der genannten Autoren, 
nicht findet, so werde ich kurz meine Methode beschreiben 
und dieselbe mit den anderen Verfahren vergleichen. 

Bevor ich aber zur Beschreibung meiner Methode über¬ 
gehe, muss ich darauf hinweisen, dass ich für Urobilin 

*) MejimaHa (Die Medicin) 1889. Nr. 61. 

*) Virchow’s Archiv T. 124. S. 30. 

*) Lo sperinien tale 1891. 15. Sept. S. 235—239. 


erstens den Farbstoff der Excremente und zweitens nur 
das pathologische Product der Umwandlung des Blut- und 
Gallenfarbstoffes, welches mit dem Harn ausgeführt wird, 
halte; die übrigen gelben Farbstoffe, welche im Harn 
erscheinen und welche nur das Spektrum des Urobilins 
liefern, aber nicht sämmtliche demselben charakteristische 
Reactionen geben, erkenne ich nicht als Urobilin an. 
Diese Stoffe haben ausser dem Absorptionsspektrum mit 
dem Urobilin noch das gemein, dass sie durch Säuren 
eine rothe Farbe annehmen und dabei das charakteristische 
Spektrum beibehalteh. Ich halte für charakteristisch für 
das pathologische Urobilin und das Pigment der Excre¬ 
mente ihr Verhalten gegen die gleich zu nennenden Rea- 
gentien: 1) die Veränderung durch Alkalien. Säurelü- 
sungen des pathologischen Urobilins ändern beim Ueber- 
gang in alkalische ihren Charakter, d. h. anstatt des 
Streifens zwischen 6 und F erscheint ein Streifen zwischen 
6 und E; 2) alkalische Lösungen von pathologischem 
Urobilin können bei Neutralisation derselben mittelst 
einer Lösung von schwefelsaurem Kupfer in neutrale 
übergeführt werden; aus diesen letzteren wird durch 
Chloroform ein carmoisinrother Farbstoff extrahirt, welcher 
einen scharfen Absorptionsstreifen in E giebt. Die car- 
moisinrothe Chloroformlösung wird nach Zusatz eines 
Alkaliüberschusses entfärbt; dabei wird das Alkali roth 
gefärbt, während die alkalische Lösung einen Streifen 
zwischen 6 und E giebt. Diese letztere alkalische Lösung 
kann nach Zusatz von Essigsäure zuerst in eine neutrale 
(wobei das Chloroform wieder eine carmoisinrothe Farbe 
annimmt) und dann in eine saure, gelblich rothe mit 
einem Absorptionsstreifen zwischen 6 und F übergeführt 
werden. Aber dieser Streifen tritt nicht gleich von Anfang 
an als solcher auf, sondern er wird zuerst neben dem 
Streifen in E nur angedeutet, dann erlangt er dieselbe 
Intensität, wie der Streifen in E; darauf fängt der letztere 
an sich zu verwischen und nachdem er vollständig 
geschwunden ist und die Lösung ihre carmoisinrothe 
Färbung vollständig eingebüsst hat, tritt der Streifen 
zwischen 6 und F scharf hervor. So etwas bekommen 
wir nicht mit den anderen oben genannten gelben Farb¬ 
stoffen, welche ein dem Urobilinspektrum ähnliches Ab¬ 
sorptionsspektrum zeigen. 

Wie verhält sich der Harn, welcher pathologisches 
Urobilin enthält? 

Harn, welcher pathologisches Urobilin enthält, wird 
nach Zusatz einer Lösung von schwefelsaurem Kupfer 
smaragdgrün gefärbt und giebt beim Schütteln einen 
braungelben Schaum. Wenn der Harn eine saure Reaction 
hat, so wird aus demselben nach Zusatz von schwefel¬ 
saurem Kupfer durch Chloroform ein röthlich gelber Stoff 
mit einem Absorptionsstreifen zwischen 6 und F extrahirt. 
Falls der Harn alkalisch ist, so wird unter denselben 
Bedingungen der Schaum carmoisinroth und wird durch 
Chloroform ein carmoisinrother Stoff mit einem Absorp¬ 
tionsstreifen in E extrahirt. 

Die Lösung des schwefelsauren Kupfers macht wahr¬ 
scheinlich das Urobilin aus seinen Verbindungen mit 
Phosphaten frei, die Phosphate nämlich erhalten das Harn¬ 
urobilin in Lösung, wie es M6hu gezeigt hat. 

Indem wir wissen 1) dass Urobilin eine schwache Säure 
ist, welche durch Alkalien neutralisirt werden kann, 2) 
dass Urobilin durch Phosphate in Lösung erhalten wird, 
3) dass bei Uebergang aus dem sauren Zustand in den 
alkalischen sein Absorptionsspektrum sich verändert, 4) 
dass aus neutralen Lösungen nach Zusatz von schwefel¬ 
saurem Kupfer durch Chloroform ein carmoisinrothes 
Pigment aasgezogen wird, welches ein charakteristisches 
Absorptionsspektrum giebt, 5) dass aus neutralen Lösungen 
durch Chlorzink, ebenso wie durch Schwefel sau res Kupfer, 
Urobilin freigemacht wird und dann durch Chloroform 
ausgesogen werden kann, habe ich versucht Urobilin als 
eine Säure zu titriren. 


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153 


Als Indicator der ßeeadigang der Reaction wählte ich 
einerseits den Farben- und Spektrumwechsel und ande¬ 
rerseits den Farben- und Spektrum Wechsel bei Gegenwart 
einer Lösung von schwefelsaurem Kupfer und Chlorzink 
(Farbenreactionen). 

Als Säure erwies sich Urobilin 10 Mal schwächer als 
Oxalsäure, so dass ich zur Sättigung des reinen Urobilins 
eine centinormale Lösung von Natronlauge verwenden 
musste. 

Um die Acidität zu bestimmen, wogen wir zuerst eine 
bestimmte Menge Urobilin ab, führten dieselbe in Lösung 
über, titrirten mit Kalilauge und bekamen so folgende 
Resultate: 

abgewogene Urobilinmenge durch Titrirung bestimmt 


0,0256 

0,0252 

0,0032 

0,00315 

0,0022 

0,00189 

0,0058 

0,0063 

0,0012 

0,0015 

0,0060 

0,0063 


Da das Urobilin durch die Phosphate in Lösung (im 
Harn) erhalten bleibt, so muss es zuerst freigemacht 
werden; dies wird erreicht durch Zusatz von Alkali, 
welches zuletzt sämmtliche Phosphate in Form eines 
farblosen Niederschlages ausscheidet. Die Alkalimenge, 
welche bis zur Neutralisation des Harns zugesetzt wird, 
belehrt uns nur über die Gesammtacidität des Harns, 
giebt uns aber keine Auskunft über das Urobilin selbst. 
Erst die Alkalimenge, welche zur Ueberführung des Ge¬ 
menges aus dem neutralen in den alkalischen Zustand 
nöthig ist, giebt uns die Urobilinmenge an, weil zur 
Ueberführung dieser Urobilinmenge aus dem alkalischen 
in den neutralen Zustand ebenso viel Cctm. des Oxalsäure- 
titrums erforderlich sind, als Cctm. Natronlauge zur Ueber¬ 
führung des Urobilins in den alkalischen Zustand ver¬ 
braucht wurden. 

In der That können wir, indem wir zum Harn, welcher 
pathologisches Urobilin enthält, eine titrirte alkalische 
Lösung bis zum Auftreten einer neutralen Reaction zu¬ 
setzen und mit dem Spektroskop die Veränderung der 
Schattirungen des Harns verfolgen, beobachten, dass wenn 
das Ham- und Alkaligemenge eine neutrale Reaction 
bekommt, dabei weder die Farbe des Gemenges noch 
seine spektroskopischen Eigenschaften sich verändern; so 
wie aber der Harn eine deutlich grüne Färbung annimmt, 
tritt sofort der Absorptionsstreifen des Urobilins auf. 

Wenn wir dieses Gemisch durch einen Filter lassen und 
anfangen zu demselben eine Oxalsäurelösung zuzusetzen, 
so müssen wir von derselben so viel zugiessen, als Kali¬ 
lauge zur Ueberführung des Harngemenges aus dem neu¬ 
tralen in den alkalischen Zustand verbraucht wurde. 

Die Technik der Bestimmung 

a) mittelst des Spektroskops. 

Man nehme zwei kleine graduirte Cylinder mit flachem 
Boden, von 1—2 Ctm. im Durchmesser, giesse in dieselben 
gleiche Harnportionen ein, wende immer ein tragbares 
Spektroskop von derselben Oeffnungsbreite an, so dass 
man den Absorptionsstreifen des Urobilins deutlich sehen 
kann, dann giesse man zu dem einen Cylinder tropfen¬ 
weise eine centinormale Alkalilösung (für den Harn kann 
man auch eine decinorraale Lösung nehmen) und prüfe 
mit Lakmuspapier, in welchem Moment die neutrale 
Reaction eintritt. Von diesem Moment an giesse man 
mit der grössten Vorsicht vom Alkalititrum zu, bis zum 
Auftreten der alkalischen Reaction. Sobald die letztere 
erreicht wird, bekommt der Harn eine deutlich grünliche 
Verfärbung uud im Spektrum erscheint der Absorptions¬ 
streifen des alkalischen Urobilins. 

b) Ohne Spektroskop. 

Sobald wir bei Alkalizusatz merken, dass die Acidität 
des Gemisches stark abnimmt, giessen wir zu demselben 


Chloroform zu. So wie darauf eine neutrale Reaction 
auftritt, setzen wir sofort einige Tropfen einer Lösung 
von schwefelsaurem Kupfer (0,1 auf 100) zu und nimmt 
dann das Chloroform eine carmoisinrothe Färbung an. 
Dieselbe Färbung nimmt das Chloroform an, wenn wir 
zum Harn- und Alkaligemisch Chlorzink zusetzen. Das 
ist, so zu sagen, eine Probeportion. Dann nehme man von 
Neuem dasselbe Harnquantum, bringe es bis zur neutra¬ 
len Reaction, filtrire und setze vorsichtig Alkali zu. Im 
Moment, wo der Harn alkalisch wird, nimmt er eine 
deutlich grüne Färbung an. Nach Zusatz einer Lösung 
von Chlorzink wird der Harn intensiv grün, und bei 
Zusatz von schwefelsaurem Kupfer intensiv roth gefärbt. 
Mit Chloroform kann man weder aus der einen, noch 
aus der anderen Lösung den Farbstoff extrahiren. 

Indem wir berechnen, wie viel Cubikcentimeter Alkali 
wir verbraucht haben, um die neutrale Reaction des 
Harns in die alkalische Uberzuführen, und diese Zahl 
mit 0,00063 multipliciren, finden wir den Urobilingehalt 
im gegebenen Harnquantum, und da wir die Gesamrat- 
harnmenge kennen — auch den gesammten Urobilingehalt. 

Jetzt wollen wir zu den anderen Methoden der quan¬ 
titativen Bestimmung übergehen, bemerken aber nebenbei, 
dass es ganz fehlerhaft ist, den Urobilingehalt des Harns 
nach der Intensität seines Absorptionsstreifens zn bestim¬ 
men, wie es Hayem und Winter machen, denn das 
subjective Urtheil spielt dabei die Hauptrolle. Die beste 
Methode ist wohl die von Georg Hoppe-Seyler em¬ 
pfohlene. Er nimmt 100 CCtm. Harn, säuert denselben 
mit Schwefelsäure an und sättigt dann mit schwefelsau - 
rem Ammoniak; schüttelt häufig und lässt dann für eine 
Stunde stehen, bis rothe Flocken sich ausgeschieden ha¬ 
ben und die Flüssigkeit, in welcher die Flocken schwim¬ 
men, den Absorptionsstreifen des Urobilins nicht mehr 
zeigt. Die Flocken werden auf einen Filter gebracht, hier 
mit einer gesättigten Lösung von schwefelsaurem Ammo¬ 
niak gewaschen, dann ausgepresst und mit einem Gemisch 
von Alkohol und Chloroform (zu gleichen Theilen) aus¬ 
gezogen. 

Die auf diese Weise erhaltene gelbe und gelblich rothe 
Lösung wird in einem besonderen Trichter filtrirt. Der 
Rest wird nochmals mit Alkohol und Chloroform extrahirt. 
Das Gemisch von Alkohol und Chloroform im Trichter 
wird so lange mit Wasser verdünnt, bis das Chloroform 
sich ganz ausgeschieden hat und beim Stehen ganz klar 
geworden ist. 

Dann wird die Chloroformlösung in ein kleines 
(vorher abgewogenes) Glasgefäss gegossen und auf dem 
Wasserbade langsam eingedampft, der Rest wird bei 
100° C. getrocknet und mit einer geringen Aethermenge 
extrahirt. 

Die Aetherlösung wird filtrirt. Der Rest auf dem 
Filter wird wieder in Alkohol aufgelöst, wieder in ein 
Glasgefäss gebracht, eingedampft, getrocknet und ge¬ 
wogen. 

Bei raschem, aber vorsichtigem Eindampfen und bei 
Vermeidung hoher Temperatur, erhielt Hoppe-Seyler 
ein Urobilin, welches charakteristische Eigenschaften 
hatte. Nach ihm stimmen die Resultate seiner Methode 
mit den spektroskopischen Bestimmungen überein. 

Die Methode von Viglezio (1. c.): Er nimmt 300CCtm. 
Harn, welcher Urobilin enthält, säuert denselben mit 
Schwefelsäure an und sättigt mit 230—240 Grm. schwefel¬ 
sauren Ammoniaks und bringt das Alles auf einen Filter. 
Den Rest auf dem Filter wäscht er mit einer gesättig¬ 
ten Lösung von schwefelsaurem Ammoniak und extrahirt 
mit Alkohol. Zum Auswaschen sind 100 bis 300 CCtm. 
Alkohol erforderlich. 

Dann geht er zur Bestimmung selbst über, welche er 
auf folgende Weise macht: 

1) Er nimmt eine Mohr’sche Bürette, welche nach 
Zehnteln und Hundertsteln eines CCtm. graduirt ist und 


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bringt in dieselbe eine Urobilinlösung; 2) dann nimmt er 
eine Eprouvette, bringt in dieselbe 10 CCtm. 60 pCt 
Alkohol und setzt noch 2 Tropfen Ammonii liquidi und 
2 Tropfen einer 1—2 pCt. Chlorzinklösung zu. 

Nachdem Alles vorbereitet ist, giesst er in die Eprou¬ 
vette die Urobilinlösung aus der Mohr’schen Bürette zu 
bis zum Auftreten einer grünen Fluorescenz. Im Anfang 
ist die Fluorescenz inconstant, später aber erhält sich 
dieselbe constant und wird dabei der Absorptionsstreifen 
sichtbar. Mit einer solchen Reaction lassen sich Urobi- 
linspuren entdecken. Die Fluorescenz erscheint früher als 
der Streifen; um den Streifen auftreten zu lassen, muss 
man 3 mal so viel Alkohollösung zusetzen, als zum Her¬ 
vorrufen der Fluorescenz nöthig ist. 

Die Zahl, welche bei der Bestimmung erhalten wird, 
ist das arithmetische Mittel der beiden Zahlen d. h. der 
Menge, welche zum Hervorrufen der Fluorescenz nöthig 
war und derjenigen, welche bis zum Auftreten des Ab¬ 
sorptionsstreifens verbraucht wurde. Zur Feststellung 
der Probelösung wiegt Viglezio 1 Centigramm des Uro¬ 
bilin Jafle, löst es in 100 CCtm. Alkohol und versetzt 
diese Lösung mit dem oben genannten Gemisch aus Alko¬ 
hol, Chlorzink und Ammoniak. Bis zum Beginn der 
Reaction verbrauchte er 0,50 CCtm. und bis zum Auf¬ 
treten des Streifens 1,6 CCtm. 

Indem er die Menge des in 300 CCtm. Harn enthal¬ 
tenen Urobilins mit x bezeichnet, mit n die Zahl der 
Hundertstel Alkohol (welcher das aus dem Harn extra- 
hirte Urobilin enthält), welche für die Reaction nöthig 

waren, führt er die folgende Formel aus: x = ~X°^5 

X 0,01; 50 ist die Zahl der Hundertstel eines Cubik- 
centimeters, welche nöthig ist, wenn die Lösung 0,01 
(soluzione typica) enthält und wenn 300 CCtm. derselben 
genommen sind. Unter diesen Bedingungen lässt sich der 
Procentgehalt des Urobilins nach folgender Formel be¬ 
rechnen: x ~ X 0,50 X 0,01; x=°A 7 
n ’ ’ ’ n 

Wenn wir 300 CCtm. eines Urobilinextracts haben und 
wenn bei der Reaction z. B. 0,16 d. h. 15 Hundertstel 
verbraucht wurden, so erhalten wir 


Nachdem ich die Methoden von G. Hoppe-Seyler 
und Viglezio controlirt hatte, kam ich zu folgendem 
Schluss: 

Die Methode von Hoppe-Seyler erfordert sehr viel 
Zeit und Mühe, da dabei ein genaues Abwägen nöthig 
ist. Bei der Methode von Viglezio brauchen wir nicht 
zu wägen, aber sein Verfahren leidet doch erstens an dem 
Mangel, dass die Probeflüssigkeit nicht nach dem M6hu’- 
schen, sondern nach dem Jaffe’schen Urobilin, welches 
wohl kaum rein ist, bestimmt wird, und zweitens ist 
dieses Verfahren deshalb mangelhaft, weil beim Zusatz 
von Urobilin zum Gemisch aus Ammoniak, Chlorzink und 
Alkohol auf das Moment des Auftretens der neutralen 
Reaction nicht geachtet wird. 

Wie es nun auch sein möge, so sind diese beiden Me¬ 
thoden für den Kliniker schon deswegen unbequem, weil 
dabei zuerst das Urobilin aus dem Ham ausgeschieden 
werden muss, während bei der Bestimmung nach meiner 
Methode nicht nur diese umständliche Arbeit, sondern 
auch das nicht weniger umständliche Abwägen vermieden 
wird. Es wird auf diese Weise Zeit und Mühe erspart. 
Ausserdem kann man nach meiner Methode das Urobilin 
direct titriren, sowohl in alkoholischer, als auch in Chlo¬ 
roformlösung. Der geringste Alkaliüberschuss nimmt der 
Chloroformlösung ihre Urobilinfärbung, wobei der Farb¬ 
stoff natürlich in die über dem Chloroform sich lagernde 
Alkalischicht übergeht Durch entsprechenden Säurezu¬ 
satz kann von Neuem das Urobilin in Chloroformlösung 
übergeführt werden. Die von mir empfohlene Methode 


quantitativer Urobilinbestimmung wird sowohl von mir, 
als von den Ordinatoren der akademischen therapeuti¬ 
schen Klinik Prof. Popo w’s angewandt. Ich spreche Herren 
Prof. Popow meinen aufrichtigen Dank aus für die Be¬ 
reitwilligkeit mir sein klinisches Material zur Verfügung 
zu stellen zum Zweck der Aufklärung einiger Fragen aus 
dem Gebiete der pathologisch-chemischen Diagnostik. 

Referate. 

L. Redtenbacher: Ueber den diagnostischen Werth 
der Milzpunction bei Typhus abdominalis. (Zeitschr. 
f. klin. Med. Bd. 19, H. 4). 

Verf. berichtet über 14 Fälle von Milzpunctionen, welche er 
zum Zwecke der Diagnosticirung des Abdominaltyphus ausge¬ 
führt hat. Hierbei liess sich zehnmal durch Culturen das 
Vorhandensein von Typhnsbacillen reststellen, und da von den 
14 Fällen drei Erkrankungen sich später conform dem Fehlen 
von Typhnsraikroorganismen, als nicht typhöse herausgestellt 
haben, so erscheint das gewonnene Ergebniss als ein recht 
günstiges. In dem einzigen Falle, wo sicn trotz bestehendem 
Ileotyphus keine Bacillen nachweisen Hessen, war die T°. des 
Pat. bereits gesunken. Das Züchten der Mikroorganismen bis 
zur Möglichkeit eine Diagnose zu stellen, beanspruchte blos 
eine Zeit von 3—4 Tagen, so dass auf die vom Verf. angege¬ 
bene Weise noch rechtzeitig ein diagnostisches Resultat er¬ 
zielt werden kann — umsomehr als es bei der Milzpunction 
hauptsächlich darauf ankoramt, die Differentialdiagnose zwi¬ 
schen Ileotyphus einerseits und septisch-pyämischen Processen 
oder Miliartuberculose andererseits zu stellen. Eine wissen¬ 
schaftliche Bedeutung erlangt dieser Eingriff bei den Typhen 
von unbestimmbarem Typus. 

Die Pnnction an sich soll ganz gefahrlos sein, da eine 
Laesion der Milzkapsel nur einmal eingetreten w r ar und erst 
nach einem Monate, als Pat. der Intensität der Erkrankung 
zum Opfer gefallen war, als zufälliger Befund bei der Section 
entdeckt wurde. W. Ger lach. 

S. T. Sörensen: Ueber Scharlachdiphtherie. (Zeitschr. 
f. klin. Med. Bd. 19. H. 5, 6. 1891). 

Scharlachdiphtherie und die genuine sind zwei sowol kli¬ 
nisch als anatomisch sehr wohl unterscheidbare Krankheiten, 
so dass die Annahme: es handele sich bei der ersteren um eine 
blosse Complication durch die letztere, von der Hand zu wei¬ 
sen ist. Die nekrotischen Beläge sind bei der Scharlachdiph¬ 
therie mehr gelb und lassen sich nur äusserst selten als zu¬ 
sammenhängende Membranen ablösen; es besteht eine grosse 
Neigung zu suppurativen und tiefgreifenden ulcerösen 
Vorgängen, was übrigens klinisch nicht leicht zu erkennen 
ist, wohl aber sehr deutlich bei Sectionen zu Tage tritt; die 
Ausbreitung der Krankheit ist nicht nur eine continuirliche, 
sondern auch raetaslatische und zeichnet sich von der genui¬ 
nen Diphtherie noch dadurch aus, dass sie mehr die Tendenz 
hat sich zum Ohre und zu den Lymphdrüsen fortzuleiten, den 
Kehlkopf aber und die grossen Luftwege zumeist verschont; 
endlich ist das Fieber bei Scharlachdiphtherie in der Regel 
ein sehr hohes und scheinbar direct in Abhängigkeit stehend 
von den localen Processen. Die Tendenz zur Suppuration 
äussert sich besonders deutlich in der Lymphadenitis, welche 
hier sehr bald zur Abscedirung oder zu phlegmonösen Pro¬ 
cessen führt, während bei der genuinen Dipntherie eine starke 
Drüsenschwellung erstens nicht häufig ist und zweitens sich 
zurückbildet, ohne die bedeckende Haut zu entzünden. 

Auch anatomisch ist das Bild beider Krankheiten ein durch¬ 
aus verschiedenes; so fand Verf.. dass die Membranen der 
Scharlachdiphtherie hauptsächlich aus häufig mehrkernigen 
Leukocyten bestehen, zwischen denen mehr oder weniger de- 
generirte Epithelien und nur spärliche Mengen von Fibrin 
angetroffen werden. Ferner sieht man an der Innen¬ 
fläche der Membran eine continuirliche Schicht von 
Mikrokokken, welche auch in dem darunterliegenden Ge¬ 
webe gesehen werden und zwar an Stellen, wo noch nicht 
einmal der Kerntod aufgetreten ist. Letzteres spricht gegen 
die Annahme, dass es sich hier um Saprophvten handle, und S. 
hält diese Kokken für das aetiologische Moment der Schar¬ 
lachdiphtherie, umsomehr als die Metastasen denselben Mikro¬ 
organismus enthalten. Löffiersche Diphtherie-Bacillen fand er 
dagegen bei der Scharlachdiphtherie nicht. Die Kokken liegen 
entweder einzeln oder zu Ketten und Haufen vereint, häufig 
in praeformirten Gewebslücken und unterscheiden sich von 
Staphylo- und Streptokokken durch ihre geringere, vom Ery¬ 
sipelmikroorganismus durch ihre grössere Dimension. 

*Ein eigentümliches Verhalten des Puerperalscharlaches be¬ 
stimmt den Verf. zu behaupten, dass bei Scharlach die Infec- 
tion durch Schland oder Nase in den Körper eindringe und 
somit die Scharlachangina das «anatomische Substrat» für 


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die Gesammterkrankung abgebe und durch die Invasion er¬ 
wähnter Mikrokokken erzeugt werde. Er fand nämlich in 
den Fällen, wo die Infection der Pat. durch den Genitaltractus 
entstanden zu sein schien, ähnliche Processe, wie am Schlunde, 
ancfc an den Schleimhäuten der weibl. Geschlechtsorgane, 
während die Angina in diesen Fällen entweder ganz fehlte 
oder nur sehr wenig ausgebildet war. W. Gerlach. 

Arnoldo Maggiora: Einige mikroskopische und bak¬ 
teriologische Beobachtungen während einer dysente¬ 
rischen Enterocolitis-Epidemie. (Arch. ital. de biologie 
XVI Fase. II-III, p. 128. 1892). 

Nach einer durchaus objectiven Darstellung des gegenwär¬ 
tigen Standes der Dysenterie-Amöben-Frage theilt Verf. seine 
eigenen Beobachtungen mit, welche er während einer Dysen¬ 
terie-Epidemie angestellt hat. Es handelte sich um mehr als 
200 Erkrankungsrälle, die bis auf 3 alle gutartig verliefen. 
In 20 Fällen wurden die Fäces mikroskopirt, in 12 davon einer 
bakteriologischen Untersuchung unterworfen. Nur ein einzi¬ 
ges Mal bekam Verf. eine Amöbe zu Gesicht, ebenso nur ein¬ 
mal ein Paramöcium coli. Von den reincultivirten Bakterien 
fand sich constant B. coli communis, 5 Mal B. pyoevaneus, 
andere Arten nur sporadisch. Auf Grund dieser Befunde 
neigt Verf. zu der Ansicht derjenigen Autoren, welche anneh¬ 
men, dass es ausser der Amöbendysenterie noch andere, be¬ 
sonders epidemisch auftretende und schnell verlaufende Krank¬ 
heiten giebt, die sich in ihrem Symptomencomplex mit der 
Dysenterie von Lösch, Kartulis u. A. decken, ohne jedoch 
auf dasselbe ätiologische Moment zurückgeführt werden zu 
müssen. Speciell in seinem Falle hält es Verf. für nicht aus¬ 
geschlossen, dass das Bakterium coli commune von ätiologi¬ 
scher Bedeutung sei, da sich die ans den Dejectionen der 
Kranken gezüchteten Reinkulturen desselben als ganz beson¬ 
ders virulent für Meerschweinchen erwiesen. 

Wladimirow. 

J Longard: Ueber die Beschaffenheit der Sehnenreflexe 
bei fieberhaften Krankheiten und unter der Ein¬ 
wirkung psychischer Einflüsse. (Ausdermedicinischen 
K linik in Bonn. Deutsch. J. f. Nervenheilkunde I B. X.). 

Ira Anschluss an die Beobachtungen, dass bei gewissen fie¬ 
berhaften Krankheiten (Tuberculose, Typhus abdominalis, Ge¬ 
lenkrheumatismus), bei Abkühlung der hLörperoberfläche, nach 
langdauernden geistigen und körperlichen Anstrengungen etc. 
Steigerung der Sehnenreflexe häufig constatirt wurde, .unter¬ 
suchte L. 82 Phthisiker und fand in 30 Fällen Fussclonus bei 
sonst normalen Reflexen; in 7 Fällen waren auch andere Re¬ 
flexe gesteigert. Ausserdem liess eich bei einer grösseren 
Zahl von Patienten locale Muskelcontraction (idiomnsculäre 
Contraction) im M. pectoralis und biceps hervorbringen. L. un¬ 
tersuchte ferner einige Fälle von Typhus abd., acutem Ge¬ 
lenkrheumatismus und croupöser Pneumonie; in der grossen 
Mehrzahl der Fälle fand sich Steigerung der Sehnenreflexe. 
Bei den Fällen mit croupöser Pneumonie trat diese Steige¬ 
rung häufig erst nach Ablauf der Krankheit zu Tage, während 
bei benommenen Patienten ein Patellarreflex überhaupt nicht 
zu erhalten war. 

Den bei Tuberculösen beobachteten Fussclonus erklärt L. 
durch die grössere Spannung und den vermehrten Tonus im 
Gastrocnemius. Für solche Fälle, wo auch die anderen Seh¬ 
nenreflexe eine Steigerung zeigten, glaubt Verf. einen durch 
die Infectionskrankheiten gebildeten nervenreizenden Stoffan¬ 
nehmen zu müssen, der die Reflexsteigerung bewirkt; denn 
bei 2 Fällen von Lähmungen bei Schwindsüchtigen ergab die 
anatomische Untersuchung Degeneration der peripheren Ner¬ 
ven und Muskeln, während das Rückenmark sich unverändert 
zeigte. Als Beleg für diese Auffassung berichtet L. über einen 
Fall von postdipntheritischer Lähmung, welche mit neuriti- 
schen Erscheinungen — neuralgischen Schmerzen und Hyper- 
aesthesie — bei starker Steigerung der Reflexe einherging 
und stützt sich auf die Beobachtungen von Strümpell und 
Moebius, welche bei peripheren Neuritiden gleichfalls ge¬ 
steigerte Reflexthätigkeit beobachteten. 

Schliesslich bringt Verf. auch dafür Belege bei, dass die 
Reflexe von der Psyche beeinflusst werden, indem Patienten 
mit sonst normalen Reflexen, wenn sie aufgeregt waren, stets 
lebhafte Steigerung der Reflexe zeigten. 

Ebenso fand Verf. bei Neurasthenikern und Irren mit ängst¬ 
licher Spannung, Exaltation und psychischer Erregtheit recht 
constant eine starke Steigerung aer Sehnenreflexe. 

Kusick. 

W. H. Welch: Der Bacillus coli communis. — Die Be¬ 
dingungen seiner Invasion in den menschlichen Kör¬ 
per und seine pathogenen Eigenschaften. (The Medi¬ 
cal News 12. Dec. 1891). 

Bestimmte Bakterienarten werden regelmässig im gesunden i 
Darmkanal gefunden, in grösster Zahl der Bacillus coli com- I 


munis (Escherich). Ausser durch Verschiedenheiten im 
Wachsthum auf Gelatine, Agar und Kartoffeln unterscheidet 
er sich von dem ihm sonst sehr ähnlichen Typhnsbacillus 
durch sein Vermögen Milch zn coaguliren, was der Typhus¬ 
bacillus nicht vermag. Letzterer besitzt ausserdem eine active 
Beweglichkeit, während der Bacillus coli com. schwaches Be¬ 
weglichkeitsvermögen aufweist. Bouilloncnlturen des Bacillus 
coli com. Meerschweinchen und Kaninchen injicirt tödten unter 
acuten Intoxicationserscheinungen (Escherich). Tavel be¬ 
obachtete zuerst diesen Bacillus im menschlichen Gewebe nach 
ihm Wyss, Lamelle, Gilbert und Girode, Charrin und 
Roger, Nannyn, A. Fränkel und Malvoz. 

Nachdem Verfasser zuerst bei einem Fall von hämorrhagi¬ 
scher Pancreatitis complicirt mit multipler Fettnekrose (fat- 
necrosis) im Mesocolon und Omentum und diphtheritischer 
ulcerativer Colitis den Bacillus coli com., ausser in den ne¬ 
krotischen Stellen noch in den Mesenterialdrüsen, der Leber, 
der Galle, den Lungen, der Milz und den Nieren gefunden 
hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit diesem Mikroorganis¬ 
mus zu. Er ging von der Annahme ans, dass der Bacillus 
von den Stellen des Darmes aus, wo die Schleimhaut lädirt 
ist, in den menschlichen Organismus eindringe. Unter 200 
Sectionen fand Welch den Mikroorganismus in 33 Fällen. 
Stets fanden sich dabei Läsionen der Darmschleimhaut: Hä- 
morhagien, Ulcerationen, Perforationen, katarrhalische und 
diplitheriti8che Entzündungen etc. etc. Der Bacillus wurde im 
Blut, den Lungen, der Milz, den Nieren, dem Peritoneum, den 
Gallengängen und der Gallenblase, in der Leber, den Lymph- 
drüsen. Hoden, Gehirn und Wunden nachgewiesen in verschie¬ 
den grosser Zahl. Dabei bevorzugt er die Lungen und Nieren 
kommt aber auch häufig in der Leber, den Mesenterialdrtisen und 
der Milz vor. Die Natur des Bacillus wurde jedesmal mit 
allen Cautelen festgestellt In einer Zahl von Fällen ruft er 
keine Erscheinungen hervor, vielleicht wird dies erklärt durch 
die Thatsache, dass ihn menschliches Blutserum ausserhalb des 
Körpers abtöatet. Weder in dem Fall von Fettnekrose, noch in 
Fällen von lobulärer Pneumonie und fettiger Degeneration 
der Nieren, wo sich der Bacillus in grossen Mengen vorfand, 
konnte er als unzweifelhafter Urheber der Affectionen be¬ 
schuldigt werden. In 2 Fällen von Cholangitis und Cholecy¬ 
stitis bei Anwesenheit von Gallenstenien fand er sich in 
Reinculturen in der Galle. Schon Nannyn hat auf den even¬ 
tuellen Zusammenhang zwischen der Anwesenheit dieses Ba¬ 
cillus und der Bildung von Gallensteinen aufmerksam gemacht, 
Gilbert und Girode, wie auch Charrin und Roger sahen 
den Bac. coli com. als Krankheitserreger an in Fällen eitriger 
Gallengangs»- und Gallenblasenentzündung. Bei Perforations¬ 
peritonitis wird er in reichlicher Menge resp. Reinculturen 
im Exsudat gefunden. Verf. fand ihn auch in 3 Fällen von 
Peritonitis in Folge von Darmulcerationen ohne Perforation 
in serofibrinösen nicht ausgesprochen eitrigem Exsudat. 
Wahrscheinlich verursachte er die Peritonitis m diesen Fäl¬ 
len. Trotzdem glaubt Verf. nicht wie Malvoz, dass die Pe¬ 
ritonitis bei Darmulcerationen stets vom Bac. coli com. ver¬ 
ursacht wird, da häufig auch der Staphylococcus pyog. aureus 
oder der Streptococcus pyog. gefunden wird. Sowohl Ulcera¬ 
tionen durch Carcinom, wie auch bei Typhus eröffnen dem 
Bac. coli com. den Weg in den Organismus, Verwechselungen 
mit dem Typhusbacillus mögen dann häufig vorgekommen 
sein. Nur in 2 Fällen, wo der Bac. coli com. in den Organen 
nachzuweisen war fand Verf. am Darmcanal keine Läsionen. 

W. Beckmann. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 3. März 1892. 

1. Herr Anders demonstrirt einen 13jährigen Knaben, zu 
dem er am 10. Februar angeblich wegen einer incarcerirten 
Hernie gerufen wurde. In der That stellte sich eine pralle 
Geschwulst in der linken Inguinalgegend dar, die als incarce- 
rirte Hernie auf den ersten Blick imponiren konnte. A. be¬ 
stellte ohne Repositionsversnche gemacht zu haben den Fall 
ins Alexander-Männerhospital, um dort das Weitere zu ent¬ 
scheiden. Auch in der Narkose wurden Repositionsversuche 
unterlassen, da linksseitiger Kryptorchismus zu consta- 
tiren war und somit an einen incarcerirten Hoden gedacht 
werden musste. A. schritt sogleich zur Operation. 

Nach einem über die Leistengeschwulst gemachten Haut¬ 
schnitte präsentirt sich sehr nahe unter der Haut eine mit 
Flüssigkeit gefüllte längliche, einer Fischblase gleichende 
Geschwulst von 8—10 Ctm. Länge, in der Richtung des Leisten¬ 
kanals. Beim weiteren Freilegen der Geschwulst lässt sich 
dieselbe als mit breitem Stiele in einen rigiden Ring sich 
fortsetzend constatiren. 

Beim Umtasten des genannten Ringes wurde A. auf das 
Heraussickern klarer Flüssigkeit aus der Geschwulst auf¬ 
merksam. Dieselbe für Bruchwasser zu halten war nach dem 
Mitgetheilten kaum möglich. Es durfte nicht mehr gezweifelt 
werden, dass es sich um Hydrocelenflüssigkeit handelte. 


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A. discidirte die Geschwulst. Es präsentirte sich in der Tiefe 
des Sackes eine hämorrhagisch gestaute Geschwulst, kirschroth 
bis bläulich schwarz, die wie die Palpation ergab aus dem 
Leistenringe nur zum Tlieil, hervorsah und von demselben fest 
umklammert war. Das bisher Mitgetheilte nicht im Auge 
habend, hätte dem Bilde nach an einen gangränös incareerirten 
Darm gedacht werden können. Nach Incisionen in den Leisten- 
riug lässt sich der hämorrhagisch gestaute Hoden und 
Nebenhoden entwickeln. Zugleich bietet sich ein Anblick, 
der zu den seltensten Vorkommnissen gehört. Der offenbar 
torqnirte Testikel macht eine rast selbstständige 
ungefähr IV» malige Umdrehung durch Zurückdre¬ 
hung des SaraenBtranges. Es handelte sich somit um Tor¬ 
sion eines Leistenhodens, ln dem Zustand, in.dem sich 
der torquirie Hoden und Nebenhoden befand, konnte derselbe 
nur entfernt werden, was auch geschah. A. exstirpirte ferner 
die durch Hydrocelenfiüssigkeit ausgedehnte Tunica vag. 
propria und schloss die Wunde durch tiefe und oberflächliche 
Nähte. Der Verlauf war prima intentio und afebrü. Von Inte¬ 
resse ist, dass Pat. wegen der angeblichen Hernie 5 Jahre 
lang ein Bruchband getragen hatte, an welches er sich 
schliesslich so gewöhnt, dass er sich von demselben bis zur 
Operation nicht trennen wollte. Unter Hinweis auf 2 Fälle 
von Ausgtossung eines nekrotischen Hodens, der auf der 
Volk mann 'sehen Klinik beobachtet wurde, und Fälle ähnlicher 
Nekrotisirungen, wie sie von Nieman und Scarenzio mit- 
getheilt sind, greift A. auf die von Nicoladoni im 31. Bande 
von Langenbeck’s Archiv geltend gemachte Anschauung zurück, 
dass eine Torsion spontan Vorkommen kann, welche zur Ne¬ 
krose des Hodens führe. An der Hand 2 er Fälle sicher con- 
statirter Drehung von 180° und 360° und einigen Beobach¬ 
tungen bei Operationen von Kryptorchismus, sieht Nicoladoni 
in letzterem Zustande ein hauptsächliches ätiologisches Moment 
für die Torsion des Samenstranges. Der Kryptorchismus 
begünstigt insofern eine Torsion des Samenstranges, als bei 
demselben ein Mangel des Mesorchiums vorkomme, und kann 
eine Torsion nur zu Stande kommen bei bestehender oder 
früher bestanden habender Retentio testis. A. macht ferner die 
Nicoladoni-Kocher’sche Anschauung geltend, nach welcher 
die Torsionsmöglichkeit auch noch darin gegeben sei, dass bei 
Leistenhoden vollkommen getrennter Gelass- und Deferens- 
strang bestehe, welche durch ihre verschiedene Insertion 
eine viel ausgiebigere Drehung des Stranges um sich selbst 
gestatten. Einen von Cahen auf der Greifswalder und einen 
von Edward Meyer auf der Czerny’schen Klinik beobach¬ 
teten Fall eingerechnet, dürfte der von A. demonstrirte 
de i 5. sicher beobachteten Fall von Hodentorsion repräsentiren. 
Es erfolgt die Demonstration des Pat. und des hierher gehö¬ 
rigen Präparates. 

2. Herr Westphalen referirt über einen Fall von Car¬ 
cinoma ventricnli, welches sich aus einem Ulcus 
rot. entwickelt hatte. Neben dein Vorhandensein von Ul- 
cussymptoraen sprach eine auffällige Verschlimmerung des Lei¬ 
dens innerhalb aer letzten 3 Monate in Verbindung mit einer 
fühlbaren Besistenz im Epigastrium für das gleichzeitige Be¬ 
stehen eines Carcinoma am Magen. Nach den vom Bef. schon 
früher auseinandergesetzten Ansichten über die Bedeutung des 
HCl-nachweises bei dem Magencarcinom musste freie Mineral¬ 
säure im Magensafte des Pat. erwartet werden und fand sich 
auch thatsächlich in einem Gehalte von 0,1404 pCt. Die intra 
vitam gestellte Diagnose wurde durch die Autopsie vollkom¬ 
men bestätigt. 

Der Fall erscheint auch noch dadurch bemerkenswerth, dass 
augenscheinlich in directem Anschluss an die diagnostischen 
Manipulationen (Expression des Magensaftes, Spülung und 
Lufteinblasen in den Magen) eine Perforation des Geschwü¬ 
res zu Stande gekommen war, die wiederum eine tödtlich ver¬ 
laufende Peritonitis zur Folge hatte. Jedoch liess die pa¬ 
pierdünne Beschaffenheit des Geschwürsgrundes bei 
der Section vermutben, dass bei dem Mangeljeglicher 
Verklebungen des Magens mit den Nachbarorganen voraus¬ 
sichtlich eine Perforation ganz spontan in kürzester Frist 
hätte erfolgen müssen. 

Wegen der schlimmen Erfahrungen in dem erwähnten 
Krankheitsfall möchte Bef. die diagnostischen Untersuchungen 
am Magen bei wohlgegründetem Verdacht auf Ulcus vermie¬ 
den wissen. Für am ungefährlichsten hält er noch die Spülung 
des Magens mit indifferent temperirten Flüssigkeiten, welche 
sowohl in diagnostischer wie therapeutischer Hinsicht häufig 
direct geboten sind. 

3. Herr Beckmann demonstrirt folgende Präparate: 

I. Grosses interstitielles Myom desüterus, operirt mittelst 
supravaginaler Amputation und Stielversorgung nach 
Fritsch. Das Präparat wiegt 3000 Grm., der Leibesum¬ 
fang der Pat. betrug vor der Operation 88 Cm., das Cavum 
Uteri ist 18,5 Cm. lang. 

II. Uterus bicornis, multiple bis apfelgrosse, theils subse¬ 
röse, theils interstitielle und tuberculöse Myome, Hy- 


drosalpinx beider Tuben. Das Präparat ist von Herrn 
Bidder durch supravaginale Amputation (nach Fritsch) 
gewonnen worden. 

4. Herr Petersen berichtet über seine zwecks Besichtigung 
der Leprosorien von Riga und Dorpat unternommene 
Beise. Die Anstalt bei Riga sei besonders als musterhaft zu 
bezeichnen und übertreffe noch die besten norwegischen Le¬ 
prosorien. In beiden Anstalten habe man bereits wesentliche 
Besserung einiger Lepröser durch Bäder und Salicylbehand- 
lung erreicht; gegenüber der grossen Zahl Lepröser in Liv¬ 
land seien die bisher gegründeten 2 Anstalten übrigens noch 
lange nicht ausreichend, weshalb noch zwei weitere Anstalten 
(in Nennal uud Kaukerst) in Aussicht genommen sind. Herr 
Hellat weist darauf hin, dass manche Lepröse sich in der 
Anstalt allein schon deshalb bessern, weil sie dort unter un¬ 
gleich besseren Verhältnissen leben, als zu Hause. 

Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Nach Rabener (Intern, klin. Rundschau 1892 Nr. 2) 
lässt sich die Influenza in all ihren protensartigen Gestalten 
und Phasen der nervösen, katarrhalischen und gastrischen 
Form mit günstigem Erfolge mittelst Creolin bekämpfen, 
wofür er eine nach Hunderten zählende Krankenzahl anfüh¬ 
ren kann. Nach R. ist Creolin nicht nur ein specifisches Heil¬ 
mittel, sondern auch wirksames Schutzmittel zur Verhütung 
der Influenza. Ordin: in Pillen zu 0.01 mit Balsam. Tolntan. 
und Succ. Liquir, q. s. mehrmals täglich 3—5 Pillen (Tages¬ 
dosis 12 -25 Pillen). 

— Ignatz Moskowitz hat in schweren Fällen von Diph- 
therie mit der Quecksilberinunctionscur sehr gute Re¬ 
sultate erzielt. In einigen Fällen wurden 70—80 Gramm Queck¬ 
silbersalbe verbraucht, ohne dass Vergiftungserscheinungen 
zu beobachten waren. Klein lässt bei Diphtheritiskranken die 
Gegend oberhalb und unterhalb des Unterkiefers vom Ohr 
angefangen 2 mal täglich mit grauer Salbe einschmieren. 
Innerlich wird Kalkwasser gereicht. 

(Pester medic.-chirurg. Presse 1892. Nr. 4). 

— In Nikoladoni’s Klinik zu Insbruck ist, nach Finothi’s 
Mittheilnng (Wien. Klin. Wochschr. Nr. 1) ein Fall von 
Tetanus traumaticus mit Tizzoni’s Antitoxin (ans 
dem Blutserum von Hunden und Kaninchen) erfolg¬ 
reich behandelt worden. Pat. ein lljähriger Knabe, dem 
wegen Verletzung der Arm amnutirt worden war, bekam 6 
Tage lang Injectionen von 0.2 Hunde-Antitoxin, dann 2 Tage 
0.3 Kaninchen-Antitoxin nnd später wieder ersteres; vom 11. 
Tage der Behandlung an trat Besserung ein, am 25. Tage 
konnte Pat. das Bett verlassen. In einem zweiten Tetanus- 
Falle (Schwarz. Centralbl. f. Bakteriologie 1891. 22. Dec.) 
wurden 0,15—0.25 Hunde-Antitoxin injieirt; nach 5 Injectionen 
trat Heilung ein. 


Vermischtes. 

— Die neugebildete Hvgienische Gesellschaft in Moskau 
(cfr. Nr. 13, S. 127 dies. Wochenschrift) hat am 28. März ihre 
erste Sitzung abgehalten, in welcher Prof. Dr. Erisman zum 
Präsidenten, der Chef der russischen Medicinalverwaltung in 
Moskau Dr. W. M. Ostroglasow zum Vizepräsidenten, Dr. 
E. A. Ossipow zum Secretär und Dr. E. A.Pokrowski zum 
Cassirer der neuen Gesellschaft gewählt wurden. 

— Die Zahl der Candidaten für den in nächster Zeit 
zu besetzenden erledigten Lehrstuhl der specielleu 
Pathologie und Therapie an der militär-medicini- 
schen Academie ist eine auffallend grosse: als solche werden 
unter Anderen der frühere Professor der Warschauer Univer¬ 
sität Dr. W. P. Dobroklonski. der Professor der Universität 
Tomsk Dr. M. G. Kurlow, der Privatdocent der Kasanschen 
Universtät Dr. A. M. Dochman und die Privatdocenten der 
militär-medicinischen Academie Bogomolow, Drosdow,Ja- 
nowski, Ssirotinin, Smirnow, N. J. Ssokolow und 
Tschistowitsch genannt. 

— Zum Präses der Examinations-Commission in 
Kiew ist der frühere Charkower Professor der Geburtshülfe 
und Gynäkologie, Dr. J. P. Lasarewitsch, welcher gegen¬ 
wärtig in St. Petersburg praktieirt, ernannt worden. 

— Die Gesellschaft der Aerzte des Gouvernements 
Jenisseisk hat den Dr. W. M. Kratowski, welcher sich 

§ rosse Verdienste um diese Gesellschaft'erworben hat, zu ihrem 
hrenmitgliede gewählt. 

— Ordensverleihung: der St. Wladimir-Orden III. 
Classe — dem Bezirksarzt des Warschauer Gensdarmen-Be- 
zirks, Staatsrath Dr. Herrn. Harten. 

— Ernannt: der Oberarzt des Kasanschen Militärhospitals, 
Staatsrath Dr. TabourS — zum Gehülfen des Militür-Medici- 


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naIin8pector8 des Kiewschen Mil .-Bezirks; der ältere Arzt des 
Peterhofschen örtl. Lazareths, Staatsrath Dr. Wjerjuschki 
— zum Consultanten des St. Petersb. Nikolai-Militärhospitals. 

-r- Enthoben: der Consultant des St. Peters. Nikolai-Mil. - 
Hospitals, Mitglied des gelehrten ComitSs für’s Bergwesen und 
Consultant der Heilanstalt I. K. Hoheit der Herzogin von 
Edinburg, Staatsrath Dr. L. Berten so n — vom Dienst im 
Militärressort, mit Belassung in seinen übrigen Stellungen. 

— Verstorben: 1) Am 5. April in St. Petersburg Dr. J. 
W. Eban. Der Verstorbene war früher viele Jahre Kreisarzt 
in Krementschug; in den letzten Jahren lebte er, von einem 
schweren Leiden heimgesucht, in St. Petersburg. 2) Am 30. 
März in Tiflis der frühere Oberarzt des Tiflis’sehen Militär- 
Hospitals, Geheimrath Dr. J. J. Krasnogljado w, im 81. 
Lebensjahre. Seit der Absolvirung des med. Cursus an der 
medico-chirurgiscken Academie in St. Petersburg im J. 1833, 
also fast 60 Jahre hindurch, hat der Hingeschiedene seine 
ärztliche Thätigkeit dem Kaukasus gewidmet. Die kaukasische 
medicinische Gesellschaft zählte ihn zu ihren Ehrenmitgliedern. 
3) Am 18. März in Saraisk der dortige Kreisarzt D. W. 
Wosnessenski. Der Verstorbene hat seine Frau mit 4 kleinen 
Kindern ganz mittellos hinterlassen. 4) In Odessa der Medici- 
nalinspector dieser Stadt, wirkl. Staatsrath Dr. Ludwig Ma- 
rowski, im 62. Lebensjahre. M. war früher Professor in 
Charkow. 5) In München am 6. April der Nestor der dortigen 
medicinischen Facultät, Prof, der innern Medicin Dr. Franz 
Seitz, im 81. Lebensjahre. Der Verstorbene gehörte seit 1848 
dem Lehrkörper der Universität München an und war zuletzt 
Director des Reisingerianum. 

— Der bekannte Chirurg, Prof. Carl Thiersch in Leipzig, 
hat am 20. April n. St. seinen 70. Geburtstag gefeiert. 

— Der Professor der Augenheilkunde Dr. v. Hippe] in 
Königsberg hat, wie verlautet, einen Ruf an die Universität 
in Halle als Nachfolger Prof. A. Graefe’s, welcher im Herbst 
dieses Jahres seine Lehrthätigkeit äufgiebt, angenommen. 

— Im Ssaratowschen Gouvernement ist wiederum ein Land¬ 
schaftsarzt (in kurzer Zeit bereits der dritte) — Dr. L. 
Stürmer am Flecktyphus erkrankt. 

— Am 7. April sind wieder 11 Studenten des letzten Cursus 
der militär-medicinischen Academie in die von der Hungersnoth 
und epidemischen Krankheiten heimgesuchten Gouvernements 
zur Hiilfeleistung abgereist, und zwar zwei von ihnen nach 
Nishni-Nowgorod, drei nach Ssaratow und die übrigen nach Tula. 

— Am 20. April fand in Leipzig die Eröffnung des XI. 
Congresses für innere Medicin im grossen Saale des 
Krystallpalastes unter dem Vorsitz des Prof. Curschmann 
statt. Die Zahl der Theilnehmer ist auch diesmal eine recht 
grosse; fast alle Universitäten sind durch ihre Kliniker ver¬ 
treten. In der Eröffnungsrede wies Prof. Curschmann auf 
die Bedeutung des Congresses hin, der sich stets als ein Bin¬ 
deglied zwischen der klinischen Forschung und den Bedürf¬ 
nissen der ärztlichen Praxis bewährt habe. Die Zahl der an¬ 
gemeldeten Vorträge beläuft sich auf 58. Aus Dorpat nehmen 
die Prof. Dehio nnd Unverricht sowie der Docent Stadel¬ 
mann am Congress Theil. Mit dem Congresse ist eine Aus¬ 
stellung von neueren ärztlichen Apparaten, Instrumenten, 
Präparaten u. s. w. verbunden. 

— Der Unfug, welcher in der Tagespresse seit einiger Zeit 
mit der Veröffentlichnng von Berichten aus medicinischen 
Vereinen getrieben wird und der oft durch übertriebene oder 
halbverdaute Mittheilungen zu grosser Beunruhigung des 
Publicums führt, hat das GeschäftscomitA des Congresses für 
innere Medicin in Leipzig zu einer sehr dankenswerten 
Maassnahme veranlasst. Es soll daselbst den Berichterstattern 
politischer Zeitungen der Zutritt verwehrt, denjenigen Blättern 
aber, die auf eine fachgemiisse Darstellung der allgemein- 
wissenswerthen Vorgänge auf jenem Congress Werth legen, 
ein gleichlautendes, officielles Referat, mit dessen Ausarbeitung 
Dr. Dolega in Leipzig betraut ist, übergeben werden. Aehn- 
liches ist auch vom deutschen Chirurgencongresse und mehreren 
Berliner medicinischen Vereinen geplant worden. 

(A. m. C.-Ztg.). 

— Dr. P. Canon und Dr. W. Pielicke(Berl. klin. Wochen¬ 
schrift Nr. 16) haben auf Anregung des Directors Dr. P. 
Guttmann im berliner städtischen Krankenhanse Moabit das 
Blut von 14 Masernkranken in gefärbten Präparaten unter¬ 
sucht und in allen diesen Fällen einen und denselben Bacillus 

g efunden, welchen sie als Erreger der Krankheit ansehen. 

•ie Präparate wurden in derselben Weise angefertigt wie die 
Blutpräparate bei der Influenza und mit Eosin-Methylenblau- 
Lösung gefärbt. Die Grösse dieser Bacillen ist eine sehr ver¬ 
schiedene; manchmal erreichen sie die Grösse des Radius eines 
rothen Blutkörperchens, oft sind sie aber viel kleiner und 
erscheinen dann als Diplococcen oder Diplobacillen. Sie lagen 
manchmal einzeln, in den meisten Fällen jedoch in Haufen 
von 8 bis 20 Einzelindividuen. Was die Zeit anbetrifft, so fand 
man die Bacillen während des ganzen Verlaufes der Masern, 
in besonders grosser Menge aber zur Zeit der Krisis, in einem 


Falle noch 3 Tage nach der Entfieberung. Sie konnten sowohl 
im Blut (einer Fingerstichwunde entnommen), als auch im 
Auswurf, Nasen- und Conjunctivalsecret Masernkranker nach¬ 
gewiesen werden. Züchtungsversuche auf Glycerinagar, Blut¬ 
serum oder Milch gelangen nicht. Diese von den Verf. im 
Blute von Masernkranken gefundenen Bacillen unterscheiden 
sich wesentlich von den bisher bei Masern beschriebenen 
Mikroorganismen. Bf. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhosni- 
tälern St. Petersburgs betrug am 5. April d. J. 5670 
(490 weniger als in der Vorwoche), darunter 336 Typhus — 
(83 weniger), 560 Syphilis — (31 weniger), 44 Scharlach — 
(14 weniger), 14 Diphtherie — (9 weniger), 50 Masern - 
(1 mehr) und 20 Pockenkranke (5 mehr). 

Am 12. April d. J. betrug die Gesammtzahl der'Kran¬ 
ken in den Civilhospitälern St. Petersburgs 5746 (76 
mehr als in der Vorwoche), darunter 349 Typhns —(13 mehr), 
492 Syphilis — (68 weniger), 50 Scharlach — (6 mehr), 15Diph¬ 
therie — (1 mehr), 53 Masern — (3 mehr) und 22 Pocken¬ 
kranke (2 mehr). 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 29. März bis 4. April 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 

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12 

54 

56 

49 

37 

57 

39 

8 


2) nach den Todesursachen: 


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— Typh. exanth. 2, Typh. abd. 6, Febris recurrens 3, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 4, Masern 19, Scharlach 3, 
Diphtherie 2, Croup 3, Keuchhusten 9, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 34, Erysipelas 6, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 0, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0 ; Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 0, Pyäraie und Septicaemie 3! 
Tuberculose der Lungen 124, Tuberculose anderer Organe 6 
Alkoholismus und Delirium tremens b. Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 36, Marasmus senilis 29, Krankheiten des 
Verdauungscanals 51, Todtgeborene 27. 


Für die Woche vom 5. April bis 11. April 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 

Im Ganzen 

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402 278 680 155 69 111 12 6 23 61 61 45 38 59 26 13 1 
2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 2, Typh. abd. 7, Febris recurrens 2, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 1, Pocken 2, Masern 28, Scharlach 8, 
Diphtherie 9, Croup 0, Keuchhusten 5,. Croupöse Lungen¬ 
entzündung 32, Erysipelas 7. Cholera nostrras' 0. Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 2, Epidemische Meningitis 0, Atritfer Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax o, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyämie und Septicaemie 4, 
Tuberculose der Lungen 100, Tuberculose anderer Organe 5, 
Alkoholisraus und Delirium tremens 4, Lebensschwäche und 1 
Atrophia infantum 55, Marasmus senilis 32, Krankheiten des 
Verdaunngscanals 81, Todtgeborene 32. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 28. ApriL 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 4. Mai. 


Wasserheilanstalt in Reichenau (Niederösterreich) 
«Rudolfsbad». 0eitel’sehe Cur gegen Fettleibigkeit, Fett¬ 
herz und Herzschwäche. 

Curort Salzbrunn, Schlesien: Heilbewährt bei Erkran¬ 
kungen der Athmung8organe und des Magens, bei Scrophulose 
Nieren- und Blasenleiden, Gicht, Hämorrhoidalbeschwerden 
nnd Diabetes. 


M. W. Sa. 


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Bad Hall in Ober Österreich im Besitze der stärk¬ 
sten Jodsoole des Continents und in Folge seiner glänzende!» 
Heilerfolge bei Scroplmlose und allen Erkrankungen, bei wel¬ 
chen Jod einen wichtigen Heilfactor bildet, schon seit Jahren 
von Erwachsenen und Kindern stark frequentirt, erfreut sich 
in den letzten Jahren einer stets steigenden Frequenz, so dass 
seitens des oberösterreichischen Landesansschnsses als Verwal¬ 
ters des Haller Kurfondes bereits Vorkehrungen getroffen wer¬ 
den, um bei der zu gewärtigenden weiteren Steigerung der 
Frequenz -»llen Ansprüchen der Kurgäste entsprechen zu können. 
Zu Beginn der Saison 1892 wird auch das neuerbaute, modernen 


Anforderungen entsprechende Armenbadehospitaf in Bad Hall 
seiner Bestimmung übergeben. Nachdem die Eisenbahnstrecke 
Steyr—Pergern—Bad Hall bereits im December v. J. dem Ver¬ 
kehre übergeben wurde, ist nunmehr Bad Hall nicht nur über 
Linz (via Kremsthalbahn), sondern ruch über Steyr direct per 
Bahn zu erreichen. 

Bad Langenschwalbach: Wirksam gegen Blutarmnth, 
ihre Folgen und Complicationen, Nervenleiden, Frauenkrank¬ 
heiten. Schwächezustände der Muskeln, Lähmungen, Katarrhe 
der Schleimhäute, namentlich der Geschlechts- und Harn¬ 
organe. 


ANNONCEN JEDER ART werden in der Buchhandlung von CARL RICKER in 

St. Petersburg, Newsky-Pr. 14, sowie in allen in- und ausländ. Annoncen-Comptoiren angenommen. 


KAJIEHAAPb BEPEMEHHOCTM 

TaAima na Miuueiii Bpeueai pojon» 

A-pa mm- H. AEAKMMHA. 

l(tH& 30 r., a ci> nepecbiJKoio 40 k. 
IIpoxaeTCH jCnö., HeBCRifl np., Jfc 61) y bb- 
-ropa n bo Bcfcxt khhbcbuxi MarasHHaxTi. 

Adressen von Krankenpflegerinnen: 

E. van der Vliet, EKaTep. wan. 166, rb. 25. 
Schwester Elise Tennison, Boxbuiaa Ca- 
flOBa«, fl. 9, kb. 36. 

Antoinette Lücke, HeBCKiä np., 32/34, 

RB. 13. 

Frau A. M. Wiander, B. 0. 7 x. x. 6, 

RB. 6. 

Marie Mohl, B. 0. 1 x. x. 44, rb. 3. 

M. Winkler, MoxoBaa yx. x. 29, rb 5, bei 
Frau Ewald. 

Frau Duhtzmann, fleMHxoBt nep. x 9,rb. 9. 
A. A. n^yuHa, ÜOBapcRoa nep., x- 17, 
rb. 6. 

Paniine Gebhardt, Bac. Ocrp. B. npocn., 
5, kb. 18. 

Melanie Tromberg, Bac. Ocrp., 4 xkh., 
X 19, RB. 6. 

Frau Hasenfuss, Max. nox'bimecx. x- 14, 
rb. 15. _ _ _ 

Dr. Ebermann s Heilanstalt in 
Zarskoje Selo. 

Saison vom 15. Mai. Behandlung mit Ku¬ 
mys, eisenhaltigem Kumys, Kefir, verschie¬ 
denen Mineral wässern (natürlichen und 
künstlichen); warme Bäder mit Zusatz 
verschiedener Substanzen; Elektrotherapie. 
Zimmer für Kranke mit voller Pension 
ä 125 pro Monat. Daselbst eine Wohnung, 
möblirt und mit allen Bequemlichkeiten 
für 350 Rbl. zu vermiethen. 5—1 


WASSERHEILANSTALT in REICHENAU 

(Niederösterreicli) 

„RUDOLFSBAD“ 3- 1 

an der Südbahnstation Payerbach, 
2 Standen per Südbahn von Wien 
eutfernt. Herrlioh von allen Seiten ge¬ 
schützte Lage, in einem der schönsten 
Alpenthäler Niederösterreiohs (476 
Meter über dem Meere). Ausgezeichnete 
Verpflegung und sehr oomfortable Un¬ 
terkunft bilden die anerkannten Vorzüge 
der seit 26 Jahren bestehenden Anstalt, 
in welcher auch Kranke, die nur einer 
klimatischen Cur bedürfen, Aufnahme 
finden. 

• Beginn der Saison am 1. Mai • 

(bis halben Juni und im September bedeu¬ 
tende Ermässigung für Kost ond Logis) für 

Wasserouren, Blektrioität und Mas¬ 
sage, Oertel’sche Cur. Eröffnung der 
Trinkhalle für Molke, Milch nnd 
alle Sorten frisch gefüllter Mineral¬ 
wässer am 16. Mai und des Voll- nnd 
Schwimmbades (16—18° R. und 730 
Quadratmeter Spiegelfläche) am 1. Juni. 
Täglich Promenaden-Concert. Direote Te¬ 
lephonverbindung mit Wien. Prospekte 
werden durch die Cur-Inspection auf Ver¬ 
langen gratis zugesandt. Nähere Auskünfte 
ertheileu Dr. Ludwig Thomas, Curarzt. 
J. M. Waissnix Erben, Eigentümer. 


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IOHN 8. BILLINGS, A. M., M. D., LL. D., Edin. and Harv., D. C. L. Oxon., Mem- 
ber of the natioual academy of Sciences, surgeon n. s. a., etc., etc. 
with the collaboration of 

W. O. Atwaber, M. 1)., Frank Baker, M. D., S. M. Burnett, M. D., W. T. Ooun- 
oilman, M. D., James M. Flint, M. D., J. A. Bidder, M. D., William Lee, M. D. 
B. Lorini, M. D.. Washington Matthews, M. D.,C. S. Minot. M.D., H. C. Yarrow.M.D. 

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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jafirg. 


ST. PETERSBURGER 

IEDICI1ISCHE WOGIEISCHfilFI 

unter der Redaction von 

Prof. Sr. Karl Dehio. Sr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Sr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. • 



Inhalt: W. Greiffenhagen: Zur Casuistik der Bauchchirurgie. — Referate: P. Canon und W. Pielicke: Ueber 
einen Bacillus ira Blute von Masernkranken. -• Ziegler: Zur Prophylaxis der Nephritis scarlatinosa. — Prof. R. v. Jaksch: 
Ueber die prognostische Bedeutung der bei croupöser Pneumonie auftretenden Leukocytose. — E. Mendel: Zur pathologischen 
Anatomie des Morbus Basedowii. — Eduard Spiegler: Eine empfindliche Reaction auf Eiweiss im Harne. — Protokolle 
der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. — Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — Kleinere 
Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Mortalitäts - Bulletin St. Petersburgs.— 
Anzeigen. 


Zur Casuistik der Bauchchirurgie. 

Von i* . 

Dr. med. W. Greiffenhagen. v 

(Mittheilungen aus dem Diaconissenhause zu Reval). 

In Folgendem erlaube ich mir drei Fälle von Verlet¬ 
zungen der Bauchhöhle zu veröffentlichen, die zur opera¬ 
tiven Behandlung gelangten. Sie bieten—mit Ausnahme 
des ersten — lediglich ein casuistisches Interesse und ihre 
Beobachtung erhebt keineswegs Anspruch auf wissen¬ 
schaftliche Vollständigkeit: eine solche zu erreichen wird 
dem praktischen Arzte nur selten gelingen, denn eine 
exacte klinische Beobachtung und Behandlung Kranker 
bedarf mancher Hilfsmittel, die nicht Jedem zu Gebote 
stellen. Dennoch halte ich es nicht für überflüssig, dass 
auch der Praktiker sich nach Kräften bemüht durch Mit¬ 
theilung seiner Erfahrungen die Casuistik zu vergrössern, 
um dadurch mittelbar sein bescheidenes Theil zum weiteren 
Ausbau der ärztlichen Wissenschaft beizutragen. 

I. Eingeklemmter nnd gangränöser Nabelschnur¬ 
bruch. Laparotomie. Tod nach 24 Stunden. 

Anamnese: Am 15. Februar 1889 wurde Frau P. von 
einem Knaben entbunden. Entbindung normal. Knabe gesund 
bis auf einen auffallend grossen Nabel. Nabelschnur dicht am 
Bauch unterbunden. Nabelschnurrest mumiflcirte nicht sondern 
faulte. Eine Woche lang gedieh der Knabe normal. Am 23. 
Februar Abends konnte die Mutter, nachdem sie den Nabel- 
v^rband behufs Wechsel entfernt, denselben nicht gleich 
erneuern: das Kind blieb unter lautem Schreien c. 10 Minuten 
ohne Verband. Die Mutter bemerkte, dass sich während dieser 
Zeit ein kleines rothes Stückchen aus dem Nabel hervordrängte, 
das sich allmählich vergrösserte. Der herbeigernfene Art fand 
prolabirten Darm. Repositionsversuche misslangen. Jodoform¬ 
verband. Transport in die Stadt in der Nacht auf den 23. 
Februar. Aufnahme in’s Diaconissenhaus. 

Status praes.: 9 tägiger, schwächlicher Knabe. Fettpolster 
schwach entwickelt, Haut schlaff. Haut und Sklerae intensiv 
ikteri8ch. Leib nicht aufgetrieben, nicht druckempfindlich. An 
Stelle des Nabels ein c. kinderfaustgrosser Tumor, dessen 
Oberfläche sammetartig, hochroth, feucht und vielfach in Falten 
gelegt ist. Die grösste Circumferenz nach links gelegen, 
nach rechts ein wurstförmiger Fortsatz. Beiderseits trichter- , 
förmige Einstülpungen die je in einen Kanal führen, so dass i 
die Sonde bis in’s Darmluinen dringt. Ans der linken Oeffnung I 


entleert sich gelber, dünnflüssiger Koth. Der prolabirte Darm, 
Ms auf eine c. ha Ctm. grosse Lücke, durch welche man mit 
der Sonde direct in die Bauchhöhle gelangt, ringsum mit dem 
Nabelring verwachsen. — Puls 140. Terap. 37,2. Collabirtes 
Äussehn. 

'Diagnose: Hernia funiculi umMlicalis incarcerata et per- 
forata. 

23. FeBfuar Nachmittags Operation: Erwärmung des Opera - 
tionsziramers, Watteein Wickelung. Chloroformnarkose. 

Stumpfe Lösung misslingt. Schnitt vom Nabel zur Symphyse. 
Durchtrennung des Nabelringes. Danach findet sich Folgendes: 
Eine Dünndarmschlinge ist mit der dem MesenteriafansatZ 
gegenüberliegenden Kuppe ringsum mit dem Nabelring ver¬ 
wachsen, während der dem Nabelring entsprechende Theil 
der Darmwand gangränös zerfallen ist, mithin eine Perforation 
von der Grösse c. eines 20 Kopekenstückes darstellt. Die der 
Perforation gegenüberliegende Darmwand ist durch die Perfo¬ 
ration d. h. durch den Nabelring hindurch nach aussen gestülpt 
in Form einer Invagination in querer Richtung (Mncosa nach 
aussen). Die Adhäsionen zwischen Perforationsrändern und 
Nabel lassen sich stumpf lösen und nun gelingt es ohne Mühe 
ein ganzes Convolut Dünndarmschlingen aus der Invagina- 
tionstasche hervorzuziehen. Es findet sich in derselben (also 
ausserhalb der Bauchhöhle) fast das gesammte Jqjunum und 
Heum, dessen einzelne Schlingen sich als federstieldick, mithin 
völlig leer erweisen. 

Um die Situation besser zu vergegenwärtigen möchte ich 
die in der Nabelgegend prolabirte Geschwulst mit einer Hernie 
vergleichen, die keine Bruchhttllen besass und deren Bruchsack 
durch ein Stück Darmwand dergestalt gebildet wurde, dass 
die Mucosa nach aussen lag, dann folgte Muscularis and 
endlich Serosa. Den Bruchinhalt bildete fast der ganze durch 
den Nabelring als Bruchpforte gezwängte Dünndarm. 

Serosa überall glänzend: keine Verklebungen, kein Exsudat, 
kein Darminhalt in der Bauchhöhle. Perforationsöffhung c. 
40 Ctm. oberhalb der Heo-Coecalklappe. Letztere und der 
Proc. vermif. rechts unten annähernd normal gelegen. An¬ 
frischung der Perforationsränder, Darmnabtin2Etagen(Lem- 
bert’sche Serosanähte) in der Längsrichtung. Anfrischung der 
Bruchpforte; Versenkung des Darmes in die Bauchhöhle; Rei¬ 
nigung derselben; Naht der Bauchwnnde; Jodoformgaze — 
Photoxyllin-Verband. — Während der c. 2Va8tündigen Narkose 
setzt der PuIb öfter aus, das Kind collabirt stark. — Nach der 
Operation schläft das Kind ruhig. Nachts mehrmals die Flasche 
genommen. Etwas Singultus. Kein Erbrechen. 

24. Februar. Morgens früh ein normaler Stuhl. Starker 
Collaps. Leib nicht aufgetrieben; nicht druckempfindlich. Puls 
sehr klein c. 150—160. Temperatur 36,2. Einflössen von Milch 
mit Wein. Zweimaliges Erbrechen. Unter zunehmendem Collaps 
um 6 Uhr Nachmittags Exitus letalis. 


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Ausserordentlich Bedauernswerth ist es, dass die Ob- 
duction nicht gemacht werden konnte, weil die Leiche 
ohne mein Wissen von den Angehörigen entfernt worden 
war. Immerhin erscheint mir der Fall mittheilenswerth, 
da überhaupt die Nabelschnurbrüche nicht allzu häufig 
sind (nach Thudichum c. 1 auf 2000 Kinder) und im 
Ganzen selten Incarcerationen erleiden, weil sie in der 
Regel klein sind. In vorliegendem Falle hat offenbar die 
Hebamme (eine von der Sorte jener «klugen Frauen», die 
auf dem Lande noch immer ein gewisses Vertrauen ge¬ 
messen, obgleich sie in keiner Weise geschult sind und 
nicht die mindeste Befugniss zur Ausübung ihres Ge¬ 
werbes haben), trotzdem ihr die abnorme Grösse des 
Nabels auffiel, mit der Nabelschnur auch eine Dünn¬ 
darmschlinge (resp. ein Meckel’sches Divertikel) unter¬ 
bunden und so eine künstliche Incarceration. Gangrän 
der Darmwand und Perforation erzeugt. Wäre das Kind 
rechtzeitig in Behandlung gelangt, als der Kraftezustand 
noch ein besserer war, so hätte die Laparotomie das 
kindliche Leben gewiss noch retten können. 

II. Penetrirende Scbnittverletzung der Bauch¬ 
höhle. Resection des Colon transversum. Tod nach 
24 Stunden. 

Anamnese: Frau L. G. 48 J. brachte sich am 15. Mai 1891 
in einem Anfalle von Verfolgungswahn multiple Schnittver¬ 
letzungen des Rumpfes und der Extremitäten, sowie eine pene- 
trirenae Schnittwunde des Unterleibes vermittelst eines Rasir- 
messers bei. Nach Angabe der Pat. sei aus dem aufgeschlitzten 
Unterleib ein Stück Eingeweide vorgefallen; dasselbe hätte sie 
abgeschnitten und in den Ofen geworfen. Vom 15. bis zum 
18. Mai Abends hat sie, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, im 
Bett gelegen und Niemanden in’s Zimmer gelassen. 

Am 20. Mai Aufnahme in’s Diaconissenhaus mit einem Noth- 
verbande, den der hinzugezogene College Dr. Landesen 
angelegt hatte. 

Status praes.: Mittelgrosse, magere Frau. Allgemeinzu- 
stand stark reducirt, Hautfarbe blass, gelblich; Haut welk; 
Panniculus adiposus und Musculatur atrophisch. An den inneren 
Organen nichts Pathologisches. Am Halse, am Rumpf und 
über beiden Radialarterien multiple, oberflächliche Schnitt¬ 
wunden, z. Th. verklebt, z. Th. grannlirend. Am rechten 
Oberschenkel eine klaffende, Haut, Fascie und Vastus ext. 
durchtrennende granulirende Wunde von c. 15 Ctm. Länge 
und c. 3 Ctm. Tiefe. Abdomen: 3 Ctm. unterhalb des Nabels 
bis 2 Ctm. oberhalb der Symphyse eine glattrandige, doch 
schon granulirende Wunde in der Linea alba, aus der ein 
Convolut Eingeweide prolabirt ist, in welchem sich 3 Darm¬ 
lumina mit gewulsteter hochrother Mucosa differenziren lassen. 
Aus der nacn rechts gelegenen Oeffnung entleert sich flüssiger 
Koth. Führt man den Finger in die nach links gelegene 
Oeflnun^, so trifft er auf feste Skybala und lässt sich weiter 
bis in die dritte nach unten zu gelegene Oeffnung hindurch 
führen. Ein viertes Lumeh nicht, zu finden. Alle drei Perfo- 
rationsöffnungen eingebettet in entzündlich infiltrirtes Gewebe 
(wahrscheinlich Netz und Mesenterium). Dasselbe ist, so weit 
es sich mit dem Finger und Auge nachweisen lässt, 
ringsum mit der Bauchwunde durch Adhäsionen verklebt. 
Leib nicht anfgetrieben, gegen Druck nur rechts neben und 
unterhalb der Wunde empfindlich. Temper. 37,7. Puls 114 
ziemlich schwach; Singultus; Sensorinm frei. Stuhl und 
Winde zuletzt am 14. Mai. 

20. Mai Nachmittags Operation: Energische Säuberung und 
Desinfection der blut- und kothbedeckten Patientin sowie 
speciell des Operationsterrains. Chloroformnarkose. Einhüllen 
der prolabirten Theile in Jodoformgaze; Ausspülung der Darm¬ 
lumina, Jodoformgazetampons tief in den zuführenden Schenkel. 
Vorsichtige stumpfe Lösung der Adhäsionen zwischen Bauch¬ 
wunde und Darmconvolut gelingt ohne Blutung. Erweiterung 
der Bauchwunde und Vorziehen des ganzen Convolutes, wobei 
Darmschlingen, Netz und Mesenterium folgen. Schutz der 
Bauchhöhle durch grosse Schwämme. Anfrischung der ganzen 
Bauchwunde, weil dieselbe bis zum Peritoneum eitrig belegt 
ist. Tamponade der Wunde mit Jodoformgaze, so dass die 
Bauchhöhle völlig abgeschlossen ist. Entwirrung des Knäuels: 
es finden sich c. 20— 25 Ctm. Dickdarm, dessen Mittelstnck 
(c. 5 Ctm.) fehlt, an einem langen Mesenierium und mit einem 
Stück Netz verbacken. Ob Flexura sigm. oder Colon vorliegt, 
lässt sich nicht entscheiden. Ein diagnostischer Erweiternngs- 
schnitt wird aus Gründen der Infectionsgefahr vermieden. 
Resection des gesammten prolabirten Dickdarm- 
theiles. Digitalcompression der Mesenterialgefässe und Ab¬ 
trennung mit der Scheere nach Anlegung eines dicken Sicher¬ 
heitsfadens durch das Mesenterium. Exacte Blutstillung durch 
isolirte Unterbindung sehr zahlreicher z. Th. beträchtlich 


blutender Mesenterialgefässe. Ausspülung und Desinfection 
beider Lumina. Circuläre Darmnaht mit Czerny-Lembert’schen 
Nähten. Naht am Mesenterial umfang nicht ohne Schwierig¬ 
keiten. Deckung der Darmnaht mit Netz. Nochmalige Desin¬ 
fection der Därme und Wundränder. Toilette der Bauchhöhle, 
in der sich dunkles flüssiges Blut findet. Reposition des Darmes. 
Schluss der Bauchwunde durch tiefe das Peritoneum mitfassende 
und oberflächliche Nähte. Dauer der Operation c. 2'i* Stunden. 
Chloroformverbrauch c.40,0. Patientin ist zum Schluss der Ope¬ 
ration stark collabirt; Puls 130. Bald nach der Operation 
Erbrechen, Unruhe, Schmerzen im Unterleibe. Die Nacht 
hindurch mehrmals Erbrechen. Beängstigungen, kein Schlaf. 

21. Mai Temp. 35.6. Puls 140—150. Pat. exquisit anämisch 
und sehr unruhig; Praecordialangst, Athemnoth. Es wurden 
600,0 einer 0,6 pCt. NaCl. Lösung snbcutan injicirt. Daneben 
Wein, Campher, Aether. Hochlagerung und Thedensche Ein¬ 
wicklung der Extremitäten. Starke Leibschmerzen, häufiges 
Erbrechen und quälende Athemuoth im Laufe des Tages. Nach¬ 
mittags 0,0075 Moschus snbcutan. Abends '/a9 Exitus letalis. 

Aus dem Sectionsprotokoll ist folgendes Hervorzuheben: 
Das Peritoneum im Bereich der Bauchwunde mit einem Stück 
Netz verbacken. Das Omentum majus, bis auf das oben erwähnte 
Stück, fehlt. Der stark dilatirte Magen reicht bis unter den 
Nabel; hebt man den Magen, sowie einige Dünndaimschlingen 
empor, so stösst man auf das Colon ascendens und die Flexura 
coli hepat., die etwas zur Medianlinie hin verlagert sind, 
während das Colon descendens und namentlich die Flex. coli 
lienalis stark nach rechts hin verzogen sind. Das zwischen 
beiden normaler Weise gelegene Colon transversum fehlt bis auf 
ein kurzes Stück, in dessen Mitte sich die Darmnaht findet, 
die bis auf eine halblinsengrosse am Mesenterialansatz gelegene 
Stelle exact geschlossen erscheint. An letzterer Stelle scheint 
zwischen den Serosaflächen ein Stück Mucosa durch. Nach 
Herausnahme des Darmes entströmt daselbst bei Wasserein- 

f iessnng unter starkem Druck das Wasser in feinem Strahl, 
n den Hypochondrien und dem kleinen Becken c. 2000 dunkles, 
flüssiges Blut; keine Spur von Koth oder Eiter. Peritoneum 
parietale etwas geröthet, Serosa der Därme injicirt, beide aber 
spiegelnd. 

Vorliegender Fall bietet in mancher Hinsicht Interesse: 
zunächst war diagnostisch nicht mit Sicherheit festzustellen, 
welcher Darmabschnitt vorlag. Dass das Colon transv. 
und nicht die Flexura sigm. prolabirt war, scheint mir 
dadurch bedingt zu sein, dass bei der hochgradigen Dila- 
tatio ventriculi das Quercolon abnorm tief gelagert war. 
Dabei muss das Mesocolon eine Verlängerung erfahren 
haben, denn es gelang relativ leicht, ohne Keilexcision 
aus dem Mesocolon, die Darmlumina aneinander zu bringen 
was bei fast totaler Exstirpation des Colon transv. unter 
normalen Verhältnissen wohl nicht so leicht ausführbar 
wäre. Die Prognose war bei exspectativer Behandlung letal 
zu stellen, da sich vom eitrig infiltrirten Gewebe aus aller 
Wahrscheinlichkeit nach eine Propagation der Eiterung bis 
in die Bauchhöhle mit consecutiver eitriger Peritonitis ent¬ 
wickelt hätte, wenn nicht schon eine beginnende Perito¬ 
nitis vorlag; daher konnte die Therapie auch nur bezwecken, 
den Eiterherd zu elirainiren d. h. das Convolut zu ex- 
stirpiren. Da es gelang, den Darm innerhalb gesunder 
Grenzen zu reseciren, wurde von der anfangs geplanten 
Anlegung eines Anus praeternaturalis in der Linea alba 
Abstand genommen und die circuläre Darmnaht ausgeführt. 
Letztere ist nicht exact gelungen, denn es fand sich eine 
Lücke zwischen den Serosaflächen, die jedoch nicht ver- 
hängnissvoll geworden ist, da sich kein Darminhalt in 
der Bauchhöhle vorfand. Ich halte es sogar für wahr¬ 
scheinlich, dass diese feine Lücke auch dann ohne 
schlimme Folgen geblieben wäre, wenn Pat. die Operation 
längere Zeit überlebt hätte, denn bei der bekannten 
Tendenz des Netzes schon nach kurzer Zeit mit Nachbar¬ 
gebilden Adhäsionen einzugehn') ist es anzunehmen dass 


*) Aus meiner Assistentenzeit auf der Chirurg. Klinik wei¬ 
land Prof. v. Wahl’s ist mir ein Fall erinnerlich, in welchem 
gelegentlich einer Ilens-Laparotomie die stark geblähte Flexura 
sig. mit einem mittelstarken Troicart, ohne nachherige Naht, 
punctirt worden war. Bei der 24 St. p. o. ausgeführten Obduc- 
tion erwies sich die Punctionsöffnune durch ein adhärentes Netz- 
kltimpchen fest verschlossen. Die Erklärung dafür, dass es in 
unserem Falle nicht dazu gekommen ist, suche ich darin, dass 
Pat. schon zu sehr collabirt, mithin die Energie ihrer Gewebs- 
fnnctionen gleich Noll war. 


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anch in diesem Falle ein Verschloss der Lücke durch 
Netzverklebung stattgefunden hätte, zumal da die Darm¬ 
naht ad hoc circulär mit Netz umsäumt war und beide 
Lumina gründlich desinficirt wurden. 

Die Frage der Todesursache endlich ist nicht ohne 
Weiteres zu entscheiden. Die Obduction ergab freilich 
Injection und Hyperämie des Peritoneum, so dass sich 
(auch in Berücksichtigung des klinischen Verlaufes) die 
Annahme einer Peritonitis sept. incip. nicht von der 
Hand weisen lässt, doch legt der Umstand, dass Pat. vom 
15.—IS. Mai vollständig gehungert hat und nach reich¬ 
lichen Blutverlusten einer mehr als 2 ständigen Bauch¬ 
operation unterworfen werden musste, die Vermuthung 
nahe, dass der Exitus im Collaps erfolgt ist. Jedenfalls 
hätte auch hier das Leben durch eine rechtzeitig einge¬ 
leitete Therapie gerettet werden können. 

III. Subacute eitrige Peritonitis tranmatica.— La¬ 
parotomie. Heilung. 

Anamnese: S. S. 9 J. giebt an, von einer Kameradin am 
7. Februar mit Fusstiitten gegen den Bauch misshandelt 
worden zu sein. Danach hätten sich heftige Leibschmerzen, 
Erbrechen und Verstopfung eingestellt. Aufnahme in’s Diaco- 
nissenhaus am 11. Februar. Status präesens: Zeichen allge¬ 
meiner Peritonitis: Meteorismus, enorme Schmerzhaftigkeit des 
Abdomen, Erbrechen, Obstipation. Temp. 38,5 — 38,7. Puls 
120—140, sehr klein. In diesem Zustande lag die Kleine vom 
11.—17. Februar. Dann gesellte sich dazu eine nlceröse Gingi¬ 
vitis mit Gangrän fast des ganzen Zahnfleischsaumes und 
gangränösem Zerfall der linken Hälfte der Oberlippe, sowie 
eines kleinen Theiles der Unterliopenschleirahaut. Die Rapi- 
dität der Weiterverbreitung liess Noma vermuthen, doch stellte 
sich in der Narkose die Multiplicität und eigenartige Beschaf¬ 
fenheit des eitrigen Zerfalles heraus. Energische chirurgische 
Behandlung (scharfer Löffel, Paquelin, Jodtinctur) erzielte 
allmählige Besserung und Vernarbung. Unter langsamer Bes¬ 
serung der Allgeraeinsymptome (Nachlass der Schmerzen, 
Appetitvermehrung, Stärker werden des Pulses) aber unter 
Abends steigendem Fieber und vermehrter Dyspnoe bildet 
sich im Abdomen Exsudat. Am 23. Februar Aspiration mit 
Potain: c. 750,0 grän-gelblicher Eiter. Danach Erleichterung; 
doch schon am 29. Februar abermals Punction nothwendig 
(c. 1000,0 Eiter, diesmal viel dünnflüssiger). Trotzdem nur vor¬ 
übergehende Euphorie. Das Fieber stieg, die Kräfte nahmen 
ab, das Exsudat wuchs. Auf der Bauchhaut hat sich ein 
selten prägnantes Caput medusae ausgebildet. Hoher Zwerch 
fellstand(rechtsuntererRandder3.Rippe in der Parasternallinie). 
Percussion über dem Abdomen gedämpft tympanitisch oben, 
gedämpft unten. Hochgradige Dyspnoe, Puls 130—145, klein.’ 

Am 10. April nach den üblichen Vorbereitungen Laparoto¬ 
mie: Schnitt vom Nabel zur Symphyse in der Linea alba. 
Auffallend blutreiche Hautdecken. Die tieferen Schichten nicht 
zu differenziren. Peritoneum stark verdickt. Sofort nach Oeffnung 
desselben strömt in dickem Strahl gelb-grünlicher Eiter her¬ 
aus, gemischt mit reichlichen Fibringerinnseln bis Hühnerei¬ 
grösse. Nach völliger Entleerung der Bauchhöhle von Eiter 
(Bauchlage) findet sich folgendes: Fast der gesaramte Bauch¬ 
raum (regiones hypoch., umbil., iliacae, pubic.) völlig leer, 
wie bei Obduction nach Herausnahme der Därme; nur auf 
dem Promontorium die Flexura sigm. ins kleine Becken hinab¬ 
steigend sichtbar, vor demselben der Uterus und dessen An¬ 
hänge. Die ganze hintere Bauchwand und das Peritoneum pa¬ 
rietale der vorderen und seitlichen Banchwand von einer pyo- 

enen Membran bedeckt. Regio epigastrica vorgewölbt, bei 

ercussion tympanitisch bis ca. 3 Ctm. oberhalb des Nabels. 
Von Dünndarm nichts zu sehn. Erst die eingeführte Hand 
tastet denselben als ein gemeinsames, ebenfalls von einer 
Membran in toto umgebenes Convolnt ab, welches oberhalb 
des Nabels Magen und Leber gegen die Zwerchfellkuppe 
drängt und seitlich mit je einem Zipfel bis in die Regiones 
hypoch. reicht, daselbst der Bauchwand adhärent. Mit dem Re- 
tiector gelingt es die den Dünndarm einhüllende, stellenweise 
transparente, im Uebrigen derbe, röthliche mit Eiterpunkten 
besetzte Abscessmembran zu Gesicht zu bekommen. Omentum 
ingjus nicht sichtbar, ebenso das ganze Colon. — Mehrfacher 
Lagewechsel,gründlich® Irrigation mit 3 pCt. warmer Borlösung. 
Exacte Naht der Bauchwunde. Fixation eines starken Drains 
im unteren Wundwinkel. Jodoformgaze Trockenverband. 
Dauer der Operation V» Stunde. Narkose verlief ungestört. 
Nach dem Erwachen grosse Erleichterung. Kein Erbrechen 
Abends 38,3. 

16. April Nacht unruhig gewesen, aber keine Schmerzen. 
Verband trocken. 3 Mal täglich '/< Stunde Bauchlage mit 
abwechselnd erhöhtem Kopf- und Fussende. Häufiger Harn¬ 
drang, Tenesmen und Strangarie. Urin mit dem Catneter ent¬ 
nommen, enthält etwas EiweisB. 


12. März Verbandwechsel. Verbandstoff durchtränkt. 
Drain wird gekürzt. Seitdem kein Harndrang, Urin spontan 
entleert. Puls 100—110 Temp. normal! Bedeutende Besserung 
des Allgemeinbefindens. Appetit stellt sich ein. 

20. April Entfernung der Nähte; prima intentio. Wegen et¬ 
was erhöhter Abendtemperatur (37,8) wird mit 3 pCt. Borlö¬ 
sung irrigirt; darauf Abends 38,3. 

27. April Drainrohr durch ein feineres ersetzt und am 2. Mai 
ganz entfernt, weil keine Secretion mehr stattflndct. 

Von nun an schreitet die Reconvalescenz ungestört vor¬ 
wärts. Pat., die in den ersten Wochen bis zum Skelett ab¬ 
gemagert war, nimmt dank einem wahren Heisshunger sichtlich 
zu und ist in ca. 4 Wochen fast ganz genesen. In den letz¬ 
ten Wochen ist die Vorwölbung des Epigastrium geschwun¬ 
den und der Dünndarm um ca. 3—4 Ctm. nach abwärts ge¬ 
rückt (percutorischer Nachweis). Narbe solid. Patient, trägt 
einen breiten circulären Heftpflasterstreifen nach dem Vor¬ 
schläge von Dombrowsky. Stuhl seit ca. 5 Wochen geregelt. 
Am 3. Mai wird in Narkose der Defect der Oberlippe (nach 
Mirault-Langenbeck) plastisch gedeckt; prima intentio.— 

Pat. war am 4. Juni geheilt entlassen. 

Augenblicklich (ca. ein Jahr nach der Operation) ist das 
Kind völlig gesund und sieht blühend aus. Lippendefect kaum 
sichtbar. Laparotomienarbe solid, keine Hernie; tvuipanitischer 
Darmton reicht bis eine Handbreit unter den Nabel. Blase und 
Darm functioniren normal. 

Die operative Behandlung der acuten und chronischen 
Peritonitis gehört nicht zu den Seltenheiten, dennoch ist 
mir ein analoger Fall aus der mir zugänglichen Litera¬ 
tur nicht bekannt. Die Beobachtung des klinischen Ver¬ 
laufes drängt mir die Ueberzeugung auf, dass es sich an¬ 
fangs um eine acute traumatische Peritonitis speciell des 
Peritoneum parietale gehandelt hat, au die sich eine dif¬ 
fuse, sero-fibrinöse Bauchfellentzündung schloss welche 
nur an einer circurascripten Stelle — zwischen Perito¬ 
neum parietale und Omentum majus — purulent wurde, 
hier also einen abgesackten, allerdings enorm grossen 
Herd bildete, der eine vollständige Abscessmembran 
besass Worin die Quelle der Eiterung zu suchen ist, 
vermag ich nicht zu entscheiden, da weder eine Verlet¬ 
zung der Haut, noch eine Läsion der Bauchorgane sich 
nachweisen liess und das Fehlen jeglichen Darminhaltes 
sowie die Beschaffenheit des Pus bonura gegen eine Ver¬ 
letzung der Därme spricht. Es gehört daher dieser Fall 
(auch Tuberculose ist ausgeschlossen) in die Kate¬ 
gorie der sogenannten «idiopathischen» Eiterungen, 
über deren Aetiologie die Acten meines Wissens noch 
nicht geschlossen sind. — Nachdem zweimal der Versuch 
mit der Punction gemacht worden war, ohne dauernden 
Erfolg, blieb als einziges Mittel die Laparotomie übrig, 
um den unter Druck stehenden Eiter zu entfernen. Zu 
diesem Zweck hätte gewiss eine kleine Incision genügt, 
doch habe ich absichtlich breit eröffnet, um etwaige-Ad¬ 
häsionen und pseudomembranöse peritonitische Stränge zu 
trennen. Es erwies sich jedoch der Dünndarm von einer 
so festen, organisirten Membran bedeckt, dass an eine 
operative Trennung desselben und Entwirrung des Knäuls 
ohne ernstliche Gefahr für das Leben des Kindes nicht zu 
denken war. Ueberdies schien sich der Darmtractus an 
seine neue Lage gewöhnt zu haben, denn er functionirte 
seit Wochen normal. Nach Entleerung des Eiters galt 
es für den sich neu bildenden Abfluss zu verschaffen. 
Es entstand die Frage, ob die Bauchhöhle geschlossen 
und eine Contraapertur angelegt, oder ob das Drainrohr 
in der Bauchwunde fixirt werden sollte. (Tamponade 
und Secundarnaht mussten aus nahe liegenden Gründen 
verworfen werden). 

Die vaginale Drainage schien mir in Anbetracht der 
kindlichen Raum Verhältnisse und der schwierigen Nach¬ 
behandlung ebensowenig rathsam, wie die Drainage durch 
das Petit’sche Dreieck, da letztere dem Eiter aus dem 
kleinen Becken nicht genügend Abfluss verschafft hätte. 
Daher fixirte ich das Drain im unteren Wund Winkel um 
durch steten Lagewechsel den Eiter zum Austritt durch 
das Drain, als den tiefsten Punkt, zu zwingen. Anfangs 
hatte ich offenbar ein zu langes Rohr eingeführt, denn 


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die Blasentenesmen (die wohl auf directer Reizung be¬ 
ruhten) sistirten sofort nach Kürzung des Drains. 

Laparotomie und Drainage haben ihren Zweck erreicht: 
Die Eiterung aus der verhältnissmässig colossalen Höhle 
versiegte relativ sehr schnell und die Bauchorgane konnten 
sich dementsprechend wieder normal lagern. Die kleine 
Patientin ist bis zur Stunde vollkommen gesund. Leider 
ist damit noch nicht gesagt, dass auch in Zukunft keine 
Störungen auftreten werden. Wenn man bedenkt, dass 
der gesammte Dünndarm von einer Abscessmembran um¬ 
schlossen war, die nicht gelöst werden konnte, so lässt 
sich a priori annehraen, dass sich auch zwischen den ein¬ 
zelnen Schlingen manche Pseudomembranen oder perito- 
nitische Stränge gebildet haben werden, die zwar bis 
heute keine Canalisationsstörungen hervorgerufen haben, 
aber es jederzeit noch thun können. Es unterliegt dem¬ 
nach leider keinem Zweifel, dass unter mancherlei anderen 
Folgeerkrankungen einer überstandenen Peritonitis, die 
sich eventuell noch ausbilden können, das Damoklesschwert 
eines Strangulationsileus bis an das Lebensende über der 
Patientin schweben wird. 

Reval, den 13. März 1892. 


Referate. 

P. Canon und W. Pielicke: Ueber einen Bacillus im 

Blute von Masernkranken. (Berliner klin. Wochsch. 

Nr. 16). 

Verf. haben das Blut von 14 Masernkranken in gefärbten 
Präparaten untersacht und in allen Fällen einen und den¬ 
selben Bacillus gefunden. Die Anfertigung der Präparate 
geschah nach der zur Auffindung der Influenzabacillen ange¬ 
wandten Methode (siehe Referat in «St. Petersburger medic. 
Wochsch.» Nr. 2. 1892). Die Grösse der gefundenen Bacillen 
ist eine sehr verschiedene: manchmal erreichen sie die Grösse 
des Radius eines rothen Blutkörperchens, andere sind sehr 
klein und erscheinen dann als Doppelkokken. Häufig sind die 
Einzelstücke deutlich länger, als breit, und man bekommt auf 
diese Weise den Eindruck eines Doppelbacillns. Die Bacillen 
zeigen keine gleichmässige Färbung, vielmehr sind die End¬ 
stücke stärker gefärbt. In den meisten Fällen liegefi sie in 
kleinen Haufen beisammen; in einzelnen Präparaten sind sie 
spärlich vorhanden, in anderen erscheint das Gesichtsfeld wie 
übersät mit Bacillen. Nach der Entfieberung konnten die Verf. 
die Bacillen nicht mehr uachweisen. Der Form nach gleiche 
Mikroorganismen fanden sich im Auswurf, Nasen- und Con- 
junctivalsecret Masern kranker. Die Glycerinagar-, Blutserum- 
nnd Milchculturen fielen negativ aus, wohl aber gelang es 
ihnen die Bacillen auf Bouillon zu cultiviren. Verf. halten 
die in den 14 Fällen von Masern im lebenden Blute 
gefundenen Bacillen für eine einheitliche Art und 
sehen sie als die Erreger der Krankheit an. 

Abelmann. 

Ziegler: Zur Prophylaxis der Nephritis scarlatinosa. 

(Berl. klin. Wochschr. Nr. 2, 1892). 

Es ist eine allgemein anerkannte Thatsache, dass bei der Be¬ 
handlung der Nierenentzündung, namentlich der acuten Form, 
die absolute Milchdiät eine wesentliche Rolle spielt, deren 
systematische Durchführung bei Kindern geradezu erforderlich 
ist. Verff.’s Erfahrungen stimmen mit denen anderer Pädiater 
völlig tiberein, dass man bei der scarlatinösen Nephritis in 
einfachen, nicht complicirten Fällen mit der Milchdiät sehr 
günstige Resultate erzielt, ohne dass man von Medicamenten 
Gebrauch macht. Mit dieser Diät ging nun Verf. von der 
Therapie zur Prophylaxis über, in der Hoffnung, dass man 
beim Scharlach durch die Anwendung derselben von vorne- 
herein das Auftreten der Nephritis vielleicht verhindern könne. 
Die von ihm dabei angestellten Beobachtungen zeigten überaus 
günstige Resultate. Seit 6 Jahren wird von ihm jeder Schar¬ 
lachkranke auf absolute Jlilchcur gesetzt, und zwar gleich 
vom ersten Tage der Behandlung ab. Ist der Appetit noch 
sehr schlecht, so werden Wassersuppen, Milch mit Selters -- 
oder Sodawasser gemischt gereicht; sobald aber Neigung zur 
Nahrungsaufnahme hervortritt, wird reine Milch verabfolgt, 
und zwar in steigenden Quantitäten bis zu 3 Litern täglich. 
Daneben erhalten die Kranken nur noch weisses Gebäck. 
Diese Diät wnrde 3 Wochen lang eingehalten, von da ab geht 
man allmählich zu anderer Nahrung über. Seitdem Verf. in 
seiner Privatpraxis diese Cur streng durchgeführt hat, ist 
ihm kein Fall von scarlatinöser Nierenentzündung vorge¬ 
kommen. Im Lazareth des grossen Militärwaisenhauses in 
Potsdam waren in der Zeit von 1875—1890 8 Anstaltsepide¬ 


mien von Scharlach; es gelangten zur Aufnahme 198 Fälle; 
davon fallen in die Zeit vor Einführung der Milchdiät 115 
Fälle, in die Zeit nach Einführung derselben 83 Fälle. Ein 
Vergleich beider Categorien mit einander beweist den hervor¬ 
ragend günstigen Einfluss der Milchdiät, so dass Verf. die 
Ueberzeugung gewonnen hat, dass bei Scharlach durch eine 
consequent durchgeführte Milchcur dem Auftreten von Neph¬ 
ritis mit Sicherheit vorgebeugt werden kann. 

Abelmann. 

Prof. R. v. Jak sch. Ueber die prognostische Bedeutung 
der bei croupöser Pneumonie auftretenden Leuko- 
cytose. (Centralbl. f. kl. Medic. Nr. 5). 

Verf. hat die Beobachtung gemacht, dass jene Fälle von 
croupöser Pneumonie, welche ohne Leukocvtose verlaufen, eine 
sehr ungünstige Prognose für das Leben der Patienten geben. 
Diese Beobachtung wurde durch Sudler an detaillirten Zahl¬ 
angaben erhärtet. Mit diesen Thatsachen wird der Therapie 
der croupösen Pneumonie neue Wege eröffnet. Es wird sich 
nämlich empfehlen bei fehlender I/eukocytose die Zahl der im 
Blute kreisenden Leukocyten zu vermehren. Nach Horbac- 
zewski wären solche Mittel: Pilocarpin, Antipyrin, Antifebrin 
und Nuclein. Verf. gelang es mittelst des Pilocarpins eine bei 
einem Pneumoniker bestehende Leukocytose zu steigern. Bei 
einem 60 Jahre alten Manne mit rechtsseitiger croupöser Pneu¬ 
monie war das Verhältnis der weissen zu den rothen Blut¬ 
körperchen 1 : 283,7. Nach Injection von 0,005 Pilocarp. 
muriatic. war das betreffende Verhältnis 1: 165,4. Diese 
Thatsachen scheinen v. Jak sch von grosser therapeutischer 
Wichtigkeit zu sein. Abel mann. 

E. Mendel. Zur pathologischen Anatomie des Morbus 
Basedowii. (Deutsche medic. Wochschr. Nr. 5). 

Die Section eines ausgesprochenen Falles von Basedowscher 
Krankheit, mit allen Cardinalsvmptomen derselben behaftet, 
ergab in Bezug auf die Medulla,aie Hirnrinde, die Hirnganglien, 
das Kleinhirn, den Svmpathicus, wie den Vagus ein absolut 
negatives Resultat. Zweierlei Veränderungen fielen jedoch auf: 
1. eine Ungleichheit beider Corpora restiformia, welche durch 
die ganze Schnittserie des verlängerten Markes ging, ventral - 
wärts aber am meisten ausgesprochen schien. Das linke Corpus 
restiforme erschien atrophisch. Die Färbung mit Carmin und 
Nigrosin liess das betreffende Corpus dunkler als normal 
erscheinen. Die mikroskopische Untersuchung ergab nur den 
Ausfall der Fasern. 2. Eine deutliche Atrophie des rechten 
solitären Bündels. Der Umfang desselben erschien sowohl bei 
den Carmin- und Nigrosinpraparaten, wie bei der Weigert’schen 
Färbung erheblich geringer, als links; der Ausfall von Fasern 
war deutlich erkennbar. Weder in dem Vagus-Accessorius, 
noch in dem Glossopharyngeuskern liess sich eine krankhafte 
Veränderung nachweisen. 

Dieser Befund im Corpus restiforme erlangt dadurch beson¬ 
dere Bedeutung, dass er sich an die physiologischen Experimente 
von Filehne, Durdufi und Bienfait anreiht. Die ersten 
beiden Autoren haben bei nicht ganz ausgewachsenen 
Kaninchen durch Einschneiden in die Corpora restiformia die 
Cardinalsymptome des Morbus Basedowii hervorrufen können; 
es wurden Pulsbeschlennigung, Exophthalmus und Thyroidea- 
schwellnng constatirt. Bienfait hat bei Hunden die Corpora 
restiformia entfernt und erzielte durch diese Operation: Tacliy- 
cariie, Hyperaemie des Kopfes, Ohres und der Schilddrüse, m 
37 pCt. der Fälle auch Exophthalmus. — Dieser von Mendel 
beschriebene Befund ist zwar nicht geeignet die Frage nach 
der anatomischen Grundlage der Basedowschen Krankheit zu 
lösen; er spricht aber gegen die jetzt vorzugsweise herrschenden 
Theorien über diese Erkrankung; ferner erregt der Befund 
Bedenken in Bezug auf schwere chirurgische Eingriffe, welche 
selbstverständlich der Berechtigung entbehren, wenn jene 
Befunde öfter festgestellt sein werden. Abelmann. 

Eduard Spiegler: Eine empfindliche Reaction auf 
Eiweiss im Harne. (Wiener klin. Wochschr. Nr. 2). 

Von den zahlreich bekannten Eiweissreactionen ist nur die 
Ferrocyankali-Essigsäure-Reaction geeignet, noch sehr geringe 
Spuren Eiweiss nachzuweisen; doch hat auch diese Reaction 
eine Grenze, an der es sehr schwer fällt zu entscheiden, ob 
eine auf Eiweiss hinweisende Trübung vorliegt oder nicht. 
Verf. giebt nun ein Reagens an, vermittelst dessen man die 
geringsten Spuren von Eiweiss entdecken kann. Es hat folgende 
Zusammensetzung: Hydrargyri biclil. corros. 8,0, Acidi tartarici 
4.0 Aquae destill. 200,0 Sacch. alb. 20,0. Den vorher filtrirten, 
mit wenig concentrirter Essigsäure versetzten Harn lässt man 
durch eine Pipette in eine mit dem Reagens zum Drittheile 
oder zur Hälfte gefüllte Eprouvette an der Wand Tropfen für 
Tropfen ganz langsam zufliessen, so dass sich die beiden 
Flüssigkeiten nicht mischen, sondern nebeneinander schichten. 
Ist Eiweiss vorhanden, so bildet sich an der Berührungsstelle 
der beiden Schichten sofort ein scharfer weisslicher Ring. Der- 


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selbe, tritt auch dann sofort deutlich auf, wenn so weini g 
Eiweiss vorhanden ist, dass die Ferrocyankaliprobe kaum mehr 
ein deutliches Resultat giebt. Der Zusatz der Weinsäure und 
des Zuckers bedingen ein hohes specifisches Gewicht des Rea¬ 
gens, dadurch wird erzielt, dass die Flüssigkeiten sich nicht 
mischen. Pepton giebt diese Reaction nicht, wohl aber das 
Propepton. Die Reaction lässt noch den deutlichen Nachweis 
von Albumen im Verhältniss von 1 zu mehr als 50000 zu, 
während für die Ferrocyankaliprobe die Empfindlichkeitsgrenze 
bereits bei 1: 50,000 eingetreten ist. Abelmann. 


Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerste su Riga. 

1174.Sitzung am 5. Februar 1892. 

Anwesend 40 ord. Mitgl. und 12 Gäste. 

Dr. Adolf Bergmann demonstrirt einen aussergewöhnlich 
grossen ovoiden Blasenstein, welchen er kürzlich einem 
33 jährigen Manne durch Sectio alta entfernte. Die Anamnese 
rechtfertigt die Annahme, dass Pat. den Stein von seinem 
5. Lebensjahre an trug, jedoch hat derselbe bis auf die letz¬ 
ten Wochen vor der Operation fast gar keine Beschwerden 
verursacht. Der Stein wiegt 365 Gramm und misst 8—7—4V* 
Centimeter. 

2. Dr. T r e y m a n n referirt unter Vorlegung einer schematischen 
Zeichnung über einen Fall von Uterus bicornis bicollis, bei 
welchem er wegen Hydrocephalus des ausgetragenen Kindes 
die Perforation anszuführen sich gezwungen san. Bei bima- 
nueller Untersuchung gleich nach der Geburt war die Unter¬ 
scheidung von einem Uterus duplex (didelphys) nicht möglich. 
Vagina septa. Gravidität rechtsseitig. Das linke Uterushorn 
7 Ctm. lang. 

3. Dr. R. v. Engelhardt verliest seinen angekündigten 
Vortrag: Ueber eine seltene Complication bei Leu- 
kaemie. (Der Vortrag erscheint demnächst in extenso in 
dieser Wochenschrift). 

Discussion. Dr. Schabert hält die Diagnose in dem eben 
referirten Fall für nicht einwandsfrei. Die nur ein Mal vorge¬ 
nommene Blntuntersnchnng ergab ein Verhältniss der weissen 
zu den rothen Blutkörperchen wie 1: 10—15, ein Verhältniss, 
das bei Leukocytose statt hat. Erst ein Befund von Leuko- 
cyten im Verhältniss von 1:2 oder 1:3 beweist Leukaemie. 
«Bräunlich und klebrig*, wie in E.’s Fall, ist sonst leukae- 
misches Blut nicht, sondern dünnflüssig und hell; Virchow 
spricht geradezu von «weissem Blut». Da auch sonst noch die 

g iwöhnlichen Symptome der Leukaemie an Lymphdrüsen, 
Qochen, Milz etc. nicht beobachtet worden, erachtet Redn. 
die Diagnose für nicht einwandsfrei. Er hält ferner für uner- 
wiesen, dass Haemoglobinaemie Vorgelegen habe: der Nachweis 
von Körnchen im Blute erlaube auch andre Deutung. E.’s 
Fall erinnere ihn an einen Pat. im allgem. Krankenhause, der 
mit nachweislich grosser Leber und Milz an einer Tracheal¬ 
stenose zu Grunde gin$. Wiederholte Blutuntersuchung hatte 
ein Verhältniss der weissen zu den rothen Blutkörperchen wie 
1: 20 festgestellt. Es wurde Leukaemie und Trachealstenose 
durch Druck leukaemischer Tumoren angenommen. DieSection 
lehrte, dass es sich um syphilitische Erkrankung der Trachea 
und Leber handelte. Die Leukocytose bei chron. Syphilis 
habe bisher in der Litteratur nur geringe Berücksichtigung 
gefunden; Redn. vermochte persönlich sie in 2 Fällen nach¬ 
zuweisen. Die Möglichkeit, auch in E.’s Fall an eine syphilitische 
Erkrankung zu denken, lie^e vor. Jedenfalls halte er Leu¬ 
kaemie wie Haemoglobinaemie für nicht sicher genug erwiesen, 
um diesen Fall als Stütze einer neuen Theorie zu verwerthen. 

Dr. Engelhardt hält im Gegensatz zu Dr. Schabert seine 
Diagnose Leukaemie aufrecht: wenn auch die Kürze der Beob¬ 
achtungsdauer wiederholte Untersuchungen nicht ermöglichten, 
so sei doch die relative Zahl der weissen Blutsellen — es 
fanden sich deren sowohl ein- wie mehrkernige —eine solche, 
wie man sie bei Leukocytose doch nicht mehr findet. Nimmt 
man dazu den Befund an Leber, Milz und Drüsen, ferner den 
Umstand, dass vor 2 Jahren bereits Prof. Botkin von einer 
Blntveränderung gesprochen, so genüge das zur Fundirung 
der Diagnose Leukaemie. Dass das Blut braun und klebrig 
gewesen, erklärt sich einfach aus dem Ueberwiegen derjHaemo- 
globinaemie; letztere aber halte er aus dem Befunde an Körn¬ 
chen erwiesen, die bei durchfallendem Licht gelb, bei auifttl- 
lendem Licht grün erschienen. 

Dr. Hampeln schliesst sich insofern Dr. 8chabert an, als 
anch seiner Ansicht nach die Leukaemie nicht direet nachge¬ 
wiesen ist, da ein Verhältniss von 1:16 auch bei symptoma¬ 
tischer Leukocytose vorkommt. Dennoch glaubt er Dr. Engel¬ 
hardt in der Beurtheilung des Falles zustunmen zu müssen, 
aber aus andern als den von ihm angeführten Gründen. Hae¬ 
moglobinurie komme ja allerdings bei Syphilis und in Abhän¬ 
gigkeit von ihr vor, es sei aber nicht bekannt, dass die Syphilis 
als solche in Verbindung mit Haemoglobinurie zur Todesur¬ 


sache werden könne, noch dazu unter Erscheinungen einer 
acuten Erkrankung. Das Ungewöhnliche des acuten tödtlichen 
Verlaufs, als Leukaemia acutissima wohl bekannt, bei Syphilis 
und Haemoglobinurie aber nicht beobachtet, spricht darum in 
Zusammenhang mit der Haemoglobinuie und der doch erheb¬ 
lichen Leukocytose für die Auflassung Dr. Engelhardts. 

4. Interna. z. Z. Secretär: Heerwagen. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 17. März 1892. 

1. Herr Hoerschelmann berichtet über folgenden Fall 
von Melaena neonatorum mit Demonstration des betref¬ 
fenden Präparats: Das Kind wurde Freitag den 13. März 

S jboren. Eltern sonst gesund, die Mntter nnr im höchsten 
rade anämisch, die 3 lebenden Kinder kräftig and gesund. 
Die Schwangerschaft ist ohne jegliche störende Zwischenfälle 
verlaufen, die Geburt trat zur rechten Zeit, eher etwas später 
als erwartet, ein. Die ersten Wehen stellten sich um 3 Uhr 
Nachts auf den 13. Nov. ein, von 8 Uhr Morgens kräftige 
Wehen, um 1 Uhr Mittags war da« Kind geboren. Kind normal, 
macht einen gesunden Eindruck, wurde durch einige Schläge 
zum Schreien gebracht. Das Gesicht vielleicht etwas bläulich 
verfärbt, jedoch nur vorübergehend. Gewicht etwas über 8 
Pfund. Bis Sonnabend den 14. Abds. erhielt es nichts zu trinken, 
von hier ab Amme, jedoch wurde die Brust nicht gut genom¬ 
men. Schon Freitag Abgang von Meconinm. Am Sonntag zum 
ersten Mal mit Sicherheit blutige Ausleerung const&tirt. Von 
Sonntag Abend ab stündlich 1 Tropfen genommen von Liqn. 
for. sesauichl. 1: Glycerin 2; von Montag Morgen an 2 Tropfen, 
von 9 Uhr Morgens 3 Tropfen stündl.; Milch abgekühlt vom 
Löffel gegeben, Wärmflaschen nach Möglichkeit. Am Montag 
Morgen, wo Ref. das Kind zum ersten Mal sah, machte es bis 
auf bedeutende Blässe einen normalen Eindruck. Die Wangen 
waren leicht geröthet, das Kind schlief rnhig, atlimete gleich - 
mäaaig, die Temperatur schien normal, der Pnls war 132, gut 
und kräftig. Nabel normal, in den Langen nichts nachznweisen, 
Leib etwas eingesunken. Es worden, wie angeführt, 3 Tropfen 
der obigen Lösung verordnet; Wärmeflaschen fortzusetzen, auf 
den Leib einen kleinen Eisbeutel; die Milch sollte stärker 
abgekühlt verabfolgt werden, ab und an die Brust. 

Um 5 Uhr beim 2. Besuch war das Kind wachsgelb, matter, 
etwas apathisch — viel Schlaf, schreit wenig, nimmt ungern 
die Nahrang, während es bis dahin immer gesaugt hatte. 
Während von Sonntag Abend bis Montag früh 2 Stühle mit 
nnr flüssigem Blut waren, ging von 9 Uhr Morgens bis 5 
Nachmittags 3 Mal viel blutiger Brei ab. Temp. nm 5 Uhr im 
Rectum 36,8 — Puls 120, noch recht kräftig, jedenfalls deutlich 
zu zählen, Respiration gleichmässig. Der Körper fühlt sich 

S anz warm an. Um 10 Ubr letzter blutiger Stuhl. Von 1 Ohr 
acht« auf den 17. bis 3 Uhr ist das Kind sehr unruhig, 
schreit viel, nimmt so gut wie keine Nahrung, um 47* Uhr 
nimmt es gnt und viel Milch vom Löffel, um 47« Tod. 

Bei der um 6 Uhr Nachmittags vorgenommenen Eröffnung 
der Baachhöhle erscheint der ganze Dickdarm ziemlich stark 
aufgetrieben, dunkel blaorotli, der Dünndarm dazwischen wachs- 

f elb. Der Magen ist auch etwas aufgetrieben, gefüllt mit 
räunlichem Inhalt von leicht geronnener Milch and ziemlich 
viel Schleim. Der Dünndarm enthält bis znm untersten Ab¬ 
schnitt des Heum dünnflüssigen, gelben Inhalt, keine Spur von 
Blut; von da ab bis znm Anus ist der Darm gefüllt mit blu¬ 
tigen Massen, die bis in das Colon ascendens theerartig braun, 
von da abwärts dunkel roth sind. Nach Reinigung des Magens 
und Darmes vom Inhalt zeigt die Magenschleimhaut in der 
Nähe des Pylorns viele kleine Blutpnnkte, die Oberfläche der 
Schleimhaut scheinbar unverändert, spiegelnd; sonst die Schleim¬ 
haut nicht iiyicirt. C. 1 Ctm. hinter dem Pylorus an der 
vorderen unteren Wand des Dnodenum ein kleiner 
länglicher Defect der Schleimhaut, senkrecht zur 
Längsachse des Darmes stehend, bedeckt mit einem kleinen Blut- 
coagulum. 

Nachdem dieses letztere beim Abspülen des Darmes 
sich abgelöst hatte, zeigt sich in der Mitte des Geschwüres, 
namentlich unter der Loupe, vermuthlich das Lnmen eines 
Gefässes. Weiter nach nnten zn die Schleimhaut des Duode¬ 
num stellenweise ziemlich bedeutend iniicirt, die ganze Schleim¬ 
haut aufgelockert. Sonst im Darm nicnts Abnormes zn finden. 
(Demonstration des Präparat's). Blutbrechen ist kein Mal 
gewesen, nur einmal hat sich beim Speien der Milch etwas 
bräunlicher Schleim gezeigt. Der Urin ist selten, aber reichlich 
gelassen worden. 

Herr Westphalen bemerkt hierzu, dass in allen drei Fällen 
von Melaena neonatorum, welche er bisher zn sehen Gelegen¬ 
heit gehabt, Ulcerationen im Magendarmkanal und 
zwar im oberen Theile desselben (Magen und Duodenum) 
gefunden wurden. Im ersten Falle [Dr. Ströhmberg in 
Dorpat) fanden sich mehrere kleine Geschwüre im Magen, 
ähnlich dem Ulcus rotundum, mit je einem thrombosirten Ge- 
fässchen im Grunde; im zweiten von W. secirten Falle war 


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die .Schleimhaut des Magens von zahlreichen (gegen 20) kleinen 
Geschwürchen besetzt, deren jedes ira Grunde eine kleine 
thrombosirte Arterie zeigte. Der dritte Fall wäre der soeben 
von H. mitgetheilte. 

2. Herr Anders demonstrirt 2 Fälle operirter Varus- 
fiisse, mit Exstirpation des Talus, Enucleation und 
Resection anderer Fnsswurzelknochen. Die sehr zufrie¬ 
denstellenden Resultate genannter Operationen vorführend, 
tritt A. nicht in eine Polemik gegen die ietzt vielfach geübte 
Phelbs’sche Operation, welche das Fussskelet zu schonen sich 
zur Aufgabe stellt. Im Gegentheil spricht er letzterer für eine 
Reihe von Fällen das Wort. Für eine andere Gruppe sei das 
Phelbs’sche Verfahren nicht ausreichend, besonders in Hin¬ 
sicht auf die grosse Neigung zu Recidiven, auch wären die 
Acten in Bezug auf Wiederholung des Zunächst durch die 
Operation vollkommen gehobenen Zustandes nach genanntem 
Vorgehen noch nicht geschlossen. Besonders muss es von In¬ 
teresse sein, die Endresultate der Talusexstirpatioaen kennen 
zu lernen, da man ja mit Recht von jeher grosse Zweifel 
betreffs der durch die Operation geschaffenen Wachsthums¬ 
verhältnisse gehegt hat. A. ist eben in der Lage einen vor 
7 Jahren von ihm mit TalüsexBtirpation und Resection meh¬ 
rerer anderer Fugswurzelknochen beiderseits Operirten zu 
zeigen, an welchem sich die Wachsthumsresultate prüfen lassen. 
Weniger Zweifel an dem Wachsthnm des Fnsses darf für die 
Talnsexstirpation als für die Keilexcision geltend gemacht 
werden. Leider ist es aber in den seltensten Fällen 
möglich, sich mit der blossen Enucleation des Sprungbeines 
zufrieden zu geben, und wird die Entfernung oder Resection 
des Malleolus ext., des Os. cuboid. und der Cuneiformia meist 
unerlässlich. Auf diese Schwierigkeiten machte nun Paul 
Vogt in ausdrücklicher Weise aufmerksam, betonend, dass 
bei so weitgehenden Exstirpationen und Enucleationen min¬ 
destens dieselbe Verkürzung des Fassskeletes bedingt werde, 
wie bei der Tarsotomia anterior. Vogt machte weiter auf die 
anfängliche Verkürzung des Fusses, d. h. auf das Zurück¬ 
bleiben im Wachsthum aufmerksam, welches auch nach blosser 
Tenotomie des Tibialis posticus und der Achillessehne mit 
nachfolgendem Redressement einzutreten pflegen. Er constatirt 
indessen, dass im späteren Verlaufe das Zurückbleiben im 
Wachsthum geringer werde, diesen günstigen Umstand nach 
Operationen am Knochengerüst des Fusses für unmöglich 
haltend. Durch fortlaufende Beobachtung des einen der zu 
demonstrirenden Patienten ist A. in der Lage, die Vogt’sche 
Behanptung zu widerlegen. Hier liess Bich deutlich consta- 
tiren. dass das anfängliche Zurückbleiben im Wachsthum sich 
später in einer augenfälligen Weise ansglich. Die anfänglich 
relativ kleinen Füsse sind jetzt von normaler Grösse. Das 
2. zu demonstrirende 5>jährige Kind ist von A. vor 2 Monaten 
auch auf ossalera Wege an beiden Füssen operirt worden. 
Talnsexstirpation und atypisches Znschneiden anderer Theile 
des Skeletes wurden von A. in diesem Falle zur Anwendung 
gebracht, da Weichtheiloperationen in einem anderen Hospitale 
ohne Erfolg vorgenommen waren. Auch liier ist die Correctur 
der Klumpfussstellung eine vollkommene. In beiden Fällen, 
besonders bei dem grösseren Knaben, den A. vor 7 Jahren 
operirt hat, und zwar in seinem 9. Jahre (jetzt ist er 16). also 
während der Zeit stärksten Wachsthums, beschränkt« sich A. 
nicht auf die Talnsexstirpation, Bondern resecirte Theile der 
Calcaneusoberfläche, und raodellirte mit einem Worte alle in 
Frage kommenden Knochentheile so nm, dass alles gut auf¬ 
einander passte. Besonders stemmt sich der Mall. ext. beim Re¬ 
dressement mit Vorliebe gegen den Calcaneus, weshalb A., 
möglichst wenig von der Fibula abtragend, eine muldenförmige 
Vertiefang in den Calcaneus meisselte, welche dafür bestimmt 
ist, den Mall. ext. aufzunehmen, — ein Verfahren, das sich A. 
in mehreren Fällen als sehr praktisch erwies. — Rind, der 
die Exstirpatio tali zuerst befürwortete, musste den Mall. ext. 
vollständig reseciren, um die Varusstellung ausgiebig corri- 
giren zu können, was für die Wachsthumsverhältnisse nicht 
indifferent ist. Rupprecht hat immer */a—1 Ctm. von der 
Spitze des Mall. ext. entfernt, in einem Falle sogar den Mall, 
intern, resecirt, wozu A. niemals gezwungen war. Der erste 
zu demonstrirende Patient ist TIscnler geworden, eine Beschäf¬ 
tigung, bei der er anhaltend stehen muss. Er ermüdet selbst 
auf den weitesten Gängen niemals. Während das Fussgelenk 
natürlich verödet ist, geschehen die Bewegungen des Fusses 
in einer Verbindung des Calcaneus mit den restirenden Fuss- 
wurzelknochen. Jedenfalls ist ein festes Sohlengehen bei un¬ 
verkürztem Fussskelet gärantirt. Der Zustand der betreffenden 
Extremitäten vor der Operation wird an zu jener Zeit von 
den Pat. abgenommenen Gypsmodellen demonstrirt. 

3. Herr Dombrowsky berichtet Über zwei Fälle von 
Mvomotomie und legt die betr. Präparate vor: 

Fall I. 43jährige Frau; Blutungen seit dem Mai vorigen 
Jahres; Anämie. Operation nach Fritsch am 13. März, bot 
keine besonderen Schwierigkeiten; der Verlauf war gut, nur 
stellte sich Meteorismns ein, der durch Rectnmsonde und 
Klysma behoben wurde; vom 4 Tage an Ricinus; I). meint 
den so oft nach Myotomien, aber fast nie nach Ovariotomjen 


auftretenden Meteorismus als Folge der bei der Operation un¬ 
vermeidlichen Manipulationen am Darm anffassen zu müssen 
und hält die Beseitigung desselben für dringend nöthig, auch 
um event. Obturationsilens vorzubeugen. 

Fall II. 32iährige Frau, fettleibig, massige Blutungen; 
Tumor vor 5 Jahren zuerst bemerkt, in letzter Zeit schnell 
gewachsen, nimmt die ganze Bauchhöhle ein, fluctuirt. Opera¬ 
tion (nach Fritsch) war recht schwierig wegen der Grösse 
der Geschwulst; beim Durchschneiden des Stieles löste sich 
der Schlauch, doch wurde die Blutung sofort durch die assi- 
stirenden Herren Wanach und Dobbert bewältigt; auffal¬ 
lend war, dass das Netz den Tumor bedeckte, während es in 
der Regel nach oben verdrängt gefunden wird. Der Tumor 
nebst Adnexen wiegt 12 Pfund und enthält eine Unmasse cys- 
tiscbar Räume (Fibromyemä Uteri cysticum). 

Hieran schliesst Vortr. folgende Bemerkungen: Die Prognose 
der Myomotomien ist seit Einführung der Stielversorgung 
nach Fritsch besser geworden: dennoch ist die Mortalität 
viel grösser als nach der Ovariotomie; zum Tlieil erklärt sich 
das aus dem schlechteren Allgemeinbefinden der durch die 
Blntungen herabgekommenen Patientinnen, zum Theil aber 
ist die längere und tiefere Narkose dafüi- verantwortlich zu 
machen. D. ist daher bestrebt gewesen, die anzuwendende 
Chloroformmenge nach Möglichkeit einzuschränken; dies ist 
ihm durch die Anwendung der gemischten Chloroforra- 
Cocain-Narkose möglich geworden; die Pat. bekommt erst 
eine geringe Menge Chloroform, darauf 2 Spritzen einer 5 pCt. 
Cocainlösnng subcutan in die Linea alba; von diesem Mo¬ 
ment ab wird Chloroform nur bei stärkerer Reaction der Ope¬ 
rirten weiter gegeben. Die so narkotisirten Patientinnen na¬ 
ben D. selbst gesagt, dass sie bei der Operation wohl manches 
gemerkt, aber fast gar keine Schmerzen gefühlt hätten, also 
ist die Narkose eine genügende gewesen. Die Vorzüge dieser 
gemischten Narkose bestehen darin, dass der Puls gut bleibt, 
kein Collaps und kein Erbrechen eintritt; letzteres hat D. 
unter 9 so operirten Fällen (3 Myomotomien, 3 Ovariotomien, 
3 Haematocele-Operationen) nnr ein einziges Mal gesehen. 

In prognostischer Beziehung wei8t Vortr. auf ein wichtiges, 
in den Büchern aber meist nicht erwähntes Symptom hin: die 
Urinmenge Weder Pulsschwäche, noch Schmerzhaftigkeit 
des Leibes, noch Erbrechen zeigen eine beginnende Peritonitis 
so sicher an, wie die Herabsetzung der llrinsecretion; ist in 
den ersten 2 Tagen post operationem die Urinmenge eine genü¬ 
gende, so kann die Prognose günstig gestellt werden. D. er¬ 
klärt sich die Verminderung der Harnausscheidung durch eine 
mit der beginnenden Peritonitis gleichzeitig eintretende Con- 
gestion der Nieren; die Section ergiebt bei Peritonitis regel¬ 
mässig auch Nephritis. 

Andererseits begünstigt die Störung der Nierenfnnction die 
Entwickelung der Peritonitis, weil dann resorbirtes septisches 
Material nicht so leicht eliminirt werden kann; daher der 
Rath erfahrener Autoren, bei bestehender Nephritis lieber 
nicht zu operiren! — 

Herr Lun in glaubt eine Nephritis nnr dann annehmen zu 
dürfen, wenn Eiweiss im Harn gefunden wird, auch bedinge 
eine Nephritis, oder gar eine einfache Congestion der Niere 
nicht immer Verminderung der Urinmenge- 

Herr Wiedemann bestätigt, dass die Abnahme der Urin¬ 
menge als Anzeige einer beginnenden Peritonitis bei den 
Operateuren seit lange schon bekannt nnd gefürchtet sei, ob¬ 
wohl dieses Symptom in den gangbaren Büchern nicht erwähnt 
werde. 

Die Herren Hagen-Torn und Petersen haben Verminde¬ 
rung der Harnabscheidung mehrfach auch bei anderweitigen 
Peritonitiden (Perityphlitis etc.) beobachtet und wollen die¬ 
selbe auf eine durch den Peritonealreiz reflectorisch hervor- 
gernfene Anaemie der Nieren zurückführen. 

Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Eich (Bürgerhospital, Köln a. Rhein) theilt 4 Vergif¬ 
tungen mit Extract. filic. mar. aeth. mit, darunter einen 
Fall, der tödtUch endete. 54jähriger Mann, der in früheren 
Zeiten wiederholt 10—15 Gr. ohne Schaden, aber auch ohne 
Erfolg genommen, bekommt 27 Gr. (15 Gr. eine Stunde nach 
dem Frühstücke, den Rest 2 Stunden später). Nach 2 Stunden 
colossaler Tetanus und Trismus (Erscheinungen stimmen ganz 
mit denen einer heftigen Strychninvergiftung überein) Tod 
nach kurzer Zeit. Die anderen Fälle ereigneten sich nach 
einer geringeren Dosis (10 resp. 15 Gr.) und charakterisirten 
sich durch: Erbrechen, profuse Diarrhoen, Koliken, Zittern 
Schwindel, Benommenheit. Das Extractnm filicis ist also kein 
harmloses Mittel, die höchste Dosis wäre 10 Gr. 

(Deutsche medicin. Wochensch. Nr. 32, 1891). 

— Als galaktogenes Mittel empfiehlt Carron de la 
Carriöre die früher vielfach benutzte Galega (Geisskraut); 
sie soll besser wirken, als die üblichen Mittel (Katapiasmen der 
Brustdrüse aus Ricinusblättern, Faradisation der Drüse, Genuss 


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T$T 


von Bier, interne Verabreichung von phosphorsaurem Kalk). 
Am geeignetesten ist ein wässriger Auszug derGalega. Einzel- 
dosis 1 Gr., Tagesdosis 2—4 Gr., mindestens 10 Tage hindurch 
zu nehmen. Bereits mehrere Stunden nach eingenommener 
Einzeldosis ausgiebige Erhöhung der gesunkenen Milchsecretion. 
ßp. Extr. Galeg. aq. 20,0jExtr. Galeg. aq. 


Calcar. lacto- phosphr. 
Tinet.Foeniculi &» 10,0 
|Svr. simpl. 400,0 
i4—B Essl, täglich. 


Extr. Galeg. aq. 50,0jMucilag. gum.arab. 9,5 
Aq. destillat 50,0|pill. Nr. C. 

Syr. simpl. 900,0|S. 16—20 Pillen tägl. 

4-8 Essl, täglich. I (W . ener kUn Wo( ;f 18ch . Nr ; 35,'1891). 

— Bei Erysipel des Gesichts empfiehlt Hochhalt die 
Application einer 2 pCt. wässrigen Ichthyollösung in Form 
von Umschlägen, wodurch er im Durchschnitt innerhalb 3-4 
Tagen Heilung erzielte. 

(Pester med.-chirurg. Presse Nr. 8. 1891 . 

— Bobb und Ghriskey fanden in dem Secret, das sich aus 
der Bauchhöhle einer Myomotomirten durch das in den unteren 
Wundwinkel eingelegte Drain entleerte Beinculturen von Bak¬ 
terium coli commune. Pat. ging unter peritonitischen und 
enteritischen Erscheinungen zu Grunde. 

(Bulletin of tlie John Hopkin’s Hospital, Sept. 1891, p. 133). 

— Withrow beobachtete folgenden seltenen Fall von Uta - 
ru8ruptnr bei einer 87jährigen gesunden VH para. Der Biss 
war 12 Zoll lang, verlief von der Mitte der vorderen Lterus- 
wand in der Höhe des Tubenansatzes beginnend über den 
Fundus, längs der hinteren Wand abwärts bis in den Douglas; 
dabei waren nur peritonealer Ueberzug und Muscularis zer¬ 
rissen, die Mucosa intact (Sectionsergebniss). Becken normal, 
Schädellage. Tod im Collaps vor Ankunft von W. Die Hebamme 
hatte nach Angabe der Angehörigen der Verstorbenen einen 
Theelötfel voll einer dunklen Flüssigkeit (Ergotin?) eingegeben. 

(The Cincinnati Lancet-Clinic, 5 Dec. 1891). 

— G. Mingazzini .hat auf Grashey’s Veranlassung im 
psyc hia trischen Institut zu München Gelegenheit gehabt, einige 
Präparate zu untersuchen, die von Thieren herstammten, an 
denen noch Gndden je einen Hypoglossus exstirpirt und 
dadurch eine vollständige Atrophie des zugehörigen Kernes 
hervorgerufen hatte. 

Im Gegensatz zn anderen Forschern über den Ursprung des 
Hypoglossus erklärt Verf., dass eine totale oder auch nur 
eine partielle Kreuzung der Hypoglpsansfaserni nicht existirt. 
Jeder Hypoglossus bezieht seine Fasern lediglich aus den 
Ganglienzellen des gleichseitigen Kernes; er nimmt daher 
auch keine Fasern an* der Fonuatio reticularis oder aus der 
unteren Olive in sich auf. • 

(Annaü di Frenatria 1890.—Neurolog. Centralblatt, 1891, Nr. 22) 

Vermischtes. 

— Der medicinischen Facultät der Dorpater Universität stellt 
wieder ein empfindlicher Verlust bevor. Wie ausländische 
Blätter melden, hat der ordentliche Professor der speciellen 
Pathologie und Therapie, Dr. Heinr. Unverricht in Dorpat, 
einen Buf nach Magdeburg als Chefarzt des dortigen neuen 
städtischen Krankenhauses angenommen. Durch seine wissen¬ 
schaftliche Leistungsfähigkeit und seine Tüchtigkeit als Uni¬ 
versitätslehrer hat Prof. Unverricht während seiner nahezu 
vierjährigen Thätigkeit in Dorpat sich allgemeine Achtung und 
Anerkennung erworben. 

— Am 1. April d. J. beging der Professor der Pharmako¬ 
logie an der Universität Kasan, wirkl. Staatsrath I)r. J. M. 
Dogel, sein 35jähriges Dienstjnbilftum. 

— Der Professor der speciellen Pathologie und Therapie an 
der Moskauer Universität, Dr. A. J. Koshewnikow, lj at ^ 
genannten Universität seine werthvolle n eu r o 1 o gl sc h eS am itf- 
lung behufsGründong eines neurologischen Mnseams 
zu Lehrzwecken als Geschenk dargebracht. Ausserdem 
hat er ein Capital im Betrage von 3000 Bbl. gespendet, dessen 
Zinsen ztun Unterhalt dieses Museums verwendet weiden 
sollen. 

— Als Illustration zur unsicheren und unerquick 
liehen Stellung der Landscbaftsärzte kann, nachste¬ 
hender Vorfall dienen, welcher sich vor Kurzetn im Kreise 
Slawjanotserbsk (Go»\ Je^aüertftpslaw) erfign^t hat. Das 
Landschaftaamt dieseB Jvteißöß hat> Vot den 4 -jAndschatts 1 ; 
ärzten ganz unerwartet und ähne Angabe der Grunde Ära 
entlassen, von denen einer 3Ua J., der zweite bereits 15 Jahre 
und der dritte sogar mehr als 20 Jahre tadellos der Land¬ 
schaft gedient haben. An Stelle der verabschiedeten Aerzte 
wurden 2 neue berufen, von deuen jedoch einer bereits nach 
2 Monaten sich beeilte den Dienst aufzugeben, ln r olge dessen 
ist die Stadt Angansk und der umliegende Bezirk mit 30,000 
Einwohnern bereits seit einem Monat ohne ärztliche Halte. 

(Juskm Krai-VViv)< 

— Verstorben: 1) Am 28.März in St. Petersburg Geheimrath 
Dr. Carl Eduard Lepz, berathendös Mitglied des Medieinal- 


raths, nach kurzer Krankheit an einer Lungenentzündung im 
72. Lebensjahre. Der Hingeschiedene entstammte einer angese¬ 
henen livländischen Literaten-Familie und hatte seine medici- 
nische Ausbildung in Dorpat erhalten, wo er von 1838—1843 
studirte und der Studentenverbindung «Fraternitas Bigeusis» 
angehörte. Nach Beendigung seines Studiums machte er iui 
Jahre 1847—48 eine Beise um die Welt und hielt sich einige 
Zeit in Aljaska auf. Nach seiner Bückkehr nach Busslaud 
promovirte er im- Jahre 1850 in Dorpat zum Doctor med. und 
folgte sodann einem Bufe des Grafen Apraxin in’s Tambowsche 
Gouvernement, wo er mehrere Jahre als Landarzt wirkte. Im 
Jahre 1854 siedelte er nach St. Petersburg über und war hier 
bis zum Jahre 1857jüngerer Arzt am Paul-Cadettencorps und 
dann Ordinator am Obuchowhospital. Mit dem Jahre 1861 
ging Dr. Lenz zur administrativen Carriere über. Er wurde 
medicinischer Beamter zn besonderen Aufträgen beim Ministe¬ 
rium des Innern, im Jahre 1866 erfolgte seine Ernennung 
zum berathenden Mitglieds des Medicinalratbs und von 1868 
an fungirte er zugleich als gelehrter Secretär desselben, wel¬ 
ches Amt er über 20 Jahr9 bekleidete, bis ein ernstes Augen¬ 
leiden (Cataract) ihn zur Niederlegung desselben zwang, ln 
Len* verliert die medicinische Welt einen ihrer ältesten an¬ 
gesehensten und tüchtigsten Vertreter; er gehörte auch zu 
den wenigen noch lebenden Mitgliedern des von Pirogow ge¬ 
gründeten medicinischen Vereins hierseibst. Im Laufe seiner 
langen Dienstzeit sind ihm zahlreiche Auszeichnungen zu 
Theil geworden: er war iin Besitze vieler Orden und stand 
schon lange im Bange eines Geheimraths; zweimal wurde er 
von der russischen Begierung als Delegirter zn den interna¬ 
tionalen Cholera-Conferenzen in Konstantinopei (1865) nnd 
Wien *(1874) geschickt. Der Hingeschiedene ist auch mehrfach 
literarisch thatig gewesen; unter Anderem hat er einen Aus¬ 
zug aus dem bekannten «Handbuch der historisch-geographi¬ 
schen Pathologie» von Prof. Hirsch in russischer Sprache 
veröffentlicht. — 2) Am 12. April hierseibst der ältere Arzt 
des Findelhauses, wirkl. Staatsrath Paul Dobrotworski, 
am Herzschlage im 58. Lebensjahre. Als Sohn eines russi¬ 
schen Geistlichen hierseibst im Jahre 1834 geboren, erhielt er 
seine medicinische Ausbildung an der medico-chirurgischen 
Akademie und nahm dann die Stelle eines Arztes beim Mini¬ 
sterium der Volksaufkiftrung an. Im Jahre 1866 wurde er 
aus8eretatmässiger Ordinator an der Slnglingsabtheilang des 
Findeihauses, seit 1882 fungirte er als älterer Ordinator am 
Findelhanse; ausserdem befasste er sich speciell mit der Be¬ 
handlung von Ohrenkrankheiten. Der Verstorbene galt all¬ 
gemein als ein tüchtiger Arzt und guter College. 3j Am 
9. April in St. Petersburg der frühere Divisionsarzt Dr. A. I. 
Benewolenski. Der Verstorbene lebte, nachdem er im Jahre 
1876 seinen Abschied genommen, als freipracticirender Arzt 
in St. Petersburg. 4) Am 1. April im Kreise Meselinsk der 
dortige Landschaftsarzt Budolph Ketat am Flecktyphus. 
5) Am 3- März in Kiew der Gehülfe des Mil.-Med.-Inspectors 
des Kiewschen Militärbezirks, wirkl. Staatsrath Dr. St. Bud- 
new, im 58. Lebensjahre an Pankreaskrebs. Der Hingeschie¬ 
dene ist ein Bruder des verstorbenen Professors der medico- 
chirurgischen Akademie M. Eudnew. 6) Am 5. Februar der 
Landschaftsarzt des Achtyrkaschen Kreises I. B. Troizki. 
Er hat seine Frau mit 4 unmündigen Kindern ohne jegliche 
Existenzmittel znrttckgelassen. 7) ln Jena der Professor der 
Histologie, Dr. Carl Frommann, im 61. Lebensjahre. Fr. 
beschäftigte sich hauptsächlich mit histologischen Untersu¬ 
chungen über den Bau des Centralnervensystems. 

— Zum Leiter des neuen Kurhauses am Kujalnizki 
Liman in Odessa war von der Odessaer Stadtverwaltung der 
Arzt Brussilowski (Israelit), welcher schon eine lange Beihe 
von Jaliren die städtischen' Heilanstalten am Kqjalnizki Li¬ 
man leitete, gewählt worden. Der SfadtkauptanaflÄ hat der 
Stadtverwaltung jedoch milgetheilt» dajsp, er die Wahl des 
Dr. Br. nicht bestätigen könne. Die Gntndfe dafür sind nicht 
genannt. 

— Dr. Truhart in Fellin ist. wie der «Fell. Anzeiger» 
berichtet, vom livländiscbOr La#ar*th*Collegi®in <Be Milthei¬ 
lung zugegangen, dass der livliindische Gouverneur, nach 
nochmaliger Beprüfung des anfänglich abschlägig beschiedenen 
Gesuchs um Subventionirung' der vo.n Dr. Truhart 
errichteten Augenklinik, gegenwärtig für möglich befun¬ 
den hat, sjunächst versuchsweise für ein Jahr die Ablassung 
von deih Adelsconvent zu diesem Behufe bewilligten 500 
Bbl. ä Conto der Landescasse zu genehmigen. 

— Am 17. April d. J. vollendeten sich 10 Jahre seit der 
Eröffnung des hiesigen städtischen Barackenhospi¬ 
tals, welches bekanntlich zum Andenken an den ersten 
Curator desselben, den verstorbenen Prof. S. P. Botkin, 
dessen Namen trägt. Aus dem Bericht, welchen der Oberarzt 
Dr. Nilu8 Ssokolow über die 10jährige Thätigkeit des 
Hespitals zusammengestellt hat, geht hervor, dass in dem¬ 
selben während der 10 Jahre 38,344 Kranke verpflegt worden 
sind, von denen die überwiegende Mehrzahl, nämlich 76,2 dCL 
an den verschiedenen Infectionslbanklieiten, an Typhus allein 


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IM 


aber 5Ö pCt. litten. Die Mortalität beim ÄMommaltyphns war 
eine auffallend geringe 7 pCt. 

— Dr. Grünin .r in Riga (Snworowstrasse 29) hat dort ein 
Institut für animale Vaccination eröffnet; die in diesem 
Institut bereitete Lymphe ist reine animale Lymphe, von Kalb 
zu Kalb gezüchtet, keine Retrovaccine. Die Lymphe wird als 
Extract (fein emulgirte Lymphe) in Eöhrchen für Einzel¬ 
impfungen und als Emulsion (dickflüssige Lymphe) in Röhr¬ 
chen für 10 Impfungen dargestellt, hält sich c. 6 Wochen 
sicher wirkend und wird nach auswärts im recommandirten 
Brief versandt. 

— Stabsarzt Dr. Albert Köhler, langjähriger Assistent 
an der chirurgischen Klinik des Prof. Dr. v. Bardeleben in 
Berlin, hat den Professortitel erhalten. 

— Am 21. April beging der Senior der Heidelberger med. 
Facultät, der Professor emer. der med.Chemie Dr..Wilhelm 
Delffs, seinen 80. Geburtstag. D. hat durch seine Forschun¬ 
gen, sowie durch seine Lehrbücher der Chemie sich einen 
Namen gemacht. 

— Am 17. April constitnirte sich die deutsche otologi- 
sche Gesellschaft zu Frankfurt a. M. und wurde nach Be 
rathung der Statuten am 17. und 18. April eine Anzahl von 
Vorträgen daselbst gehalten. Als Vorsitzende fungirten die 
Proff. Moos (Heidelberg) und Lncae (Berlin), als Schrift¬ 
führer Dr. Szenes (Budapest) und Dr. Volisen (Frankfurt). 
An den Verhandlungen betheiligten sich 64 Ohrenärzte, darun¬ 
ter auch Aerzte aus Oesterreieh-Ungarn, Holland und der 
Schweiz. Die nächstjährige Versammlung findet ebenfalls in 
Frankfurt während der Pfingstfeiertage statt. 

(A. m. C.-Ztg.). 

— Vom 18.—23. April n. St. tagte im grossen Amphitheater 
der med. Facultät zu Paris der VI. Congress französischer 
Chirurgen unter dem Vorsitz des Prof Demons (Bordeaux). 
An dem diesjährigen Congresse nahmen mit Ausnahme ein¬ 
zelner Chirurgen aus London, Kopenhagen und Italien, nur 
wenige fremdländische Chirurgen Theil. 

— Der nächstjährige deutsche Congress für innere 
Medicin wird wieder in Wiesbaden stattfinden. 

— In Preussen sind neuerdings bezüglich der Beurthei- 
lung der Geniessbarkeit und Verwerthung des Flei¬ 
sches von perlsüchtigem Schlachtvieh einige Bestim¬ 
mungen erlassen worden, welche Beachtung verdienen. Hiernach 
ist eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit des Fleisches 
von perlsüchtigem Rindvieh in der Regel nur dann anzunehinen, 
wenn das Fleisch Perlknoten enthält oder das perlsüchtige 
Thier, ohne dass sich in seinem Fleisch Perlknoten finden 
lassen, abgemagert ist. Dagegen ist das Fleisch eines perlsüch¬ 
tigen Thieres für geniessbar (nicht gesundheitsschädlich) zu 
halten, wenn das Thier gut genährt ist und die Perlknoten 
ausschliesslich in einem Organ vorgefunden werden, oder falls 
zwei oder mehrere Organe daran erkrankt sind, diese Organe 
in derselben Körperhönle liegen und mit einander direct oder 
durch solche Blutgefässe verbunden sind, welche nicht dem 

S össen Kreislauf, sondern dem Lungen- oder dem Pfortader¬ 
reislauf angehören. Da in Wirklichkeit eine perlsüchtige 
Erkrankung der Muskeln äusserst selten vorkommt nnd durch 
langjährige Fütterungs-Versuche an der Berliner thierärztli¬ 
chen Hochschule nnd an mehreren preussischen Universitäten 
eine Uebertragung der Tuberculose durch den Genuss selbst 
mit Perlknoten behafteten Fleisches nicht erwiesen ist. so 
kann das Fleisch von gut genährten perlsüchtigen Thieren 
in der Regel nicht als minderwerthig erachtet werden. 

— Der Universität Jena ist i. J. 1883 ein reiches Ver- 
mächtniss der Gräfin Bose, geb. Gräfin von Reichen¬ 
bach, im Betrage von 800,000 Mark zngefallen, dessen Zinsen, 


soweit sie nicht durch ansgesetzte Legate in Anspruch genom¬ 
men sind, nach dem Willen der Erblasserin zur Förderung 
medicinischer Studien, insbesondere auch zu Reisestipendien 
verwandt werden sollen. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhoapi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 19. April d. J. 5926 
(180 mehr als in der Vorwoche), darunter 329 Typhus — (20 we¬ 
niger), 534 Syphilis — (42 mehr), 42 Scharlach — (8 weniger), 
13 Diphtherie — (2 weniger), 58 Masern — (5 mehr) und 38 
Pockenkranke (16 mehr). 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Ftlr die Woche vom 12. April bis 18. April 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 


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2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 1, Typh. abd. 6, Febris recurrens 5, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 1, Pocken 0, Masern 20, Scharlach 14, 
Diphtherie 3, Croup 2, Keuchhusten 3, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 52, Erysipelas 5, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 2, Epidemische Meningitis 1, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0 : Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyämie und Septicaemie 8, 
Tuberculose der Lungen 111, Tuberculose anderer Organe 4, 
Alkoholismus und Delirium tremens 7, Lebensschwäche nnd 
Atrophia infantum 40, Marasmus senilis 22, Krankheiten des 
Verdauungscanals 88, Todtgeborene 25. 


Nächste Sitsung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 28. April. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 4. Mai. 


JleueÖHHH bojh: 9 mckaj!, KpeHxem», JIirrioHHjm h flpyria 
xeveÖHHH bojh 10 Kon. ßest nocyau; 2 Kon. sa nocy^y. 

Curort Gleicheuberg: Nach Influenza zurückgebliebene 
katarrhalische Reizungseustände und nervöse Störungen, so¬ 
wie frische und veraltete Katarrhe der Athmungsorgnne wer¬ 
den am raschesten zum Verschwinden gebracht durch die 
Gleichenberger Constantinsquelle. Für Kinder und empfind¬ 
lichere Constitutionen passt besser die Gleichenberger Emma- 
quelle. 

Bad Nauheim: Zur Behandlung kommen vorzugsweise 
Krankheiten des Rückenmarks (spec. Tabes), Rheumatismen, 
Gicht, Chronische Magen- nnd Darmkatarrhe, Frauenkrank¬ 
heiten, Uterinleiden (Exsudate), Scrophulose und als Specialität: 
Herzkrankheiten. 

Bad Langenschwalbach: Wirksam gegen Blutarmuth, 
ihre Folgen und Complicationen. Nervenleiden, Frauenkrank¬ 
heiten. »chwächeznstände der Muskeln, Lähmungen, Katarrhe 
der Schleimhäute, namentlich der Geschlechts- uM Harn¬ 
organe. 


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mjoiwiHini* u»*e*oi» luejeiii impuuun 

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□ 


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die Direction in Gleichenberg. 

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XVII. 


JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Nene Folge IX. Jmhrg. 


UEDICINISCEE TOOBIISOERIVT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonuementipreis ist in Busilanä 8Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Fostzustellnng; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Zneertionipreia 
für die 3 mal gespaltene/eile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Origiualartikel zngesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


Abonnements-Aufträge sowie alle Inierate 

bittet man ansschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Bioksr in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect Ji 14, zu richten. — Usnueoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja Ji 33,Quart. 3, zu richten. Sprecli- 
stunden täglich von 2—4 Uhr Nachm., anaser Sonntags. 



Ueber eine seltene Complication bei Leukämie. 

Vortrag, gehalten in der Gesellschaft praktischer Aerte zu 
Riga am 5. Februar 1892. 

Von 

Dr. R. von Engelhardt. 

Noch harrt die Frage nach der Pathogenese der Leu¬ 
kämie ihrer Lösung. Jeder einzelne Fall, der durch die 
Art seines Verlaufes geeignet scheint, ein Licht auf diese 
Frage zu werfen, ist werth veröffentlicht zu werden. 

Wenn auch in dem von mir beobachteten Krankheits¬ 
fälle die Obduction nicht gemacht werden konnte und 
die Kürze der Behandlungsdauer eine ausgiebige Ver- 
werthung aller Symptome uud Eigenthümlichkeiteu des 
Falles unmöglich machte, so rechtfertigt wohl der inte¬ 
ressante klinische Befund die Besprechung. 

Am 30. November 1891 wurde ich vom Herrn Collegen Dr. 
Scholz um 5 Uhr Nachmittags zn einem Patienten gebeten. 

Herr N. A., Untersuchungsrichter in Riga, ist 34 Jahre alt, 
unv§ heirathet. Der Vater ist gestorben, die Todesursache 
unbekannt. Die Mutter lebt, ist aber kränklich. Die Geschwister 
des Patienten, sowie er selbst, sind in der Jugend blass und 
scroplmlös gewesen. Schon in früher Jugend hat Pat. an 
geschwollenen Drüsen gelitten, behauptet aber nie Masern, 
Scharlach oder Diphtherie gehabt zn naben. Hat nie an den 
Lungen gelitten, hat weder Typhus noch Gelenkrhenmatismus 
gehabt. Keine Malaria, nie Ikterus, nie Oedeme. Seit einigen 
Jahren leidet Pat. an trockenem Husten ohne Auswurf. 1885 
— also vor 6 Jahren — hat Pat. Lues acquirirt und wurde 
danach einer Schmier- und Inicetionskur unterzogen. Im 
Frühjahre 1889 consultirte Pat. Prof. Botkin in Petersburg 
wegön eines Gefühles von Schmerz und Druck in der Leber¬ 
gegend. Prof. Botkin constatirte eine Vergrösserung dei 
Leber, die er für luetischen Ursprungs hielt und verordnet« 
Jodkali. Nachdem die Wirkungslosigkeit dieser Therapie voi 
Prof. Botkin constatirt worden war, wurde Pat. in die kau¬ 
kasischen Bäder Pjätigorsk und Kisslowodsk geschickt. Damafe 
fand Prof. Botkin eine Vergrösserung der Milz und erklärte 
dem Pat., es handle sich am eine Blutveränderung. Pat. klag'e 
damals über leichtes Ermüden, sah sehr blass aus und hatoe 
häuiig Kopfschmerzen. So blieb der Zustand unverändert lis 
znm April 1891. Da stellte sich plötzlich, ohne vorhergegan¬ 
genen Diätfehler, Ueberanstrengung oder Erkältung Erbrechen 
ein, Schmerzen im Epigastrium nnd der Lebergegend md 


geringer Ikterus. Der Stuhl war retardirt, aber von normaler 
Farbe. Fifeber, Nachts Schweisse, Kopfschmerz. Der Harn 
wurde ohne Schmerzen entleert, war klar,aber von dunkler 
Portweinfarbe, die dem Pat. besonders aufgefallen war. 
Nach etwa zwei Wochen verging der Anfall ziemlich plötzlich. 
Der Ham fyitte die ganze Zeit über die gleiche Farbe gehabt. 
Der Ikterus war mässig geblieben. Pat. brauchte während der 
vierzehu.. 1 Tage. *»£.Anrathen des behandelnden Amte« eine 
Milchkur. Leider nabe ich von dem behandelnden Arzte nicht 
mehr in Erfahrung bringen können, als was der Pat. mir 
bereits raitgetheilt hatte. Was für abnorme Bestandtheile der 
Harn damals enthalten hat, liess sich nicht constatiren. 

Nach dem Anfälle fühlte sich Pat. angegriffen nnd müder 
als vorher, doch waren sonst keine andern Symptome hinzu¬ 
getreten. 

Am 29. November 1891 wiederholte sich der Anfall. Bald 
nach dem Mittagessen trat Erbrechen und starke Uebelkeit 
auf. Das Erbrochene bestand bloss aus den vorher genossenen 
Speisen. Blut war nicht vorhanden. Fieber, Kopfschmerz, 
grosse Mattigkeit. Am 30. Nov. Morgens hatte der Harn dieselbe 
aunkle Portweinfarbe, wie im April dieses Jahres. Auf 
einen Theelöffel Karlsbader Salz erfolgte flüssiger Stahl, des¬ 
sen Aussehen aber nicht constatirt werden konnte. Im Laufe 
des Tages noch häufig Würgen ohne Erbrechen, grosse 
Schwäche, Fieber. Leienter Tremor in den unteren Extremi¬ 
täten. Am 30. Nov. um 5 Uhr Nachmittags sah ich den Pa¬ 
tienten. 

Status praesens. Patient geht mühsam umher and thedlt 
mir mit, dass er sich auch im April so schwach gefühlt habe 
and dass der Anfall sicher wieder in vierzehn Tagen vorüber 
sein würde. 

Pat. ist von mittlerer GTösse; Pannicnlns welk; sehr anä¬ 
misch; etwas fahlgraues kachektisches Colorit; keine Oedeme, 
kein Exanthem, kein lkterns. T° 38,2 Puls 120 von geringer 
Spannung, regelmässig. 

Cervical- nnd Ingninaldrtisen geschwellt, hart. Thorax 
flach, Athmung etwas beschleunigt. Lungengrenzen normal. 
In beiden Lungenspitzen rauhes Inspiritun. Percutorisch 
nichts nachweisbar; ebenso ergiebt die Anscnltation nnd Per¬ 
cussion über der übrigen Longe nichts Abnormes. Herzgren¬ 
zen normal. Ictns im V J.G.R innerhalb der Mammillarlinie. 
Herz- nnd Gefässtöne etwas dumpf. 

Abdomen nicht anfgetrieben, bloss die Lebergegend etwas 
prominent. Daselbst leichte Druckempflndlichkeit, ebenso im 
Epigastrium. 

Leber beträchtlich vergrössert, reicht bis zum Nabel. Der 
Rand deutlich palpabel, ziemlich scharf, ebenso die Incisura 
vesic. feil, deutlich palpabel. Die Oberfläche scheint glatt. Con- 
sistenz mässig hart. Die Milz ragt etwa 1 Fingerbreit unter 
dem Rippenbogen hervor, deutlich palpabel, hart. Kein Ascites 


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172 


Der Harn, deil mir Dr. Schulz bereits mitgebracht hatte, 
war klar, sauer, dunkelportweinfarbig, spec. GeW. 1017. Die 
Unterschichtung mit Salpetersäure ergab eine mächtige Eiweiss- 
MVicttt und schwachen Uratring. Beim Kochen sammelte sich 
an dir Uoerflfifcne ein dickes branhes Gbrinnübl. 

Da idikrbskdpitch im Harn keinfe Blutkörperchefa, keine Cv- 
lihder, soiidern blols vereinzelte &elbe Körnchen zu finden 
wiren;. h^fldeltte ei sich aller Wahrscheinlichkeit nach um 
Hämoglobin und Methämoglobln. 

Ordination: Bettruhe, reichliche Zufuhr von Getränken, 
Milch etc. und Cognac als Analepticum. 

1. Decembph lj>ie am Morgen vorgenonimene Untersuchung 
des am Abend irisch gelassenen Harnes fcrgab dieselben Re¬ 
sultate, wie Tags zuvor. Spektroskopisch fand ich das Spek¬ 
trum des Methämoglobin, welches bei reichlicher Verdünnung 
mit Wasser in das Oxyliämoglobinspektrüm überging. 

Die Chloroformausschüttelnng des mit Salzsäure angesäuer- 
teiiHarns ergab ein negatives Resultat bei Prüfung auf Gal- 
lenTarBstofffe, Urobilin und Indican. Nachträglich wurde vom 
Hefrrri Apotheker Frederking eine geringe Menge Gallen- 
farbätöff im Harn nachgewiesen. 

tJiri 12 Uhr Mittags sah ich deD Patienten wieder. Der Zn- 
8tätid hatte sich bedeutend verschlimmert. Die Nacht über 
war PAt. sehr unruhig gewesen; morgens war Erbrechen 
(kein Blut) gewesen; wieder reichlicher Urin von derselben 
Beschaffenheit, wie Tags zuvor (die Untersuchung musste un¬ 
terbleiben, weil der Harn mit dem Erbrochenen verunreinigt 
war). Morgens ein breiiger Stuhl von normaler Farbe. T° 38,5 
Puls 132, weich. Pat. ist leicht ikterisch, somnolent. Auf lau¬ 
tes Anreden, erfolgen undeutliche Antworten Leichte klo¬ 
nische Zuckungen in den Beinen. 

AüS dem Ohrläppchen wird ein Tropfen Blut entleert und 
fHsch unteb dem Mikroskop untersucht; das Blut ist bräun¬ 
lich, klebrig. Die rothen Blutkörperchen sind blass, liegen 
nicht in normaler Geldrollenform zusammen, sondern sind un¬ 
regelmässig gestaltet und untereinander unregelmässig ver¬ 
klebt. Einzelne Blutkörperchen sind fast farblos (Schatten), 
an der Peripherie derselben haften kleine Körnchen. Diesel¬ 
ben Körnchen in Haufen bei einander liegend. Die weissen 
Blutkörperchen bedeutend vermehrt. Das Verhältniss dersel¬ 
ben zu den rothen approximativ 1:10—15. Unter den weis- 
tien die verschiedensten Formen: vorherrschend polynucleare 
Zellen mit granulirtein Protoplasmaleibe, etwa 2—3 Mal grösser 
als die röthen .Blutkörperchen, auch viele von normaler Grösse 
mit Kernen oder Vacuolen und endlich sehr kleineFormen. 

Leider konnte ich die Färbnng dieses Präparates erst viel 
später vornehmen, als bereits Gerinnung eingetreten war. Mit 
Methylenblau färbten sich viele der mittelgrossen Zellen, die 
grossen blieben meist ungefärbt, nur die Körnchen im Proto¬ 
plasma erschienen blau. Dagegen färbten sich die meisten 
grossen Formen mit Eosin intensiv. 

Jetzt konnte ich die Diagnose auf Leukämie stellen. In 
Wfelbheni Zusammenhang aber die Hämoglobinämie aufgetreten 
war, blieb eine offene Frage. Die Möglichkeit einer zufälli¬ 
gen Vergiftung Wurde durchaus in Abrede gestellt und war 
allerdings tehoh dadurch unwahrscheinlich, dass Pat. bereits 
im April dieselben Erscheinungen dargeboten hatte, ohne dass 
ätiologisch irgend etwas hätte beschuldigt werden können. 

Ördinatioh: Chinin, muriat. 0,3 drei Mal täglich; Cognac, 
heisser schwarzer Kaffe. 

5V*Uhr Pat. liegt mit offenen Augen, starrem Blick da. Laut 
stöhnende Dvspnöe; Extremitäten kühl, cyanotisch; ebenso die 
Lippen. Puls fadenförmig. Iniection von 2,0 01. camphorat. 
(1: 9). Herztöne anscnltirbar. Pat. Bchluckt nicht. 

Ibh eilte ins Krankenhaus, um mir Assistenz und den nö- 
thigen Apparat zur Infusion physiol. Kochsalzlösung zu ver¬ 
schaffen, doch war hei meiner Rückkehr — eine halbe Stunde 
später — der Exitus bereits eingetreten. 

Wenden wir ans jetzt der kritischen Betrachtung unseres 
Falles zu. 

Ein seit zwei Jahren bestehender Milztumor, sowie 
Lebervergrüsserung, ohne Ascites, ohne Herzfehler und 
ohne Oedeme, hierzu die typische Blutveränderung berech¬ 
tigen uns zur Diagnose: Leukämie, soweit diese Diagnose 
in Vivo überhaupt gestattet werden kann. Ob die Leber 
durch leukämische Infiltration so bedeutend vergrössert 
war, lässt sich nicht mit Bestimmtheit behaupten, denn 
auch die Annahme wäre berechtigt, dass es sich um 
Amyloidleber handelte, die ja auch ohne Ikterus und 
Ascites verlaufen kann. Die Consistenz schien gegen 
Amyloid zu sprechen, der scharfe Rand dagegen schliesst 
Amyloid nicht aus. An eine andersartige Lebererkran- 
kung konnte wohl hier nicht gedacht werden. Die hyper¬ 


trophische Cirrhose verläuft fast immer mit Ikterus, die 
Leberlues ist meist mit Ascites verbunden, auch sprach 
die scheinbar glatte Oberfläche gegen Lues. 

Auffallend ist allerdings das eigentümliche Grössen- 
verhältniss zwischen Milz und Leber. Bei Leukämie über¬ 
wiegt gewöhnlich der Milztumor bedeutend, hier war das 
Umgekehrte der Fall. 

Es finden sich aber auch Krankengeschichten mit Sec- 
tionsbefund, die darauf hinweisen, dass das Grössenver- 
hältniss von Milz und Leber bei Leukämie ein ähn¬ 
liches Verhalten zeigt, wie in unserem Fall: 

v. Jaksch fand bei einem leukämischen Kinde die 
Leber beträchtlich vergrössert, die Milz ragte weit in das 
Abdomen hinein. Bei der Anaeraia pseudoleukämica infan¬ 
tum nimmt nach Jaksch das Volumen der Leber relativ 
weniger schnell zu, als bei Leukämie. 

Obraszow beobachtete einen Fall von acuter Leu¬ 
kämie, bei welchem die Leber in der Mammillarlinie bis 
zur Nabelhöhe reichte, die Milz 18. 12 und 5 Ctm. 
gross war. 

In einem von Fraenkel beobachteten Falle fand sich 
nach sieben wöchentlicher Dauer der Leukämie bei der 
Section ein Milztumor — die Grösse ist nicht angege¬ 
ben — und diffuse leukämische Infiltration der Nieren, 
die fast das doppelte ihrer normalen Grösse erreicht 
hatten. 

Kurz man sieht, dass die Leukämie auch im Stande 
ist in kurzer Zeit eine bedeutende Volumszunahrae ver¬ 
schiedener Organe, wie Leber und Nieren hervorzurufen, 
ohne dass die Milz deshalb immer das voluminöseste 
Organ sein muss. 

Das Blut entsprach dem typischen Befunde bei Leu¬ 
kämie, was die weissen Blutkörperchen, deren verschie¬ 
dene Gestaltung und Zahl betrifft. Obgleich, wie schon 
oben erwähnt, die Färbung der Blutprobe nur in mangel¬ 
hafter Weise vorgenomraen werden konnte, ergab sich 
doch ein ganz bedeutender Gehalt an eosinophilen Zellen 
im Blute. Leider liess sich eine sorgfältige Zählung nicht 
vornehmen, aber die Schätzung des Verhältnisses der 
weissen zu den rothen auf 1:10 wird annähernd das 
Richtige treffen. Mit welcher Form der Leukämie wir es 
zu thun haben, lässt sich ohne Obductionsbefund nicht 
constatiren. Die Schmerzhaftigkeit des Sternum, der 
Knochen überhaupt fehlte. Danach wäre man geneigt eine 
Betheiligung des Knochenmarks auszuschliessen, doch ist 
man dazu nicht berechtigt, da auch bei vollkommener 
Schmerzlosigkeit der Knochen das Mark derselben post 
mortem schwere Schädigungen aufweist. Der Hauptsache 
nach haben wir wohl eine lienale Leukämie vor uns. 
Ob die vergrösserten Cervical- und Inguinaldrüsen mit 
in den leukämischen Process bezogen werden dürfen, 
scheint mir fraglich, da sie ebenso gut scrophulösen oder 
luetischen Ursprungs sein konnten. 

Zu diesem in sich abgeschlossenen und bekannten 
Symptomencomplex gesellt sich nün ein zweiter: Fieber, 
Erbrechen, beschleunigter Puls, Hämoglobinurie und Ikte¬ 
rus — ein Bild welches wir bis auf das Fieber durch 
eine ganze Reihe von Giften, wie Kali chloricum, Anilin- 
oel, Toluylendiamin, Helvellasäure etc. hervorrufen können. 

Daher lag auch anfangs der Verdacht einer Vergiftung 
nahe, musste aber zurückgewiesen werden, weil sich 
anamnestisch nichts feststellen liess, was in dem Sinne 
hätte gedeutet werden können, weil Pat. bereits zum zweiten 
Male von dem Anfall betroffen wurde und endlich, weil 
Fieber vorhanden war. Letzteres scheint direct gegen 
tine Vergiftung zu sprechen, denn sowohl Anilinoel ‘), wie 
tuch dessen Derivat Antifebrin — Typen dieser Blut¬ 
gifte — bewirken einen energischen Temperaturabfall, 
rie Steigerung. 


’) v. Engelhardt. Beiträge znr Toxikologie des Anilin. 
Djssert. Dorpat 1888. 


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173 


Für eine kryptogenetische Septikämie. bei der gleich¬ 
falls dieser Symptomencomplex beobachtet worden ist, 
lagen keine Anhaltspunkte vor; gegen dieselbe sprach der 
im April des Jahres verhältnissmässig günstige Verlauf 
des Anfalls. 

Am meisten scheinen noch die Anfälle von paroxys¬ 
maler Hämoglobinurie unserem Krankheitsbilde zu ent¬ 
sprechen. Aetiologisch liess sich jedoch weder Erkältung, 
noch Ueberanstrengung oder irgend eine schwere Gemüths- 
bewegung feststellen. Gewöhnlich verlaufen die Paroxys- 
men in wenigen Stunden und nach kurzer Zeit tritt 
vollständige Euphorie ein. Nach Angabe des Patienten 
hatte der Harn beim ersten Anfall vierzehn Tage lang die 
eigenthümliche Portweinfarbe, beim zweiten trat nach 
zweitägiger Dauer der Exitus ein. Jedenfalls wäre unser 
Fall ein durchaus ungewöhnlicher, wenn wir ihn zur 
paroxysmalen Hämoglobinurie rechnen sollten. Allerdings 
soll Lues eine ätiologische Grundlage für das Auftreten 
der letzteren bieten und Lues lag in unserem Fall vor. 

Mir scheint es nicht gerechtfertigt die pathogenetisch 
unklare paroxysmale Hämoglobinämie bloss als zufällige 
Complication der pathogenetisch ebenso unklaren Leukämie 
hinzustellen. Wenn zu der chronischen Bluterkrankung 
— Leukämie — plötzlich und nicht zum ersten Mal eine 
acute Bluterkranknng — Hämoglobinämie — hinzutritt, 
werde ich bemüht sein, für beide Erscheinungen eine 
Ursache aufzufinden, d. h. ich werde, wenn die Wahr¬ 
scheinlichkeit einer einheitlichen Aetiologie nachgewiesen 
werden kann, die acute Erkrankung bloss für eine Exa¬ 
cerbation der chronischen halten. 

Diese Annahme erscheint vielleicht überraschend, weil 
es sich bei der Leukämie scheinbar bloss um Erkrankung 
der weissen Blutkörperchen und ihrer hypothetischen 
Bildungsstätten, bei der Hämoglobinämie dagegen um den 
Zerfall der rothen Blutkörperchen handelt, jedoch weisen 
einzelne Beobachtungen darauf hin, dass dieser principielle 
Unterschied zwischen Erkrankung der rothen und weissen 
Blutkörperchen wohl niemals so scharf in praxi existirt 
hat, sondern mehr ein künstlich construirter war. 

Es liegt mir fern, Ihnen hier die zahlreichen Hypo¬ 
thesen über die Pathogenese der Leukämie in extenso 
darzulegen, doch sei es mir gestattet, auf einzelne Punkte 
aufmerksam zu machen, welche mir die oben ausgespro¬ 
chene Vermuthung nahe gelegt haben. Einen Anspruch 
auf Beweiskraft kann natürlich ein vereinzelter Fall 
nicht haben. 

Die Frage nach dem Wesen der Leukämie wird von 
einer Anzahl namhafter Autoren dahin beantwortet, dass 
es sich im Wesentlichen um eine Erkrankung der blut¬ 
bildenden Organe und weissen Blutkörperchen handele. 
Durch irgend einen Krankheitserreger ist den Leukocyten 
die Fähigkeit verloren gegangen, den Verwandlungs- 
process in die rothen Blutkörperchen in ausreichender 
Weise zu vollziehen. Dass bei dem Wiederaufbau des 
Hämoglobins aus den normalen Zerfallsproducten der 
rothen Blutkörperchen die xMilz eine wesentliche Rolle 
spielt, ist durch die Untersuchungen von A. Schwartz 2 ) 
und v. Middendorff 3 ) höchst wahrscheinlich gemacht. 
Daher scheint auch A. Schwartz die lienale Leukämie 
vorzugsweise für eine Erkrankung der Milz zu halten, 
welche sich darin äussert, dass die Milzpulpazellen ihre 
physiologische Aufgabe, Wiederaufbau des Hämoglobins 
und hiermit Umwandlung oder Neubau von rothen Blu:- 
körperchen nicht mehr erfüllen. 

Wenn sich der Vorgang factisoh bei Leukämie so ab¬ 
spielen sollte, so ist doch die Frage noch nicht gelöst, 
ob zugleich auch bei der Leukämie ein vermehrter Zar- 


2 ) A. Schwartz. Ueber die Wechselbeziehungen zwischen 
Hämoglobin und Protoplasma etc. Diss. Dorpat 1888. 

a ) v. Middendorff. Bestimmungen des Hämoglobingelultes 
im Blut der zu- und abführenden Gefässe der Leber und Milz. 
Diss. Dorpat 1888. 


fall rother Blutkörperchen statt findet d. h. ob die Krank¬ 
heitsursache auch direct die Erythrocyten beeinflusst, eine 
Annahme, die von einzelnen Autoren für berechtigt 
gehalten wird, von anderen wiederum nicht. 

Bereits vor 10 Jahren haben Cornil und Ranvieri) 
in den grossen weissen Blutzöllen bei Leukämischen 
kleine gelbe Körnchen gefunden, die sie für Zerfallsprodncte 
der rothen Blutkörperchen hielten. Sie schliessen daraus 
auf einen vermehrten Zerfall der Erythrocyten bei Leu¬ 
kämie. Mir scheint der Schluss noch nicht berechtigt. 
Wenn ein normaler Zerfall der Erythrocyten statt findet, 
die Zerfallsprodncte nun von den weissen Zellen ausge¬ 
nommen werden und diese den Umwandlungsprooess nicht 
schnell genug, wie das ja bei Leukämie angenommen 
wird, in der Milz, dem Knochenmark und den Drüsen 
vollziehen, so müssen diese Zwischenstufen — ebenso, ijrie 
die kernhaltigen rothen Blutkörperchen — dem Beobachter 
innerhalb der Blutbahn zu Gesichte kommen. Strümpell 5 ) 
erwähnt, dass im leukämischen Blnte nicht selten Körn¬ 
chenbildungen gefunden werden, über deren Natur aber 
nichts Näheres bekannt zu sein scheint. 

Nun sind bei Hämoglobinämie Körnchenhaufen im Blute 
ein ganz regelmässiger Befund. Es sind hier die Zerfalls- 
producte der rothen Blutkörperchen. Der pathologische 
Vorgang ist in diesen Fällen ziemlich klar gelegt. Die 
rothen Blutkörperchen scheiden ihr Hämoglobin in kleinen 
Tröpfchen ans, die zuerst an der Blutscheibe hafte», dann 
theils im Blutplasma gelöst werden, theils sich dort zu 
Körnerhaufen zusammenballen. Nun findet eine scheinbare 
compensatorische Ueberproduction von Leukocyten statt“). 
In der Milz findet man die weissen Zellen belade» mit 
Hämoglobinkörnern, um sie dem Arbeitsfelde des Orga¬ 
nismus als rothe Blutkörperchen zuzuführen. In der Leber 
dieselbe Erscheinung bei den Leberzellen, nur wird hier 
das Hämoglobin zu Gallenfarbstoff umgewandelt, der in 
Massen producirt,einen Stauungsikternshervorruft. Schliess¬ 
lich wird ein Theil der Körnchen und des gelösten Hä¬ 
moglobin durch die Nieren ausgeschieden und es entsteht 
Hämoglobinurie und Methämoglobinurie. Bei einem der¬ 
artigen Vorgänge ist es vielleicht möglich, dass neben 
dem rapiden Zerfall der rothen Blutkörperchen eine 
Beeinflussung der Vitalität der Leukocyten in dem Sinne 
statt findet, dass sie trotz ihres vermehrten Auftretens in 
der Blutbahn doch nicht fähig sind die Zerfallsmassen 
der Erythrocyten zu bewältigen und diese dann als Schlacke 
aus dem Organismus ausgeschieden werden. Eine Bestä¬ 
tigung dieser Annahme wäre deshalb von Wichtigkeit, 
weil dann bewiesen wäre, dass es sich bei den typischen 
Blutgiften nicht nur um eine Schädigung der rothen Blut¬ 
körperchen handelt, sondern dass diese Blutgifte das Blut 
in toto — als Gewebseinheit aufgefasst — pathologisch 
verändern. 

Wenn die Hypothese zu Recht besteht, dass die Rege¬ 
neration der Erythrocyten durch Beeinträchtigung der 
Function der Leukocyten bei Leukämie gelitten hat, so 
muss bei erheblichem Zerfall der rothen Blutkörperchen 
bei Hämoglobinämie mit Leukämie complitirt, der vorher 
beschriebene Zustand d. h. Hämoglobinurie und Ikterus 
in allerhöchstem Masse eintreten. Das ist nun bei unserem 
Patienten der Fall. Die Hämoglobinurie dauert beim ersten 
Anfall vierzehn Tage, beim zweiten tritt bereits nach 
zwei Tagen der Tod ein! Welchen Massen zerstörter 
Blutkörperchen entspricht die Hämoglobinmenge, die 
vierzehn Tage lang im Harn des Patienten ausgesqhieden 
wurde?! Die oben beschriebenen Körnchenbildungen fand 
ich im Blute des Patienten. Hier musste ich sie für 
Trümmer der rothen Blutkörperchen halten, also für ein 
Symptom der Hämoglobinämie. Was spricht aber dagegen, 

4 ) cit. nach Epstein: acute Leukämie und Pseudoleukämie. 
Deutsch. Arch. r. klin. Medicin B. 44. 1889. 

*) Strümpell. Spec. Pathologie und Therapie- Bd. II. 1889. 

6 ) Cf. v. Engelhardt 1. c. 


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174 


dass wir es im Blute Leukämischer gleichfalls mit Hä- 
moglobinkörnern zu thun haben? Die Frage wäre durch 
den Nachweis des Methämoglobin in jedem leukämischen 
Blute entschieden und hiermit zugleich auch der ver¬ 
mehrte Zerfall der Erythrocyten innerhalb der Blutbahn. 

Man sollte demnach erwarten, dass die Hämoglobinurie 
häufiger mit Leukämie combinirt beobachtet würde. Das 
ist nun allerdings nicht der Fall. Ich habe in der mir 
zugänglichen Litteratur keinen einzigen derartigen Fall 
gefunden. Nicht einmal bei der acut verlaufenden Leu¬ 
kämie findet sich unter sämmtlichen neuerdings von 
Epstein 7 ) gesammelten Fällen einer, der die Symptome: 
Hämoglobinurie und Ikterus aufweist. 

Wenn es sich nun bei Leukämie in erster Linie um 
folgende zwei Momente handelt: 1. Vermehrter Zerfall 
rother Blutkörperchen, 2. Production von physiologisch 
untauglichen Leukocyten — so kann eine Exacerbation, 
eine acute Verschlimmerung gleichfalls durch Steigerung 
dieser beiden Factoren eintreten, d. h.: 1) noch intensi¬ 
verer Zerfall der Erythrocyten und 2) noch bedeutende¬ 
res Sinken der Vitalität der Leukocyten. 

Für letzteres Moment sprechen fast alle acut verlau¬ 
fenden Leukämien: die Zahl der weissen Blutkörperchen 
nimmt immer mehr überhand, die der rothen sinkt: also 
der normale Zerfall der rothen schreitet fort und die 
weissen bleiben auf halbem Wege ihrer Verwandlung 
stehen. 

Für das erste Moment spricht scheinbar nur unser 
Fall, doch möchte ich daran erinnern, dass Hämoglo- 
binämie erst nach dem Auftreten von Hämoglo¬ 
binurie diagnosticirt wird, während sie schon sehr viel 
früher bestehen kann und durchaus nicht immer Hämo¬ 
globinurie zur Folge haben muss. 

Unter den Complicationen bei hundert Fällen von 
Leukämie findet sich nach Mosler 11 Mal Ikterus. Viel¬ 
leicht war der Ikterus durch Hämoglobinämie bedingt 
ein «hämo-hepatogener (Afanassjew)»? Einen Fall be¬ 
obachtete Mosler, bei welchem das längere Bestehen 
des Ikterus die Zahl der weissen Blutkörperchen vermin¬ 
derte: eventuell ein Beleg dafür, dass bei vermindertem 
Hämoglobingehalt des Plasma dnrch den Verbrauch des 
Hämoglobin in der Leber die Milz aufhört compensato- 
risch thätig zu sein d. h. weniger Leukocyten producirt 
oder die Leukocyten wieder an Vitalität gewinnen und 
den Umwandlungsprocess in rothe schneller vollziehen. 

Die interessante Frage nach der Pathogenese der Leu¬ 
kämie hat uns schon zu lange beschäftigt; sollte es mir 
gelungen sein, Ihnen für meine Auffassungsweise eine ge¬ 
wisse Berechtigung nachgewiesen zu haben, so ist mein 
Zweck erreicht. 

Ich fasse somit meine Ansicht über den Zusammen¬ 
hang von Leukämie und Hämoglobinämie folgendermaas- 
sen zusammen: 

Die Leukämie verläuft möglicher Weise immer mit 
Hämoglobinämie, doch tritt letztere sehr selten in so ho¬ 
hem Grade auf, dass daraus Hämoglobinurie und Ikterus 
resultiren. 

Nur kurz will ich noch die Chancen der Therapie bei 
einem solchen Zustande berühren. 

Als ich den Kranken zum ersten Male sah, konnte ich 
mir noch kein rechtes Bild von seinem Zustande machen. 
Ich verordnete reichliches Trinken, um die Nieren von 
den Hämoglobinmengen zu befreien und Cognac als Ana- 
lepticum. Am folgenden Tage, nachdem die Diagnose 
gestellt war, wollte ich einen Versuch mit Chinin machen 
und dachte zugleich daran, Sauerstoffinhalationen brau¬ 
chen zu lassen oder eine Infusion mit physiologischer 
Kochsalzlösung zu machen. Am Nachmittage entschloss 
ich mich zur ,Infusion, aber leider zu spät. Ich muss 
gestehen, dass mir die Sauerstoffinhalation eigentlich vom 


T ) Epstein, 1. c. 


theoretischen Gesichtspunkt aus gebotener erschien, doch 
wusste ich mir den Apparat nicht schnell genug zu be¬ 
schaffen. Nachträglich ergab sich allerdings, dass fast 
sämmtliche Versuche, die bei acuter Leukämie mit Sau¬ 
erstoffinhalationen gemacht wurden, fehlgeschlagen 
sind. Die Kochsalzinfusion hat die Leukämie ebenso 
wenig in ihrem Verlauf beeinflussen können. Ziemssen 
empfiehlt dieselbe aber bei Intoxicationen, die Hämoglo¬ 
binämie zur Folge haben. Mir scheint, als handle es 
sich in solchen Fällen, ähnlich wie bei Anwendung der 
Kochsalzinfusionen bei Urämie, entweder um die günstige 
Wirkung der vermehrten Blutflüssigkeit und dadurch er¬ 
zielten verminderten Procentgehalt des Blutes an toxisch 
wirkender Substanz oder eine intensivere Auslaugung 
des Gewebes durch die Kochsalzinfusion und dadurch be¬ 
wirkte schnellere Ausscheidung des Giftes aus dem Kör¬ 
per. Ob wir es aber bei der Leukämie mit der Wir¬ 
kung von Toxinen zu thun haben, ist höchst fraglich! 
Die Wirkungslosigkeit der Kochsalzinfusion würde eher 
für einen organisirten Krankheitserreger bei Leukämie 
sprechen. 

Das Einzige, was bei einer solchen ungünstigen Com- 
bination vielleicht Erfolg versprechen dürfte, wäre — 
nach den Versushen von Ziemssen zu urtheilen — die 
Transfusion defibrinirten Menschenblutes. 

Anmerkung: Nachträglich fand ich die pharmakolo¬ 
gisch interessante Bemerkung, dass Injection von Kampher 
eine schnelle Vermehrung der Leukocyten im Blute bewirke. 
Sollte vielleicht bei solchen Zuständen das Ol. caraphoratura 
contraindicirt sein? 


Yinum Ipecacuanhae bei Wehenschwäche. 

Casuistische Mittheilung 

von 

Dr. H. Stillmark, 
in Helmet (Livland). 

Vor einigen Wochen ging durch unsere Fachzeitschrif¬ 
ten die auch von der «St. Petersb. Med. Wochenschrift» 
(Nr. 12) reproducirte Notiz, dass Vinum Ipecacuanhae, 
bei einfacher Wehenschwäche angewandt, normale Con- 
tractionen des Uterus zu erregen’im Stande sei (Drapes 
in Quaterly therap. review.). — Nach Drapes genügen 
schon 2—3 Dosen zu 10—15 Tropfen, um eine energi¬ 
sche Wehenthätigkeit der Gebärmutter hervorzurufen. 

Zufälliger Weise hatte ich ein Paar Tage, nachdem 
mir diese Notiz zu Gesicht gekommen, Gelegenheit, das 
genannte Präparat nach dieser Richtung hin erproben zu 
können. Das Resultat des Versuches war, wie ich gleich 
hier hervorheben will, ein wirklich überraschend gutes. Es 
kann nicht in meiner Absicht liegen, an dieser Stelle 
das über die Radix Ipecacuanhae in pharmakologischer 
Hinsicht Bekannte zu wiederholen. Ich verweise Inte¬ 
ressenten hierbei auf die Arbeiten von Kobert, Pod- 
wyssotzki, H. Meyer u. A., die die Ipecacuanha zum 
Gegenstände genauer Untersuchungen gemacht haben.— 
Zweck dieser Zeilen soll nur sein, auf Grund eines von 
mir beobachteten Falles den Collegen den von Drapes 
als Mittel gegen Wehenschwäche vorgeschlagenen Ipeca¬ 
cuanha-Wein zur Nachprüfung zu empfehlen. 

Ich erlaube mir, in Folgendem die diesen Fall betref¬ 
fende Krankengeschichte kurz zu referiren: 

Frau von NN., 23 Jahre alt, hatte 3 Mal geboren, das letzte 
Mal ein angeblich nicht voll ausgetragenes Kind, das bald 
nach der Geburt gestorben war. Alle drei Geburten waren 
sclnell und leicht von statten gegangeu. Letzte Menses am 
10. Juli 1891. — Am 22. März c., also ca. 3 Wochen vor dem 
präsumptiven Termin der zu erwartenden Niederkunft, war, 
ohne nachweisbare Veranlassung, die Blase gesprungen, wobei 
sich angeblich 1—2 sehr schwache Wehen gezeigt hatten. — 
Um 5 Uhr Morgens des 23. März wurde ich zu der Pat. abge¬ 
holt. Die von mir sofort vorgenommene Untersuchung er- 
giebt: H. Schädellage; Kopf im Becken; der Muttermund für 


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: r -. 




175 


2—3 Finger durchgängig. — Foetale Herztöne 140. Wehen 
sind nicht vorhanden. Fortwährend sickert Fruchtwasser aus 
den Genitalien. Um 10 Uhr wird Pat. gebadet. — Da bis 
2 Uhr Nachmittags keine Wehen sich eingestellt haben, wer¬ 
den mehrfach warme Scheidendouchen applicirt, doch ohne 
einen Erfolg. Die foetalen Herztöne zeigen fortdauernd nor¬ 
male Frequenz, das Befinden der Kreissenden ist ein vortreff¬ 
liches. Die Nacht vom 23.-24. wird von ihr schlafend ver¬ 
bracht. Am Morgen des 24. werden, nachdem Pat. noch ein 
Bad genommen, wiederum warme Ausspülungen gemacht, der 
Uterus leicht massirt, heisse Umschläge auf den Leib gemacht. 
Da alle diese Maassnahraen nicht den gewünschten Erfolg 
haben, d. h. Wehen sich nicht einstellen, beschliesse ich, der 
Kreissenden, die sich übrigens in Folge der steten Aufregung 
recht angegriffen fühlt, nach dem Vorschläge von Drapes 
Vin. Ipeoacuanhae zu geben. Um 12 Uhr Mittags werden 
der Pat. 15 Tropfen desselben gereicht. Um halb 1 Uhr be¬ 
hauptet die Kranke, dass «ihr Leib plötzlich hart» geworden 
sei. Um halb 2 Uhr werden wieder 15 Tropfen eingegeben. 
Ungefähr dreiviertel Stunde nach der Verabreichung der zwei¬ 
ten Dosis beginnen kräftige normale Wehen. Um 4 Uhr Nach¬ 
mittags mehrmaliges Erbrechen. — Da die Wehen gegen 
Abend schwächer werden und um ca. 10 Uhr Abends last 
ganz aufhören, wird zum dritten Mal Vin. Ipecacuanhae ge¬ 
geben, und zwar we^en der bestehenden Uebelkeit nur 5 Trö¬ 
ten. — Sehr bald tritt auch dieses Mal die Wirkung des Mit¬ 
tels ein. In Folge der erneuten energischen Wehen- 
thätigkeit wird um 12 Uhr das nicht asphyktische Kind 
geboren. — Partus siccus. — Spontane Ausstossung der Pla- 
centa. — Normales Wochenbett. 

Es ist ja selbstverständlich, dass dieser eine Fall noch 
keineswegs die Unfehlbarkeit des Drapes’schen Verfah¬ 
rens darthun kann, doch glaubte ich denselben der 
Kenntnissnahme der Collegen umsoweniger vorenthalten 
zu dürfen, als er durch den absoluten Mangel an 
Wehen, der nach dem Gebrauch des Vin. Ipecacuanhae 
gehoben wurde und einer normalen Geburtsthätigkeit 
der Gebärmutter Platz machte, die uterine Wirkung des 
genannten Medicaments in prägnanter Weise zum Aus¬ 
druck zu bringen scheint. 

Merkwürdig aber und gewiss zu einer mehr skepti¬ 
schen Auffassung des Vorschlages von Drapes berechti¬ 
gend ist der Umstand, dass die besprochene Wirkung 
der Radix Ipecacuanhae, welch’ letztere ja bekanntlich 
seit dem Ende des 17. Jahrhunderts vielfach im Gebrauch 
ist, nicht schon früher beobachtet worden ist. Sollte 
sich dagegen in der Folgezeit das Drapes’sche Verfahren 
bewähren, so darf das Vin. Ipecacuankae als eine nicht 
zu unterschätzende Bereicherung unseres geburtshilflichen 
Arzneischatzes betrachtet werden und zwar besonders 
wegen seiner Eigenschaft, normale nicht tetanische 
Contractionen des Uterus hervorzurufen, ein Vorzug, der 
noch erhöht wird durch die relative Ungiftigkeit des Mit¬ 
tels und die geringe Umständlichkeit seiner Anwendung. 


Referate. 

G. Naumann (Helsingfors): Ein für Peri- und Para- 
typhlitis pathognomonisches Symptom. (Hygiea,1891 
November). 

N. giebt an, dass bei alternirendem Druck auf die lleocoe- 
cal- und Lumbalgegend ein quatschender Laut entsteht, be¬ 
ruhend auf dem Durchdrücken von Gas durch Eiter, ein Laut, 
der keine Aehnlichkeit hat mit dem gurrenden Laut, mit dem 
Gase sich durch den Darm bewegen. Er schreibt diesem 
Symptom pathognomonische Bedeutung zu und hat gestützt 
darauf in mehreren zweifelhaften Fällen mit Glück frühzeitig 
operirt. 

(Wo viel Flüssigkeit in den Därmen ist, z. B. bei Typhus, 
entsteht bei Druck auf die Ileocoecalgegend gleichfalls ein 
quatschender Laut, weshalb doch, auch wenn sich das N a u - 
mann’sche Symptom bewahrheiten sollte, vor Verwechselung 
gewarnt werden muss Ref.). Buch (Willmanstrand). 

Prof. J. G. Edgren: Behandlung der serösen Pleuritis 
mit salicylsaurem Natron. (Hygiea, 1891. Nr. 11). 

Verf. hat 8 Fälle von seröser Pleuritis nach Aufrechte 
Empfehlung mit salicvlsaurem Natron behandelt und hat 
durchaus den Eindruck, dass dasselbe im Verein mit Stille¬ 
liegen und rrie8snitz’schen Umschlägen die Heilung befördert 
und die subjectiven Symptome abküizt, er räth daher zu 
weiteren Versuchen, da das Mittel vernünftig angewandt un¬ 


schädlich sei. fEr gab es in Graramdosen, die ersten Tage zu 
5 Gramm, später 4 und 3 Gramm täglich, 8—10 Tage hin¬ 
durch. Sind die Exsudate grösser, müssen sie vorerst punc- 
tirt werden. Buch (Willmanstrand). 

Hans Aronsohn und Paul Philip: Ueber die Anfer¬ 
tigung von Sputumschnitten und die Darstellung 
der eosinophilen Zellen in denselben. (Deutsche med. 
Wochenschrift Nr. 3). 

Die zu untersuchenden Sputa lässt man direct in eine 
kaltgesättigte Auflösung von Sublimat in 0,75°/o Kochsalz¬ 
wasser expectoriren, woselbst sie 6—12 Stunden verbleiben. 
Nach kurzem Abspülen in Wasser folgt die Uebertragung in 
70°/o Alkohol, dem Jodtinctur bis zur Burgunderfärbung hin¬ 
zugesetzt wird und der, falls Entfärbung eintritt, erneuert 
wird, dann weitere Härtung in reinem Alkohol von aufstei¬ 
gender Concentration. Die durch die Härtung geschrumpf¬ 
ten Ballen werden für je 24 Stunden in eingedicktes Cedern- 
holzoel, Xylol und gesättigte Paraffinxylollösung gebracht; 
schliesslich kommen sie auf 24 Stunden in den Brutschrank 
in einer bei 37° gesättigten Paraffinxylollösung und dann 
4—6 Stunden in Paraffin von geeignetem Schmelzpunkt. Nach 
dieser Bearbeitung war es den Autoren möglich, durchweg 
Schnitte von fünf Mikra und darunter zu erhalten. Bei einem 
9jährigen Knaben mit typischem Bronchialasthma gelang es 
in den auf eben beschriebene Weise vorbereiteten Sputum¬ 
schnitten eosinophile Zellen in einer Massenhaftigkeit und ty¬ 
pischen Art nachzuweisen, wie es in andrer Weise nicht mög¬ 
lich ist. Gerade für die Untersuchung des Asthma-Sputums 
ist nach den Autoren die Methode sehr geeignet. 

Abelmann. 

A. Strümpell: Zur Kenntniss der primären acnten Po¬ 
lymyositis. (Deut. Z. f. Nervenheilkunde I. Bd. XIX). 

An die bisher beobachteten 10 Fälle von Polymyositis (Un- 
verricht, Wagner, Hepp u. A.) reiht Verf. eine eigene 
Beobachtung und zeichnet auf Grund dieser 11. Beobachtungen 
das Krank hei tsbild der primären acuten Polymyositis. 

Die Krankheit befällt, abgesehen vom Kindesalter, alle 
Altersklassen; sie beginnt meist allmälig; bei acutem Beginn 
kommt es auch zu Allgemeinerscheinungen, als Unwohlsein, 
Schwindel, Kopfschmerz, Uebelkeit etc. dann stellen sich 
krampfartige Schmerzen ein in den Extremitäten, im Rücken, 
im Kreuz und zwischen den Schultern. Die Kranken werden 
bettlägerig, die Beweglichkeit leidet und zwar bleiben die 
Finger und Füsse am längsten verschont. Auch die Athmungs- 
und Schlingmuskulatur wird ergriffen und in schweren Fällen 
sogar die Kopf-, Zungen- und Augenmuskeln. Die Muskeln 
werden stark druckempfindlich und haben wohl auch ein ver¬ 
mehrtes Volumen, jedoch wird dieses Symptom durch ödema- 
töse Schwellung der benachbarten Weichtheile und der Haut 
verdeckt (collaterales entzündliches Oedem), die Contouren der 
Muskeln verschwinden und es erhalten namentlich die Vor¬ 
derarme eine spindelförmige Gestalt. Das Gesicht wird nur 
in geringem Grade von dem Oedem heimgesucht. Die Haut 
betheiligt sich ausserdem durch verschiedene Exantheme 
(Erythem, Urticaria, snbcutane Blutungen, Herpes labialis) an 
dem Process. 

Sensibilitätsstörungen stärkeren Grades fehlen, die Reflexe 
Bind entweder erhalten oder abgeschwächt, die elektrische 
Erregbarkeit d9r Muskeln ist stark herabgesetzt oder ganz 
aufgehoben. Ausserdem wurden häntig Angina, Stomatitis und 
vermehrte Salivation beobachtet. Die Milz war besonders bei 
den acuten Formen deutlich geschwollen. Als complicatorische 
Affectionen sind besonders wichtig Erkrankungen der Respi¬ 
rationsorgane. Die Körpertemperatur kann beträchtliche Stei¬ 
gerungen zeigen. St. unterscheidet acute und chronische und 
schwere (exitus letalis) und leichte (Heilung) Fälle. 

Durch therapeutische Maassregeln konnte bis jetzt nur eine 
Erleichterung der Beschwerden erzielt werden. 

In differentialdiagnostischer Beziehung kommen in Betracht 
die Trichinosis und Polynenritis. 

Anatomisch erscheint der erkrankte Muskel häufig geschwollen 
und es wechseln hellgrüne Stellen mit braunrothen ab, er ist 
trocken und mürbe. Die mikroskopische Untersuchung zeigt 
Verlust der Querstreifung, körnige Trübung, ödematöse, hyaline 
oder wachsige Entartung, Vacuolenbildung und Vermehrung 
der Kerne. Auch das interstitielle Gewebe ist ergriffen und 
zeigt Veränderungen acut-entzündlicher Natur. Neigung zu 
eitriger Einschmelzung des Gewebes besteht nicht. In aetio- 
logischer Beziehung hat Pfeiffer auf die Möglichkeit einer 
Gregarinen -Invasion hingewiesen, jedoch sind St.’s dahinzie¬ 
lende Untersuchungen negativ ansgefallen. Da sich bei der 
primären acuten Polymyositis eine fast allgemeine diffuse 
Muskelerkrankung findet, spricht Verf. die Vermuthung aus, 
dass es sich nicht um örtliche Anwesenheit der Infectionser- 
reger handele, sondern um Einwirkung eines im Blut gelösten 
Toxins. Kusick (Reval), 


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176 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

F. Beely und E. Kirchhoff. Der menschliche Fuss, seine 
Bekleidung und Pflege. Tübingen Verl. d. H. Lanpp’- 
ßchen Buchhandlung. 

Die 109 Octavseiten starke Brochiire behandelt in populär¬ 
wissenschaftlicher Weise die stets brennende Stiefelfrage. Sie 
enthält in Kürze die descriptive und plastische Anatomie des 
Ftisses, seine Forraveränderungen ira Stehen und Gehen, giebt 
eine Kritik der bislang vorgeschlagenen Sohlenformen (H. v. 
Meyer, Günther, Vötsch,. Starcke, Weber, Gross, 
Brandt von Lindau) und bringt entschieden rationelle Vor¬ 
schläge in letzterer Beziehung für den normalen Fuss, Platt - und 
Klumpfuss. Die Sohlenform entspricht in gewinnender Weise 
nicht nur der Ratio, sondern auch der Mode. Das Büchlein 
sollte nicht nur vom Arzt und gebildeten Schuhmacher, sondern 
von Jedem studirt werden, der seine Fnsse werth hält. Zahl¬ 
reiche Holzschnitte erläutern den Text. Ein Litteratnrver- 
zeichniss am Schluss (42 Nr.Nr.) ist wohl sicher als erschöpfend 
zu bezeichnen. Selenkow. 


Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

1178. Sitzung am 18. März 1892. 

Anwesend 51 ord. Mitglieder und 15 Gäste. 

1. Dr. Schön fei dt demonstrirt einige dicht von eingekap¬ 
selten Trichinen durchsetzte Muskelstücke und eine Reihe 
mikroskopischer Präparate aus der Leiche eines jüngst in 
Rothenberg verstorbenen Paralytikers (accidenteller Leichen¬ 
befund). 

2. Dr. A. Bergmann stellt einen Patienten vor, der bei 
seiner Aufnahme ins allg. Krankenhaus am 29. Januar c. an- 
gab, es sei ihm am 24. Dec. 1891 ein grosser Stahlsplitter mit 
Gewalt gegen die Stirn geflogen und dort so fest eingedrun¬ 
gen, dass es eines erheblichen Kraftaufwandes bedurfte um 
ihn zu entfernen; in 8 Tagen sei die Wunde geheilt. Darauf 
haben sich sehr starke und anhaltende Kopfschmerzen einge¬ 
stellt, die ihn im Krankenhause Hilfe zu suchen veran¬ 
lassen. 

Pat. ist theilnahmlos, leicht soporös, antwortet aber auf 
gestellte Fragen, lässt den Harn unter sich. Kein Fieber. 
Puls 68, von gewöhnlicher Beschaffenheit. Auf der rechten 
Seite der Stirn eine sehr druckempfindliche, dem Stirnbein 
adhärente Narbe. Die linke Gesichtshälfte schlaffer, als die 
rechte, auch die linken Extremitäten schwächer, als die rech¬ 
ten. Stauungspapille angedeutet. Die Temperatur hinter dem 
rechten Ohr nm 0,8 höher als links. 

Trotz Fehlens ausgesprochener Symptome intracraniellen 
Druckes wird Hirnabscess angenommen; am 31. Januar das 
Stirnbein aufgemeisselt, eine Probepunction ergiebt Eiter; 
mittelst Kreuzschnittes durch die Dura ein etwa apfelgrosser 
Hirnabscess eröffnet. Aseptischer Verband Sofort nach der 
Operation schwindet die Incontinentia urinae, eine Woche 
nach der Operation sind beide Hände gleich stark. — Etwa 
4 Wochen nach der Operation 2 Tage lang Temperatursteige- 
run^; die deswegen gehegte Befürchtung einer Eiterretention 
ist jedoch durch die ungestörte Heilung nicht gerechtfertigt, 
worden. 

Hierzu ergänzt Dr. Dahlfeldt: am Tage vor der Opera¬ 
tion war eine krankhafte Veränderung der rechten Papille 
nicht sicher nachweisbar: es war dies erschwert durch eine 
angeborene Anomalie (markhaltige Sehnervenfasern). In der 
ersten Woche nach der Operation wurde Schwellung und 
Trübung der Papille rechts deutlich nachweisbar: dazu kamen 
venöbe Stauungen und einzelne kleine Blutungen; auch links 
stellten sich dieselben Erscheinungen ein. jedoch in geringe¬ 
rem Grade. In der zweiten Woche keine Veränderung; dage¬ 
gen nach etwa 3 Wochen wieder eine Zunahme des Processes, 
namentlich links, bei gleichzeitigem Fieber, was zur Befürch¬ 
tung Veranlassung gab, es handle sich um Eiterrentention, 
resp. Affection der Hirnhäute. -- Unterdessen hat sich jedoch 
der Process am Augenhintergrunde bedeutend gebessert, so 
dass heute nur noch ein unbedeutender Rest, bestehend in 
ganz leichter Trübung der Papillengreuze und massiger venö¬ 
ser Hyperaemie, nachweisbar ist. 

Dr. F. Berg stellt einen Pat. vor, zu welchem er im Octo- 
ber vorigen Jahres nach Polotzk gerufen wurde: im Ueberfall 
w r ar ihm die rechte Seite des Stirnbeins eingeschlagen worden. 
Pat. war bei klarem Bewusstsein, konnte jedoch über die 
Verletzung keine näheren Angaben machen. Puls 40—50 in 
der Minute. Auf der rechten Seite der Stirn eine stark ge¬ 
rissene dreieckige Wunde; ein Knochenfragment von der 
Grösse eines Fünfkopenstückes ist ins Hirn gedrungen. Tre- 
anation. Entfernung des Knochenfragments. — Am 12. Dec. 
ommt Pat. nach Riga ins Diakonissenhaus wegen heftigster 


Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit. Temperatur etwas über 
38, Stauungspapille; Pat. ist läppisch-unsauber: keine Läh- 
n.ungserscheinnngen, Hyperaesthesie der rechten Schädelhälfte. 
Die Wunde wird erweitert, der Rand des Knochendefects ab- 
gemeisselt, die Dura eröffnet, es findet sish jedoch dort kein 
Eiter: etwa 20 zum Theil auch nach links hinüber mit einer 
6—7 Zoll langen Hohlnadel ausgeführte Probepunctionen füh¬ 
ren ebenfalls zu keinem Resultat. — Ziemlich derselbe Zu¬ 
stand bei leichter Bewusstseinstrübung bis zum 1. Januar, an 
welchem Tage sich im Verband eine reichliche Eitermenge 
findet; gleichzeitig wird das Bewusstsein klar und Pat. sauber. 
Bald aber stellt sich unter Fiebererscheinungen wieder das 
alte Bild ein, das sich erst nach Abtragung eines die Eiter¬ 
entleerung behindernden Hirnprolapses und Einführung 
von Jodotormgazestreifen wieder bessert. Trotzdem dass aus 
dem unteren Wundwinkel beständig etwas Eiter sickert, ver¬ 
schlimmert sich der Zustand des Patienten Ende Februar: 
er fiebert, ist unklar, unsauber, neigt dazu nach links umzu¬ 
fallen. 8 Tage später entleert sich plötzlich eine grössere 
Menge von Cerebrospinalflüssigkeit; gleichzeitig wird Pat. 
völlig taub. Jetzt ist Pat. bei klarem Bewusstsein und sau¬ 
ber, jedoch hat sich sein Gehör absolut nicht gebessert. 

Vortr. nimmt an, dass Pat. ausser dem Abscess, welcher 
sich am 1. Jan. entleerte, noch einen zweiten an der Hirnba¬ 
sis hat, den operativ zu erreichen leider keine Aussicht vor¬ 
liegt. 

Hierzu ergänzt Dr. Zwingmann: Während anfangs (Mitte 
December) an beiden Angen beginnende Stauungsneuritis zu 
constatiren war, entwickelte sich nach dem ersten Eingriff 
rechts prononcirte Stauungspapille, links Neuroretinitis mit 
circumpapillären Blutungen, bei bedeutender Abnahme der 
Sehschärfe, die namentlich links hochgradig wird. Mit der 
Besserung des Allgeraeinzustandes geht der neuritische Pro¬ 
cess beiderseits zurück und hebt sich die Sehschärfe. Bei der 
folgenden Verschlechterung des allgemeinen Krankheits¬ 
bildes bleibt die Papillitis beiderseits unverändert und geht 
dann langsam rechts fast völlig, links ebenfalls bedeutend 
zurück, ohne dass die Sehschärfe weiter steigt. 

Dr. Voss berichtet über die angebliche Taubheit des letz¬ 
teren Patienten: die Umgebung des Kranken behauptet, er 
höre absolut Nichts. Mit der Stimmgabel gemachte Versuche 
beantwortete anfangs Pat. jedoch derart, dass daraus folgt, 
er höre bei benutzter Knochenleitung, bei Luftleitung aber 
nicht (die Knochenleitung wurde bei diesen Versuchen über¬ 
haupt nicht benutzt). Später giebt Pat. an, bei benutzter 
Luftleitung die Stimmgabeltöne zu hören, bezeichnet c* höher 
als c\ hält aber letzteren 'I on mit c. für gleich. Von sich 
aus giebt Pat. an: «ich höre, aber verstehe Nichts^- Letzte¬ 
ren Eindruck hat auch Dr. Voss, und glaubt den Fall mit 
Seelentaubheit bezeichnen zu müssen. 

Dr. Ed. Schwarz berichtet aus der Litteratur, dass die 
traumatischen Hirnabscesse in der Regel in der Tiefe des 
Hirns unterhalb der von dem Trauma getroffenen Stelle des 
Schädels gefunden werden, in Ausnahmefällen aber auch in 
entfernten Hirnparrien ein zweiter Abscess vorhanden war. 
Auch in dem von Dr. Berg vorgestellten Falle sei es mög¬ 
lich, dass ausser dem einen Abscess, welcher sich entleerte, 
ein zweiter existirt. Die Taubheit des Pat. scheint Redner 
nicht Seelentaubheit, oder nicht Seelentaubheit allein zu sein. 
Nachdem er die Analogie beider Fälle in dem Verhalten der 
Sehnervenpapille besprochen, was vielleicht einen Hoffnungs¬ 
schimmer für den zweiten zu sehen erlaube, referirt er, die 
Indication zur Operation betreffend, die Behauptung von Go- 
wers. dass auch bei Mittelohreiterung, ohne Hirnabscess, 
Stauungspapille beobachtet werden könne. 

Dr. A. Bergmann bezweifelt die Zweckmässigkeit der 
Probepunction mit so langen Nadeln, wie Dr. Berg sie be¬ 
nutzte. Man habe auf diesem Wege wenig Chancen, Eiter 
zu finden, dagegen die Gefahr der Hirnverletzung. 

Dr. Berg dagegen hält sich für berechtigt, resp. verpflich¬ 
tet, jedes Mittel anzuwenden, das die Möglichkeit bietet den 
Eiterherd aufzudecken, wenn wie in seinem Fall ein Hirn¬ 
abscess sicher diagnosticirt ist- Die Gefahr, welche der nicht 
gefundene Hirnabscess für den Kranken darstellt, ist eben 
unendlich viel grösser, als die der ausgiebigen Probepunctio- 
nen. Die völlige Euphorie des Pat. bewies ausserdem, dass 
der Eingriff ihm keinerlei Schaden gethan. 

Dr. Ed Schwarz schliesst sich dem Vorredner an: weil er 
den Fall für verloren hält, wenn der Abscess nicht gefunden 
wird, will er einen solchen Eingriff, der den Eiterherd aufzu¬ 
decken im Stande ist, befürworten. 

Nach dem Dr. Klemm berichtet, dass auch Prof. Berg¬ 
mann — Berlin die Nadelpunctionen für relativ gefährlich 
und dabei wenig expeditiv erkläre, spricht Dr. Hampeln 
sich auf Grund seiner Erfahrungen beim Empyem dahin ans, 
dass die Hoflhung Eiter zu aspiriren, unabhängig sei von der 
Länge der Nadel. Schliesst der Stempel, so aspirirt die 
Spritze, ob mit langer oder kurzer Nadel armirt. 

3. Dr. Hach demonstrirt einen wegen multipler Fibrombil¬ 
dung per vaginam exstirpirten Uterus. 


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ITT 


Pat. 41 Jahr alt, litt seit vielen Jahren an Metrorrhagien und 
war bereits einmal mit einigem Erfolg mit subcut. Ergotininjec- 
tionen behandelt worden, als sie im Jahre 1882 in Behand¬ 
lung des Vortr. trat: Abrasio, Entfernung eines wallnuss- 

f rossen Fibroids. Nach längerem Aufenthalt in Görbers- 
orf wegen Spitzenkatarrhs im Juli 1886 wiederum Abrasio 
und Entfernung eines vom Fundus ausgehenden wallnussgros¬ 
sen Fibroids. Im October 1886 heirathet Pat., Menses regel¬ 
mässig und nicht stark. Im October 1888 vou l)r. Stryk 
ein Fibrom entfernt. Im Frühjahr 1890 neue Blutungen, im 
Juli Abrasio und Amputation der hypertrophischen vorderen 
Lippe. Nun Ruhe bis zum April 1891; von da an fast nnun er¬ 
brochene Blutungen bis zum November wo folgender Befund: 
Pat. äusserst anämisch, links wahrscheinlich marantische Ra- 
dialisthrombose. Uterus von der Grösse eines im <2. Monat 
graviden, die vordere vor einem Jahr araputirte Lippe kinder- 
ranstgross; im Cavnm Uteri ein Fibrom. 

Vaginale Totalexstirpation, erschwert durch Enge der 
Scheide bei vergrössertem Uterus. 

Collaps nach der Operation, Kochsalzinfusion ins Rectum. 
Bis auf grosse Schwäche anfangs zufriedenstellender Verlauf; 
am 10. Tage 38,3. Bald darauf Parametritis. marantische 
Thrombose erst des linken, dann des rechten Beins. Am 
19. Januar entleert sich per vaginam ein grosser Tampon, 
der im Douglas seit der Operation gelegen, danach Anfhören 
der allabendlichen Temperaturerhöhungen. 

Entlassen, erholt Pat. sich auf dem Lande. 

z. Z. Secretär: Heerwagen. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 31. März 1892. 

Zum Protokoll der vorigen Sitzung theiltHerr Tiling mit, 
dass auch er bestrebt gewesen ist, den Gebrauch des Chlo- 
roform’s bei Laparotomien nach Möglichkeit einzu¬ 
schränken; er hat bereits eine Reihe solcher Operationen: 
Gastrostomien, Darmresectionen, Kolostomien, Leberineisionen 
etc. ganz ohne Chloroform ansgeftihrt und sich dabei über¬ 
zeugen können, dass die bauchorgane uahezu unemp¬ 
findlich sind; wenn der Bauchschnitt durch subcutane 
Cocaiuinjeetionen schmerzlos gemacht worden war, gaben die 
Patienten selbst auf Befragen an, dass sie bei den Mani¬ 
pulationen an den Eingeweiden keine Schmerzen verspürten. 
Am Uterus und an dessen Adnexen hat T. auf diese Weise 
nicht operirt, weshalb er über die Nothwendigkeit des Chloro¬ 
forms bei gynaekologischen Laparo'oinien kein ITrtheil 
abgeben will; bei den oben genannten Operationen aber möchte 
er das Chloroform gar nicht anwenden, wofern die Bauchorgane 
nicht durch Peritonitis hochgradig empfindlich geworden sind. 
Das Aussehen der ohne Chloroform Operirten ist nach der 
Operation ein unvergleichlich besseres, der Puls ist besser, es 
tritt kein Erbrechen ein, — Vortheile, die vom grössten Werthe 
bind. 

1. Herr Anders demonstrirt einen Stützapparat aus mit 
Schellak getränktem Filz, den er für eine Coxitis-Kranke nach 
dem früher im Verein mitgetheilten Verfahren hergestellt hat. 

2. Herr Kernig spricht zur Behandlung der Angina 
pectoris: 

, Vortr. constatirt, dass dieses Leiden, wenigstens hier zu 
Lande, bei älteren Männern viel häufiger ist, als nach den 
Angaben der Handbücher angenommen werden könnte; dieses 
häufige Vorkommen hängt gewiss mit der grossen Verbreitung 
der Arteriosklerose zusammen, indem die typische Angina 

J iectoris, von welcher natürlich alle nenrasthenischen und 
ivsterischen Herzbeklemmungen auszuscheiden sind, wohl sicher 
ailf Sklerose der Coronararterien des Herzens beruht. Die 
schweren. stundenlangen Anfälle von Angina pec¬ 
toris sina wahrscheinlich auf thrombotische oder 
embolische Vorgänge in den genannten Arterien 
zurückzuführen K. hat zweimal Gelegenheit gehabt, diese 
Vernmthung durch die Section bestätigt zu sehen: in beiden 
Fällen war bald nach einem schweren Anfalle plötzlicher Tod 
erfolgt und wurde eine umschriebene Erweichung des Herz¬ 
muskels (thrombotischer oder embolischer Natur) mit begin¬ 
nender Demarcation des Herdes gefunden. Für eine solche 
Entstehung der Anfälle spricht auch die klinische Erfahrung, 
dass, wie K. beobachtet hat, in einzelnen Fallen in den 
nächsten Tagen nach dem Anfalle perikarditische Erschei¬ 
nungen auftreten, welche durch einen bis an das Perikard 
reichenden Erweichnngsherd erklärt werden können. Sind 
diese Voraussetzungen richtig, so ergiebt sich für die Therapie 
die unabweiBliche Forderung, solche Kranke während, — 
was selbstverständlich ist, — und nach dem Anfalle 
absolute Ruhe einhalten zu lassen, und zwar so lange 
(etwa 2 Wochen), dass der Herd im Herzmuskel Zeit hat, zu 
vernarben; K. rätli sehr dringend, diese Forderung der abso¬ 
luten Ruhe auch dann aufrecht zu erhalten, wenn Pat. sich 
nach dem Anfalle subjectiv ganz wohl fühlt und einen gnteu 


Puls hat. Jedenfalls schwebt ein solcher Kranker in der dem 
Anfalle unmittelbar folgenden Zeit in sehr grosser Gefahr und 
ist zu hoffen, dass diese Gefahr bei strenger Einhaltung der 
Ruhe und sorgsamer Vermeidung jeder unnützen Herzarbeit 
durch Vernarbung des erweichten Herzfleisches vorübergehen 
kann. In mehreren sehr schweren Fällen, welche K. nach 
dieser Regel behandelte, hat er keinen weiteren Anfall ein- 
treten sehen (in einem Falle bereits seit 4 Jahren kein Anfall \ 
Die Kranken haben ferner auch zu solchen Zeiten, in denen 
die Anfälle erfahrungsgemäss gehäuft eintreten, sich zu schonen 
und besonders das Gehen auf der Strasse in schwerer Kleidung 
absolut zu vermeiden; bei den ersten Anzeichen des Anfalles 
sollen sie sich sofort ruhig verhalten resp. hinlegen; wenn der 
Anfall auf der Strasse beginnt, sofort nach Hause fahren, ja 
nicht versuchen weiter zu gehen. Dahingegen will K. den 
Werth einer regelmässigen und rationellen Bewe¬ 
gung in der anfallsfreien Zeit nicht unterschätzen. 

Herr Moritz hält nicht die Sklerose derCoranararterien als 
solche für die eigentliche Ursache der Angina pectoris, sondern 
vielmehr die durch dieSklerose bedingte Verengerung 
des Lumens dieser Arterien, welche zu plötzlichen lebens¬ 
gefährlichen Circulationsstörungeu in lebenswichtigen Partien 
des Herzens führeu kann. M. hat mehrere Fälle beobachtet 
und drei secirt, in welchen eine solche Verengerung der Coronar- 
arterien als Ursache eines plötzlichen Todes nachzuweisen war, 
ohne andere erkennbare Veränderung am Heizen. Die Falle 
betrafen Männer aus den gebildeten Ständen, welche sehr 
muskelstark und kräftig waren, aber wenig Gelegenheit za 
körperlicher Arbeit dagegen eine anstrengende geistige Thätig- 
keit hatten. Dieselben waren anscheinend gesund gewesen, 
hatten keine grösseren Störungen der Herzthätigkeit (keine 
Arythmie, keine Stauungen, keine Dyspnoe) gezeigt, manch¬ 
mal aber Schmerz- und Angstanfälle cardialer Natur gehabt, 
uud zwar einige mit gleichzeitigem Schwindel resp. Ohnmachts¬ 
gefühl; letzteres Symptom scheint M. eine besonders ungünstige 
Bedeutung zu haben, so dass eine Combination des substernalen 
Schmerzes mit Schwindel ihn veranlasst, die Angehörigen auf 
die Möglichkeit plötzlichen Todes aufmerksam zu machen. 
Hält man solchen Fällen die grosse Zahl der mit allgemeiner 
und auch mit Corouar-Sklerose behafteten Männer aus der 
körperlich arbeitenden Klasse gegenüber, bei welchen die 
Angina pectoris und der Coronar-Tod eine Seltenheit sind, so 
kommt man zu der Annahme, dass die Körperarbeit und die 
damit verbundene gleich mässig und andauernd gesteigerte 
Herzthätigkeit einer verhängnissvollen Verengerung der skle¬ 
rotischen Coronararterien entgegenwirke. Daraus aber ergiebt 
sich für die Therapie die Folgerung, dass bei Verdacht auf 
Coronarsklerose, im Frühstadlum der Angina pec¬ 
toris und in der aufallfreien Zeit regelmässige und 
rationelle Körperbewegung durchaus indicirt und 
nothwendi$ ist. Wenn es somit auch unbedingt nöthig ist, 
den Pat. gleich nach dem Anfalle Ruhe einhalten zu lassen, so 
ist diese Ruhezeit nicht zu lange anszudehnen und bei Zeiten 
mit Bewegung anzufangen; selbstverständlich ist dabei Vorsicht 
zu beobachten und haben die Pat. solche Bewegungen, welche 
ihnen erfahrungsgemäss nicht zuträglich sind (z. B. aas forcirte 
Gehen nach dem Essen, in schwerer Kleidung etc.), durchaus 
zu meiden. 


3. Herr Kernig spricht über Hypostasen in den Lun- 

S en und erinnert an das oft unerwartet frühe und schnelle 
uftreten derselben namentlich bei älteren Leuten, die wegen 
irgend einer acuten Krankheit dauernd die Rückenlage ein¬ 
nehmen. Vortr. hat dieses besonders bei Typhlitis, Peritonitis, 
Gallensteinkolik incaicerirten Hernien etc. gesehen, warnt 
daher auch bei diesen Zuständen vor der permanenten Rücken¬ 
lage und räth, soweit dieses möglich, zu häufiger Untersuchung 
der Lungen solcher Kranker. Bei veränderter Körperlage 
können schon beginnende Hypostasen rasch und spurlos 
wieder schwinden. 

Herr Tiling bemerkt, dass es auch bei den Chirurgen Regel 
sei, den Kranken, besonders wenn er schon älter ist, unter 
keinen Umständen tagelang auf dem Rücken liegen zu lassen. 
Manche, an sich nicht schwere Erkrankungen und Verletzungen, 
wie z. B. die Fractura colli femoris können durch Lungen¬ 
hypostasen tödtlich werden. 

Herr v. Schroeder führt an, dass auch die Augenärzte 
ältere Patienten nach Cataraot-Extraction etc. nicht länger 
als 12 Stunden platt auf dem Rücken liegen lassen, um Lnn- 
genhypostasen vorznbeugen. Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— In der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien 
am 12. Februar stellte Prof. Albert eine Patientin vor mit 
einem Epitheliom an der Nasenwurzel und am linken Augen¬ 
lide, welche von Professor Adamkiewicz seit Wochen mi 
dessen Geheimmittel behandelt worden war. Albert 
findet bei der demonstrirten Kranken keine Spur irgend einer 


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Veränderung, welche als Folge der dnrchgefiihrten Behandlung 
angesehen werden könnte. Das Auftreten einer gewissen Menge 
dünnflüssigen Eiters auf der Oberfläche des Neoplasmas, von 
Adarnkiewicz als Reaction gedeutet, erklärt Albert als 
Conjunctivalsecret, das von der entzündeten Conjunctiva lierab- 
g;eflossen ist. Die Röthung in der Umgebung des Careinoms 
ist nach Albert und Kaposi als typisches Erysipel zu deuten. 
Zum Schluss der Demonstration bat Albert Prof. Adarnkiewicz 
zu veranlassen die in Behandlung erhaltenen Fälle vor Begiun 
derselben der Gesellschaft vorzustellen. 


Vermischtes. 

— Der Professor der pathologischen Anatomie an dem kli¬ 
nischen Institut der Grossfürstin Helene Pawlowna, Dr. 
M. J. Afanasjew, ist auf den Lehrstuhl der inneren 
Medicin übergeführt worden. 

— Der Privatdocent der Universität Kiew, Dr. I. S. Po¬ 
powski — ist zum ausserordentlichen Professor der 
operativen Chirurgie an der Universität Tomsk ernannt 
worden. 

— Der Oberarzt der Jausaschen Abtheilung des Arbeiter¬ 
hospitals in Moskau, Staatsrath Dr. N. A. Berensohn, hat 
seinen Abschied genommen. Die Moskauer Stadtduma hat be¬ 
schlossen. ihm den Dank der Stad Verwaltung für seinen lang¬ 
jährigen Dienst auszudrücken. 

— Aus St. Petersburg haben sich wieder 2 Partien von 
Studenten des letzten Cursus der militär-medicini- 
schen Akademie zur Htilfeleistung in die von der Hungers- 
noth und epidemischen Krankheiten heimgesuchten Gouverne¬ 
ments begeben, und zwar die eine aus 8 Mann bestehende 
nach Nishni-Nowgorod, die zweite, bestehend aus 5 Mann, 
nach Ssamara. 

— Der Flecktyphus macht in den von der Hungersnoth 
heimgesuchten Gegenden Russlands immer grössere Fort¬ 
schritte. Im Kasanschen Kreise haben in Folge der dort 
grassirenden Typhusepidemie von den 86 Landschaftsschulen 
bereits 22 geschlossen werden müssen. In Astrachan und in 
vielen an der Wolga belegenen Städten herrscht bereits seit 
dem Anfang dieses Jahres der Flecktyphus; es steht daher zu 
befürchten, dass mit Eröffnung der Navigation der Typhus 
auch in die bis jetzt verschont gebliebenen Gegenden der 
Wolga verschleppt werden wird, falls nicht energische Maass¬ 
regeln zur Verhütung der Verschleppung ergriffen werden. 

— Im Gouvernement Orel sind, wie die örtliche Zeitung 
berichtet, die dortigen Aerzte Arshanikow, Rohstein, 
Schneider, Scheljachowski und Lewschin am Fleck¬ 
typhus erkrankt. 

— Aus der ersten Gruppe der Studirenden der militär-medi- 
cinischen Academie, welche sich im März-Monat zur Hülfe- 
leistung in’s Ssamarasche Gouvernement begaben, ist bereits 
der Student Bary (ein Sohn des hiesigen Arztes gleichen 
Namens) noch vor Erreichung des Bestimmungsortes am Fleck¬ 
typhus erkrankt. 

— Dr. J. J. Lebedinski, Ordinator am Kinderhospitaldes 
Prinzen von Oldenburg, hat sich mit Genehmigung der Con- 
ferenz der militär-medicinischen Academie als Privatdocent 
für Kinderkrankheiten an der genannten Akademie 
habilitirt. 

— Verstorben: 1) In Moskau am 16. April der Militär- 
Medicinalinspector des dortigen Militärbezirks Geheimrath Dr. 
Nicolai Dobrjakow im61. Lebensjahre. Der Hingeschiedene, 
welcher seine med. Ausbildung in der medico-chirurgischen 
Academie erhalten hatte, war bekannt als ein herzensguter 
Mensch und ausgezeichneter College. Ihm verdankt die Stadt 
Moskau die Gründung der unentgeltlichen «Heilanstalt der 
Militärärzte». D. ist auch mehrfach literarisch thätig gewesen 
(«Ueber Diabetes»; «Ueber Lyssa»). 2) Der Landschaftsarzt 
E. Rodionow am Flecktyphus. Er hat seine Frau ganz 
mittellos hinterlassen. 3) Im Gouv. Wolhynien der Landarzt 
P. A. Michalewitsch im 34. Lebensjahre am Flecktyphus. 
4) Am 1. März in Lgow (Gouv. Kursk) der noch junge Arzt 
D. G. Uspenskian Tuberculose. 5) In Leipzig der ausge¬ 
zeichnete Anatom Prof. Dr. Braune im 60. Lebensjahre. 

— Prof. Dr. Robert Koch, Director des Berliner Instituts 
für Infectionskrankheiten, welcher in der preussischen Armee 
als Generalarzt II. Classe ä la suite des Sanitätscorps gezählt 
wurde, ist zum Generalarzt 1. Classe befördert worden. 

— Prof. Dr. Walter Heineke beging am 1. Mai d. J. 
das 25jährige Jubiläum als Professor und Director der 
chirurgischen Klinik in Erlangen, bei welcher Gelegenheit 
demselben von seinen Schülern und Verehrern Ovationen 
bereitet wurden. 

— Dr. Kitasato, einem der hervorragendsten Schüler Prof. 
Koch’s und langjährigem Assistenten desselben, ist, wie die 
«Allg. m. C.-Ztg.» mittheilt, bei seinem Scheiden aus Berlin 
der preussiscne Professortitel verliehen worden. Der¬ 
selbe übernimmt, wie wir bereits berichtet haben, die Leitung 


eines in Tokio zu errichtenden Instituts für Infectionskrank¬ 
heiten. 

— Einer unserer Landsleute, Dr. Julius Moritz in Berlin, 
welcher bereits einige Zeit als technischer Hilfsarbeiter im 
Kais.-Deutschen Gesundheitsamt etatmässig fungirt, ist soeben 
zum Kaiserlichen Regierungsrath und ordentlichen Mitgliede 
des genannten Gesundheitsamtes ernannt worden. Dr.’Jul. 
Moritz (ein Bruder des hiesigen Oberarztes des deutschen 
Alexanderhospitals Dr. E. Moritz) hat kurze Zeit in Dorpat 
studirt, darauf seine Studien in Heidelberg fortgesetzt, wo er 
zum Dr. chem. promovirt wurde. 

— Als Leiter für die bei der Universität Insbruck zu errich¬ 
tenden Klinik für Kehlkopf- und Nasenkrankheiten ist der 
bekannte Warschauer Laryngologe Dr. Heryng in Aussicht 
genommen. 

— Zwei Tageblätter — der «Grashdanin» und die «Moskow- 
skija Wjedoinosti» — haben sich nicht entblödet, in ihren 
Spalten anonyme Zuschriften zu veröffentlichen, in welchen 
die Ssaratowschen Aerzte wegen ihres mannhaften Auftretens 
gegen den Landschaftspräsidenten Krapotkin mit Schmutz 
beworfen und als Intriguanten,ja fast als politisch Verdächtige 
hingestellt werden. 

Gegenüber diesen Versuchen, einen Schatten auf die mann¬ 
hafte Handlungsweise der Ssaratowschen Aerzte zu werfen, 
ist es erfreulich constatiren zu können, dass den Letzteren 
die moralische Unterstützung der Collegen in reichem Maasse 
zu Theil wird. Ausser den von uns bereits früher erwähnten 
Beschlüssen des hiesigen ärztlichen Rechtsschutzvereins, der 
Ssaratower Abtheilung desselben und des Ssaratower Sanitäts¬ 
vereins in dieser Angelegenheit, sind noch von den Gesell¬ 
schaften der Astrachan sehen, der Kalugaschen, der Simbirsk’- 
sehen Aerzte, der Kostromascuen Abtheilung des ärztl. Rechts¬ 
schutzvereins, so wie von 8 Landschaftsärzten des Usman’schen 
Kreises schriftliche Kundgebungen den Ssaratowschen Land¬ 
schaftsärzten zugegangen, in welchen denselben einmiithig die 
volle und innige Sympathie der Collegen ausgedrückt und 
deren Handlungsweise als mit der ärztlichen Würde vereinbar 
bedingungslos gutgeheissen wird. 

— In Brüssel wird ein internationaler Congress von 
Gynäkologen und Geburtshelfern vom 14.—19. Sept. 
d. J. stattflnden. Mit demselben wird eine Ausstellung von 
Instrumenten und Apparaten, die auf diesen Zweig der Medi¬ 
cin Bezug haben, verbunden werden. Es werden alle Behör¬ 
den, Stadtverwaltungen, Universitäten, Schulen und gelehrten 
Gesellschaften aufgefordert, sich an diesem Congress durch 
Delegirte zu betheiligen. Das Organisations-Comite besteht 
aus den Professoren Kufferath (Präsident), Debaisieux 
(Vicepräsident), Fraipont, Desquin und Tournay und dem 
Generalsecretär Dr. Jacobs. Etwaige Anfragen sind an 
letzteren unter der Adresse: «Monsieur le Dr. Jacobs 12, Rue 
des Petits Cannes ä Bruxelles» zu richten. 

— Am 29. April ist Se. Exc- der Stadthauptmann von St. 
Petersburg General-Lieutenant Gresser nach 5 tägigem schwe¬ 
rem Leiden in Folge septischer Gangraen beider Beine, die er 
sich durch subcutane lnjection des sog. «Vitalin» zugezogen 
hatte, gestorben. Der iu allen hiesigen Tagesblättern aus¬ 
führlich mitgetheilte rapide Verlauf der Krankheit, die ihren 
Ausgang an den Injectionsstellen nahm, entspricht in allen 
seinen erschütternden Details dem bekannten Bilde jenes schreck¬ 
lichen Leidens, bei welchem unsere ärztliche Kunst bisher 
fast vollkommen machtlos ist. Die hinzugezogenen Aerzte 
vermochten daher dem raschen Fortschreiten der Krankheit 
auch keinen Einhalt zu thun, ebensowenig wie das am letzten 
Lebenstage innerlich gegebene, wohl aus Verzweiflung an der 
Hülfe aller sonstiger Mittel von den Verwandten in Anwen¬ 
dung gebrachte «Vitalin». — Es ist ein tragisches Geschick, 
dass unser Stadthaupt mann, der durch seinen klaren Blick für 
die sanitären Bedürfnisse unserer Stadt, seine ungewöhnliche 
Energie und unermüdliche Arbeitskraft die sanitären Verhält¬ 
nisse St. Petersburgs auf eine noch nie erreichte Höhe gebracht 
und sich damit ein bleibendes Denkmal gesetzt hat, in der 
Fülle seiner Kraft durch das Geheimmittel einer Curpfnschers 
zu Grunde gehen musste und nur zu verständlich ist der all¬ 
gemeine Unwille gegen das unter dem Patronate einiger 

läubiger Clienten fortgesetzte schädliche Treiben dieser Leute, 

em wir auch diesen schweren Verlust zu danken haben. Es 
soll übrigens nicht der erste sein, der dem Erfinder des famosen 
«Vitalin», Gaczkowski, zur Last füllt, da die Tagesblätter 
bereits am 26. April den in Folge von Vitalineinspritzungen 
erfolgten Tod des Generalmajors K. P. Baranow meldeten. 
Vor weiteren Opfern des Mittels oder seines Erfinders wird 
die Gesellschaft nun znnächst wohl geschützt sein, da am 27. 
April bei Gaczkowski eine Haussuchung stattgefunden hat 
und ihm sein Vitalin nebst allem Handwerksgeräth zur Berei¬ 
tung und Anwendung desselben abgenommen worden ist; von 
einer Arretirung ist indessen noch nichts zu hören. Das Mittel 
soll nun gerichtlich untersucht werden, um festzustellen, 
ob es in der That die vom Erfinder angegebene Lösung 
30 pCt. Borax in Glycerin darstellt oder noch andere 


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179 


schädliche Stoffe enthält. Als sich die Kunde von dem 
neuen alle Krankheiten heilenden Mittel bei uns verbreitete, 

f laubten viele, dass es sich um eines der bekannten, bei 
eil Chinesen hochgeschätzten, aus jungem, noch weichem 
Hirschgeweih oder der Wurzel Shin-Tscheng bereiteten Le- 
benselixire (auch angeblich Aphrodisiaka) handle, da Gaczkow- 
ski, wie verlautete, an der chinesischen Grenze gelebt haben 
sollte. Jetzt hat letzterer angesichts des angerichteten 
Unheils und der von ihm geforderten Rechenschaft obige Zu¬ 
sammensetzung des Mittels angegeben, wonach dasselbe, wenn 
die Angabe sich als richtig erweist, allerdings als bei vor¬ 
sichtiger Anwendung ungefährlich erscheint, aber auch als 
aller der gerühmten, heilenden Eigenschaften entbehrend, da 
wohl Niemand jene Boraxlösung als Lebenselixir ansehen 
dürfte. Das ganze durch den Nimbus des Geheimnisses ge¬ 
tragene Unternehmen erweist sich durch dieses Geständniss als 
Schwindel der einfachsten Art. Ob allerdings dasselbe unge¬ 
fährliche Mittel beim verstorbenen Stadthauptmann angewandt 
worden ist, wird ja wohl die gerichtliche Untersuchung leh¬ 
ren : bestätigt sie es, so wird man als Quelle der Infection 
die Verunreinigung der Injectionsspritze oder jener Lösung 
mit septischen Stoffen anzunehmen haben. Wie weit diese 
Gaczkowski zur Last gelegt werden kann, wird sich ebenfalls 
erweisen; wie man hört, soll es in seiner Wohnung, wie auch 


bei Anwendung des. Mittels recht unsauber hergegangen sein 
und von einer Desinfection der Spritze für die verschiedenen 
Kranken nicht die Rede gewesen sein, wie das ja auch nicht 
anders bei einem solchen Curpfuscher zu erwarten ist. 

Welche Resultate aber die gerichtliche Untersuchung zu 
Tage fördern mag bezüglich der Schuld Gaczkowski’s am 
Tode unseres verehrten Stadthauptmanns, ein Gutes wird 
sie hoffentlich zur Folge haben, dass Uber das Verfahren die¬ 
ses Curpfnschers ein Licht verbreitet wird, das unsere zu 
leichtgläubige Gesellschaft über die gewissenlose Art, wie 
solche Leute handeln, aufklären und auch auf die vielen an¬ 
deren, bei uns noch vorhandenen und leider viel besuchten 
Curpfuscher ein Streiflicht werfen wird, das ihnen in der 
Ausübung ihres dunklen Handwerks schaden wird. Wann 
endlich wird es Leuten, wie Gaczkowski, Baron Wrewski und 
ähnlichen verboten werden die leichtgläubigen und unwis¬ 
senden Mitglieder unserer Gesellschaft an Leben und Gesund¬ 
heit zu schädigen? 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 12. Mai. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 4. Mai. 


ANNONCEN JEDER ART werden in der Buchhandlung von CARL RICKER in 

St. Petersburg, Newsky-Pr. 14, sowie in allen in- und ausländ. Annoneen-Comptoiren angenommen. 


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königliohen Universitätspoliklinik des Herrn Professor Dr. Senator, im Lazarns- 
Krankenhause vom dirigirenden Arzte Herrn Professor Dr. Langenbnch, ferner in 
der königlichen Charite, in den städtischen Krankenhäusern Moabit und Frie- 
drichshain, in der Klinik für Nervenleidende von Herrn Professor Dr. Bulenbnrg, 
sowie in der Klinik für innere Krankheiten von Herrn Professor Dr. Litten und 
Anderen; in Wien: im allgemeinen Krankenhause auf der Abtheilung des Herrn 
Professor Dr. Meynert von Herrn Dr. Sohubert und im städt. Krankenhause 
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benwirkungen hervorragende Dienste leistet. Bedeutend billiger als Antipyrin. 10 Gramm — 
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Von der Bahnstation eine Stande entfernt. 

,GuisMittel: Heben klimatischen Bedingungen, eisenhaltige an KohleusSure sehr 
reichhaltige, nach der Methode Seliwarz erwärmte Mineralbäder (im J. 1891 wurden 
über 34,600 verabreicht). Moorbäder mittelst Dampf erwärmt (im J. 1891 worden 
12,000 vesabceieht). Die bisherige Anzahl der Miueral-Badekabiuen wurde vermehrt, die 
Hälfte der Moor-Badekabinen wurde mit Dampfheizung versehen; weiters Trinkeur der 
Xcy&ica’er und Stotwina’er Mineralwasser, Molken, Kefir, ferner Gymnastik in dem 
ihieau im Park eigens erbeuten Gebäude u. s. w. 

^Wohnungen: Ueber 1500 mit grösserem und geringerem Komfort möblirte Zim¬ 
mer, gzössteulheils mit Oefen versehen. Das Hotel czu den 3 Rosen» und dos Zinshaus 
«zum Sehloes» dienen znr einstweiligen Unterbringung der neu angekommenen Gäste. 
.Im Mai, Juni und September sind die Preise der Wohnungen sowie der Bäder billiger. 

Anlagen und Spasierg&nge: Gin grosser Piehtenpark mit bequemen Fnssstegen, 
zahlreichen Bänken und Plätzen zum Ausruhen und zur Unterhaltung, viele näher und 
breiter gelegene Spaziergänge in ,der Ebene nnd im Gebirge, Ausflüge in die pracht¬ 
volle näher und weiter gelegene Umgebung. 

Zur Bequemlichkeit und Zerstreuung der Curgfiste bestehen mehrere Restau¬ 
rationen, Milehversehleisser, 2 Zuckerbäckereien, das prachtvolle Curbans mit Ball-, Restau- 
rations-, Kartenspiel- und Billard-Sälen, eine Kegelbahn, Casino, 2 Bücherleihbibliotheken, 
Thagtar aus Lemberg, Bcanaan<-Otcheater unter Leitaug des A. Wronski vom 21. Mai an, 
1 PhQtograph, V.*rl$asi'8läden und allerhand aus grösseren Städten anlangende Gewerbs- 
leuje n. s. w. 

Ausser dem während der ganzen Badesaison ordinireuden k. k. Brunnenarzte Dr. 
Ritter von Kopff üben noch 7 Aerzte die Praxis aus. 

Jährliche Frequenz 4ber 4000 Persojten. 

Im Curorte selbst befindet sich d£e ngofr flfn neuesten wissenschaft¬ 
lichen Grundsätzen eingerichtete 

k. k. Wasserheilanstalt (Hydrppatische Anstalt) 

uflter der Leitung des Specialisten Dr. Ebers (im J. 1891 wurden 26,100 hydrop&tische 
Eroceduren ansgefolgl). 

Die Gäste der k. k. Hydropatischen Anstalt können in der nach den Anforderungen 
der Hydrotherapie eingerichteten Privatpension des Dr. Ebers Unterbringung finden. 

Die Saison dauert vom 16. Jgai bis Ende September.— Auf Verlangen ertbeilt 
^.ufklärqpgen die k. k. Gur-Verwaltung in Krynioa. 


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Brenn als Beilage eiu Prospect betreffend: Bad Homburg von der Höhe. 


A«M~u*a*+.CB6.vi Mas *869*. 


Haeausgeber : Dr. Th. v. Schröder. Buckilcuokeroi von Wieneeke, Katkerinenkafoi-Pr. .V lf*. 


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XVII. JAHRGANG. ST. PETERSBURGER Neue Folge IX. Jakrg.; 

HEDICIRISCEE WOOIEISCIEIFT 


unter der Redaction von 

Prof. Dr. Earl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicioische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnementtpreil ist in Bauland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderem 
L&adern20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Inaertionsprei« 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Antoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


MT Abonnements-Aufträge lowie alle Inserate *Vp 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bloker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect M 14, zu richten.— Äanusörlpto 
sowie alle aufaie Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder In 
St Petersburg, Malaja Italjanskaja 33, Quart 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm . y ausser Sonntags. 


N 19 


St. Petersburg, 9. (21.) Mai 


1892 


Inhalt: Wold. Gerlach: Zwei mit Syzygium Jambolanum behandelte Fälle von Diabetes mellitus. — Ernst Etzold: 
Luxation der Clavicula nach vorne. — Luxation des Radius nach aussen. — Referate: G. Leobnscher: Untersuchungen 
ober den Einfluss der Opiumalkaloide auf die Darmbewegungen. — Prof. R. Demme: Zur Kenntnis» der Dmretinwirkui^ im 
Kindesalter. - Bticheranzeigen und Besprechungen: A. Frankenburger: Ueber Carbolgangraen. — Friedrich 
van Ackeren: Klinisches ßecepttaschenbuch. — Protokolle der Gesellschaft praktischer Aerzte z® Riga- 
Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Dr. Friedrich Schnitz t. Vermischtes. 
Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Zwei mit Syzygium Jambolanum behandelte Fälle 
von Diabetes mellitus. 

Vortrag, gehalten in der Dorpater medicinischen Gesellschaft 
. am 19. Febrnar 1802, 

V0® 

Dr. Wold. Gerlach. 

Assistent der Univ.-Abtheilung des Dorpater Bezirkshospitals. 

Durch die Liebenswürdigkeit von Prof. Dehio bin 
ich in der Lage Ihnen, m. H., über zwei in der Univer¬ 
sitätsabtheilung des hiesigen Bezirkshospitales mit Syzy¬ 
gium Jambolanum behandelte Diabetesfälle leichter Form 
zu berichten. Diese zwei Fälle sind für uns insofern 
von Interesse, als sie auf keine Weise den hochgespann¬ 
ten Erwartungen gerecht werden, welche man nach den 
bisher veröffentlichten Mittheilungen über die anti-diabe¬ 
tische Wirkung des Jambul zu hegen geneigt ist. Hat 
sieh doch z. B. Binz 1 ) auf der 62. Versammlung der 
deutschen Naturforscher und Aerzte in Heidelberg in 
Bezug auf dieses Mittel dahin geäussert, dass in Aibe- 
tracht der Untersuchungen von Gräser und der ausser¬ 
halb Deutschlands bereits an Menschen angestellten Ver¬ 
suche ein Zweifel über die Heilkraft des Jambul gegen 
Zuckerharnruhr nicht mehr obwalten könne. 

Beide Fälle bieten übrigens, als Krankheitsfälle genom¬ 
men, nichts dar, was nicht bereits in ausgedehntem 
Maasse bekannt wäre und ich kann mich daher darauf 
beschränken nur das Nothwendigste daraus und zwar 
blos in aller Kürze hier anzuführen. 

Der erste Fall betrifft eine 58jährige Jüdii I. C aus 
Lithauen, welche verheirathet ist und deren tetztgeborene 
Kinder leben und angeblich gesuud sind. Vor etwa an¬ 
derthalb Jahren bemerkte die imUebrigen weil sehr rüstige 
Patientin eine starke Abnahme ihrer Körperfülle, welche 
von allgemeinem Schwächegefühle begleitet wurde. Hierzu 
gesellte sich sehr bald ein vermehrter purstund Polyurie, 


Therapeutische Monatshefte, 1889. 


als deren Ursache in Riga eine bestehende Zuckerharn¬ 
ruhr erkannt und erfolgreich mit entsprechender Diät 
behandelt wurde. Zum früheren Leben zurückgekehrt 
hielt Patientin jedoch nur 4—5 Monate bei der vorge¬ 
schriebenen Kost aus und fing an, zum Theil von der 
Hoffnung gewiegt bereits genesen zu sein, Alles ohne 
Auswahl zu geniessen. Die Folgen dieser Unvorsichtig¬ 
keit Hessen nicht lange auf sich warten, so dass Patien¬ 
tin sich genöthigt sah, von Neuem ärztliche Hülfe in 
Anspruch zu nehmen. 

Bei der objectiven Untersuchung finden sich an ihren 
inneren Organen keinerlei nennenswerthe Veränderungen 
und nur die Nieren scheinen leicht angegriffen zu sein, 
da sich im Urine Spuren von Eiweiss, allerdings blos 
durch die Blutlaugensalzprobe, erkennen lassen. Ausser¬ 
dem aber zeigt der Harn, der von charakteristischem 
hellem und klarem Aussehn, dabei von hohem specifi- 
schem Gewichte ist, bei der chemischen Untersuchung 
reicjhHche Mengen von Zucker und zwar am ersten. Tage 
4,6 pCt. Polyurie fehlte bei der Aufnahme der Patientin 
und stellte sich auch später im Laufe der Beobachtung 
nicht ein, so dass der tägliche Verlust am Zucker, als 
höchsten Werth bloss 96 Gramm erreichte. Aceton und 
Acetessigsäure Hessen sich bei der groben Prüfung nicht 
nach weisen. 

Da es nun beschlossen worden war, hier die Wirkung 
der Jambulfrucht zu beobachten, so bestimmte ich täg¬ 
lich die im gewissenhaft gesammelten Harne ausgeschie¬ 
dene Zuckermenge nach zwei Methoden und zwar einer¬ 
seits durch Titrirung mit der Fehling’schen Lösung uad 
andererseits mit dem Saccharometer vonFiebig, welcher 
übrigens so unpräcise Resultate ergab, dass ich mich nur 
an die mittelst Titrirung gewonnenen Zahlen halten werde. 
Als ganz unbrauchbar soll jedoch hiermit der Gährungs- 
saccharometer nicht hingestellt werden, denn wenn man 
von einzelnen ganz unerwarteten Schwankungen absfeht, 
so ist der Gesammteindruck, den man durch die Angaben 
des Apparates in Bezug auf Art und Weise der Znciker- 
ausscheidung erhält, ein für die ärztHche Praxis genü¬ 
gender, und da die Handhabung desselben eine sehr ein- 


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T 82 


fache ist, so k*nn man sehr wohl die Patienten snsteUen, 
ihren Harn setist zn untersuchen. 

Was nnn die Versuchsanordnnng während der Jam- 
WIÄMilüi» aiMangfc, m durfte die Patiejtfin die tr¬ 
at* VJfoclje jfen, was sie wollte; die zweite Woohe bin¬ 
are* w^rde hei fteicbbleibendpr Di« Jam hui gereicht 
ipd a vil i|| taufe eines Tages 20 bis 4 Q Gramm 
<Ä«r i« wte pulverislrtea Fracht; endlich wurde drei 
Tage vor der Entlassung ans der Behandlung eine abso¬ 
lute Entziehung aller Kohlehydrate dnrchgefdhrt nnd an 
Stelle des ayzj^ifia Tiaotujpa #nara varabfclgt. Weht 
unerwähnt kann ich übrigens den Umstand lassen, dass 
die Kranke, welche bereits schlimme Erfahrungen mit 
dem Nichteinhalten der verordneteu PtM gemacht hatte, 
recht mässig und etwas ängstlich in ihrem Essen war nnd 
keine grösseren Mengen von Kohlehydraten zn sich 
nahm. 

Die Ergebnisse der täglichen quantitativen Zuckerbe¬ 
stimmungen im Harne der G. lassen sich am Besten an 
der Hand einer Curve überblicken, welche ich so ge¬ 
zeichnet habe, dass der weisse Strich die tägliche 
Znckermenge in Grammen, die punctirte Linie aber die 
tägliche Urinmenge in Cubikcentimetern angiebt. 



Wir indem auf diese Weise die Zucker&usseheidung 
in den ernten Hagen als eine sehr gleiohmässige; sie 
«hwaftkt bloss zwischen *0,0 und 80,4 Gramm pro die 
«cd «* beträgt der Verlust des Körpers an Zucker durch 
den Harn in der ersten Woche durchschnittlich 84,0 
Grnnm im Laufe eines Tages. Mit der Darreichung des 
Syzygium Jambolanum treten zwar stärkere Schwankun¬ 
gen in der tägliches Zucker mi ssehekluEg ein, als in der 
wraftgegaageBea Zeit, so dass wir Werthe von 70 bis 
24 Gramm antreffem; berechnen wir jedoch auch hier den 
Durchschnitt, so ergehen sich unter der Jamhulhehand- 
teag bi«a 3 Gramm Ersparnis* an Zucker gegenüber der 
voihecgefeeuden Periode und es brachte erst die vollkom¬ 
mene Entziehung aber Kohlehydrate einen deutlichen 
Umschlag zum Besseren, indem im Uriae schliesslich 
bloss 2 ^r—J2 Gramm Zucker im Laute roa 24 Stunden 
atugeachieden wurden. 

Wir haben es also im gegebenen Falle mit 
einer leichten Ferm des Diabetes mellitus ebne 
Polyurie und ahne Polyphagie zu thun, bei dem 
trotz massiger Nahrungsaufnahme während des 
Gohpnnehes von Syzygium Jambolanum keine 


Besferung aiftrat, obwohl der Fall an sich besse¬ 
rungsfähig war. 

Der zweite Fall betrifft einen estnischen 39 Jahre 
alten Schullehrer, J, S., der gleichfalls verheiratet 
ist und gesunde Kinder hat. Die ersten Symptome der 
gegenwärtigen Krankheit bemerkte Patient im Juni 1891, 
als er so schwach wurde, dass die geringfügigste An¬ 
strengung ihn rasch erschöpfte. Ira September stellte 
sich ein auffallendes Hunger- und Durstgefühl ein, in 
deren Gefolge sich auch eine stark vermehrte Diurese 
bemerkbar raaohte. 

Weder an den Brust- noch an den Banchorganen fan¬ 
den sich bei der objectiven Untersuchung pathologische 
Veränderungen vor, Der Urin hell, nicht auffallend 
vermehrt, von sehr hohem specifischem Gewicht: 1039, 
giebt eine deutliche Zuckerreaction und mittelst Feh- 
ling’soher Lösung lassen sich 6,6 pCt. an Trauben- 
zuckergehalt nachweisen. Im Laufe der Behandlung bil¬ 
dete sich zu dem poch eine deutliche Polyurie aus, so 
dass schliesslich die tägliche Einbusse des Körpers an 
Zocker durch den Harn als Maximalwerth 297 Gramm 
erreichte. Der Grund davon wird wohl darin zu suchen 
sein, dass Patient seinen Essgelüsten durchaus kei¬ 
nen Zwang auferlegte und möglicher Weise im 
Vertrauen auf das «neue» Mittel ausser der an 
sieh schon sehr kohlehvdratreichen Hospitalsnahrung 
noch */- Pfund Brot und Schinken verzehrte. Selbst 
wenn wir ihm Glauben schenken, dass er in der Tbat 
nicht noch mehr gegessen hatte, als er angegeben, so 
entspricht dieses Quantum Brot nach den Jürgenseu’- 
schen 2 ) Tabellen einem Mehr von über 100 Gramm 
Kohlehydraten, wa3 nothwendigerweise seinen Zustand 
verschlimmern musste. Aceton und Aoetessigsäure Kes¬ 
sen sich auch bei diesem Manne nicht nachweisen. 

Die Versuchsanordnung war hier dieselbe wie bei der 
Jüdin, nur mit dem Unterschiede, dass der Schullehrer 
auch nach Entziehung der Kohlehydrate das Jambnl 
noch weiterhin einnahm und zwar in Tagesgaben von 
30 bis 60 Gramm, so dass der Gesammtverbrauch des 
Mittels 450 Gramm ausmacht. 



Auch hier Vhut man am Besten, den Verlauf der 
Zuckerausscheidqng auf die schon früher angegebene 
Weise in einer Gprve zu vergegeiwärtigen. Wir sehen 


*) Procentische chemische Zusammensetzung der Nahrungs¬ 
mittel des Menschen. Berlin 1888, 


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188 


dann in der ersten Woche — rom ersten Tage will ich 
absehen, weil Patient sich noch nicht gewöhnt hatte 
seinen Harn zn sammeln — die täglich ansgeschiedene 
Zuckermenge zwischen 150,0 und 186,5 Gramm schwanken, 
oder durchschnittlich im Laufe von 24 Stunden 172,0 
Gramm betragen. Mit der Darreichung von Jambul heben 
sich die Zahlen stetig in geradezu erschreckendem Maasse 
von 196,0 bis 297,6 Gramm Zucker pro die. Zi^leich 
müssen wir eine beträchtliche Polyurie — bis 4260 Cbcm. 
Tagesmenge — verzeichnen. Hierdurch wird der tägliche 
Zuckerverlnst auf einen Durchschnitt von 246 Gramm 
gesteigert, also 74 Gramm Zucker mehr, als in der 
Jambul-freien Zeit! Eine absolute Entziehung aller Koh¬ 
lehydrate beseitigte dagegen auch hier im Laufe von 
2 Tagen die Polyurie und beschränkte den Zückerreflust 
durch die letzte 24 ständige Tagesharnmenge auf bloss 
4,62 Gramm 

In Bezug auf diese zweite Beobachtung wäre 
nun zu bemerken, dass der Fall J. S. ein leichter 
und besserungsfähiger Diabetes mellitus ist, 
der in Folge einer unvernünftigen Nahrungszu¬ 
fuhr trotz eingeleiteter Jambulbehandlnng einer 
unzweifelhaften Verschlimmerung anheim gefal¬ 
len war. 

Es konnte also in unseren beiden Fällen selbst 
durch grosse Mengen von Syzygium Jambolanum, 
weder bei massiger Lebensweise die an sich 
bereits geringe Znckerausscheidung herabge¬ 
setzt, noch die Folgen einer unmässigen Kohle- 
hydratznfnhr paralysirt werden, und wir müssen 
uns daher in Bezog auf Empfehlung dieses neuen Mittels 
eine gewisse Reserve anferlegen, um den Patienten eine 
unnöthige Enttäuschung zu ersparen. Einen Vorzug hat 
übrigens das Jambul: das ist seine grosse Ungefährlichkeit, 
denn selbst 60 Gramm des gepulverten Samens erzeugten 
beim Schulmeister nur vorübergehend Ucbelkeit und 
leichten Schwindel. 

Wenn es nnn ausserdem noch einen eigenthümlichen 
Eindruck ausübt, wenn man liest, dass der eine Beo¬ 
bachter*) bereits mit 0,12 Gramm 3 Mal täglich eine 
günstige Beeinflussung des Diabetes mellitus erzielt haben 
will, ein Anderer 4 ) jedoch bereits 30 Gramm täglich 
verbrauchen lassen musste, um denselben Zweck zu 
erreichen, so will ich trotzdem hiermit nicht sofort den 
Stab über das Syzygium Jambolanum gebrochen haben. 
Ueberblicken wir nämlich die Resultate einiger neuer 
Arbeiten, welche die Entstehung des Diabetes mellitus 
zn klären suchen, so finden wir, dass jedenfalls mehrere 
genetisch verschiedene Diabetesforraen anzunehmen sind. 
So möchte ich zunächst auf den experimentellen 
Phlorizindiabetes 8 ) hinweisen, welcher offenbar durch 
eine gewisse Nierenläsion erzeugt wird, welche dieses Organ 
für Zocker durchlässiger macht. Letztere Annahme wird 
gestützt durch folgendes Experiment. Das Blut ist bei 
dieser Form zuckerärmer als im gesunden Zustande; 
schaltet man jedoch die Nierenthätigkeit aus, so steigt 
sofort der Zuckergehalt des Blutes. Gerade bei dieser 
Form hat Graeser, fl ) der das Jambul aus Java roltge- 
bracht hatte und experimentell untersuchte, die günstige 
Einwirkung genannter Drogue nachweisen können, da das 
Syzygium Jambolanum die Znckerausscheidung bei den 
Versnchsthiefen um die Hälfte, häufig aber sogar um 
neun Zehntel verringerte. 

Eine ganz andere Form stellt der Diabetes dar, der 
nach totaler Pankreasexstirpation bei gewissen Tbierei» 
erzeugt werden kann. Die Erkrankung isi in solchen 
Füllen stets eine schwere und man kam hier immer 


Mahomed. n. d. Centralbl. f. klin. Me4. 1888. 

Le was c he w. Berl. klin. Wockenscbr. 1891. 

•) v- Hering. Verkamt!, des Congr. flr innere Mediein» 
Wiesbaden 1888. 

6 ) Centralbl. f. klin. Med. 1889. 


Aoeton im Hurt» nachweisen. Bleibt jedoch nicht feietr 
als ein Zehntel der Bauchspeicheldrüse dem OrtfetttetKnft 
erhalten, selbst wenn es extraperitoneal hhplattfirt Wird, 
so ist die Diabetesform eine leichte, d. h. bloss eilte bet 
Kohlehydraten führ auftreteade. Bleibt noch mehr Panieret* 
im Körper, so tritt eine Zuckerausscheid »hg durch de* 
Harn überhaupt nicht ein. Hier findet itn GegeüSättU Zu 
der Phlorizinform eine Vermehrung des BlutzackergÄ- 
haltes statt. Ein fernerer Unterschied besteht swittnm 
diesen beiden Formen darin, dass der PankrewdWÄete* 
bei Vögeln nicht zn erzeugen Ist, Wohl aber tttttefiiegdh 
diese der Phloriziuwirkung. Endlich wird def Pankreas¬ 
diabetes durch das Phlorism noch gesteigert« Auf welche 
Weise der Diabetes bei diesen von Minkowski 1 ) «fisfeb* 
führten Experimenten entstehe, lässt dieser als öffime 
Frage dahingestellt. 

An der Beantwortung der letzteren hat steh not neu¬ 
erdings L6pine s ) versucht, indem er sich unter Andmtftt 
auch auf die interessante Thatoftche stützt« dass dM 
Pankreaspftrenchym sich nicht um die Drüsengättge, 
sondern um die Blutgefässe herum aflördüet •). Ohne afif 
weitere Einzelheiten einzugehen, will ich ühef die Affeeit 
bloss erwähnen, dass der genannte Autor amnimat, m 
scheide das Pankreas ein glykolyfischei Ferment ms, 
welches direct iti’s Blut übergeht und daselbst söWoM dbü 
Zucker zersetzt, als anch die Spaltung desselben ifi den 
Geweben begünstigt. So komme es naeh der Paikreaa- 
exstirpation zu einer Züekeranstattng im Bist# find als 
Folge davon zu der Zuekerhamruhr. Zugleich Mil ifi 
der Leber das Glykogen in verstärktem Maasse zerfallen. 

Ueberträgt man nnn diese Ergebnisse der tieuefeü 
Diabetesforschung vom Thiefe auf den Menschen, so kann 
man den Gedanken nicht von der Hand weisen, dass mög¬ 
licherweise auch bloss diejenige Form des Diabetes, 
an Welcher unsere beiden Patienten litten, ffir die Jam- 
bulbehandlung ungeeignet war und die Veranlassung zu 
dem Misserfolge der eingeschlagenen Therapie bildete, 
während li anderen Fällen und Formen eine günstig« 
Wirkung des Mittels wohl denkbar ist. Experimentell ist 
nämlich für das Syzygium Jambofanufli bisher atfSsef 
einer günstigen Einwirkung auf den Phlorizindiabetes ifl 
neuerer Zeit nur noch eine hemmende Einwirkung auf 
die zuckerbüdende Kraft des Bhrtes, Speichels und des 
Pankreassaftes festgestellt worden 10 ). 

Ich verdanke einer mündliohen Mittheilung von 
Prof. Robert die Kenntniss eines ferneren Umstandes, 
der die Erfolglosigkeit der Therapie ln unseren beHeti 
Fällen erklären könnte: wir verabreichten nämlich diö 
Semina Syzygii Jambolani, während Prof. Robert das 
von B. Kühn 36, St. M&ry-at-Hiil, Londtn bezogene 
Extract der ganzen Fracht einmal mit gutem Erfolge 
angewandt hatte. Vielleicht ist somit das wirksame prtoflfp 
des Mittels nicht in den Saamen, sondern in den übrig» 
Theilen der Frucht enthalten, cf. aueh Krohl: Zur Kernte* 
niss der Oxalsäure und einiger Deritate defSSfbfifi. 
(Arbeit, des pharmakol. Instit. in Dorpät VII). 

Luxation der Clavic&ta nach vomo. - Lfttttifvv dtt 
Radius nach aussen. 

Casuistische Mittheilungen 

von 

Dr. Ernst Etzold 
in Qneflenstein (Livland). 

I. Luxation der Glavicula naeh Vorn«. 

Renn M8rd, 18 a. n. aas Abia, iert an 18. Mirs 189) MM* 
tags auf die ansgestreckte rechte Hand gefallen (asMWtdMb 
Contuskm des rechten oberen Orbitalrandes). 

T ) Minkowski Berl. kl. Woehenschr. Nr, 5k 1892. 

•) Lupine. Berl. kL Wochen gehr, 1891. 

*) Renaut. nach Lupine Lc. 

,0 ) Hildebrandt. Berl. kl. WochenacÄ*. Nr.l. 189», 


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184 


\ 


Bei der Untersuchung am Abend fällt zuerst auf, dass Pat. 
den rechten Oberarm nicht bewegt, wohl aber Hand und Vor¬ 
derarm. Puls beiderseits gleich, Kopf etwas nach vorn und 
rechts geneigt, nach rechts gedreht; rechte Schulter tiefer 
stehend und nach hinten gedrängt, näher am Stamme; Portio 
clavicnlaris des M. pectoralis raajor und der M. sterno-cleido- 
mastoideas rechterseits stark vorspringend. Gegend der Ar- 
ticulatio sterno-clavicularis dextra stark nach vorn vorragend, 
fällt ziemlich scharf gegen das Sternum ab. Wenn die rechte 
Hand auf die linke Schulter gelegt wird, so verschwindet 
diese Vorwölbung fast vollständig, um sofort trotz aller Re- 
tetttiongversuche wiederzuerscheinen, sobald der Ellbogen nach 
hinten geführt wird. Dabei steht das Sternalende des rech¬ 
ten Schlüsselbeines nicht höher als das des linken, ancli tritt 
es nicht auf die vordere Fläche des Brustbeines. Die Con- 
tourett der Gelenkfläehe sind wegen geringer Schwellung 
nicht scharf zu fühlen. 

Ein fester Wergknäuel wird auf das Gelenk gedrückt und 
der Arm so am Stamme fixirt, dass die Hand auf der linken 
Schulter liegt. (Um das rechte Auge sehr starke Suggillation, 
Augapfel nicht verletzt; vergeht unter Massage in einigen 
Tagen). 

30. März: der Verband muss abgenomraen werden, weil die 
beschriebene Haltung unerträglich ist; Dislocation gering. 

Am 21. März werden zwei Heftpflasterstreifen, die sich über 
demManubrium sterni und Jugulum kreuzen, angelegt; diesel¬ 
ben drücken ein kleines festes Polster auf die Clavicula; die 
Schulter : wird durch eine Mitella nach oben gehoben, die 
Hand wieder auf die linke Schulter geführt, kann aber nicht 
so hoch wie früher fixirt werden, weil Pat. angiebt den Dru ck 
nicht ertragen zu können. Ausserdem wird der Versuch ge¬ 
macht, ein rechtsseitiges Bruchband so anzulegen, dass die 
Pelotte auf dag Gelenk drückt, doch wird der Druck desselben 
bald so lästig, dass es entfernt werden muss. 

34. März. Mitella gut vertragen, die Hand ruht hoch auf 
der Schulter, das Gelenk selbst wurde nicht besichtigt, der 
rechte M. sterno-cleido-mastoideus springt noch etwas vor. 

5. April. Heftpflaster entfernt. Die Clavicula ist. wieder 
nach vorn und auch etwas nach oben abgewichen, lässt sich 
auch beim Heben der Schulter nicht mehr reponiren. Excnr- 
sionen im Sbernoclaviculargelenk sind nicht sehr ausgiebig. 
Der Arm wird von nun an vorläufig in einer gewöhnlichen 
Mitella getragen und täglich einige Male geübt, da Schulter- 
und Ellbogengelenk anfangen etwas steif zu werden. 

Am 11. März 1892 stellt sich Pat. wieder vor: Kopf etwas 
nach rechts geneigt, geringe Skoliose der Brustwirbelsäule 
mit der Convexität nach links; der innere, obere Winkel der 
rechten Scapula steht wie links, der äussere Winkel tiefer, 
ebenso das rechte Akromion, dessen Contouren etwas schärfer 
hervortreten. Die Clavicularportionen der Mm. pectoralis 
maj. und sterno-cleido-mast. springen stärker hervor, so dass 
die Infra- und Supraclaviculargruben vertieft erscheinen. Das 
Sternalende der rechten Clavicula steht tiefer uud weiter nach 
vorn als die linke, liegt aber nicht an der Vorderfläche des 
Brustbeins. Heben der Arme beiderseits in gleichem Maasse 
ausführbar, beim Kreuzen der Arme über der Brust kein Un¬ 
terschied beider Seiten wahrnehmbar, Bewegung des Armes nach 
hinten etwas behindert; passiv lässt sich die rechte Schulter 
höher heben und weiter nach vorn ziehen als die linke. 

II. Luxation des Radius nach aussen. 

Lisa Martin, 8 a. n. aus Tignitz, ist am 28. Juli 1890 vom 
Pferde auf den ausgestreckten linken Arm gefallen. Fractnra 
radii et ulnae in der Mitte des Schaftes; das distale Frag¬ 
ment des Vorderarmes ist dorsalwärts gebeugt; an der Volar¬ 
seite eine kleine Hautwunde (Durchstechn ng). Reposition, an¬ 
tiseptischer Verband, Dumreichers Flügelschiene. Eine Mi¬ 
tella kann nicht angelegt werden, da Beugung des Vorder¬ 
armes nicht möglich ist. Das Ellbogengelenk ist so geschwol¬ 
len,, dsae nicht constatirt werden kann, um welche Luxation 
es sich handelt, das Olekranon steht zu den Condylen ebenso, 
wie auf der gesunden Seite. 

29. Juli. T° 38,2, nur die unteren Lagen des Verbandes 
durchtränkt, Wunde reactionslos, Schwellung im Ellbogenge¬ 
lenk noch so stark, dass die Untersuchung unmöglich bleibt. 

5. August. Schwellung hat abgenommen. Vollständige Ex¬ 
tension und Pronation unmöglich, Flexion bis zu etwa 135° 
ausführbar, Supination vollständig; ausserdem lässt sich eine 
geringe Lateralflexion im Ellbogengelenk ausführen. Das Ge¬ 
lenk'ist stark verbreitert, in der Ellbogenbenge springt ein 
Knoebenende (Rotula) ein wenig vor, Bicepssehne nicht gefühlt. 
Lateralwärts vom Condylus externus kumeri ist das Radius- 
köpfohen fühlbar, die Gelenkdelle deutlich erkennbar. Reduc- 
tion dnrch Extension und directen Druck gelingt ganz leicht. 
Bewegungen alle möglich, Schiene, Mitella. 

24. Juli 1891. Keine Deformität zu sehen. Umfang des 
linken Vorderarmes 0,5 Ctm. geringer als rechts; kleine Haut¬ 


narbe an der Volarseite. Bewegungen alle frei, Pronation 
der Hand um etwa 20° ausgiebiger, als auf d er unverletzten 
Seite, sonst keine Abweichung in der Beweglichkeit der Ge¬ 
lenke. 


Referate. 

G. Leubuscher: Untersuchungen über den Einfluss der 
Opiumalkaloide auf die Darmbewegungen. (Deutsche 
medic. Wochenschr. Nr. 9), 

Verf. experimentirte zunächst an Thieren, und zwar an Ka¬ 
ninchen. Dieselben wurden durch subcutane Application von 
Chloralhydrat narkotisirt; in eine Halsvene wurde eine Ca¬ 
näle eingelegt und die Tracheotomie sodann ausgeführt. Nach 
Injection von Curare in die Blutbahn wurde dann die künst¬ 
liche Respiration eingeleitet, das Abdomen im warmen Koch¬ 
salzbade geöffnet. Unterbricht man nun die Atlimung, so 
tritt zugleich mit der dunkleren Färbung der Darmgefässe 
eine lebhafte Darmperistaltik ein, als Folge der Kohlensäure¬ 
überladung des Blutes; sobald die Respiration aufs neue ein¬ 
geleitet wird, verschwindet bald wieder die Peristaltik. Nach¬ 
dem Verf. sich am Versuchstiere überzeugt hatte, dass der 
Darm auf Kohlensäurereizung lebhaft reagirte, injicirte er in 
die Vene eine bestimmte Menge des zur Prüfung bestimmten 
Alkaloides und bewirkte nach einigen Minuten wieder die 
Kohlensäurereizung. Die in dieser Weise angestellten Ver¬ 
suche ergaben folgende Resultate: Am intensivsten auf die 
Darmbewegungen wirkt Morphin. Bei Injection von 0,01 
des salzsauren Salzes bleiben entweder die Darmcontractionen 
auf Kohlensäurereizung völlig aus oder sind doch jedenfalls 
bedeutend geringer, als vorher. Dem Morphin am nächsten 
steht das Papaverin, jedoch müssen grössere Mengen ange¬ 
wandt werden 0,02 — 0,04 Papaverini muriatici. Wesentlich 
schwächer wirkt das Narcotin. Narcein(0,l) und Codein 
(0,05) erwiesen sich als völlig unwirksam. Endlich erwies 
sich das Thebain als ein direct die Darmperistaltik steigern¬ 
des Mittel. 

Verf. hat auch am Menschen Versuche mit den Alkaloiden 
angestellt, namentlich aber mit dem Papaverin. Bei Erwach¬ 
senen war das Resultat kein constantes, bald trat vorüberge¬ 
hende Stuhlverstopfnng auf. bald aber blieb das Mittel ohne 
jede Wirkung, dabei war die Höhe der Dosis 0,01—03. In kei¬ 
nem einzigen Falle hatte das Mittel (auch in Dosen von 0,3) 
irgend welche üblen Nebenerscheinungen zur Folge. In keinem 
Falle war auch nur eine Spur von Benommenheit oder Schläf¬ 
rigkeit zu constatiren. Auf Grund dieser Beobachtungen 
prüfte Verf. das Papaverin bei Bindern mit Durchfällen. Das 
Alter der Kinder, bei welchen das betreffende Alkaloid gege¬ 
ben wurde, schwankte zwischen 12 Tagen und 5 Jahren. Eine 
gauze Anzahl war 3, 4 und 5 Monate alt. Die Gabengrösse 
schwankte je nach dem Alter der Kinder zwischen 0,005 und 
0,05. Der Erfolg war äusserst zufriedenstellend. Meist ge¬ 
nügten 3—4 Gaben täglich, um die oft schon eine Reihe von 
Tage bestehenden Durchfälle zu beseitigen. Während die 
Verabfolgung von Opium und Morphium wegen ihrer gefähr¬ 
lichen Nebenerscheinungen in der Kinderpraxis mit Recht 
verpönt ist, kann das Papaverin als Ersatzmittel empfohlen 
werden, da sogar bei Kindern sehr jugendlichen Alters nie 
irgend eine üble Nebenerscheinung nach Anwendung des Al¬ 
kaloids beobachtet wurde. Abelmann. 

Prof. R. Dem me: Zur Kenntniss der Diuretinwirkung 
im Kindesalter. — (28. Jahresbericht des Jenner’schen 
Kinderhospitals in Bern). 

Verf. hat das Diuretin bei Kindern angewandt. Nachdem 
er sich durch Versuche im Laboratorium von der Ungefähr¬ 
lichkeit der arzneilich verwendbaren Dosen des Diuretins 
überzeugt hatte, setzte er als Tagesdosis für Kinder von 2—5 
Jahren 0,5—1,5 Gramm fest, für Kinder von 5—10 Jahren 
1,5—3,0. Es wurde in Mixtur verabfolgt, in wässriger Lösung 
mit Zusatz von 10 Tropfen Cognac. Das Mittel wurde ange¬ 
wendet in 4 Fällen von Hydrops und stockender Diurese im 
Verlaufe von Scharlachnephritis, in 3 Fällen von Hydrops bei 
Mitralfehlern, wo Digitalis ihre Wirkung versagte, in 2 Fäl¬ 
len von chronischer Bauchfellentzündung mit reichlichem Ex¬ 
sudat und in 2 Fällen von exsudativer Pleuritis. Es erwies 
sich als ein recht zweckmässiges Diureticum, sowohl bei 
Scharlachnephritis, als auch bei Herzfehlern. Unangenehme 
Nebenwirkungen wurden nicht constatirt, ebensowenig eine 
cumulative Wirkung oder eine den Effect abschwächende Ge¬ 
wöhnung an dai Mittel. Der diuretische Effect scheint nach 
Dem me direct dirch Einwirkung auf die Nierenepithelien zu 
Stande zu kommen Ob ausserdem noch eine besondere Be¬ 
einflussung des Cirdlationsapparates durch Diuretin zu Stande 
kommt, kann Verf. Isis jetzt noch nieht entscheiden. Jeden¬ 
falls verdient das Mittel in der Kinderpraxis angewandt zu 
werden. Abel mann. 


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185 


BOcheranzeigen und Besprechungen. 

A. Frankenburger: Ueber Carbolgangraen. Experi¬ 
mentelle Untersuchungen. (Diss. Erlangen. 1891. Verl, 
v. Gustav Fock. Leipzig. Preis Mrk. 1). 

Verf. hat sich der dankenswerthen Aufgabe unterzogen, die 
Aufmerksamkeit der Aerzte nochmals auf diese Frucht des 
Missbrauchs der Antiseptik zu richten und durch experimen¬ 
telle Untersuchungen ihrem bisher noch nicht aufgeklärten 
Wesen auf den Grund zu kommen. Die Literatur ist arm an 
Mittheilungen über die Erkrankung,' welche in trockenem, 
langsam verlaufendem Brande ganzer Finger, resp. nur cir- 
cumscripter Hautgangrän bestellt und durchaus nicht nur 
durch überstarke Carboilösungen, sondern schon durch 9°/« ige 
hervorgerufen werden kann. Bedingung ist nur dauernder 
Contact und Feuchtbleiben des Umschlags, wie bei Compresses 
echanffantes; 2 Tage können zur Erzeugung des Brandes ge¬ 
nügen. Mikroskopisch zeigen sich die Capillaren schon nach 
einer Stunde, die Arterien und Venen später obliterirt durch gelb- 
röthliche, resp. gelbweisse Massen; die Thrombosirung beginnt 
von der Intima aus und ist das Resultat der directen Einwir¬ 
kung der Carbolsäure auf die Blutkörperchen — nämlich 
Schrumpfung derselben und Haftung an der Gefässwand 
(Prudden, Hueter, Huels). Die Bindegewebszüge erschei¬ 
nen auseinandergedrängt, die Lymphspalten erweitert, die 
Epidermis macerlrt und zerstört. Je länger die Carbollösung 
einwirkt, desto tiefere Theile unterliegen der Gangrän. Der 
Gefahr sind vor Allen schwächliche Individuen, Frauen und 
Kinder ausgesetzt, besonders bei Umschlägen auf Finger und 
Zehen. Die Schlüsse ergeben sich von selbst. Die Einzelheiten 
sind im Original nachzusehen. Selenkow. 

Friedrich van Ackeren: Klinisches Recepttaschenbuch. 

2. Auflage 1891. 

Ausser 350 Receptformeln, die als entschieden gut zusam¬ 
mengestellt zu bezeichnen sind, enthält das Büchlein einen 
kurzen Ueberblick über die allgemeine Arzneiverordnungslehre, 
die Maximaldosen, Angabe über Dosirang von Arzneimitteln 
in der Kinderpraxis, diätetische Vorschriften für die wichtig¬ 
sten Krankheiten, eine Zusammenstellung der Symptome und 
der Behandlung acuter Vergiftungen und endlich ein Ver¬ 
zeichniss der wichtigsten Bäder und Curorte. Bei jedem Medi- 
cament ist Consistenz, Aussehen und Löslichkeit vermerkt, 
was als ein Vorzug des Taschenbuches bezeichnet werden 
muss. Die neueren Arzneimittel sind dagegen gänzlich unbe¬ 
rücksichtigt gelassen. Mittel wie Creohn, Lysol, Hvdrastini- 
num muriaticum, Phenocollum hydrochl., Europhen, Dermatol, 
Exalgin und Piperazin hätten wohl angeführt werden müssen. 
Im Uebrigen kann das Taschenbuch nur empfohlen werden. 
Die Ausstattung ist eine gute. W. Beckmann. 

Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

1179. Sitzung am 1. April 1892. 

Anwesend 42 ordentl. Mitglieder und 11 Gäste. 

1. Präses widmet dem jüngst verstorbenen correspondi- 
renden Mitgliede der Gesellschaft. Dr. Seeck warme Worte 
des Nachrufs. Die Gesellschaft ehrt das Andenken des Ver¬ 
storbenen durch Erheben von den Sitzen. 

2. Dr. Hach berichtet über 10 in den letzten zwei Jahren 
von ihm ausgeführte Totalexstirpationen des Uterus per va- 
ginam. 7 Fälle wurden wegen Carcinoma port. vagin. operirt; 
1 Fall wegen hochgradiger glandulärer Endometritis mit hef¬ 
tigen Menorrhagien, die jeder Behandlung trotzten; 1 Fall 
wegen totalen Prolapses (mit Resection der Vagina nach 
Asch», 1 Fall wegen multipler Fibrombildung. Säramtliche 
Pat. (im Alter von 40—71 Jahren) genasen. 

In 2 Fällen wurde die Blase verletzt; einer derselben wurde 
durch einige Nähte geheilt; im 2. Falle (Carcinom, welches 
anfangs als inoperabel zurückgewiesen worden) folgte der 
Uterus fast garnicht beim Herabziehen; obgleich die Tren¬ 
nungsschicht zwischen Blase und Uterus gleich gefunden 
wurde, fand eine Blasenverletznng statt, welche sich später 
als ein durch die ganze hintere Wand der Blase gehender 
Riss erwies. Bevor die Absicht, eine Colpocleisis auszuführen, 
realisirt worden, wurde mikroskopisch Carcinom, der Blasen¬ 
schleimhaut nachgewiesen und Pat. mit einem Harnrecipienten 
entlassen. 

Zu den Operationen ist nur physiologische Kochsalzlösung 
ebraucht worden; die Instrumente werden in Sodalösung ge- 
ocht. Die benutzte Seide ist in absolutem Alkohol anfbe- 
wahrt und in Sublimatwasser 1:1000 aufgekocht worden; Ju- 
niperuscatgut. Die Peritonealöffhung wurde nicht genäht, 
sondern mit 10 pCt. Jodoformmull tamponirt. 

Vortr. spricht sich gegen Hofmeyer-Winter für die To¬ 
talexstirpation selbst bei beginnendem Carcinom aus. Wenn 


auch ein Theil der von Schautä als carcinoraatöse Metasta¬ 
sen gedeuteten Veränderungen im Corpus Uteri als nicht car- 
cinomatös nach Hofmeyer aufzufassen sind, so fand auch 
Vortr. in einem Theil seiner wegen Portiocarcinom exstirpir- 
ten Uteri nachträglich auch Carcinom des Corpus. 

Wenn auch die snpravaginale Amputation eine bessere 
Mortalitätsziffer aufweise, als die Totalexstirpation (6,5 pCt. 
gegen 8,4 pCt.), so ist das allendliche Resultat letzterer doch 
um so viel besser; nach Ablauf von 5 Jahren waren nach 
Fritsch 36pCt. recidivfrei, während erstere Methode (Schrö¬ 
der-Hofmeyer) nur 26 pCt. ergab. Daher will Redn. die 
Totalexstirpation bei Carcinom der Portio vag. als Regel auf¬ 
gestellt nnd möglichst zeitig ausgeführt sehen. Nur bei ganz 
jungen Frauen mit eben beginnender Erkrankung halte er 
ausnahmsweise die supravaginale Exstirpation für zulässig, um 
die Möglichkeit gewünschter Conception nicht zu nehmen. 

Zum Schluss warnt Redn. eindringlich davor, Menorrhagien, 
Metrorr^ghien und sog. Fluor albus nicht persönlich zu un¬ 
tersuchen; nur sorgfältige ärztliche Exploration aller dieser 
Fälle ermöglicht die frühzeitige Diagnose, von der die Chan¬ 
cen der Operation und damit auch die des Lebens der Kran¬ 
ken abhängt. 

In der DiscusBion schliesst sich Dr. Radecki aus eigner 
Erfahrung und nach Angaben aus der Litteratur der Ansicht 
Dr. Hachs voll an, dass viele Frauen nur deshalb an Uterus- 
carcinom zu Grunde gehen, weil die Diagnose nicht rechtzei¬ 
tig gestellt worden. Blutungen, u. s. w. werden oft so lange 
vernachlässigt, bis die schliesslich vorgenommene Untersu¬ 
chung bereits ein Resultat ergiebt, welches keine günstigen 
Chancen für die Operation mehr bietet. (Belegt wird dieses 
durch die Statistik von Winter). — Die Technik der Opera¬ 
tion betreffend, macht Dr. R. darauf aufmerksam, dass her¬ 
vorragende Kliniker im Gegensatz zu dem von Dr. Hach ge¬ 
übten Verfahren die Operationswunde nähen, Martin und 
Ohlshfcusen haben beim Offenlassen der Wunde Incarcera- 
tion des Darms erlebt. 

Von Dr. Miram dazu veranlasst, äussert Dr. Hach, er 
sehe nur in knotigen Verdickungen der Pararaetrien und 
mehr als vereinzelten Knoten im Beinen Becken eine Contra- 
indication für die Totalexstirpation eines carcinomatösen Ute¬ 
rus; leichte Verdickungen in den Parametrien, einzelne knol¬ 
lige Gebilde im kl. Becken stellen den Erfolg der Operation 
noch nicht in Frage, ebenso wie Anschwellung der Inguinal- 
drüsen, die durchaus nicht immer carcinomatös entartet seien. 

Aber selbst wenn ein Recidiv den Tod der Kranken herbei¬ 
führt, so seien die Leiden sehr viel geringer, wenn der Uterus 
exstirpirt, weil dann Blutungen und Kreuzschmerzen ganz oder 
fast ganz fehlen. In Kurze referirt Dr. Hach eine iff die¬ 
sem Sinne besonders prägnante Krankengeschichte. 

Die Operationstechnik betreffend, ist Redn. bei der älteren 
Methode des Offenlassens der Wunde schon deshalb geblieben, 
weil er eine geringe Drainage nicht missen wolle. 

Auch Dr. Sbryk sah den Tod an Recidiv nach Exstirpation 
des carcinomatösen Uterus unter Erscheinungen eintreten, die 
ihn davon überzeugten, dass die endlichen Leiden nicht Operirter 
sehr viel grösser sind, als die der Operirten; er will deshalb 
jeden carcinomatösen Uterus entfernen, so lange man dies 
überhaupt noch ausführen kann. 

Dr. Berg führt hingegen an, dass unter den 6 von ihm 
in dieser Art operirten sich eine Frau im 26. Lebensjahre be¬ 
fand, die ein Jahr nach der Operation ein Recidiv in der 
Narbe anfwies und unter ganz unsäglichen Qualen zu Grunde 
ging. — Die Technik der Operation betreffend, führt Dr. 
Berg aus, dass das Nähen der Wunde allerdings das Idealere 
sei; für praktischer halte er aber das Offenlassen derselben 
und Tamponade, da die Schwierigkeit der Verhältnisse es 
nicht gestattet, die Naht so exact anzulegen, wie es erforder¬ 
lich ist um Sepsis absolut sicher auszuschliessen. 

Dr. Klemm erinnert schliesslich an die Analogie, welche 
die besprochene Operation mit der des Mastdarmcarcinoms 
habe: in letzteren Fällen habe man die Erfahrung gemacht, 
dass das Unterlassen der Naht günstiger sei, weil sie nicht so 
exact gemacht werden kann, dass Secretstagnation sicher ver¬ 
mieden ist. 

3. Dr- Voss stellt eine Reihe von ihm operirter Patienten 
vor: 

1) Zwei Pat. mit künstlich offen erhaltener breiter Fistel 
am Processus raastoideus (wegen Cholesteatom angelegt)- 

2) einen mit Auslösung der Ohrmuschel operirten Fall von 
Cholesteatombildung; 

3) eine Patientin, der wegen Caries des Felsenbeins nach 
Scharlach ein grösseier Sequester (vielleicht einen Theil der 
Schnecke enthaltend) entfernt wurde; 

4) eine von einer Sinusthrombose glücklich geheilte Pation- 
tin, operirt bei bereits bestehender Pyaemie und Metastasen 
in Lunge, Nieren und Gelenken. 

Wegen vorgerückter Zeit wird der Vortrag von Dr. Voss 
auf die nächste Sitzung verschoben. 

z. Z. Secretär; Heerwagen. 


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186 


Kleiner« Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Wilhelmy giebt ein neues Verfahren zur Behandlung 
der epidemischen infectiöaen Diphtherie an. Beide 
Mandeln, Gaumenbögen und die hintere Rachenwand werden 
mit einer 20 pCt. Chlorzinklösnng angeätzt. Zur Aetzung 
bedient sich W. einer 18 Cm. langen, vorne kurz auf die Kante 
gebogenen gezahnten Pincette; um das gekrümmte Pincetten- 
ende wickelt er fest einen Wattestreifen, mit der erwähnten 
Lösung getränkt. Nach der Aetzung müssen die Patienten 
Eisstückchen oder eiskaltes Wasser schlucken; gewöhnlich 
verschwinden dann die Schmerzen binnen kurzer Zeit. Die 
schwersten Fälle von Diphtherie konnten auf diese Weise 
geheilt werden. Als conditio sine qua non ist die möglichst 
frühe Einleitung der Behandlung anzusehen. 

(Deutsche medic. Wochenschr. Nr. 5). 

-- Gegen Sommersprossen empfiehlt Morrow folgende 
Salbe: Aekti carbolici, Acid. Tannici u 4.0 Tiuct. jodi 8,0. 
Vaselini 120,0. (L’Union medic. 1891. Nr. 89). 

— Prof. Lupine (Lyon) hat in 30 Fällen von Pneumonie 
Digitalin mit überraschend günstigem Erfolge angewandt- 
Er verordnet dasselbe in allen Fällen, wo Zeichen von Herz, 
schwäche vorhanden sind und zwar 3 Mgrram. Morgens, häufig 
noch 1—2 Mgrmm. Abends. Das Digitalen ist kein Specificum 
gegen Pneumonie, es bekämpft aber mit Erfolg eine der 
schwersten Complicationen derselben — die Herzschwäche. 

(Allg. medic. C'.-Ztg. Nr. 12). 

— Gereon beobachtete auf der Leyden’schen Klinik einen 
18jährigen Arbeiter ohne Nierenafrection im Stadium der 
fteconvalescenz nach doppelseitiger Pneumonie. 17 Tage nach 
der Aufnahme versiegte plötzlich ohne nachweisbaren Grund 
und ohne Vorboten die Nierensecretion. Diese Anuria para- 
doxa dauerte 68 Stunden, der Patient fühlte sich bis auf 
geringes Erbrechen vollkommen wohl. 

(Centrlbl. f. kl. Medicin Nr. 46. 1891). 


Dr. Friedrich Schultz t. 


Am 29. April verschied plötzlich der Stadtarzt zu Riga Dr. 
med. Friedrich Schultz. Einen hochbegabten Arzt und 
tüchtigen Beamten, einen treuen Berufsgenossen und selbst¬ 
losen Freund, einen in reiner Gesinnung stets idealen Zielen 
zustrebenden Menschen hat der Tod von uns genommen. 
Viele werden um seinen frühen Hingang trauern auch in dem 
Leserkreise dieser Wochenschrift. 

Friedrich Schultz wurde am 11. Sept. 1842 in Curland 
geboren, erhielt seine Gvmnasialbildung in Riga, studirte 
1861 bis 1866 in Dorpat Medicin und zog 1866. nachdem er 
die Prüfung als Arzt bestanden hatte, in das Gouvernement 
Simbirsk. wo er zunächst als Privatarzt wirkte. 1868 wurde 
er dort Landschaftsarzt, 1876 Kreisarzt, entfaltete in seiner 
öffentlichen Stellung wie in seiner privaten Praxis eine rege 
Thätigkeit und erwarb sich allgemeine Liebe und Achtung. 
Nach dem russisch türkischen Kriege, den er als Evacuations- 
arzt auf dem europäischen Kriegsschauplatz mitmachte, gab 
Schultz seine Stellung in Simbirsk auf; es trieb ihn zur 
Rückkehr zu seinen Geschwistern, in die alte Heimath. Sein 
reger wissenschaftlicher Sinn führte ihn 1879 noch einmal auf 
die Universität; nach neuen Studien verliess er Dorpat 1881 
mit dem Grad eines Dr. med. Seine Dissertation («Experi¬ 
mentelle Studien über Degeneration und Regeneration der 
Cornealnerven») ist ein werthvolles Zeichen seiner gründli¬ 
chen Arbeitsweise. Bald darauf fand er eine Anstellung als 
jüngerer Arzt bei den Anstalten des livl. Collegiums allge¬ 
meiner Fürsorge in Alexandershöh bei Riga. Hier hatte er 
Gelegenheit, mit dem ihm eigenen Eifer auch dem Studium der 
Geisteskrankheiten seine volle Aufmerksamkeit zazuwenden. 
Im Sommer 1883 wurde Schultz dann zum Rigaschen 
Stadt- und Polizeiarzt gewählt. Seine schon in früheren 
Stellungen gewonnene Vorliebe für forensische Medicin konnte 
er nun wieder im Amt mit unermüdlichem Eifer und voller 
Hingebung bethätigen. Bei seinen Collegen und den bethei¬ 
ligten juristischen Autoritäten gewann er bald den Ruf eines 
ausgezeichneten Sachverständigen und Gutachters. Klarer 
praktischer Blick, vorzügliche Gesetzeskenntniss, gründliche 
Beherrschung der klinischen Medicin wie der pathologischen 
Anatomie verbunden mit der Fähigkeit, seine Ansichten klar, 
überzeugungswarm und fesselnd in Wort und Schrift wieder¬ 
zugeben, Hessen ihn besonders geeignet erscheinen für die 
speciellen Aufgaben seines Berufs. Wenn er dabei schnell 
eine in den weitesten Kreisen Riga’s nicht nur gekannte, sondern 
geachtete und beliebte Persönlichkeit wurde, so gründete sich 
das weniger auf sein Wissen und Streben, als auf seinen per¬ 
sönlichen Charakter. Friedrich Schultz war in der Güte 
und Lauterkeit seines Herzens ein seltener Mensch. Das 
Wohlwollende, Selbstlose, Humane seines Charakters war schon 
in seinem äusseren Wesen ausgesprochen und trat jederzeit 


zu Tage, oft in rührenden Zügen. So hat er nie Feinde ge¬ 
habt, sondern ist von Vielen geliebt worden. 

An seiner reichen Erfahrung liess Schultz gerne seine 
Collegen theilnehmen. Er förderte nach Kräften die wissen- 
sahaftlichen Verhandlungen der Gesellschaft prakt. Aerzte zu 
Riga; auch diese Wochenschrift verdankt ihm eine Reihe in¬ 
teressanter Beiträge. Den Besuchern der livländiseheu Aerzte- 
tage steht es in frischer Erinnerung, wie Schnitz dort die 
forensische Medicin mit Fener und doch mit besonnener Kri¬ 
tik zu repräsentiren wusste. 

In seinen Mussestunden war Schultz ein Freund gemein¬ 
nütziger Vereinsbestrebungen und folgte mit feinsinnigem 
Verständnis dem Kunstleben. 

Was Schultz seinen zahlreichen Geschwistern, was er sei¬ 
nen Freunden war. soll hier unberührt bleiben. Die Wert¬ 
schätzung seiner Persönlichkeit konnte bei grösserer Annähe¬ 
rung nur gewinnen. 

Schultz war eine kräftige Natur, unr in den letzten Jah¬ 
ren seines Lebens zeigten sich Symptome eines ernsten Lei¬ 
dens (Arteriosklerose, Degeneration des Herzmuskels), die seine 
Arbeit nur vorübergehend unterbrachen, aber ihm und seinen 
Freunden die traurige Gewissheit gaben, dass seine Tage ge¬ 
zählt wären und aller Wahrscheinlichkeit nach einmal eit» 
plötzliches Ende, seinem Schaffen ein Ziel setzen würde. Am 
29- April schlug diese Stunde; als er morgens am Schreibtisch 
sich anschickte die laufenden amtlichen Schriftstücke zu er¬ 
ledigen, ereilte ihn der Tod. So schied er zu früh von uns, — 
wir werden ihn oft vermissen und nie vergessen. A. M. 


Vermischtes. 

— Professor Dr. E. v. Bergmann war in den letzten Tagen 
des April-Monats in Warschau, wohin er durch die xT*olf. 
Baranowski und Kosinski zu einer Consultation zh einem 
kranken Warschauer Einwohner eingeladen war. Der berühmte 
Chirurg weilte, wie die örtlichen Zeitungen berichten, einen 
ganzen Tag in Warschau, besuchte das «Heilige Geist-Hospital» 
und assistirte dort dem Prof. Kosinski bei seinen Ope¬ 
rationen. 

— Im Goavernement Nishni-Nowgorod sind die zur Be¬ 
kämpfung der dort herrschenden Typhusepidenrfe eingetrof- 
fenen Aerzte Rosanow, Skworzow und Liw&new am 
Flecktyphus erkrankt. 

— In Berichtigung unserer Mittheilung in Nr. 12 pg. 178 
erfahren wir, dass der Stud. Bary nicht «vor Erreichung des 
Bestimmungsortes», sondern nachdem er schon über 150 Typhus¬ 
kranke in verschiedenen Dörfern besucht und behandelt batte, 
selbst in einem Dorfe des Ssamara’schen Gouvernements am 
Flecktyphus erkrankt ist. 

— Am 29. April ist aus St. Petersburg die vierte Partie 
Studenten des letzten Cursus der militär-medicinischen Aka¬ 
demie zur Hülfeleistung in die von Epidemien heimgesuchten 
Gegenden abgereist, und zwar 10 von ihnen in’s Tulasche 
Gonverneraent und je 1 in’s Saratowsehe und NishBi-Newgo- 
rodsche Gonvernement. 

— Von der Hauptverwaltung des russischen «Rothen Kreuzes» 
wurde in der vorigen Woche aus St. Petersburg die erste 
Mtthamedanerin, mit Namen Bibi-Rasyja-Katlujarowa, 
als barmherzige Schwester in das von Hungersnoth nnd Epi¬ 
demien heimgesuchte Rjasansche Gouvernement gesandt, an 
dort sich der Pflege von kranken muhamedanischen Frauen 
und Kindern zu widmen. 

— In Woronesh ist am 21. März eine Abtheilung der 
Russischen Gesellschaft zur Währung der Volksge 
sundheit eröffnet worden. Zum Präsidenten wurde Dr. A. 
Ch. Sabinin und zum Vicepräsidenten Dr. A. E. Spengler 
gewählt. 

— ln Charkow hat sich eine Abtheilung des St. Pe¬ 
tersburger RechtBSchntzvereiues gebildet. 

— Der Professor der Botanik an der militär-medicinischen 
Akademie, wirkl. Staatsrath Dr. Batalin, ist zura Director 
des St. Petersburger Botanischen Gartens ernannt worden, 
mit Belassung in seiner bisherigen Stellung. 

— Der consultirende Arzt für innere Krankheiten im hiesigen 
Nirolai Militär-Hospital, Leo Berthenson, hat kürzlich aus 
nicht näher zu erörternden Gründen seinen Posten aufgegeben, 
nachdem er 19 Jahre dem Hospital treu gedient, ja trotz seiner 
ausgedehnten Privatpraxis demselben viel mehr Zeit und Kraft 
geopfert, als seine directe Pflicht es erheischte. Dieser Arbeits¬ 
eifer. sowie seine stets liebevolle Art im Umgänge mit den 
kranken Soldaten, haben ihm zum Abschiede ein werthvolles 
Ehrengeschenk von den Collegen und eine sehr herzlich abge¬ 
fasste Adresse von den barmherzigen Schwestern eingetragen- 
Um so schwerer fiel ihm freilich angesichts dieser schönen 
Anerkennung der Abschied. Es ist bedanerlich, wenn cäne 
solche Kraft für den Hospitalsdienst in Zukunft verloren 
geht. 


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— Verstorben: I) In Warschau der dortige Profe*gorder 
chirurgischen Hospitalklinik, wirkl. Staatsrath Dr. J. A. 
Jefremewski im 64 . Lebentjahre. Der Veratorbene war nach 
Absolvinmg des aed. Curaus an der medico^chirnrgischen 
Akademie L J. 1862 längere Zeit Militärarzt, bis er im J. 1872 
die Professor in Warschau erhielt. Seine Beobachtungen ans 
der Zeit des deutsch-französischen Krieges, an welchem er als 
Arzt theilnahm, hat er in 2 Schriften «Ueber Schusswunden 
des Kniegelenks» und «Ueber Eesectionen des Schulter- und 
Ellenbogen gelenkes» veröffentlicht. 2) Am 28. April in St. 
Petersburg der ehemalige Professor der speciellen Pathologie 
und Therapie an der Kasanschen Universität, wirkl. Staatsrath 
Dr. J. Soederstftdt, in hohem Alter. 3) In Jekaterinburg 
der Leiter einer Typhusabtheilung im dortigen Stadthospital, 
Dr. Wl, Wl, Ebermann im 36. Lebensjahre am Flecktyphus. 
Der Verstorbene hatte seine medic. Ausbildung in Moskau 
erhalten und war früher im Klin’schen, dann im Jekaterin- 
burg’schen Kreise Landschaftsarzt gewesen. 4) Am 20. April 
in Jekatorinbnrg der dortige Arzt Boris Kotelj anski, 
welcher nach dem Tode Dr. Wl. Ehermann’s die Leitung 
der Typhusabtheilung des Stadthespitales übernommen hatte, 
hn 32. Lebensjahre ebenfalls am Flecktyphus. Kotelj anski 
der in Kiew studirt hat, ist auch vielfach literärisch thätig 
gewesen. In den «Nowosti» widmet ihm ein Freund einen 
warmen Nachruf. 5) Im Kirchdorf Kotschkar (Gouv. Orenburg) 
der dortige Arzt P. F. Petrow am Flecktyphus. 6) In 
Tscherny-Jar (Gonv. Astrachan) der noch junge Dorfarzt 
W. Petritschenkow, welcher sich erschossen hat. 

— Der Bestand der Casse der Hauptverwaltung der rus¬ 
sischen Gesesellschaft des «Bothen Kreuzes» betrug am 1. Mai 
d. J. 2,864,462 Rbl. 38 Kop. 

— Frau Baranowskaja in Moskau hat für das künftige 
weibUche-medicinische Institut 25,000 Bbl. gespendet. 

— In Paris hat eine Russin Warwara S., welche vor 
4 Jahren den Cnrsus eines russischen weiblichen Gymnasiums 
absolvirte, das Diplom eines Veterinärarztes erlangt. 

— Gaczkowski, der Erfinder des «Vitalin», soll nun doch 
arretirt worden sein, um zur gerichtlichen Verantwortung 
gezogen an werden. 

— In Kiew ist vor Kurzem eine Curpfuscherin, die 

Wittwe eines Stabscapitäns Nina Tichanowskaja bestraft 
worden, welche in der Stadt durch ihre Helfershelfer und anch 
die Post Bekanntmachungen versandte, in welchen sie erklärte, 
dass sie alle Krankheiten heile. Unter den leichtgläubigen 
Leuten, welche ln die Hände der Fran Tichanowskaja 
gerietben. befand«* sich unter Anderen ei* Polizeisoldat und 
ein Feuerwehrmann, von denen ersterer 6 RbL 20 Kop., der 
letztere sogar 27 Rbl. für die Cur zahlen mussten. Als dieselben 
Uiaea E*Mg von der Behandlung verspürten» wurden sie 
gegen die Cnrp f ns c herin klagbar, welche vom Friedensrichter 
zu einer Geldstrafe von 30 Rbl, eventuell xn 7 Tagen Arrest 
verurtheilt wurde, (Kiewskqje Sslowo.-Wr.). 

— Wie au» Sfaratow mitgftheilt wird, haben sich doch 
schon 3 Aerztg gefunden, welche bereit sind i* den Dienst der 
von Herrn Kropotow geleiteten Ssaratowschen Landschaft 
z« treten. AU solche werden Dr. Miloslawski aus Moskau, 
Dr. Ssokolow ans Charkow und ein wirkl. Staatsrath Dr. 
Heizntahn (?). 60 J. alt, genannt. 

Kropotow erklärt sogar in seinem Leibblatte, den «Moskew- 
skija \Vedorao8ti», feierlichst Allen, die es zu wissen wünschen, 
dass bereits die Hälfte der ärztlichen Vacanzen im Ssaratow- 
schen Kreise besetzt und für die noch übrigbleibenden Stellen 
die 4 fache Zahl von Candidaten vorhanden sei. Wenn 
Kropotow durch diese Bekanntmachung sich rechtfertigen 
nnd beweisen will, dass es nicht so schrecklich sei, wie 
behauptet wird, so hat ardtesen Zweck wehl kaum erreicht. 
Das vo* ihm mitgefheilte fVtum beweist nur, wie die «Nowosti» 
sehr richtig bemerken, dass es bei uns noch sehr * lei darbende 
Aerzte giebt, welche bereit sind, um das liebe Brot sich sogar 
unter das Commando eines Kropotow zu stellen... Wie schreck¬ 
lich Kropotow sein mag, der Hunger ist noch schrecklicher! 

— In Berlin ist am 5. Mai n. St. der berühmte Chemiker, 
Geh.-Rath Prof , v. H ofmann, dei Lehrer vieler medicinischen 
Generationen, pTÖTZTffch am Lnngenschlage gestorben. Noch 
knrz wer dem Tode hatte er die chemisch* ftmnng zahlreicher 
junger Me diz in e r getaktet. 

— Brr älteste A**t d. r Welt dürfte wehl Du William 
Sa 1 man i* FTedy aerCauit {EnghuMD »ein, welclme am 16y 
Mär* d.. J. «aiaen Nt Geheatstag fcieree. S. ist seit 1809y 
also »akt «3 Jahren, als Mitglied in die Liste des Royal College 
of sufeons eingetragen, 

— Mon den engli**h«n Aer*te.ft» welche aa dem 
Kritalriege theflgenominen haben, sind nur noch 4 am 
Leb**: dir ©Buv Tipets, Maokiaon, Webb und Read«. 

(Brit. med. Jkfurn.-Wr.). 

— Thäatatih 1 -ik 

ProJfcma» ■aA,.ahata*at du* eUNMecke» ftaabadeem» » 


Leipzig fnngirt, ist zum Ehrenbürger der Stadt Leipzig 
ernannt worden. 

-- Am 5. Juli feiert die Dnbliner Universität das Fest 
ihres 300jährigen Bestehens. 

— Der Warschauer Laryngologe Dr. Heryng hat de« Ruf 
an die Universität Insbruck nicht angenommen. 

— Die Influenza hat im verflossenen Winter unter den 
Bewohnern der Kalmücken-Steppe arg gr&ssirt, so dass 
ganze Dörfer verödet sind. Dass die Krankheit ab«- so ver¬ 
heerend gewirkt hat, ist anch dem Umstande zuznschreiben, 
dass die Kalmücken die an der Influenza Erkrankten, ebenso 
wie die Pockenkranken, ihrem Schicksal überliessen, weil sie 
die Ansteckung fürchten. 

— Von den 3 Proben russischen Rothweins (zu 50, 75 und 
90 Kop. die Flasche), welche in der Moskauer städtischen 
SanitätSBtation untersucht worden sind, erwies sich nnr die 
theuerste Sorte als Natnrwein, in den beiden anderen Sorten 
wurde eine Beimischung von Alkohol nnd Farbstoff entdeckt. 
Der russische «Claret» bestand dagegen nnr ans einer geringen 
Quantität Traubenwein, dem Alkohol, Wasser und Zucker 
zu gesetzt war. 

— Der Bacillus der Eklampsie. Im pathologischen 
Institut za Halle ist es, wie die «Deut. med. Wocheuschr.» 
berichtet, dem ersten Assistenten Dr. Gerdes gelungen, bei 
einem sehr schweren Fall von Eklampsie durch die Cultur 
die Anwesenheit eines kurzen Bacillns in Leber, Lnnge and 
Niere, sowie im Blut nachzuweisen, der für Mäuse nnd Ratten 
eine erhebliche Virulenz besitzt, bei den ersteren zudem Con- 
vulsionen auslöst und unter Coma, Verflachung der Athmung 
und Sinken der Temperatur den Tod der Versuchstiere in 
kurzer Zeit veranlasst. Bei Meerschweinchen tre;en die Con- 
vusionen nur nach intravenöser Injection (es wurde die Vena 
jngularis communis gewählt) ein. während subcutane und 
intraperitoneale Injectionen erfolglos blieben. Die erwähnten 
Bacillen sind in grossen Mengen in Lunge, Nieren und Leber 
nachgewiesen worden, und zwar iu Form bacillärer Embolie, 
die auf einen primären Entstehnngsherd (wahrscheinlich die 
Placenta) Rückschlüsse gestattet. Die vorläufige Mitteilung 
steht unmittelbar bevor. 

— Wie die Tagesblätter melden, kommt ira Reichsrath ein 
Gesetzentwurf zur Berathung. nach welchem die Unter¬ 
lassung der Anmeldung von ansteckenden Krank¬ 
heiten seitens der Aerzte aa den unständigen Stellen mit 
einer Geldstrafe im Betrage von 300 Rbl. oder mit Gefäng- 
nisshaft in der Dauer von drei Monateu beahndet werden soll. 

— Dem «Regiernngsanzeiger» zufolge sind von Vertretern 
der einschlägigen Ministerien in diesen Tagen besondere 
Maassregeln zum Schutz gegen dieCholeraeinschlep- 
p«ng beratbe* worden, da diese Krankheit in Afghanistan 
aufgetancht ist und von dort leicht durch Transkaukasien 
nach Russland eindringen kann. Die Commission hat sich 
veranlasst gesehen, die Ergreifung einer Reihe von ausser¬ 
ordentlichen Maassregeln zu beschlossen, weil das Transkaspi 
Gebiet sich durch ausserordentlich schlechte sanitäre Ver¬ 
hältnisse auszeichnet. 

— Prof. Ch. Richet nid Dr. J. HAricourt haben der 
französischen Academie der Wissenschaft die Mittheilung 
gemacht, dass es ihnen gelungen sei, Hunde durch Einimpfung 
von Vogeltnberculose immun gegen' die Menechentoberculose 
zu machen. 

— Der Prof, der Hygiene Löffler in Greifswald hat gele¬ 
gentlich einer unter den weissen Mäusen seines Laboratoriums 
ausgebrochenen Epidemie einen wohloharakteririrten Mikro¬ 
organismus — den Bacillus typki mirrium — anfgefunden, 
welcher, wenn mau ihn Feldmäusen in Form vo* Sämereien 
u. dergl., die mit Kultui-flüssigkeit diese« Bacillus getränkt 
sind, beibringt, diese eine grosse Landplage bildenden Thiere 
tödtet. Der genannte Bakteriologe bat Runmebr Gelegenheit 
gefunden, seine Entdeckung in grösserem Maassstabe praktisch 
zu verwerthen, da er im Aufträge der griechischen Regierung 
nach der peloponesichen Halbinsel gereist ist, um weite Land¬ 
striche Griechenlands von der Mäuseplage zu befreien. 

— Nach e in e m offlcieUen Bericht der medicinischen Gesell¬ 
schaft in Brüssel sind i* verschiedenen Landestheilen 
Belgiens der Typhus und die Pocken ansgebrocheu. 

— Die Cholera wtitliet in Benares in schlimmster Form. 
Von 180 Erkrankungsfällen habe* 130 einen tödtlichen Aus¬ 
gang genommen. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhespi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 25. April d. J. 5783 
(143 weniger als in der Vorwbcfce), dtrnafcr 310 Typhus — 
(19 we nig er), 549 SyphiHs — (15 mehr), 37 Scharlach — (5 we¬ 
niger), 19 Diphtherie — (6 mehr als in der Yerwoahe^ 38 Ma¬ 
sern — (wie in der Vorwoche) und 32 Pockenkranke (6 we¬ 
niger als hi der Vorwoche). 


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Vacanzen. 

1. Es wird ein Landschaftsarzt für einen med. Bezirk 
des Kreises Slatoust (Gonv. Ufa) gesucht. Gehalt 1400 Rbl. 
jährlich bei freien Fahrten und freier Wohnung im Kirclidorfe 
Jemaschi. Die Reisekosten nach Slatoust werden nicht ver¬ 
gütet. Nähere Auskunft ertheilt die «3jraToycTOBCKaa 
3eMCKaa YnpaBa». 

2. Im Kreise Ljubim (Gouv. Jaroslaw) ist die Stelle eines 
Landschaftsarztes vacant. Gehalt900Rbl.jährlich- Wohn¬ 
sitz im Dorfe Ssawinskaja. Adresse: «JLoÖHMCKaa y-kajnaa 
SeMcaaa Ynpaßa». 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 19. April bis 25. April 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 


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Ichthyol wird mit Erfolg angewandt bei Frauenleiden und 
Chlorose, bei Krankheiten der Haut, der Verdauungs- und 
Circulations-Organe, bei Hals- und Nasen-Leiden, sowie bei 
entzündlichen und rheumatischen Affectionen aller Art, tlieils 
in Folge seiner durch experimentelle und klinische Beobach¬ 
tungen erwiesenen reducirenden, sedativen und antiparasitären 
Eigenschaften, anderntheils durch seine die Resorption beför¬ 
dernden und den Stoffwechsel steigernden Wirkungen. 

Wasserheilanstalt in Reichenau (Niederdsterreich) 
«Rudolfsbad». Oertel’sche Cur gegen Fettleibigkeit, Fett¬ 
herz und Herzschwäche. 

Königliches Bad Oeynhausen: Bewährt gegen Er¬ 
krankungen der Nerven, des Gehirns und Rückenmarks, gegen 
Muskel- und Gelenkrheumatismus, Herzkrankheiten, Scrophn- 
lose, Anämie, chronische Gelenkentzündungen, Frauenkrank¬ 
heiten u. s. w. 

Bad Nauheim: Zur Behandlung kommen vorzugsweise 
Krankheiten des Rückenmarks (spec. Tabes), Rheumatismen, 
Gicht, Chronische Magen- und Darmkatarrhe, Frauenkrank¬ 
heiten, Uterinleiden (Exsudate), Scrophulose und als Specialität: 
Herzkrankheiten. 

Curort Salzbrunn, Schlesien: Heilbewährt bei Erkran¬ 
kungen der Athinungsorgane und des Magens, bei Scrophulose 
Nieren- und Blasenleiden, Gicht, Hämorrhoidalbeschwerden 
und Diabetes. 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 1, Typh. abd. 7, Febris recurrens 2, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 1, Pocken 4, Masern 14, Scharlach 10, 
Diphtherie 5, Croup 1, Keuchhusten 4, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 34, Erysipelas 2, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 4, Epidemische Meningitis 1, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0 ? Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 1, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 3. Pyämie und Septicaemie 4, 
Tuberculose der Lungen 106, Tuberculose anderer Organe 10, 
Alkoholismus und Delirium tremens 2, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 33, Marasmus senilis 25, Krankheiten des 
Verdauungscanals 67, Todtgeborene 24. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 12. Mai. 


Bad Wildungen seit lange bekannt durch unübertroffene 
Wirkung bei Nieren-, Blasen- und Steinleiden, bei Magen und 
Darmkatarrhen, sowie bei Störungen der Blutraischung, als 
Blutarmuth, Bleichsucht, u. 8. w. 

Sehering’s Pepsin-Essenz. Verdauungsbeschwerden, 
Trägheit' der Verdauung, Sodbrennen, Magen Verschleimung, 
die Folgen von Unmässigkeit im Essen und Trinken werden 
durch diesen angenehm schmeckenden Wein binnen kurzer 
Zeit beseitigt. 

Curort Gleichenberg: Nach Influenza zurückgebliebene 
katarrhalische Reizungszustände und nervöse Störungen, so¬ 
wie frische und veraltete Katarrhe der Athmungsorgune wer¬ 
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XVII. JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


IIDIGIBISCHE WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 

Prof. Er. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicioische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnementspreil ist in Bussland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Inaertlonspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


WtT Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate “Mi 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Bioker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect 14, zu richten.— Hanusorlpte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja 33,Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 

stunden täglich von 2— 4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


Jfs 20 


St. Petersburg, 10. (28.) Mai 


1892 


Inhalt: K. Lanrenty: Daß Refractions-Binocle ein neues Optometer. — H. Seeberg: Ein Fall von schwerer Kopf¬ 
verletzung mit Ausgang in Heilung. — Referate: Die operative Behandlung der Appendicitis: I. Ch. Mc. Burney: Die 
Indicationen zu frühzeitiger Laparotomie bei Appendicitis. — II. W. Keen: Die Indicationen zu frühzeitiger Laparotomie bei 
Appendicitis. — III. L. A. Stimson: Die Technik der Operation zur Heilung der Appendicitis. — IV. G. Fowler: Die Tech¬ 
nik der Operation bei Appendicitis. — V. A. Carbot: Ein Fall von recidivirender Appendicitis, in welchem die Appendix in 
der Zeit zwischen den Anfällen entfernt wurde. Genesung. — VL H. Elliot: Appendicitis. Einjährige Erfahrung in der Pri¬ 
vatpraxis. — VII. H. Marcy: Recidivirende Appendicitis mit Bildung von Adhaesioneu am Kopf des Coecum. Operation. 
Heilung. — F. Nissen: Ein experimenteller Beitrag zur Frage der Milzbrandbehandlung. — Bticheranzeigen und Bespre¬ 
chungen: Albert Moll: Die conträre Sexualempfindung. — Martin Mendelsohn: Der Comfort des Kranken. — P. Hampeln: 
Ueber Erkrankungen des Herzmuskels. — M. Bresgen: Wann ist die Anwendung des elektrischen Brenners in der Nase von 
Nutzen? — Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische 
Notizen. — Vermischtes. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Das Refractions-Binocle 

ein neues Optometer 
von 

Stud. med. K. Lanrenty 
in Dorpat. 


In seinen Vorträgen aus dem Gesammtgebiet der Augen¬ 
heilkunde weist Mauthner darauf hin, dass es eigent¬ 
lich nur die Fernpunktsbestimmung ist, bei welcher wir 
bisher der ophthalmoskopischen Methode nicht entrathen 
können, während alle übrigen Daten zur Bestimmung des 
Refractionszustandes durch subjectiv-functionelle Prü¬ 
fung — und zwar nur durch diese — erhalten werden. 
Dieser Umstand in Verbindung mit der grossen Varia¬ 
tionsfähigkeit der Linsen-Optometer giebt eine Rechtfer¬ 
tigung dafür, dass immer wieder neue Constructionen 
versucht werden und es nimmt diese Rechtfertigung das 
hier beschriebene Refractions-Binocle auch für sich in 
Anspruch, weil es einfacher und vielseitiger zu sein 
scheint als ähnliche, schon bekannt gewordene Instru¬ 
mente. 

Wenn ich nun gleich eingangs betone, dass ich nur 
eine einfache Linse zur Betrachtung des Objects ver¬ 
wende, so bitte ich den Leser, hieraus kein Vorurtheil 
schöpfen zu wollen, denn die mit dem Optometer ange- 
stellten vergleichenden Versuche, sowie die freundliche 
Aufnahme, welche es in hiesigen Fachkreisen gefunden 
hat, beweisen, dass auch unter Beibehaltung der einfach¬ 
sten Grundform ein sehr gut arbeitendes, dabei leicht 
verständliches und leicht controlirbares Instrument er¬ 
halten werden kann. 

Soll also eine einfache Biconvexlinse als Optometer 


benutzt werden,,so wird es. sich zunächst um die Brenn¬ 
weite derselben handeln; hierüber ist zu sagen: 

Je kürzer die Brennweite der .Linse gewählt 
wird, desto grösser ist der optische Spielraum 
für die Verschiebung des Objects. Die Grösse der 
Verschiebung d, welche einem gewissen Accomodations- 
bereich x—xi des unbewaffneten Auges entspricht, findet 
ihren Ausdruck in 

d = (f)‘(s- - r) 

wo X die deutliche Sehweite (angenommen zu 250 Mm.) 
und N die auf diese Sehweite bezogene Vergrösserung 
bedeuten; x und xi sind der Fernpunkt, beziehentlich 
Nahepunkt des freien Auges. Der im Allgemeinen noch 
hinzutretende Factor n, der Brechungsexponent des Me¬ 
diums, wird hier = 1, weil das Object in Luft liegt, 
und ist daher fortgelassen. Aus dieser Formel, wel¬ 
che ich Dippel’s Grundzügen der allgemeinen Mikrosko¬ 
pie entlehne, ist ersichtlich, das d abnehmen muss mit 
wachsendem N, also mit abnehmender Brennweite der 
Linse. Setzt man als Beispiel ein Auge voraus, das 
zwischen den Grenzen oo und 100 Mm. zu accomodi- 
ren vermöge und berechnet d für die beiden Vergrösse- 
rungen von 2,5 und 12,5 — entsprechend einer Brenn¬ 
weite von 100 resp. 20 Mm. — so findet sich: 

d = 100 Mm. für N = 2,5 

d = 4 Mm. » N = 12,5 (siehe auch später.) 

d. h.: um den Bereich von zehn Dioptrien zwischen oo 
und 100 Mm. zu durchlaufen, muss für eine Linse von 
100 Mm. Brennweite das Object vom Focus an um 
100 Mm. der Linse genähert werden, — wobei es 
schliesslich in den nächsten Hauptpunkt der Linse zu 


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192 


stehen käme —; dagegen sind nur 4 Mm. Verschiebung 
erforderlich um die gleiche optische Strecke zu durch- 
li$iei&%enn F nut; 20 Mm. beträgt. Ja, es könnten 
m'di«sein Falle noch weitere zehn Dioptrien zurückge¬ 
legt werdeji, ohne dass das Object zu nahe an die Linse 
rückte. Somit wird man F so klein zu wählen ha¬ 
ben, als sonstige Umstände dies noch gestatten. 

In dieser Hinsicht ist zu beachten, bis zu welcher 
Grenze eine präcise Messung durch einfache Mittel über¬ 
haupt noch möglich ist und : wie dieselbe durch die Fo¬ 
custiefe etwa beeinflusst wird. 

Unter Focustiefe wird bekanntlich derjenige Spielraum 
diesseits und jenseits einer genauen Einstellungsebene 
verstanden, innerhalb dessen die auftretenden Zerstreu- 
ungskreise noch ein genügend deutliches Sehen ermögli¬ 
chen — eine bestimmte Einstellung und einen bestimmten 
Accomodationszustaud vorausgesetzt — und dieser Spiel¬ 
raum wird ausgedrückt durch 


worin' w die noch zulässige angulare Grösse des Zer¬ 
streuungskreises und a die numerische Apertur bedeuten. 
X und N sind wie oben zu verstehen und der Factor 
n = 1 ist fortgelassen. Nimmt man nun (mit Dippel 
1. c.) w = 3 Bogenminuten an, mit dem numerischen 
Werth 0,0008, und a, entsprechend dem von mir ver¬ 
wendeten Oeffnungswinkel von ca. 15°, gleich 0,13, so 
erhält man 

28 = 0,6 Mm. für N = 2,5 

25 = 0,1 Mm. » N = 12,5 

und man sieht also, dass mit wachsender Vergrösserung, 
resp. abnehmender Brennweite, die Focustiefe fiel weni¬ 
ger rasch abnimmt, als die für eine gewisse optische 
Strecke erforderliche Verschiebung d: es wird also die 
Sicherheit der Messung von d immer mehr und mehr 
beeinflusst, je kleiner F genommen wird! Man könnte 
sich versucht fühlen, diesem wachsenden Einfluss der 
Focustiefe durch Vergrösserung der Oeffnung — und so¬ 
mit der numerischen Apertur — zu begegnen und in 
dieser Absicht etwa achromatische resp. aplanatische 
Linsen zu Verwenden; das im Nenner auftretende a würde 
dann die Grösse von 28 herabsetzen. Zu diesem Mittel 
habe ich indessen nicht gegriffen, weil einfache Linsen 
weniger kostspielig sind und weil durch den folgenden 
Kunstgriff das Verhältniss von d und 28 ein constantes 
und der Grösse nach durchaus zulässiges bleibt. 

Wird nämlich die Linse so angeordnet wie bei der 
Frauenhofer’schen Lupe, d. h. wird sie um ihre Brenn¬ 
weite vom Auge entfernt gehalten, — wie das bei Op¬ 
tometern auch schon in Anwendung gebracht ist, — so 
ergiebt sich ein doppelter Vortheil: 1) Die Verschiebun¬ 
gen pro Dioptrie werden in jedem Punkte gleich gross: 
Bekanntlich wird der Fernpunkt b aus dem Abstand a 
des Objects von der Linse und aus deren Brennweite F 

gefunden nach der Linsenformel -i- ~ = ^voraus¬ 

gesetzt, dass Auge und Linse zusammenfallen. Setzt 
man die Strecke a = F — d, wo also d die Verschie¬ 
bung des Objects gegen den Focus der Linse bedeutet, 
so gelangt man zu dem Ausdruck 

b ==-- + T + F 

Wenn sich nun das Auge um F von der Linse entfernt, 
so muss d so gewählt werden, dass auch das Bild eine 
gleichsinnige Verschiebung um F erleidet — sofern näm¬ 
lich das Auge seinen Fernpunktsabstand b behalten soll. 
Das Bild wird also in b—F vor der Linse bei Myopie, 
oder in b-fF hinter ihr bei Hypermetropie liegen müs¬ 
sen und durch Einsetzen dieser Werthe findet sich b= 

i d~» woraus d — 4- Nun ist aber b in Millime¬ 


tern ausgedrückt = wo x deu Grad der Ametro¬ 
pie in Dioptrien angiebt, also wird 

, . F* 

d — + 1000 * x 


d. h.: bei der erwähnten Linsenstellung ist die erforder¬ 
liche Verschiebung stets proportional der Anzahl von 
Dioptrien, durch welche die Ametropie ausgedrückt ist 


und beträgt für jede einzelne Dioptrie 


F* 

1000 


Millimeter. 


Ist F = 20 Mm., wie bei meinem Instrument, so folgt 
d = 0,4 Mm. pro Dioptrie. Aus der Constanz von d 
folgt aber ein eonstanter Einfluss von 25, und da diese 
Grösse — 0,1 Mm. gefunden wurde, so kann jede Mes¬ 
sung in einem beliebigen Punkt wegen bestehender Fo¬ 
custiefe nur um 0,05 Mm. zu gross oder zu klein aus- 
fallen. Dieser Fehler, der bei den gewählten Dimensio¬ 
nen ‘/s Dioptrie beträgt, ist offenbar noch als klein zu 
bezeichnen und die Brennweite der Linse ist mit 20 Mm. 
noch nicht zu klein bemessen. 


Anmerkung. Hier erkennt man übrigens, dass 
die oben angestellte Vergleichung zwischen d und 
28 für Linsen verschiedener Brennweite eine still¬ 
schweigende Voraussetzung enthält, nämlich die, 
dass die Vergrösserung constant bleibe. Diese 
Voraussetzung, oder die gleichbedeutende (siehe 
unten), dass das Auge um F von der Linse ent¬ 
fernt bleibe, wurde gemacht, um leicht vergleich¬ 
bare runde Zahlen zu erhalten. Nimmt man aber 
an, dass das Auge sich sehr nahe an der Linse 
befinde, so gilt z. B. für eine Brennweite von 20 Mm. 
die Vergrösserung 12,5 nur dann, wenn das Object 
im Focus steht. Soll der Bildpunkt zwischen oo 
und 100 Mm. wechseln, so wird für die Strecke 
von zehn Dioptrien die Verschiebung des Objects 
nicht mehr = 4 Mm., sondern, da die Vergrösse¬ 
rung N von 12.5 bis 15,0 wächst, erhält man von 
Dioptrie zu Dioptrie immer kleinere Verschiebun¬ 
gen, deren Werthe zwischen 0,9 und 0,28 Mm. 
liegen und in Summa nur 3,3 Mm. betragen. 

2) Der andere Vortheil, welcher aus der erwähnten 
Linsenstellung resultirt, ist der, dass bei beliebiger Stel¬ 
lung des Objects, also bei Untersuchung von Augen mit 
beliebigem Refractionszustande, der Gesichtswinkel, 
unter welchem das Bild erscheint, stets derselbe bleibt, 
ebenso auch die Vergrösserung. Diese Verhältnisse hat 
Nagel in den Tübinger Mittheilungen, Jahrg. 1880 und 
1881, eingehend untersucht und es kann hier auf diese 
Arbeit verwiesen werden. Da der Gesichtswinkel con¬ 
stant bleibt, so kann auch nach den üblichen Methoden 
die Sehschärfe bestimmt werden; jedoch habe ich hier¬ 
auf verzichtet, weil die Beschaffung guter Objecte hier am 
Ort zu viel Mühe und Kosten verursacht und weil ausserdem 
die im Umlauf befindlichen Sehproben weder allzu theuer, 
noch auch überhaupt für den Arzt entbehrlich scheinen. 

Nach diesen Erörterungen, welche trotz ihrer elemen¬ 
taren Natur nicht gut umgangen werden konnten, sind 
nun noch die aus der mechanischen Anordnung des In¬ 
struments resultirenden Fehler zu besprechen. — Die 
immerhin kleinen Verschiebungen von je 0,4 Mm. pro 
Dioptrie werden gemessen durch eine Schraube, deren 
Ganghöhe 1 Mm. beträgt und durch welche die beiden, 
Linse resp. Object einschliessenden, Tubusstücke in ein¬ 
ander verschraubt werden können. Die Schraube ge¬ 
stattet jederseits von der Nullstellung — (Object im 
Focus der Linse) — eine Verschiebung bis 10 Mm., so 
dass nach beiden Seiten je 25D gemessen werden kön¬ 
nen. Für die Ablesung sind die ganzen Millimeter in 
der Richtung der Längsachse auf dem Objet-Tubus auf¬ 
getragen, während die Zehntel am Umfange des anderen 
Tubus durch Theilung desselben in 10 Theile gegeben 


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193 


sind. Demnach erhält man Dioptrien, wenn die in Zehn¬ 
tel-Millimetern abgelesene Zahl durch 4 dividirt wird, 
und da der todte Gang der Schraube noch keineswegs 


0, l Mm. erreicht, so besitzt die Messung auch nach die¬ 
ser Seite alle erforderliche Genauigkeit. 

Hinsichtlich der Anordnung der Linse ist zu bemer- 



Natürliche Grösse. 

a) Object-Tubus, auf welchem die Längstheilnng befindlich. In demselben ist mittelst 
eines eingeschraubten Ringes der Tubus c mit der Objectplatte d verschiebbar. 

b) Linsen-Tnbus- ein Doppelrohr, dessen innerer Theil mit a verschraubt ist und 
seinerseits die Linsenfassung e, sowie den Stellring f trägt,—während der äussere 
Theil als Mantel das Rohr a umgreift und auf seinem unteren Rande die Zehn- 
tel-Theilung am Umfang trägt. 

Das untere Ende der Object-Tuben a ist durch eine starke Schiene verbunden, 
auf welcher der eine Tubus sich hin- nnd herschieben lässt. 


ken, dass ihr Abstand vom Auge durch einen besonde¬ 
ren. im Linsentubus versehraubbaren, Ring regulirt wird. 
Derselbe kann auch ganz entfernt werden und man sieht 
dann den Linsenscheitel im Niveau des Tubusrandes lie¬ 
gen. Im Mittel wird jener verstellbare Ring den Lin¬ 
senscheitel um ca. 6—7 Mm. überragen müssen, damit 
beim leichten Ansetzen des Instruments an die Orbital¬ 
ränder der geforderte Abstand von 20 Mm. zwischen 
den optischen Mittelpunkten von Auge und Linse er¬ 
reicht werde. Will man von Fall zu Fall die Lage des 
Augen-Knotenpunkts genauer berücksichtigen, so kann 
der Ring sehr ausreichend höher oder tiefer geschraubt 
werden. Was indessen den durch ungenaue Stellung 
des Ringes im Messungsresultat auftretenden Fehler be¬ 
trifft, so bleibt derselbe stets sehr klein, so lange jene 
Ungenauigkeit nicht 1—2 Mm. überschreitet und diese 
Grenzen lassen sich recht gut einhalten. Insbesondere 
bedeuten 2 Mm. Feststellung bei Messungen von resp. 
5, 10, 15, 20 D einen Fehler von ‘/»o, 1 /n, 'h, '/i D 
im Resultat und eine Differenz von 1 Mm. bewirkt nur 
etwa die Hälfte dieser Fehler. Dieselben kommen also 
überhaupt nur bei hohen Graden von Ametropie in Be¬ 
tracht und man kann nun schon theoretisch schliessen, 
dass ein nach obigen Grundsätzen gebautes Instrument 
gut functioniren werde. 

Es kommt aber endlich noch darauf an, die Wirkung 
der Accomodation auszuschliessen und dies kann dadurch 
geschehen, dass durch irgend ein Mittel die Augenachsen 
parallel gestellt und ohne bemerkbaren Zwang in dieser 
Lage erhalten werden. Zu diesem Zweck liess ich das 
beschriebene Instrument, das etwa einem sehr verklei¬ 
nerten Burow’schen Optometer gleicht, in zwei genau 
gleichen Exemplaren anfertigen und dieselben zu einem 
Binocle verbinden. Die Wahl des Objectes erforderte 
einige Umsicht und mehrfache Proben. Die Bilder, wel¬ 
che jedem Auge geboten werden, müssen zunächst ge¬ 
wisse identische Contouren enthalten, damit ein unge¬ 
zwungenes Zusammenfallen derselben bei der Betrach¬ 
tung eintrete; sie müssen ferner noch je ein besonderes, 
scharfes Detail enthalten, welches nur vom entsprechen¬ 
den Auge gesehen wird und als eigentliches Prüfungsob¬ 
ject zu dienen hat. Ich fand, dass passend hergerichtete 


geometrische Zeichnungen in photographischer Verkleine¬ 
rung sehr brauchbare Objecte liefern und zwar benutzte 
ich direct das erhaltene Negativ. 

Die Ocular-Tuben, durch welche die Einstellung er¬ 
folgt, bleiben unabhängig von einander, während die Ob¬ 
ject-Tuben durch einen Bügel verbunden sind, welcher 
zur Ajustirung auf jede Pupillardistanz verlängert resp. 
verkürzt werden kann, ohne dass der Parallelismus der 
Tubenachsen sich ändert. 

Zur Bestimmung des Fernpunkts ist das Binocle in 
gewöhnlicher Weise nahe an die Augen zu bringen und 
zunächst nur ein mässig scharfes Bild einzustellen. Als¬ 
dann ist unter Fixation des Bildes der Bügel, resp. 
der eine Tubus auf dem Bügel, so lange zu verschieben, 
bis die verschwommenen Kreise der Sehfelder, also die 
Bilder der Blenden, welche 4 Mm. Durchmesser besitzen, 
zusammenfallen. Die richtige Stellung wird nach einigem 
Hin- und Herschieben leicht gefunden und zwar wird bei 
etwas Aufmerksamkeit die Pupillardistanz stets auf 
’/a Mm. genau eingestellt. Natürlich muss man sich 
hüten, hierbei etwa das Bild der Blende fixiren zu wol¬ 
len — alsdann würden die Augenachsen convergiren. 
Bei weniger intelligenten Personen oder in Fällen, wo 
man dem Auge möglichst jede Arbeit ersparen will, kann 
die Pupillardistanz vorher ermittelt und am Bügel einge¬ 
stellt werden; immer aber ist die Ajustirung mit Sorg¬ 
falt vorzunehmen, denn ein Zusammenfallen der Bilder 
erfolgt ja auch schon bei gewisser Bewegung der Augen¬ 
achsen und diese ist grundsätzlich auszuschliessen. Mit¬ 
telst des für jedes Auge gesondert vorhandenen Details 
wird nun das Bild scharf eingestellt und es ist darauf 
zn achten, dass man mit der Einstellung nicht weiter 
geht als bis zum scharfen Erscheinen des Details, denn 
über diesen Punkt hinaus würde eine Accomodations- 
anspannung natürlich noch lange ein deutliches Bild 
wahrnehmen lassen. Bei richtiger Wahl des Objects nnd 
gehöriger Anleitung des Beobachters durch den Arzt ver¬ 
schwindet die Schwierigkeit vollkommen, welche bei un¬ 
genügenden Details sich der richtigen Einstellung entge¬ 
genstellt und ganz unüberwindlich ist. — Achtet man 
mit Sorgfalt auf diese Vorschriften, so kann man sagen, 
dass günstigere Bedingungen für die Entspannung der 


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194 


Accomodation kaum zu schaffen sind und dass man, 
ähnlich wie beim Ophthalmoskopiren, nur in den allersel¬ 
tensten Fällen nicht ohne Atropin zum Ziele kommen 
wird. Meine bisherigen Versuche zeigen, dass' diese 
Voraussetzung richtig ist und dass im Allgemeinen nur 
die oben rechnungsmässig bestimmten Fehler in Frage 
kommen, welche sämmtlich das Resultat kaum erheblich 
beeinflussen. 

Ist eine raonoculäre Eernpunktsbestimmung beabsich¬ 
tigt, so wird man am Besten den einen Tubus vom Bü¬ 
gel ablösen und auf ein leichtes Stativ bringen. Das¬ 
selbe ist auch zur Nahepunktsbestimmung anzurathen, bei 
welcher der Beobachter unter möglichst convergenter 
Augenstellung den Tubus soweit vorschraubt, als die 
Accomodation noch ein deutliches Sehen gestattet. 

Uebrigens ist das Object so hergestellt, dass sich der 
Astigmatismus in der üblichen Weise bestimmen lässt. 

Aus der Beschreibung einiger binoculärer Optometer — 
vonSeggel, Graefe,Hirschberg, Javal — von welchen 
ich nur das letztere zu Gesicht bekam, glaube ich schlies- 
sen zu dürfen, dass das Refractionsbinocle denselben in 
der Fernpunktsbestimmung mindestens ebenbürtig ist: 
es hat aber den Vorzug noch einige andere Anwendungen 
zu gestatten. 

Die Brechkraft einer Linse wird gefunden, indem man 
sie am Ort des Auges aufstellt und eine matte Scheibe 
an die Stelle des Objects bringt. Das Bild entfernter 
Gegenstände kann dann mit Hülfe einer Lupe sehr 
scharf eingestellt und die Brechkraft der Linse direct 
in Dioptrien abgelesen werden. Diese Bestimmung mag 
zuweilen recht nützlich sein, wichtiger aber ist, dass 
sich das Instrument direct in den Dienst des Studiums 
stellt, denn es bildet ein sehr brauchbares Augenphantom, 
sobald das Object durch ein entsprechend hergerichtetes 
Bild des Augengrundes ersetzt ist. Dabei lege ich eini¬ 
gen Werth darauf, dass alle ophthalmoskopischen Uebun- 
gen wegen der geringen, den Verhältnissen des Auges 
nachgeahraten Dimensionen keineswegs allzu leicht ge¬ 
macht sind. 

Endlich kann nichts dem im Wege stehen, mit dem 
einen, auf ein Stativ gebrachten Tubus eine ganz objec- 
tive Bestimmung des Fernpunkts nach der Methode von 
Schmidt-Rimpler vorzunehmen. Diese Anwendung 
habe ich aus Mangel an Zeit noch nicht nach allen Sei¬ 
ten durcharbeiten können, da die bequeme Centrirung 
aller zusammenwirkenden Theile, die richtige Wahl der 
Brennweiten des Spiegels und der Hülfslinse, sowie die 
passendste Form und Grösse der Schirmöffnungen noch 
einiger fortgesetzter Versuche bedürfen. Die Veröffentli¬ 
chung bleibt somit einer späteren Zeit Vorbehalten und 
ich mache jetzt nur darauf aufmerksam, dass sich ein 
wesentlicher Vortheil gegenüber der ursprünglichen An¬ 
ordnung von Schmidt-Rimpler herausstellt: wird 
nämlich der Spiegel mit dem Tubus in unveränderlicher 
Entfernung verbunden, so dass sein Brennpunkt am Ort 
der matten Scheibe liegt, so ist es nicht mehr erforder¬ 
lich die relative Brennweite bei jeder Beobachtung zu 
bestimmen, sondern man wird unter steter Benutzung der 
Hauptbrennweite des Spiegels die vorliegende Refraction 
ohne jede Zwischenrechnung direct am Instrument ablesen. 
Dieser Vortheil, welchen Schmidt-Rimpler bei seiner 
Anordnung selbst sehr lebhaft vermisst hat, ergiebt sich 
ja natürlich daraus, dass nicht mehr das Object, resp. der 
Spiegel, gegen die Linse verschoben wird, sondern umge¬ 
kehrt die Linse gegen das Object, während doch das 
Auge stets seinen richtigen Abstand von der Linse be¬ 
hält. 

Von den vielfachen Versuchen, welche ich mit diesem 
Optometer angestellt habe, können hier natürlich nur die 
wenigen angeführt werden, welche ich zur Demonstration 
auf der hiesigen Augenklinik anstellte und welche der 
Controle durch gleichzeitiges Ophthalmoskopiren unter¬ 


zogen wurden. Es ergab das Binocle am 9. Februar 
a. c. bei den Herren 


stud. med. 
» » 

» » 

Dr. » 

» » 


Rechts. Links. 

Stöck —4,5 D —4,75 D gegen—4,5 —4,5 
Ryb . —3,75 » —4,5 » * —4,5 —5,0 

Chr. . —5,1 » —4,0 » » —6,0 —6,0 

Kr. . +0,5 » +0,5 » » +0,5 +0,6 

Ad. . +3,0 » +3,25 * » +3,0 +3,25 


und zwar wurden die ersten drei Refractionen unmittel¬ 
bar mit dem Ophthalmoskop nachgeprüft, während die 
beiden letzten von den betreffenden Herren als ihre, 
denselben wohlbekannte Refraction, bestätigt wurde! 

Die auffallende Abweichung bei Herrn stud. Chr. . . 
zeigte mir, dass das Object noch verbessert werden 
müsse, denn es gelang nur geübteren Beobachtern, fest¬ 
zustellen, wann die Grenze der scharfen Einstellung er¬ 
reicht sei. Da übrigens Herr Chr. . . bei mehreren 
Versuchen stets 1 bis 2 D weniger erhielt als die ophthal¬ 
moskopische Bestimmung auswies, so gab mir dies deu 
sehr erwünschten Beweis, dass der Beobachter sich nie 
versucht fühlt über die grösste Schärfe hinaus zu gehen, 
und dass im vorliegenden Falle die Fehlbestimmung nur 
dadurch zu Stande kam, dass die Details des Objectes 
einen gewissen Grad von Verschwommenheit besassen — 
dass also der vorsichtige Beobachter schon etwas zu 
früh die grösste Schärfe erreicht zu haben glaubte. — 
Es wurde nach dieser Erfahrung der Verbesserung des 
Objects natürlich die grösste Aufmerksamkeit geschenkt 
und es gelang endlich eines herzustellen welches nicht 
unpassend mit den bekannten Abbe’schen Test-Objecten 
für Mikroskope verglichen werden kann. Dasselbe ge¬ 
nügt uunmehr allen Ansprüchen, denn es kann offenbar 
gar kein Zweifel darüber bestehen, wann eine wirklich 
scharf abgegrenzte Contour scharf erscheint und wann 
verschwommen. Hergestellt wurde das Object von einem 
hiesigen Dilettanten in der Photographie, dem Maler 
Lucas, welcher keine Mühe scheute um etwas Zweck¬ 
entsprechendes zu Stande zu bringen. Das Instrument 
selbst ist nach meinen Angaben vom hiesigen Universi¬ 
tätsmechaniker P. Schultze angefertigt und von ihm 
jederzeit zu einem Preise zu erhalten, welcher etwa dem¬ 
jenigen für ein Refractions-Ophthalmoskop gleich kom¬ 
men wird. 


Ein Fall von schwerer Kopfverletzung mit Ausgang 
in Heilung. 

Casuistische Mittheilung 

von 

Dr. H. Seeberg, 
in Serben (Livland). 


Kristine Klarin 35 a. n. ans Serams in Livland, stark gebaut, 
gesund nnd kräftig, war am 25. November 1891 beim Suchen 
nach Spänen mit dem Kopfe unter das scharf gezähnte Rad 
einer zum Fugen von Schindeln benutzten Maschine gerathen. 
Wie an den im Stirnbein gebildeten, nach hinten sich allmälig 
vertiefenden Fugen sichtbar war, hatten die Zähne des Rades 
über der Stirne, in sagittaler Richtung, oberflächlich angesetzt, 
dann in der Nähe der Coronarnaht die Schädeldecke bereits 
vollständig durchsetzt, auf ihrem weiteren Wege die beiden 
Scheitelbeine von ihrer Innenfläche erfasst und aus denselben 
mehrere grössere nnd kleinere Stücke heraus gebrochen von 
denen ein Theil mit dem Periost noch in Zusammenhang stand. 
Der dadurch entstandeneDefect betrug in sagittaler Richtung 
etwa 2 Ctm., in frontaler ca. 6 Ctm. Bei näherer Untersuchung 
zeigte es sich, dass durch diesen Eingriff die beiden Scheitel¬ 
beine in ihrer Verbindung mit den Schläfenbeinen, dem St.irn- 
nnd Hinterhauptsbein derartig gelockert waren, dass sie sich 
an der Margo coronaria leicht um so weit emporheben Hessen, 
dass man einen Einblick bis in die Gegend der Lambdanaht 
gewinnen konnte. Dem Verlauf der tiefgehenden Radzähne 
entsprechend war natürlich auch das Gehirn nicht unverletzt 
geblieben. Wie tief diese Verletzung stattgefunden, konnte 
nicht genau bestimmt werden, da die dabei erforderlich gewe- 


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195 


sene Entfernung sämmtlicher Blutgerinnsel eine erneute starke 
Blutung befürchten liess. Der Blutverlust aus den Sinus 
musste ein beträchtlicher gewesen sein, da Patientin ohne 
Verband erst einen Weg von 13 Werst zurückgelegt und 
ausserdem noch ca. 2 Stunden auf meine Rückkehr von einer 
Krankenfahrt gewartet hatte. Die beiden Handtücher, mit denen 
der Kopf bedeckt war, und die Kleidung des Oberkörpers 
waren vollständig blutdnrchtränkt. 

Nachdem der Kopf rasirt war, wurde die über das Niveau 
des Stirnbeins hervorgedrängte, mit Spänen, Haaren und feinen 
Knochentheilchen durchsetzte Hirnmasse leicht entfernt, die 
Scheitelbeine und ebenso die mit dem Periost in Zusammen¬ 
hang stehenden Knochensplitter nach Möglichkeit in ihre 
ursprüngliche Lage gebracht und darüber die in Fetzen aus¬ 
einandergerissenen Weichtheile genäht. Der in den Knochen 
gebildete Defect liess sich dabei zum Theil ganz gut decken 
Antisept. Verband. Eisblase. 

Der Verlauf der eintretenden Heilung war ein überraschender: 
Kein Fieber, keine Störungen des Sensoriums, vollständige 
rima intentio. Patientin klagte nur über Eingenommensein 
es Kopfes und einen dumpfen Schmerz in der Stirngegend. 

Trotz der energischen Vorstellungen liess sich Patientin 
nicht bewegen im Lazareth zu bleiben «da sie zu Hause ein 
Kind zu stillen und eine Kuh zu verpflegen habe» nnd fuhr 
dann so nach erfolgtem Verbände wiederum ab. Anfangs kam 
sie alle 2 Tage zum Verbandwechsel herüber, später seltener 
und stellte am 12. Tage nach der Verletzung ihre Fahrten 
überhaupt ein. 

Ich habe Patientin nach Verlauf von 2 Monaten wiederge¬ 
sehen und erfahren, dass sie keinerlei schlimme Folgen der 
Verletzung verspüre und seit einiger Zeit bereits nach wie 
vor ihrer Arbeit nachgehe. 


Referate. 

Die operative Behandlung der Appendicitis. 

I. Ch. Mc. Burney: Die Indicationen zu frühzeitiger 
Laparotomie bei Appendicitis. (Annals of Surgery. 

April 1891. Vol. XIII. Nr. 4. pg. 233). 

In einer grossen Anzahl von Fällen ist Peritonitis bei 
Männern Folgezustand eines Entzündungsprocesses am Pro¬ 
cessus vermiformis. Appendicitis ist eine chirurgische Krank¬ 
heit; die Mortalität ist keine geringe und wäre noch grösser, 
wenn alle Fälle conservativ behandelt werden würden. In 
etwa der Hälfte der Fälle beginnt der Anfall mit Schmerzen 
in der Fossa iliaca d.; B. räth zur Sicherung der Diagnose auf 
die Gegend des Coceum einen festen Druck mit der Finger¬ 
spitze anszuüben. Der Kranke wird gleichzeitig znm Husten 
angehalten. In den meisten Fällen wird die empfindlichste Stelle 
eine ganz bestimmte sein, V/i—2 Zoll nach innen von der Sp. 
ant. sup. d. auf einer Linie, die zum Nabel führt, entsprechend 
der Basis des Proc. vermiformis. Schüttelfrost, Erbrechen oft 
vorhanden, nicht regelmässig. Temperaturerhöhung und Starr¬ 
heit der Musculatur des Bauches rechts sind wichtige Zeichen. 
Meteorismus kein constantes, wenn rasch sich entwickelnd 
kein günstiges Symptom. Ein Tumor braucht in den ersten 
Tagen nicht fühlbar zu sein, doch ist er in der Regel am 3. 
Tage schon da. Beachtungswerth ist die Pulscurve. Die Pro- 
bepunction zu diagnostischen Zwecken verwirft B. Die Erkran¬ 
kung ist immer sehr ernst zu nehmen. Auch der scheinbar 
leichteste Fall kann plötzlich durch Perforationsperitonitis 
letal enden. 

Im Allgemeinen ist anzuordnen: absolute Ruhe. Hungerdiät; 
Abführmittel nnd Clysmata sind zu vermeiden; local Kälte.— 
Der Processus kann plötzlich perforiren oder allmälig, nachdem 
Adhaesionen Zeit gehabt sich zu bilden. Es kann aber auch 
ohne Perforation um die Appendix eine Eiterung eintreten 
nnd bei fehlendem Schutz durch Adhaesionen ins Becken iiber- 
fliessend dieselben Symptome hervorrufen, wie wenn die 
Appendix gleich von vornherein perforirt wäre. Ueber das 
Schicksal des Kranken entscheiden oft die ersten 24 Stunden. 
Der Tod tritt durch Sepsis ein. B. giebt zu dass es eine grosse 
Zahl von leichten Fällen von Appendicitis giebt, die oft gar 
nicht ärztliche Hülfe beanspruchen. Von jedem Arzt oder 
Chirurgen, der zu einem Fall von Appendicitis gerufen wird, 
kann man billigerweise verlangen, dass er die Diagnose so 
früh wie möglich stellt und den Kranken öfters untersucht. 
Verschlimmert sich der Krankheitszustand am Ende des 2. Tages, 
so ist ein operativer Eingriff ernstlich zu erwägen. B. verlangt 
die Operation, sobald nach 36 St. Verschlimmerung eintritt. 
Durch Laparotomie entfernen wir die Ursache, den Processus 
selbst, über dessen eigentlichen Zustand wir vollkommen im 
Dunkeln sein können. Warten wir, bis Anzeichen einer Peri¬ 
tonitis da sind, so ist jeder Eingriff zu spät. Zu fürchten ist 
die septische Parese des Darms, von der B. Niemanden hat 
genesen sehen. Die Operation ist selbstverständlich eipe ernste, 


obwohl heutzutage weniger gefährlich. Sie erfordert allge¬ 
meine chirurgische Erfahrung, gute Assistenz etc. B. hat in 
24 Fällen (21 Männer, 3 Weiber), alle unter 36 a. n., operirt, 
von denen 23 mit Genesung endeten. 6 wurden am 2. Tage, 
14 am 3., 2 am 4’., 2 am Ende einer Woche operirt. Letal 
endete ein Fall, wo schon vor der Operation Sepsis bestand. 

II. W. Keen: Die Indicationen za frühzeitiger Laparo¬ 
tomie bei Appendicitis. Annals of Surgery 1891. I. pg. 255. 

Bei der sogenannten Perityphlitis ist der Ausgangspunct 
der Erkrankung in den weitaus meisten Fällen die Appendix, 
nicht das Coecum. K. nnterscheidet klinisch 5 Formen von 
Appendicitis: 1) Eine milde Form mit guter Prognose, wo 
kein Abscess sich bildet. 2) Eine schwere, wo Perforation des 
Processus eintritt und allgemeine Peritonitis entsteht: a) gleich 
am Anfang des Anfalls, b) im späteren Verlauf einer anfangs 
leicht scheinenden Erkrankung (durch Perforation des Pro¬ 
cessus oder eines perityphlitischen Abscesses). 3) Eine mittel¬ 
schwere, wo ein circumscripter Abscess sich bildet und nach 
2—4 Wochen Genesung eintreten kann (nach einem entspre¬ 
chenden Eingriff). 4) Fälle, wo der Abscess sehr langsam sich 
entwickelt (bis zn einem Jahre). 5) Recurrente Appendicitis, 
wo Anfall auf Anfall folgt in längeren oder kürzeren Pausen. 
Die milde Form befällt */3 aller Erwachsenen. Operation nicht 
nöthig. Bei der 2. Form ist sofortige Laparotomie dringend 
angezeigt, aber wenig aussichtsvoll. Bei der 3. wäre eine 
Probelaparotomie in befugten Häpden am Platz. Verschlim¬ 
merung der Schmerzen und Temperatursteigerung ausschlag¬ 
gebend. Eiter findet man früher, als man glaubt. Die Opera¬ 
tionen fallen auf den 5.—12. Tag. Bei Schmerzen in der Fossa 
iliaca d., Erbrechen, Starrheit der Bauchmuskeln rechts, 
Geschwulst, Oedem der Bauchdecken, Temp. 102° F. soll am 
2.-3. Tage operirt werden. Ist ein Abscess gefunden, so muss 
der Eiter entfernt und die Höhle ausgewaschen werden. 

III. L. A. Stimson: Die Technik der Operation zur 
Heilung der Appendicitis. (Annals of Surgery 1891. I. 
pg. 264). 

Die Operationen sind wesentlich zweierlei Art. Entweder 
es wird intraperitoneal der Processus entfernt, oder extrape¬ 
ritoneal ein Abscess eröffnet. Im ersten Falle sind natürlich 
alle Cautelen zu beobachten, die bei einer Laparotomie üblich. 
Inci8ion in der Medianlinie unter dem Nabel oder am äusseren 
Rande des Rectus abdominis dexter. Letztere empfehlenswerth, 
weil dem Sitze der Erkrankung näher. Die Därme werden eur 
Mittellinie und nach oben geschoben nnd mit flachen Sclwämmen 
und Compressen zur tickgehalten. Sieht man die Appendix nicht, 
so lüftet der Operateur das Coecum nnd sucht hinter demselben. 
Ist der Processus gefunden und frei, so wird eine Aneurysma¬ 
nadel mit doppelter Catgutligatur arrnirt durch das Mesente¬ 
rium dicht an der Basis der Appendix herumgeführt. Die 
Ligatur wird entzwei geschnitten, das eine Ende um das 
Mesenterium, das andere um den Appendix geschlungen und 
geknüpft. Die Appendix wird dient vor der Ligatur abge¬ 
schnitten. Der Stumpf wird mit starker Carbolsäure desinficirt 
oder mit dem Paquelin verschorft. Damit beim Durchschneiden 
kein Inhalt die Bauchhöhle verunreinige, werden 2 gestielte 
Schwämmchen dicht darunter gehalten. S. meint, dass Einrollen 
der Ränder des Stumpfes sei nicht immer möglich und auch 
unnöthig. Ist die Appendix schwer zu finden, so dient zur 
Orientirung das Längsbündel nngestreifter Muskeln, welches 
an der vorderen Fläche des Colon ascendens zieht und in der 
Appendix endet. Adhaesionen werden stumpf gelöst oder 
zwischen 2 Ligaturen durchschnitten. Die Spitze des Processus 
ist manchmal fest am Boden der Fossa iliaca d. verwachsen. 
Eiterhöhlen müssen energisch desinficirt werden. Macht man 
die Operation im späteren Stadium der Erkrankung und ist 
die Appendix nicht zu erkennen, weil sie eingebettet zum Theil 
die Abscesswandung bildet, so ist es besser nicht daran zu 
rühren, sondern mit der Eröffnung und Drainirung des Abscesses 
sich zu begnügen. Soll ein grosser Abscess eröffhet werden, 
so ist der schräge Schnitt (wie zur Unterbindung der Iliaca 
ext.) vorzuziehen. Auch S. verwirft die Probespritze. Ist der 
Abscess im Becken hinter der Blase, so eröffnet ihn S. durch 
die vordere Wand des Rectum. 

IV. G. Fowler: Die Technik der Operation bei Appen¬ 
dicitis. (Ibidem). 

F. stimmt im Wesentlichen mit S. überein. In Fällen, wo 
die Patienten nicht in der üblichen W’eise zur Laparotomie 
vorbereitet werden konnten, bestreicht F. die Incisionsstelle 
mit T. Jodi. Schnitt am äusseren Rande des Rectus d. Stösst 
man auf Eiter, so wird er weggewischt. Die Operation setzt 
man fort, bis man Eiter oder die Appendix gefunden. Drainirt 
wird mit Drainrohr und Gaze. Ausspülung der Bauchhöhle 
wird verworfen. Wo ein Tumor ist, ist meist auch Eiter. Kothpar- 
tikelchen im Eiter verschlimmern die Prognose nicht sonderlich, 


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V. A. Carbot: Ein Fall von recidivirender Appendicitis, 

in welchem die Appendix in der Zeit zwischen den 
Anfällen entfernt wurde. Genesung. (Boston med. sur¬ 
gical Journal. 1891. Jan. 15. pg.<57). 

C.’s Patient (25 Jahre alt) hatte ira Laufe eines Jahres 4 
Anfälle überstanden. Der erste Anfall dauerte blos einige 
Stunden, die übrigen einige Tage. Bei der Untersuchung (freier 
Moment) fand C. keine Schmerzhaftigkeit in der Fossa iliaca. 
Nur bei tiefer Palpation konnte er eine längliche Masse durcli- 
fühlen, welche unter seinen Fingern rollte und die unbedeutend 
empfindlich war. Diagnose: Appendicitis catarrhalis. Da P. 
Geschäftsreisen in die unwirtlichsten Gegenden unternehmen 
musste, fern von ärztlicher Hilfe, so entschloss sich C. operativ 
vorzugehen. Operation am 3. November 1890. Der Schnitt 3 
Zoll lang in der Linea semilunaris rechts. Die Mitte des Schnitts 
entsprach dem Punct, wo der Processus gefühlt worden war. 
Das Coecum wurde leicht gefunden und heran sgeführt. (Der 
Processus war stark nach hinten geknickt). Ligatur, Excision. 
Die Serosa wurde circulär Umschnitten und etwas zuriickprä- 
parirt; Mnscnlaris und Mucosa werden näher zur Ligatur 
durchschnitten. Die seröse Manchette wird eingeschlagen und 
mit einigen Lembertnähten geschlossen. Genesung nach 16 
Tagen. Der Processus war verdickt, die Schleimhaut stellen¬ 
weise exulcerirt. 

VI. H. Elliot: Appendicitis. Einjährige Erfahrnng in der 

Privatpraxis. (Boston med. surgical Journal 1891. May 
21. Nr. 21). J 

In 1 Jahre 13 Fälle. 2 Todte. 

Fall II. 50 jährige Dame. Consultation am 7. April 1890. 
Anfall vor 3 Tagen. Abdomen aufgetrieben, Schmerzhaftigkeit 
und geringe Resistenz rechts. Temp. erhöht. Operirt am 
nächsten Tage. Incision 2" nach innen von der Sp. ant. sup. 
d. Bei Eröffnung der Bauchhöhle präsentirt sich das Omentum 
entzündet, verdickt, überallhin adhaerent. Der Finger geräth 
in ein ganzes Netzwerk von Adliaesionen. Die Appendix tief 
in der Fossa iliaca, stark verdickt, von der Grösse eines Man¬ 
nesdaumens, gangränös. Ligatur, Excision. Nach Desinfection 
des Stumpfes wurde die Wunde mit Jodoformgaze ausgefüllt 
und ein Drainrohr eingefiihrt. Wunde der Bauchdecken offen 
gelassen. Genesung durch septische Pneumonie und Thrombose 
des linken Beins anfgehalten. 

Fall III. 54jährige Dame. Der Anfall begann mit einem 
plötzlichen heftigen Schmerz in der rechten Seite. Erbrechen 
und Stuhlverstopfung. Temperaturerhöhung, 102° F. Die ersten 

2 Tage Besserung, am 3. Verschlimmerung. Operation abgelehnt. 
Nach 14 Tagen: Abdomen aufgetrieben, rechte Iliacalgegend 
mit einer festen Masse ausgefüllt, empfindlich auf Druck. 
Bettruhe. In 2 Monaten ohne Operation genesen. 

Fall IV. Perforation der Appendix. Allgemeine 
eitrige Peritonitis. Excision der Appendix. Gene¬ 
sung. 35jähriger Mann. Vor 4 Tagen Koliken während des 
Abendessens. Dieselben wurden zur Nacht schlimmer. Vor 2 
Tagen 01. Ricini. Anftreibnng des Bauches, stetige Verschlim¬ 
merung. Operation am 5. Tage. Incision von 2 Zoll grade 
über dem Tumor. Nach Eröffnung des Peritoneum kam etwas 
stark übelriechender Eiter zu Tage. Allgemeine eitrige Peri¬ 
tonitis. Durch eine Oeffnnng in der Medianlinie wurde ein 
langes Glasrohr in die Tiefe des Beckens geführt. Ausspülung 
der Bauchhöhle mit heissem Wasser. Excision der Appendix und 
eines Theils des Omentum. Die Wunden werden offen gelassen. 

3 Drains und Jodoformgaze. Die Appendix war 5 Zoll lang, 
daumendick, entzündet, */a Zoll vom Ende gangraenös, perfo- 
rirt. Genesung nach 2 Monaten. 

Fall IX. 23 jährige Dame. Plötzlich starke Schmerzen in der 
rechten Seite und Empfindlichkeit auf Druck. T° 103. P. 120 
Obstipatio alvi. Nach 3 Tagen werden T° nnd P. normal. Am 
8. Tage wieder erhöht und dann allmälig wieder normal. 
Genesung nach 6 Wochen ohne Operation. 

Fall XL Entfernung einer perforirten Appendix 
am 4. Tage. Allgemeine purulente Peritonitis. Tod am 
14. Tage. 

25 jähriger Mulatte. Einige Tage vor dem Anfall verstopft. 
4. März 1890 3 Entleerungen und Schmerzen. Erbrechen. 5. 
März Erbrechen, Schüttelfrost, Collaps. 6. März Meteorismus 
Temp. 100. Puls 95. Bis 8. März Verschlimmerung. Operation. 
Bei der Incision entleert sich Eiter aus einer grossen Höhle. 
Excision des Fortsatzes. Drain, Jodoformgazetamponade und 
Offenlassen der Wunde. Tod nach 10 Tagen an allgem. Peri¬ 
tonitis. Die Operation hätte am 2. Tage gemacht werden 
müssen. 

Fall XIII. Gangränöse Appendix; Perforation des 
Coecum. Beginnende purulente Peritonitis. Excision 
der Appendix, Zunähen der Perforation am 4. Tage. 
Tod am 14. Tage. 

30jähriger Mann. Erkrankung 26. Februar 1891. Erbrechen, 
Schmerzen um den Nabel. 27. Februar Verschlimmerung, Ab¬ 
führmittel. 28. Februar Schüttelfrost, Abdomen etwas aufge¬ 


trieben, Schmerz und geringe Empfindlichkeit in der Nabel¬ 
gegend. 29. Februar Operation. Entleeren von etlichen Eiter- 
hölilen zwischen den Gedärmen. Die Appendix fand man vom 
Coecum abgetrennt, nur am Mesenterium hängend. Im Coecum 
eine Oeffnung für den Finger durchgängig. Das Coecum stark 
entzündet, theilweise gangränös, dick, brüchig. Die Perfora¬ 
tionsöffnung wurde vernäht, die Eiterhöhlen ausgewaschen, 
drainirt (Drainrohr, Jodoformgaze). Die äussere Wunde wurde 
offen gelassen. Starb an Lähmung der Därme. 

Nach Ansicht des Autors ist die Sterblichkeit der Fälle, 
welche in den ersten 3 Tagen operirt worden, keine grosse. 
In den früh ausgeführten Operationen schneidet man die 
Appendix heraus, bevor sie einreisst oder sich Eiter bildet. 
Später sind die Kranken septisch. Wir haben es dann mit 
mehr oder weniger ausgedehnten Eiterhöhlen zu thnn und 
selbstverständlich wird die Prognose schlechter. Feste Regeln 
zum Handeln kann es natürlich nicht geben. Im Allgemeinen 
sollen schwere Fälle sogleich, leichte garnicht operirt werden. 
Ist das Abdomen aufgetrieben, gespannt, sind Schmerzen da, 
Erbrechen, Aufstossen, frequente Respiration, Delirium, Schüt¬ 
telfröste so muss, wenn wir überhaupt was thun wollen, 
sofort zur Operation geschritten werden. Temperaturerhöhung 
ist nicht so wichtig wie Pulsfrequenz bei Beurtheilung eines 
Falles. In 4 Fällen fand Verf. den perforirten gangränösen 
Processus vom Omentum eingehüllt. 

VII. H. Marcy: Recidivirende Appendicitis mit Bildung 
von Adhaesionen am Kopf des Coecum. Operation. 
Heilung. (Boston medic. surgical Journal. May 28. 1891). 

P. ein 29 j. Dr. med. Fühlte im März 1885, bei einer zufäl¬ 
ligen Anstrengung, dass etwas in der rechten Iliacalgegend 
nachgebe. Einige Stunden danach Frost und Temperaturer¬ 
höhung Perityphlitis. Genesung nach einem Monat. 1886. 8 
Anfälle in 8 Monaten. Dieselben dauerten 3—4 Tage. Verlangt 
dringend operative Hilfe. Operation am 9. November 1886. 
Appendix kürzer nnd umfangreicher wie gewöhnlich. Unbe¬ 
deutende Adhaesionen erstreckten sich vom Kopf des Coecum 
nach verschiedenen Richtungen. Die Appendix selbst frei und 
leer. Die oben erwähnten Adhaesionen wurden getrennt, der 
Processus aber nicht entfernt. Seitdem sind keine Anfälle 
mehr wiedergekommen. Zur selben Zeit wurde die Radicalope- 
ration einer linksseitigen Iuguinalhernie ausgeftihrt. Heilung. 

Butz. 

F. Nissen: Ein experimenteller Beitrag zur Frage der 
Milzbrandbehandlung. (Deutsche medicin. Wochensch. 
Nr. 53. 1891). 

Verf. versuchte auf dem Wege des Experiments die für den 
Praktiker überaus wichtige Frage zu entscheiden, obesmöglch 
ist, zu der Zeit, wo die Diagnose <Milzbrand» sichergestellt 
ist, durch Entfernung der inficirten Stelle sämmtliche Milz¬ 
brandkeime aus dem Körper zu entfernen. Er impfte grosse, 
kräftige Kaninchen an der äussersten Stelle einer Extremität 
mit virulentem Milzbrandmaterial und setzte dann die Extre¬ 
mität möglichst weit entfernt von der Injectionsstelle ab. 
Als Resultat ergab sich, dass schon 2—3 Stunden nach der 
Impfung, trotz Absetzung der der Impfstelle zugehörigen Extre¬ 
mität, der Tod des Versuchstieres an Milzbrand uicht,abge- 
wendet. werden konnte. Innerhalb dieser Zeit müssen also 
bereits die Keime jenseits der Absetzungsstelle gelangt sein. 
Auf Grund seiner Versuche verwirft N. eine radicale operative 
Therapie der Pustula maligna. Verf. hat ferner Versuche mit 
circulärer Abschnürung der Extremität unternommen und 
gefunden, dass die sofortige Umschnürung eines Gliedes einen 
vollkommenen Wachsthumsstillstand der auf die Wunde 
gebrachten Milzbrandbacillen zu Stande bringt, so dass man 
im Stande ist durch schleuniges Ausbrennen der Wunde eine 
Vernichtung sämmtlicher Anthraxbacillen zu bewirken und 
hierdurch den Ausbruch der Allgemeininfection zu verhindern. 

A b e 1 m a n n. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Albert Moll: Die contra re Sexualempfindung mit einem 
Vorwort von Krafft-Ebing. (Berlin. 1891. Fischer’s 
med. Verlag). 

Seit der berühmten Veröffentlichung Westphal’s über die 
conträre Sexnalempfindung und besonders seit der bekannten 
Abhandlung Krafft-Ebings «Psychopathia sexualis» ist 
das Interesse der weitesten Kreise für die sexuellen Perver¬ 
sionen wachgernfen und die Zahl der Beobachtungen mehrt 
sich von Tag zu Tage. Tn vorliegender Monographie ist nun 
zum ersten Male die conträre Sexualempfindung gesondert dar¬ 
gestellt worden, wobei die übrigen Formen der geschlechtli¬ 
chen Abweichungen nur so weit Berücksichtigung fanden, 
als sie mit der conträren Sexualempfindung in Zusammenhang 1 
stehen. Dem Autor, dem wir schon früher als Verfasser 


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eines Werkes über den Hypnotismus begegnet sind, kam der 
Umstand zu Gute, dass das Berliner Polizeipräsidium ihn in 
seinen Bemühungen thatkräftig unterstützte und in die Lage 
versetzte, das Leben und Treiben dieser «Stiefkinder der Na¬ 
tur» aufs Genaueste kennen zu lernen. Die Zahl conträr ver¬ 
anlagter Individuen, die unser Autor sah, beziffert sich auf 
Hunderte und es ist im Interesse der Sache zu beklagen, 
dass er sie nicht alle persönlich exploriren konnte, sondern 

g ewissem aassen aus der Vogelperspektive über ihre Gewohn- 
eiten etc. berichtet. Das Bucn erhält dadurch nur zu sehr 
den Charakter des Feuilletons und unterscheidet sich wesent¬ 
lich von den einschlägigen Publicationen Krafft-Ebing’s, der 
vor Allem klinische Krankheitsbilder zeichnet und soweit er 
sich nicht auf Autobiographien verlässt eine körperliche Un¬ 
tersuchung jedes einzelnen vorführt. Das umfangreiche vor¬ 
liegende Werk gliedert sich in viele Theile, die Allgemeines, 
Theoretisches, Äetiologisches, Diagnostisches u. a. m. ent¬ 
halten. Was den historischen Theil betrifft, so ist er recht 
aphoristisch gehalten und sind die Thatsachen nicht immer 
mit einer gehörigen Kritik vorgetragen. Aufgefallen ist Bef., 
dass der sonst so belesene Autor der «göttlichen Comödie» 
gar nicht erwähnt, in der ein ganzer Gesang von den «Sodo- 
raisten» handelt. (Hölle XV, VII Kreis, 3 Bing. Brunetto 
Latini, Franz von Accorso, Priscian. 

«Gelehrte sind und Pfaffen hier vereint 
Von grossem Buf, die einst besudelt waren 
Mit jenem Fehl, den jeder nun beweint»). 

Der Abschnitt «moderner Uranismus *) enthält eine Fülle 
interessanter Bemerkungen und Beobachtungen. Die Neigung 
dieser Unglücklichen zum Lügen und Uebertreiben wird ins 
rechte Licht gesetzt und nur dasjenige als wahr angenommen, 
was von allen Seiten als wahr bestätigt wird. Völlig richtig 
ist die Bemerkung des Autors, dass Knaben vor der Pubertät 
sehr häufig eine an Liebe grenzende Zuneigung zu anderen 
Knaben empfinden, welche sich späterhin ganz und gar ver¬ 
liert. Bef. erinnert sich aus seiner eigenen Schulzeit einer 
ganzen Beihe derartiger Verhältnisse, in denen es zu förmli¬ 
chen Liebe8-und Eifersuchtsscenen kam, ohne dass bei diesen 
Knaben auch nur eine Spur homosexualer Empfindung zurück¬ 
geblieben wäre, allerdings muss er gestehen, dass es sich in 
allen ihm erinnerlichen Fällen um psyeho-resp. neuropathi- 
sche Individuen handelte. Von allgemeinem Interesse ist die 
Angabe, dass Urninge am liebsten mit Männern von norma¬ 
ler geschlechtlicher Anlage verkehren, wodurch der Boden 
für eine männliche Prostitution und für Erpresserthum aller 
Art gegeben ist. Die sexuellen Perversionen sind soweit sie 
die conträre Sexualempfindung compliciren besonders behan¬ 
delt. In Anlehnung an Kraf ft-Ebing werden die wichtigen 
Begriffe Perversion und Perversität (lasterhafte Handlung) 
hervorgehoben und es wäre nur zu wünschen, dass der rich¬ 
tige Gebrauch dieser beiden Begriffe eine möglichst weite 
Verbreitung fände. Unter den Perversionen beschreibt der 
Autor eine neue und nennt sie Mixoskopie. Es handelt sich 
um Individuen, die nur durch den Anblick des Coitus (|A<.£i£) 
geschlechtlich erregt werden. Bef. glaubt nicht, dass dieses 
Wort sich einbürgern wird und er kann den Nutzen nicht 
einsehen, jede neue sexuelle Perversion, deren es wahrschein¬ 
lich unzählige giebt, mit neuen und fremdartigen Namen zu 
belegen. Lesenswerth ist der Abschnitt über psychosexuale 
Hermaphrodisie und die Aetiologie der conträren Sexnal- 
empfinauug insonderheit die Ausführungen über die angebo¬ 
rene und aie erworbene conträre Sexualempfindung. Anerkennt 
man den Begriff der psychosexualen Hermaphrodisie, so lässt 
sich in der That aus der vorhandenen Casuistik kein Fall von 
erworbener conträrer Sexualempfindung anführen, der nicht 
die Deutung des psychischen Zwitterthums zuliesse. In den 
Fällen von psychosexualera Zwitterthum wird sich wohl immer 
ein occasioneller Ursprung der Perversion nachweisen lassen 
und dürfte die Anschauung Meynert’s (den der Autor bei¬ 
läufig gesagt keinmal erwähnt), dass alle Fälle von conträrer 
Sexualempfindung einen occasionellen Ursprung tragen auf 
das Gebiet der psychischen Hermaphr. einzuschränken sein. 
Um über die Art der Perversion ins Klare zu kommen, be¬ 
dient sich der Autor der Träume, als Hilfsmittel zur Diagnose. 
Bef. hat es sich seit längerer Zeit zur Begel gemacht, jedes 
anscheinend neurasthenische Individuum mit Klagen in der 
Geschlechtssphäre nach der Art der Träume mit Samenergies- 
sungen zu fragen und ist oft auf die überraschendsten aber 
immer das Krankhafte erklärende Angaben gestossen. Was 
die Ansicht des Autors betrifft, dass homosexualer Geschlechts¬ 
trieb als einziges krankhaftes Symptom auftreten könne, so 
möchte Bef. a priori daran zweifeln und die Ueberzeugung 
anssprechen, es werden sich in solchen Fällen bei geeigneter 
langwährender Beobachtung noch anderweitige Krankheits- 
symptome nachweisen lassen. Die conträre Sexnalempfindung 


*)• Der Name leitet sich her von Aphrodite Urania cf. Plato 
Symposion cap. 8 flg. 


beim weiblichen Geschlecht ist, wie es sich von selbst ver¬ 
steht, kurz abgehandelt und das wenig Bekannte zusamraen- 
estellt. Die Vorschläge des Autors die Paragraphen des 
eutschen Strafgesetzbuchs 175 und 361, Absatz 6 dahin ab¬ 
zuändern, dass Urninge im Falle öffentlichen Aergernisses in 
der Irrenanstalt, nicht im Gefängnisse untergebracht wer¬ 
den sollen und dass die männliche Prostitution nach Art der 
weiblichen gesetzlich beaufsichtigt werde, können auf allsei¬ 
tige Zustimmung rechnen. B e h r (Biga). 

Martin Mendelsohn. Der Comfort des Kranken. 2. Aufl. 

Berlin 1892. Aug. Hirschwald. 

Die sehr lesenswerthe Schrift beansprucht nicht, eine voll¬ 
ständige Anleitung zur Krankenpflege zu geben; sie soll nur 
den Arzt oder den mit der Pflege betrauten Laien dazu anregen, 
der Bequemlichkeit des Kranken die sorgfältigste Beachtung 
zu schenken. Der Verfasser legt ein feines Verständniss für 
die Bedürfnisse des kranken Menschen an den Tag und bringt 
in dankenswerter Weise gar viele bekannte aber oft vergessene, 
scheinbar unbedeutende aber für das Behagen des Kranken 
sehr wichtige Dinge in Erinnerung. «Es giebt auch Annehm¬ 
lichkeiten für den Kranken» lautet das dem Hippokrates 
entnommene Motto und der Verf. weist uns darauf hin, wie 
mit grösseren oder geringeren Mitteln solche Annehmlichkeiten 
geschafft oder wenigstens Unannehmlichkeiten erspart werden 
können. Man wird ihm Becht geben müssen, wenn er es als 
einen Mangel des klinischen Unterrichtes bezeichnet, dass der 
Studirende auf die hier in Betracht kommenden Momente gar 
nicht aufmerksam gemacht und in der Krankenpflege über¬ 
haupt gar nicht unterwiesen wird, und man wircf ihm darin 
bestimmen, dass gerade in den grossen Krankenhäusern, wo 
der angehende Arzt ansgebildet wird, viel zu wenig Bücksiclit 
auf all’ Das genommen wird, was zum Comfort des Kranken 
gehört; ohne das Budget solcher Anstalten wesentlich zu ver- 
grössern, könnte und müsste das Loos der darin Verpflegten 
in dieser Bichtung \erbessert werden, schon allein um der 
allgemeinen Furcht vor der Hospitalbehandlung entgegenzu¬ 
arbeiten. Man mag im Einzelnen die Hinweise und Vorschläge 
des Verf. für zweckmässig halten oder nicht, in der Haupt¬ 
sache wird man ihm beipflichten und dankbar sein nicht nur 
für die zahlreichen praktischen Fingerzeige, sondern auch für 
den Eifer, mit dem er im Interesse der leidenden Menschheit 
Propaganda macht. Die Lectüre des Büchleins wird durch den 
frischen manchmal fast zu flotten Styl und durch interessante 
historische Anmerkungen gewürzt. Wir empfehlen dieselbe 
Allen, die berufsmässig oder gelegentlich mit Krankenpflege 
etwas zu thun haben, ganz besonders aber den Directoren 
und Oberinnen von Kliniken, Hospitälern, Diakonissenhäusern, 
etc. Blessig. 

P. Hampeln: Ueber Erkrankungen des Herzmuskels. 

Stuttgart Verlag von Ferd. Enke 1892.. 

Die Krankheiten des Herzmuskels sind in den meisten Lehr- 
und Handbüchern im Vergleich mit den Klappenfehlern stief¬ 
mütterlich behandelt. Vorliegende Arbeit des bekannten ri- 
gaschen Arztes verdient um so mehr die Beachtung der Col- 
legen, als ja die erwähnten Krankheiten in der Praxis ziem¬ 
lich häufig Vorkommen. Ein näheres Eingehen auf die Arbeit 
H.’8 verbietet der Baum dieser Wochenschrift, es soll nur 
einiges Interessante aus der anregend geschriebenen Mono¬ 
graphie erwähnt werden. 

Verf. legt seinen Ausführungen 120 secirte Fälle von Er¬ 
krankungen des Herzmuskels zu Grunde (Klappenfehler sind 
ausgeschlossen), die im Laufe von 5'/s Jahren unter 1410 Sec- 
tionen vorkamen. Acute Schädigungen der Herzthätigkeit 
werden in seltenen Fällen zugegeben, dagegen die Ueberan- 
strengung des Herzens als klinische Krankheitsursache zu¬ 
rückgewiesen. H. weist darauf hin, dass die Folge körperli¬ 
cher Ueberanstrengungen nur als «Ueberanstrengungshyper- 
trophie», deren Vorkommen er keineswegs in Abrede stellt, 
bezeichnet werden kann. Mit dieser darf aber die Vorstellung 
einer Erkrankung im eigentlichen Sinne des Wortes nicht 
verbunden werden. Ein grosser Theil der Arbeiter, welche eine 
derartige Hypertrophie acquiriren, wird nicht herzleidend, da 
mit dem Aufgeben anstrengender Arbeiten eine Bückbildung 
der Hypertrophie eintiitt. Es verhindert die entstehende, com- 

J ensirende Hypertrophie Krankheit und Tod, wohl kann sie 
en Boden für weitere Krankheitsentwickelung abgeben; ein 
hypertrophirtes Herz kann in Folge anderer Organei Krän¬ 
kungen (Arteriosklerose, Emphysem, Pleurasynechien) oder 
sehniger oder fettiger Entartung des Herzmuskels selbst insuf- 
ficient werden. Als aetiologische Momente eigentlicher Herz¬ 
muskelerkrankungen sind einerseits Infection und Intoxication 
anzusehen: in erster Linie Syphilis und Alkoholmissbrauch, 
daneben Gonorrhoe und Autointoxication in Folge von Gicht, 
Nephritis und Diabetes, andererseits die Senilität (senile Myo- 
cardio-, Arterien- und NierenBklerose). 

Die Diagnose der chronischen Karditis muss wegen Mangels 
directer Zeichen per exclusionem gestellt werden; das Krank- 


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Iieitsbild ist das einer zunächst vorübergehenden schliesslich 
daaerndeu Herzinsufficienz neben Herzvergrösserung. Das 
häufigste von Riegel angegebene Symptom, die Irregularität 
des Pulses fehlt häutig. In 5 Fällen exquisiter sehniger Myo- 
carditis blieb der Puls bis zum Tode regelmässig. Als ankün¬ 
digendes Symptom der sich entwickelnden Krankheit betont H. 
mit Leyden aas wenn auch vereinzelte Vorkommen von Angina 
pectoris wie auch die Bedeutung schmerzhafter Empfindungen 
in der Herzgegend (Nothnagel). 

Therapeutisch ist stets das digitoxinfreie Digitalisin fus 
der Verordnung von Pulvern oder Pillen vorznziehen. Eine 
erhebliche Entlastung des Herzens findet ferner statt durch 
Punction des AnasarkamitdemTroicart. Das Einlegen starker 
Canülen, durch welche der Act der Entleerung in 24 Stunden 
beendet werden kann, bringt bei antiseptischen Cautelen dem 
Pat. keine Gefahr und wird von H. wann empfohlen. Dasselbe 
gilt für tiefe Einschnitte. 

Das Fettherz (Leyden) d. h. die Fettumwachsung und 
Fettdurchwachsung des Herzens kommt viel seltener vor, als 
es diagnosticirt zu werden pflegt; es ist sogar selten. Die 
Ausdehnung der Herzdämpfung bei corpnlenten Personen ist 
häufig durch extrapericardiale Fettauflagerung bedingt, seltener 
werden Herzerweiterungen diagnosticirt wegen Dämpfungen, 
die auf reichliche Entwickelung des Fettlagers zwischen Peri¬ 
card und Sternum zu beziehen sind (Sectionsbeleg), wobei eine 
Vermehrung des eigentlichen unter dem Epicardium gelegenen 
Herzfettes nicht stattfindet. 

Das Büchelchen sei hiermit den Lesern dieser Wochenschrift 
angelegentlichst empfohlen. W. Beckmann. 

M. Bresgen: Wann ist die Anwendung des elektrischen 
Brenners in der Nase von Nutzen? — Ein Mahn¬ 
wort besonders an Nasenärzte und Solche, die es 
sein wollen. Wiesbaden. 1891. E. Jungklaas. 

Bevor B. zur eigentlichen Frage übergeht, bespricht er die 
Nasendouche, verdammt deren schablonenartige und kritiklose 
Anwendung bei Nasenkrankeiten, wo eine rationelle Behandlung 
stattfinden sollte, weist auf die Gefahren in deren Folge und 
ferner darauf hin, wie sie für mancherlei Nasenleiden geradezu 
zweckwidrig sei. In allen diesen Erörterungen kann man Verf. 
nur ganz und voll beistimmen. 

Bezüglich des elektrischen Brenners, der durch die Cocain¬ 
anästhesie immer mehr an Terrain gewinnt, spricht sich B. 
dahin aus, dass er nicht angewandt werden dürfe wenn nicht 
eine ordnungsgemässe Nachbehandlung stattfinden könne. 
Als solche habe sich ihm in der letzten Zeit die Behandlung 
mit den Anilinfarben bewährt. Die Forderung einer richtigen 
Nachbehandlung, wie diejenige, dass am richtigen Orte, in 
zweckmässiger Weise und in genügendem Maasse der Brenner 
angewandt werden, dass weiter die Behandlung durch Ver¬ 
wendung des Meisseis oder der Chromsäure und anderer ratio¬ 
neller Maassnahmen zur rechten Zeit unterstützt werden soll, 
— alle diese Forderungen sind selbstverständlich, so dass man 
eigentlich darüber kaum ein Wort zu verlieren brauchte, wenn 
die praktische Erfahrung nicht den Beweis lieferte, dass es 
doch nicht unnütz ist, sie auszusprechen. Neu mann. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung 14. April 1892. 

1. Herr Westphalen spricht über die «erworbene Cy¬ 
stenniere» und demonstrirt die Nieren von einem solchen 
Falle; dieselben sind vergrössert, traubenähnlich und von 
unzähligen cystischen Räumen durchsetzt. (Der Vortrag ist 
zum Druck bestimmt). Herr Moritz macht darauf aufmerk¬ 
sam, dass derselbe Zustand in der älteren Literatur oft unter 
anderen Namen abgehandelt wird («Physaliden», «Hydatiden» 
etc.). In diagnostischer Hinsicht möchte Herr Hagen-Torn 
der Messung des täglichen Harnquantums einige Bedeutung 
beilegen; ist letzteres dauernd verringert, so wäre Schrumpf¬ 
niere wohl auszuschlie88en. 

2. Herr Westphalen spricht ferner über «primären Le¬ 
berkrebs» (der Vortrag ist gleichfalls zum Druck bestimmt). 
Vortr. betont die Seltenheit eines wirklich primären Le¬ 
berkrebses; man sollte sich in praxi mit der Diagnose eines 
Leberkrebses nicht zufrieden geben, sondern weiter nach dem 

J rimären Herde suchen. Herr Moritz bemerkt hierzu, dass 
er primäre Herd eben oft klinisch gar nicht zu ermitteln 
sei, woher auch der Kliniker viel öfter in der Lage sei, die 
Diagnose: «primärer» Leberkrebs zu stellen, als der pathol. 
Anatom. 

3. Herr Petersen berichtet über den Sectionsbefund bei 
einer Leprösen. Es handelte sich um Lepra tuberosa, 
welche seit 4 Jahren bestanden hatte; ausserdem litt Pat. an 
Tuberculose der Lungen und des Darmes, Nephritis und Vi¬ 
tium cordis. In den Ovarien fanden sich lepröse Knoten. 
Als Analogie zu diesem Falle erwähnt P. noch eines andern, 
kürzlich secirten: bei einem leprösen Manne, der gleichfalls 


an Tuberculose zu Grunde ging, wurden Lepraknoten in 
den Hoden gefunden. Solche Fälle machen die frühzeitig 
eintrfti'nde Sterilität der Leprösen verständlich und 
lassen die nocli immer von manchen Seiten angenommene 
Heredität bei Lepra wenig wahrscheinlich erscheinen, wenn 
auch zugegeben werden muss, dass die Hoden (resp. Ovarien) 
nicht immer zu erkranken brauchen und dass auch die 
erkrankten Organe noch eine Zeit lang functionsfähig 
bleiben können. 

Herr Westphalen erinnert sich, in Dorpat Fälle von Le¬ 
pra secirt zu haben, in denen die Hoden die Veränderungen 
einer chronischen interstitiellen Orchitis darboten und zahl¬ 
reiche Leprabacillen enthielten. Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— MayundVoit haben das Natrium dithiosalicylicum 
alsAntirheumaticum versucht. Die Tagesdosis belief sich auf 
6—8 Gramm; zunächst wurde eine grosse Anfangsdosis verabfolgt 
(3,0) und dann 2stündlich zu 1,0. Meist trat schon nach wenigen 
Stunden Schmerzlinderung ein unter sichtlichem Zurückgehen 
der Gelenkschwellungen. Eine Coupirung des Processes durch 
einmalige Dosen gelang nur in ganz frischen, leichten Fällen, 
schwere Fälle erforderten ebenso lauge Behandlung, wie mit 
den bisherigen Mitteln. Auffallend war, dass selbst bei ausser¬ 
ordentlich lange sich hinziehenden Fällen nie ein chronischer 
Gelenkrheumatismus, nicht einmal Steifigkeit der Gelenke, zu 
Stande kam. Unangenehme Nebenerscheinungen wurden selten 
beobachtet. Starkes Ohrensausen, wie nach salicylsaurem 
Natrium, trat fast nie ein. 

(Deutsches Arch. für klin. Medicin. Bd. 49. Heft 1). 

— Bei 2 Fällen von Verbrennung mit torpiden Granula¬ 
tionen und sehr langsamer Heilung versuchte Dem me (Bern) 
Injectionen von cantharidinsaurem Natron (0,025 Mgrm. 
alle 3—4 Tage) und glaubt, dass nach 5 Injectionen die Heilung 
ein rascheres Tempo annahm. 

(28. Jahresbericht des Jenner’schen Kinderspitals). 

— Lumbalpunction des Hvdrocephalns. Die Suba- 
rachnoidalräume des Hirns und Rückenmarks communiciren 
bekanntlich unter sich und mit den Hirnventrikeln. Auf Grund 
dieser Thatsache hat Quincke (Kiel) abnormen Druck in den 
Hirn Ventrikeln bei 10 Fällen dadurch herabzusetzen gesucht, 
dass er den Snbarachnoidalraum in der Lendengegena punc- 
tirte. Als Einstichstelle wählte er den III. oder IV. Zwischen¬ 
bogenraum der Lendenwirbel, am Besten 5—10 Mm. seitlich 
von der Mittellinie, bei Kindern in der Mitte zwischen 2 
Dornfortsätzen, bei Erwachsenen in der Höhe des unteren 
Drittels des Dornfortsatzes. Die Nadel wird gegen die Medi¬ 
anebene so viel geneigt, dass sie diese an der Hinterfläche 
der Dura trifft; bei Kindern muss sie 2, bei Erwachsenen4—6 
Cmtr. tief eingestochen werden. Unter den so behandelten 
Fällen befanden sich 5 Kranke mit Hydroceph. chronic., 1 mit 
Leptomeningitis serosa, 1 mit Encephalitis. 2 Tumor cerebri, 
1 Haemorrhagia cerebri. Die entleerten Mengen schwanken 
zwischen 2 und 100 Cbcm. Als durch die Punction geheilt ist 
nur der eine Fall von Leptomeningitis serosa zu bezeichnen. 
Die Punction ist indicirt: 1. bei lebensgefährlicher Höhe des 
Druckes, 2. bei chronischer Exsudation, um eine Aenderung 
der Resorptionsverhältnisse herbeizuführeu. 

(Berl. klin. Wochschr. Nr.Nr. 38 und 39. 1891). 

(Allgem. Med. Cztg. 1892). 

— Wohlschmeckendes Ricinusöl wird nach den An¬ 
gaben von Standke im Laboratorium von Töllner und Berg¬ 
mann (Bremen) dargestellt, indem feinstes Ricinusöl wiederholt 
mit heissera Wasser behandelt, dann mit soviel Saccharin 
versetzt wird, dass es wie ein dünner Syrup schmeckt, und 
schliesslich mit Zimmt und Vanille aromatisirt. In allen Fällen, 
in denen ein solches «Oleum Ricini aromaticiun» angewandt 
wurde, wurde dasselbe ohne Widerwillen eingenommen. 

(Deutsche med. Wochsch. Nr. 4). 
- \ 


Vermischtes. 


— In der Conferenz-SItzung der militär medicinisclien Aka¬ 
demie am 7. Mai sind der ältere Stadt- und Gerichtsarzt von 
Charkow und Privatdocent der dortigen Universität Dr. Emil 
Bellin—zum Professor der gerichtlichen Medicin und 
Toxicologie (an Stelle des Prof. Ssorokin) und der Docent 
des St. Petersburger Forstinstituts, Dr. med. et zoolog. N. A. 
Cholodkowski — zum Professor der Zoologie und verglei¬ 
chenden Anatomie an der genannten Akademie gewählt 
worden. 

— Am 6. September d. J. begeht die Gesellschaft der 
Aerzte in Minsk das 25jährige Jubiläum ihres Beste¬ 
stehens. 


— Die Studenten der militär-medicinischen Akademie Bary 
und Krestowski (von der ersten Sanitätsabtheilung),welch*- 

im Ssamaraschen Gouvernement bei der Behandlung von Ty¬ 
phuskranken am Flecktyphus erkrankt waren, sind bereits 
genesen. (Wr.). 




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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETERSBURGER 

inioimoii voonnonun 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 

Die «St. Petersburger Medieiaisehe Wochenschrift» erscheint jeden ; Abonnements-Auftrigi sowie alle Inserate 

Sonnabend. — Der Abonnementspreis ist in Busslan&8 Rbl. l'ar las bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Bioker in 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postzustellung; in den anderen St. Petersburg Newsky-Prospect 14, zu richten. — Xannscripte 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreis sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau au 
für die 3 mal gespalteueZeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
Autoren werden 25 Separatabznge ihrer Originalartikel zugesandt.— St Petersburg, Malaja Italjanskaja JS 33,Quart. 3, zu richten. Sprech* 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt stunden täglich von 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 

21 St. Petersburg, 23. Mai 4. (Juui) ' 1892 ~ 


Inhalt: Friedrich Krüger: Die Zusammensetzung des Blutes in einem Falle von hochgradiger Anaemie und einem 
solchen von Leukaemie. — Referate: E. Gerdes: Zur Aetiologie der Puerperaleklampsie. — Prof. Gaffky (Giessen): Erkran¬ 
kungen an infectiöser Enteritis in Folge des Genusses ungekochter Milch. — Heinrich Hochhaus: Ueber diphtheritische Läh¬ 
mungen. — Bücheranzeigen und Besprechungen: E. Kleba; Die Behandlung der Tuberculose mit Tuberculocidin. 
G. Avellis: Curaus der laryngoskopischen und rhinoskopischen Technik. — R. Kafemanm Ueber die Behandlung der chro¬ 
nischen Otorrhoe mit einigen neuereu Borverbindungen. — Felix W ese*er: Medicinisch-klinische Diagnostik. — M. Br es gen: 
Ueber die Verwendung von Anilinfarbstoffen bei Nasen-, Hals- und Ohrenleiden. — Kleinere Mittheilnngen und thera¬ 
peutische Notizen. — Vermischtes. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Die Zusammensetzung des Blutes in einem Falle 
von hochgradiger Anaemie und einem solchen von 
Leukaemie. 

Von 

Dr. med. Friedrich Krüger, 
Privatdocent an der Universität Dorpat. 

Seit den ältesten Zeiten waren die Gelehrten mit 
grösstem Eifer bemüht, das Blut und die ihm zukom¬ 
menden Eigentümlichkeiten zu studiren, die Geheim¬ 
nisse dieses circnlirenden Organes aufzudecken. Zunächst 
beschränkte man sich jedoch darauf, die mehr hervor¬ 
tretenden Dinge und handgreiflicheren Momente, wie die 
Gerinnung, die Farbe und dergleichen einer Untersuchung 
zu unterwerfen, während das Bedürfniss, die Zusammen¬ 
setzung des Blutes unter den verschiedenen physiologi¬ 
schen und pathologischen Bedingungen zu prüfen, erst 
gegen die Mitte unseres Jahrhunderts, wo die Blutkrank¬ 
heiten eine wichtige Rolle zu spielen begannen, mehr in 
den Vordergrund trat. 

Der Aderlass, der zu jener Zeit in ausgiebigster Weise 
in Anwendung gebracht wurde, wobei einzelnen Indivi¬ 
duen selbst bis zu 1,000 Grm. Blut entzogen wurde, bot 
natürlich die beste Gelegenheit die Analysen nicht nur 
am Thier-,sondern auch amMenschenblute auszuführen, und 
so sehen wir denn auch in der That eine grosse Reihe 
von Arbeiten auf diesem Gebiete entstehen, wie die von 
Prevostund Dumas *), Andral und Gavarret ^Bec¬ 
querel und Rodier 3 ) und vielen Anderen, die Alle 
anzugeben, mich zu weit führen würde. 

Die von den einzelnen Forschern gewonnenen Ver- 

*) Prevost et Dumas, Ann. de Chirnie et Physique, T. 
XXIII. 1823. 

*) Andral et Gavarret, Ibid. XXV u. Andral, Gavar¬ 
ret et Delafond. ibid. 3-e serie, T. V, 1892 

•) Becquerel et Rodier, Untersnch. etc., übersetzt von 
Eisenmann. 1845. 


Suchsergebnisse an dieser Stelle zu reproduciren unter¬ 
lasse ich, da dieselben, wie aus dem Folgenden ersicht¬ 
lich sein wird, auf Genauigkeit keinen Anspruch erheben 
dürfeij, sondern begnüge mich damit, die Werthe hier 
wiederzageben, die jfoeser 4 ) als Mittel aus einer gros¬ 
sen Zahl von sowohl -eigenen Analysen, als auch solcheu 
anderer Forscher seiner Zeit gefunden hat. Dieselben 
werden durch folgende Zahlen repräsentirt: 

100 Grm. Menschenblut enthalten 79,0 Wasser und 
21,0 Trockenrückstand. Von diesem letzteren entfallen 
13,1 auf die Blutkörperchen, 7,0 auf Eiweiss, 0,68 auf 
Salze und 0,22 auf Fibrin. 

Ich erlaube mir nun in Kürze auf die Methoden, die 
zur Analyse des Blutes in Anwendung kamen, einzu¬ 
gehen. 

Wir können im Ganzen 2 Gruppen von Methoden un¬ 
terscheiden: die physikalische und die chemische. Auf 
die Einzelheiten derselben gehe ich nicht weiter ein, 
sondern will sie vielmehr nur in ihren Grundzügen mar- 
kireu. 

I. Die physikalische Methode hat den Zweck, die fe¬ 
sten Theile des Blutes vom Wasser zu befreien und 
dann die einzelnen * festen Bestandtheile von ein¬ 
ander zu trennen. Dabei kamen eigentliche chemische 
Hilfsmittel nicht in Anwendung. Bestimmt wurde die 
Fibrinmenge, der Trockenrückstand des Blutes, sowie 
des Serum und endlich das Gewicht und der Rückstand 
der Placenta sanguinis. Waren erst diese Grössen be¬ 
kannt, so glaubte man aus ihnen den Gehalt des Blutes 
an trockenen Blutkörperchen berechnen zu können. Es 
wurde nämlich von der Voraussetzung ansgegangen, dass 
die Blutflüssigkeit die in ihr suspendirten Blutkörperchen 
durchtränke, dass sie somit überall von gleicher Zusam¬ 
mensetzung sei. Wäre diese Voraussetzung richtig, so 
Hesse sich gegen diese Rechnung nichts einwenden, so 
aber konnte sie nur zu irrigen Schlüssen führen. 

Als Repräsentanten dieser Methode führe ich ausser 

4 ) Ha es er, Arch. f. d. ges. Mediein, Bd. VHI. 1846. 


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den schon genannten Antoren noch Denis 6 ) und 
Popp ®) an. 

Die Einsicht, dass diese Methode mit einem unver¬ 
meidlichen variablen Fehler behaftet sei, führte zu der 
folgenden, die es anstrebte die Blutkörperchen möglichst 
zu isolirep. Die Isolirung der rothen Blutkörperchen 
gelang Le Cann 1 ), der das Verhalten des Blutes gegen¬ 
über Wasser, Alkohol, Aether und Salzlösungen prüfte, 
durch Auffangen des Blutes in einer kalten Kochsalz¬ 
lösung und darauf folgendes Filtriren und Auswaschen der 
auf dem Filter zurück gebliebenen Blutkörperchen mit 
Kochsalzlösung. • * 

Basirend auf dieser Möglichkeit entwickelte sich nun 
II. die chemische Methode, als deren Repräsentanten 
Poggiale 8 ), Figuier 9 ), Zimmermann 1®) und Si¬ 
mon “) zu nennen sind. 

Figuier wandte statt der Kochsalzlösung eine Lösung 
von schwefelsaurem Natron an. 

Dass nun diese Analysen genauere Resultate ergeben 
mussten, als die nach der ersten Methode ausgeführten, 
lag auf der Hand; immerhin musste man aber auch hier 
bei Berechnung des Verhältnisses zwischen Blutkörper¬ 
chen und Plasma nach dem Wassergehalt des Blutes 
und Serum greifen, wodurch nicht unbedeutende Fehler 
sich einschlichen. 

Dieses brachte Zimmermann auf den Gedanken, im 
Serum und in den Blutkörperchen den Chlorgehalt zu 
bestimmen. Er ging dabei von der Annahme aus, dass 
die Blutkörperchen frei von Chlor seien und dieser nur 
dem Serum zukäme. Wir wissen nun, dass das nicht 
der Fall ist und dürfen daher behaupten, dass die nach 
dieser Methode gefundenen Werthe für den Rückstand der 
rothen Blutkörperchen in 100 Grm. Blut zu niedrige sind. 

Die Fehler der angeführten Methoden kamen genü¬ 
gend zur Geltung, man gab es auf, weitere Analysen 
nach denselben äuszuführen und die Physiologen wand¬ 
ten sich wieder mehr dem Studium der einzelnen Be¬ 
standteile des Blutes und den eigenthümlichen Vorgän¬ 
gen in demselben, so namentlich der Gerinnung, zu. 

Auch das Interesse für die Ausarbeitung einer genü¬ 
genden Untersuchungsmethode nach dieser Seite hin 
schien zeitweise geschwunden zu sein, bis endlich Hoppe- 
Seyler **) eine in Vorschlag brachte, welche scheinbar 
allen Ansprüchen genügte. 

Dieselbe beruht auf der Bestimmung des Eiweisses 
und Haemoglobin im Gesammtblute und den reinen Blut¬ 
körperchen von 100 Grm. Blut einerseits, und der Be¬ 
stimmung des Eiweisses im Serum andererseits. Sind 
diese 3 Werthe bekannt, so lässt sich aus ihnen das 
Verhältniss zwischen Serum und Blotkörperchenmenge 


berechnen. 

Bezeichnet man den Gehalt des Gesammtblutes an 
Eiweiss und Haemoglobin in 100 Grm. Blut mit E, den 
von 100 Grm. Serum an Eiweiss mit e und endlich den 
der Blutkörperchen von 100 Grm. Blut an Eiweiss mit 
B, so muss E-B dem Eiweissgehalt des Serum von 
100 Grm. Blut entsprechen. Nennen wir diese Grösse ei 
so finden wir die Menge des Serum in 100 Grm. Blut 

100 . ei 

nach der Proportion: 100 : e = x:ei od. x =-- — 


oder was diesem gleichbedeutend ist 


10Q.(E—B). 
e 


s ) Denis, Jonrn. de Chiraie. raedic., T. XIV. 1838. 
e ) Popp, Unters, d. menschl. Bluts in verschiedenen Krankh. 
Leipzig, 1845. • . 

’) Le Cann, Nouvelles 6tudes chimique snr le sang. Paris. 
1852. 

8 ) Poggiale, Comptes rendus. T. XXV. 

9 ) Figuier, Ann. de Chimie et Physique. T. XI. 

10 ) Zimmermann, Ueb. die Analyse des Blutes etc. Berlin, 
1847. 

**) Simon, Arch. der Pbarmacie, Bd. XVIII und XXV. 

**) Hoppe-Seyler,Handbuchd. physiol.-chem.Analyse. 1883. 


Die Menge der Blutkörperchen in 100 Grm. Blut ist 
dann natürlich = 100—x. 

Zur Ausführung dieser Bestimmungen ist, wie man 
aus Hoppe-Seyler’s Handbuch der chemischen Analyse 
ersehen kann, eine Quantität Yon ca. 80 Cbctm. Blut er¬ 
forderlich; will man nun noch das spec. Gewicht und 
den Trockeprückstand bestimmen, so bedarf' man noch 
grösserer Blutmengen. 

Die Resultate, die man nach dieser Methode erzielt, 
sind, wie Bunge ,3 ) constatirt hat, sehr zufriedenstel¬ 
lende, trotzdem sind aber meines Wissens nach dersel¬ 
ben Analysen kranken Menschenblutes nicht ausgeführt 
worden. 

Die Ursache, dafür ist wohl in Momenten verschieden¬ 
artigster Natur zu suchen. Ich glaube sie einerseits da¬ 
rin sehen zu dürfen, dass diese Methode eine verhält- 
nissmässig grosse Quantität Blut erforderte und die Kli¬ 
niker, im Gegensatz zu früher, eine übertriebene Scheu 
vor der Venaesection an den Tag legten, andererseits 
aber auch darin, dass das Augenmerk derselben, im Ver¬ 
hältniss zur Entwickelung gewisser Apparate hinsichtlich 
ihrer Handlichkeit, sich, einer bestimmten Strömung fol¬ 
gend, mehr auf einzelne Blutbestandtheile richtete, so 
namentlich auf die Zahl der Blutkörperchen-und - in al¬ 
lerletzter Zeit, seitdem das Fleischl’sehe Haemometer 
sich in Kliniken und Hospitälern eingebürgert hat, ganz 
besonders auf den Haemoglobingehalt des Blutes. 

Neuerdings jedoch, wo der Aderlass, unter Entnahme 
von geringen Portionen Blut bei den sogenannten Blut¬ 
krankheiten, behufs Anregung der blutbildenden Organe 
zur Thätigkeit, wieder aufgenommen ist, erscheint es an 
der Zeit, die Frage nach der Zusammensetzung des Blu¬ 
tes unter verschiedenen pathologischen Bedingungen einem 
Studium zu unterwerfen. - Dazu bietet sich die Gelegen¬ 
heit um so mehr, als im Laufe der letzten Jahre im 
hiesigen physiologischen Institote auf Anregung und un¬ 
ter der Leitung Al. Schmidt’s eine Methode der quan¬ 
titativen Blutanalyse ausgebildet worden ist, die meines 
Erachtens nichts zu wünschen lässt und allen Anforde¬ 
rungen Genüge leistet l4 ) — sie ist verhältnissmässig 
schnell und leicht auszuführen, verlangt eine nur geringe 
Blutmenge (15—20Cbctm.) und giebt genaue Resultate. 

Als äusserst angenehme Beigabe ist noch hervorzuhe¬ 
ben, dass nach derselben an normalem Menschenblut 
(sowohl Männer-, als auch Weiberblut) ausgeführte Ana¬ 
lysen vorliegen. 

Leider scheint diese Methode jedoch bisher noch we¬ 
nig bekannt resp. anerkannt zu sein und daher werde 
ich mir erlauben sie ausführlicher zu besprechen. 

Methode der Blutanalyse von Al. Schmidt. 

Natürlich verzichte ich darauf, die Entwickelungsge¬ 
schichte dieser Untersuchungsmethode an dieser Stelle 
darzustellen (diejenigen, die sich für diese Frage interes- 
siren, verweise ich auf die oben citirten Dissertationen), 
sondern begnüge mich damit, dieselbe so, wie sie nun¬ 
mehr zur Anwendung gelangt, wiederzugeben. 

Der Grundzug der Al. Schmidt’schen Methode der 
Blutanalyse ist, auf Grund der Bestimmung des pCt. 
Trockenrückstandes des Gesammtblutes und des Serum 
einerseits, des Rückstandes der rothen Blutkörperchen von 
100 Grm. Blut andrerseits, das Verhältniss zwischen Se¬ 
rummenge und Gehalt an feuchten Blutkörperchen, sowie 
den pCt. Rückstand der rothen Blutkörperchen, bezogen 
auf sie selbst, durch Rechnung festzustellen. 

Das Princip ist also im Allgemeinen dasselbe wie bei 


’*) Bunge, Lehrbuch d. physiolog. und patholog. Chemie. 
1887 

u ) Cf. die Dissertationen von F. Mobitz (1883), A. Som¬ 
mer (1883), v. Goettschel (1883). F. Knpffer (1884) H. Ar- 
ronet (1887). 


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Hoppe-Seyler, nur dort Eiweiss—hier Rückstandsbe¬ 
stimmung. 

Wir haben es also mit diTect bestimmten nnd mit be¬ 
rechneten Werthen zu thun. 

Bevor ich nun auf den Gang der Analyse eingehe, 
hebe ich zunächt kurz das Hauptsächlichste hervor: 

1) Die Untersuchungen erstrecken sich nur auf das 
defibrinirte Blut. 

2) Direct bestimmt werden: 

a) Der Trockenrückstand des defibrinirten Blutes - T. 

b) » » » Serum = t. 

c) » » der rothen Blutkörperchen in 

100 Grm Blut — r. 

Diese 8 Grössen dienen zur Berechnung der weiter unten 
sub. 3 angegebenen. Ausser ihnen werden direct be¬ 
stimmt : 

d) das spec. Gewicht des defibrinirten Blutes = G. 

e) » » » » Serum = g. 

f) der Extinctionscoefficient des Haemoglobin — E, be¬ 
rechnet auf eine 1 pCt. Blutlösung. 

g) der pCt. Fibringehalt des Blutes — f. 

3) Berechnet werden: 

a) die Gewichtsmenge der rothen Blutkörperchen in 100 
Grm. Blut — b. 

b) die Gewichtsraenge des Serum in 100 Grm. Blut = s. 

c) der pCt. Rückstand der rothen Blutkörper, bezogen 
auf sie selbst = R. 

Sind die Grössen T, t und r bestimmt, so lässt die 
Menge des Serum in 100 Grm. Blut sich nach folgender 
Proportion berechnen: 

100 . (T-r ) 

~ t. 

Daraus wiederum ergiebt sich b = 100 — s. 

Ebenso kann man zunächst die Blutkörperchenraenge 
berechnen nach der Proportion 100: b - t: (t + r —■ T) 

„der b = + 

t 

Für das Serum ergiebt sich dann natürlich s«=l<0—b. 
Ganz in derselben Weise, wie s berechnet worden ist, 
geschieht es auch mit dem procentischen Rückstand der 
rothen Blutkörperchen, bezogen auf diese selbst, b ist 
nunmehr durch Rechnung bekannt, r (der Rückstand der 
rothen Blutkörperchen in 100 Grm.) ist direct bestimmt. 
Wir haben somit das Verhältniss: 

b: r - 100 : R od. R - 

o 

Nach diesen Bemerkungen gehe ich auf den Gang der 
Analyse über. 

Von dem zu untersuchenden Blute werden in einem 
Becherglase mit Gummiverschluss, durch den ein Fisch¬ 
beinstäbchen, zum Defibriniren des Blutes bestimmt, geht, 
und welches mit diesem Zubehör sorgfältig abgewogen 
ist, etwa 15—20 Cbcm. aufgefangen, das Glas sofort ge¬ 
schlossen, um jede Wasserverdunstung möglichst zu ver¬ 
hüten, und das Blut defibrinirt. Alsdann wird das Be¬ 
cherglas mit seinem Inhalte gewogen, der Fibrinklumpen 
herausgenommen, das Fibrin nach Hoppe-Seyler erst 
mit dest. Wasser, dann mit Kochsalzlösung und wieder 
mit dest. Wasser ausgewaschen, zur Entfernung des 
Wassers mehrfach mit Alkohol und endlich mit Aether 
behandelt, zwischen Urschälchen getrocknet, gewogen 
und die gefundene Menge auf 100 Grm. Blut berechnet. 

Die Bestimmung des specifisohen Gewichts des 
defibrinirten Blutes und des Serum geschieht in etwa 
2—3 Grm. fassenden Pyknometern, deren Inhalt nach¬ 
träglich zur Bestimmung des Trockenrückstandes 
verwandt werden kann. Er wird zu diesem Zwecke in 
Porcellan- oder Platintiegel von bekanntem Gewicht ge¬ 
schüttet, seine Menge durch die Waage bestimmt, erst 
auf dem Dampfbade, dann im Trockenofen getrocknet, 


gewogen und auf 100 Grm. Blutresp. Serum berechnet.— 
Das Serum zu diesen Bestimmungen gewinnt man durch 
Centrifugiren von etwa 8—10 Cbcm. des defibrinirten 
Blutes. Das Trocknen geschieht immer bei einer Tem¬ 
peratur von ca. 110—120° C. und wird bis zur Gewichts- 
constanz fortgesetzt, welche bei den kleinen Mengen, die 
zur Anwendung kommen, am 3.—5. Tage erreicht ist. 

Zur Bestimmung des Rückstandes der rothen 
Blutkörperchen im Blute ist zunächt die Isolirung 
derselben erforderlich. 

Zu diesem Zwecke wird eine abgewogene oder genau 
abgemessene Menge Blut (etwa 5 Cbcm.) in einem Cen- 
trifugenglase mit einer 2—2*/» pCt. Lösung von Natr. 
8ulfuric. siccum versetzt und dieses Gemisch so lange 
centrifugirt, bis sich die Blutkörperchen vollständig zu 
Boden gesetzt haben. Ist dieses geschehen, so wird die 
überstehende klare Flüssigkeit abgehoben, durch neue 
Natriumsulfatlösung ersetzt und wieder centrifugirt. Nach 
Senkung der Blutkörperchen wird dieselbe Procedur 
noch einmal vorgenommen, wiederum nach beendetem 
Centrifugiren die Waschflüssigkeit entfernt, der Blutkör¬ 
perchenbrei mit dest. Wasser aufgenommen und in ein 
gewogenes Becherglas übergeführt. Diese Blutkörper¬ 
chenlösung wird in 2 ungleiche Theile getheilt, deren 
jeder dem Gewichte nach bekannt sein muss. Da nun 
einerseits das Gewicht der centrifugirten Blutmenge, an¬ 
drerseits das Gewicht der ganzen nunmehrigen Blutkör¬ 
perchenlösung bekannt ist, so lässt sich auch berechnen 
wieviel Blut jedem dieser beiden Theile entspricht. Die 
kleinere Portion dient weiter zur Bestimmung des 
Trockenrückstandes, die grössere zu der des Gehaltes an 
Natriumsulfat. Dieselbe wird zu dem Zwecke nach 
sehwachem Ansäuern mit stark verdünnter Essigsäure 
auf dem Dampfbade coagulirt, darauf filtrirt, der Filter- 
rückstand mit heissem Wasser nachgewaschen und im 
Filtrat die Schwefelsäure durch Chlorbaryum ausgefällt. 
Nach 24-stündigem Stehen in der Wärme wird der 
Niederschlag des Baryumsulfat heiss durch ein kleines 
aschefreies Filter filtrirt, getrocknet, dann unter Zusatz 
von einem Tropfen Salpetersäure raitsammt dem Filter 
verbrannt. Das zurückbleibende Baryumsulfat wird nun 
gewogen und aus dem Gewichte desselben das Natrium¬ 
sulfat berechnet (Ba SO*: Na* SO« = 1:0,61). 

Das Gewicht des gefundenen Rückstandes minus dem 
berechneten Gehalt an Natriumsulfat ergiebt dann den 
Trockenrückstand der rothen Blutkörperchen, der auf 
100 Grm. Blut umgerechnet wird. 

Zur Bestimmung des relativen Haemoglobin- 
gehaltes dient das Hüfner’sche Spektrophotometer. Ich 
darf den Apparat wohl als bekannt voraussetzen und 
verzichte daher auf eine Beschreibung desselben. 

Man thut gut zur spektrophotometrischen Bestimmung 
2—3 geeignete Blutlösungen herzustellen, weil auf diese 
Weise eine Controlle für die Richtigkeit der Ablesungen 
an die Hand gegeben ist. Wie das Spektrophotometer 
bei den Untersuchungen im hiesigen physiologischen In¬ 
stitute eingestellt ist und in welcher Weise ich Blutlö¬ 
sungen herstelle, habe ich bereits anderweitig angegeben 
und verweise daher auf die betr. Arbeiten ,6 ). 

Anmerkung. Zur Anwendung des Fleischl’schen Hae- 
mometers zu meinen Haemoglobinbestiramungen habe 
ich mich nicht entschlossen können aus Gründen, die 
ich bereits im Jahre 1890 ausgesprochen und die sowohl 
in den Protokollen des II. Livl. Aerztetages, als auch 
in denen der Dorpater medic. Gesellschaft niedergelegt 
sind ,s ). Ich sagte: «das Fleischl’sche Haemometer 


'*) Zeitschrift für Biologie Bd. 24, pag. 47 nnd Bd. 26, 
pag. 452. 

“) Prot. d. II. Livl. Aerztetages. St. Petersb. med. Woch. 
1890, Nr. 40., Prot. d. Dorpat, med. Ges. St. Petersb. medic. 
Wochenschr. 1891. Nr. 46. 


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206 


ist für die ex acte Forschung als unbrauchbar zu 
betrachten» und von dieser meiner Anschauung bin 
ich bis auf den heutigen Tag noch nicht zurückge¬ 
kommen. Rückhaltslos gebe ich jedoch zu, dass, nachdem 
es gelungen ist, die Fehler des Apparates durch eine 
empirisch festgestellte Correcturtabelle um ein Bedeu¬ 
tendes zu reduciren, derselbe viel gewonnen hat, für 
klinische Zwecke, unter gewissen Einschränkun¬ 
gen, brauchbar erscheint und dem praktischen Arzte 
am Krankenbette durch seine Handlichkeit als diag¬ 
nostisches Hilfsmittel häufig Nutzen bringen kann; 
wo es sich aber um Genauigkeit ln den Haemoglobin- 
bestimmungen handelt, erweist das Haemometer sich 
als den Ansprüchen nicht genügend. 

Voll und ganz kann ich mich dem Schlusssätze Tom- 
berg’s ”) anschliessen, der auf Prof. Dehio’s Anregung 
sich der mühevollen Arbeit unterzog, die Fehler des 
Fleischlichen Haemometers kennen zu lernen und nach 
Möglichkeit zu eliminiren. Tomberg macht eben auch 
die Einschränkungen, von denen ich oben sprach. Er 
sagt auf pag. 6'.» seiner Dissertation: «Dem Kliniker wird 
es in den meisten Fällen nicht darauf ankommen, 
geringe Veränderungen desHaemoglobingehaltes festzustellen 
etc.» und kurz vorher auf derselben Seite: «Aber auch 
wenn ich die Möglichkeit zugeben muss, dass das 
Fleischliche Haemometer ausnahmsweise Ablesungen' 8 ) 
ergiebt, welche 4,3 pCt. zu viel oder 3,9 pCt. zu wenig 
anzeigen, so ist damit doch nicht die gänzliche Un¬ 
brauchbarkeit des Apparates erwiesen». 

Die in Tomberg’s Sätzen von mir gesperrt wieder¬ 
gegebenen Worte «meisten» und «gänzliche» gestatten 
wohl den Schluss, dass auch dem Kliniker Fälle begeg¬ 
nen dürften, in denen das Haemometer nicht ausreicht 
und dass der Apparat unter Umständen sich als 
unbrauchbar erweist, nämlich überall da, wo es dem 
Untersucher ein Bedürfniss ist, exact zu arbeiten. 

Exacte Arbeit ist aber bei Blutanalysen, wie die vor¬ 
liegenden, ein unurastössliches Postulat. Daher ist hier 
von der Anwendung des Haemometers abzurathen und 
zum Spektrophotometer zu greifen, von welchem Tomberg 

selbst sagt (pag. 66): «Die Resultate.haben mir 

aber den Beweis geliefert, dass das Spektrophotometer 
unvergleichlich viel genauere Haemoglobinbestimmnngen 
gestattet, als das Fleischliche Haemometer». 

Nachdem ich nun die Methode der Blutanalyse als 
solche beschrieben, möchte ich noch kurz ihre Fehler und 
ihre Vorzüge berühren. 

Ein Fehler kann nur in der Bestimmung des Blut¬ 
körperchenrückstandes r zu suchen sein und man kann 
hier die Frage aufwerfen, ob nicht beim Auswaschen der 
Blutkörperchen auf der Centrifuge mit der Natriumsulfat¬ 
lösung denselben feste Bestandteile entzogen werden und 
in welchem Grade? 

Das Haemoglobin, der Hauptbestandtheil der rothen 
Blutkörperchen, tritt nicht in die Waschflüssigkeit über, 
wie man sich durch Untersuchen derselben mittelst des 
Spektroskopes überzeugen kann. 

Nächst dem Haemoglobin müsste man an die löslichen 
Salze, von denen nur die leicht löslichen Chloride in 
grösserer Menge Vorkommen, denken. 

Arronet' 9 ) hat in Bezug auf diese Frage unter Al. 
Schmidt’s Leitung Untersuchungen ausgeführt und kam 
durch seine Salzanalysen im defibrinirten Blut und im 
Serum zu folgendem Resultat: 


”) C. Tomberg, Zur Kritik des Fleischlichen Haemometers. 
Inang.-Dissert. Dorpat. 1891. cf. auch Dehio, Prot. d. Dorp, 
med. Ges., St. Petersb. med. Woch. 1892. Nr. 10. 

,8 ) Zur Erläuterung füge ich hinzu, dass unter «Ablesung» 
nicht eine, sondern das Mittel aus einer Reihe von Einzelab¬ 
lesungen zu verstehen ist. 

H. Arronet, Quantit. Analyse des Menschenbluts etc. 
Inaug.-Dissert. Dorpat, 1887. pag. 58 und 59. 


1. Bei dem Waschen der Blutkörperchen mit glauber¬ 
salzhaltiger Flüssigkeit geben sie ihren Gehalt an Chlo¬ 
riden fast gänzlich an die Waschflüssigkeit ab. Der Werth* 
r fällt also um diesen Verlust zu klein aus. 

2. Dieser Verlust bringt es mit sich, dass das aus den 
Werthen r und den zuverlässig bestimmten Werthen T 
und t berechnete Blutkörperchenprocent um 1,5—2 pCt. 
zu niedrig ausfällt. 

3. Die unlöslichen Aschenbestandtheile der Blutkörper¬ 
chen erleiden beim Waschen keine Verluste. 

4. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Blutkörperchen 
beim Waschen mit Glaubersalzlösung Verluste an Eiweiss 
und anderen organischen Bestandtheilen erleiden. 

Aus dem Gesägten geht also hervor, dass die Blutkör¬ 
perchenziffer um 1,6 2,6 zu klein ausfällt; man wird 

also der Wahrheit am Nächsten kommen, wenn man zu 
der gefundenen Blutkörperchenziffer etwa 2 hinzuaddirt 
und von der Serumziffer ebensoviel subtrahirt. 

Wenden wir uns nun zu den Vorzügen dieser Methode 
gegenüber den übrigen. In erster Linie führe ich in dieser 
Beziehung die Worte Arronet’s an: «Der Vorzug der 
Methode liegt eben darin, dass man nicht genöthigt ist 
ein gewisses Blutquantum in seine einzelnen Theile zu 
zerlegen und zu eruiren, wieviel von jedem Bestandtheile 
in dieser gegebenen Blutmenge enthalten ist, sondern dass 
man die einzelnen, leicht zu gewinnenden Hauptbestand¬ 
teile desselben für sich in reinem Zustande trocknet, 
ihr Gewicht bestimmt und dann erst durch Proportionen, 
durch mathematisches Calcul erschliesst, wieviel von 
diesen Bestandtheilen im Gesammtblut enthalten ist» 4 *). 

Als weitere Vortheile, die die Al. Schmidt’sche 
Methode bietet, will ich noch erwähnen: 1) dass sie nur 
eine verhältnissmässig kleine Blutmenge erfordert und es 
daher ermöglicht, nicht nur an Thierblut, sondern auch 
an gesundem und krankem Menschenblute Untersuchungen 
auszuführen und 2) dass sie nicht sehr zeitraubend und 
weitläufig ist — ein Umstand, der nicht ausser Acht zu 
lassen ist. Die vollständige Analyse beansprucht nicht 
mehr als etwa 6—8 Tage; dabei können bequem 2, ja 
selbst 3 Analysen gleichzeitig ausgeführt und bei richtiger 
Zeiteintheilung 4 resp. 6 in einer Woche bis 10 Tagen 
geliefert werden, indem man an 2 bis 3 auf einander 
folgenden Tagen mit je 2 Analysen beginnt. 
Zusammensetzung des gesunden Menschenblutes. 

Um einen Vergleich des von mir untersuchten kranken 
Blutes mit dem normalen Menschenblute zu ermöglichen, 
will ich zunächst die von Arronet 2 ') und Schneider 22 ) 
gewonnenen Resultate wiedergeben; Arronet analysirte 
Männer-, Schneider—Weiberblut. Die Werthe b und s 
sind nicht corrigirt, ich gebe sie daher in meinen Ver¬ 
suchen ohne Correctur, da beim Vergleiche es darauf gar 
nicht ankommt. 


A. Zusammensetzung des defibrinirten gesunden 
Menschenblutes. 



fpet. Gewicht 

dei 

Trockenriicketände 

Gewichte¬ 
ln enge 

RBck- 

etend 

Hb-ge 

heit 

Ge¬ 

schlecht 

Blute« 

O. 

Serum 

«• 

von 

ICO 

Blut 

T. 

Ton 

lfO 

Serum 

t. 

d. roth. 

Blut- 
kdrp, in 
100 Blut 
r * 

d. roth. 

Blut- 
körp. in 

100 Blut 
b. 

de* Se¬ 
rum in 

100 Blut 

«. 

von 100 

Blut* 

t 

Extine- 

tiont- 

eoeffi- 

cient 

(■ 

Män-l 
ner. | 

1060,7 

1028,3121,97 

9,71 

16,93 

47,88 

52,12 

35,46 

0,93 

Wei¬ 

ber. 

1055,7 

1029,6 

19,89 

9,44 

13,74 

34,96 

65,04 

39,74 

0,81 


Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, dass obige Zahlen 
Mittelwerthe aus einer Reihe von Analysen darstellen. 


*•) 1. c. pag. 20. 

*') 1. c. 

**) A. Schneider, Zusammens.d. Blntesd.Franen etcJnaug.- 
Diss., Dorpat, 1891. 


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207 


Die Fibrinziffer habe ich, als für mich bedeutungslos, in 
die Tabelle nicht aufgenommen. 

Vergleicht man die entsprechenden Werthe des Män¬ 
nerblutes mit denen des Weiberblutes, so ist man über¬ 
rascht zu sehen, welch’ gewaltige Unterschiede diese beiden 
Blutarten hinsichtlich ihrer Zusammensetzung aufweisen. 
Um diese Unterschiede zu charakterisiren, greife ich zu 
den Worten Schneider’s. 

«Das Frauenblut ist bedeutend leichter, als das Män¬ 
nerblut, trotz des höheren specifischen Gewichtes seines 
Serum; der Grund liegt in seinem geringeren Gehalt an 
Blutkörperchen, welcher durchschnittlich um 27 pCt. hinter 
demjenigen des Männerblutes zurückbleibt. Das rothe 
Blutkörperchen selbst aber ist bei der Frau schwerer als 
beim Manne, das Gewicht seines Rückstandes überragt 
dasjenige des Blutkörperchens beim Manne um 11 pCt. 
Auf das Gesammtblut bezogen aber bleibt die Trocken¬ 
substanz der rothen Blutkörperchen der Frau um 19 pCt. 
hinter derjenigen des Mannes zurück. 

Das rothe Blutkörperchen der Frau ist nicht blos 
schwerer, als das des Mannes, es enthält auch relativ 
mehr Haemoglobin und weniger Stroma. 

Das Blutserum der Frau besitzt zwar ein höheres spe- 
cifisches Gewicht, als das des Mannes, der Rückstand aber 
ist bei beiden gleich» 2a ). 

Ich gehe nun zu den Resultaten über, die mir die 
Analyse des Blutes einer an hochgradiger Anaemie 
leidenden Patientin ergab. 

Die schwere, acute Anaemie, der die 32jährige Patientin 
schliesslich erlegen ist, verdankte ihre Entstehung starken 
Blutungen aus einem Magenulcus. Am 5. und 10. April 
1891 wurde je ein Aderlass von 60 — 75 Cbcra. Blut 
vorgenommen. 

Das Blut des ersten, wie auch des zweiten Aderlasses 
habe ich analysirt und stelle die Ergebnisse in folgender 
Tabelle B zusammen; des Vergleiches halber führe ich 
in der Tabelle auch die Zusammensetzung des normalen 
Weiberblutes an. 


B. Zusammensetzung des defibrinirten Blutes in 
einem Falle von hochgradiger Anaemie. 



8p«c Gewicht 
de* 

Trockenrtlckstinde 

} Gewieht«- 
! menfe. 

«Und 

von 

rETT —' 

Hb-c*J Fibrin 
halt. ] 

Blut 

Blute« 

G. 

8erum 

C- 

von 

100 

Blut 

T. 

von 

100 

Serum 

t. 

der 
roth. 
Blut* 
körp. 
in 100 
Blut r. 

der 
Blot* 
körp. 
in 100 
Blut 
b. 

de« 
Serum 
in 100 

Blut 

«. 

loo 

Blut- 

kArp. 

B. 

Kx- 

tinc- 

lioa«- 

coelfl- 

cient 

e. 

in 100 

Blut 

t. 

Nor¬ 

mal 

1055,7 

1029, 6j 19,89 

9,44 

13,74 

34,96 

65,0^ 

39,74 

0,81 

0,20 

Änae- 
mie I. 

1029,5 

1021,0 : 9,39 

li 

6,16 

3,81 

9,42 

90,58j 

40,45 

0,20 

0,31 

Anae¬ 
mie II. 

1029,5 

1020,4 1 

_li 

9,41 

6,15 

3,90 

10,40 

89,6d 

37,50 

0,19 

0,31 


Ans dieser Tabelle ergiebt sich: 

1. Dass das specifische Gewicht sowohl des defibri¬ 
nirten Blutes, als auch des Serum gegen die Norm bedeu¬ 
tend herabgesetzt ist. 

2. Dass die betr. Trockenrückstände viel niedriger sind 
als beim normalen Blute. Dieselben betragen für das 
Gesammtblut weniger als die Hälfte, für das Serum etwa 
a /s der Norm. 

3. Dass der Rückstand der rothen Blutkörperchen in 
100 Grm. Blut (r) beinahe bis auf V* des Normalen 
herabgesunken ist; dabei ist ihr procentiscber Trocken¬ 
rückstand (R) nicht vermindert, sondern schwankt inner¬ 
halb der normalen Grenzen. (Schneider fand beim 
gesunden Franenblut als Minimum 32,95, als Maximum 
47,67). 

4 . Dass das Mengenverhältniss zwischen den rothen 


M ) 1. c. pag- 25. 


Blutkörperchen und dem Serum (b und s) sich, wie 
schon durch den Rückstand der rothen Blutkörperchen 
in 100 Grm. Blut wahrscheinlich gemacht wurde, zu 
Ungunsten der letzteren gestaltet indem die Quantität 
derselben auf etwa ‘/« des Normalen reducirt ist. 

5. Dass im besten Einklänge mit dem sub. 3 und 4. 
Gesagten die Verminderung des relativen Haemoglobin- 
gehaltes des Blutes (s) steht — auch dieser bietet etwa 
V« der Norm. 

6. Dass der Fibringehalt des kranken Blutes im Ver¬ 
gleich zu dem des gesunden Blutes ein wenig gesteigert 
erscheint. 

Aus den angeführten Thatsachen geht also hervor, 
dass im Blute Anaemischer die rothen Blutkör¬ 
perchen als solche gar nicht oder nur äusserst 
wenig in ihrer Zusammensetzung von der Norm 
abweichen (cf. in der Tabelle B. R und e), son¬ 
dern dass die Veränderung des Blutes haupt¬ 
sächlich auf einer Verminderung der Menge der¬ 
selben beruht, wodurch auch die starke Herab¬ 
setzung des Trockenrückstandes des defibrinirten 
Blutes sich erklärt (cf. r, bu.T). Aber an diesem 
letzteren Umstande (Verminderung des Trockenrück- 
standes des Gesammtblutes) ist, wie schon aus dem 
Vergleiche des specifischen Gewichtes des defib¬ 
rinirten Blutes und des Serum im kranken und 
gesunden Zustande zum Theil hervorgeht, nicht 
die Blutkörperchenraenge allein schuld. Wäre 
das der Fall, so müsste das specifische Gewicht 
des kranken Serum dem des gesunden gleich¬ 
kommen. Dem ist aber nicht so. Wir finden das 
specifische Gewicht des kranken Serum beträcht¬ 
lich geringer, als das des gesunden und dem ent¬ 
sprechend ist es auch bedeutend ärmer an festen 
Bestandtheilen (cf. t). Das ganze Blut ist also 
wässeriger geworden. 

Man wird somit sagen können: das anaemische 
Blut ist charakterisirt durch eine Verminderung 
der Menge der rothen Blutkörperchen, bei nor¬ 
maler Zusammensetzung derselben, und durch 
gleichzeitige Verdünnung seines Serum. 

Der zweite Fall, den ich einer Untersuchung unterzog, 
betraf eine ca. 50 Jahre alte Patientin, die an einer 
ausgesprochenen und weit vorgeschrittenen Leukaemie 
litt. Auch hier werde ich die Resultate in Tabellenform 
wiedergeben und die Werthe für das normale Weiberblut 
einreihen. 


C. Zusammensetzung des defibrinirten Blutes in 
einem Falle von Leukaemie. 


Blutart. j G. 

£• 

T. 

t. 

r. 1 b. 

8 . 

R. 

e. 

0,81 

.Normal. 

1055,7 

1029,6 

19,89 

9,44 

13,74j| 34,96 

65,04) 

39,74 

Leu¬ 

kämie. 

1054,8 

1037,5 

18,63 

11,90 

10,82j| 34,29 

65,71 

31,55) 0,43 


Aus dem Vorstehenden stellt sich für das leukämische 
Blut heraus: 


1. dass das specifische Gewicht des Gesammtblutes der 
Norm entspricht, während das des Serum erhöht ist; 

2. dass entsprechend dem specifischen Gewichte der 
betr. Trockenrückstand normal resp. Termehrt ist; 

3. dass der Rückstand der rothen Blutkörperchen in 
100 Grm. Blut (r) einen kleineren Werth aufweist, als 
im gesunden Blute. Diesem Umstande ist es wohl auch 
zu verdanken, dass, trotz des erhöhten specifischen Ge¬ 
wichtes des Serum, das des defibrinirten Blutes sich auf 
der Norm erhält; 

4. dass der procentische Trockenrückstand der rothen 
Blutkörperchen (R) gegenüber dem gleichen Werthe des 
gesunden Weiberblutes vermindert erscheint; 


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208 


ß. dass das Mengenverhältnis zwischen Blutkörperchen 
und Serum nicht alterirt ist; 

G. dass der Haemoglobingehalt des leukaemischen 
Blutes, im Vergleich zu dem des normalen, etwa um die 
Hälfte herabgesetzt ist. 

Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass das 
leukaemische Blut nicht in Bezug auf die Men¬ 
genverhältnisse seiner vorwiegendsten Bestand¬ 
teile — der Blutflüssigkeit und der in ihr suspendirten 
körperlichen Elemente (rothe Blutkörperchen) — gestört 
worden ist, sondern dass diese selbst eine Ver¬ 
änderung erlitten haben, welche sich dadurch 
kennzeichnet, dass das Serum reicher, die Blut¬ 
körperchen aber ärmer an festen Bestandtheilen 
geworden sind, wobei letztere namentlich eine 
Abnahme an Haemoglobin aufweisen. 

* * 

* 

Dass diese 2 Analysen bei Weitem nicht ausreichend 
sind, um auf Grund derselben irgendwelche Theorien 
aufzubauen, dessen bin ich mir sehr wohl bewusst, meine 
aber immerhin, dass die von mir gezogenen Schlüsse im 
Allgemeinen werden bestehen bleiben und durch weitere 
Analysen nur unterstützt werden dürften. 

Meine Absicht war es übrigens, vor Allem auf die 
Al. Schmidt’sche Methode der Blutanalyse und auf die 
Verwerthung der durch sie gegebenen Resultate weitere 
Kreise aufmerksam zu machen. Dieser meiner Hauptauf¬ 
gabe glaube ich hierdurch nachgekoramen zu sein und 
hoffe, dass die vorliegende Arbeit Anregung geben wird 
zu weiteren Untersuchungen auf diesem Gebiete. 

Zum Schluss erlaube ich mir, den Herren Collegen 
Prof. Dr. K. Dehio und Dr. Chr. Ströhmberg für die 
bereitwillige Ueberlassung des Materials zu meinen 
Analysen an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen. 

Dorpat, im März 1892. 


Referate. 

E. Gerdes: Zur Aetiologie der Puerperaleklampsie- 
Centrbl. f. Gynaek. Nr. 20. 1892. 

Verf., erster Assistent des pathologischen Instituts zu 
Halle, untersuchte mikroskopisch und bakteriologisch Nieren, 
Lungen. Aortenblut und Leber einer an schwerster Eklampsie 
Verstorbenen. Auf in Petri’schen Schalen angelegten Agar¬ 
glycerinplatten entwickelten sich nach 24-stündiger Einwir¬ 
kung von Bruttemperatnr punktförmige, bräunlich gespren¬ 
kelte Colonien, welche mit knolligem charakteristischem Wall 
umgeben sind. Mikroskopisch sind die Colonien aus kleinen 
Bacillen von sehr geringer Länge aber relativ bedeutender 
Dicke zusammengesetzt. Die Bacillen färben sich mit wäss¬ 
rigen Anilinfarben schwer; bie besten Resultate erzielte Verf. 
mit conc. alkoh. Methylenblaulösung, die zu gleichen Tlieilen 
mit Wasser versetzt und durch Kalilauge stark alkalisch ge¬ 
macht wird. Färbung der Deckgläschen 5 Min. lang in der 
auf einem Wasserbade erhitzten Mischung, Abspülen der 
Farbe mit 28 pCt. Alkohol. Es färben sich die abgerundeten 
Enden der Bacillen, während das Mittelstück ungefärbt bleibt 
oder nur in seinen Randpartien leicht gefärbt ist. Zur Un¬ 
tersuchung sind die stärksten und besten Systeme erforder¬ 
lich (Zeise. Apochr. 2,0 mm. Apert. 1,30 Ocular 12). Der Ba¬ 
cillus legt sich mit Vorliebe zu Fäden zusammen, er zeigt 
im hängenden Tropfen lebhafte Eigenbewegung und ruft in 
Bouillon eine gleichmässige Trübung hervor ohne Häutchen¬ 
oder Flockenbildung. Eine 15 Stunden alte Bouilloncultur 
besitzt, bedeutende Virulenz für Mäuse und Ratten. Nach 
Injection von 0,1 Ccm. treten bei Mäusen Brechbewegungen, 
tiefe rasche Inspirationen gefolgt von grosser Müdigkeit auf, zu¬ 
letzt werden die Thiere somnolent resp. völlig bewusstlos und 
verfallen gleichzeitig in clonische seltener tetanische Con- 
vulsionen. Tod nach 9—20 Stunden. Durch den Impfungen 
voraasgeschickte Morphiuminjectionen konnte Gerdes einen 
milden Verlauf und sogar völlige Heilung erzielen, Bei der 
Section geimpfter Mäuse fand sich der Bacillus in der Bauch¬ 
höhle, Milz, Lungen vorwiegend aber in Leber und Nieren. 
Verf. deutet die Krankheitserscheinungen bei Mäusen als 
Intoxicationserscheinungen. Die toxische Substanz wird auf 
der Magenschleimhaut ausgeschieden und ruft dabei Brechen 
hervor (cf. Magensclimerzen und Erbrechen Eklamptischer); 
durch ihre Einwirkung auf die nervösen Centren ruft sie 


Somnolenz und Zuckungen hervor. Im Gegensatz zu Mänsen 
treten bei Ratten die Zeichen einer Infection in den Vorder¬ 
grund. Die Thiere werden nur ganz allmälig träge und müde und 
sterben indem dieser Zustand unter Verlangsamung der Re¬ 
spiration und Heruntergehen der Temperatur in Bewusstlosig¬ 
keit übergeht. Auch bei Ratten ist die Leber die Haupt- 
ablagerungBstätte des Bacillus. Auf Kaninchen und Tauben 
zeigt derselbe keine Wirkung, bei Meerschweinchen konnten 
demarcirende, nekrotisireude Eiterungen der Haut nachgewie¬ 
sen werden, in deren Eiter sich spärliche Bacillen fanden. 

Gerdes fand bei der mikr. Untersnchung der Organe sei¬ 
nes Falles erst nach vielem vergeblichem Suchen (Schwierig¬ 
keit den sehr kleinen Bacillus von Zelltrümmern zu unter¬ 
scheiden) denselben Bacillus in der Leber in colossalen Men¬ 
gen — stellweise bacilläre Emboli — in den Nieren in ver¬ 
einzelten Exemplaren. Er hält ihn wegen seiner Virulenz 
für Mäuse und Ratten für den pathogenen Mikroorganismus 
der Eklampsie. W. Beckmann. 

Prof. Gaffky (Giessen); Erkrankungen an infectiöser 

Enteritis in Folge des Genusses ungekochter Milch. 

(Deutsche medic. \Vochschr. Nr. 14. 1892). 

Zwei Assistenten und ein Diener am hygienischen Institut 
erkrankten gleichzeitig unter dem Bilde einer schweren Infec¬ 
tion: hohes Fieber. Benommenheit, Delirien, Erbrechen, zahl¬ 
reiche, z. Th. haemorrhagische Stühle, Albuminurie. Der am 
schwersten heiragesuchte Patient machte eine langdauernde 
Reconvalescenz durch, nach 19-tägiger Krankheit war er hoch¬ 
gradig abgemagert und fühlte eine ganz ausserordentliche 
Schwächet Die gleichzeitige Erkrankung, sowie die Ueberein- 
stimmung in den Symptomen Hessen an die Aufnahme eines 
giftigen Stoffes mit der Nahrung denken. Es gelang auch 
Gaffky festzustellen, dass die von den 3 Patienten gemeinsam 
genossene ungekochte Milch der Infectionsträger war; diese 
Milch stammte von einer an haemorrhagische r Enteritis 
leidenden Kuh. Aus den Faeces der 3 Patienten liess sich ein 
virulentes Bakterium züchten, das mit dem in dem Kuhkoth 
ermittelten identisch war. Verf. weist darauf hin, dass ziemUch 
häufig Krankheitsfälle der oben beschriebenen Art Vorkommen, 
welche der Diagnose grosse Schwierigkeiten bereiten, gewöhn¬ 
lich dann als Unterleibstyphus mit eigenartigem, von der 
Norm abweichendem Verlaufe bezeichnet werden. Verf. fasst 
solche Krankheitsfälle unter der Diagnose rinfectiöse Ente¬ 
ritis» zusammen. Die Erreger dieser Erkrankungen müssen 
wohl durch den Verdauungscanal in den Körper gelangen, 
und nicht selten wird man in der Milch den Träger des Infec- 
tionsstofTes zu suchen haben. Es ist dabei durchaus nicht 
nöthig, dass die Krankheitskeime durch die Milchdrüse hindurch 
in die Milch gelangen, sie können vielmehr dm oh Verunrei¬ 
nigung der an sich unschädlichen Milch beigemen^ t werden; 
namentlich ist zu berücksichtigen, dass bei diarrhoiechen Aus¬ 
leerungen ein Tlieil des Küthes den Euter entlang läuft und 
so zu Verunreinigungen Veranlassung geben muss. Verf. weist 
anf die im November 1888 in Christiania vorgekommene Gastro¬ 
enteritisepidemie hin, in deren Verlauf binnen 3 Wochen 6000 
Personen erkrankten; höchst wahrscheinlich war auch hier 
die Milch die Trägerin des Infectionsstoffes. Jedenfalls warnt 
die interessante Mittheilnng von Gaffky aufs Nene vor dem 
Genüsse ungekochter Milch. Abelmann. 

Heinrich Hochhaus: Ueberdiphtheritische Lähmungen. 

Vircbow’s Archiv Bd. 124, 1891. 

Während bisher die meisten Autoren die Ursache der diplis 
theritischen Lähmungen in einer Affection des Rückenmarkr 
oder der peripheren Nerven suchten, führt Verf. in seiner 
Arbeit deu Nachweis, dass sich vor allen Dingen in den 
gelähmten oder paretischen Mnskeln Entzündungen nachweisen 
lassen, welche vorwiegend im Zwischengewebe sitzen, jedoch 
auch die Muskelfasern selber betreffen, während die Central¬ 
organe sich durchaus normal verhalten und die Nerven nur 
eine geringe Entzündung der Zwischensubstanz erkennen 
lassen. H. fand in den afficirten Muskeln eine starke Ver¬ 
breitung des interstitiellen Bindegewebes mit stellen weiser 
starker Kernanhänfung, meistens um die Gefässe herum. Einige 
Muskelfibrillen in Längsstreifen zerfallen. Vermehrung der 
Muskelkerne. Auf Querschnitten zeigten sich die Muskelfasern 
nur selten rund, meist eckig oder oval. An den intermnsku- 
lären, wie an den peripherischen Nerven fanden sich Achsen- 
cylinder und Markscheide durchweg wohl erhalten. In einem 
Falle sah Verf. am Herzfleisch enorm grosse Zellanhänfungen 
um die Gefässe, so dass die umgebende Muskulatur verdrängt 
und zum Theil sogar zum Schwunde gebracht worden war. 
H. ist der Ansicht, dass die Lähmungen der Gaumen- und 
Schlundmuskulatur, welche den primären Diphtherieherden 
unmittelbar anliegen, einer directen Einwirkung de« Giftes 
auf die Mnskeln ihre Entstehung verdanken; die übrige Mus¬ 
kulatur wird dann auf dem Lymph-bez Blutwege inficirt. 

Abelinann. 


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BUcheranzefgen und Besprechungen. 

E. Klebs: Die Behandlung der Tuberculose mit Tuber- 
culocidin. Leopold Voss. Hamburg und Leipzig 1892. 
Nach kurzer Berichterstattung über die Thierversuche setzt 
Kleb8 seine Erfahrungen über die Tuberculocidinbehandlung 
auseinander. Er constatirte unter 75 Fällen 18,6 pCt.. Heilun- 

f en, 60 pCt. Besserungen, 21,4 pCt. Misserfolge (darunter 
6 pCt. Todesfälle). Die grössere Zahl unter den Patienten 
litt an schwerer oder wenigstens ausgeprägter Lnngentuber- 
cnlose. Die Infiltrationserseneinungen in den Lungen waren 
bei allen günstig beeinflussten Fällen gänzlich oder theilweise 
znrtickgegangen, die Tuberkelbacillen nach wenigen Injectionen 
in körnigem zerfalle begriffen, endlich ans dem Sputum völlig 
geschwunden. Ferner constatirte Verf. Zunahme des Körper¬ 
gewichts, Besserung des Allgemeinbefindens. Ein Fall von 
Gonitis fungosa heilte unter Tuberknlocidin bis zur fast voll¬ 
ständigen Gebrauchsfähigkeit der afflcirten Extremität. Die 
Anfangsdosen sind 2—5 Mg. und nnr allmälig steigere man 
bis 1—5 Dg. Das Mittel kann von den Höchster Farbwerken 
(vorm. Meister, Lucius und Brüning) zu 6 Mark pro Ccm. 
bezogen werden. Abelmann. 

G. Avellis: Cursus der laryngoskopisclien und rhino- 
skopiscben Technik. Mit 49 Abbildungen. Berlin N. W. 
Fischers medicinische Buchhandlung. 1891. 

Rf. muss gestehen, dass er mit grossem Misstrauen an die 
Lecttire des Büchleins gegangen ist. Wieder ein Buch mehr 
darüber, was in jedem Lehrbuche obiger Krankheiten ent¬ 
halten ist. Jedoch war ßf. sehr angenehm überrascht, und je 
weiter er las, immer mehr. Das Buch ist entschieden sehr gut 
nnd sehr am Platze. Es ist das Beste, was Rf. Über die 
Technik der Untersuchungen des Larynx etc. bis jetzt gelesen. 
Klar, sachlich, anschaulich und sehr genan wird die Technik 
beschrieben. Nichts Schablonenhaftes. Die Schilderungen der 
Technik, die Vorschriften sind aus der Praxis, aus der eigenen 
Erfahrung hervorgegangen. Daher die Anschaulichkeit und 
Klarheit. Gute Zeichnungen unterstützen den Text. 

Das Büchlein wird für Jeden, der sich mit der Technik der 
Untersuchungen des Larynx etc. bekannt machen will, ein 
sehr werthvoller Rathgeber sein, und kann Bf. es nur sehr 
warm allen solchen empfehlen. Doch auch der Geübte wird 
Manches finden, was für ihn nicht ohne Interesse ist. Hat 
doch Verf. selbst einige neue, von ihm erdachte Untersuchungs¬ 
methoden des Kehlkopfs (bei Seitwärtslagerung desselben), 
auf die einzugehen hier nicht der Platz ist, an dieser Stelle 
zum ersten Male pnblicirt. 

Druck und Ausstattung sind sehr gut. 

Neumann. 

R. Kaferaann: Ueber die- Behandlung der chronischen 
Otorrhoe mit einigen neueren Borverbindongen. 
Danzig. Verlag und Druck von A. W. Kafemann. 1891. 
Verf. beginnt mit einem kurzen geschichtlichen Expose der 
Borsäurebehandlung bei Mittelohreiterungen, geht dann auf 
sein eigentliches Thema, die Behandlung derselben mit dem 
von Jänicke (Görlitz) und vom Verf. studirten und von ihnen 
Natron tetraboricura neutrale und alcalinura genannten Bor¬ 
präparate über. Das erste Salz entsteht, wenn gleiche Theile 
Borsäure, Borax und Wasser zusammen erhitzt werden. Der 
krystallinische Rückstand ist das neutrale Salz. Das alkalische 
entsteht beim Erhitzen von 5 Theilen Borsäure mit 10'/a Theilen 
Borax. Beide sind sehr löslich in Wasser (bis 63 pCt.). 

Verf.’s Verfahren ist Folgendes. Gründliche Ausspülung und 
Reinigung des Gehörgangs (eventuell Durchspülung des Mit¬ 
telohres per tubain); sorgfältige Trocknung desselben mit 
Watte: Eingiessen der Lösung ms Ohr, bis sie sich im Rachen 
zeigt (wodurch zugleich eine Desinfection der Tube erzielt 
wird). Dieses wird durch leichtes Pressen auf den Tragus 
befördert, ist natürlich nicht immer sofort zu erreichen, vom 
Momente aber, wo es gelingt, ist es als erfreuliches Zeichen 
beginnender Heilung anzusehen. Die Procedur ist vollständig 
schmerzlos. Darauf folgt luftdichte Verstopfung des Gehör¬ 
gangs mit 20 pCtiger Bornatronwatte oder -marly. Bei Rei¬ 
zung durch den Tampon muss der Gehörgang oder der Tampon 
mit Vaselin oder einer öligen Flüssigkeit bestrichen werden. 
Ekzembildungen wurden nicht beobachtet. 

Als Beweis folgen Krankengeschichten der verschiedensten 
chronischen Mittelohreiterungen, darunter genug verschleppte 
Processe, die jahrelang bestanden und allen anderen Meaica- 
tionen getrotzt hatten. Der Erfolg derBehandlung in kürzester 
Zeit ist geradezu staunenerregena. Neumann. 

Felix Wesener: Medicinisch-klinischeDiagnostik. Lehr¬ 
buch der Uutersuclmngsmethoden innerer Krankheiten. 
Berlin. 1892. Verlag von Julius Springer. Preis 10 Mark. 
Das vorliegende Werk zeichnet sich in vortheilhafter Weise 
vor den zahlreichen, bereits vorhandenen Lehrbüchern der 


klinischen Untersuchungsmethoden dadurch aus, dass es die 
gesaminte klinische Diagnostik in erschöpfender Weise behan¬ 
delt. Die Anordnung und Gruppirung des Stoffes ist eine von 
der bisherigen Darstellungsweise etwas abweichende. Der 
ganze Stoff ist in 3 Abschnitte gruppirt: im 1. Capitel sind 
alle zur Krankheitsdiagnose zur Verfügung stehenden Methoden 
beschrieben und kritisch beleuchtet. Der zweite Abschnitt 
enthält die specielle Diagnostik, wie sie in den anderen Ivehr- 
büchern gruppirt ist; endlich der dritte Theil, die angewandten 
Diagnosen, enthält eine kurze Zusammenfassung der für die 
differentielle Diagnose wichtigen Symptome der inneren Krank¬ 
heiten. Für den Studirendrn ist eine solche Gliederung des 
Themas gewiss äusserst vortheilhaft, da der Anfänger zunächst 
die allgemeine diagnostische Bedeutung der Untersuchnngs- 
methoden kennen lernen nnd zu würdigen verstehen muss, ehe 
er an die specielle Diagnostik herantritt Dem praktischen 
Arzte wird das Werk als Nachschlagebuch ebenfalls willkommen 
sein. Wenn auch die Entwicklung der physikalischen Dia¬ 
gnostik gegenwärtig zu einem gewissen Abschluss gekommen 
ist, wächst von Jahr zn Jahr dank den Fortschritten der 
Chemie nnd Bakteriologie die Zahl der zn Reactionen und 
Prüfungen verwendbaren Körper, von denen die medicinische 
Diagnostik Vortbeil zu ziehen gewusst hat. Der allseitig 
gebildete Arzt wird deshalb sich häufig veranlasst fühlen, über 
die verschiedenen neueren diagnostischen Fragen sich zu 
orientiren, und in dieser Beziehung kann ihm das vorliegende 
Buch warm empfohlen werden. Die Ausstattung des Werkes 
ist eine vorzügliche. Abelmann. 

M. Bresgen: Ueber die Verwendung von Anilinfarb¬ 
stoffen bei Nasen-, Hals- und Ohrenleiden. W T iesbad e 
1891. E. Jungklaas. Pr. 1 Mk. 20. 

Ganz im Gegensatz zu den vielfachen ungünstigen Erfah¬ 
rungen hat Verf. bei Anwendung der Anilinfarben nur sehr 

f ute Resultate gesehen. Das Pyoktanin ist im Stande gewesen, 
ie nach Kauterisationen in der Nase regelmässig sich ein¬ 
stellende, entzündliche Schwellung anfs Günstigste zu beein¬ 
flussen; ebenso ist es von grossem Einflüsse auf Beseitigung 
nnd Verhinderung von Eiterungen in der Nase gewesen. Bei 
seinen weiteren Forschungen und Untersuchungen ist Verf. 
endlich beim Methylenblau in Pulverform stehen geblieben 
als dem besten Mittel für obige Zwecke. Er hat in 5 Monaten 
nicht einen einzigen Misserfolg zu verzeichnen gehabt. An 
drei Fällen erläutert Verf. sein Verfahren, dessen Details im 
Originale nachzulesen sind. 

Missstände, wie Beschmutzung mit den Farbstoffen, sind 
leicht zu vermeiden. Andere, scheinbare Uebelstände des in 
den Hals gelängten Farbstoffes, nämlich das Verschlucken 
desselben, das Brennen und die Trockenheit im Halse nach 
demselben, sind von keinen nachtheiligen Folgen nnd nur 
vorübergehend. Neu mann. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— In der Sitznng der Academie des Sciences in Paris (25. 
Januar 1892) berichteten Lortet und Despeigens über 
interessante Beziehungen zwischen Erd- (Regen-) 
würmern und Tuberkelbacillen. In derselben Akademie 
hatte Pasteur vor einem Jahre gezeigt, dass Regenwürmer 
zu Ueberträgern des Milzbrandes werden können. L. und D. 
konnten nachweisen, dass die Regenwürmer in ihrem Körper 
ebenso Tuberkelbacillen selbst durch mehrere Monate lebend 
und in ihren virulenten Eigenschaften ungeschädigt beher¬ 
bergen können. Im Gewebe der W 7 ürraer, welche in mit tnber- 
culüsem Gewebe vermischter Erde lebten, fanden sich Tuber- 
kelbacillen in ungeheurer Zahl. Auch in den Excreten der 
Regenwürmer Hessen sich nnter obigen Bedingungen Tuber¬ 
kelbacillen nachweisen. Hierdurch ist es wahrscheinlich gemacht, 
dass die Regenwtirmer zu Ueberträgern der Tuberculose werden 
können. 

— Prof. L. Stieda empfiehlt in Nr. 5 des neurolog. Cen¬ 
tralblattes eine neue Methode zur Anfertigung trockner 
Hirnpräparate. Das Neue an ihr ist die Anwendung des 
gewöhnlichen käuflichen Oelfirnisses 

Das frische Gehirn wird in eine concentrirte wässrige Lö¬ 
sung von Chlorzink gebracht. Nach 24 Stunden wird es heraus- 
genoramen, von der Pia befreit und in 96° Alkohol gelegt; 
letzterer wird in 5—6 Tagen ernenert. In 2—3 Wochen ist 
das Gehirn genügend erhärtet, um nun für 2—4 Wochen in 
01. terebinth. rossic. gebracht werden zu können. 

Schliesslich wird das Gehirn in sog. Oelfirniss, wie er in 
der Oelmalerei angewandt wird, gelegt. In Oelflniss muss das 
Gehirn 2 Wochen liegen; darauf wird es herausge¬ 
nommen und für 1—2 Wochen bei gewöhnlicher Zimmertem¬ 
peratur unbedeckt der Einwirkung der Luft ausgesetzt, bis 
es sich vollständig trocken anffihlt. Die anf diese Weise behan¬ 
delten Hirne oder Hirntheile sollen eine angenehme braune 
Farbe, gutes Ansehen haben und nur wenig geschrumpft sein. 


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Sie sollen sich za Unterrichts- and Studienzwecken sehr 
eignen. 

— Broughton empfiehlt folgende antiseptische Behan d- 
lung profuser Diarrhöen: Bism. salicyl. 10,0 Zinc. sulfo- 
carbolic. 0,2 Aq. Calcis. Aq. destillat. u 50,0 Tinct. opii benz. 
20,0 2 stündlich 1 Kaffeelöffel. 

(Deutsche medic. Wochsch. Nr. 1). 

— Gegen Oxyuris wendet Minerbi Klystiere mit Naph¬ 
talin nach folgender Form an: Naphtalini 1,0—1,5 01. Olivar 
40—60,0 für Kinder; Erwachsenen 5,0—6,0 : 60—80,0. 

(Annales de Mddec. Nr. 49. 1891). 

— Shaw (Cincinnati Lancet 9. Jan. 1892) rahmt die Be¬ 
handlung chronischer BlaBenkatarrhe mit starken 
Lösungen von Argentumnitricum. VollenErfolg erzielte 
er in Fällen, die Jahre hindurch mit inneren Mitteln und 
Blasenspülungen behandelt worden waren. Eine einmalige 
Injection von Arg. nitric. gr. xx gelöst in Aq. dest. Ji mittelst 
einer mit dem Katheter verbundenen elastischen Spritze 
genügte selbst in den hartnäckigsten Fällen, um alle Symptome 
zum Schwinden zu bringen. Die Injection ist mit sehr starken 
Schmerzen während und nach derselben verknüpft, welche 
häufig eine Morphiuminjection erfordern. Die Iiyectionsfiüs- 
sigkeit soll nur 3—6 Secunden in der Blase gelassen weiden, 
darauf durch Nachlassen des Druckes auf die Spritze aufge¬ 
sogen werden, ln wenigen Fällen wiederholte Shaw die Injec¬ 
tion in Intervallen von 10 Tagen mit einer stärkeren Lösung 
(gr. xxx bis <3i auf Ji Aq. dest.). 

— Wilhelmy empfiehlt Aetzungen mit Chlorzink bei 
Diphtherie (20 pCt. Lösung). Das Mittel dringt bei ener¬ 
gischer Application in die Tiefe, ohne die mit gesundem 
Epithel bekleidete Schleimhaut anzugreifen. Die Aetzung 
wird am besten mit einem mit dem Medicament durchtränkten 
und um eine gekrümmte Pincette gewickelten Wattestreifen 
vorgenommen. Der Aetzschorf ist stets grösser, als die vorher 
als erkrankt angesehene Fläche, weil die gesund scheinenden 
Geschwttrsränder bereits inflcirt sind und kein intactes Epithel 
mehr besitzen. (Deutsche medic. Wochsch. 4. Febr. 1892). 


Vermischtes. 

— In Bostow am Don, wo der Flecktyphus in erheblichem 
Grade herrscht, sind in letzter Zeit bereits fünf Aerzte des 
städtischen Krankenhauses daran erkrankt. Von ihnen sind 
zwei —der Oberarzt Limberg und der Ordinator A. Schroe- 
der — bereits der Krankheit erlegen, einer — Dr v Weidle — 
liegt noch schwer darnieder und zwei Aerzte — Ko slow und 
Boldyrew — befinden sich in der ßeconvalescenz. Die Feld¬ 
scherer und fast das ganze Dienstpersonal des Krankenhauses 
haben ebenfalls den Flecktyphus durchgemacht. 

— Das Woronesh’sche Landschaftsamt hat sich an die 
Charkow’Bche Universität gewandt mit. der Bitte um Absen¬ 
dung einer Anzahl Studirender des letzten Cursus der medi- 
cinischen Facultät, damit dieselben den Kranken im Kreise, 
die vorzugsweise an Scorbut, aber auch an Flecktyphus leiden, 
Hülfe leisten. Die Landschaft hat ausser den Beisespesen eine 
Vergütung von 3 Bbl. pro Mann täglich ausgesetzt. 

— Aus Moskau sind am 17. Mai fünf barmherzige Schwe¬ 
stern mit grossen Vorräthen an Wäsche und Meaicamenten 
in den WÜuisk’Bchen Kreis des Jakuten-Gebiets abgereist, 
um daselbst die Pflege der Leprösen zu übernehmen. 

— Aus Nishni-Nowgorod kommt die Nachricht, dass im 
Lukojanow’schen Kreise der Landschaftsarzt Bosanow am 
Flecktyphus gestorben und die Aerztin Lurje an derselben 
Krankheit darniederliegt. 

— In Tjumen (Gouv. Tobolsk) ist eine Abtheilung von 
Studenten der Medicin zur Hülfeleistung bei den Kranken 
eingetroffen. Gegenwärtig sind bereits gegen 100 ältere Stu¬ 
denten der Medicin von russischen Universitäten als Sanitäre 
in den von der Hungersnoth und Epidemien heimgesuchten 
Gouvernements thätig. 

— Verstorben: 1) Am 25. April in Bostow am Don der 
Ordinator am dortigen Stadthospital Dr. Alexander Schroe- 
der am Flecktyphus, den er sich als Leiter der Typhus¬ 
abtheilung zugezogen hatte. Das örtliche Blatt («Priasowski 
Krai») widmet ihm einen warmen Nachruf. Die Beerdigung 
des zu den besten Hoffnungen berechtigenden, in der Blüthe 
der Jahre dahingerafften Arztes fand unter grosser Bethei¬ 
ligung der Autoritäten, Collegen und örtlichen Einwohner 
statt. Der Sarg verschwand fast unter den zahlreichen Kränzen 
die von der medicinischen Gesellschaft, von der Stadtverwal¬ 
tung, von den Aerzten des Stadthospitals, von der evangelisch- 
lutherischen Gemeinde, von den Hebräern und von vielen 
Privatleuten gespendet waren. Am Grabe riefen dem Hinge¬ 
schiedenen drei Aerzte und der Bedacteur des örtlichenBlattes 
warme und tiefempfundene Worte nach. — Wenn wir uns nicht 
irren, war der Verstorbene ein Sohn der Ostseeprovinzen 
(Kurland) und hatte seine medicinische Ausbildung auf der 


Dorpater Universität erhalten, an welcher er vor 4 Jahren 
den Cursus absolvirte. 2 ) In Bostow am Don der Oberarzt des 
dortigen Stadthospitals Dr. Theodor Limberg, welcher eben¬ 
falls ein Opfer seines Berufes geworden ist. Wenige Tage vor 
dem Tode Schroeder’s erkrankte auch Dr. Limberg am 
Flecktyphus, dem er eine Woche später erlag. Der Verstor¬ 
bene gehörte zu den angesehensten Aerzten Bostow’s und 
war in der letzten Zeit auch Präsident der dortigen medici¬ 
nischen Gesellschaft. 3) Am 9. Mai in St. Petersburg der Arzt 
des Garde-Sappeur-Bataillons, Dr. Leo Iwanowski, im 47. 
Lebensjahre. Nach Absolvirung des Cursus an der medico- 
chirurgischen Academie (1869) fungirte I. längere Zeit als 
Prosector der Anatomie zu Prof. Landzert’s Zeiten an der 
Academie und wurde erst im J. 1883 Militärarzt. 4) ln Ischim 
(Gouv. Tobolsk) der Dorfarzt K. A. Beljajew im Alter von 
33 Jahren. Er übernahm die Leitung des Stadthospitals an 
Stelle des am Flecktyphus darniederliegenden Stadtarztes, 
erkrankte aber selbst sehr bald an dieser Krankheit, der er 
nach 8 Tagen bereits erlag. Der Verstorbene hat seine Frau 
mit 4 Kindern ohne jegliche Existenzmittel hinterlassen. 

— Der berühmte Professor der Anatomie in Würzburg Dr. 
v, Kölliker, beging am 14. Mai n. St. sein 50jähriges 
Doctorjubiläum, bei welcher Gelegenheit ihm von zahl¬ 
reichen deutschen und ausländischen Universitäten (darunter 
auch Moskau) Glückwunschadressen übermittelt wurden. Der 
Bector der Universität und der Dekan der medicinischen Facul¬ 
tät überreichten dem Jubilar seine in Marmor ausgeführte 
Büste, die beiden Bürgermeister den Ehrenbürgerbrief der 
Stadt Würzburg. Der Fackelzug der Studenten unterblieb auf 
Wunsch des Jubilars. 

— Für das zu errichtende Pirogow-Denkmal sind bereits 
über 7000 Bbl. eingegangen. 

— Eine ausserordentliche Gouvernements-Landschaftsver¬ 
sammlung in Ssaratow hat 50,000 Bbl. zur Bekämpfung der 
im Gouvernement herrschenden Epidemien angewiesen. 

— An Stelle des in Folge von Krankheit in den Buhestand 
getretenen Professors Bossbach ist der bisherige ausseror¬ 
dentliche Professor Dr. Stinzing zum ordentl. Professor der 
inneren Medicin und Director der medicinischen Klinik an der 
Universität Jena ernannt worden. 

— In den KreisOstrogoshk(Gouv. Woronesh)sind3 Aerzte 
und 7 Feldscherer zur Bekämpfung des dort herr¬ 
schenden Scorbuts geschickt worden. 

— Dem bekannten Leipziger Chirurgen, Prof. Thierseh. 
ist gelegentlich seines 70. Geburtstages, den er am 20. April 

» von seinem Schwiegersöhne, dem Berliner Professor 
rchengeschichte Dr. theol. Adolph Harnack, ein 
eigenartiges literarisches Angebinde dargebracht worden, das 
den Titel «Medicinisches aus der ältesten Kirchen¬ 
geschichte» führt. Die Gabe «schmückt sich» wie der Ver¬ 
fasser im Vorwort sagt, «mit dem Namen eines Arztes, der 
mir stets ein Vorbild der Humanität gewesen ist, sowohl in 
dem Sinne, in welchem sie das lebendige Verständniss für den 
Menschen u. für seine Geschichte bezeichnet, als auch in dem 
höheren, in welchem sie als nie zu ermüdende Güte Ehrfurcht 
abgewinnt». Die Kritik spricht sich recht anerkennend über 
diese Schrift aus. Nach der «Allg. med. Central-Ztg.» ist das 
Opusculum ungemein frisch, anziehend, ja stellenweise jovial 
abgefasst. Ausser quellenmässigen Lebensabrissen und Cha¬ 
rakteristiken einer längeren ßeihe christlicher Aerzte der 
ältesten Zeiten bringt dasselbe «Diätetisches und Therapeuti¬ 
sches» über Weingenuss, Weinsorten, über Wunden-, Augen- 
und Ohrenleiden, Nahrungsmittel, Turnen, Vegetarianer etc. in 
ferner einen Abschnitt «Phisiologisches und Psychologisches, 
in welchem von Chirurgen, von der Vivisection. von der See¬ 
lenlehre der Aerzte und Philosophen, vom Verdauungsprocess 
u. s. w. die Bede ist. Ein ganzes Capitel ist den m den 
Evangelien etc. erwähnten Krankheiten und Gebrechen ge¬ 
widmet, wobei auch über Curpfuscher aus dem grauen Alter¬ 
thum berichtet wird. 

Der Verfasser Prof. Harnack stammt aus Dorpat, wo er 
von 1869—72 Theologie studirte. Nach Erlangung der Can- 
didatenwürde daselbst, setzte er seine Studien in Leipzig fort 
und war dann 5 Jahre Docent in Leipzig. Seit 1888 ist er 
Professor der Kirchengeschichte in Berlin. 

— Prof. Klebs soll den an ihn ergangenen Buf nach Chi¬ 
cago abgelehnt haben. Derselbe beabsichtigt, nach Karlsruhe 
überzusiedeln. 

— Wie der Chef der militür-medicinischen Academie bekannt 
macht, werden in diesem Jahre in die Zahl der Studirenden 
der Academie Personen aufgenommen werden, welche den 
Cursus mit dem Matnritätszeugniss in den Gymnasien des 
St. Petersburger sowohl als auch der anderen Lehrbezirke ab- 
solvirt haben, wobei diejenigen, welche bei der Entlassung mit 
einer Medaille ausgezeichnet worden sind, den Vorzug erhal¬ 
ten werden. Bei gleicher Zahl der Bälle gemessen diejenigen 
den Vorzug, welche ein Gymnasium des St. Petersburger Lehr¬ 
bezirks absolvirt haben. Nicht zugelassen werden: 1) Perso- 


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nen jüdischer Confession, 2) Verheirathete, 3) Solche, die von 
einer Universität oder der Academie wegen schlechter Füh¬ 
rung oder unbefriedigender Leistung ausgeschlossen worden 
sind, und 4) Personen mit physischen Fehlern, welche die 
Ausübung der Functionen eines Arztes behindern. Die Zah¬ 
lung für die Vorlesungen und praktischen Beschäftigungen 
beträgt 60 Rbl. jährlich; der Betrag für das 1. Semester (30 
Rubel) muss bis zum 1. September 1892 entrichtet werden. 

— Ein eigentümliches Licht auf die von Laien unterhalte¬ 
nen Kumisanstalten wirft folgende Annonce. Der Besitzer 
einer solchen Anstalt, ein gewisser Mamonow, erklärt in 
seiner Bekanntmachung, dass «dem medicinischen Theil der 
Anstalt ein Doctor vorsteht» (der Name ist nicht genannt) 
und fügt dann gleich hinzu: «fünf Werst entfernt wohnt der 
Wunderdoctor (BHaxapt) Kusmitsch». 

(Wolshski Westn. — Wr.). 

— Die «Hampden Medical Society» (in den Vereinigten 
Staaten) hat 2 Aerzte, welche sich mit einem Dr. Reely be¬ 
hufs Behandlung derTrunksucht mit einem Geheimmittel ver¬ 
einigt haben, aus ihrer Mitte ansgeschlossen. 

(New-York med. Journ. — Wr.). 

— Die «Münch, med. Wochenschr.» reproducirt den Wort¬ 
laut eines Circulare, welches ein dortiger Arzt an die Heb¬ 
ammen Münchens gerichtet hat, um sich diesen Damen als 
Specialarzt für Geburtshülfe zu empfehlen. Die Redaction 
des genannten Blattes veröffentlicht dieses Schreiben, sowie 
den vollen Namen des reclamesüchtigen Arztes, um ersteres, 
wie sie hinzufügt, «einem grösseren Leserkreise, als derjenige 
ist, für welchen Verfasser es bestimmte, nicht vorzuent¬ 
halten». 

— Nach dem soeben erschienenen statistischen Jahr¬ 
buch der Stadt Wien für das Jahr 1890 betrug die Zahl 
der Aerzte in Wien am Ende des Berichtsjahres 1340, so dass 
im Durchschnitt 609 Einwohner auf je einen Arzt entfal¬ 
len. — Die grösste Mortalität bewirkt die Lungentuberculose, 
an welcher 4498 Personen (22,23 pCt. aller Todesfälle) gegen 
4444, 4687, 4700, 5138 in den vorausgegangenen Jahren ge¬ 
storben sind. 

— ln Rostow a. D. hat sich am 1. April a. c. Jemand den 
schlechten Scherz erlaubt unter anderen Personen auch meh¬ 
rere Aerzte in eine Nummer eines Gasthauses angeblich zu 
einem Kranken zu bitten, der sich bei Ankunft der Aerzte 
als ganz gesund und sehr wenig erfreut über diese Besuche 
erwies. Die örtliche Zeitung «Priasowski Kraj» berichtet 
in humoristischem Tone über diesen «gelungenen unschuldigen 
Scherz. Dr. Schtscherbakow, der der «Russk. Med.» hierüber 
Mittheilung macht, bemerkt dazu richtig, dass nach solchen 
Vorkommnissen auch für die Aerzte ein Tag, der 1. April, 
existirt, an welchem sie nicht, wie sonst, jedem Ruf zu einem 
Kranken zu folgen brauchen, sondern sich vorsehen werden, 
nicht als Opfer eines schlechten Scherzes der Gesellschaft zur 
Erweiterung zu dienen. 


13 Diphtherie — (6 weniger), 82 Masern — (13 weniger) und 
24 Pockenkranke (wie in der Vorwoche). 


MortalitätB-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 10. Mai bis 16. Mai 1892. 


Im Ganzen: 


M. W. Sa. 


Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 


fl fl Ja 

s s 3 


Eh Eh Eh Eh E-t Eh 

& ,3 M M M M M 

cö ct öS cd cö o3 

h h h h b h h 

I I I 1 I 1 I I I I 

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358 286 644 122 98 113 12 9 16 61 46 44 45 41 31 4 2 


2) nach den Todesursachen: 


— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 14, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 3, Masern 41, Scharlach 3. 
Diphtherie 8, Croup 1, Keuchhusten 9, Croupöse Lungen¬ 
entzündung o7, Ery sipelas 4, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 3, Epidemische Meningitis 1, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 3, Pyämie und Septicaeraie 1, 
Tuberculose der Lungen 93, Tuberculose anderer Organe 11, 
Alkoholismus und Delirium tremens 5, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 34, Marasmus senilis 20, Krankheiten des 
Verdauungscanals 56, Todtgeborene 31. 


■V Die Bibliothek des Vereins St. Petersburger 
Aerzte wird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 
Dienstag und Freitag vo n 4— 6 Uhr und am Mittwoch im 
Laufe des ganzen Tages. “VI 


Bad Wildungen seit lange bekannt durch unübertroffene 
Wirkung bei Nieren-, Blasen- und Steinleiden, bei Magen • und 
Darmkatarrhen, sowie bei Störungen der Blutmischung, als 
Blutarmuth, Bleichsucht, u. s. w. 

Curort Gleichenberg: Nach Influenza zurückgebliebene 
katarrhalische Reizungszustände und nervöse Störungen, so¬ 
wie frische und veraltete Katarrhe der Athmungsorgane wer¬ 
den am raschesten zum Verschwinden gebracht durch die 
Gleichenberger Constantinsquelle. Für Kinder und empfind¬ 
lichere Constitutionen passt besser die Gleichenberger Emma¬ 
quelle. 

Bad Nauheim: Zur Behandlung kommen vorzugsweise 
Krankheiten des Rückenmarks (spec. Tabes), Rheumatismen, 
Gicht, Chronische Magen- und Darmkatarrhe, Frauenkrank¬ 
heiten, Uterinleiden (Exsudate), Scropliulose und als Specialität: 
Herzkrankheiten. 


— Die antisemitischen Studenten provocirten neuerdings in 
der Aula der Wiener Universität wieder eine derartig stür¬ 
mische Scene, dass der Dekan der medicinischen Facultät Prof. 
Ludwig die Universität räumen und die Thore schliessen 
lassen musste. Den Anlass zu diesem Scan dal gab die Wahl¬ 
niederlage der Antisemiten, die beim medicinischen Unter¬ 
stützungsverein in der Minorität geblieben waren. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi 
tälern St. Petersburgs betrug am 17. Mai d. J. 5471 
(25 weniger als in der Vorwoche), darunter 281 Typhus — 
(9 mehr), 538 Syphilis — (7 mehr), 39 Scharlach — (1 mehr), 


Curort Salzbrunn, Schlesien: Heilbewährt bei Erkran¬ 
kungen der Athmungsorgane und des Magens, bei Scropliulose 
Nieren- und Blasenleiden, Gicht, Hämorrhoidalbeschwerden 
und Diabetes. 

Saxlehners Bitterwasser Huniadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Purgativ durch folgende Vorzüge aus: Prompte und sichere Wir¬ 
kung; milder Geschmack; geringe Dosis; auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stuhl Verstopfung; Leberleiden; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 


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Wochenschrift, Berlin 1891. 

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b. u.eu3. Cnö. 23 MaH 1892 r. 


Herausgeber : Dr. Th. v. Schröder. Buchdruckerei von Wienecke, Kathariaeokofer-Pr. H 15, 


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XVII. Jahrgang. ST. PETERSBURGER Neue Folge ( r\ Jahrg. 

1EDICIIISCHE W0C11NSCIEIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 

Die «St. Petersburger Medicinisclie Wochenschrift» erscheint jeden ! Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 
Sonnabend. — Der Abonnementspreis ist in Bussland 8 Rbl. für das bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bicher in 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. l’ostzustellung; in den anderen St. Petersburg Newsky-Prospect Jß 14, zu richten. —Manuscripte 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreis sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— St. Petersburg, Malaja Italjan6kaja >6 33,Quart. 3, zu richten. Sprecli- 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sountags. 

N 22 St. Petersburg, 30. Mai (11. Juni) 1892 


Inhalt: Carl Devrient: Gangraena penis post influenzam. — A. v. Schröder: Wie bekommt die Einwohnerschaft 
St. Petersburgs den breiten Bandwurm (Bothryocephalus latus)? — Referate: Carl Ernst: Ueber die Fäulniss der Galle 
und deren Einfluss auf die Darmfäulniss. — Arthur Barker: Ein Vorschlag zur Behandlung der irreponiblen Darmintus- 
susception. — Paul F. Mund6: Die Oophorectomie als Behandlungsmethode der Hystero-Epilepsie. — Bücheranzeigen 
und Besprechungen: A. Jurasz: Die Krankheiten der oberen Lnftwege. — Auszug aus den Protokollen der Me- 
diciniscnen Gesellschaft zu Dorpat. — Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — Kleinere Mitthei¬ 
lungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — 
Anzeigen. 


Gangraena penis post influenzam. 

Von 

Dr. Carl Devrient. 
in Grundaahl. (Livland). 

Anf dem XX. Congresse der deutschen Gesellschaft für 
Chirurgie, zu Berlin am 4. April 1891, hat 0. v. 
Büngner (Marburg) einen Vortrag, «über einen merk¬ 
würdigen Fall von peracuter Gangrän des Hodensackes * 
gehalten, (v. Langenbecks Archiv, Bd. XLII. Heft 4). 
Die peracute Gangrän des Hodensackes war in diesem 
■Falle bei einem 28jährigen Manne aufgetreten, welcher 
einige Wochen zuvor zwei heftige Attaquen von Influenza 
überstanden hatte. In Nr. 46 der St. Petersbg. medic. 
Wochenschrift 1890 pag. 418 berichtet 0. Johannsen 
(Libau) über einen Fall von «Gangraena pedis post influ- 
enzam». Ich erlaube mir hiermit einen Fall von Gan¬ 
graena penis zu veröffentlichen, in welchem die Gangrän, 
im Gegensätze zum v. Büngner’schen und Johannsen’-' 
sehen Falle, nicht nach Ablauf von c. 2 Wochen, nach 
tiberstandener Influenza, sondern bereits am 4. Tage der 
Influenza zur Beobachtung gelangte. Ich glaube daher, 
dass dieser Fall, in Anbetracht seiner Seltenheit, einiges 
Interesse beanspruchen dürfte. Die Krankengeschichte 
ist folgende: 

A. K., Lette, 41 J. alt, verheirathet, erkrankte am 15. 
Januar 1892 sehr schwer an der Influenza; am 16. Januar 
war Patient so krank, dass ihm von diesem Tage jegliche 
Erinnerung fehlt; er weiss unr anzugeben, dass er «wie todt» 
zn Hanse gelegen haben soll. Am 17. Januar fühlte er sich 
besser, da die unerträglichen Kopf- und ßückenschmerzen 
nachgelassen hatten; der Schwächezustand war aber noch sehr 
ross und jetzt bemerkte Pat. eine schmerzhafte Röthung und 
chwellung des ganzen Penis und eine gleichzeitige recht 
schmerzhafte Schwellung der Leistendrüse. Bis zum 18. Januar, 
an welchem Tage ich Pat. zuerst sah, nahmen Schwellung 
und Röthung des Penis stetig zu, so dass der Penis ganz 
ungewöhnlich gross geworden war; die Leistendrüsen waren 
beiderseits stark infiltrirt und schmerzhaft. Pat. stellt energisch 
jegliche Infection in Abrede, ein Trauma hat nicht stattgefunden, 
ausserdem wird Abusus alkoholicus in Abrede gestellt; eine 


Phimose ist nicht vorhanden, der Penis ist bis zur Wurzel 
gleichmässig. unförmlich angeschwollen. Ein Ulcus oder Go¬ 
norrhoe sind nicht zu constatiren; der Harn ist klar, enthält 
kein Eiweiss, keinen Zucker. Alle übrigen Organe vollkommen 
normal. Die Behandlung bestand vorläufig in Hochlagerung 
des Gliedes, Umschlägen mit Aq. Plumbi, gegen die intensiven 
Schmelzen innerlich V« Gratt Morph, muriat ic. Am 19. Januar 
Morgens, zeigt sich eine grosse Brandblase an der Spitze des 
Gliedes, die Haut in der Umgebung der Blase ist vollkommen 
anästhetisch und im Laufe von etlichen Stunden hat sich die 
Brandblase auf c. der Penishaut ausgebreitet. Am 20. Januar 
wird in der Narkose eine ausgiebige Entfernung der gangrä¬ 
nösen Hautpartien vorgenommen: es erweist sich dabei, dass 
die Gangrän bis zur fibrösen Hülle der Corpora cavernosa 
vorgeschritten ist. Die Urethra ist intact, alle Venen im 
Gebiete der brandigen Partien sind mit Thromben angefüllt. 
Die Gangrän hat die Hant an der Spitze des Penis, an der 
unteren Fläche desselben nnd theilweise auch die Haut des 
Dorsum penis zerstört. Von jetzt ab ist ein Weiterschreiten 
des brandigen Processes nicht mehr bemerkbar, die Wunde 
beginnt sich im Laufe einiger Tage stark zn reinigen, gra- 
nulirt gut und unter dem antiseptischen Verbände, welcher 
alle 24 Stunden erneuert wird, macht der Heilnngsprocess 
erfreuliche Fortschritte. Da der Penis mit der Zeit znr nor-. 
malen Grösse zurückkehrt nnd die Spannung und das Oedem 
der Haut nachgelassen haben, so verkleinert sich der recht 

f rosse Defect der Hant in Folge der Dehnbarkeit der Penis- 
aut recht rasch und nach einer 8wöchentlichen Behandlnngs- 
zeit kann Patient aus dem Lazareth am 15. März 1892 ent¬ 
lassen werden. 

In der Literatur finden sich etliche Fälle von sogen. 
«Spontangangrän» der Geschlecbtstheile; schon Hunter 
waren diese spontanen Brandformen bekannt und er führte 
dieselben auf einen Spasmus der Gefässe zurück, während 
Richet als Ursache des Brandes Venenthrombose annahm. 
Auch Johannsen ist in seinem oben citirten Falle der 
Ansicht, dass nach der Influenza primär eine Venenthrom¬ 
bose aufgetreten war, woraufhin die Gangrän des Beines 
sich entwickelte und sagt: «derartige Gerinnungen mögen 
bei der Influenza eine weit grössere Rolle gespielt haben, 
als man bis jetzt geahnt hat». 

Lallement hat im Jahre 1884 (Th6se, Paris 1884) 
eine Reihe von Beobachtungen publicirt, wo bei jungen 
Leuten plötzlich und ohne jede Ursache im Laufe von 
c. 24 Stunden Gangrän der Scrotalhaut eingetreten war, 


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nnd bezeichnete diese Falle mit dem Namen «Gangräne 
foudroyante». Er will den spontanen Brand des Penis 
und der Scrotalhaut auf Bakterieninvasion zurückfuhren, 
weil aHe Ursachen, welche Gangrän herbeiführen, in diesen 
Fällen fehlten. Es war weder ein Trauma, noch eine 
Verbrennung oder Erfrierung, weder Gonorrhoe, noch 
Phimose, weder Alcoholismus, noch Diabetes zu consta- 
tiren gewesen. Specifische Bakterien, welche den spon¬ 
tanen Brand des Penis und der Scrotalhaut verursachen, 
sind zur Zeit noch nicht nachgewiesen worden; v. 
Büngner hat in seinem Falle, welcher mit einem Abs- 
cess in der rechten Leistenbeuge und einem Abscess auf 
dem Dorsum penis complicirt war, aus dem Abscesseiter 
Culturen von Staphylococcus pyogenes aureus erhalten 
und führt die Gangraena scroti auf Infection mit dieser 
Bakterienart zurück, nachdem die Influenza den Boden 
für die Ansiedlung des Staph. pyog. aur. vorbereitet hatte. 
Gleichzeitig aber will v. Büngner den Namen «Spontan¬ 
gangrän» eingeschränkt sehen, weil heutzutage der bak¬ 
teriologische Nachweis im Stande ist, uns über Vieles, 
das früher im Dunklen blieb, Aufklärung zu geben; er 
ist der Ansicht, dass sich in manchen Fällen auch die 
Spontangangrän nur als secundäre Gangrän erweisen 
dürfte, wie z. B. auch in seinem eigenen Falle, wo eine 
secundäre Gangrän des Hodensackes eingetreten war, 
weil eine acut-infectiöse Orchitis, bezw. ein Hodenabscess 
vorausgegangen war, welcher wiederum als Ursache In¬ 
fection mit Staphyl. pyog. aur. hatte. 

Culturen sind von mir, in meinem Falle, nicht angelegt 
worden, ich glaube aber, dass auch hier vielleicht eine 
Infection mit Staphyl. pyog. aur. die Ursache der Gan¬ 
graena penis gewesen sein kann, nachdem die Influenza 
den Boden zur Ansiedlung derselben günstig vorbereitet 
hatte. Eine kleine Abschürfung, ein kleiner Defect an 
der Haut des Penis mögen genügt haben, um die Pforte 
für die Infection zu öffnen, aber auch dies ist nicht 
einmal nüthig, nachdem Garr 6 (zur Aetiologie der acuten 
eitrigen Entzündung. Fortschritte der Medicin -1885). 
durch seine Arbeit erwiesen hat, dass der Staphyl. pyog. 
aur. auch die gesunde Haut durchdringen kann, wobei 
er wohl hauptsächlich den Auslührungsgängen der Haut¬ 
drüsen folgt. 

Wenn die primäre Venenthrombose bei der Influenza 
die Ursache der folgenden Gangrän sein soll, so glaube 
ieh immerhin noch aunehmen zu dürfen, dass auch die 
Thrombose erst in Folge von Infection mit specifischen 
Bakterien eintritt und nach W T elgert’s Erfahrungen 
können sogar nicht pathogene Kokken die capillären 
Blutgefässe verstopfen und hierdurch oberflächliche Ne¬ 
krosen zu Stande bringen. 

In Bezug auf die Heilung des recht grossen Defectes 
der Penishaut will ich noch hinzufügen, dass weder 
Transplantation nach Reverdin, noch Verpflanzung von 
llautlappen nach Thierseh nöthig waren, sondern dass 
der Defect recht gut und vorhältnissmässig recht rasch 
bei exspectativer Behandlung unter dem antiseptischen 1 
Wundverbande heilte uud schliesse ich mich hierin v. 
ßünguer's Erfahrungen und Ansichten vollkommen an, 
wenn er diese Behandlungsweise allein bei derartigen 
Affectionen der Geschlechtstheile, empfiehlt. 


Wie bekommt die Einwohnerschaft St. Petersburgs 
den breiten Bandwurm (Bothryocephalus latus)? 

Von 

A. v. Schröder. 

St. Petersburg. 

Wenn die Art und Weise, wie die Taenia mediocanel- 
lata und die Taenia solium in den menschlichen Darm 
gelangen, beinahe jedem gebildeten Menschen bekannt ist, 


| so ist dieselbe betreffs des breiten Bandwurmes im 
' Publikum fast völlig unbekannt und sogar nicht alle 
Aerzte kennen den gegenwärtigen Stand dieser Frage. 

In Anbetracht dessen, dass der breite Bandwurm iu 
seinem krankheiterregenden Einfluss die Taenien über¬ 
trifft (wenigstens nach meinen persönlichen Beobachtun¬ 
gen) wird es mir erlaubt sein, einige Worte über die 
denselben betreffenden Untersuchungen und Experimente 
in den letzten 10 Jahren zu sagen. Die längst bekann¬ 
ten, eiförmigen, dunkelbraunen, mit einem Deckelchen 
versehenen Eier werden vom Wurm im Darm des Trä¬ 
gers, in der Mehrzahl der Fälle täglich und in unzähl¬ 
barer Menge abgelegt. Sie kommen gewöhnlich in den 
Faeces in verschiedenen Stadien der Dottertheilung, einige 
von ihnen sogar vor derselben vor. Die Eier, welche 
früh oder spät ins Wasser gerathen, entwickeln eine so¬ 
genannte Onkosphäre; wenn letztere gereift ist, öffnet 
sich der Deckel des Eies und der Embryo, mit 6 Haken 
und zahlreichen Wimpern versehen, schwimmt rasch im 
Wasser umher. Noch vor 10 Jahren meinten die Zoolo¬ 
gen, dass der Mensch beim Wassertrinken direct den 
Embryo aufnehme. Zum ersten Mal wurde diese Vor¬ 
aussetzung vor 10 Jahren durch Max Braun, damals 
Professor in Dorpat, jetzt in Königsberg, als falsch er¬ 
wiesen. 

Er nahm als Grundlage seiner Forschungen die Ana¬ 
logie der Art der Einverleibung der anderen Bandwür¬ 
mer. Wenn, überlegte er, der Mensch die Taenien im 
Fleisch eines finnigen Thieres aufnimmt, warum sollte er 
nicht auf dieselbe Art den breiten Bandwurm acq^uiriren? 
Die Aufgabe, den Zwischenwirth aufzufinden, war keine 
leichte. Braun benutzte das Factum, dass der Bothryo¬ 
cephalus latus fast nur bei solchen Tliieren vorkommt, 
deren Ehrung ausschliesslich oder vorzugsweise aus Fi¬ 
schen besteht. Weiter überlegend kam Braun a priori 
zur Anuahme, dass der Mensch den Bothryocephalus 
wahrscheinlicher Weise durch den Genuss von Fischen 
acquirire. (Hier muss bemerkt werden, dass die Lachs¬ 
arten von Küchenmeister und Anderen schon längst zu 
den in dieser Hinsicht verdächtigen Fischen gezählt wur¬ 
den). Das Suchen Braun’s wurde bald durch den Er¬ 
folg gekrönt. 1881 fand er im Hecht und in der Quappe 
kleine Würmer, welche er aul Grundlage anatomischer 
Schlüsse als Larven des breiten Bandwurms erkannte, 
und Plerocercoiden nannte. Aber dieses genügte nicht, 
man musste den W'eg der Einverleibung durch ein Ex¬ 
periment beweisen. Dieses geschah durch tadellose Ex¬ 
perimente an Tliieren, die glänzende positive Resultate 
gaben. Auch dieses aber war noch nicht genügend zur 
endgültigen Entscheidung der Frage. Deshalb wurde 
an drei Studenten der Universität Dorpat, die sich dazu 
erboten hatten, ein Experiment in der Weise angestellt, 
dass Jeder mehrere Plerocercoiden verschluckte, nach¬ 
dem durch die vorhergegangene Untersuchung festge¬ 
stellt worden war, dass bei Keinem von ihnen Eier in 
den Faeces vorhanden waren. Nach Verlauf von sechs 
Wochen wurden bei allen dreien Eier in den Faeses 
gefunden, und darauf die Bandwürmer, welche sich alle 
als junge erwiesen, durch wuimtreibende Mittel abge¬ 
trieben. 

Alle diese Thatsachen sind von Autoritäten, wie 
Leuckart, Blanchard u. Anderen anerkannt worden. 

Auf diese Weise ist also vor 10 Jahren durch Braun 
bewiesen worden, dass der Mensch den breiten Band¬ 
wurm durch den Genuss nicht gar gekochter finniger 
Fische in sich aufnimmt, für die Stadt Dorpat speciell 
durch den Hecht und die Quappe. 

Darauf wurden Plerocercoiden auch in den Fischen 
anderer Gegenden wo der breite Bandwurm vorkommt, 
gefunden. So wurden in Japan, wo er sehr verbreitet 
ist, durch Ijima Plerocercoiden im Onchorrhynchus 
Perryi, zur Lachsart gehörend, gefunden. Zschokke 


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fand sie in der Schweiz, Parona in den Barschen von 
Norditalien, und vor einigen Monaten fand sie Lömiberg 
in Schweden im Corregonus lavaretns und Corregonus 
albula. 

Experimente mit Fütterung gelangen Zschokke, Pa¬ 
rona, Grassi und Rayelli. 

Bis heute sind in verschiedenen Ländern, wo der breite 
Bandwurm verbreitet ist, seine Plerocercoiden in folgen¬ 
den Fischen gefunden werden: Esox lucius, Lota fluvia- 
tiiis, Perca fluviatilis, Salmo umbla, Onchorrhynchus Per- 
ryi, Trutta vulgaris, Trutta locustris, Thymallus vexilli- 
fer, Corregonus lavaretus und Corregonus albula. Somit 
kann man die Frage: wie bekommt der Mensch den brei¬ 
ten Bandwurm? — in der Weise als beantwortet ansehen, 
dass der Mensch sich diesen Bandwurm durch einen fin¬ 
nigen Fisch oder dessen Theile, wie z. B. den Rogen 
ein verleibt. 

Die andere Frage: wie, d. h. durch welche Fische na¬ 
mentlich, die Bewohner verschiedener Länder den brie¬ 
ten Bandwurm bekommen? — unterliegt noch einer wei¬ 
teren Untersuchung. Um mich zu überzeugen, durch 
welche Fische die Einwohner Petersburgs ihn bekommen, 
kaufte ich mir in den Fischreihen auf dem Heuraarkt 
einen jungen, 33 Ctm. langen, lebendigen Hecht, der im 
finnischen Meerbusen gefangen worden war. Dabei be¬ 
stätigte sich augenscheinlich die Meinung des Pariser 
Professors Blanchard, dass im finnischen Meerbusen 
alle Hechte ohne Ausnahme Plerocercoiden des breiten 
Bandwurmes enthalten. Mir. dem diese Organismen nur 
durch Beschreibung und Abbildung bekannt waren, ge¬ 
lang es, im ersten untersuchten Hecht fünf Plerocercoi¬ 
den zu finden: einen in den Bauchmuskeln, einen in den 
Darmanhängen und drei auf der serösen Oberfläche des 
Darmes *). Ihre Grösse war 8 bis 30 Mm., je nach dem 
Zustande der Contraction. Sie waren Alle nicht einge¬ 
kapselt und von weisslicher Farbe. Die Köpfe waren 
bei Allen eingezogen, in warmem Wasser und schwacher 
Salzlösung nahmen sie die verschiedenartigsten Formen 
an. Die Bewegungen fingen grösstentheils vom Kopfe 
an, welcher ein- und ausgestülpt wurde, aber auch nicht 
selten vom Schwänze. 

Die Bewegungen des letzteren waren zuweilen so 
stark, dass man sie geisselförmig nennen konnte. Am 
ausgestülpten Kopf waren die Saugnäpfe zu sehen, wel¬ 
che sich an der breiten Fläche der Larven befinden. Am 
Schwänzende fand sich meistentheils auch eine unbedeu¬ 
tende Einziehung. Die Würmer waren solid, d. h. ent¬ 
hielten keinen Hohlraum, noch irgend welche differen- 
zirte Organe. .Nach allem Gesagten wird man wohl 
schwerlich die Natur der von mir im Hecht aufgefunde- 
nen Würmer verkennen. Sie hatten alle die charakte¬ 
ristischen Merkmale der Plerocercoiden des breiten Band¬ 
wurmes. 

So viel mir bekannt ist, wurden die Plerocercoiden m 
Petersburg bis heute noch von Niemand beobachtet. Da 
es mir jedoch gelungen ist 5 Exemplare in einem Hecht 
zu finden, und noch dazu im ersten besten, ungeachtet 
dessen, dass ich die Larven vorher nie gesehen, muss 
man zugeben, dass die Hechte des finnischen Meerbusens 
wirklich beinahe durchweg mit den Larven des breiten 
Bandwurmes iuficirt sind. Zugleich bildet der Hecht 
wegen seiner Billigkeit für die Einwohner Petersburgs, 
wenn auch nicht die einzige, so doch in jedem Falle die 
Hauptquelle der Acquisition des breiten Bandwurmes. 
Zur Bestätigung des Gesagten führe ich das Factum an, 
dass der Bandwurm sehr stark unter der jüdischen Be¬ 
völkerung Petersburgs (ebenso wie in Dorpat) verbreitet 


*) Gegenwärtig ist es mir bereits gelangen, in jedem der 
fünf von mir untersuchten lebendigen Hechte aus dem finni¬ 
schen Meerbusen einzelne bis zahlreiche Plerocercoiden des 
Bothryorephalu8 latus aufzufinden. 

Mai 1892. 


ist und zwar aus dem leicht einleuchtenden Grunde, 
weil der Hecht seit jeher der Lieblingsfisch der Juden 
gewesen ist. 


Referate. 

Carl Ernst: Ueber die Fäulniss der Galle und deren 
Einfluss auf die Darrafäulniss. (Zeitschr. für physiol. 
Ch. von Hoppe-Seyler. 1892'. 

Die Rolle, welche die Galle bei der Verdauung im Darm¬ 
canal Rpielt, wird von verschiedenen Forschern verschieden 
gedeutet. Als feststehende Thatsacüe ist bis jetzt nur ihre 
die Fettresorption begünstigende Eigenschaft anerkannt worden. 
Auf Grund seiner Versuche kommt Verf. zu dem Schluss, dass 
die Galle die Eiweissfäulniss keineswegs auf hebt resp. ver¬ 
langsamt und dass sie selbst bei der Fäulniss (ebenso wie das 
Eiweiss) Indol, Phenol. Scatol, Tyrosin und andere Zersetzungs- 
producte liefert. Ein mit kaltem Wasser dargestellter Auszug 
ans Pferdefleisch war um so reicher an diesen Producten, je 
mehr Galle ihm zugesetzt wurde, während der nämliche Auszug 
ohne Galle, unter gleichen Bedingungen, nur Spuren 
davon enthielt. Den höchsten Peptongehalt hatte der gallen¬ 
freie Auszug, den geringsten derjenige, welcher beim Faulen 
am meisten Galle enthielt. Als der die Products der Eiweiss¬ 
fäulniss liefernde Bestandteil der Galle wurde vom Verf. das 
Gallenmucin constatirt. Wenn man aus ihr das Mucin mit 
Alkohol abschied und es faulen liess. so konnten die obigen 
Körper in den Producten nachgewiesen werden, während die 
Gallensäuren frei von ihnen waren. Liess man Mucin mit 
Pankreas faulen, so lieferte es diese Producte quantitativ 
weniger als Mucin allein. Kresling. 

Arthur Barker: Ein Vorschlag zur Behandlung der 
irreponiblen Darmintnssusception. (The Lancet 1892 
Nr. 3567J. 

Die operative Behandlung von Intussusceptionen, die sich 
nicht zurückbringen lassen, giebt bekanntlich eine schlechte 
Prognose; das gilt ebenso von der Anlegung des Anns prae¬ 
ternaturalis wie von der Darmresection. Die von Barker 
proponirte Operation ist wegen ihrer Einfachheit und da sie 
nach Angabe des Verfassers in einer halben Stande ausführbar 
ist, durchaus sympathisch; über ihren Werth kann natürlich 
nnr die Praxis entscheiden. — An der Eintrittsstelle des Intns- 
susceptum in das Intnssuscipiens (am Hals der J.) werden 
zunächst beide Darmtheile durch eine circuläre. Serosa und 
Muscularis umfassende Naht, vereinigt. Dann wird das Intus- 
snscipiens durch einen etwa 2 Zoll langen, dem Mesenterial¬ 
ansatz gegenüberliegenden Längsschnitt eröflfbet. Durch diese 
Oeffnung wird das nun vorliegende Intussnsceptum herausge¬ 
zogen und an seinem oberen Ende qner abgeschnitten; sollte 
das Vorziehen Schwierigkeiten machen, so kann man das 
Darmstück auch in situ zuerst durchschneiden und dann herans- 
nelnnen. Durch einige wenige, die ganze Dicke der Darmwand 
fassende Nähte werden die beiden Blätter des Intussnsceptum 
(das eintretende und anstretende Rohr) an einander geheftet, 
um ihre Serosaflächen in Contact zu erhalten und die Blutung 
aus den Schnitträndern zu stillen. Nach gründlicher Reinigung 
lässt man nun den Stampf des Intussusceptum in das Intus- 
suscipiens zurückschlüpfen und vernäht zum Schluss den in 
dieses gemachten Längsschnitt. — Die Verhältnisse liegen dann 
so, wie in jenen seltenen Fällen, wo sich das Intussnsceptum 
durch Gangrän abstösst und per anum entleert wird. 

Von der leichten Ausführbarkeit der Operation am Lebenden 
hat B. sich zweimal überzeugen können. Beide Patienten sind 
gestorben, weil sie schon in verzweifeltem Zustand zur Ope¬ 
ration kamen; eine Contraindication gegen die neue Methode 
lässt sich aus ihnen daher nicht ableiten. Wanach. 

Paul F. Mund6: Die Oophorectomie als Behandlungs¬ 
methode der Hystero-Epilepsie. (The American Journ. 
of Obstetrics, April 1892). 

Der angesehene amerikanische Gvnaekolog entschliesst sich 
nur in seltenen Fällender Hystero-Epilepsieznr Oophorectomie. 
Als geeignet für die Operation erachtet er nnr die Pat., bei 
denen eine unzweifelhafte Wechselbeziehung zwischen Menstrn- 
ation und Ovulation einerseits nnd den epileptiformen Krämpfen 
andrerseits bes eht und anch dann nnr, wenn alle übrigen 
therapeutischen Maassnahmen erfolglos bleiben. Dysmenorrhoe, 
Neurasthenie, Hemikranie und andere nervöse Aftectionen sieht 
M. nicht als Indicationen für die Oophorectomie an, selbst wenn 
dieselben als Folgeerscheinungen aes Menstruationsvorganges 
anzusehen sind. Bei der Hystero-Epilepsie handelt es sich stets 
nm epileptiforme Krampfanfälle zur Zeit oder kurz vor resp. nach 
der Menstruation, die nicht mit vollem Bewusstseinsverlnst nnd 
ohne nachfolgenden tiefen Schlaf, wie bei wahrer Epilepsie 
einhergehen. Druck auf die Ovarialgegend durch die Bauch- 


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wand oder bimanuell bringt den Anfall zum Schwinden, selbst 
Jahre lange Dauer derselben lässt den Geisteszustand der Pat. 
nnafficirt, was weitere differentialdiagnostische Kennzeichen 
der hystero epileptischen Anfälle sind. In allen fünf vom Verf. 
operirten Fällen blieben die Krämpfe nach der Operation weg, 
bei vier Patientinnen fand er die Uterusadnexa und Ovarien 
entzündlich verändert, nur eine Kranke hatte normale Ovarien. 

W. Beckmann. 


BOcheranzeigen und Besprechungen. 

A. Jorasz: Die Krankheiten der oberen Luftwege. 
Klinische Beobachtungen und Erfahrungen, gesam¬ 
melt in der ambulatorischen Klinik für Kehlkopf-, 
Rachen- und Nasenkranke. Erstes Heft. Die Krank¬ 
heiten der Nase. Mit fünf Holzschnitten. Zweites 
Heft. Die Krankheiten des Rachens. Mit drei Holz¬ 
schnitten. Heidelberg. Carl Winter’s Universitätsbnch- 
handlung. 1891. 

Verf. hat seine meisten Erfahrungen und Beobachtungen 
während einer 14 jährigen Thätigkeit in Form eines Berichts 
seiner Klinik, deren Schicksale er in dem Vorworte zu seinem 
Werke beschreibt, niedergelegt. Der Bericht zerfällt nach 
den Organen, deren Krankheiten beobachtet worden sind, in 
drei Theile, von denen uns die zwei ersten, Nase und Rachen, 
vorliegen. Der dritte, die Kehlkopfkrankheiten, sind noch 
aus8tehend. 

Der Bericht umfasst ein so reichhaltiges Material, dass er 
eigentlich eine fast vollständige Pathologie und Therapie jener 
Krankheiten darstellt. Es fehlt kaum ein Capitel derselben. 
Wir finden eine Beschreibung der Krankheiten, wie sie in 
Verf.’s Klinik beobachtet worden sind. Krankengeschichten 
besonderer Fälle schliessen sich daran. Wir finden weitereine 
Statistik nach Geschlecht, Alter, Häufigkeit u. s. w. und 
schliesslich die Behandlungsmethoden und deren Resultate. 
Dieses äusserst interessante und reichhaltige Material ist 
besonders für den Kliniker und Specialarzt bestimmt, der aus 
demselben sehr viel Interessantes und Lehrreiches schöpfen 
wird, wenn er auch, wie Rf., mit manchen Anschauungen und 
therapeutischen Maassnahmen nicht einverstanden sein wird. 
Doch über diese Meinungsverschiedenheiten hier zu sprechen 
passt nicht in den Ramen der Zeitschrift und eignet sich 
mehr für ein Fachjonrnal. Aber auch der praktische Arzt 
wird mit Genuss und Vortheil dieses frisch und lebendig 
geschriebene Werk lesen. Druck und Ausstattung sind gut. 

Neumann. 


Auszug aus den Protokollen 

der Medicinischen Gesellschaft zu Dorpat. 

Sitzung am 15. Januar 1892. 

I. Herr von Zoege spricht 1) über einen Fall von 
Pyaemia multiplex cryptogenetica. Durch heftige Mus¬ 
kelaction wurde eine seit Jahren geschwellte LymphdrÜse der 
rechten Axilla zum Platzen gebracht. Phlegmone erst in der 
rechten, dann in der linken Achselhöhle. Der Gaug der Pyaemie 
liess sich verfolgen entsprechend den Lymphbahnen. Perfo 
ration in Darm und Blase. Exanthem. Chirurgische und Alkohol- 
Therapie. Genesung. 

(Publicirt in dieser Wochenschrift 1892 Nr. 14). 

Herr von Zoege referirt2) über eine Verletzung der Arte- 
ria coronaria ventriculi dextra durch Messerstich. Die 
Unterbindung war schwierig wegen versteckter Lage der ver¬ 
letzten Arterie. In vorstehendem Fall hatte er sich die Operation 
wesentlich erschwert durch Aufblasen der Därme mit Wasser 
stoffgas nach Senn wegen Verdachts auf Darm Verletzung. 
Der Kranke konnte nach allerhand Zufällen schliesslich geheilt 
entlasten werden. Schwierig ist die Deutung der anatomischen 
Situation. 

(Publicirt in dieser Wochenschrift Nr. 10). 

Herr von Zoege demonstrirt 3) eine Flasche zur beque¬ 
men Desinfection der Hände mit Alkohol. 

(Publicirt in dieser Wochenschrift Nr. 14). 

II. Herr Dehio bespricht folgenden Fall von anfalls¬ 
weise auftretender Herzinsufficienz bei einem 60jähr. 
vielbeschäftigten Landarzt: vor 4—5 Jahren hat Patient an 
Ischias-ähnlichen Beschwerden gelitten, sich aber sonst stets 
vollkommen wohl gefühlt und seine anstrengende Praxis ohne 
Schwierigkeit besorgt. Nur Kaffe hat er seit Jahren nicht 
vertragen. Er ist ein schwacher Raucher und hat seit seiner 
Studentenzeit stets mässig gelebt. In den letzten Jahren will 
er rasch gealtert und ergraut sein. Im Juni vorigen Jahres 
hat er wiuirend angestrengter Tractionen bei einer Zangen¬ 
geburt plötzlich einen äusserst heftigen Schmerz hinter dem 
Sternum verspürt und gleich darauf starkes Herzklopfen und 
Äthemnoth bekommen, welche Erscheinungen mit Herzensangst, 


leichter Unbesinnliclikeit und dem Gefühl des nahen Todes 
verbunden waren. Erst in einigen Stunden erholte er sich. 
Nach einigen Tagen fand er, dass sein Herz, welches des 
Morgens beim Aufstehn 60—65 Schläge vollführte, im Lauf 
des Tages bei gewöhnlicher leichterer Thätigkeit auffallend 
häufig (100—120 Mal in der Minute) schlug und zuweilen, wenn 
auch selten, aussetzte. Im November war ein ähnlicher Anfall: 
Patient hatte, in seiner ländlichen Wirtschaft beschäftigt, 
einen hohen Heuschober mit Anstrengung erstiegen, als er 
plötzlich unter denselben Beschwerden wie im Juni zusam- 
mentiel, wobei ihm die Sinne vollkommen schwanden; nach 
mehr als einer Stunde kehrte das Bewusstsein wieder, er 
erholte sich und war in einigen Tagen wieder arbeitsfähig. 
Seitdem sind öfters bei psychischen Erregungen und etwas 
grösseren körperlichen Anstrengungen (z. B. bei einer Zahn¬ 
extraction) leichtere Anfälle von plötzlichem mit Herzklopfen 
verbundenem schmerzhaftem Drnckgefühl in der Herzgegend 
wieder gekehrt, die aber stets bei ruhiger Lage in etwa einer 
halben Stunde und weniger wieder schwanden. Durch diese 
Erfahrungen hat Pat sehr an Selbstvertrauen und Arbeits¬ 
frische verloren. Im Jan. 1892 wurde vom Vortragenden fol- 
ender Status praesens festgestellt: Puls etwas frequent, 80—90 
chläge im Sitzen, Pulswelle eher niedrig, leicht zu corapri- 
rniren. Sklerose der Radial- und Brachialarterie deutlich. Art- 
temporales nur wenig geschlängelt. Keine Cyanose, keine 
Oedeme, Urin klar, hell, frei von Eiweiss. Halsvenen im Liegen 
etwas stärker gefüllt, praesystolisch schwach pulsirend. Spitzen- 
8toss sehr schwach, bis zur Mamillarlinie reichend; die kleine 
Herzdämpfung nach rechts bis zur Mitte des Sternums, nach 
links bis zur Mamillarlinie erweitert, Herztöne rein, aber leise, 
die ersten Töne über der Aorta und Pulmonalarterie kaum 
zu hören. Keinerlei Anzeichen eines Aortenaneurysma. Leber 
nicht vergrössert. Es lag also eine geringe Dilatation des 
Herzens vor, die offenbar durch eine in den letzten Jahren 
entstandene Muskelschwäche desselben bedingt war. Diese 
letztere war aber so gering, dass das Herz den gewöhnlichen 
Anforderungen des Kreislaufs noch vollkommen genügte. Nur 
wenn durch psychische Einflüsse oder körperliche Anstrengung 
der Blutdruck über die Norm anstieg, versagte das Herz und 
es kam zu den geschilderten Anfällen von acuter Herzinsuffi¬ 
cienz unter Umständen, denen ein gesundes und muskelkräfti¬ 
ges Herz noch vollkommen gewachsen gewesen wäre. ■— Vor¬ 
tragender macht darauf aufmerksam, dass bei übermässiger ge¬ 
waltsamer Anstrengung (wie Schott gezeigt hat) auch ge¬ 
sunde Herzen insufficient werden und sich plötzlich dilatiren 
können. Walter und Knoll haben durch künstliche Blut¬ 
drucksteigerungen bei Thieren das Insufficientwerden und die 
successive Dehnung des linken Ventrikels, der Vorhöfe und des 
rechten Ventrikels experimentell hervorgerufen und direct am 
blosgelegten Herzen beobachtet. 

Nachdem Herr Meyer erwähnt, dass bei älteren Arbeitern, 
die an angestrengtere Muskelthätigkeit gewöhnt sind, häufig 
Arteriosklerosis beobachtet werde und dennoch die vom Vor¬ 
tragenden angeführten Erscheinungen selten zur Beobachtung 
kommen, glaubt 

Herr Dehio diese Thatsache darauf zurückführen zu müs¬ 
sen, dass mit der regelmässigen erhöhten allgemeinen Muskel¬ 
arbeit auch eine dem entsprechende Kräftigung des Herz¬ 
muskels — eine Hypertrophie — Hand in Hand gehe und da¬ 
durch eine Dilatation mit folgenden Insufficieuz-Symptomen 
für gewöhnlich nicht eintrete. 

Prof. emer. Dr. G. von Oettingen wird zum Ehrenmitgliede 
der med. Gesellschaft erwählt. 

z. Z. Secretär: Dr. Robert Koch. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerate. 

Sitzung am 28. April 1892. 

1. Herr Ebermann spricht über Massagebehandlung 
der Prostatahypertrophie und berichtet über 2 vor 
Kurzem mit gutem Ei folg behandelte einschlägige Fälle. Die 
Prostata wird vom Rectum ans in der Richtung von oben 
nach unten und von rechts nach links gestrichen. Jede Sit¬ 
zung dauert 5—10 Minuten. Bei Blasenatonie wird auch der 
Scheitel der Blase durch Reiben über der Symphyse massirt. 
Die Schmerzen während der Massage sind unbedeutend. Im 
ersten Fall von gewöhnlicher Prostatahypertrophie sind die 
durch diese bedingten Harnbeschwerden nach 20 Sitzungen 
(2 mal wöchentlich eine Sitzung) geschwunden. Im zweiten 
Fall handelte es sich um einen mit starker Infiltration der 
Umgebung einhergehenden Abscess der Prostata, der schon in 
die Urethra durchgebrochen war. Bei der Massage entleerten 
sich ca. l'/a Esslöffel Eiter durch die Harnröhre. Nach 10 — 
15 Sitzungen hatte sich die Abscesshöhle gefüllt, die Infiltra¬ 
tion war geschwunden, geringe Eitersecretion bestand noch 
fort. Auf die Frage von Herrn Tiling, ob es nicht bedenk¬ 
lich sei bei bestehender Eiterung zu massiren, erwidert Herr 
Eber mann, dass er nur nach erfolgtem Durchbruch des 


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Eiters massire; die feste Kapsel und die Anordnung der 
Lyraphgefässe der Prostata schützen vor Eiterresorption. 

2. Herr Tiling macht darauf aufmerksam, dass die Mas¬ 
sage, die gegenwärtig eine so sehr ausgedehnte Anwendung 
findet, doch unter Umständen sehr schlimme Folgen 
haben kann. Das gilt namentlich von der Massage hei fri¬ 
scheren entzündlichen Processen und in Körüerregionen, die 
nicht so leicht und sicher zu beherrschen sind wie etwa die 
Extremitäten (gynäkologische, innere Massage). Als warnen¬ 
des Beispiel dient ein Fall, den Herr Kernig und Herr 
Tiling zusammen beobachtet und behandelt haben. Eine 
Dame wurde von andrer Seite wegen Beschwerden, die auf die 
Sexualorgane bezogen wurden, einer localen gynäkologischen 
und allgemeinen Massagekur unterworfen. Plötzlich traten 
starker Schmerz in der rechten Seite des Unterleibes und 
abendliches Fieber auf. Als Kernig die Kranke sah, be¬ 
standen die Symptome einer Perityphlitis (wurstförmige 
Schwellung in der lleocöcalgegend, starke Schmerzen, hohes 
Fieber). Am nächsten Tage schon allgemeine peritonitische 
Erscheinungen (Druckempfindlichkeit über der Symphyse und 
in der linken Bauchhälfte, Auftreibung des Leibes, Hochstand 
des Zwerchfells). Zwei hinzugerufene Gynäkologen stellten 
die Diagnose auf Perimetritis, die vielleicht durch Massage 
der catarrhalisch afficirten Tnben hervorgerufen sei. 5—6 
Tage lang fast ausschliesslich gynäkologische Behandlung. 
Am 9—10 Krankheitstage constatirten Kernig und Tiling 
einen tiefen Abscess in der lleocöcalgegend und zusammen 
mit den Gynäkologen in Rückbildung begriffene Perimetritis. 
Am 11. Tage Eröffhung des Abscesses, die dadurch erschwert 
war, dass das Peritoneum nicht nach oben geschoben war. 
Es entleerten sich stinkender Eiter und 2 Kothsteine. Die 
Wände des Abscesses wurden vom Peritoneum gebildet; es 
handelte sich also um circumscripta abgeeackte Peritonitis 
(Perityphlitis). Die Drainage des Abscesses machte Schwie¬ 
rigkeiten. 

Nach einigen Tagen doppelseitige Pneumonie mit linksseiti¬ 
gem pleuritischem Exsudat. Schliesslich traten allgemeine 

S eritonitische Symptome dazu und es erfolgte 2 Wochen nach 
er Operation der Tod. Eine Section konnte nicht gemacht 
werden. — Es haben in diesem Fall augenscheinlich Koth¬ 
steine und Ulcerationen im Proc. vermiformis bestanden; die 
Massage hat wohl unzweifelhaft die acute Entzündung, die 
einen so schlimmen Verlauf nahm, entfacht. 

Herr Kernig referirt über einen zweiten Fall aus seiner 
Praxis, in dem durch Massage möglicherweise geschadet 
worden ist. Einem 17 jährigen Mädchen mit anämischen Er¬ 
scheinungen, snbfebrilen Temperaturen und Lymphomen am 
Halse ordinirte K. Arsenik und Massage der Drüsenge¬ 
schwülste. Nach 12—13 Tagen stellte sich ganz allmälig 
stärkere Temperatursteigerung ein. Trotz Aussetzens der 
Massage bleibt seit 2 Wochen die Temperatur hoch. Zwei 
Wochen später ist die Temperatur herabgegangen. 

Herr Tiling hält die Massage der so häufigen Lymphome 
am Halse für contraindicirt, da schon relativ kleine Drüsen 
gewöhnlich im Centrum käsig zerfallen sind. 

Herr Kernig hat früher einmal grosse nicht scrophnlöse 
Lymphome am Halse mit bestem Erfolg massiren lassen. K. 
hält auch nicht die scrophulösen, sondern die nicht verkäsen¬ 
den, acuter entstehenden pseudoleukämischen Diüsentumoren, 
die vielleicht die Anfänge der Hodgkin’schen Krankheit vor¬ 
stellen, für geeignet zur Massage. Allerdings erregt der rait- 
getheilte Fall Bedenken. 

Herr Masing hebt die Schwierigkeit der Differentialdiag¬ 
nose zwischen diesen beiden Formen von Lymphomen hervor. 
Die pseudoleukämischen Tumoren schwinden auch ohne locale 
Therapie. Charakteristisch für sie ist der ausserordentlich 
schnelle Wechsel in der Grösse der Drüsenpakete. 

Herr Kernig findet, dass in praxi die Diagnose fast nie 
Schwierigkeiten macht, wenn es auch nicht leicht ist, die differen¬ 
tiellen Merkmale genau, zu präcisiren. Die pseudoleukämischen 
Tumoren finden sich meist bei gut genährten, anämischen 
jungen Mädchen ohne phthisischen Habitus. Die Drüsentumo¬ 
ren sind unverhältnissmässig gross und massenhaft, finden 
sich ausser am Halse oft auch' in der Achselhöhle. Häufig 
findet sich Milzschwellung. Fieber ist gar nicht oder in gerin¬ 
gem Grade vorhanden, ausnahmsweise höheres Fieber. — Die 
scrophulösen Drüsen sind weniger gross, weniger massenhaft, 
oft bestehen Lungensymptome. Der Verlauf ist chronischer. 
Die Patienten haben einen andern Habitus, das Fettpolster 
ist weniger entwickelt, meist finden sich chronischer Schnup¬ 
fen. Pharyngitis, Ekzeme, Otitis. 

Herr Assmuth hebt als wichtiges differentielles Merkmal 
hervor, dass die scrophulösen Drüsen durch Periadenitis mehr 
oder weniger zu Paketen verbacken sind und chronischer 
verlaufen, während die pseudoleukämischen Lymphome aus 
deutlich von einander abgrenzbaren Drüsen bestehen und 
schneller verlaufen. 

Herr S eien ko w hat bei scrophulösen Drüsen fast ausnahms¬ 
los chronische Erkrankungen im Quellgebiet der zuführenden 
Lymphbahnen gefunden, meist Veränderungen in der Nase 


oder im Rachen. Diese Heerde sind aucty nach operativer 
Beseitigung der erkrankten Lymphdrüsen sorgfältig zu be¬ 
handeln, sonst treten leicht Recidive auf. — Die Lymphdrü- 
senschwellungen, die so oft nach Ablauf der acuten Exantheme 
Zurückbleiben, werden häufig von Kinderärzten mit Massage 
behandelt. Obgleich das bedenklich erscheint, sind die Erfolge 
oft sehr gut. 

Herr Hagen-Torn weist darauf hin, dass, obgleich Aus¬ 
nahmen nicht selten sind, im Allgemeinen die pseudoleukämi¬ 
schen Lymphome im spätem jugendlichen Alter (etwa im 15. 
bis 25. Lebensjahre), die scrophulösen dagegen früher (etwa 
vom 8.—15. Jahr) auftreten; die ersteren sind häufig multipel 
(Hals, Achselhöhlen, Leisten), die letztem sitzen meist nur 
am Halse. 

Herr Kernig hat die Hodgkin’sche Krankheit auch im 
spätem Lebensalter gesehen; augenblicklich noch behandelt 
K. im Hospital eine 35 jährige Pat. — Die Therapie kann sehr 
viel leisten. K. empfiehlt Behr warm den Arsenik innerlich 
oder, wo derselbe vom Magen-Darm nicht tolerirt wird in sub- 
cutaner Anwendung, daneben eventuell Eisen innerlich. 

Herr Mobitz weist auf die Häufigkeit hin, mit der die 
Haut über den scrophulösen Lymphomen in Mitleidenschaft 
gezogen wird. 

Herr Tiling möchte doch auch die pseudoleukämischen 
Lymphome nicht massiren lassen; das Wesen der Hodgkin- 
schen Krankheit ist ja noch vollständig unbekannt. 

Herr Ebermann schliesst sich im Allgemeinen den Aus¬ 
führungen gegen die Massage bei entzündlichen Processen 
an. Nur bei chronischer Eiterung nach erfolgtem Durchbruch 
eines Prostataabscesses ist die Massage ohne Gefahr und von 
Nutzen. 

Die Herren Kernig, Mobitz, Tiling erwähnen noch den 
Missbrauch, der mit der Massage bei Wanderniere und sogar 

bei acuter Mastitis getrieben wird. _ 

stellv. Secretär: R. Wanach. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Nptizen. 


— Bei wunden Brustwarzen empfiehlt Van Allen 
Pinselung mit Hühnereiweiss. Die Pinselungen sollen 
täglich unmittelbar nach jeder Stillung wiederholt werden. 
Die Eiweissscliicht muss trocken werden, ehe die Pat. sich 
bedeckt und ist vor dem nächsten Anlegen des Kindes mit 
etwas Wasser zu befeuchten. 

WiAnAr mftüir.. PrARSft Nr. 52. 1891). 


— Krauss (Bnflhlo Medical and Surgical Journ. Oct. 1891) 
empfiehlt bei Enuresis das Fluidextract von RhuB aroma- 
tica 4 Mal tägl. 5-10—20 Tr. nach den Mahlzeiten und vor 
dem Schlafengehen. Bei anämischen Kindern kann es com- 
binirt weiden mit Syr. ferr. jodat. 


Vermischtes. 

— Ordensverleihungen: der St. Wladimir-Orden II. 
Classe — dem Director des Elisabeth-Kinderhospitals, Ebren- 
consultanten der Maximilian Heilanstalt und Professor hono- 
rarins des klinischen Institutes der Grossfürstin Helena 
Pawlowna, Geheimrath Dr. W. Reitz. Der St. Annen-Ordes 
II. Classe — dem Director der chirurgischen Abtheilung den 
klinischen Instituts der Grossfürstin Helena Pawlowna, 
Staatsrath Prof. Dr. G. Tiling; dem Consultanten und Prof, 
honorar. des genannten klinischen Instituts, Hofrath Dr. Dm. 
Ott; dem älteren Ordinator des Elisabeth-Kinderhospitals, 
Staatsrath Dr. E. Anders; dem Specialarzt der Maximilian- 
Heilanstalt, Collegien-Rath E. Spiegel. Der St.Stanislaus- 
Orden II. Classe — dem Specialarzt der Maximilian-Heil¬ 
anstalt. Staatsrath D. Flittner; dem älteren Ordinator der 
Gemeinschaft Barmherziger Schwestern zur Kreuzes-Erhöhung 
und Consultanten der Maximilian-Heilanstalt, Hbfrafh Dr. 
Th. Kubli. 

— Verstorben; 1) Am 11. Mai in Kasan der dortige Pro¬ 
fessor der Nervenkrankheiten, Staatsrath Dr. D. P. Skolo- 
subow, im 53. Lebensjahre am Schlage. Der Hingeschiedene 
hatte seine medicinische Ausbildung in Moskau erhalten, wo 
er mehrere Jahre an städtischen Hospitälern als Arzt ange¬ 
stellt war. Nach Erlangung der Doctorwürde im J. 1876 
habilitirte sich S. als Docent für Nervenkrankheiten in Kasan 
und wurde ein Jahr darauf zum Professor eruannt, welches 
Amt er bis zu seinem Tode bekleidete. 2) In Moskau am 10. 
Mai der Ordinator des dortigen Gefängnisshospitals Peter 
Petti im Alter von 76 Jahren. Der Verstorbene, welcher 
seine Studien an der früheren medico-chirurgischen Academie 
in Moskau absolvirt hatte, ist mehr als 50 Jahre als Arzt 
thätig gewesen, soll aber, obschon er sich grosser Beliebtheit 
erfreute und ein recht bescheidenes Leben führte, fast nichts 
hinterlassen haben. 3) Am 10. Mai in Bjeloomut (Gouv. Rjasan) 
der Landschaftsarzt Wl. Sacharow, 36 Jahre alt, am Fleck¬ 
typhus. 4) In Kineschma der Arzt des dortigen Landschafts- 


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hospitals Alexander Moskwin im 30. Lebensjahre am 
Flecktyphus. 4) In Wien der bekannte Professor der Psy¬ 
chiatrie an der dortigen Universität, Dr. Theodor Meynert, 
im 59. Lebensjahre. Der Hingeschiedene stammte aus Dresden 
und hatte seine medicinischen Studien in Wien gemacht, wo 
er 1861 zum Doctor promovirte. Dem Lehrkörper der Wiener 
Universität hat M. fast 16 Jahre angehört, anfangs als Privat- 
docent, dann als ausserordentlicher und seit 1875 als ordent¬ 
licher Professor. Seine epochemachenden Arbeiten auf dem 
Gebiete der Physiologie und Pathologie des Gehirns sind 
allgemein bekannt, 

— Die Bewohner der zu Petersburg gehörigen Vororte 
Gross- und Klein-Ochta haben dem Polizeiarzt K. W. 
Emalinowitsch, welcher schon 20 Jahre an diesen Orten 
als Arzt thätig ist und sich grosser Beliebtheit unter der 
Bevölkerung dieser Orte erfreut, eine Dankadresse über¬ 
reicht. 

— Das St. Petersburger Stadtamt hat der Stadtduma den 
Vorschlag gemacht, dem früheren Ordinator des hiesigen Peter- 
Paul Hospitals Dr. K. J. Dellevie für 32jährigen Dienst der 
Stadt eine Pension im Betrage von 140 Rbl. jährlich zu 
bewilligen. Diese auffallend minime Pension erklärt das Stadt¬ 
amt dadurch, dass Dr. Dellevie eine Kronspension im Betrage 
von 400 Rbl. erhalten wird. 

(Nachrichten der St. Peterb. Stadtduma. — Wi\). 

— Der bekannte Pädiater, Prof. R. Demme in Bern, liegt 
schwer an der Diphtherie darnieder, welche er sich bei 
einer Operation an einem diphtheriekranken Kinde zugezo¬ 
gen hat. 

— Am 9. August d. J. feiert Dr. Jakob Moleschott, Pro¬ 
fessor der Physiologie an der Universität in Rom und italie¬ 
nischer Senator, seinen 70. Geburtstag. M. ist ein gebore¬ 
ner Niederländer und hat seine Laufbahn als Militärarzt be¬ 
gonnen. 

— Der Generalarzt der prenssischen Armee, Dr. v. Coler, 
ist zum ordentlichen Honorarprofessor in der Berliner 
medicinischen Facultät ernannt worden. 

— Die in den letzten Jahren von Prof. Fedor Krause 
geleitete frühere Prof. Volkmannsche Privatklinik in Halle 
übernimmt Dr. Rieh. Krukenberg, ein Enkel des berühm¬ 
ten Klinikers gleichen Namens. 

— An der in nächster Zeit in London und Edinburg er¬ 
scheinenden neuen Zeitschrift für allgemeine Patho¬ 
logie und Bakteriologie («The Journal of Pathologie and 
Bacteriologie»), welche von German Sims und Woodhead 
unter Mitwirkung der meisten hervorragenden Pathologen 
Grossbritanniens, der Vereinigten Staaten von Amerika und 
fast ganz Eoropa’s redigirt. wird, werden auch zwei Gelehrte 
Russlands. Prot. Metschnikow (früher in Odessa) und Prof. 
Thoma (Dorpat), als Mitarbeiter theilnehmen. 

— Prof Thier sch ist anlässlich seines 70. Geburtstages 
und seines 25 jährigen Jubiläums als Professor der Chirurgie 
in Leipzig von der hiesigen Pirogowschen chirurgischen 
Gesellschaft zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt worden.— 
Ausser den von uns bereits früher erwähnten Ehrenbezeu¬ 
gungen, welche Prof. Thiersch zu seinem Jubiläum zu Theil 

f eworden sind, haben wir noch folgende na'-hzutragen: Von 
en Prof. Bergmann und Rose (Berlin) wnrden Namens der 
Redactionen und Verlagshandlungen des Archivs für klinische 
Chirurgie und der deutschen Zeitschrift für Chirurgie Fest¬ 
schriften überreicht: Prof. Tillmanns (Leipzig) widmete dem 
Jubilar die neue Auflage seines «Lehrbuchs der allgem. und 
spec. Chirurgie» und von der Leipziger Studentenschaft wurde 
dem Jubilar zu Ehren ein Fackelzug und ein Festcommers 
veranstaltet. 

— Wie wir seiner Zeit mitgetheilt haben (cf. Nr. 8, S. 81, 
Jahrg. 1892 dies. Wochenschr.), wurde der Gehülfe des Polta- 
waschen Medicinalinspectors, Dr. Leo Mandelstarara, von 
der Charkowschen Gerichtspalate zur Amtsentsetzung verur- 
theilt, weil er den Provisor Sborowski bei einer gerichtlich¬ 
chemischen Untersuchung von Leichentheilen nicht beaufsich¬ 
tigt und ohne gehörige Prüfung das von Letzterem verfasste 
Untersuchnngsprotokoll unterschrieben hatte. Neuerdings hat 
nun das Ciiminal-Cass.vtions- Departement des Senats nach 
Durchsicht des Processes das Urtheil der Charkow-schen Ge¬ 
richtspalate dahin abgeändert, dass statt der Amtsentsetzung 
beiden Angeklagten ein «strenger Verweis für Nach¬ 
lässigkeit im Amte» ertheilt werde. 

— Wie gross die Gefahr für die Theilnelimer an den Sani¬ 
tätsabtheilungen, die in den von Epidemien und Hungersnoth be- 
troffenenGegenden thätig sind,ist, zeigt nachstehendeThatsache: 
Von den 27 Personen zweier Sanitätsdetachements, welche vom 
«Rothen Kreuz» zur Bekämpfung des Flecktyphus in’s Kasan’- 
sche Gouvernement geschickt wurden, sind bereits 7 erkrankt, 
und zwar 3 barmherzige Schwestern, 1 Feldscher (der Student 
Tscheremuchin), 1 Felascherin und 2 Oekonominneu. Bei den 
meisten war der T\ phus ein recht schwerer. 

(Wolsb. Westn.-Wr.). 


— Es ist eine grosse Zahl von namhaften Gelehrten aller 
Nationen zu dem Zweck znsammengetreten, eine Sammlung 
zur Errichtung eines Denkmals für den grossen Physiologen 
Prof. Ernst v. Brücke, der bekanntlich im Beginn dieses 
Jahres verstarb, einzuleiten. Das Denkmal soll im Arkadenhofe 
der Wiener Universität, an welcher der Hingeschiedene mehr 
als 40 Jahre gewirkt hat, aufgestellt werden. — Zusendungen 
sind bis Ende Juli d. J. an Prof. S. Exner, Wien, IX., 
Schwarzspanierstrasse 17, zu richten. 

— Im Hinblick auf Nachrichten vom Auftauchen einer 
Choleraepidemie in Mesched (Persien) hat der Minister 
des Innern in Uebereinstiramnng mit der Resolution des Medici- 
nalraths vom 21. Mai d. J. es für nothwendig erachtet, die 
Ausgabe ausländischer Pässe an die nach Persien sich bege¬ 
benden Pilger zu sistiren. 

— In Paris erscheinen seit dem 1. Januar 1892 nicht 
weniger als 162 medicinische Zeitschriften, 17 mehr als 
im vorhergehenden Jahre. 

— In den Vereinigten Staaten von Amerika, wo die Annoncen 
in den Journalen die Hanpteinnahmeqnelle derselben bilden 
und ebenso wie in England, namentlich aber in Frankreich, 
den Redacteur häufig zu unwahren Aeussernngen zu Gunsten 
der Annoncirenden zwingen, erscheint seit Kurzem das erste 
medicinische Jonrnal «The Philadelphia Polyclinic», welches 
gar keine Annoncen annimmt. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 24. Mai d. J. 5471 (wie 
in der Vorwoche), darunter 298 Typhus — (17 mehr), 531 Sy- 

f ihilis — (7 weniger), 43 Scharlach — (4 mehr), 14 Diphtherie — 
1 mehr), 98 Masern — (16 mehr) und 16 Pockenkranke (8 we¬ 
niger als in der Vorwoche). 


Vacanzen. 

1) Das St. Petersburger Kreis-Landschaftsarot for¬ 
dert diejenigen, welche das Amt eines Sanitätsarztes des 
St. Petersburger Kreises übernehmen wollen, auf, sich 
bis zum 1. Juli d. J. in dem Landschaftsamte (Ecke des Sago¬ 
rodny Prospekt und der Swenigorodskaja Haus Nr. 44/2) zu 
melden. Gleichzeitig haben die Candidaten ihre wissenschaft¬ 
lichen Arbeiten, ein Curriculum vitae und ihre Documente 
einzureichen. 

2) Es wird ein freiprakticirender Arzt für den 
Flecken Remigola (Kreis Ponewesh im Gouv. Kowno) 
gesucht. Der nächste Arzt und die nächste Apotheke sind 
25 Werst entfernt Im Flecken existirt eine Dorfapotheke, 
welche verpachtet wird. Von dem Flecken erhält der Arzt 
15 Rbl. monatlich Quartiergeld. Nähere Auskünfte erhält man 
unter der Adresse: «M. IHaTU, Kobchckoö ry6., bt» airreKy 
BfijipureBHVa». 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Ftlr die Woche vom 17. Mai bis 23 Mai 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Ira Ganzen: 

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596 

125 75 117 

5 

5 

14 

55 

44 

48 

41 

35 

23 

8 

1 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 1, Typh. abd. 9, Febris recurrens 1, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 3, Masern 37, Scharlach 4, 
Diphtherie 10. Croup 1. Keuchhusten 4, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 30, Ery sipelas 3. Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 0, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyämie und Septicaemie 4. 
Tuberculose der Lungen 92, Tuberculose anderer Organe 5, 
Alkoholismus und Delirium tremens 2, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 42, Marasmus senilis 21, Krankheiten des 
Verdaunngscanals 60, Todtgeborene 27. 


Die Bibliothek des Vereins St. Petersburger 
Aerzte wird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 
Dienstag und Freitag vo n 4— 6 Uhr und am Mittwoch im 
Laufe des ganzen Tages. “W 


Bad Nauheim: Zur Behandlung kommen vorzugsweise 
Krankheiten des Rückenmarks (spec. Tabes), Rheumatismen, 


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Gicht, Chronische Magen- und Darmkatarrhe, Frauenkrank¬ 
heiten, Uterinleiden (Exsudate), Scroplmlose und als Specialität: 
Herzkrankheiten. 

Bad Homburg: Wirksame Brunnencur bei allen Mag;en- 
und Unterleibsleiden (Leber-, Milz-Leiden, Gelbsucht, Gicht, 
Fettleibigkeit). 


Saxlehners Bitterwasser Huniadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Purgativ durch folgende Vorzüge aue: Prompte und sichere Wir¬ 
kung; milder Geschmack; geringe Dosis; auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stuhl Verstopfung; Leberleiden; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 


ANNONCEN JEDER ART werden in der Buchhandlung von CARL RXCKER in 

St. Petersburg, Newsky-Pr. 14, sowie in allen in- und ausländ. Annoncen-Comptoiren angenommen. 


Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. 

Soeben erschienen: 1—1 

Grundriss der Gewebelehre. 

Ein Compendium für Stndirende 
von Dr. J. Disse, 

Prosector und Privatdocent in Götiingen. 

Mit 57 Holzschnitten. 8. geh. M. 3.— 

Semiotik und Diagnostik 

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von Nil Filatow, 

Professor der Kinderheilkunde an der K. Universität zu Moskau. 

Nach der zweiten russischen Auflage übersetzt 

von A. Hippius, 

Kinderarzt in Moskau, 
gr. 8. geh. M. 10.—- 

Jahrbuch der praktische!! Medicin. 

Herausgegeben im Verein mit einer Anzahl Specialisten 

von Geh. Sanitätsrath Dr. S. tuttmann 

in Berlin. 

Jahrgang 1802. 

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Heber Gamophagie. 

Ein Versuch zum weiteren Ansban der Theorie der Befruchtung und Vererbung 

von Josef Müller, 

8. geh. 1 M. 60 Pf. 

IHe Suggestions-Therapie 

bei krankhaften Erscheinungen des Geschlechtssinnes. 

Mit besonderer Berücksichtigung der conträren Sexualempfindung 

von Dr- A. Freiherrn von Schrenck-Notzing, 

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Wellenschlag, stein- und schlammfreier Strand. Warire Seebäder, Moorbäder, Massage, 
Heilgymnastik. Zwölf tüchtige Aerzte. Waldungen und schattige Parkanlagen unmittel¬ 
bar am Meere. Grosser Concertplatz mit geräumiger Strandhalle neben dem Strand¬ 
schloss. Hochgelegene Dünen-Promenudcn, weit ius Meer hinausführender Seesteg. 
Hochdruck-Wasserleitung und Kanalisation. Vorzügliches Theater und 
Kapelle. Directe Telephon-Verbindung mit Berlin und Stettin. 'Hotels und 
Badewohnungen in grosser Zahl und Auswahl. Miethspreise solid. Zahlreiche- Ver¬ 
gnügungen. Lesehalle. Eröffnung der Seebäder l.Juni. der Soolbäder einige Tage früher. 
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Adressen von Krankenpflegerinnen: 

Sophie Jordan, Bac. OcTp., IOxhh a- 11, 
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Antoinette Lücke, HcBCKift np., 32/34, 
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Frau A. M. Wiander, ß. 0. 7 a. *. 6, 

KB. 6. 

Marie Mohl, B. 0. 1 x. x- 44. kb. 3. 

M. Winkler, Moxoßaa yx. x. 29, kb 5, bei 
Frau Ewald. 

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Saison vom 15. Mai. Behandlung mit Ku¬ 
mys, eisenhaltigem Kumys, Kefir, verschie¬ 
denen Mineralwässern (nntiirlicheu und 
künstlichen); warme Bäder mit Zusatz 
verschiedener Substanzen; Elektrotherapie. 
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4 125 pro Monat. Daselbst eine Wohnung, 
möblirt und mit allen Bequemlichkeiten 
für 350 Rbl. zu vermiethen. 5—5 

I Dr. F. v. Chlapowski j 

j ordinirt, wie in den vorigen Jahren 1 

} in BAD KISSINGEN. 4-4 t 


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Mineral-. Sool-, Kiefern adelMoor-Bäder 
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Inhalationen für Häld- und Brustleidende, Molkenour. 
Heilgymn. Institut (Electrotherapie, Massage), Kaltwasserheilanstalt. 
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nions. Illumination, Feuerwerke, Saisonfeste. 
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Verwaltung zu Homburg v. d H. 1—1 


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Gebirgslage in den Karpaten, 590 Meter über der Meeresfläche. ß _. 
Von der Bahnstation eine Stunde entfernt. 0 6 

Our-Mittel: Neben klimatischen Bedingungen, eisenhaltige an Kohlensäure sehr 
reichhaltige, nach der Methode Schwarz erwärmte Mineralbäder (ira J. 1891 wurden 
über 34,500 verabreicht). Moorbäder mittelst Dampf erwärmt (im J. 1891 wurden 
12,000 verabreicht). Die bisherige Anzahl der Miueral-Badekabiuen wurde vermehrt, die 
Hälfte der Moor-Badekabinen wurde mit Dampfheizung versehen; weiters Trinkcur der 
Kryuica’er und Stolwina’er Mineralwässer, Molken, Kefir, ferner Gymnastik in dem 
hiezo im Park eigens erbauten Gebäude u. s. w. 

Wohnungen: Ueber 1500 mit grösserem und geringerem Komfort möblirte Zim¬ 
mer, gröestentbeilf mit Oefen versehen. Das Hotel czu den 3 Rosen» und das Zinshaus 
«zum Schloss» dienen Sur einstweiligen Unterbringung der neu angekommenen Gäste. 
Im Mal, Juni und September sind die Preise der Wohnungen sowie der Bäder billiger. 

Anlagen und Spaziergänge: Ein grosser Fichtenpark mit bequemen Fussstegen, 
zahlreichen Bänken and Plätzen zum Ausruheu und zur Unterhaltung, viele uäher und 
weiter gelegene Spaziergänge in der Ebene nnd im Gebirge, Ausflüge in die pracht¬ 
volle näher und weiter gelegene Umgebung. 

Zur Bequemlichkeit und Zerstreuung der Cui gäste bestehen mehrere Restau¬ 
rationen, Milchverschteisser, 2 Zuckerbäckereien, das prachtvolle Curhaus mit Ball-, Restau- 
rations-, Kartenspiel- und Billard-Sälen, eine Kegelbahn, Casino, 2 Bücherleihbibliothekeu, 
Theater aus Lemberg, Brunnen-Orchester unter Leitung des A. Wronski vom 21. Mai an, 
1 Photograph, VörkäUffeläden Und allerhand aus grösseren Städten anlangende Gewerbe- 
lente u. s. w. 

AusSer dem während der ganzen Badesaison ordinirenden k. k. Brnnuenarzte Dr. 
Ritter von Kopff tfben noch 7 Aerzte die Praxis aus. 

Jährliche Frequenz über 4600 Personen. 

Im Curorte selbst befindet sich die naoh den neuesten wissensohaft- 
liohefi Grundsätzen eingerichtete 

k. k. Wa88erheilan8talt (Hydropatische Anstalt) 

unter der Leitung des Speciallsten Dr. Ebers (im J. 1891 worden 26,100 hydropAtische 
Proceduren ä'usgefolgt). 

Die Gäste der k. k. Hydropatischen Anstalt können in der nach den Anforderungen 
der Hydrotherapie eingerichteten Privatpension des l)r. Ebers Unterbringung finden. 

Die Saison dauert vom 16. Mai bis Ende September. — Auf Verlangen eriheilt 
Aufklärungen die k. k. Cur-Verwaltung in Krynica. 


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Die Freunie un¬ 
serer Quelle wer¬ 
den gebeten beim 
Einkäufe auf die 
hier beigedrnck- 
te Schutzmarke 
(Portrait) zu 
achten. 






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Dfoguisteu und ♦ 

Apothekern. J 

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Instrum, in Sodalösung, als aueh zum Ste- 
rilisiren von Verbandstoffen etc. etc. 

Veröffentl. M 38 der Deutschen medie. 
Wochenschrift, Berlin 1891. 

Th. Schmucker, 


26—14 


Heidelberg (Badet 


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i Curort BADEN bei Wien, f 

Erdig-salinische Schwefelquelle (13Ther-T 
men von 25— 36° Celsius). T 
Bädergebrauoh während des gan-f 
izen Jahres. — Terrain - Curen. — a 
▼ Eröffnung der 8ommer-Saison amT 
i 1 . Mai. f 

I Frequenz im Vorjtihre 19,308 Personen. 1 
TDie Bäder dieser in reizender Landschaft Y 
fliegenden Thermen Stadt sind mit allemf 
I C'omfort auf dos Eleganteste und Zweck- a 
Ymässigste ausgestattet. V 

f Dem Publieum werden durch das neue^ 

f T Curhaus mit seinen grossen, pracht-1 
veilen Conoert-, Lese-, Conversa-T 
f tions-, Restnurations- «lud Spielsä-f 
I len,der neuen Trinkhalle,vorzüglichem! 
TSommertheater, sowie den praelit-Y 
fvollen Garten-Anlagen und sonstigen Ein-f 
Irichtangeu alle Annehmlichkeiten, Be-A 
Tquemlichkeiten und Vergnügungen einesT 
f Welt-Curortes goboten. — Baden ist^ 
I auch mit dem besten Trinkwasser aus der a 
▼ Wiener Hochquellenleitung ver-Y 
Aschen Gottesdienst: katholisch, evange-f 
I lisch, israelitisch. — Auskünfte und Pros-I 
Ypecte auf Verlangen gratis durch die Y 
^6-4 Our-Commission. f 




VT HIN "W EIS: 

Der Gesammtauflage dieser Nommer liegt ein Prospect der chemischen Fabrik Knoll & Co. in Ludwigs¬ 
hafen a. Rh. betreffend «Diuretin-Knoll» bei, worauf wir unsere Leser besonders aufmerksam machen. 


^oaa.qm.0o(L30Maa 1692r. Herausgeber: Dr.Th.▼.Schröder. Bnchdruckerei von Wienecke,Katharinenbofer-Pr. M 15. 


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XVII. JAHRGANG. 


ST. PETERSBUR6ER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Earl Dehio. Dr. Johannes Erannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die cSt. Petersburger Medioiuische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnamsnttprsis ist in Bossla&d 6 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark hnlbjtihrlich. Der Insertionspreig 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Origiualartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


BV* Abonnementi-Anftrig# sowie alle Inserate' “BPii 

bittet mau anssehliesslich an die Buchhandlung von Carl Moktr in 
St. Petersburg Newsky-Prospect NI 14, zu richten. — Hanuscripte 
sowie alle aufaie Redaction bezüglichen Mittheilnngen bittet man an 
den geschäftsführendeu Redactear Dr. Theodor von SehrSder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja JP 33,Quart. 3, zu richten. Sprecli- 
standen täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


INI 23 


St. Petersburg, 6. (18.) Juni 


1892 


Inhalt: Max von Strauch: Ein Fall von conservativem Kaiserschnitt. — Referate: R. du Bois-Rey morid: 
«Thierversuche mit den Rückständen von der Rectification des Chloroforms durch Kälte». — W. Tipjakow: «Zur Frage des 
Chloroforms und der Chloroformnarkose». — Neurologische Mittheilungen. — Bücheranzeigen nnd Besprechungen: 
F. W. Warfvinge: Jahresbericht über das Krankenhaus Sabbatsberg für 1890. — Auszug aus den Protokollen der 
Medicinischen Gesellschaft zn Dorpat. — Vermischtes. — Vacanzen. — Anzeigen. 


Ein Fall von conservativem Kaiserschnitt’). 

Von 

Max von Strauch 

(Moskau). 


Zu den grössten Seltenheiten gehören bei uns in 
Moskau enge Becken, die die Indication zum Kaiserschnitt 
abgeben. Da mir. ein solches vor Kurzem begegnete, 
erlaube ich mir diesen Fall der Oeffentlichkeit zu über¬ 
geben. 

Frau Tsch. ist 26 Jahre alt. In ihrer Kindheit bat sie 
keine schweren Krankheiten durchgemacht, ist aber stets 
sehr schwächlich gewesen. Zu gehen begann sie erst im 6. 
Lebensjahre. Die Regel stellte sich im 12. Jahre ein nnd 
wiederholte sich stets regelmässig, ohne jegliche Beschwerde. 

Im 19. Jahre verheirathete sich Pat. und wurde sofort 
schwanger. Am Ende der sonst normal verlaufenen Schwan¬ 
gerschaft wurde in der Gebäranstalt des. hiesigen Findelhan- 
ses, nach 46 ständigem Kreissen, der noch hochstehende Kopf 
perforirt. 

Inder zweiten Schwangerschaft machte ich am Ende der 24. Wo¬ 
che die künstliche Frühgeburt. Spontan wurde ein lebendes 
Kind geboren, das aber nach 7 Wochen an Schwäche starb. 

Die dritte Schwangerschaft nnterbrach ich am Ende der 36, 
Woche. Die Natnrkräfte reichten schon jetzt nicht mehr aus. 
selbständig den Kopf durch das enge Becken zu treiben. 
Nachdem bereits 4 ‘ij Stunden die Gebärmutter voll eröffnet 
war nnd trotz kräftiger Wehen der Kopf noch immer beweg¬ 
lich über dem Becken stand, sali ich mich genöthigt, die hohe 
Zange anzulegen. Nach 6 sehr kräftigen Tractionen passirte 
der Kopf mit einem Ruck den Beckeneingang und nnn konnte 
ich leicht ein etwas asphyktisches Mädchen entwickeln, das 
bald belebt wurde und bis heute noch lebt. (Diese beiden 
Fälle habe ich in meiner Ai beit «Ueber künstliche Frühge¬ 
burt» im Archiv für Gynäkologie Band XXXI Heft 3 unter 
Nr. 22 und 26 beschrieben). 

Auch nach dieser dritten Geburt entliess ich Frau T. mit der 
dringenden Mahnung, sich bei erneuter Schwangerschaft ja 
spätestens in der 30. W T oche vorzustellen. 

Nachdem die beiden letzten Frühgeburten aber so gut ver¬ 
laufen waren, folgte die wiederum Schwangere nicht mehr 
dieser Warnung. 


*) Nach einem Vortrage, gehalten in der «oömecrao pycoKHXi. 
Bpauefi bi» Mockb£» am 17. April 1892. 


In dieser vierten Schwangerschaft sachte sie mich am 30. Sept 
1891 in meiner Privatklinik auf. 

Sie gab an, die letzte Regel vom 7.—10. März gehabt zu 
haben; die erste Kindsbewegung verspürte sie am 24. Juli. 
Sie bat nur um Hilfe wegen ihrer Dyspnoe. 

Status praesens: die Schwangere ist nur 138 Ctm. hoch, 
Demnche Spuren überstandener Khachitis sind am Skelet 
nachzuweisen. Gesichtsfarbe und sichtbare Schleimhäute 
blass. Herz und Lungen normal. Vollständiger Hängebauch. 
Nabel verstrichen. Sehr starke alte Schwangerschaftsnarben. 
Ueber der Symphyse Hautödem. Die Beine auffallend abge¬ 
magert, nicht öaematös. 

Maasse des Beckens: 

Zwischen den Spinae ant. sup. 25,8. 

» den Cristae 27,5. 

» den Trochanteren 29. 

, Conjugat. externa 17. 

Conjugat. diagonalis 8,8. 

Becken umfang 82. 

Durch die ausserordentlich dünnen Baachdecken lässt sich 
die Frucht sehr deutlich in erster Schädellage palpiren. Der 
Kopf ist gross nnd fest und steht beweglich über dem 
Becken; denselben nach P. Müller ins Becken zn pressen, ge¬ 
lingt nicht mehr. Herztöne sehr deutlich in Nabelnöhe etwas 
nach links hörbar. 

Wir hatten somit ein allgemein verengtes, plattes, rhachi- 
tisches Becken mit einer Conjugata vera von 6,8 bis höchstens 
7 Ctm. vor uns. Die Schwangerschaft war bereits bis ans Ende 
der 38. W r oche gediehen. 

Nach den Erfahrungen der 3 früheren Geburten bei dersel¬ 
ben Frau konnte ich mit grosser Bestimmtheit sagen, dass 
eine sofort eingeleitete künstliche Frühgeburt nicht mehr zum 
Ziele geführt hätte. In der dritten Schwangerschaft gelang es 
mir in der 36. Woche nur mittelst schwerer Zange den Kopf 
durchs Becken zu ziehen und jetzt war das Ende der 38. Wo¬ 
che bereits erreicht. Selbst eine prophylaktische Wendung 
hätte jetzt wohl kaum ein lebendes Kind ergeben. 

Ich hatte also nur noch die Wahl zwischen Perforation des 
lebenden Kindes oder Kaiserschnitt. 

Nachdem ich der Schwangeren in gewissenhaftester Weise 
die Sachlage anseinandergesetzt hatte, ohne ihr die eventu¬ 
ellen Gefahren des Kaiserschnittes zu verheimlichen, schlug 
sie sofort die Perforation aus und drang auf den Kaiserschnitt. 
Die erste Gebnrt, bei der nach 46ständigen Wehen perforirt 
wnrde, bestimmte sie zu diesem Entschluss. Die damals über : 
standenen Qualen waren ihr noch zu frisch im Gedächtniss. 

Ich entliess hiermit die Schwangere mit der stricten Wei¬ 
sung, sich sofort in meine Klinik zu begeben, wenn sich Wic¬ 
hen einstellen sollten oder Fruchtwasser abflösse. 


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222 


Nach 9TTagen, am 9. Dec. 1891 um ö’/a^Uhr Nachmittags 
traf diejiebärende ein. Auch dieses Mal hatte sie nicht ge¬ 
wissenhaft meine Anordnung erfüllt. Bereits seit 11 Stunden 
verspürte sie Wehen, die den Muttermund schon auf 2 Quer¬ 
finger eröffnet hatten. Im Uebrigen war der Befund genau 
derselbe, wie vor 9 Tagen. 

Sofort wurde Alles zum Kaiserschnitt bereitet: die Schara- 
haare abrasirt, die Geschlechtstheile und der Unterleib in der 
Sitzwanne mit Seife und Bürste gehörig abgerieben, die 
Scheide mit 1:2000 Sublimat gründlich ausgescheuert und die 
Blase mit dem Katheter entleert. 

Die Wehen wiederholten sich sehr regelmässig alle 3—5 
Minuten mit stets zunehmender Stärke. Um 7 Uhr war Alles 
bereit. 

Der Muttermund war bereits auf 2*/* Querfinger offen und 
während der Wehe drängte sich die Fruchtblase stark in die 
Scheide. Herztöne sehr deutlich. 

Um 7 Uhr wurde Extractum secal. Wernichi 0,20 unter die 
Haut des rechten Oberarmes gespritzt. 

7 Uhr 10' begann die Chloroformnarkose. 

7 Uhr 15' eröffnete ich durch einen grossen Schnitt die 
Bauchhöhle. Der Schnitt begann 10 Ctm. oberhalb des Nabels, 
durchsetzte denselben und endete 5 Ctm. oberhalb der Sym¬ 
physe. Die Bauchdecken waren so dünn, dass ich mit dem 
ersten Schnitt den Peritonealüberzug der Gebärmutter ober¬ 
halb des Nabels trennte. Durch Scheerenschläge wurde die 
Bauchwunde so lange erweitert, bis es gelang die schwangere 
Gebärmutter mit der linken Seitenkante voraus vor die Bauch¬ 
decken zu wälzen. Unterhalb des Nabels, wo die Bauchhaut 
oedematös war, musste ich wegen starker venöser Blutung 6 
Pinces anlegen. Da nach Hervorwälzuug des Uterus der Darm 
nirgends prolabirte, nnterliess ich die sofortige Vereinigung 
des oberen Wundwinkels der Bauchdecken. 

Die Venengeflechte an den Seiten des Uterus waren kolossal 
entwickelt. Um das untere Uterinsegment legte ich eine elas¬ 
tische Ligatur und Hess dieselbe vom Assistenten nur hal¬ 
ten mit der directen Weisung sie nicht anzuziehen. Schnelle 
Messerzüge durch trennten die Kuppe und Vorderfläche der 
Gebärmutter. Im hohen Strahle schoss plötzlich Fruchtwas¬ 
ser hervor. Mit der Scheere wurde hierauf die Uterus wunde 
soweit verlängert, bis das Kind, das sich mit der rechten 
Hinterbacke in der Wunde präsentirte, leicht entwickelt wer¬ 
den konnte. Das Kind schrie sofort. Die Nabelschnur wurde 
zwischen 2 Pinces abgeklemmt, durchschnitten und das Kind 
der Hebamme übergeben. 

Die Uteruswand, die bei Durchtrennung derselben kaum 
J /a Ctm. dick war, wies jetzt, nach kräftiger Contraction, qjwa 
das 8 fache an Dicke auf. 

Erst jetzt wurde der elastische Schlauch angezogen, weil 
aus der rechten Schnittwunde des Uterus eine grosse Arterie 
spritzte. Die Schnürung wurde auch nur soweit bewerkstel¬ 
ligt, bis die Blutung stand. Die Placenta, die an der hinteren 
Uteruswand sass, und die Eihäute wurden leicht manuell ge¬ 
löst. Hierauf wurde die Uteruswunde durch 12 tiefe Seiden¬ 
nähte, die die Schleimhaut des Uterus freiliessen, geschlossen. 
Nach Knüpfung dieser tiefen Nähte lag die Serosa tadellos 
aneinander. 

Als nun der Schlauch langsam gelockert wurde, nahm das 
übrige Uterusgewebe ein dunkleres Colorit an, während die 
durch die tiefen Nähte abgeschnürten Theile eine weit hellere 
Nuance aufwiesen. 

Da zwischen den Nähten sich noch kleine Blutungen be¬ 
merkbar machten, wurden diese Stellen durch 10 theils halb¬ 
tiefe, theils oberflächliche Nähte versorgt. 

Nachdem sicher jede Blutung gestillt war, wurde der Uterus 
in die Bauchhöhle versenkt und die Bauchdecken durch 30 
tiefe Seidennähte, so exact wie möglich, geschlossen. 

Dauer der Operation 1 Stunde. 

Das Kind war ausgetragen und wog 3400 Grm. Seine Maasse 
waren folgende: Länge 48; zwischen den Schultern 12,5; zwi¬ 
schen den Trochanteren 9,5; Kopfumfang 34,8; grosser schrä¬ 
ger Durchmesser 14; kleiner schräger Durchmesser 12; grosser 
querer Durchmesser 9,5; kleiner querer Durchmesser 8,5. 

Somit sind alle Maasse des Kindes grösser, als die Durch- 
schnittsmaasse ausgetragener Kinder, nur die Länge steht um 
2 Cm. zurück. 

Die Operirte erwachte sehr bald aus der Narkose und klagte 
über starke Nachwehen. Da sich nach 2 Stunden reichlich 
Blutabgang aus der Scheide zeigte, wurde nochmals Extract. 
secal. Wernichi 0,20 subcutan applicirt. 

10 Stunden nach der Operation erreichte die Temperatur 
ihr Maximum £8,2, sonst war sie stets normal. 

Der Puls überschritt auch nicht die Zahl 100. DerAVochen- 
fluss war ausserordentlich spärlich. Am 16. Tage wurden die 
letzten Bauchnähte entfernt — die ganze Wunde war per 
primam verheilt. 

Am 20. Tage stand die Operirte auf und verliess am 22- 
Tage meine Anstalt. 

Das Kind, das sie selbst stillte, war prachtvoll gediehen. 


Eines Phänomens möchte ich noch gedenken, das, we¬ 
nigstens meines Wissens, nirgends beschrieben ist. 

Die 12 tiefen Uterusnähte Hessen sich sehr leicht an¬ 
legen, fast ohne Widerstand durchsetzte die Nadel die 
Uterusmuskulatur. Während ich sämratliche Nähte an¬ 
legte, contrahirte sich der Uterus mehrere Male. Als 
ich nun die entsprechenden Fadenenden erfasste und durch 
Hin- und Herziehen an denselben mich von ihrer Zusam¬ 
mengehörigkeit überzeugen wollte, gelang mir dieses 
nicht. Ich dachte anfänglich, dass ein Knoten im Faden 
dieses Manöver verhinderte oder dass ich nicht die zu¬ 
sammengehörigen Fäden ergriffen hätte. Sehr .bald aber 
konnte ich mich davon überzeugen, dass dieses Phäno¬ 
men durch Uteruscontractionen bedingt war. Da bei den 
Zusammenziehungen sich die einzelnen Muskellamellen 
des Uterus über und gegeneinander verschieben, ist es 
erklärlich, dass der durch das Uterusparenchym gelegte 
Faden gleichsam eingeklemmt wird. 

Resum6. 

1. Der conservative Kaiserschnitt ist eine leichte Ope¬ 
ration, weil er typisch und rein anatomisch ist. Beson¬ 
dere Ueberraschungen, wie z B. bei der Ovariotomie, 
kommen bei demselben nicht vor. 

2. Falls man warten kann, ist es stets zu empfehlen, 
bei voller Wehenthätigkeit zu operiren. 

3. Um sich eine gute Wehenthätigkeit während und 
nach der Operation zu sichern, ist es nöthig eine Vier¬ 
telstunde vor Beginn der Operation eine grosse Dosis 
Ergotin subcutan zu injiciren. 

4. Falls nach Herauswälzen des schwangeren Uterus 
hinter demselben keine Darmschlingen prolabiren, ist 
ein provisorischer Schluss des oberen Wundwinkels der 
Bauchdecken unnütz. 

5. Es ist entschieden ein Kunstfehler, den Uterus vor 
seiner Eröffnung durch die elastische Ligatur lest zu 
constringiren. Gerade durch die abgeschnittene Blutzu¬ 
fuhr stört man denselben in seinen regelmässigen Con- 
tractionen, die für die Blutstillung so unbedingt nöthig 
sind. Nur wenn es nach Entfernung des Uterusinhaltes 
wirklich stark blutet, ist die Ligatur anzuziehen und 
auch dann nur so stark, dass eben die Blutung beherrscht 
wird. 

6. Es ist sehr rathsam während der Operation recht 
häufig die äusseren Geschlechtstheile inspiciren zu lassen. 
Durch dieselben kann sonst leicht unbemerkt mehr Blut 
abgehen, als der Operirten zuträglich ist. 

7. Es ist gleichgiltig, welche Modification der Uterus¬ 
naht man anwendet; es muss nur eben die ganze Uterus¬ 
schnittwunde und das Peritoneum aneinanderliegen und 
auch die kleinste Blutung stehen. 

8. Wenn man bei stehender Blase und nicht zersetz¬ 
tem Uterusinhalt operirt, ist ein Auswischen des Uterus 
mit antiseptischen Tupfern zum wenigsten unnütz. 
Ebenso ist ein energisches mechanisches Abreiben der 
Uterushöhle nicht zu empfehlen. 

9. Der Wochenfluss nach conservativem Kaiserschnitt 
ist sehr spärlich, weil eben nur das Uteruscavum ihn 
liefert, während nach der Geburt per vias naturales sich 
an der Bildung der Lochien noch die lacerirte Cervix und 
die Vagina betheiligen. 


Referate. 

R. du Bois-Reymond: «Thierversuche mit den Rück¬ 
ständen von der Rectification des Chloroforms durch 
Kälte». (Therap. Monatshefte 1892, Heft 1). 

W. Tipjakow: «Zur Frage des Chloroforms und der 
Chloroformnarkose». (Wratsch 1892, Nr. 18). 

Prof. Pictet ans Genf (z. Z. Inhaber eines Laboratoriums 
in Berlin), der bekannte Physiker und Chemiker, dem es gelun¬ 
gen ist, die gasförmigen Elemente Sauerstoff und Wasserstoff 
[n den flüssigen Zustand zu bringen, hat neulich auf Veran* 


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lassung des Prof. Liebreich den Versuch gemacht, das Chlo¬ 
roform durch Ausfrieren zu rectificiren. Das so gewonnene 
Präparat, als «Chloroforminm medicinale Pictet» in den 
Handel gebracht, zeichnet sich durch seine vollkommene Rein¬ 
heit und bedeutendeHaltbarkeit aus.DasPrincipdesPictet’schen 
Verfahrens ist folgendes: Die durch Verdunstung einer ausser¬ 
ordentlich flüchtigen Flüssigkeit erzeugte Kälte wird zur Con- 
densirnng noch flüchtigerer Substanzen benutzt, doren Verdun¬ 
stung ihrerseits noch höhere Kältegrade hervorbringt. Die 
Verdunstung findet in durch Dnrapfpumpen erzeugtem Vacuum 
statt und dienen dieselben Pumpen wiederum als Compressoren 
zur Verdichtung des im Condensator sich ansammelnden Gases. 
Das Mittel der ersten Stufe, ein Gemenge von schwefliger 
Säure mit 2 pCt. Kohlensäure, liefert, bei 2 AthmoSphären 
Druck verflüssigt und dann im Vacuum verdampfend, eine 
Temperatur Von - 83°. Wird nun bei —83° das Mittel der zweiten 
Stufe, Stickoxydul, bei 10—12 Athmosph. Druck zu einer 
Flüssigkeit verdichtet und diese letztere verdunstet, so kommt 
eine Temp. von —135° zu Stande. Der dritte Stoff ist atmosphär. 
Luft, die, verflüssigt und sodann verdunstet, —213° erzeugt. 

Wird nun das Chloroform in der genannten Weise wieder¬ 
holt durch Kälte rectificirt, so bleibt, selbst wenn die besten 
gangbaren Sorten als Rohmaterial verwendet werden, ein un¬ 
brauchbarer Rest zurück, der ca. 3 pCt. des verbrauchten 
Chloroforms ausmacht. Wird der Rückstand durch Destillation 
concentrirt, so resultirt eine gelbliche Flüssigkeit, die nicht 
mehr nach Chloroform sondern eigentümlich aromatisch 
riecht. Dieser Rückstand sowie das rectificirte reine Präparat 
ist von Dr. du Bois-Reymond (Assistent des Prof. Pictet) 
im Liebreich’schen Laboratorium einer vergleichenden Unter¬ 
suchung unterworfen worden. Die Resultate der sehr einge¬ 
henden Thierexperimente sind folgendermaassen znsaromen- 
efasst: 1) An der Gestalt der Pulswelle und Frequenz 
er Athmung ist kein Unterschied zwischen der Wirkung 
des Rückstandes und der des Chlorof. medic. zu bemerken. 
2) Die Pulsfrequenz ist im Augenblicke des Athmungs- 
stillstandes bei Rürkstandseinathmnng grösser, als bei 
der des Chlorof. medic. 3) Der Blutdruck ist in der grossen 
Mehrzahl der Fälle im Augenblick des Athmungsstillstandes 
höher, wenn Chlorof. medic, als wenn Rückstand inhalirt 
ist. 4) Die Zeit,innerhalb deren die Einathmnng zum Still¬ 
stand der Athmung führt, ist bei Anwendung des Rück¬ 
standes bedeutend kürzer, als beim Chlorof. medic. und zwar 
verhalten sich die Zeiten durchschnittlich wie 7:11. Die 
anfgeführten Ergebnisse der Untersuchung beweisen mit Be¬ 
stimmtheit, dass in den unreinen Beimengungen des käuflichen 
Chloroforms Stoffe enthalten sind, welche die Athmung stärker 
und ungünstiger beeinflussen, als das krystallinische Chlorof. 
medic. Pictet. 

Vergleichende Versuche beim Menschen sind von Priv. 
Doc. Tipjakow im Ssaratow’schen Stadtkrankenhause ange¬ 
stellt worden. In Anwendung gezogen wurden 4 Sorten: 
1) Chlorof. pnriss. Merck, durch Destillation mit Kali hyper- 
mangan, gereinigt (Preis 1 Rbl. 80 Cop. pro 1 Pf. russ. =400 
Grm j; 2) Chlorof. puriss. gezeichnet mit der Marke EH (2 Rbl. 
25Cop. pro 1 Pf.); 3)Chlorof. e chloralo hydr. Schering (4 Rbl. 
pro 1 Pf.) und4)Chlorof. crystallis. Pictet (5 Rbl. pro 1 Pf.). 
Dnrchschnittsquantum des für die Narkose verbrauchten 
Mittels: bei den ersten 3 Sorten 180.0, bei dem Pictet’schen 
Präparat — 150,0. Alle Narkosen (420 Fälle, darunter 20 mit 
dem Pictet’schen Chlorof.) wurden in demselben Local und 
unter gleichen Bedingungen vorgenommen. Das Sch ering’sche 
Chlorof. giebt eine schwere andauernde Narkose mit Erbrechen; 
Kopfweh und Erbrechen nach dem Erwachen. Durch Morphium 
wird der Verlauf der Narkose nicht gelindert. Etwas besser 
ist das Merck’sche Präparat; das Chlorof. EH giebt eine 
bei Weitem leichtere, tiefere und ruhigere Narkose. Das 
Pictet’sche giebt, gleichgültig ob mit oder ohne vorherge¬ 
hende Morphiumeinspritzung, einen ruhigen und gleichmässigen, 
wenn auch langsam eintvetenden Chloroformschlaf, ohne Exci- 
tationsstadiam und ohne nachträgliches Kopfweh. Unter den 
3 mitgetheilten Fällen von Asphyxie, welche übrigens einen 
guten Ausgang nahmen, findet sich kein einziger mit dem 
Pictet’schen Präparat narkotisirter. Als beste und nament¬ 
lich für schwierige Operationen mit langdauernder Narkose 
geeignete Sorte wird demnach das Pictet’sche Chlorof. 
empfohlen, nächst diesem das mit der Marke EH gezeichnete 
Handelspräparat. • 

Bei schwächlichen Individuen und Herzkranken lässt T. 
während der Narkose intercurrent 0 inhaliren und hat er in 
dieser Weise selbst bei Kranken mit Insufflcienz des Herzens 
gute Narkosen erzielt. Alex. Natanson. 

Neurologische Mittheilungen. The Johns Hopkins Hospital 
reports Vol. II. Nr. VI. 

Das Hopkin’s Hospital zu Baltimore hat ein neues Heft 
seiner Mittheilungen erscheinen lassen, ausschliesslich neuro¬ 
logischen Inhaltes «Reports in Neurology I.» Als erster berichtet 
H. Berkley über einen Fall von Chorea und Psychose 
nebst einem Beitrage Über die Entstehung der Chorea durch 


Infection. Frl. A. 27 a. n. erkrankte am 17. December 1889 an 
heftigen Zuckungen der verschiedensten Mnskelgruppen. Vor 
11 Jahren rheumatische Erkrankung mit Schwellung des 
Schulter- und Ellenbogengelenkes. Vor 4 Jahren zweiter rheu¬ 
matischer Anfall mit heftigen Delirien, choreatischen Bewe¬ 
gungen und Ausgang in Genesung. Ein Bruder litt als Knabe 
von zehn Jahren an Chorea. Schlaflosigkeit, Sprachstörung, 
choreatische Bewegungen, Incontinentia urinae et alvi, rasch 
zunehmende motorische Unruhe und Verwirrtheit, Fieber, 
Schwellung in der Gegend des rechten Kieferwinkels, Rassel¬ 
geräusche, Stupor und Exitus letalis am 3. Januar 1890. Der 
sehr ausführlich mitgetheilte pathologisch anatomische Befund 
ergab acute Endocarditis, Parotisabscess, katarrhalische Pneu¬ 
monie beider Lungen, fettige Degeneration der Nierenepithelien 
und des Herzmuskels, endarteritische Processe an den Arterien 
und Venen des Gehirnes, Infiltration der Pia mit Rundzellen, 
Ansammlungen von Hyalinklumpen in den Perivascularräuroen. 
Dieselben Veränderungen an den Hirngefässen und in den 
Leptomeningen zeigte ein Hühnerhund, der an choreatischen 
Zuckungen erkrankt war. Die Choreakörperchen von Flechsig 
und Wollenberg sind wahrscheinlich als Kunstproducte 
anzusehen. B. sieht in den angegebenen Veränderungen die 
Wirkung eines specifischen Bacillus oder der Abschei¬ 
dungsstoffe desselben; die Chorea sei eine Allgemeinerkranknng, 
die mit besonderer Intensität Gefässe und Leptomeningen 
befalle. Ohne Zweifel ist dieser Schluss für eine bestimmte 
Grnppe von Choreafällen zutreffend, ob es aber gerechtfertigt 
ist, die Lehre von der Chorea so zu verallgemeinern, erscheint 
fraglich. Sicherlich verdanken eine Reihe von Choreafällen 
keiner infectiösen Ursache ihre Entstehung, ganz abgesehen 
davon,dass choreatische Bewegungen die verschiedensten Krank¬ 
heiten compliciren ohne eine echte Chorea darzustellen. 

Charles Simon bringt 3 Fälle von acutem angioneu- 
rotischem Oedem, die sich in ihrer Symptomatologie eng an 
die bekannte Casuistik anlehnen. Von Interesse ist ein 4. 
Fall, in dem sich Nephritis mit acutem angion. Oedem eombi- 
nirte und die Diagnose erschwerte. In solchen Fällen entscheidet 
nicht der Eiweissgehalt, sondern das Auftreten von Cylindern. 
Das acute angioneurotische Oedem ist in jüngster Zeit mehrfach 
Gegenstand der Bearbeitung gewesen und es wird hier noch 
die Aufmerksamkeit auf H. Banke: zur Aetiologie d. acut, 
ang. Hantoedems (Berliner klinisch. Wochenschrift Nr. 6.1892), 
hingelenkt, der die Casuistik vermehrt und die neueste Literatur 
berücksichtigt. 

Aug. Hoch bespricht an der Hand zweier Fälle die«Hae- 
matomyelia» und versucht diese Diagnose durch Symptome 
und Verlauf der Krankheit intra vitam zu begründen. 

1. Fall. Pat. wurde von einem c. 8 Fuss hoch herabfallenden 
Brett zwischen den Schultern getroffen. Am nächsten Tage 
Schmerzen, die bald schwanden. Nach 3 Wochen traten plötzlich 
Schmerzen zwischen den Schultern auf. die bis in die Arme 
hinein ausstrahlten und die von einer kurz andauernden Con- 
tractur der Arme begleitet waren. In etwa 10 Minuten moto¬ 
rische und sensorische Lähmung aller Muskeln mit Ausnahme 
der höher gelegenen Armrauskeln. Harnverhaltung. Am nächsten 
Tage Besserung des linken Beines. Rasch fortschreitende Bes¬ 
serung des rechten Beines und des linken Armes. Nach 3 
Wochen fand man nur noch einige Muskeln des rechten Vor¬ 
derarms gelähmt. Nach einem Monate waren die sensorischen 
Veränderungen geschwunden, aber es bestanden Lähmung und 
Atrophie gewisser Muskeln des rechten Armes. -- Sitz der 
Erkrankung zwischen dem VI., VII. und VIII. Cervicalnerven 
und dem I. Dorsalnerven. — Der 2. Fall verlief unter dem 
Bilde der Syringomyelie mit den Symptomen der Brown-Se- 
quard’schen Halbseitenlaesion. Ein Eisenbahnarbeiter stürzte 
von einem Zuge, ohne dass sein Rückgrat irgend eine Verletzung 
aufwies. Nach etwa 6 Tagen Schmerzen in den rechten Extre¬ 
mitäten und nach weiteren 6 Stunden völlige Lähmung des 
rechten Armes und Beines. Nach 3 Monaten Schwäche des 
M. triceps, pectoralis, der Flexoren und Extensoren und der 
kleinen Handmuskeln und Abnahme ihrer elektrischen Erreg¬ 
barkeit. Geringe Atrophie und Steifheit des rechten Beines. 
Verlust der Temperatur-und Schmerzempfindung auf der ganzen 
nicht gelähmten Seite. 

Den Beschluss des Heftes bildet Henry Thomas mit einer 
genauen anatomischen Beschreibung eines Falles 
cerebro-spinaler Syphilis. Ein 33jähriger Mann erkrankt 
im Januar an einer Lähmung des rechten VI. Hirnnerven und 
an starken Kopfschmerzen. Trotzdem er Lues in Abrede stellt, 
schwanden unter Jka die Erscheinungen sehr schnell. Im Mai 
desselben Jahres Kopfschmerzen und Lähmung des linken IV. 
Hirnnerven. Im November Lähmung des 3. und 4. Hirnnerven. 
Schwäche der Muskeln der rechten Körperhälfte und geringe 
Sentibilität88törungen, Coma und Tod. Orchitis syphilitica, 
Endarteritis syphilitica der Hirnarterien, Gummata des 3. und 
4. linken, des 6., 9. und 12. rechten Hirnnerven, Gumma der 
vorderen Wurzel des 4. Cervicalnerven. Meningitis spinalis. 
Poliomyelitis der Lumbaranschwellung des Rückenmarkes. 
Hyaline Degeneration in den Wandungen der kleinsten 
Gefässe. — Eine Reihe von Abbildungen illustrirt den Sitz 


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224 


der Gummigeschwtilste, die Arterien Veränderungen und den 
Schwand der grauen Substanz in dem lumbalen Theile des 
Rückenmarkes. B e h r (Riga). 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

F. W. Warfvinge: Jahresbericht über das Krankenhaus 
Sabbatsberg für 1890. (Stockholm 1891). 

Der vorliegende 12. Jahresbericht enthält zunächst den 
üblichen Zifferbericht, sodann: 

1) Warfvinge: Ueber das neue Operationsgebäude des 
Krankenhauses Sabbatsberg. 

2) Svensson: Ein Fall von Myositis ossiticans progressiva 
multiplex. 

3) Bexelius: Zwei im Krankenhause Sabbatsberg beobach¬ 
tete Fälle von Albuminuria cyclica. 

4) Svensson: Bruchoperationen, ausgeführt im Kranken¬ 
hause Sabbatsberg 1881—1890. 

5) Warfvinge: Resultat der Tuberkulinbehandlung im 
Sabbatsberger Krankenhause. 

Die Aufsätze sind mit Auszügen in deutscher Sprache 
versehen. Auf den Inhalt kommen wir wohl gelegentlich 
zurück. Buch (Willmanstrand). 


Auszug aus den Protokollen 

der Medicinisolien Gesellschaft zu Dorpat. 

Sitzung am 5. Februar 1892. 

Herr W. von Zoege-Manteuffel hält seinen angekün¬ 
digten Vortrag: Ueber Behandlung der acuten Go¬ 
norrhoe. 

Autorreferat. «M.H.INicht um wesentlich Neues zu bringen, 
sondern um eine viel ventilirte Frage auch hier ein Mal zur 
Sprache zu bringen, erlaube ich mir, Ihnen meinen Standpunct 
gegenüber der Behandlung der acuten Gonorrhoe darzulegen. 
Ruft doch die Frage der Therapie der acuten Gonorrhoe des 
Mannes bei dem wechselnden individuellen Verhalten des Kran¬ 
ken, bei dem Wechsel der Ex- und Intensität der Infection 
immer wieder wechselnde Anschauungen hervor. Schon seit 
langer Zeit stehen sich zwei Parteien gegenüber, die sich arg 
befehden: die eine will die Behandlung mehr exspectativ haben 
die a n d e r e sofort topisch. Wenn auch nun die letztere all- 
mälig sehr an Boden verloren hat. so kommen doch immer 
wieder, namentlich neuerdings, Empfehlungen einer topischen 
Behandlung im acuten Stadium der Gonorrhoe, so z. B. von 
Grünfeld und Anderen. Ja, einzelne Autoren empfehlen sogar 
nach eingetretener Complication diese locale Behandlung fort¬ 
zusetzen. Wenn nun auch diese Empfehlungen im Ganzen 
wenig Beifall finden werden, so sollen «milde Injectionen» doch 
die Äcnität des Processes beseitigen. Im Gegensatz dazu muss 
ich betonen, dass z. B. Finger (Blenorrhoeder Sexualorgane), 
dann aber auch Zeissl und Güterbock, ersterer allerdings 
weniger energisch als Finger, — die topische Behandlung 
bis zum Schwinden der acutesten Erscheinungen, so bis zur 
4.-5., ja 6. Woche hinausgeschoben wissen will, — eine An¬ 
schauung, der ich mich voll und ganz anschliessen muss. Ich 
habe nun, im Allgemeinen diesen Grundsätzen folgend, hier und da 
mir erlaubt, davon abzuweichen, indem ich sofortige topische 
Behandlung anwandte. Um mir Klarheit über die Resultate 
der Therapie zu verschafften, habe ich dann alle Fälle von 
Gonorrhoe, über deren ersten Anfang ich entweder Nachricht 
erhalten konnte oder den ich selbst zu beobachten Gelegenheit 
hatte, gesammelt. Da ich in früheren Jahren diesbezügliche 
Bemerkungen nicht eingetragen, konnte ich nur die Kranken 
des letzten Jahres (1891) aus meinem Journal zusammenstellen. 
Dabei ergab sich folgendes überraschende Bild: von 75 Fällen 
waren 32 sofort topisch behandelt, 7 verliefen davon ohne 
Complication, 25 waren complicirt durch Epididymitis, durch 
Urethritis postica 7, Blasenreizung 13, profuse chronische Ei¬ 
terung 2, Prostatitis 1, vereiterte Lymphdrüsen 2. Von den im 
acuten Stadinm nicht topisch behandelten 24 verliefen 21 ohne 
Complicationen, 3 bekamen Epididymitis. 4 Fälle sind garnicht 
primär hehandelt worden, 2 verliefen davon ohne weitere Stö¬ 
rung, in einem hatte sich Epididymitis, in einem Urethritis 
postica hifizugesellt. In 15 Fällen ist die sofortige topische 
Behandlung unklar vermerkt. Es handelt sich hier um Indi¬ 
viduen, die sich augenscheinlich vernachlässigt und undiäte- 
ti8ch gehalten haben. 3 sind trotzdem ohne Complicationen, 7 
mit Epididymitis, 5 mit Urethritis postica verlaufen. Wenn 
diese Zusammenstellung auch nur kleine Zahlen bringt, auch 
manche Fehler mit untergelaufen sein mögen, wie das bei 
einer Statistik aus einem Ambulan^journal wohl leicht geschieht, 
so sind die Zahlen doch so auffallend gruppirt, dass von einem 
Zufall da wohl kaum die Rede sein kann. Die Zahlen der ersten 
Rubrik sind vielfach, aber nicht ausschliesslich durch Anam¬ 
nese gewonnen, die Kranken kamen jedoch nicht der Compli¬ 


cation wegen zu mir, sondern fast durchweg einer chronischen 
Gonorrhoe wegen, so dass der Einwand, dass sie vielleicht der 
Complication wegen sich in Behandlung begeben und dadurch 
diese Rubrik belastet hätten, hinfällig ist. Es sind aber auch 
nicht besonders leichtsinnige Leute, die sich etwa schlecht 
gehalten. Die habe ich unter die letzte Rubrik zusammen- 

f ezählt. Ueber die Art der Behandlung kann ich leider keine 
usknnft ertheilen, jedenfalls haben sie alle gespritzt; was sie 
injicirt und auf wessen Verordnung, ob unter ärztlicher Leitung 
oder nicht, vermag ich nicht anzugeben. Es erscheint mir das 
auch aus dem Grunde ziemlich gleichgültig, weil die eigent¬ 
liche Behandlung doch stets in den Händen des Kranken selbst 
liegt. Bemerken muss ich ferner noch, dass es sich in allen 
Fällen um erste Gonorrhoe handelte. Wenn schon, m. H., diese 
Zahlen nicht beweisend genug erscheinen, so muss ich daran 
erinnern, dass dieselben mit den aus anatomischen Unter¬ 
suchungen gewonnenen Daten durchaus übereinstimmen. Wo 
sitzt denn das Virus im acuten Stadium? Nach Unter¬ 
suchungen von Bockardt gehen die Coccen bis in die Sub- 
mucosa, ja noch tiefer in das Gewebe des Penis hinein. Da 
kommen wir mit einer Einspritzung nicht heran. Können wir 
doch nicht einmal in alle Taschen und Falten der Harnröhre, 
da die Schleimhaut ödematös geschwollen isteindringeu. Wir 
spülen mit der Injectionsflüssigkeit besten Falls das ab, was 
sonst der Harnstrahl entfernt. Foroirte Injectionen werden 
vielleicht die Harnröhre dehnen. Sie weiden aber auch, wie 
Zeissl das hervorhebt, kleine Einrisse setzen und damit dem 
Eindringen des Virns in die Tiefe Vorschub leisten. 

Wir werden daher die topische Behandlung der acuten Go¬ 
norrhoe so lange aussetzen müssen, als das acute Stadium 
dauert, resp. so lange als noch erhebliche continuirljche Secre- 
tion, Schmerz beim Uriniren, Wulstung und Röthnng der 
Harnröbrenmündung bestehen. Erst wenn diese Erscheinungen 
zurückgegangen und nicht viel mehr als ein reichlicher Mor¬ 
entropfen nachgebliebeu ist, können wir zur Behandlung der 
chleimhaut mit Injectionen oder Antrophoren übergehen. Man 
wird vielleicht dagegen einwenden, dass die Kranken so direct 
dem chronischen Stadium in die Arme geführt werden. Nun 
m. H., dem entgehen sie meiner Meinung nach auch sonst 
nicht. Sie werden im besten Fall bei abnehmender Secretion 
im Glauben gewiegt, zu genesen. Mit einem diaetefischen 
Fehler, oft aber auch ohne diesen ist der Bon-jour-Tropfen da, 
den der Kranke allerdings oft übersieht. Das ist es, was die 
Injection im besten Fall leistet. Wie oft tritt, dieser beste Fall 
nun ein? Meiner Erfahrung nach so selten, dass wir kein 
Recht besitzen, auf wenige günstige Fälle uns stützend das 
Geschlechtsleben unsrer Patienten in die dringendste Gefahr 
zu bringen, vielleicht zu vernichten. 

Discnssion: 

Herr Kengsep spricht sich dahin aus, dass er bei acuter 
Gonorrhoe stets gleich mit Injectionen zu behandeln angefangen 
habe und zwar je früher mit desto besserem Erfolge. Seine 
Behandlung geht von der Betrachtung aus, dass das Virus so 
früh wie möglich abgetödtet oder in uer weitern Entwicklung 
gehemmt werden müsse. Für deu ersten Fall — frühzeitige 
Abtödtnng — sprechen die öfter mitgetheilten Fälle von 
Abortiveuren, welche so zu erklären wären, dass die Gono- 
coccen schon iui Orificium urethrae, der primären Infections- 
stelle, abgetödtet worden sind. Falls die Injectionen oder die 
Instillationen länger wie zwei bis drei Tage nach den ersten 
Infectionserscheinungen vorgenommen werden, so ist doch 
wenigstens noch für die Entwicklungshemmung der Gonococcen 
Aussicht vorhanden. Durch die Exspectativbehandlung dagegen 
ist dem Virus die Möglichkeit gegeben, ungestört in die Schleim- 
hautfalten resp. die krankhaften Morgagni’schen Lacunen ein¬ 
zudringen, von hier aus aber durch die Gewebsinterstitien 
sich in die tiefen Schichten zu begeben und gelegentlich Com¬ 
plicationen .Gonitidenj zu veranlassen. Complicationen hat er 
bei etwa 25 Fällen nur zwei zu verzeichnen gehabt,, eine Epi¬ 
didymitis — neben Injectionen wurde hier auch 01. Santali 
innerlich gegeben — und ein Bubo. Dem Beruf der betreffenden 
Patienten sind unzweifelhaft die Complicationen znzuschreiben. 
Bevorzugt wurden bei der Therapie verschiedene Concentra- 
tionen von Zinc. sozojodolic. und die Ricord’sche Emulsion. 
Pyridin hat sich nicht bewährt. Von der Behandlung mit 
Balsamicis, welche auch in neuem Handbüchern und Zeit¬ 
schriften empfohlen werden, hat er schon längere Zeit Abstand 
genommen, weil nirgends eine plausible Erklärung für die Art 
und Weise der Wirkung angegeben ist. 

Herr von Zoege:' Ob man die Vitalität der Gonococcen 
durch Antisept.ica in der gebräuchlichen Concentration beein¬ 
flussen könne, sei doch fraglich, jedenfalls könne man mit 
Antisepticis eine Infection nicht aseptisch machen. Was die 
Abortiveuren anlangt, so sei er auf dieselben nicht näher 
eingegangen, weil die Kranken meist so spät zum Arzt 
kommen, dass das Secret schon eitrig und damit der Versuch 
einer Abortivcur verboten ist. Abortive Versuche seien nur 
statthaft gleich nach dem inficirenden Coitus, in welchem Fall 
sie wohl mehr der Prophylaxe zuzuzählen sind, oder allenfalls 
noch im mucösen Stadium, Bockardt fand schon am 4. Tage 


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225 


post infectionem die Coccen in der Submucosa. Das gelte 
natürlich in vollem Umfange nur für erste Tripper. 

Herr Meyer ist überrascht über die statistischen Resultate, 
kann sie nicht mit seinen Erfahrungen in Uebereinstimmung 
bringen Die Wirkung des Salols, wie der Balsamica scheint 
noch nicht erwiesen, wie ausser den Erfahrungen der Privat¬ 
praxis auch die Veröffentlichungen aus den Hospitälern zu 
belegen scheinen. Die Faltenbildnng bei der acuten Gonorrhoe 
ist nach M. nicht Hinderniss für die Wirkung auf die ganze 
Schleimhautoberfläche. Er lässt den Patienten 2 Wochen lang 
liegen und dann Injectionen machen. Die abortive Therapie 
könne nur im allerersten Stadium mit sehr energisch wirkenden 
Mitteln versucht werden und in der That eventuell von grossem 
Nutzen sein. 

Herr von Zoege hat keine Erfahrung mit Zinc. sozqjodo- 
licum. Kali hypermangan. (Finger) wirkt entschieden schmerz¬ 
mildernd, das Ricord'sche Mittel ist ein starkes Adstringens, 
daher mehr bei chronischen Fällen zu empfehlen. Wenn die 
beiden Herren Collegen sich keine therapeutische Wirkung von 
den Balsamicis versprechen, so sei er allerdings nicht in der 
Lage, die Wirkungsweise derselben genauer anzugeben. Jeden¬ 
falls bedingen sie Diurese und lassen sich iui Harn schon durch 
den Geruch nach weisen. Ausserdem besitzt der Copaivabalsam 
doch gewissermaassen ein historisches Recht als Trippermittel 
da er ja schon von Hippokrates empfohlen sei. Wenn College 
Meyer meint, dass die Falten der Schleimhaut sich sehr wohl 
ohne Läsion durch die Infectionsflüssigkeit glatt streichen 
Hessen, so müsse er auf das endoskopische Bild hinweisen. Im 
acuten Stadium sei die Schleimhaut so geschwollen, dass sich 
meist nur ein rnndHcher Wulst, eine Falte in den Tubus 
einstelle. Auch den vom Collegen Meyer fixirten Termin zum 
Beginn für die Ipjection könne er nicht als allgemein gültig 
bezeichnen. 14 Tage sei meist zu wenig. Wichtig ist, dass die 
entzündlichen Erscheinungen, Priapismus, Chorda etc. bereits 
geschwunden sind. 

Herr Hartge hat die Erfahrung gemacht, dass die acut- 
purulenten Formen ohne topische Behandlung bei Ruhe und 
Diät in der Regel in 6—8—12 Wochen gut verliefen und 
möchte der exspectativen Behandlung der purulenten Formen 
gleichfalls das Wort reden. Anders mit den sogenannten suba¬ 
cuten Formen, welche am häufigsten CorapUcationen (Urethritis 
postica) hervorriefen. Die subacuten Tripper treten oft erst 
nach 8—14—20 Tagen post coitum auf und nehmen sofort 
einen chronischen Verlauf. 

Herr von Zoege: Bei den snbacuten Formen kann man 
schon früher eiugreifen, obgleich man auch hier vorsichtig 
sein muss; eine sichere Anamnese ist hier oft schwierig, es 
wurde der Coitus, da trotz der bestehenden Infection keine Be¬ 
schwerden vorhanden sind, dazwischen wieder ausgeübt, die 
Grenze zwischen dieser subacuten und chronischen Form sei 
sehr schwierig. 

Herr Meyer gründet sein Urtheil über die Balsamica auf eine 
Mittheilung eines österreichischen Militairarztes, dessen Re¬ 
sultate keinen wesentlichen Unterschied bei exspectativem Ver¬ 
fahren und bei Darreichung der Balsamica nachweisen konnten. 
Beim zweiten Tripper wolle er hinsichtlich der Gefahr einer 
Strictur keine Abortivcur. 

Herr Otto möchte sich die Frage erlauben über die Erfah¬ 
rung der Collegen hinsichtUch der durchschnittlichen Dauer 
einer ersten gonorrhoischen Infection? Er sei der Ueberzeu- 
gung, dass es extreme Fälle giebt, wo die relative Heilung 
schon nach 2—3 Wochen eintreten könne. Wie stelle sich nnn 
die Zeitdauer in Fällen, wo weder topische noch interne Be¬ 
handlung angewandt wurde, wo indess alle nothwendigen 
Cantelen: Rune, Bettlage, Enthaltung schädigender Nahrungs¬ 
und Genussmittel u. s. w. zur Anwendung kamen? Ein Ver¬ 
gleich in dem einen und anderen Falle bei selbstredend gün¬ 
stigen constitntionellen Verhältnissen dürfte am besten die 
Frage entscheiden, ob Behandlung oder exspectatives Ver¬ 
halten bei einer ersten gonorrhoischen Infection vorzu¬ 
ziehen sei. 

Herr von Gernet hat den gonorrhoischen Process nach 
2—3 Wochen ablaufen gesehu bei Bettruhe, Sitzbädern und 
internem Copaiva-Gebrauch. 

Herr von Zoege giebt die Dauer der Gonorrrhoe ohne 
topische Behandlung auf 6—8—10 Wochen an; die Patienten 
reagiren verschieden; es sei dabei auch die Quantität des 
aufgenommenen Virus maassgebend; Bockhardt hat einem 
Irren eine Pravaz’sche Spritze voll Reinculturen injicirt; nach 
4 Tagen trat der Tod ein (Urethritis, Periurethritis, Cystitis, 
Nephritis). 

Sitzung am 19. Februar 1892. 

I. Herr Gerlach hält seinen Vortrag: 2 Fälle von Dia¬ 
betes mellitus mit Jambulbehandlung. Mit der angeblich 
günstigen Wirkung des Syzygium jambolanum bei Diabetes 
melUtug stehen zwei in der Universitäts Abtheilung des Dor- 
patpr Bezirkshospitals beobachtete leichtere Fälle im Wider¬ 
spruch. Die Zuckerbestimmung wurde sowohl nach Fehling 
als auch mit dem neuen Fiebig’scjien Saccharometer ausgefnhrt. 


Als Ergebnis der in Curven dargestellten Zuckerbestimmung 
ergab sich, dass das Jarnbul weder im Stande war, bei massiger 
Lebensweise der Zuokerausscheidung zu steuern, noch auch 
die Folgen einer UnmässigkeR seitens des einen Patienten zu 
paralysiren. Vortragender empfiehlt hinsichtlich des in Rede 
stehenden Mittels eine gewisse Skepsis, wenngleich der Miss¬ 
erfolg der Jambulbehandlung in seinen Fällen auch auf einer 
Verschiedenheit der Diabetesformen beruhen könnte, wie es 
sich bei Berücksichtigung der Arbeiten von Minkowski und 
von v. Mering ergiebt, welche experimentell einerseits durch 
Pankreasexstirpation eine «pan kroatische». andrerseits durch 
Phlorrhizin eine «nephrogene» Form der Zuckerharnrnhr ent¬ 
stehen sahen. 

•II. Herr Dehio referirt einen Fall von Apoplexia »an- 
guinea cerebri bei einem Mann von 57 Jahren. Es fand 
sich eine plötzlich entstandene linksseitige motorische und 
sensible Hemiplegie mit gleichzeitiger homonymer lateraler 
Hemianopsie, durch welche die linke Hälfte des Gesichtsfeldes 
beider Augen verloren gegangen war. Während nun die 
motorischen Störungen nnd die Hemianaesthesie sich allmälig 
besserten, blieb die Hemianopsie unverändert, woraus geschlossen 
werden musste, dass der apoplektische Blutherd im Hinter- 
hanptslappen der rechten Hirnhemisphäre gelegen sei. Die 
motorischen und sensiblen Störungen mussten also als jndirecte 
Herdsymptome aufgefasst werden, bewirkt durch den Druck 
des Herdes auf seine Umgebung. Die Section bestätigte diese 
Annahme. Der Fall wird durch Herrn P. Brasche in dieser 
Wochenschrift in extenso veröffentlicht werden. (St. Peterb. 
med. Woch. Nr. 12). 

III. Herr Dehio berichtet über einen von ihm beobachteten 
Fall von schwerer perniciöser Bothriocephalus - 
Anaemie. In den Faeces des 36 jährigen äusserst anaetni- 
schen schwachen Mannes fanden sich massenhaft Bothrioceplia- 
luseier. Die Krankheit endete letal, aber bei der Section 
fand sich, wie das schon öfter beobachtet worden isL kein 
Bothriocephalus, wohl aber waren auch in dem der Leiche 
entnommenen Darminhalt massenhaft die Eier dieses Paiasi- 
teu vorhanden. Am drittletzten und vorletzten Lebenstage 
des Kranken waren Blutkörperehenzählungen vorgenommen 
worden, welche 68,000 resp. 72,000 rothe Blutkörperchen im 
Cub. MilUm. Blnt ergaben. Am letzten Lebenstage wurden 
dem Kranken 1110 Cub. Ctm. physiologischer Kochsalzlösung 
intravenös injicirt und gleich darauf wiederum die Blutkör¬ 
perchen gezählt, deren sich nun blos 47,000 pro Cub. Millim. 
Blut vorfanden. Aus diesen Zahlen lässt sich berechnen, dass 
das gesammte im Körper des Kranken vor der Kochsalzinfu¬ 
sion vorhandene Blutquantum 2,35 Liter betragen hat. Der 
Pat wog 52,4 Kilo und hätte 6omit als normales Quantum 
3,8 Liter Blut beherbergen müssen. Es ist somit der Beweis 
geliefert, dass in diesem Fall die perniciöse Anaemie nicht 
nur eine relative Verminderung der Blutkörperchenzahl, son¬ 
dern auch eine sehr bedeutende Reduction der gesammten 
Blutmasse bewirkt hatte. Vortragender behält sich eine aus¬ 
führliche Veröffentlichung des Falles vor. 

Herr Meyer fragt, wie viele Stunden vor der Kochsalzin¬ 
fusion die letzte Zählung der Blutkörperchen stattgefunden — 
ferner ob klinisch oder patholog. anatom. capilläre Darmblu¬ 
tungen nachweisbar gewesen ? 

Herr von Sahmen führt in Fällen scheinbaren Misserfol¬ 
ges der Bandwurmcur die vorübergehende Verschlimmerung 
des Allgemeinbefindens auf Resorption des verdauten Band¬ 
wurmes (Ptomainwirkung) zurück. 

Herr Dehio stimmt Herrn v. Sahmen vollkommen bei; Herrn 
Meyer erwidert er, dass die erste Zählung 48, die zweite 24 
Stunden vor der Infusion stattgefunden habe. Darmblutun- 
en seien nicht vorhanden gewesen, wohl aber katarrhalische 
chwellung des Dickdarms und amyloide Degeneration der 
Darraschleimhaut. z. Z. Secretär: Robert Koch. 


Vermischtes. 

— Den 11 Ssaratowschen Landschaftsärzten, welche 
wegen des Conflictes mit dem Landschaftspräsidenten Kro- 
potow ihren Abschied genommen haben, sind neuerdings 
wieder von dem Tschernigowschen Kreis-Sanitäts- 
conseil, der Tambow’schen medicinischenGesellschaft 
und dem Neshin’schen ärztlichen Verein Kundgebun¬ 
gen zugegangen, in welchen denselben die volle Zustimmung 
und Sympathie der genannten Vereine ausgedrückt und zugleich 
bedauert wird, dass die Ssaratowschen Aerzte zum Quittiren 
ihrer nutzbringenden Thätigkeit gezwungen worden sind, indem 
sie in eine derartige Lage versetzt wurden, dass ihre Arbeit 
keine erfolgreiche mehr sein konnte. 

— Die hiesige Zeitung «Russkaja Shisn» bringt die befrem¬ 
dende Nachricht, dass der Gouverneur von Ssaratow die ver¬ 
abschiedeten Landschaftsärzte des Ssaratowschen Kreises, 
welche bereits Stellungen als Landschaftsärzte in anderen 
Kreisen desselben Ssaratowschen Gouvernements gefunden 
haben, in ihren neuen Aemtern nicht bestätigt habe. 


v 


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226 


— Dr. P. P. Kaschtschenko theiltim «Wratsch» das Ver¬ 
zeichniss der im Gouvernement Nishni- Nowgorod in letzter 
Zeit am Flecktyphus erkrankten Aerzte und Perso¬ 
nen des niederen medicinischen Personals mit: A) Es 
sind bereits genesen oder befinden sich in der Genesnng — 

1) Dr. W. J. Kossarew, Leiter des städtischen Baracken¬ 
hospitals für Infectionskrankheiten; 2) Dr. J. S.Treskinski, 
Gefängnissarzt in Nishni-Nowgorod; 3) Dr. N. M. Feschin, 
Landschaftsarzt des Arsamass’schen Kreises; 4) Dr. A. P. 
Skworzow, Landschaftsarzt des Makaijewschen Kreises; 5) 
Dr. N. A. Liwanow, Landschaftsarzt des Balachnäschen 
Kreises; 6) Dr. B. M. Erbstein, Landschaftsarzt des Luko¬ 
janowschen Kreises; 7) Dr. A. N. Ssacharow. Landschafts- 
arzt de« Lukojanowschen Kreises; 8) Dr. E. J. Samosski, 
Landschaftsarzt des Ssemenowschen Kreises; 9) Die Hebamme 
S. Berkowitsch der Sanitätsabtheilung im Ssergatsch- 
schen Kreise; 10) Die Feldscherin M. Kamenskajaim Luko¬ 
janowschen Kreise; 11 1 Die barmherzige Schwester Russi- 
nowa, Frau eines Arztes, im Lukojanowschen Kreise; 12) Die 
barmherzige Schwester Rnsseikina, im Lukojanowschen 
Kreise. — B) Am Flecktyphus liegen noch gegenwärtig dar¬ 
nieder: 1) die Aerztin Lurje, im Makaijewschen Kreise; 2) 
der Student der Kiewschen Universität A. Rnbio, von der 
Lukojanowschen Sanitätsabtheilnng. C) Gestorben sind: l)Dr. 
J. K. Malischewski, Leiter des temporären Typhushospitals 
in Nishni-Nowgorod; 2) Dr. W. N. Rosanow, Chef des Sani- | 
tätsdetachements im Lukojanowschen Kreise. 3) Der Inspector | 
des Gouv.-Landschaftshospitals in Nishni-Nowgorod A. W. 
Pankow. 4) Der Inspector des Landschaftshospitals in 
Balachna. 

— Verstorben: 1) Am 13. April in Kasan der Arzt Le- 
bedew, welcher sich erschossen hat. 2) In Kasan der Stud. 
med. des V. Cnrsus Nikolai Nasarow, welcher an einem 
Tynhushospital daselbst thätig war, am Flecktyphus. 3) In 
Budapest der ehemalige Professor der Chirurgie und Augen¬ 
heilkunde an der Universität Klausenburg, Dr. Emil Nagel, 
im 75. Lebensjahre. 4) In Prag der frühere Professor der 
Psychiatrie an der dortigen Universität Dr. Jakob Fischei. 
zuletzt Director der Prager Irren-Heilanstalt, im 79. Lebens¬ 
jahre. 5) Am 24. Mai in Helsingfors Dr. L. Krohn, früherer 
Docent der Chirurgie an der Helsingforser Universität, im 55. 
Lebensjahre. Der Hingeschiedene war ein geborener Peters¬ 
burger und hat als Arzt den deutsch-französischen und rnssisch- 
türidschen Krieg mitgemacht, in letzterem als Chef der finnlän- 
dischen Ambulanz. 

— Einweihung des Langenbeck-Hauses. Der dies¬ 
jährige (XXI.) Congress der deutschen Gesellschaft 
für Chirurgie, welcher bekanntlich wegen der Eröffnung 
des Langenbeckhauses auf die Zeit nach Pfingsten verlegt 
worden war, wurde am 3. Pfingstfeiertage durch ein geselliges 
Beisammensein im Central ho tel in Berlin eingeleitet. Am näch¬ 
sten Taee (8. Juni n. St.) fand dann die feierliche Einwei¬ 
hung des Langenbeckhauses in Gegenwart einer glän¬ 
zenden Versammlung statt, in welcher sich Prinz Friedrich 
Leopold als Vertreter des deutschen Kaisers, mehrere Mi¬ 
nister und Generale, Glieder der Familie Langenbeck, sowie 
zahlreiche Vertreter der deutschen Chirurgie und der ver¬ 
wandten Wissenschaften befanden. 

Nachdem das Fest mit den Klängen einer Festmotette einge¬ 
leitet worden, begrüsste der diesjährige Vorsitzende des Chirur- 
gencongregses, Prof. v.Bardeleben, dieFestversamralung mit 
eiher Ansprache, in welcher er eine Skizze der Geschichte des 
Langenbeckhauses entwarf und darauf hinwies, dass der Ge¬ 
danke, statt eines Langenbeckdenkmals ein Langenbeckhaus 
zum bleibenden Andenken an den grossen Meister der Chi¬ 
rurgie zu errichten, der verstorb. Kaiserin Augusta den 
Ursprung verdankt, welche ebenso wie der deutsche Kaiser 
auch die Ausführung des Gedankens durch erhebliche Beiträge 
zu den Baukosten ermöglicht hat. Redner schloss mit einem 
Hoch auf den Kaiser. 

Hierauf betrat Prof, von Bergmann die Rednerbühne, um 
als Bevollmächtigter für den Bau des Langenbeckhauses den 
Rechenschaftsbericht abzustatten. Er wies zunächst auf die 
Bedeutung des Tages für die ärztliche Welt Deutschlands als 
eines wichtigen Abschnittes in der Entwickelung ihres Standes 
und ihrer corporativen Bedeutung hin. Die Zeiten der geschlos¬ 
senen Zunft und der mit Sonderheiten und Privilegien ausge- 
statteten Innung seien zwar längst vorüber, aber was in der 
zerbrochenen Form an Geist und Bedeutung steckte, das möge 
sich auch heute noch diejenige Körperschaft wahren, deren 
einheitliche Aufgabe der Menschen menschlichster Beruf ist: 
der Kampf mit der Krankheit, sodann das Bewusstsein der 
gemeinsamen naturwissenschaftlichen Methode der ärztlichen 
Arbeit. Gerade um auch in der Praxi» diese Strenge der Berufs¬ 
auffassung den Aerzten zu erhalten, seien die wissenschaft¬ 
lichen Vereinigungen nothwendig und daher sei die Freude 
der deutschen Aerztewelt an dem Gelingen eines Werkes, 
welches sie diesem Ziele näher gebracht hat, eine allgemeine. 
Im Langenbeckhause sei für die deutsche chirurgische Gesell¬ 
schaft ein ständiges Heim geschaffen worden, ein gesicherter 


Besitz auf eigenem, freier Selbstbestimmung übergebenem Grund 
und Boden. Die Einweihung dieses Hauses sei daher ein Merk¬ 
stein in der Entwickelung der medicinischen Gesellschaften 
Deutschlands, ein grosser und wichtiger Schritt vorwärts auf 
der von ihnen eingeschlagenen Bahn. Im weiteren Verlaufe 
schilderte Redner die Entwicklungsstadien des Langenbeck¬ 
hauses, woran sich der Bericht über die flnancielle Seite des 
Baues schloss. Nachdem die deutsche Gesellschaft für Chirur¬ 
gie ihr ganzes Vermögen, ca. 110,000 Mark in den Dienst der 
Sache gestellt und anch die Berliner raedicinische Gesellschaft 
10,000 Mark als zinsfreies Darlehen für den Bau hergegeben, 
fehlten zur Ausführung des geplanten Baues noch beträcht¬ 
liche Summen. Jedoch bereits im Laufe eines Jahres liefen 
durch die in Deutschland und im Auslande veranstalteten 
Sammlungen zum Besten der Stiftung grosse Summen ein. 
Das preussische Herrscherhaus betheiligte sich an erster 
Stelle daran. Kaiser Friedrich, die Kaiserin Augusta. der 
Grossherzog von Baden, der Prinz Ludwig Ferdinand von 
Bayern traten an die Spitze der Sammlung. 

Die deutschen Aerzte in Nordamerika sandten 10,000 Mark, 
die russischen Militärärzte sandten 2000 Mk; die Berliner 
Kaufmannschaft spendete 12,000 Mk., das Haus Mendelsohn 
10,000 Mk. Andere Privatpersonen und namentlich die ärztl. 
Gesellschaften in den verschiedenen deutschen Ländern und 
Städten folgten. Die reichsten Gaben flössen aus Berlin (mehr 
als die Hälfte), dann aus München u. s. w. Im Ganzen sind 
durch die Sammlung 108.000 Mark zusammengebracht worden. 
Von Kaiser Wilhelm II. wurde der deutschen Gesellschaft 
für Chirurgie ausserdem ein Geschenk von 100,000 Mark 
bewilligt. 

Als aer Kauf des Grundstückes zur Errichtung des Langen¬ 
beckhauses neben der chirurgischen Klinik in der Ziegelstrasse 
vollzogen wurde, gebot die Gesellschaft über 100,000 Mark 
eigenes Vermögen, 108.000 Mk. aus der Sammlung, 10,000 Mk. 
aus einer letetwilligen Verfügung der Kaiserin Augusta, 
10,000 Mk. Vermögen der Berliner med. Gesellschaft in Allem 
über 228 T. Mk. die noch fehlenden 12,000 Mk. zum Kauf des 
Platzes (240,000 Mk.) gewährte als zinsenloses Darlehen ein 
hochherziger Berliner Arzt. Für die Baukosten, welche auf 
300,000 Mk. veranschlagt sind, blieben nur die vom Kaiser 
geschenkten 100.000 Mk. übrig. Es mussten daher die fehlenden 
200,000 Mk. durch eine Hypothek beschafft werden, die zunächst 
während des Baues die Mecklenburgische Hypothekenbank 
durch Vermittelung der deutschen Bank hergegeben hat Zur 
theilweisen Tilgung dieser Hypothekenschuld ist bereits Aussicht 
vorhanden, indem ein hochherziger Arzt am Rhein der deut¬ 
schen Gesellschaft für Chirurgie angezeigt hat, dass nach 
seinem Tode ein Capital von 100,000 Mk. ihr zufallen wird. 
Die Berliner med. Gesellschaft hat nicht blos die 10,000 Mk. 
ihres Capitals zinsenfrei der Stiftung zugewandt, sondern sie 
zahlt auch für den Sitzungssaal zu ihren wöchentlichen Sitz¬ 
ungen und die Räume für ihre Bibliothek eine Jahresmiethe 
von 5000 Mk. für die nächsten 23 Jahre. 

Noch auf andere Miethserträge rechnet die chirurgische Ge¬ 
sellschaft. Sie will auch anderen gelehrten Vereinen und 
Versammlungen, welche bis jetzt keine geeigneten Sitzungs¬ 
säle gefunden, die schönen Räume ihres Hauses zur Verfü¬ 
gung stellen. Dadurch meint sie am Besten die Erinnerung 
an den Meister ihrer Kunst, dessen Namen das Hans trägt, 
zu wahren. 

Es herrscht nur eine Stimme der Befriedigung über das so 
schön Gelungene und aufrichtig darf man die Männer beglück¬ 
wünschen, welche mit kühnem Muthe dieses Werk begonnen 
und so glänzend durchgeführt haben! Bf. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 31. Mai d. J. 5416 
(55 weniger als in der Vorwoche), darunter 306 Typhus — 
(8 mehr), 521 Syphilis — (10 weniger), 43 Scharlach — (wie in 
der Vorwoche), 19 Diphtherie — (5 weniger), 83 Masern — 
(15 weniger) und 14 Pockenkranke (2 weniger als in der Vor¬ 
woche). 


Vacanzen. 

1) Es wird ein Arzt für den neugebildeten medicinischen 

Bezirk im St.awropolschen Kreise(Gonv.Samara) gesucht. 
Es befindet sich im Bezirk ein Krankenhaus mit_ 5 Betten. 
Gehalt nebst Qnartiergeld 1000 Rbl. jährlich, bei freien Amts¬ 
fahrten. Adresse: «Bi» r. OraBponojii», CaMapcicofi ry6., bi. Yfo- 
nyio BeMCKyw YnpaBy». , 

2) Im Kreise Wessjegonsk (Gouv. Twer) ist eine Land¬ 

schaftsarztstelle vacant. Die Meldung geschieht unter 
Beifügung der Documente bei der «BecteroHCKaa BeMcnaa 
ynpaßa». _ 


■0“ Die Bibliothek des Verein« St. Petersburger 
Aerzte wird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 
Dienstag und Freitag vo n 4— 6 Uhr und am Mittwoch im 
Laufe des ganzen Tages. 


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Bad Kissingen: Angewendet bei cbron. Magen- und Darm¬ 
katarrh, habitueller Stuhlveistopfung, chrou. Katarrh der 
Gallenwege und Nierenbecken, chron. Blasenkatarrh, Leber- 
nnd Milzschwellung, Haemorrlioiden, chron. Entziindungspro- 
dncten (Exsudate), Fettleibigkeit, Gicht, Rheumatismus, Bleich¬ 
sucht, Scrophulose, Rhachitia, Hautkrankheiten, chron. Erkran¬ 
kungen der Respirationsorgane, durch Herzklappenfehler und 
Fettherz veranlassten Kreislaufstörungen, Frauenkrankheiten, 
Erkrankungen des Nervensystems, Folgekrankheiten der 
Influenza. 

Biliner Sauerbrunn! Altbewährte Heilquelle für Nieren-, 
Blasen- und Magenleiden, Gicht, Bronchialkatarrh, Hämorrhoi¬ 
den, etc. Pastilles de Bilin (Verdauungszeltchen). Vorzüg¬ 
liches Mittel bei Sodbrennen, Mageukatarrhen, Verdauungs¬ 
störungen überhaupt. 


Curort Gleichenberg: Mach Influenza zurückgebliebene 
katarrhalische Reizungszustände und nervöse Störungen, so¬ 
wie frische und veraltete Katarrhe der Athmungsorgane wer¬ 
den am raschesten zum Verschwinden gebracht durch die 
Gleichenberger Constantinsquelle. Für Kinder und empfind¬ 
lichere Constitutionen passt besser die Gleichenberger Emma¬ 
quelle. 

Saziehners Bitterwasser Huniadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Purgativ durch folgende Vorztge aus: Prompte und sichere Wir¬ 
kung; milder Geschmack; geringe Dosis: auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stuhl Verstopfung; Leberleiden; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 


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Herausgeber : Dr. Th. v. Schröder. Ruchdruckerei vou Wieuecke, Kathariueohofer-Pr.-.V ly- 


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XVII. JAHRGANG. ST. PMERSBlIRfiliR Neue Folge IX. Jahrg.. 

HEDICINISCIE WOCHENSCHRIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Sr. Karl Dehio. Sr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Sr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden | 
Sonnabend. — Der Abonfltmsntsprtls ist in BlUfland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den an&tru 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Zmertionspnis 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfeon.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate '‘W 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung vou Carl Bioker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect J4 14, zu richten.— Kanusoripte 
sowie alle aul'die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau au 
den geschftftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja J# 33, Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich von 2—4 Uhr Rachm., ausser Souutags. 


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St. Petersburg, 13. (25.) Juni 


1892 


Inhalt: G. Amburger: Ueber Athempausen. — Referate: Th. Wevl: Zur Theorie der Immunität gegen Milz¬ 
brand. — S. Kitasato: Gewinnung von Reinculturen der Tuberkelbaciüen and anderer pathogener Bakterien ans Sputum. — 
E. Niebergall: DerHaematokrit. — P. J. Möbius: Ueber die Basedow’sche Krankheit. — Bücheranzeigen und Bespre¬ 
chungen: Carl Laker: Die Heilerfolge der inneren Schleimhautmassage bei den chronischen Erkrankungen der Nase, des 
Rachens, des Ohres und des Kehlkopfes. — Protokolle der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. — Kleinere 
Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Mortalitäts-Bnlletin St. Petersburgs. — 
Anzeigen. 


Vierter Aerztetag 

der Gesellschaft livländiscber Aerzte. 

Der vierte Aerztetag der Gesellschaft livländischer Aerzte 
findet-Sh Wenden statt and.währt «nm. 14 .T~l 6 . September 
d. Jahres. 

Vorträge, deren Dauer die Zeit von 15 Minuten nicht über¬ 
schreiten darf, werden die Herren Aerzte ersucht, unter 
genauer Angabe des Themas and kurzer Wiedergabe des 
Inhalts baldmöglichst, spätestens aber bis zum 1. Angust c. 
bei Unterzeichnetem anzumelden. 

Im Namen des Vorstandes: 
d. Z. Präses: Dr. H. Truhart — Fellin. 

Ueber Athempausen. 

Von 

Dr. G. Araburger. 

St. Petersburg. 

Das Cheyne-Stokes’sche Respirationsphänomen hat 
durch die Seltenheit seines Vorkommens, durch seine 
ernste Bedeutung, durch sein frappantes Bild von jeher 
das Interesse des Arztes gefesselt. Alle Erklärungsver¬ 
suche für diese pathologische Erscheinung mussten auf 
der Basis unserer Kenntnisse von der Innervation der 
Athembewegungen gebaut werden; diese Kenntnisse sind 
aber erst in jüngster Zeit erneut und erweitert worden: 
ich erwähne hier nur der Entdeckung mehrerer Centra 
für die Athembewegung, der Constatirung erregender und 
hemmender Nerven, die zu den automatischen Centren 
führen, endlich der isolirbaren Hemmungscentra für die 
Respiration in der Hirnrinde. 

Physiologisch verläuft die Respiration so, dass O-armes 
Blut als regulärer und beständiger Reiz während des 
Lebens auf die automatisch arbeitenden Centra wirkt und 
ihre rythmische Thätigkeit unterhält; letztere wird durch 
psychischen Einfluss in gewissem Grade, ferner reflecto- 
risch durch Sinneseindrücke, sensible Nervenreize auf 
verschiedenen Bahnen, ferner durch Erregung best im mter, 


4 

Reflexe auslösender Nerven, endlich durch die Thätigkeit 
der Hemmungscentra modificirt. Damit die Hirnganglien 
(der Centra) regelmässig functioniren, bedürfen sie der 
genügenden Zuführ O-haltigen Blutes um ein genügendes 
Maass der Erregbarkeit zu besitzen; Unterbrechung der 
Circulatroh setzt die Erregbarkeit beruh, e?erfolgt endlich 
Stillstand der Respiration. Ganz unabhängig und ohne 
Kenntniss der Beobachtungen von Cheyne und Stokes, 
hat Schiff bei Experimenten am Thier constatirt, dass 
wenn grössere Blutergüsse in der Gegend der Medulla 
oblongata stattfanden, fast regelmässig das ^frappante 
Athemphänomen eintrat. Dass Insulte dieser Art Ner¬ 
venleitung and Blutzufuhr hochgradig modificiren müssen, 
ist klar, aber dennoch tritt nicht Functionsunfähigkeit 
der Athemceutra ein, sondern die automatischen Apparate 
und ihre hemmenden Regulatoren setzen das Spiel in 
gestörtem Rythmus fort. Von derartigen, schweren Vor¬ 
gängen ist aber in der mensclilichen Pathologie selten 
die Rede, im Gegentheil: es fehlen in den meisten Beob¬ 
achtungen von Cheyne-Stokes’scher Respirationsform 
gröbere Störungen der Circulation und andrerseits über¬ 
raschen die Heerderkrankungen der Medulla oblongata 
durch das fast beständige Fehlen des Phänomens, wie 
die Literatur der Bulbärparalyse und andre einschlägige 
Arbeiten beweisen z. B. die von Möser 1 ). 

Das Unzulängliche der gegebenen Erklärung des 
Cheyne-Stokes’scheu Athmens durch herabgesetzte 
Erregbarkeit der Athemcentren wird schon durch die 
naheliegende Erwägung dargethan, dass der Sterbende 
nur sehr selten so athmet und es müsste doch, da dem 
ToddesRespirationscentrum’s seine fortschreitende Lähmung 
vorausgeht, in der Agonie nicht sehr selten, wie that- 
sächlich, sondern häufig gesehn werden. Ja, in vielen 
Fällen hat man das vollentwickelte Phänomen in den 
letzten Lebenstagen verschwinden und normales Athmen 
ein treten sehn. Die Vitalität aller Hirntheile bedarf 
gewiss der beständigen 0-Zufuhr oder es sinkt ihre Erreg- 


J ) Diagnostik der Krankheitsherde der Medulla oblongata. 
Deutsches Archiv für klinische Medicin 1884. Bd. 35. 


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barkeit, aber dem Respirationscentrum isblirt Functions- 
schwäche durch O-Mangel zu vindiciren ist unstatthaft, 
wenn man weiss, dass der Erreger für die Athembewe- 
gunge$ das O-arme Blut ist, dasselbe Blut, welches die 
Athemcentra speist; denn als reinen Nervenreiz, etwa 
specifischer Natur, haben wir nicht einmal die Thätig- 
keit der Vagi anzusehn, welchen nur ein regulireoder 
Einfluss zukommt; die sensiblen Reize haben noch 
weniger Bedeutung für das beständige regelmässige 
Athmen. 

Es ist ja bekannt, das- ausgiebige Atherobewagungea 
stattünden auch nach Entfernung des Grosshirns, gleich¬ 
zeitige Durchschneidung des Rückenmarks in der Gegend 
der letzten Halswirbel und der Vkgi. J - Hier die 
Zuleitung aller sensiblen Erregungen ausgeschlossen, aber 
die Erhaltung der ßlutzufuhr und der Bahn zu dep 
Atheinmuskeln genügt zur Fortdauer der Ätherabewe- 
gungen. Ich erinnere hier an die berühmten Arbeiten 
von Traube*), welche den souveränen Einfluss des Blut¬ 
reizes auf das Athemcentrum dargethan und die Arbeit 
Rosenthal’s 3 ), welche speciell den O-Gehalt des Blutes 
als maassgebenden Factor bei Erregung der Athembewe- 
gungen fgä&tellt. 

Als eine physiologische Grundwahrheit haben wir 
anzusehn, was Pflüger ausgesprochen, dass der O-Consum 
im Körper es allein ist, der die Energie der Athmung 
und der Circulation bedingt, und nimmermehr der Stoff¬ 
wechsel in seiner Intensität von kräftigem Blutkreislauf 
und lebhaften Athembewegungen beherrscht wird. 

Die normale Circulation ist beim Athmen von grosser 
Bedeutung, da bei ihrer Verlangsamung und Schwäche 
ungenügende Blutreize in ungenügender Menge den Centren 
zugeführt werden. Diese beiden Momente praedisponiren 
daher vor Allem zu Athembewegungen in Pausen, aty¬ 
pischer und typischer Form. 

Man hat die rudimentären Formen Cheyne-Stokes’- 
schen Athmens stets als unregelmässige, periodische, 
intermittirende Respiration bezeichnet und als*"*anders¬ 
artig, nicht gleichwertig, nie einem Vergleich unterzogen. 
Ich meine, dass die Beobachtung physiologischer und 
pathologischer Athempausen hinüberleitet zu dem cha¬ 
rakteristisch ausgebildeten sogenannten Phänomen. Wenig- • 
stens machen unsre jetzigen Kenntnisse über die Athem¬ 
centra, über den Chemismus und Mechanismus der Respi¬ 
ration die Einheitlichkeit der Gründe des pathologischen 
A themstillstandes plausibler wie früher. 

Wann beobachten wir Athempausen? Von willkür¬ 
lichem Stillstand der Respiration, der sehr begrenzt ist, 
freilich durch Uebung beträchtlich erweitert werden 
kann, wollen wir abstrahiren. Häufig ist die physiologisch 
vorkommende reflectorische Hemmung des Athmens ohne 
Einfluss des Willens. Psychische Vorgänge der verschie¬ 
densten Art: Freude, Schreck, Erwartung, concentrirte 
Aufmerksamkeit, Nachdenken, sobald es plötzlich pro- 
vocirt und sein Resultat erwartet wird, bedingen oft 
Athemstillstand. Dasselbe beobachtet man bei Sinnes¬ 
reizen, vor Allem den akustischen, wie die in allen 
Sprachen vorhandenen Ausdrücke «lauschen mit verhal¬ 
tenem Athem, athemlose Spannung, frei aufathmen» 
beweisen. Schon das Anspannen, die Aufmerksamkeit 
des Gehörsinnes genügt zur Sistirung des Athmens. 
Jeder, der in stiller Nacht ein Geräusch oder dessen 
eventuelle Wiederholung controllirt, thut es fast immer 
mit angehaltenem Athmen, oft bis zum peinlichen Gefühl 
der Athemnoth. Sehr dankbare Objecte für die Beobach¬ 
tung unterbrochener Respiration sind die Kinder; man 
fesselt die Aufmerksamkeit eines etwa 7 jährigen Kindes 
auf Erwartung akustischer und optischer Vorgänge und 


*) Gesammelte Beiträge Bd. I. 

*) Die Athembewegungen und ihre Beziehungen znm N. 
Vagus. 1062. 


fast unfehlbar wird sich eine Atherapause vop; 15 
^cünden Dauer einstellen. Meist tritt letztere' nach 
geschehener Exspiration ein, bei akustischer Aufmerksam¬ 
keit wenigstens; dagegen reagirt ein Kind, nach meiner 
Erfahrung, Bei optischem Anfmerken und concentrirter 
Mühe, wie etwa beim Zeichnen, oft mit Athemstillstand 
nach der Inspiration, so dass ein stöhnendes, seufzendes 
Exspirium in drolliger Weise die harmlose Beschäftigung 
des Zeichners unterbricht. 

Für diese Reihe physiologischer Athempausen hat erst 
die bedeutsame Entdeckung eines selbständigen Cen- 
tmms für Hemmung des Athmens Erklärung gebracht. 
Unverricht*) hat beim Hunde eine Stelle der Hirn¬ 
rinde? kl der dkittea - äusseren Windung, nach aussen 
vom Orbiculapiscentrura gefunden, deren Reizung Stillstand 
der Respiration zur Folge hatte. Für die Katze hat die 
gleichnamige Stelle Preobrasbenski 6 ) als Hemmungs¬ 
centrum bestätigt. Die Existenz dieser Apparate deutet 
uns auch die pathologischen Athmungspausen. 

Vor Kurzem hat Fenoglio") Beobachtungen intermitti- 
render Respiration mitgetheilt, die viel Interesse haben. 
Sein Material betraf nur alte Individuen, die mehr oder 
weniger deutliche Defecte der Circulation, kjankes Herz 
oder kranke Arterien hatten, aber doch in befriedigender 
Breite der Gesundheit lebten. Bei Solchen fand Fenoglio 
oft eine irreguläre und intermittirende periodische Respi¬ 
ration und ferner bei 6 Männern ein intermittirendes 
Athmen, das mehrere Pausen von 5—35 Secunden zeigte; 
diese Intermittirung erfolgte sowohl beim Wachen, wie im 
Schlafe, nach schnellem Gange wie in der Ruhe. Athem¬ 
pausen von beträchtlicher Dauer habe ich bei alten Indi¬ 
viduen gesehn, darunter waren auch Solche, die keine 
Läsion ausser senilen Veränderungen am Gefässsystem 
darboten, aber Allen gemeinsam war die träg^ Circula¬ 
tion, das Darniederliegen des Stoffwechsels, Unthätigkeit 
der Muskeln, Aufenthalt in Zimmerluft, Unlust zu kör¬ 
perlicher Uebung. Ein College, von jetzt 79 Jahren, 
dessen ärztlicher Berather ich bin, der erweiterte starre 
Aorta, häufig Arythmie der llerzaction hat, im Ganzen 
aber wenig Klagen über sein Befinden vorbringt, dabei 
jedoch fast das runde Jahr seine Wohnung nicht verlässt, 
bemerkt seit 5 Jahren zeitweisen Stillstand seiner Respi¬ 
ration; es giebt Stunden, wo er in seiner Lecture fort¬ 
während unterbrochen wird durch das Bedürfniss tief 
aufzuathmen; «ich vergesse zu athmen» bezeichnet er 
diesen Zustand. Eigentliche Beschwerden macht ihm dieser 
nicht, er ärgert ihil mehr. Es scheiht überhaupt Selbst 
beobachtung nöthig um Denjenigen, welche solche Erschei¬ 
nungen bieten, die vage flüchtige Athembeschwerde zur 
Perception zu bringen. Indifferent ist der Zustand nicht, 
wie ich an mir selbst erfahren habe. Vor 4 Jahren 
brachte ich mehrere Winter-Monate im Zimmer zu; ein 
leichter Grad von Fettherz und Fettleber war constatirt 
worden, der Klappenapparat des Herzens war gesund. 
Oppressionsgefühl in der Brust, träge Circulation, Darnie¬ 
derliegen des Stoffwechsels verbanden sich mit Apathie, 
Scheu vor körperlicher Bewegung. Auf Lecture angewiesen, 
wurde ich nach mehreren Wochen gewahr, dass die Re¬ 
spiration noch oberflächlicher und' langsamer war wie 
gewöhnlich und dazwischen sieb vollständige Athempausen 
einstellten, ein quälendes Gefühl von Lufthunger beglei¬ 
tete die letzten und zwang zu einer tiefen Inspiration, welche 
sofort befriedigte; absichtliche folgende Tiefathmungen 
waren Von keinem Nutzen und ermüdeten, wie es for- 
cirtes Athmen beim Gesunden thut. Die absteigende Phase 


4 ) Experimentelle Untersuchungen über die Innenation de;; 
Athembewegungen. Veihandlangen des Congvesses für innere 
Medicin 1888. 

s ) Ueber Athmnngscentren in der Hirnrinde. Wiener klini¬ 
sche Wochenschrift. 1890. Nr. 41. 

. 6 ) Ueber die intermittirende .periodische Bespiiation. Zeit 
Schrift für klinische Medicin. lÖÖl. 4. Heft. 


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bfii 4« r Respiration konnte ich deutlich controlliren, 
sie kehrte immer wieder bis die absichtliche In¬ 
spiration vor oder in dem Athemstillstand dazwischen 
trat. Manchmal war der Zustand fast unheimlich; zum 
Glück war ein wirkliches Davonlaufen nicht nur möglich, 
sondern auch wirksam. Mehr Körperbewegung im Zimmer, 
lautes Lesen machten die Pausen seltener und als ich 
in’s Freie kam und meine Beschäftigung wieder aufnahra, 
verschwanden sie ganz um nur gelegentlich andeutungs¬ 
weise aufzutreten. Es waren neben der allgemeinen Mus¬ 
kelschwäche wohl auch die Athemmuskeln ungenügend 
genährt. Die Athempausen bedingten keine Compensation 
durch folgende dyspnoische Athemzüge, weil das 0-Bedürf¬ 
nis des Organismus gering blieb; die Athemcentra 
erhielten zu wenig Impuls durch den nöthigen Blutreiz; 
ihre Erregbarkeit war nicht in Frage zu stellen, ihre 
Erregung war aber, umsomehr da die Circulatlon 
geschwächt und verlangsamt war, qualitativ und quanti¬ 
tativ herabgesetzt, und zudem gewannen wahrscheinlich 
die hemmenden Apparate die Ueberhand. 

Es wird urgirt, nur auf solche Fälle die Bezeichnung 
des Cheyne-Stokes’schen Phänomens anzuwenden, wo die 
Pausen in regelmässigen Abständen eintreten, wo eine 
absteigende Reihe von Athembewegungen vorausgeht 
und eine aufsteigende folgt. Fenoglio theilt denn auch 
seine Kranken in 3 Kategorien: die erste enthält die 
oben erwähnten Athempausen alter Leute, die dritte das 
schulgerecht ausgebildete Phänomen; die zweite umfasst 
Fälle durchweg schwer Kranker, bei denen die Respiration 
trotz der Pause nach dieser ruhig bleibt und keine Com¬ 
pensation durch dyspnoisches Athmen stattftndet. In sei¬ 
ner zweiten Reihe befinden sich zwei Fälle, die Greise 
von 76 und 78 Jahren betrafen, ebenso ein 38 jähriger 
Mann, der einen Tumor im Pons, Secundärknoten in der 
ersten rechten Occipitalwindung hatte. Alle drei Kran¬ 
ken hatten freies Sensoriuin und das ist wohl auch nach 
meiner Ansicht der Grund, warum nach der Pause nicht 
langsam anschwellende Respirationsbewegungen, sondern 
sogleich tiefe Inspiration folgte; den»sind solche Patien¬ 
ten nicht völlig bewusstlos, so athmen sie nach dem 
Stillstand wie ein von Erstickung Befreiter gleich frei 
auf, wogegen bei Bewusstlosen oder Schlafenden der an¬ 
wachsende chemische Blutreiz, d. h. der O-Mangel des 
Bluts, erst allmälig die nöthige Intensität erreicht um 
die automatischen Centren regelrecht arbeiten zu lassen. 
Bei obenerwähntem Fall 3 hörte das intermittirende Ath¬ 
men in den letzten Lebenstagen auf, was Fenoglio 
wohl mit Recht dem gleichzeitigen Eintritt hoher Körper¬ 
temperatur zuschreibt. Ich, wenigstens, habe nie bei 
einem Fiebernden das Respirationsphänomen gesehen. 

Fast immer beobachtet man die volle Cheyne-Stokes’sche 
Respirationsform bei Bewusstlosen oder mehr weniger 
Benommenen und Schlafenden. Bei habituellem Morphi¬ 
umgebrauch resp. -missbrauch habe ich sie in reinster 
Formvollendung gesehn. Ein 65 jähriger Kaufmann, F., 
ausser rigiden Arterien keine Krankheit des Circulations- 
organe besitzend, litt an Arthritis deforraans des rech¬ 
ten Hüftgelenks. Muskelkrämpfe und Schmerzanfälle 
liessen ihm Tag und Nacht keine Ruhe und er war auf 
vielfachen Umwegen auf den subcutanen Gebrauch des 
Morphiums angelangt und somit demselben verfallen. 
Die Uhr vor mir und den Bleistift in der Hand habe 
ich das Atheraphänomen, als ich ihn schlafend fand, 
lange verfolgt; ira wachen Zustande war auch nicht eine 
Spur intermittirender Respiration an ihm wahrnehmbar. 
Die narkotische Wirkung des Morphiums besteht in fort¬ 
schreitender Lähmung der Athemcentra, die Respiration 
wird bei Vergiftung seltener, unregelmässig, aussetzend, 
bis zum Stillstand; ähnlich wie bei anderen Gehirncen- 
tren. Bei chronischem Morphiummissbrauch, wo wir 
Cheyne-Stokes’sches Athmen sehen, liegt der Stoffwechsel 
fast immer sehr darnieder, Herabsetzung der Blutreize 


und lähmungsartige Schwäche der Muskulatur tragen 
daher zum eventuellen Athemstillstand viel bei. 

Wiederholt sah ich mehr oder weniger rythmische 
Athempausen bei Peritonitis; da wir wohl nie eine Pe¬ 
ritonitis ohne relativ grosse Gaben Opium behandeln, 
so kann ich nicht sagen, ob Splanchnicusreizung reftecto- 
risch (Knoll) den Athemstillstand bedingte oder die 
Opiumwirkung maassgebend war. 

Im Jahre 1887 hatte mich College Dr. Lingen zu 
einem Manne von 64 Jahren gerufen, der sehr interes¬ 
sant wurde. Er litt an Arteriosklerose beträchtlichen 
Grades und hatte eine Stenose des Aorteuostiums. Wie¬ 
derholt hatten apoplektische Insulte stattgefunden; er 
war linksseitig gelähmt, sprach lallend, undeutlich, die 
Intelligenz war sehr gesunken, aber er reagirte auf die 
alltäglichen Bedürfnisse und Vorkommnisse, antwortete 
auf laut gestellte Fragen befriedigend. Bei meinem 
dritten Besuch hatte sich das typische Athemphänomen 
eingestellt und dasselbe dauerte von nun an, mit stunden¬ 
langen Intermissionen freilich, 6 Monate bis zum Tode 
fort. Während meiner Beobachtungszeit, zwei Monate 
hindurch, war das Bild meist in vollkommener Ausbil¬ 
dung und Reinheit zu sehen, nur zeitweilig fehlte die 
langsam aufsteigende Respirationsphase und Patient ath- 
mete, nach der manchmal erschreckend langen Pause von 
40—45 Secunden, unmittelbar tief und dyspnoisch. Dr. 
Lingen und ich haben diesem Fall viel Aufmerksamkeit 
geschenkt. Der Athemstillstand war ein absoluter, die 
auf- und absteigenden Phasen der Respiration von fast 
gleicher Länge, beide zusammen meist der Länge der 
Pause entsprechend; in der Pause blickte Patient mit 
seinem ängstlichen Blick auf die Lichtquelle, das Fenster, 
hin, die Pupillen waren während derselben nicht alterirt, 
der Puls in Folge, Fülle nie verändert; schrie ich dem 
Kranken zu, er möge doch athmen, so machte er einige 
unsichere Athemversuche und kürzte die Pause durch 
früheren Eintritt tiefer Respiration ab. Im Frühjahr 
wurde Patient aufs Land gebracht und starb im Som¬ 
mer unter dem Bilde einer Gehirnapoplexie. Die Section 
wurde nicht gemacht. Dr. Selenkow, der auf dem 
Lande die Behandlung des Kranken übernahm, theilte 
mir mit, dass die Frequenz der intermittirenden Respi¬ 
ration etwa dieselbe blieb, dass er aber nach den Athem¬ 
pausen fast nur unvermittelt dyspnoisches Athmen be¬ 
obachtet habe. 

Einen diesem Krankheitsfall fast analogen finde ich 
von Merkel 7 ) geschildert. Nach einem apoplektischen 
Anfall am 29. Dec. 1869 ^ trat vorübergehend während 
mehrerer Tage Cheyne-Stokes’sches Athmen ein, darnach nur 
schwache Andeutungen desselben durch fast ein Jahr. Am 
14. Nov. 1870 wird notirt: grosse Hinfälligkeit, geistige 
Potenz sehr gesunken, Sprache lallend, anämisches Aus¬ 
sehen, linksseitige Hemiplegie. Die Cheyne-Stokes’sche 
Respiration ist wieder eingetreten und geht Tag und 
Nacht fort nur mit kurzen Unterbrechungen, während 
derer Patient schläft. Ende December wird der Zustand 
grauenerregend, keine Viertelstunde Ruhe bei Tag und 
bei Nacht, Athempause dauert 36 Secunden, Dyspnoe 
25—40 Secunden. Während der Dyspnoe erholt sich 
Patient, ist vollkommen bei sich, antwortet mühsam auf 
vorgelegte Fragen, in der Apnoe stiert er mit un¬ 
empfindlichen Pupillen grade aus. Puls jederzeit 
schwach, klein. Rigescenz der Radial- und Temporal¬ 
arterien colossal. Die Section ergab: Arterien der Basis 
enorm starr, die Lumina auf ein Minimum reducirt. An 
der Grenze zwischen Seh- und Streifenhügel rechts eine 
linsengrosse Cyste. In der Mitte der Brücke 3 hanf¬ 
korngrosse Cysten. Herz hypertrophirt, dilatirt, leicht 
fettig degenerirt. 

Bei einer hysterischen Dame habe ich quälende Respi- 


T ) Deutsches Archiv für klinische Hedicin. 1871. Bd. VUI. 

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332 


rationspausen (sie war früher als an Asthma leidend be¬ 
zeichnet und behandelt worden) durch Gebrauch von 
Amylnitrit erfolgreich bekämpft. Die künstliche Hyperämie 
des Gehirns bringt durch vermehrte Zufuhr der Blut¬ 
reize activere Athembewegungen hervor; kaum durfte es 
sich um Lähmung vasomotorischer Krampfzustände han¬ 
deln, welche, wie bekannt, Filehne in geistreicher Weise 
als Ursache des Cheyne-Stokes’schen Athmens bezeichnet 
und als solche experimentell zu beweisen sich bemüht 
hat. Gegen Filehne’s Auffassung haben Gegenexperi¬ 
mente gesprochen, sie fand auch keine Bestätigung bei 
klinischer Prüfung. Eine präcise Bearbeitung eines Fal¬ 
les, der sphygmographisch controllirt wurde von Loewit, 
ergab negatives Resultat. Auf die hervorragende Arbeit 
Loewit’s 8 ) muss ich näher eingehn. Ein Patient, 50 
Jahre alt, leidet an Insufficienz der Aortaklappen, ist im 
Stadium der gestörten Compensation, anämisch, hochgra¬ 
dig geschwächt, somnolent. Es tritt Cheyne-Stokes’sche 
Athemform ein, die 40 Stunden dauerte, während dersel¬ 
ben werden wiederholt Puls- und Athemcurven gleich¬ 
zeitig aufgenommen, die evident ergeben, dass während 
der Athempausen keine Blutdruckveränderungen sich am 
Pulse geltend machen. Ich schalte hier ein, dass nach 
Ablauf der 40 Stunden plötzlich normales rythmisches 
Athmen wiederkehrt und bis zum Tode dauert; Schraerz- 
äusserungen und Diarrhoe begleiten das regelmässige 
Athmen bis zum Collaps. Die brutale Thatsache, dass bei 
dem Sterbenden die angeblich maassgebende Erregbarkei ts- 
schwäche des Respirationscentrums nicht weiter fiel, son¬ 
dern sich hob, wird nicht der Erwägung werth gehalten, 
ferner ist nicht bemerkt, ob der letzte GruDd der Todes¬ 
ursache, den die Section ergab: ausgedehnte Nekrose des 
Colon, Fieber verursacht habe. Dass Loewit diese 
Beobachtung gegen Filehne geltend macht, ist voll berech¬ 
tigt; aber seine Argumentation führt ihn dazu die Basis 
des Vorgangs in der durch Ermüdung eintretenden Ab¬ 
nahme der Erregbarkeit des Athemcentrums zu sehen. 
«Die allmählich abnehmende Erregbarkeit reicht für das 
Verständniss der ersten Decrescendo-Athmungen des 
Cheyne-Stokes’schen Phänomens vollständig aus, bis 
das Eintreten der Athempause darauf hinweist, dass die 
vorhandenen Reize gar keine Athmung mehr auszulösen 
im Stande sind, dass mithin die Erregbarkeit für die 
vorhandenen Reize gleich Null geworden ist». 

Solcher Anschauung gegenüber wiederhole ich die 
erwähnten Bedenken und füge hinzu, dass wir jetzt, 
dank der epochemachenden Entdeckung Unverricht’s, 
eine weitere Erklärungsweise besitzen. Es ist, wie Un- 
verricht 9 ) selbst kürzlich aussprach, nöthig: «dassman 
zur Erklärung des Phänomens eine Störung des Gleich¬ 
gewichts der verschiedenen functionell verknüpften Athem- 
centren im Gehirn annehmen müsse*. 

Ich befinde mich zum Theil in Uebereinstimmung mit 
Hein ,0 ), der nach seinen Beobachtungen am Kranken¬ 
bett zu dem Schluss kommt, dass träge Circulation and 
ungeeignete Blutbeschaffenheit das besprochene Respira¬ 
tionsphänomen bedingen; auch die Erwägung Hein’s, 
dass während der Athempause der Stoffaustausch zwi¬ 
schen Blut und Gewebe am Vollkommensten vor sich 
geht und der Reiz für das Centrum wächst, ist gewiss 
richtig, aber der Satz «die Erregbarkeit des respiratori¬ 
schen Nervencentrums wird erst wieder hergestellt, nach¬ 
dem neuerdings einige Zeit arterialisirtes Blut die Capil- 
laren des verlängerten Marks durchstrürat und die soge¬ 
nannte innere Athmung gefördert hat, wie dies am 
Schlüsse der Pause der Fall ist» — ist unverständlich, 


8 ) Ueber das Cheyne - Stokes’sche Respirationsphänomen. 
Prager medicinische Wochenschrift. 1880. Nr. 47. u. ff. 

®) St. Petersburger med. Wochenschrift. 1891. Nr. 49. 

*°) Ueber die Symptome und die Pathogenese des Cheyne- 
Stokes’schen Phänomens und verwandter Athmnngsformen. 
Deutsches Archiv f. klin. Medicin. 1880. Bd. 27. 


denn wie soll das Blut in der Athempause genügend ar- 
terialisirt werden? Umgekehrt, die Athemreize steigen 
durch weiteren Consum des vorhandenen 0 während der 
Pause und sehr O-armes Blut reizt das Centrum zu Be¬ 
wegungen der Athemmuskeln. 

Einen günstigen Effect der Athempause auf die Er¬ 
regbarkeit des Centrums in der Functionslosigkeit, dem 
Ausruhen, zu suchen, ist aber auch nicht zulässig, da ge¬ 
rade Schwäche und Seltenheit der Athembewegungen die 
Situation verursachen, einleiten und beherrschen. 

Welche speciellen Krankheiten zu intermittirender Respi¬ 
ration den Boden liefern, ist nicht zu präcisiren; Cheyne 
und Stokes sahen die ersten Fälle bei Herzkranken, der 
Erste bei Hirnapoplexie, der Zweite bei Fettherz. Sto¬ 
kes hat das Respirationsphänomen in die Symptomato¬ 
logie des Fettherzens aufgenommen; und in der That 
praedisponirt wohl kaum ein Zustand so zu trägem 
Stoffwechsel bei träger Circulation. 

Traube und namentlich Bamberger haben strict die 
Häufigkeit dieser Complication des Fettherzens in Abrede 
gestellt. 

Wahrscheinlich sind chemische Gifte von directem Ein¬ 
fluss (Morphium, Uraemie) auf die Centra; Apoplexien, 
Basilarineningitis können begreifliche locale Einwirkung 
auf dieselben haben. 

Wenn ich die verringerte Oxydation in den Geweben 
als causalen Grund vorangestellt habe, so scheinen dieser 
Ansicht die Inanitionskrankheiten zu widersprechen, da 
bei denselben selten Athempausen Vorkommen. Aber die 
rapide Consumption der Gewebe geht meist mit reger 
Oxydation einher, und das so oft begleitende Fieber 
scheint mir erst recht mit Cheyne-Stokes’schem Athmen 
unverträglich zu sein. 

Die grosse Bedeutung, die eine solche Autorität wie 
Knoll “) den Beobachtungen am kranken Menschen 
für die Lehre der Athinungsinnervation einräumt, hat 
auch mir die Berechtigung gegeben zu obiger Mittheilung 
in einer so complicirten und viel bearbeiteten Frage. 


Referate. 

Th. Weyl: Zur Theorie der Immunität gegen Milzbrand. 

(Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. XI. 

Bd. 3. Heft. 

«Wenn man Sporen des virulenten Milzbrandes, welche eine 
Zeit lang im Körper eines gegen Milzbrand immune n Thieres 
verweilt hatten, in den Körper eines gegen Anthrax empfäng¬ 
lichen Thieres überträgt, darf man die Gründe, weshalb das 
erste Thier gegen Milzbrand gefestigt war, festzustellen 
hoffen. 

Entweder nämlich geht das empfängliche Thier an Milz¬ 
brand zu Grnnde: dann beruht die Immunität des immunen 
Thieres auf Entwickelungshemmung, welche im empfänglichen 
Thiere nicht fortdanert. Oder das empfängliche Thier bleibt 
am Leben: dann werden die Sporen im Körper des immunen 
Thieres unwirksam gemacht d. h. abgeschwächt oder getödtet». 

Um das zu entscheiden brachte W. Seidenfäden, die mit 
Milzbrandsporen imprägnirt waren Hühnern und Tauben, die 
gegen Milzbrand immun sind, unter die Brust- und Bauchhant 
und impfte mit diesen Fäden, nachdem sie eine gewisse Zeit 
im Körper des immunen Thieres verweilt hatten, weisse Mäuse, 
die so sehr empfänglich für Milzbrand sind. Die Resultate 
waren, dass Mäuse, die mit Milzbrandbacillen geimpft wurden, 
welche vorher 6 Tage im Körper der Tanbe oder 4 Tage im 
Körper des Huhnes verweilt hatten, nicht mehr starben; 
kürzere Zeit im Körper der Taube und des Huhnes verblie¬ 
bene waren noch virulent. Solche Fäden gaben auf Agar 
gebracht auch Culturen, während keine Culturen entstanden, 
wenn die mit den Fäden geimpften Mäuse am Leben blieben. 

«Man muss aus diesen Versuchen schliessen, dass die Immu¬ 
nität der Tauben und Hühner gegen Milzbrand dadurch zu 
Stande kommt, dass die Milzbrandsporen im immunen Thiere 
abgetödtet werden». 

Einwände, welchegegendieGültigkeitdiesesSchlusses gemacht 
werden könnten, werden von Weyl widergelegt. Siehe das 
Original. 


°) Ueber die Athinungsinnervation. Verhandlungen des 
Congresses für innere Medicin. 1886. 


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233 


Auf die Frage, auf welche Weise die Sporen im immunen 
Tlriere zu Grunde gehen, ob sie direct absterben oder zuerst 
auskeimen, ob Phagocytose dabei nachzuweisen ist — auf diese 
wichtige Frage liess sich Weyl nicht ein, weil sie schon von 
Trapeznikoff bei Metsehnikoff beantwortet ist und zwar 
dahin, dass die verimpften Sporen im immunen Thiere zu 
Grunde gehen, nachdem sie zu Bacterien ausgewachsen und 
von den Leukocyten gefressen sind. Weyl hat die vortreff¬ 
lichen Präparate, aus denen dieser Schluss gezogen wurde, 
selbst bei Metsehnikoff gesehen. 

Ob nicht auch chemische Kräfte bei dieser Abtödtung der 
Sporen mitwirken, lässt Weyl unentschieden. Masing. 

S. Kitasato: Gewinnung von Reinculturen der Tuber¬ 
kelbacillen und anderer pathogener Bakterien aus 
Sputum. (Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrank- 
heiten. XI. Bd. Heft 3. 

Es galt bisher für sehr schwer, wenn nicht unmöglich, aus 
Sputum Reinculturen der Tuberkelbacillen darzustefien, weil 
diese sich sehr langsam und spärlich auf verschiedenen Nähr¬ 
boden entwickeln, während andere Mikroorganismen, die immer 
auch im Sputum sich finden, sehr rasch wuchern. K. gelang 
nun na^h einem von Koch neuerdings angegebenen Verfahren 
die Züchtung gut. 

Ref. referirt die kleine 3 Druckseiten einnehmende Arbeit 
von K. nicht deshalb, sondern weil K. nebenbei zwei bemer¬ 
kenswerte Thatsachen constetirte. I) Es zeigte sich, dass die 
meisten der im Sputum oder im Inhalt der geschlossenen Lnn- 
gencavernen vorhandenen Tuberkelbacillen abgestorben waren. 
Mikroskopisch war ein Unterschied gegenüber den lebenden 
durchaus nicht zu finden. Sie färbten sich ebenso rasch und 
intensiv, wie die andern. Dass erstere wirklich todt waren, 
erwiesen sowohl Cultnrversuche als das Thierexperiment. 2) K. 
fand häufig im Sputum neben Tufcerkelbacillen noch eine andere 
Bakterienart so constant und so zahlreich vertreten, dass er 
weitere Forschungen darüber anstellte. Er fand bei Obduc- 
tionen den nachgewiesenen Mikroorganismus in der ganzen 
Lunge in Reincultur verbreitet. Ja einmal wurde der betref¬ 
fende Parasit in allen inneren Organen ebenfalls in Reincultur 
vorgefunden. 

Ob diesen Mikroorganismen, sowie noch anderen, ebenfalls 
im Sputum Tuberculöser oft von K. constatirten, nicht vielleicht 
eine wesentliche Bedeutung zukommt, wird Dr. Cornet unter¬ 
suchen und veröffentlichen, da K. durch seine Uebersiedelung 
nach Japan daran verhindert ist. Masing. 

E. Niebergall: Der Haematokrit. (Corr.-Blatt fürSchw. 
Aerz. 1892 Nr. 4). 

Schon 1885 hatte Prof. Blix in Upsala gezeigt, dass man den 
Gehalt des Blutes an rothen Blutkörperchen nicht allein durch 
Zählen, sondern auch durch Messen des Volumens dieser Kör- 
rchen abschätzen könne, wenn am Coagnliren gehindertes 
ut centrifugirt und die ganze vom Serum getrennte Masse 
der Blutkörperchen am äussersten Ende der gebrauchten Röhre 
zusammengepresst wird. Ein dazu geeigneter «Haematokrit» 
wurde 1890 von Hedin im Scand. Arch. f. Phys. beschrieben 
und besteht ans einem Centrifngalapparat, dessen rotirende 

uerbalken zwei graduirte Capillarrönrchen für das zu gleichen 

heilen mit Müller’scher, die Coagalation hindernder, Flüssig¬ 
keit gemischte Blut aufnehmen. Wird nun 6—8 Minuten lang, 
mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 Umdrehungen in der 
Min., centrifugirt, so sind am centrifugalen Ende des mit 50 
Theilstrichen versehenen Röhrchen alle Blutkörperchen ange¬ 
sammelt und hat man nur mit einer Lonpe die Anzahl der 
Striche abzulesea 10 Theilstr. bedeuten dann, da (wegen der 
Verdünnung und der Eintheilung in nur 50 Theile) mit 4 
multiplicirt werden muss, 40 Volumprocente roth. Blutkörper¬ 
chen; 1 Vol.-pCt. entspricht nach Hedin 98,000, nach Doland 
(Fortschr. der Medic. 1891 Nr. 20) 99,390 und nach Verf. 
101,358, dnrchschnittlich also etwa 100,000 rothen Blutkörper¬ 
chen im Ccm. Blut. N. hat nun in der Immer mann’schen Klinik 
zu Basel, wo der, von Hilding Sandström in Lund für Fr. 
95 zu beziehende, Apparat angesebafft worden ist, Versuche 
an 6 Gesunden und 20 Kranken gemacht und die Ergebnisse 
des Eaeraatokriten jeweilen durch Zeiss-Thoma’sche Zählungen 
controllirt. Es ergab sich dabei, dass die Bestimmungen mit¬ 
telst des Haematokriten mindestens denjenigen mittelst des 
ZeisB-Thoma’scben Zählnngsapparates gleichzustellen, wenn 
nicht vorzuziehen sind, jedenfalls aber die resp. Blutunter¬ 
suchungen schneller und müheloser ansgeführt werden können. 
Nach dem Centrifugiren sieht man am centripetalen Ende noch 
eine, mehr oder weniger breite, helle Schicht, welche Hedin 
für die weissen Blutkörperchen hält; N. hat sich bisher über 
die Richtigkeit dieser Auffassung noch kein Urtheil bilden 
können und schien wenigstens in einem Falle von Leukämie 
die Breite der weissen Schicht nicht besonders der wirklichen, 
durch Zählung gefundenen Menge der weissen Blutkörperchen 
zu entsprechen. Frommert. 


P. J. Möbius: Ueber die Basedow’sche Krankheit. 

(Deut, Zeitschr. für Nervenheilkunde I. Bd. XVII). 

M. stellt in dankenswerther Weise die in der Litteratnr 
zerstreuten Beobachtungen, welche an Patienten mit Basedow’- 
scher Krankheit gemacht wurden, zusammen. 

1. An den Augen beobachtet man Exophthalmus, ungewöhn¬ 
liche Grösse der Lidspalte (Stellwag’s Zeichen), Zurück¬ 
bleiben des oberen Augenlides (Graefe’s Zeichen). Insuffi- 
cienz der Convergenz, häufig Augenmnskellähmnngen intra- 
cerebralen Charakters, einen schnellschlägigen Tremor der 
Augenlider nnd Nystagmus. 

2. Von Seiten des Herzens und der Blutgefässe zeigen sich 
Herz- und Arterienklopfen, Beschleunigung der Herzaction, 
systol. Herzgeräusche an der Basis des Herzens, Herzschwäche 
und Angina pectoris. 

3. Die Kropfbildung kann bisweilen jahrelang den übrigen 
KrankheitsssTnptomen vorausgehen. 

4. Die Haut zeigt Widerstandsverminderung gegen den elektr. 
Strom (Vigonroux), Vitiligo, Pigmentflecken, Urticaria, Bron- 
zefärbnng (Schleimhäute frei), Röthe, vermehrte Schweissab- 
sonderung, Ausfallen der Haare und Oedeme der unteren Kör¬ 
perhälfte mit schwacher Betheiligung der Füsse. 

5. Vermehrung der Athemzüge und Husten, geringe Erwei¬ 
terung des Brustkastens bei der Einathmnng, schmerzlose 
Durchfälle ohne nachweisbare Ursache, Erbrechen, Heisshunger, 
Icterus, Darmatonie und Amenorrhoe. 

6. Fieber wird oft und zwar in allen Stadien der Krankheit 
beobachtet, dasselbe präsentirt sich entweder als Ephemera 
oder ist reinittirend resp. iutermittirend; ferner bestehen 
Anaemie, Hinfälligkeit und Abmagerung. 

7. Von nervösen Erscheinungen sind Zittern, Paraplegie, 
Crampi, Muskelschwund nnd geistige Störungen beobachtet 
worden. 

8. Complicirt ist die B. K. bisweilen mit Epilepsie, Hysterie, 
Paralysis agitans, Glykosnrie, Polyurie, Tabes, Myxoedem oder 
Syringomyelie. 

9. Hinsichtlich der Häufigkeit der einzelnen Symptome wird 
Herzklopfen und Struma niemals vermisst; Blässe, Abmagerung, 
Zittern, Stellwag’s Zeichen und vermehrte Hautfenchtigkeit 
fehlen so gut wie nie; Graefe’s Zeichen, Schlaflosigkeit, leichte 
seelische Veränderungen und Hitzegefühl sind sehr häufig; Ver¬ 
änderungen des Hautpigments, Durchfall, Erbrechen, lnsuffi- 
cienz der Convergenz nnd Beschleunigung der Athmung sind 
häufig. Vorwiegend erkranken weibliche Individuen und es 
bevorzugt die Krankheit das mittlere Lebensalter. In aetio- 
logischer Beziehung kommen an erster Stelle angeborene 
Anlage und nervöse Belastung in Betracht, dann werden auch 
voransgehender Rheumatismus, Bräune, Influenza, kühle Wit¬ 
terung und Trauma genannt, 

Der Verlauf ist sehr wechselnd, häufig sind Remissionen, 
Heilungen dagegen fraglich. 

10. Die pathol. Anatomie hat die Annahme einer Erkranknng 
des Sympathicus als Ursache der Krankheit widerlegt (Ran vier). 
Einige Mal sind flächenhafte Blutungen am Boden des IV. 
Ventrikels, häutig entweder Reste der Thymusdrüse oder gar 
eine Vergrösserung derselben und geschwollene Lymphdrtisen 
gefunden worden bei im Uebrigen ziemlich normalen Verhält¬ 
nissen. 

11. In therapeutischer Beziehung sind ausser Medikamenten 

(Eisen, Arsen. Belladonna, Bromsalze etc.), die elektrische 
Behandlung, Wasserapplicationen nnd die Strumaoperation zu 
nennen; bezüglich der Kropfexstirpation spricht Lemke den 
Satz aus: «Kranke mit Morbns Basedowii gehören nicht auf 
die innere, sondern auf die chirurgische Abtheilnng». Verf. 
kommt hinsichtlich der Aetiologie des Morbus Basedowii zum 
Schluss, dass die nächste Ursache wahrscheinlich eine krank¬ 
haft veränderte Thätigkeit der Schilddrüse sei, wobei er sich 
auf die Aehnlichkeit resp. Gegensätzlichkeit stützt, welche 
zwischen dieser Krankheit einerseits und der Cachexia strn- 
mipriva, dem Myxödem und dem Cretinismus andererseits 
besteht. Die Ursache der primären Schilddrnsenerkrankung 
vermnthet M. in einer Giftwirknng. Knsick (Reval). 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Carl Laker: Die Heilerfolge der inneren Schleim¬ 
hautmassage bei den chronischen Erkrankungen der 
Nase, des Rachens, des Ohres und des Kehlkopfes. 
Mit 14 Abbildungen. Graz. Lenschner nnd Lnbensky. 
1892. 

Verf. empfiehlt bei Behandlung obiger Krankheiten ein 
Verfahren, das von M. Braun (Triest) erdacht, von ihm mo- 
dificirt nnd Vibrationsmassage benannt worden ist. Mittelst 
einer Sonde, deren Kopf mit Watte umwickelt und in eine 
10°/o-tige Cocainlösung, eine 2— 8%»-tige Mentholsalbe oder 
dergl. getaucht ist, wird sie ansgeführt. Der Oberarm liegt 
fest am Thorax an, der Unterarm ist frei. Mit ihm und der 


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2?4 


Hand werden vibrirende Bewegnng;en von 600 bis 2000 in der 
Minute ansgeführt. In dieser Weise werden alle pathologi¬ 
schen Veränderungen in der Nase, dem Rachen, dem Nasen¬ 
rachenräume (Tubenostien) ünd Kehlkopf (in den letzteren Fällen 
ist die Sonde dementsprechend gebogen), die unter dem Namen des 
chronischen (hypertrophischen, atrophischen) Katarrhs be¬ 
kannt sind, sogar nicht ausgenommen Polypen, in einer Mi¬ 
nuten langen Seance stossend gerieben und behandelt. Selbst 
eitrige Rhinitiden hat Verf. in dieser Weise behandelt. Ja 
noch mehr, bei Geschwürsbildungen an den Stimmbändern oder 
im subglottealen Raume, empfiehlt sich die Massage um tuber- 
culöse Ulcera (des Kehlkopfes) gelangen zu oberflächlicher 
Heilung. Verf erklärt sich das folgendermaassen. «Durch die 
Massage werden in dem Mutterboden des Geschwürs nor¬ 
male Circulationsverhältnisse geschaffen, und dasselbe heilt 
spontan, unbeschadet des Insults, welchen die Vibrations- 
stösse auf dem Geschwüre selbst bedeuten». 

Geringe Blutungen traten, aber durchaus nicht immer, auf. 
lassen sich jedoch leicht stillen und haben keine wesentlichen 
Folgen. Bezüglich des snbjectiven Befindens der Pat. dabei 
äussert sich Verf. folgendermassen: «Gewöhnlich dauern die 
durch die Vibrationsbewegung erzeugten Unlustgefühle nur 
so lange an, als man vibrirt. In der Regel tritt sofort oder 
kurze Zeit nach dem Aufhören der Vibrationen ein vor der 
Behandlung nicht vorhanden gewesenes Lustgefühl auf und 
wiederholt verschwinden dabei pathologische Reflexe, wie mit 
einem Schlage. — Bei allen Patienten nimmt in kurzer Zeit 
die bei jeder Sitzung auftretende unangenehme Empfindung 
von Tag zu Tag ab und kann man das Eintreffen dieses Ver¬ 
haltens Jedem mit Sicherheit im Voraus versprechen». 

Dauer der Behandlung durschnittlick 3 Wochen. Zuerst 
jeden 2., dann jeden 3. Tag u. s. w. eine Sitzung. Ueber die 
Dauer der Heilung ist bei der Kürze der Zeit noch wenig zu 
sagen, jedenfalls seien in den schwersten Fällen nach V« 
Jahren keine Recidive erfolgt. Als Beweismaterial folgt eine 
Casuistik von 33 Fällen, die alle (Ref. kann nur sagen glän¬ 
zend) geheilt oder gebessert sind. Das Letztere, wo die Pat. 
die Cur abbrechen mussten. 

Im Schlussworte tibergiebt Verf. «nur mit Bangen» sein Werk 
der Oeffentlichkeit, ist sich mancher Mängel bewusst, hofft 
auf die Nachprüfung und Mitarbeiterschaft der Collegen und 
verspricht sich doch recht viel, wenn er im Schlusspassus sagt: 
«Mögen die hier niedergelegten Forschungsresultate nur als 
erste Bausteine zu einem künftigen, grossen Umbaue aufge¬ 
fasst weiden». Neumann. 


Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

1180. Sitzung am 15. April 1892. 

Anwesend 47 ordentl. Mitglieder und 14 Gäste. 

1. Dr. Mandelstainra demonstrirt einen Patienten, der an 
Iridodialysis leidet. 

2. Dr. A. Bergmann demonstrirt einen Pat., dem er vor 
einiger Zeit mittelst Sectio alta einen enormen Blasenstein 
entfernte (cf. Prot, der 1174. Sitzung). Die Technik der Ope¬ 
ration anbetreffend, berichtet Redner auf Dr. Bergs Anfrage, 
dasB er die Wunde bis in den unteren Winkel genäht habe, 
dort aber wegen gequetschter Wundränder ein Drain einführte. 
Die Nähte hielten allerdings nicht lange; als sie sich lösten, 
war jedoch Granulationsbildnng da und Harninfiltration trat 
nicht ein. 

3. Dr. Voss hält seinen angekündigten Vortrag: 

«Ueber chirurgische Eingriffe bei Ohrenkrank- 

heiten». 

An der Hand sehr instructiver Tafeln recapitulirt Vortr. 
die Anatomie nnd Topographie des Mittelohrs und seiner Um¬ 
gebung, bespricht die Reihe der acuten und chronischen Mit- 
telohrerkrankungen mit ihren eventuellen Consecutiverschei- 
nungen sowie die hierbei in Betracht kommenden Operationen 
nebst deren Indication und Technik. Vortr. berichtet schliess¬ 
lich eingehend über einen von ihm mit glücklichem Erfolge 
operirten Fall von Sinusthrorabose, welchen er auf der vori¬ 
gen Sitznng der Gesellschaft vorstellte. Der Fall gelangt 
demnächst in extenso zur Veröffentlichung. 

Dr. Bergmann macht, in Anknüpfung daran, dass Dr. 
Voss unter den Symptomen der Osteomyelitis in der Umge¬ 
bung des Ohres hohes Fieber genannt, darauf aufmerksam, dass 
auch am Schädel eine Art der Osteomyelitis beobachtet werde, 
die als schleichender destrnctiver Process ohne Fieber verläuft; 
um die Perfidie dieser Fälle noch zu erhöhen, findet sich da¬ 
bei in der Regel keine scharfe Abgrenzung, was wohl dazu 
Veranlassung geben kann, in solchen Fällen besonders aus¬ 
giebig zu operiren. Dr. Bergmann fragt ferner an, ob schon 
ein Fall bekannt sei von operativ geheilter Sinusthrombose, 
wenn, wie bei Dr. Voss Patientin, der Eingriff bei bereits 
bestellenden Metastasen in Gelenken vorgenommen werde? 


Dr. Voss kennt auch die vom Vorredner beschriebene Form 
der Osteomyelitis; er hat nicht so verstanden werden wollen, 
als sei hohes Fieber ein ausnahmsloses Symptom derselben. 
Ueber operativ geheilte Sinusthrombosen finden sich mehrfach 
Berichte in der Litteratur; ob ein Fall mit bereits bestehen¬ 
den Gelenkraetastasen geheilt worden, sei ihm bis dato nicht 
bekannt. 

Dr. Krannkals: die verschiedene Prognose für das Ans¬ 
heilen von Metastasen müsse doch wohl auch abhängig sein 
von der Eigenschaft der Eitererreger, die der Ausgangsherd 
beherbergt. Seines Wissens habe man im Mittelohr die ganze 
Serie der besonderen Eitererreger, aber auch den Pneumonie- 
coccus u. a. gefunden. Nun scheine es ihm einleuchtend, dass 
ein besonders maligner Eitererreger, wie z. B. der pyogenes 
albus, auch maligne Metastasen hervorrufen wird, während 
z. B. ein durch Embolie von Pnenmoniecoccen in der Lunge 
gesetzter Herd doch wohl als leicht heilungsfähig angesehen 
werden müsse. Auch in metastatisch entzündeten Gelenken 
sei der Pneumoniecoccus gefunden worden, nnd verlief dieser 
Process dann auch relativ gutartig. Von dem Gesichtspunkte 
aus, dass der Grad der Bösartigkeit von Metastasen sich von 
vornherein garnicht bestimmen lasse, befürwortet Dr. Krann- 
hals auch die Operation einer Sinustbrombose selbst bei beste¬ 
henden Metastasen, statt die Fälle ihrem sonst sicher letalen 
Verlauf zu überlassen. 

4. Dr. W T einberg verliest seinen angekündigten Vortrag: 
«Ueber die Möglichkeit günstigen Verlaufs des Car¬ 
cinoma ventricnli». 

Vortr. beobachtete eine 76jährige Frau, welche, seit einem 
halben Jahre krank, die allgemeinen Erscheinungen vorge¬ 
schrittener Krebskachexie und in der Magengegend einen 
scharf abgrenzbaren höckrigen Tumor darbot; Kaffeesatzähn¬ 
liche Massen werden erbrochen, Schmerzen in der Magenge¬ 
gend. Nach achtmonatlicher Behandlung mit Sol. arsen.Fowl. 
sind die allgemeinen Krankheitserscheinungen und der Tumor 
geschwunden und ist die Genesung eine dauernde, wie weitere 
v«jährige Beobachtung lehrt. Wenn Vortr. auch zugiebt, 
dass das Magencarcinom nicht absolut sicher nachgewiesen 
ist, so spreche doch die höchste Wahrscheinlichkeit für die 
Richtigkeit der Diagnose. Unter Hinweis auf die eminente 
Seltenheit des günstigen Verlaufs solcher Fälle, wofür sich 
in der Litteratur nur spärliche Belege finden, giebt Vortr. die 
Theorie der Heilung des Magencarcinoms nach Dittrich, 
Perls und Niemeyer und erklärt schliesslich die Anwen¬ 
dung des Arsens hier deshalb für indicirt, weil es die Fällig¬ 
keit besitze, fettige Degeneration hervorzurufen, zu welcher 
Metamorphose nach Perls dem Carcinom in jedem Falle dispo- 
sition innewohnt. 

Dr. Hampeln bestätigt die grosse Seltenheit solcher Fälle, 
da er im Laufe langer Jahre auch im allgemeinen Kranken¬ 
hause nicht einen ähnlichen Fall gesehen. 

Skeptisch werde man ja solchen Fällen stets gegenüber¬ 
stehen, wie es auch Dr. Weinberg gethan. weil die Existenz 
eines Carcinoma nicht absolut sicher erwiesen ist. Die an¬ 
scheinend charakteristische Kachexie. Erbrechen kaffeesatz¬ 
ähnlicher Massen nnd die andern Erscheinungen kommen 
schliesslich in seltenen Ausnahmefällen auch bei anderen Er¬ 
krankungen vor. Selbst wenn die Abwesenheit von Salzsäure 
im Magensaft nachgewiesen worden wäre, was nicht gesche¬ 
hen. hätte auch dies nicht die Diagnose absolut sicher gestellt, 
während ein positiver Salzsänrebefund gegen Krebs verwerth- 
bar gewesen wäre. Es sei wiederholt aus dem Umstande, dass 
ein Tumor mit der Zeit verschwand, der Schluss gezogeu 
worden, dass die Diagnose Magenkrebs falsch war, immerhin 
könne als möglich angesehen werden, dass grade letztere An¬ 
nahme den Irrthmn darstellt. Auffallend ist Dr. Hampeln 
ferner das relativ rasche Schwinden des Tumors. 

Nachdem Dr. Weinberg nochmals Fiir seine Diagnose ein¬ 
getreten und auch dessen erwähnt, dass Patient bis jetzt 
Lymphdrüsenschwellnng in der Inguinal- und J ugulargegend 
aiifweiBe, was vielleicht ein Recidiv fürchten lasse — was Dr. 
Hampeln hingegen nicht zngeben kann — berichtet Dr. 
Denbner über einen Patienten mit Magencarcinom im End¬ 
stadium. dessen Tumor plötzlich verschwand und bei wieder¬ 
holter Untersuchung bis zum Tode nicht wieder palpirt werden 
konnte. Erst bei der Section konnte man sich davon über¬ 
zeugen, dass der Tumor persistirte und hinter dem Rippen¬ 
bogen lag. 

Dr. Rulle will in einem Falle von Magencarcinom unter 
Behandlung mit infusum Condurango allmähliche Abnahme 
des Tumors und Genesung beobachtet haben. Auch andre 
Erfahrungen veranlassen ihn an eine specifiscbe Contac Wir¬ 
kung des Condurangoinfuus gegen Carcinom zu glauben. 

1181, Sitzung am 6. Mai 1892. 

Anwesend 46 ordentl. Mitglieder und 11 Gäste. 

In Abwesenheit des Präses übernimmt als ältestes Mit¬ 
glied unter den Anwesenden Dr. Peterseun das Präsidium. 

1. In einigen warmen Worten gedenkt der Vorsitzende des 


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herben Verlustes den die Gesellschaft durch den am 29. April 
erfolgten Tod ihres ordentlichen Mitgliedes, des Stadtarztes 
Dr. Friedrich Schultz, erlitten. Die Gesellschaft ehrt das 
Andenken des Verstorbenen durch Erheben von den Sitzen. 

2. Dr. A. Bergmann demonstrirt einen jugendlichen Pati¬ 
enten, dem er am 1. April wegen Caries sicca ein Schul¬ 
tergelenk resecirte und der jetzt ein vorzügliches functio- 
nelles Resultat aufweist- 

3. Dr. A. Bergmann demonstrirt ein Präparat, welches er 
bei der Resection eines Coecumcarcinoms bei einem 60- 
jährigen Manne gewonnen. Darmnaht auf der vorderen Seite nach 
Czerny-Lambert, auf der hinteren nach Spencer-Wells. 
Die drei ersten Tage nach der Operation verliefen ungestört, 
am 4. Tage Beginn peritonitischer Erscheinungen, Tod am 6. 
Tage. Die Section ergab, dass trotz der Spencer-vVellB’schen 
Naht an der hinteren Seite Gangraen des Darms eingetreten 
war. Redner hält wegen der Häufigkeit grade dieses Un- 
glöcksfalles die Frage für erwägenswerth, ob man nicht gut 
thue in jedem Falle von der Lumbalgegend her das Operati¬ 
onsgebiet ztr eröffnen und dann provisorisch durch Tamponade 
zu schliessen, um sich für alle Fälle den Rückhalt einer un¬ 
gefährlichen Eothfistel zu sichern. 

Dr. Wolfram macht auf eine Methode aufmerksam, die er 
Prof. Mikulicz namentlich bei Pylorusresection hat üben se¬ 
hen: M. hüllte die operirte Stelle völlig in Jodoformgaze ein, 
und entfernte letztere erst nach 7 -8 Tagen. Etwaige Gan¬ 
graen der Nahtstelle lässt sich so entdecken und unschädlich 
machen, bevor sie deletär gewirkt. 

Dr. Klemm dagegen berichtet, dass Mikulicz von seiner 
Methode die Bauchhöhle zu tamponiren, bereits abgekommen 
ist, weil Bie ihn nicht vor Peritonitis geschützt hat. Beach- 
tenswerther scheine der von französischer Seite erfolgte Vor¬ 
schlag, das Operaiionsgebie. mehrere Tage lang ausserhalb der 
Bauchhöhle zu belassen. 

4. Dr. Mercklin kündigt für die nächste Sitzung einen 
Vortrag über den gegenwärtigen Stand der, Forschungen über 
die Paranoia an und demonstrirt als Einleitung einen 54 jäh¬ 
rigen Patienten, der seit 18 Jahren an Paranoia leidet. Aus¬ 
gebildetes Wahnsystera, Verfolgungs- und Grössen vor Stellun¬ 
gen. Es ist kein Verfall der Intelligenz zu bemerken. Von 
den einzelnen Krankheitselementen werden auch die Erinne¬ 
rungsfälschungen hervorgehoben. 

5. Dr. Dahlfel dt hält seinen angekündigten Vortrag: 

«Ueber die operative Behandlung hochgradiger 
Myopie» 

Vortr. berichtet über die günstigen Resultate, welche Fu- 
k a 1 a und Schröder durch Discision der ungetrübten Linse 
jugendlicher Individuen mit hochgradiger Mjopie erzielt ha¬ 
ben. Wenn er die Operation auch nicht für absolut gefahr¬ 
los ansehen könne, so halte er sie dennoch für berechtigt, 
da dieselbe das einzige Mittel sei. den bedauernswerthen Indivi¬ 
duen mit hochgradiger Myopie zu helfen. Zum Beleg seiner 
Ausführungen stellt Vortr. einen mit Erfolg operirten Fall 
vor. Derselbe wird anderweitig publicirt werden. 

Zum Schluss macht Dr. Wolfram den Collegen die Mitthei¬ 
lung, dass er eine Privatklinik eröffnet habe und empfiehlt 
sie geneigter Berücksichtigung. 

z. Z. Secretär: Heerwagen. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Netizen. 

— Reynolds (Brit, Med. Journal) empfiehlt bei beginnendem 
Coma diabeticum folgende Behandlungsmethode. Zunächst 
ein Abfühl mittel, Aufgtlen der strengen Diabetesdiät und 
grosse Dosen Natr. citric. (siündl. gr.xx) neben grossen Mengen 
von Flüssigkeit in Fora von Mflch ; Limonade, Thee. Wasser 
etc. (innerhalb 12 Stunden wenigstens eine Gallone-4,5 
Liter). Anzeichen des herannahenden Coma diab. sind: Allge¬ 
meines Schwächegefühl, leichte Schlafsucht, Schmerz im 
linken Hypochondrium, angestrengte Athmung, verlängerte 
Exspiration, verminderte Ausscheidung von Zucker, Albumi¬ 
nurie und Acetonreaction des Urins. 

— Van Hook machte bei einer Dame von 32 Jahren, bei 
der am siebenten Tage eines Typhusrecidivs Darmperfo¬ 
ration eintrat die Laparotomie. In der Abdominalhöhle 
fanden sich reichliche Mengen flüssiger Faecalmassen neben 
Zeichen allgemeiner Peritonitis. Die unregelmässig-rundliche 
Perforationsstelle von 2 Mm. im Durchmesser wurde mit 3 
Lembert-Nähten geschlosstn, die Abdominalhöhle mit sterili- 
siriem Wasser ausgewaschen und ein Drain aus dem unteren 
Wundwinkel ins Cavnm Douglasii geleitet. Heilung. 

(Philadelphia Medical News). 

— In der Sitzung der Gesellschaft für Psychiatrie und 
Nervenkrankheiten zu Berlin (14 December 1891) theilte Prof. 
Jollv die Erfahrungen mit, welche mit einem neuen Derivat 
des Thymols, dem Thymacetin gemacht wurden. Diese 
Substanz steht zum Thymol in demselben Verhältnisse, wie 
Phenacetin zu Phenol. Es ist ein weisses, in Wasser nur 


wenig lösliches Pulver und ist in Dosen von 2 Gramm beim 
Hunde nicht giftig. In Dosen von 0,25—1,0 bewirkte es bei 
nervösen Kopfschmerzen mehrfach sichtbare Linderung, ln 
einigen Fällen erzeugte es Congestionen nach dem Kopfe, in 
anderen trat Schläfrigkeit und Schlaf ein. Unter 26 Patienteil, 
meist Paralytiker und Deliranten, wirkte es bei 16 hypnotisch, 
bei 10 Kranken trat diese Wirkung nicht ein. 

(Therap. Monatsh. Nr. 3. 1892). 

— Laborde glaubt gefunden zu haben, dass Strontian- 
salze auf die Band wurm keime eine ganz besonders zerstö¬ 
rende Wirkung ausüben. Die Anwendung dieser Salze hat 
bereits bei Hunden und auch beim Menschen sehr günstige 
Resultate ergeben. 

Sitzungsber. der Acad&nie de M6decine (Paris). 

— Auerbach hat Acidum hyperosmicum in einem 
Falle von grossem Struma mit gutem Erfolge angewandt. 
Täglich wurden parenchymatöse injectionen (1 Ccm. einer 
07,5 pCt. Lösung) applidrt. (Therap. Monatsh. April 1892). 


Vermischtes. 

— Mit dem Beginn des nächsten Lehrjahres wird an der 
Universität. Tomsk der 5. Cursus in der medicinischeu 
Facultät erötfhet werden. Zum Professor auf dem Lehrstuhl 
der Geistes- und Nervenkrankheiten an der dortigen Univer¬ 
sität wird der Privatdocent der militär-medicinischen Academie 
Dr. J. A. Anfimow, welcher gegenwärtig als jüngerer Arzt 
an der psychiatrischen Klinik des Prof. Mierzejewski fun- 
girt, ernannt werden. Ebenso soll für den Lehrstuhl der spe- 
cielleu Pathologie und Therapie in Tomsk ein Privatdocent 
der militär-medicinischen Academie in Aussicht genommen 
sein. 

— Das St. Petersburger Stadtamt hat der Duma den Vor¬ 
schlag gemacht, dem Oberarzt des städtischen Kalinkin- 
hospitals, Dr. J. A. Majew, welcher erst seit einigen 
Monaten diesen Posten bekleidet, die Gage auf 2000 Rbl. 
jährlich zu erhöhen, da die gegenwärtige, im Jahre 1840 
bestimmte Gage vollkommen unzureichend ist. Von einer 
Aufbesserung der kärglichen Gehälter der übrige Aerzte des 
Hospitals scheint noch keine Rede zu sein. 

— Verstorben: 1) In Schadrinsk (Gouv. Perm) am 9. Mai 
der dortige Kreisarzt^ P. J. Ssorokin, an einem Gehirntumor. 
Nach Absolvirung des Cursus in Kasan in den 60ger Jahren 
war der Hingeschiedene lange Zeit Fabrikarzt, musste jedoch 
wegen auftretender Geisteskrankheit seinen Dienst aufgeben. 

Nachdem er von dieser Krankheit wiedei hergestellt war, wurde 
er Kreisarzt in Schadrinsk. 2) ln Semenow (Gouv. Nishni-Now- 
gorod) der Student der militär-medicinischen Academie Tu- 
rassow, welcher in der Eigenschaft eines Sanitars an der 
Bekämpfung der Epidemien in den von der Hungersnoth heim- 

esuchten Gegenden theilnahm, am Flecktyphus. 3) Am 13 

uni n. St. in Dresden der Generalarzt I. Classe des König}! 
sächsischen Armeecorps (mit dem Range eines Generalmajors) 
Dr. Willi. Aug. Roth, in hohem Alter. Der Hingeschiedene 
bekleidete ausserdem die Stellung des Vicepräsidenten des 
sächsischen Landes-Medicinalcollegiums, des Vorstandes der 
Sanitätsdirection, sowie eines Honorarprofessors am Polytech¬ 
nikum in Dresden und ist vielfach, namentlich auf dem Gebiete 
des Militär-Sanitätswesen», literarisch thätig gewesen. Am 
bekantesten sind sein Handbuch der Militär-Gesundheitspflege 
und der von ihm herausgegebene Jahresbericht über die Lei¬ 
stungen und Fortschritte auf dem Gebiete des Militär-Sani¬ 
tätswesens. 4) Am 16. Juni n. St. der rühmlichst bekannte 
Pädiater Dr. Rudolf Demme. Professor der Kinderheilkunde 
und Pharmakologie an der Universität Bern. Der Verstorbene 
hat sich als Arzt und Forscher, besonders auf dem Gebiet der 
Kinderkrankheiten, einen W T eltruf erworben. 

— Der berühmte Physiker Professor Dr. med. F. v. Helm- 
holtzinBerlin ist von der französischen Academie der 
Wissenschaften, deren correspondirendes Mitglieder schon 
lange war, an Stelle des Kaisers Dom Pedro von Brasilien, 
mit 28 gegen 19 Stimmen, welcher für van Benedent abge¬ 
geben wurden,zum auswärtigen Mitgliede der Academie 
gewählt worden. 

— Die Academie der Wissenschaften in Stockholm 
hat den Professor der Anatomie Dr. Wilh. His in Leipzig 
zu ihrem auswärtigen Mitgliede gewählt. 

— In Breslau ist am 1. Juni beim dortigen Allerheiligen- 
Hospital eine Abtheilung für Ohrenkranxe eröffnet, welche 
gemäss den Bestimmungen des verst. Dr. Ludwig Jacoby 
aus den von ihm zu diesem Zweck hergegebenen Mitteln 
eingerichtet worden ist. Die Leitung des Instituts ist dem 
Ohrenarzte Dr. Oskar Brieger übertragen worden. 

— Da in den Sommermonaten mehrere grosse geburtshifliche 
Anstalten in St. Petersburg, wie das Rosndestwenski- und das 
Helenen-In8titut, sowie einige städtische Gebärasvle der Re- 
monten wegen geschlossen sind; so wandte sich aie städtische 
Sanitäts-Comission an die ihibtär-medicinische Academie mit 


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der Bitte, an der Academie für die Sommermonate eine tem¬ 
poräre geburtshilfliche Station mit 40 Betten einzu¬ 
richten. Mit Genehmigung des Kriegsministers hat nun die 
Academie in der Klinik des Prof. Slawjanski eine geburts¬ 
hilfliche Station eröffnet. Ausserdem beabsichtigt die städtische 
Sanitätscomi8sion noch bei dem ßoshdestwenski Baracken- 
Hospital ein kleines Gebärasyl einzurichten. 

— Die militär-mediciuisehe Academie macht bekannt, 
dass Stotternde nicht in die Zahl der Studirenden der Aca¬ 
demie aufgenommen werden. 

— Das Ministerium der Wegecommunication hat 
neuerdings den Aerzten und den bei ihnen befindlichen Feld¬ 
schern gestattet, falls sie in gerichtlich medicinischen und 
inedicinisch-polizeilichen Angelegenheiten reisen, auf allen 
Eisenbahnlinien gegen Zahlung nach dem billigeren Tarif 
und unter denselben Bedingungen, welche für die Fahrten der 
Polizeichargen bereits gelten, unbehindert zu fahren. Sie 
erhalten somit das Recht, nicht nur in den für das Eisenbahn- 
personal bestimmten Abtheilungen aller Passagier-, Güter-und 
Dienst-Züge, sondern auch auf den Tendern der ohne Waggons 
fahrenden Locomotiven placirt zu werden. 

— Die VI. Versammlung der deutschen anatomischen 
Gesellschaft tagte vom 7.-9. Juni unter zahlreicher Bethei¬ 
ligung deutscher, oesterreicliischer und auswärtiger Fachge 
uossen (aus Petersburg, London, Stockholm, Le) den und Pisa; 
diesmal zum ersten Mal ausserhalb Deutschlands — in Wien. 
Der Vorsitzende Prof. His (Leipzig; eröffnete den Congress 
mit einer Ansprache, in welcher er der in der letzten Zeit 
.Hingeschiedenen, auf dem Gebiete der Anatomie hochverdienten 
Männer, wie Wilh. Bräune, Trelat und Prof. Meynerts 
mit Worten piätetvoller Anerkennung gedaclfte und sodann 
den anwesenden verdienstvollen Senior der Anatomie, welcher 
an diesem Tage gerade sein 50jähriges Jubiläum beging, im 
Hamen der Versammlung beglückwünschte. Die Reihe der 
wissenschaftlichen Versammlungen wurde durch einen Vortrag 
des Prof. His «über die Entwickelung des Gehirns* einge¬ 
leitet. 

— (Vom XXI. deutschen Chirurgencongress). ,An die 
von uns in der vorigen Nummer dieser Wochenschrift geschil¬ 
derte Einweihung des Langenbeckhauses schlossen sich nach 
einer einsttindigeu Pause die wissenschaftlichen Verhandlungen 
des Chirurgencougresses, welche mit einem Referate von Prof. 
Bruns (Tübingen; über eine brennende Tagesfrage, die chi¬ 
rurgische Bedeutung der neuen Feuerwaffen eröffnet | 
wurden. Durch die Verkleinerung des Calibers der neuen Schuss¬ 
waffen und durch das neue Pulver wird eine Steigerung der 
Geschwindigkeit der Geschosse und damit zugleich eine grossere 
Tragweite und Treffsicherheit erreicht. Die Art und Schwere 
derVerletzungen durch die neuen Geschosse werden in den 
Kriegen der Zukunft auch eine Aenderung in den Grundsätzen 
für die Behandlung der Schusswunden nothwendig machen. 
Ein genaueres Referat über diese Frage behalten wir uns für 
ein anderes Mal vor. Aus den zahlreichen Vorträgen auf dem 
Congress wollen wir heute nur noch einen von Eiseisberg 
(Wien; mitgetheilten Fall von Aktinomykose, in welchem 
eine Heilung durch Einspritzung des Koch'sehen Tnberkulins 
erzielt wurde und einen interessanten Vortrag desDr. Gramer 
(Wiesbaden; tiberchirurgischeHeilungeines Falles von 
Lepra hervorheben. Es handelte sich um einen 40jährigen 
Patienten, der aus Westfalen stammte und 4 Jahre lang in 
Siam unter einer von der Lepra durchseuchten Bevölkerung 
gelebt hatte. Die für die Lepra charakteristische Nervenaffec- 
tion sass am linken Arm, den der Kranke nicht zu gebrauchen 
im Stande war. Oberhalb des Ellbogengelenks sassen zwei 
kaselnussgrosse Knoten. Beim Aufschneideu, das behufs mikro¬ 
skopischer Untersuchung vorgenommen werden sollte, fand 
sich darin eine weiche käsige Masse, die sich durch die ganze 
Länge des Nerven, an dem die Knoten sassen, erstreckte. 
Ebenso fand sie sich noch an zwei anderen Nerven des Armes. 
Sie wurden deshalb gespalten und ausgekratzt, verheilten in 
kurzer Zeit und Patient hat die vollkommene Gebrauchsfähig- 
keit seines Armes wiedererlangt. In der ausgekratzten weichen 
Masse konnten Leprabacillen nachgewiesen werden. 

Zum Vorsitzenden für das nächste Jahr wurde Prof. 
König (Göttingen; mit 137 Stimmen gewählt. Die nächst¬ 
grösste Zahl von Stimmen (82; erhielt Prof. v. Esmarch 
(Kiel;. Der bisherige Ausschuss wurde per acclamationem 
wieder gewählt. 

Mit dem Congress war in den Nebenräumen des Langenbeck¬ 
hauses eine Ausstellung Chirurg. Geräthe, Apparate 
etc. verbunden, welche bei der Geräumigkeit der zahlreichen 
Nebensäle diesmal weit grossartiger gestaltet werden konnte 
und für den Fachmann viel Sehenswerthes und Lehrreiches 
bot. Es waren meisterhafte Collectionen von Chirurg. Instru¬ 
menten, Apparaten, Bandagen u. s. w. von den namhaftesten 
Fabrikanten der betreff. Industriezweige ausgestellt. Neben 
diesen Gegenständen, die ein treues Abbild der hohen Lei 
stungsiUhigkeit der modernen Technik darboten, verdienen 
die Ausstellungen einiger Kliniken und Aerzte besondere 


Beachtung. So war z. B. aus der Sammlung der chirurgischen 
Universitätsklinik in Berlin der lnstrumentenkasten B. v. 
Langenbeck’s ausgestellt, den er in den Feldzügen 1864, 66 
und 1870 gebraucht hat, ferner eine Kugelsammlung Prof. v. 
Bergmann’s aus dem letzten russisch-türkischen Kriege, 
Präparaten-Sammlung Prof. v. Bergmann’s und Prof. Hel* 
ferich’8 (Greifswald; u. s. w. welche die allgemeine Aufmerk¬ 
samkeit auf sich zogen. Bf. 

— Der grösste Theil der russischen medicinischen 
Literatur erscheint in St. Petersburg. Wie sehr dieselbe 
in den letzten 16 Jahren gewachsen ist, zeigt die folgende 
Uebersicht der in St. Petersburg zur Ausgabe gelangten Jour¬ 
nale und Monographien. Von ersteren erschienen im Jahre 
1875 nur folgende: 1. BoeuHO-MeÄHg. stypHajrB. 2. CßopHuro, 
cyaeÖHoä MejmgHHu. 3. ApxHBi. BeTepHHapHburi, nayat. 4. St. 
Petersburger med. Wochenschrift. 5. Pharmaceutische Zeit¬ 
schrift für Russland. 6. HCypHajn. C.-IleTepß. Bpauefi roMeo- 
naTOBi». 7. Mcahh,. b4>cthhki>. 8. Htypnaxi» HopMaatHoä, naTo- 
jiornuecKofi racTonorie h RjnmnuecKok uegHgHHU. 

Dagegen erscheinen seit dem 1. Januar 1892 bereits 33 Jour¬ 
nale und zwar folgende: 1. BoeHHO-MeaHg. acypHajn» a npaöatf 1 
acHia kb HeMy. 2. Mopcaofi cöopHHics, ue^ogaHfai a npnßaBJieHia 
ki» HeMy. 3. BicTHHKi. oßig. rarieHU h cy^eßHofi mcahühhu. 
4. ApxHBt BeTepHH. Hayin> h upHÖaBJi. 5. Pyccicaa MOAügHHa. 
6. Bpaut. 7. MeAHgHHa. 8. St. Petersb. med. Wochenschrift. 
9. Pharmaceutische Zeitschrift für Russland. 10. <X>apMageB- 
THiecKiä HcypHUJU. 11. BojitHHiflaa raseTa EoTiuma. 12. Jlac- 
tokt, HopMajibHoö cTOJioBoff. 13. XapyprireecKift bIjcthhk'b. 14. 
ByÖOBpaueÖHMi b£cthhki>. 15 iRypniuab aKymepcTBa h acee- 
ckuxT) ßojrhaHeii, 16. IIpoxoKOJM h ipy^u oßig. pyccKHXi Bpauefi. 
17. MejKayHupoAHaa KJiuHBKa. 18. HpaKTHuecicaa mcahuhhu h 
upaßaB. 19. ßeTepHHapHoe /fhao. 20. BIicthhkb oßmecTBeHHofi 
BeTepHHapiH. 21. CaHHTapHoe aIuio. 22. roMeouaiHuecKiÄ bI>ct- 
hhkb. 23. Bpaut roMeouan,. 24. «Eejitniept. 25. BHÖJiiorpa- 
(pHuecKifl yaasaTeJib pyccKoft MeAHg. JurrepaTypti. 26. JiCypHiun, 
UKymepcKO-rHHeKOJiorHHecKiö. 27. THriaa; oxpaneme h boctu- 
HOBJieHie SAOpOBba rarieHoio, KauMUTOMb h boaumh. 28. Rjih- 
HHqecKaa raaeTa. 29. JKypHajtb pyccK. oßm. oxpaHeHia HapoA- 
Haro 8ApaBia. 30. Hanm HHin,a. 31. TpyAH oßm. äEtckhxti 
B paueä Bb C.-IleTepß. 32. Bh CT HHK , i> npaBxeHiH 5. ebta^a pycca. 
Bpaueä Bb nuMHTb ÜHporoBa. 33. BbcTHHn^ mnunniecicofi h 
c yAeßHoft ncHxiaTpjH. 

Die medicinischen Monographien haben nicht weniger zuge- 
nommen U nd vertheilen sich folgenderinaassen auf die Jahre 
1877 bis 1892: 


1877 

erschienen 

34 

1885 

erschienen 

90 

1878 

> 

33 

1886 

> 

119 

1879 

> 

47 

1887 

» 

81 • 

1880 

> 

46 

1888 

» 

146 

1881 

> 

46 

1889 


198 

1882 

» 

54 

1890 

> 

254 

1883 

» 

44 

1891 

> 

324. 

1884 > 

ierau8 ist ersichtlich 

81 

, wie 

die Zahl der medic. Separatwerke 


besonders in den letzten 8 Jahren eine rasche Zunahme 
erfahren hat, Dr. J. Dedjulin. 

— In Brüssel hat der Kaufmann Solvay, der bereits ein 
physiologisches Laboratorium für die Brüsseler Universität auf 
seine Kosten erbaut hat, neuerdings 500,000 Francs zur 
Errichtung eines Laboratoriums für medicinische Physik nnd 
physiologische Chemie bei der genannten Universität gespendet. 

— Der II. internationale Congress der Physiologen 
wird vom 29.—31. August d. J. in Lttttichtagen. Auskünfte 
ertheilt Prof. Löon Fr£dericq, Director des physiologischen 
Instituts in Lüttich. 

— Der IV. internationale Congress gegen den Missbrauch des 
Alkoholgenusses findet im Haag am 8. September 1892 (n.St.) 
statt. 

— Die Darstellung und der Verkauf des bisher von dem 
Sanitätsrath Dr. Libbertz bereiteten Tuberculinum Kochii 
geht vom 1. Juli d. J. ab auf die bekannten Farbwerke vorm. 
Meister, Lucius und Brüning in Höchst a.-M. über. Die 
Herstellung wird in derselben Weise wie bisher stattfinden 
und wird die Prüfung des Mittels auf seine Reinheit und 
Wirksamkeit noch in Zukunft von Dr. Libbertz, der zu 
diesem Zweck wieder seinen Wohnsitz nach Frankfurt a. M. 
verlegt, übernommen, so dass die volle Sicherheit für eine 
gleichmässige Beschaffenheit des Mittels gewährleistet wird. 
Das von Prof. Klebs dargestellte «Tnberculocidin» wird 
ebenfalls in den Höchster Farbwerken, unter Controlle von 
Prof. Klebs hergestellt. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 7. Juni d. J. 5441 
(25 mehr als in der Vorwoche), darunter 294 Typhus — (12 we¬ 
niger), 527 Syphilis — (6 mehr), 40 Scharlach — (3 weniger), 
14 Diphtherie — (5 weniger), 91 Masern — (8 mein-) und 12 
Pockenkranke (2 weniger als in der Vorwoche). 


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V-T*P j 


XVII. JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


UEDICINICCHB WOCEENSCERIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die <St. Petersburger Mediciuisclie Wochenschrift erscheiut jeden 
Sonnabend.— Der Abonnementspreis ist iuBusslan&8 Rbl. lur das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung', in den anderen 
Ländern 20 Hark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xnsertionspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesaudt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate *^| 

bittet mau nusschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Eicker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect ^6 14, zu richten.— Kanuscripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungeu bittet mau au 
den geschäftsführe uden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja J4 33,Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


JA 25 


St. Petersburg, 20. Juni (2. Juli) 


1892 


Inhalt: H. Westphalen: Ein Fall von sog. erworbener Cystenniere des Erwachsenen. — Max Buch: Ueber Alge- 
8imetrie. — Referate: Kndolf Hoepfel: Beitrag zur Digitalisbehandlung bei Pneumonie. — 0. Schirmer: Ueber eine 
eigentümliche Lidrandaffcction (Vaccinola des Lidrandes). — Bücheranzeigen und Besprechungen: H. Dohnberg: 
Tafeln nach dem MetersyBtem zur Bestimmung der Sehschärfe. — R. v. Hoesslin: Ueber die Behandlung chronischer Rücken- 
markskrankheiten und die Vortheile localer Kältereize bei denselben. — H. Schlesinger: Aerztliches Handbüchlein für hy¬ 
gienisch-diätetische, hydrotherapeutische, mechanische und andere Verordnungen. — W. Waldeyer: Ueber einige neuere For¬ 
schungen im Gebiete aer Anatomie des Centralnervensystems. — Auszug aus den Protokollen des deutschen ärztl. 
Vereins zu St. Petersburg. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Va- 
c * nz - ~ M ortalitäts-Bul letin St. P etersburg s. — A n z e i gen._ 

Vierter Aerztetag 

der Gesellschaft livländischer Aerzte. 


Der vierte Aerztetag der Gesellschaft livländischer Aerzte 
findet in ‘Wenden statt nnd währt vom 14.—16. September 
d. -Jabrea. 

Vorträge, deren Dauer die Zeit von 15 Minuten nicht über¬ 
schreiten darf, werden die Herren Aerzte ersucht, unter 
genauer Angabe des Themas und kurzer Wiedergabe des 
Inhalts baldmöglichst, spätestens aber bis zum 1. August c. 
bei Unterzeichnetem anzumelden. 

Im Namen des Vorstandes: 
d. Z. Präses: Dr. H. Truhart— Fellin. 

Ans dem St. Petersburger deutschen Alexanderhospital für 

Männer. 

Casuistische. Mittheilungen 

von 

Dr. H. Westphalen 
Prosector. 

I. Ein Fall von sog erworbener Cystenniere des 
Erwachsenen’). 


M. H.! In Nr. 1 der Berliner klinischen Wochen¬ 
schrift dieses Jahres veröffentlicht C. Ewald die Ge¬ 
schichte eines Falles totaler cystischer Degeneration 
beider Nieren eines Erwachsenen mit Sectionsbericht und 
schliesst daran eine Discussion über die Symptomatologie, 
Klinik nnd Diagnose solcher Krankheitsfälle. Angeregt 
durch diese Publikation beschäftigt sich Stiller in Nr. 
10 und 12 derselben Wochenschrift mit dem gleichen 
Thema. 

Der Zufall hat mir nun vor Kurzem einen analogen 
Fall in die Hände gespielt und bitte ich um Erlaubnis 
Ihnen denselben in Kürze mitzutheilen. 

Am 22. Jannar wurde ich zn einem 47 jährigen Herrn J. L. 
Inhaber eines Confectionsgeschäfts gerufen, welcher mir die 


’) Vortrag, gehalten am 14. April 1892 im allgem. Verein 
St. Petersburger Aerzte. 


Angabe machte dass er seit dem Sommer stark abgemager 1 
sei — sein Körpergewicht, welches im Sommer 280 Pf. betrug 
sei momentan anf 218 Pf. herabgesnnken. Namentlich habe 
sich aber^ in den letzten 3 Monaten eine ganz auffallende Mat¬ 
tigkeit und Schwäche bemerkbar gemacht, welche Pat. seit 1 
Monat andauernd an das Bett fesselt. Ferner theilte Pat mit, 
dass er gan? appetitlos geworden sei nnd jede Speise ihn 
anwidere. 

Oft leide er an Uebelkeit und häufig müsse er unmit¬ 
telbar nach einer Mahlzeit erbrechen, gleichviel ob er eine 
schwere Speise genossen hatte oder sich mit einem Glase Thee 
begnügte. 

Das Erbrechen erfolgte auch bisweilen, wenn auch selten 
am Morgen nüchtern, wobei dann nur reichlicher Schleim 
entleert wurde. Blnt oder schwärzliche Massen sind im Erbro¬ 
chenen niemals beobachtet worden. Ferner macht Pat. die Mit¬ 
theilung, dass er häufig an Aufstossen leidet, welches bald 
vollständig geschmacklos, bald an den Geschmack der soeben 
genossenen Speise erinnere. 

Sodbrennen oder Druckgefühl im Epigastrium bestehen 
nicht, ebensowenig schlechter Geschmack im Munde am Morgen. 
Hin nnd wieder leidet Pat. an Kopfweh, starkem Schlafbe¬ 
dürfnis, leichter Dyspnoe beim Treppensteigen, massigem 
Hasten mit Schleimexpectoration, sowie Schwierigkeit bei der 
Harnentleerung, welche übrigens schon seit langer Zeit besteht. 
Stuhlgang in Ordnung. 

Die Anamnese ergab, dass Pat. früher ziemlich reichliche 
Quantitäten Alkohol genossen hat, nunmehr hatte er aber 
dem Alkohol ganz entsagt, sei auch ein massiger Raucher. 
In ganz jnngen Jahren hatte er eine Gonorrhoe durchgemacht, 
doch machte mir die Frau des Pat. die Angabe, dass ihr 
Mann vor 4 Jahren an einem weissen Ansflusse aus der Harn¬ 
röhre gelitten, worauf auch sie selbst an einem schmerzhaften 
Fluor albus erkrankt sei, welcher von einem Frauenarzt als infec- 
tiös bezeichnet wurde. Eine seitens eines Apothekers ansge¬ 
führte Harnanalyse, welche mir vorgelegt wurde, gab an, dass 
im Harn Eiweiss vorhanden sei. 

Die flüchtig ausgeftihrte Untersuchung ergab: Hochgewach¬ 
sener Mann, vertiefte Lungengrenzen, normale Herzdimen¬ 
sionen, mässiger Bronchialcatarrh, auffallend leise schwache 
Herztöne bei gleichfalls sehr kleinem nicht frequentem Pulse. 
Normales Verhalten der Leber nnd Milz, keine Druckern pfind- 
lichkeit des Magens, welcher sich bei Wasseranfüllnng als 
normal gross answies. Was mir aber an dem Pat. am meisten 
auffiel, war eine stark belegte rissige trockene Zunge mit 
gelblichen eingetrockneten Borken und ein eigenthümliches 
apathisch mürrisches Wesen nnd eine leichte Benommenheit, 
mit welcher er auf alle Fragen antwortete. 

Ohne mir eine rechte Meinung über den Fall gebildet zn 
haben ordinirte ich wegen der dyspeptischen Beschwerden, 


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242 


nnd um dadurch möglicherweise gleichzeitig einen Hinweis 
auf die secretorischen Verhältnisse des Magens zu gewinnen 
HCl, nahm eine Portion des Urins mit und versprach nach 
einigen Tagen wiederzukommen. 

Im Urin fand ich massigen Albamengehalt, kein Pepton, 
keinen vermehrten Indicangehalt, keine Cu-redncirende Sub¬ 
stanz, keine Diacetessigsäure und kein Aceton. Die Beaction 
war leicht alkalisch, das spec. Gewicht auffallend niedrig 1007. 
Im Sediment reichliche mehrkernige Leukocyten, Blasen- und 
Harnröhrenepitlielien, keine Nierenbecken—, Nierenepitbelien 
oder Cylinder, ferner fanden sich reichliche Bacterien und 
zahlreiche Krystalle von phosphorsaurer Amraoniakmagnesia. 

Nach 2 Tagen sah ich den rat. wieder und erfuhr von ihm, 
dass er seit dem Gebrauche der HCl keine dyspeptischen Er¬ 
scheinungen mehr verspürt habe. Im Allgemeinbefinden war 
keine Aenderung eingetreten, auch die Zunge war dieselbe 

¥ eblieben, ebenso auch das apathisch mürrische Wesen des 
'atienten. 

Da ich mir über die Diagnose nicht klar war — ich dachte 
an Alkoholismus, occultes Carcinom, namentlich an chron. 
Uraemie, wofür mir die meisten Anhaltspuncte gegeben zu 
sein schienen — so machte ich Pat. den Vorschlag zum Zweck 
einer exacteren Untersuchung und Diagnosenstellung in das 
Alexander-Hospital einzutreten. 

Hierselbst habe ich am 25. Januar folgenden Status auf¬ 
genommen : 

Hoch gewachsener, nicht schlecht genährt anssehender 
Mann, keine Cyanose, kein auffallender Grad von Anaemie. 
In der Haut des Rückens reichliche Aknepusteln oder Narben 
von solchen. Auf der Brust einige Pityriasisschuppen. 

Kein Kopfweh. Apathisch melancholische mürrische Stim¬ 
mung. Auf Befragen antwortet Pat. langsam, ungern und 
unwirsch. Pupillen mittelweit, geben prompte Beaction auf 
Lichteinfall und Accomodation. Keine Paresen, kein Schwindel, 
sämmrliche Reflexe normal. Niemals Krämpfe. 

Thorax leicht fassförmig, Excursionsbreite des Thorax 
4 Ctm,, Lungengrenzen durchschnittlich 1 JCR. tiefer als 
normal. 

Auscultatori8ch hier und da Pfeifen und Giemen, stellen¬ 
weise etwas verschärftes Vesiculärathmen; keine asthmatischen 
Beschwerden. 

Absolute Herzdämpfnng klein, wahre Heizdämpfung annä¬ 
hernd normal. Herzchoc nicht wahrnehmbar. Herztöne auf¬ 
fallend leise, schwer hörbar, rein. Puls klein. Arteiien leer. 
Puls rhythmisch, Frequenz 70. Arteriosklerotische Verände¬ 
rungen nicht constatirbar. 

Appetit nicht vorhanden, dagegen starker jQiust. Sftmmt- 
liche dyspeptische Beschwerden haben bei HCl-gebrauch auf¬ 
gehört. Zunge stark belegt, trocken, rissig; kein Foetor ex 
ore. Epigastrium nicht druckempfindlich, untere Grenze des 
Magens schwer bestimmbar, anscheinend normal. Bei 2''a Glas 
Flässigkeitsinhalt im Magen kein Plätschern. Ausdehnung 
des hellen tympanitischen Schalles bei Horizontallage ober¬ 
halb der Flüssigkeitsschicht normal. 

Der Versuch einer Expression des Mageninhaltes scheiterte 
daran, dass das weiche Schlundrohr im mittlern Drittel des 
Oesophagus einknickte und eine weitere Einführung der Sonde 
anf energischen Widerstand des Pat. stiess. 

Darm nicht druckempfindlich, täglich normale Stuhlent¬ 
leerung. 

Leber undeutlich palpabel, nicht druckempfindlich, giebt 
einen Dampfungsbezirk, welcher ca. 1 QF. unter den Rippen¬ 
bogen herabreicht und augenscheinlich auf tiefen Zwerchfell - 
stand bezogen werden muss. 

Milzdämpfung normal. 

Nieren nicht palpabel. Die Harnmenge täglich ca. 800 Cbctm., 
Harn sehr hell und zeigt ein gallertig schleimiges Sediment. 

Beart. alkalisch, spec. Gewicht 1007, Albuiuen in Spuren, 
Zucker fehlend, Indican nicht vermehrt, Chloride normal. 

Das Sediment besteht, wie schon erwähnt, vorwiegend aus 
Leukocyten, Blasenepithelien, grossen Mengen phosphorsaurer 
Ammoniac-Magnesia. Cylinder oder andere Gebilde, welche 
eine renale Provenieuz verrathen würden, wurden trotz eifri¬ 
gen fast täglichen Suchens nicht gefunden. 

Eine genaue Untersuchung der Harnwege, welche von Herrn 
Dr. Assmuth und Dr. Lackschewitz vorgenommen wurde, 
ergab: normale Prostata, eine Metallsonde normaler Krümmung 
Chartere 11. dringt bis zu der Blase vor. Dieselbe passirt zu¬ 
nächst in der Pars bulbosa eine Strictur und weiter einige 
enge Stellen in der Pars prostatica, welche sich durch eine 
eigentümlich knirschende Rauhigkeit auszeichneu ilncrusta- 
tionen? Prostata-Urethrasteine?). Blase frei, keine Concrement- 
bildung in derselben. 

Die Katheterisation hatte eiuen 24stiindigen Anstieg der 
Temperatur zur Folge, sonst war die Temperatur immer 
normal. 

Auf diesen Befund hin wurde die Diagnose folgendermassen 
formulirt: 

Fettherz auf alcoholischer Grundlage, chronischer 
ßronchialcatarrh, erschwerte Urinentleerung we¬ 


gen Strictur der Urethra, Cvstitis chron., Pyelitis 
chron.? Resorption von Harilbestandtheileii ans der 
Blase und Uebertritt derselben in dasBlut, wodurch 
der allgemeine Sy mptomencomplex, welcher in hohem 
Grade an das Bild der chronischen Uraemie erinnerte, 
erklärbar schien. 

Jedoch möchte ich hier betonen, dass das Ueberwiegen der 
Hirnerscheinungen gegenüber den Symptomen seitens des 
Digestionstractus nach der Darstellung von Assmuth (Peters¬ 
burger med. Woch9nschr. 1886 Nr. 6) mehr für ein Zurück¬ 
gehaltensein von Nierensecreten in dem Blute sprechen 
musste, als für eine Resorption des Urins in das Blut zurück. 

Daraufhin wurde Pat. auf den Vorschlag von Dr. Assmuth 
hin einer Milchcur unterworfen und innerlich Borsäure ordi- 
nirt und die Darreichung des Acid. muriatic. fortgesetzt. 
Sollte diese Therapie effectlos bleiben, so wnrde an eine Ure- 
throtoraie gedacht. 

Das Befinden des Pat. verschlimmerte sich ganz wesentlich 
in den nächsten Tagen, die Zunge wurde immer trockener und 
rissiger, der Durst nahm zu, es trat starke Agrypnie ein. 
während die Benommenheit immer hochgradiger wurde, wobei 
die Respiration gleichzeitig sehr tief, frequent, fast schnar¬ 
chend wurde. 

Am 3. Februar starke Cyanose, kaum fühlbarer Puls. Er¬ 
brechen, Schwinden des Bewusstseins, Lungenoedem. Trotz 
reichlicher Excitantien am Abend desselben Tages Exitus 
letalis. Am 4. Februar führte ich die Section aus und erlaube 
mir das Protocoll auszugsweise mitzutheilen. 

Peritoneum, Darm, Magen unverändert, das Herz zeigt 
eine leichte Dilatation des rechten Ventrikels, welche auf Li- 
pomatose seiner Wand zurückzuftihren ist. Die Wand des 
finken Ventrikels'.trübe, von myokarditischeu Bindegewebs- 
zügen durchsetzt. Die Muskelfasern frisch untersucht zeig¬ 
ten deutliche albumiuöse Trübung, aber nur spurenhafte fet¬ 
tige Degeneration. 

Lungen oedematös, mucös purulente Bronchitis. 

Die Leber bis anf die Anwesenheit auffallend zahlreicher 
klarer dünnwandiger Cysten, die zwischen der Grösse eines 
Stecknadelkopfes und einer Haselnuss schwanken, unverändert. 

Mikroskopisch Andeutung von Fettinfiltration der Leber¬ 
zellen. 

Milz, Pankreas, Nebennieren unverändert. 

Leichtes Atherom und Sclerose der Aorta und. der Coro- 
nararterien des Herzens. 

Interessant war der Befund an den Nieren. Beide Organe 
boten die gleichen Veränderungen dar und erinnerten in ihrem 
Aussehen stark an das Bild einer Weintraube. Mässig yer- 
grössert erschienen die Nieren in ein Oonglomerat kleiner 
nur .eben wahrnehmbarer bis taubeneigrosser Cysten umge¬ 
wandelt, welche häufig so zartwandig waren, dass die Tren¬ 
nung der Fettkapsel nur mit Einriss der einen oder der an¬ 
dern Cyste möglich war. 

Diese Cysten waren theils mit einer klaren urinähnlichen 
Flüssigkeit gefüllt, an andern erschien wiederum der Inhalt 
trübe chocoladenartig, oft haeinorhagisch, wieder andere Cysten 
boten einen colloiden Charakter dar und einzelne von ihnen 
stellten Hohlräume vor, welche mit einer schmutzig braunen 
körnigen Masse gefüllt waren. Die Wand der Cysten ist glatt, 
bindegewebig, zeigt mehrfach Septa, welche darauf hin weisen, 
dass solche Cysten durch Confluenz mehreier kleinerer Hohl¬ 
räume entstanden sind. Auf dem Durchschnitte dasselbe 
Bild, von normalem Nierengewebe nur wenig zu erkennen, 
eine Scheidung in Mark- und R^adepsubstanz nicht vorhan¬ 
den. Die Nierenbecken durch die vorsppngenden Blasen 
stark verengt, sonst makroskopisch kaum verändert. Die 
Ureteren vielleicht etwas enger als normal. 

Urethra normal bis auf eine Strictur im membranösen 
Theil welche durch eine narbige Schrumpfung des periurethra¬ 
len Gewebes bedingt wird. 

Die Harnblase von normaler Grösse mit trübem stinken¬ 
dem Urin erfüllt. Die Wand trabeculär beschaffen. Mucosa 
im allgemeinen glatt, stark echymosirt, gefässreich, zeigt 
eine Menge flacher Snbstanzdefecte, welche durch einen et¬ 
was schwärzlich gefärbten Hof besonders deutlich hervortre¬ 
ten. Prostata im Grossen und Ganzen normal, zeigt vereinzelte 
Myome. 

Anat. Diagn. Cystenniere. Strictura Urethrae. Gys- 
titis chron. Cysten der Leber, Lipomatosis cordis, 
chron. Bronchitis. Myocarditis chron. fibrosa. Lun¬ 
genoedem. 

Bevor ich zu der nähern Beschreibung des Falles selbst 
übergehe, sei es mir gestattet die pathologisch anato¬ 
mische Seite der Frage zu berühren. 

Mit der Cystenbildung bei der chron. interstitiellen 
Nephritis ist die Cystenniere, die polycystische Degene¬ 
ration der Niere kaum zu verwechseln, da die Cysten 
bei der Granularatrophie gewissermaassen nur Nebenbe¬ 
funde darstellen, bei der Cystcnniere aber das Essentielle 


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243 


and Wesentliche derselben ausmachen; während bei ersterer 
Form die Niere klein ist, erscheint letztere gross und 
kann oft ganz enorme Dimensionen erreichen. So betrug 
in einem Falle Leichensterns 3 ) das Gewicht der einen 
Niere J350 Gr., dasjenige der andern gar 1505 Gr. 
Ein weiterer Unterschied besteht in der Grösse der 
Cysten, welche sich bei der Schrumpfniere meist in sehr 
massigen Grenzen halten, während bei der Cystenniere 
die Hohlr&ume sehr beträchtliche Dimensionen annehmen 
können. 

Was den Inhalt der Cysten anbetrifft, so ist derselbe 
bald klar, bald trübe und bräunlich oder colloid. Von 
chemischen Bestandteilen findet sich in denselben meist: 
Harnsäure, Tripelphosphate, Harnstoff (welcher übrigens 
auch fehlen kann) Cystin, Hippursäure, Oxalate, Chole- 
stearin, Leucin, Tyrosin, von corpusculären Elementen 
Epithel- und Rundzellen, formloser Detritus etc. 

Bei der eigentlichen Cystenniere, welche meist doppel¬ 
seitig auftritt, muss man wieder 2 Formen unterscheiden— 
die angeborene und die erworbene Cystenniere. 

Die erstere Form, die congenitale Cystenniere, bean¬ 
sprucht insofern ein ganz besonderes Interesse, als durch 
sie ein unüberwindliches Geburtshinderniss gegeben werden 
kann, welche die Zerstückelung des Kindes erforderlich 
macht. Andererseits wird auch selbst bei glücklich been¬ 
deter Geburt das Leben des Kindes durch die bedeutende 
Ausdehnung des Bauchraumes und die Behinderung der 
Zwerchfellsbewegungen und der Respiration sehr in Frage 
gestellt. 

In ihrem Aussehn unterscheidet sich die angeborene 
Cystenniere in keiner Weise von der erworbenen. 

Interessant ist es ferner, dass congenitale Cystennieren 
häufig gefunden worden sind in Verbindung mit andern 
Missbildungen: Hydrencephalocele, Missbildungen des 
Kopfes und der Extremitäten, Klumpfüssen, Wolfrachen. 
In einem Falle bestand rechts eine Cystenniere bei gleich¬ 
zeitigem Mangel der rechten Unterextremität und der 
rechten Hälfte der Genitalien, während links normale 
Verhältnisse bestanden. Ferner liegen Beobachtungen vor, 
dass eine Frau zu wiederholten Malen Kinder mit Cysten¬ 
nieren zur Welt gebracht hat abwechselnd mit normal 
geformten Kindern. 

• Ueber die Ursache und die Entstehungsart der conge¬ 
nitalen Cystenniere gehen die Ansichten auseinander. 

Wenn man berücksichtigt, wie häufig congenitale Nie¬ 
rencystenbildungen beobachtet worden sind in Verbindung 
mit andern Missbildungen, so liegt der Gedanke nahe 
auch bei der Entwickelung der Cystenniere selbst einen 
Bildungsfehler anzunehmen. Gestutzt auf die Angabe 
Knpffer’s, welcher eine gesonderte Bildungsanlage der 
Niere und des Nierenbeckens annimmt, spricht Koster 8 ) 
die Vermuthung aus, ob nicht bei der congenitalen Cysten¬ 
niere in der Foetalperiode eine Vereinigung der Niere 
und des Nierenbeckens ausbleibt und dadurch eine Atresie 
der Hamcanälchen zu Stande kommt, infolge derer sich 
der Urin oberhalb der Atresie staut und eine cystische 
Dilatation der Harncanälchen bewirkt. Gegen diese An¬ 
schauung Ko st er’s, welche nebenbei gesagt, nur wenige 
Verfechter gefunden hat, kann angeführt werden, dass 
obwohl, wie mich Embryologen yon Fach versichert 
haben die Entstehung der bleibenden Niere der Säuge- 
thiere lange noch nicht entschieden ist, es doch den 
Anschein hat, als werde die Niere mit sammt dem Ureter 
und dem Nierenbecken zu gleicher Zeit als ein Ganzes, 
nicht in getrennten Partieen angelegt. 

Mehr acceptirt ist die Ansicht Virchow’s 4 ), wonach 
die angeborene Cystenniere auf eine Ausdehnung der 
Harncanälchen infolge eines peripheren Verschlusses der- 

D. med. Wochsch. 1884, Nr. 51. 

') Nederl. Arch. II. III. 

4 ) Würzburger Verband]. V. nnd Verhdlg. d. Berl. Gesellsch. 
f. Gebhlf. Bd. III. 


selben durch Harnsäureinfarct oder auf eine durch eine 
foetaleNephrapapillitis hervorgerufene Atresie der Papillen 
an der Einmündungsstelle in das Nierenbecken, oder auf 
eine Atresie des Nierenbeckens oder des Ureters zurück¬ 
geführt wird Letztere Auffassungbezieht sich auf diejenigen 
Fälle, wo ein Nierenbecken fehlte, erstere auf solche 
Nieren, wo an den Nierenbecken und den Ureteren 
keine Veränderung gefunden wurde. 

Eine Arbeit von Durlach 5 ) beschreibt gleichfalls eine 
obliterirende cbron. Erkrankung des Nierenbeckens, welche 
sich theils auf die seitlichen Theile der Nierenpapillen 
und auf das Gewebe zwischen den Renculis verbreitet 
und analog wie bei der Nephritis interst. chron. Cysten 
entstehen lässt. 

Anch über die Entstehung der sog. erworbenen Cysten¬ 
niere sind die Acten noch nicht geschlossen, es machen 
sich im Gegentheil hier noch sehr einander wider¬ 
sprechende Meinungen geltend 

Zunächst muss erwähnt werden, dass eine Anzahl von 
Autoren (Ziegler, Marchand s ) u. A.) geneigt ist, in 
der erworbenen Cystenniere wenigstens in gewissen ein¬ 
zelnen Fällen die Persistenz von congenitalen Cysten 
oder, wie Virchow meint, eine Fortentwickelung einer 
partiellen foetalen Degeneration zu sehen. 

Nach anderen Autoren und für andere Fälle soll die 
Cystenniere ursprünglich bei der Geburt des Individuum 
normal beschaffen sein und erst im Laufe der Jahre die 
erwähnte cystische Degeneration erleiden. Hierbei machen 
sich im Grossen und Ganzen, soweit ich mich in der 
Literatur umgesehen habe, und leider ist mir dieselbe nur 
sehr unvollständig und zum grössten Theile nur nach 
Referaten zugänglich gewesen, 2 Erklärungsweisen 
geltend. 

Zunächst eine Auffassung, welche in den Cysten Reten¬ 
tionscysten erblickt und an einen primären Verschluss 
der Hamcanälchen mit nachfolgender Dilatation derselben 
denkt. Dieser Verschluss kann stattfinden entweder durch 
Verstopfung der Harncanälchen, sei es durch colloide 
Gerinnungsprodukte oder durch feine Harnsäureconcre- 
mente, wie Ewald meint, oder durch Haemorrhagien in 
die Bowmann’sche Kapsel oder in die Harncanälchen 
infolge irgend einer traumatischen Einwirkung, wofür 
sich wiederum Eichhorst 7 ) ausspricht. 

Wieder nach Anderen sollen die Bedingungen zur Re¬ 
tention in chronisch interstitiellen Processen imitativer 
Natur gegeben sein z. B. in einer Nephropapillitis chron. 
fibrosa, welche sich von dem Nierenbecken auf die Py¬ 
ramiden fortsetzt. Dafür hat Thom 8 ) einige Belege 
gebracht, während Leichenstern wiederum den primären 
Sitz der Erkrankung an die Arteriolae rectae verae 
knüpft, welche von dem Arcus arteriosus direct nach der 
Marksubstanz ziehen und die Sammelröhren und die Aus¬ 
flusskanälchen versorgen. Diese Erkrankung soll eine 
Nephropapillitis bewirken, die zu einem Verschlüsse 
einiger Sammelröhren und Dilatation derselben führt. Er 
nimmt weiter an, dass diese Nephropapillitis befähigt ist 
auf die Nierenkelche und das Nierenbecken überzugehen. 
(Ewald 1.c.) An eine aufsteigende Nephropapillitis fibrosa 
denkt auch Arnold •), als deren Ursache angeborene 
Klappenbildungen und Knickungen an der Einmündungs¬ 
stelle des Ureters in das Nierenbecken anzusehen wären. 

Dieser Auffassung steht diejenige entgegen, welche 
namentlich von den Franzosen (Sabourin. Cornil, 
Hommey 10 ), Lejars“) u. AAden Italienern Brigidi und 

s ) Ueber Entstehung der Cystenniere. Dlss. Bonn. 1885. 

8 ) Eulenburgs ßealencyklopaedie Art. Cysten. 

T ) Handbuch der spec. Path. und Therap. 4. Aufl. 1890 II. 

*) Beitrag zur Genese der Cystenniere Dies. Bonn 1882. 

•) Zieglers Beiträge Bd. VIII. ctt. nach Ewald 1. c. 

,0 ) Contribution ä l’etnde anatoraique des Kystes du rein. 
Th6se de Paris 1887. 

“) Du gros rein polykystique de l’adulte. Th6se de Paris 1888. 


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244 


Severi, z. Th. auch dem Deutschen Philippon ,2 )getheilt 
wird, eine Auffassung, welche von Retentionscysten nichts 
wissen will, sondern die Entstehung des ganzer. Processes 
in eine primäre Wucherung der Harncanälchenepithelien 
verlegt mit nachfolgender colloider Umwandlung derselben, 
woraus dann die Cysten hervorgehen sollen. Die Sclerose 
des Nierengewebes sei etwas secundäres, wie sie in allen 
Neubildungszuständen vorkommt. Denn um solche handele 
es sich hier, die Cysten seien neoplastischen Ursprunges, 
keineswegs Retentionscysten. Sie bringen den Vorgang 
in den Nieren in Analogie mit ähnlichen Processen in 
andern Organen, den Hoden, Ovarien, der Mamma. 

Als Stütze für diese Ansicht wird auch namentlich 
angeführt die überaus häufige Doppelseitigkeit der Er¬ 
krankung und das gleichfalls so augenscheinlich häufige 
Zusammentreffen der Cystenniere mit multipler Cysten¬ 
bildung der Leber, was nach Lejars in 25,5 pCt. der 
Beobachtungsfälle vorzukommen pflegt. 

Ich möchte nicht unterlassen zu erwähnen, dass sich 
Virchow ,3 ) in der Discussion im Anschluss an den 
Vortrag von Ewald mit aller Energie gegen die Neu¬ 
bildungstheorie der Cystenniere gewandt hat. 

Was meine eigenen Untersuchungen an der Hand 
unseres Falles anbetrifft, so sind dieselben auch nicht 
geeignet irgend welchen Beitrag zur Klärung der histo- 
genetischen Auffassung der Frage zu liefern. Es liegt 
auf der Hand dass so hochgradig veränderte Organe, wie 
dasjenige, welches mir zu Gebote stand, kaum dazu ange- 
than sind ein geeignetes Untersuchungsobject abzugeben. 

Was zunächst den Inhalt der Cysten anbetrifft, so war 
Herr Professor Poehl so liebenswürdig die chemische Analy¬ 
se auszuführen. Desgleichen gebührt ihm auch mein Dank 
für die hübsche Ausführung vorliegender Photogramme des 
Sediments der Cysten. 

Es finden sich in der Cystenflüssigkeit: 

0,18 pCt. fällbares Eiweiss, Propepton, Pepton, 1,067 pCt. 
Harnstoff, Cholestearin, Cystin, Chlornatrium, phosphorsaure 
und oxalsaure Salze, Harnsäure. 

Im centrifugirten Sedimente fand ich Kugeln concentrisch 
geschichteter Harnsäure, wie auch Ewald solche Gebilde 
beschreibt, Krystalle von Harnsäure in Wetzsteinform, Oxal¬ 
säuren Kalk, Cholestearin tafeln, Cystin, platte Epithelien, 
Rundzellen, Körnchenzellen, amorphen Detritus. 

Was meine histologischen Untersuchungen anbetrifft, so sind 
untersucht worden der linke Ureter nahe bei seinem Eintritt 
in das Nierenbecken, dieses selbst und verschiedene Stücke 
der linken Niere. Alle Organtheile • waren in absol. Alcohol 
gehärtet, in Celloidin eingebettet und mit Alauncarmin-Hae- 
matoxylin gefärbt. 

Am Ureter fand ich eine starke kleinzellige Infiltration 
seiner Wand mit meist einkernigen Grannlationszellen. Das 
Epithel war meist erhalten, stellenweise desquamirt. Im Lumen 
fanden sich reichliche abgestossene Epithelzellen, theils wobl- 
erhalten theils im Zustande eines feinkörnigen Zerfalles, 
daneben feinkörniger strncturloser Detritus. 

Die gleichen Veränderungen Hessen sich auch am Nieren¬ 
becken constatiren. Mithin sind wir berechtigt für diesen Fall 
eine chron. Ureteritis und Pyelitis anzunehmen. 

Hochgradige Veränderungen zeigt das Nierengewebe selbst. 
Was zunächst das interstitielle Gewebe anbetrifft, so ist das¬ 
selbe stellenweise normal, meist erscheint es aber verbreitert 
nnd begegnet man sowohl rein bindegewebigen Partien, als 
auch solchen, welche sich durch eine ausgedehnte meist herd¬ 
förmige Infiltration mit Granulationszellen auszeichnen. Wir 
haben hier ein Bild vor uns, welches uns von jeder chron. 
interstitiellen Nephritis bekannt ist. Wie bei einer solchen, 
so finden sich auch hier die Arterien meist stark endarte- 
ritisch verändert. Neben normalen GlomeruUs begegnet man 
andern, welche eine starke Verdickung der Bowmannschen 
Kapsel aufweisen, während wieder andere atrophisch und voll¬ 
ständig hyalin umgewandelt sind. Auffällig erscheint es. dass 
namentlich die Spitzen der Pyramiden ganz besonders stark¬ 
kleinzellig infiltrirt erscheinen. Es ist dieses eine Thatsache, 
welche, wie schon erwähnt, ganz besonders von Thora gewürdigt 
worden ist. Das Parenchym der Niere zeigt gleichfalls aus¬ 
gedehnte und hochgradige Veränderungen. Sowohl in der Mark - 
als auch der Rindensubstanz — es besteht darin kein Unter¬ 
schied — finden sich zahllose Cysten, welche in ihrer Grösse 
in hohem Grade variiren. Ihr Inhalt ist bald feinkörnig amorph, 


,s ) Virch. Arch. 111. 

18 ) Berl. klin. Wochschr. 1891, Nr. 5. 


bald colloid und zwar theils in Form grösserer homogener 
Masse», theils in Gestalt kleinerer Kugeln, bald hyalin. Von 
corpusculären Elementen finden sich Krystalle und zahlreiche 
abgestossene Epithelzellen meist im Zustande einer körnigen 
Umwandlung. Einige der Cysten weisen haemorrhagischen 
Inhalt auf. Mehrere der Hohlräume lassen in ihr Lumen vor¬ 
springende Scheidewände erkennen als Beweis dafür, dass sie 
durch Confluenz mehrerer kleinerer Cysten entstanden sind. 
Papilläre Auswüchse in das Innere der Räume, wie solches 
von französischer Seite beschrieben ist, habe ich nicht erkennen 
können. An mehreren Stellen lagen die Cysten dicht beiein¬ 
ander und waren, wohl bedingt durch die gegenseitigen Druck¬ 
verhältnisse, sehr unregelmässig gestaltet, so dass dadurch 
eine auffallende Aehnlichkeit mit einem cavernösen Gewebe 
bedingt wurde. Diese Aehnlichkeit mit einem cavernösen An- 

f iom ist da ganz besonders frappant, wo auch der 
nhalt der Cysten haemorrhagisch ist. Vor Verwechselung 
schützt jedoch die kubische Form des Epithels solcher Cysten 
und, wo dasselbe platt erscheint, lässt sich wenigstens noch 
der Nachweis erbringen, dass es aus ursprünglich kubischem 
Epithel entstanden ist. In den kleinern Cysten ist das Epithel 
regelmässig kubisch und einschichtig, in den grössern deutlich 
platt, vielfach ist es abgehoben, theils in einzelnen Zellen, 
theils in zusammenhängender Lage. Glomcruli habe ich in 
keiner Cyste finden können, wodurch es bewiesen erscheint, 
dass die Cysten keineswegs durch Erweiterung der Glomerulus- 
kapseln entstanden sein können. 

Die Wand der Cysten ist bindegewebig, bald breiter bald 
schmäler, häufig ist sie vollkommen hyalin, was sich übrigens 
anch an der Tunica propria ganz normaler Harncanälchen 
beobachten lässt. 

Die Durchschnitte der Harncanälchen sehr unregelmässig, 
ihr Epithel nur an sehr wenigen Stellen normal und auch da 
leicht getrübt. Meist finden wir aber an Stelle des normalen 
hohen feinkörnigen Epithels der gewundenen Harncanälchen 
ein vollständig kubisches niedriges Epithel mit bläschenför¬ 
migem gut tingirbarem Kern. Es ist dieses ein Epithel, welches 
wir in der Niere nur in den Schleifen und geraden Canälchen, 
sonst in verschiedenen andern drüsigen Organen z. B. der 
Mamma finden, und welches ich sonst in der Nierenrinde nur 
einmal in einem Adenom der Niere bei interstitieller Nephritis 
gesehen habe. In der Pyramidensubstanz sind die geraden 
Harncanälchen nicht so zahlreich als normal und werden durch 
breite Streifen kleinzellig inflltrirten Gewebes von einander 
getrennt, sie verlaufen geschlängelt nnd keineswegs parallel 
zu einander, wie in der Norm. An einigen der Canälchen 
erkennt man eine deutliche Erweiterung in der Richtung vou 
der Spitze der Pyramiden zu der Rinde hin. 

Was den Inhalt der Harncanälchen anbetrifft, so linden wir 
entweder amorphe oder colloide Massen und abgestossene 
Epithelien oder vereinzelte, jedenfalls nicht zahlreiche hyaline, 
colloide und granulirte Cylinder. 

In der Leber war die Wand der Cysten derb bindegewebig,, 
mit einer Lage einschichtigen platten Epithels bekleidet. 

Bezüglich der Genese der Cysten wage ich mir kein 
Urtheil zu bilden. Dass dieselben den Harncanälchen 
ihren Ursprung verdanken, dürfte unzweifelhaft sein, 
jedoch lässt es sich nicht entscheiden, ob wir es hiermit 
Retentionscysten zu thun haben, bedingt durch eine von 
dem Nierenbecken auf die Pyramiden übergehende Er- 
kranknng, oder ob der ganze Process als eine Neubil¬ 
dung nach Analogie mit andern Organen aufzufassen ist. 

Für die erste Ansicht würde sprechen der Befund einer 
chronischen Pyelitis, die kleinzellige Infiltration der Pa¬ 
pillen, sowie die allmälig gegen die Rinde bin zuneh¬ 
mende Erweiterung, welche an einzelnen Harncanälchen 
beobachtet worden ist. 

Für die zweite Hypothese könnte angeführt werden: 
die eigenthümliche Beschaffenheit des Niereuepithels,welches 
übrigens auch ganz gut durch eine allmälige Druckzunahme 
im Canälchenlumen bedingt sein könnte; weiter die Dop¬ 
pelseitigkeit der Erkrankung sowie der gleichzeitige 
Befund augenscheinlicher Gallengangcysten in der Leber. 

Schliesslich glaube ich auch, dass gerade die beiden 
letztgenannten Punkte eine Stütze abgeben könnten für 
die Auffassung einer Persistenz und allmäligen Fortent¬ 
wickelung einzelner congenital cystisch erkankter Partien 
der Niere. 

Alle Auffassungen haben manches für sich; eine Ent¬ 
scheidung in der einen oder andern Richtung wage ich 
nicht auszusprechen. 

Ueber den Symptomencomplex der sog. erworbenen 


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* *■ + t 

245 


Cystenniere lässt sich viel und wenig reden — wenig, 
insofern als ihr keinerlei typische Symptome zukommen, 
viel kann man anführen, wenn man die Vielseitigkeit 
der Symptome, welche bei der Cystenniere beobachtet 
worden sind und auf diese direct bezogen werden müssen, 
erwähnt. 

Zunächst giebt es eine Reihe von Fällen, welche ganz 
unter dem Bilde einer chronischen Schrumpfniere ver¬ 
laufen sind und wo ein uraemischer Anfall plötzlich den 
Tod herbeigeführt hat oder der terminale Ausgang einer 
complicirenden Pneumonie zugeschrieben werden musste. 
Andere Fälle haben gar keine Symptome gegeben und 
stellten bei der Section einen rein zufälligen Nebenbefund 
vor. Wieder andere Pat. erinnerten im Verlaufe ihrer 
Krankheit an das Bild einer chronischen Uraemie und 
in einer weiteren Reihe von Krankheitsfällen boten die 
Nierencysten die Erscheinungen eines Nierentumors dar 
und sind dann als Hydronephrose, Nierencarcinome etc. 
gedeutet worden. Oft ist jedoch auch eine Verwechselung 
mit Milz-, Uterus-, Magen- und Ovarientumoren vorge- 
koramen. 

Dieser Mangel eines einigermaassen praecisen Sympto- 
raenbildes erklärt es auch, dass thatsächlich bisher nur 
4 Mal eine später oontrollirte Diagnose auf Cystenniere 
gestellt worden ist. Und auch diese 3 Fälle machen 
mehr den Eindruck einer Wahrscheinlichkeitsdiagnose, 
welehe sich zufällig bewahrheitet hat. Es sind dieses die 
Beobachtungen von Duguet 14 ) wo es sich um einen 
sehr langsam verlaufenen Fall handelte, welcher 2 grosse 
mit elastischen kugeligen Hervorragungen besetzte Tu¬ 
moren in den beiden Hypochondrien darbot. Aehnliche 
Verhältnisse leiteten auch New mann 1S ) bei der Erkne- 
nung seines Falles, während Verneuil ,r ) die Diagnose 
bei einer Frau, welche plötzlich an totaler Anurie und 
galligem Erbrechen erkrankt war,stellte; ihn leitete hierbei 
ein kürzlich von ihm beobachteter Fall, welcher durch 
die Obduction als Cystenniere klargestellt worden war. 

Die 4. Diagnose machte Stiller n ). Auch hier handelte 
es sich um einen Nierentumor, welcher wegen seiner 
langen Dauer nicht bösartig sein konnte und keine Fluc- 
tuation gib, die bei Hydronephrose Pyonephrose, 
Echinokokkus oder gewissen Kystomen hätte erwartet 
werden müssen. Die Exstirpation des Tumors zeigte dann, 
dass es sich thatsächlich um eine Cystenniere gehandelt 
hatte. Auch hier schwebte Stiller ein vor 11 Jahren 
von ihm beobachteter und später secirter Fall vor Augen. 

Bei der Diagnosenstellung, soweit eine solche überhaupt 
versucht werden soll, müsste man zunächst unterscheiden 
zwischen denjenigen Fällen, welche mit einer palpablen 
Vergrösserung der Niere einhergehen, und solchen Beob¬ 
achtungen, wo keinerlei Tumoren der Niere vorliegen. 

Ist im erstem Fall festgestellt, dass der Tumor 
wirklich die vergrösserte Niere vorstellt, so ist die 
weitere Diagnose, welcher Art Vergrösserung des Organes 
vorliegen könnte. Eine maligne Neubildung würde sich 
vielleicht aus der Dauer des Processes leichter ausschliessen 
lassen. Weniger leicht eine Hydronephrose und Echino¬ 
kokkus. 

Als Unterscheidungsmerkmale führt Stiller an den 
Mangel einer Fluctuation, welcher sich aus der poly- 
cystischen Beschaffenhei der Niere herleiten lässt, während 
man sowohl bei der Hydronephrose als auch einer grossem 
Echinokokkuscyste ein Ballotement hervorrufen müsste. 
Jedoch weist Fürbringer ,8 ) darauf hin, dass auch 
dieses Symptom nur von höchst zweifelhaftem Werthe 
ist. Ebenso wird auch die Annahme von Laveran, 
dass eine höckerige Beschaffenheit eines Nierentumors 


'*) Lejars'l. c. Observ. 2. 

1S ) Newmasn. Glasgow. Jonrn. 1889. April. 
re ) Lejars L c. Obaervat. 15. 

") Berl. klin. Woeh. 1892. Nr. 10. 
t# ) Berl. klin. Woch. 1892. Nr. 5. 


mit zellenförmigen Erhebungen auf der Oberfläche für 
Cystenniere sprechen würde, von Ewald mit dein 
Bemerken zurückgewiesen, dass einerseits die Fett¬ 
kapsel die Erhebungen bei der Palpation ausgleichen 
müsste und auch ferner nirgends in der Literatur der 
Cystenniere mit einigen wenigen Ausnahmen auf eine 
solche Beschaffenheit der Nierentnmoren hingewiesen wird. 
Von Kiderlen und Ebstein wird angeführt, dass eilt 
lange beobachtetes niedriges spec Gewicht des Urins, 
welches in keinem Verhältniss zu der entleerten Harn¬ 
menge steht, für die Diagnose einer polycystischen Nieren¬ 
erkrankung verwerthet werden köante Dass auch dieser 
Punkt hinfällig ist, beweisen Beobachtongsfälle von Cysten¬ 
nieren mit sehr hohem spec. Gewichte des Urinc (Ewald, 
Stiller). 

Wohl zu berücksichtigen ist die Thatsache. welche 
namentlich gegenüber der Hydronephrose zu betonen ist, 
dass die Cystenniere meist doppelseitig gefunden wird. 
Jedoch kommen auch Fälle von nur einseitiger Erkran¬ 
kung vor, so die Beobachtungen von Courtin, Hogg und 
Stiller. 

Nach Ewald würde noch für die Diagnose die besten 
Anhaltspunkte geben «die Combination eines doppelsei¬ 
tigen, eventuell mit kleinen Blasen besetzten Nieren¬ 
tumors mit Albuminurie, bei jahrelangem Bestand des Lei¬ 
dens und Abwesenheit schwerer nephritischer Verände¬ 
rungen». 

Liegen die Sachen nun so, dass selbst bei dem Vor¬ 
handensein eines Nierentumors eine Differentialdiagnose 
kaum möglich ist und wohl niemals über eine blosse 
Wahrscheinlichkeit hinaus gehen wird, so ist es wohl 
erklärlich, dass Fälle ohne jede palpable Nierenver- 
grösserung überhaupt sich einer diagnostischen Beurtei¬ 
lung entziehen. 

Physiatrische Beiträge. 

XIII. 

Ueber Algesimetrie. 

Nachtrag 

von 

Dr. Max Buch 
in WIllman8trand. 


In der Beschreibung meines Schmerzmessers‘) hob ich 
als Fehler der Methode hervor, dass der Schmerz bei 
constantem Druck nur allmählich eintritt und die Schwelle 
daher sehr verwischt ist, wodurch die Fehlerquellen 
wachsen. Ich habe nun inzwischen gefunden, dass dieser 
Uebelstand auf einfache und leichte Weise beseitigt 
werden kann, indem man auch den Druck nach bestimmten 
Zeiteinheiten sprungweise wachsen lässt. Ich benutze fol¬ 
gendes Verfahren: Der zuerst von mir veröffentlichte 2 ) 
hier abgebildete Algesimeter ist so abgeändert, dass die 
Mittelspalte, in welcher der Zeiger sich bewegt, auf der 
einen Seite mit den Druckgraden entsprechendengeringen 
Einkerbungen versehen ist, so dass die Zeigerfeder jedes¬ 
mal in die Kerbe hineinfällt und so jeden Druckgrad 
(100 Gr.) mit einem knackenden Laut markirt, 
wodurch der Untersucher leicht in den Stand gesetzt 
ist, den Druck einerseits plötzlich und um bestimmte 
Mengen anwachsen zu lassen und andererseits ihn eine 
Zeit lang auf der erreichten Höhe zu erhalten. Die 
Schmerzmessung geschieht daher jetzt derart, dass ich 
zunächst das Instrument aufsetze und nur seine eigene 
Schwere ein wirken lasse, dann nach 2 Secunden oder 4 
Pendelschlägen den Druck um 100 Gramm verstärke, 


*) St. Petersburger med. Wochenach. 1891 Nr. 25. 

*) Bpavt 1880, M 48. 

Vierteljahr8chrift für ftrztl. Polytechnik 1881, Heft 2. 


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846 


wieder 2 Secunden denselben Druck ein wirken lasse und 
so fort den Druck je nach 2 Secunden um 100 Gramm 
vermehre. Auf diese Weise ist eine Methode gefunden, 




den Reiz sprungweise und mit sehr genauer Dosirung 
von Zeit und Druck anwachsen zu lassen, 

Mein Algesimeter kann in schöner Ausführung durch 
H. Windler in Berlin, Dorotheenstrasse Nr. 3 bezogen 
werden. 


Referate. 

Rudolf Hoepfel: Beitrag zur Digitalisbehandlung bei 
Pneumonie. (Therap. Monat sh. April 1892). 

Angeregt durch einen Vortrag, den Petresco auf dem 
internationalen Congress in Berlin gehalten hat. hat Verf. seit 
März 1891 seine Pnenmoniekranken mit grossen Digitalisdosen 
behandelt. Die Form, in der Verf. das Praeparat anwandte, 
war die des Infnses: Inf. folior. Digitalis 3.0—4,0:100 Syr. 
simpl. 20,0. MDS. 1 stündlich 1 Esslöffel zu nehmen, so dass 
die Mixtur in ca. 12 Stunden verbraucht werden konnte. Ausser¬ 
dem liess Verf. in allen Fällen die Eisblase appliciren, Ein¬ 
packungen des ganzen Körpers in nasse Betttücher anwenden, 
griff sogar einige Male zu Blutegeln und in einem Falle bei 
drohendem Oedem zur Venaesectio; Antipyretica wurden nicht 
verabfolgt, hingegen gleich von Anfang, namentlich älteren 
Patienten schwere Weine. Im Ganzen wurden auf diese Weise 
15 Patienten behandelt. In keinem Fall war eine toxische 
Wirkung der hohen Digitalisgaben zu verzeichnen. Alle mit 
Digitalis behandelten Fälle zeigen eine Abkürzung des Krank¬ 
heitsverlaufes um 2—3 Tage. 1—2 Tage nach einer, bei 
manchen Personen nach 2-maliger Darreichung der hohen 
Digitalisgabe geht in allen Fällen die Temperatur zurück, 
Athemnoth, Stechen, Schmerzen etc. mildern sich. Auffällig ist 
der häufige fin 8 Fällen) Ausgang der Pneumonie in Lvsis. 
Verf. meint, dass durch die grossen Mengen Digitalis das Herz 
zu einer Mehrleistung gezwungen und dadurch die Anschop¬ 
pung in den kleinsten Lungengängen verhindert werde. 

Abelmann. 

0. Schirmer: Ueber eine eigenthnmliche Lidrandaffection 
(Vaccinola des Lidrandes). Bericht über die XXI. 
Ver8amraL der ophthalmol. Gesellsch. zu Heidelberg 1891. 

Die bisher nur selten beschriebene und auch in den Lehr¬ 
büchern meist nicht erwähnte Affection scheint in letzter Zeit 


in Deutschland öfter znr Beobachtung zu kommen. Verf., 
welcher selbst im Laufe eines Jahres allein in Königsberg 
sechs derartige Fälle zu sehen Gelegenheit hatte, meint dieses 
gehäufte Auftreten dadurch erklären zu müssen, dass jetzt 
bei der Vaccination ausschliesslich animale und also wohl 
stärker virulente Lymphe angewandt wird. Fast bei allen 
Patienten — es waren durchweg Erwachsene — konnte eine 
Infection durch Vaccinepusteln frisch geimpfter Kinder nach¬ 
gewiesen werden Die Erkrankung beginnt mit sehr stür¬ 
mischen Erscheinungen: unter heftigen entzündlichen »Symp¬ 
tomen (Schmerzen, Lidoedem, Chemose), manchmal auch mit 
Störung des Allgemeinbefindens und Fieber, bildet sich am 
Lidrande, und zwar meist im intermarginalen Theile in der 
Nähe des Lidwinkels, eine Pustel, welche durch Abstossung 
der Oberfläche bald in ein flaches Geschwür mit weissem Belag 
übergeht; in der Nachbarschaft schiessen, wahrscheinlich 
infolge directer Uebertragnng des Virus, noch weitere solche 
Geschwüre auf. Im Belag der Geschwüre wurde ausser Staphy¬ 
lokokken und Xerosebacillen ein bisher unbekannter Strepto- 
coccns nachgewiesen. Sämmtliche Ulcerationen bleiben ganz 
oberflächlich und heilen ohne Narbe; in 2—3 Wochen ist in 
der Re^el der ganze Process abgelaufen. Dreimal beobachtete 
Verf. eine Oomplication von Seiten der Hornhaut in Form von 
tiefer Keratitis mit centralen und ringförmigen Trübungen; 
die sonst durchaus gnte Prognose wird durch das Hornhaut- 
leiden natürlich verschlimmert. Verf. giebt den Rath, bei 
Impfungen die mit der Wartung der geimpften Kinder betrauten 
Personen auf die Möglichkeit einer Infection der Augen auf¬ 
merksam zu machen. Die Therapie des Augenleidens kann, wo 
keine Complicationen eintreten, eine indifferente sein. 

Blessig. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. ' 

Tafeln nach dem Metersystem znr Bestimmung der 
Sehschärfe, zusammengestellt von Dr. H. Dohnberg, 
heransgeg. von J. Urlanb. 3t. Petersburg. 1892. 

Den Tafeln, von denen zwei zur Bestimmung der Sehschärfe 
für die Ferne, zwei zur Prüfung des Nahesehens (nicht 
eigentlich der «Sehschärfe»!), und ferner eine zur Untersu¬ 
chung anf Astigmatismus bestimmt sind, ist (nach Monoyer, 
was im Text aber nicht vermerkt ist) das Metersystem zu 
Grunde gelegt, so dass die Sehschärfegrade in Decimalbrtichen 
ausgedrückt werden. Sie haben diesen Vorzug mit manchen 
anderen in neuerer Zeit herausgegebenen Sehproben gemein. 
Die Ausführung der Tafeln ist eine gnte, aas Format ein 
handliches, weshalb sie zum Gebrauche in der Praxis empfoh¬ 
len werden können. 

R. v.'Hoesslin: Ueber die Behandlung chronischer 
Rückenmarkskrankheiten und die Vortheile localer 
Kältereize bei denselben. Münch, med. Abhandl. VI. 
Reihe 1 Heft 1891, Lehmann, München. 

Verf. hat bei der Behandlung chronischer Myelitiker in niciit 
zn vorgeschrittenen Krankheitsstadien gnte Resultate von 
einem bisher noch wenig geübten hydrotherapeut. Verfahren 
beobachtet. Es besteht darin, dass die T°. des Wassers, welches 
zur Erzielung des günstigen Kältereizes zur Verwendung 
kommt. 7-15“ R. beträgt und dass die Haut vor der Anwen¬ 
dung des Kältereizes zu erwärmen, d. h. blutreich zu machen 
ist. Die Form der Abkühlung kann eine verschiedene sein: 
entweder benutzt man kalte nasse Tücher, mit welchen die 
Beine abgeklatscht werden, oder man begiesst die Beine mit 
kaltem Wasser. Das Verfahren dürfte wohl nnr in speciellen 
Anstalten zur Anwendnng kommen. Kallmeyer. 

H. Schlesinger: Aerztliches Handbtichlein für hygienisch¬ 
diätetische, hydrotherapeutische, mechanische und an¬ 
dere Verordnungen. 3 . Aufl. Frankfurt a. M. 1892. Joh. 
Alt. Pr. 2 Mk. 20. 

Ein empfehlenswertes Büchlein, das für den Schreibtisch 
besonders des jungen praktischen Arztes bestimmt ist, der mit 
den gebräuchlichen im Titel angegebenen Verordnungen noch 
nicht gehörig vertrant ist; es wird aber anch dem älteren 
Arzte gewiss oft von Nutzen sein, um dem Gedächtniss nach- 
zuhelfen und das zeitraubende Sachen in der Literatur zn 
ersparen. Der Inhalt ist in knappester Form ein recht reicher. 
Den Hanpttheil bilden die Nahrangs- und Geaussmittel, ihre 
Zusammensetzung, gebräuchlichste Form der Verwendung, 
Zusätze, Surrogate, besondere Verwendung bei Curen (Milch-, 
Tranbencur etc.) (pg. 1—33), woran sich die Ernährung der 
Säuglinge und die Diät bei den verschiedenen Erkrankungen 
anscnliesst. Es folgen die in der Praxis gebräuchlichen Mine- 
ralwassercuren nebst ihrer Diät, die gebräuchlichsten hydro- 
und baineotherapeutischen Maassnahmen, die wichtigsten Vor¬ 
schriften über Gymnastik (allgemeine und einige specielle) und 
über Impfung. Den Schluss bilden Angaben über Einrichtung 


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247 


des Krankenzimmers nnd Krankenlagers, sowie über Desinfec- 
tion während und nach ansteckenden Krankheiten in der 
Privatpxaxis, endlich die Desinfection der Hände nach Für- 
binger. Als Anhang ist eine Tabelle (nach König) der 
Zusammensetzung der gebräuchlichsten Nahrungs- und Genuss- 
mittel beigefügt. — r. 

W. Waldeyer: Ueber einige neuere Forschungen im 
Gebiete der Anatomie des Centralnervensystems. 
Leipzig, G. Thieme 1891. 

Die in der Deutschen medic. Woch. 1891 erschienene Arbeit 
des Verfassers liegt uns nunmehr als stattliche Brochüre vor 
und bietet eine geistvolle Zusammenstellung der Errungen¬ 
schaften der letzten Jahrzehnte im Gebiete der Anatomie des 
C.-N.-systemB. Dem Texte sind erläuternde Zeichnungen beige- 

f eben. Wie schon der Titel der Brochüre besagt, eignet sich 
er Inhalt kaum zu einem kurzen Referate; die Lectüre der¬ 
selben erweckt im Leser ein hoh s Interesse für die compli- 
cirten Vorgänge im Centralnervensvstem und bietet ihm eine 
Erklärnng für manche Functionen desselben. 

* Kallineyer. 


Auszug aus den Protokollen 

des deutschen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. 

Sitzung am 23. September 1891. 

1. Dr. Selenkow: zur Casuistik der acuteu Darmoc- 
cusionen. Ein 30jähriger hiesiger Kaufmann lag vom 10.—15. 
Juni im deutschen Alexanderh'ospital an Ileus. Der Anfall 
wurde gehoben und er verliess das Hospital. 5 Tage lang gute 
Stühle, gutes Befinden. Am 20. Juni stark gegessen und gleich 
darauf r inen schweren Korb gehoben. Sofort fühlte er heftigen 
Schmerz im Unterleibe und allgemeines Unwohlsein. Am andern 
Tage wieder ins Alexanderhospital anfgenommen. Allellaass- 
nahmen, die das erste Mal Erfolg gehabt hatten, wurden wieder 
angewandt, aber vergeblich. Am 24. Allgemeinbefinden noch 
gut. Am 25. Juni einigten sich alle Aerzte (Selenkow, Dom- 
browski. Kernig, Serck) auf Laparotomie als letztes Mittel, 
wobei freilich der Kräfteverfall und die deutlichen Zeichen der 
begonnenen Peritonitis die Hoffnung auf Frfolg sehr herab- 
stimmten. Selenkow nahm hier Torsion eines grösseren Dünn- 
darmconvolntes an. Der Unterleib war am meisten im Meso- 
gastrinra anfgetrieben, der Nabel bildete die Spitze eines flachen 
Kegels, während die Colongegend weniger gebläht war. 
Dämpfung nur in der Lendengegend. Schmerzen gering. 5 
Tage kein Stuhl. Erbrechen nicht häufig und nicht profus. 
Am 25. Juni, Abends 6 Uhr, fand die Operation statt: Schnitt 
in d*-r Linea alba. Die Darmsehlingen stürzen heraus, sind 
ausserordentlich gebläht. Die eingeführte Hand fühlte das 
Mesenterium als harten Tnraor. Also die Diagnose riehtig, es 
war der grösste Theil des Dünndarms als Ganzes gedreht. 
Ein Versuch der Reposition durch Drehung misslang. Um die 
Sachlage besser zu erkennen, musste der Darm zum Collabiren 
gebracht werden. Ein Einschnitt in den Darm entleerte sehr 
viel Gas und flüssigen Inhalt. Darmnaht vollständig sclüiessend. 
Nun war das ganze Darmrohr znsaramengefallen und eine 
klare Einsicht möglich. Entwickelte diffuse Peritonitis. Das 
Convolut des Ileum hatte eine starke Drehung nach links 
erfahren, ausserdem war das Coecum, dessen Mesocoecum auf¬ 
fallend verlängert — wohl V* Arschin lang — war, hinter das 
Ileum geschlüpft und lag seinerseits torqnirt im linken Hypo- 
choadrfum und das Colon ascendens hinter dem Ilenm. Das 
Mesenterium war durch die Drebnng in einen harten Strang 
verwandelt. Es fand sich noch ein dünnes Psendeligament vom 
Coecum zum Dünndarm ziehend, aber es ist zweifelhaft, ob 
das eine Rolle spielte. Durch zweckentsprechende Drehnngen 
gelang es jetzt leicht, die Därme in die richtige Lage zu 
Dringen. Das Pseudoligament wurde unterbunden und getrennt. 
Die Reposition der Därme in die Bauchhöhle gelang sehr 
schwer und zwar erst nach einer weiteren Enterotomie am 
Coecnm. 

Daner der Operalion fast 2 Stunden. Das Erwecken des 
Kranken war schwer; erst l 1 ,» Stunden nach Schluss der Ope¬ 
ration gelang es durch Bastonade. Am anderen Tage noch kein 
Stuhl und viel Meteorismns. Es wurden ein paar Nähte gelöst 
und einige Marlistreifen eingeführt, wonach etwas Serum aus 
der Banchhöhle ausfloss. Lagerung anf die linke Seite. Carls 
bader Mühlbrunnen esslöffelweise and Wein. Am Abende dieses 
Tages, des 26. Juni, erfolgten mehrere Stühle und Abgang 
von Flatus reichlich. Darnach ruhiger Schlaf und der PnLs 
etwas gehoben. Ein wenig Milch genossen. Die Nacht über 
leidlich guter Zustand, der Unterleib viel weicher. Am 27. aber 
wnrde der Puls wieder schwächer, ein Stuhl erfolgte, dann 
Nachmittags der Collaps vollständig, Tod. 

Also die Operation doch zu spät. Vielleicht nur 24 Staude« 


früher ansgeführt hätte sie zur Genesung geführt. Zum Zu¬ 
standekommen einer solchen Torsion der ganzen Masse des 
Dünndarmes war die ungewöhnliche Länge des Mesocolon und 
Mesocoecum entscheidend. Pat. hatte früher sehr viel an Ver¬ 
stopfungen gelitten. 

2. Dr. Tifing hat vor einem Jahre einen analogen Fall 
beobachtet; «>r wurde zu einem Pat. consnltirt, der ca.4 Tage 
an absoluter Undnrchgüngichkeit des Darmes litt, aber kurz 
vor der Consultation einen ziemlich reichlichen Stuhl abgesetzt 
hatte. Das Abdomen war noch gebläht und durch Palpation 
und Percussion liess sich ein noch immer mächtig geblähtes 
Colon transversum constatiren. Nach weiteren 4 Tagen wurde 
T. wieder von dem behandelnden Arzte Dr. Hel lat gerufen, 
weil dem scheinbar genesenden Pat. wieder ganz schlimm 
eworden war: Im Permeabilität des Darmes, Blähung und 
ehmerzhaftigkeit des Abdomen, kleiner schneller Puls, schwerer 
Kräf.everfall des robusten Mannes. UeberfÜhrunglns Helenen- 
Jnstitnt nnd sofortige Operation. Nach Eröffnung des Abdomen 
konnte nur hoch oben rvebts am Orte der Flexura coli dextra 
ein Knoten wie bei Volvulus gefühlt werden. Da dieser Knoten 
sich nicht vorziehen Hess und die Palpation keine Klarheit 
brachte, wntde der Schnitt erst nach ooen und dann noch zur 
Seite verlängert, so dass nun gesehen werden konnte, wie 
Dünndarm nnd das armdick geblähte vermeintliche Colon trans¬ 
versum umeinander gedreht waren Das Colon widerstand 
scheinbar jedem Zuge, daher wnrde jeder Versuch zu entwirren, 
zumal Pat. tief collahirt war, aufgegeben nnd n usste ein Anas 
arteficialis angelegt, werden. Pat. starb nach einigen Stunden. 
Erst die Section brachte Klarheit in die anatomischen Ver¬ 
hältnisse des Darmcanals, nachdem die ganze vordere Bauch¬ 
wand zurückgeschlagen war: Das vermeintliche Colon trans¬ 
versum war das an einem ca. einen Fuss langen Mesocolon 
hängende Colon ascendens, das sich durch Drehung der Länge 
nach mit dem Ileum verschlungen hatte und so nach oben 
verlängert war, dass es jetzt die Stelle und Lage des Colon 
transversum einnahm. Das Coecum nebst Proc. vermiformis lag 
ira linken Hypochondrinm. Hinter dem armdicken, verlagerten 
Colon ascendens nnd Magen fand sich das vollständig contra- 
hirte Colon transversum (Autorreferat). 

Was die Operation betrifft, so spricht Dr. Tiling seine 
Ansicht dahin aus. dass es nicht statthaft sei, nach der Er¬ 
öffnung der Bauchhöhle lange und energisch an den Därmen 
zu untersuchen, nm sich die Diagnose ganz klar zu machen; 
so verwirft er z. B. auch das durch die Finger ziehen des 
Darmes. Der Choc auf sympathischem Wege ist zu stark. 
Daher legt T., wenn das Hinderniss nicht bald zu erkennen 
nnd zu heben ist, lieber gleich den Anne praeternaturalis an. 
Er vernrtbeilt keinen CollegeD, der es anders macht, aber er 
verwirft für seine Person diese radikalen, etwas rohen Durch¬ 
forschungen. 

Dr. Selenkow führt dagegen an, dass sehr namhafte Chi¬ 
rurgen, wie Riedel, Kümmel and andere, sehr energische Un¬ 
tersuchungen zur Feststellung der Diagnose vornehmen, auch 
das durch die Fingerziehen des ganzen Darrarolires bis die 
Stelle der Occlusion gefunden ist. Aber anch ohne rohe Pal- 
alionen in der Bauchhöhle kann man oft durch die Anamnese, 
ie Walirschen Symptome, die Indicanprobe (bei Dünndarm- 
occlusion sehr reichlich, bei Dickdarmocclusion wenig) etc. zn 
einer richtigen Diagnose kommen. 

D. z. Director: Dr. v. Lingen. 

Secretär: Dr. Masing. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische N Q tj^ n . 

— W. Dale (British med. journal 7. XI 1891) empfiehlt 
nach seiner Erfahrung die Milch als chirurgisches Verband¬ 
mittel besonders bei ausgedehntes Verbrennungswunden in 
Form von Com pressen ans Leinwand; die Schmerzen sollen 
sehr bald schwinden und die Vernarbung in kürzerer Zeit als 
gewöhnlich eintreten. 

— Die Brown-Seqnard’sche Vprjüngongsmethode 
dürfte in Deutschland wenigstens durch Fflrbrlnger’s Un¬ 
tersuchungen abgethan sein. Nun hat Co ns tan tin Paul 
(Paris) der Acadbmie de Medecme in Paris ein anderes Ver¬ 
fahren vorgelegt, welches von analogen physibloglschen An¬ 
schauungen anszngehn scheint. Statt des Hodensaftes wird 
die graue Hirnsubstanz eines Hammels, welche mit Hilfe 
flüssiger Kohlensäure flltrirt nnd sterilisirt wurde, zur Ein¬ 
spritzung verwendet. Die chemische Analyse der Injections- 
flüssigkeit ergab die Gegenwart von löslichen Fermenten nnd 
Phosphor, weitere in der Lösung vorhandene Substanzen konn¬ 
ten chemisch-analytisch nicht näher bestimmt werden. Die 
Lösnng ist stets frisch zn bereiten, sie verträgt die Znsetznng 
antiseptischer Mittel nicht, weil diese die vorhandenen, angeb¬ 
lich besonders wichtigen Fermente zerstören würden. Die 
Schilderung des Erfinders von den ausserordentlichen Heil¬ 
wirkungen seines Mittels bei Nenratshenie, Anaemie nnd Ta¬ 
bes scheint nach dem Berichte des Bulletin medical 14/92 in 


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248 


der Sitzung der Academie de M6decine die gläubigsten Ge- 
miither gefunden zu haben. 

— H. Schultz (Budapest) hat 10 Fälle von Carcinora 
der Portio vaginalis mit Alkoholinjectionen behan¬ 
delt. In 2 Fällen konnte die Behandlung nach 45 resp. 
48 Einspritzungen als beendet betrachtet werden d. h. Pat. 
fühlten sich sehr wohl, Blutungen nnd Ausfluss hörten anf. 
Local wurde Schwund der Neubildung und Ueberkleidung der 
ulcerirenden Oberfläche mit Epithel constatirt. 8 Fälle befin¬ 
den sich in Besserung, werden aber noch weiter behandelt. 

(Centralblatt f. Gynäkologie Nr. 13). 

— Bei Erosionen der Portio sah J. Barsony von Al¬ 

koholwaschungen glänzende Erfolge. Prof. Kezmarsky 
will gleichfalls ein Carcinoma vaginae mit Alkoholwaschungen 
geheilt haben. (Pester med.-chirurg. Presse Nr. 13). 

— Erich Harnack spricht sich gegen die medicamen- 
töse Verwendung der Antimonpräparate aus. Die 
hautentzündende, emetische, diaphoretische und antifebrile Wir¬ 
kung des Antimons sind wegen der üblen Nebenerscheinungen 
nicht in Anwendung zu bringen. Allein der Goldschwefel als 
Expectorans kann gelegentlich verwerthet werden. 

(Münchener Med. Wochenschr. Nr. 11). 

— Die Cantharidinbehandlung der Tuberculosekann 
seit längerer Zeit als eine verlassene Methode gelten. Die 
letzterschienene Arbeit von Dem me, welche unter Lieb - 
reichs Aegide entstanden ist, kommt zum Schluss, dass in 
18 pCt der behandelten Fälle die entstandene Albuminurie 
auch nach Aussetzen der Injectionen fortbestehen blieb. Da¬ 
mit verstösst die Cantharidinbehandlung gegen den obersten 
Grundsatz des ärztlichen Handelns: cPrimum non nocere». 

(Wiener Med. Blätter Nr. 13). 


Vermischtes. 

— Dr. Wilhelm v. Eeichard, der älteste dor gegenwärtig 
lebenden Aerzte Eiga’s, beging vor Kurzem das 50jährige 
Jubiläum seiner ärztlichen Thätigkeit. Auf Wunsch 
des Jubilars beschränkte sich die Feier auf den engern Fami 
lienkreis und musste daher Abstand genommen werden von 
einer Betheiligung weiterer Kreise, denen der Jubilar als 
ärztlicher Berather nahe gestanden nnd auch heute noch nabe 
steht als Mann edler Gesinnung, feiner Geselligkeit nnd dichte¬ 
rischen Schaffens. 

W. v. Eeichard wurde am 14. Februar 1810 in Livland 
geboren, ist gegenwärtig über 82 Jahre alt, nnd hat seine 
medicinische Ausbildung auf der Dorpater Universität erhalten. 
Nach Absolvirung des Arztexamens i. J. 1842 war er kurze 
Zeit Landarzt in Livland, liess sich aber bereits 1844 als 
praktischer Arzt in Eiga dauernd nieder, wo er von 1847— 
1851 auch als Arzt am Armenkrankenhause und von 1852 an 
als Arzt des Eealgymnasiums und der Stadt-Töchterschule 
thätig war. Erst vor einigen Monaten hat er seine Praxis 
aufgegeben. 

— Wie die «Now. Wremja» erfährt, tritt der Chef des 
Medicinalwesens des St. Petersburger Hafens nnd Oberarzt des 
Kalinkin-Marienhospitals, Dr. M. J. Kwizinski, von seinen 
Posten zurück und soll durch seinen bisherigen Gehülfen Dr. 
W. K. Hambach ersetzt werden. 

— Weitere Zustimmnngs-Adressen sind den Ssaratow- 
schen Landschaftsärzten, welche wegen des Confliktes mit dem 
Landschaftspräsidenten Kropotow ihren Abschied genommen 
haben, von der Gesellschaft Tulascher Aerzte und der 
Gesellschaft praktischer Veterinfirärzte in Moskau 
zngegangen. 

— Das Prgject der hiesigen chirurgischen Gesellschaft, 
mit dem ihr gehörigen Capital (gegenwärtig über 70,000 Rbl.) 
ein eigenes Heim mit einem grossen Saal für die Sitzungen 
aller hiesigen medicinischen Vereine und Eäumlichkeiten für die 
Bibliotheken derselben zn erbauen, ist seiner Verwirklichung 
näher gerückt. Das St. Petersburger Stadtamt hat nämlich 
beschlossen, der Duma den Vorschlag zn machen, der chirur¬ 
gischen Gesellschaft einen Platz von 1183 5 /» Quadratfaden 
Grösse auf der Petersburger Seite an der grossen Eusheinaja 
zum Bau eines Hauses nnentgeltlich unter der Bedingung 
abzutreten, dass im Laufe eines Jahres der Bau begonnen und 
in drei Jahren (vom Tage der Einweihung des Platzes gerechnet) 
beendigt werde. Falls die Gesellschaft, welcher der Platz 
abgetreten wird, zu bestehen aufhören sollte, so geht der Platz 
mit allen auf ihm errichteten Gebäuden ohne Entschädigung 
wieder in den Besitz der Stadt über. 

— Der jüngere Ordinator des städtischen Krankenhospitals 
znm Andenken an Prof. Botkin Dr. P. A. Benewolenski, 
welcher nach lOjährigem Dienste wegen eines organischen 
Herzfehlers seine Stellung am Hospital aufzngeben gezwungen 
war, ist bei der Stadtverwaltung mit dem Gesuch eingekommen, 
ihm eine einmalige Unterstützung im Betrage von 1200 Ebl. 
statt der halben Pension zu bewilligen. Die Stadtduma hat es 


aber für möglich gefunden, nur eine Unterstützung von 
520 Ebl. bei der Duma zu befürworten. 

— Im Aufträge der militär-medicinisehen Academie werden 
die Proffessoren K. J. Slawjanski und A. J. Lebedew als 
Vertreter der Academie an dem im September in Brüssel 
tagenden internationalen gynäkologischen Congress theil- 
nekrnen. 

— Der Prosector für gerichtliche Mediciu an der militär- 
medicinischen Academie, Dr. Kossorotow, ist, wie verlautet, 
nach Deutschland und Frankreich abcommandirt worden, um 
die dortigen gerichtlich-medicinischen Einrichtungen kennen 
zu lernen. 

— Als Bedacteure der «Botkinschen Hospital-Zei¬ 
tung» sind Prof. Jul. Tschudnowski und Dr. S. W. 
Possadski bestätigt worden. 

— Die Warschauer medicinische Facultät hat den Oberarzt 
des dortigen St. fiochushospitals Dr. M. A. Wassiljew und 
den früheren Ordinator des St. Petersburger städtischen Ba¬ 
rackenhospitals Dr. M. K. Sjenez zu etatmässigen Do- 
centen gewählt, ersteren für chirurgische Pathologie, den 
zweiten für specielle Pathologie und Therapie. 

— Verstorben: 1) Am 1. Mai in Tomsk der Ordinator an 
der dortigen chirurgischen Universitätsklinik, Dr. Nik. A. 
Bresowski an Meningitis. Nach Absolvirung des Cursus an 
der Moskauer Universität war B. anfangs Assistent in der 
Privatheilanstalt des Dr. Knie in Moskau, siedelte aber vor 
3 Jahren nach Sibirien über, wo er bis vor Kurzem als Stadt¬ 
arzt in Kusnetzk fungirte. 2) In Lyon am 12. Juni Dr. Pravaz, 
der Erfinder der nach ihm genannten Injectionsspritze. 3) In 
St. Petersburg der Arzt Carl Elsuer im 54. Lebensjahre, 
welcher in der Irrenanstalt bei Udelnaja gestorben ist. 

— Am 18. Juni n. St. hat einer der ältesten deutschen 
Mikroskopiker und Pathologen, Prof. Gottlieb Ginge, seinen 
80. Geburtstag gefeiert. G. studirtein Berlin unter Eudolphi 
und hörte bei Ehrenberg die Vorlesungen über Mikroskopie, 
die ausser ihm nur noch von Bi sch off und Henle besucht 
wurden. Im. Jahre 1838 folgte er einem Buf als Professor der 
Physiologie und pathol. Anatomie an die neuerrichtete Uni¬ 
versität Brüssel, an welcher er bis 1873 docirte. Die belgische 
Academie hat ihn zweimal zum Directeur de la classe des 
Sciences gewählt und die Pariser Academie der Wissenschaften 
verlieh ihm für seine Arbeit über pathologische Histologie den 
Monthyon Preis. 

— Auf dem letzten Congress der deutschen Gesellschaft für 
Chirurgie regte Prof. König (Göttingen) den Gedanken an, 
das Andenken des verst. Prof. Gustav Simon, anf dessen 
Verdienste um die Gründung der deutschen Gesellschaft für 
Chirurgie er hinwies, durch die Stiftung einer würdigen 
Büste des Verstorbenen fürdasLangenbeckhans zu ehren. 
Die sofort zu diesem Zweck veranstaltete Sammlung hat ein 
so gutes Resultat ergeben, dass die Mittel dafür fast gedeckt 
sina. 

— Nach Beendigung des Cbirurgencongresses in Berlin fand 
am Sonnabend-Nachmittag bei Prof. E. v. Bergmann indessen 
Villa zu Potsdam ein Gartenfest statt, an welchem neben 
einer grösseren Zahl hervorragender Chirurgen und Aerzte 
auch die Minister Miquel und Dr. Bosse theilnahmen. 

— Vom Medicinaldepartement wurden am 9. Juni c. im 
Eegiernng8anzeiger (Nr. 123) eine fieihe von Maassregeln 
pHblicirt, welche zwecks Verhütung der Einschlep¬ 
pung und Weiterverbreitung der Cholera auf jedes¬ 
malige besondere Bestätigung durch den Minister des Innern 
in den Gouvernements- und Kreisstädten in Kraft gesetzt 
werden sollen. Diesen Anordnungen zufolge sind in allen 
Gouvernements- und Kreisstädten bei den Eegiernngs- oder 
Communal-In8titutionen, welche die Volksgesnndheit zu über¬ 
wachen haben,Sanitäts-Executiv-Co^mmiseionen zu bilden, 
deren Aufgabe in der Verbreitung und Ansführung der Maass¬ 
regeln zur Bekämpfung der Cholera besteht. Zu diesen Com¬ 
missionen, zu welchen stets einige Aerzte, welche im Dienst 
der Eegierung oder Communen stehen, gehören, liegt die Orga¬ 
nisation von Hospitälern für Cholerakranke, die Versorgung 
derselben mit dem nöthigen ärztlichen und Dienstpersonal, die 
Ueberwachung derBeinigung der Höfe und Aborte, die Desin- 
fection und die Anordnung nothwendiger polizeilicher Maass¬ 
nahmen ob. 

Die im «Heg. Anz.» publicirten Maassregeln werden bereits 
in den von der Cholera am meisten bedrohten Gouvernements 
Astrachan, Ssaratow, Tanrien, im Uralgebiet, im Kaukasus und 
ebenso in unseren Schwarzmeer-Häfen in Ausführung gebracht 
Obschon von der russischen Eegierung in Folge der Cholera- 
Epidemie in Persien Beobachtnngspunkte in Baku und Astara 
am Kaspischen Meere und in Bellasovar, Dshulfa und Jebrail 
an der Landgrenze zur ärztlichen Untersuchung aller aus 
Persien kommenden Beisenden errichtet worden sind und der 
Zugang nach Bussland ans Persien an allen anderen Punkten 
untersagt worden ist, so ist die Cholera doch schon ins russi¬ 
sche Gebiet eingedrungen. 


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XVII. JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


USDICISISCIE WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Earl Dehio. Sr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Sr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abo&ntxnsntspreii ist in Bauland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertlonspreii 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabiüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze vou 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


Wm Abonnementi-Aufträge sowie alle Inserate "W 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bicker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect 14, zu richten. — Manuscripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
den geschäftsführeuden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Malaja Italjanskaja Fi 33,Quart. 3, zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


3i 26 


St. Petersburg, 27. Juni (9. Juli) 


1892 


Inhalt: G. Araburger: Coniusion der Brust, Aortitis (?). — Referate: Eichholz (Kreuznach): Uterusirrigation 
oder intrauterine Aetzung? — B. Arnold: Ein weiterer Beitrag zur Salolbehandlnng des acuten und chronischen BiaBen- 
katarrhß. —- Bücheranzeigen und Besprechungen: L. Löwenfeld: Die objectiven Zeichen der Neurasthenie. — Hans 
Schmidkunz: «Psychologie der Suggestion». — Fr. Schnitze: Ueber die Heilwirkung der Elektricität bei Nerven- und 
Muskelleiden. — Auszug aus den Protokollen des deutschen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. — Kleinere Mit- 
theilnngen nnd therapeotische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Peters¬ 
burgs. —Anzeigen. 


Contusion der Brust, Aortitis (?). 

Von 

Dr. G. Amburger. 

St. Petersburg. 

Comtesse T., 21 Jahr alt. will beim Verlassen des Eisenbahn¬ 
wagens einen schweren Reisesack aus dem Netze heben; er 
entgleitet ihren Händen and fällt, bei hochgestreckten Armen, 
auf ihre Brust. Der Sack hatte einen harten mit Nägeln 
beschlagenen Boden und sein Gewicht mag 8—10 Pfund betra¬ 
gen haben. 

Dieses geschah am 25. November vorigen Jahres; Patientin 
empfand sofort lebhaften Brnstschmerz und quälendes Druck- 
efühl mit erschwertem Athmen; sie brachte die nächsten 24 
tunden im Waggon (von der Grenze kommend) leidend nnd 
schlaflos zu, behalf sich mit kühlen Wassercompressen. Etwa 
40 Standen nach erlittener Contusion constatirte ich Schmerz¬ 
haftigkeit bei Druck auf das Sternum nnd die 3 obersten 
Rippen beiderseits in ihrem sternalen Drittel; keine Schwellung 
war sichtbar, keine Sugillation. Die Respiration war frei und 
ruhig, der dnmpfe Schmerz unter dem Brustbein wurde durch 
Bewegung der Arme, besonders Heben derselben, gesteigert. 
PuIb 80 weich, mittelvoll. Sämmtliche Töne über dem Herzen 
nnd den grossen Gefässen rein, Choc normal neben der Ma- 
millarlinie nach innen, im 5. Intorcostalranm. Körpertempe¬ 
ratur normal. Mir schien die Sache recht unwesentlich zu sein, 
aber bei meinem Besuche nach 2 Tagen fand ich doch auf¬ 
fällige Erscheinungen. 

Patientin war fieberfrei geblieben, der spontane Schmerz 
hatte ganz nachgelassen, anch die Dmckempfindlichkeit war be¬ 
deutend geringer; Heben der Arme steigerten jedoch den Schmerz. 
Neu war aber die Beunruhigung der Kranken durch lästiges 
beständiges «Klopfen ln der Brnst», sie war durch diese Em¬ 
pfindung zwei Nächte fast schlaflos gewesen, Der Radial puls 
war ruhig, weich 80 die Herzdärapfnng normal, der Herzstoss 
an normaler Stelle schwach zn fünlen. Frappant dagegen war 
die Unruhe über der Aorta; es liess sich eine fingerbreite 
Dämpfung nach aussen vom rechten Sternalrande im zweiten 
Intercostalraume constatiren. im Jngulum war die Aorta nicht 
zu fühlen, aber die Aa. subclaviae und die Carotiden pulsirten 
auffällend stark, namentlich galt das von der linken Subclavia, 
deren supraclaviculare Portion sicht- und fühlbaren vollen Puls 
darbot. Der erste Ton Über der Aorta war nicht ganz rein, 
dumpf und ranh; der zweite hatte seinen gewöhnlichen Accent 
nnd war vollkommen rein. 

Dieses Phänomen der ruhigen Arbeit im Bereiche der Ven¬ 
trikel nnd des Tumultes über der Aorta and ihren ersten Aesten, 


dauerte mehrere Wochen an, allmälig klangen die Beschwerden 
des «beständigen Klopfens» ab, der Schmerz schwand und 7 
Wochen nach der Contusion kehrten normale Verhältnisse wieder, 
die sich bis jetzt behaupten. Patientin besitzt ein phlegmatisches 
Temperament, ist nichts weniger als nervös erregbar und 
ängstlich, aber gesteht, dass das Klopfen unter dem Brustbein 
«fli?? unheimliche nnd sehr be äu gst! g e nd » B hnp ün dTrn g gewesen 
sei. Der Verlauf war durchaus fleberlos. Die Medication bestand 
in Jod- nnd Bromsalzen. 

Die durch Wochen dauernde Erweiterung des Aorten¬ 
bogens und der aus ihm tretenden Gefässe habe ich nicht 
als vasomotorischen Vorgang auffassen können, dagegen 
sprach vor Allem das späte Eintreten der Dilatation, 
ferner die Dauer der letzteren und die ständige ruhige 
Herzthätigkeit. Ich nehme an, dass eine Entzündung der 
Aortenwand leichten Grades Vorgelegen hat. 

Cohnheim *) hat in seinen klassischen Arbeiten über 
die Vorgänge bei Entzündung der Gefässwand, der Ar¬ 
terien am wenigsten gedacht, da bei denselben dem vollen 
Bilde das Moment der Transsudation in die umliegenden 
Gewebe fehlt, da «die Arterien ja normaler Weise keinerlei 
Verkehr flüssiger Stoffe mit der Umgebung unterhalten, 
niemals irgend ein farbloses oder rothes Blutkörperchen 
extravasirt». Er sagt iber «dass die Gefässe als Organe 
oder selbstständige RJrpertheile nur dann Sitz einer 
Entzündung werden können, wenn sie vasa vasorum 
haben. Aber in diesen fehlt so wenig die productive als 
die eitrige Entzündwg, so wenig die chronische als die 
acute». Pag. 317 sagt Cohn heim: «Immer beginnt die 
Entzündung mit einer Erweiterung der Gefässe, welche je 
nach der Entzünduagsursache, rasch sich einstellt oder lang¬ 
sam und allmälig Im ersten Falle beruht die Gefässdilata- 
tion anfangs auf einer Widerstandsabnahme durch Nach¬ 
lass des Tonus und geht daher, wie jede echte Congestion 
mit einem besddeunigten Blutstrom einher. Falls aber 
die Entzünduagsursache nicht zugleich eine sofortige 
Herabsetzung resp. Wegfall des Tonus mit sich bringt, 
so bildet siel die Erweiternng der Gefässe langsam aus, 
durch die siccessive und allmälig sich steigernde mole- 


’) Vorlesungen über allgemeine Pathologie. 1862. Band L 


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252 


culäre Alteration der Gefässwandungen». Die der Dilata¬ 
tion folgende Walluiigshyperämie Cohnheim’s haben wir 
in meinem Falle beobachtet, die folgende Verringerung 
der Stromgeschwindigkeit kommt ins Anfangstheile der 
Aorta wohl kaum in Rede. Aber die Vasa vasorum sind 
im Verlauf sicher stark gefüllt gewesen und von ihnen 
aus emigrirten die Blutzellen und trat das Extravasat 
in die Adventitia und die Musoularis. Diese Annahme ist 
wenigstens wahrscheinlich. 

Das anatomische Bild acuter Aortitis ist oft gesehn 
worden und wird von vielen Autoren beschrieben, dage¬ 
gen wird der klinische Begriff dieses Process'es fast all¬ 
seitig nicht anerkannt und findet nur in Frankreich, seit 
Bizat, Verfechter und Darsteller. Negirend äussern sich 
fast alle Kliniker Europa’s, auch die meisten Frankreichs, 
und doch kommen französische Mittheilungen über Aortite 
aiguö immer wieder in der Literatur vor. Am umfassend¬ 
sten hat in neuester Zeit diese Krankheit klinisch und 
anatomisch Huchard 2 ) geschildert welcher derselben in 
seinem bekannten Werke über 100 Seiten widmet. Hu¬ 
chard giebt an, bei acuter Aortitis sei die Adventitia 
geschwellt, zeige vasculäre Arborisation, die Media sei 
verdickt, von embryonalen Zellen infiltrirt; die Intima 
stellenweise gebläht, uneben, glanzlos von gelblich grauer 
Farbe oder bläulich roth. Charakteristisch sei das Auf¬ 
treten von gelatiniformen Plaques, die vorzüglich an den 
Abgangsstellen der Gefässe erscheinen und hier im späteren 
Verlauf schrumpfen lind so eine obliterirende Aortitis 
darstellen. Die acute Dilatation der Aorta sei die Folge 
des Elasticitätsverlustes ihrer Wandungen, eine Folge davon 
aber die Erhebung der ersten abgehenden Gefässstämme, 
namentlich der Subclavia über ihr normales Niveau. 

Eine Kritik der so häufigen, übereinstimmenden phy¬ 
sikalischen Beobachtung französischer Aerzte ist unstatt¬ 
haft, es wäre nur die Deutung derselben anzugreifen. 
Meinen Fall möchte ich, sowohl der Erscheinungsweise 
als der Deutung nach für eine acute Aortitis leichten 
Grades halten. Das jugendliche Alter der völlig gesunden 
Patientin, das Trauma, welches in einem senkrecht auf 
die Region des Aortenbogens auffallenden Gewicht bestand, 
die allmälig sich entwickelnde Dilatation der Aorta mit 
Hebung und Erweiterung der ersten abgehenden grossen 
Aeste, die andauernd verstärkte Füllung und Pulsation 
der letzteren — sind Momente die an einen wahren 
Entzündungsprocess denken lassen. 

Die zahlreichen Krankengeschichten, die bei Huchard 
zu lesen sind, fordern insofern skeptische Auffassung her¬ 
aus, als die geschilderten Symptomencomplexe wohl 
ausnahmslos Kranke oder physiologisch defecte Indivi¬ 
duen betreffen. Verdächtig sind schon die für Entste¬ 
hung der Aortite aiguö angeführten anamnestischen und 
aetiologischen Momente, da neben einander Gicht Rheu¬ 
matismus, Alkoholismus, Syphilis, Malaria, Bleiintoxica- 
tion figuriren, also lauter kramcmachende Ursachen für 
die Arterie auf dem bekannten chronischen Wege. Von 
Aortitis nach Trauma erinnere ich mich keines unter 
den dort citirten Fällen. Nie wurde im Verlauf Fieber 
beobachtet, was man natürlich nicht gegen den Entzün¬ 
dungsprocess geltend machen kann. Huchard betont 
besonders das Ueberwiegen der Dislocation und Pulsa¬ 
tion an der rechteen Subclavia und Carotis, wofür der 
gerade Verlauf und das grössere Caiiber der Anonyma 
prädisponiren soll. Dieses ist noch plausibler bei trau¬ 
matischer Ursache, da die Anonyma näher und in länge¬ 
rem Verlauf sich hinter dem Sternum befindet, als die 
beiden' anderen Gefässe, welche dem Aortenbogen ent¬ 
springen. Ich habe die Veränderungen weitaus prägnan¬ 
ter und selbst länger dauernd an der linken Subclavia 
gesehen. Wenn übrigens Huchard Recht darin hat, 

’) Maladies du coeur et des vaissaux. 6 me h§on: Aortite 
aigue 1889. 


dass die acute Aortitis oft den Ausgang in obliterirende 
Form nimmt und dann, wie oben bemerkt, die Ursprungs- 
Stellen der grossen Gefässe verengt, so verdient hier angeführt 
zu werden, dass Ziemssen H ) in seiuer Arbeit über Pul- 
sus differens viel häufiger Stenosen der Subclavia sinistra 
gesehen hat, als an der rechtseitigen. 

ln dem von mir mitgetheilten harmlosen Krankheits¬ 
fälle können wir annehmen, dasa vollständige Restitutio 
in integrum der Aortenwand erfolgt sei; auszuschliessen 
ist aber nicht die Möglichkeit von zukünftiger Störung 
der Function des Aortenrohres durch gesetzte Zerreissun- 
gen, Nekrosen, Verfettungen leichten Grades und gering¬ 
fügiger Ausdehnung. 

Bleibende ElasticitätsVerluste bei chronischer Atherose 
der Aorta gelten als das häufigste ursächliche Moment 
der Aneurysmenbildung, sehr oft wird auf vorausgegan¬ 
gene Traumen der Brust hingewiesen; ein solches Trau¬ 
ma wird aber wohl kaum ohne acute oder subacute 
Entzündungsvorgänge zur Entstehung eines Aneurysma 
hinüberführen. 


Referate. 

Eichholz (Kreuznach): Uterusirrigation oder intrauterine 
Aetzung? (Frauenarzt 1890. Heft 12). 

Verf. kommt zu folgenden Resultaten: 

1. Die Uternsirrigationen mit den üblichen Desinfections- 
flüssigkeiten in der zulässigen Stärke haben weder in prophy¬ 
laktischer, noch in therapeutischer Beziehung den Werth, 
welchen man ihnen gewöhnlich beilegt. 

2. In Anbetracht der Wirkungslosigkeit derselben einerseits, 
der Gefahren derselben andrerseits, bedingt durch den Luft- 
nnd Wasserein tritt in Gefässe und Tnben und durch die leichte 
Möglichkeit der Vergiftung, sind dieselben durch andere Me¬ 
thoden zu ersetzen. 

3. Die Uterusirrigationen sind in der Mehrzahl der Fälle zu 

ersetzen durch die Auspinselung des Uterus mit ZnCl< wie sie 
Rheinstädter für den nicht puerperalen Uterus angegeben 
hat. Dieser Methode haften die Gefahren der Uterusirrigation 
nicht an; wohl aber wird durch dieselbe das Uterusinnere viel 
wirksamer desinficirt. M. v. Strauch (Moskau). 

B. Arnold: Ein weiterer Beitrag zur Salolbehandlung 
des acnten und chronischen ßlasenkatarrhs. (Therap. 
Monatsh., Nr. 5. 1892). 

Im Jahre 1888 (Therap. Monatsh. p. 329) hat Verf. über die 
günstige Wirkung des Salols bei Blasenkatarrh in Folge 
von Detrusorenlähmum? berichtet. Seit dieser Zeit wandte er 
das Mittel bei vielen Fällen von chronischer und auch acuter 
Cystitis an und erzielte in relativ kurzer Zeit sehr gute Re¬ 
sultate. Es wurde gewöhnlich in Dosen von 1,0 3 mal täglich 
verabfolgt;.dabei konnte Verf. sich leicht überzeugen, dass das 
Salol den alkalischen Urin sauer macht und den faulen Geruch 
beseitigt. Der trübe Urin klärt sich, das eitrig-schleimige 
Sediment nimmt stetig ab, wird leichter, flockiger und ver¬ 
schwindet meist vollständig. Die Harnmenge wird in der Regel 
vermehrt. Vom Magen wird das Mittel sehr gut und längere 
Zeit ertragen, wohl daher, weil das Salol im Magensaft voll¬ 
kommen unlöslich ist und erst im Darm, nach Zutritt des 
Pankreassaftes, sich in Salicylsäure und Phenol spaltet. Bei 
Blasenausspülnngen ist das Salol ein gutes Unterstützungs¬ 
mittel, namentlich, wenn nur sehr schwache antiseptische 
Lösungen ertragen weiden. Abelmann. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

L. Löwenfeld: Die objectiven Zeichen der Neurasthenie. 
Münchener med. Abhandl. VI. Reihe III. Heft 1892. Leh¬ 
mann, München. 

Verf. hat sich der X. ühe unterzogen, die bisher in der Literatur 
zerstreuten Angaben über objective Symptome der Neura¬ 
sthenie zu einem Ganzen zusainmenzustellen und das Material 
kritisch zu sichten. Die einzelnen Abschnitte handeln über 
Ernährung und Aussehen der Neurasthenischen, Injections- 
verhältnisse der Haut, Verhalten der Pupillen und des Gesichts¬ 
feldes, motorische Störungen, Sensibilitätsverhalten, mecha- 

3 ) Ueber den Pulsus differens und seine Bedeutung bei Er- 
krankungen des Aortenbogens. Deutsches Archiv für klini¬ 
sche Medicin. 1890. Bd. 46. 


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368 


nische nnd elektrische Erregbarkeit der Nerven, Funrtions- 
störungen des Circnlationsapparates, des Darmtractns nnd der 
secretorischen Organe. In einem Anhänge findet die Frage 
aber die Beziehungen der Neurasthenie zur harnsauren Diathese 
Beleuchtung. Das Schriftchen soll dem Arzte vornehmlich 
dienlich sein in Fällen, wo der Gesundheitszustand einer Person 
begutachtet werden soll, an deren Glaubwürdigkeit der Arzt 
zweifelt. Kallmeyer. 

Hans Schmidkunz: «Psychologie der Snggestion». 
Stuttgart, Ferd. Enke. 1892. 

Dem Bediirfniss nach einer eingehenden und umfassenden 
Bearbeitung- des Phänomens der Suggestion vom psychologi¬ 
schen Standpunkt ist noch immer nicht genügt worden; es 
ermangelte einer befriedigenden Definition des Begriffes «Sug- 

t estion», es konnte den auf die Suggestion znrückzuführenden 
»schein nngen kein Platz im System angewiesen werden. 
Schon der Umstand, dass jeder Antor auf diesem Gebiet es 
für nöthig befanden hat, eine eigene Definition dieses Begrif¬ 
fes zu suchen, lässt erkennen, dass keine dieser Definitionen 
den Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Ausserdem 
ist jede psychologische Ausnützung derselben unterblieben, 
da die Autoren sich ganz andere Ziele gestellt hatten. Bei 
diesem Stande der Dinge war es möglich geworden, dass der 
reiche. Schatz der hypnotischen Erscheinungen, weil ohne 
festgefügten physiologischen Boden, die Mittel zu den extrem¬ 
sten psychologischen Specnlationen hergeben musste, welche 
im mystischen Dunkel des Unbewussten mit nmheimliclier 
Fruchtbarkeit gediehen. 

Wie ist nun der Verf. diesen beiden Aufgaben gerecht ge¬ 
worden? — Mit der Definition, welche er vom Begriffe der 
Suggestion giebt, kann man wohl einverstanden sein. Auf 
einer ausführlichen Schilderung der verschiedenartigen Er¬ 
scheinungsformen derselben basirend, definirt er sie als 
« Hervorrufung eines Ereignisses durch Erweckung 
seines psychischen Bildes» und gelangt dadurch zum 
Gesetz der Snggestion: «Unter gewissen Umständen kann auf 
eine Seele so eingewirkt werden, dass sich die ihr beigebrachte 
Vorstellung eines Phänomens in dieses selbst umsetzt». — An 
sich ist die Definition nicht neu, sie deckt sich mit mancher 
früher gegebenen; neu ist aber die energische Betonung des 
Umstandes, dass direct, ohne associativen Umweg, das hervor¬ 
gerufene Bild zur Ausführung gelangt. Dadurch ist die Sug¬ 
gestion als eine eigenartige psychische Function charac- 
terisirt. Ihre Rolle im gewöhnlichen Leben ist nach Sch., 
nur eine secundäre, indem unsere ganze Erziehung sowie die 
fortschreitende Entwicklung des menschlichen Geschlechts die 
logisch-associativen Denkprocesse bevorzugt. Doch macht sie 
sich dem aufmerksamen Beobachter in allen ihren Formen 
zur Genüge geltend, so dass der praktische Psychologe, in 
unserem Falle der Arzt, immer mit ihr zu rechnen haben 
wird. 

Es giebt aber eine Anzahl psychischer Zustände, in welchen 
die logisch-associative Thätigkeit gegen die suggestive in hö¬ 
herem oder geringerem Grade zurücktritt; die Hypnose ist 
ein solcher «snggestiver Zustand», der experimentell hervor- 
gerufen werden kann, und infolge dessen aucli am gründlich¬ 
sten studirt worden ist. Ueberschlagen wir zuerst die Schil¬ 
derung der hypnotischen Erscheinungen, welche einen breiten 
Ramm im Buche einnimmt, um zu sehen, wie sich der Verf. 
mit dem zweiten nnd wichtigeren Theil seiner Aufgabe zn- 
rechtfindet. Hier verlieren wir aber bald das Gefühl, von 
einem sicheren Führer geleitet zu werden. Das Verhiiltniss 
der Suggestion zu den übrigen psychischen Functionen wird 
nur kurz gestreift, ihre Abgrenzung gegen dieselben in apho¬ 
ristischer Weise gegeben, dagegen wird der Einfluss der neuen 
Lehre auf Philosophie und Dichtkunst, auf die Lehre von der 
Existenz einer Seele und die Moral in bilder- und citaten 
reicher Rede vorgetragen. Die Snggestion lässt ihren Ver¬ 
ehrer manches für Gold aneehen, was die nüchterne Ueberle- 
gung eher für Spreu zu schätzen geneigt ist, und demjenigen, 
der an den langsamen Schritt associativer Denkarbeit ge¬ 
wöhnt ist, fällt es schwer, die wirklich vorhandenen Goldkör¬ 
ner herauszusuchen. — Auch die Wiedergabe der Symptoma¬ 
tologie der Hypnose vermag, abgesehen davon, dass der Verf. 
naturgemäss nichts Neues bringen kann, nicht zu befriedigen. 
Das sichtliche Bemühen, möglichst vollständig zu sein, und allen 
Erscheinungen gerecht zu werden, hat leider zu dem andern 
Extrem, der Kritiklosigkeit, gefühl t. DieBinet’scheBeobachtung 
der Verdoppelung der hypnotischen Haliucinationen durch vor¬ 
gehaltene Prismen bedarf doch noch mancher Nachprüfung, ehe 
eine auf derselben anfgebaute 1 heorie der Fortpflanzung der 
Netzhauterregung auf die Aussenwelt einer ernsthaften Discus- 
sion unterzogen werden kann. Auch die Ausführungen über 
Mentalsuggestion sind nicht geeignet, derselben neue Anhänger 
zuzuführen. Die wichtige experimentelle Arbeit Ric het’s wird 
z. B- garnicht erwähnt, während dieselbe doch die einzige 
wissenschaftliche That auf diesem Gebiete ist. 

Trotz dieser and noch mancher anderer Mängel wird doch 


Jeder, der sich mit der Theorie <Jes Hypnotismus beschäftigt, 
das Buch mit Interesse lesen. Es zeichnet sich ans durch 
eine lebendige, glanzvolle, zuweilen freilich etwas überschweng¬ 
liche Darstellungsweise. Ueberall stösst man auf originelle 
Gedanken und geistreiche Bemerkungen, welche den Leser zwin- 

S en. zu jeder angeregten Frage Stellung zu nehmen. Wird 
er Autor auch öfter Widerspruch als Beistimmung hervorru- 
fen, das Verdienst gebührt ihm doch, auf Probleme hingewie¬ 
sen zu haben, deren Bearbeitung von Bedeutung für die Psy¬ 
chologie werden kann. H. D e h i o. 

Fr. Schultze: Ueber die Heilwirkung der Elektrici- 
tfit bei Nerven- und Muskelleiden. Wiesbaden, J. F. 
Bergmann. 1892. 

Die Brochüre enthält in etwas veränderter und erweiterter 
Form die im Jahre 1887 in Dorpat gehaltene und bisher nicht 
veröffentlichte Antrittsvorlesung des jetzt in Bonn weilenden 
Professors. Verf., ein Schüler Erb's. hat die elektrotherapen- 
tische Station in Heidelberg von 1880—1887 verwaltet, hat 
aber durch die Application des elektrischen Stromes bedeu¬ 
tend weniger erfreuliche Resultate gesehen, als sein berühm¬ 
ter Lehrer. Bei Durchmusterung nnd Ansschliessnng einer 
grossen Reilte von Krankheiten, in welchen die Anwendung 
des elektrischen Heilverfahrens empfohlen worden ist, konnte 
Verf. eine einigermassen günstige Beeinflussung des Heilungs- 
Vorganges nur verzeichnen bei einzelnen peripheren Lähmnn- 
gen und bei Poliomyelitis acuta; ferner zeitweilig bei Blasen- 
und Darmschwäche, Hyperaesthesien, Neuralgien und Anaesthe- 
sien chronischer Rückenmarkskranker; bessere Resultate bei 
der Behandlung eiuzelner Symptome der Tabes und endlich 
eine «entschiedene» Wirkung der Elektricität bei Behandlung 
der Hysterie (Lähmungen und Anaesthesien). Wenn somit 
Verf. in seinem kritischen Werko die Indicationen für elektro- 
therapeutisches Handeln bei Erkrankungen des Nervensystems 
und der quergestreiften Muskelfasern bedeutend einschränkt, 
so verweist er andererseits anf viel günstigere Erfolge bei 
Bekämpfung von Schwächeznständen der glatten Muskulatur 
(so chron. Opstipation, Atouie des Magens und der Blase). 

Ref. erinnert sich lebhaft des Eindruckes, den diese 1887 
gehaltene Antrittsvorlesung auf die im Bewusstsein der alles 
heilenden Elektricität gereiften Zuhörerschaft machte. Es 
wird daher das längst erwartete Schriftchen den zahlreichen 
Schülern und Verehrern des Verf. herzlichst willkommen sein. 

K a 11 m e y e _r. 


Auszug aus den Protokollen 

des deutschen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. 

Sitzung am 21. October 1891. 

Dr. K e r n i g macht aus einer zum Druck bestimmten Arbeit 
die vorläufige Mittheilung, dass er seit Jahren an maranti¬ 
schen Individuen, die lange im Bett gelegeu, unter Umstän¬ 
den (bisher seit 1879 etwa in 25 Fällen) an den Lungenspit¬ 
zen über und unter den Claviculis sowie über den Fossis 
supraspinatis ganz dentliche Dämpfung bei Abwesenheit von 
anscultatorischen Erscheinungen constatirt habe, obgleich 
nachher bei der Section durchaus normale Verhältnisse vorla- 

S en. Dr. K. hebt die Wichtigkeit dieses Umstandes in Bezug anf 
ie Prognosenstellung und die Therapie hervor, da es auch ande¬ 
rerseits Phthisiker gibt, die nur Dämpfung an den Lungenspit¬ 
zen aufweisen, ohne auscnltatorische Erscheinungen darzubie¬ 
ten, so dass man in gewissen Fällen bei zufälligem Vorhan¬ 
densein anderer verdächtiger Momente leicht zu der irrtüm¬ 
lichen Diagnose einer Spitzenphthise verleitet werden könnte, 
während tatsächlich eine solche nicht vorliege, and erläutert 
die practisclie Bedeutung dieses Uebelstandes an der Hand 
einiger Beispiele. So könnte man iu Fällen mit schweren 
Durchfällen anf die Dämpfung hin Darmtuberculose diagno- 
sticiren, um so mehr da in Fällen von subacuter Phthise, wenn 
im letzten Stadium Durchfalle hinzutreten, die physicalischen 
Erscheinungen an den Lungen, namentlich die Rasselgeräu¬ 
sche, stark zurückzugehen pflegen. In einem Falle handelte 
es sich um ein junges Mädchen, welches an Abdominaltyphus 
erkrankt war. Nach mehrwöchentlicher Bettlage stellte sich 
Dämpfung an den Spitzen ein, was zeitlich mit dem Beginn 
des Fiebers eines Recidives zusammenfiel, wobei durch zufällige 
Verwechslung von Seiten der Assistenz noch augeblich Tu- 
berkelbacilleu im Sputum gefunden wurden. Die Dämpfung 
verschwan djedooh. als Patientin in der Reconvalescenz nach 
regelrechtem Ablauf eines zweifellosen Typhusrecidives sich 
aufzurichten und umherzugehen begann. In einem Falle von 
Influenza bei einer alten Frau mit katarrhalischer Pneumonie 
hatte die Dämpfung an den Lungenspitzen Veranlassung ge¬ 
geben. an Phthise zu denken, welcher Irrthnm jedoch bald 
durch den günstigen Verlauf aufgeklärt wurde. Denselben 
Irrthum rief ein niaran isclies Individuum hervor, welches seit 
dem April an Schluckbeschwerden litt und vor kurzem mit 


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254 


stinkendem Athera nnd Sputum sowie ausgesprochener Däm¬ 
pfung an den Spitzen und im linken Unterlappen aufgenom- 
men wurde. Bald schon kam es zur Section, welche Oesopha- 
guskrebs mit Perforation in den linken Unterlappen ergab,— 
Lungenspitzen gesund. In einem anderen Falle von Pylorus¬ 
stenose, die operirt werden sollte, wurde die marantische Pa¬ 
tientin vorher untersucht und von einem Collegen auf die 
Dämpfung an den Lungenspitzen hin als phthisisch erklärt. 
Es wurde die Frage aufgeworfen, ob es sich lohnen würde, 
sie zu operiren? Dr. Kernig erklärte es als marantische Däm¬ 
pfung. Die Operation unterblieb jedoch infolge anderweitiger 
Umstände, Pat. starb und die Section ergab gesunde Lungen¬ 
spitzen. Bei der Meningitis cerebro-spinalis, welche oft der 
Heilung zugänglich, kann diese Dämpfung auch zur Diagnose 
einer tuberculösen Meningitis und somit zn einer absolut 
schlimmen Prognose verleiten. Wenn man bedenkt, wie schwer 
Meningitische, die man ja kaum aufsetzen kann, einer genaue¬ 
ren Untersuchung der Lungenspitzen zugänglich sind, so wird 
man zugeben, dass ein solcher Irrthum leicht möglich ist. 
Die Erklärung für das von ihm besprochene Phänomen glaubt 
Dr. K. zunächst finden zu müssen in mangelhafter Füllung 
der Lungenspitzen mit Luft, die bei marantischen Patienten, 
welche lange zu Bett liegen, offenbar eintreten kann. Doch 
kommt dieser Befund nicht bei allen Marantikern vor, und 
ist von Dr. K., der einem weiblichen Hospitale vorsteht, nur 
an Frauen und nur in der Hospitalpraxis gesehen worden, 
offenbar weil in der Privatpraxis die Patienten doch meist 
eine viel sorgfältigere Pflege gemessen, als die hochgradig 
marantischen Individuen aus der Armenbevölkerung, welche 
so häufig ins Hospital aufgenommen werden. 

Die Frage Dr. v. Lingen’s, ob in Begleitung dieses Phä¬ 
nomens eine besondere Veränderung au der Thoraxformation 
wahrgenommen worden, beantwortet Dr. K. dahin, dass in 
solchen Fällen supra- und infraclaviculare Gruben auch sonst 
eingesunken sind. Dr. Amburger hebt hervor, dass dieser 
Zustand wohl speciell als Marasmus der Lunge bezeichnet 
werden müsse, dass er aber nicht gut durch allgemeinen Ma¬ 
rasmus bedingt sein könne. Im Gegentheile verbirgt der Ma¬ 
rasmus des Alters oft Lungenveraichtungen durch erhöhte 
Besonanz des Thorax. Dr. Kernig gibt Letzteres für die 
Lnngenränder und überhaupt für die Untersuchung vorne zu, 
aber nicht für die Lungenspitzen. Die Frage Dr. Masing's, 
ob die Section in diesen Fällen nicht eine gewisse Atelectase 
der Lungenspitzen nachgewiesen habe, verneint Dr. Kernig; 
doch liesse sich schwer beweisen, ob die Lungenspitzen m 
diesen Fällen soviel Luft enthalten hätten, als wenn sie ge¬ 
nügend geathmet hätten. 

Dr. Lehmann macht darauf aufmerksam, dass der Umstand, 
dass das besprochene Phänomen bisher allein bei Frauen be¬ 
obachtet worden, vielleicht in dem dem weiblichen Geschlechte 
eigenthümlichen Costaltypus der Respiration seine Erklärung 
finden könnte. Bei diesem Respirationstypus müsse jede Ab¬ 
schwächung der Athmung zunächst in den oberen Partieen des 
Thorax zum Ausdruck gelangen. 

Dr. Petersen hat häufig alte Personen secirt nnd ist ihm 
aufgefallen, dass die oberen Lungenlappen stets wenig ausge¬ 
dehnt waren. 

Dr. de la Croix ist gleichfalls der Ansicht, dass das be¬ 
sprochene Phänomen doch noch am Ehesten durch eine gewisse 
Atelectase der Lungenspitzen, hervorgerufen durch mangel¬ 
hafte Luftfüllnng der letzteren, seine Erklärung finden könnte. 
Dieselbe würde sowohl die Dämpfung des Schalles als auch bis 
zu einem gewissen Grade das Fehlen des vesiculären Athmens 
erklären. Er hat selbst keine eigenen typischen Fälle beobachtet, 
vielleicht weil er seit Jahren in einer männlichen Abtheilung 
beschäftigt ist, zieht jedoch zum Vergleiche heran die geringen 
anscultatori8chen Erscheinungen, die sich bei der croupösen 
Pneumonie der Greise nnd Greisinnen infolge der wenig aus¬ 
giebigen Respirationsbewegungen des Thorax darbieten. 

Dr. v. Lingen hat ähnliches vor Kurzem gemeinschaftlich 
mit Dr. Koch bei einem Kinde beobachtet, das zum dritten 
Male an catarrhalischer Pneumonie erkrankt war. Der para¬ 
lytisch dilatirte Thorax gab gleichfalls keine auscultatorischen 
Erscheinungen. 

Sitzung vom 18. November 1891. 

Dr. de la Croix hat, angeregt durch das von Dr. Kernig 
auf der vorigen Sitzung mitgetheilte Phänomen einer Dämpfung 
an den Lungenspitzen von marantischen Individuen, die lange 
im Bett gelegen, bei Abwesenheit von auscultatorischen Erschei¬ 
nungen und aufmerksam gemacht durch einen Befund, der sich 
oft bei Sectionen darbietet, dass nämlich häufig an dem oberen 
Lungenlappen eine deutliche Impressionsfurche vorhanden ist, 
die von der Clavicula und dem oberen Rande der ersten Rippe 
herrührt nnd oft in nächster Nähe an den Lungenspitzen vor¬ 
überzieht, an Leichen Untersuchungen über aie topo¬ 
graphische Lage der Lungenspitzen angestellt. Zunächst 
stellte er an einigen Leichen, denen er vor der Eröffnung der 
Körperhöhlen eine Reihe von langen metallischen Nadeln in 
verticaler Richtung hart über dem oberen Clavicularrande bis 


auf die hintere Thoraxwand einstiess, wobei die Leichen sich 
in horizontaler Lage mit an die Schenkel gezogenen Annen 
und genau in der Mittellinie befindlichem Kopfe auf einer 
horizontalen Tischfläche befanden, feBt, dass diejenigen Nadeln 
am sichersten die Lungenspitzen resp. das Lungengewebe 
unterhalb derselben treffen, welche in der Mitte des Schlüssel- 
bein&nsatzes des Kopfnickers hart über dem oberen Schltisael- 
beinrande eingestochen werden. Hiernach wäre also die Lun¬ 
genspitze vor der Eröffhung des Thorax bedeutend näher der 
Mittellinie zu suchen, als nach den Angaben Gerhardt’s, 
nach denen sich die Lungenspitzen nach innen zn längs des 
hinteren Randes des Kopfnickers begrenzen soll. 

Auf die beschriebene Weise hat Dr. de la Croix sich dann 
an 30 Leichen zu orientiren gesucht, um wieviel die äusserste 
Lungenspitze den durch die Nadel erzeugten Stichkanal, d. h. 
also den oberen Clavicularrand überragt, nnd hierfür verschie¬ 
dene Werthe bis höchstens 3 Cm. gefunden. In 6 von den 30 
Leichen hatten die Nadeln jedoch beim Einstich über dem Cla¬ 
vicularrande gar kein Lungengewebe mehr angetroffen und 
zwar in 2 Fällen beiderseits, in 3 Fällen nur rechterseits, in 
1 Fall nur linkerseits. In diesen Fällen bot der Sectionsbefnnd 
jedoch immer etwas Besonderes dar, woraus sich Fingerzeige 
zur Erklärung dieses Verhaltens der Lungenspitzen ableiten 
Hessen. In einem dieser Fälle, wo die Nadel rechts gar nicht 
mehr die Lungenspitze erreichte, letztere links den Stichkanal 
der Nadel nur noch 1 Cm. überragte, handelte es sich um eine 
31jährige Frau, die im 6. Schwangerschaftsraonate ins Peter- 
Paul-Hospital mit eiteriger Peritonitis aufgenommen wurde 
und am Tage vor dem Tode abortirt hatte, ln diesem Falle 
mag durch die plötzliche Entlastung des von 3eiten der Bauch¬ 
höhle auf dem Diaphragma lastenden Druckes nach eingetre¬ 
tenem Aborte ein Tieferrücken der Lungen nnd damit auch 
der Lungenspitzen stattgefunden haben. Einen zweiten Fall, 
in welchem beiderseits die Lungenspitzen nicht mehr von der 
Nadel erreicht worden, repräsentirte ein 51 jähriger Mann 
mit fassförmigem Thorax, der 26 Tage im Hospital gelegen 
hatte und dessen Section ein Aneurysma des Aortenbogens 
zwischen manubrium sterni und der Wirbelsäule gelegen 
ergab, welches in den Oberlappen der linken Lunge perforirt 
war. Ausserdem lag noch Lungenemphysem vor. Offenbar hatte 
jedoch namentlich das zwischen Wirbelsäule nnd Brustbein 
eingekeilte Aneurysma bei seinem Wachsthum das Brustbein 
nach vorn und oben gedrängt, wodurch auch die Rippen ge¬ 
zwungen wurden, dieselbe Excursion mitzumachen. Daraus 
resultirt aber eine allgemeine Umfangszunahme des Thorax 
und eine Vergrösserung seines Rauminhaltes, welche wahr¬ 
scheinlich erst durch ein Hinabtreten der Lungenspitzen genü 
gend ausgeglichen werden konnte. Ref. vergleicht die aus der 
oberen engeren Thoraxapertur hervorragenden Lungenspitzen 
mit der Flüssigkeitssäule eines Manometerrohres, an dessen 
unterem Ende sich ein ausdehnungsfähiger Ballon befindet. 
Dehnt letzterer sich aus, so muss die Fltissigkeitssäule im 
Rohre sinken. Ganz ähnlich scheinen die Lungenspitzen, falls 
sie nicht durch Adhaesionen zu stark fixirt sind, in den Thorax- 
raum zurückschlüpfen zu können, wenn letzterer sich veihält- 
nissmä88ig plötzlich erweitert. So auch ist er der Ansicht, 
sich einen weiteren Fall erklären zu müssen, wo die Nadel 
links die Lungenspitze nicht mehr getroffen hatte, die rechte 
Lungenspitze dagegen den Stichkanal der Nadel noch um 1,5 
Cm. überragte. Hier fand sich bei der Section einer 33jährigen 
Frau, die 4 Tage im Hospitale gelegen hatte, nur croupöse 
Pneumonie des linken Unterlappens vor. Diese von starker 
Volumzunahme des betroffenen Lnngentheiles begleitete Er¬ 
krankung ist gleichfalls im Stande eine Erweiterung des Thorax 
zu bewirken, wenngleich nur in massigem Grade und zwar 
hauptsächlich an der erkrankten Seite. Infolge dessen finden 
wir rechts einen beträchtlichen Tiefstand der Lungenspitze, 
links dieselbe sogar ans der oberen Thoraxapertur ganz zurtick- 
getreten. Im vierten Falle waren wiederum beiderseits die 
Lungenspitzen nicht mehr von den Nadeln getroffen worden. 
Es handelte sich um linksseitigen Pneumothorax bei einem 
37 jährigen Phthisiker, der 2 Tage im Hospital gelegen hatte. 
Die links eingetretene Atelectase der Lungen macht für diese 
Seite den Tiefstand der Lungenspitze ohne Weiteres verständ¬ 
lich, doch scheint das Bemühen der rechten Lunge nach ein¬ 
getretener Verminderung des Druckes von Seiten des Pneu¬ 
mothorax sich nach der linken Seite zu vicariirend anszudehnen, 
das Zurücktreten auch der rechten Lungenspitze aus der oberen 
Thoraxapertur bis unter den Rand der Clavicula bewirkt zn 
haben, ln diesem Falle würde es sich also weniger um eine 
Erweiterung des Thorax, als im Gegentheil um eine durch die 
Atelectase bewirkte Verminderung desLnngenvolumens handeln, 
die, ähnlich wie die durch Kälte bewirkte Verminderung des 
Quecksilbervolumens ein Sinken der Quecksilbersäule im Ther¬ 
mometerrohre, — so hier ein Zurücktreten der Lungenspitzen 
aus der engen oberen Thoraxapertur veranlasst hat. Dieser 
Fall leitet nach Ansicht des Referenten direct zu den Kernig - 
sehen Fällen hinüber. Es wäre nicht undenkbar, dass auch bei 
marantischen Individuen, die lange im Bett gelegen, durch 
Atrophie, mangelhafte Luft- und Blntfüllung eine derartige 



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265 


V. 


Volnmsabnahme der Lungen ein treten könnte, dass dieselben 
nicht mehr wie früher im Stande wären, den Thorax genügend 
auszufüllen, infolge dessen dann die Lungenspitzen, ohne eine 
besondere Atelectase aufzuweisen, in ähnlicher Weise ans der 
oberen Thoraxapertur zurückschlnpfen müssten. Hierdurch 
liesse sich die Dämpfung bei Abwesenheit von auscultatorischen 
Erscheinungen zunächst wenigstens für die Region oberhalb 
der Clavienla erklären. Ref. proponirt daher in einschlägigen 
Fällen bei der Section das einfache Experiment mit den langen 
metallischen Nadeln, welche ja auch in zweiter Reihe unter¬ 
halb der Clavicula und ersten Rippe eingestochen weiden 
könnten, and zwar vor Eröffnung aer Körperhöhlen, vorzu¬ 
nehmen. D. z. Director: Dr. v.Lingeu. 

Secretär: Dr. Jalan de la Croix. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Als Medicamenten-Vehikel für Salben empfiehlt 

Kohn das Epidermin. Dasselbe ist ein künstlich aus reinem 
Bienenwachs, Wasser und Glycerin hergestelltes Liniment. 
Die milchige, halbflüssige Masse wird an der Luft consistenter 
und trocknet auf die Haut gestrichen in einigen Minuten zu 
einem festen, elastischen und zarten Häutchen ein, in dem es 
das zngesetzte Medicament in fein vertheiltein Zustande ein- 
schliesst. (Internat, klin. Rundschau Nr. 15). 

— Clemens sucht die Gefahr, welche beim Chloroformiien 

aus der leichten Zersetzlichkeit des Chloroforms er¬ 
wächst, dadurch zu vermindern, dass er dem Chloroform stets 
etwas Alkohol zusetzt. Derselbe soll die Zersetzung durch 
Licht wie auch die gefährliche Selbstentmischung verhin¬ 
dern. (Der ärztl. Practiker Nr. 12). 

— Arno Scheibe: Ueber die Influenzabacillen bei 
Otisis media (Sepabdr. d. Münch, med. Weh sehr. 92 Nr. 14). 

Schon während aer Inflnenzaepidemie vor 2 Jahren hat Verf. 
in 12 frischen Fällen von Otitis media supp, nach Influenza im 
Eiter ausser Kokken Stäbchen gesehen, welche indess auf den 
gewöhnlichen Nährböden (Agar u. s. w.) mit den üblichen 
Methoden sich in keinem Falle züchten Hessen. (Centralbl. f. 
Bakteriol. 1890 Nr. 8). In der letzten Epidemie war das Re¬ 
sultat das gleiche. Nach Verf. kann daher kaum noch ein 
Zweifel bestehen, dass die gesehenen Stäbchen in derThat als 
die Erreger der Influenza anznsprechen sind, und ist die An¬ 
nahme wohl berechtigt, dass die von ihm gesehenen Stäbchen 
mit dem von den Berliner Forschern gezüchteten Influenza¬ 
bacillen identisch seien, von denen sie nur in sehr unwesentli¬ 
chen Momenten difleriren. 

— Woinowitsch empfiehlt gegen die Hypersecretion 
des Magensaftes das Schwefelsäure Atropin. 

Bei einem Patienten, der seit einigen Jahren sehr unter 
der anormalen Menge des Magensaftes zu leiden hatte und 
bei dem die verschiedensten Mittel ohne jegliche Wirkung an¬ 
gewandt worden waren, verordnete er Atropini suliurici 
gr. 7»o (0,0008) 3 Mal täglich. Schon nach einigen Tagen 
trat subjective Besserung ein, und die früheren Beschwerden 
Hessen bald nach. 

(Bolnitschmy'a Gazeta Botkinä Nr. 44, 1891). 


Vermischtes. 

— Ordensverleihungen: Der St. Alexander-Newski- 
Orden — dem berathenden Mitgliede des militär-medicini- 
schen gelehrten Comit^s und des Medicinalrathe« und Präsi¬ 
denten des CuratoriumB des Elisabeth-Kinderhospitals. Gebeim- 
rath Dr. Joh. Balinski. Der St. Wladimir-Orden III. Classe 
— dem Arzt des Hofes des Grossfürsten Michail Nikolae- 
witsoh, wirkt. Staatsrath Dr. Heinr, Sehilling. 

— Verstorben: 1) Am 22. Juni n. St. in Bad Moskau 
(Schlesien) der ehemalige Qnarantaine-Arzt in Feodossia. wirkl. 
Staatsrath Dr. Ferdinand Ehrhardt. 2) Der Gehülfe des 
Militär-Medicinalinspectors des Warschauer Militärbezirks, 
Staatsrath Dr. W. N. Goroshankin, im 53. Lebensjahre. 
Der Verstorbene hatte seine medicinische Ausbildung auf der 
Charkow’Bchen Universität erhalten und im Jahre 1876 an der 
medico-chirurgisohen Academie die medicinische Doctorwiirde 
erlangt. 3) An. 29. Mai in Orlow (Gouv. Wjatka) der dortige 
Landschaftsarzt Wl. A. Stolbowski im 43. Lebensjahre. 
Obscbon der Hingeschiedene 18 Jahre als Landschaftsarzt in 
Orlow gedient, hat er doch seine Frau mit drei Kindern ganz 
mittellos znrflckgelassen. Glücklicherweise war er Mitglied 
der med. Unterstützungscasse, so dass die Familie einiger- 
maassen, wenn auch kärglich, versorgt ist. Wie beliebt der 
Verstorbene bei den Einwohnern und den Collegen war, bewies 
die allgemeine Betheiligung bei der Beerdigung und aer Um¬ 
stand. dass in dieser kleinen und armen Staat in wenigen 
Stunden 250 Rbl. zum Besten seiner Familie gesammelt wurden 
(W.). 4) In Tomsk der Universitätsarzt und Ordinator des 
dortigen Gefängniss-Hospitals, Nikita Akermann im 54. 


Lebensjahre. Der Verstorbene war in Moskau geboren und 
studirte von 1857 - 61 Medicin in Dorpat.'Nach Erlangung des 
Arztgrades wurde er Arzt an einem Hospital in Tomsk, war 
dann praktischer Arzt daselbst und seit der Gründung der 
Universität Arzt derselbeu. 5) Am 24. Juni n. St. in Schöneberg 
bei Berlin nach langer Krankheit der bekannte Kliniker, Prof. 
Anton Biermer im 65. Lebensjahre. Der Verstorbene begann 
seine academische Carriere als Privatdocent in Würzburg 
(1851), wurde 1861 Professor in Bern, siedelte 1867 in gleicher 
Eigenschaft na< h Zürich über und folgte im J. 1874 einem 
Rufe nach Breslau, wo er bis zum vorigen Semester die nte- 
diciuisclie Klinik leitete. Seine Verdienste um die Entwickelung 
vieler Zweige der inneren Medicin, um die Ausbildung der 
physikalischen Untersuchungsmethoden, um die Krankheiten 
des Blutes u. s. w. sind allgemein bekannt. 

— Wie verlautet, geben drei der ältesten Professoren 
der militär-medicinischen Academie demnächst ihre 
Lehrthätigkeit an der Academie auf. Es sind die Pro¬ 
fessoren J. P. Mierzejewski (Psychiater), W. M. Tarnow- 
ski (Syphilidolog) und N. W. Ssokolow (Chemiker) Als 
Nachfolger Ssokolow’s wird der Professor der med. Chemie, 
an der Charkower Uniwersität, Dr. A. J. Danilewski 
genannt. 

— Zur Leitung der bacteriologischen Station in 

Odessa ist Dr. Bniwid, welcher gegenwärtig dem städtischen 
hygienischen Laboratorium in Warschau vorsteht, berufen 
worden. (Wjestnik Woterinarii — Wr.). 

— Am 29. Mai wurde die neugegründete Gesellschaft 
der Neuropathologen und Psychiater an der Kasan- 
schen Universität eröffnet. Bei der Eröffnung worden von 
Prof. Bechterew, 2000 Rbl. überreicht, welche Frau Olga 
Karpow zum Besten der Gesellschaft gespendet hat. Letztere 
wurde in Folge dessen zum Ehrenmitglieae der Gesellschaft 
gewählt. 

— Dr. F. K. Trapesnikow hat sich mit Genehmigung der 
Conferenz der militär-medicinischen Academie als Privat¬ 
docent der Svphilidologie an der genannten Academie 
habilitirt. 

— Wie verlautet werden Prof. R. Virchow and sein Sohn 
Prof. Hans Virchow (Anatom in Berlin) an dem bevorste¬ 
henden internationalen Congress für Archäologie 
und Anthropologie und für Zoologie in Moskau theil- 
nehmen. 

— Als Vertreter Russlands ist Prof. Wedenski zu der 
300jährigen Jubelfeier der Universität Dublin abde- 
legirt worden. — Gelegentlich dieses Jubelfestes hat die Dub- 
liner Universität Auszeichnungen an hervorragende Gelehrte 
verliehen und zwar sind in der medicinischen Facultät zu 
Ehiendoctoren ernannt: Herzog Dr. Carl Theodor von 
Bayern, Gusserow (Berlin), Billings (Vereinigt. Staaten), 
Thomas Brvant, Andrew Clarke. John Hutchinson, 
Grainger Stewert; zu Drs. of Sciences: Waldeyer, 
Lud. Hermann (Physiolog), K oll mann (Anatom). 

— Die Choleraepidemie in Transkaukasien breitet 
sich mit jedem Tage weiter aus. In Bakn, welches den Aus¬ 
gangspunkt dort bildete, herrscht sie in hohem Grade. Leider 
sind die im «Regier«ngsanzeiget» veröffentlichten Daten über 
die in Baku Erkrankten derart ungenau, dass sich die Zahl 
derselben auch nicht annähernd feststellen lässt. Die Zahl der 
Cholera-Todestalle in Baku beträgt nach der Zusammenstellung, 
die wir aus den täglichen Bulletins zu machen versucht haben: 
vom 6.-22. Juni incl. bereits ca. 700, während die Zahl der 
Genesenen recht gering (ca. 90) ist. Von Baku aus hat die 
Seuche bereits den Weg in viele Städte Transkaspiens, wie 
Sckuscha, Schemacha, Jelisawetpol, Kuba, Sakataly und andere 
genommen. In Tiflis, wo die Cholera bereits vor 2 Wochen 
aufgetreten, ist sie bis jetzt in bescheidenen Grenzen geblieben. 
Nach Astrachan ist die Seuche durch Provenienzen vom 
Kaspischen Meere eingeschleppt worden und sind namentlich 
auf der 9 Fuss tiefen Rhede bei Astrachan zahlreiche Erkran¬ 
kungen vorgekommen. Von dort hat die Cholera den Wog 
längs dem Lauf der Wolga eingeschlagen und ist bereits in 
Zanzyn and Ssaratow aufgetreten. Aus letzter Stadt wurden 
vom 20.—22, Juni 49 Erkrankungen mit 11 Todesfällen ge¬ 
meldet. Aus dem transkaspischen Gebiet in Turkestan 
liegen aus letzter Zeit keine officieUen Daten über den Stand 
der Cholera vor. 

— Die «Allgemeine medicinische Centralzeitung», 
die älteste und wohl verbreitetste aller gegenwärtig beste¬ 
henden ärztlichen Zeitungen Deutschlands (61. Jahrgang) 
ist in den Besitz der Verlagshandlnng von Oscar Coblenz 
in Berlin übeigegangen. Als Redacteur zeichnet Dr. H. Lohn- 
stein, welcher bereits seit dem Tode Dr. Rosenthal’s die 
wissenschaftliche Leitung des Blattes in Händen hat. Die 
nene Leitnng will dem Bestreben der bisherigen Redaction 
das Neneste und Wissenswertheste ans der theoretischen nnd 
praktischen Heilkunde aller civilisirten Völker zu concantriren, 
treu bleiben, jedoch soll die Ausführung dieses Programms 


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den veränderten Verhältnissen der zeitgenössischen Wissen¬ 
schaft entsprechend an f breiterer Basis, als bisher, erfolgen. 
Vor Allem werden zwar die Bedürfnisse des praktischen, kein 
Specialfach besonders pflegenden Arztes im Auge behalten, 
aber neben den vorwiegend praktischen Fächern auch die 
theoretischen Grunddisciplinen der Medicin, soweit sie der 
Praxis dienen, berücksichtigt werden. Ebenso soll der Hygiene 
und den ärztlichen Standesfragen volle Berücksichtigung zu 
Theil werden. 

— Da der letzte Congress der deutschen Gesell¬ 
schaft für Chirurgie beschlossen hat, die Saramelfor- 
schung Über die Nareotisirnngs-Statistik fortzu* 
setzen, um ein noch grösseres Zahlenmaterial zn gewinnen, 
so ersucht der Vorstand der Gesellschaft seine Mitglieder, die 
Aufzeichnungen der von ihnen beobachteten Narcosen da wieder 
aufzunehmen, wo sie in ihren früheren Berichten aufgehört 
haben, sie bis Ende Februar 1893 fortzuführen und den Bericht 
sodann bis spätestens zum 15. März 1893 dem ständigen Schrift¬ 
führer, Prof. Dr. Gnrlt in Berlin, zu übersenden. 

— Von den Verhandlungen der vorigjährigen Ver¬ 
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zn 
Halle ist soeben der IT. Theil, enthaltend die Abtheilssitzun¬ 
gen unter der Bedaction der Pro ff. Fedor Krause und 
Wan ge rin erschienen. 

— Der diesjährige (XX.) deutsche Aerztetag fand am 
27. und 28. Juni in Leipzig statt. Den Vorsitz führte wieder 
der Geh. Sanitätsrath Dr. Graf, (Elberfeld), welcher seit der 
Gründung des Aerztetages ununterbrochen die Versammlungen 
mit bewährtem Geschick geleitet hat 

Zum deutschen Aerztevereins-Bunde gehören gegen¬ 
wärtig 233 Vereine mit 12,801 Mitgliedern, also ca. J /3 des 
gesammten ärztlichen Personal Deutschlands. Von diesen 
waren 149 Vereine durch 104 Delegirte diesmal vertreten. 

Auf der Tagesordnung des diesjährigen Aerztetages standen, 
wie wir aus dem Berichte der «Berl. klin. Wochenschr.» 
ersehen, unter anderen zwei Gegenstände, welche besonderes 
Interesse erwecken: die Prüfung der Specialärzte und die 
Abmahnnng vom Studium der Medicin. 

Bezüglich der Specialisten-Frage. für welche der Refe¬ 
rent Dr. Stimme! (Leipzig) 4 Thesen aufgestellt hatte, wurden 
nach längerer Debatte folgende 3 Sätze angenommen: 1) Der 
Aerztetag erkennt an, dass in der Entwickelung des Spe 
cialistentliuins sich Auswüchse gebildet haben, deren Bekämpfung 
im Interesse, des ärztlichen Standes, sowie im Interesse des 
Publikums liegt. Als wirksamstes Mittel hiergegen erklärt der 
Aerztetag eine stramme Vereins-Organisation und eine darauf 
gegründete Aerzteordnung. — 2) Die Einrichtung einer beson¬ 
deren Prüfung für Spec/alärzte ist zu verwerfen. — 3) Ein 
Verbot jeder näheren specialistischen Bezeichnung liegt weder 
im ärztlichen Interesse noch in denjenigen des rublicums. — 
Die 4. These, welche Bestimmungen betraf, nach welchen die¬ 
jenigen Mitglieder der ärztl. Vereine welche sich Specialisten 
nennen, auf Ausübung allgemeiner Praxis verzichten müssen, 
wurde mit grosser Majorität abgelehnt. 

Ausserordentliches Interesse erweckten darauf die Ausfüh¬ 
rungen des bekannten Berliner Gynäkologen Dr. A. Martin, 
welcher in beredter Weise den Antrag des Berliner Frie Irich- 
Wilhelmstädtischen Bezirksvereins vertheidigte, wonach in 
jedem Jahre zur Zeit der Entlassung der Abiturienten eine 
öffentliche Abmahnung von dem Studium der Medi¬ 
cin erfolgen sollte. Zur Begründung wies Dr.Martin darauf 
hin, dass die Erwerbsverhältnisse der Aerzte durch die Kran- 
kenkassenverhältnisse erheblich geschädigt seien, dass die 
Znlassung von Frauen znm medioinischen Studium in Aussicht 
stehe und gab sodann auf Gruud der amtlichen Stenerlisten 
eine Zahlen-Znsammenstellung. betreffend die Zunahme der 
Aerzte in Prenssen. Während 1885/86 die Zahl der Medicin- 
studirenden 7781. die der Approbationen 998 und die Zahl der 
Aerzte auf 10,000 Einwohner 3,4 betrug, stiegen diese Zahlen 
1891 92 bereits auf 8902, resp. 1571 und 3,97. In den Jahren 
1876—87 fand eine Zunahme der Bevölkerung nm 9,7 pCt., 
eineZunahme der Aerzte aber um 15,4 pOt.statt. Interessant sind 
die Angaben über die Erwerbsverhältnisse der Berliner Aerzte. 
Nach den Ergebnissen der Selbsteinschätzung von 1615 Ber¬ 
liner A ersten und 132 Zahnärzten (zusammen also 1747) haben 
855 ein Gesammteinkommen aus Praxi* und Vermögen unter 
3000 Mark, gehören also nicht zu den zur Selbsteinschätzung 
herangezogenen. Von den übrig bleibenden 892 Censiten fallen 
etwa 50 weg, welche die ärztliche Praxis nicht als Erwerbs- 

S uelle bezeichnen (beamtete Aerzte, Gelehrte und dgl. m.); von 
ein Beste von 842 haben aber etwa 150 das Einkommen ans 
ärztlicher Praxis unter 3000 Mark eingeschatzt. Es ergiebt 
sich also, dass ,0 /» der Berliner Aerzte aus der ärztlichen 
Praxis weniger als 3000 Mk. erwerben. Von den 7 /n, welche 
mehr einnahmen, gewinnt die grösste Mehrzahl knapp einen 
solchen Betrag, wie er in der grossen Stadt als ausreichend 
für eine einigermassen bequeme Existenz für den arbeitenden 
gebildeten Mann und seine Familie anzusehen ist. Nur 250 
naben 8000 Mark, 170 über 10,000 Mk., also etwa 10 pCt. 


aller Aerzte in Berlin. Die Zahl der ein Vermögen Sammelnden 
ist verschwindend gegen die Zahl derjenigen, welche mit 
schweren Schuldenlasten kämpfen. 

Obwohl nun im Aerztetage -keine Zweifel darüber laut 
wurden, dass die materielle Lage der Aerzte eine ausseror¬ 
dentlich schlechte sei und man den Ausführungen Dr. Mar- 
tin’s bei stimmte, so hielt man doch das vorgeschlagene Heilmittel 
dagegen, nämlich das öffentliche Abmahuen vom Stadium der 
Medicin, nicht für geeignet, eondern lehnte den Antrag, frei¬ 
lich mit nur 37 gegen 36 Stimmen ab. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 21. Juni d. J. 5529 
(55 mehr als in der Vorwoche), darunter 326 Typhus — (14 mehr), 
576 Syphilis — (31 mehr), 31 Scharlach — (11 weniger), 17 Diph¬ 
therie — (4 mehr), 79 Masern — (12 weniger) und 11 Pocken¬ 
kranke (1 weniger als in der Vorwoche). 


Vacanzen. 

1) Zu Anfang des Septembers d. J. wird die Stelle des 
Arztes bei der Fabrik Qnellenstein in Livland vacant. 
Die Meldung geschieht unter Angabe des bisherigen Wirkungs¬ 
kreises bei dem Fabrikbesitzer A. Zoepffel, Quellensteln, 
Livland. 

2) Es wird ein Arzt für das Kirchdorf Nowo-Grigor- 
jewka im Kreise Melitopol (Taurien), wo eine Apotheke 
vorhanden ist. gesucht. Fixum 500 Bbl. jährlich bei freier 
Praxis im Kirchdorfe und der (Jmgegend. Nähere Auskünfte 
ertheilt der Provisor E. J. Laskin (Adresse: OraHnia EaaHB— 
3araqi, TaBpimecRoö ryö.). Für die Antwort ist eine Post¬ 
marke beizufügen. 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 14. Juni bis 20. Juni 1892. 


Zahl der Sterbefftlle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: £ 


M. W. Sa. 


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268 242 510 99 68 100 12 10 9 29 31 37 49 45 15 6 0 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh.exanth. 1, Typh. abd. 5, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 1, Masern 48, Scharlach 8, 
Diphtherie 4, Croup 1, Keuchhusten 7, Crotipöse Lungen¬ 
entzündung 12, Erysipelas 6. Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 2, Epidemische Meningitis 1, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0. Parotitis epidemica 0, Botzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 0, Pyämie und Septicaemie 4, 
Tuberculose der Langen 69, Tuberculose anderer Organe 1, 
Alkoholismns und Delirium tremens 0. Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 41, Marasmus senilis 19, Krankheiten des 
Verdau ungscanals 58, Todtgeborene 24. 


Die Bibliothek des Vereins St. Petersburger 
Aerzte wird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 
Dienstag und Freitag von 4—6 Uhr und am Mittwoch im 
Laufe des ganzen Tages. 


Bad Wildungen seit lange bekannt durch unübertroffene 
Wirkung bei Nieren-, Blasen- nnd Steiuleiden, bei Magen und 
Darmkatarrhen, sowie bei Störungen der Blutmischnng, als 
Blntarmnth, Bleichsucht, u. s. w. 

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Blasen- und Magenleiden, Gicht, Broncliialkatarrh, Hämorrhoi¬ 
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liches Mittel bei Sodbrennen, Magenkatarrhen, Verdauungs¬ 
störungen überhaupt. 

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kungen der A’hmungsorgane nnd des Magens, bei Scrophulose 
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und Diabetes. 

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achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Pnrgativ durch folgende Vorzüge ans: Prompte nnd sichere Wir¬ 
kung; milder Gesclimack; geringe Dosis: auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stuhl Verstopfung; Leberleiaen; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 


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257 


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Zweite Auflage. 1892. gr. 8. Mit 56 Fig. 
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der inneren Krankheiten 

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der Respirationsorgaue, der Circulations- 
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Krankheiten der Nieren und der, Bewe¬ 
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M. Winkler, Moxoaaa yj. j. 29, ko 5, bei 
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12,000 verabreicht). Die bisherige Anzahl der Mineral-Btidekahiuen wurde vermehrt, di« 
Hälfte der Moor-Badekabiuen wurde mit Dampfheizung versehen; weiters Trinkcur der 
Kryniea’er und Stotwiim’er Mineralwässer, Molken, Kefir, ferner Gymnastik in dem 
hiezu im Park eigens erbauten Gebäude u. s. w. 

Wohnungen: Ueber 1500 mit grösserem und geringerem Komfort möblirte Zim» 
wer, grösstentheils mit l'efen versehen. Das Hotel «zu den 3 Roseu» m d das Zinshaus 
«zum Schloss» dienen zur einstweiligen Unterbringung der neu angekommenon Gäste. 
Im Mai, Juui und September siud die Preise der Wohnungen sowie der Bäder billiger. 

Anlagen und Spaziergänge: Ein grosser Fichieupark mit bequemen Fussstegen, 
zahlreichen Bänken und Plätzen zam Ausruheu und cur Unterhaltung, viele, näher und 
weiter gelegene Spaziergänge ln der Ebene nnd im Gebirge, Ausflüge in die pracht¬ 
volle näher und weiter gelegene Umgehung. 

Zur Bequemlichkeit und Zerstreuung der Cn gäste bestehen mehrere Restan» 
raüonen, Milchverschleisser, 2 Zuckerbäckereien, das prachtvolle Curhans mit Ball-, Restau- 
ratioi'ß-, Kartenspiel- nnd Billard Säleu, eine Kegelbahn, Casino, 2 Büeherleihbibliotheken, 
Theater ans 1 emberg, Brunnen-O.ch »ter unter Leitu • g des A. Wronski vom 21. Mai an, 
1 Photograph, Veikaufsläden und allerhand aus grösseren Städten anlangende Gewerbs- 
leuie u. s. w. 

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Proceduren ausgefolgt). 

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der Hydrotherapie eingerichteten PrivAtpentdoa des Dr. Ebers Unterbringung finden.. 

Die Saison dauert vom 16. Mai bis Ende September. — Auf Verfangen enhedt 
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Aoss. aess. Chö. 26 Iiobh 1892 r.. Herausgeber: Dr. Th. v. Schröder. Buchdruckerei vou A. Wieoecke, Katharinenhofer-Pr. J* 15- 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETERSBURGER 

UMCISISC1E WOCHENSCHRIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 

Die «St. Petersburger Medicinisclie Wochenschrift» erscheint jeden I Abonnement!*Aufträge sowie alle Znierate *W 

Sonnabend.— Der Abonnementspreii ist iu Bauland8 Rbl. für das bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Eicher in 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. l'ostzustelluug; iu den anderen St. Petersburg Newsky-I'rospect Jft 14, zu richteu.—Hanuioripte 
Lindern 20 Mark jUhrlich, 10 Mark halbjährlich. Der Zmertioniprei! sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungeu bittet man an 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
Autoreu werden 25 Separatabzüge ihrer Origiualartikel zugesandt.— St. Petersburg, Liteiny Prospect, J4 55, Qu. 13 zu richten. Sprech- 
Referate werdeu nach dem Satze vou 16 Rbl. pro Bogen honorirt. stunden täglich von 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 

27 St. Petersburg, 4. (16.) Juli 1892 


Inhalt: H. Westphalen: Ein Fall von primärem Carcinom der Leber. — Referate: Oscar Lassar: Die Bäder- 
bebandlung der Ekzeme. — Edmund Saalfeld: Ueber Bäderbehandlung bei Hautkrankheiten. — H. Baron Krüdener: 
Beitrag zur pathologischen Anatomie der Amyloidtumoren. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Arthur Sperling, 
Berlin: Elektrotherapeutische Studien. — Lassar-Cohn: Moderne Chemie. — Konrad Port: Ueber die Wirkung des Tuber- 
culinum-Kochii bei Lupus. — Auszug aus den Protokollen dei deutschen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. — 
Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Anzeigen. 


Vierter Aerztetag 

der GeseHschaft livländiscber Aerzte. 

Der vierte Aerztetag der Gesellschaft liyländischer Aerzte 
findet in Wenden statt und währt vom 14.-16. September 
d. Jahres. 

Vorträge, deren Dauer die Zeit von 15 Minuten nicht Über¬ 
schreiten darf, werden die Herren Aerzte ersucht, unter 
genauer Angabe des Themas und kurzer Wiedergabe des 
Inhalts baldmöglichst, spätestens aber bis zum 1. August c. 
bei Unterzeichnetem anzumelden. 

Im Namen des Vorstandes: 
d. Z. Präses: Dr. H. Truhart — Fellin. 

Aus dem deutschen Alexander-Hospital für Männer. 

Casuistische Mittheilungen 

von 

Dr. H. Westphalen 
Prosector. 

II. Ein Fall von primärem Carcinom der Leber. 

Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, dass in ge¬ 
wissen Fragen Kliniker und Pathologen so häufig in 
Widerspruch zu einander stehen, dass einzelne Krank¬ 
heitsvorgänge von den Klinikern als häufig angesehen 
werden, in welchen der Pathologe eine grosse Seltenheit 
erblickt. Auf diesem Punkte befinden wir uns auch ge¬ 
genüber der Frage von dem primären Leberkrebs. 
Während der praktische Arzt nur zu sehr geneigt ist, die 
Diagnose «Leberkrebs» zu formuliren und den primären 
Sitz desselben in die Leber zu \ erlegen, ist der Prosector 
nur sehr selten in der Lage sich einer solchen Auffas¬ 
sung anzuschliessen. So häufig er Gelegenheit hat ein 
metastatisches Lebercarcinom, namentlich bei primärem 
Sitze der Geschwulst am Magen, der Mamma und dem 
Ovarium, zu beobachten, so selten begegnen ihm Fälle 
von wirklich primär in der Leber entstandenem Car¬ 
cinom. 

Früher, wo man am Sectionstisch geneigt war, aus der 
überwiegenden Grösse einer Geschwulst auch auf die 


primäre Natur derselben zu schliessen, war das anders, 
da waren primäre Leberkrebse keine Seltenheit (vergl. 
die Angaben von Lebert 1 ) und Frerichs 2 ). Jetzt, 
wo 4nr den Nachdruck auf die histiogenetischen Verhält¬ 
nisse eines Tumors zu legen gewohnt sind, erblicken wir 
ein primäres Carcinom der Leber relativ selten. Für die 
Rarität eines solchen Vorkommens würde sprechen, dass 
Riesenfeld 3 ) im Jahre 1868 unter 69 im pathologi¬ 
schen Institut zu Berlin secirten Leberkrebsen nicht im 
Stande war auch nur einen einzigen Fall zu erbringen, 
der ein wandsfrei in der Leber entstanden sein musste. 
Er leugnet infolge dessen direct die Möglichkeit einer 
Entwickelung des Carcinoms aus Lebergewebe. Das gleiche 
Resultat geht auch aus der Statistik von Burhenne 4 ) 
aus dem Jahre 1887 hervor, welche sich auf das patho¬ 
logische Material des Göttinger Institutes stützt. Die 
letzte Zusammenstellung von Hanse mann 5 ) aus dem 
pathol. Institut in Berlin ergiebt auf Grund der Proto¬ 
kolle von 1870—1889, dass auf 258 Leberkrebse über¬ 
haupt, 25 primäre Carcinome der Gallenblase, 2 primäre 
Carcinome der grösseren Gallenwege und nur 6 primäre 
Leberkrebse kommen. 

Bei einer solchen Statistik ist es auch begreiflich, dass 
eine Zeit lang das Vorkommen des primären Lebercarci- 
noms vollständig geleugnet wurde und es mehrfacher 
Arbeiten bedurfte, bis die Möglichkeit einer Entstehung 
eines Krebses in der Leber festgestellt wurde. 

Augenblicklich unterscheidet man den primären Leber¬ 
krebs in 3 Formen, die sich ziemlich scharf von einander 
trennen lassen (Ziegler G ) Hansemann). 

U Lebert. Traitö pratiaue des maladies cancereuses et des 
affections curables. confonanes avec le cancer. 

a ) Fr er ich 8. Klinik der Leberkrankheiten. II. Bd. 

a ) Riesenfeld. Ueber 69 im path. Inst, zu Berlin in der 
Zeit von 1864 bis zum 15. Juni 1868 vorgekommene Fälle von 
Krebs der Leber. Diss. Berlin 1868. 

4 ) Burhenne. Beiträge zur Statistik des Leberkrebses 1887 
Diss. Göttingen. 

s ) Hansemann. Berl. klin. Wochschr. 1891, Nr. 16. 

G ) Ziegler. Lehrb. d. allg. und spec. path. Anat. 6. Aufl. 
Bd. H. p. 604. 


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260 


Bei der ersten Form, welche nach Hansemanu 
sehr selten sein soll, finden sich meist ein oder mehrere 
grössere solitäre Knoten in der Leber und in ihrer Um¬ 
gebung noch mehrere kleinere Herde, die als locale Me¬ 
tastasen aufzufassen sind (Weigert 1 ). 

Die zweite Hauptform führt den Namen «diffuse 
krebsige Entartung der Leber, infiltrirter Le¬ 
berkrebs, Cancer avec cirrhos e» und scheint nicht so 
selten zu sein; nach Rodais 7 8 ) macht sie mehr als V 3 * 
aller primären Leberkrebse aus. Das makroskopische 
Aussehen ist dasjenige einer atrophischen Lebercirrhose, 
mit welcher wohl auch der Krebs in Beziehung stehen 
dürfte. Mikroskopisch findet man, dass das von den Bin- 
degewebszügen eingerahmte Gewebe dem Bau eines 
Carcinoms entspricht. 

Als dritte Form ist zu erwähnen diejenige, bei welcher 
die ganze Leber von zahllosen, meist kleinen Knoten durch¬ 
setzt ist, welche carcinomatöse Structur darbieten. Nach 
Ziegler sollen die Krebsknoten dem Verlaufe der Por- 
talgefässe folgen, an den kleinern Aesten kleiner, an den 
grossem grösser sein. 

Was den Boden für die Entstehung des Lebercarci- 
noms anbetrifft, so scheint dasselbe sowohl aus Leber¬ 
zellen als auch aus Gallengangepithelien, welche ja auch 
nur modificirte Leberzellen sind, hervorzugehen. N a u n y n 3 ) 
Fetzer lü ), Waldeyer 11 ), Kindt 1 *), Harris 13 ), Han¬ 
semann, Rodais). 

Ebenso dürfte es auch nicht allzuselten Vorkommen, 
dass Lebercarcinome sei es aus Gallengangadenomen 
oder aus wahren Leberzellenadenomen, welche bei der 
Lebercirrhose wohl im Sinne eines compensatorischen 
Vorganges beobachtet werden, hervorgehen, (Schuppel 14 ), 
Weigert, Jungmann 15 ). Möglicherweise dürfte darin 
der Schlüssel für das relativ häufige Zusammentreffendes 
Lebercarcinoms mit Cirrhose der Leber gefunden werden. 

Nicht zu verwechseln ist das Lebercarcinom mit dem 
Leberadenom, welches gleichfalls multipel auftreten kann 
und befähigt ist, in die Gelasse zu wuchern, wodurch ge¬ 
legentlich der Grund für eine Metastase gegeben sein kann. 
So wird von Greenfield ein Fall mitgetheilt, welcher 
dafür sprechen würde, dessen Beweiskraft jedoch von 
Hansemann und Staats 16 ) angezweifelt wird. Han¬ 
se mann citirt weiter eine Beobachtung von Perls, wo 
nach Leberadenom eine Metastase in der Sella turcica 
stattgefunden hatte, welche in ihrem Bau vollständig der 
Structur der Muttergeschwulst entsprach. Hansemann 
erinnert hierbei an die Mittheilung von Cohnheim über 
Metastasirung in den Knochen nach primärer colloider 
Struma der Thyreoidea. 

Was die Adenome der Leber anbetrifft, so scheinen 
dieselben sowohl aus Leberzellen hervorzugehen als auch 
gewucherte Gallengänge vorzustellen. Nach Klob n ) sollen 
dieselben auch angeboren sein. 

Als casuistischen Beitrag zur Entstehung des primären 
Lebercarcinoms sei es mir gestattet über folgenden von 
mir secirtem im Deutschen Alexander-Männer-Hospital 
beobachteten Fall zu berichten. 


7 ) Weigert. Virch. Arch. 67. 

8 ) Rodais. TUnion. med. 1890. 16. Juni (Ref. Virch. Hirsch. 
Jahresber. II. 260). 

®) Naunyn. Reicherts und Du Bois’s Arch. 1866. 

,0 ) Fetzer. Beiträge zur Histiogenese des Leberkrebses. 
Diss. Tübingen 1868. 
n ) Waldeyer. Virch. Arch. 55. 

ii ) Kindt. Beitrag zur Histiogenese primärer Lebercarci- 
nonie. Diss. Kiel. 1882. 

n ) Harris. Virch. Arch. 100. 

u ) Schiippel. Ziemssen Handb. VIII. 1. Hälfte und Arch. 
f. Heilk. IX. 

'S) Jungmann. Ein Fall von cirrh. Leber mit Adenombil¬ 
dung und Uebergang derselben in Carcinom. Berlin Diss. 1881. 

,6 ) Staats. Ein Fall von Adenoma hepatis. Diss. Wiirz- 
burg. 1886. 

n ) Klob. Wiener med. Wochsclnft. 1865. Nr. 75—77. 


Pat. C. Z. 42 a, n. Glasermeister, eingetr. am 18. December 
1891. Abth. von Dr. Höhlein. 

Auszug aus der Krankengeschichte: 

Anamnese: keine Lues, wohl aber Alkoholmissbrauch. Vor 
8 Wochen unter Fieber »Schmerzen in der rechten unteren 
Brusthälfte beim Athemholen. Gleichzeitig Auftreten einer 
Schwellung im Epigastriuin und rechten Hypocliondrium. Bes¬ 
serung des Befindens, dann wieder Verschlimmerung desselben, 
namentlich Vergrösserung der Schwellung im rechten Hypo- 
chondrium. Seit 10 Tagen Ikterus. Keine Berührung mit 
Hunden. 

Status praes: Kräftig gebauter, kachektisch aussehender 
Mann. Starker Ikterus. Rechts Knöcheloedem. Ueber den 
Lungen vereinzelte Rasselgeräusche, am Herzen normaler 
Befund. Zunge belegt. Leichte dyspeptische Erscheinungen, 
Stuhlgang retardirt. Die rechte und mittlere Oberbauchgegend 
stark vorgewölbt. Diese Vorwölbnng erscheint etwa halbku¬ 
gelförmig und erstreckt sich bis unter Nabelhöhe, der Schei¬ 
telpunkt befindet sich in der Sternallinie. Bei der Palpation 
erscheint der Tumor prall elastisch, eine weichere Consistenz 
anscheinend nur an der Stelle der grössten Vorwölbung. Nir¬ 
gends Fluctuationsgefnhl. Nach unten grenzt sich der Tumor, 
welcher die vergrösserte Leber vorstellt, mit stumpfem 
Rande ungefähr 1 Qnerfinger unterhalb des Nabels ab, um 
dann von der Medianlinie nach oben links hinaufzusteigen und 
sich im linken Hypocliondrium unter dem Rippenbogen zu ver¬ 
lieren. Hierselbst ist die Milz deutlich zu fühlen. Bei ruhiger 
Respiration überschreitet diese den Rippenbogen nicht. 

Bei der Percussion erhält man eine Dämpfung, welche ge¬ 
nau dem palpirten untern Rande des Tumors entspricht und 
mit ihrer obern Grenze in d. v. Axill. und r. M. L. an d.5JCR. 
in der P. St. L. an der 5. Rippe sich findet. Bei der Respira¬ 
tion deutliche Verschiebung des Dämpfungsbezirkes. Bei Atis- 
cultation über dem Tumor negativer Befund. Keine Druck¬ 
empfindlichkeit des Tumors. Milzdärapfung stark vergrös- 
sert. Unterbauchgegend relativ eingesunlten, es scheint 
leichter Ascites zu bestehen. 

Urin dunkelbraun, enthält Gallenfarbstoffe und 0,05 pCt. 
Eiweiss. 

Probepunctionen mit längeren und kürzeren Nadeln an 
verschiedenen Stellen des Tumors ausgeführt, förderten stets 
eine blutige Flüssigkeit zu Tage, in welcher neben rothen 
Blutzellen grössere Zellen mit leicht grannlirtem Protoplasma 
und grossem bläschenförmigen Kernen gefunden wurden. 
Einzelne der Zellen Hessen in ihrem Protoplasma Fetttropfen 
erkennen (Leberzellen!) 

Diagnose: Carcinom der Leber und Milztumor. 
Ikterus. Ascites. Bronchialkatarrh. Unter Zunahme 
der subjectiven Beschwerden, verstärktem Ikterus und all- 
mälig eintretendem Collaps erfolgt am 5. Juni 1892 der 
Exitus. 

Sectionsprotokoll vom 6. Januar 1892 (Auszug). Star¬ 
ker Ikterus, dünnflüssige Beschaffenheit des Blutes, reichliche 
subcutane, subpleurale und subpericardiale Ekchytnosen. Icte- 
risch gefärbter Ascites, Verdrängung der Darmeingeweide 
durch die stark vergrösserte Leber, sowie Hochstand nament¬ 
lich der rechten Zwerchfellshälfte. Bindegewebige perihepa- 
titische Adhaesionen der Leber mit dem Peritoneum parietale 
der Bauchwand und des Zwerchfells. Trübung des linken 
Herzens. 

Lungenödem. Ausgedehnte bindegewebige Adhaesionen 
der rechten Lunge mit der Costal- und Zwerclifellspleura. 
Atelektase der untern Abschnitte der rechten Lunge. Der 
Magen durch die vergrösserte Leber nach links verdrängt 
und vertical gestellt, so dass Kardia und Pylorus über einan¬ 
der in der Medianlinie sich finden, die kleine Curvatnr nach 
rechts, die grosse nach links belegen ist. 

Der Magen wesentlich vergrössert. Seine Mucosa stark ge¬ 
schwellt. Etat mamellone. Starke Hyperämie und Ekcliy- 
mosirung der Schleimhaut. Im Mageninhalt Speisereste, 
Schleim und schwarze Blutcoagula, Oesophagusvenen nicht 
auffallend erweitert. Eine Continuitätstrennung eines Magen- 
gefässes nicht zu erkennen. 

Milz stark vergrössert, Kapsel zart und gespannt. Milz- 

f ewebe blutreich. Pulpa grauroth. Malpighische Körper und 
’rabekel deutlich wahrnehmbar. 

Pankreas, Nebennieren normal. 

Darm venös hyperaemisch, Mucosa leicht geschwellt und 
mit Schleim belegt, in derselben mehrfach kleine Bin taustritte. 

Die Leber stark vergrössert, Gew. 7745 Gr. Die Gallen¬ 
blase und die grossem Gallengänge normal beschaffen. Die 
Glissonsche Kapsel diffus bindegewebig getrübt, unter dersel¬ 
ben reichliche Venenzüge. Die Leberoberfläche unregelmäs¬ 
sig grobhöckerig. Durch die hellere Farbe der Höcker 
erscheint dieselbe leicht marmorirt. Auf dem Durchschnitte 
erscheint die Leber durchsetzt von zahlreichen, dicht neben 
einander stehenden hirnmarkähnlichen runden kugelförmigen 
Knoten, welche zwischen der Grösse eines Mohnkorns und 
einer Wallnuss schwanken und kaum eine Spur bräunlich 
gefäibten Lebergewebes zwischen sich erkennen lassen. Die 


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Knoten zeigen alle eine hirnmarkähnliche Beschaffenheit, bei 
einzelnen erscheint das Centrum erweicht, fast zerfliesslich, 
stellenweise auch haemorrhagisch. Von einem sog, Krebsnabel 
ist nirgends etwas zu erkennen. Au andern Knoten ist ein 
leichter Stich ins Bräunliche wahrzunehmen. Vielfach hat es 
den Anschein, als ob in der Mitte der Knoten ein Blutgefäss 
belegen ist. 

Die Drüsen der Leberpforte vergrössert, in mehreren der¬ 
selben Einlagerung hirnmarkähnlicher Tumormasse. 

Anat. Diagnose: Multiple celluläre Tumoren der 
Leber mit hochgradiger Vergrösserung der Leber 
und Metas.tasirung der Drüsen der Leberpforte. Ver¬ 
lagerung der Darmeingeweide mit Verticalstellung 
und Vergrössernng des Magens- Venöse Hyperaemie 
und Katarrh des Magendarmtractns, haeinorrhagi - 
sehe Beschaffenheit des Mageninhaltes, Ikterus. 
Multiple Blutaustritte in die Hautdecken und in die 
serösen Häute, Ascites. Milztumor. Hochstand der 
rechten Zwerchfellhälfte, Compression und Atelek¬ 
tase der untern Abschnitte der rechten Lunge. Trü¬ 
bung des Herzens und der Nieren. Lungenoedem. 

Mikroskopischer Befund. Die Knoten der Leber zei¬ 
gen eine deutlich alveoläre Structur. Meist handelt es sich 
liier um kleinere Alveolen, oft auch um grössere, welche mit 
runden und polyedrischen Zellen erfüllt sind, die wiederum 
einen oder mehrere bläschenförmige Kerne mit Keinkörper- 
chen aufweisen. In den peripheren Abschnitten, namentlich 
der grossem Alveolen, zeigen die Zellen eine mehr cylindri- 
sche Form und sind dann pallisadenartig nebeneinander ge¬ 
stellt, ohne jedoch dadurch den Alveolen das typische Aus¬ 
sehen eines Cylinderzellencarcinoms zu verleihen. Bei meh- 
rern Zellen ist das Protoplasma weniger gut gefärbt und ist 
durchsetzt von feinsten Lücken, in denen Fettmolecule gelegen 
haben, die durch die Behandlung der Praeparate mit Alkohol 
extrahirt sind. Diese Zellen erinnern in hohem Grade an 
Leberzellen bei fettiger Degeneration der Leber. Daneben 
begegnet man auch vereinzelten Zellen mit grossem Lücken, 
wie bei Fettinfiltration der Leber. Mag es sich hier nun um 
Fettdegeneration oder Fettinfiltration der Zellen handeln, 

g leichviel, es resultirt daraus eine grosse Aehnlichkeit der 
eschwulstzellen mit Leberzellen, wie wir sie sonst kaum in 
Carcinoinen anderer Organe zu finden pflegen. Die Aehnlichkeit 
der Tumorzellen in uuserm Falle mit Leberzellen wird noch 
dadurch besonders frappant, dass es gelingt in einzelnen 
Geschwulstzellen bräunlich gelbe Pigmenteinschlüsse zu ent¬ 
decken, die sich auch in den ielativ unveränderten Zellen des 
angrenzenden Lebergewebes finden. 

An einigen Alveolen, namentlich den grösseren derselben 
erkennt man in den centralen Abschnitten die Erscheinungen 
einer regressiven Metamorphose, die zu einem feinkörnigen 
mehrfach haemorrhagischen Zerrall der Tumonnasse geführt 
hat. 

Was nun die Abgrenzung der Alveolen, das Geschwulst¬ 
stroma. anbetrifft, so geschieht dieselbe zum grössten Theil 
durch Capillaren, derart, dass man den Eindruck gewinnt, als 
wäre das Lebergewebe direct durch Tumormasse ersetzt, 
stellenweise findet man auch breitere Bindegewebszüge mit 
kleinzelliger Infiltration, welche die Geschw-ulstalveolen von 
einander trennen. Im Allgemeinen tritt jedoch das bindegewe¬ 
bige Gerüst der Neubildung gegenüber den celluläreu Ele¬ 
menten stark in den Hintergrund. In den Bindegewebszügen 
eu: deckt man gelegentlich einzelne Gallengänge, doch schei¬ 
nen dieselben in keinerlei deutlicher Beziehung zu der Ge- 
schwnlstbildung zu stehen. Ich bin weder Stellen be¬ 
gegnet. welche einen unzweifelhaften Uebergang der Gallen- 
gangepithelien in Geschwulstzellen documentirten, noch bin 
ich im Stande gewesen die Bilder aufznfinden, die für 
eine Wucherung der Gallengänge sprechen würden. Auch zu 
den Blutgefässen schien die Geschwulst in keiner topographi¬ 
schen Beziehung zu stehen. 

Was nun die spärlichen Reste von Lebergewebe an betrifft, 
—und man muss nach ihnen suchen—so erscheint dasselbe 
durch Wachsthum6druck der Geschwülste gedehnt und com- 
primirt, die Leberzellen stark verschmälert und mit Pigment¬ 
massen, oder wo der Druck weniger eingewirkt hat. mit 
grösseren Fetttropfen erfüllt. Hier und da begegnet man 
Partien, w'o die Capillaren stark erweitert sind. Stellenweise 
lässt sich ein directer Uebergang der Leberzellen in Ge¬ 
schwulstgewebe verfolgen. Die alveoläre Structur der Ge¬ 
schwülste würde den carcinomatösen Charakter derselben be¬ 
weisen. Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, woraus 
sich die Krebseleraente entwickelt haben. Für einen Zusam¬ 
menhang mit Gallengängen habe ich keine Bilder finden kön¬ 
nen, wohl ist es mir aber gelungen einen Uebergangder Leber¬ 
zellen in Krebszellen w'ahrzunehraen. Daraus könnte hervorge¬ 
hen, dass sich entweder die Leberzellen in Krebsgewebe um- 
ewandelt, oder umgekehrt, das Carcinom auf die Leberzellen 
bergegaugen ist. Jedoch würde die Aehnlichkeit der Ge-' 
schwnlstzellen mit Leberzellen, welche aus dem Einschluss 
von Pigment und Fett in den Krebszellen hervorgeht, in 


hohem Maasse dafür sprechen dass in unserem Falle eine 
directe Entwickelung der Krebszellen aus Leber¬ 
zellen stattgefunden hat. 

Denselben Befund und dieselbe Deutung desselben finden 
wir auch in der oben erwähnten Mittheilung von Harris. 


Referate. 

Oscar Lassar: Die Bäderbehandlung der Ekzeme. 

(Therap. Monat sh. Nr. 5, 1892). 

Edmund Saalfeld: Ueber Bäderbehandlung bei 

Hautkrankheiten. (Ibidem). 

In weit über 10,000 Fällen von Ekzemen wurde von Lassar 
die Bäderbehandlung eingeleitet und durchgeführt und zwar 
mit äus8erst günstigem Erfolge; nicht in einem einzigen Falle 
war es nothwendig gewesen, die Bäder etwa w'egen eingetre¬ 
tener Contraindication ausznsetzen. Sogar die bullösen und 
stark nässenden Ekzeme, von denen man früher gelehrt hat 
jeden Wassertropfen fern zu halten, zeigten nach einigen Bä¬ 
dern einen wesentlichen Fortschritt zur Besserung, indem sie 
zur Anstrocknung inclinirten. Ebenso günstig beeinflusst von 
Wasser wurden das Ekzema rubrum raadidans, impetiginöse 
Krustenausschwitzungen, ferner Prurigo, Pithyriasis, Psoria¬ 
sis, Herpes, Scabies n. and. Selbstverständlich ist es mit dem 
Bade allein nicht gethan. Seine Indicationen beschränken 
sich auf die Beschaffung der Wundreinlichkeit auf die Ent¬ 
fernung sordider und parasitärer Haftungen und Beförde¬ 
rung der Resorption. Ausserdem bedingen die Bäder Linde¬ 
rung der Spannung, des Juckens und der Schmerzen. Alle 
übrigen Erfordernisse der Dermathotherapie müssen neben- 
und hinterher Erfüllung findeu; so wird man unmittelbar nach 
dem Bade je nach den Erfordernissen mit Salben, Pudern, 
Pasten, sogar mit Oelen energisch'vorgeben müssen. Selbst 
während des Bades können Heilmittel zur Anwendung gelan¬ 
gen; so wird z. B. die Theerung während des Bades auch von 
schwer entzündeter Haut vortrefflich vertragen; auch können 
starke Hautreize, wie Chrysarobin und Schälpasten unter 
Wasser ohne jede Gefahr der Irritation aufgetragen werden, 
um sie mit Schluss des Bades wieder zu entfernen. 

Saalfeld wendet ebenfalls Bäder bei Hautkrankheiten an. 
jedoch warnt er vor Uebertreibnngen; nicht bei allen Derma¬ 
tosen können die Bäder Nutzen stiften. Als wesentliche Wir¬ 
kungen des Bades müssen aufgefasst werden: die Enveichung 
der Epidermis und der ihr anflagernden fremden Substanzen 
d. h. sowohl des Schmutzes, als auch der Krankheitsproducte, 
der Schuppen, Borken und Krusten; ferner dient das Bad als 
schützende Hülle bei ausgedehntem Epidermisverlust und Ge¬ 
schwürsbildung. Deshalb werden die Bäder direct indicirt 
sein in denjenigen Fällen, wo wir eine macerirende Wirkung 
beabsichtigen, wo wir eine Verminderung von Infiltraten her- 
vorrufen wollen, wo wir calmirend auf die Haut ein wirken 
wollen. Contraindieirt erscheinen sie aber bei Hautkrankhei¬ 
ten im acut entzündlichen Stadium. Beim chronischen, trocke¬ 
nen, 8peciell infiltrirten Ekzem erzielt die Bäderbehandlung 
sehr gute Erfolge, namentlich bei Zusatz von Alkalien, Sei¬ 
fen, Theer und ähnlichen Mitteln. Manche kranke Haut, 
welche den Theer in Salbenform nicht verträgt, wird durch 
Theerbäder sehr günstig beeinflusst, Verf. weist zum Schluss 
noch auf den schädlichen Einfluss, welchen die Seeluft und 
die Seebäder auf Ekzeme ziweilen ausüben. Aehnliches be¬ 
obachtet man bei Psoriasis und Furunculose; dagegen werden 
die beiden letzteren Hautkrankheiten durch natürliche Schwe¬ 
felbäder günstig beeinflusst. Abel mann. 

II. Baron Krüdener: Beitrag zur pathologischen Ana¬ 
tomie der Arayloidtumoren. (Inaug. Dissert. Dorpat 
1892). 

Seitdem die amyloide Degeneration der Conjunctiva im 
Jahre 1871 von Prof. G. von Oettingen — Dorpat in ihrem 
Wesen erkannt und zuerst beschrieben worden, hat sich die 
Dorpater Schule in hervorragender Weise an dem Studium 
dieser interessanten Form der localen Amyloidose betheiligt 
(Prof. Böttcher, Ryjber, Strömberg, Zwingmann, Prof. 
Rählmann, Kubli). In letzter Zeit haben sich hinsichtlich 
der Histogenese und des Chemismus der Amyloid-Ablagerungen 
einige Widersprüche zwischen den Untersnchungsresultaten 
verschiedener Forscher geltend gemacht und erscheint daher 
eine Neubearbeitung der Frage durchaus zeitgemäss und er¬ 
wünscht. Das Material der Krüdener’schen Untersuchungen 
entstammt der Augenklinik in Dorpat (6 Fälle) und der St. 
Petersburger Augenheilanstalt (2 Fälle). 

Die Grundsnbstanz der Tumoren besteht aus dem adenoiden 
Gewebe der Conjunctiva Die Degeneration beginnt als Trü¬ 
bung des Protoplasma der Lymphzellen mit nachfolgender 
amyloider Entartung des Kerns. Das adenoide Riistgew'ebe 
erkrankt später. Die Degeneration des Oberflächen- und 
Drüsenepithels der Conjungtiva, sowie die Entartung des 


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tarstis sind secundäre Erscheinungen. Von grossem Interesse 
sind die Veränderungen der Gefässe, welche primär in der 
Media Platz greifen, secnndär die Intima in Mitleidenschaft 
ziehen und sich als Bindegewebsneubildung mit Amyloidab¬ 
lagerung; in beiden Gefässhänten manifestiren. Stellenweise 
finden sich in den amyloiden Massen auch normale Gefässe. 
Die Riesenzellen gehören einem späteren Stadium der Dege¬ 
neration an und haben mit der Bildung von Amyloidsub¬ 
stanz nichts zu thun. Die letzten Zerfallsproducte der amy¬ 
loiden Schollen bilden einen Detritus, welcher stellenweise das 
Aussehen von Coccenanhäufungen hat. Transplantationen 
amyloider Massen auf die Conjunctiva von Kaninchen, Hun¬ 
den und Katzen bleiben erfolglos. Auf Agar, Gelatine und 
Blutserum geimpft, bildete der erwähnte Detritus weissliche 
Coccencolonien, welche die Gelatine verflüssigten und sich 
nach Gram und Löffler färben liessen. Einspritzung von 
Reinculturen in’s Auge erzeugte Iridochorioiditis; Injectionen 
in die Conjunctiva und in die V. jugular. waren resultat¬ 
los. Somit erscheint die Frage nach dem Wesen des Fer¬ 
ments, welches die Entstehung der Amyloidsubstanz ver¬ 
mittelt, noch ungelöst. Alex. Natanson. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Arthur Sperling, Berlin: Elektro therapeutische Stu¬ 
dien. (Leipzig, Grieben’8 Verlag. 1892. 112 pag. 2 Mk.). 

Bei den bisher gebräuchlichen Methoden der Elektrisation 
kommen, wie bekannt, im Allgemeinen Stromstärken von 1— 
20 M. A. zur Verwendung und Elektroden von ca. 20—50Qcm. 
In seinen vorliegenden Studien behauptet Sp. «dass ein galva¬ 
nischer Strom von 0,5 M. A. auf eine Elektrodenfläche von 

50 Qcm. vertheilt, also von einer Stromdichte von ~ eine 

unzweifelhafte therapeutische Wirkung auf krankhafte Zu¬ 
stände des Nervensystems ausübe und zwar in so günstigem 
Sinne, dass sich auf dieser Thatsache eine neue Methode des 
Elektrisierens begründen lässt». 

Zur Messung dieser geringen Stromdichten ist das neue 
Hirschmann’sche Horizontalgalvanoraeter mit schwimmendem 
Anker soweit umgeändert, dass die ganze Scala l M. A. an¬ 
zeigt und die directe Ablesung von t/so M. A. möglich ist. 
Dieser minimale Strom, welcher meist nur für 1 Minute, sel¬ 
ten für 2 oder höchstens 3 Min. applicirt wird, soll nun bei 
sehr vielen krankhaften Veränderungen zu Heilzwecken bes¬ 
sere Dienste leisten, wie ein stärkerer Strom und die Störung 
schneller ausgleichen, während die bisher angewandten 
Stromstärken eher schaden als nützen. Es kann demnach 
keinem Zweifel unterliegen, dass Verf. das in der Elektrothe¬ 
rapie bisher unbekannte Princip der homöopathischen Dosen 
einzuführen bestrebt ist. (Nebenbei bemerkt hat Verf. ein¬ 
mal beobachtet, dass ein kleiner Junge, der an einer sehr 
schweren Chorea litt, durch einen Homöopathen in 6 Wochen 
von seinem Leiden befreit wurde!). 

Wenn diese neue Lehre also Anklang finden sollte, würden 
wir in Zukunft zwischen allopathischen und homöopathischen 
Elektrotherapeuten zu untei scheiden haben. Der Arbeit sind 
eine Reihe von Krankengeschichten beigegeben, welche den 
Effect der neuen Methode illustriren sollen. Leider sind sie 
etwas kurz gehalten, so dass der Leser keinen ganz überzeu¬ 
genden Eindruck empfängt. Der nach Vervollkommnung der 
Methoden strebende Practiker wird sich ja wohl das Buchel¬ 
chen zur ev. Nachprüfung ansehen. K a 11 m e y e r. 

Lassar-Cohn: Moderne Chemie. Zwölf Vorträge vor 
Aerzten gehalten. Hamburg und Leipzig. Leopold Voss. 
1891. 

Der geschätzte Verf. gibt in seiner «modernen Chemie» 
einen kurzen Ueberblick über das gesammte chemische Lehr¬ 
gebäude. Es kommt ihm nicht drauf an die ungeheueren 
Mengen chemischer Verbindungen und deren Beziehungen zur 
Technik und Medicin zu schildern, sondern die Gesetzmässig¬ 
keit der chemischen Thatsachen, die Entwicklung der theore¬ 
tischen und praktischen Chemie zur klaren Anschauung zu 
bringen. Ein grosses Verdienst des Verf. ist es, dass er ver¬ 
standen hat, das Interesse seiner Leser bis zum Schlüsse 
wachzuerhalten. Dem anorganischen Theil sind die ersten 3 
Vorträge gewidmet: die übrigen umfassen den organischen 
Theil, hier sind aucn die durch Synthese hergestellten neue¬ 
ren Heilmittel berücksichtigt. Unter den Werken der chemi¬ 
schen Literatur wird Verf.’s «moderne Chemie» wohl gewiss 
einen würdigen Platz einnehmen, und können diese Vorlesun¬ 
gen dem Mediciner zum Studium auf das Wärmste empfohlen 
werden. Abelmann. 

Konrad Port: Ueber die Wirkung des Tuberculinura- 
Kochii bei Lupus. Münchener raed. Abhandlungen. III. 
Reihe 2. Heft. München, Verlag von Lehmann 1892. 

P. theilt die Krankengeschichten von 17 in der Münchener 
chirurgischen Klinik mit Tuberculin behandelten Patienten 


mit. Die Injectionen wurden zum kleinsten Theil zu diagnosti¬ 
schen, meist zn Heilzwecken unternommen. Die in München 
ewonnenen Erfahrungen unterscheiden sich durch nichts von 
em, was man überall sonst gesehen hat. Der therapeutische 
Dauererfolg bei Lupus ist auch in München gleich Null 
gewesen. Wan ach. 


Auszug aus den Protokollen 

des deutschen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. 

Sitzung vom 16. December 1891. 

1) Dr. Tiling zeigt dem Vereine einen Speichelsteiu vor. 
Derselbe stammt von einem Herrn, welchem diesen Sommer in 
Wien während der Mahlzeit plötzlich die rechte Unterkiefer¬ 
drüse aufgeschwollen war, welche Geschwulst jedoch später 
ohne besondere Eingriffe wieder verschwand. Vor Kurzem 
schwoll die Drüse zum zweiten Male an, ohne sich weiter zu 
verkleinern. Dr. T. fand die Gegend der Submaxillardrüse rings 
geschwollen, aber nicht verbacken mit dem Kiefer. Bei Druck 
entleerte sich aus dem Ductus Whartonianus ein Tröpfchen 
Eiter. Bald darauf trat auch ein 3 Cm. langerStein zu Tage, 
welcher aus zwei eng zusammenschliesseuden Theilen besteht, 
die durch ein von beiden Steinen eingeschlossenes Haar zu¬ 
sammengehalten werden. Dr. Amburger hat den Pat. gleich¬ 
falls am Abend vor dem Austritt des Steines gesehen. Es war 
eine recht beträchtliche Eiterabsonderung vorhanden und befand 
sich seitwärts der Zunge eine eigrosse fluctuirende Geschwulst, 
w'ährend sonst Speichelsteine keine grossen Reizerscheinungen 
darzubieten pflegen. Dr. Schmitz bestätigt Letzteres und führt 
als Beispiel eine Dame an, die alle Woche oder alle Monate 
ein Mal mehrere kleine Speichelsteine ohne besondere Be¬ 
schwerden entleerte. Dr. Selenkow demonstrirt gleichfalls 
einen mehr als erbsengrossen Speichelstein, den er durch 
Incision einem Soldaten entfernt hat. Prof. Afanaqjew hat in 
demselben Fäden von Leptothrix buccalis nachgewiesen, die 
wahrscheinlich die Veranlassung zur Concrementbildung abge¬ 
geben haben. 

2. Dr. v. Lingen theilt die Krankengeschichte des Vereins¬ 
mitgliedes Herrn Dr. L... mit. Derselbe erkrankte am Morgen 
des 19. November, nachdem er den Abend vorher noch einer 
Vereinssitzung beigewohnt hatte, mit heftigen Schmerzen rechts 
hinten, jedoch ohne Husten. Dortselbst stellten sich am 4. 
Tage crepitirende Geräusche und am 6. Tage deutliches Bron- 
chialathmen ein, die eine croupöse Pneumonie ausser Zweifel 
stellten. Schon am 2. oder 3. Tage liess sich jedoch ausser¬ 
dem ein recht intensives systolisches Klappengeräusch wahr¬ 
nehmen und am 5. Tage stellte sich sogar em heftiger Schmerz 
in der linken Schulter ein, der anfangs vom Pat. für eine 
Neuralgie angesehen wurde, da derselbe häufig au solchen 
gelitten. Auf seinen dringenden Wunsch wurde dann auch, 
nachdem am 8. Tage das Fieber abzunehmen begann, eine 
Behandlung des Armes mit Elektrisiren eingeleitet. Am 14. 
Tage jedoch hatte sich schon an der linken Schulter eine 
deutliche kuppenartige Geschwulst bei geringer Erhöhung der 
Körpertemperatur ausgebildet und entnahm Dr. Moritz, welcher 
eine Einwanderung von Pneumococcen voraussetzte, derselben 
vermittelst einer sterilisirten Pravaz’schen Spritze ein getrübtes 
seröses Exsudat. Aber erst bei einer am 16. Tage zum zweiten 
Male entnommenen Probe wurden in dem mittlerweile deutlich 
eiterig gewordenen Exsudate unzweifelhafte Fränkel’sche Pneu¬ 
monie — Diplococcen nachgewiesen. Da bei fleberlosem Zustande 
durch Eis Morphium und Compressen gar keine Wirkung 
erzielt worden, so wurde zwei Tage später von Dr. Dom- 
browski zur Operation geschritten und durch eine bis in das 
Schultergelenk reichende Incision etwa 2 Esslöffel voll serös¬ 
eiterigen Exsudates entleert. Wundverlauf ohne Complica- 
tionen, jedoch besteht noch grosse Schwäche. 

Discussion: 

Dr. Moritz macht nochmals auf die Herzgeräusche auf¬ 
merksam, die am 2. oder 3. Tage anftraten, als man die Pneu¬ 
monie noch nicht mit Sicherheit constatiren konnte. Es war 
unbekannt, ob schon vorher solche bestanden hätten. M. hatte 
gleich den Verdacht auf eine pneumonische Endocarditis. Bald 
schwand das Geräusch und es trat nach der unterdessen 
vollständig entwickelten Pneumonie die Gelenkaffection ein, 
welche gleichfalls durch Pneumoniediplococcen hervorgerufen 
zu sein schien, was sich nacher auch bestätigte. Dr. Moritz 
hat schon vorher zwei ähnliche Fälle beobachtet. In dem einen 
Falle aus dem deutschen Alexanderhospitale handelte es sich 
um croupöse Pneumonie mit Endocarditis und Panophthalmitis 
im Gefolge, welche letztere in Vereiterung überging, und mit 
tödtlichera Ansgange. Section nicht gestattet. Fs wurde jedoch 
sofort nach dem Tode mit Pravaz’scher Spritze dem Auge 
Eiter entnommen in welchem Pneumoniediplococcen nachge¬ 
wiesen wurdeu. Im zweiten gemeinsam mit Dr. Tiling beobach¬ 
teten Falle handelte es sich um eine Schwellung am Malleolus, 
welche nach croupöser Pneumonie, die noch recidivirte, zu¬ 
gleich mit ulceröser Endocarditis aufgetreten war. Letztere 


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263 


erwies sich nach der Section von denselben Diplococcen her- 
vorgerufen. 

Dr. Dombrowski hat Osteomyelitiden und auch Gelenk- 
affectionen im Gefolge von cronpöser Pneumonie beobachtet, 
jedoch keine bacteriologi sehen Untersuchungen angestellt. 
Dr. Petersen hat wohl Endocarditiden nach Pneumonie 
gesehen, aber nicht auf Diplococcen untersucht, dagegen in 
einem Falle von Endocarditis ohne Pneumonie solche nach¬ 
gewiesen. 

3. Dr. Kernig spricht über die Schwierigkeiten der Diffe¬ 
rentialdiagnose zwischen Aorten- und Pulmonal¬ 
aneurysmen, falls erstere links vorn an der Thoraxwand 
erscheinen. Die Handbücher bieten hierüber wenig. K. kennt 
3 einschlägige Fälle. Zu einem Herrn wurde er im Sommer 
1889 gebeten, welcher sich bereits im April wegen Heiserkeit 
der Stimme an Herrn Dr. Lunin gewandt hatte, der linker¬ 
seits eine Recnrrenslähmung constatirte und sofort auf Aneu¬ 
rysma fahndete. Im Sommer sah K. bereits Pulsation im ersten 
linken Intercostalraum und stellte die Diagnose auf Aorten¬ 
aneurysma. Ein halbes Jahr später fand sich tine kolossale 
ulsirende Vorwölbung der linken vorderen Brustwand und 
ald darauf starb der Patient. In diesem Falle wurde an der 
Diagnose Aortenaneurysma nicht gezweifelt, wohl aber in dem 
zweiten Falle, welchen Dr. Kernig zum ersten Male am 
Anfang Januar 1891 sah. Einige Wochen hatten Schmerzen 
in der linken vorderen Brustwand bestanden. Ein College hatte 
bereits vorher eine pulsirende Hervorwölbung im zweiten 
linken Intercostalraume zwischen linkem Sternalrande und 
linker Mamillarlinie constatirt. Es bestand keine Recurrens- 
lähmung nnd hat sich auch bis jetzt (Pat. lebt noch) keine 
eingestellt. Die Lage des Spitzenstosses ist vollkommen normal, 
der linke Ventrikel nicht hypertrophisch. Im Januar ging die 
Herzdämpfung auch noch nicht über den rechten Sternalrand 
hinaus, dagegen ist im Laufe der Zeit eine Erweiterung der 
Herzdämpfung nach rechts hin zu Stande gekommen. Dabei 
sind keine Geräusche vorhanden, was jedoch nichts weiter 
besagt. Dagegen sind die Pulmonaltöne, d. h. die Töne auf 
der pulsirenden prominenten Stelle im 2. linken Intercostal¬ 
raume, genau dort, wo man sonst die Pulmonaltöne auskni- 
tirt, äusserst laut, viel lauter als die Aortentöne, welches 
Moment von Quincke als für Pnlmonalaneurysma verdächtig 
geschildert wird. Seit dem Januar ist der Tumor etwas ge¬ 
wachsen und ist jetzt bereits im dritten linken Intercostal¬ 
raum eine geringe Pulsation wahrnehmbar, während eine 
solche im Iugulum noch immer nicht nachweisbar ist. Eine 
Giessener Dissertation von Goldbeck (1868) nrgirt ausdrück¬ 
lich, dass, wenn bei linksseitigem Sitze von Aneurysmen keine 
Pnlsation im Iugulum fühlbar sei, man an Pulraonalaneurysma 
denken müsse, und wäre nach allen angeführten Momenten 
wahrscheinlich, dass in diesem Falle ein solches vorliege, wenn 
dieselben nicht so ausserordentlich selten wären (nach einer 
Statistik von Crisp unter 915 Fällen von Aneurysma nur 4 
Fälle von Pnlmonalaneurysma). Der weitere Verlauf der Krank¬ 
heit wird wohl die Zweifel lösen. — Ein dritter Fall bot im 
Anfänge wenigstens ähnliche Zweifel. Im März 1891 trat eine 
40jährige Frau ins Obuchow- Hospital ein mit einer pulsirenden 
Vortreibung im 2. und 3. linken Intercostalraum ohne Iugu- 
larpulsation, ohne Recnrrenslähmung. welche schmerzhafte 
Geschwulst in Mai 1890 bald nach Schlägen, die sie von ihrem 
Manne auf die linke Brusthälfte erhalten hatte, aufgetreten 
sei. Herzstoss im 5. Intercostalraum IV* Fingerbreit nach links 
über die Mamillarlinie hinausgerückt, dabei aber kein Verspäten 
der ßadiaipnise, deren Frequenz 88—92 beträgt. Während des 
ersten 20tägigen Hospitalautenthaltes kein Fieber. Zum zweiten 
Male trat die Pat. am 30. September ins Hospital ein. Es 
pnlsirte jetzt schon die ganze linke vordere obere Thorax¬ 
gegend bis zur mittleren linken Axillarlinie. Auch jetzt noch 
keine Recurrenslähmung, keine Pulsation im Iugulum, jedoch 
deutliche Verspätung der Radialpnlse und auffallende Verklei¬ 
nerung des linken Carotispnlses. Fieber trat erst 2 Monate 
vor dem am 10. December erfolgten Tode ein. Unterdessen 
nahm eine Dämpfung der linken Lunge, welche beim ersten 
Hospitala'nfenthalte gar nicht, beim zweiten Eintritt nur in 
geringerem Grade beobachtet worden, immer mehr zu. Da der 
Pectoralfremitus fehlte, so dachte man an Pleuritis, die Spritze 
ergab jedoch kein Exsudat. Dazwischen trat Wechsel der In¬ 
tensität der Dämpfung ein, offenbar durch verschieden starke 
Verlegung des Bronchus, entweder durch Druck von Seiten 
des Aneurysma oder durch Secretansammlung bedingt. Die 
Section ergab käsige Pneumonie mit vereinzelten Tuberkel¬ 
bacillen und ein Aortenaneurysma von der Grösse ca. eines 
Kindskopfes, in welches die Aorta ascendens und der Arcus 
Aortae ganz aufgegangen sind und welches mit einer ring¬ 
förmigen Oeffnung in die descendens übergeht, wie es mit 
einer ringförmigen Oeffnung dicht über den Aortenklappen 
beginnt. Anonyma und Carotis sinistra entspringen aus aem 
Sacke selbst, die Subclavia sinistra ans dem Uebergangsrande. 
Der linke Bronchus und noch mehr die Art. pulmonalis vom 
colossal grossen Sacke beträchtlich komprimirt. Demonstration 
des Präparates. 


4. I)r. Kernig theilt. Zahlenangaben über die Influ¬ 
enza seit dem Beginne des Jahres bis zuin 1. December 1891 
aus dem weiblichen Obnchowhospitale mit. Aus denselben ist 
ersichtlich, dass die diesjährige Epidemie nicht im Herbste, 
wie vielfach angenommen wird, sondern bereits im Juni (nnd 
zwar ungefähr seit dem 10. Juni) begonnen hat. Es traten 
ins weibliche Hospital ein im Januar 23, Februar 13, März 7, 
April 5, Mai 12, Juni 70, Juli 47, August 19. September 22, 
October 63, November 64. im Ganzen in 11 Monaten 345 Influ¬ 
enzafälle. In 67 Fällen bestand Catarrhalpnenmonie, was fast 
20 pCt. beträgt. Diese Ziffer dürfte, auf den Durchschnitt aller 
Influenzafälle iu der Stadt berechnet, wahrscheinlich zu hoch 
sein, da doch meist die schwereren Fälleins Hospital kommen. 
Von den 345 Patientinnen starben 13 Personen, was einer 
Sterblichkeit von 3,77 pCt. gleich kommt. Wenn man aber die 
Fälle von Catarrhalpnenmonie für sich nimmt, so erhält man 
eine Mortalität von 16.3 pCt. Von anderen Complicationen 
wären in 4 Fällen Otitis und in einigen Fällen Gelenkrheu¬ 
matismus zu erwähnen. In einem Falle war nach Influenza 
eine deutliche Polynenritis mit dem Bilde der Landry’schen 
Spinalparalyse aufgetreten. Hochgradige Parese der Beine, 
die Arme weniger paretisch, die Halsmuskel wieder so pare- 
tisch, dass Pat. den Kopf nicht fixiren konnte, welcher beim 
Aufsetzen derselben willenlos auf die Brust sank. Dabei die 
grossen Nervenstämme ganz auffallend empfindlich. Die Sec¬ 
tion ergab eine starke Injection der letzteren, während das 
Rückenmark nur etwas hyperämisch war. die Contouren der 
grauen Substanz gegen die weisse dagegen verwischt. Hierbei 
muss erwähnt werden, dass Pat. in den letzten Tagen Strych¬ 
ninin jectionen erhalten hatte. Unter den von Dr. Kernig mit- 
etheilten Fällen von Influenza war das Alter von 21 bis 25 
aliren am meisten vertreten. Es fehlen noch sämmtliche Fälle, 
wo croupöse Pneumonie zu Influenza hinzngetreten nnd ferner 
die anderen Hospitalpatienten, welche erst im Hospitale die 
Influenza acquinrten. 

D. z. Director: Dr. v. Lin gen. 

Secretär: Dr. Jalan de la Croix. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

Bei Verbrennungen 2. und 3. Grades empfiehlt Siebei 
eine Enrophensalbe: Europheni 3.0 01 Olivarum 7,0, Va- 
selini 60.0, Lanolini 30,0. Namentlich war die starke Secre- 
tionsverminderung auffallend, so dass der Verband 3—4 Tage 
liegen konnte; ferner wirkt die Salbe schmerzlindernd. Die 
Resultate sind besser, als die mit dem Jodoform erzielten, ins¬ 
besondere fällt der entsetzliche Geruch weg, auch sind Ver- 
giftnngserscheinungen nicht zu befürchten. 

(Berlin, klin. Wochschr. Nr. 8. 1892). 

— Kraismann wendet bei Pertussis folgende 3 Mittel an: 

Resorcin, Antipyrio und Naphtalin. Die ersten beiden 
Substanzen werden zusammen verordnet, etwa: Antipyrini 3,0, 
Resorcini 1,0, Aquae destillat. 100,0, Aq. Menthae 10,0. Das 
Naphtalin wird nur in Form von Dämpfen zur Inhalation 
verwandt. Man bringt einen Teller mit 15,0 Naphtalin auf 
einen mit glühenden Kohlen gefüllten gusseisernen Topf. Die 
Substanz beginnt bei 75° zu schmelzen und füllt das Zimmer 
des Kranken mit aromatischen Dämpfen an. Man soll ja 
nicht das Naphtalin verbrennen, denn aabei entstehen ätzende 
Dämpfe die grade das Gegentheil bewirken können d. h. die 
Anfälle verstärken. (Medicinskoje Obosrenje Nr. 6), 

— Stein behandelt seine Diphtheriekranken folgender- 
raaassen: 3 Mal täglich lässt er mit Kalkwasser gurgeln und 
bläst dann mit dem von Burghardt beschriebenen (Therap. 
Monatsh. 1890, p. 199) Pulverisateur das aus einer Mischung 
von gleichen Theilen Flor, sulfuris lot. und Chinin beste¬ 
hende Pulver gegen die Beläge des Rachens. Seine Resultate 
sind sehr zufriedenstellend. (Therap. Monatsh. April 1892). 

— H. Löwenthal behandelte 35 Choreafälle mit Exal¬ 
gin (3 Mal täglich 0.2). Die Wirkung war im Allgemeinen 
eine befriedigende und entsprach der Schwere der Fälle. 
Leichte sowie frühzeitig zur Behandlung gelangte Fälle 
heilten leicht (bei 2 Knaben Heilung schon in 8 Tagen), 
schwere erforderten oft längere Zeit. Im Durchschnitt be¬ 
trug die Heilungsdauer 5—6 Wochen, Besserung trat aber 
schon nach dem 25.—30. Pulver ein. 

(Berlin, klin. Wochschr. Nr. 5, 1892). 

Vermischtes. 

— Der Präsident des Medicinalraths und Chef der militär- 
medicinischen Academie, Academiker wirkl. Staatsrath Dr. 
Paschutin, hat sich vor einigen Tagen auf Urlaub in’s 
Ausland begeben. In seiner Eigenschaft als Chef der Acade¬ 
mie wird er von Prof. N. P. Iwanowski vertreten werden. 

— Wie verlautet, ist der ältere Stadt- und Gerichtsarzt 
von Charkow und zugleich Privatdocent der dortigen Univer¬ 
sität Dr. Emil Bellin, welcher bekanntlich von der Confe- 
renz der militär-medicinischen Academie zum Professor der 


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264 


gerichtlichen Medicin an Stelle des Prof. Ssorokin gewählt 
worde, in diesem Amte nicht bestätigt worden. Statt seiner 
soll der gegenwärtige Professor der pathologischen Anatomie 
Dr. N. P. lwanowski auf den Lehrstahl der gerichtlichen 
Medicin übergeführt werden und an dessen Stelle Professor 
K. N. Winogradow aus Tomsk auf den Lehrstuhl der pa¬ 
thologischen Anatomie an der Academie berufen werden. 

— Der Oberarzt des St. Petersburger Marinehospitals, 
wirkl. Staatsrath Dr. Kwizinski, ist wegen Krankheit mit 
Uniform verabschiedet worden, unter gleichzeitiger Beförde¬ 
rung zum Geheimrath für Auszeichnung im Dienste. 

— Der bisherige stellvertretende Dirigirende des Civil-Me- 
dicinalwesens im Kaukasus, wirkl. Staatsrath Dr. Plato 
Glawazki, ist in diesen Amte bestätigt worden. 

— Ernannt: Die ausserordentlichen Professoren der Gy¬ 
näkologie und Geburtshfilfe an der Kasanschen Universität, 
Staatsrath Dr. Fenomenow. der alige ' einen Päthologie an 
der Universität Tomsk, Dr. ßeprew, — zu ordentlichen Pro¬ 
fessoren auf die von ihnen eingenommenen Lehrstühlen. 

— Uebergeführt: der ordentliche Professor der operati- 
ven Chirurgie und topographischen Anatomie an .der Univer¬ 
sität Warschau, Staatsrath Dr. Tauber — in derselben 
Eigenschaft auf den Lehrstuhl der chirurgischen Hospital¬ 
klinik an derselben Universität. 

— Verstorben: 1) Am 6. Juni in Warschau der ehemalige 
Insnector der Odessaschen MedicinalVerwaltung, wirkl. Staats- 
rath Dr. Friedrich Ludw. Thuran, nach längerer Krank¬ 
heit im 86. Lebensjahre. Der Dahingescliiedene stammte aus 
Livland und hatte seine medicinische Ausbildung auf der 
Universität Dorpat erhalten, wo er von 1826—1834 studirte 
und im Jahre 1837 die Doctorwürde erlangte. Th. war an¬ 
fangs älterer Arzt bei den Anstalten des Collegiums der all¬ 
gemeinen Fürsorge und zugleich Arzt an der adeligen Pen¬ 
sion dos Gymnasiums in Kursk, hierauf Medicinalinspector in 
Odessa bis zum Jahre 1880. wo er wegen zunehmenden Alters 
seinen Abschied nahm. 2) Der Landschaftsarzt des Feodosia’ 
sehen Kreises N. N. Donzow am Flecktyphus. 3) In Char- 
• W o£ er dortige freiprakticirende Arzt Th. A. Pissarewski 
nn 39. Lebenswahre. 4) Am 5. Juli n. St. in Marburg der 
Senior der dortigen medic. Facultät, Prof. Dr. Hermann 
Nasse, im 89. Lebensjahre. Im J. 1829 wurde der Verstor¬ 
bene iu Bonn zum Doctor med. promovirt und war dann As- 
8i8tent an der dortigen chirurgischen Klinik, bis er im Jahre 
1837 als Professor der Physiologie, Pathologie und theoreti¬ 
schen Veterinärkunde nach Marburg berufen wurde. Von die¬ 
sen Lehrfächern legte er die beiden letzteren in späteren 
Jahren nieder. 1879 ging auch die Leitnngidefc physiolog. 
Laboratoriums auf Prof. Kuelz über. 5) In London der 
Prof, der Pathologie Sir William Aitkens im, 67. Lebens¬ 
jahre. 

— Im Kreise Bogorodizk (Gouv. Tula) waren die Land- 

schaftsärzte Darkschewitsch und Nikolski, sowie von 
den 8 Studenten der mil.-med. Academie, welche dort als Sa- 
mta i? e i zwe * ~ Okunew und Filiptschenko — 

am Flecktyphus erkrankt, glücklicherweise aber bereits gene¬ 
sen. In dem von Ssibirjakow ausgerüsteten Sanitätsdetache- 
ment, welches zur Hülfeleistung nach Tjumen geschickt wurde, 
sind ebenfalls zwei Studenten der Akademie — Kirchner 
und Huk men —- am Flecktyphus erkrankt. 

— In der weiblichen Abtheilung des hiesigen städ¬ 
tischen Obuchowho8pital8 fand am 29 Juni dje Enthül¬ 
lung des von der Stadtverwaltung errich teten Denk¬ 
mals für den Kaiser Nikolai I, den Gründer dieser Ab¬ 
theilung statt. Das Denkmal besteht aus einer Büste des Kaisers 
aus weissem Marmor, welche in einer Nische der nnteren Gal- 
lene des Hospitals aufgestellt ist. Das Piedestal (aus grauem 
Marmor) enthält die Inschrift: «Auf Befehl Kaiser Nikolai’s I 
wurde das weibliche Obuchowhospital am 10. März 1835 ge¬ 
gründet und am 29. Jnni 1840 erüffnet. Errichtet von aer 
städtischen Communalverwaltung zum Andenken an das 50- 
jährige Bestehen des weiblichen Obuchowliospitals». 

~ Die ^hl der Doctorpromotionen bei der militär-me- 
loniJm c ^ en Academie war im verflossenen Lehrjahre 
1891/92 eine besonders grosse. Während die Prmnotionen in 
früheren Jahren fast nie die Zahl 100 überstiegen, betrugen 
sie in diesem Jahre 115. Ausserdem kamen zwei Magister- 
promotionen von Pharmacenten vor. 

— Am 24. Juni wurde die neuerbaute Klinik für Gei¬ 
steskrankheiten bei militär-medicinischen Academie 
ein ge weiht. Das neue Gebäude dieser Klinik, welches allen 
Anforderungen der Wissenschaft entsprechend eingerichtet 
ist, enthält 100 Krankenbetten (70 für Männer und 30 für 
Frauen) und ausserdem die Wohnungen für den klinischen 
Director, 3 Aerzte, den Inspector, 10 Aufseher und Aufsehe- 
rin n en, Feldscher und Felascherinnen und 100 Bedienstete. 
Die Klinik liegt in der Nähe der anderen Gebäude der Acade¬ 
mie und mitten in einem grossen Garten. Die Baukosten ha¬ 
ben gegen 900000 Rbl. betragen. 

— Das Nishni-Nowgorod’sche Gouvernements-Wohlthätig- 


keits-Corait6 hat der Familie des Moskauer Arztes D r. 
W. N. Rosanow, welcher als Chef des in den Lukojanow - - 
sclien Kreis zur Bekämpfung der Typhusepidemie gesandten 
Sanitätsdetachements am Flecktyphus erkrankte und starb, 
eine einmalige Unterstützung im Betrage von 500 Rbl. 
bewilligt. 

— Das St. Petersburger Stadtarat ist bei der Stadtdiima 
mit dem Vorschläge eingekommen, der Castellanin des Marien- 
Magdalenen-Hospitals, E. F. Kosmatschewa, welche fast 
32 Jahre in diesem Amte gedient hat, eine jährliche Pen¬ 
sion von 168 Rbl. zu bewilligen. 

— Eine Frau Owssjaukina hat der St. Petersburger Stadt¬ 
verwaltung ein Capital von 11,350 Rbl. vermacht, dessen Zinsen 
alljährlich vor Ostern zu Gratificationen für die Kranken¬ 
pflegerinnen im hiesigen Irrenhospital «Alle Leidtragenden» 
an der Peterhofer Chaussee verwandt werden sollen. 

— Das Medicinaldepartement fordert, in Folge der bei 
ihm seitens der Gouverneure, Landschaftsverwaltungen und 
Dampfschiff-Compagnien eingelaufenen Bitten um üebersen- 
dung von Aerzten, Studenten der Medicin und Feld¬ 
schern zur Verstärkung des sanitätsärztlichen Per¬ 
sonals, diejenigen der bezeichnten Personen auf, welche 
sich zu besagtem Zweck abkommandiren lassen wollen, sich 
im Medicinaldepartement (TeaTpa.’ii.HaH yjrana) von 10 bis 6 
Uhr entweder persönlich oder schriftlich mit ihren Docnmen- 
ten oder beglaubigten Copien derselben zu melden. 

— In Baku ist eine Abtheilung von Studenten der Medicin 
eingetroften. welche als Sanitäre in’s transkaspische Gebiet 
weiter befördert werden. 

— Aus Baku, Ssaratow und Ssamara sollen bei sämmtlichen 
rassischen Universitäten Aufforderungen an die Medicinstudi- 
renden zum Eintritt in den Sanitätsdienst für die Zeit der 
Choleraepidemie ergangen sein. Die Remuneration ist auf 
150 Rbl. monatlich festgesetzt. 

— Die Cholera herrscht in ungeschwächter Weise in den 
von uns iu den früheren Berichten erwähnten Gegenden, am 
heftigsten in Baku und in Astrachan, wo am 28. Juni 
bereits 198 Kranke in die Hospitäler gebracht wurden, 81 
starben und nur 6 genasen. In letzterer Stadt haben die zur 
Bekämpfung der Epidemie ergriffenen nothwendigen Maass¬ 
regeln sogar arge Unordnungen unter der Arbeiterbevölkernng 
hervorgerufen, welche das Hospitalpersonal misshandelte, die 
Kranken und Leichen ans den Hospitälern schleppte und das 
Hospital selbst in Brand steckte, sodass behufs Wiederher¬ 
stellung der Ordnung zur Waffengewalt gegriffen werden 
musste. Ein Feldscher soll verbrannt worden und ein Bürger 
den erhaltenen Verletzungen erlegen sein. Ebensolche Aus¬ 
schreitungen des Pöbels sind am 28. Juni in Ssaratow vorge¬ 
kommen. Unter dem Einfluss des Gerüchts, dass die Aerzte 
der örtlichen Hospitäler Lebende beerdigen lassen, hat ein 
Pöbelhaufe das Hospitalpersonal nnd Privatleute uemisshandelt. 
die Wohnungen des Polizeimeisters und mehrerer Aerzte, sowie 
das temporäre Cholerahospital geplündert und aus letzterem 17 
Kranke herausgeschleppt. Erst durch die aus dem Lager re- 
quirirten Truppen, welche von ihren Schiesswaffen Gebrauch 
machen mnssten, wurde den Ausschreitungen ein Ziel gesetzt. 
Aus Baku ist in den letzten 2 Wochen die Hälfte der Bevöl¬ 
kerung (ca. 44,000 Menschen) mit der transkaukasischen Bahn 
abgereist. Zu den früher genannten von der Seuche heimge¬ 
suchten Städten ist seit ca. 8 Tagen noch die Stadt Ssamara 
hinzugekommen, in welcher am 29. Juni 32 Neuerkrankungen 
an der Cholera vorkamen, 10 genasen, 8 starben und noch 68 
Kranke verblieben. 

Erfreulicher Weise werden jetzt sowohl von den Regierungs¬ 
organen als auch von den Communalverwaltungen unter Mit¬ 
wirkung der Aerzte in den noch nicht von der Senche heim¬ 
gesuchten Ortschaften die strengsten Präventivmaassregeln 
in Ausführung gebracht. Nach Nishni-Nowgorod, welches wegen 
der nahe bevorstehenden Messe ganz besonders Grund zu Be¬ 
fürchtungen giebt, dass die Cholera dorthin eingeschleppt und 
von dort weiter verbreitet werde, ist Prof. v. Anrep abdele- 
girt worden, um dort die nötliigen Maassregeln durchzurühren. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhosni- 
tälern St. Petersburgs betrug am 28. Juni d. J. 5459 
(70 weniger als in der Vorwoche), darunter 328 Typhus — 
(2 mehr), 594 Syphilis — (18 mehr), 30 Scharlach — (1 weniger). 
13 Diphtherie — (4 weniger), 85 Masern — (6 mehr) und 
12 Pockenkranke (1 mehr als in der Vorwoche). 


Die Bibliothek des Vereins St. Petersburger 
Aerzte wird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 
Dienstag und Freitag von 4—6 Uhr und am Mittwoch im 
Laufe des ganzen Tages. 


Bad Kissingen: Angewendet bei chron. Magen- und Darm¬ 
katarrh, habitueller Stnhlverstopfung, chron. Katarrh der 
Gallenwege und Nierenbecken, chron. Blasenkatarrh, Leber- 
nnd Milzschwellung, Haemorrlioiden, chron. Entzündungspro- 
ducten (Exsudate), Fettleibigkeit, Gicht, Rheumatismus, Bleich- 


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265 


sucht, Scrophulose, Bhachitis, Hautkrankheiten, chron. Erkran¬ 
kungen der Respirationsovgaue. durch Herzklappenfeliler und 
Fettherz veranlassten Kreislaufstörungen, Frauenkrankheiten, 
Erkrankungen des Nervensystems, Folgekrankheiten der 
Influenza. 

Ichthyol wird mit Erfolg angewandt bei Frauenleiden und 
Chlorose, bei Krankheiten der Haut, der Verdauungs- und 
Circulations-Organe, bei Hals- und Nasen-Leiden, sowie bei 
entzündlichen und rheumatischen Affectionen aller Art, tlieils 
in Folge seiner durch experimentelle und klinische Beobach 
tnngen erwiesenen reducirendep, sedativen und antiparasitären 
Eigenschaften, anderntheils durch seine die Resorption beför¬ 
dernden und den Stoffwechsel steigernden Wirkungen. 

ßiliner Sauerbrunn! Altbewährte Heilquelle für Nieren-, 
Blasen- und Magenleiden, Gicht, Bronchialkatarrh, Hämorrhoi¬ 


den, etc. Pastilles de Bilin (Verdanungszeltchen). Vorzüg¬ 
liches Mittel bei Sodbrennen, Magenkatarrhen, Verdauungs¬ 
störungen überhaupt. 

Schering’s Pepsin-Essenz. Verdauungsbeschwerden, 
Trägheit der Verdauung, Sodbrennen, Magenverschleimung, 
die Folgen von Unmässigkeit im Essen und Trinken werden 
durch diesen angenehm schmeckenden Wein binnen kurzer 
Zeit beseitigt. 

Saxlehners Bitterwasser Huniadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Pnrgativ durch folgende Vorzüge aus: Prompte und sichere Wir¬ 
kung; milder Geschmack; geringe Dosis; auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stuhlverstopfung; Leberleiden; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 


ANNONCEN JEDER ART werden in der Buchhandlung von CARL RICKER in 

St. Petersburg, Newsky-Pr. 14, sowie in allen in- und ausländ. Annoncen-Comptoiren angenommen. 


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Neue Folge IX. Jahrg. 


XVII. JAHRGANG. 


ST. PETIHSBIIRGEII 


UEDimilSClE WOGEENSCHEIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Mediciuisclie Wochenschrift» erscheiut jeden 
Sonnabend. — Der Abonnementspreis ist in Busslandb Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postziistelluug; in den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Inaertionepreifl 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pl’eiin.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Origiualartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. ] 


SV* Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet mau ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bioker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect Jä 14, zu richten. — Mannscripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Liteiny Prospect, 55, Qu. 13 zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


N 28 


St. Petersburg, 11. (23.) Juli 


1892 


Inhalt : Paul Klemm: Zwei Fälle von Pied tabetique. — M. Braun: Bothryocephalns-Finnen in Hechten des St. Pe¬ 
tersburger Fischmarktes. — Referate: Prof. Nothnagel: Ueber eine eigenthümliche pernieiöse Knochenerkrankung (Lvm- 
nhadenia ossiurn). — E. Gerdes: Ueber den Eklampsiebacillus und seine Beziehungen zur Pathogenese der puerperalen Ek¬ 
lampsie. — Bticheranzeigen lind Besprechungen: M. Bresgen: Krankheits- und Behandlungslehre der Nasen-, Mund- 
und Rachenhöhle, sowie des Kehlkopfes und der Luftröhre. — Auszug aus den Protokollen des deutschen ärztl. Ver¬ 
eins zu St. Petersburg. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — 
Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Zwei Fälle von Pied tabdtique. 

Von 

Dr. med. Paul Klemm. 

Assistenzarzt der Chirurg. Abtheil, des Stadt-Krankenhauses 
zu Riga. 


Viel ist seit den ersten Mittheilungen Charcot’s und 
seiner Schüler über die Arthropathien und Trophoneu- 
rosen der Tabiker gesprochen und gesclirieben worden. 
Innere Kliniker und Chirurgen haben mit gleichem Fleiss 
versucht, das Dunkel zu erhellen, in welches jene Pro- 
cesse eingehüllt sind. Viel ist darüber gestritten worden, ob 
die im Gefolge der Tabes dorsalis auftretenden Gelenk- 
und Knochenleiden in einem ursächlichen Zusammenhang 
zu der Erkrankung des Rückenmarks ständen, oder ob 
sie, als zufälliges Zusammentreffen, mit jener vereint auf- 
treten. Diese Frage darf jetzt als eine entschiedene an¬ 
gesehen werden, denn wir kennen ja nun schon eine 
ganze Reihe von Affectionen des Centralnervensystems, 
die mit verschiedenartigen nutritiven Störungen der man¬ 
nigfachsten Körpergewebe verknüpft sind: der Haut 
nebst ihren Anhangsgebilden, den Haaren, Zähnen und 
Nägeln, der Knochen und Gelenke, der peripheren Nerven 
und anderer. Als solche Krankheiten sind bekannt: die 
Tabes dorsalis, die Syringomyelie, die Myelitis, Pachy- 
meningitis medullae spinalis, progressive Paralyse, eine 
ganze Anzahl von Psychosen u. s. w. 

Ich erlaube mir nun zunächst über zwei Fälle von 
Ernährungsstörung im Gebiete des Tarsus nebst Brüchig¬ 
keit der Unterschenkelknochen im Anschluss an Tabes 
zu berichten, die in der chirurgischen Abtheilung des 
hiesigen Stadt-Krankenhauses zur Beobachtung gelangten. 
Dem dirigirenden Arzte derselben, meinem verehrten 
Chef Herrn Dr. A. von Bergmann danke ich die freund¬ 
liche Erlaubnis zur Publicatiou der Fälle. 

Nr. I. Feodor Iwanow 50a. n. hat als Soldat vor 20 Jahren 
Lues gehabt. Damals hat er eine Schmierkur dnrchgemacht und 
seitdem keine Recidive bemerkt. 


Vor 8 Jahren glitt Pat. auf der Strasse ans undbracn ich 
den linken Unterschenkel im unteren Drittel. Ohne bedeuten¬ 
dere Schmerzen zu empfinden ging Pat. nach Hause und legte 
sich selbst einen Schienenverband an. Nach 5 Wochen war die 
Fractur so gut geheilt, dass Pat. seiner Beschäftigung nach¬ 
gehen konnte. 

Vor 8 Wochen hat Pat. den linken Unterschenkel abermals 
Ihr unteren Drittel, beim Ansgleiten und Fall auf der Strasse, 
gebrochen. Ohne Schmerzen zu empfinden ging er nach Hanse. 
Am nächsten Tage stellte sich aber Schmerzhaftigkeit und 
starke Schwellung des linken Unterschenkels ein, die den Pat. 
nöthigten, sich in's Krankenhaus aufnehmen zu lassen; hier 
wurde eine linkseitijfe Unterschenkelfractur im unteren Drittel 
diagnosticirt und ein Pappschienenverband mit Kleisterbindeu 
applicirt. 

Nach 4 Wochen war die Fractur geheilt und es fiel allge¬ 
mein auf, wie flott Pat. ging;, ohne Schmerz zo äussern. 

Status praesens: Pat. ist inittelgross, von reducirtem 
Ernährungszustand und gracilera Knochenbau; der Gesichts¬ 
ausdruck ist ein leidender. 

Am Körper finden sich keine verdächtigen Narben, keine 
Drüsenschwellungen. Der Umfang des rechten Unterschenkels 
beträgt in der Mitte 28 Ctm., der des linken 30 Ctm. der 
Umfang im unteren Drittel rechts 21 Ctm.. links 23,5 Ctm. 
über dem Sprunggelenk rechts 33 Ctm., links 37,5 Ctm., an der 
Basis der Malleolen rechts 26 Ctm., links 33,5 Ctm. 

Der linke Fnss misst, an der Planta pedis gemessen, 22 Ctm. 
in der Länge, der rechte 24 Ctm. 

Der linke Fuss erscheint verkürzt, die Fusswurzel verdickt. 
Besonders ist die Partie um den Malleol. int. stark vorge¬ 
wölbt. Der vordere Abschnitt des Fusses ist nach aussen ab- 

S eknickt und zwar so, dass die Stelle der Knickung der Spitze 
es Malleol. ext. entspricht. Die Linie des äusseren h uss- 
randes bildet einen nach aussen offenen Winkel, dessen 
Scheitel am Malleol ext. liegt. Hier lässt sich auch patholo¬ 
gische Beweglichkeit im Sinne der angedeuteten Abknickung 
nachweisen. Es besteht links Plattfuss. Etwa 10 Ctm. ober¬ 
halb der Insertion der Tendo Achillis am Calcaneus befindet 
sich in der Sehne eine 4 Ctm. hohe, 2 Ctm. breite Knochen¬ 
platte. 

Bewegungen im oberen und unteren Spruuggelenk sind bei 
excessiver Excursion empfindlich. Ein Krachen ist nicht zn 
spüren. 

Pat. zeigt die deutlichen Symptome der Tabes dorsalis: 
Starkes Schwanken im Stehen mit geschlossenen Augen, 
Fehlen der Patellarreflexe^ reflectorische Pupillenstarre und 
Herabsetzung der Sensibilität. 

Auch der Muskelsinn ist beeinträchtigt. Pat. ist bei geschlos¬ 
senen Augen sich über die gegenseitige Lage seiner Glieder 
zu einander nicht völlig klar. 


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268 


Ataktischer Gang bestellt nicht, ebenso keine Atrophie der 
Papilla nervi optici. 

Wir können in vorliegendem Falle eine gewisse Ano¬ 
malie im Aussehen und der Beschaffenheit der Fusswurzel 
erkennen, die schon Charcot und Fe re ') als pied 
tabötique beschrieben haben. 

Es handelt sich nach diesen beiden Autoren um Diffor- 
mitäten im Gebiete der Fusswurzel und des Mittelfusses, 
die in typischer Weise auftreten. Sie bestehen in Ab¬ 
flachung der Fusssohle und winkligen Knickungen des 
Fusses, welche an der Innenseite oder dem Rücken des¬ 
selben vorspringen. 

Bayer '-) theilte einen Fall von pied tab6tique mit, 
der von besonderem Interesse ist, da er später zur 
Section gelangte. 

Der Calcaneus trug unter dem Malleol. ext. einen un¬ 
regelmässigen, winkligen Vorsprung. Die vordere Fläche 
des Talus, Calcaneus und Os scaphoideum war verdickt, 
jedoch nicht verwachsen. Das Os cuboideum war mit 
den 3 Keilbeinen verwachsen und zeigte, besonders an 
der Gelenklinie und am Dorsum Knochenauflagerungen. 

Eine grosse Aehnlichkeit zwischen unserem oben ge¬ 
schilderten Fall und dem Bayer’s ist nicht zu verkennen, 
ln letzterem machte der Fuss eine nach aussen geöff¬ 
nete Abknickung, während in dem unsrigen der Scheitel 
des Knickungswinkels am Malleol. ext. lag. 

Im grossen Ganzen macht die vorliegende Abnormität 
des Fusses den Eindruck der Arthritis deformans. Als 
abweichend von diesem Krankheitsbilde erscheint vielleicht 
die Knocheneinlagerung der Tendo Achillis. 

Schon v. Volkmann richtete die Aufmerksamkeit der 
Beobachter auf das Auftreten extracapsulärer Osteophyten 
und Verknucherungsprocesse, die sich innerhalb der dem 
erkrankten Gelenk benachbarten Muskeln, Sehnen und 
Fascien abspielten. Er sah mit Kredel '•') den Grund 
dieser Erscheinung in Fracturen der Gelenke oder des 
Schaftes in der Nähe derselben, besonders bei unzurei¬ 
chender Immobilisirung der Bruclienden. Versprengt^ 
Knochentheilchen sollten als Ausgangspunkt solcher iso- 
lirter Knochenneubildungen dienen. 

Unser Pat. hatte denn auch thatsächlich 2 Mal einen 
Bruch der Tibia erlitten; das erste Mal hatte er sich 
selbst geschient und auch späterhin keinen sachverstän¬ 
digen Beistand requirirt. 

Man könnte andrerseits aber auch daran denken, diesen 
eigenthümlichen Process mit der gesammten Ernährungs¬ 
störung, die sich an den Knochen und Gelenken abspielt, 
in Zusammenhang zu bringen. Es ist jedenfalls auffallend, 
dass man bei Gelenkfracturen nicht neuropathischer Indi¬ 
viduen, wo sonst ganz analoge Verhältnisse vorliegen, 
derartige Verknöcherungen der Muskeln, Sehnen und 
Fascien nicht findet. Im Uebrigen unterscheiden sich die 
Brüche Gesunder von denen Nervenkranker weder hin¬ 
sichtlich des Verlaufs noch der Consolidation. Letztere 
erfolgt meist prompt, ja gelegentlich sogar früher, als bei 
nicht neuropathischen Patienten. 

Vielleicht haben wir in jenen eigenthümlichen Kno¬ 
cheneinlagerungen etwas Aehnliches, wie bei der Myo¬ 
sitis ossil'icans. progressiva, die sich als inter- 
musculäre Exostosenbildung charakterisirt und von man¬ 
chen Autoren als trophoneurotischen Ursprungs gedeutet 
wird *). Jedenfalls passen diese regellosen Knochenwuclie- 
ruiigeu völlig in den Rahmen der Symptome, wie sie 
sich bei den arthritischen Veränderungen auf neurotischer 
Grundlage präsentiren. 

') Affections osseuses et articwlaires du pied chez les tabe 
tiques. Prog. med. 1883. Nr. 31. 

Pied tab6tique. Revue de med. 1884. 

*) Arthropathien und Spontanfractmen bei Tabes. Sanunl. 
kl. Vortr. Nr. 309. 

4 ) Schwartz. Myositis ossif. progr. Deutsche med. W oclienit. 
1884, Nr. 50. 


Als sehr ähnlich in seinem Befunde erlaube ich mir 
folgenden Fall, der gleichfalls der chirnrg. Abtheii. des 
Stadt-Krankenhauses entstammt, zu schildern. 

Nr. II. Jan Berensohn 51 a. n. hat vor 13 Jahren während 
seiner Dienstzeit Lues gehabt. Vor 10 Jahren brach er sich 
den rechten Unterschenkel, vor 5 Jahren deh linken. 

Am 2. Januar 91 ist Pat. auf der Strasse ausgeglitten und hat 
starke Schmerzen am linken inneren Fnssrafid verspürt, doch 
konnte er weiter gehen. 

Bei seinem Eintritt in9 Krankenhans am 2. Januar liess 
sich folgender Befund erheben: 

Stat. praes.: Pat. ist mittelgross, in seiner Ernährung mas¬ 
sig reducirt. Die Baut ist t:ocken und schilfernd, besonders 
an den unteren Extremitäten. Allgemeine kleine, harte Drüsen. 
Am linken Ellenbogen finden sich ausgedehnte Narben serpi 
ginöser Geschwüre. 

Der linke Unterschenkel ist an der Grenze zwischen mitt¬ 
lerem und unterem Drittel etwas verdickt. Am rechten Un¬ 
terschenkel findet sich der Malleol. ext. fibulae inässig ver¬ 
breitert. 

Das linke Fussgelenk ist umfangreicher, die 1- usssohle selbst 
ist platt. Der Bogen des inneren Fussrandes ist links kürzer 
als rechts. Der Fuss erscheint nach innen abgeknickt und 
zwar so, dass in der Mitte des inneren Fussrandes ein nach 
innen offener Winkel entsteht, dessen Scheitel in der Mitte 
des Fussrandes liegt. Nach innen und hinten vom Malleol. 
int. findet sich eine ca. wallnussgrosse .Prominenz, die alle 
Bewegungen des Calcanens mitmacht. Bei plantarer und 
dorsaler Flexion, sowie auch bei Seitwärtsbewegungen hat 
man das deutliche Gefühl der Spannung der Achillessehne; Cre- 
pitation in Gebiete der Fusswurzel ist nicht fühlbar. Die 
Achillessehne geht in gerader Linie auf den Calcaneus über. 
Bereits oberhalb des Malleol. int. fühlt sich die Sehne knochen¬ 
hart an und es lässt sich constatiren. dass man diesen Eindruck 
gewinnt durch eine harte, schmale Knochenleiste, welche so¬ 
wohl innen als aussen der Tendo anliegt. Innen lässt sie sich 
vom Calcaneus deutlich abgrenzen, aussen geht sie auf den¬ 
selben über. 

Pat. zeigt die deutlichen Symptome der Tabes dorsalis. 

Anästhesie ist nicht deutlich ausgesprochen; an den unteren 
Extremitäten ist die Sensibilität hie und da herabgesetzt. 

Der Patellar8ehnenreflex fehlt beiderseits. Starkes 
Schwanken beim Stehen mit geschlossenen Augen. 

Pnpillenstarre ist nicht vorhanden, auch ophthalmoskopisch 
ist keine Atrophie der Papilla nervi optici nachweisbar. 

Der Befund in diesem Falle ist fast der gleiche, wie 
in dem zuerst beschriebenen; leichte Knochenbrüchigkeit 
vergesellschaftet mit Ernährungsstörungen am Skelet der 
Fusswurzelknochen, genau wie sie bei der vulgären defor- 
mirenden Gelenkentzündung Vorkommen, und Verknö¬ 
cherungen resp. Knocheneinlagerungen der Achilles¬ 
sehne. 

Es würde sich nun frage:’.: sind wir berechtigt, die hier 
skizzirte Erkrankung der Fusswurzelknochen in Abhän¬ 
gigkeit zu setzen vom bestehenden Nervenleiden, oder 
können wir den pathologischen Process unabhängig von 
der Tabes auf die erlittenen Fracturen beziehen ? Ich 
glaube, wir dürfen das Factum als erwiesen ansehen, dass 
thatsächlich im Gefolge der Tabes dorsalis- Ernähiungs- 
störungen an Knochen und Gelenken Vorkommen, die zu 
der Grundkrankheit in einem bestimmten Verhältniss 
stehen; unter diesen scheint die als «pied tabötique» 
beschriebene Erkrankung des Fusses eine recht typische 
Form zu sein, wenn man sich nach der kleinen Zahl der 
Mittheilungen ein Urtheil erlauben darf. 

Pathologisch-anatomisch lassen sich vorzüglich 2 For¬ 
men der tabischen Arthropathien unterscheiden. Es giebt 
solche, wo die hyperplastischen Vorgänge am Knochen und 
an den Weichtheilen prävaliren: es sind dies die Fälle, 
die der vulgären Arthritis deformans sehr ähnlich sind. 
In diese Kategorie rangiren die beiden unsrigen. Sie 
gehören zu dem Typus, den schon Charcot als den 
«benignen» bezeichnet?, und dessen Merkmal anatomisch 
das Ueberwiegen der hyperplastischen Processe, klinisch 
der chronische Verlauf ist. 

Im Gegensatz dazu findet sich eine zweite Reihe von 
Fällen, wo der rapide Verlauf, die Schnelligkeit und 
Hochgradigkeit der Zerstörung der Gelenke charakte¬ 
ristisch für die Erkrankung ist. Wir sehen, wie sich 
binnen Kurzem in den mannigfachsten Gelenken Zerstö- 


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269 


rungen etabliren, wie sie hochgradiger bei keiner anderen 
Erkrankung der Knochen und Gelenke angetroffen werden. 
Rotter 5 ) giebt in seiner ausführlichen Statistik manchen 
hierher gehörigen Fall. Während sich die erste Gruppe 
nur wenig, sowohl pathologisch-anatomisch als auch 
klinisch, von der vulgären deformirenden Gelenkentzün¬ 
dung unterscheidet, findet sich in dieser doch Manches, 
was bei der Arthritis def. nicht vorkommt. Vor Allem ist 
es der acute Verlauf und der plötzliche Beginn, der den 
neurotischen Arthropathien ein eigenartiges Gepräge 
verleiht. Bildungen wie z. B. die «jambes de polichinelle» 
kommen bei der vulgären Arthritis def. nicht vor. Latz* 
tere pflegt dabei in der Regel eine «arthrites6che» zu sein, 
während bei der tabischen Form derselben Gelenker¬ 
güsse eine wichtige Rolle spielen. In der ersten Gruppe 
wissen die Pat. oft nichts von ihrem Leiden, wie das 
auch bei unseren beiden Kranken der Fall war; in der 
zweiten dagegen macht sich in der Regel ein ganz acuter 
Beginn, der meist mit einem mechanischen Insult des er¬ 
griffenen Gelenkes in Zusammenhang gebracht wird, be¬ 
merkbar, der in rascher Folge die Zerstörung desselben 
herbeiführt. 

Die wichtigste und zugleich die interessanteste Frage 
der neurotischen Knochen- und Gelenkleiden ist die ihres 
Abhängigkeitsverhältnisses vom nervösen Grundleiden. Sind 
die neurotischen Arthropathien in eine Reihe mit der vul¬ 
gären Arthritis def. zu stellen, bilden sie etwa nur eine 
zufällige Complication des nervösen Leidens oder wird 
das Gelenkleiden in einer bestimmten Weise von der 
Erkrankung der Nerven beeinflusst, oder sind die Arthro¬ 
pathien als eine specifische Erkrankung aufzufassen.? 

Die ursprünglich von Charcot aufgestellte Hypothese 
der Erkrankung trophischer Centren in den grauen Vor¬ 
derhörnern ist zur Zeit wohl als überwunden anzusehen. 
Abgesehen davon, dass mit der Substitution derartiger 
hypothetischer Centren nichts gewonnen war, kamen auch 
Fälle zur Section, wo von einer Erkrankung der Vor¬ 
derhörner keine Rede war. 

Wir müssen es deutschen Forschern und vorzüglich 
v. Volkmann, Virchow, Czerny u. A Dank wissen, 
dass sie locale Ursachen für die Erklärung der Patho¬ 
genese mit heranzogen. 

Wie steht es nun mit anderen nervösen Erkrankungen? 
Lassen sich da ähnliche arthritische Veränderungen liach- 
weisen und gestatten uns diese vielleicht Rückschlüsse 
auf die Entstehung derselben zu ziehen? 

Ich greife aus der grossen Reihe von Neuropathien, 
die mit trophischen Störungen der verschiedensten Organe 
verbunden sein können, die Syringomyelie heraus, 
im Verlaufe derer es zu Gelenkleiden kommen kann, die 
mit denen Tabischer die grösste Aehnlichkeit haben. 
S so ko low 6 ) referirte über eine Serie von 23 Fällen 
von Gelenkleiden bei Syringomyelitikern, in sämmtlichen 
mit Ausnahme zweier handelte es sich um Arthro¬ 
pathien der oberen Extremitäten. Es besteht somit 
doch wohl eine Relation zwischen der Erkrankung des 
Rückenmarkes und dem Gelenkleiden; es ist bekannt, 
dass die syringomyelitischen Processe hauptsächlich ira 
Halsmark localisirt sind, während im Gegensatz dazu die 
graue Degeneration der Hinterstränge der Tabiker am 
intensivsten im obersten Lenden- und Brusttheil des 
Rückenmarks ausgesprochen ist. Conform damit sehen 
wir, dass die Gelenkleiden dieser Kranken sich vorzüg¬ 
lich an den unteren Extremitäten finden. 

Rotter stellte die Krankengeschichten von 74 Pati¬ 
enten zusammen, die in summa an 112 Gelenkaffectio- 
nen litten, 79 davon betrafen die unteren Extremitäten, 
23 die oberen. 


5 ) Die Arthropathien bei Tabiden. Arbeit, ans der Chirurg. 
Klinik zu Berlin 1887. 

®) Ref. im Centralblatt f. Cliir. Nr. 39. 1891. 


Ball 7 ) fand unter IS Arthropathien 12 der unteren 
und 6 der oberen Gliedmassen. 

Es ist also doch sehr wahrscheinlich, dass das betref¬ 
fende erkrankte Rückenmarkssegment in einem bestimm¬ 
ten Verhältniss zu dem afficirten Gelenke steht und dass 
mit der Erkrankung des Centralorgans Vorgänge einher¬ 
gehen, die eine Mitbetheiligung der das Gelenk zusammen¬ 
setzenden Theile bedingen. 

Von höchstem Interesse sind in Bezug hierauf die Un¬ 
tersuchungen von Pitres und Vaillard 8 ), sowie Op¬ 
penheim und Siemerling 9 ), die ausgebreitete neuri- 
tische Processe im Anschluss an Tabes fanden. Meist 
waren die sensiblen Nerven degenerirt, doch kamen 
auch solche motorische vor. 

Erb schreibt in seinem bekannten Lehrbuch der Ner¬ 
venkrankheiten, dass die graue Degeneration der Hin¬ 
terstränge auch auf die hinteren Wurzeln übergehe. 

Friedreich constatirte in einem seiner Fälle Binde¬ 
gewebswucherung und Abnahme der Nervenfasern im 
N. ischiadicus. 

Es scheint also, dass die Tabes nicht allein eine 
Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks dar¬ 
stellt, sondern dass von hier aus eine Propagation der 
degenerativen Processe auf die peripheren Nerven mög¬ 
lich ist, wie wir das vom N. opticus z. B. schon lange 
wissen. Die bei Tabischen vorkommende Atrophie der 
Papilla nervi optici stellt nichts Anderes dar, als eine 
descendirende Neuritis, die vom erkrankten Rückenmark 
her ihren Ausgangspunkt hat. 

Dass die Degeneration gewisser Nervenabschnitte, spe¬ 
ziell der die Gelenke versorgenden Aeste mit Ernährungs¬ 
störungen letzterer verknüpft sein kann, ist eine That- 
sache, die durch die Angaben Fischer’s ,0 ) und Rie¬ 
dels 11 ) erhärtet wird. 

Ersterer beobachtete nach Durchschneidung des N. 
ulnaris destruirende Gelenkentzündung mit Subluxations¬ 
stellung der Finger, Letzterer beschrieb einen Fall von 
peripherer Nervenverletzung, die von rapider und äusserst 
hochgradiger Destruction des linken Kniegelenks gefolgt 
war, so dass die linke untere Extremität amputirt wer¬ 
den musste, wobei sich die Ernährungsstörungen im Ge¬ 
lenk pathologisch-anatomisch als Arthritis deformans 
auswiesen. 

v. Volkmann. Virchow, Rotter u. A. haben 
auf die Wichtigkeit mechanischer Momente für die Er¬ 
klärung dieser Arthropathien aufmerksam gemacht: die 
Kranken raaltraitiren ihre Gelenkflächen in ausgiebigster 
Weise, sie belasten dieselben rücksichtslos, sie forciren 
die physiologischen Hemmvorrichtungen, kurz sie arbei¬ 
ten an der Verwüstung ihrer Gelenke in energischer 
Weise mit, da eine vollständige Anästhesie des Perio¬ 
stes der Knochen und Gelenke sie gegen alle mechani¬ 
schen Insulte derselben unempfindlich macht. 

In der That kann in dieser Weise der rapide Ver¬ 
lauf und die Hochgradigkeit der Destruction vieler neu¬ 
rotischer Arthropathien erklärt werden, besonders bei 
Tabes, wo meist die unteren Extremitäten afficirt wer¬ 
den, die ja überhaupt mehr Arbeit zu leisten haben 
und stärker strapazirt werden, als die Gelenke der obe¬ 
ren Gliedmassen. 

Doch der alleinige Grund ist das offenbar nicht, denn 
es treten auch trophische Störungen an Organen auf, 


: ) I)eB arthropathies liees ä l’ ttaxie locomot. progr. Gaz. des 
höpitaux 1868/69. 

*) Kontribution ä l’etude des nevrites per.ph. chez les tab6- 
tioues. Rev. de ined. 1886. 

®) Beiträge zur Path. d. Tabes dors. and der periph. Ner¬ 
venerkrankungen. Arch. f. Psych. 1887. 

10 ) Ueber troph. Störungen nach Nervenverletz, an d. Extre- 
mit. Berl. klin. Wochenschrift. 1871. pag. 145. 

") Nei venverletzg. d. 1. unteren Extremität. Rapide Destruc- 
tion d. linken Kniegelenkes durch Gehversuche. Berlin, klin. 
Wochenschrift. 1883. 


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270 


wo mechanische Insulte überhaupt nicht eingewirkt I 
haben, so auch an Gelenken von Kranken, die Jahre 
lang das Bett gehütet haben, und wo eine Ueberanstren- 
gung derselben ausztischliessen war. Leyden la ) berich¬ 
tete über das Entstehen von Arthritis deformans bei 
Tabikern, die Jahre lang die Bettlage einnahraen. 

Obgleich ich die Wichtigkeit mechanischer Insulte der 
anästhetischen Gelenke voll anerkenne, bin ich doch der 
Ansicht, dass man auf das Vorhandensein palpabler Stö¬ 
rungen, wie sie in der Degeneration peripherer Nerven 
doch immerhin vorliegen, mehr Gewicht legen sollte, da 
es den Anschein hat, als ob die sensiblen Nerven zu 
den Ernährungsvorgängen der Körpergewebe in enger 
Beziehung stehen und dass bei degenerativen Processen 
in denselben sich Störungen geltend machen, wie sie 
uns z. B. in den Arthropathien der Tabiker und Syrin- 
gomyelitiker vorliegen. 

Wir können die neurotischen Arthropathien zunächst 
als Arthritis deformans bezeichnen, deren Genese mög¬ 
licher Weise auf die Degeneration peripherer Nerven zu 
beziehen ist; die Eigentümlichkeiten derselben, wie sie 
klinisch in dem rapiden Verlauf und anatomisch in der 
Hochgradigkeit der Zerstörung vorliegen, sind auf Rech¬ 
nung mechanischer Insulte zu setzen, denen die Ge¬ 
lenke neurotischer Individuen ja häufig ausgesetzt sind. 


Bothryocephalus-Finnen in Hechten des St Peters¬ 
burger Fischmarktes 

Von 

Professor Dr. M. Braun. 

Königsberg i. Pr. 

Der Güte des Autors verdanke ich die Kenntniss eines 
Artikels, der sich mit der Frage beschäftigt: «wie be¬ 
kommt die Einwohnerschaft St. Petersburgs den breiten 
Bandwurm?» (cf. St. Petersb. medic. Wochenschr. XVII 
Jahrg. 1892 Nr. 22). So erfreut ich darüber bin, dass 
endlich nach fast 10 Jahren auch die Aerzte meinen 
auf die Herkunft des Bothryocephalus latus gerichteten 
Experimenten Aufmerksamkeit schenken und die prakti¬ 
schen Consequenzen ziehen, so sehr bedauere ich be¬ 
merken zu müssen, dass das Resultat, zu welchem der 
Autor, Herr Dr. A. v. Schröder gelangt, kein neues 
ist, sondern nur Angaben, die ich bereits 1883 gemacht 
habe, bestätigt. Schröder sieht, was nicht anders zu 
erwarten war, die Iüfectionsquelle mit Bothryocephalus 
latus für die Bewohner Petersburgs in den dort zu 
Markt gebrachten Hechten, von denen er fünf aus dem 
finnischen Meerbusen stammende untersucht und mit den 
Finnen des breiten Bandwurmes inficirt gefunden hat. 

Bereits am 17./29. März 1883 habe ich in einer Sit¬ 
zung der Dorpater Naturforscher-Gesellschaft (vergl. 
Sitzgsber. etc. Bd. IV, pag. 534) kurz mitgetheilt, «dass 
die Hechte des finnischen Meerbusens und des Ladoga¬ 
sees, die in Petersburg zu Markt gebracht werden, ganz 
ebenso mit Finnen behaftet sind, wie die Dorpater». Ich 
will gern zugeben, dass diese Notiz wegen ihres Er¬ 
scheinens in den Dorpater Sitzungsberichten kaum in 
weiteren Kreisen bekannt geworden ist; aber über die¬ 
selbe Angelegenheit machte ich in Virchow’s Archiv 
für pathol. Anatomie (92 Bd. 1883 pg. 366) eben¬ 
falls Mittheilung und zwar auf Grund der Untersuchung 
von 4 Hechten, die einer meiner damaligen Zuhörer, 
Herr J. Türstig aus St. Petersburg mir überbracht hatte. 
Streng genommen kommt die Ehre der Entdeckung von 
Bothryocephalus-Finnen in Petersburger Hechten Herrn 
Türstig zu, der mir, was ich auch (1.c.) anführe, die 4 


12 ) Leyden und Beely: Verhandl. des Vereins für innere 
Medicin zu Berlin 30. Nov. 1885. 


Hechte mit der Bemerkung übergab, die in Petersburg 
zu Markt gebrachten Hechte 1 seien «voll von Bothryo- 
cephalusfinnen». Herr Dr. Türstig kannte die Bothryo- 
cephalusfinnen damals schon sehr genau — war er doch 
einer der drei Dorpater Comilitonen, die sich mir im 
October 1832 zu Versuchen mit den Bothryocephalen- 
finnen zur Verfügung gestellt hatten. Mir blieb also 
nur die Aufgabe, den Fund Türstig’s zu be¬ 
stätigen, was bei einem Hechte, der angeblich aus 
dem Ladogasee stammte, und bei zweien, die im finni¬ 
schen Meerbusen gefangen und wie der erste auf dem 
Markte in Petersburg von Herrn Türstig gekauft wa¬ 
ren, gelang; das vierte aus dem Nowgorod’schen Gouver¬ 
nement stammende Exemplar erwies sich frei von Finnen. 

Ich kann nur wünschen, dass die angeregte Frage 
nach der Verbreitung der Bothryocephalusfinnen in Fi¬ 
schen des russischen Reiches weitere Aufmerksamkeit 
auf sich zöge; die Finnen sind, wie Herr Dr. v. Schrö¬ 
der ganz richtig bemerkt, auch für den, der sie nie ge¬ 
sehen hat, leicht aufzufinden, da sie durch ihre Grösse 
auffallen und durch ihre weisse Farbe von dem durch¬ 
scheinenden Fleische frischer Fische sich gut abheben; 
am leichtesten findet man sie in der Leibeshöhle auf. 

Königsberg, i. Pr. 7. Juli 1892. 


Referate. 

Prof. Nothnagel: Ueber eine eigenthümliche pernieiöse 
Knochenerkrankung (Lymphadenia ossium). (Wiener 
medicinische Blätter 1892, Nr. 10—11). 

Diese Arbeit ist ursprünglich in der Virchow zu seinem 
70. Geburtstag gewidmeten Festschrift erschienen. Die W. 
med. Bl. haben das Verdienst, den Aufsatz einem grossem 
Kreis zugänglich gemacht zu haben. 

Der eigenthümliche und sehr seltene von N. beschriebene 
Krankheitsfall betrifft einen 24. Jahre alten Mann, der bis 
dahin gesund gewesen, hereditär nicht belastet ist und un¬ 
ter guten hygienischen Verhältnissen gelebt hat (erst Senner, 
dann Soldat in Tirol). Im Juni 1889 stellten sich ohne nach¬ 
weisbare Ursache stechende Schmerzen im untern Sternalende 
ein, die anfangs alle 14 Tage in den Abendstunden unter 
Fiebererscheinnngen und Schweiss auftraten und 5—6 Stun¬ 
den dauerten. Sonstige Beschwerden waren nicht vorhanden. 
Allmälig kehrten die Anfälle häufiger, schliesslich jeden 
zweiten Abend wieder, wurden stärker, Patient magerte ab 
und wurde immer schwächer. Zugleich verbreiteten sich die 
Schmerzen über die Sitzknochen, den Rumpf, die obern und 
untern Extremitäten. Es stellten sich Oedeme an den Füssen 
ein. Seit Mai 1890 fesselte die zunehmende Schwäche Pat. 
ans Bett. An den schmerzfreien Tagen waren Allgemeinbe¬ 
finden, Appetit, Schlaf befriedigend. 

Der Kranke trat dann in Nothnagel’s Klinik ein und hier 
wurde folgender Status am 6. October 1890 aufgenomraen: 
Ursprünglich zarter Knochenbau, hochgradige Atrophie des 
Fettpolsters und der Mnsculatur. Haut fahl, trocken, ab¬ 
schilfernd. Temp. normal, Knöchelödem. Art. radialis eng, 
weich, nicht eeschlängelt. Puls 110, regelmässig. Athmung 
30. -— 24 stündige Harnmenge 1000 Cbcm. Harn gelb, sauer, 
von Uraten getrübt, spec. Gewicht 1023. Kein Zucker, Eiweiss, 
Aceton, Pepton. Indicangehalt etwas erhöht. — Im normalen 
Stuhl keine abnormen Bestandtheile. — Das Blut fast serös, 
Hämoglobingehalt 30 pCt., Zahl der rothen Blutkörper im 
Cbcm. 1,824.000. Mikroskopisch: starke Poikilocytose, die 
rothen Blutkörper von sehr verschiedener Grösse, einzelne 
kernhaltige Blutkörper. Leichte Leucocytose, vorwiegend 
mehrkernige Leucocyten, spärliche eosinophile Zellen. Blut¬ 
plättchen in normaler Zahl. Malariaparasiten zu keiner Zeit 
im Blut nachweisbar, ebenso wenig andere Mikroben. — Die 
Lymphdrüsen sind hier und da mässig vergrössert, weich. — 
Sinnesorgane normal bis auf geringe Schwerhörigkeit auf 
einem Ohr. — Sehr auffallend »ind die Difformitäten der Kno¬ 
chen, die sich fast über daB ganze Skelet erstrecken. Das 
Sternum ist namentlich an seinem obern Ende unförmlich 
aufgetrieben, glatt, knochenhart, nicht schmerzhaft, nur am 
untern Ende des corpus Sterni starke Druckempfindlichkeit. 
Aehnliche Veränderungen finden sich an den Gelenkenden der 
Metacarpalknochen, den Epiphysen der Vorderarmknochen, 
des Oberarms, der Unterschenkelknochen. Die Diaphysen 
sind normal. — Die Bewegungen in den Gelenken schmerz¬ 
haft, im Knie- und Fussgelenk beiderseits Flüssigkeitserguss. 
Becken, Wirbelsäule, Scnädel zeigen keine Difformitäten. — 
Rechtsseitiges pleuritisches Exsudat. Herz normal. Milz et- 


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271 


was vergrössert. Kein Ascites. — Bei zunähmender Schwä¬ 
che erfolgte am 16. November der Tod. Die Schmerzparo- 
xysmen und Fiebersteigerangen hielten ira Allgemeinen ter- 
tianen Typus eiu. 

Das Ergebniss der von Prof. Kund rat gemachten Section 
war im Wesentlichen folgendes: Entsprechend der Geschwulst 
über dem Manubrium sterni findet sich eine daumendicke 
succulente Masse, die eine 1 Cm. hohe Osteophytschicht über¬ 
wuchert und ohne scharfe Grenze in die benachbarten Weich- 
theile übergeht. Von ähnlichen Massen sind auch die Rippen 
umschlossen und die Intercostalmuskeln infilcrirt. Wirbel und 
Beckenknocheu verdickt, von üsteophvten überlagert, welche 
auch von der grauen weichen Masse durchwuchert sind. Ana¬ 
loge Veränderungen an den Gelenkenden der Extremitätkno¬ 
chen. — Das Knochenmark überall durch ein grauweissliches 
von fein poröser Knochenmasse durchsetztes Gewebe ersetzt 
und zwar ebenso an den Röhren — wie an den platten Kno¬ 
chen und Wirbeln. Dieses weiche Gewebe zeigt mikroskopisch 
ausgesprochen lyraphadenoiden Bau: in die Maschen eines 
netzartigen bindegewebigen Gerüstes sind zahlreiche Leuco- 
cyten eingelagert. Das in den Markhöhlen neugebildete Kno¬ 
chengewebe und die Osteophyten bestehen aus lamellirtem 
Fasei knochen, die Zwischenränme zwischen den Knochenbälk- 
chen sind mit lymphoidem Gewebe gefüllt. — Die Milz ent¬ 
hält viel Blutpigment, der lymphoide Theil des Milzgewebes 
hyperplastisch. Dieselben Veränderungen in den Lymphdrü- 
sen. Es handelt sich also im Wesentlichen um die Entwicke¬ 
lung eines lyraphadenoiden Gewebes in den Knochen mit 
gleichzeitiger Neubildung von Knochensubstanz. 

Der Fall lässt sich keiner einzigen der bisher bekannten 
Erkrankungsformen der Knochen zuzählen; er unterscheidet 
sich wesentlich von den 3 allenfalls in Betracht kommenden 
Knochenerkrankungen: der Acromegalie, den nach Bamberger 
und Marie bei chronischen Herz- und Lungenkranklieiteu 
auftretenden Knochenhypertrophien, nnd der von Paget be¬ 
schriebenen Osteitis deformans. 

Von grossem Interesse sind die Blntveränderungen in die¬ 
sem Fall. Ein diffuser Schwund des Knochenmarks muss ja 
nach dem, was wir über die Blntbereitung wissen, von gros¬ 
sem Einfluss auf die Beschaffenheit des Bluts sein. Experi¬ 
mentell lässt sich das Knochenmark nicht in solcher Ausdeh¬ 
nung vernichten, wie es hier durch einen pathologischen Pro- 
cess geschehen ist. Das Blut ist nun hochgradig verändert, 
aber in keiner andern Weise, als es auch bei andern schweren 
Anämien vorkommt: Oligochromämie, Oligocytämie, Poikilo- 
cytose, kernhaltige rothe Blutkörperchen etc. sind keine sel¬ 
tenen Befunde. Da für diese Blutveränderungen keine andern 
Ursachen gefunden worden sind, muss man annehmen, dass 
sie im vorliegenden Fall durch den diffusen Schwund des 
Knochenmarks hervorgerufen sind. Interessant ist ferner, 
dass Milz und Lymphariisen trotz compensatorischer Hyper¬ 
trophie die Function des Knochenmarks nicht haben ersetzen 
können, nnd zwar hat die Regeneration der rotlien Blutkör- 
* pereben am meisten gelitten, während die Leucocyten des 
Bluts vermnthlich von Milz und Lymphdrüsen in reichlicher 
Zahl geliefert worden sind. W a n a c h. 

E. Gerde s: Ueber den Eklampsiebacillus und seine 
Beziehungen zur Pathogenese der puerperalen Ek¬ 
lampsie. (Deutsche Med. Wochenschr. Nr. 26). 

Gerdes, der vor nicht langer Zeit in einem schweren Falle 
letal verlaufender puerperaler Eklainnsie einen Bacillus in 
mehreren Organen entdeckt und in Reincnlturen gezüchtet 
hat (cf. Referat in Nr. 21 dieser Wochenschrift), berichtet 
über das Untersuchungsresultat eines weiteren Falles. Der¬ 
selbe endständig sich färbende Bacillus, den Gerdes «Ek¬ 
lampsie-Bacillus» zu nennen vorschlägt, fand sich auch in 
diesem Falle in Leber, Milz, Niere, Herz und im Blnt; in der 
Placentarstelle aber in kolossalen Mengen. Das Ergebniss 
seiner Untersuchungen fasst Gerdes in folgenden Thesen 
zusammen: 

1) Der Eklampsiebacillus ist die alleinige Ursache der Ek¬ 
lampsie und findet sich bei keiner anderen Krankheit. Ohne 
Eklampsiebacillen gibt es keine Eklampsie. Die Infection ge¬ 
schieht vom Uterus aus, wahrscheinlich auf Grund einer schon 
vor der Conception bestandenen Endometritis. 

2) Die ans anderen Ursachen während der Geburt auftre¬ 
tenden Krämpfe sind auf Grund der Sectionsbefunde als 
grundsätzlich verschieden von der Eklampsie zu trennen. 

3) Die Eklampsie ist eine anatomisch streng begrenzte und 
wohl charakterlsirte Krankheit. 

4) Die schweren Organveränderungen Eklamptischer finden 

durch den blossen Nachweis des specifischen Mikioben nicht 
die hinreichende Erklärung. Wahrscheinlich sind sie die di¬ 
rekte oder indirekte Folge der Wirkung der Toxine des Ek¬ 
lampsiebacillus. W. Beckmann. 


Bücheranzeigen und Besprechungen. 

M. Bresgen: Krankheits- und Behandlungslehre der Nasen-, 
Mund- und Rachenhöhle, sowie des Kehlkopfes und 
der Luftröhre. Mit 166 Holzschnitten. Zweite, gänzlich 
umgearbeitete und erweiterte Auflage. Wien und Leipzig 
Urban und Schwarzenberg. 1891. 

In diesem Buche, das die 2. Anfl. der «Grundzüge einer 
Pathologie nnd Therapie etc. 1884», ist nnd über das seinerzeit 
in unserer Wochenschrift referirt worden ist, ist das alte Buch 
fast gar nicht wiederztierkennen. Gleich der Name ist ein 
anderer geworden, obgleich merkwürdiger Weise unten bei der 
Bogenzahlangabe ein anderer, als der Titel des Buches steht. 
Das Buch ist weiter an Umfang gewachsen, von 272 Seiten 
auf 432 Seiten gestiegen. Der Litteratnrindex, dessen Wich¬ 
tigkeit wir wohl nicht zu betonen brauchen, ist bedeutend 
vergrössert, sehr ausführlich (rund 3000 angeführte Schriften) 
und jetzt jedem Abschnitte vorangestellt, wodurch sein Werth 
noch steigt. Die Zahl der Abbildungen ist annähernd dieselbe 
geblieben; einige frühere sind weggefallen, dafür neue hinzu¬ 
gekommen. Endlich ist die ganze Anordnung des Buches eine 
andere geworden, es ist umgearbeitet und erweitert; ganze 
Capitel sind wesentlich grösser, andere neu. Am besten zu 
ersehen ist es aus der hier folgenden kurzen Inhaltsangabe. 

I. Theil. A. behandelt die Anatomie der Nase (und deren 
Nebenhöhlen), der Mund-Rachenhöhle, des Kehlkopfs und der 
Luftröhre in sehr ausführlicher Weise, illustrirt durch gute 
und instrnctive Zeichnungen. I. Th. B. giebt einen gedrängten, 
guten Ueberblick über die Physiologie jener Organe. 

Im, II. Theile, der allgemeinen Pathologie und Therapie, 
iebt Verf. eine Skizze der Ursachen, Untersuchnngsmethoden, 
ymptomatologie und Therapie, wobei er sich i:n letzten Theile 
daran hält, nur dasjenige zu besprechen, was sich allgemein 
und ihm speciell bewährt hat. Th. 111 behandelt die specielle 
Pathologie und Therapie der genannten Organe. 

Ein näheres Eingehen auf die Details passt nicht hierher. 
Das Buch ist übrigens so geschrieben, dass der Ausstellungen 
bezüglich des Inhalts vom Ref. sehr wenige zu machen sind, 
und haben sich bei Durchsicht der Notizen, die Ref. bei der 
Lectüre des Buches gemacht, diese nur auf sehr unwesentliche 
und individuelle Aushemmnngsweisen bezogen. 

Das Lehrbuch ist Jedem, der sich über die Krankheiten der 
genannten Organe oripntiren will, ein guter Rathgeber und 
Lehrer, wird aber auch für den Fachmann ein lieber Freund 
sein, worauf Rf. im Anfänge schon hingewiesen hat. 

Eines hat Ref. am Buche jedoch auszusetzen. Das betrifft die 
«versuchsweise» Verdeutschung bekannter Fremdworte, was 
Verf. damit motivirt, «inan solle auch als Arzt bemüht sein, 
nur deutsch zu reden nnd zu schreiben. Mit den Kranken 
müssen wir ja ohnehin deutsch reden, wollen wir von ihnen 
verstanden werden und ihre Folgsamkeit und ihr Vertrauen 
erzielen». Ein ganz unuützes Unternehmen. Von dem Chauvi¬ 
nismus in diesen Worten will Ref. ganz absehen. Unverständ¬ 
lich ist ihm die Berufung auf den Kranken. Dagegen dass 
deutsch geredet nnd geschrieben werde, d. h. dass die Rede 
und Schrift nicht mit unnützen Fremdworten ausgestattet 
werde, ist natürlich nichts einzuwenden, wohl aber, dass man 
in einen mindestens ganz unnützen Purismus verfällt. Vor 
Allem will man doch allgemeinverständlich sein, nicht nur für 
den Arzt, der die Sprache des Werkes als Muttersprache kennt, 
sondern auch für den, dem sie nicht Muttersprache ist und der 
nun selbst bei guter Kennfniss der Sprache gezwungen ist 
mit dem Lexicon in der Hand zu lesen, das ihn bei den ganz 
ungebräuchlichen Worten natürlich oft in Stich lassen wird. 
Weiter soll man doch der Sprache nicht Gewalt anthun und 
endlich auch dem die Muttersprache Lesenden nicht ganz un¬ 
verständliche Ausdrücke als Räthsel zu lösen anfgeben. 

Als Beweis für das Gesagte diene Folgendes: 

Ausdrücke, wie Aufbau nnd Verrichtungen, besondere 
Krankheits- und Behandlungslehre, Vorhersage. Erkennung, 
Absondernngsflüssigkeit, Geflecht, Schlagader und Sauggefässe 
(warum aber Vene nnd statt dessen nicht einfach Ader?) .sind 
recht überflüssig statt der lateinischen Bezeichnungen, mögen 
aber noch hingehen nnd sind vielleicht für den Nichtdeutscheu 
noch verständlich. Dem Fremden schon viel unverständlicher, 
zumal als Capiteltitel (ohne den lateinischen Namen dabei) 
sind: Aussatz, Rotz, Rothlanf, Scharbock, (dagegen Syphilis 
und Tuberculose nicht verdeutscht!) Bei diesem Purismus 
stossen wir aber auf Dinge, die der Sprache Gewalt anthun, 
oder der Zun^e und dem Ohr recht unbequeme Aufgaben stellen 
und zum Theil komisch wirken, wie Nasenschlagader, Zungen¬ 
kehldeckelfalte, Zungenbeinzungenmuskel, Griffelzungenmuskel, 
Ring-Stellknorpelmuskel, Dauerentzündung (für chronische). 

Weiter finden wir aber Ausdrücke, welche durch die Ver¬ 
deutschung ganz oder fast ganz unverständlich geworden. 
(Beiläufig bemerkt, ist die Uebersetzung einmal sogar falsch, 
indem «lateral» mit «äusserlich» übersetzt ist, wodurch der 
Passus unverständlich ist, pag. 7.). Wer erkennt denn sofort 
im Trompetenmuskel den M. buccinatorius oder in derSchild- 


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kjPfPeJ Zungenbeinhant die Membrana thyreoidea, im Pattken- 
hobleilfaden die chorda tympani, in einer selbstständigen 
Knorpelhantentzündung die primäre Pericliondritis? Aber noch 
schlimmer steht es um Ausdrücke, wie Rindenmittelpunkt, 
Irngempfindlichkeit (Parästhesie), Keilgaumenknoten. Keil¬ 
gaumenast oder Beinery und Lungen-Magennerv. Recht gute 
alte Bekannte Alles, die in dieser Maske kaum wiederzuer¬ 
kennen sind! 

Hoffen wir, dass dieser «Versuch» der Sprachreinigung 
keine Nachahmer findet und dass die nächste Auflage des vor¬ 
liegenden Buches wieder die gebräuchlichen und allgemein 
verständlichen medicinisehen Ausdrücke enthält. 

Neumann. 

Auszug aus den Protokollen 

des deutschen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. 

Sitzung a m 13. Januar 1892. 

1. Dr. Petersen berichtet über folgenden Fall von Krebs 
der Prostata : 

Am 8. Januar d. J. wandte sich an den Ref. ein 58jäliriger 
Beamter, welcher schon seit 2 bis 3 Jahren bemerkt hatte, 
dass die Häufigkeit des Harnlassens bei ihm zunalnn. Nachts 
müsse.er jetzt alle halbe Stunde aufstehen, um zu uriniren. 
Bisweilen, namentlich nach Fahrten auf schlechtem Pflaster, 
trete auch blutiger Harn auf. Da Pat. jedoch seit 20 Jahren 
an Haeniorrlioiden litt, so glaubte er selbst auch den Blutharn 
darauf beziehen zu müssen. Seit einigen Wochen sei es ihm 
aufgefallen, dass znm Schluss des Coitus die ejaculatio seminis 
auf geirrt habe, ohne dass Schmerzen vorhanden. Die Unter¬ 
suchung ergab Folgendes: Hagerer Mann, massige Alters- 
erscheinungen, massige Abmagerung. Die Prostata erwies sich 
bei der Untersuchung per anum stark vergrössert. etwa gänse¬ 
eigross. namentlich die höckerige rechte Hälfte; jedoch auch 
linkerseits knotige Vorwölbungen vorhanden. Massige Empfind¬ 
lichkeit. Der Harn klar, schwach sauer, ergab am 9. Jan. nur 
Spuren von Eiweiss (0.003 pCt.); die mikroskopische Unter¬ 
suchung des kaum wahrnehmbaren Bodensatzes zeigte verein¬ 
zelte Plattenepithelien und wenig zahlreiche Eiterkörperchen. 
Die Hodrti schlaff, nicht vergrössert. Heute am 13. Januar 
brachte Pat. dagegen eine Portion stark blutigen, Coagnla 
und Fetzen enthaltenden Harnes mit, die er Abends vorher 
entleert. Gegenwärtig i»t der Harn wieder ganz klar. Die 
mikroskopische Untersuchung der Fetzen ergab eine carci 
nomatöse Nenbildnng. Ref. macht besonders auf das Factum 
des Verschwindens der Samenabsonderung aufmerksam und 
denkt dabei an die Möglichkeit einer Affecfion der Samen¬ 
drüsen. Dr. Tiling meint, dass ein Hinderniss in der Gegend 
des caput gallinaginis eher die Ejaculation des Samens zu 
verhindern geeignet erscheine. 

2. Dr. Masing berichtet über die Krankengeschichte einer 
Patientin, die er erst seit Kurzem in seiner Beobachtung hatte. 
Es handelt sich nm eine 73jaluige Frau aus einer Familie, wo 
Krebs schon vorgekoramen war. Die Dame hatte sich bis in 
ihr hohes Alter einer vorzüglichen Gesundheit erfreut. Im 
Sommer 1890 noch war sie vollständig gesund. Da stellte sich 
im Mai 1891 zunächst Appetit Verlust ein. Ein Sommeraufent¬ 
halt im finnländisclien Badeort Hangö machte sie zwar blühend, 
aber mit wirklichem Appetit gegessen hat sie seitdem doch 
nicht. Da that sie am 5. October einen schweren Fall vom 
Stuhle herab aufs Gesäss. worauf sich hochgradiger Icterus 
cinstellte. Die homöopathische Behandlung, welcher sie bis 
dahin ausschliesslich gehuldigt hatte, erwies sich als ver¬ 
geblich. Dr. Ma si n g. welcher seit Ende November von der Dame 
zur Behandlung hinzugezogen worden, fand eine sehr redueirte 
Frau; es herrschte ausgesprochene Schlafsucht. Zwei mal war 
erbrochen worden, die Stühle farblos. Es hatte sich unerträg¬ 
liches Jucken der Haut eingestellt, welche schmutzig grangelb 
gefärbt war und Haemorrhagien bis zu Silberrubelgrösse 
darbot. Der Urin war sehr dunkel, enthielt kein Eiweiss und 
Zucker, dagegen viel Gallenfarbenstofie und Gallensäuren. 
Die Nieren also gesund. Desgleichen erwiesen sich bei der 
Untersuchung auch Herz und Lungen gesund. Die Leber, 
welche nicht gross war, nur etwas hervorragend, wies jedoch 
einen unebenen Rand auf, an welchem sich scheinbar kleine 
Knoten durchfühlen Hessen. Da nirgends im Unterleihe sich 
ein abgrenzbarer Junior dttrchpalpiren liess, nahm M. einen 
Krebs an der unteren Fläche aer Leber an und veiordnete 
gegen die Darmerscheinungen des Morgens 1 Glas warmen 
Mühlbrunnens, welcher der rat. sehr gut that. Der zur Con- 
sultation hinzugezogene College Dr. Berthenson sprach sich 
jedoch namentlich im Hinblicke auf die Hautfärbung mit 
ziemlicher Bestimmtheit für Pankreaskrebs aus. obgleich keine 
Cardialgien, keine Fettsttihle, kein Zncker im Urin vorhanden, 
welche 3 Momente allgemein, z. B. auch von Zencker znr 
Diagnose eines Pankreaskrebses verlangt werden. — Es kam 
später zu Blutungen aus dem Mastdarme, ja zu unstillbaren 
Blutungen aus dem rechten Ohre und starb Pat. an Ent¬ 


kräftung. Die vonDr. Masing ansgeführte Section der Banch- 
höhle ergab trübe Ascitesflüssigkeit und eine höckerige 
cirrbotische Leber, deren Gallenblase einen haselnnssgrossen 
Stein, aber keine Galle enthielt. Im Pankreaskopf fand sich 
ein derbes Carcinom (nach der von Dr. Westphalen ausge¬ 
führten Untersuchung Cylindercellenepitheliom) von über 
Wallnussgrösse. Nirgends ’im Unterleibe Metastasen. 

Dr. Kernig, welcher die Pat. Anfang November gesehen 
hatte, als sie 4 Wochen icterisch war, hatte sich schon damals 
mit einem interimistisch behandelnden Collegen dahin geneigt, 
dass wahrscheinlich entweder Pancreaskrebs oder Krebs aer 
Gallengänge vorliege, ln einem anderen in dieser Wochen¬ 
schrift veröffentlichten Falle konnte er schon bei Lebzeiten 
den Pankreaskrebs mit Sicherheit diagnosticiren, da der Tumor 
sich deutlich von der Leber abgrenzen liess. 

Sitzung am 10. Februar 1892. 

1. Dr. Masing theilt die Krankheitsgeschichte des verstor 

benen Dr. W. J. mit: Der Vater starb au Carbunkel des 

Rückens in vorgerückten Jahren, die Mutter sehr alt an He¬ 
miplegie nach einem apoplektischen Insult. 2 Schwestern 
starben an Lungentuberculose und ein Bruder an Krebs der 
rechten Nebenniere und Leber. Er selbst früher immer von 
bester Gesundheit. Während seiner Reisen in Centralafrika 
sehr oft an Malaria gelitten, wogegen aber Chinin immer 
sehr prompt half; dann litt er monatelang an Unterseiten kel- 
ge8chwiiren, wie sie auch in Afrika endemisch sind. Nach seiner 
Rückkehr nach Europa vor 4 Jahren constatirte Dr. Ambur¬ 
ger eine ausserordentliche Vergrösserung und Verhärtung der 
Milz und Leber in Folge der Malaria. Die letzten 4 Jahre hat 
er in Wien sich nicht behandeln lassen, hat eine sehr sitzende 
Lebensweise geführt, aber doch nur an Stuhlbeschwerden ge¬ 
litten. Im October 1891 kam er nach Petersburg. Ende No¬ 
vember liess er sich von Dr Masing untersuchen: Vortrefflicher 
Ernährungszustand, reichliche feste Muskulatur, starkes Fett- 

E olster, brünetter Teint der Haut, ausserordentlich reichlicher 
laarwuchs. Herzcontractionen etwas matt, Grenzen normal, 
Töne an der Spitze rein, am 1. Sternalrande ein schwaches 
systolisches Geräusch. Die Milz hart, mit der unteren Spitze 
bis fast zum Nabel reichend, Oberfläche glatt. Leber hart, 
unterer Rand stumpf, Oberfläche glatt, keine Drnckempfind- 
lichkeit. Urin normal. 

Anfang December erkrankte er an Influenza, vorzüglich 
ausgesprochen in Neuralgien des Nackens, Rückens, Schmerzen 
bei Bewegungen der Augäpfel etc. Das Fieber war ganz 
unregelmässig, ab und zu mit Frösteln bis 39°. meist Abends 
subfebril nnd Morgens normal. Kein Husten, keine Kopf¬ 
schmerzen. Malaria war es nicht, es fänden sich keine Plas¬ 
modien im Blute und Chinin war ohne Einfluss auf das Fieber. 
Intetcurt ent schwoll die rechte Submaxillar->peicheldrüse zu 
einem hülniereigrossen Tumor an. bis aus dem Ductus Whar- 
tonianus ein 1 2 Cm. langer wnrstförmiger Speichel stein entfernt 
wmde. Da fiel die Geschwulst, ohne ganz zu vergehen, ja 
später schwoll auch die linke Submaxillardriise ohne nachweis- • 
bare Verlegung des Ansführungsganges. Mitte December war 
Pat. zum letzten Mal ausgefahren. Eine ausserordentlich 
heftige Lumbago trat auf nnd blieb sehr hartnäckig bestehen 
mit schwankender Intensität bis zum Tode. Kurz vor Weih¬ 
nachten markirte sich eine spurenhafte Andeutung von 
Exophthalmus linkerseits, der stetig zunahnt und später machte 
Pat. selbst darauf aufmerksam, dass seine linke Schläfe von 
einer flachen Geschwulst eingenommen sei. Auch hatte er erst 
Parästhesien, später Anaestliesien mit ab und zu durchzucken¬ 
den Schmerzen im Gebiete des 11. rechten Trigeminusastes. 
Schlaf schlecht., Appetit und Stuhl gut. Die Abmagerung 
beginnt sehr deutlich zu werden. Die Leber scheint im Umfange 
kleiner und härter zu weiden, kein Ascites, nirgends Oedeme. 

Am 6. Januar 92 constatirte I)r. Schroeder auf dem linken 
vorgetriebenen Auge starke Abnahme des Sehvermögens und 
Diplopie beim Sehen nach oben und nach rechts. Am 10. ist 
das Sehvermögen auf 710 gesunken.Augenspiegelbefund negativ. 
Zwischen Bulbus und äusserem, oberen Orbitalrande die 
weiche Kuppe einer Geschwulst palpirbar, die in Fluctuations 
Zusammenhang mit der Geschwulst unter dem linken mttsculus 
emporalis stellt — Abscess oder weiche Neubildung? Eine 
Function (Prof. Tiling) der Geschwülste giebt nur Blut und 
zwar verhältnissmässig viel Blut. Es wird Pulsation sowohl 
an diesen Geschwülsten, als auch an einer neuentdeckten boh- 
neugrossen in der rechten Schläfe gefunden, ja selbst der ganze 
linke Bulbus giebt mit dem Radialpulse isochrone Pulsation. 
EineCousultation am 12. Januar mit Dr. Magawly, Schroe¬ 
der, Amburger und Tiling 1 lixirt. die Diagnose mit grosser 
Wahrscheinlichkeit auf Angiosarkotn der 1. Orbita mit 
Fortsetzung durch die Fissura infraorbitalis in die 
1. Schläfengrube und Metastase in der r. Schläfe. Das 
Sehvermögen rechts gut. Gehör auf beiden Ohren intact, 
ebenso Geruch und Geschmack. Der r. Facialis scheint etwas 
paretisch. Parästhesien jetzt auch im III. linken Trigeminus- 
aste-Metastasen im Schädelinnern werden wahrscheinlich, auf 
Bolche wohl auch die starken Schmelzen im Nacken und 


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Rücken zu beziehen. Die wiederholte Frage nach Kopfschmerz 
wird immer verneint; Schwere im Kopfe («er ist nicht frei») 
wird zugegeben und auf die Schlaflosigkeit bezogen, aber kein 
Schmerz. Am 16. Januar wird Ascites deutlich, der rasch zu¬ 
nimmt. Dabei bietet die Untersuchung des Unterleibes Symp¬ 
tome, die abweichend vom gewöhnlichen Ascites b- i Leber- 
cirrhose sind, so dass sich bei allen behandelnden Aerzten die 
Ueberzeugung bildet, dass die primäre Neubildung (Carcinom 
oder Sarconi) in einem Oigane des Unterleibes entstanden, und 
auch der Orbitaltumor schon ein secunditrer sei. Unterdessen 
waren am Hinterkopfe noch 2 erbsengrosse Geschwülste unter 
der behaarten Kopfhaut entstanden, die auch pulsirten. Auch 
die immer noch bestehenden schweren Neuralgien im Nacken 
und Kreuz (zuweilen Vertaubung begrenzter Abschnitte der 
Oberschenkel) konnten von Metastasen in den Knochen des 
Schädels oder der Wirbelsäule abhängen. Die Ueberzeugung, 
dass dieser Zusammenhang bestehe, wurde noch besonders bei den 
jenigen Aerzten, die auch den an Nebennieren — und Leberkrebs 
verstorbenen Brnder behandelt hatten (I>r. Kernig), bestärkt 
durch die vielfachen Analogien zwischen beiden Krankheiten. 

Der zunehmende Ascites (Leibesumfang 118 Cm., Hochstand 
des Zwerchfelles bis zur 3. Rippe rechts vorn) brachte grosse 
Beschwerden. Die meisten Klagen bezogen sich auf Schmerzen 
im Epigastrium und auf die alten Schmerzen im Nacken und 
dem hinteren Theil des Halses und im Kreuze. Kopfschmerzen 
waren nicht da. Vom 26. Januar ab trat oft längere Zeit 
bestehende Unbesinnlichkeit auf. In der Nacht auf den 30. 
Januar sprach Pat. zum letzten Mal zusammenhängend. Dann 
trat soporöser Zustand ein und am 1. Februar früh 11 Uhr 
erfolgte der Tod. (Autorreferat). 

Dr. de la Croix berichtet über die von ihm in Gegenwart 
fast aller genannten behandelnden Aerzie am folgenden Mor¬ 
gen ausgeführte Section: Leiche eines kräftig gebauten 
Mannes von leicht gebräunter Hautfärbung. Oedem namentlich 
der unteren Extremitäten. Reichliches Fettpolster. Der Unter¬ 
leib stark vorgewölbt. Bauchhöhle enthält 9 Liter einer leicht 
getrübten blass gelblich gefärbten Flüssigkeit, welche an der 
Luft rasch gerinnt. In der rechten Pleurahöhle einige Unzen 
eines gleichen Transsudates. Lungen oedematös. Herz kaum 
vergrössert. Die serösen Ueberzüge, sowie der Klappenapparat 
normal. Hochgradige atheromatöse Degeneration der Aorta 
im ganzen Verlaufe derselben mit unzähligen Ulcerationen, 
jedoch ohne Verkalkungen und ohne wesentliche Dilatation 
derselben. Kehlkopf. Luft und Speiseröhre normal. Milz stark 
vergrössert. Kapsel in giösserer Ausdehnung beträchtlich 
verdickt mit narbigen Einziehungen an der Vorderfläche. Ge¬ 
webe dunkelbraunroth gefärbt, von derber Consistenz. mit 
erheblicher Verdickung der Trabekeln. Leber 28, 15V«. 17 und 
11 Cm. Oberfläche hochgradig höckerig infolge einer Unzahl 
von blassrüthlieh gefärbten Geschwulstknoten \on kaum über 
Erbsengrösse, welche gleichfalls das ganze Innere des Organes 
einnehmen und nur schmale Züge von Lebergewebe zwischen 
sich lassen, das eine geringgradige Hyperplasie des Bindege¬ 
webes aufweist. In der Nähe des Lig. Suspensorium befindet sich 
auf der Oberfläche des rechten Lappens eine grubige flache 
Einsenkung von fast Handtellergrösse, über welcher die Kapsel 
verdickt erscheint, ohne jedoch strahliges Narbengewebe auf¬ 
zuweisen. Die Nieren nicht vergrössert. Kapseln leicht trenn¬ 
bar. Oberflächen glatt. Das Gewebe bietet nichts Abnormes 
dar. Dagegen lassen sich die Nieren, namentlich die rechte, 
nur schwer aus der Bauchhöhle entfernen, da das sie umge¬ 
bende sowie überhaupt, das gesammte retroperitoneule Zellge¬ 
webe hochgradig verdickt und ziemlich derbe infiltrirt erscheint, 
wobei es auf den .Schnittflächen in grösserer Zahl geschwellte 
lymphdrüsenähnliche Gebilde bis 8 Mm. Länge von ovaler 
Bonn, blassrüthlicber Färbung und fleischiger Consistenz auf¬ 
weist. Diese Verdickung und Infiltration setzt sich auch auf 
das Mesenterium fort, so dass die Radix niesenterii auf der 
Schnittfläche eine Dicke von 6 Cm. erreicht. Die rechte Ne¬ 
benniere besteht nur aus der Rindensubstanz, indem sich an 
Stelle der Marksubstanz ein flacher, mit spärlichen gelbbräunlich 
gefärbten, bröckelig weichen Massen erfüllter Hohlraum vorfand. 
Von der linken Nebenniel e Hessen sich trotz längeren Suchens 
überhaupt keine Spuren auffiuden. Harnblase und Pankreas nor¬ 
mal. Magen mässig dilatirt. Der Darmkanal wurde nicht eröffnet. 

Der Schädel vei hältnissmässig hoch zu seinen übrigen Massen. 
Sein Umfang 53 Cm., seine Länge 18V» Cm., die grösste Breite 
14 Cm. Das mässig verdickte Schädeldach löst sich nur schwer 
von der Dura, auf deren •äusserer Fläche sich gegen 12 flache 
Geschwulstknoten von blassgrauer Färbung und der Grösse 
und Form eines perlmutternen Rockknopfes finden, mit dem 
sie auch fast den schillernden Glanz theilen. Einer dieser 
Knoten in der Gegend deB vorderen unteren Winkels des 
rechten Scheitelbeines hat das Schädeldach durch Usur perforirt 
und tritt an der Anssenfläche des Schädels knopflormig hervor. 
Die Dura mässig verdickt, stellweise mit dem Schädel ver¬ 
wachsen, namentlich entsprechend der vorderen nnd mittleren 
Schädelgrube, woselbst sie hau; tsäciilich an den Durchtritts¬ 
stellen der 1 rigeminusäste und des Facialis linkerseits Ver¬ 
dickungen der Nervenscheiden bildet. Das Gehirn bietet ausser 


Oedem und massiger Anämie nichts Besonderes dar. Nach 
Abmeisselung des Daches der linken Augenhöhle findet sich 
der Bulbus mit sammt dem umhüllenden Fettgewebe sonst 
unversehrt, jedoch nach innen und oben gedrängt durch einen 
die äussere Hälfte der Augenhöhle einnehmenden Tumor von 
etwa Wallnussgrösse, welcher die untere Fläche des Augen¬ 
höhlendaches U8urirt hat und nach Zerstörung eines Theiles 
der Augenhöhlenplatte des Jochbeines an dem hinteren Rande 
des letzteren unter dein Schläfenmuskel zu Tage tritt. 

Wie die mikroskopische Untersuchung der von Dr. Tiling 
angefertigten Schnittpräparate, welche dem Vereine demon- 
strirt werden, ergiebt, handelt es sich in allen diesen verschie¬ 
denen Geschwulstknoten um ein an Capillargefässen sehr 
reiches Sarkom von ziemlich grossen Rundzellen mit bläschen¬ 
förmigem Kerne, von welchem sich auch das retroperitoneale 
Zellgewebe vollständig und die in demselben befindlichen 
Lymphdrüsen herdweise durchsetzt erweisen. Dr. de la Croix 
glaubt den primären Sitz der Geschwulst in das retroperito¬ 
neale Zellgewebe verlegen zu müssen, da ein Vetter des Ver¬ 
storbenen an einer ähnlichen Geschwulst des Mediastinum 
(Sarkoma myxomatodes) zu Grunde ging (siehe diese Wochen¬ 
schrift 1891, p. 275). Alle übrigen Geschwulstknoten in der 
Leber, auf der Dura und a i dem Periost der Augenhöhle 
sieht er als Metastasen an. Ob die Geschwulst des retroperi- 
touealen Zellgewebes vielleicht von der linken Nebenniere 
ihren Ausgang genommen, so dass letztere ganz in die Ge¬ 
schwulstmasse aufgegangen, darüber lässt sich nicht einmal 
eine Vermuthung aussprechen, da von derselben eben überhaupt 
keine Spuren aufzufinden waren. Dagegen scheint jedoch zu 
sprechen, dass die Geschwulst auf der rechten Seite des Un¬ 
terleibes stärker entwickelt war. Den Befund an der rechten 
Nebenniere glaubt Dr. de la Croix durch Erweichung der 
Marksubstanz infolge von Druckatrophie, hervorgerufen durch 
den umgebenden Tumor des Zellgewebes erklären zu müssen. 

2. Dr. Biddor stellt ein Piaparat von dem seltenen Sitze 
eines Carcinoms im Uteruskörper vor. Von 100 Card¬ 
nomen des Uterus betreffen etwa 3 das Corpus, alle übrigen 
den Cervix. Es handelt sich um eine 46 Jahre alte Frau, 
welche 7 Mal geboren, seit 18 Jahren Wittwe ist und seit 
etwa Vl* Jahren an Blutungen aus den inneren Geschlechts¬ 
organen leidet. Im Sommer 1891 war von einem Collegen die 
Abrasio oberflächlich ausgeführt worden ohne Besserung zu 
erzielen, da es immer weiter blutete. Ende Januar 1892, als 
es schon einen Monat stärker geblutet hatte, wurde die Paii- 
entiu von Dr. B. untersucht, welcher den Uterus v« rgrössert 
nnd das rechte Ligamentum latum weniger nachgiebig fand 
als links. Die Schleimhaut der Scheide und der Vaginalportion 
völlig gesund. Die Cervix wurde dilatirt, so dass der Finger 
bequem in die Uterushöhle gelangte, woselbst sich zotiige 
Massen vorfanden. Die mikroskopische Untersuchung eines 
hervorgeholten Stückchens ergab Adenocarcinom. Infolge 
dessen wurde am 1. Februar von Pr. B. zur Totalexstirpation 
des Uterus geschritten. Es wurde die Cervix Umschnitten, das 
hintere Scheidengewölbe eröffnet, die Ligg. lata nn.erbunden. 
Mit Ausnahme von zwei ganz geringen Temperaturerhöhungen 
isi der Wundverlanf ausgezeichnet. Patientin fühlt sich wie 
eine Wöchnerin. Das vorgewiesene Präparat zeigt den ganzen 
Fundus uteri von polypösen Massen eifüllt. Daneben finden 
sich einige Myome in den Uteruswandungen. 

3. Dr. Amburger hat einen Krankheitsfall beobachtet, 
welcher ihn an das in Frankreich n.»cb immer unter dem Na¬ 
men der acuten Aortitis existirende Krankheitsbild erinnert 
(in extenso veröffentlicht in Nr. 26 dieser Wochenschrift). 

Dr. Moritz wendet gegen die von Dr. Amburger angeführte 
Ansicht Hnchard’s, dass in dieser Fällen die Aorta acut 
dilatirt werde durch Erschlaffung ihrer Wandungen, ein, dass 
man in diesem Falle auch die Aorta über dem lugulum fühlen 
müsste. Dr. Kernig glaubt, mau könne sich dieses Krank¬ 
heitsbild auch durch vasomotorische Störungen erklären, indem 
ein solches Trauma auch direct die Ganglien im Anfangstheil 
der Aorta verletzen und so paretische Zustände der Gefäss- 
eonstrictoren liervoi rufen könnte. Dr. Selenkow denkt an 
ein traumatisches Blntextravasat in der Aortenwandung, 
welches am ehesten die anfangs beobachtete Verbreiterung 
der Aortendäuipfuug erklären und welches später resorbirt 
worden sein konnte. Dr. Tiling möchte einen entzünHieben 
Ursprung der Krankheit nicht ganz von der Hand weisen. 
Die Fragen der acuten und chronischen Atheromatosis und 
der Ligaturverwachsung gehörten eng zu einander. Es seien 
das alles Erscheinungen der Entzündung der Gefässe. Er 
erinnert sich eines ähnlichen Falles von localer Entzündung 
einer grossen Arterie. Eine bqjahrte Dame, die nach der Ope¬ 
ration eines Brustkrebses gestorben war, soll 4 Jahre vorher 
aus dem Schlitten geworfen und eine längere Strecke am 
rechten Beine geschleift worden sein. Bei der in Gemeinschaft 
mit Dr. de la Oroix ausgeführten Section fand sich Athero¬ 
matosis, welche auf die rechte Arteria femoralis beschränkt 
war. D. z. Director: Dr. v. Lin gen. 

Secretär: Dr. Jalan de la Croix. 


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274 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Hughes bezeichnet das Benzosol als passenden Ersatz 
für Kreosot. Von 17 Phthisikern, bei welchen Benzosol zur 
Anwenduug kam, nahmen 14 im Laute eines Monats um 
durchschnittlich 2,2 kgr. zu. Bei fiebernden Phthisikern ver¬ 
meidet er das Benzosol. Er verschreibt es in folgender Form: 
Benzosol 5,0, 01. menth. pip. 0,1, f. Trochisci XX 3 Mal täg¬ 
lich 1—2 Pastillen nach den Mahlzeiten. 

(Deutsche medic. Wochenschr. Nr. 53, 1891). 

— Als die einfachste Methode bei verschiedenen Formen 
der Wassersucht grössere Flüssigkeitsmengen zu entleeren, 
empfiehlt Gerhardt Einstiche in das Unterhautbindegewebe. 
Der Kranke wird in einen Lehnstuhl gesetzt, hält die Beine 
ausgestreckt auf einem Brette über einem hölzernen Gefässe. 
Die Unterschenkel werden mit Seife gebürstet, mit Sublimat¬ 
lösung abgewaschen. An jeder Vorderseitenfläche des Unter¬ 
schenkels w;erden mit einem gut desinficirten Messer 4—8 
Stiche durch die Haut angebracht. Sofort werden dann die 
Unterschenkel in Gaze, dann in dicke Lagen sterilisirter 
Watte recht dicht eingewickelt. So oft die Watte durchnässt, 
1—2 Mal am Tage, wird sie von sorgfältig gereinigten Hän¬ 
den rascb gewechselt. In vielen Fällen konnte man auf der 
Gerhardt’schen Klinik mit Hilfe dieser Methode 2,000—6,000 
Ccm. in einem Tage auffangen. 

(Deutsche medic. Wochenschr. Nr. 7). 


Vermischtes. 

— Der Präsident des Velerinär-Comitös und berathendes 
Mitglied des .Medicinalraths, wirkl. Staatsrath Dr. Jerusa- 
limski, ist auf sein Ansuchen wegen Krankheit verab¬ 
schiedet worden. 

— Die medicinische Facultät der Universität Jena 
hat dem Geheimrath Paul v. Kitter in St. Petersburg in 
Anerkennung seiner Verdienste auf dein Gebiete der Natur¬ 
wissenschaften und insbesondere für seine Leistungen auf dem 
Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege die meaicinische 
Doctorwiirde honoris causa verliehen. Von der philo¬ 
sophischen Facultät der genannten Universität, um welche 
v. Kitter sich durch hochherzige Zuwendungen für natur¬ 
wissenschaftliche Zwecke sehr verdient gemacht hat, ist er 
bereits früher zum Ehrendoctor ernannt worden. 

— Der Director des Medicinaldepartements, wirkl. Staatsrath 
Dr. Ragosin, hat sich am 7. Juli in Dienstangelegenheiten 
in den Kaukasus begeben. 

— Mit der Stellvertretung des in’s Ausland beurlaubten 
Präsidenten des Medicinalraths, Prof. Dr. Paschntin ist 
das beständige Mitglied des Medicinalraths, Ober-Medicinalin- 
spector der Flotte, Geh.-Ratli Dr. Kudrin betraut worden. 

— Ernannt: der Privatdocent der Kasanschen Universität 
Dr. Obraszow — zum ausserordentlichen Professor für Der¬ 
matologie und Syphilis an der Universität Tomsk. — Zu Mili- 
tär-Medicinalinspectoren: des Moskauer Militär-Bezirks 
Geheimrath Dr. Schi lz; des Odessaer Bezirks — wirklicher 
Staatsrath Dr. Sauszinski und des Amur-Militär-Bezirks, 
wirkl. Staatsrath Dr. Kadakow. 

— Dtr Professor der Physiologie an der Warschauer Uni¬ 
versität, wirkl. Staatsn th Dr. Nawrozki, ist nach Ausdie- 
nung der 25 jährigen Dienstfrist auf weitere fünf Jahre im 
Dienst belassen worden. 

— Verstorben: 1) In Kasan der Professor derPharmacie 
und Pharmakognosie an der dortigen Universität, wirklicher 
Staatsrath Dr. Valerian Podwyssozki im 70. Lebensjahre. 
Dei Hingeschiedene stammte aus dem Kiewsclien Gouverne¬ 
ment und hatte von 1840—1844 in Kiew uud Chaikow Juris¬ 
prudenz studirt. Als Candidat juris bekleidete er sodann ver¬ 
schiedene Posten am Kameralhofnnd in der Cancellei des Cura- 
toi'8 in Charkow, war darauf Mitglied des Tschernigowschen 
Comitds für bäuerliche Angelegenheiten und Landwirth. In 
seinem 50. Lebensjahre siedelte er nach Dorpat über, wo er 
sich von 1872—78 dem Studium der Medicin widmete. Nach 
Erlangung der Doctoi würde war er Assistent am phar¬ 
makologischen Instituts und von 1879 an Privatdocent an der 
Universität Dorpat, bis er im Jahre 1885 als ordentlicher Pro¬ 
fessor der Pharmacie und Pharmakognosie nach Kasan beru¬ 
fen wurde, wo er bis zu seinem Lebensende docirte. Der 
Verstorbene ist vielfach literarisch tliätig gewesen; die Wis¬ 
senschaft verdankt ihm namentlich eine ganze Reihe werth¬ 
voller pharmakologischer und chemischer Untersuchungen, 
so z. B. des Emetins, Podophyllins u. a. Ausser seiner Uoc 
tor-Dissertation («Anatomische Untersuchungen» über die Zu i- 
gendrüsen der Menschen und Säugethiere») hat P. seine Vor¬ 
lesungen über Pharmakognosie und zahlreiche Aufsätze in 
medicinischen Fachblättern veröffentlicht. 2) Am 1. April der 
Fabrikarzt im Kamyschlowschen Kreise Franz Missuno im 
68. Lebensjahre am Flecktyphus. 3) Im Flecken Tumanowo 


der Landschaftsarzt Wl. Maltschenko im 28,Lebensjahre. 
Der Verstorbene hat seine Wittwe mit einem Kinde ganz 
mittellos hiuterlassen. 4) Im Kirchdorf Ussolje (Gouv. Perm) 
der Fabrikarzt Th. Ardaschew im 32. Lebensjahre am Fleck¬ 
typhus. 5) Am 13. Juli n. St. Dr. Philipp Markbreiter, 
einer der geachtetsten Aerzte Wiens, im Alter von 88. Jahren. 
Der Dahingeschiedene war in früheren Jahren literarisch nnd 
als Begründer der «Wiener Medieiual-Halle», der späteren 
«Wiener medicinischen Presse» auch journalistisch thätig. 

— In Berlin hat am 13. Juli n. St. der bekannte Anatom 
Prof. Dr. Robert Hartmann sein 25jähriges Professor- 
Jubiläum begangen. Ebendaselbst hat vor Kurzem auch der 
berühmte Pädiater, Prof. Ed. Henoch, Director der Klinik 
für Kinderkrankheiten in der Charite, sein 25 jähriges 
Doctor-Jubiläum gefeiert. 

— Prof. Alexander Poehl hat die Concession zur Her¬ 
ausgabe einer Zeitschrift für medicinische Chemie uud 
Pharmacie (JKypH.urb MejqmHHCKoä xnarin h (fcapMapin) in 
russischer Sprache erhalten. Die Zeitschrift wird 4 Mal 
jährlich erscheinen und Originalarbeiten, Referate, Neuigkei¬ 
ten aus der med. Chemie und Pharmacie, Sitzungsberichte ge¬ 
lehrter Gesellschaften des In- und Auslandes, Auszuge und 
Besprechungen von neuen Werken, sowie Bekanntmachungen 
bringen. Der Preis beträgt 2 Rbl. 50 Kop. jährlich. Die Re¬ 
daction ist in Händen des Dr. N. P. Iwanow (früher Mitre- 
dacteur des Wojenno-medizinski Journal) und des Herausgebers. 

— Am 7. Juni fand im hiesigen städtischen Barackenlaza- 
reth die Grundsteinlegung für eine zur Sortirung 
der Kranken bestimmte Baracke statt, welche von dem 
Kapital, das die Generalswittwe Arischtschenko der Stadt 
vermacht hat, erbaut wird. 

— Die japanesischen Aerzte haben beschlossen, dem 
Entdecker der Kuhpockenimpfung Dr. Jenner ein Denkmal 
in Japan zu errichten. 

— Die Pariser Stadtverwaltung hat beschlossen, das be¬ 
kannte Pariser «Höpital Lourcine» in «Hopital Broca» 
zu Ehren des verstorbenen grossen C.iirurgen und Anthropo¬ 
logen Broca umzubenennen. 

— Die Choleraepidemie macht immer weitere Fort¬ 
schritte. Zu den von uns in den letzten Berichten erwähnten 
von der Cholera heimgesuchten Wolga-Städten sind jetzt noch 
Simbirsk nnd Kasan, sowie mehrere kleinere Städte im 
Kasan’schen Gouvernement hinzugekommen. Auch im Nord¬ 
westen des Kaukasus, nämlich in Rostow a./Don, im Ro¬ 
stow’sclien Bezirk, sowie in Asow ist die Cholera in den 
letzten Tagen des Juni-Monats aufgetaucht und hat bereits 
mehrere hundert Opfer gefordert. Von dort ist sie bereits 
längs der Woronesn-Rostower Eisenbahnlinie nordwärts bis 
zur Stadt Woronesh vorgedrungen. In Woronesh erkrank¬ 
ten vom 2.-6. Juli 4 und starben 2; in derselben Zeit wur¬ 
den auf den Stationen der Worouesh-Rostower Eisenbahn 34 
Erkrankungen und 20 Todesfälle constatirt. In allen übrigen 
von der Seuche ergriffenen Ortschaften herrscht die Seuche 
in ungeschwächter Weise fort, am ärgsten in Astrachan. 

Bei den in Ssaratow stattgehabten Ausschreitungen des 
Pöbels haben vorzugsweise die Hospitäler und Aerzte gelitten. 
Es sind die Wohnungen der dortigen Aerzte Steinberg, 
Kondratjew, Tipjakow, Bonwetsch, Beljawski, Ro¬ 
senthal und Almasow demolirt, und 2 Apotheken vollstän¬ 
dig vernichtet worden, bis das mittlerweile eingetroffene be¬ 
waffnete Militär weiteren Zerstörungen Einhalt that. 

— Mittelst Allerhöchsten Befehls ist vom 4. Juli ab die 
zollfreie Einfuhr von Desinfectionsmitteln gestattet, 
falls dieselben von Regierungs- und Communal-Institutionen 
aus dem Auslande verschrieben werden, um von ihnen an 
Privatpersonen im Detailverkauf zu unmittelbarem Gebrauch, 
nicht zum Weiterverkauf, abgelassen zu werden. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 5. Juli d. J. 5432 
(27 weniger als in der Vorwoche), darunter 267 Typhus — 
(61 weniger), 573 Syphilis — (21 weniger), 28 Scharlach — 
(2 weniger), 9 Diphtherie — (4 weniger), 65 Masern — (20 we¬ 
niger) und 11 Pockenkranke (1 weniger als in der Vorwoche). 


Vacanzen. 

1) Im Kreise Bugnlma (Gouv. Ssamara) sind zwei Land¬ 
schaftsarztstellen unbesetzt. Gehalt 1180 Rbl. jährlich 
bei freien Amtsfahrten. Die. Meldung geschieht bei der d>y- 
ryjiBMHHCKaa 3eMcnafl YnpaBa». 

2) Es wird ein Arzt für die Sudogdasche Landschaft 
(Gouv. Wladimir) gesucht. Gehalt 1000 Rbl. jährlich. Wohn¬ 
sitz in der Stadt Sudogda. Nähere Auskünfte ertheilt die 
«CyÄoroÄCKaa yhajiuaa 3eMcicaH Ynpami». 

3) Von der Verwaltung der Gesellschaft der Wladi- 
k awkas-Eisenbahn werden zum Dienst auf der Eisenbahn¬ 
linie während der Epidemie 4Aerzte und 4Studenten der 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETERSBUItfillt 


MEDICIIIISGIE WOCHENSCHRIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr, Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Br. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger lfediciuische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnssitntsprsis ist iu Bauland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Poe tz aste Illing; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xniertionipreil 
für die 3 mal gespalteue Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


9C Abonnements-Aufträge sowie alle Zneerate 'W 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bioker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect >6 14, zu richten.— Äanuecripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
den geschäftsführendeu Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Liteiny Prospect, 55, Qu. 13 zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


N 29 


St. Petersburg, IS. (30.) Juli 


1892 


Inhalt: H. Westphalen: Zar Symptomatologie der fibrösen Mediastinitis. — Referate: v. Ziemssen: Ueber die 
snbcutane Blutinjection und über eine neue einfache Methode der intravenösen Transfusion. — Wilhelm Ebstein (Göttingen): 
Zar Ernährung der Zuckerkranken. — Auszug aus den Protokollen der Medicinischen Gesellschaften Dorpat. — 
Kleinere Mittheilnngen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin 
St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Vierter Aerztetag 

der Gesellschaft livländisober Aerzte. 

Der vierte Aerztetag der Gesellschaft Inländischer Aerzte 
findet in Wenden statt and währt vom 14.—1®. September 
d. Jahres. 

Vorträge, deren Däner die Zeit von 15 Minute» nicht Über¬ 
schreiten darf, werden die Herren Aerztfe ersncht, unter 
genauer Angabe des Themas nnd kurzer Wiedergabe des 
Inhalts baldmöglichst, spätestens aber bis zum 1. August c. 
bei Unterzeichnetem anzumelden. 

Im Namen des Vorstandes: 
d. Z. Präses: Dr. H. Truhart— Fellin. 


Aus dem St. Petersburger Deutschen Alexander-Männer- 
Hospital. 

Casuistische Mittheilungen 

von 

Dr. H. Westphalen 

Prosector. 

III. Zur Symptomatologie der fibrtfsen Mediasti¬ 
nitis*) 

(adhaesive Perikarditis etc.). 


M. H.! Die Krankengeschichte, welche ich die Ehre 
habe Ihnen mitzutheilen, betrifft einen Pat., welcher mit 
kurzen Unterbrechungen vom Sommer 1889 bis zum April 
1892 im Alexander-Hospital behandelt worden ist. Ab¬ 
gesehen von dieser langen Beobachtungsdauer interessiren 
uns hier hauptsächlich die schwierige Diagnose, welche 
schliesslich bei der Section bestätigt wurde, sowie nament¬ 
lich auch einige Fragen ans dem Gebiete der physika¬ 
lischen Diagnostik, welche in den Lehrbüchern theils gar- 
nicht, theils nur ganz nebenbei berührt werden. 

Der Pat.,- um den es sich hier handelt, ist im Ganzen 
15 Mal im Alexander-Hospital stationär behandelt wor¬ 
den nnd hat sich abwechselnd auf der Abtheilung von 

# ) Vortrag, gehalten den 12. Mai 1892 im allgem. Verein 
St. Petersburger Aerzte. 


Dr. Höhlein, Dr. Kntlpffer, Dr. Laksche witz befunden, 
hat jedoch am längsten bei mir in Beobachtung gestanden. 
Die Behandlung wurde vom Oberarzt Herrn Dr. Moritz 
geleitet. 

Friedrich Hollai 50 a. n. Buchbinder, trat zum ersten 
Male in das % Hospital am 17. Juni 1889. ^ ... 

•BeiAsein^-Aufnahme irtachte er die Angabe, das?*&roclvön 
seit längerer Zeit an Asthma leide. Dasselbe sei aber momen¬ 
tan ganz besonders hochgradig geworden. 

Da bei einer allerdings nur nüchtigr ansgefflhrten Unter¬ 
suchung am Herzen keinerlei pathol. Befund constatiit werden 
konnte, Pat. bei tiefem Stande der Lnngenränder nach Art 
eines Asthmatikers athmete, auscultatorisch über beiden Lun- 

§ en verbreitetes kleinblasiges Rasseln neben Pfeifen and 
iemen gehört wurde, so lautete die Aufnahmediagnose: 
Asthraabronchiale; wegen bestehender Diarrhoe wurde 
eine acute Colitis angenommen. 

Darauf hin wurde Tct. Stramonii 
Tct. Opii simpl. 

Liqu. Ammon, anisat. ü 
4 X t. 15 Tropfen ordinirt. 

Es trat darauf Nachlass der asthmatischen Beschwerden ein, 
während gleichzeitig die Application einer Compresse auf den 
Leib ein Aufhören der Diarrhoen bewirkte. 

Nach einigen Tagen wieder Asthma. 

Am 4. Juli wird folgender Status notirt: 

Schmächtig gebauter Mann, Skelett kräftig. Pannicnlus adi- 
posus schwach entwickelt. Keine Cyanose, leichtes Oedem der 
unteren Extremitäten. Klagen über anfallsweise Dyspnoe, 
welche in rein asthmatischer Form mit Zuhilfenahme aller 
inspiratorischen Hilfsranskeln bewerkstelligt wird. 
ßespirations-Org.: Lungen leicht gebläht (hintere Lnn- 

f engrenze in der Maml. an der 6., in der Axill. an der 8. in 
. Scapll. an der 11. Rippe). Auscultatorisch über den Lungen 
verschärftes Inspirinm, Giemen, feinblasiges Rasseln, welches 
namentlich an der linken Herzgrenze besonders zahlreich nnd 
crepitirend erscheint. Sputum glasig schleimig, enthält Cursch- 
mann’sche Spiralen, reichliche sog. desqnamirte pigmentirte 
Lungenalveolarepithelien; niemals wurden, auch später nicht, 
Leyaen’sche Krystalle und Tuberkelbacillen gefunden. 

Circul. Organe: Herzshok nicht bestimmbar, relative 
Dämpfung überragt nach rechts den r. St. R. und nach links 
die linke Maml. grenzt nach oben an die 3. Rippe an. Dieabsol. 
Dämpfung begrenzt sich nach oben durch den 3. JCR„ nach 
links überschreitet sie etwas die linke Maml. nnd nach rechts 
geht dieselbe fast bis an-die Mitte des Sternum heran. Aus¬ 
cultatorisch reine ziemlich laute Töne. Andeutung von Spal¬ 
tung des einen Tones oder Galopprhythmns (?) 


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Pnls 112. Arterien leer. PulsweÜe auffallend niedrig. Tem¬ 
poralarterien leicht geschlängelt. 

Die Leber vergrössert, ihr Band 2—3 QF. unter dem Rip- 
enbogen. Ihre Oberfläche anscheinend glatt, nicht besonders 
art. Das Organ druckempfindlich. 

Milz vergrftwert, undeutlich. fglpabel, Harnapparat 
normal. Temp. normal. 

Ord.: Kalii jodat. 10,0:200,0 36t. 1 Essl. 

5. Juli. Astlyfa besteht fort. 

6. Juli. Jn dar linken A xillarragiosi und dem Traube'achen 
Raum ist eine pleuritisclie Dämpfung aufgetreten, welche nach 
links hin in die Uerzdärapfuug übergeht. Das kleinblasige 
Rasseln verschwunden. 

Ther. ead., ausserdem EmpL Canth. 

7. Juli. Astimmt. Beschwerden wieder stärker. 

10. Juli. Das pleuritische Exsudat verschwunden. Der Percus¬ 
sionsschall hat sich aufgehellt, es wird wieder deutliches Cre- 
pitiren gehört. Pat. fühlt sich so wohl, dass er um seine 
Entlassung ans dem Hospital bittet. Die Entlassungsdiagnose 
lautete: Nunmehr abgelaufene Pleuritis, welche 
mit einer fibrinösen Exsudation in der Gegend 
der linken Herzgrenze begonnen hatte, rasch eine 
seröse Exsudation bewirkte, die nunmehr unter dem 
Einflüsse des Blasenpflasters gewichen ist. Dehnung 
des Herzensf?) cardial - asthmatische Anfälle. Insuf- 
ficienz des Herzmuskels mit Stauungsoedem, Stau¬ 
ungsleber und Staunngsmilz. Wir waren uns bewusst, 
dass diese Diagnose lückenhaft war und nicht Alles erklärte. 
Für die Annahme einer Perikarditis waren zu wenig Anhalts- 

unkte gegeben. Eine Woche nach seiner Entlassung am 17. 

uni trat rat. wieder ein. Trotz des Gebrauches von Jodkali 
war das Asthma wiedergekehrt. 

Am Herzen derselbe Befund. Configuration der Dämpfung 
unverändert. Herzshok nicht fühlbar. Töne laut, über der Herz¬ 
spitze gespalten. 

Auch über den Lungen derselbe Befund, namentlich auch 
Crepitiren. links neben dem Herzen. Ausserdem machte sich 
aber nunmehr L.H.U. über der Lunge deutlich abgeschwächtes 
Athmen bemerkbar. Die Leber vergrössert druckempfindlich. 

Ord. Stramoniumtropfen. Jodkali. 

19. Ueber der Herzspitze wird ein postaystol. Geräusch 
gehört und von Dr. Moritz die Vermiuliung aufgestellt, ob 
dasselbe nicht perikardialer Natur sei. 

Ther. ead., Empl. Canth. auf die Herzgegend. 

20. Asthma geschwunden. 

28. Im Grossen und Ganzen derselbe Befund, wie am 17. 
Juli. Nur ist nunmehr der Spitzenstoss des Herzens im III., 
IV. und V. JCR,, am deutlichsten in der Maml. im IV. 
JCR. fiHiHj«^ geworden. Herztöne rein, gespalten. Accenf anf 
dem 2. Pulraonalton. Ueber der Lunge ohne Dämpfung L.H.U. 
abgeschwächtes Athmen neben reichlichen kleinblasigen Ras¬ 
selgeräuschen, welche links neben dem Herzen fast consonireud 
erscheinen. In der Reg. interscapnl. sin. stark verschärftes 
Vesiculärathmen. Vocal- und Pectoralfremitus beiderseits gleich 
beschaffen. Leber geschwellt, leichte Oedeme. 

Empl. Thapsiae. 

30. Starker asthmatischer Anfall; während desselben Zu¬ 
nahme der Herzdämpfungsgrösse namentlich nach rechts, so 
dass der rechte Sternalrand ca. um 2 QF. überragt wird. An 
den Jugularvenen svstol. Pulsation. Undeutliche Lebervenen¬ 
pulsation. Arterien leer und eng. Puls frequent. Temp. normal. 

Stramoniumtropf. Jodkali. 

5. August. SubjecL Wohlbefinden. Am Herzen der Befund 
vom 28. Juli. 

11. August. Pat. wird entlassen. 

Fragen wir uns, was wir nunmehr als constatirt an- 
sehen können, so wäre es folgendes: 

Lungenblähung. Diffuser Katarrh mit besonderer 
Localisation neben der linken Herzregion. Daselbst ver- 
muthlich ein abgelaufenes lobuläres pneumonisches Infil¬ 
trat. welches eine Pleuritis bewirkt hat, die nunmehr 
abgelaufen ist und eine Compression und Atelektase 
der untern linken Lungenpartien bewirkt hat. Dafür 
würde sprechen die starke Abschwächung des Athemge- 
räusches in den linken hintern und seitlichen Lungen¬ 
partien bei Fehlen jeglicher Dämpfung. 

Worauf ist die Vergrüsserung der Herzdämpfung zu 
beziehen? Eine exsudative Perikarditis, für welche die 
Gestalt und Grösse der Dämpfung sprechen würde, sowie 
der fehlende Spitzenstoss und die Geräusche, welche am 
19. August von Dr. Moritz als perikardiale bezeichnet 
wurden. Gegen die Annahme einer serösen Perikarditis 
muss jedoch eingewandt werden: die Herztöne waren zu 
laut; als das perikardiale Reiben gehört wurde, war die 
Dämpfung nicht kleiner geworden, ebenso wenig wie auch 


als der Herzshok fühlbarer wurde, folglich muss eine 
exsudative Perikarditis ausgeschlossen werden. 
Ebensowenig kann es sich um Verschiebung des Herzens 
handeln; folglich muss die Vergrösserung der Herz- 
dämpfupg a^f eine Vergröaserung also Dilatation 
des ganzen, bezogen werden Ob-daneben eine trockene 
Perikarditis bestanden hat, kann aus dem Apecultations- 
befunde gefolgert werden. Jedenfalls ist dieselbe nur von 
kürzer Dauer gewesen. Neben der Dilatation besteht 
Hypertrophie des rechten Ventrikels, wofür die Accen- 
tuation des II. Pulmonaltones sprechen würde. Auch 
besteht wegen vorhandener Stauung Incompensation der 
Triebkraft des linken Ventrikels. 

Weiter muss sicher gestellt werden, dass mit einem 
schweren asthmatischen Anfall eine Dehnung des Herzens, 
namentlich nach rechts einhergeht, welche eine relative 
Tricuspidalinsufficienz mit systol. Venen- und Leberve- 
nenpulsation bewirkt. 

Mithin musste nunmehr die Diagnose lauten: Lungen- 
blähung. Abgelanfene (muthmaasslich) Pneumonie 
des linken Lungenrandes mit nunmehr abgelau¬ 
fener linksseitiger Pleuritis, welche zu einer 
Atelektase der untern Lungenabschnitte links 
geführt hat. Dilatation des ganzen Herzens. 
Hypertrophie des rechten Ventrikels, trockene 
Perikarditis wohl io directem Uebergange von 
der Randpleuritis her. Herzschwäche, acute Deh¬ 
nung des Herzens als Ausdruck einer Herz¬ 
schwäche mit relativer Tricuspidalinsufficienz. 
Cardiales Asthma. Stauungserscheinungen (Oede¬ 
me, Leber- und Milzschwellung). Diffuser Katarrh 
der kleinern Bronchien. 

Unerklärt blieb die Ursache für die Dilatation des 
Herzens und die Herzschwäche. 

Pat. hatle am 11. Angast das Hospital verlassen, am 18. 
August wurde er wiederum aufgenommen, das Asthma hatte 
sich wieder eingestellt, die Oedeme waren stärker geworden. 

Stat. praes.: Livide Schleimhäute, Cyanose der Fingernägel. 
Periphere Venen stark gefüllt keine Venenpulsation. Starke 
Dyspnoe. Schnappende Inspirationen mit Hilfe aller auxiliären 
Respirationsmaskein. 

Langenbefnnd wie früher. Die Lungen in Inepirations¬ 
stellung, weisen sehr geringe Excursionen auf. Eine grössere 
Dämpfung nicht vorhanden. Allerdings macht der Kranken¬ 
bogen die Angabe, dass sich links an die Herzdämpfung eine 
kleine Dämpfung anschliesst, die offenbar auf «verdichtetes 
Lungengewebe» zu beziehen ist. Abgeschwächtes Athmen l.h.n. 
reichl. feinblasiges nicht consonirendes Rasseln, namentlich 
an der alten Stelle der linken Begrenzung des Herzens. Puls 
sehr klein 132. 

Herzshok nicht bestimmbar. 

Die relative Herzdämpfung beginnt oben an der3.Rippe 
und überschreitet nach rechts um 1 QF. den rechten Sternal¬ 
rand, nach links in derselben Ausdehnung die 1. Mamillarlinie 
Herztöne namentlich im Verhältnis zu dem kleinen Pulse 
sehr laut, rein, über der Tricuspidalis und der Herzspitze 
gespalten. 

Abdomen vorgewölbt. Oedem der Baachdecken, leiohter 
Ascites. Leber den Rippenbogen um ca. V* Handbreite 
überragend, druckempfindlich. Milz vergrössert. 

Also olyectiv dasselbe Bild, in keiner Weise eine Aendernng, 
nur sind die Stauungserscheinnngen stärker und ist ein ge¬ 
ringer Ascites hinzugekommen. 

Vom 18. August bis 20. Sept. hat Pat. nach einander oder 
zu gleicher Zeit gebraucht: Stramoniumtropfen JodkaU, Digi¬ 
talisin fus Tct. Strophanti mit Nitroglycerin, hat im Athmungs- 
stuhl und am Waldenburg'schen Apparat geathmet, ohne dass 
weder in Hinblick auf seine Stauungserscheinungen noch die 
asthmatischen ZnstäDde eine wesentliche Aeuderung erfolgt 
wäre. Auch im olyectiven Befunde keine Abweichung vom 
Stat. praes. des 18. August. Nur findet sich i:n Krankenbogen 
die Notiz, dass zu wiederholten Malen Galopprhythmus beobach¬ 
tet w r orden ist. Am 21. September wird 

Infus. Adonid. vernal 10,0 : 200,0 
Tart. boraxat. 5,0 
Syr. Scillae. 15,0 
3 stündlich 1 Essl. 

ordinirt; daneben Stramoniumtropfen, worauf das Körperge¬ 
wicht absinkt, die Harnmenge steigt und neben besserm sub- 
jectivemBefinden sich eine stärkere Abnahme der Stauungser- 
scheinungen bemerkbar macht. Eine Aendernng im objecuven 


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Verhalten nnr insofern constatirbar, als sich in der linken 
Fossa infraclavicul. und im Bereiche der sich an das Herz 
anschliessenden Dämpfung, wo immer das feine crepitirende 
Bassein gehört wurde, Reiben einstellt; dasselbe findet sich 
zuerst uotirt am 2. October ebenso auch am 4. und 8. October. 
Da Pulsintermisaioaen beobachtet wurden, so wird am 10. 
October die Adonismixtur ausgesetzt und durch Infus, baccar. 
Juniperi ersetzt. 

Am 16. October folgender Status. Der Umfang der linken 
Thoraxhälfte gegenüber der rechten um 2,5 Cm. kleiner. Ge¬ 
linge Excursionen des Thorax, kein wesentlicher Unterschied 
zwischen rechts und links. Luugengrenzen bei der Respiration 
verschieblich, nur an der linken Herzgrenze und 1. s. u. 1. u. 
keine Spur einer respiratorischen Verschiebung, Pectoralfre 
mitUB beiderseits ziemlich gleich, vielleicht 1. h. ob. etwas 
schwächer als r. h. ob. Eine grössere Dämpfung mit Aus¬ 
nahme derjenigen 1. s. nicht vorhanden. Das Athemgeräusch 
rechts überall normal vesiculär, daneben etwas Giemen, lin¬ 
kerseits ist das Athemgeräusch oben vielleicht etwas schwä¬ 
cher als normal und als auf der rechten Seite. Unten ist das¬ 
selbe stark abgeschwächt. Daselbst und namentlich links 
neben dem Herzen feinblasiges Rasseln und respirator. 
Reiben. 

Spitzenstoss in der Mamill. im 5 JCR. schwach fühlbar. 

Relative Herzdämpfung: 3 JCR. 1 QF. nach rechts vom r. 
St.R. ebensoviel nach aussen von d. 1. Maml. Absolute Herz- 
dämpfnng nur ein wenig kleiner, links haben absolute 
und relative Herzdämpfung die gleiche Begrenzung. 
Im Tranbe’schen Raume stossen Herz-, Milz und Leber- 
dämpfnng zusammen. 

Herztöne rein. Bisweilen Galopprhythmus. 

Puls klein, frequent. 

Leber mässig vergrössert, wenig druckempfindlich, glatt 
und mässig hart, geringer Ascites. 

Milz ebenso gross wie früher. 

Oedem der Füsse. 

Urinquant. 1000—1400, frei von Albumen, ohne Cylinder. 

Sputum zeigt stets sehr viel desquamirte Lyngenalveolar- 
epithelien, wenige mehrkernige Leukocyten, Flimmerepithelien, 
gelegentlich Cnrechmann’sche Spiralen. 

Eine auf diesen Befund hin erneute Controlle unserer 
Diagnose war nur im Stande dieselbe weiter zu bestäti¬ 
gen und zu erweitern. Der Umstand, dass der Umfang 
der linken Thoraxhälfte um 2,5 Cra. kleiner gefunden 
wurde, als derjenige der rechten gesunden Seite, wies 
darauf hin, dass thatsächlich eine Schrumpfung we¬ 
nigstens einzelner Abschnitte des Lungengewe¬ 
bes bestand. Dafür sprach auch ferner die mangelhafte 
Verschieblichkeit der untern Lungengrenzen links Wäh¬ 
rend sich die rechte Longe bei der Inspiration expan- 
dirte und auch die linke in normaler Weise in der 
obern Herzregion au dem Herzen sich verschob, musste 
für die untern Abschnitte der linken Lunge und für ihre 
nach links belegenen Randpartien eine Adhäsion mit 
der Brustwand, beziehungsweise mit der linken 
Partie der Pleura mediastinalis angenommen 
werden. 

Die sich hier an die Herzdämpfung anschliessende 
Dämpfung des Lungengewebes konnte sprechen für eine 
Atelektase des Lungengewebes dieser Region; da jedoch 
auch gleichzeitig pleuritisches Reiben gehört wurde, 
musste immerhin auch die Möglichkeit eines lobulären 
pneumonischen Infiltrates in Erwägung gezogen werden. 
Auscultatorisch war darüber kein Aufschluss zu gewinnen. 

Unerklärt blieb auch das Reiben in den obern 
Abschnitten der linken Lunge. Immerhin war dadurch 
die Annahme von Schwartenbildungen an verschiedenen 
Stellen, namentlich aber auch in der Nachbarschaft des 
Herzens links zulässig. Unerklärt blieb auch ferner die 
Ursache für die Dilatation des Herzens. 

Leichter als die Diagnose liess sich die Frage nach 
dem therapeutischen Handeln entscheiden: es bestand 
Compensationsstörung des Herzmuskels und hier musste 
der Hebel der Therapie aügesetzt werden. 

Wie erinnerlich, hatte die Adonis vernalis einen guten Ef¬ 
fect gehabt, die Stannngserscheinungen waren zurückgegan¬ 
gen, jedoch musste mit dieser Mediation aufgehört werden, 
weil sich Herzintermittenzen einstellten. Infolge dessen 
wurde die Adonis durch Jnnipernsinfus ersetzt. Als aber bald 
darauf eine Verschlimmerung des Befindens des Pat. eintrat, 
so wurde am 16. Oct. wieder mit der AdoniB begonnen. — 


Besserung des Befindens, darnach wieder mit Aussetzen des 
Mittels Verschlimmerung, Steigerung der Oedeme und Ab¬ 
nahme der Harnmenge bis auf 400 Ccm. pro die. 

Am 30. Oct. Beginn einer CaloraelcuV. 

Dieselbe hatte einen ganz vorübergehenden Erfolg, eine 
Diurese stellte sich nur anf 2 Tage ein; darnach aber mit 
Eintritt einer Quecksilberintoxication (Diarrhoe, Stomatitis, 
Nierenreizung mit Haematurie) nahezu vollständige Anurie. 
Infolgedessen wurde am 3. Nov. wieder zur Adonis zurtickge¬ 
kehrt und dieselbe nach wenigen Tagen durch Digitalis in 
Verbindung mit einer Milchcur ersetzt. 

Dabei fühlte sich Pat. ausnehmend wohl, Diurese 800—2 '00. 
Schwinden der Oedeme und der übrigen Stauungserscheinun¬ 
gen. Bei vollkommenem Wohlbefinden keinerloi asthmatische 
Beschwerden. Doch liess sich schon jetzt eine relativ zu ge¬ 
ringe Abnahme des Ascites und der Leberschwellung im Ver¬ 
gleich mit dem Schwinden der übrigen Stanungen constati- 
ren. Vom 16. - 18. Nov. machte Pat. während der grossen Influ¬ 
enzaepidemie in St. Petersburg eine Influenza durch, welche 
keine wesentliche Störung seines Allgemeinbefindens hervor¬ 
rief, wohl aber von einer Otitis media (Dr. Neumann) 
gefolgt wurde. 

Am 24. Nov. findet sich wieder ein genauerer Status notirt, 
welcher nahezu vollständig demjenigen vom 16. Oct. ent¬ 
spricht. Das pleuritische Reiben an der linken Herzbegren¬ 
zung noch hörbar, über den obern Abschnitten der linken 
Lunge aber verschwunden. Massige Stauungserscheinungen, 
reine Herztöne, zuweilen Galopprhythmus, systolische Venenpul¬ 
sation am Halse. 

Da sich Pat. leidlich wohl fühlt, so verlässt er das Hospi¬ 
tal an» 26. Nov. um erst am 3. Januar 1890 wieder einzutre¬ 
ten In der Zwischenzeit hat Pat. reichlich Milch getrunken 
und sich leidlich wohl gefühlt, nunmehr ist aber die Anschwel¬ 
lung der Beine und namentlich diejenige des Leibes ganz be¬ 
sonders stark geworden. Stat. praes. Leichte Orthopnoe 
und Dyspnoe bei jeder Bewegung. Massiger Grad von Anae- 
mie, Cyanose der Schleimhäute und der Fingernagel, starkes 
Oedem der Unterextremitäten. Abdomen stark vorgewölbt, 
Nabel verstrichen, deutliches Vorhandensein reichlicher Men¬ 
gen freier Flüssigkeit in der Bauchhöhle. 

Spitzenstoss des Herzens undeutlich fühlbar im 5 JCR. ca. 
1'/» QF. nach aussen von der 1. ML., nicht verstärkt. 

Absol. Dämpf, d. Herz: Obere Grenze 2 JCR., von da ab 
zieht der linke Rand der Herzdämpfung durch die Mamilla 
und erreicht in der Höhe der 5 JCR. eine Begrenzung von 
1 QF. nach links von d. 1. ML. — nach rechts begrenzt sich 
die absol. Herzdämpfung durch eine Linie, die schräg über das 
Sternum bis 2 QF. nach aussen von dem r. St. Rande hin¬ 
zieht. 

Rel. Herzdämpfnng nur ein wenig grösser. Herztöne 
rein, deutlicher Galopp. Accent auf dem II, Pulmonalton. 
Puls kaum fühlbar, Arterien leer, 110. Am Halse systol. Ve¬ 
nenpuls, welcher bei jedem Inspinum deutlicher hervortritt. 

Links vom Herzen eine bis an die vordere Axill—L. reichende, 
nach oben durch die 4. Rippe begrenzte relative Lungendäm¬ 
pfung. Daselbst pleuritisches Reiben und kaum hörbares 
Athemgeränsch. lieber der linken Lunge schwaches Vesicu- 
lärathroen und zahlreiche feine Rasselgeräusche. LHO. 
schwächeres Athmen, Reg. interscap. sin. — verschärftes In- 
Bpirium. Rechts normales Vesiculärathmen. Ueber beiden 
Lungen trockene und feuchte Rasselgeräusche. Pectoralfremi- 
tns 1. n. abgeschwächt. 

Leber und Milzgrenzen wegen des Ascites nicht bestimmbar. 

Stauungsharn mit Spureu von Albumen. 

Otitis media mässigen Grades. 

Also mithin nahezu derselbe Befund, wie auch schon früher 
zu Zeiten grösserer Herzschwäche. 

3.-27. Jan.; Pat. hat nach einander gebraucht: Digitalis, Adonis 
vernalis. Arid, nitric., Apfelsinen. 

Die Diurese besser. Oedeme geringer. Besserung des snb- 
jectiven Befindens, Kleinerwerden der Herzdämpfung (in R.— 
etwas nach aussen von d. 1. Mamillarl. — Mitte des Sternum). 
Keine Venenpulsation, zuweilen Galopprhythmus. Lungenbe¬ 
fund unverändert, Ascites nur wenig geringer. 

Mithin hatten wir es hier wieder mit einer Dehnung des 
Herzens infolge von Herzschwäche zu thun gehabt, 
und nicht mit einem Flüssigkeitsergnsse in das Perikard, wo¬ 
ran leicht hätte gedacht werdeu können, wenngleich auch ein 
palpabler Herzspitzenstoss dagegen sprechen musste. Da aber 
bei Verkleinerung der Herzdämpfung der Spitzenstoss nicht 
deutlich geworden war, so musste infolge dessen eine Verbrei¬ 
terung der Herzgrenzen durch Fltissigkeitsansammlung im 
Herzbeutel ausgeschlossen werden. Vielleicht mag auch 
zur Vergrös8erung der Herzdämpfung noch eine mechanische 
Verdrängung dos Herzens durch Hochstand des Zwerchfells 
bei starkem Ascites beigetragen haben, welche nunmehr mit 
Verminderung der Flüssigkeitsmenge in dem Bauchraame 
verschwand. 

Um diese Zeit wurde eine Exacerbation der Otitis media 
bemerkt, welche zur Perforation desTrommelfelles und 


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280 


zur Entwickelung einer perip'heren Facialisparalyse 
führte. 

27. Jan. — 27. Febr. Therapie: Acid. nitric. — Apfelsi¬ 
nen - später Digitalis — Borsäurespiilong des Ohres — Po¬ 
litzers Luftdouclie — einmal Paracentese des Trommelfells 
(Dr. Schwanebach) — Faradisation des Facialis. 

Während sich dabei der localentzündliche Process am Ohre 
besserte und durch die Digitalis ein leidlicher Zustand in dem 
Allgemeinbefinden des Pat. bewirkt wurde, und auch cardial- 
asthmatische Zustände nur selten beobachtet wurden, machte 
sich eine stete Zunahme des Ascites bemerkbar, auf welche 
die Digitalis gar keinen Einfluss auszuüben schien. Dieser 
Umstand musste die Annahme rechtfertigen, dass der Ascites 
viel weniger dnrch Incorapensation des Herzens bedingt war, 
als vielmehr seine Begründung in der Leber selbst zu suchen 
war. Die langandauernde venöse Hyperaemie der Leber hatte 
augenscheinlich eine cyanotische Induration, eine Binde- 
gewebsentwickelung in der Leber bewirkt, die wiederum 
ihrerseits eine Stauung im Portalgebiete — Ascites und Milz¬ 
tumor zur Folge hatte. 

Infolge Zunahme des Ascites wurde am 27. Februar eine 
Punction vorgenommen und 7,200 Ccm. einer klaren leicht 
grünlich gefärbten Flüssigkeit (spec. Gew. 1,022 Alb. 4 pCt. 
(Esbach’s Albuminimeter) aus dem Cavum abdominis entleert. 
Darnach Bindeneinwickelung des Leibes. Gleich nach der 
Punction folgender Status: 

Absol. Herzdämpfung: 4. E. — Mitte d. Sternum — etwas 
nach aussen von d. 1. Mamillarl.; etwas nach aussen von der¬ 
selben findet sich auch der Spitzenstoss im 5 JCE. Damit 
war bewiesen, dass ein Theil der grossen Herzdämp¬ 
fung; auf hohen Zwerchfellstand bei bestehendem 
Ascites zu beziehen war. Daneben bestand aberauch 
Dilatation des Herzens nach rechts und links. Plen- 
ritisches Reiben schon seit längerer Zeit geschwunden. 

Nach der Punction wurde ausschliesslich das kranke Ohr 
und die Facialisparalyse behandelt. 27. Febr. — 14. März 
vollkommenes Wohlbefinden. 

Herzgrenzen: Absol. Dämpf.: 3 JCE. - nach aussen von der 
Mamilla, Mitte des Sternum. Spitzenstoss wie am 27. März, 
reine Töne, kein Galopp. Puls 70, immer sehr klein. 

Links vom Herzen eine kleine Lungendämpfung mit feinem 
Rasseln und stark abgeschwächtem Athmen. Lungengrenze 
hierselbst absolut nicht respiratorisch verschieblich. 

Keine Stauungserscheinungen, leichter Ascites, Leber und 
Milz kleiner als früher aber grösser als normal. 

Harnmenge ca. 1000 ohne Eiweiss. 

14. März Pat. entlassen. 

Recapituliren wir an dieser Stelle unsere Diagnose: Lun¬ 
genblähung, abgelaufene (mnthmaassliche) Pneumonie des lin¬ 
ken Lungenrandes mit abgelaufener Pleuritis mit Schwarten¬ 
bildung, welche zu einer Atelektase der linken unteren Lun¬ 
genabschnitte und zur Adhaesion derselben mit der Pleura 
parietalis und mediastinalis geführt hat. Dilatation des gan¬ 
zen Herzens, Hypertrophie des rechten Ventrikels, trockene 
Perikarditis, wohl in directem Uebergange von der Randpleu¬ 
ritis. Cardialasthmatische Beschwerden als Ausdruck von Herz¬ 
schwäche, verbunden mit acuter Dehnung des ganzen Her¬ 
zens und Phasen relativer Tricuspidalinsufficienz. Chron. 
Incompensation des Herzens mit Stauungen. Venöse Hype¬ 
raemie der Hautdecken, Nieren, Leber, cyanotische Induration 
der Leber, infolgedessen chron. Milztumor und starker Asci¬ 
tes, welcher durch Digitalis nicht beeinflusst wurde. Hoch¬ 
stand des Zwerchfells wegen des Ascites mit Verlagerung des 
Herzens. Influenza mit Mittelohreiterung und peripherer Fa¬ 
cialisparalyse. Katarrh der feineren Bronchien. 

Die Ursache für die Herzdilatation und die Herzschwäche 
unerklärt. 

Am 7. Juli 1890. Eintritt des Pat. in das Hospital. Er 
verblieb in demselben bis zum 21. Juli. Jedoch aus dieser Pe¬ 
riode nichts Bemerkenswerthes zu melden. 

Erneuter Eintritt des Kranken in das Hospital am 27. Juli 
mit der Angabe, dass er in letzter Zeit fast täglich vom 
Asthma heimgesucht wurde. 

Status praesens: Allgemeine Cyanose. Keine Oedeme, 
etwas Ascites, keine Pulsation der Halsvenen. Temp. normal. 
Puls sehr klein, 120. Starke Dyspnoe, Galopprhythraus. Im 
Uebrigen der schon bekannte objective Befund. Leber stark 
vergrössert. 

Nachdem sich bei der Behandlung mit Strophantus, Pyridin 
und Milch das subjective Befinden gebessert hatte, wurde am 

9. Sept. ein genauerer Status aufgenommen: 

Rel. H. D.: beginnt an der zweiten Rippe, geht bogen¬ 
förmig durch die linke Mamilla zur Stelle des Spitzenstosses, 
welcher schwach fühlbar sich 1—l 1 /* QF. nach aussen von 
der 1. Main. L. im 5 JCR. findet. Nach rechts überschreitet 
die Herzdämpfung den rechten Sternalrand um 1 QF. 

Absol. H. D.: dementsprechend kleiner, fällt jedoch links 
mit der relativen zusammen. Auscultatorisch am Herzen 
reine Töne in Galopprhythmus, daneben erkennt man jedoch 
noch eine Erscheinung, welche bisher nicht beobachtet wurde: 


ein weiches systolisches Geräusch, welches über der ganzen 
untern Herzgegend nur bei der Inspiration hörbar ist und 
mit Vertiefung derselben lauter wird. Bei oberflächlichem 
Athmen und im Exspirium ist von dem Geräusche absolut 
nichts zu hören. 

Gleichzeitig bemerkt man, dass im Inspirium der Herzstoas 
deutlicher hervortritt. Am Halse leichte Ündulation der Venen, 
bei jedem Inspirium eine deutliche systol. Pulsation der Venen. 
Ebenso neben leichter Pulsatio epigastrica. aber unabhän¬ 
gig von dieser ausgesprochene Pulsation der Leber, welche 
direct an die Inspirationsphasen gebunden ist. 

An beiliegendem Cardiogramm erkennt man sehr gut das 
stärkere Hervortreten des Herzstesses beim Inspirium, 
also das entgegengesetzte vom normalen Verhalten. Das 
Sphygmogramm zeigt eine leichte Erniedrigung der Pulswellen 
im Inspirium. 

Diese Erscheinungen werden von jetzt ab bei jeder Unter¬ 
suchung des Kranken bemerkt. Ueber den Lungen mit Aus¬ 
nahme der kleinen Dämpfung neben dem Herzen links keinerlei 
Schalldifferenz. Ueber beiden Lungen Katarrh der feinem Bron¬ 
chien. Das Atheingeräusch fast über der ganzen linken Lunge 
schwächer als rechts, namentlich links seitlich fast ganz auf- 

g ehoben, wo auch der Pectoralfremitus kaum zu fühlen ist, 
•aselbst sehr zahlreiche feine und feinste Rasselgeräusche. 
Leichter Husten mit Expectoration eines glasigen Schleimes, 
Curchmanu’s Spiralen, keine Krystalle, reichliche desquamirte 
sog. Lungenalveolarepithelien. 

Milz vergrössert palpabel, derb. 

Leber gleichfalls recht gross, der freie Rand abgerundet, 
leicht druckempfindlich, Ascites kaum vorhanden. 

Urin normal. 

(Schluss folgt). 


Referate. 

v. Ziemssen: Ueber die subcutane Blutinjection und über 
eine neue einfache Methode der intravenösen Trans¬ 
fusion. (Münchener med. Wochenschrift. 1892, Nr. 19). 

Um die Gefahren der Menschenbluttransfusion (Freiwerden 
von grossen Mengen Fibrinferment beim Deflbrinireu und 
Destruction der rothen Blutkörperchen), auf die mit besonderem 
Nachdruck Bergmann in seiner bekannten Rede (1883) hin¬ 
gewiesen hatte, zu umgehen hat v. Ziemssen bekanntlich das 
mit einer Spritze ans der Vene entnommene Blut direct unter 
die Haut gespritzt und dnrch Massage zur Resorption gebracht. 
Die Methode und ihre guten Resultate dürfen wohl als bekannt 
vorausgesetzt werden. Die Methode hat aber doch ihre Schat¬ 
tenseiten, deren Vermeidung wünschenswert ist: der Effect 
tritt nicht so schnell ein, wie es zuweilen bei acuten Anämien 
erforderlich ist, das Verfahren ist so schmerzhaft, dass es un¬ 
bedingt Chloroformnarkose nöthig macht und wahrscheinlich 
geht in Folge der gewaltsamen Einpressung des Blutes eine 
grosse Zahl von Blutzellen zu Grunde. 

Desshalb ist v. Z. neuerdings zur intravenösen Transfnsion 
zurückgekehrt, u. zw. injicirt er, das aus der Vene des Blut¬ 
spenders mittelst Hohlnadel in die Spritze eingezogene Blut 
mittelst einer zweiten Hohlnadel unmittelbar (ohne es zu de- 
fibriniren) in die Vene des Blutempfängers. Strenge Asentik, 
ist natürlich erforderlich. Das Instrumentarium ist einrach: 
mehrere Hohlnadeln mit Gummirohransatz und 3 Glasspritzen 
von je 25 Ccm. Gehalt, ein grosses Gefäss mit sterilisirtem 
Wasser in einem Warmwasserbad. Das Verfahren ist folgendes: 
um den Oberarm des Blutspenders und Empfängers wird eine 
Binde fest angelegt. In die Vena mediana aes Spenders wird 
eine Hohlnadel eingestochen (was immer leicht gelingt), die 
mit sterilisirtem Wasser gewärmte Spritze eingesetzt und das 
Blut angesogen. Unterdessen hat ein Assistent die andere 
Hohlnadel in die Vene des Empfängers eingestochen, etwas 
Blut abfliessen lassen, den Gummischlauch comprimirt und die 
Binde am Oberarm gelockert. Dann wird die gefüllte Spritze 
eingesetzt und das Blut injicirt. Während dessen wird eine 
zweite Spritze an dem Arm des Blutspenders vollgesogen und 
die Injection nach Entleerung der ersten mit der zweiten 
fortgesetzt. Eine dritte Spritze ist Döthig damit jedesmal die 
entleerte Spritze, um jeden Rest von Blut zu entfernen, mit 
sterilisirtem Wasser ausgespritzt werden kann. 

Bis jetzt hat v. Z. nach dieser Methode 7 Transfusionen 
gemacht (durchschnittlich 250 Ccm.). Zweimal, als die Blut¬ 
aspiration verzögert wurde und dadurch sich in der Hohlnadel 
des Empfängers ein Gerinnsel bildete, das allerdings entfernt 
wurde, trat Frost und mehrstündige Temperatursteigerung 
bis 39° auf. Später war alles normah Zweimal folgten leichte 
Temperatursteigerungen ohne weitere Folgen, in den übrigen 
Fällen war gar keine Reaction zu bemerken. Kein Fieber, keine 
Hämoglobinurie. Anfangs stieg' der Hämoglobingehali des 
Blutes bedeutend, um nach einigen Tagen sich wieder erheb 
lieh zu erniedrigen. Der Effect war im Ganzen befriedigend 


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281 


doch ist die Zahl der Transfasionen noch zn klein nm ein 
bestimmtes Urtheil über den therapeutischen Werth des Ver¬ 
fahrens abzngeben. Wan ach. 

Wilhelm Ebstein (Göttingen): Zur Ernährung der 
Zuckerkranken. (Deutsche med. Wochenschr. Nr. 19, 
1892). 

Verf. weist auf das von Johannes Hundhausen aus dem 
Weizeneiweiss dargestellte Aleuronat hin, das ein für Diabe¬ 
tiker sehr geeignetes Ersatzmittel des gewöhnlichen Brodes 
zu sein scheint. (Nicht zu verwechseln mit den Woltering’- 
schen Kleberpräparaten). Das Aleuronat ist ein eigenartiges 
Fabrikat und wird als Nebenprodukt bei der Stärkefabrikation 
aus Weizen gewonnen. Es ist ein trockenes Pulver von gelb¬ 
licher Farbe, fast geruch- und geschmacklos, haltbarer als 
Mehl, billiger als Fleisch und so dem wenig Bemittelten zu¬ 
gänglich. Von der allergrössten Bedeutung ist die constante 
Zusamen Setzung des Aleuronats insofern, als es anscheinend 
niemals unter einen Gehalt an N. von 80 pCt. — zu sinken 
und über einen Gehalt von 7 pCt. Kohlenhydraten zu steigen 
scheint. Durch die im Voit’schen Laboratorium angestellten 
Versuche ist die Ausnutzbarkeit des Aleuronats im Darme 
des Menschen und der Thiere als eine sehr gute, sogar bes¬ 
sere als die des Fleisches festgestellt worden. Vor 2 Jahren 
wurden zuerst in Zürich auf Anregung von Dr. Heim Brode 
mit Aleuronatzusatz gebacken. Aus Aleuronat selbst lässt 
sich nämlich kein geniessbares Brod herstellen. Diese mit 
Znsatz von Aleurona gebackenen Brode wurden vortrefflich 
ausgenützt. Das Brod schmeckte sehr gut und wurde gut 
vertragen. Auf Veranlassung des Verf. wurden nun von einer 
Göttinger Firma (Conditorei Oron und Lanz) Aleuronatbrode 
für Zuckerkranke gebacken und zwar in drei Sorten, welche 
in aufsteigender Reihe 30, 40 und 50 pCt, Slickstoffsubstanz 
in der Trockensubstanz enthalten. Ein Diabetiker kann un- 
efähr '/» Pfund eines in seiner Trockensubstanz 50 N. ent- 
altenden Aleuronatbrodes geniesten, wobei er ungefähr 72 Gr. 
Kohlenhydrate und 80 Gr. Pflanzeneiweiss zu sich nimmt, so 
dass also auch der Zuckerkranke einen verhältnissroässig 
rossen Theil seines Eiweissbedarfs wie der gesunde Mensch 
urch Pflanzeneiweiss decken kann. Verf. empfiehlt auf das 
Wärmste die Anwendung des Aleuronats in der Praxis. 

A b e 1 m a n n. 


Auszug aus den Protokollen 

der Medicinischen Gesellschaft zu Dorpat. 

Sitzung am 4. März 1892. 

Herr Ströhraberg macht Mittheilnng über den Erfolg der 
Behandlung der Lues universalis während der Eruptious- 
und frühen Recidiyperiode mit Injectionen von Hydrar- 
gyr. salicyl. im Dorpater Hospital. Vortragender schilderte 
zunächst in Kürze die zur Zeit üblichen Behandlungsmethoden 
der Syphilis nach Kaposi (Pathologie und Therapie der 
Syphilis 1891), wobei er die Inunctionscur mit Ung. Hydrar- 
gyr. einer, trotz der ihr anhaftenden Unbequemlichkeiten und 
Nachtheile als die sicherste Methode bezeichnet?.. Ferner 
theilte er mit, dass Prof. Dehio seit einigen Jahren im Dor¬ 
pater Hospital zur Behandlung der Syphilis mit intra- 
mii8culären Injectionen unlöslicher Hg-Verbindungen, und zwar 
Calomel, flydrargyr. oxydnlat. nigr. und Hydrargyr. salicyl. 
übergegangen ist, über welche Mittel seine Assistenten Haud- 
ring, Hartraann und Lezius in der Petersburger medic. 
Wochenschrift referirt haben. Referent übernahm die syphi¬ 
litische Weiberabtheilnng im Januar dieses Jahres und setzte 
daselbst die Behandlung mit Hg. salicyl. fort. Das Material 
zum heutigen Vortrage verdankt er zum grössten Theil den 
Krankengeschichten Prof. Dehio’s und zum kleinern Theil 
seiner eigenen Beobachtung. Das Material bezieht sich auf 
491 Injectionen an 77 Kranken, von welchen sich 66imErup- 
tions- und 11 im frühen Recidivstadium befanden; die mittlere 
Zahl der zur Behandlung erforderlich gewesenen Injectionen 
betrug 6. Bei dieser Behandlung schwanden die condylomatösen 
Erscheinungen schnell, Sklerosen dagegen meist sehr langsam. 
Die bekannten und schon vielfach beschriebenen unangeneh¬ 
men Erscheinungen nach den Injectionen wurden selten, 
Abscesse und Unglücksfälle gar nicht beobachtet. Obgleich 
die überwiegende Mehrzahl der im Dorpater Hospital an 
Syphilis behandelten Kranken beim Auftreten der Recidive 
nicht mehr im Hospital erscheint, so wurden dennoch bei 12 
von den 77 Kranken die Recidive im Hospital behandelt. 5 
von diesen Kranken erschienen schon einen Monat, nachdem 
sie 5—8 Injectionen erhalten hatten. Die Recidive traten auf 
in Form von Condylomen und Ulcerationen und zwar nicht 
selten Condylome mit so lebhafter Wucherung, wie man sie 
meist nur bei solchen Patienten sieht, die garnicht behandelt 
worden sind und wie sie dem Referenten nach regelrechter 
Schmiereur nicht zu Gesicht gekommen sind. Referent hält 


die Zahl der beobachteten Recidive für eine grosse und meint 
in Anbetracht des Charakters derselben, dass die niclit gefahr¬ 
losen Injectionen unlöslicher Hg-Verbindungen der Inunctions- 
enr den Vorrang nicht streitig machen, vor welcher sie zudem 
nicht einmal den Vorrang der genauen Dosirung beanspruchen 
können. 

Herr Dehio hält eine richtig durchgefnhrte Inunctionscur 
für die sicherste und erfolgreichste Behandlungsmethode. Er 
hat sich zur Injectionsiuethode nur aus dem Grunde ent¬ 
schlossen, weil die letztere bei den gegebenen Hospitalver¬ 
hältnissen allein mit der nöthigen Zuverlässigkeit durch¬ 
führbar war. 

Herr von Zoege kann sich, was den Werth der Inunctions¬ 
cur anlangt, nur dem Vortragenden anschliessen. Es sei diese 
Behandlungsmethode als das Normal verfahren anzusehn. Den¬ 
noch können aus den angeführten Zahlen seiner Ansicht nach 
keine Schlüsse auf die therapeutische Wirksamkeit gemaeht 
werden, da die Thatsache, dass von 77 Kranken 12 Recidive 
aufweisen, nichts Befremdliches hat, und wohl auch bei den 
andern 65 Recidive auftreten werden, ob sie nun mit Innnction 
oder Einspritzung behandelt werden. 

Ueberhaupt sei die Kritik der therapeutischen Wirkung 
eines Hg-Präparates geradean den häufigsten Symptomen schwer 
zu prüfen; Drüsen und Induration bleiben bei jeder .Form der 
Behandlung. Exantheme schwinden auch ohne eine solche. 
Für leientere Fälle könne die Injectionscur jedenfalls ganz 
gut die Innnction ersetzen, wenigstens habe er ganz günstige 
Wirkung von Hg-salicyl. gesehn. 

Herr Ströhmberg: Die Einführung der Injectionen unlös¬ 
licher Hg-Salzebei der Synhilisbehandlnng im Dorpater Hospital 
ist ein unbestreitbares Verdienst des Herrn Prof. Dehio. da 
es die Möglichkeit gewährt, an einem für Dorpat verhältniss- 
mässig grossen Material die Wirkung dieser Methode kennen 
zu lernen. Dass die Recidive eine der Secundärperiode eigen¬ 
tümliche Erscheinung sind, ist allbekannt und der Vortra¬ 
gende hat auf diese bekannte Thatsache schon dadurch hinge¬ 
wiesen, dass er von der Behandlung der Recidivperiode der 
Syphilis durch Ipjectionen unlöslicher Hg-Verbindungen sprach. 
Bei dieser Behandlung ist die Dosirung ganz illusorisch, da 
man nicht wissen kann, wie viel von dem injicirten unlös¬ 
lichen Salze resorbirt wird. Im Ludw-ig’schen Laboratorium 
hat man noch nach Wochen 65 pCt des eingespritzten Hg 
am Orte der Injection gefunden. 3 Monate hindurch in Pansen 
von 5—7 Tagen fortgesetzte intramusculäre Injectionen un¬ 
löslicher Hg-Verbindungen hält Referent für unthunlich. Nicht 
die Recidive an und für sich und die Zahlen seiner kleinen 
Statistik sondern der Charakter der Recidive scheint gegen 
die neue Behandlungsmethode und zu Gunsten der lnunctionen 
zu sprechen. 

Herr Kengsep macht drauf aufmerksam, dass in dem Mo¬ 
natsheft für praktische Dermatologie 1891 Nr. 12 eine Arbeit 
«Einige Bemerkungen über den Gebrauch des Hg bei der 
Therapie der Syphilis» von Rieteraa vorliege, die im Sinne 
des Vortragenden gehalten eine Injectionscur mit Emulsion 
nnlöslicher Hg-Verbindungen verwirft, da die Anzahl und die 
Schwere der Recidive nach ihrer Anwendung zunehmen sollen. 
Ausserdem tritt Rietema für eine gut geleitete interne Be¬ 
handlung mit Hg. oxyd. tannicuin oder mit Sublimat lebhaft 
ein, indem er sie einer richtig angewandten Einreibungs- oder 
Inunctionscur mit einem auflösbaren Hg-Salz als gleichwertig 
hinstellt. Es wäre wünschenswert die von Rieteraa warm 
empfohlene Anwendung von Hg ox\d. tannic. (3 Mal täglich 
100 Milligr. unmittelbar nach dem Essen einzunehmen), wo die 
Inunctionscur nicht gut durchführbar ist. näher zu prüfen. 

z. Z. Secretär: Dr. Robert Koch. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— In der «Deutsoheu medic. Wochenschrift» Nr. 5, berich¬ 
tet Cassel (Berlin) über die Behandlung des Keuchhu¬ 
stens mit Bromoform. Das Mittel wurde verabreicht in 
Dosen von 3—4 Tropfen 3 Mal täglich im ersten Lebensjahre, 
in den folgenden 3 Mal täglich 4—5 Tropfen. Ueble Neben¬ 
wirkungen wurden in keinem einzigen Falle beobachten Die 
Betrachtung der von Cassel reproducirten Carven lehrt, 
dass die Zahl der Anfälle nach Darreichung des Bromoforms 
ganz entschieden herabgesetzt wurde, ebenso wurde die In¬ 
tensität der Anfälle günstig beeinflusst; von einer Abkürzung 
des gesamraten Krankheitsverlaufes konnte aber absolut nicht 
die Rede sein. In letzter Beziehung dürften Belladonna, Chi¬ 
nin, Chloral und Antipyrin getrost mit dem Bromoform con- 
curriren. 


Vermischtes. 

— Die St. Petersburger städtische Sanitätscoramis- 
sion ersucht die Aerzte, welche die ärztlich sanitäre Auf¬ 
sicht in einem der Rayons der Residenz für den Fall des Auf¬ 
tretens der Choleraepidemie übernehmen wollen, solches in der 


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882 


Canzellei der Sanitätscommission, im Gebäude der Stadtduma, 
anzuzeigen. 

W ie verlautet, ist der Privatdocent der Chaikowschen 
Universität Dr. L. Bartenew als ausserordentlicher Profes¬ 
sor auf den Lehrstuhl der Kinderkrankheiten an die Universi¬ 
tät Tomsk berufen worden. 

— Dr. P. F. Fedorow hat sich mit Genehmigung derCon- 
ferenz der militär-medicinischen Akademie als Privatdocent 
für Zahnkrankheiten an derAcademie habilitirt. Bis 
jetzt ist dieses Fach dort nicht gelesen worden. 

— Verstorben: 1) Im Chwalynsk am 28 Juni d r dortige 
Stadarzt Alexander Moltschanow, welcher von einen 
Volkshaufen während der Unrnhen in Anlass der Cholera 
erschlagen wurde. Der Verstorbene stand im 34. Lebensjahre 
und war seit 10 Jahren als praktischer Arzt dort thätig. 
2) Der Reeervearzt Nikolai KesBler. 3) Der Zarewsche 
Kreisarzt Wl. Al. Golowkin in 36. Lebensjahre. 4) Am 
0. Juni der IAndschaftsarzt des Jelissawe^grad’schen Kreises 
N. A. Masslow an Dysenterie. 5) Am 15. Juli n. St. in Sö* 
dermanland der ehemalige Professorder Anatomie am Caroli- 
nischen lnstitnt in Stockholm. Dr. Gustav von Düben im 
70. Lebensjahre. Der Hingeschiedene hat zahlreiche Werke 
herausgegeben; mehre Jahre war er auch Redacteur der med. 
Zeitschrift «Hygiea» 6) In New-Orleans der Professor der 
Chirurgie Dr. F. G. Richardson. 

— Am 1. Juli n. St. vollendeten sich 25 Jahre, seit der 
berüBtate Berliner Physiolog, Prof. Dr. Emil du Bois-Rey- 
mond als beständiger Secretär der Berliner Academie der 
Wissenschaften fungirt. 

— Der bekannte Physiolog Prof. J. Rosenthal in Erlan- 

en beging am 13. Juli n. St. sein 25jäbriges Professor- 

ubiläum. Er war anfangs Professor extraord. in Berlin 

ist seit 1872 Ordinarins in Erlangen. 

— Bei den hiesigen Marien-Mädchenschulen sind 
n ©o®r<iing8 zwei Posten für Schulärzte creirt. Gehalt 
Und Pension sind für diese Posten nicht ausgesefzt, sondern 
«ur 120 Rbl. Fahrtengelder für jeden! Es können beide Posten 
auch von einem Arzte bekleidet werden, welcher dann 240 R. 
zu Fahrten erhält. Die ärztliche Arbeit ist also eiue unent¬ 
geltliche! 

*~ Uor Wittwe des Dr. Polnjechtow, welcher auf der 
Charkow-Asower Eisenbahn verunglückte, wurde vor einiger 
Zeit vom Chaikowschen Bezirksgericht eine Entschädigung 
im Betrage von 20.000 Rbl. seitens der erwähnten Bahn zuge¬ 
sprochen. Die Gerichtspalate hat aber diese Entscheidung 
des Bezirksgerichts aufgehoben und der Wittwe des Arztes 
ndch die Zahlung der Gerichtskosten auferlegt. 

— Bezüglich des Ablasses von starkwirkenden 
Arzneimitteln nach Signaturen ist seitens der St. Pe¬ 
tersburger Residenz-MedicinalVerwaltung an die hiesigen Apo¬ 
theken vor Kurzem nachstehende Vorschrift erlassen worden: 
Es kommt, wenn auch selten vor, dass der Arzt anf dem 
Recept oder der Signatur vermerkt, dass die Arznei einige 
oder viele Male zu wiederholen ist, und wurde denn auch ge¬ 
mäss solcher Signatur anstandslos das starkwirkende Mittel 
aus den Apotheken ohne jedesmalige Unterschr ft des Arztes 
abgelassen. auf den Signaturen dabei aber stets vermerkt, 
wie viel Mal, entsprechend der ersten Angabe des Arztes, die 
Arznei noch repetirt werden konnte. Da nun gemäss dem 
Art. 263 Bd. XIII der Medicinalgesetze der Ablass von stark¬ 
wirkenden Arzneien nur dann zugelassen ist. wenn diese vom 
Arzt unterzeichnet sind, so schreibt die städtische Medicinal- 
verwaltung vor, in Zukunft Wiederholungen von Arzneien, 
welche starkwirkende Mittel enthalten, nicht anders als mit 
der jedesmaligen Unterschrift des Arztes versehen, abzu¬ 
lassen. 

Nach dem Jahresbericht der Universität Tomsk 
pro 1891 betrug die Gesammtzahl der Studirenden zum 
L Januar 1892 289. von denen 76 dem I Cursus, 105 dem II, 
Ir ^ un< * ^ dem Curaus angehörten. Was die 
Vorbildung der Studirenden anbetrifft, so haben nur 78 (26.9 
pCt.) ihre Bildung in Gymnasien genossen, während die Mehr¬ 
zahl, nämlich 225 (70,93 pCt.), in geistlichen Seminaren erzo¬ 
gen sind. Ausserdem sind 5 Studenten von anderen Univer¬ 
sitäten übergeführt und 1 (ein Kirgise) hat ein Lehrersemi¬ 
nar absolvirt. Der Confeasion nach sind 254 Studenten ortho¬ 
dox-griechischer Confession, 5 Katholiken, 2 Protestanten und 
1 Mokamedaner. Stipendien erhielten im I. Halbjahr 57, im 
zweiten 61 Studirende (21,1 pCt. der Gesammtzahl). 

— In Berditschew hat das langjährige Stadthaupt Fer¬ 
dinand Libbe, welcher vor 2 Monaten im 82. Lebensjahre 
starb, ein bedeutendes Kapital zu Wohlthätigkeitszwecken 
vermacht, unter Anderem auch 20,000 Rbl. der Universität 
Kiew zu Stipendien für unbemittelte Studenten. 

— Die Sammlung zur Ausrüstung und Unterhaltung von 
fünf barmherzigen Schwestern, welche sich der Pflege der 
Leprakranken in Sibirien widmen, hat bereits 6738 Rbl. er¬ 
geben. 


— Die Gesellschaft zur Wahrung der Volksgesundheit be¬ 
absichtigt in nächster Zeit hier einige Muster-Bäckereien 
zu ei öffnen, in welchen alle Sorten Brot ohne irgend welche 
Beimischung und zu billigen Preisen verkauft werden sollen. 

— Die Stadtverwaltung von London hat beschlossen, jedem 
Arzt, welcher in irgend einem Unglücksfalle auf der Strasse 
med. Hülfe leistet, am Tage 5 Schilling, in der Nacht 10 
Schilling (nach dem gegenwärtigen Course 2'/a, resp. 5 Rbl.) 
zu zahlen. Ausserdem hat die Stadt für die erste Hülfelei- 
stnng bereits für diesen Zweck angestellte Aerzte, welche 
eine feste Gage von je 450 Pfd. Sterling jährlich (gegen 
4,500 Rbl.) beziehen. 

— Wie verunreinigt die Stadt Moskau ist, beweist ein Ans¬ 
spruch des dortigen Stadthauptes, dass behufs Reinigung der 

anzen Stadt täglich 30,000 Fässer Unrath einen Monat hin- 

urch ausgeführt werden müssten. In Wirklichkeit werden 
jedoch nur 900 Fässer ausgeführt. Trotzdem liat die Duma 
nur 20,000 Rbl. für Sanitätsmaassregeln bewilligt 

— Prof. Werigo (Odessa) empfiehlt, in Anbetracht der Ver¬ 
teuerung der Carbolsäure, zur Desinfection den S t ein koh¬ 
len t.heer, (mit Zusatz von Petroleum oder Naphta flüssig 
erhalten) welcher wegen seines Gehaltes an Phenolen ein 
kräftiges Desinflciens sein soll. 

— In Anbetracht der beim Medicinaldepar erneut aus ent¬ 
fernten Orten einlaufenden Meldungen von Personen des 
ärztlichen Standes zur Abkommandirung in die Cholera-Ge¬ 
genden. sowie angesichts der Anfragen über die Bedingungen 
der Abkommandmmgen macht das Medicinaldepartement 
bekannt, dass für die Abzukommandirenden folgende Remu¬ 
nerationen festgesetzt worden sind: Personen, welche im 
Range eines Stabsofficiers stehen, erhalten 450 Rbl. znr Aus¬ 
rüstung, 115 Rbl. monatl. Gage nnd 75 Rbl. Reisegeld für 
jede 1000 Werst bis zum Bestimmungsort; Personen im Ober- 
officiersrange 300 R. znr Ausrüstung, 100 R. Gage und 50 R. 
Reisegeld; Studenten 200 R. zur Ausrüstnng, 60 R. Gage nnd 
25 R. Reisegeld für 1000 Werst; Feldscher 60 R zur Aus- 
rtistnng, 43 R. 75 K. Gage und 25 R. Reisegeld für 1000 Werst. 
Mit der Anmeldung sind zugleich die Standesdoeuraente dem 
Med.-Departement einzusenden; Feldscher haben ausserdem ein 
Zeugniss von ihren nächsten Vorgesetzten (MedicinalVerwal¬ 
tung, Stadt- oder Kreisarzt) über ihre Qualiflcation zur Ab- 
komraandirung hinsichtlich ihres Alters und ihrer moralischen 
Eigenschaften beiz abringen. 

— Die Choleraepidemie greift, wenn auch langsamer, 
immer weiter um sich; die Intensität derselben scheint aber 
in den von der Seuche zuerst heimgesnehten Orten wie Baku 
und Astrachan abzunehmen, — wenigstens hat sich das Ver¬ 
hältnis der Zahl der Genesenen zu der der Verstorbenen in 
letzter Zeit an diesen Orten viel günstiger gestaltet. Zu den 
von der Cholera ergriffenen grösseren Wolga-Städten ist jetzt 
Nishni-Nowgorod hinzngekommen. Dort wurden am 7. Juli 
die ersten verdächtigen Erkrankungen constatirt, von denen 
sich einige als Cholera erwiesen. Zum 10. Juli gab es dort 
bereits 15 Kranke, am 13. Juli erkrankten 26, starben 9 nnd 
verblieben 46 in Behandlung; in den Kreisen dieses Gouverne¬ 
ments erkrankte 1 und starben 3. Hoffentlich werden die in 
Nishni-Nowgorod ergriffenen energischen Massregeln verhin¬ 
dern dass die Seuche von dort aus nach allen Weltgegenden 
verschleppt wird, wozu namentlich die bereits eröffnete Messe 
leicht beitragen kann. Der Stadt gegenüber ist auf der Wolga 
ein schwimmendes Choleralazareth angelegt, mit dem die Com- 
munication nur auf Böten vermittelt wird. 

Bei den in Astrachan stattgehabten Cholerakravallen 
ist ein Feldscher getödtet und sind die DDr. M. A. Mysch- 
kin, S. M. Popow und Dr. N. St. Ssokolow vom Pöbel 
arg misshandelt worden, so — dass der letztgenannte lebens¬ 
gefährlich krank daniederliegt. In Chwalynsk ist Dr. 
Moltschanow auf einer Fahrt mit dem Polizeichef durch 
die Stadt mit einem Stein erschlagen worden. Der Polizei- 
bearate konnte sich retten. In Pokrowskaja Sloboda bei 
Ssaratow ist im Cholerahospital ein Feldscher erschlagen 
worden; der Arzt wurde von dem Pöbelhanfen glücklicher¬ 
weise nicht gefunden. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilliospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 12. Juli d. J. 5374 
(58 weniger als in der Vorwoche), darunter 257 Typhus — 
(10 weniger), 591 Syphilis -— (18 mehr), 26 Scharlach — 
(2 weniger). 10 Diphtherie — (1 mehr), 43 Masern — (12 we¬ 
niger) und 9 Pockenkranke (2 weniger). 


Vacanzen. 

1) In Rostow a./Don ist der Posten des Oberarztes am 
örtlichen Stadthospital (mit 400—500 Betten) erledigt. 
Gehalt 2400 Rbl. jährlich bei freier Wohnung mit Beheizung 
und Beleuchtung. Den- Vorzug erhalten Personen, welche 
bereits an grösseren Hospitälern gedient haben. Die Meldun¬ 
gen nebst den Documenten sind auf den Namen des Rostow*- 


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sehen Stadthanptes an die Stndtduma von Rostow einzu- 
senden. 

2) Die Jaroslaw’sche Gouverneinen U-Landschaft 
sucht einen Arzt für den Dienst in der Landschaft. Gehalt 
150 Rbl. monatlich bei freien Amtsfahrten. Die Meldung ge¬ 
schieht bei der «HpocuaBCK&fl TyfiepHCKaa 3encKaa ynpaea». 

3) Im Kreise Ssolikamsk (Gouv. Perm) ist eine Land¬ 
schaftsarztstelle im Kirchdorfe Nerdwo zu besetzen. 
Gehalt 1500 Rbl. jährlich bei freien Fahrten. In Nerdwo be¬ 
findet sich ein kleines Krankenhaus mit 10 Betten. Die Meldung 
geschieht bei der «Co.nntaMCitafl Scmckuh YnpaBa». 

4) Die Verwaltung der Koslow-Woronesh-Rostow-, 
Eisenbahn sucht 6 Aerzte für den ärztl. Dienst auf der 
Linie für die Zeit der Choleraepidemie. Gehalt 400 Rbl. mo¬ 
natlich und Vergütung der Reisekosten. Zu melden persönlich, 
schriftlich und telelegraphiseh in St. Petersburg, Galernaja 
Nr. 3 oder in der Balinverwaltung in Woronesh. 

5) Es werden für die temporären Krankenasyle, welche 
imFalledes Auftretens der Cnolera an der Wolga zwischen 
Rybinsk und Nishni-Nowgorod eingerichtet werden sollen, 
Aerzte, Studenten der Medicin (V. und IV. Cursns) 
Feldscher und Feldscherinnen (von denRoshdestwenski’- 
schen Cursen) gesucht. Remuneration der Aerzte je nach Ver¬ 
einbarung, der Studenten des V. Cursup 180 R. und des IV. 
Cursns 129 R., der Feldscher 90 R. und der Feldscherinnen 
120 R. monatlich bei freier Hin- und Rückreise und als Aus¬ 
rüstungsgeld eine Monatsgage. Refl. haben sich an den Ge¬ 
schäftsführer des Departements der Chaussen- nnd Wasser- 
verbindnngen, Ingenieur E. J. Wilken, im Ministerium der 
Wegecommnnication zu wenden. 

6) Die Verwaltung der Orenburger Eisenbahn sucht 
für die Zeit der Choleraepidemie 10 Aerzte, 12 Studenten 
der Med. und 12 Feldscher. Remuneration der Aerzte 
400 R. monatlich, Eisenbahnbillet I. CI. und 100 ß. Reisegeld; 
der Studenten 200 R. monatl., Billet II. CI. und 40 R. Reise¬ 
geld; der Feldseher 150 R., Billet II. CI, und 40 ß. Reisegeld. 
Die Meldung geschieht in St. Petersburg. Katharinenkanal 
Nr. 14, oder in der Verwaltung der Bahn ln Ssamara 

7) Es werden sofort Aerzte und Studenten der Medic. 
zur Bekämpfung der Choleraepidemie gesucht von den Land¬ 
schaften der Gouvernements: Ssaratow (Gehalt der 
Aerzte 250 R. nnd der Studenten 150 R. monatlich und 50 R. 
zu Fahrten), Ufa (Gehalt der Aerzte 200 R., der Studenten 
100 R.) und Wjatka (Gehalt der Aerzte 200 R., der Studenten 
120 R.). Meldung bei den betreff. Gouv.-Landschaftsämtern. 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs,, 
Für die Woche vom 5. Juli bis 11. Juli lfttt'i. 

Zahl der Sterbefälle: 

I) nach Geschlecht nnd Alter: 


Im Ganzen: 


M. W. Sa. 


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CO 


J2 cB et cc cS & d d et W- ce “9 2 

269 221 490 111 62 81 4 1 12 48 39 37 35 fr 19 5 2 
2) nach den Todesursachen:: 

- Typh. exanth. 3. Typh. abd. 7, Febris reewreM’O, 'ihijöius 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 2. Mas«« JO, deharwehü, 
Diphtherie 1, Croup 0, Keuchhusten 3, CroupOat £angen- 
entztindung 12, Erysipelas 4, Cholera nostras 0, 'Thalcrs isi> 
tica 0, Ruhr 4, Epidemische Meningitis 0, Acuter CfdeBkrimi- 
matismns 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, AaUnautO, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 1, Pvämie und Septicaemie 5, 
Tnberculose der Lungen 72, Tnbercnlose anderer Organe 2, 
Alkoholismus und Delirium tremens 2. Lrtwn§wj)iwSche und 
Atrophia infantum 28, Marasmus senilis 19, Krankheiten des 
Yerdauu ngscanal s 99 . Todtg eb orene 22. _ 

Die Bibliothek des Vereins St, Petersburger 
Aerzte wird im Laufe de« Sommer* zagänglich sein am 
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xvii. Jahrgang ST. PETERSBURGER Neue Folge IX. Jahrg. 

lEDimilSOIE WOCIEISCIßllT 

unter der Redaction von 

Prof. Br. Earl Behio. Br. Johannes Erannhals. 

Dorpat. Riga. 

Br. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medieiuische Wochenschrift) erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonstmentipreil ist in Busland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. I'ostzustellung; in den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionepreli 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabziige ihrer Origiualartikel zugesaudt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogeu honorirt. 


09“ Abonnementi-Anfträge sowie alle Znierate *991 

bittet mau ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Blote in 
St. Petersburg Newsky-Prospect Ji 14, zu richten. — Äannscripte 
sowie alle aufaie Redactiou bezüglichen Mittheilungen bittet mau au 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Liteiny Prospect, M 55, Qu. 13 zu richten. Sprech- 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 


30 


St. Petersburg, 25. Juli (6. August) 


1892 


Inhalt: H. Weatphalen: Zur Symptomatologie der fibrösen Mediastinitis. (Schluss). — Referate: P. Ehrlich: 
Ueber Immunität durch Vererbung und Sängung. — C. Mangold: lieber den multilocnlären Echinococcus und seine Taenie. — 
F. Fischei und C. Enoch: Ein Beitrag zu der Lehre von den Fischgiften. — A. Tochtermann: Ueber die Circulations- 
störnngen im epileptischen Anfalle. — Bttcheranzeigen und Besprechungen: G. de Rnyter und F. Kirchhoff: Cora- 
pendinm der allgemeinen Chirurgie. — Auszug aus den Protokollen der Medicinischen Gesellschaft zu Dorpat. — 
Kleinere Mittheilnngen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Mortalitäts-Bulletin St. Peters¬ 
burgs. — Anzeigen. 


Ans dem St. Petersburger Deutschen Alexander-Mftnner- 
Hospital. 

Casuistische Mittheilungen 

von 

Dr. H. Westphalen 
Prosector. 

III. Zur Symptomatologie der fibrösen Mediasti¬ 
nitis*) 

t (adhaesive Perikarditis eto.). 


(Schluss). 

Der Schwerpunkt des Interesses in diesem Status 
dürfte sicherlich in die Erscheinungen einer durch die 
Athmungsphasen bedingten relativen Tricuspidal — mög¬ 
licherweise anch Mitralinsufficienz verlegt werden. Er- 
stere wäre bewiesen durch den Nachweis einer systoli¬ 
schen rückläufigen Welle in dem Gebiete der Vena cava 
ascendens und descendens (positive Halsvenen- und Leber¬ 
pulsation und Vorhandensein eines systolischen Geräu¬ 
sches über dem untern Sternnmende). 

Das Geräusch muss besonders betont werden gegen¬ 
über den Angaben vonSibson 1 ), der in 4 Fällen von Ver¬ 
wachsung der Pericardialblätter unter einander Leber¬ 
pulsation gesehen hat. An dem Bestehen einer wirkli¬ 
chen, wenn auch relativen Tricuspidalinsufficienz muss 
auch weiter festgehalten werden in Berücksichtigung der 
Arbeiten von Prinee *), welcher auch bei ganz gesunden 
Individuen das Auftreten physiologischer Herzgeräusche, 
namentlich über der Mitralis, aber auch an den andern 
Herzostien beschrieben hat. Er fasst dieselben theil- 
weise als exocardiale-cardiorespiratorische, theilweise als 


# ) Vortrag, gehalten den 12. Mai 1892 im allgem. Verein 
St. Petersburger Aerzte. 

‘) Sibson, vergl. die Angaben von Fraentzel Vorlesungen 
über die Krankheiten des Herzens H, p. 264, 1891. 

*) Prince Boston Jonrnal. Jan. 81. 1889. New-York Record, 
April 20, 1890. 

Vergl. Virchow-Hirsch Jahresber. 1889. II, p. 165. 


wirklich endocardiale Geräusche auf. Ein näheres Ein¬ 
gehn auf seine Arbeit würde indessen zu weit führen. 

Jedenfalls handelt es sich in unserem Falle um das 
thatsächliche Bestehn einer mit der Inspiration zusam¬ 
menfallenden und durch dieselbe bewirkten Insufficienz 
des Tricuspidalostiums, möglicherweise, da das Geräusch 
gleich laut über der Herzspitze gehört wurde auch einer 
Insufficienz des Ostiom atrio-ventricul. sin. Da das 
Geräusch bei ruhigem Athmen und bei der Exspiration 
ebensowenig, wie die davon abhängigen Pulsationen der 
Halsvenen und der Leber wahrgenommen wurden, und 
in ihrer Intensität der Tiefe der Inspiration parallel wa¬ 
ren, so muss daraus gefolgert werden, dass in der In¬ 
spiration ein Moment gegeben war, welches eine für 
den Klappenschluss des Ostium zu grosse Erweiterung 
desselben bewirkte. 

Eine solche Dehnung des Ostium kann nur von aussen 
her durch Zug des ganzen Herzens oder von innen her 
durch Drucksteigerung im* Herzen selbst bewirkt werden. 

Halten wir zunächst an der ersten Voraussetzung fest, 
an einem Zuge des Herzens durch Thoraxerweiterung 
bei der Inspiration, so ist eine absolut nothwendige Vor¬ 
bedingung eines solchen das Bestehen von Adhaesionen 
des Pericard mit der Brustwand oder dem Zwerchfell 
oder der Lunge wenn letztere gleichfalls mit der Tho¬ 
raxwand verwachsen ist. 

Während unter normalen Verhältnissen, wo keinerlei 
Adhaesionen der Pleurablätter unter einander oder mit 
dem Pericard bestehen, das Herz in seiner Lage durch 
die Inspiration kaum beeinflusst wird, und sich die Lun¬ 
gen an dem Herzen vorbei zwischen demselben und der 
Brustwand verschieben, müssen sich bei Adhaesionsbil- 
dnng der genannten Theile unter einander die Verhält¬ 
nisse je nach den Respirationsphasen wesentlich anders 
gestalten. Bei jedem Inspirium wird die Peripherie der 
horizontalen Querschnittsebene des Thorax grösser, mit¬ 
hin muss auch der Abstand eines jeden beliebigen Punk¬ 
tes dieser Peripherie von der Mittellinie des Sternum 
bei jeder Vergrösserung der Peripherie d. h. bei jeder 
Inspiration grösser werden. Besteht nun an diesem 


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286 


Punkte eine grössere flächenhafte Verwachsung der Lunge 
mit der Brustwand, derart, dass sich die Lunge nicht 
an dem Punkte verschieben kann, so wird die Lunge 
den Excursionen des Punktes folgen. Bestehen gleich¬ 
zeitig andere grössere Adhaesionen des Herzbeutels mit 
der Brustwand oder der fixirten Lunge, so wird auch 
der Herzbeutel an dem Zuge theilnehmen und auch das 
Herz selbst eine Lage Veränderung in der Richtung des 
Zuges nach aussen erleiden. Es würde jedoch diese 
Verlagerung ausbleiben, wenn auch an der entgegenge¬ 
setzten Seite der Herzbeutel durch ähnliche Verwach¬ 
sungen festgehalten wird. Das Resultat eines solchen 
Zuges wäre dann nicht die Verschiebung des Herzens 
in toto, sondern eine Dehnung desselben beim Inspirium 
mit Erweiterung und consecutiver Insuffizienz seiner 
Ostia atrioventricul. 

Das Symptom einer inspiratorischen Dehnung des Her¬ 
zens würde demnach das Bestehen einer fibrösen Media¬ 
stinitis, einer adhaesiven Perikarditis cxt. voraussetzen. 
Es fragt sich nun, in wie weit die geforderten Bedin¬ 
gungen auch in unserem Falle zutreffen. Für die linke 
Lunge und die linke Herzfläche war der Nachweis einer 
Adhaesionsbildung nicht schwer zu erbringen: Die Lunge 
verschob sich nicht an dem linken Rande des Herzens, 
hierselbst deckte sich auch die absolute Herzdämpfung 
mit der relativen, ein Symptom, auf welches Jürgen- 
sen 3 ) bei der Diagnose einer Verwachsung des Herzbeu¬ 
tels mit der Costalwand besonderes Gewicht legt. Ob 
auch rechterseits eine ähnliche Verwachsung bestand 
konnte zwar nicht mit Sicherheit entschieden werden, da ja 
direct im Kranken>»ogen darauf hingewiesen wird, dass 
sich die Lunge an der rechten Herzseite an dem Her¬ 
zen vorbei verschob. Damit war aber noch nicht die 
Möglichkeit jeglicher Adhaesionsbildung in den rech¬ 
ten seitlichen oder hintern Abschnitten des Herzbeutels, 
sei es mit der Brustwand oder der Lunge, ausgeschlos¬ 
sen. Wie wir noch sehen werden zeigte die Autopsie, 
dass ^tatsächlich eine solche Verwachsung, wenn auch 
in geringerm Grade bestand. 

Für eine Lokomotionsänderung ebenso gut wie für eine 
Dehnung des Herzens sprach auch ferner das paradoxe 
Verhalten des Spitzenstosses. Im Gegensätze zu dem 
normalen Verhalten wurde der Ilerzshock bei jedem ln- 
spirium deutlicher, augenscheinlich weil das Herz — wie 
solches von Martius 4 ) ausgeführt worden ist — bei 
jeder Inspiration in grösserer Ausdehnung mit der Brust- 
waud in Berührung kam, oder sich mit den Respira¬ 
tionsphasen verschob. Das exspiratorische Verschwin¬ 
den des Spitzenstosses bei der fibrösen Mediastinitis wird 
auch v n Riegel 5 ) betont. 

A' :ere Symptome einer Mediastinitis fibrosa, welche 
jedoch bei überwiegender Lokalisation dieser Erkrankung 
an der Herzbasis und in der Umgebung der grösseren 
Gcfässe in Function treten dürften, bestanden hier nicht. 
Weder konnten wir einen deutlichen Pulsus paradoxus 
(Griesinger, Kussmaul) noch ein inspiratorisches 
Anschwellen der Halsvenen, unabhängig von der Tricus- 
pidalinsufficienz (Friedreich) constatiren. Ebensowenig 
bestand auch irgend ein Hinweis auf das Vorhandensein 
einer Synechie der beiden Perikardialblätter. Die Erwä¬ 
gung, dass solche Zustände häufig ganz symptomenlos ver ¬ 
laufen schloss jedoch nicht die Möglichkeit einer Oblite¬ 
ration des Herzbeutels aus 

Mithin erschien es nicht unwahrscheinlich, dass 
der Symptomencomplex der relativen Tricuspi- 
dalinsufficienz durch eine Dehnung des ganzen 
Herzens durch inspiratorischen Zug mediastinaler 
Adhaerenzen bedingt war. Damit musste dann 

J ) Jürgensen Lehrt), d. spec. Pathol. u. Tber. 1886 p. 454. 

4 ) Martius. Berl. kliu. Woehensehr. 1889, 42. 

5 j Vergl. Strümpell. Lehrb. d. spec. Path. u. Ther. 1883. 


neben einer Tricuspidalinsufficienz auch eine 
Schlussunfähigkeit der Bicuspidalklappen ange¬ 
nommen werden. 

Die zweite Möglichkeit, welche wir ins Auge gefasst 
hatten, war eine Dehnung des Herzens durch Steigerung 
des intracardialen Druckes. Im citirten Lehrbuche von 
Fräntzel findet sich mii Bezugnahme auf eine ähnliche 
Beobachtung Traube’s die Krankengeschichte eines 
Mannes von 50 Jahren, welche möglicherweise in Pa¬ 
rallele mit unserem Falle gestellt werden könnte. Der¬ 
selbe litt an hochgradigem Lungenemphysem, starrem 
Thorax, kaum beweglichen Lungenrändern, chron. Bron¬ 
chialkatarrh, starken bindegewebigen Verwachsungen der 
Pleurablätter, sein Herz war nach links, namentlich aber 
nach rechts dilatirt, hypertroph. Daneben die Erschei¬ 
nungen einer deutl. Tricuspidalinsufficienz, welche post 
mortem als relative festgestellt wurde. Fräntzel B ) 
machte die Diagnose auf Mitralstenose und consecutive 
Tricuspidalinsufficienz. Bei der Section erwiesen sich 
sämmtliche Herzklappen als gesund. Infolge dessen ver¬ 
legt Fräntzel für diesen Fall das primäre Moment in 
die Lungen, er nimmt an, dass die Widerstände für die 
Blutcirculation in den Lungen so hochgradig waren, 
dass infolge der starken Dehnung des rechten Herzens 
das Ostium desselben zu weit, seine Klappen flir dasselbe 
zu kurz geworden waren. Uebertragen wir diesen aetio- 
logischen Zusammenhang auf unseren Fall, so könnten 
wir annehmen, dass das Asthma des Pat. gar kein car- 
diales, sondern ein bronchiales gewesen war, bei gleich¬ 
zeitig vermehrtem Lungenvolumen, wodurch an und für 
sich schon die Behinderung für die Thätigkeit des rech¬ 
ten Herzens gegeben war. Bei jedem Asthmaanfall fand 
eine Zunahme der Lungenblähung statt, damit wuchs 
auch das Hinderniss für das rechte Herz, das Blut 
staute sich in demselben und bewirkte eine vorüberge¬ 
hende Dehnung des rechten Herzens durch Druckzunahme 
in demselben, welche mit Aufhören des Asthmaanfalles 
schwand. Dadurch Hesse sich die Herzdilatation während 
der Anfälle erklären. Die Dehnung wäre dann Folge der 
Anfälle, nicht wie wir angenommen hatten Ursache der 
Anfälle. Bei jedem Inspirium ist der venöse Abfluss 
in die Vorhöfe und das rechte Herz erleichtert, es muss 
infolgedessen der Ventrikel im Inspirium mehr Blut 
enthalten. Ist nun seine Wand schon dehnungsfähiger 
als normal so wären hierdurch die. Bedingungen einer be¬ 
sonders starken Dehnung des Herzens mit relativer 
Tricuspidalinsufficienz gegeben. Doch müsste dann noth- 
wendigerweise gleichzeitig auch der erleichterte venöse 
Abfluss aus den Lungen in den linken Vorhof durch ir¬ 
gend ein Moment proportional gestört sein, damit überhaupt 
eine relative Tricuspidalinsufficienz auf diesem Wege 
entstehen kann. Und dafür dürfte es schwer sein, einen 
Beweis zu erbringen. 

Dieses ist auch der Grund, weswegen mir die letztere 
Erklärung der Entstehung einer Tricuspidalinsufficienz 
bei der Inspiration nicht wahrscheinlich erscheint, und 
möchte ich daher an der ersten Erklärung festhalten, 
welche eine Mediastinitis zum Ausgang nimmt. 

Die zweite Hypothese könnte vielleicht bei oberfläch¬ 
licher Betrachtung darin eine Stütze erhalten, dass wir 
bei unserem Patienten so häufig Galopprhythraus beobach¬ 
tet haben, da derselbe zwar am häufigsten in Verbindung 
mit Schrumpfniere, aber auch relativ häufig bei Strömungs¬ 
widerständen im Gebiete der Pulmonalarterie gefunden 
worden ist. (Traube 1 ). Johnson 8 )). Andererseits wird 
sein Vorkommen bei verschiedenerlei Herzaffectionen be¬ 
beschrieben: bei Arieriosclerose alter Leute, Mitralinsuf- 
ficienz (Johnson), bei Perikarditis; gastrohepatischen 
Affectionen(Potain,Bari6). Von Fraentzel undSchmall 


*) 1. c. 

7 ) u. # ) cit. in Fraentzel 1. c. 


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287 


und Kriege 9 ) wird dem Galopprhythmus zur Zeit nur eine 
prognostische Bedeutung zuerkatmt; derselbe wiese auf 
einen stärkeren Grad von Herzschwäche hin und bean¬ 
spruche prognostisch eine ernstere Auffassung der Herz¬ 
tätigkeit. In unserm Falle wurde der Galopprbythmus, 
namentlich in den spätem Phasen der Krankheit stets 
eine Zeit vor und während der Asthmaanfälle be¬ 
obachtet. Mehrfach konnte wegen Auftreten des Galoppr. 
darauf geschlossen werden, dass in Bälde ein asthmati¬ 
scher Anfall zu erwarten war, was auch meist zutraf. 
Daraus kann der weitere Schluss gezogen werden, dass 
die Anfälle cardial—nicht bronchialasthmatischer Natur 
waren, denn sonst wäre das Vorangehn des Galopprhyth¬ 
mus vor dem Anfalle schwer verständlich gewesen. 
Schliessen wir die bronchialasthmatische Natur der An¬ 
fälle aus, so muss damit auch die zweite Erklärung der 
relativen inspiratorischen Tricuspidaliusufficienz hinfällig 
werden, und nehme ich infolge dessen an, dass 
die Schlussunfähigkeit der Herzklappen am 
rechten, wohl auch am linken Ostium atrio- 
ventricul. bedingt war durch inspiratorische Deh¬ 
nung des Herzens bei fibröser Perikarditis ext. 
und glaube ich dass ein solches Symptom in andern 
Fällen zu einem diagnostischen Rückschluss auf das Vor¬ 
handensein einer fibrösen Mediastinitis berechtigt. 

Das Vorhandensein einer Verwachsung des Perikard 
mit den Nachbarorganen würde an sich schon ausreichen, 
um das schwere Leiden des Kranken und die Dilatation 
des Herzens durch die Widerstände für die Herzaction 
(Fräntzel) zu erklären, wenn letztere nicht schon lange¬ 
bestanden hätte bevor die Mediastinitis festgestellt wurde. 
Wenn wir uns nicht damit trösten wollen, dass die Me¬ 
diastinitis einfach übersehen worden war so müssen wir 
nothwendigerweise auch für die Dilatation des Herzens, 
soweit dieselbe vor Constatirung der Mediastinitis bestand 
nach weitem Ursachen forschen, speciell nach Ursachen 
für die Erweiterung des linken Herzens, da sich die¬ 
jenige des rechten Herzens sehr gut durch Störungs¬ 
widerstände im Pulmonalarterienkreislauf erklären liess. 
Dass wir es hier mit einer Dilatation des linken Ven¬ 
trikels ohne organische Klappenerkrankung zu thun 
hatten, war von vornehereln klar, welches war aber die 
Aetiologie dieser Dilatation? 

Es war gedacht worden an die Rückwirkung einer 
Granularatrophie der Niere oder einer allgemeinen Ar- 
teriosclerose, wofür die leichte Schlängelung der Tempo¬ 
ralen sprechen konnte. Abgesehen davon, dass kein 
Symptom das Bestehen einer chron. interstitiellen 
Nephritis andeutete, musste gegen beide Hypothesen vor 
allen Dingen das Fehlen jeder Hypertrophie des Ven¬ 
trikels angeführt werden. Dieser negative Umstand ver- 
anlasste uns gleichfalls die Vermuthung aufzugeben, es 
könnte sich hierum einen Fall von sog. angeborener Enge 
des Arteriensystems handeln. 

Andere Erklärungen waren ebensowenig zu erbringen. 
Der leichte Beruf des Kranken als Buchbinder, der Um¬ 
stand, dass er trotz eingehender Anamnese jegliche stär¬ 
kere Arbeit leugnete, schloss die Möglichkeit einer Dila¬ 
tation infolge Ueberanstrengung des Herzens aus, ebenso 
wie auch die durchaus nüchterne Lebensweise des Kranken 
die Annahme einer Dehnung des Herzens wegen Alko¬ 
holmissbrauch oder zu reichlicher Flüssigkeitsraengen in 
den Gefässen unmöglich machte. Eine Ilerzdehnung nach 
Perikarditis musste gleichfalls negirt werden, da die 
Dehnung schon vor dem Beginne einer Perikarditis vor¬ 
handen war. Augenscheinlich lag das ursächliche Deh¬ 
nungsmoment in der Herz wand selbst. Wenigstens bewies 
die so häufig beobachtete vermehrte Verbreiterung der 
Herzgrenzen während der asthmatischen Anfälle von Herz- 


•) Schmall und Kriege. Zeitschr. f. kl.Medic. XVIII. 


schwäche, dass das Myokard des Herzens abnorm deh¬ 
nungsfähig war. 

Vielleicht lagen in dem Herzen unseres Patienten 
ähnliche anatomische Veränderungen vor, wie sie neuer¬ 
dings in dem Myokard von Krehl 10 ) und Romberg “) 
durch mühevolle Untersuchungen an Schnittserien von 
ganzen Herzen, namentlich als Folgezustände von Infec- 
tionskrankheiten beschrieben worden sind. Ihnen gebührt 
das Verdienst durch ihre Arbeiten das dunkle Gebiet 
der sog. idiopathischen Herzerkrankungen eingeschränkt 
und dasselbe auf eine mehr anatomische Grundlage gestellt 
zu haben. 

Im klinischen Sinne hatten wir es in unserm Falle 
mit einer idiopathischen Herzdilatation ohne genügende 
aetiologische Grundlage zu thun, es sei denn, dass wir 
annehmen, dass Pat. bevor er uns zu Gesichte kam irgend 
welche pathologische Processe am oderim Herzen durch¬ 
gemacht habe, welche sich unserer Beurtheilung entzogen. 

Ueber den weiteren Verlauf der Krankheit unseres Pat. ist 
nicht viel mehr zu berichten. Pat. verliess das Hospital am 
5. Oo.tober 1890, nachdem durch Digitalis und Coffeinum natro- 
benzoic. eine gute Corapensation und ein leidliches Wohlbe¬ 
finden hergestellt worden war. Doch meldete sich Pat. wieder 
am 15. October zur Aufnahme, da eine Erkältung alle car- 
dialen Erscheinungen wieder ausgelöst hatte. Eine fast voll¬ 
ständige Anurie wurde durch Digitalis gehoben, bis auf 2000 
Cbct. hinaufgebracht und einige Zeit auf dieser Höhe erhalten. 
Als die Diurese darauf wieder ins Stocken kam, hatte eine 
erneute Anwendung der Digitalis den gleichen guteu Effect. 

Am 9. November findet sich im Krankenbogen die Notiz 
«Ueber der vergrösserten Leber feines Reiben fühl¬ 
bar» also Perihepatitis. 

Am 5. Deceraber Entlassung. 

29. Januar 1891 bis 19. März Hospilalaufenthalt. 

Am 16. Februar ein schwerer cardioasthmatischer Anfall, 
der durch Galopprhytmus eingeleitet wnrde und zn den 
schwersten Befürchtungen Veranlassung gab. Excitantien: 
Aether, Moschus, Strophantus, Senfteiire. heisse Fuss- und 
Handbäder, Amylnitrit etc. brachten den Anfall zum Schwinden. 
Pulsfrequenz während des Anfalles 144. 

15. April bis 1. Mai Hospitalaufenti.alt. 

Der frühere Status, nur tritt der Ascites jetzt wieder mehr 
in den Vordergrund. Durch Digitalis wird derselbe stark ver¬ 
mindert. 

23. Mai bis 3. Jnni Hospitalaufenthalt. 

Digitalis und Widerstandsbewegungen nach Schott 1S ). 

Darnach Zurückgehen der Herzgrenzen (?) 

15. Juni bis 23. Juni Hospitalaufenthalt. 

Stark verminderte Diurese wird durch Digitalis gebessert. 
Pat. bestimmt von nun ab selbst den Moment, wann mit der 
Digitalis aufgehört werden soll, meist nach Gaben vo. 1,6— 
1,8 Pulv. hb. Digital. 

11. bis 18. Jnli Hospitalaufenthalt. 

22. August bis 30. September Hospitalaufenthalt. 

ln der Zwischenzeit hat Pat. zu Hause einen Anfall gehabt, 
welchen er dnrch einen grossen Schnaps conpirt hat. Von jetzt 
ab erhält Pat. regelmässig bei Beginn seines asthmatischen 
Anfalles eine grössere Quantität Cognac. Meist gelingt es 
dadurch den Anfall zu coupiren. jedenfalls zu lindern. 

Puls hänfig irregulär, sonst der frühere objective Status. 

Am 17. September ist notirc Im Sputum reichliche Herz- 
fehlerzellen, Curschraannsche Spiralen, sog. desquamirt« pig- 
mentirte Lnngenalveolarepithehen, ein- und raehrkernige Leu- 
kocy ten, keineCharcot-Leydensche Krystalle, keine eosinophilen 
Granula. Der Befund der Herzfehlerzellen im Sputum liess 
demnach den Schluss auf das Bestehen einer braunen Indu¬ 
ration der Lunge infolge chronischer venöser Stauumr zu. 
Jedoch muss daran erinnert werden, dass neuerdings diese 
pathognostische Bedeutung der 11 erzfehlerzellen durch v. Noor¬ 
den u ) stark eingeschränkt worden ist, welcher dieselben bei 
Zuständen der Lunge gefunden hat, wo Gelegenheit zu kleinen 
Blutaustritten in das Lungenparenchym gegeben war, so bei 
Asthma bronchiale. 

_ Therapeutisch erhielt Pat. Tct. Stramonii mit Tct. Strophanti 
n» ohne Eriect, mit dem gleichen Resultate auch Convallaria 
mai., Kali jodat 10:200 hatte vorübergehende Besserung zur 
Folge, und erst die Digitalis bewährte sich von Neuem, na¬ 
mentlich, als man anstrebte ihre Wirkung durch Diuretin zu 
unterhalten. 


10 > Krelil. Arch. f. kl. Med. 48. 

") Romberg, ibidem. 

'*) Schott. Berl. kl. Woclienschr. 1891, Nr. 18. 
ls j Noorden. Zeitschrift für klin. Medic. XX. 


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288 


25. October bis 5. März 1892. Hospitalaufenthalt. 

Starke Zunahme des Ascites und Wirkungslosigkeit der 
Digitalis auf denselben. 

Am 16. December Pnnction von 2200 Cbc. spec. Gew. 1013 
Albumingebalt 4 0 pCt. 

Am 16. Jannar wieder Punction von 3400 Cbc. spec. Gew 
1018. Album. 2,4 pCt. 

Im Transsudat: Cu-redncirende Substanz, Gallenfarbstoffe, 
deutliche Biuretreaction, welche nach Ausfällen der durch 
Hitze coagulirbaren Stoffe im Filtrat nicht mehr auftritt. 

12. Februar Pnnction von 5500 Cb. nach vorangehendem 
Gebrauche der Digitalis. 

11. März bis 10. April Hospitalaufenthalt. 

Pat. wird im Zustande Starter Compensationsstörung einge¬ 
liefert, nachdem er sich eine Erkältung zugezogen hat. 

Digitalis und Dinretin von geringem Erfolg. Steigerung 
der Stauungen. 

29. März. Hochgradiges Oedem der untern und leichtes 
Oedem der oberen Extremitäten, starker Ascites. 

30. März. Oedeme stärker, starke Cyanose, Hochstand des 
Zwerchfells, Radialpuls kaum fühlbar. Punction von 4500 Cbc 
Ascitesflüssigkeit um der Indicatio vitalis zu genügen. 

5. April. Ascites wieder stark. 

8. April. Diarrhoen. Cyanose. ßadialpuls nicht fühlbar. Be¬ 
nommenes Sen8orium, Kohlensäureüberladung des Blutes. 

9. April blutige Diarrhoen, Bewusstsein vollständig gelähmt. 

10. April Exitus letalis. 

Recapituliren wir noch kurz die Krankengeschichte 
des Pat. 

Bei dem ersten Eintritte des Kranken im Juni 1889 
wird constatirt: ein Katarrh der feinen Bronchen, 
geblähte Lungen und die Erscheinungen von Bron¬ 
chialasthma. Sehr bald wird jedoch festgestellt, dass die 
asthmatischen Beschwerden sich mit vorübergehenden 
Erweiterungszuständen des Herzens combiniren und na¬ 
mentlich in den spätem Phasen der Krankheit an das 
Auftreten eines Galopprhythmus am Herzen geknüpft sind, 
häufig durch einen solchen direct eingeleitet werden. 
Folglich hatten wir es hier nicht mit einem Bronchial¬ 
sondern Cardialasthma zu thun. Dasselbe beweist einen 
gewissen Grad von Labilität des Herzmuskels. Daneben 
bestand eine Dilatation des ganzen Herzens, welche vor¬ 
aussichtlich bei der flüchtigen Aufnahmeuntersuchung des 
Pat. durch mich übersehen worden war, neben einer 
deutlichen Hypertrophie des rechten Herzens. In Ver¬ 
bindung mit der Dilatation des rechten Ventrikels muss 
dieselbe auf Störnngswiderstände im kleinen Kreislauf 
bezogen werden. Für die Erweiterung des linken Herzens 
ist eine aetiologische Grundlage nicht zu erbringen, die¬ 
selbe muss als eine idiopathische Dilatation zweifelhaften 
Ursprunges angesehen werden. Aus der Schwäche des 
Herzens entspringen zahlreiche Leiden des Pat.: Anfälle, 
von Cardialasthma und Stauungserscheinungen (Oedeme, 
Ascites, Stauungsleber, Stauungsmilz, Stauungsniere 
Stauungslunge (Herzfehierzellen!) die fast stets erfolg¬ 
reich mit Digitalis bekämpft werden und mehr¬ 
malige Punctionen des Ascites erforderlich machen. All- 
mälig tritt die Störung im Bereiche des Pfortaderkreis¬ 
laufes mehr in den Vordergrund, während sich die Leber 
gleichzeitig verkleinert. Es muss angenommen werden, 
dass sich infolge langdauernder venöser Hyperaemie in 
der Leber eine Bindegewebsneubildung, eine cirrhotische 
Stauungsleber entwickelt hat und sich momentan als 
Ursachen für den Ascites die mangelhafte Triebkraft des 
linken Ventrikels, die Stauungen in der Vena cava asc. 
und Störungswiderstände in den Portalgefässen der Leber 
combiniren. 

Einmal am 9. November 1891 wird über der Leber 
Reiben gefühlt, folglich muss die Glissonsche Kapsel 
verdickt sein — bei dem lange währenden Ascites sind 
die Bedingungen für das Entstehen perihepatitischer Ver¬ 
dickungen gegeben. 

Im Juli 1889 machte Pat. eine seröse Pleuritis von 
kurzer Däner durch, welche mit einer fibrinösen Exsu¬ 
dation in der Gegend des linken Herzrandes begann und 
mit einer Atelectase und Adhaesionsbildung der linken 
Lunge mit der Brustwand und dem Herzbeutel endete. 


I Darauf muss das Auftreten einer relativen Tricuspidal- 
vielleicht auch Mitralinsufficienz während der Inspirations¬ 
phasen bezogen werden, welche in der zweiten Hälfte der 
Krankheit als constante Erscheinung beobachtet wurde. 

Da Pat. muthmaasslich im Anschluss an die Pleuritis 
auch eine Pericarditis durchgemacht hat — am 19. Juli 
1889 wird perikardiales Reiben gehört — so ist es nicht 
ausgeschlossen, dass Verwachsungen der Perikardial¬ 
blätter neben einer Perikarditis ext. bestehen. Klinische 
Merkmale für dieselbe bestanden nicht. 

Intercurrent machte Pat. mehrmals sog. Erkältungen 
durch, welche stets ungünstig auf seine Hauptkrankheit 
einwirkten. 

Während der Influenzaepidemie des Jahres 1889 er¬ 
krankte Pat. gleichfalls an dieser Krankheit. Dieselbe 
complicirte sich mit einer recidivirenden Mittelohreiterung 
und einer peripheren Facialisparalyse. Beide Krankheiten 
heilten vollständig aus. 

Mit allen möglichen Mitteln behandelt hatten Erfolg: 
vorübergehend Adonis vernalis, namentlich aber Digi¬ 
talis. Als dasselbe mit Diuretin combinirt wurde, konnte 
man — aber auch ohne Diuretin — mit Sicherheit darauf 
rechnen der Stauungen Herr zu werden. Nur zu aller¬ 
letzt versagte sowohl die Digitalis als auch das Diu¬ 
retin. 

Mit Calomel hatte man einen vollständigen Misserfolg 
zu verzeichnen. 

Die asthmatischen Zustände wurden am besten bekämpft 
durch grosse Gaben starken Alkohols. 

• Von 1018 Krankheitstagen hat Pat. 691 im Alexan¬ 
der-Hospital verbracht, und während dieser Zeit ca. 60,0 
Digitalis und 240,0 Diuretin verbraucht 

Obduction am 11. April 1892 (Dr. Westphalen); vor Beginn 
der Section war eine Cannle in die Trachea eingebunden 
worden. 

Sectionsprotokoll. 

Abmagerung, Todtenstarre, Todtenflecke, starkes Oedem, 
namentlich der untern Extremitäten, Vorwölbnng des Leibes. 

Unterhautfettgewebe schwach entwickelt, das subcutane Bin¬ 
degewebe oedematös perlmutterartig glänzend. 

In der Bauchhöhle grosse Mengen klaren Serums. Die Leber 
klein, in grosser Ausdehnung mit dem Zwerchfell bindege¬ 
webig verwachsen Darmschlingen nach abwärts gedrängt, die 
grosse Curvatur des Magens in Nabelhöhe, Pylorus und Cardia 
einander genähert, das grosse Netz venös hyperaemisch, bin¬ 
degewebig geschrumpft. Peritoneum diffus leicht bindegewebig 
verdickt. 

Nach Entfernung des Sternum collabiren die Lungen so gut 
wie gar nicht und lassen das Herz in grösserer Ausdehnung 
frei liegen. Beim Aufblasen der Lungen mit Luft verschieben 
sich die Lungenränder rechts an dem Herzen vorbei, ebenso 
auch links an dem Basaltheil des Herzens, während links 
unten absolut gar keine Verschiebung der Lunge stattfindet. 
Hier besteht auch eine derbe untrennbare Verwachsung der 
Lunge mit dem Herzbeutel, rechts finden sich gleichfalls 
bindegewebige Adhaesionen der Pleura pulmonal, mit dem Pe¬ 
rikard, dieselben sind jedoch weniger fest und können duich 
Fingerdruck getrennt werden. 

Im Herzbeutel massige Mengen klarer Flüssigkeit. Peri- 
kardium parietale unverändert. Unter dem visceralen Blatte 
zahlreiche Ecchymosen, dasselbe ist mehrfach diffus und mehr 
circumscript bindegewebig verdickt, spiegelnd, glänzend, nir¬ 
gends mit dem parietalen Blatt verwachsen. 

Das Herz in toto vergrössert. Pulmonal- und Aortenklappen 
schlussfihig. Das Ostium der Tricuspidalis für 3—4, dasjenige 
der Mitralis für 2—3 Finger durchgängig. Der rechte vorhof 
und der rechte Ventrikel weit, das Myokard des letztem 
deutlich verbreitert, anaemisch von normalem Aussehn. Im 
rechten Herzohr ein der Wand adhaerenter Thrombus. Tri- 
cuspidal- und Pnlmonalklappen zart, unverändert. Der linke 
Vorhof und der linke Ventrikel gleichfalls weit. Ventrikelwand 
vielleicht etwas verbreitert, anaemisch, stark trübe. Im Herz¬ 
innern reichliche dunkle und entfärbte, frische und ältere 
Blutgerinnungen, welche zwischen den Trabekeln und Papil- 
larrauskeln der Herzwand adhaeriren. Der freie Rand der 
Mitralklappe leicht bindegewebig verdickt, einige Sehnenfäden 
etwas kurz, aber zart. Die zugehörigen Papillarmuskeln ziem¬ 
lich lang. Semilunarklappen der Aorta unverändert. Der Um¬ 
fang der Aorta klein. Die Intima derselben bis auf spurenhafte 
sclerotische Verdickungen unverändert. Coronararterien des 
Herzens normal beschaffen. 


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289 


Nach Entfernung des Herzens aas der Leiche collabirt der 
Herzbeutel gar nicht und verweilt durch die Lungen gehalten 
genau in derselben Lage, wie bei Vorhandensein des Herzens 
in demselben. 

Die linke Lunge oben locker bindegewebig mitder Brust¬ 
wand verwj chsen, festere narbige Adhaesionen bestehen in 
den untern Abschnitten der linken Lunge sowohl mit dem 
Herzbeutel als auch mit der Brustwand und dem Zwerchfell. 
Hierselbst erscheint auch die Lnnge durch das Herz nach 
hinten und seitlich verdrängt. Reichliche subpleurale Ecchy- 
mosen. Bronchen cylindrisch erweitert mit trübem Schleim 
belegt. Pulmonalarterie und ihre Verzweigungen unverändert. 
Langengewebe von leicht verbrei erter Alveolarzeichnung, 
normal, leicht bräunlich gefärbt. 

Die rechte Lunge in ihrer ganzen Ausdehnung mit der 
Brnstwand und dem Herzbeutel locker, mit dem Zwerchfell 
fester verwachsen. Das Gewebe hyperaemisch und oederaatös. 
Auf der Schnittfläche Eiterpunkte, welche aus den Bronchen 
hervorquellen. Daneben frische rothe lobuläre Hepatisa¬ 
tionsherde. 

Aorta dose, recht eng. Intima derselben nahezu unver¬ 
ändert. 

Die rechte Niere kleiner als normal, von mehreren kleinen 
Cysten mit dünnflüssigem klaren und colloidein Inhalte durch¬ 
setzt Die Kapsel der Niere leicht adhaerent, die Oberfläche 
des Organs leicht granulirt. Das Niereugewebe stark venös 
hyperaemisch, die Rinde leicht verschmälert. 

Die linke Niere von dem gleichen Anssehn, wie die rechte. 

Die Flex. liepat. coli durch derbe Bindegewebsstränge mit 
der Leberoberfläche verwachsen. Aehnliche Adhaesiouen 
bestehen auch zwischen der Flexnra lienal. coli und der Milz. 

Die Milz locker bindegewebig mit dem Zwerchfelle ver¬ 
wachsen, vergrössert, Kapsel verdickt, das Milzgewebe hyperae¬ 
misch, MalpighiBche Körper und Trabekel dentlich wahr¬ 
nehmbar. 

Die Leber eher klein als gross, fest mit dem Zwerchfell 
verwachsen, von der Gestalt eines Kuchens, der freie Rand 
abgerundet, die Glissonsche Kapsel diffus bindegewebig verdickt, 
weist mehrfach lokale derbe bis knorpelharte Schwielen auf. 
In der Gallonblase geringe Mengen hellgelber dünnflüssiger 
Galle. Auf dem Durchschnitt durch die Leber die Zeichnung 
verwaschen, trübe von gelblichem Kolorit. 

Der Magen gross, enthält dünnflüssigen Speisebrei, Mucosa 
bis anf einige Ecchymosen unverändert. 

Duodenum normal. 

Die Schleimhaut des Jejunum diffus geschwellt, namentlich 
auf der Höhe der Falten ecchymosirt feucht. Der Inhalt des 
Jejunum deutlich haemorrhagisch. Im Ile um die gleichen 
Veränderungen, nur in weit höherm Grade, im Colon ge¬ 
ringer. 

Pankreas, Nebennieren, Harnblase unverändert, Ge¬ 
hirn und Halsorgane wurden mit Rücksicht auf die Ange¬ 
hörigen nicht obducift. 

Mikroskopisch zeigt die Leber eine derbe bindege¬ 
webige Verdickung ihrer Kapsel, von wo aus mehrfach Bm- 
degewebszüge in das Lebergewebe verfolgt werden können. 
Im Uebrigefo erkennt man an den Leberzellen die Erschei- 
nunges^einer starken Trübung und fettigen Degeneration 
des Protoplasma. 

Au Schuitten durch das Gewebe des untern Lappens der 
rechten Lunge constatirt man: vielfach Erweiterung der 
Alveolen durch Schwund der Alveolarsepta. mässige Hyperaemie 
der Capillaren, die in das Lumen der Alveolen \orspringen. 
Einzelne Alveolen erscheinen inhaltsleer, andere werden erfüllt 
mit reichlichen desquamirten bräunlich und schwarz pigmen 
tirten Alveolaröpithelien, oder mit amorph feinkörnig coagu- 
lirten albnminösen Massen, oder netzförmig angeordneten 
Fibrinfäden. Gelegentlich finden sich rothe Blutkörperchen 
und mehrkemige lymphoide Zellen. In einigen Alveolarseptis 
Ablagerung haematogenen scholligen Pigmentes. Das mikro¬ 
skopische Bild solcher Präparate lässt, schliessen auf eine 
braune Induration mässigen Grades einer leicht emphyse- 
matischen Lunge, in welcher sich frische lobuläre fibrinöse 
Infiltrate finden. 

Anat. Diagnose: Emphysema pulmonum, chron. Brochitis 
et Bronchiolitis mit cylindrischen Bronchi ectasien. Adhaesionen 
beider Lungen mit der Brustwand, dem Zwerchfell und dem 
Perikard. Fibröse Mediastinitis mit derber bindegewebiger 
Verwachsung des Herzbeutels mit der linken Lunge. Sehnen- 
flecke am Herzen. Erweiterung sämmtlicher Herzabtheilungen, 
Hypertrophie des rechten Ventrikels, starke Trübung des 
Myokard des linken Ventrikels, Trübung und fettige Degene¬ 
ration der Leberzellen. Multiple subplenrale und subperikar¬ 
diale Ecchyraosen. Anasarka. Venöse Hyperaemie der Milz, 
der Niere mit consecutiver mässiger Nephritis interstitialis 
chron. und Cystenbildung, des Netzes, des Darmes mit Schwel¬ 


lung der Mucosa vornehmlich deslleum und Jejunum. Ascites; 
bindegewebige Schrumpfung des Netzes. Perihepatitis und 
Perisplenitis flbrosa. Bindegewebige Adhaesionen einzelner 
Organe der Bauchhöhle mit den Nachbarorganen. Braune In¬ 
duration der Lungen, lokal, frische pneumonische Infiltrate. 
Lungenoedem. Tod durch Herzparalyse. 


Referate. 

P. Ehrlich: Ueber Immunität durch Vererbung uni 
Säugung. (Zeitschrift f. Hyg. und Infectionskrankheiten 
Bd. XII. 1892). 

Verf. stellte sich die Aufgabe das Wesen der sogen. Verer¬ 
bung der Immunität einem eingehenden Studium zu unter¬ 
ziehen. Auf drei verschiedene Arten kann man sich die Im¬ 
munität der Nachkommen entstehen denken: 1) durch Verer¬ 
bung im ontogenetischen Sinne (Uebertragung der Immunität 
dnreh das Keimplasma). 2) durch eine Mitgabe des mütterlichen 
Antikörpers, 3) durch eine directe intrauterine Beeinflussung 
der foeta en Gewebe durch das immunisirende Agens; in diesem 
Falle würde das foetale Blut resp. die foetalen Gewebe unter 
dem Einflüsse zugeführter immunisirender Substanzen das 
Gift zerstörende Antiserum erst zu bilden haben. Um zu er¬ 
mitteln, ob das Sperma an sich die Immunität des Vaters auf 
die Nachkommenschaft zu übertragen im Stande sei, stellte 
Ehrlich folgendes Experiment an: Mäuse wurden gegen die 
giftigen Pflanzeneiweissstoffe Ricin resp. Atrin gefestigt (siehe 
Referat St. Petersb. medic. Wochenschr. Nr. 1. 1892). Ein 
Männchen von hoher Abrinfestigkeit wurde mit einem normalen 
(nicht abrinfesten) Weibchen gepaart. Die Nachkommenschaft 
zeigte keine Spur von Widerstandsfähigkeit gegen das Abrin. 
Das Sperma war also nicht fähig die Immunität zu übertragen. 
Ganz anders war der Erfolg, als Weibchen, die gegen Abrin 
resp. Ricin gefestigt waren, mit normalen Männchen gepaart 
wurden. Die Nachkommenschaft zeigte sich ausnahmslos gift¬ 
fest. Dieser giftfeste Zustand erlosch am Ende des dritten 
Lebensmonates; daraus schliesst Verf.. dass es sich hier um 
eine passive Immunisirung handelt, die auf eine Mitgabe der 
maternen Antikörper beruht. Bei der activen Immunisirung 
nämlich, bei der die Gewebe den Antikörper erst bilden müssen 
(Punkt 3 oben), ist die erzielte Immunität viel beständiger. 

Ein normales sowohl wie ein abrinimraunes Weibchen wurden 
an einem und demselben Tage befruchtet und an einem und 
demselben entbunden Die Kinder der normalen Mutter wurden 
dem abrinimmnnen Weibchen, die Kinder des letzteren dem 
normalen Weibchen untergelegt. Am Ende der Säuglings¬ 
periode (etwa nach 3 Wochen) wurden sämmtlicbe Jungen auf 
ihre Giftfestigkeit geprüft. Die von der giftfesten Mutter 
geborenen, von der normalen Amme gesäugten Jungen zeigten 
eine viel geringere Giftfestigkeit, als die von der normalen 
Mutter geborenen, von der giftfesten Amme gesäugten. Diese 
Versuche beweisen, dass die Milch im Stande ist 
dem saugenden Organismus den Antikörper znzu- 
führen und dem Organismus damit eine hohe, mit 
der Dauer der Säugung wachsende Immunität zu 
verleihen. Ehrlich gelang es ferner nachzuweisen, dass bei 
normalen Thieren, die ihre normalen Jungen säugen, die künst¬ 
liche Zuführung grösserer Quantitäten von Antikörpern (Serum 
iinraunisirter Thiere) in den Körper des säugenden Thieres 
typischen Sängungsschutz bei den saugenden Jungen hervor- 
bnngt; es gelang in dieser Weise nicht nur Für giftige Pflan- 
zeneiweissstoffe, sondern auch für Tetanus Sängungsimmunität 
zu erzielen. In einem Nachtrage zu dieser sehr interessanten 
Arbeit führt Verf. noch folgenden von ihm angestellten Ver¬ 
such an: Es wurde von dem Serum eines gegen Tetanus liocli- 
immunisirten Pferdes einer säugenden Maus (am 17. Tage der 
Säugung) 2Ccm. den folgenden Tag wiederum 2Ccm injicirt. 
Am Tage nach der ersten Injection wurde einem der Säug¬ 
linge ein Holzsplitter mit Tetanussporen unter die Rücken¬ 
haut gebracht. Das Mäuschen blieb ohne jede Eikrankung, 
während eine weit grössere Controllmaus nach 26 Stunden an 
Tetanus starb. Dieser Versuch beweist, dass unter Umständen 
schon eine 24 ständige Säugung genügt, um dem saugenden 
Jungen hochgradige Immunität zn verleihen. 

Abelinann. 

C. Mangold: Ueber den multiloculären Echinococcus und 
seine Taenie. Aus der medic. Klinik in Tübingen. (Berl. 
klin. Wochenschrift. 1892, Nr. 2 und 3). 

M. weist darauf bin, dass die Verschiedenheit der geogra¬ 
phischen Verbreitung des Echinococcus multilocularis und 
unilocularis zu ihrer Erklärung die Annahme einer specifischen 
Verschiedenheit beider Taenien erfordere. In der That lasse 
sich auch bei genauerer Beobachtung ein Unterschied an den 
Chitinhaken beider Arten feststellen, der darin besteht, dass 
die Haken der multiloculären Taenie von grösserer Länge und 
einer verhältnissmässig schwächeren Krümmung sind, als die- 


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290 


jenigen der uniloculären Taenie und dass sie einen langen 
dünnen Wnrzelfortsatz and ein knaufförraig vorspringendes 
Warzelende besitzen, während derselbe bei der letzteren Species 
plnmp erscheint. 

Es weist also schon die einfache anatomische Beobachtung 
darauf hin, dass ausser der gewöhnlichen Taenia Echinococcus 
Siebold noch eine andere Art dieses Geschlechtes, nämlich die 
Taenia Echinococcus mnltilocularis existirt und dass die Ver¬ 
schiedenheit der anatomischen Veränderungen und der klini¬ 
schen Krankheitsbilder, welche durch den Echinococcus gesetzt 
weiden, eben von der Verschiedenheit der Parasiten ab- 
hängen. 

Von grossem Interesse ist, dass es dem Verf. gelang, zum 
Beweise seiner oben auseinandei gesetzten Ansicht Fiitternngs- 
versuche durchzuführen,aus welchen hervorgeht, dass wenn man 
den multiloculären Echinococcus der menschlichen Leber an 
Hunde verfüttert, im Darm der letztem die Taenia Echino¬ 
coccus zur Entwicklung kommt und reife Eier producirt. Bringt 
man nun den die Tanie und deren Eier enthaltenden Darm¬ 
inhalt dieser Hunde jungen Schweinehen mit der Nahrung 
bei, so entwickelt sich in der Leber dieser Schweine in der 
That wieder ein mnltilocnlärer Echinococcus und nicht der 
gewöhnliche uniloculäre. D—o. 

F. Fischei und C. Enoch: Ein Beitrag zu der Lehre 
von den Fischgiften. (Fortsehr. der Medicin. Bd. X. 
H. 8. 1892). 

Beiden Autoren wurde ein ganz frisch verendeter Karpfeu 
znr Untersuchung übergeben, welcher angeblich durcli die 
Abwässer einer Seifenfabrik zu Grunde gegangen sein sollte. 
Bei der bakteriologischen Blutnntersuchnng fanden siohjedoeh 
als Todesursache unbewegliche Bacillen vor. welche theils 
einzeln theils zu Ketten vereinigt vorkamen. Die älteren Cul- 
tnren zeigten in ihnen eine endogene Sporenbildung. Gold¬ 
karpfen mit der Bouilloncultur inticirt, geriethen anfangs in 
einen Betäubungszustand, von dem sie sich nach einigen Mi¬ 
nuten erholten um hierauf unter Ekchymosenbildung zu ver¬ 
enden, in ihrem Blute fanden sich die inticirenden Bacillen. 
Eine Injection von Sporenemulsion rief anfangs keinen Effect 
hervor, aber nach 24—28 Stunden starben die Versuchsthiere 
unter ähnlichen Erscheinungen, wie die mit Bonillonculturen 
vergifteten. Auch hier Hessen sich Reinculturen der erwähnten 
Bacillen aus dem Blute herstellen. 

Bei Warmblütern erwiesen »ich die Bacillen gleichfalls als 
pathogen. Auch bei ihnen gelang es aus dem Blnte Reincul- 
tnren des fraglichen Mikroorganismus zu gewinnen. 

Ferner wurde aus Bouillonculturen ein Toxin rein darge- 
stellt, welches sich bei Warmblütern als lähmend für das fie- 
spirations- und Gefässcentrum erwies wobei sich beobachten 
liess, dass das Herz die Respirationscentren noch eine Zeit 
lang überlebte. 

Hunde, welche mit Brot gefüttert .worden waren, das in der¬ 
jenigen Brühe eingeweicht worden war, welche aus dem zuge¬ 
sandten Karpfen gekocht wurde, erkrankten ausnahmslos an 
heftigem Durchfall und einer zugleich an Erbrechen. 

Auch in dem wässrigen Auszuge aus mit Reinculturen des 
Bacillen vergifteten Mäusen wurde dasselbe Toxin hergestellt, 
so dass hiermit der Beweis erbracht worden ist, dass im Thier¬ 
körper derselbe giftige Eiweisskörper intra vitara gebildet 
wird und deren Tod bedingt, wie auch in den Culturen des 
«Bacillus piscicidus», wie die Verff. ihn nennen wollei. Dieses 
Gift wird durch’s Kochen zerstört. W. Ger lach. 

A. Tochtermann: Ueber die Circulationsslörungen im 
epileptischen Anfälle. (Inaug. Dissertation. Dorpat 1892). 

T. untersuchte sphygmographisch die CirculationsVerän¬ 
derungen sowohl im Verlaufe eines einseitigen als auch dop- 

E eiseitigen epileptischen Anfalles, den er durch Reizung der 
lirnrinde experimentell an Hunden erzeugte. Er fand hierbei, 
dass die Störungen der Circulationsverhältnisse in vier Stadien 
verlaufen, indem zunächst (St. 1) eine Blutdrucksteigerung 
mit Pnlsbeschleunigung. darauf (St,. 2) eine Verlangsamung der 
Herzthätigkeit und endlich (St. 3) ein noch weiteres Steigen 
des Blutdrucks nachweisbar waren. Im dritten Stadium ist der 
Pnls8chlag zum zweiten Male beschleunigt. Das vierte Stadium 
bildet die allmälige Herstellung des Zustandes vor dem 
Aufalle. 

Bei den doppelseitigen Krämpfen sind die Curven verschie¬ 
den. je nachdem wie schnell der Anf 11 von der einen Seite 
auf die andere tibergreift. Findet dieses Uebergreifen so 
langsam statt, dass die andere Körperhälfte erst danu ergnffeu 
wird, wenn das 4. Stadium der ursprünglich ergriffenen Seite 
schon eingetreten, so reihen sich die vier erwähnten Stadien 
einfach an einander und man hat eine einfache Wiederholung 
des ersten Vorganges zu verzeichnen. Ist der Zeitraum zwischen 
dem Ergriffenweraen beider Körperseiten so kurz, dass der 
erste Anfall nicht Zeit hat abzulaufen, so rücken beide Curven 
gleichsam in einander und der Blutdruck steigt gleich rasch 


zu einer beträchtlichen Höhe an und hat nun das Bestreben 
dieselbe während des ganzen Anfalles zu behalten. Doch 
findet man dann eine zweimalige Pulsverlangsamung. 

Nach Versuchen mit Curare ist der grösste Antheil an der 
Blutdrucksteigernng nicht der krampfhaften Muskelaction 
sondern der primären Erregung der vasomotorischen Centren 
zuzuschreiben. Ferner hat T. um die Wirkung der Herzaction 
auf den Blutdruck auszuschalten beide Vagi durchtrennt. In 
diesem Falle fehlte die Puls.erlangsamnng im 2. Stadium, 
sonst wurdeu aber die Curareversuche bestätigt. 

Erwähnenswerth ist noch folgender Schluss den T. macht: 
«ein schwacher Krampf in der willkürlichen Muskulatur kann 
von schweren Circulatious-Erscheinungeu gefolgt werden, 
anderseits braucht ein heftiger auch bei kranken Get'ässen 
nicht gefährlich zu sein, denn nicht in den Zuckungen, sondern 
in dem Krampfe der glatten Gefässmusculatur liege die Gefahr 
und beide seien unabhängig von einander». 

W. Gerlach. 


Bücheranzeigen und Besprechungen. 

G. de Rnyter und F. Kirchhoff: Compendium der all¬ 
gemeinen Chirurgie. Berlin 1892. Verlag von S. Karger 
260 Seiten. 

| Ref. ist nicht der Ansicht, dass Bücher, wie das vorliegende, 
von Nutzen sind. Es ist gewiss eine sehr dankbare, aber auch 
sehr schwierige Aufgabe, «die Grnndprincipien, auf die das 
, System der modernen Chirurgie aufgebaut ist», einheitlich 
1 därzustellen. Dass diese Aufgabe von der Bergmann’schen 
Schule in glänzender Weise gelöst werden würde, durfte man 
nach den bisherigen Leistungen wohl erwarten (die beiden 
Verfasser sind Bergmann’s Assistenten gewesen und haben 
; sich früher durch selir gute Arbeiten hervorgethan). Doch 
; sind die Verff. in ihrem offenbaren Streben nach Kürze viel zn 
[ weit gegangen; das Buch hat viele Lücken aufzuweisen und 
| dürfte daher weder den Aerzten noch den Studirenden genü¬ 
gen. Die Art, wie bei Bergmann Asepsis geübt wird ist noch 
i kürzlich von Schinnnelblisch in seiner bekannten Publica- 
tion viel besser dargesrellt worden, als in dem vorliegenden 
Compendium. Unter den Wundinfectionskrankheiten hätte doch 
die Diphtherie auch erwähnt werden müssen. Die Syphilis ist 
so kurz abgehandelt, dass selbst ein junger Stndirender aus 
diesem Kapitel keine Bereicherung seiner Kenntnisse entneh- 
i men dürfte. Auch das Kapitel über Geschwülste reicht bei 
I Weitem nicht an die betreffenden Darstellungen in den schon 
existireuden Lehrbüchern und Compendien heran. Wenn Verff. 

I nur den Staphylococcns pyogenes anr. als Jnfectionserreger bei 
j der Osteomyelitis acuta gelten lassen, so mnss doch unter an- 
j deren auf die Ullmann'sche Arbeit ans der Albert’schen 
I Klinik verwiesen werden, in der über den Befund einer ganzen 
i Reihe von andern Mikroorganismen im osteomyelitischen Eiter 
! berichtet wird. Unverständlich ist, dass allen eitererregenden 
| Bacterien und Coccen ausser dem Streptococcus pyogen, und 
den verschiedenen Staphylococcen nur «akademisches Interesse» 
zugesprochen wird. Die durch Pneumoniecocoen erzengten 
Pleuraempyeme und Gelenkeiterungen, die typhösen Knochen- 
abscesse und vieles Andere sind doch wahrlich von aller 
grösster praktischer Bedeutung. In dem Kraukheitsbilde der 
i Pyämie dürfen die Gelenkeiterungen, die subcutanen und in- 
termusculären Abscesse doch nicht unerwähnt bleiben. 

Es Hesse sich noch eine ganze Reihe derartiger Ungeuauig- 
keiten und Unvollständigkeiten anfübren. Doch genug. Sollte 
sich eine II. Auflage des Buches als nothwendig erweisen, so 
müsste eine vollständige Umarbeitung erfolgen. 

Druck, Papier, kurz die äussere Ausstattung des Buches 
sind gut. Wanacli. 


Auszug aus den Protokollen 

der Medicinisohen Gesellschaft zu Dorpat. 

Sitzung am 18. März 1892. 

Herr Kieseritzky: Ueber chronische Arsenintoxi- 
cation. 

Nachdem Vortragender auf die in Dorpat zahreich ausge¬ 
führten chemischen Untersuchungen von Stoffen und Tapeten 
und die relative Häufigkeit des Nachweises von Arsen in den¬ 
selben hingewiesen, bespricht er die bei der Herstellung der 
Anilinfarben angewandten Methoden, durch welche die Anilin¬ 
farben arsenhaltig werden. Einerseits wird Arsensäure als 
Oxydationsmittel benutzt, wobei die Farben später nicht ge¬ 
nügend ausgewaschen werden, oder es kommen die billigen 
stark arsenhaltigen Fuchsinrückstände in Verwendung; andrer¬ 
seits können arsenhaltige Beizen, welche zum Fixiren der 
Farben auf die Gewebe erforderUch sind, durch ungenügendes 
Auswaschen den Arsengehalt der Stoffe bedingen Der in 
Stoffen und Tapeten enthaltene Arsen kann als arsenige 


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Säure von der äussern Haut, vom Magen, in den Lungen auf- | 
genommen werden, am häufigsten bewirkt jedoch der aus ar- i 
senhaltigeu Tapeten sich entwickelnde Arsenwasserstoff eine 
chronische Arsen intoxication. Ausser der Praedisposition sind 
für das Zustandekommen der letztem nach die Constitution, 
das Arsenpräparat und die Art der Aufnahme von Bedeutung. 
Nachdem Vortragender die Hauptsymptome der chronischen 
Arsenintoxication und den Nachweis des Arsens nach Dragen- 
dorffscher Methode besprochen, erwähnt er zum Schluss die 
vom letzteren vorgeschlagene Classification der arsenhaltigen 
Stoffe und Tapeten hinsichtlich ihrer gesundheitschädlichen 
Wirkung und ihrer Zulassung zum Gebranch. 

Sitzung am 15. April 1892. 

I. Herr Lezius berichtet über einen von ihm in der Pe¬ 
tersburger geburtshiilflrchen Anstalt beobachteten Fall von 
totaler circulärer Abreissung der Portio vaginalis 
intra partum. — Die Pat., multipara, 33 a. n., wurde auf- 
genouimen. nachdem der Blasensprung ausserhalb der Anstalt 
vor 8 Stunden erfolgt war; Portio verstrichen; Muttermund 2 
Finger breit eröffnet; I Schftdellage, ausserordentlich starke 
Wehen. Nachdem Pat. 7 Stunden lang gekreisst hatte, trat 
eine nicht unbedeutende Blutung auf, welche allen angewand¬ 
ten therapeutischen Massnahmen trotzte und erst nach 3 stän¬ 
diger Dauer zum Stehen kam, nachdem der Kopf tiefer ge¬ 
treten war. Kein Fortschreiten der Geburt; bei Eröffnung von 
4 Finger breit Forceps. Nach den ersten Tractionen zeigt 
sich in der Vulva ein schwarzblaner consistenter nicht repo- 
nirbarer Körper. Nach einer weitern Traction fällt der Kör- 

S er aus der Scheide heraus, liegt wie ein Bing um das Schloss 
er Zange, die ihn also nicht gefasst hatte. Daranf wird ein 
lebendes Kind extrahirt. Wochenbett normal, vollständig re¬ 
aktionslos. Die abgelöste Vaginalportion stellt einen Cylin- 
der mit 2—3 Cm. langen Wänden dar, Durchmesser der Oeff- 
nung 6 Cm. — Vortragender berichtet über 17 seither in der 
Literatur durchweg seltene einschlägige Fälle von Staude, 
Schauta, Löhlein, Streng. Breuss etc. Ueber die Ur¬ 
sache derselben gehen die Meinungen der Autoren aus einan¬ 
der, theils werden Becken Verengerungen, durch die eine Usu- 
rirung des Cervicalrewebes bewirkt wira, theils eine beson¬ 
dere Bigidität des Muttermundes als Grund angeführt. An¬ 
dere hingegen glauben eine unverhältnissmässig stark ausge¬ 
bildete Musculatur des Corpus Uteri heranziehen zu müssen, 
oder auch eine abnorme Mechanik der die Portio dilatirendeu 
Wehenkraft. 

Als weitere Ursache fignrirt abnorme Fixation der Cervix 
durch abgelaufene pathologische Processe. Bef. will bei dem 
von ihm beobachteten Falle ein Zusammenwirken mehrerer 
Umstände als Ursache ansehn. Zuerst die abnorm starken 
Wehen, der frühzeitige Wasserabfluss und die relativ lange 
Dauer der Geburt. Weiter ergab die mikroskopische Unter¬ 
suchung in der abgerissenen Portio neben vielfachen Haemorr- 
hagien ins Gewebe Strncturverhältnisse, die vielfach an ein 
cavernöses Angiom erinnerten. Auch war die Conj. ext. 
(19 Cm.) an der Grenze des physiologischen Minimum. 

Herr Meyer hält die Tliatsache, das von 20 beobachteten 
Fällen 4 einen letalen Ansgang hatten und die vom Vortra¬ 
genden daran geknüpfte im Ganzen gute Prognose derartiger 
Complicationen für klinisch nicht indifferent, — eine Mortali¬ 
tät von 20 pCt. sei entschieden als hoch zu bezeichnen. — 
Eine epikritische Deutnng der mikroskopischen Präparate sei 
nicht gut möglich — Controllpräparate wären wünschens- 
werth. Die Aetiologie der Usnrirnng des Cervicalringes sei 
ihm unklar — weder die von Ahlfeld nach die von Breuss 
angeführten Momente seien genügend zur Erklärung dieser 
immerhin schlimmen Complication, 

Herr Lezius führt die etwas hohe Mortalitätsziffer anf 
den Umstand zurück, dass die 4 letal endenden Fälle vor 
1871 — also vor der antiseptischen Behandlung beobachtet 
worden sind. In Betreff der Deutung der pathologisch-anato¬ 
mischen Präparate habe er sich ganz auf Prof. Thoma ver¬ 
lassen. 

II. Herr Koppel macht Mittheilung über einen Fall von 
hochgradiger Schwäche und Dilatation des Herzens, 
vortheilhaft beeinflusst dnrch eine Milchcur. 
(Erscheint demnächst iu extenso in der St. Petersb. med. 
Wochenschrift). 

Herr Ströhmberg hat den Eindruck, dass es sich hier um 
einen Patienten handelt, dessen Herz dnrch Alkoholmissbrauch 
degenerirt und dnrch Jahre lange übermässige Fltis&igkeits- 
anfnahme compensationsnnfähig geworden war. Zur Zeit, als 
Pat. in Behandlung trat, befand er sich vielleicht noch unter 
dem Einfluss der cumulativen Digitaliswirkung, wie denn anch 
später die Digitalis regelmässig schnell cnmulativ zu wirken 
schien. Den günstigen Erfolg sieht Ströhmberg weniger in 
der Wirkung der Milch, als in dem Fortlassen der Herzmit¬ 
tel, ßegelung der Diät und namentlich der Flüssigkeitsauf¬ 
nahme. 

Herr Hartge glaubt die diuretische Wirkung der Milch 


auf den Milchzucker znrückführen zu müssen, von welchem 
man 100,0 Gramm pro die geben kann. 

In Betreff der Milchdiät seien die bisweilen individuell 
eminent stopfenden Eigenschaften derselben zu berücksichti¬ 
gen. Er habe eine hochgradige Obstipation von 14 Tagen 
beobachten können, erst unter Chloroform wurde ein kinds¬ 
kopfgrosser mörtelnarter Kothballen extrahirt. Es empfehle 
sich Abwechselung mit saurer Milch. 

Herr Koppel fühlt die Compensationsstörung nicht auf 
übermässige Flüssigkeitsaufnahme zurück, erst im letzten 
Jahre sei Pat. vom Schnapsgenuss auf zwei Flaschen Bier 
täglich Übergebungen, vielmehr anf gewisse Schädlichkeiten, 
welche einerseits durch die Influenza andererseits durch die 
Heirath begründet waren. Die spätere Wirkung der Digita¬ 
lis beziehe er anf Kräftigung des Herzmuskels, den günstigen 
Erfolg sieht Koppel gerade in der Milchcur, womit ja auch 
eine Regelung der Fltissigkeitsanfnahme Hand in Hand geht. 
Mit dem Fortlassen der Herzmittel allein wäre wenig zu er¬ 
reichen gewesen, auch eine Diätregelnng hätte nicht viel ge¬ 
nützt. Dies ist aus dem Högerstedt’schen Fall ersichtlich, 
wo die Patientin über 6 Monate in der Klinik lag und trotz 
Buhe und Diät 3 Mal zur Milchcur tibergegangen werden 
musste. Eine diuretische Wirkung der Milch konnte im rait- 
getheilten Fall nicht constatirt werden, da die Urinmenge 
sich während der Milchdiät nieht steigerte; der Stahl war 
immer in Ordnung. 

Sitzung am 6. Mai 1892. 

I. Herr Gerlach: Beitrag zu der Lehre von den 
| Elementarorganismen. 

(Erscheint demnächst in extenso in der St. Petersburg, med. 

Wochenschrift). 

II. Herr Jaesche bespricht einen Fall von Embolie 
der Centralarterie der Netzhaut, der neben den bereits 
recht zahlreichen veröffentlichten Fällen durch seinen Ver¬ 
lauf einiges Interesse beanspruchen darf. — Er betrifft einen 
kräftigen Mann von 56 Jahren, der vielfach an rheumatischen 
Schmerzen gelitten und zwei Mal Anfälle von Nierenkolik 
mit Abgang eines Steines gehabt hat; ein Herzfehler konnte 
nicht nachgewiesen werden. Am 3. März a. c. bemerkte Pat. 
beim Aufstehn eine totale Verdunkelung des linken Auges. 
Die am Tage darauf vorgenomraene ophthalmoskopische Un¬ 
tersuchung ergab zunächst eine sehr hochgradige Blutleere 
der Netzhautgefässe, zumal der Arterie, während das charak¬ 
teristische Bild einer Embolie der Centralarterie mit rothem 
Fleck der Macula lutea, inmitten der weisslich getrübten 
Betina, erst am nächsten Tage hervortrat. Zugleich bemerkte 
man am Anfänge der Art. ret. sup. eine mehr ansgedehnte 
rothe Stelle und könnte hier einen embolischen Pfropf anneh¬ 
men, der aber wahrscheinlich in den gemeinsamen Arterien- 
staram hinabieichte. In den folgenden Tagen veränderte 
sich dieses Bild nicht anffäliig, doch trat eine allmählich 
zunehmende Aufhellung des Sehfeldes ein, von aussen und 
oben nach innen-unten fortschreitend. Das legte die Ver- 
mnthnng nahe, dass am embolischen Pfropf vorüber ein zu¬ 
nehmendes Einströmen von Blut in die untere Netzhautarterie 
zu Stande komme und vielleicht noch andere feinere Arte- 
rienstämmchen an der Bildung eines collateralen Kreislaufes 
sich betheiligten. — Dabei wurde ein Farbenbild des Ophthal¬ 
moskop. Befundes und eine am 3. Tage der Erkrankung auf- 
genommene Zeichnung des Sehfeldes vorgelegt. — In der näch¬ 
sten Zeit schritt die Besserung ganz allmählich fort. Unter¬ 
dessen aber erkrankte Pat. an einer Lungenentzündung und 
stellte sich erst nach der Genesung wieder vor. Am 8. April 
ergab die Untersuchung eine Wiederherstellung des Sehver¬ 
mögens im Umfange des Gesichtsfeldes, bis auf eine nicht ganz 
gleichmässige Verdunkelung im Centrum desselben. Die Buch¬ 
staben einer etwas grössern Schrift werden mit dem linken 
Auge erkannt, aber zusammenhängendes Lesen ist wegen 
dunkler Flecken nicht möglich. 

Die perimetrische Untersuchung ergab an diesem Tage zwei 
grössere längliche verdunkelte Stellen, dicht über und unter dem 
Centrum des Gesichtsfeldes und auch das Centrum selbst ist 
nicht ganz frei. z. Z. Secretär: Dr. Bobert Koch. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Prengrüber berichtet über einen 9jährigen, an Idiotie 
und Mikrocephalie leidenden Knaben, den er erfolgreich 
mit der Craniectomie behandelt hat. Unmittelbar nach der 
Operation konnte eine Besserung der geistigen Fähigkeiten 
beim Knaben constatirt werden: sein Gesichtsausdrnck war 
vortheilhaft verändert, sein Urtheilsvermögen vorgeschritten 
und seine Sprache verständlicher. Während er vor der Ope¬ 
ration den Speichel laufen liess, wischte er ihn am Tage nach 
der Operation von selbst ab, reinigte sich auch die Nase, was 
vorher nie geschah. Er konnte eine kleine Trompete blasen 
und sich in passender Weise mit dem ihm gereichten Spiel- 


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292 


zeuge amüsiren, während er vor der Operation nicht wusste, 
was er mit dem Spielzeuge beginnen sollte, er verlangte nach 
einem Gefäss zum Uriniren, was vorher niemals der Fall ge¬ 
wesen. Die unmittelbar nach der Craniectomie eingetretene 
Besserung lässt sich dadurch erklären, dass das Gehirn von 
einem allgemeinen uud örtlichen Druck entlastet worden und 
dass ein reichlicher Blutzufluss nach den so lange comprimirten 
Nervenelementen hergestellt worden ist. 

(Sem. medi'-. Nr. 5, 1892). 


Vermischtes. 

— Ernannt: Der Gehilfe des Medicinal-Inspectors des St* 
Petersburger Hafens, Wirkl. Staatsrath Dr. Eambach — zum 
Oberarzt des St. Petersburger Marinehospitals. 

— Die unter dem Protektorat Sr. Kaiserlichen Hoheit des 
Grossfiirsten Paul Alexandrowitscli stehende Russische 
Gesellschaft zur Wahrnng der Volksgesundheit veranstaltet 
mit Allerhöchster Genehmigung im Frühjahr 1893 die erste 
Allrussische hygienische Ausstellung, die in folgende 
Sectionen zerfällt: 

1. Biologische Section unter Leitung des Akademikers W. 
W. Paschutin und des Prof. Th. J. Pasternazki. 

2. Sanitäre nnd medicin. Statistik, Epidemiologie nnd med. 
Geographie unter Leitung von Prof. J. E. Janson und Priv.- 
Doc. A. A. Lipski. 

3. Hygiene bewohnter Ortschaften, Öffentlicher und privater 
Gebäude, und Gewerbeetablissements; Hyg. der Ernährung; 
HvgieDe der Kleidung; Erhaltung der Reinlichkeit und Desin- 
fection; Hospitalswesen und andere prophylaktische Maass- 
nahmen unter Leitung von Dr. M. N. Schmelew und Archi¬ 
tekt Graf Suzor. 

4. Hygiene der Erziehung und Bildung unter Leitung von 
Dr. Wirenius nnd M. M. Stassjulewitsch. 

5 Geologische, klimatologische und baineologische Section 
unter Prof. E. W. Pawlow und Priv.-Doc. S. L. Popow. 

Jede Section zerfällt in specielle Unterabtheilungen. Anmel¬ 
dungen über auszustellende Gegenstände und über die Grösse 
des gewünschten Platzes (in Quadrat&rschinen) sind spätestens 
bis zum 1. September 1892 unter folgender Adresse einzusenden: 
Biopo BcepocciöcKoft rnrieHHuecKoft BucTamca 1893 r. C.-He- 
WbckI» „ep. ^15^ EBponHi J892) _ 

— In Paris hat sich eine «Ligue contre le cancer» 
■gebildet, die sich die Aufgabe gestellt hat Forschungen über 
den Krebs anzuregen, zu centralisiren und wenn möglich die 
Heilung dieses «Schaudflecks für die heutige Chirurgie* anzu- 
hahnen. Durch Congresse, Aussetzeu von Preisen, Publicationen 
wird die «Ligue» alle auf den Krebs bezüglichen Fragen zu 
fördern suchen. Ehrenpräsident der «Ligue» ist Verneuil, 
Präsident Duplay, Vicepräsidenten Trasbot, Straus, Met- 
schnikoff; Generalsecretär Paul Reclus, Secretäre Ricard, 
Brault, Cazin, Schatzmeister G. Masson. Mitglied der 
«Ligue» kann Jeder werden, der einen einmaligen Beitrag von 
300 FrcB. oder einen Jahresbeitrag von mindestens 20 Frcs. 

Anmeldungen und Geldbeiträge sind an G. Masson, Paris, 
120 Bonlevaid St. Germain zu schicken. 

— Professor Dr. Virchow (Berlin) wird, wiedas Moskauer 
Blatt «Russkiija Wedomosti» meldet, an den in Moskau statt¬ 
findenden internationalen Congressen für prähistorische Ar¬ 
chäologie und Antropologie, sowie für Zoologie theilnehmen 
und beabsichtigt gleichzeitig Beobachtungen über die Cholera 
in Russland auzustellen. 

— Ueber das tragische Ende des Dr._ Alexander Mol- 
tschanow in Chwalynsk (cf. diese Wochenschrift Nr. 29) 
berichtet der «Wratsch» Folgendes. M. war mit seiner Stellung 
in Chwalynsk unzufrieden und beabsichtigte im Juni seine 
dortigen Verbindungen zu lösen nnd nach Petersburg überzu¬ 
siedeln. Da erhielt er von der Gouvernementsverwaltung die 
Aufforderung, sich als Arzi an der zu errichtenden Cholera¬ 
baracke anstellen zu lassen nnd hielt sich verpflichtet dieser 
Aufforderung nachzukommen. Als Mitglied der städtischen Sa¬ 
nitätscommission gab er eine Brochüre über die Cholera heraus 
und beaufsichtigte den Bau der Cholerabaracke. 2 Tage vor 
seinem Tode erfuhr M. von den Unruhen die sich im Volk vor¬ 
bereiteten; trotz wiederholter eindringlicher Warnungen seiner 
Bekannten hielt M. es für unvereinbar mit seiner Pflicht, seine 
Thätigkeit zu unterbrechen. Am 30. Juni um 6 Uhr Abends 
war M. mit der Beaufsichtigung des Barackenbaues ; beschäftigt, 
als die Wuth des durch unsinnige Gerüchte gereizten Pöbels 
losbrach. Zunächst worden die Häuser der Mitglieder der Sa¬ 
nitätscommission überfallen und die Aerzte gesucht. Dr. Popo f f 
gelang es sich zu vestecken. Jetzt begab sich ein Volkshaufe 
zum Cholerahospital um M. dort zu finden. Ueber diesen hatten 
sich besonders schlimme Gerüchte verbreitet; er sollte als 
«Choleradoctor» zuerst sich schriftlich verpflichtet haben, die 
Cholera in die Stadt zu lassen und das Wasser zu vergiften. 


Dem nahenden Pöbelhaufen entkam M. zu Pferde und begab 
sich in die Stadt um seine Familie zu retten. Hier fand er 
Alles in vollem Aufruhr und flüel^ete in das Haus eines Herrn 
B. Sein Versteck soll von Strasseryungen verrathen worden 
sein. Als sich der Pöbelhanfo dem Hanse näherte kam M. aus 
diesem heraus und wurde sofort überfallen. Zweien Geistlichen 
gelang es für kurze Zeit das Volk zum Ablassen zu überreden. 
Dann aber gewannen einige Aufwiegler die Ueberhand, die 
Geistlichen wurden zur Seite geworfen nnd mit unmenschlicher 
Wutli wurde M. misshandelt. Schon lag er reguugslos, als der 
Pöbel von ihm abliess; da versuchte M. sich mit Aufbietung 
seiner letzten Kräfte zu erheben. Jetzt stürzte der Haufen 
wieder auf ihn, warf ihn in die Luft um ihn auf das Pflaster 
fallen zu lassen, schlug ihn, stiess seinen Kopf gegen die 
Steine, trat ihn mit Füssen bis seine Leiche bis zur Unkenntr 
lichkeit entstellt war. Die Leiche wurde dann ausgeplündert 
und von Hrassenjungen, Weibern u. s. w. durch Anspeien und 
Aehnliches geschändet. Als der Haufe weiter zog, wurden 
Leute zurück gelassen, die es nicht Zugaben, dass der Leichnam 
fortgebraclit wurde. Erst nach vielen Stunden konnte er in 
seine Wohnung trausportirt werden. Am 2. Juli fand die Beer¬ 
digung statt. Schwerlich lässt sich etwas Traurigeres und 
Ergreifenderes denken als dieses furchtbare Ende des selbst¬ 
losen, pflichttreuen Mannes, der seine letzte Arbeit Denjenigen 

f ewidmet hat, die ihn in sinnloser Leidenschaft und blindem 
anatismus zu Tode marterten. Quiescat in pace! 

— Die Cholera hat wiederum Fortschritte gemacht. Neue 
Erkrankungsheerde haben sich in Pensa, Ufa, im Poltawschen 
Gouvernement gebildet. Seit dem 10. Juli ist die Seuche 
Moskau näher gerückt, indem in Rjasan Erkrankungsfälle 
aufgetreten sind. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhosni- 
tälern St. Petersburgs betrug am 19. Juli d. J. 5323 
(51 weniger als in der Vorwoche), darunter 260 Typhus — 
(3 mehr), 580 Syphilis-- (11 weniger), 22 Scharlach — (4 we¬ 
niger), 12 Diphtherie — (2 mehr) und 10 Pockenkranke (1 mehr 
als in der Vorwoche). 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 12. Juli bis 18. Juli 1892. 
Zahl der Sterbefftlle: 


1) nach Geschlecht nnd Alter: 


Iin Ganzen: 

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254 244 498 

144 62 

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17 

39 

30 

25 

30 

29 

20 

4 

0 


2) nach den Todesursachen: 

-- Typh. exanth. 1. Typh. abd. 11, Febris recurrens 1, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 1. Pocken 4. Masern 14. Scharlach 5, 
Diphtherie 4, Croup 0, Keuchhusten 5, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 11, Erysipelas 4, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 0, Ruhr 2, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 1, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyäraie und Septicaemie 6, 
Tuberculose der Lungen 73, Tuberculose anderer Organe 4. 
Alkoholismus und Delirium tremens 0, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 48, Marasmus senilis 14, Krankheiten des 
Verdauungscanals 109, Todtgeborene 19. 


Die Bibliothek des Vereins St. Petersburger 
Aerzte wird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 
Dienstag und Freitag von 4—6 Uhr und am Mittwoch im 
Laufe des ganzen Tages. 


Bad Wildungen seit lange bekannt durch unübertroffene 
Wirkung bei Nieren-, Blasen- und Steinleiden, bei Magen und 
Darmkatarrhen, sowie bei Störungen der Blutmischung, als 
Blntarmuth, Bleichsucht, u. 8. w. 

Biliner Sauerbrunn! Altbewährte Heilquelle für Nieren-, 
Blasen- und Magenleiden, Gicht, Bronchialkatarrh, Hämorrhoi¬ 
den, etc. Pastilles de Bilin (Verdauungszeltchen). Vorzüg¬ 
liches Mittel bei Sodbrennen, Magenkatarrhen, Verdauungs¬ 
störungen überhaupt. 

Saxlehners Bitterwasser Huniadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Purgativ durch folgende Vorzüge ans: Prompte und sichere Wir¬ 
kung; milder Geschmack; geringe Dosis; auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stuhlverstopfung; Leberleiaen; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 


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XVII. JAHRGANG. 


ST. PETIRSBIIRfiER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


MEDICINISCIE WOCEEISCERIFT 


unter der Redaction Von 


Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannbals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 


St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Mediciuisclie Wochenschrift» erscheint jedeu 
Sou nabe ud. — Der Abonnementspreis ist iu Bussland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; iu den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfeun.—Den 
Autoreu werden 25 Separatabzüge ihrer Origiualartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


8^“ Abonnements-Auftrlge sowie alle Inserate *881 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Bioker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect M 14, zu richten.—Äanusoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau au 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Liteiny Prospect, >6 55, Qu. 13 zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich vou 2—4 Uhr Nachm., ausser Sountags. 


N 31 St. Petersburg, 1 . ( 13 .) August 1892 

Inhalt: Wold. Gerlach: Ein Beitrag znr Lehre von Öen Elementarorganismen. — Referate: Ferd. Hueppe: Ueber 
die Aetiologie and Toxicologie der Cholera asialica. — Prof. E. Maragliano (Genua): .Klinische Formen der Langentubercu- 
lo8e. — Al. Poehl: Weitere Mittheilnngen über Spermin. — S. Radomyski: Die Harncvlinder im eiweissfreien Urin. — F. 
Schopf: Uebertragnng von Carcinom auf frische Wunden in einem Falle von vaginaler Totalexstirpation des Uterus. — W. 
Lunin: Zur Diagnostik der pathologischen Trans- und Exsudate mit Hilfe der Bestimmung des spec. Gewichts. — A. Lunz: 
Ueber das Verhalten der Elasticität der Arterien bei Vergiftungen mit Phosphor, Quecksilber und Blei. — Alois Pick: Zur 
Therapie der Chlorose. — Bücheranzeigen und Besprechungen: C. E. Sajous Annual of the universal medical Sciences 
Philadelphia, New-York, Chicago and London, 1892. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Ver¬ 
mischtes. — Mortalitä ts-B ulletin St. Petersbur gs. — Anzeigen.____ 

nt/F“ TAie Verwaltung des Petersburger ärztlichen Vereins zu gegenseitiger Hilfe beehrt sich hiermit raitzutheilen, dass sie, 
entsprechend dem Beschluss der allgemeinen Versammlung sich mit einer der Lebensversicherungsgesellschaften 
in Verbindung gesetzt hat, die bereit ist einen Rabatt von 7 pCt. der Jahresprämie zu geben, sobald sich eine Gruppe von 
nicht weniger als 25 Aerzten bildet. 

Anmeldungen nimmt entgegen sowie ertheilt nähere Auskunft der Secretär Dr. 0. Petersen (Krjukow 
Kanal Nr. 6, Quart. 67). 


Ein Beitrag 

zur Lehre von den Elementarorganismen. 

Vortrag gehalten am 6. Mai 1892 in der Dorpater Medicin. 

Gesellschaft. 

Von 

Dr. Wold. Gerlach, 

Assist, d. Universit. Abtheil. d. Dorpat. Bezirkshospitals. 

M. H.I Nachdem die Lehre von den Elementarorga¬ 
nismen durch den Nachweis, dass die höher organisirten 
Pflanzen und Thiere als eine Colonie einzelner Lebewesen, 
der sogenannten Zellen, aufzufassen seien, einen festeren 
Boden gewonnen hatte, als bislang, wo man sich die 
Elementarorganismen bald als Fädchen bald als Kügel¬ 
chen vorzustellen pflegte, hat sich der Satz: «die Zelle 
sei das wirklich letzte Formeleraent aller lebendigen Er¬ 
scheinungen sowohl im Gesunden als auch im Kranken» 
in der Medicin zu einem fast unantastbaren Dogma empor¬ 
geschwungen. Anders war es in der Biologie: hier wollten 
die Stimmen nie ganz verstummen, welche die alten 
Anschauungen wieder zur Geltung zu bringen suchten, 
nach welchen die letzten Lebewesen viel kleinere Theil- 
chen sein sollten, als es die Zellen sind. Da sie jedoch 
keine neuen Thatsachen beizubringen verstanden und 
mehr speculativ verfuhren, so gelangten sie nicht zu einer 
ernsteren Geltung, obschon z. B. das Vorkommen von 
Mikroorganismen uns doch deutlich zeigen müsste, dass 
ein sehr intensives Leben auch da vorhanden sein kann, 
wo von Zellen in unserem Sinne wohl kaum die Rede 
ist; denn die Behauptung, die Mikroben seien ebenso 
gebaut, wie die Zelle, nur sei uns wegen der Kleinheit 
der Einzelbestandtheile ihr feinerer Bau nicht zugänglich, 
entbehrt jeder thatsächlichen Grundlage. Und in der 
That erscheint mir die Lehre von der biologischen Un- 
theilbarkeit der Zelle durch eine im Jahre 1890 in 
Leipzig erschienene Monographie von Richard Altmann 
über Elementarorganismen stark erschüttert zu sein, und 
neuerdings bin auch ich in den Besitz einer Thatsache 


gelangt, welche einen wesentlichen Einwand gegen die 
Altmann’sche Anschauung zu widerlegen geeignet er¬ 
scheint. 

Dieser Befund erhebt sich aber nur im Lichte der Alt- 
mann’schen Theorie über das Niveau eines einfachen 
Curiyiam’e; deswegen bin ich gezwungen, bevor ich zu 
dessen Schilderung übergehe, zunächst die erwähnte Mono¬ 
graphie einer genaueren Besprechung zu unterziehen. 
Altmann behauptet nämlich, die Zellen seien keine 
Elementarorganismen, sondern blos Colonien von solchen 
mit eigenartigen Gesetzen der Colonisation, und definirt 
demnach das Protoplasma als eine Colonie von Bio- 
blasten, deren einzelne Elemente, sei es nach Art der 
Zoogloea, sei es nach Art der Gliederfäden gruppirt und 
durch eine indifferente Substanz verbunden seien. Dabei 
giebt er durchaus die Möglichkeit zu, dass auch die von 
ihm als indifferent bezeichnete Zwischensubstanz ein 
differenzirtes Gewebe sei. Es gelang ihm diesem Satz 
eine feste Grundlage zu verleihen, indem er mit Hilfe 
einer eigenen Fixirungs- und Fuchsinfärbemetkode die 
Zusammensetzung der Zellen aus mikrokokkenähnlichen 
Körnern direct nachweisen konnte. Diese Körner nun 
belegt der Verfasser mit dem Namen «Bioblasten» und 
weist darauf hin, dass sie noch heute in der Natur ihre 
analogen Vertreter in den Mikroorganismen haben. Damit 
will er jedoch den Satz Virchow’s «omnis cellula e 
cellula» nicht hinfällig machen, da die Bioblasten nach 
ihm nicht mehr selbständig zu werden vermöchten, und 
unterscheidet er sich hierin wesentlich von anderen Au¬ 
toren, welche noch heute die Zellen durch Zusammen¬ 
tritt einzelner Elementarkörner entstehen lassen. Dieser 
Vorgang habe aber durchaus in jenen geschichtlichen 
Perioden stattgefunden, die den mikroskopischen Elemen¬ 
ten gerade so eigen seien, wie den gröberen Formen der 
Lebewesen auch. Mit anderen Worten: die Zelle hat sich 
genau ebenso aus einzelnen Bioblasten aufgebaut, wie 
z. B. einst der Mensch aus einzelnen Zellen entstanden ist. 
Den directen Beweis der Vitalität seiner Bioblasten zu 
erbringen sucht Altmann auf zwei Weisen. Zunächst 
weist er, um den Einwand zu entkräften, dass die Art 


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296 


und Weise, wie- sich das Protoplasma in dei Pflanzen¬ 
zelle bewegt, doch mehr dafür spricht, dass die in dem¬ 
selben sichtbaren Kölner mechanisch von der Zwisehen- 
substanz fortgerissen werden, dass also nicht die cor- 
pusculären Momente, sondern die Intergranularsubstanz 
das Lebendige sei, auf die Analogie mit beweglichen 
Zoogloeaforinen hin. Dass in diesen die Körner die Le¬ 
bensträger, dieKittraasse jedoch todt ist, ist bislang noch 
von Keinem angezweifelt worden und doch bewegen sich 
beim Proteus vulgaris die Einzelwesen als Ganzes, indem 
sich am Rande der Colonien schwärmende Ausläufer ab- 
ldsen. Andrerseits giebt es eine Reihe von Pigmentzellen 
bei denen die Pigmentkörner eine von der Zwischen¬ 
substanz unabhängige Beweglichkeit zeigen. So sammeln 
sich die Pigmentkürnchen der Retina eines Frosches auf 
Lichtreiz hin um die Zellkerne herum, und die Ausläufer 
erblassen, ohne in den Zellleib zurückgezogen zu werden. 
Beim Chamäleon ist dieses Pigmentzellenspiel sogar direct 
vom Nervensystem abhängig. 

Ferner bat Altmann versucht den Beweis zu erbrin¬ 
gen, dass eine Reihe vitaler Vorgänge innerhalb der Zelle 
an die Granula gebunden ist. Zu diesem Zwecke unter¬ 
suchte er, wie sich seine Bioblasten in den fettbildenden 
oder fettresorbirenden Zellen am Darme und in den Fett¬ 
drüsen und deren Verwandten an dem specifischen Pro- 
cesse betheiligen. Diese theils von ihm persönlich, theils 
unter seiner Leitung angestellten Forschungen ergaben 
eine ganze Reihe interessanter Thatsachen, die an dieser 
Stelle in aller Kürze erwähnt werden sollen. So geht 
z. B. die Fettproduction innerhalb der Talgdrüsen der Ka¬ 
ninchen und Meerschweinchen so vor sich, dass die Zell¬ 
granula sich zunächst mit einem durch Osmium sich 
schwärzenden Ringe umgeben, der immer deutlicher und 
deutlicher wird, bis er schliesslich als Fetttröpfchen im- 
ponirt, das nun in den Ausführungsgang der Drüse aus- 
gestossen wird. In der Tritonenleber fanden sich bei der 
Fettansammlung daselbst gleichfalls schwarze Ringe, als 
deren Centrum sich nach Extraction des Osmiums Resi- 
dua der Bioblasten erwiesen, welche die specifisohe Fär¬ 
bung zeigten. Auch in den Speicheldrüsen betheiligen sich 
an der Secretbildung die Protoplasmakörner. So konnte 
z. B. an der Parotis der Katze beobachtet werden, wie 
sich bei der Secretion zunächst die rothe Fuchsinreaction 
der Zellengranula verlor und diese dann zum Secret 
wurden. Bei der Milchdrüsenthätigkeit der Meerschwein¬ 
chen wiederum fand Altmann Andeutungen, dass der 
Eiweissgehalt der Milch wahrscheinlich durch den Zerfall 
seiner Bioblasten geliefert werde. Als letztes Beispiel 
ist noch die Abhängigkeit der Fettbildung in den Fett¬ 
organen von den Granulis hervorzuheben. 

In Bezug auf die Fettresorption durch die Darm- 
epithelien fand Altmann, dass auch hier die Bio¬ 
blasten eine sehr grosse Rolle zu spielen scheinen, indem 
das gelöste, und nicht wie man früher annahm das emul- 
girte, Fett zuerst als Ringlein um dieselben nachweisbar 
wird. Uebrigens hat man in neuester Zeit gegen diese 
Auffassung Einwand erhoben, doch ist hier nicht der 
Ort darauf näher einzugehen; ich persönlich möchte mich 
Altmann anschliessen. 

Zu allerletzt kann als Analogie zu den Mikroorga¬ 
nismen noch die Thatsache angeführt werden, dass bei 
einer mit Phosphor vergifteten Rana esculenta, die Le- 
berzellgranula Formen angenommen hatten, welche grosse 
Ähnlichkeit mit den Involutionsformen von Spaltpilzen 
zeigten, die unter abnormen Bedingungen zu vegetiren 
gezwungen sind. 

Aeusserst interessant ist auch die praehistorische Zel- 
lengenese, wie sie von Altmann aufgestellt worden ist, 
da sie sich durchweg auf noch heute lebende Analogien 
im Thierreiche stützt. Als Ausgangspunkt wählt er den 
Zeitpunkt, wo seine Bioblasten als Colonie zu einer Zo- 
ögloea vereint in der Art wie der Proteus vulgaris be¬ 


weglich werden. Erlangt nun eine solche Colonie im 
Laufe der Zeit die Fähigkeit auch noch umflossene 
Fremdkörper chemisch zu verändern und ajs Nahrung in 
sich aufzunehmen, so ist damit die firstc Stufe eines 
selbständigen Organismus erreicht und 'mah hat vor sich 
ein Wesen, welches vollkommen analog ist den Häcker¬ 
sehen Protamoeben oder Cytoden, und welches sich durch 
eine vollkommene Gleichstellung der es ■Züsammensetzen¬ 
den Einzelwesen auszeichnet. Indem sich nun dieses 
neue Lebewesen, ganz in der Art wie noch heute ge¬ 
wisse Protozoen, incystirt und nur noch mit Pseudopo¬ 
dien mit der Aussenwelt in Verbindung zu treten im 
Stande wird, kommt es mit der Zeit zu einer Differen- 
zirung der einzelnen Bioblasten in Kern- und Zellleib. 
Die Pseudopodien erlangen nämlich bei einigen Protozoen 
eine solche Mächtigkeit, dass man gezwungeu wird das 
ganze Thier in einen Aussen- und einen Innenkörper zu 
trennen. Diese beiden haben anscheinend eine verschie¬ 
dene Thätigkeit, indem z. B. die Nahrungsaufnahme blus 
durch den Aussenkörper erwähnter Lebewesen vermittelt 
wird. Es ist also auch ohne Weiteres klar, dass bei 
einer noch ausgesprocheneren Arbeitsteilung die physi¬ 
kalischen und chemischen Verhältnisse einen so deutli¬ 
chen Unterschied zwischen dem Aussen- uud Innenkör¬ 
per zeigen können, dass schliesslich aus der ursprüngli¬ 
chen Zoogloea ein in Zellkern und Zellleib differenzir- 
bares Lebewesen wird. 

Noch heute sieht man') diese Abhängigkeit beider Ge¬ 
bilde von einander an vielen Eizellen, welche ja ohne 
Weiteres als Grund typen der Zellenformen betrachtet 
werden dürfen, und zwar zunächst an der radiär vom 
Kerne ausgehenden Structur des Leibes, dann aber be¬ 
sonders deutlich bei der Furchung gewisser Eier, wo der 
Vorgang derselben so verläuft, dass an den Kernpolen 
die Grenzlinie schwindet und nun die Radien des Zell¬ 
leibes direct in’s Innere des Kernraumes eindringen. 
Hierauf sammelt sich die Chromatinsubstanz im Aequa- 
tor und der ganze frühere Zellleib gruppirt sich nun 
derart um die neuen noch chromatinlreien Centra, dass 
von einer Scheidung des Eiinhaltes in Zellkern und 
Zellleib keine Rede mehr sein kann. Auch eine physi¬ 
ologische Beeinflussung des Protoplasmas durch den Kern 
ist bei den erwähnten Pigmentzellen nachweisbar durch 
den Umstand, dass sich bei diesen die Pigmentkörnchen 
auf gewisse Reize hin zum Kerne hinbewegen. 

Späterhin, als sich auch die Zellen zu Verbänden zu 
organisiren begannen, trat in Folge der Arbeitsteilung 
von Neuem eine gewisse Emancipirung der Bioblasten 
vom Kerne ein. Diese Decentralisation des Protoplas¬ 
mas habe seine grösste Intensität bei der Muskelzelle 
erreicht, wo sich die Bioblasten als Ketten angeordnet 
zu Muskelprimitivfibrillen ausgebildet hätten. 

Dieses wäre der Inhalt der Altmann’schen 
Lehre von den Elementarorganismen, welche ich 
im Vorliegenden mit grösstmöglicher Anlehnung an 
das genannte Werk wiederzugeben versucht habe. So 
bestechend sie ist, so muss dennoch zugegeben 
werden, dass ein unzweifelhafter Beweis für das 
Lebewesensein der Bioblasten so lange nicht er¬ 
bracht ist, als bis ein isolirtes Vorkommen der¬ 
selben, wenn auch nur ein einziges Mal direct be¬ 
obachtet worden ist. Denn die Fettbildungsvorgänge 
sind nicht eindeutig: der Ort der Ansammlung derStoff- 
wechselproducte muss nicht auch der Ort ihrer Erzeu¬ 
gung sein. Man denke blos an die Leber und die Gal¬ 
lenblase. Die Umbildung der Granula zum Speichelse- 
cret beweist auch nichts weiter, als dass die Bioblasten 
Theile des Protoplasmas sind, folglich auch leben, nicht 
aber dass sie Wesen an sich seien. 

Diese Lücke hoffe ich, m. H., nun durch die Mit- 


*) Nach Altmaun referirt. 


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theilung eines Befnndes in einem Teratom, welches übri¬ 
gens zu ganz anderen Zwecken von mir untersucht wor¬ 
den ist, zu füllen. Von der Voraussetzung ausgehend, 
dass ein unter so abnorme Entwickelungsverhältnisse 
gesetzter Keim leicht Missbildungen erzeugen könnte, 
welche bei günstigem Zusammentreffen der Verhältnisse 
einiges Licht auf den Urzustand des Menschen zu wer¬ 
fen geeignet wären, habe ich dasselbe sehr genau durch¬ 
mustert. Dass hierbei dem Zufalle die Hauptrolle zu¬ 
kommen musste, ist ohne Weiteres klar. Dennoch erscheint 
mir in Anbetracht der Erfüllung meiner Erwartungen 
eine häufigere Durchsuchung teratoider Neubildungen von 
diesem Gesichtspunkte aus wünschenswerte Ich habe 
in der That unter hunderten von Schnitten blos ein ein¬ 
ziges Präparat verwerthbar gefunden, doch ist dasselbe 
meiner Meinung nach so eindeutig, dass es genügt, um 
Schlüsse darauf zu bauen. Ich lege es Ihnen hiermit vor: 



Seibert’s Obiectiv V b -f- Oenl. d. Oberhäuserschen Camera. 

Abstand d. Bildes vom Prisma 25 cm. 

Einzelheiten halbschematisch, 
a n. b Muskel primi tivfibrillen, c Sehnenbündel, d binde¬ 
gewebige Flocke (Hämatoxylin). 

Es handelt sich nra einen Querschnitt durch ein syiingo- 
myelitisches Rückenmark, in dessen pathologischer Höhlung 
in der Nähe der Medulla oblongataein unzweifelhaftes kleines 
Teratom befindlich war, durch welches der vorgelegte Dünn¬ 
schnitt geht. Bei Betrachtung mit schwacher Vergrösserungs- 
hn8e sieht man in einer lateralen Ecke des frontalen Spaltes 
des krankhaften Rückenmarks unter den Elementen des hier 
eingeschlosseneii Teratomes einige bindegewebige, als Sehnen 
zu deutende Gebilde eingelagert. Das grösste von ihnen hat 
eine dreieckige Gestalt, deren eine Seite frei in’s Lumen des 
Teratomes sieht. Etwa in der Mitte dieses freien Randes be¬ 
findet sich ein kleiner Vorsprung, an welchen sich eine kleine 
anscheinend bindegewebige Flocke anschliesst. Von dieser 
Flocke nun zieht sich zum zunächst gelegenen Winkel des 
erwähnten bindegewebigen Dreiecks ein äusserst feines, ab¬ 
wechselnd blau und farblos erscheinendes Bändchen — das 
Präparat ist mit Hämatoxylin gefärbt — vollkommen frei 
durch das Teratomlumen und ist nur von der Einbettungs¬ 
masse allseitig umgeben. Bei Betrachtung mit starken Linsen 
erweist es sich als ein ganz isolirtes Bündel von drei 
Muskelprimitivfibrillen. Eine weitere Muskelprimitiv¬ 
fibrille liegt dem Rande der kurzen Seite des bindegewebigen 
Dreieckes auf. ist jedoch wegen der intensiven Färbung der 
Grundlage nicht gut sichtbar. Sonst in unmittelbarer Nähe 
kein ähnliches Gebilde, wohl aber in einiger Entfernung da¬ 
von. Auch in den oberhalb und unterhalb liegenden Schnit¬ 
ten an der den drei Primitivfibrillen entsprechenden Stelle 
keine muscnlären Elemente. 

Zunächst muss ich hervorheben, dass diese Primitivfi¬ 
brillen kein Kunstproduct sein können, denn man kann 
bei genauerer Betrachtung deutlich sehen, wie sie an 
die Flocke d inseriren, indem ihre Enden mit einer Bie¬ 
gung sich in dieselbe einsenken; sowohl oberhalb als 
unterhalb befindet sich eine Lage Celloidin, was man 


einerseits durch’s Verstellen der Mikrometerschranbe, an¬ 
derseits durch zufällige Auflagerungen einiger Krystalle 
auf das Präparat feststellen kann. Folglich verdanken 
die uns interessirenden Fibrillen dreien Möglichkeiten 
ihre isolirte Existenz: sie könnten Reste einer zerfalle¬ 
nen Muskelfaser sein, sie könnten auch das auf¬ 
gefaserte Ende einer solchen darstellen, endlich könn¬ 
ten diese drei Primitivfibrillen aus Einzelelementen 
einer zerfallenen Muskelbildungszelle hervorgewachsen 
sein. Diese letzte Möglichkeit ist jedoch zu hypothe¬ 
tisch, als dass ich darauf irgendwie eingehen dürfte. 
Ein aufgefasertes Ende einer Muskelzelle sind sie auch 
nicht, da man die ganz unregelmässige Flocke unmöglich 
als den Querschnitt einer solchen ansprechen wird. Ich 
darf daher wohl mit grösster Wahrscheinlichkeit 
die Herkunft dieser Muskelprimitivfibrillen von 
dem Zerfall einer früheren Muskelzelle herleiten. 

Welcher Art die Processe waren, welche den Tod der 
ursprünglichen Muskelzelle bedingt hatten, wird wohl 
kaum zu eruiren sein, was übrigens auch ganz belang¬ 
los im gegebenen Falle ist, von Bedeutung zu sein 
scheint mir aber Folgendes. Wenn diese Muskelzelle 
einmal zu Grunde gegangen war, so hätten alle 
ihre Bestandtheile absterbeu müssen und wären 
resorbirt worden, sobald die Muskelzelle das 
letzte Lebenselement wäre. Konnte aber trotz des 
Unterganges der Mutterzelle ein Element derselben noch 
weiter existiren, so musste es an sich lebensfähig gewe¬ 
sen sein. Bedenkt man die Art und Weise, wie eine 
Muskelfaser abstirbt, dass dabei zunächst der Inhalt 
seine Structur verliert bis endlich das Sarkolemma nur 
noch einen flüssigen, körnigen Brei beherbergt, so muss 
man annehmen todte Muskelprimitivfibrillen könnten so 
lange iu dieser todten Masse unbeschadet ihrer Form 
bestehen, bis alles Abgestorbene und Zerfallene durch 
Resorption fortgeschafft wäre und dann müssten sie noch 
soviel Resistenzfähigkeit besessen haben um diesen resor- 
birenden Einflüssen solch’ einen Widerstand zu leisten, 
dass sio, noch gegenwärtig als unveränderte Primitivfi¬ 
brillen imponiren, obwohl von der ganzen Zelle keine 
Spur mehr nachgeblieben ist. Dass ein todtes Gebilde so 
starken und langdauernden zerstörenden Einflüssen Trotz 
bieten sollte, muss als durchaus unwahrscheinlich be¬ 
zeichnet werden. Ferner weist die Abwesenheit aller 
Leukocyten darauf hin, dass diese drei Muskelprimitiv¬ 
fibrillen von der Umgebung nicht als Fremdkörper em¬ 
pfunden worden sind, und diesen Effect müssten sie doch 
ausgeübt haben, sobald sie todt gewesen wären. Auch 
spricht für ihr Leben noch der Umstand, dass sie inner¬ 
halb einer Flüssigkeit liegend, von dieser nicht macerirt 
worden sind. Es Hesse sich noch so Manches in dieser 
Hinsicht sagen, stets wird aber der Umstand, 
dass die beschriebenen drei Muskelpri¬ 
mitivfibrillen resistenzfähigerwaren, als 
ihre Mutterzelle unbegreiflich erscheinen, 
sobald man ihneneine selbständigeLebens- 
Fähigkeit absprechen wollte. 

Es bleibt also nichts Anderes übrig, als 
den Gedanken fallen zu lassen, die Zelle 
sei ein Elementarorganismus, und nach der 
Kenntnissnahme der Altmann’schen Monographie er¬ 
scheint der Entschluss hierzu auch durchaus nicht gewagt. 

Es stützt demnach der geschilderte Befund isolirt vor¬ 
kommender Muskelprimitivfibrillen nicht nur die Biobla- 
stentheorie, sondern schliesst auch die Beweisführung zu 
Gunsten derselben ab, da auf diese Weise gezeigt ist, 
dass die Zellen nicht blos aus Körnern aufgebaut sind, an 
welchen sich wichtige Lebensvorgänge abspielen, sondern 
dass diese Elementartheile unter ganz besonders günsti¬ 
gen Verhältnissen auch ganz unabhängig von der Mutter¬ 
zelle bestehen und sich erhalten können. 


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Referate, 

Ferd. Hueppe: Ueber die Aetiologie und Toxicologie 
der Cholera asiatica. (Deutsch, medic. Wochenschrift. 
1891. Nr. 53). 

Nachdem H. sich gegen die Anhänger der Ansicht wendet, 
d-488 der Kommabacillus nur einen diagnostischen Werth besitze 
oder mit anderen Worten kein pathogener Bacillns sei, weist 
er darauf hin dass derselbe sowohl bei Luftgegenwart als auch 
bei Luftabschluss zu leben vermag nnd dass er seine grösste 
Giftigkeit nur unter letzter Bedingung entfalte. Bei dem 
anaeroben Leben im Darme werde er nun in Folge der anae¬ 
roben Zersetzung des dort vorhandenen Nährmateriales beson¬ 
ders gefährlich für seinen Wirth, aber gegen äussere Einflüsse 
sehr wenig resistent und so ungeeignet zur directen Ueber- 
tragung vom Menschen auf den Menschen. Deswegen sei eine 
contagiÖBe Verbreitung der Krankheit als eine Ausnahme zu 
betrachten. Bei aerobem Wachsthume dagegen verlieren sie 
zwar in mehr oder weniger hohem Grade ihre Virulenz, werden 
jedoch bedeutend widerstandsfähiger gegen von aussen auf 
sie eindringende Einwirkungen. Gelangen sie nun in einen 
geeigneten Organismus, so können sie nicht ohne Weiteres 
unschädlich gemacht werden und rufen die charakteristische 
Intoxication des befallenen Wesens hervor, so dass die Cholera 
in der Regel als durch Miasma, d. h. durch einen ausserhalb 
des kranken Körpers zur Entwicklung kommenden Krankheits¬ 
erreger, entstanden zu betrachten sei. 

Zur Klarlegung der Frage nach der Natur des Choleragiftes 
liess Verf. die KommabacilTen unter Luftabschluss auf höheren, 
wenig veränderten Eiweisskörpern, also auf rohen Eiern, 
züchten und erhielt auf diese Weise beträchtliche Mengen 
eines charakteristischen zu den Peptonen gehörigen Giftes, 
welches Meerschweinchen bei 0,2 G auf ein Kg. Körpergewicht 
tödtete und zwar unter folgenden Erscheinungen: Lähmung 
der Glieder, Schwinden des Cornealreflexes und schliesslich 
Zuckungen in den Extremitäten. Bei der Section fand sich 
starke Hyperämie des Dünndarmes, der Nieren und diastoli¬ 
scher Stillstand des Herzens. Dieses < Cholerapepton» ändert 
sich bereits beim Eindampfen seiner Lösung bei 45° im Luft- 
vacuum und verliert seine charakteristische Giftigkeit. 

Zum Schluss spricht Verf. die Meinung aus, dass als bestes 
Mittel bei der Cholera das Salol zu bezeichnen sei, weil es am 
besten die Choleramikroben töte und dadurch eine zu ausge¬ 
dehnte Zerstörung des Darmepithels verhindere, welch letzteres 
als Schutzdecke gegen das Eindringen von giftigen Stoffen in 
den Kreislauf zu betrachten sei. W. Ger lach. 

Prof. E. Maragliano (Genua): Klinische Formen der 
Lungentuberculose. (Berlin, klin. Wochenschrift, Nr. 12, 
1892). 

Zunächst wird der Leser auf die auffallend grosse Ungleich¬ 
artigkeit des Verlaufes der tuberculösen Erkrankungen auf¬ 
merksam gemacht. Wohl ist bekannt dass der Koch’sche Ba¬ 
cillus durch seine chemische und mechanische Wirkung Er¬ 
nährungsstörungen in den Geweben hervorruft, welche die 
Bildung der bekannten Tuberkelknötchen zur Folge haben. 
Wir wissen jedoch nicht, in welchem Maassstabe wir für die 
späteren Symptome, welche sich in den Lungen finden, diesen 
Bacillus verantwortlich machen können. Nachdem Babes ge¬ 
zeigt hat, dass neben den Koch’schen Bacillen sich auch an¬ 
dere immer in den Lungen zeigen, ist es nöthig festzustellen, 
was von der Gesammtbacillenwirkung auf die Rechnung der 
einen und wieviel auf die der anderen zu schreiben sei. Das 
per8i8tirende Fieber, die Abmagerung, die Schweisse, die pro¬ 
gressive organische Dystrophie der Phthisiker, die Durchfälle 
sind durchaus nicht durch Bacterientoxine hervorgerufen, 
denn der menschliche Organismus gewöhnt sich an solche, 
auch widerspricht dem die Erfahrung mit dem Koch’schen 
Tuberkulin, sondern die puru'lente Infektion verursacht 
obige Erscheinungen. Es ist eine neue Krankheit, die auf 
einer Invasion von neuen Schizomyzeten beruht, welche die 
Tuberkulose in Phthise umwändelt. Die alte Eintei¬ 
lung der Lungenschwindsucht in Stadien wird dadurch un¬ 
statthaft, vielmehr finden sich unter dem Collectivbegriff 
Lungentuberculose Infektionskrankheiten vereinigt, wel¬ 
che von einander getrennt werden müssen, um gemäss ihrem 
Wesen auch verschiedene klinische Bezeichnungen anzu- 
nehmen. 

Bald wird es wahrscheinlich gelingen, eine zweite Infec- 
tion abzugrenzen, die durch Diplokokken hervorgebracht 
wird und so oft die Tuberkulose koraplicirt, indem sie zu der 
Bildung von broncho-pneumonischen Herden Veranlassung 
giebt. Die durch den Koch’schen Bacillus hervorgebrachten 
Ernährungsstörungen begünstigen ein leichteres Eindringen 
der neuen Infectionen. der Bacillus selbst jedoch erscheint 
weniger schuldig an allen den schweren Gewebsveränderun¬ 
gen und ihren Folgen, als ihm dies bis jetzt zur Last gelegt 
wurde. C. Tomberg. 


Al. Poehl: Weitere Mittheilangen über Spermin. (Borl. 
klin. Wochenschr. Nr. 39, 40, 43. 1891). 

In der vorliegenden Arbeit tritt Poehl auf Grand seiner che¬ 
mischen Untersuchungen der Annahme der Identität des Sper¬ 
min mit dem Aethylenimin (Schreiner, Ladenburg, 
Abel) und dem Piperacidin (Kobert) entgegen. Er ent¬ 
wickelt ferner die physikalischen und chemischen Eigenschaf¬ 
ten des Spermins, unter denen als zumeist charakterische Re- 
action der Geruch nach frischem Sperma beim Hinznfügen 
von Goldchlorid nnd metallischem Magnesinmpulver angegeben 
wird; charakteristisch für das Spermin sina ferner die Sper¬ 
min phosphatkry stalle (Böttcher, Charcot-Leyden’sche 
Krvstalle). Zu medicinischen Zwecken hat P. das Spermin in 
Form des salzsanren Salzes in sterilisirter physiologischer 
Lösung hergestellt. 

Es folgen nun die von Tarchanoff mit dem Sperinin- 
Poehl angestellten Thierversuche, aus denen Tarchanoff 
in Kürze folg. Schlüsse zieht. 

In geringen und massigen subcutanen Dosen (0,01—0,04 Gr.) 
tritt bei Fröschen eine unbedeutende Verlangsamung der 
Athmung und der Herzthätigkeit, sowie Erhöhung der takti¬ 
len Reflexe auf; das Spermin ist kein Stimulans für den Ge¬ 
schlechtstrieb, auch wirkt es nicht auf die Erection des Pe¬ 
nis; es erhöht ferner offenbar die Lebenskraft der Frösche, wo¬ 
her die sperminisirten Thiere selbst solchen Giften, wie Strych¬ 
nin und Chloroform grösseren Widerstand entgegensetzen; 
selbst sehr grosse Gaben von Spermin (0,5 Gr. bei Hunden) 
rufen keine gesundheitsschädlichen Folgen hervor. 

Weiterhin theilt Schicharew aus seinen Beobachtungen 
über die therapeutischen Wirkungen des Spermin-Poehl Fol¬ 
gendes mit: von 5 mit Spermin behandelten Kranken konnte 
bei dem Einen kein Heileffect verzeichnet werden, während 
bei den Uebrigen die Muskelkraft stieg und der Blutdruck 
höher wurde; besonders erfolgreich erwies sich der Effect an 
einer mit Lues gummosa behafteten Patientin, die wegen Pe¬ 
riostitis und Oedem des rechten Armes nnd Beines die rechte 
Körperhälfte fast garnicht bewegen konnte; nach zweimaliger 
Injection waren Muskelkraft und Beweglichkeit wiederherge¬ 
stellt, das Oedem bedeutend vermindert. Von den weitereu 
14 mit Spermin behandelten Kranken verdient noch ein Fall 
hervorgenoben zu werden, einen Patienten mit Myelitis lum- 
balis betreffend: Nach 2 Injectionen schwand die Paraplegie 
die Incontinentia urinae und es stellten sich Erectionen wie¬ 
der ein. Die Besserung hielt in all den citirten Fällen 2—3 
Monate vor. 

Es folgt weiter ein Bericht von Weljaminow, welcher die 
Gefahr der Chloroformnarkose durch Spermin herabzusetzen 
versuchte. Es handelt sich um 4 durch schwere langdau¬ 
ernde Krankheit stark geschwächte Frauen, an denen grosse 
Operationen ausgeführt werden sollten: Die Patientinnen er¬ 
hielten vordem mehrere Tage hintereinander die Injectionen 
und ertrugen in der That die l x /a—3 Stunden dauernde Nar¬ 
kose mit «staunenswerther Leichtigkeit». 

Ferner berichtet Rosclitschinin über eine bedeutend ge¬ 
besserte Paraplegie nach Myelitis; bei einem anderen seiner 
Patienten, der an Diabetes litt und der vorher schon mit 
nicht geringem Erfolge mit Brown-S6quard’scher Emulsion 
behandelt worden war, schwand unter Einfluss der Injection 
der Zuckergehalt vollständig, doch schreibt Roschtschinin 
selbst diese Erscheinung nur insofern dem Spermin zu, als 
durch das letztere die Energie des Stoffwechsels im Körper 
erhöht wird. Auch auf Tuberkulose wirkt nach R. das Spermin 
durch Besserang des Allgemeinbefindens nnd durch Steigen 
der vitalen Energie günstig ein. H. 

S. Radomyski: Die Harncylinder im eiweissfreien Urin. 
(Inaug. Dissertat. Dorpat. 1892). 

Die meisten Autoren halten an dem Satze fest, dass die 
Bildung von wirklichen echten Cylindern in den Harnkanälchen 
der Nieren unter ganz normalen Verhältnissen nicht vorkommt 
und dass die Entstehung aller Arten, wie verschieden auch 
der Hergang dabei sein möge, der allgemeinen Regel nach an 
die Ausscheidung albuminösen Harns gebunden ist. 

Dem gegenüber sind nun allerdings schon mehrfach Fälle 
beobachtet und beschrieben worden, (z. B. v. Fi sc hl bei Darm¬ 
katarrhen) wo echte, richtige Harncylinder in solchem Harn 
vorhanden waren, der nach den gewöhnlichen, klinischen Un¬ 
tersuchungsmethoden geprüft sich als eiweissfrei erwies. 

In einer jüngst unter Leitung von Jak sch erschienenen 
Arbeit berichtet Glaser über eine vermittelst der Centrifuge 
nachweisbare Veränderung des Harns bei Aufnahme von alko¬ 
holischen Getränken. Es sollen nämlich constant in dem 
Harnsediment neben der Vermehrung der Zahl der Leukocyten 
hyaline Cylinder auftreten. 

Durch tliese Beobachtungen veranlasst, hat Verf. auf Prof. 
Unverrichts Veranlassung 120 Urine von Kranken und 20 
Urine von Gesunden, in denen sich weder durch Ferrocyankali 
nnd Essigsäure noch durch die Kochprobe mit Salpetersäure¬ 
zusatz Eiweiss nachweisen liess, centrifugirt und den auf diese 


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Weise erhaltenen Bodensatz anf Anwesenheit von Harncylin¬ 
dern mikroskopisch durchsticht. Die Ergebnisse seiner Beobach¬ 
tungen sind auf sieben Tafeln gruppirt und daselbst in ihren 
Einzelheiten nachzusehen. 

Die Folgerungen, welche R. aus seinen Untersuchungen 
zieht sinu von ihm in folgenden drei Sätzen zusammen - 
gefasst. 

1) Harncylinder kommen im Harne ganz gesunder Menschen 
nicht vor. 

2) Im eiweissfreien Harn kranker Personen sind die Cylinder 
eine relativ häufige Erscheinung und zwar hat Verf. dieselben 
bei den verschiedensten Krankheiten nachgewiesen, wo sie bei 
der für gewöhnlich ausgefiihrten mikroskopischen Untersuchung 
des durch Abstehen gewonnenen Urinsedimentes nicht zu finden 
sind. So finden sich Harncylinder ini eiweissfreien Urin bei 
verschiedenen anscheinend wohlcompensirten Herzfehlern’, bei 
Arterio8clerose, bei Darmkatarrhen, bei Lungentnberculose. bei 
Morbilli, Diphtheritis, Pneumonia crouposa, Magenkrebs, Car- 
cinose des Bauchfells etc. 

Auf eine sichere Erklärung dieser Thatsachen will Verf. 
sich nicht einlassen. Häufig mag es sich um eine durch Toxine 
oder sonstige Schädlichkeiten bewirkte leichte Reizung des 
Nierenepithels gehandelt haben; in der vorwiegenden Anzahl 
der Fälie dürften jedoch die (Minder eine Folge von leichten 
Circulationsstörungen in den Nieren sein, so namentlich bei 
Arterio8clerose. In diesen Fällen dürften die Cylinder häufig 
die Vorläufer einer durch Stauung bewirkten Albuminurie sein, 
und darin besteht die klinische Wichtigkeit des Nachweises 
derselben im eiweissfreien Urin. 

Leider ist die Behauptung, dass der Cylinder führende Harn 
in der That eiweissfrei war, nicht einwandsfrei da die ange¬ 
wandten Reagentien die Anwesenheit von relativ grossen 
Mengen Albnmose vielleicht auch Albumin nicht ausschliessen. 
Ich verweise hierbei auf eine Dorpater, von Hirschfeld ver¬ 
fasste Dissertation «Ein Beitrag zur Frage der Peptonnrie», 
nach welcher durch Versuche bewiesen ist, dass während in 
reinen wässerigen Lösungen Albumoeen durch die Reaction 
mit Ferrocyankali-Essigsäure in einer Concentration von ca. 
0,05 pCt. nachgewiesen werden können, dieses bei Gegenwart 
anderer Stoffe, und dies sind wahrscheinlich Salze verschie¬ 
dener Art, erst in sehr viel stärkerer Concentration der Al- 
bumosen gelang (0,7 pCt.). Die Nichtbeachtung dieser Thatsache 
verführte auch Hofmeister das im Urine nach Ausfüllung mit 
Ferrocyankali-Essigsäure nachbleibende und die Biuretreaction 
ergebende Ei weise für Pepton zu halten, während es Hirsch¬ 
feld gelang nachzuweisen, dass es sich dabei nur um Albu¬ 
in osen oder sogar Albumin gehandelt haben kann, es also nicht 
statthaft ist von Peptonurie zu sprechen. 

Ich glaube daher, dass die Frage, welche R. behandelt hat, 
ei ner erneuten Prüfung zu unterziehen ist. 

W. Gerlach. 

F- Schopf: Uebertragung von Carcinom auf frische 
Wunden in einem Falle von vaginaler Totalexstir¬ 
pation des Uterus. (Wiener klinische Wochenschrift 
1891. Nr. 45). 

Sch. beschreibt einen Fall von Carcinomimplantation nach 
einer wegen Carcinom des Uteruskörpers unternommenen To¬ 
talexstirpation. Als sich die Kranke nach einem Vierteljahr 
wieder vorstellte, hatten sich in der Episotomiewunde beider¬ 
seits Krebsknoten gebildet, welche immer grösser wurden und 
schliesslich exulcerirten, während das Scheidengewölbe frei war. 
Da das Carcinom in diesem Falle im Fundus uteri sass 
und Cervix sammt Portio vagjnalis frei liess, so können die 
Krebsknoten nicht als regionäre Recidiven angesehen werden, 
vielmehr muss angenommen werden, dass bei der Exstirpation 
Krebskeime in die behufs Erweiterung der Vagina im Introitus 
der letzteren gemachten seitlichen Einschnitte implantirt 
wurden. Solche Fälle von Auftreten von Krebsknoten in 
entfernter gelegenen Operationswunden fordern dringend, nie¬ 
mals mit denselben Instrumenten abwechselnd gesunde und 
kranke Theile zu berühren und nach Entfernung des Carcinoms 
die Operation stets mit frischen Instrumenten fortzusetzen. 

Hess. 

W. Lunin: Zur Diagnostik der pathologischen Trans- 
und Exsudate mit Hilfe der Bestimmung des spec. 
Gewichts. (Inang. Dissertation. Dorpat. 1892). 

Da die Erörterungen der Frage in wie weit das spec. Gewicht 
und der Eiweissgehalt der pathologischen Ex- und Transsudate 
zur Stellung einer Diagnose verwerthbar sind zu keinem ein¬ 
heitlichen Resultate geführt haben, so unterzog L. diese Frage 
einer erneuten Untersuchung, wobei er besonders das spec. 
Gewicht berücksichtigt hat. Er geht hierbei auf keine feineren 
Unterschiede zwischen einzelnen Ex- oder Transsudaten ein 
und unterscheidet in Folge dessen blos 2 soeben genannte 
Hanptgruppen pathologischer Ergüsse. Zu den Transsudaten 
rechnet er solche Flüssigkeiten der serösen Leibeshöhlen, die 


sich in Folge von Hydrämie oder venöser Stase ansamm ein. 
Bei letzterer wiederum kann man Pfortaderstase und allgemeine 
venöse Stase unterscheiden. 

Die Beobachtungen hat Verf. in Tabellen nutergebracht, 
welche ich hier wiedergebe: 


Spec.Gewicht der Peritonealen Trans- und Exsudate. 


Krankheitsprocess. 

Maxima Minima 

Mittel 
d. sp. G. 

Zahl d. 
Beob¬ 
achtung. 

1. Pfortaderstase .... 

1014 

1007 

1010.9 

25 

2. Allg. venöse Stase . . 

1013 

1011 

1012,3 

3 

3. Carcinoraatös. Peritonit. 

1021,5 

1010,4 

1016,9 

20 

4. Tubercul. Periton . . . 

1024 

1018 

1021 

11 

5. Purulente Periton . . 

1027 

1026 

1036,5 

2 


Spec. Gewicht der pleuralen Trans- und Exsudate. 


Krankheitsprocess. 

Maxima 

Minima 

Mittel 
d.sp.G. 

Zahl d. 
Beob¬ 
achtung. 

1. Allgem. venöse Stase. . 

! 1014 

1009 

1011,8 

5 

2. Carcinomatös. Pleuritis . 

1014 

— 

1011 

1 

3. Pleurit. tuberc. et. idiop. 

1024,5 

1018 

1020.7 

17 

4. Pleuritis purulent. . . 

1024 

1021 

1 1023 

4 


In Bezug auf die Maxima und Mittel der spec. Gewichte 
bestünden also ziemlich scharfe Grenzen zwischen Ex- und 
Transsudaten. Schwieriger sei die Trennung bei den Minima, 
wenn man ausser Acht lässt, das die zwei Fälle von careino- 
matöser Peritonitis, bei denen Werthe von 1010,4 und 1010,7 
an getroffen wurden nicht ganz reine waren. 

Sieht man aber von diesen beiden Fällen ab, so bleibt als 
Minimum für die Exsudate das sp. Gewicht von 1014, welches 
die Maxima der Transsudate eben berührt. 

Im zweiten Theile seiner Arbeit stellt sich L. folgende 
zwei Fragern 

1) Entspricht einem spec. Gewicht ein bestimmter Gehalt an 
Eiweiss und 

2) kommt den von Reusp und Runeberg zur Berechnung 
des Eiweissgehaltes ans dem spec. Gewicht aufgestellten For¬ 
meln die Bedeutung zu, die ihnen von den Autoren zuge¬ 
schrieben wird? 

Die daraufhin unternommenen Eiweissbestimmungen ergaben 
nun, dass allerdings je höher das spec. Gewicht, desto höher 
auch im Allgemeinen der Eiweissgehalt der untersuchten 
Flüssigkeit; dass aber einem bestimmten spec. Gewichte auch 
ein bestimmter Gehalt an Eiweiss znkomrat, konnte der Verf. 
nicht finden. 

Seine Resultate fasst L. in folgenden Thesen zusammen: 

1) Die Bestimmung des spec. Gewichts pathologischer Traus- 
und Exsudate kann als diagnostisches Hilfsmittel benutzt 
werden. 

2) Ueberschreitet das spec. Gewicht 1014, so haben wir es 
mit einem Exsudat zu thun. 

3) Bei niedrigen spec. Gewichten sind entzündliche Verän¬ 
derungen nicht absolut von der Hand zu weisen. 

4) Einem spec. Gewicht entspricht nicht immer ein bestimmter 
Eiweissgehalt. 

5) Die Berechnung des Eiweissgehaltes nach der Reuss’- 

schen und Runeberg’schen Formel giebt nur annähernd 
richtige Resultate. \y Gerlach. 

A. Lunz: Ueber das Verhalten der Elasticität der Ar¬ 
terien bei Vergiftungen mit Phosphor, Quecksilber 
und Blei. (Dissertation. Dorpat 1892)- 

Da eine Ursache der eintretenden Angiosclerose die Ver¬ 
minderung der Elasticität der Gefässwandungen ist und es 
den Anschein hat, dass manche Iufectionskrankheit die gleiche 
Erkrankung im Gefolge haben kann, so wirft sich die Frage 
auf ob vielleicht giftige Stoffwechselproducte der pathogenen 
Mikroben als unmittelbare Ursache der Verminderung der Ge- 
fässwandelasticität respective der Angiosclerose anzusprechen 
sind. Zunächst musste somit die Frage entschieden werden, 
ob giftige Substanzen in der That eine Verminderung der 
Gefässelasticität hervorzurufen vermögen. Verf. vergiftete 
daher Katzen mit Phosphor, Quecksilber und Blei und stellte 
nun dnrch Messung der Nachgiebigkeit der Arterienwandungen 
bei gewissem inneren Drucke fest, dass 

1) snbacute Vergiftungen mit Phosphor, Quecksilber und 
Blei in der That eine Abnahme der Elasticität der Arterien 
znr Folge haben, und 

2) dass diese Elasticitätsabnahme bei Phosphorvergiftung 
eine erhebliche, bei der Vergiftung mit Quecksilber oder Blei 


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p 


300 


dagegen eine geringere, jedoch noch mit Bestimmtheit nach¬ 
weisbare ist. 

Was der Grund der Abnahme der Gefässwandelasticitilt sei, 
lässt L. unentschieden, da man nicht im Stande ist zu ent¬ 
scheiden ob die Gifte mittelbar oder unmittelbar auf die 
Gefässe wirken. w Gerlach. 

Alois Pick: Znr Therapie der Chlorose. AusderKli¬ 
nik von Prof. Nothnagel. (Wiener klinische Wochen¬ 
schrift. Nr. 50. 1891). 

In einer grossen Anzahl von Fällen von Chlorose bilden 
Magenerscheinnngen die wesentlichsten subjectiven Be¬ 
schwerden and ergiebt die Untersuchung atonische Zustande 
des Magens oder ausgesprochene Dilatation desselben. Obgleich 
in den meisten Fällen die Atonie als ein Folgezustand der 
Chlorose in Folge des durch die gesunkene Ernährung herab¬ 
gesetzten, Tonus der Magenmnsknlatur, anzHsehen ist, so traten 
doch in einzelnen Fällen die Atonie nnd die aus dieser re- 
snltirenden Beschwerden gegenüber den übrigen Erscheinungen 
<ler J Ch i Dr08e 80 deutlich hervor, dass die Annahme nahe liegt, 
es dürfte letztere durch erstere bedingt sein, ähnlich, wie 
inan sich das Zustandekommen gewisser mit hochgradiger 
Versttipftmg einhergehender Fälle von Chlorose durch Antoin- 
toxikation vom Darm aus zu erklären versucht. 

Analog der von Neusser gemachten Beobachtung, dass bei 
einigen Chlorotischen ein lästiger Fötor ex ore besteht, 
W0 lcher durch den von Brieger entdeckten organischen Riech¬ 
stoff, Scatol, veranlasst wird und nach Nencki und Salkowsky 
aus dem Fleischeiweiss der Nahrung stammt, giebtP.an, dass 
auch der Schweiss der Chlorotischen häufig durch’ einen eigen- 
thuinlichen Geruch sich auszeichnet. In Bezug auf die Altera- 
!r OU r? eg Chemismus der Magenverdauung bei der Chlorose ist 
die Herabsetzung des Salzsänregehaltes sehr häufig; Fehlen 
selten 2801116 °° ttl 8ecret0I ^ 8C h® Hyperaciditftt ist dagegen 

Einerseits der Umstand, dass sich bei mehreren Chloroti- 
sohen die Eisentherapie als unwirksam erwiesen hatte, ande¬ 
rerseits die Voraussetzung, ob nicht durch Magenausspülungen 
ein weiteres Zustandekommen von Antointoxikationen beschränkt 
nnd dadurch die Heilung der Chlorose herbeigeführt werden 
könne, veranlasste Verf. 16 chlorotische Mädchen, von denen 
o bereits lange vergeblich mit Eisen behandelt worden waren, 
11 zum ersten Male wegen ihrer Chlorose ärztliche Hilfe nach- 
snchteu, Vormittags den Magen auszuspülen. Der Erfolg der 
Behandlung war überraschend und konnten nach 3—4 wöchent¬ 
licher Behandlung Heilungen von Chlorosen constatirt werden, 
die einer mouatelangen Eisentherapie widerstanden batten. 
In allen Fällen wurde ein Ansteigen des Hämoglobingehaltes 
mittelst des Fleischlichen Hämoglobinometers beobachtet. 

Ermuntert durch die günstigen mit der Anwendung des 
Kreosots hinsichtlich der Verdannngsbeschwerden bei Pthisi- 
kern gemachten Erfahrungen, versuchte Verf. dasselbe auch 
in vielen Fällen von Chlorose mit Dilatation oder Atonie des 
Magens in der Absicht abnorme Zersetzungen im Magen auf 
diese Weise zu beschränken und einigermassen die Magen¬ 
ausspülungen, die den gleichen Zweck verfolgen, zu ersetzen, 
da die häufige Vornahme der letzteren eine grosse Anzahl von 
Chlorotischen von einer derartigen Behandlung abhielt. 

Mit der Anwendung des Kreosots wurden die gleich gün¬ 
stigen Erfolge erzielt, wie mit den Magenansspülungen. 

Kreosot 0,5 Sach. lact. 0,3. M. fp. D. ad caps. gelat. S. 3 
Mal täglich 1 Stück gleich nach jeder Mahlzeit. Das Medica- 
inent muss sofort nach eingenommener Mahlzeit genommen 
werden, niemals nüchtern, weil in dem mit Speisebrei gefüllten 
Magen das Medicament keine unangenehmen Nebenwirkungen 
entfalten kann. Hess 


Bücheranzeigen und Besprechungen. 

C. E. Sajous Animal of the universal medical Sciences 
Philadelphia, New-York, Chicago and London, 18.12. 
The F. A. Davis Company. 5 Bände. 

Uns ist soeben der 5. Jahrgang dieses in grösstem Maass- 
stab angelegten Jahresberichts über die Fortschritte der ge- 
sammten medicin. Wissenschaften in der ganzen Welt zuge¬ 
gangen. Er umfasst 5 grosse prachtvoll ausgestattete Bände 
nnd enthält wohl Alles was im verflossenen Jahr auf medicin. 
Gebiet gearbeitet worden ist. Die Referate sind kurz aber das 
Wesentliche jeder Arbeit erschöpfend. An Vollständigkeit lasst 
der Bericht nichts zu wünschen übrig, auch die kleinsten 
Jonrnalartikel sind berücksichtigt. Die Anordnung des über¬ 
wältigend grossen Stoffes ist ausgezeichnet übersichtlich. 
Reichliche sehr gut aosgefiihrte Abbildungen sind, wo nöthig 
ans den Originalen mit herübergenommen. Abgesehen von den 
zahllosen Monographien, Dissertationen etc. sind nicht weniger 
als 1037 periodisch erscheinende Journale benutzt. Unter den 


Referen en und auswärtigen Correspondenten finden wir Namen 
von allerbestem Klang. 

Es sollte jede inedicinische Bibliothek dieses Prachtwerk 
anschaffen. Wan ach. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Auf dem 11. Congress für innere Medicin in Leipzig 
machte Fürbringer (Berlin) Mittheilung über nervöse Le¬ 
berkolik. Das Leiden giebt gewöhnlich Anlass zur Fehl¬ 
diagnose: Cholelithiasis. Vortr. liat sechs sichere Fälle selbst 
beobachtet und kommt, theils in Uebereinstimmung, theils in 
Gegensatz zu einschlägigen Mittheilungen früherer Forscher 
zur Aufstellung folgenden Symptomcomplexes: 

1) Die völlige Uebereinstimmung des Anfalles selbst mit 
demjenigen der Colica calculosa; jedoch ist die höchste Inten¬ 
sität des Schmerzes hier scharf auf die Lebergegend loca- 
lisirt. 

2) Die Krankheit ist ein Symptom der reizbaren Schwäche 
des Nervensystems nnd findet sich ganz besonders beijugeud- 
lichen anämischen, hysterischen und neurasthenischen Patien¬ 
tinnen, gern neben anderen Visceralneuralgien, wie Pleurodynie, 
Herzschmerzen, renaler Neuralgie, Ovarie. Eine hervorra¬ 
gende Erscheinung bildet die mitunter <colossale» Steigerung 
der Patellarreflexe. 

3,) Das den Anfall anslösende Moment ist meist nicht er¬ 
sichtlich und nur ausnahmsweise in Diätfehlern, Ueberan- 
strengung, Aerger, Menstruation gegeben. 

4) Ikterus und Leberanschwellung finden sich nie. 

5) Druckempfindlichkeit der Leber ist stets vorhanden. 

6) Trotz jahrelanger Dauer des Leidens kommt es nie zu 
fieberhaft entzündlichen Affectionen im Bereiche der Leber, 
wie bei der Cholelithiasis. 

Karlsbad contraindicirt, geboten . ein antineurasthenisches 
Heilverfahren. 

(Originalbericht: Centralbl. für Nervenheilkunde und Psych. 

1892, Juni). 

— Von der Analogie der physiologischen Wirkung des Phe¬ 
nols und des Cocains ansgehend, hat v. Oefele beide Sub¬ 
stanzen zu einem neuen Körper — das Cocainum pheny- 
licum — vereinigt, der durch seine Unlöslichkeit in Wasser 
von der Schleimhaut ans nicht in den Gesammtorganismus 
resorbirt wird, daher local seine Wirkung nachhaltend schon 
in kleinsten Dosen entfaltet und zu keinen Intoxicationen 
Anlass giebt. Bei frischer katarrhalischer Conjunctivitis erzielt 
man sehr gute Resultate mit: Cocaini phenyl. 1,0 Alkohol, 
absol. 10,0, einige Tropfen in den Copjunctivalsack einzuträu¬ 
feln. Als Schnupfpulver empfiehlt Verf. folgende Mischungen: 
Cocaini phenyl. 0,2 Acid. boric. oder Autifebrin 2,0 MDS. 
Schnupfpulver oder: Cocaini phenyl., Jlenthol *ä 2,0 Pulv. 
flor. conv. maj., Bismuthi subgallici » 2,0. Mit diesen Mi¬ 
schungen soll jeder acute Schnupfen coupirt werden. Bei Ton¬ 
sillitis und Pharyngitis erreicht man dnrch Bepinselung mit 
einer alkoholischen Lösung von Cocainum phenylicum rasche 
Heilung. Bei acutem Magenkatarrh verordnet Verf.: Cocaini 
phenyl. 0.01 Antifebrini 0,1 täglich nüchtern 1 Stück. 

(Aerztl. Rundschau Nr. 9). 

— Frick empfiehlt eine neue Reaction auf Kohlenoxyd- 
weiche von einem japanesischen Chemiker Knuiyosi-Kata- 
vama angegeben ist und in folgender Weise ausgeführt 
wird: Man setzt zn dem verdünnten Blut etwas Schwefelam¬ 
monium hinzu und säuert die Mischung mit verdünnter Essig¬ 
säure an. Gewöhnliches Blut wird durch diese Behandlung 
in eine (durch flockigen Niederschlag getrübte) schnintzig 
grünlichbranne Flüssigkeit verwandelt. Bei Anwesenheit von 
Kohlenoxyd nimmt dagegen die Mischung eine schöne rosen- 
rothe bis hell violette Färbung an; die Flüssigkeit enthält 
ebenfalls feine Flöckchen, die sich jedoch später absetzen. Diese 
Probe, welche noch bei einem Gemenge von CO—Blut mit 5—7 
Theilen gewöhnlichen Blutes auschlägt, tibertrifft in ihrer 
Sicherheit und bequemen Ansführnng die bisher angegebenen 
chemischen nnd spektroskopischen Methoden. 

(Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte Nr. 7). 

— Prof. R. Emmerich und Kronacher berichten über 
ein neues Präparat, welches allen Anforderungen entsprechen 
soll, die an ein antibakterielles Mittel gestellt werden kön¬ 
nen. Der Körper — Diaphterin stellt eine labile Verbin¬ 
dung von 1 Molekül Oxychinolin mit dem ebenfalls neuen 
phenolsulfonsauren Oxychinolin dar. Aus E.’s Versuchen er¬ 
gab sich, dass das Oxychinaseptol in Bezug auf seine bakte¬ 
rienvernichtenden Wirkungen den am stärksten wirkenden 
Antisepticis wie Phenol, Lysol, Kresol u. s. w. an die Seite 
gestellt werden muss, ja sogar manche derselben übertriftY. 
Das Präparat löst sich sehr leicht in Wasser; es ist. relativ 
ungiftig,und die Kostens einer Anwendung sind gering. Krona¬ 
cher hat auf Grund der E.’schen Versuche das Diapnterin seit 
einem Jahre in seiner chirurgischen Praxis bei einer Anzahl 


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301 


von Operationen, Geschwüren, Verbrennungen etc. an wendet 
und zwar meist in Pulverform. Verwendet wurden Lösungen 
von Vh—2 pCt. Meist wurden mit dieser Substanz sehr gute 
Resultate erzielt. Als feuchter Verband nach Verbiennungen 
oder gar bei Bein gesell würen leistete das Diaphterin Vortreff¬ 
liches; bei wochenlangem Gebrauch trat keinerlei Beizung 
seitens des Geschwürs und seiner Umgebung ein. Die Wund- 
flfechen reinigen sich rasch, sehen stets frisch ans; bald bil¬ 
den sich gesunde Granulationen, die Ueberhäutung schreitet 
rasch vorwärts. Die Wirkung bei Geschwüren von den 
grössten Dimensionen ist so eigenartig, dass man dem Diaph¬ 
terin hier fast eine heilende Yvirknng zuschreiben müsste. 

(Münchener medic. Wochenschr. Nr. 19, 1892). 


Vermischtes. 

— Verstorben: 1) ln Taschkent der ältere Ordinator des 
Militärhospitals J. Koshdestwenski. 2) Der Oberarzt der 
3. Garde- und Grenadier-Artillerie-Brigade N. Lebedew. 3) 
Dr. K. Beljajew. 4) Dr. N. Stachewitsch. 5) ln Kiew Dr. 
W. Loskutow. 6) Die Aerztin A. Ssuchodejewa ausSsara- 
tow. 7) Dr. G. Rodionow. 8) in Nishnij-Nowgorod Dr. I. 
Idelsohn an Cholera asiatica. einer der ersten Aerzte. die sich 
in Nowgorod der Pflege Cholerakranker widmeten. 9) Dr. J. 
Tribel, freipracticirender Arzt in Petersburg. 10) In Knrgan 
Dr.P.Gretscheniu am Flecktyphus. Er hinter lässt eine brau 
und 3 Kinder ohne alle Mittel. 11) Am 24. Juli auf dem Gute 
Kallenhofbei Wenden der dimittirteWendensche Stadtarzt Col- 
legienrath Dr. Carl v. Petersenn, im 52. Lebensjahre an den 
Folgen einer Gehirnapoplexie. Am 21. November 1840 in Livland 
geboren, erhielt er seine Schulbildung in der bekannten Hol- 
landerschen Anstalt zu Birkenruh und widmete sich dann 
dem Studium der Medicin in Dorpat, wo er von 1860—1868 
studirte. Nach Erlangung der Dortorwürde war P. anfangs 
Assistent an der geburtshilflichen Klinik in Dorpat, dan.uf 
von 1868— 85 Kirchspielsarzt in Ruijen (Livland) und zuletzt 
Stadtarzt in Wenden. Vor ca. 2 Jahren traf ihn in voller 
Manneskraft ein Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr 
erholte. Wer den tüchtigen, liebenswürdigen braven Mann in 
seinen gesunden Tagen gekannt, sagt das «Rig. Tageblatt* 
ihm nach, wer seinen lauteren Charakter, seine Herzensgüte, 
seine theilnehmende Freundlichkeit am Krankenbett, seinen 
schlichten, auf das Ernste gerichteten und dabei harmlos fröh¬ 
lichen Sinn geschätzt und geliebt, wird dem nunmehr von 
seinen Leiden erlös en stillen und frommen Dulder ein dank¬ 
bares und freundliches Gedenken bewahren. 12) Am 25. Juli 
in Hajjsal der frühere Oberarzt eines Cavallerieregiments, 
Collegienrath Dr. Wilh. Ignatius im 61. Lebensjahre. Der 
Dahingeschiedene stammte aus Estland und hatte seine medi- 
cinische Ausbildung an der Dorpater Universität erhalten, an 
welcher er im J. 1859 zum Doctor medicinae promovirt wurde. 
Als Kronsstipendiat wurde er nach Absolvirung des Cursus 
als jüngerer Arzt eines Infanterie-Regiments angestellt und 
war darauf successive Arzt des Garde-Ulanenregiments Sr. 
Majestät, Oberarzt der 7. Artillerie-Brigade, des 8, Scharf 
schützen-Bataillons und zuletzt des 14. Mitauschen Husaren¬ 
regiments. Von 1877 bis 1879 fungirte er auch als stellv. 
Divisionsarzt der 14. Cavallerie-Division. Im Jahre 1886 nahm 
er seinen Abschied und lebte seit dieser Zeit in Hapsal. 13) Am 
10. Juli in Mesinak (in Persien) das Mitglied der Medicinal- 
verwaltung des Kaukasus, Dr. E. ,W. Werbizki, an der 
Cholera im 45. Lebemyahre. Der Verstorbene war von der 
russischen Regierung nach Persien zur Beobachtung des Sa¬ 
nitätszustandes auf dem persischen Ufer des Kaspischen Meeres 
abcommandirt worden. Nach Absolvirung des Cursus an der 
Universität Kiew liess er sich als Arzt in Neshin nieder. 
Im Jahre 1861 promovirte W. zum Doctor med. an der medico- 
chirurgischen Academie und wurde bald darauf zum Mitglied 
der Medicinal-Verwaltung des Kaukasus ernannt. Seiner Ini¬ 
tiative verdankt Tiflis die Einrichtung einer bakteriologischen 
Abtheilung beim dortigen chemischen Laboratorium. 

— Die gewesenen Mitglieder des X. internationalen Con- 
gresses in Berlin werden benachrichtigt, dass die 'letzten 
2 Theile der Congressberichte sowie ein Generalregister er¬ 
schienen und im medicin. Departement (Theater-Strasse) in 
Empfang zu nehmen sind. 

— Die Redaction des «Wratsch» hat einen Brief von dem 
Ordinator des Michael-Hospitals in Baku, M.Salijew, erhalten, 
aus dem zu ersehen ist, dass die in der Tagespresse vor einiger 
Zeit verbreitete Nachricht, die Baku’schen Aerzte hätten »ich 
geweigert im dortigen Choleralazareth zu dienen und hätten 
aus Furcht die Stadt verlassen, eine lügenhafte Erfindung ist. 
Ein namentlich genannter Arzt hat gegen die Zeitung, die 
zuerst über ihn ähnliche Gerüchte verbreitet hat, die Verleura- 
dungsklage eingereicht. Es ist zu hoffen, dass die Schnldigen 
gebührend gestraft werden und dass die Zeitungen, die die 
verleumderischen Nachrichten verbreitet haben, durch ein 
Dementi den unrechtmässig in ihrem Ruf geschädigten Bakn’- 
stihen Aerzten Geuugthuung gewähren. 


— Vor Kurzem cursirte das Gerücht dass der bekannte 
Warschauer Laryngolog T. Hervirg einen Ruf als atisscr- 
ordeiitl. Professor der Laryngologie und Otologie nach Insbruck 
erhalten, aber abgelehnt habe. Dieses Gerücht erklärte der 
Dekan der Insbrucker medicin. Facultat in einer Zuschrift an 
die «Wiener klin. Wochenschrift» als aus der Luft gegriffen. 
In Nr. 30 der «lnternation. klin. Rundschau» ist nun ein Brief 
von Dr. Heryng veröffentlicht, in dem er erklärt, dass er in 
der Tliat die erwähnte Aufforderung erhalten und desswegen 
mit dem Vertrauensmann der Facultät, Prof. Nico lad o n i 
verhandelt Irabe Er habe sich aber gezwungen gesehen, den 
Ruf abzulehnen. Dasselbe falsche Dementi hat der medicin. 
Dekan derselben Universität, Prof. Kotier, aus demselben 
Anlass in Bezug auf den Pädiater Biedert veröffentlicht. 
Ein so scandalöses Vorgehen seitens des Vertreters einer Uni¬ 
versität'dürfte doch nicht ohne Aufklärung lneibeu! 

— Die Cholera breitet sich immer mehr nach Novdwesten 
undOsten aus. Neue Erkrankungsheerde sind in Uralsk, 
Orenbnrg, Perm, Tobolsk, Tomsk, ferner in Orel und 
Moskau. Iin Südosten nimmt die Seuche immer mehr ab. Im 
Ganzen behält sie ihren relativ milden Charakter bei. Nach 
den bis jetzt vorliegenden Nachrichten scheinen nur zwei 
Aerzte — Dr. Idelsohn in Nishnij-Nowgorod und Dr. Wer¬ 
bizki — an Cholera gestorben zu sein, (s. oben). 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilliospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 26. Juli d. J. 5248 
(25 mehr als in der Vorwoche), darunter 262 Typlms — (2 mehr), 
577 Syphilis — (3 weniger), 20 Scharlach — (2 weniger), 6 Diph¬ 
therie— (6 weniger) 21 Masern-- (10 weniger) und 8 Pocken¬ 
kranke (2 weniger als in der Vorwoche). 


Mortalitäts-Bulletin St Petersburgs. 

Für die Woche vom 19. Juli bis 25. Juli 1892. 


Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 


M. W. Sa. 


e a j3 2 
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42 30 28 34 18 2 2 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 5, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 2. Masern 13, Scharlach 8 
Diphtherie 1, Croup 1, Keuchhusten 5, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 10, Ervsipelas 4, Cholera nostras 0, Cholera asül- 
tica 0, Ruhr 9, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0 ; - Parotitis epidemica O.riiotzkrankheit 0, Anthrax 0 
Hydrophobie 1, Puerperalfieber 1, Pyämie und Septicaemie • 
Tuberculose der Lungen 70, Tabercülose anderer Organe <’ 
Alkoliolismus und Delirium tremens 5, Lebensschwäche ui$ 
Atrophia infantum 37, Marasmus senilis 11, Krankheiten des 
Verdanungscanals 135, Todtgeborene 15. 


Die Bibliothek des Vereins St. Petersburger 
Aerzte ipird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 
Dienstag und Freitag von 4—6 Uhr und am Mittwoch ifci 
Lanfe des ganzen Tages. 

-L_-... _g ggBBsfe 

Biliner Sauerbrunn! Altbewährte Heilquelle für Nieren-, 
Blasen- und Magenleiden, Gicht, Bronchialkatarrh, Hämorrhoi¬ 
den, etc. Pastilles de Bilin (Verdauungszeltchen). "Vorzüge 
liches Mittel bei Sodbrennen, Magenkatarrhen, Verdauungs¬ 
störungen überhaupt. 

S r. Michaelis’ Eichel Cäcao. Stärkendes (toriisirendes) 
rungsmittel für jedes Alter, Zweckmässig als Ersatz für 
The* und Kaffee. Zum ifiedieÄuschen Gebrauch empfehlen: 
bei Reiz Zuständen des Magens'und des Darmes, bei diarrhöl- 
schen Zuständen vertrauensvoll mit bestem Erfolg anzuwenden. 

Saxlebners Bitterwasser Huniadi J l anos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Purgativ durch folgende Vorzüge aus: Prompte und sichere Wir¬ 
kung; milder Geschmack; geringe Dosis; auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stuhl Verstopfung; Leberleiden; Gelbsucht etc. Neuerdiflgsahch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 

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nach Dr. Egb. Rraatz, zum Kochen von 
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rllifiren von Verbandstoffen etc. etc. 

Veröffentl. M 38 der Deutschen medic. 
Wocheueehrift, Berlin 1891. 

Th. Schmucker, 

(25) 26—22 Heidelberg (lialeu). 


Herauageber: Dr. Th. v. Schröder. Bachdruckerei vou A. Wienecke, Katharioeahofer-Pr. Jt 15. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PF.TEHSM MiEII 

XEDICiniSCIE WQCEESSGEEIFI 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift* erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnementspreis ist iu Bussland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für daB halbe Jahr incl. Postzustellung; iu den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfeun.—Den 
Antoren werden 25 Separatabzüge ihrer Orieiualartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 

IC Abonnements-Aaftrlgs sowis all« Znssrats “M 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlang von Carl Mokff in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect 3<t 14, zu richten. — Kanal orlpts 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilnngen bittet man an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Thtodor von Schröder in 
St. Petersburg, Liteiny Prospect, JÄ55, Qu. 13 zu richten. Sprech¬ 
stunden täglich von 2— 4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 

Jß 32 Petersburg, 

8. (20.) August 1892 


Inhalt: H. Koppel: Die Wirkung der Carell’schen Milchkur in einem Fall von Dilatation und Schwache des Herzens.— 
Referate: Behring: Die Blutserumtherapie bei Diphtheritis und Tetanus. Einleitung. — Behring und Wernicke: Ueber 
Imnmnisirung und Heilung von Versucksthieren bei Diphtherie. — Behring: Ueber die Immunisirung und Heilung von 
Thieren bei Tetanus. — G. Klemperer und F. Klemperer: Ueber die Heilung von Inlectionskrankheiten durch nachträg¬ 
liche Immunisirung. — L. Brieger, S. Kitasato und A. Wassermann: Ueber Immunität und Gififestigung. — Fritz 
Hölscher (Mühlheim a. Rh.) und Richard Seifert (Radebeul-Dresden): Ueber die Wirkungsweise des Gutgacols. — Max 
Herz: Die physiologische und therapeutische Wirkung der Dampfhitze. — W. Gerlach: Ueber Lysol — Gisevius: Ueber 
Chloroformnarkose. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — 
Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Die Verwaltung des Petersburger ärztlichen Vereins zu gegenseitiger Hilfe beehrt sich hiermit mitzu- 
theilen, dass sie, entsprechend dem Beschluss der allgemeinen Versammlung sich mit einer der Lebensversicherungsge¬ 
sellschaften in Verbindung gesetzt hat, die bereit ist einen Rabatt von 7 pCt. der Jahresprämie zu geben, sobald sich 
eine Gruppe von nicht weniger als 25 Aerzten gebildet hat. 

Anmeldungen nimmt entgegen sowie ertheilt nähere Auskunft der Secretär Dr. 0. Petersen (Krjukow 
Kanal Nr. 6, Quart. 67). 


Vierter Aerztetag 

der Gesellschaft livländiscber Aerzte. 


Der vierte Aerztetag der Gesellschaft livländiacher Aerzte 
findet in Wenden statt und währt vom 14.—10. September 
d. Jahres. 

Vorträge, deren Dauer die Zeit von 15 Minuten nicht über¬ 
schreiten darf, werden die Herren Aerzte ersucht, unter 
genauer Angabe des Themas und kurzer Wiedergabe des 
Inhalts baldmöglichst, spätestens aber bis zum 1. August c. 
bei Unterzeichnetem anzumelden. 

Im Namen des Vorstandes: 
d. Z. Präses: Dr. H. Truhart — Fellin. 


Die Wirkung der Carellschen Milchkur in einem 
Fall von Dilatation und {Schwäche des Herzens. 

Von 

Dr. H. Koppel. 

Assistent der Poliklinik in Dorpat. 

Vortrag, gehalten in der Dorpater medicinischen Gesellschaft 
am 15. April 1892. 

M. H.! Ich möchte Ihnen über einen Fall von allmäh¬ 
lich entstandener Dilatation des Herzens bei einem noch 
jugendlichen Mann berichten; die Erkrankung hatte, als 
ich die Behandlung übernahm, zu den Erscheinungen 
hochgradiger Herzschwäche geführt uud ist deshalb nicht 
ohne Interesse, weil an ihr die verschiedene Wirkungs¬ 
weise der Milchkur, wie sie Car eil empfahl, und der Digi¬ 
talis, die ich später bei gemischter Diät anwandte, einer 
vergleichenden Betrachtung nnterworfen werden kann. 
Beide Behandlungsmethoden wurden bei absoluter Bett¬ 
ruhe des Kranken durchgeführt. 


Patient A. F., 29 a. n., ist Provisor einer Landapotheke. 
Sein Vater hat an einem Herzfehler gelitten, isf; im Alter von 
50 Jahren gestorben, einer seiner jüngeren Brüder ist herz- 
leidend. Pat. hat als Kind Scharlach gehabt, später einen 
Abdorainaltyphus überstandeu, leidet seit ca. 10 Jahren an 
; einem Rachen- Kehlkopfkatarrh, der ihn zum häufigen starken 
Husten nöthigt. An Herzklopfen hat Pat. früher nie gelitten, 
nur ist ihm seit einigen Jaiiren aufgefallen, dass sein Puls 
auffallend frequent gewesen ist. Auch grosse körperliche An¬ 
strengungen hat er ohne besondere Mühe ausgehalten. Pat. 
ist starker Raucher und Potator gewesen, hat sich hauptsäch¬ 
lich an Schnäpse gehalten, seit einem Jahre habe er aber, 
nach eigener Aussage, den Alcoholgenuss eingeschränkt uud 
nur noch täglich 2 Flaschen Bier und eine halbe Flasche Madeira 
getrunken. 

Die ersten Zeichen seines gegenwärtigen Leidens zeigten 
sich im Sommer 1890. Als Pat. beim Brande seiner Apotheke 
eine kurze Strecke durchlaufen war, fiel er ohnmächtig hin, 
bald kam er aber wieder zur Besinnung und merkte zunächst 
keine wesentliche Aenderung seines Gesundheitszustandes. Im 
Winter erkrankte er recht schwer an der Influenza und er¬ 
holte sich nach überstandener Krankheit sehr langsam. Im 
Laufe des folgenden Frühjahrs fingen seine Kräfte an allmäh¬ 
lich zu schwinden, schon bei geringeren Anstrengungen be¬ 
kam er Athembeschwerden. Mitte Juli 1891 verheirathete er 
sich. Ungefähr eine Woche nach seiner Hochzeit bekam er 
auf einer Gesellschaft einen Schwächeanfall, mit Druck- und 
Angstgefühl am Herzen, wobei ihm grün und blau vor den 
Angen wurde und er zu Wagen nach Hause gebracht werden 
musste. Nach einigen Tagen fingen seine Füsse an zu schwel¬ 
len, e^ bekam oft Athmungsbeschwerden und Ohnmachtsan¬ 
wandlungen, so dass er sich an einen Arzt wandte. Digitalis 
mit Liqnor kali acetici besserten seinen Zustand vorübergehend 
und Pat. bekämpfte sein Leiden einige Zeit mit Digitalis und 
deren Ersatzmitteln (Strophanthns, Convallaria raajalis, Ado¬ 
nis vernalish als aber schliesslich auch diese keine Besserung 
mehr herbeitührten und sein Zustand schon ein sehr schlech¬ 
ter geworden war. liess er sich nach Dorpat transportiren, 
wo Ihn Prof. Dehio meiner Behandlung überwies. 

Status am 12. Januar 1892. 

Patient ist von mittlerem Wuchs, kräftigem Knochenbau 
mit mässigem Fettpolster and schlaffer Muskulatur. Das Ge- 


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304 


sicht etwas gedupsen leicht cyanotisch, ebenso die oberen Ex¬ 
tremitäten; die unteren Extremitäten ödematos, das Oedem auf 
der EiickBeite bis auf den Eiicken, auf der Vorderseite bis auf 
die Unterbauchgegend reichend. Dtp* Thorax normal gebaut. 
Auf djta Lunge* vo# Vesjculä^ath&en. Mfiten, besonders in 
den unteren Partien fiele feuchte Easselgeräusche; schon bei 
leichten Körperbfewegnjigen gesteigerte '-Dyapnoe} häufiges 


starkes Husten-' 40 
Der Berftpifeenst 




njeh Ählbar, dagegen 


eine diffuse palpable Vorwölbung der Herzgegend. Deutliche 
Pulsatio epigastrica. Die Grenzen der absoluten Herzdärapfung 
rechts um 1 Fingerbreite den rechten Sternalrand überschrei¬ 
tend, oben am oberen Bande der 4ten Bippe, linke ca. IV* 
Fingerbreiten' ‘übeV itie Llriea ifitnniHafis Wnausgeliend. Die 
Herztöne augenblicklich an allen Ostien rein aber sehr leise; 
120 rhytmische Herzactionen p. m. Die palpabeln Arterien 
nicht geschlängelt, auch nicht rigide. Der Pme an der Eadi- 
alis ist nicht mit Deutlichkeit zu fühlen, nur ab und zu em¬ 
pfindet der tastende Finger eine leichte pulsatorische Erhe¬ 
bung. 

Die Leber deutlich zu palpiren, nicht sehr druckempfind¬ 
lich, von derber Consistenz. reicht in der Matnillarlinie bis 2 
Fingerbreiten nnter den Eippenbogen. Das Abdomen aufge¬ 
trieben, in den abhängigen Theilen Dämpfung und Fluctua- 
tion. Der Harn trübe, lässt beim Erkalten viel Urate fallen, 
enthält ziemlich viel EiweisS und viele hyaline Cylinder,, 

Vorläufige Diagnose: Herzdilatation, wahrscheinlich beruhend 
anf Fettdegeneration des Herzmuskels infolge Alcoholmiss- 
brauches. 

Verordnung: absolute Bettruhe, gemischte Kost in massigen 
Mengen; 3 Jfal täglich ein Kaffeelöffel voll einer 1% Lösung 
von Baryta chlorata. Bei Dyspnoeanfällen etwas Wein oder 
Aetherriechen. 

Der Patient findet in einer Privatwohnung in einem geräu¬ 
migen, stillgelegenen Zimn er Unterkunft. 

Krankheitsverlauf. 13. Januar 21 stiindige Harnmenge 
820 Ccm., spec. Gew. 1026, Eiweissgehalt nach Essbach 
1,5%„. 

14. Januar Harnmenge 800 Ccm., spec. Gewicht 1025, Eiweiss¬ 
gehalt U 0 /oo. 

15 Januar Harumeage 630 Ccm., spec. Gew. 1026. Eiweiss¬ 
gehalt 1.5°/,. Am 13. und 14. hat sich der Zustand des Pat. 
etwas gebessert, auch die Oedeme an den unteren Extremitä¬ 
ten haben sich verringert, am 15. ist das Befinden aber wie¬ 
der sehr schlecht. Pat. hat schlecht geschlafen, hat oft Schwä¬ 
cheanfälle, verbunden mit Druckgefühl auf der Brust und 
Dyspnoe, gefolgt von starken Schweissausbrüchen. Der Puls 
an der Eaaialis ist zu fühlen, meist aber nur in der halbbü 
Anzahl der hörbaren Herzcontractionen. Ist die Zahl der 
Pulse gleich denen der Herzactionen, so ist jeder zweite Puls 
sehr schwach (Pulsus bigeminus). 

Da trotz völliger Bettruhe der Zustand des Patienten ein 
sehr besorgnisserregender ist. auch von den Herzmitteln eine 
Besserung nicht erhofft werden kann, so wird beschlossen 
eine Milchcur nach Carell zu versuchen. Pat. erklärt, er 
könne keine Milch vertragen, schon nach kleinen Mengen 
bekomme er Blähungen. Aufstossen und starken Durchfall, 
er soll daher versuchen Thee mit Milch zu gleichen Theilen 
zu trinken. Da das ihm keine Beschwerden verursacht, so 
wird am folgenden Tage mit der reinen Milchcur begonnen. 

16. Januar alle 2 Stunden 7* Glas ( = 120,0) Milch und dazu 
1 Zwieback (—12.0 Gramm); bei starkem Durst etwas Wasser; 
bei Schwächegefühl Aetherriechen. 24 ständige Gesammtmenge: 
Milch 1250,0, Wasser = 20,0, Zwieback *= 96,0. 

Harnmenge 640 Ccm.; spec. Gew. 1026; Eiweissgehalt nach 
Essbach 1,5° <-o. 

Der Puls wie Tags vorher. 

17. Januar jYilchmenge 1350,0, Zwieback = 108,0. Harn¬ 
menge — 770 Ccm., spec. Gew. = 1026; Eiwftissgehalt=l,O n / 0 ,. 
Pat. fühlt sich schon woliler, im IJebrigen der frühere Befund. 

18. Januar Milchmenge = 1350,0. Zwieback = 108,0; Harn- 
roenge 810 Ccm., spec. Gew. = 1026, Eiweissgehalt = 0,75%». 
1 spontaner Stuhl. Pat. hat. in der Nacht massig geschlafen; 
starke Schweisse. 120 an der Herzspitze gleich laut hörbare 
Herzcontractionen, an der Eadialis und der Carotis indessen 
nur 60 fühlbare Pulse, an der Carotis zuweilen auch 120 Pulse 
in Form der Bigemini zu fühlen. An der Aorta hört man 
einen gespaltenen zweiten Ton, mit dem Accent auf dem er¬ 
sten Spalttone (— uu — uu), bei der Auscultation überder 
Pulmonalis ist der Accent auf dem zweiten Spalttone, über 
dem rechten Ventrikel hört man, dass der zwoite Ton ge¬ 
spalten ist, der Accent jedoch auf den ersten Ton fällt 
(•* uu ** uu). Es lässt sich mit Sicherheit die Pulsatio epiga¬ 
strica fühlen, und zwar bemerkt man am unteren Ende des 
I’roc. xiphoideus eine quergestellte Einsenkung, die offenbar 
durch den sich verwölbenden unteren Eand des rechten Ven¬ 
trikels und den vorgewölbten linken Leberlappen gebildet 
wird. Die obere Wand der Einsenkung pulsirt und macht 
120 gleichstarke Schläge ohne Andeutung der Bigeminie, die 


untere pulsirt nicht. Bei angehaltenem Athem fühlt man 
auch den Leberpuls in 120 gleichen Schlägen p. m., ohne 
Bigeminie. Im Allgemeinen die Pulse an der Eadialis und 
Carotis schwer zu fühlen. Die Dyspnoeanfälle seltener und 
weniger stark. 'Die Grenzen der einzelnen Organe und der 
Oedeme, wie früher. 

19. Januar. Milchmenge 1200,0; Zwieback 96,0; Harnmenge 
650,0, spec. Gevtf. 1027 1 /», Ei weissgehalt^ 0,757©«; 1 spont. Stuhl. 
Die Spaltung des 2. Heiztones weniger ausgesprochen. Von 
jetzt ab soll Pat. nicht mehr Aether riechen. 

20. Januar. Milchmenge 1620.0, Zwieback 108.0 (9'180,0 
Milch H-l Zwieback). Harnmenge 720 Ccm.; spec. Gew. 10267r, 
Eiweissgeh. 0,6°/ oo; 1 spont. Stahl. Das Befinden des Pat. hat 
sich gebessert; guter Schlaf; keine stärkeren Dyspnoeanfälle 
mehr, trotzdem immer noch starkes Schwitzen; die Oedeme 
sind schou fast ganz geschwunden; der Harn ist immer klarer 
geworden, reagirt schwach sauer, lässt beim Stehen keinen 
Bodensatz mehr fallen. 

21. Januar. Milch- und Zwiebackmenge wie Tags zuvor, 
Harnmenge 700 Ccm., spec. Gew. 1026; Eiweissgeh. 0.5 u /<m; 2 
spont. Stühle. Keine Dyspnoeanfälle mehr; die Spaltung des 
zweiten Herztones wieder deutlicher zu hören. 

22. Januar. Milchmenge 1800,0 (-10- 180,0), Zwieback 120,0; 
Harnnqenge 790; spec. Gew. 1025, Eiweissgeh. 0,5°/oo; 2 spont. 
Stühle. Keine Oedeme mehr; guter Schlaf, gutes Befinden; der 
Puls an der Eadialis sehr schwach, nicht zu zählen, an der 
Carotis 120 gleichstarke Schläge: die Spaltung des zweiten 
Herztones undeutlich zn hören; der Harn klar, enthält nur 
einige wenige hyaline Cylinder. Pat. fühlt sich von der ge¬ 
nossenen Milchmenge vollkommen gesättigt. 

23. Jänner. Milchmenge 1620,0 Zwieback 108,0; Harnmenge 
680,0, spec. Gewicht 1026. Eiweissgeh. 0,757<». 1 spont. Stuhl. 
Pat. wurde Tags zuvor so gelagert, dass er zum Fenster hinaus 
auf die Strasse sehen konnte. 

24. Januar. Milchmenge 1800,0, Zwieback 120,0; Harnmenge 
690 Ccin., spec. Gew. 1023, Eiweissgeh. 0,5°/«*; nach 0,3 Caloinel 
3 Stühle. Im Harn keine Cylinder mehr. 

25. Januar. Milchmenge 1800,0 (9x 200,0), Zwieback 108,0. 
Harn men ge 690 Ccm., spec. Gew. 1024, Eiweissgeh. 0,4°/oo; 2 
spont. Stühle. An der Eadialis 120 Pulse in Form der Bige¬ 
mini, an der Carotis 120 anscheinend gleichstarke Pulsschläge. 
Die Herztöne rein, keine Verdoppelungen. Pat. klagt über 
Durst. Es wird ihm erlaubt geringe Mengen Wasser* zu 
schlucken. 

26. Januar. Milch menge 1800.0, Wasser 90,0. Zwieback 54,0; 
Harnmenge 720 Ccm., spec. Gew. 1024, Eiweissgeh. 0,3° oo; 2 
spont. Stühle. Der Puls an der Eadialis nicht zu zählen, an 
der Carotis 120 Schläge in Form der Bigemini. Pat. klagt über 
starken Widerwillen gegen die Milch. 

27. Januar. Milchmenge 1800,0, Zwieback 54,0; Harnmenge 
620 Ccm., spec. Gew. 1026, Eiweissgeh. 0,4°/oo; 2 spont. Stühle. 
Der Puls an der Eadialis nicht zählbar, an der Carotis 120 
Schläg;e. von welchen aber einige schwach sind oder ganz 
ausbleiben. 

28. Januar. Harnmenge 555 Gern., spec. Gew\ 1025. Eiwgeh. 
0,5°/oo, 1 spont. Stuhl. Die abendlichen Dyspnoeanfälle sind 
seit einiger Zeit weggeblieben; Patient hat meistens des Nachts 
so stark geschwitzt, dass der grösste Theil des aufgenom¬ 
menen Wassers durch die Haut abgeschieden worden ist. Die 
Leber anscheinend nicht kleiner und nicht weicher geworden. 
Der Puls an der Eadialis noch sehr klein und weich, immerhin 
etwas deutlicher zu fühlen als vor 2 Wochen. Bei gleichzei¬ 
tiger Anscnltation des Herzens bemerkt man, dass viele Schläge 
nicht bis in die Eadialis fortgepflanzt werden. Die Herz¬ 
dämpfung von rechts und links her um eine Fingerbreite 
kleiner geworden, die Herztöne rein. Die Herzthätigkeit an 
Ehytmns nnd Frequenz fortwährend wechselnd. Pulsatio 
epigastrica deutlich. Leberpuls nicht zu bemerken. Kein Hals¬ 
venenpuls, keine Cyanose, keine Oedeme. Ascites noch vor¬ 
handen, reicht im Stehen bis zur Mitte zwischen Symphyse 
und Nabel. Der Husten hat sich verringert, wenig schleimiger 
Auswurf; die Lungen normal, keine katarrhalischen Geräusche. 
Unüberwindlicher Widerwillen gegen die Milch, so dass mau 
wieder zur gemischten Kost übergehen muss. Diät fortan: 

I. Um 8 Uhr Morgens: 1 Glas (210,0) Milch mit Thee und 
2 Albertbisquits. 

II. Um 12 Uhr Mittags: Weissbrod mit etwas Butter, 
kaltes Fleisch oder Käse, dazu 1 Glas Selters, Limonade oder 
kalter Thee. 

III. Um 4 Uhr. Bouillon mit Kartoffeln, Cotelettes oder 
Fleischkuchen; zum Nachtisch 1 Apfel. 

IV. Um 8 Uhr Abends: 1 Glas Thee mit Milch, 2 weichge 
kochte Eier. 

29. Januar. Harumenge 630 Ccm., spec. Gew. 1023'/», Eiwgeh. 
0,3%», 1 spont. Stuhl. Die Zahl der Herzactiouen p. m. um 
120 herum, dieselben erfolgen jedocli nicht immer regelmässig 
in gleichen Intervallen, sondern sind dazwischen frequenter. 
Pat hat im Laufe des Tages 1 Flasche Citronenlimonade (ca. 
750,0) getrunken. 

30. Januar. Harn menge 530 Ccm., spec. Gew. 1023, Eiwgeh. 


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305 


0,6%«; 1 spont. StuUi. Diaet wie Tags zuvor. Pat. hat leichtere 
Anfälle von Kurzathmigkeit gehabt. 

31. Januar. Harnmenge 500,0, spec. Gew. 1023. Eiweissgeh. 
0,7 °/<k>; 1 spont. Stuhl. Der Harn lässt beim Erkalten ziemlich 
viele Crate fallen, enthält hyaline Cylinder. Pat. fühlt sich 
matt, die Kurzathmigkeit ist grösser geworden, der Puls sehr 
schwach, dazwischen arhvthmisch, aber keine Verdoppelung 
des zweiten Herztones. Von jetzt ab bekommt Pat. alle 2 
Stunden 1 Esslö.lei voll Infusum folior. digitalis (1,0:150.0 Aq.) 
Diaet wie Tags vorher. 

1. Februar. Harnmenge 510 Ccm., spec. Gew. 1024, Eiwgeh. 
0,25%9; 1 spont. Stuhl. Pat. hat keine Athembeschwerden mehr 
gehabt. Die Herzthätigkeit rhytmisch, an der Radialis 120 
Pulse in Form der Bigemini: der zweite Herzton gespalten. 
An den Füssen leichte Oedeme. 

2. Februar. Harnmenge 700 Ccm., spec. Gew. 1022, Eiwgeh. 
0,25°,<»; 1 spont. Stuhl. Diät wie vorher. 

Keine Atnmungsbeschwerden mehr, keine Sohweisse; guter 
Schlaf, gutes Allgemeinbefinden. Die Herzthätigkeit kräftiger. 
Keine Oedeme mehr. Der Harn klar, lässt kein Sediment 
fallen, enthält keine hyaline Cylinder. Fernerhin bekommt 
Pat. alle 3 Stunden ein Esslöffel voll von dem Digitalisinfits 

3. Februar. Harnraenge 1100 Ccm., spec. Gew. 1022, Spuren 
von Eiweiss; ein spont. Stuhl; Diät wie vorher. 

Die Herzaction rhytmisch; keine Verdoppelung der zweiten 
Töne. Die Herzdämpfnng nach rechts bis zur Linea sternalis, 
nach links bis zur 1. mamillaris sin. zurnckgegangen; der 
Leberraud deutlich zu fühlen, schärfer als früher; die 
Leber nicht druckempfindlich und weicher, der untere 
fiand reicht bis zur Mitte zwischen Proc. xiphoideus und Nabel. 
Hände und Fiisse warm. Beim Sitzeu wird der Herzschlag 
nicht schneller. An den abhängigen Lungenpartien etwas fein- 
blasiges Bassein. 

4. Februar. Harnmenge 1090 Ccm., spec. Gew. 1021; Spuren 
von Eiweiss; 1 spont. Stuhl. Diät wie vorher. 

Am Herzen p. m. 96 arhythmische Herzactionen zu zählen; 
gewöhnlich folgen zwei derselben, ein stärkerer und ein 
schwächerer, auf einander und entsteht dann eine Pause von 
der Dauer einer Action. An der Radialis ist meistens hin und 
wieder ein Pulsschlag zu fühlen, zuweilen bemerkt man aber 
auch eine fortgesetzte gleiclnnässige Beihe von Pulsschlägen, 
wobei jedoch immer nur die Hälfte der am Herzen zu zählenden 
Contrartionen an der Radialis gefühlt werden konn. 

5. Februar. Harnmenge 2100 Ccm., spec. Gew. 1020? Spuren ! 
von Eiweiss: 2 spont. Stühle. Diät wie vorher. 

120 rhythmische Herzactionen p. m.; der Puls an der Ra¬ 
dialis schwach, nicht zu zählen. Es wird der Gebrauch der 
Digitalis ausgesetzt, nachdem im Ganzen in 5 Tagen 4 Flaschen 
ä 1.0 fol. Digitalis; 150 aq. dest. verbraucht worden. 

6. Februar. Harnmenge 1900 Ccm., spec. Gew. 1020; Spuren 
von Eiweiss; 1 spont. Stuhl. Diät wie vorher. 

80—96 Herzactionen p. m.; es ist immer jede zweite Action 
schwächer als die vorhergehende und oft bleibt die dritte Ac¬ 
tion aus- An der Radialis dazwischen Viertelminutenweise 11 
ziemlich kräftige Pulsschläge zu zählen, an der Brachialis 
wie an der Carotis schiebt sich zuweilen zwischen 2 kräftigere 
Pulse ein schwacher ein. 

7. Februar. Harnmenge 1900 Ccm., spec. Gew. 1020, Spuren 
von Eiweiss. 2 spont Stühle. Diät wie vorher. 

120 rhytm sehe Herzactionen p. m.; an der Radial.s 60 
schwache Pnlsschläge. 

8. Februar. Hai nmenge 1450 Ccm., spec. Gew. 1021, Spuren 
von Eiweiss; 2 spont. Stühle. Diät wie vorher. 

Befund wie Tags vorher. 

9. Februar. Harnraenge 1600 Ccm., Spuren von Eiweiss: 1 
spont. Stuhl. Diät wie vorher. 

10. Februar. Harn menge £00 Ccm., spec. Gew. 1026, Spuren 
von Eiweiss; 1 spont. Stuhl. Diät wie vorher. 

118 Herzactionen p. in.: an der Radialis 59 Pulsschläge, 
welche Zahl aber beim Husten sich verdoppelt, indem sich 
immer ein kleiner Schlag einschiebt. Bei angehaltenera Ath- 
men zuweilen gespaltene zweite Töne. Seit ein paar Tagen 
starker Husten, daher etwas Aq. laurocerasi mit Morphium 
verordnet. Der Appetit und die Verdauung sind ausgezeichnet. 
Der Harn nicht ganz klar, lässt beim Erkalten ziemlich viele 
Urate fallen. 

11. Februar. Harnmenge 930 Ccm., spec. Gew. 1026, Spuren 
von Eiweiss; 1 spont. Stuhl. Diät wie vorher. 

Befund wie Tags vorher. 

12. Februar. Harnmenge 820 Ccm., spec. Gew. 1025, Spuren 
von Eiweiss; 2 spont. Stühle. Diät wie vorher. 

Befund wie Tags vorher. 

13. Februar. Harnmenge 900 Ccm., spec. Gew. 1025, Spuren 
von EiweisBj 1 spont. Stahl. Diät wie vorher. 

Befund wie Tags vorher. 

14. Februar. Harrmenge 600 Ccm., Spuren von Eiweiss; 2 
spont. Stühle. Diät wie vorher. 

120 rhytmische Herzactionen p. m.; an der Radialis meist 
in der Minute 60 Schläge zu fühlen. Die Herzdämpfnng reicht 
rechts bis zur rechten Sternallinie, links bis zur Mamillarlinie, ' 


i pben biR zum oberen Bande der 4. Rippe. Die Leber ziemlich, 
derbe, bis 3 Fingerbreit über den Nabel reichend. Ascites wie 
früher. Keine Oedeme, keine Cyanose, keine Schweisse, keine 
Athmungsbescliwerden. Guter Sci.laf, guter Appetit, gnte Ver- 
danungsthätigkeit. Da Pat. behauptet nach Hause fahren zu 
müssen, so unternimmt er eiue Probefahrt in der Stadt, nach 
welcher eine Verschlimmerung seines Zustandes nicht be¬ 
merkt wird. 

Am 15. Februar reist Pat trotz aller GegenVorstellungen 
heim. 

Im vorliegenden Falle haben wir es, wie die Percus¬ 
sion zeigt, mit einem ziemlich stark dilatirten Herzen 
zu thun, welches seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen 
ist (Stauungserscheinungen, schwacher Puls), ausserdem 
begegnen wir nocli verschiedenen Eigentümlichkeiten 
der Herzthätigkeit und des Pulses. 

Für die Dilatation finden wir bei der objectiven Un¬ 
tersuchung keinen Grund, wir finden keine Symptome 
eines Klappenfehlers, keine Arteriosclerose. Wenn auch, 
wie der Leberpnls es zeigt, eine Tricuspidalinsufficienz 
vorhanden war, so war das eine Folge der Dilatation 
des rechten Ventrikels und nicht eine Ursache dersel¬ 
ben, da bei Aufbesserung 3er CircttläHöfinvertüHlnlsse 
auch der Leberpuls vprschwand, folglich die Insufficienz 
nur eine relative war. 

Aus der Anamnese erfahren wir, dass der Vater des 
Patienten an einem Herzfehler gestorben, ein Bruder 
augenblicklich herzleidend ist, so dass bei ihm wohl eine 
hereditäre Disposition zu Herzkrankheiten angenommen 
werden kann. Pat. hat allerdings in seiner Jugend 
Scharlach und Typhus abdominalis durchgemacht, hat 
aber nachher auch grosse körperliche Anstrengungen 
ohne schlechte Folgen ertragen, so dass sein Leiden 
wohl nicht auf diese Krankheiten zurückgeführt werden 
kann. Pat. ist aber seit einiger Zeit starker Potator und 
wir können bei ihm mit grosser Wahrscheinlichkeit eine 
Fettdegeneration des Herzmuskels infolge der Alcohol- 
wirknng annehmen, was denn auch durch die klinischen 
Erscheinungen bestätigt wird. Wir finden bei ihm alle 
von Rühle (Dtsches Arch. f. klin. Med. XXII\ Riegel 
(Ztschr. f. klin. Med. XIV), Leyden (Ztschr. f. klin. 
Med. V) und Fraentzel (Krankheiten des Herzens 1) 
für das Fettherz als charakteristisch angegebenen Merk¬ 
male: der Puls ist klein, beschleunigt, fast immer rhyth¬ 
misch, schon bei geringen körperlichen Bewegungen tritt 
Dyspnoe auf etc. 

Was die Entstehung des Leidens bei unserem Patien¬ 
ten betrifft, so entspricht sie ganz einer Schilderung 
Fräntzels über die Entstehung des Alcoholherzens. Es 
wiid durch die A leohol Wirkung der Puls stark beschleu¬ 
nigt. Wenn diese Schädlichkeit anhaltend einwirkt, muss 
sie schliesslich zur Ermüdung und Dilatation des Her¬ 
zens führen, wozu bald immer stärker werdende Dyspnoe, 
tiefer werdende Cyanose. auffallend grosse Leberdämp¬ 
fung nnd allmählich eintretender Hydrops hinzukommen. 
Den Gang der Degeneration des Myokards scheint die 
Influenza, besonders aber die lleirath des Patienten be¬ 
deutend beschleunigt zu haben. Wenn nach Fraentzel 
die Thatsache allgemein bekannt ist, dass, wenn ältere 
Männer jüngere Frauen heirathen, die Folge der gestei¬ 
gerten sexuellen Thätigkeit sich nnr zu bald durch Zn- 
stände von Herzschwäche bemerkbar zu machen pflegt, 
so kann man das auch von jüngeren Männern sagen, 
wenn sie von vorn herein kein gang kräftiges Herz 
besitzen. 

Was die Spaltung des zweiten Herztones anbelangt, 
so kann diese Erscheinung nach grossen körperlichen 
Anstrengungen auch bei Gesunden auftreten, ist nach 
Dehio (Petersb. med. Wschr. 1891, Nr. 32) aber immer 
ein Zeichen, das auf eine Insnfficienz des rechten Ven¬ 
trikels schliessen lässt. 

Der Umstand, dass oft auf 2 Herzactionen nur ein fühl¬ 
barer Radialpulsschlag kam, entstand in unserem Falle 
nicht durch eine Systolia alternans, wie sie von Unver- 


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rieht (Berl. klin. Wochenschrift) beschrieben ist, sondern j Pat. hat, nach seinen Angaben, weder dnreh die zu 
dadurch, dass mit stärkeren Herzcontractionen schwächer- . Hause ohne gehörige Diät und ohne Bettruhe gebrauchte 
abwechselten, welche in den Arterien keine fühlbare Pulse Digitalis, noch durch deren Ersatzmittel eine Erleichte¬ 
rte mehr erzeugen konnten. Dieser höchste Grad der Bige- rung seines Zustandes erreichen können, auch die strenge 

minie der Herzthätigkeit war jedoch nicht permanent Bettruhe blieb ohne merkliche Folgen, erst mit dem Be- 

vorhanden. Es konnte an der Radialis vielmehr oft ginne der Milchkur begann das Eiweiss aus dem Harn 

auch ein stärkerer und ein schwächerer Pulsschlag in zu schwinden, sank das spec. Gewicht des Urins (siehe 

regelmässiger Abwechselung wahrgenommen werden; es Tabelle), schwanden allmählich die Stauungserscheinun- 

konnte beim Ausbleiben des schwächeren Schlages der- gen, besserte sich das subjective Befinden und wurde 

selbe hervorgerufen werden durch Verstärkung der die Herzdilatation geringer, Es war die Milchkur also 

Herzthätigkeit durch Bewegung, es konnte die schwä- auch hier, wie in vielen mitgetheilten Fällen, von sehr 

chere Welle noch an der Carotis gefühlt werden, wo sie günstigem Einfluss auf die Herzkrankheit. Wie diese 

an der Radialis nicht 'mehr zu fühlen war. Es konnte günstige Beeinflussung zu Stande kommt, ist noch nicht 

deutlich der Uebergang vom Pulsus bigeminus. zum in- genau festgestellt. Da die Milch ein sehr stark ver- 

termittirenden Pulse verfolgt werden, wo die zweite dünntes Nahrungsmittel ist und in unserem Fall, nach 

(schwächere) Herzcontraction nicht nur keinen fühlbaren der Carell’schen Vorschrift nur in verhältnissmässig 

Arterienpuls mehr erzeugte, sondern auch auscultatoriscli geringen täglichen Mengen verabfolgt wurde, so 

am Herzen nicht mehr wahrgenoramen werden konnte. ist eine solche Milchkur zugleich eine halbe Hun- 

KOPIPEL, CARELL’sche MILCHKUR (siehe unten). 



gerkur. Nach Hirschfeldt (Berl.i klin. Wochensckr. Die Milchkur kann nach allem dem also nicht 
1892, Nr. 11) kann das Herz, ohne dass sein Muskel ge- die Kraft des Herzmuskels und die Leistungs¬ 
schwächt wird, solch eine knappe Diät ganz gut ein fähigkeit desselben steigern, wohl aber verringert 
paar Wochen aushalten. Dadurch dass dem Körper sie die Grösse der dem Herzen auferlegten Ar- 
geringere Mengen Flüssigkeit zugeführt werden, wird nach beit, so dass dieselbe auch schon von einem ver- 
Oertel der Blutdruck in den Gefässen geringer, somit hältnissmässig schwachen Herzen geleistet wer- 
die Herzarbeit leichter; es steigt dabei ferner nach Znntz den kann. Hierauf beruht die Bedeutung und der 
(Berl. klin. Wochenschrift 1892, Nr. 15) der relative Werth der Carell'schen Milchkur. Eine relative In- 
Haemoglobingehalt des Blutes, es kann von einem hae- sufficienz des Herzens kann durch sie zum Schwinden 
moglobinreicheren Blute bei der Athmung der Sauerstoff gebracht werden, indem sie die Widerstände des Blut¬ 
leichter aufgenommen werden, woraus wieder eine Ar- druckes vermindert, die vom Herzen überwunden werden 
beitserleichterung für das Herz resultirt. Durch strenge müssen. Auch in unserm Fall wurde eine eigentliche 
Bettruhe und durch leicht verdauliche Nahrung in gerin- Kräftigung der Herzthätigkeit durch die Kur nicht erreicht, 
geren Mengen, wie ja die Milch bei der Milchkur es ist, Es schwanden wohl die C'yanose, das Oedem und die 
wird ferner der Sauerstoffbedarf des Körpers merklich Albuminurie als Zeichen der Insufficienz, da das Herz 
verringert, wie Mering und Zuntz gezeigt haben, und die verringerte Arbeit leisten konnte, es stieg aber die 
auch dieser Umstand kommt der Herzarbeit zu Gute. ; Harnmenge nicht. Erst beim Digitalisgebrauch wurde 


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307 


durch das Steigen der täglichen Harnmengen eine Blut- 
druckerhöhung in den Arterien, eine vorübergehende 
Kräftigung der Herzthätigkeit erzielt. Auch zum Schluss 
der Beobachtung war das Herz noch sehr schwach; eine 
compensatorische Hypertrophie der Muskelmasse bei der 
höchst wahrscheinlichen schweren organischen Erkran¬ 
kung des Herzmuskels war in der kurzen Zeit auch nicht 
zn erwarten. 

Was nun die täglich zu verabreichende Milchmenge 
betrifft, so empfiehlt Care 11 mit 600 bis 800 Grm. zu 
beginnen. Ein so geringes Qnantum wird man aber wol 
nur wenig Tage lang verabreichen dürfen, da sonst der 
Körper rasch einer hochgradigen Inanition verfallen 
würde. Sehr bald wird man auf etwa 150" Grm. Milch 
pro die steigen müssen, um annähernd das Stick- 
stoffbedürfniss des ruhenden Körpers zu decken. Dieses 
Quantum aber, welches nach Oertel genügt um das 
Flüssigkeitsgleichgewicht des Körpers aufrecht zu erhalten 
weit zu übersteigen dürfte andrerseits gleichfalls nicht 
rathsam sein, da sonst die dem Herzen zuzumuthende 
Arbeit üher das unumgängliche Minimum, welches wir ja 
einzuhalten wünschen, gesteigert werden würde. Das De¬ 
ficit welches bei 1500 Grm. Milch pro Tag für die täglich 
erforderliche Menge stickstofffreier Nährstoffe immer noch 
ungedeckt bleibt kann durch etwa 100 Grm. Zwieback 
ersetzt werden. 

So haben wir es wenigstens bei unserem Patienten 
gehalten und damit einen guten Erfolg erzielt. 

Eine andre Möglichkeit, dem Körper die leicht ver¬ 
daulichen Nährstoffe der Milch in grösserer’ Quantität 
zuzuftihren, ohne den Kreislauf mit zu grossen Flüs¬ 
sigkeitsmengen zu belasten, würde darin bestehen, con 
densirte Milch zu benutzen, von etwa der doppelten Con- 
centration der gewöhnlichen Kuhmilch. Versuche in dieser 
Richtung sind meines Wissens noch nicht gemacht worden, 
dürften aber gewiss anzurathen sein. 

Die beigefügte Tabelle zeigt, wie während der Milch¬ 
kur (vom 16. bis 28. Januar) der Eiweissgehalt des 
Urins sich Vebihiriderte und fast verschwand, ohne dass 
die Urinmenge zunahm. Die letztere hob sich erst unter 
Digitalisgebranch, um nach Aussetzen dieses Mittels 
wieder zu sinken. Die schraffirte obere Partie der Ta¬ 
belle kennzeichnet die täglich ausgeschiedenen Eiweiss¬ 
mengen; die Linie a—a giebt die täglichen während der 
Milchkur consumirten Milchmengen an; die ausgezogene 
Kurvenlinie giebt die tägliche Urinmenge, die punctirte 
Linie das täglich bestimmte spec. Gewicht des Harnes. 


Referate, 

Behring: Die Blutserumtherapie bei Diphtheritis und 
Tetanus. Einleitung. (Zeitschrift für Hygiene und In- 
fectionskrankheiten. XII. Bd. I. Heft. 

Bei den Stadien und Experimenten für gewisse Infections- 
krankheiten empfängliche Thiere gegen diese Krankheiten 
künstlich^ immnn zn machen, machte B. die Erfahrung, dass 
solches für _ Tetanus und Diphtherie sehr wohl bei vielen 
Thieren ge.ingt, und ferner, dass dann das Blut, (und auch 
das Blutserum allein) so immun gemachter Thiere andern 
Thieren, die nicht immunisirt waren, in die Peritonealhöhle 
eingespritzt, diese sowohl bei bald nachfolgenden sonst durch¬ 
aus tödtliohen Iniection9n am Leben erhält, als auch kürzlich 
vorangegangene lnjectionen unschädlich macht, an denen alle 
Controlthiere starben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das 
Blutserum hoch immun gemachter Thiere das erreicht, nicht 
indem er das Leben und die Vermehrung der den Impflingen 
iivjicirten Bakterien hindert, sondern indem es die giftigen Stoff- 
wechselproducte dieser Bacterien unschädlich macht. Also es 
macht — nach der neuern Nomenclatur — nicht eigentlich 
immnn, sondern giftfest. Mit dem Blute angeboren immuner 
Thiere machte B. nicht dieselbe Erfahrung, es besteht somit 
ein wesentlicher Unterschied zwischen angeborener und künst¬ 
licher Immunität. Seine Resultate veranlassen B. die Hoffhung 
auszusprechen, dass der weitere Weg für die Gewinnung spe- 
cifisch wirkender Heilmittel gegen Infectionskrankheiten klar 
vorgezeichnet ist. Man hat zunächst bei empfänglichen Thieren ! 
einen hohen Grad von Immunität zu erzeugen und dann zu ■ 


versuchen, ob das Blut des iinmunisirten Thieres bei einem 
andern schützende und heilende Wirkung hervorzubringen im 
Stande ist. 

Behring und Wernicke: Ueber Immonisirnng und Hei¬ 
lung von Versuchsthieren bei Diphtherie, (ibidem). 

Bisher galt es für sicher (Löffler, M. Beck), dass die D. 
bacillen nur local auf der Schleimhaut sich vermehren können, 
nie in den Säftestrom gelangen, so dass die AUgemeininfection 
bei D. auf Resorption der giftigen Stoffwechselproducte der 
Bacterien (Löffler) oder durch dos massenhafte Eindringen von 
Streptococcen durch die zerstörte Schleimhaut ins Blut (Beck) 
beruhen. B. und W. haben nun die Entdeckung gemacht, dass 
bei einem an Rachen- und Kehlkopf — D. verstorbenen Kinde 
sich ans allen Organeu D.-bac llen herauszüchten Hessen. Es 
bleibt dahingestellt, ob das bei jedem D.-kranken der Fall ist, 
oder nur ausnahmsweise; ebenso ob ein längerer Zeitraum 
vergehen muss, ehe die D.-bacillen aus dem ursprünglichen 
Localherde ins Blut gelangen, oder ob das sehr bald nach der 
LocaHnfection geschehen kann. Es ist klar, dass im letzteren 
Falle ein möglichst frühes Beginnen einer genügend energi¬ 
schen Localtherapie besonders dringend geboten ist. Nicht mit 
einer Andeutung erwähnen B. und W.. dass der Loealprocess 
im Rachen das Secundäre, di.* AUgemeininfection das Primäre 
sein könnte. Jedenfalls macht diese neue Entdeckung den 
Besitz eines vom Blut aus wirkenden Mittels gegen D. noch 
wünschenswerther. B. und W. glauben dasselbe im Blutserum 
künstlich gegen D. immun gemachter Meerschweinchen, Ka¬ 
ninchen nnd Schafe gefunden zu haben. Solche Versuche an 
D.-kranken Menschen haben in der v. Bergmannschen Klinik 
begonnen. Ueber das Resultat dieser Versuche ist noch nichts 
bekannt. 

Künstlich immun machten sie anfangs Meerschweinchen, 
indem sie dieselben nach Infection mit D.-bacilleu durch sehr 
frühzeitige Localbehandlung mit Jodtrichlorid heilten; wurde 
das in bestimmten Pausen au denselben Thieren wiederholt, 
so trat Immunität dieser so empfänglichen Thiere gegen D. 
ein. Später erschien es zweckmässiger, das D.-gift ausserhalb 
des Körpers mit Jodtrichlorid zu behandeln, abzuschwächen. 
Dabei erwies es sich dass nicht die D.-bacillen als solche Krank¬ 
heit und Tod bringen, sondern nur ihr .Stoffwechselgift; auch 
das Filtrat alter D.-bacillencultnren, das fast keimfrei war, 
war so giftig, dass 0,15 Ccm. davon genügte, ein ausgewach¬ 
senes Meerschweinchen in 4 Tagen zu tödfen. Die Details der 
verschiedenen Wege, wie die Autoren schliesslich mit grosser 
Sicherheit die Thiere immunisiren, giftfest machen, siche im 
Original. Je weiter der Grad der Immunität gebracht war, 
um so deutlicher die therapeutischen Erfolge. Dem immuni- 
sirten Thiere wurde Blut entnommen und aas daraus gewon¬ 
nene Serum einem nicht iranmnisirten Thiere in die Bauch¬ 
höhle injicirt in einer dem Körpergewicht entsprechenden 
Menge. Einen Tag später wurde diesen Thieren I). baeillen- 
cultur in einer Menge injicirt, die ausnahmslos die Controll- 
thiere tödtete, während erstere am Leben blieben nnd weder 
locale noch allgemeine Krankheitserscheinungen darboten. Die 
Quantität des aabei verbrauchten Blutserums ist von grösster 
Bedeutung. Um ein Meerschweinchen immun zu machen, be¬ 
dürfe es, dass ihm Vio der gesammten Blutmenge des immunen 
Blutspenders transfnndirt werde. Also keine Fermentwirkung, 
sondern das Thier bekommt ein andres Blut und damit gewisse 
Eigenschaften und Fähigkeiten des Blutspenders. Zn Heil¬ 
effecten (also wenn die Infection vorangeht und das Heilblut¬ 
serum später transfnndirt wird) braucht inan noch grössere 
Mengen Serum als für die Iinmnnisirung, nnd zwar um so 
grössere, je mehr Zeit seit der Infection verflossen war. Wird 
auf solche Weise das Thier am Leben erhalten, so nimmt auch 
bei ihm die Immunität gegen D. zu. Wurde aber nur Serum 
injicirt und weder vorher noch nachher D.-gift. so erhielt sich 
Immunität auch mindestens mehrere Wochen. 

Den Verfassern gelang es, Heilserum vorräthig zu halten 
und zwar dnrcii Zusatz von Carbolsänre monatelang unver¬ 
ändert, ohne dass die Heilkraft merklich abgeschwäcnt wurde. 
Die Verfasser geben durch Veröffentlichung der Protokolle 
aller ihrer Versuche genauen Einblick in die Methode der 
Gewinnung des Heilserums und der Wirkung desselben auf 
die Impflinge nnd ermöglichen so jederzeitige Nachprüfung 
ihrer Arbeit. 

Behring: Ueber die Immunisirung nnd Heilung von 
Thieren bei Tetanus, (ibidem). 

Dieselben Erfahrungen wie bei Diphtherie machte B. auch 
bei T. Schafe und Pferde — sehr für T. empfängliche Thiere — 
worden durch wiederholte lnjectionen allmählig immer gestei¬ 
gerter Quantitäten von T. Bacillenculturen, welche durch Jod¬ 
trichlorid giftärmer gemacht waren, hoehimmnn gemacht. Das 
Blutserum dieser Thiere erwies sich als sicher lebensrettend 
bei Thieren. denen tödtliche Gaben der ungeschwächten Cnl- 
turen injicirt wurden, sowohl bei prophylaktischer Anwendung 


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308 


als auch bei nachträglicher. Bei letzterer mussten nur die 
Quantitäten des Heilserums grösser sein. Dabei erwies es sich 
dass das Heilserum keineswegs nur bei Thieren derselben Gat¬ 
tung half, ein Pferdeblutsernm erwies seine Heilkraft sowohl 
bei Mäusen, als bei Schafen nnd Pferden. Dnrch Carbolzusatz 
gelang es auch hier grosse Quantitäten Heilserum lange auf- 
znbewahren nnd heilkräftigzu erhalten. Beiläufig machte B. 
die Erfahrung, dass Kaninchen, während sie durch wieder¬ 
holte Iniectionen immun gemacht wurden, folgendes darboten: 
Nach jeder Iniection wurden sie (wie es ja auch anders nicht 
möglich ist) krauk; während der Beconvalesoenz waren sie 
ausnahmslos gegen T.-infectionen viel empfindlicher als frische 
Thiere. Hatten sie sich aber vollständig erholt, so war schon 
deutliche Immunität (nach den ersten Injectionen schwach, 
nach weiteren schliesslich vollständig) da. Es erinnert das 
doch sehr daran, dass z. B. während der Beconvalescenz vom 
Typhus abd. beim Menschen Becidive sehr leicht anftreten, 
wahrend vollständige Heilung vor der Wiederkehr derselben 
Krankheit schätzt. 

G. Klemperer und F. Klemperer: lieber die Heilung 
von lnfectionskrankheiten durch nachträgliche Im¬ 
raunisirung. (Berl. klin. Wochenschrift. 1892, Nr. 18). 

Seit dem Bekanntwerden der von Behring und Kitasato ent¬ 
deckten Immunisirung gegen Diphtherie und Tetanus durch 
das Blutserum hochimmun gemachter Thiere, hat sich dasselbe 
Verfahren auch bei andern lnfectionskrankheiten bewährt: 
Schweinerothlauf, Pneuraoniecocceusepticämie, Mäusesepticä- 
mie Infection mit Friedländerschen Bacterien und »euer- 
dings Typhus. Es bestätigt sich bei allen diesen «dass jede 
starke erworbene Immunität mit dem Serum des immunen 
Thieres auf andere übertragbar ist und dass die so 
ei zielte Immunität so schnell eintritt, dass sie auch bereits 
ei krankte Thiere noch zn immunisiren, d. h. heilen verinap. 
Dabei erwies es sich, dass die Sernmtherapie durchaus eine 
specifische ist, d. h. das Serum gegen Pneumoniecoccensepti- 
cämie immun gemachter Thiere half nur gegen dieselbe 
Krankheit. Aber das liess sich mit Sicherheit constatiren, dass 
ein Thier gleichzeitig gegen 2 lnfectionskrankheiten immun 
gemacht werden kann und nun sein Blutserum sich an zwei 
andern Thieren heilkräftig erwies, welche mit je einer der 
betreffenden Krankheiten inficirt wurden; jede der beiden 
Krankheiten wurde ebenso prompt geheilt als ob das Heil¬ 
serum nur für dieselbe Krankheit allein immunisirt Rei. 
Ob das für noch mehr als zwei Infectionskrankbei en gleich¬ 
zeitig gilt, ist noch nicht erprobt worden. Die Autoren ziehen 
den Schluss: «wir müssen die theoretische Grundlage de*"Se- 
rumtherapie als eine gesicherte und ihre Vei-werthung beim 
Menschen als eine mögliche bezeichnen». Als erschwerenden 
Umstand für eine etwaige weite Verbreitung dieser Therapie 
sehen die Autoren die schwierige Beschaffung genügender 
Mengen Heilserum und haben daher Versuche angestellt, die 
rettende Immunisirung — statt vermittelst der vorherigen Im- 
uuinisirung eines gesunden Thieres -- direct zu veranstalten, 
indem dem inficirten Thiere Bouillonculturen der betreffenden 
Bacillen eingespritzt wurden (über Präparation dieser Oulturen, 
Erwärmung, Concentration etc. siehe das Original). Auch das 
gelang, aber die Immunisirung (Heilung) erfolgte viel lang¬ 
samer als bei Injection von Heilblutserum, so dass die Methode der 
Klemperers nur für chronisch oder subacut verlaufende Infec- 
tionskranklieiten passt. 

(Befer, scheint diese Methode ganz dem Princip der Kocli’- 
schen Tnberculinbehandlnng zu entsprechen und sieht er in 
den positiven Erfolgen der Autoren eine Stütze der Tnbcreu- 
linbehandlung). 

L. Brieger, S. Kitasato und A. Wassermann: Uebor 
Immunität und Giftfestigung. (Zeitschrift für Hygiene 
und Infectionskr. Band XII, Hefi 2). 

Im menschlichen Körper entstehen durch den normalen 
Stoffwechsel Zwischenproducte, Fermente, die recht giftig sind, 
so die Peptone, gewisse Fermente wie Trypsin, Pankreatin. 
Diese Stoffe werden resorbirt, kreisen in der Circulation und 
schädigen doch nicht. Welche Organe vernichten diese Gift¬ 
stoffe nnd machen sie unschädlich? Es sind die in die Circn¬ 
lation eingeschobenen gefässreichen Drüsen: Lyinphdrüsen, 
Schilddrüse. Thymus. Die Bedeutung ersterer war längst 
bekannt. Bei localer Infection schreitet diese rasch fort bis 
zu der nächsten Lymphdriisengrnppe. Hier bleibt sie wie vor 
einem Walle stehen und oft genug kommt es zur Ausheilung. 
Den Autoren ist es auch geglückt, aus einem in der ersten 
Entstehung begriffenen Mammacarcinom einen giftigen Stoff 
darzustellen, der dagegen bei zwei zellarmeu Fibromen nicht 
gefunden wurde (daher vielleicht bei ersteren Lymphdrüsen- 
schwellungen in der Umgebung, bei letzteren nicht). Auch für 
die Schilddrüse liegen Beobachtungen am Krankenbett vor, 
die auf ein« hervorragende giftzerstöreude Fähigkeit derselben 
hinweisen. Die Cachexia strnmipriva ist eine chronische ln- 


| toxication. Wurde diese bei Hunden hervorgernfen. so erwiesen 
sich intrave,nöse Injectionen von Schilddrüseusaft als heilend, 
ebenso Transplantationen von Schilddrüsengewebe, wenn die 
überpflanzte Drüse fortkam (letzteres hat Horsley auch für 
Menschen constatirt). 

Das Studium dieser antitoxischen Fuuction der Schilddrüse, 
Thymus und Lymphdrüsen hatten sich die 3 Autoren zur 
Aufgabe gestellt. 

Wässerige, schwach alkalische Auszüge aus fein zerhackter 
Thymus oder Lymphdrüsen wurden in verschiedenen Quanti¬ 
täten gewöhnlicher Peptonbonillon hinzugefügt und auf dieser 
Mischung die betreffenden Oulturen gezüchtet, deren Voll¬ 
giftigkeit vorher genau constatirt war. Hie Bacterien wuchsen 
in reichlichster Weise, hatten aber an Giftigkeit beträchtlich 
eingebüsst. Bei Uinziichtung jedoch auf gewöhnlicher Bonilion 
wurde sofort wieder die ursprüngliche Gif igkeit, hergestellt. 
So konnten Tetanusbacillen gezüchtet werden, ohne dass das 
Nährmedimn Tetauusgift in irgend nennenswerthein Maasse 
enthielt. Die giftzerstörende Kraft jener Substanz war also 
bewiesen. Bonilloncnlturen der Tetanus-, Cholera-, Typhus-, 
Diphtherie-, Erysipel-, Milzbrand- nnd Schweinerothlauferreger 
wurden so geprüft. Bei allen das gleiche Resultat: durch 
intraperitoneale Injectionen dieser betreffenden Flüssigkeiten 
wurden Versuehsthiere giftfest gemacht. Ob das gelungen war, 
wurde auf 2 fache Weise geprüft, ein Mal durch Einverleibung 
absolut sicher tödtlicher Dosen der betreffenden Bacterienart 
bei den vorbehandelten Thieren und gleichzeitig bei mehreren 
Controllthieren, und dann durch Prüfung des Blutserums der 
vorbehandelten Thiere auf seine Uebertragungsfähigkeit der 
Giftfestigung auf normale Thiere (Behring). 

I. Tetanus. Es gelang zuweilen T.-bacillen auf sterilisirtem 
wässerigen Thymusauszug zum Wachsthum zu bringen aber 
merkwürdigerweise blieb die Sporenbildung immer ans. Impfte 
man von diesen Oulturen auf Agartranbenzuckerlösung, so 
bildeten sich gleich sporenhaltige Oulturen. Mischungen von 
Nährbonillon und Thymusauszug Hessen reichliche T.-bacillen- 
culturen wachsen, deren Giftigkeit aber fast ganz vernichtet 
war. Nachträgliche Zusätze von Thymusauszug zu vollendeten 
Bacillenculturen reducirten zwar die Giftigkeit sehr, aber 
wenn die Cnltnren sporenhaltig waren, kamen doch Todesfälle 
vor, bei sporenfreien nicht, obgleich die hohe Giftigkeit dieser 
letzteren vor dem Zusatze des Thymusauszuges jedes Mal ge¬ 
prüft wurde. Nun gingen die Autoren weiter und versuchten 
durch Einverleibung dieser Mischung (Thymus und Bacillen- 
bouillon) gegen Wundstarrkrampf hochempfindliche Thiere 
gegen eine spätere Impfung mit vollvirulenten T. zu schützen. 
An 35 Kaninchen, vielen Mäusen und an einem jungen Hammel 
wurden diese Experimente gemacht — alle blieben am Leben, 
während alle Controllthiere starben, so dass also nach dieser 
Methode 100 pCt. aller Versuehsthiere mit Sicherheit geschützt 
werden können. Die Giftfestigkeit, nachdem sie einmal erlangt 
ist, dauert mindestens 4 Monate, wahrscheinlich viel länger. 

II. Cholera. Unter allen Geschöpfen auf Erden wird nur der 
Mensch sehr leicht von der Ch. befallen. Ein einmaliges Ueber- 
stehen giebt eine gewisse Immunität, während derselben Epi¬ 
demie wird derselbe Mensch nicht znm 2. Mal befallen. Thiere 
erkranken spontan nicht an der Ch. Aber immun sind sie nur 
scheinbar, denn Kocli sah sie nach Wegräuinung der der In¬ 
vasion der Ch.-träger hinderlichen Schutzwälle (saurer Magen¬ 
saft und Darmperistaltik) befallen werden und unter demselben 
Symptomencomplex wie der Mensch erliegen. Meerschweinchen 
sind hoch empfänglich für Oh.. Kleinste Mengen Bouilloncul- 
turen intraperitoneal applicirt, oder etwas grössere per Schlund¬ 
sonde (Kocn) tödteten sicher. Die Seetion bot immer den 
gleichen charakteristischen Befund. Ganz sicher wirken die 
Kommabacillen nicht infectiös (durch unbegrenzte Vermehrung, 
Verstopfung der Capillaren) sondern toxisch, das von ihnen pro- 
ducirte Gift tödtet, wenn es in genügender Menge dem Thier¬ 
körper ein verleibt wird. Pfeiffer hat die Wahrnehmung gemacht, 
dass die Thiere gegen Ch. immun aber nicht giftfest sind. 
Die Experimente mit Thymus Ch.-bouillou hatten nun ganz 
ähnliche Besoltate wie bei Tetanus, aber doch nicht die glei¬ 
chen. Nicht 100 aber 80 pCt. der vorbehandelten Thiere über¬ 
standen schwere spätere Intoxicationen. Dagegen war bei der 
Ch. überraschend der ungemein rasche Eintritt des Gift¬ 
schutzes. Schon nach 24 Stunden zeigen sich die Thiere gift¬ 
fest. Das dürfte bei etwaiger Anwendung der etwaigen Schutz¬ 
impfungsmethode gegen Cu. bei Menschen von grosser Bedeu¬ 
tung sein. Denn bei einer gerade herrschenden Epidemie würde 
ein Schutz, der erst nach Wochen sich geltend macht, höchst 

robleraatisch sein. Ein so rasch eintretender Impfschutz 
ouimt einem Heilmittel sehr nahe. Wenn der Giftschntz so 
rasch eintritt, während des Verlaufes der begonnenen Krankheit, 
so bedeutet das Heiluug. Im Gegensatz zu Tetanus währt bei 
Ch. die einmal erlangte Giftfestigkeit nur 2 Monate. 

III. Diphtherie. Bei dieser Krankheit existiren schon 2 
Beihen günstiger Schntzirapfmethoden. 189.1gelang C. Fränkel 
allmählig ein tretende Giftfestigkeit durch Injectionen von 
D.-culturen, deren Giftigkeit durch Erhitzen abgeschwächt 
war, und ebenso 1890 veröffentlichte Behring seine später all- 


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309 


seitig anerkannten Entdeckungen der Schutz- und Heilwir 
kung des Blntsevums künstlich giftfest gemachter Thiere. 
Brieger, Kitasato und Wassermann machten nun die Erfah¬ 
rung’ dass Zusätze von Thymusauszug zu D.-bacillenculturen 
die Giftigkeit derselben sehr herabsetzen und dass die Schntz- 
kraft dieser Mischung beinahe ebenso stark wie bei Tetanus 
(fast 100 pCt. der Versuchsthiere blieben lebend während alle 
Controlthiere starbe*). Bei allen überlebenden Thieren stiess 
sich die Umgebung der Impfstelle nekrotisch ab Unter diesen 
i.ekrotiskenden Schorfen konnten die Autoren noch nach Wochen 
lebende D.-bacilleu nachweisen. Die Thiere waren also nicht 
immun sondern giftfest. Die D. verlief bei ihnen rein local, 
denn gegen das todtbringende Gift waren die Thiere geschützt. 
(Also während durch die Schutzimpfung das in den Kreislauf 
gelangte D.-gift vernichtet wurde, hatte diese Impfung nicht 
die primäre LocalafFection beeinträchtigt, dort blieben die 
D-bacillen lebend — auch ein schwerwiegender Hinweis auf 
die Nothwendigkeit der Localbehandlung des primären Herdes, 
lief) Die einmal verlangte Giftfestigkeit scheint lange wie 
bei 'Tetanus zu bleiben, tritt aber nicht so schnell wie bei 
Cholera ein. 

IV Typhus. Weisse Mäuse und Meerschweinchen sind sehr 
empfänglich für T.-gift, sie gehen säm ntlich zu Grunde nach 
Iniection von T.-bacillen in die Peritonealhöhle; immer unter 
demselben Krankheitsbilde. Der Streit ob der Tod durch 
Infection oder durch Intoxication erfolge, ist zu Gunsten der 
letzteren entschieden. Thymus Typhusbonillon war nun im 
Stande ausnahmslos in 10 Tagen weisse Mäuse und Meer¬ 
schweinchen giftfest zu machen, alle Versuchsthiere blieben 
lebend, während alle Controlthiere starben. Lymphdrüsen- 
Typhnsbouillon leistete dasselbe. Dabei prüfteu die Autoren 
das Behrings’che Verfahren. Auch für Typhus bestätigte sich 
das Gesetz, das Behring für Diphtherie und Tetanus ge¬ 
funden, die Schutz- und Heilkraft des Blutserums der künst¬ 
lich giftfest gemachten Thiere. -- Hinsichtlich der Dauer der 
einmal ei langten Giftfestigkeit ist die Grenze noch nicht 
festgestellt, nach 4 Monaten ist sie noch ganz sicher da, aber 
— wie gesagt -- erst 10 Tage nach Beginn der Vorbehand¬ 
lung beginnt sie, daher — wenn keine Vervollkommnung er¬ 
reicht wird - die Aussicht auf Anwendung auf den Typhus¬ 
kranken Menschen nicht sehr verlieissnngsvoll. 

V. Erysipel. Unvollständige, meist mit den vorhergehenden 
übereinstimmende Resultate. 

VI. Schweinerothlauf und Vll. Milzbrand. Hier handelt es 
sich um 2 ganz andere Krankheiten als die bisherigen. Es 
sind lnfectionskraukheiten im engern Sinn, keine Intoxication. 
Durch unermessliche Vermehrung der Bacillen (bei Milzbrand 
bekanntlich bis 1 Million in 1 Cubctm. Blut), Verlegung 
der Capillaren etc. machen sie das Leben des Trägers un¬ 
möglich, nicht durch Resorption giftiger Stoffwechselproducte. 
Da nun Thymus - Lymphdriisensubstanzen nicht bactericid 
sondern antitoxisch sind, so war bei diesen beiden Krank¬ 
heiten von dieser Substanz nicht viel zu erwarten. Bei Milz¬ 
brand hat es sich auch so herausgestellt, Immunität war nicht 
zu erreichen; bei Schweinerothlauf merkwürdigerweise wohl 
in gewissen Grenzen und unter verschiedenen Modificationen 
(worüber im Original nachzuleseu). 

Schlussbemerkungen: 1) Aus gewissen zellreichen 

Organen (Thymus, Schild- und Lymphdrüsen) gesunder Thiere 
sind Stoffe gewonnen, welche ausgesprochen antitoxisch wirken. 
2) Bacterienculturen, welche der Einwirkung solcher Stoffe 
ausgesetzt sind, schützen die Thiere gegen die betreffenden 
parasitären Krankheiten. 

Die Einverleibung der Thymus- oder Lymphdriisenzellen- 
snbstanzen für sich begründet nicht den Schutz. Nur durch 
die Combination dieser Zellsubstanz mit Cultnren tritt der 
Schutz auf und zwar nur für dieselbe Krankheit, die die 
Cultur reprüsentirt. Thymus-Diphtheriebouillon schützt z. B. 
nicht im mindesten gegen Typhus. Der Schutz ist also ein 
ganz spezifischer. Also die Cultur ist das Wesentliche 
nicht die Thymussubstanz, diese vernichtet nur die toxischen 
Nebenwirkungen der Cultnren. Das immunisirende Principin 
den Cultnren muss in den Bacterienleibern stecken (siehe 
Original). Diese Bacterienzellleiber gilt es möglichst zu 
isoliren. Durch Einengen im Vacuum, Behandeln mit abso¬ 
lutem Alkohol, Trocknen etc. gelingt es recht gut. Es bildet 
sich ein weisses Pulver, das 4,45 Phosphor enthält. In diesem 
Pulver war schon ein grosser Theil des Giftes nicht mehr 
vorhanden, aber gewiss die ganze immunisirende Substanz. 
Schutzimpfungen mit dieser concentrirten Substanz beschleu¬ 
nigten den Eintritt der Giftfestigkeit ausserordentlich — bei 
Typhus statt in 10 Tagen schon in 1 - 2 Tagen. 

Wenn es gelingen wird, in grossen Quantitäten die schutz¬ 
verleihenden Substanzen der Bacterienkörper zu concentriren 
und gleichzeitig die Toxalbumine zu eliminiren (durch Zusatz 
von Thymus-nszug z. B.) so würde die Therapie dieser In- 
fectionskrankheiten durch die Bakteriologie reiche Förderung 
finden. Dr. M a s i n g. 


Fritz Hölscher (Mühlheim a. Rh.) und Richard Sei¬ 
fert (Radebeul-Dresdeti); Ueber die Wirkungsweise 
des Guajacols. (Berlin, klin. Wochenschrift. Nr. 3,1892). 

Die Verfasser constatiren, dass däs resorbirte Guajacol nicht 
im freien Zustande im Blute kreist, sondern als eine neue noch 
nicht genau bekannte Verbindung, welche die ätzenden giftigen 
Eigenschaften des freien Guajacols nicht mehr besitzt und auf 
Tnberkelbacillen ohne jede Wirkung ist. Während der Resorp¬ 
tion lagert sich das Guajacol vermuthlich an Bluteiweissstoffe 
und zwar vermittelst des im Eiweissmolekül enthaltenen 
Schwefels. Im Blute des Phtisikers befinden sich ausser den 
normalen Eiweissstoffen noch andere durch den Krankheits- 

E rocess, z. B durch den Stoffwechsel der Bacillen, erzeugte, 
»iese letzteren toxischen Eiweisskörper sind sehr geneigt, 
chemische Processe einzugehen oder zu vermitteln. So lange 
solche labile Stoffe im Blute vorhanden sind, lagert «ich das 
Guajacol an diese Eiweissstoffe und führt sie in stabilere un¬ 
giftige Verbindungen über, die durch Sauerstoffaufnahme 
weiter verändert werden, sich spalten, ans dem Blute dann 
ausgeschieden werden und schliesslich grösstentheils in den 
Harn übergehen. 

Auf solche Weise wird das Blut dauernd von den giftigen 
Stoffwechselprodukten der Bacillen befreit, sobald man dem¬ 
selben beständig eine genügende Quantität Guajacol 
zuführt. Mit der Vergiftung der durch den Krankheitsprocess 
erzeugten labilen Eiweissstoffe müssen Fieber und Nacht- 
schweisse schwinden, normale Veidauung, Appetit und allge¬ 
meines Wohlbehagen zurückkehren. Je mehr Guajacol dem 
Blute zugefnhrt wird (für dauernde Zuführung eignet sich das 
Guaiacolcarbouat vorzüglich), desto vollkommener ist die 
Eliminirung der labilen Eiweissstoffe und demnach anch die 
gute Wirkung. 

Wie das Guajacol lagern sich auch andere, chemisch ver¬ 
wandte Stoffe, z. B. das Eugenol, an die Eiweissstoffe des 
Blutes. Das Eugenol wirkt jedoch im freien Zustande zu heftig 
auf die Schleimnäute des Verdauungsapparates, während das 
Engenolcarbonat relativ ungiftig ist und wahrscheinlich gute 
Resultate geben wird. 

Die Theorie über die Wirkung des Gutyacols lässt sich auf 
diejenigen Organstoffe übertragen, welche ganz oder zum Theil 
als ätherschwefelsaure Salze aus dem Organismus wieder aus¬ 
geschieden werden, also 1) auf alle Phenole und deren Deri¬ 
vate und 2) auf viele zu den Aminen gehörigen Arzneistoffe 
wie Antifebrin, Phenacetin, Alkaloide etc. Die specif. Wirkung 
kommt dadurch zu Stande, dass ein bestimmtes Medikament 
mit einem bestimmten labilen Eiweisskörper, der durch 
Krankheitsprocesse gebildet ist, besonders leicht zu einer 
ungiftigen Verbindung Zusammentritt. C. Tomberg. 

Max Herz: Die physiologische und therapeutische 
Wirkung der Dampfliitze. (Wiener klinische Wochen¬ 
schrift 1891 Nr. 17 und 18). 

Untersuchungen mit cGärtner's Localdampfbad im eigenen 
Bett»(Fortleiten des in einem kleinen Kessel erzeugten Dampfes 
durch eine verschiebbare Rohrleitung in das Bett des rat., 
bei welchem durch verschiebbare, mit Tüchern verhängte 
Holzgestelle nur bestimmte Körpertheile der Dampfwirkung 
ansgesetzt werden) führten zu folgenden Resultaten: 

Zunächst entsteht local dnrch den intensiven Hautreiz auf 
der betreffenden Hautoberfläche Hyperämie, die Blutcircula- 
tion wird daselbst beschleunigt, das Blut erwärmt; allmählich 
driuet die Wärme in die Tiefe, das Volumen der peripheren Kör¬ 
perteile nimmt za theils durch Hyperämie der tieferen Theile, 
theils durch Erschlaffung and Quellung der Gewebe. Ferner steigt 
sowohl bei einem Dampfbad des ganzen Körpers, als auch bei 
einem partiellen, die Rectum und Axillartemperatur, aber 
mit sehr wechselnder, regelloser Intensität; dies wird nicht 
durch directe Körpererwärmung erzeugt, sondern indirect 
durch Reizung der die Wärmeentwickelung im Körper regu- 
lirenden Nerven. 

Die therapeutischen Wirkungen des Dampfbades sind äusserst 
verschiedene. Traumatische Gelenks-, Muskel- und Nervenent¬ 
zündungen wichen hohen Dampftemperaturen, bei acutem Ge¬ 
lenkrheumatismus wirken dieselben local anästhesirend, ohne 
jedoch das Uebergreifen auf andere Gelenke zu verhüten; 
bei subacuten Gelenkentzündnngen wichen die Infiltrationen, 
bei freier Flüssigkeit in der Gelenkhöhle musste auch Massage 
angewandt werden. Dampfbäder bei fiebernden Rheumatikern 
erzeugten rascheren Temperaturabfall, indem der heilsame 
Effect des Fiebers durch Erzielung noch höherer Tempera¬ 
turen vermehrt wird; darauf basirend könnte man an die 
Verwendung des Dampfbades bei allen fieberhaften Erkran¬ 
kungen denken, wo nicht die schon im Körper aufgespei- 
cberte Wärme bereits an sich deletäi zu werden droht. Durch 
Hervorrufen energischeren Stoffwechsels mnss das Dampfbad 
bei Anämie, Adipositas, Gicht (erhöhte Harnsänreausscheidung) 
wirken. Es wirkt also als Analgeticum, Antiphlogisticum, 
Resorbens, Analepticum und Roborans. Hess. 


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310 


W. Gerlach: lieber Lysol. (Zeitschrift f. Hygiene. Bd. X 

S. 167). 

Auf Grund seiner mit Lysol angestellten Versuche kommt 
Verf. zn folgenden Schlüssen: 

1) Das Lysol ist nicht allein in Reinkulturen, sondern auch 
in Bakteriengeinischen wirksamer als Carbolsäure und Cre- 
olin. 

2 ) Die Desinfection der Hände gelingt bei ausschliesslicher 
Verwendung einer 1 pCt. Lysollösung ohne Anwendung von 
Seife. 

3) Zum Keimfrei machen infectiöser Sputa und Stähle lei¬ 
stet es bei Weitem mehr als alle übrigen Desinfections 
mittel. 

4) Durch Besprengen der Wände mittelst 3 pCt. Lösung 
werden dieselben keimfrei gemacht. 

5) Das Lysol ist von den Antisepticis, welche sich bezüg¬ 

lich ihrer 'Wirksamkeit mit demselben vergleichen lassen 
(bes. Carbolsäure, Creolin, Sublimat) das bei weitem ungif¬ 
tigste. Hess. 


G i s e v i u s: Ueber Chloroformnarkose. Ans dem Augusta- 
Hospital in Berlin. (Deutsche medicinische Wochen¬ 
schrift. 1892, Nr. 26). 

Im Gegensatz zu der gewöhnlich geübten Chloroformnarkose 
mittelst grosser Gaben in Zwischenräumen, befürwortet Verf. 
die stetige und tropfenweise Anwendung des Chloroforms. 
Auf eine gewöhnliche Flanellmaske, die Nase und Mund 
gleichmässig bedekt, wird langsam tropfenweise aus einem 
Tropffläschchen ununterbrochen Chloroform geträufelt. Die 
Maske wird nicht gelüftet. Nach 5 bis 10 Minuten tritt Nar¬ 
kose ein, die beliebig lange durch Auftröpfeln geringer Men¬ 
gen in massigen Zwischenräumen unterhalten werden kann. 
Ausserordentlich wichtig ist es dabei, dass der Pat. vor dem 
Erlöschen der Reflexe vollkommen unberührt gelassen werde 
und dass im Operationssaai absolute Ruhe herrsche. Die 
Vorzüge dieser Methode bestehen zunächst im Beginn der 
Narkose in dem Wegfallen der für den Kranken so lästigen 
Reizungen der Schleimhäute (kein Husten, keine Salivation) 
und im Nichtvorhandensein eines eigentlichen Excitatious- 
stadiums. Auch das Stadium der tiefen Narkose, welche mit 
sehr geringen Mengen Chloroform unterhalten wild, verläuft 
ruhiger und gefahrloser. Die durchschnittliche Menge des 
bei dieser Methode verwendeten Chloroforms ist bedeutend 

f eringer, als bei der alten Me.hode (früher etwas über 1,0 in 
er Minute, jetzt nur 0,6). Der Zustand beim Erwachen aus 
der Narkose ist viel angenehmer. Alle Beschwerden treten 
viel milder auf, bes. fehlt das fast unstillbare Erbrechen. 
Gerade bei langdauernden schweren Operationen treten die 
Vortheile dieser Methode besonders hervor, da in den weite¬ 
ren Stadien der Narkose minimale Mengen von Chloroform 
genügen. Decrepide Personen vertragen grössere Operationen 
bedeutend leichter, als früher. Auch bei den Potatornarkosen 
fehlt bei dieser Methode die Excitation oder dieselbe ist sehr 
gering, auch die Gefahr etwa eintretenden Collapses ist nicht 
so gross. Endlich macht diese Methode der Narkose die vor¬ 
läufige Injection von Morphium überflüssig. Hess. 


Kleinere Mittheiiungen und therapeutische Notizen. 

— G. Sticker empfiehlt in der Wiener klin. Wochensehr. 
1891 bei der Abortivtherapie der Gallensteinkrankheiten die 
Bellodonna als Mittel, welches neben einer schmerzen-lindernden 
Wirkung in der Kolik die der Steinwanderung entgegen¬ 
stehenden activen Widerstände des Organismus eliminirt. 
Die Belladonna hebt die der Steinwanderung entgegenstehenden 
Sphincterver8chlüsse durch Lähmung der Sphinctermuskeln 
auf, ohne die treibenden Kräfte, vor allem ohne die Detrusor- 
wirkung der Gallenblase zn schwächen. Verf. benutzt statt der 
einfachen Morphiumlösung eine Morphiumlösung: mit Atropin¬ 
zusatz (im VerhältnisvonO,01 Morph. 0,001 Atropin). Die Linde 
rung soll dabei zuverlässiger und freier von üblen Neben¬ 
wirkungen und Nachwirkungen eintreten. Als Bedingungen 
für die Anwendung der Belladonna sieht St. folgende an : 

Eintreten oder Herannahen einer Kolik, oder auch mehr¬ 
tägige Einklemmung des Steines mit häufigen Kolikanfällen; 
Abwesenheit jedes Symptomes, welches auf die Complicaiion 
der Kolik mit tieferen Gewebsläsionen, also auf einen atypi¬ 
schen Verlauf derselben schliessen Hesse; Abwesenheit von 
Collapserscliein ungen, wie sie infolge zu grosser Schmerzen 
auftreten. Als Hilfsmittel der Belladonna dienen warme Ge¬ 
tränke, warme Umschläge auf die Gallenblasengegend, mit¬ 
unter ein warmes Bad oder auch Zusatz von Spirit, aeth. 
nitrosi zum Belladonnarecept. 

Der Belladonnadarreichung (per os) muss häufig ein Ab- 
ffihrungsmittel folgen oder combinirt werden (Ricinusöl, 
Rhenm, Senna). 

Innerlich wendet Verf. das Infus der Blätter oder die wässrige 
Lösung des Extractes an. Die Dosis der Folia Belladonna ist 
0,5—13 G. (1) in 6—12 Stunden derart, dass vor Beginn des 


Kolikanfalles alle V#—1 Stunden ein Esslöffel des Infuses von 
1,0—1,5:150,0 gereicht wird. Die Menge des Extractes ent¬ 
spricht dem zehnten Theil der Gabe von den Blättern, also 
0,05-0,15 im Tage oder 0,005—0,015 pro dosi. 


Vermischtes. 

— Wie die «N. Dörptsche Ztg.» berichtet, ist der bekannte 
Chemiker, Professor eiuer. und ordentliche Professor der 
Chemie an der Dorpater Universität, wirkl. Staatsrath Dr. Carl 
Schmidt, nach 45-jährigem Dienst nicht weiter im Amte be¬ 
lassen worden. Prof. Schmidt ist der Lehrer vieler medici- 
nischer Generationen gewesen, welche ihm ein liebevolles An¬ 
denken bewahren. 

— Verstorben: 1) Auf seinem Gute Slotschewoum Bug 
in Polen der älteste Arzt Russlands und wohl auch der ganzen 
Welt Dr. Franz Kownacki, im Alter von 110 Jahren. 
Trotz seines hohen Alters erfreute sich der Dahingeschiedene 
bis zn seiner Todesstunde der ungeschwächten geistigen 
Kräfte. Im vorigen Jahre hat er bereits sein 75jähriges 
Doctorjubiläum gefeiert; seine medicinische Praxis hatte 
er allerdings bereits vor 12 Jahren aufgegeben. 2) In Warschau 
der Ordinator des dortigen temporären Typhushospitals Feli x 
Frankowski. Seit einiger Zeit selbst am Typhus krank 
darnieder liegend, machte er seinem Leben durch einen 
Revolverschuss ein Ende. 3) In St. Petersburg der liiesige 
Arzt Emanuel Hahn im 66. Lebensjahre. Der Verstorbene 
ist bekannt als Uebersetzer einer ganzen Reihe von Lehr¬ 
büchern in’s Russische in der von ihm herausgegebenen 
«Bibliothek der medicinischen Wissenschaften». Ansserdem 
wurden von ihm herausgegeben die Zeitschrift «Populäre 
Medicin» (nonyanpHaa MeaHuana) und ein nichtmedicinisches 
Journal «Tpy;n>» (die Arbeit). Obschon der Dahingeschiedene 
fast 40 Jahre hindurch unermüdlich gearbeitet, hat er doch 
im Alter darben müssen. 4) In Frankfurt a. M. der eraeri- 
tirte Professor der Anatomie in Zürich. Dr. G. H. v. Meyer. 

— Professor Dr. Rudolf Virchow ist mit grosser Majo¬ 
rität zum Rector der Berliner Universität und der Pro¬ 
fessor der Psychiatrie, Dr. Jolly, zum Decan der dortige^ 
medicinischen Facultät gewählt worden. 

— Das Medicinaldepartemeut fordert die russischen Un- 
tertlianen beiderlei Geschlechts, welche den medici¬ 
nischen Cursns im Auslande absolvirt haben und in 
die von der Cholera heimgesuchten Ortschaften zur Hilfe¬ 
leistung abcommandirt zu werden wünschen, auf, sich per¬ 
sönlich oder schriftlich unter Beibringung der erforderliclien 
Docnmente ober beglaubigter Copien direct im Medicinal- 
departement täglich von 10—6 Uhr (auch an Feiertagen) 
melden zu wollen. 

— Der Beginn der Vorles ungen für die Studirenden 
der Medicin der letzten vier Semester (des früheren 4. und 5. 
Cursus) ist auf allen Universitäten bis zum 1. November 
anfgeschoben worden. Bis zu diesem Termin wurden auch die 
Schlnssexamina der Mediciner, welche ihr Studium absolviren, 
verschoben. 

— Am 1. August fand in Moskau die Eröflhung des 
internationalen Congresses für prähistorische Archä¬ 
ologie und Anthoprologie durch den Grossfürsten 
äergei Alexandrowitsch statt. Nachdem der Viceprä- 
sident Fürst W. M. Golyzin die Entstehungsgeschichte des 
Congresses skizzirt, hielt Prof. Rudolf Virchow (Berlin) 
einen Vortrag über die Aufgaben der prähistorischen 
Archäologie und stellte den Antrag, der Congress möge sich 
mit der Frage, ob die Theorie Darwin s begründet sei oder nicht, 
beschäftigen. In dieser Sitzung sprachen noch die Delegirten 
Belgiens und der Schweiz. 

— Zur Theilnahme an dem vom 5.—10. September d. J. in 
Wien tagenden II. internationalen dermatologi¬ 
schen Congress haben sich bis 27. Juli 195 Mitglieder 
angeraeldet. 

Die Vorbereitungen für den Empfang der Mitglieder und 
und Gäste des Congresses sind so weit gediehen, dass schon 
jetzt folgendes Programm festgestellt werden konnte: 

Sonntag, den 4. September, Abends 8 Uhr: Gesellige Zu¬ 
sammenkunft und Begrüssung im Restaurant «Kaiserhof» 
nächst dem Rathhause. 

Montag, den 5. September, Vormittags 9 Uhr: Eröffnungs¬ 
und wissenschaftliche Sitzung; Nachmittags 2 Uhr: Empfang 
im Rathhause durch den Herrn Bürgermeister der Reichs¬ 
haupt- und Residenzstadt Wien: Besichtigung des Rathhauses. 

Dienstag, den 6. September, Vormittags 9—2 Uhr: Wissen¬ 
schaftliche Sitzung; Nachmittags 2—4 Uhr: Besichtigung des 
k. k. kunsthistorischen Hofmuseuras; Abends 9 Uhr: Empfang 
beim Präsidenten des Org. Comites. 

Mittwoch, den 7. September, Vormittags 9—2 Uhr: Wissen¬ 
schaftliche Sitzung; Nachm. 5 Uhr: a) Ausflug nach Baden 
(Parkfest — Badener Aerztezerein und Curcomraission), b) Aus¬ 
flug nach Kaltenleutgeben (Prof. Winternitz). 


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Donnerstag-, den 8. September, Vorm. 9—12 Uhr: Wissen¬ 
schaftliche Sitzung; Nachm. 2—4 Uhr: Besichtigung des k. k. 
natnrhistorischen Hofmusenms; Abends 8 Uhr: Bankett (ge¬ 
geben von der Wiener dermatologischen Gesellschaft) im 
Sachergarten, k. k. Prater. 

Freitag; der 9. September, Vorm. 9—2 Uhr: Wissenschaft¬ 
liche Sitzung: Nachm. 5 Uhr: Geselliger Ausflug nach dem 
Kahlenberg. 

Samstag, den 10. September, Vorm. 9—2 Uhr: Wissen¬ 
schaftliche Sitzung; Abends event. Sonntags Früh: Ausflug 
nach Budapest (Prof. Schwimmer). 

— Die Aufnahme der neueintretenden Studirenden 
in die mflitär-medicinische Acaderaie ist beendigt. Die 
Zahl der eingelaufenen Gesuche um Aufnahme in den ersten 
Cursus der Akademie im bevorstehenden Lehrjahre belief sich 
auf ca. 300, während die Zahl der Vacanzen kaum die Hälfte 
betrug. Unter den Aufgenommenen beflnden sich gegen 50 
Personen, welche das Gymnasium mit der goldenen und 
silbernen Medaille absolvirt haben. Es haben in diesem Jahre 
auch viele Studirende von medicinischen Facultäten der Uni¬ 
versitäten Gesuche um Ueberführung zur Akademie eingereicht. 

— Wie der «Wratsch» erfährt, werden alle Studenten des 
jetzten Cursus der militär-medicinischen Akademie, welche bis 
letzt noch nicht aus eigenem Antriebe in die von Epidemien 
heimgesuchten Ortschaften gezogen sind, vom Kriegsministe¬ 
rium in das Kuban-, Terek- und Don-Gebiet abcomraandirt. 

— Es wird von verschiedenen Seiten darauf aufmerksam 

g emacht, dass jetzt häufig gefälschte Carbolsäure in den 
[andel kommt. So fand der Sanitätsarzt Dr. Kartamy- 
schew in Moskau von 11 Proben roher Carbolsäure, welche 
er in verschiedenen Apothekermagazinen und Drognen- 
Handlungen gekauft hatte, nur zwei tauglich; die übrigen 
waren entweder grobe Fälschungen, oder enthielten nur ge¬ 
ringe Mengen wirklich desinficirender Bestandtheile. 

— Von den Wiener Klinikern Prof. Nothnagel und Prof. 
Kahler ist eine im Aufträge des österreichischen Ministe¬ 
riums des Innern verfasste Anleitung zur Behandlung 
der Cholera in den ersten Tagen dieses Monats heraus¬ 
gegeben worden. 

— Die am 3. August stattgehabte vereinigte Sitzung des 
St. Petersburger Stadtamtes, sowie der städtischen Hospital- 
und SanitätscommiBsion hat es als nothwendig anerkannt, den 
bei der städtischen Commnnalverwaltung dienenden Aerzten, 
in Anbetracht der verstärkten Arbeit, ausser der Gage noch 
ein Tagesgeld von 3 Rbl. zu gewähren. Zugleich beschloss 
sie die Zahl der Sanitätsärzte von 11 auf 14 zu erhöhen und 
ihnen-statt-TO -ftW. eine Gage von 125 Rbt monatlich auszu¬ 
setzen. Ausserdem bevollmächtigte die Versammlung die 
Sanitätscommission, die zu ihrer Verfügung stehenden 12 
speziellen Schulärzte, welche eine monatliche Gage von 50 Rbl. 
beziehen, den Dumaärzten zur Hilfe beim Empfange der 
Cholerakranken in den Ambulanzen abzucommandiren und 
ihre Gage auf 100 Ebl. für die Jeit der Choleraepidemie zu 
erhöhen. Die Zahl der Personen, welche die Desinfection aus¬ 
führen, wird von 18 auf 38 erhöht werden. 

— Die städtische Sanitätscommission hat 24 barmherzige 
Schwestern engagirt, welche, wo möglich, den Dnmaärzten 
zucommandirt werden. Ausserdem werden 17 der erfahrenem 
Feldscherinnen den Sanitätsärzten zucommandirt werden. Die 
Aufgabe dieser Feldscherinnen wird darin bestehen, dass sie, 
auf Hinweis der Sanitätsärzte, diejenigen Häuser und 
Wohnungen besuchen, in welchen an der Cholera und aouten 
Magen-Darmkatarrhen leidenden Personen waren, um, falls 
nöthig, die erste Hülfe zu leisten. 

• — Am 9. August n. St. feierte der berühmte Physiologe 
Prof. Dr. Jakob Moleschott in Rom seinen 70. Geburts¬ 
tag. Von Geburt ist er Holländer, während seine wissen¬ 
schaftliche Heimath Deutschland ist, da er seine medicinische 
Ansbildung in Heidelberg erhalten und längere Zeit als Pri- 
vatdocent dort gewirkt hat. Bekanntlich ist er bereits seit 
1879 in Rom und bekleidet dort neben seinem wissenschaft¬ 
lichen Berufe die Würde eines Senators des Königreichs 
Italien. 

— Der Director der Strassburger raed. Klinik, Prof. Dr. 
Bernhard Naunyn, beging am 7. August n. St. sein 
25jähriges Docentenjubiläum. Der Jubilar war bekannt¬ 
lich vor ca. 12 Jahren Professor in Dorpat, von wo er nach 
Bern, dann nach Königsberg und 1887 von dort an Prof. 
Kussmanl’s Stelle nach Strassburg berufen wurde. Seine 
zahlreichen Arbeiten auf dem Gebiet der inneren Klinik sind 
bekannt. 

— Am 7. Angust vollendeten sich 25 Jahre, seit Prof. 
Dr. Wilh. Ztilzer an der Berliner Universität als Docent 
thätig ist. Anfangs Hygieniker, beschäftigte er sich eifrig 
mit Medicinalstatistik und Seucnenlehre, wandte sich dann 
Erfolg mit der medicinischen Chemie zu und betrieb in den 
letzten Jahren vorzugsweise das Studium der Krankheiten 
der Harnorgane, Über welche er werthvolle Beiträge ver¬ 


öffentlicht hat. Er giebt anch seit 1889 in Gemeinschaft mit 
hervorragenden Fachmännern des In- und Auslandes das 
«Internationale Centralblatt für die Physiologie und Patho¬ 
logie der Harn- und Sexualorgane» heraus. 

— Die Redaction von «Friedreich‘s Blätter für ge¬ 
richtliche Medicin- und Sanitätspolizei» hat anstelle 
des Geh. Medicinalraths Dr. v. Kerscbensteiner (München), 
welcher wegen des zunehmenden Umfanges seiner Amtsthätig- 
keit dieselbe niedergelegt hat, der Landgerichtsarzt und 
Professor 0. Messerer in München übernommen. 

— Dass es sich in dem westlichenTheile von Paris beiden 
schon lange Zeit vorgekommenen verdächtigen Erkrankungen 
um Cholera asiatica handelt, was auffallender Weise so 
lange dort geleugnet wurde, erscheint ausser allem 
Zweifel. Dafür sprechen sowohl die klinischen Erscheinungen 
bei den Erkrankten, als auch die bakteriologischen Unter¬ 
suchungen, welche die Anwesenheit des Koch’sehen Komma¬ 
bacillus ergeben haben. Die Seuche begann im Znchthanse 
von Nanterre in den ersten Tagen des April-Monats und hat 
sich bis heute nur im Gebiete stromabwärts der Seine, deren 
verunreinigtes Wasser als Ursache der Weiterverbreitung der 
Seuche angeschuldigt wird verbreitet. Auf welche Weise die 
Cholera nach Paris gelangt ist, hat noch nicht festgestellt werden 
können. Die Zahl der zur Zeit an der Cholera m den Pariser 
Krankenhäusern Darniederliegenden geht über 100 hinaus. 
Vom 6. April bis zum 24. Juu n. St. sollen 441 Personen an 
der Cholera dort gestorben sein. Sollte die Epidemie die 
Martern von Paris überschreiten, so liegt die Gefahr der 
Weiterverschleppung in die angrenzenden Ländern sehr nabe. 

—r Die Cholera breitet sich in Russland längs den 
Wasserwegen, namentlich aber durch die Eisenbahnen immer 
weiter aus weist aber überall einen verhältnissmässig milden 
Charakter auf. Während die Seuche im Süden Russlands 
nicht das Poltawasche Gouvernement und im mittleren Theile 
Russlands nicht dasKursksche Gouvernement auf ihrem Wege 
nach Westen überschritten hat, hat sie im Nordwesten von 
Moskau auB einen grossen Sprung gemacht nnd bereits St. 
Petersburg ergriffen, ohne die dazwischen liegenden Städte zu 
berühren. Bereits seit dem 20. Juli begannen in das hiesige 
städtische Peter-Paul-Hospital Kranke mit schweren Formen 
von acutem Magen-Darmkatarrh einzutreten, die aus Fabriken 
auf der Wyborger Seite an der grossen Newka stammten, 
deren Wasser sie getrunken hatten. Später traten auch 
aus anderen Stadttbeilen Kranke, vorwiegend aus der Arbeiter- 
Klasse, mit ähnlichen Erkrankungen in das Obuchow-, 
Alexander- (Fontanka), Maiien-Magdalenen und das städtische 
•Ba*ftekenhospital ein. Bis zum 29. Juli wurden in keinerlei 
Fälle Cholerabacillen entdeckt; erst an dem genannten Tage 
gelang es bei einem Fabrikarbeiter aus Ochta, der unter allen 
Anzeichen der Cholera am 25. Juli verstarb, in den Aus¬ 
leerungen desselben den Koch'sehen Cholerabacillus festzu¬ 
stellen. Ebenso wurden bei einem am 29. Juli verstorbenen 
an der Fontanka wohnenden Arbeiter, der nach übermässigem 
Alkoholgenuss Wasser aus der Fontanka getrunken hatte 
nnd, am 25. Juli erkrankt war, Cholerabacillen nachgewiesen. 
Später wurden auch in der Mehrzahl der Fälle in den Ans¬ 
leerungen der in Rede stehenden Kranken Kommabacillen ge¬ 
funden, welche mit Ausschluss jeden Zweifels die Erkrankun¬ 
gen in St. Petersburg als asiatische Cholera charakteri- 
siren. Bis zum 31. Juli waren 154 Erkrankungen mit 31 
Todesfällen vorgekommen; in 26 Fällen wurden Cholerabacillen 
conetatirt. Vom 1. August bis zum 5. August sind weitere 
208^ Erkrankungen hinzugekommen — 61 gestorben und 42 
genesen. 

; -f- Die Gesaramtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tärfcrn St. Petersburgs betrug am 2. August d. J. 5o31 
(83 «mehr als in der Vorwoche), darunter 264 Typhus — (2 mehr), 
590 Syphilis — (13 mehr), 17 Scharlach —(3 weniger), 7 Diph¬ 
therie— (1 mehr) 19 Masern — (2 weniger) 6 Pocken-(2 weni¬ 
ger) und 74 Cholerakranke. 


Vacanzen. 

1) Es wird von dem Ljubinschen Landschaftsamte ein 
Arzt für die Krankenstation in Oknlowka gesucht. Gehalt 
900 Rbl. jährl. Adresse «JLoßimcKaa 3encKaa YnpaBa,- Hpoc- 
jiaBCKoü ryß. 

2) Im Kreise Med y n (Gonz. Kaluga) ist eine Land- 
schaftsarztstelle im Kirchdorf P e r e d j e 1 vacant. 
Vorgezogen werden solche, welche den Cursus in der medico- 
chirnrgischen Akademie absolvirt haben und unverheiratet 
sind nnd wenigstens 5 Jahre prakticirt haben. 

3) Von der Bjelew’schen Landschaft wird für das Land- 
scbaftshospital mit 55 Betten in der Stadt Bjelew ein Arzt ge¬ 
sucht. Gehalt nebst Quartiergeld 1000 Rbl. Der Arzt steht im 
Staatsdienste. Adresse; «BhaeBcnaa 3eMCKaa ynpasa, Tyjrt- 

CKofi ry6. 


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Es werden ferner zur zeitweiligen Hilfeleistung 
während der Oholeraepedemie gesucht von folgenden 
Landschaften: alAtkarsk (Gouv. Ssaratow) — Aerzte (Gehalt 
400 Rbl. monatl.), Studenten des 4. und 5. Cursus (Gehalt 
150 Rbl.), Feldscher (Gehalt 00 Rbl.) — b) Chwalynsk (Gouv. 
Ssaratow) — 2 Aerzte (200 Rbl. monatlich), 5 Stundenten 
(TO Rbl.), 9 Feldscher 30—50 Rbl.) — c) Wladimir — 
Aerste (200 Rbl.) Studenten (150 Rbl.), Feldscher und Feld- 
Seherinnen (65 Rbl.), — d) Saratow — Aerzte (250Rbl.), 
Studenten (150 Rbl.), Feldscher (100 Rbl.), el Wolsk (Gouv. 
Saratow) — Aerzte (200 Rbl.), Feldscher (36 Rbl.) — f) Bo- 
gorodsk (Gouv. Moskau) — 1 Arzt (150 Rbl.) — g) Von 
den Fabriken in Slatoust 1 Arzt für 3 Mon. (Geh. 200 Rbl. 
monatl.). h) Von der Fabrik Korsinkin in Jaroslaw 1 Arzt 
für 3 Mon. (Geh. 200 Rbl.) und mehrere Feldscher (35—40 Rbl. 
monatlch.) 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 2. Juli bis 1. August 1892. 

Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 

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Im Ganzen: oJ-l'S’S'S’S'Sli’S'S'S’fg 

M~W Sa ’ * 8 10 2 a 8 8 9 S 8 £ $ ’S I 

“• Sa * I i i i i 7 i i i i i i B | 

306 231 537 129 58 87 10 7 24 51 40 36 38 31 18 6 2 

2) nach den Todesursachen: 

-- Typh. exanth. 0, Typh. abd. 7, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 1, Pocken 3. Masern 12, Scharlach 4, 
Diphtherie 5, Croup 2, Keuchhusten 5, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 11, Ery sipelas 5, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 20, Ruhr 10, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 1, Pyämie und Septicaemie 2, 
Tuberculose der Lungen 66, Tuberculoee anderer Organe 10. 
Alkoholi8mus und Delirium tremens 2, Lebensschwftche nnd 
Atrophia infantum 31, Marasmus senilis 16, Krankheiten des 
Verdauungscanals 150, Todtgeborene 29. 

Die Bibliothek des Vereins St. Petersburger 
Aerzte wird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 
Dienstag und Freitag von 4—6 Uhr und am Mittwoch im 
Laufe Oes ganzen Tages. 

Kaltwasserheilanstalt in Salzerbad, 18. Juli. Salzer¬ 
bad, seither nur wegen seiner Soolbäder nnd Mineralquellen, 
die denen von Karlsbad und Marienbad ähneln, bekannt, hat 
jetzt eine nach allen Regeln der Wissenschaft und Kunst im 
grossen Style neuerbaute Kaltwasserheilanstalt, die unter der 


Leitung eines bewährten Hydropathen Dr. Ig. Iränkl, früheren 
Assistenten des Prof. Winternitz in Kaltetieutgeben, sich 
lebhaften Zuspruchs erfreut. Salzerbad mit seilen ozonreichen 
Nadelholzwaldungen, seiner idyllischen Ruhe ist so recht der 
Ort, an dem sich Erholungsbedürftige wohl fühlen können. 
Das Leben ist billig, die Wohnungen comfortabd eingerichtet, 
der Verkehr sehr angenehm. Eine elektrische Bahn, die von 
Salzerbad. anf die von 100,000 Personen jetzt jährlich be¬ 
suchte 1500 Meter hohe Reis-Alpe führen wird, dürfte ein 
Magnet für die von weit und breit herbeiströraenien Natur¬ 
freunde sein und wird der Fremdenverkehr in noch erhöhtem 
Masse nach Salzerbad abgelenkt werden. 

Bad Kissingen: Angewendet bei chron. Magen- uid Darm¬ 
katarrh, habitueller Stnhlverstopfung, chron. Katarrh der 
Gallenwege und Nierenbecken, chron. Blasenkatarrh, Leber¬ 
und Milzschwellung, Haeinorrhoiden, chron. Entzünd naarspro- 
ducten (Exsudate), Fettleibigkeit, Gicht, Rheumatismus. Bleich¬ 
sucht, Scrophulose, Rhachitis, Hautkrankheiten, chron. Erkran¬ 
kungen der Respirationsorgane. durch Herzklappenfehler nnd 
Fettherz veranlassten Kreislaufstörungen, Frauenkrankheiten, 
Erkrankungen des Nervensystems, Folgekrankheiten der 
Influenza. 

Bad Wildungen seit lange bekannt durch unübertroffene 
Wirkung bei Nieren-, Blasen- und Steinleiden, bei Magen und 
Dannkatarrhen, sowie bei Störungen der Blutraischung, als 
Blutarmuth, Bleichsncht, u. 8. w. 

Ichthyol wird mit Erfolg angewandt bei Frauenleiden und 
Chlorose, bei Krankheiten der Haut, der Verdanungs- und 
Circulations-Organe, bei Hals- nnd Nasen-Leiden, sowie bei 
entzündlichen und rheumatischen Aflfectionen aller Art, theils 
in Folge seiner durch experimentelle und klinische Beobach¬ 
tungen erwiesenen reducirenden, sedativen und antiparasitären 
Eigenschaften, anderntheils durch seine die Resorption beför¬ 
dernden und den Stoffwechsel steigernden Wirkungen. 

Sehering’s Pepsin-Essenz. Verdauungsbeschwerden, 
Trägheit der Verdauung, Sodbrennen, Magen Verschleimung, 
die Folgen von ünmässigkeit im Essen und Trinken werden 
durch diesen angenehm schmeckenden Wein binnen kurzer 
Zeit beseitigt. 

Biliner Sauerbrunn! Altbewährte Heilquelle für Nieren-, 
Blasen- und Magenleiden, Gicht, Broncliialkatarrh, Hämorrhoi¬ 
den, etc. Pastilles de Bilin (Verdaunngszeltchen). Vorzüg¬ 
liches Mittel bei Sodbrennen, Magenkatarrhen, Verdauungs¬ 
störungen überhaupt. 

Saxlehners Bitterwasser Huniadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Purgativ durch folgende Vorzüge ans: Prompte und sichere Wir¬ 
kung; milder Geschmack; geringe Dosis; auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stuhlverstopfung; Leberleiden; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 

Rotirender Desinfector. Bewährtes Schutzmittel gegen 
Uebertragung von Infectionskrankheiten, vernichtet jeden 
Ansteckungsstoft und füllt jeden Raum innerhalb 15 Minuten 
mit reiner ozonhaltiger Luft. 


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Ä 08 B. neHB. Cn6. 8 AarycTa lö92 r. 


Herausgeber: Dr. Th. v. Schröder. Buchdruckerei von A. Wienecke, Katharinenhofer-Pr. >6 15- 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETERSBURGER 


MIMISCHE VOOIEISOBIIF! 


unter der Redaction von 


Frof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Erannhals. 


Dorpat. Riga. 

Dr. Theodor von Schröder. 

St. Petersburg:. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden I 
Sonnabend. — Der Abonnementspreis ist in Bauland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postzustellung; in den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xnsertionspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 

SW* Abonnements-Auftrigs sowie alle Inserate 'W 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Bioker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect 14, zu richten.— Manusoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Theodor von Schröder in 
St. Petersburg, Liteiny Prospect, N 55, Qu. 13 za richten. Sprech¬ 
standen täglich von 2—4 Uhr Nachm., ausser Sonntags. 

33 St. Petersburg, 

15. (27.) August 1892 


Inhalt: Max von Strauch: Ein Beitrag zur operativen Therapie der Extrauterinschwangerschaft. — F. Weber: Ein 
Fall von Amenorrhoe mit Galaktorrhoe. — Referate: W. Winternitz: Ueber Neuralgien und ihre hydriatische Behand¬ 
lung. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Der zwanzigste schlesische Bäderta^ und seine Verhandlungen. — L. 
Ewer (Berlin): Curaus der Massage mit Einschluss der Heilgymnastik. — Blätter für klinische Hydrotherapie und verwandte 
Heilmethoden. — Prof. H. Fehling: Die Bestimmung der Frau, ihre Stellung zu Familie und Beruf. — S. Binder: Weib¬ 
liche Aerzte. — L. Edinger: Zwölf Vorlesungen über den Bau der nervösen Centralorgane. — Kleinere Mittheilungen 
und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts - Bulletin St Petersburgs. — 
Anzeigen. 


S0" Die Verwaltung des Petersburger ärztlichen Vereins zu gegenseitiger Hilfe beehrt sich hiermit mitzu- 
theilen, dass sie, entsprechend dem Beschluss der allgemeinen Versammlung sich mit einer der Lebensversicherungsge¬ 
sellschaften in Verbindung gesetzt hat, die bereit ist einen Rabatt von 7 pCt. der Jahresprämie zu geben, sobald sich 
eine Gruppe von nicht weniger als 25 Aerzten gebildet .hat. 

Anmeldungen nimmt entgegen sowie ertheilt nähere Auskunft der Secretär Dr. 0. Petersen (Krjukow 
Kanal Nr. 6, Quart. 67). 


Ein„Beitrag zur operativen Therapie der Extra-; 
Uterinschwangerschaft. 

Von 

Max von Strauch. 

(Moskau). 


I. Fall. 

M-me L. ist 28 Jahre alt. Erste Regel vor 14 Jahren, 
stets regelmässig. Im 18. Jahre verheiratete sie sich; 
seitdem trat die Regel stärker und zuweilen mit Schmerzen 
auf; auch Fluor zeigte sich. 20 Jahre alt, überstand sie 
Variola vera — Pat. ist nie geimpft worden! 

Nach 8 jähriger steriler Ehe wurde im September 1889 
von einem hiesigen Gynäkologen eine Discision gemacht. 
Mitte November le89 trat die Regel zum letzten Mal 
ein; die Brüste wurden stärker, des Morgens erbrach 
Pat.. kurz sie wähnte sich schwanger. 

Am 19. Januar 1890 — nach 2monatlicher Menostase— 
brach sie plötzlich ohnmächtig zusammen und wurde in 
die geburtshilfliche Abtheilung des Kaiserlichen Findel¬ 
hauses zu Moskau gebracht, woselbst sie vom 19. Januar 
bis 1. Mai 1890 verblieb. 

Durch die Freundlichkeit des älteren Ordinators obiger 
Anstalt, des Herrn Dr. J. Schaternikow konnte ich 
Folgendes in Erfahrung bringen: Die anfänglich gemuth- 
maasste Diagnose auf Ruptur der im II. Monat schwan¬ 
geren Tube und Austritt des Foetus in die Bauchhöhle, 
wurde gegen Ende April 1890 mit Sicherheit gestellt, 
denn Dr. Schaternikow fühlte Ende April, also etwa 
5 Monate nach Ausbleiben der Regel deutlich Kindstheile 
unter den Bauchdecken. 

Zudem war am 19. März 1890 unter leichten Wehen 


und Blui uag eine gau» Hetiduaabgeg&og&n. Nur konnte 
nicht mit Sicherheit festgestellt werden, welche Tube die 
schwangere sei, weil die Austastung des ganzen Beckens 
äusserst schmerzhaft gewesen sein soll. 

Seit dem Mai 1890 ist die Regel wieder eingetreten 
und auch regelmässig bis jetzt wiedergekehrt, nur machen 
sich Schmerzen rechts unten während derselben in hohem 
Grade bemerkbar. Diese Schmerzanfälle mit deutlich 
wehenähnlichem Charakter traten auch zuweilen in der 
intermenstruellen Zeit auf. 

Auch heftige Magenbeschwerden machten sich seit dem 
April 1890 bemerkbar. Am 8. August 1891, also l 3 /* 
Jahr nach tiberstandener vermuthlicher Extrauterin¬ 
schwangerschaft trat Pat. in meine Privatklinik. 

Stat. praes.: Pat. ist bleich, sehr abgemagert, klagt 
über häufige Magenschmerzen, Appetitmangel und trägen 
Stuhl. Brüste welk, ohne Milch; Linea alba entschieden 
pigmentirt. Durch die dünnen Bauchdecken fühlt man in 
der rechten Regio hypogastrica eine feste Geschwulst, 
deren Kuppe bis zwischen Nabel und Symphyse reicht- 
nach rechts geht sie bis ans Becken, nach links über; 
schreitet sie um 3 Querfinger die Linea alba. Nur bei 
tiefem Druck ist sie empfindlich. Die Schleimhaut der 
Vagina und Portio vaginalis blass, letztere nach rechts 
stark eingekerbt (Discisio), steht in der Führungslinie. 
Das Corpus Uteri ist nach links hinten gedrängt und 
lässt sich deutlich von der faustgrossen Geschwulst ab- 
grenzen, die nach rechts und mehr nach vorn zur Linea 
innominata des Beckens zieht und mit dem Knochen fest 
verbacken zu sein scheint, da ihre Beweglichkeit eine sehr 
geringe ist. Die Consistenz dieser Geschwulst ist prall 
elastisch, ihr Contour nicht scharf, da Pat. bei tieferem 
Druck mit der Bauchmusculatur reagirt. 

Pat. wurde vom 8. August bis 1. September 1891 in 


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meiner Klinik beobachtet. Während dieser Zeit wurden 
die Schmerzanfälle, die sie entschieden in die Geschwulst 
verlegt, stärker und häufiger und traten zuletzt fast 
täglich auf. Es waren entschieden wehenähnliche Sehmer¬ 
zen, die Yon 4er Geschwulst ausgingen und nach unten 
in das rechte Eeu bis zum Knie, nach hinten in das 
Kreuz und nach oben bis zur Leber ausstrahlten. Sie 
waren so heftig, dass Pai. während des Anfalles laut 
schrie und am 22. August 1891 vor Schmerz sogar eine 
recht tiefe Ohnmacht bekam. 

Wenn man während eines solchen Schmerzanfalles bi- 
manuell untersuchte, so fand man das ganze Becken gegen 
Druck ungemein empfindlich und konnte dabei entschieden 
ein Härter- und Weicherwerden des Tumors 
wahrnehmen. 

Nur grosse Dosen Morphium subcutan und Chloral- 
hydrat und Opium per clysma machten den Zustand der 
Kranken einigermaassen erträgJic'. 

Die Operation musste so lange hinausgeschoben werden, 
weil der Mann seine Einwilligung anfangs versagte. Die 
Diagnose lautete: Tubentumor, der durch Contractionen 
sich seinas Inhaltes entledigen will, wahrscheinlich Hä- 
matosalpinx. An einen Zusammenhang mit der vor l 3 /« 
Jahren stattgehabten Extrauterinschwangerschaft dachte 


ich eigentlich nicht direct, da diese Schmerzanfälle sich 
erst in dem letzten Monate mit stets steigender Heftig¬ 
keit eingestellt hatten. 

Operation am 7. September 1891 unter Chloroform 
in Beckenhochlagerung. Schnitt in der Linea alba, 11 Cm. 
lang, von der Symphyse bis zum Nabel. Sehr blutreiche 
Bauchdecken. Nach Durchtrennung des Peritoneums be¬ 
finden sich, trotz Beckenhochiagerung in der Kreuzbein- 
aushöhlung etwa 60 Gramm einer grünlich serösen 
Flüssigkeit. Der Tumor ist von Netz und Darmschlingen 
vollständig verdeckt. Das Netz wird nach vorheriger 
doppelter Partienligatur durchschnitten; die Dünndarra- 
schlingen werden stumpf abgetrennt, wobei an mehreren 
Stellen, um eine Darm Verletzung zu vermeiden, die Tren¬ 
nung in der Tumorwandung selbst vorgenommen werden 
muss. Rechts hinten fühlt man mit dem Tumor verwachsen 
das rechte Ovarium. 

Nach sehr schwerer Versorgung der Verbindung des 
Tumors mit der Beckenwand (weil derselbe nahe an die 
Knochen herangeht, somit sehr wenig Raum für Anle¬ 
gung der Ligaturen ist) wird derselbe von letzterer 
getrennt, hierauf seine untere Partie und zuletzt seine 
mediane zum Uterus gerichtete Partie versorgt und durch¬ 
schnitten. Der Blutverlust war sehr gering, weilt stets 


Figur I. 



Der mit dem Netz verwachsene, in Lithopädionbildnng begriffene 
Foetus ist in natürlicher Grösse gezeichnet. 


nur nach vorheriger Ligatur geschnitten wurde. Links 
unten vom Nabel wird im Netz ein in Lithopädionbildung 
begriffener Foetus gefunden, abgebunden und abgetragen. 

Da es in der Tiefe des Beckens noch ein wenig blutet, 
wird mit £0 pCt. Jodoformgaze tamponirt und das Ende 
der Gaze zum unteren Wundwinkel herausgeleitet. Schluss 
der Bauchwunde. Dauer der Operation 1 Stunde 10 
Minuten. 

Die Reconvalescenz war eine glatte. Ara 9. Septem¬ 
ber wurde die Jodoformgaze entfernt und ein Drain ein¬ 
geführt, das am 13; September herausgenommen wurde. 


Am 18. September wurden alle Nähte entfernt; prima 
intentio bis auf die unterste Stelle, die sich in 10 Tagen 
vollständig überhäutete. 

3 Wochen nach der Operation verliess die Pat. meine 
Klinik. Ich habe die Frau nach einem halben Jahre ge¬ 
sehen. Sie hat sich erholt, sieht blühend aus und hat 
ohne jegliche Beschwerde regelmässig ihre Regel. Die bis 
zur Operation bestandenen Magenbeschwerden, sind mit 
der Operation wie mit einem Schlage gewichen und nicht 
wiedergekehrt. Sie waren entschieden bedingt durch Zerren 
des schweren Foetus am Magen. 


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317 


Das herausgeschnittene, etwa kleinfaustgrosse Präpa¬ 
rat, stellt die rechte Tube dar, an der man das abdo¬ 
minale und uterine Ostium deutlich erkennen kann. 
Ersteres ist für einen Finger durchgängig. 

An der hinteren äusseren Wand der Tube, mit ihr 
durch straffe Stränge verbnnden, befindet sich das rechte 
Ovarium, in welchem ein Corpus luteum verum er¬ 
kennbar. 

Die Wanddicke der Tube ist stellenweise bis l 1 /* Cm. 
entwickelt. Das ganze Lumen der Tube ist von Placentar- 
gewebe erfüllt, das nur an einzelnen wenigen Stellen 
lockere Verbindungen mit der inneren Tubenwand auf¬ 
weist. 

Statt vieler Beschreibung gebe ich eine in natürlicher 
Grösse gehaltene Zeichnung des Foetus wieder. 

Der Foetus entspricht also dem Anfang des IV. Schwan¬ 
gerschaftsmonates. Er ist aus der Tube nach 2 monatli¬ 
chem Wachsthum ausgetreten und hat noch 6—8 Wo¬ 
chen sich in der freien Bauchhöhle weiterentwickelt. Sein 
Tod fällt wahrscheinlich mit dem Abgänge der Decidua 
zusammen. 

Dass in so frühem Entwickelungsstadium (IV. Monat) 
von Dr Schaternikow bereits deutlich Kindstheile durch¬ 
gefühlt worden sind, lässt sich recht leicht durch die 
ungewöhnliche Dünnheit der Bauchdecken erklären. 

Nachdem der Foetus bereits alle Chancen für eine 
Spontanheilung (Lithopädionbildung) eingegangen, brachte 
die in der Tube sitzende Placenta die Schwangere noch 
zur Operation. Die Tube wollte sich vermittelst Contrac- 
tionen der Placenta durch das Orificium abdominale ent¬ 
leeren; das beweist die Eröffnung desselben für einen 
Finger. Die dazu nöthigen Tubencontractionen verur¬ 
sachten aber der Pat. so starke Schmerzen, dass sie 
diesen Tubenp’.acentarabort nicht aushielt. 

Zudem ist es noch fraglich, wie weit ein solches Stück 
Placentargewebe vom Peritoneum resorbirt worden wäre! 

II. Fall. 

M-me U. 32 Jahre alt, ist vom 12. Jahre an regel¬ 
mässig menstruirt und seit ihrem 17. Jahre verheirathet. 
6 Kinder bat sie normal geboren und auch alle 1—1 */a 
Jahre selbst gestillt. Im III. Wochenbett hat sie etwas 
gefiebert und Schmerzen im Leibe gehabt; trotzdem 
konnte sie am II. Tage aufstehen. Die letzte Geburt 
war vor 7 Jahren. Vor 3 Jahren acquirirte sie ohne 
nachweisbare Ursache eine rechtsseitige Eierstocksent¬ 
zündung, die sie 3 Wochen ans Bett fesselte. Seit der 
Zeit ist die sonst schmerzlose Regel stärker und mit 
grossen Unterleibsbeschwerden verbunden 

Letzte Regel vom 10.—14. Februar lt91. Nach einem 
Monat (12. März 1891), zur Zeit als sie die Regel er¬ 
wartete, brach sie plötzlich zusammen und blieb etwa 
eine Stunde tief ohnmächtig liegen. Von ihrer Ohnmacht 
erholte sie sich bald, behielt aber für eine Woche sehr 
starke Schmerzen im Unterleibe mehr links. Ende Au¬ 
gust 1891 (also nach 6 vollen Schwaugerschaftsmonaten) 
bekam Pat. eine gleiche Ohnmacht, wonach sie nicht uri- 
niren konnte, sondern katheterisirt werden musste. 

Seit 6 Wochen spürt die Schwangere rechts vom Nabel 
sehr schmerzhafte Kindsbewegungen. Seit 2 Wochen stellte 
sich Oedem um die Knöchel ein. Starke Obstipation. 

Am 7. September 1891 wurde mir die Pat. mit der 
Diagnose «Extrauterinschwangerschaft» von Seiner Excel- 
lenz Dr. ined. E. von Landesen aus Twer zugeschickt. 
Ich erlaube mir an dieser Stelle Seiner Excellenz meinen 
besten Dank abzustatten. 

Am 17. September 1891 nahm ich in meiner Privat¬ 
klinik folgenden Status auf: Elend aussehende Dame mit 
gelblichem Hautcolorit. Brüste hängend, mit pigmentirtem 
Warzenhof, aus dem sich leicht Milch ausdrücken lässt. 
Der Leib namentlich in seinen untern Partien mit 
alten, sehr deutlichen Schwangerschaftsnarben versehen; 


Linea alba stark pigmentirt. Unterhalb des Nabels sind 
die Lauchdecken durch 2 Geschwülste vorgewölbt, von 
denen die kleinere rechts etwa bis zur Höhe der spiri. 
ant. sup. dext. reicht; d’e grössere, die ihre Kuppe mehr 
vorwölbt, übersteigt die Huhe des Nabels um einen Quer¬ 
finger; nach l ; nks erstreckt s ; e sich 10 Cm. von der 
Linea alba. Leide Tumoren sind an ihrer vorderen Fläche 
durch eine deutliche Furche getrennt, die von rechts 
oben nach links unten geht in der Richtung von der 
Spitze der rechten untersten Rippe zu der Mitte des 
Ligament. PouparJi sinistrum. 9 Cm. nach rechts in Na¬ 
belhöhe ltihlt man deutlich unmittelbar unter den Bauch¬ 
decken die Füsse des Kindes, die stossende Bewegungen 
machen. 

Bei der Auscu’tation hört man zwischen Nabel und 
Symphyse, 3 Cm. nach links von der Linea alba am deut¬ 
lichste* ein lautes sausendes Gefässgeräusch, isochron dem 
Pulse der Mutter (Placenta!) Von kindlichen Herztönen 
nichts zu hören. I'ercussiorslon über der Geschwulst ge¬ 
dämpft. 

Scheide weit, von Weinhefefarbe; Portio vaginalis steht 
am oberen Rande hinter der Symphyse, aufgelockert; Or. 
externum für einen Finger durchgängig. Der rechte Tu¬ 
mor geht unmittelbar in die Portio vaginalis über, ist 
also der etwa dem IV. Schwangerschaftsmonate entspre¬ 
chend vergrösserte Uterus. Die ganze hintere Scheiden¬ 
wand ist stark ins Lumen der Scheide durch einen 
runden, festen Körper vorgewölbt, an dem man rechts 
deutlich die grosse Fontanelle, quer durch den hinteren 
Beckenabschnitt ziehend die Sutura sagittalis und links 
die kleine Fontanelle durchpalpirt. 

Die Diagnose lautete nach diesem Befunde: Wahr¬ 
scheinlicher Sitz der Placenta in der linken Tube, die die 
grössere Geschwulst darstellt. Eine lebende etwa 28 
Wochen alte Frucht in der freien Bauchhöhle mit dem 
Kopf im Douglas’schen Raum. 

Am 19. November 1891 Laparotomie unter Chloro¬ 
form auf dem Martinschen Tisch. Schnitt in der Linea 
alba, 2 Fingerbreit oberhalb des Nabels beginnend, den¬ 
selben links umkreisend, bis zur Symphyse. Nach Eröff¬ 
nung der Bauchhöhle drängen sich 2 Geschwülste vor: 
eine rechte, kleinere von gelber Farbe (der Uterus) und 
eine linke, grössere von tief dunkelblauer Farbe, deren 
Oberfläche von fingerdicken Blutgefässen durchzogen ist 
(die linke, Placenta enthaltende Tube). Vom Foetus ist vor¬ 
läufig nichts zu sehen. Nachdem einige Netzstränge, die 
an die vordere Uterusfläche ziehen, doppelt ligirt und 
durchschnitten sind, wird die linke Uteruskante schritt¬ 
weise bis etwa zum inneren Muttermunde nach vorheriger 
Versorgung von der linken schwangeren Tube abgetrennt. 
Es blutet, trotz gut liegender, sagittalgelegter Ligaturen 
aus der linken Uteruskante und aus den Stichkanälen 
ganz bedeutend. Application einer Kocksschen Klemme. 
Durch tiefes Eingehen mit der Hand zwischen den beiden 
Tumoren und der Wirbelsäule wurden etwa in der Ge¬ 
gend der Articulatio sacroiliaca dextra die Füsse der 
Frucht ergriffen und letztere leicht extrahirt. Nur das 
Heraushebeln des Kopfes aus dem kleinen Becken am 
Promontorium vorbei erfordert mehr Kraft. In diesem 
Moment ist ein im ganzen Operationszimmer laut hör¬ 
bares Geräusch wahrnehmbar das durch Einstreichen von 
Luft in die Vagina entstand. Die Haare des kindlichen 
Schädels waren mit dem Peritoneum des Douglas ver¬ 
wachsen, so dass bei der Entwickelung des Kindes die 
vorgebuchtete hintere Scheidenwand stark in die Höhe 
gezogen wurde, es entstand ein luftleerer Raum in den 
die äussere Luft mit hörbarem Geräusch durch die Vagina 
strich. 

Trotz vorsichtigster Extraction der Frucht ist an der 
oberen hinteren Fläche der die Placenta einschliessenden 
linken Tube ein Einriss entstanden, aus dem eine kolos¬ 
sale Blutung im Moment das ganze Operationsfeld tiber- 


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3t« 


schwemmt. Mit der Hand wird die blutende Stelle com- 
primirt und schnell das sich deutlich abhebe ade Ligamen¬ 
tum infundibulo-pelvicum sinistr. in eine grosse Arterien¬ 
klemme genommen, worauf die Blutung sofort steht. 

Da es aus der durchschnittenen linken Uteruskante, 
trotz angelegter Kocksscher Klemme, weiterblutet, wird 
um den ganzen Uterus, etwa in der Gegend des inneren 
Muttermundes eine elastische Ligatur gelegt und nun 
sorgfältigst die blutende Uteruskante fortlaufend mit 
senkrecht zur Längsachse des Uterus gelegten Nähten 
versorgt. Die Ligatur wird entfernt, die Blutung steht. 

Nunmehr wird stets nach vorheriger peripherer Ligi- 
rung die ganze placentahaltende Tube abgetrennt. 

Namentlich sorgfältig werden einzelne der mächtig ent¬ 
wickelten Spermaticalgefässe versorgt. 

Eine zur Stillung der Blutung in der Tiefe des Be¬ 
ckens angelegte Arterienklemrae bleibt liegen, weil das 
Anlegen einer Ligatur an dieser Stelle nicht recht 
gelingt. 

Schluss der Bauchwunde durch tiefe und oberflächliche 
seidene Knopfnähte bis auf den unteren Wund winket, 
durch den die Arterienklemme herausgeleitet wird. Dauer 
der Operation 80 Minuten. 

Ins erwärmte Bett gebracht, erwacht die Operirte bald 
und klagt über wehenartige Schmerzen, die ihr auch die 
Nachtruhe rauben. 

Nach 24 Stunden Entfernen der Arterienklemme; neben 
derselben ist recht viel serös-blutige Flüssigkeit in den 
Verband gekommen. 

Am 2. Tage geht Blut, untermischt mit kleineren und 
grösseren Deciduafetzen, aus der Scheide ab. Diese Aus¬ 
scheidung nimmt bereits am 4. Tage einen sehr üblen 
Geruch an, so dass vom 7. Tage ab 3 mal täglich Va¬ 
ginalspülungen mit Sublimat gemacht werden müssen. 

Die Temperatur ist bis zum 11. Tage subfebril, Abends 
bis 38,1, was auf die bestehende Endometritis bezogen 
wird. 

Am 12. Tage werden alle Nähte entfernt, prima intentio 
bis auf den unteren Wund Winkel, durch den sich etwas 
seröse Flüssigkeit ausscheidet. 

Vom 13. Tage ab geht die Temperatur rapid in die 
Höhe und es bildet sich ein kindskopfgrosses rechts- 
seitig es parametritisches Exsudat, das nach weiteren 22 
Tagen durch die Scheide durchbricht, wonach Pat. sich 
schnell erholt und am 49. Tage die Klinik verlässt. 

Die rechtsseitige Parametritis kann ich nicht mit der 
Operation in Zusammenhang bringen, das rechte Parame- 
trium wurde bei derselben garnicht berührt! Vielmehr 
ist sie als fortgeleitet, durch die Endometritis bedingt, 
aufzufassen! Die Endometritis hat ihren Grund in der 
Zurückhaltung und Zersetzung der Decidua. Ich 
glaube, sie hätte umgangen werden können, wenn sofort 
beim ersten Auftreten der blutigen Scheidenabsonderung, 
am 2. Tage nach der Operation, Scheidenausspülungen 
gemacht worden wären, oder noch besser, wenn gleich 
bei der Operation die Decidua durch Curettage aus dem 
Uterus entfernt worden wäre. 

Die herausgeschnittene linke Tube ist vollständig mit 
Placentargewebe ausgefüllt. Gleich nach der Operation im 
ausgebluteten Zustande ist sie 15 Ctm. lang, 12 Ctm. 
hoch, 8 Ctm. tief. An der hinteren äusseren Wand, der 
Tube dicht anliegend, befindet sich das stark abgeplat¬ 
tete Ovarium. In der Nähe des Ovariums verlässt der 
Nabelstrang die Tnbe, wahrscheinlich an der Stelle, wo 
der Foetus bei der Ruptur der Tube in den Bauchraum 
austrat. 

Von der-Frucht, die nach der Operation athmete, gebe 
ich eine Photographie. Sie ist nach längerer Aufbewah¬ 
rung in Alkohol 36 Ctm. lang, 1096 Grm. schwer. Kopf¬ 
umfang 26, Diameter fronto-occipitalis 9,5 Diameter 
mento-occipit. 10,9 Diameter biparietalis 6,7 D. bitem- 
poralis 6,3. 


Die Verkrümmungen der Extremitäten und die Asym¬ 
metrie des GesiAhtes und Scheitels sind auf der Photo¬ 
graphie recht deutlich zu sehen. 

Membramen, die zwischen dem Donglas und dem kindlichen 
Haaren bestanden. 



Planta pedis — pes varns. 


Ich habe die Pat. 5 Monate nach der Operation zu 
untersuchen Gelegenheit gehabt. Sie hat sich prachtvoll 
erholt, nur belästigt sie ein wenig eine Fistel, die sich 
am unteren Ende des Bauchschnittes etablirt hat, aus der 
von Zeit zu Zeit ein Seidenfaden abgeht. Der Uterus ist 
von normaler Grösse, die Regel kehrt zur Zeit und ohne 
Beschwerden wieder. 

III. Fall. 

M. T. 32 Jahre alt, bekam ihre erste Regel im 13. 
Jahre; dieselben waren stets regelmässig alle 3 Wochen, 
schmerzlos und dauerten eine Woche. Im 21. Jahr ver¬ 
heiratete sie sich und gebar 6 Kinder, das letzte vor 
3 */ 2 Jahren. Das erste Wochenbett verlief fieberhaft. 
Nach der Geburt des letzten Kindes stand die Wöchnerin 
schon am 5. Tage auf und fühlt sich seitdem sehr 
schwach. 

Letzte Regel Mitte Juni 1891. Am 14. August ver¬ 
spürt sie plötzlich einen starken Schmerz im Unterleibe, 
grosse Schwäche, häufigen Harn- und Stuhldrang Am 
24. August beginnt unter leichten Wehen eine blutige 
Flüssigkeit aus den Genitalien abzugehn; am 27. August 
geht Decidua (?) ab und noch volle 8 Tage darnach 
zeigt sich Blut, das dann ganz verschwindet. Die da¬ 
mals behandelnden Aerzte erklärten alles für einen Abort. 
Trotzdem dass alles zu Ende sein sollte, fühlte sich Pat. 
so elend und krank, dass sie gar nicht das Bett verlassen 
konnte. 

Ara 30. September 1891 wird Pat. nach einer gynä¬ 
kologischen Untersuchung von heftigen Schmerzen im 
Unterleibe befallen. Am 1. October sah ich sie zum ersten 
Mal in ihrer Privatwohnung. 

Stat. praes.: Pat. ist ausserordentlich anämisch; Zunge 
trocken, klagt über beständigen Durst. Hustet zuweilen. 
Beim Sprechen hat Pat. starken Luftmangel. Brüste 
klein, welk; Warzenhof und Warze stark pigmentirt, 
keine Milch. Linea alba dunkel gefärbt. Unterleib 


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stark aufgetrieben, schmerzhaft. Ein Tumor mit ziemlich 
scharfer Contour ragt bis 2 Querfingerbreit über den 
Nabel; der Percussionsschall über demselben dumpf. Bei 
der Auscultation keine Geräusche über demselben wahr¬ 
nehmbar. 

Scheide weit, Schleimhaut anämisch. Os uteri ext. lässt 
die Kuppe eines Fingers passiren; Uterus nach rechts 
hinten verdrängt, recht hart. 

Da die Wohnung der Pat‘sehr entfernt lag und sich 
recht wenig für eine Laparotomie eignete, überredete ich 
sie in meine Privatklinik überzusiedeln. Den Transport 
übernahm der behandelnde Arzt Dr. Schilinsky, der mir 
auch mittheilte, dass der Tumor durch die Untersuchung 
vom 30. September stark gewachsen sei, es sich also 
um eine Blutung in oder um denselben handelte. 

Am 2. October 1891 11 Uhr Vormittags kam die 
Kranke in meiner Anstalt an. Sie klagte über furcht¬ 
bare Schmerzen i'm Abdomen und ich konnte deutlich 
constatiren, dass der Tumor gegen gestern noch grösser 
geworden sei. 

Morphii 0,02 subcutan und Eisblase. Meinen ursprüng¬ 
lichen Plan, die Kranke noch 8 Tage zu beobachten, um 
zu einer Diagnose zu gelangen, musste ich aufgeben und 
liess sie znm nächsten Tage zur Laparotomie vorbereiten. 

3. October 1891 9’/i Uhr Morgens unterOperationChloro- 
form. Schnitt in der linea alba 2 Finger oberhalb des Nabels 
beginnend bis zur Symphyse. Als etwa 3 Querfinger un¬ 
terhalb des Nabels mit dem Messer tiefer vorgedrungen 
wird, stürzt ein heller Blutstrabi hervor es ist die Pla- 
centa praevia caesarea angeschnitten. Die Stelle wird mit 
dem Schwamm comprimirt und oberhalb des Nabels 
schnell die Bauchhöhle eröffnet. Aus derselben quillt eine 
grosse Menge älterer und jüngerer Blutcoagula hervor; 
dieselben werden mit der Hand ausgeschöpft. Nunmehr 
präsentirt sich ein etwa kindskopfgrosser schwammiger 
dunkelblaurother Tumor, der unmittelbar in die etwas 
tiefer getroffene Placenta übergeht und überhaupt das 
Aussehen von Placenta hat. Einige Stränge, die von der 
Kuppe der Geschwulst zur Bauchwand nach oben ziehen, 
werden ligirt und durchschnitten. Darauf wird seine Ver¬ 
bindung nach links, vom Darme (wahrscheinlich S rom- 
mun) sorgfältigst abgebunden und getrennt; es blutet 
dabei nur mässig. Aus der anfangs in der Bauch schnitts¬ 
wunde getroffenen Placenta blutet es nicht mehr; die Pla¬ 
centa wird von der vorderen Bauch wand ohne besonderen 
Blutverlust mit dem Finger abgeschält, ebenso ein etwa 
thalergrosses Stück, das rechts von der Schnittlinie an 
der vorderen Bauchwand inserirt. 

Als ich darauf weiter schrittweise, stets nach vorhe¬ 
riger Umstechung des Placentargewebes in die Tiefe des 
Beckens vordringe, wölbt sich plötzlich die Frnchtblase 
vor, in derselben sieht man den Embryo sich bewegen. 
Nachdem noch ein fester Strang, der nach unten innen 
zieht, ligirt und abgetrennt ist, lässt sich das ganze 
Schwangerschaftsproduct entfernen. 

In dem Grunde dieses Bettes, aus dem das Schwan¬ 
gerschaftsproduct entfernt ist, lässt sich der etwas ver- 
grösserte Fundus uteri erkennen; vom linken Horn des 
Uterus, auf dem die Placenta aufsass, ist eine Schicht 
Gewebe entfernt, ohne jedoch seine Höhle zu eröffnen. 
Von den Tuben und Ovarien ist nichts zu finden, da 
alle Organe mit einander verbacken sind. Nachdem aus 
dieser Höhle noch viele wandständige, festsitzende alte 
Coagula entfernt sind, wird sie mit 30 pCt. Jodoform¬ 
gaze austamponirt und die Bauchwunde bis auf den un¬ 
teren Wundwinkel, durch den die Gaze herausgeleitet wird 
geschlossen. Namentlich weitgreifend werden die Bauch¬ 
nähte an den Stellen gelegt, wo die Placenta von der 
vorderen Bauchwand abgelöst ist, um diese Partien gründ¬ 
lich zu comprimiren und vor Nachblutung zu schützen. 

Dauer der Operation 1 Stunde. 

Gleich nach derselben entleert sich aus der Vagina 


Blut, wie es scheint älteren Datums. Sofort wird mit 
Sublimatvaginaldouchen begonnen und solange fortgesetzt 
bis nach 8 Tagen der Ausfluss aufhört. 

Die Reconvalescenz war eine glatte, nur machte der 
sehr geschwächten Operirten eine starke Exacerbation 
ihres alten Bronchialkatarrhs viele Beschwerden, so dass 
ich sie bereits am 6. Tage nach der Operation auf die 
Seite legen und aufsitzen lassen musste. 

Am 9. Tage schwollen die Brüste an und secernirten 
reichlich Milch. 

Am 24. Tage verliess die Pat. geheilt die Anstalt. 

Nach 6 Wochen bildete sich ein Exsudat um den Ute¬ 
rus, das aber bald aufgesogen wurde. 

Das Präparat, das von specialistischer Seite auf even- 
tuelleAbdominalgravidität untersucht werden sollte, schickte 
ich zu diesem Zweck in eine andere Stadt. Nach fast 
2monatlichem Warten habe ich dasselbe unbearbeitet zu- 
zückerhalten, so dass die mikroskopische Aufklärung über 
diesen Fall nicht mehr gegeben werden kann, das Prä¬ 
parat hat im Spiritus stark gelitten! 

Der Embryo ist 13 Ctm. lang, gut entwickelt; den 
übrigen Theil des Präparates bildet Placentargewebe und 
ein Stück Uterusgewebe, das vom linken Horn ent¬ 
fernt wurde. 

Bei der Operation machte der Fall den Eindruck einer 
Abdominalgravidität. Auffallend war, dass man über dem 
Tumor keine Gefässgeräusche hörte und trotzdem eiD 
Theil der Placenta seinen Ursprung von der vorderen 
Bauchwand nahm. 

Nach vorheriger sorgfältiger Ligirung liess sich die 
Placenta ohne bedeutenden Blutverlust entfernen. Selbst 
die Verbindung mit dem Darm liess sich, wenn auch 
etwas mühsam, sehr sicher versorgen. 

IV. Fall. 

Frau M., 34 Jahre alt, hat 4 mal normal geboren, 
das letzte Mal im Juni 1889. Die Regeln sind stets regel¬ 
mässig bis zum April 1891. Im Mai zeigen sich, zur 
Zeit der erwarteten Regel nur einige Tropfen Blut. Seit 
dem Juni blutet Pat. beständig bis zum Tage der Ope¬ 
ration. 

10. October 1891. Stat. praes.: Die Gebärmutter ist 
vergrössert und erweicht wie am Ende des III. Schwan¬ 
gerschaftsmonates. Sie ist nach links und vorne gedrängt 
durch eine ziemlich harte, längliche, etwa faustgrosse Ge¬ 
schwulst, welche nach rechts und mehr nach hinten vom 
Uterus liegt. Die linken Adnexa normal. Scheidenschleim¬ 
haut leicht livid verfärbt; aus dem Uterus scheidet sich 
Blut mit Deciduafetzen vermischt ab. In der Brust Milch. 

Diagnose. Rechtsseitige Tubengravidität mit todter 
Frucht. 

Wegen beständiger Schmerzen im Unterleibe, wegen 
ausgesprochenen allgemeinen Krankheitsgefühls und wegen 
der Blutung, Laparotomie am 13. October 1891. Die 
rechte schwangere Tube ist im Douglasschen Raume ver¬ 
wachsen. Es gelingt leicht die frischen Verwachsungen 
mit der Hand zu trennen und die Tube mitsammt dem 
Ovarium vor die Bauchdecken zu ziehen. Abbinden und 
Abschneiden derselben. Dauer der Operation 20 Minuten. 
Glatte Reconvalescenz. 

Das Spirituspräparat ist 9 Ctm. lang, 6’/* hoch 6 
tief. Nachdem die Tube 3 Ctm. vom Uterus etwas 
gewunden verlaufen, geht sie in den Sack über. Genau 
am diametral entgegengesetzten Ende des uterinen Theiles 
der Tube sitzt dem Sack ein Anhängsel an, das sich 
leicht als Fimbrien erkennen lässt. Der Sack befindet sich 
also in der Tube selbst, er lässt den uterinen und ab¬ 
dominalen Theil derselben frei, ein makroskopisches Zei¬ 
chen, das für Gravidität, gegen Hämatosalpinx spricht ’). 


') J. Veit «Ueber Hämatosalpinx» Verhandlungen der deut¬ 
schen Gesellschaft für Gynäkologie IV. Congress. pag. 215. 


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320 




t)er ganze Sack ist mit Blntcoagulis ausgefüllt. Vom 
Foetus ist nichts zu ermitteln, Chorionzotten aber sind 
deutlich nachzuweisen. 

Der Tube hängt in normaler Verbindung das Ovarium 
an, in dem mehrere grosse Corpora lutea sichtbar sind. 

Ich glanbe, dass in diesen 4 Fällen die volle Indication 
vorlag, operativ vorzugehen. Namentlich ist Fall I ein 
instructives Beispiel um die Gegner der operativen Rich¬ 
tung zu bekehren. 

Es hatte in diesem Falle die Natur alle möglichen 
Schritte zur Spontanheilung eingeleitet und konnte doch 
nicht mit dem Schwangerschaftsproduct fertig werden. 
Vielmehr kosteten diese 2 Jahre der Trägerin fast das 
Leben. Sie hatte den ersten Shok bei der Ruptur glück¬ 
lich überstanden, der Foetus, vom Netz aufgenommen, 
war bereits stark in Lithopädionbildung begriffen! Durch 
seine Schwere aber zog er beständig am Magen, woi aus 
der Pat. häufig arge Gastralgien erwuchsen und wodurch 
die Verdauung sehr darnieder lag. 

Die Tube, die die Placenta barg, wollte sich durch 
Contractionen ihres Inhaltes entledigen, diese Contrac- 
tionen machten der Kranken solche Schmerzen, dass sie 
während des Anfalles sich wie eine Rasende gebärdete. 
Mit einem Schlage änderte sich alles dieses durch die 
Operation! Eine nur aus Haut und Knochen bestehende, 
lebensmüde Person wurde binnen kurzer Frist zur blü¬ 
henden, lebensfrischen Gattin ihres durch das Erlebte 
tiefbetrübten Mannes! 

Moskau, ira Juni 1892. 


Ein Fall von Amenorrhoe mit Galaktorrhoe. 

Von 

Dr. F. Weber. 


Da meine langjährige gynaekologische Praxis mir bis¬ 
her noch keinen Fall wie den vorliegenden geboten, so 
halte ich mich verpflichtet denselben kurz zu skizziren: 

Frau L. B. 35 Jahre alt, von guter Constitution, kräftig 
gebaut, dabei ausserordentlich fettleibig, menstruirt seit ihrem 
13. Jahre vollkommen regelrecht (die Menstruation hält 5 
Tage au, wiederholt sich alle 4 Wochen), seit 12 Jahren ver- 
heirathet ohne dass Gravidität eintrat; will nie an Frauen¬ 
krankheiten gelitten haben und erfreute sich immer einer 
ausserordentlich guten Gesundheil.. Patientin hat noch zwei 
Schwestern die gleichfalls kinderlos sind. Seit 3 Monaten 
verschwinden plötzlich die Menstrna ohne dass Pat. irgend 
welchen Grund anzugeben im Stande ist, doch beginnen die 
Brilste stark anznschwellen, so dass der dadurch bedingte 
Druck und die Spannung in den Brüsten Pat. dazu zwingt die¬ 
selben abzumelken, wobei aus der rechten Brust täglich ein 
halbes Bierglas, aus der linken sogar ein ganzes Glas abge- 
melkt wird. Dieser Zustand dauert nun volle 3 Monate, wobei 
die Quantität der täglich abgemelkten Milch annähernd die¬ 
selbe bleibt. Pat. hat nicht die geringsten Beschwerden, nur 
wird sie durch die Spannnng der Brüste molestirt, sobald sie 
nicht sofort den Process der Abmelkung vornimmt. — Die 
Brustdrüsen waren sehr stark entwickelt, doch behauptet Pat., 
dass sie seit Beginn der Galaktorrhoe nur unbedeutend an 
Volumen zugenommen haben; da sie am selben Morgen 
bereits gemelkt waren, zeigte sich nur eine massige Spannnng, 
aus beiden Brüsten liess sich leicht eine ganz kleine Quan¬ 
tität wässeriger Milch abzapfen. Die gvnaekologische Unter¬ 
suchung ergab einen ausserordentlich kleinen, atrophischen 
sonst ilier normalen und frei beweglichen Uterus, die Adnexa 
normal. — Bei Untersuchung der Rückenwirbelsäule fand 
sich eine unbedeutende Empfindlichkeit in der Gegend des 
zweiten und dritten Brustwirbels vor. 

Pat. versprach mich wieder zu besuchen, doch hat 
sie es unterlassen, da sie keine Krankheitssyraptome 
fühlt und ihr keine ernste Gefahr von dem Leiden pro- 
gnosticirt war. 


Referate. 

W. W i n t e r n i t z: Ueber Neuralgien und ihre hydriati- 
sche Behandlung. (Blätter für klin. Hydrotherapie. 
1892. H. 1). 

Von 585 klinisch beobachteten Fällen von Neuralgien ver¬ 
schiedener Art. die hydrotherapeutisch behandelt wurden, ge¬ 
langten 52 pCt. zur vollständigen Heilung. Nur 3 pCt. 
wurden ganz erfolglos behandelt. Die Behandlung ist unge¬ 
fähr dieselbe, wie sie jetzt in allen Wasserheilanstalten nach 
deutschem Muster gehandhabt wird. «Zn den mächtigsten 
Antineuralgici8 und Nervinis überhaupt gehört die Combina- 
tion von Wärme und Kälte. Wärmestauung oder directe Er¬ 
wärmung müssen daher der Abkühlung vorausgeschickt werden. 
Erregende Umschläge auf das von den Schmerzen befallene 
Gebiet, feuchte Einpackungen des ganzen Körpers, locale oder 
allgemeine Darapfkastenbäder, Dampf- oder Warmwasser- 
douchen dienen der vorherigen Erwärmung, während kalte 
Abreibungen, küble oder kalte Halb- und Tauchbäder, die 
verschiedenen Formen der Fallbäder etc. zur Auslösung des 
thermischen Contrastes und der Abkühlung dienen. Als ganz 
besonders wirksam bewähren sich die wechgelwarmen oder 
sog. schottischen Donchen. Für die Wahl unter diesen ver¬ 
schiedenen Mitteln wird natürlich der jeweilige specielle 
Fall bestimmend sein». Buch (Willmanstrand). 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Der zwanzigste schlesische Bädertag und seine Ver- 
handlüngen. Reinerz 1892. 

Das vorliegende 150 Seiten starke Bändchen zeigt wieder, 
wie auch die früheren, das ernsthafte Bestreben, die schlesi¬ 
schen Bäder zu heben; davon zeugt eine Anzahl interessanter 
Berichte wie z. B.: Die Milchsterilisirung in Salzbrunn von 
Badedirector Ma::ser; Ueber Moor und Moorbäder v. Dr. 
Deichmüller; Wie wird am zweckmässigslen in Wohnungen 
desinficirt v. Dr. Kratzert und viele andere sehr lesens- 
werthe Arbeiten. Erfreulich ist auch zu lesen, dass nicht nur 
die Aerzte und Badedireciionen eifrig an den Verhandlungen 
theilnehmen, sondern dass auch die Vertreter der Städte reges 
Interesse zeigen, was bei uns noch so wenig der Fall ist. 
Bürgermeister Den gier in Reinerz ist z. B. Vorsitzender des 
Bädertages nnd Redacietir seiner Publicationen. 

Buch (Willmanstrand). 

L Ewer (Berlin); Cursus der Massage mit Ein¬ 
schluss der Heilgymnastik. 8°. 182 S. Berlin 1892. 

Verf. giebt uns viel auf kleinem Raume, ja manches, für den 
Arzt wenigstens, auch sehr überflüssige, 37 Seiten Anatomie 
z. B. Es wäre gewiss zweckmässiger, wenn Verf. den Cursus 
der Anatomie denjenigen besonders reserviren wollte, die ihn 
brauchen. Das Buch umfasst die ganze Massage mit Einschluss 
der gynäkologischen, der Augen- und Ohrenmassage. sowie die 
Hauptzüge der Hfilgymnastik. Abbildungen unterstützen in 
sehr wirksamer Weise den Text, doch geht Verf. auch hier 
wohl zu weit. Eine Riickenhackung kann so gut abgebildet 
und beschrieben sein, wie sie will, hat man sie nicht gelernt 
und geübt, so kann man sie nicht ausüben und sehr leicht 
schaden, wo man nützen will; dasselbe gilt von den Er¬ 
schütterungen. Des Verfassers Verwerfungsurtheil über die 
active Heilgymnastik (ohne Widerstandsbewegungen lässt) ist 
nur berechtigt soweit sie das Hernmturuen ohne Anleitung 
nnd Aufsicht betrifft. Im allgemeinen kann das Buch sehr 
empfohlen werden. Manche Dinge sind zu kurz, manche 
wieder für das Format des Buches zu eingehend behandelt, 
ein Fehler vieler ersten Auflagen, wahrscheinlich folgen aber 
noch mehrere, Verf. arbeitet aus der Praxis mit gründlicher 
theoretischer Unterlage. Buch (Willmanstrand;. 

Blätter für klinische Hydrotherapie und verwandte Heil¬ 
methoden herausgegeben von Prof. W. Winternitz. 

Die Zeitschrift liegt uns bereits im 2. Jahrgang vor nnd 
1 sst jetzt vollkommen den grossen Nutzen überblicken, den 
sie gebracht und bringt. Es ist das einzige specielle den 
physikalischen Heilmethoden gewidmete Blatt, das wir besitzen, 
ein Blatt, das wir lange vermisst; in unserer schreiblnstigen 
Zeit sonderbar genug. Es erscheint in Monatsheften mit 
Originalarbeiten und Referaten. Eine grosse Zahl tüchtiger 
Mitarbeiter und Winternitz ’ eigene grosse Erfahrung haben 
den Inhalt zu einem sehr vielseitigen und reichhaltigen ge¬ 
staltet. Wir werden noch häufig darauf znrückzukommen 
Gelegenheit haben. Buch (Willmanstrand). 


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Prof. IT. Fehling: Die Bestimmung der Frau, ihre 
Stellung zu Familie und Beruf. Stuttgart. Ferd. 
Enke. 1892. Preis 0 Mrk. 80. 

S Binder: Weibliche Aerzte. Stuttgart. G. J. Göschen’- 
sche Verlagshandlung. 1892. Pr. 1 M. 20. 

Beide Brochüren behandeln das in der Gegenwart, besonders 
aber für die weite"e Zukunft interecsante rod viel umstrittene 
Thema von der Bestimmung des Weibes, mit besonderer 
Berücksichtigung seiner Befähigung und seines Berufes 
zum Studium uer Medicin. Gerade bei uns in Russland 
wird wohl diese let-iere Frage bei dem regen Interesse, das 
sie im Publicum, w»o auch in einzelnen ärztlichen Kreisen 
findet, nicht mehr von der Tagesordnung abgesetzt werden 
und wohl nach kurzer, durch äussere Umstände veranlasster 
Pause zu neuen ernsten Bestrebungen für das Medicinstudium 
der Frauen führen. Wichtig genng ist ja die Frage,/ um 
Jeden au interessiren, es ist aber besonders Pflicht der Aerzte 
in dereelben e*n ernstes, gut begründet« Urtheilzu gewinnen 
und sei deshalb p.nf die obengenannten Brochüren hirgewiesen, 
zu deren Lectüre e»ne kurze Inhaltsangabe anregen möge. 

Binder tritt in seiner lebendig geschriebenen, bisweilen zu 
feuiJ’etonrstisch gehaltenen kleinen Schrift mit warmen Worten 
für das Medicinstudium der Frauen bin. Die grosse Zahl dei 
unverheiratheten Frauen (20—25 pCt. in Deutschland) wird 
durch die Noth zur Ergreifung eines Berufes gezwangen und 
hat ausser zu anderen Berufszweigen (bes. Lehrerin) auch 
das unbestreitbare Recht die Zulassung zum ärztlichen Beruf 
zu fordern. B. geht kurz über die durch das Geschlechts¬ 
leben gegebenen körperlichen und geistigen Unterschiede 
zwischen Mann und Weib hinweg, hält die körperliche und 
geistige Befähigung der letzteren durch die grosse Zahl (in 
Amerika 3000) der bereits vorhandenen Aerztinnen für be¬ 
wiesen, zeigt wie gross und rücksichtslos die Anforderung an 
die körperliche Leistung der Frau in anderen Berufszweigen 
(Hausfrau, Arbeiterin, Lehrerin) ist und weist einzelne be¬ 
kannte Einwände (Concurrenz, Unweiblichkeit) scharf zurück. 
Er führt dann des weiteren aus, dass die kranke Frau aus 
Gründen der Humanität und Gesittung das Recht und die 
Möglickeit haben muss, sich mit ihrem Leiden ar. eine Ge¬ 
schlechtsgenossin wenden zu können, die auch ein sicheres 
Verständnis für ihr Geschlechtsleben hat. (Die Nothwendig- 
kei: weiblicher Aerzte in mukamedanischen Ländern wird 
nicht berührt). Dabei würde die Aerztin öfter und meist 
früher zu Rathe gezogen und der Entwickelung mancher 
Krankheit vorgebeugt werden. — Der Bildungsgang soll gleich 
dem der Männer sein; die Gymnasien könnten gemeinsam, 
höchstens in den oberen Classen getrennt sein. Besondere 
weibliche Akademien sollen nicht geschaffen werden, um den 
Schein des Specialistenthums zu vermeiden, obgleich die Frau 
sich fast immer später der Frauen- und Kinderbehandlung 
zuwenden wird. Dass der weibliche Arzt es in seinem Beruf, 
besonders bis sich die Welt an die neue Erscheinung gewöhnt 
hat, schwer haben wird, davon ist B. überzeugt, ebenso aber 
von dem endlichen Sieg der Frauen in dieser Frage. — Auf 
das Beirathen muss der weibliche Arzt aber verzichten, denn 
eine gute Hausfrau kann kein guter Arzt sein oder umge¬ 
kehrt. 

Prof. Fehling behandelt in seiner Rectoratsrede dasselbe 
Thema, aber in entgegengesetztem Sinne. Von Alters her 
war die Geburtshilfe in den Händen der Frauen, die darin 
auch manches '1 üchtige geleistet haben und in seltenen Fällen 
auch in anderen Zweigen der Heilkunst sich auszeichneten 
die wissenschaftliche Entwickelung der Geburtshilfe datirt, 
aber erst von der Zeit, wo sie in die Hände der Männer kam 
(Ambroise Par6); diesen gebührt auch das Verdienst aller 
w-.-iteren Fortschritte in ihr, in den anderen Zweigen der 
Heilkunde. Literarisch haben die Frauen in der Medicin fast 
nichts geleistet; die tüchtigen Dissertationen mancher 
Aerztinnen im letzten Decennium sind gewissenhaft ausge¬ 
führte Aufgaben ihrer Lehrer. — Die Annahme, dass zwischen 
Mann und Weib in Bezug auf die Fähigkeit zur Ausübung 
eines Berufes kein Unterschied bestehe, ist falsch. Dieser 
Unterschied besteht und wird bedingt durch die körperliche 
und geistige Verschiedenheit der Geschlechter. F. begründet 
das eingehend, indem er besonders die stetige durch die 
Menstruation bedingte Wellenbewegung im körperlichen und 
geistigen Leben des geschlechtsreifen Weibes hervorhebt. Der 
geistige Unterschied liegt nicht in der Schärfe, sondern in 
der Art des Denkens. Bei der Wahl des Berufes darf die 
Fran ihre Organisation nicht vergessen und muss sich daher nur 
ruhiger, gleichmässiger Arbeit (Lehrerin, Verkehrsbeamte, 
Verkäuferin etc.) znwenden, bei Verheirathung aber jeden 
Beruf ausser dem Hause aufgeben. Das Medicinstudium, 
vorausgesetzt die gleiche Schulbildung wie beim Mann, ist nur 
kräftigen Naturen unter den Frauen möglich; es soll ihnen 
wohl offen stehen, aber nur selten ergriffen werden. Nach F. 
wird es anoh eine Ausnahme bleiben; die Resultate der 
Schweizer Universitäten sind nicht günstig: Von 789 imatri- 


kulirten Medicinerinnen seit 1864 haben 23 pCt. den Doctor- 
titel erworben und nur 4,3 pCt. das eidgenössische Staats 
examen gemacht. (Die Frau ist nicht gleich dem Manne, sie 
ist ebensowenig seine Untergebene, sie soll seine Ergänzung 
Bein». —r. 

L. Edinger: Zwölf Vorlesungen über den Bau der ner¬ 
vösen Centralorgane. Dritte umgearbeitete Aufl. mit 
139 Abbild. Leipzig. F. C. W. Vogel, 1892. Pr. 7 Mk. 

Wir haben die ersten, 1885 und 1889 erschienenen Auflagen 
dieses vortrefflichen Werkes unseren Lesern bestens empfohlen 
und brauchen daher wohl jetzt nur auf das Erscheinen der 
vorliegenden dritten Anflage aufmerksam zu machen, ohne 
auf die besonderen Vorzüge der Anordnung und Bearbeitung 
des Stoffes einzugehen. Es lässt sich wohl annehmen, dass 
Jedem, der sich für den Gegenstand interessirt, das E.’sche 
Werk bekannt ist, Zu bemerken ist nur zu dieser Auflage, 
dass in ihr die Eintheilung des Stoffes dieselbe geblieben ist, 
aber entsprechend den neueren Untersuchungen des Verfs. 
und anderer wesentliche Ergänzungen und Umarbeitungen 
stattgefunden haben: so namentlich der Rinde des Gross- und 
Kleinhirns, des Olfactorius und Opticus, des Rückenmarks 
und der Ursprungsverhältnisse der Nerven. 20 gute neue 
Abbildungen sind hinzugekommen, sowie ein Anhang über die 
bei der Untersuchung von Hirn- und Rückenmark am häufig¬ 
sten angewandten und erprobten Methoden. Dieselben sollen 
dem selbständig Arbeitenden ein; Führer in der Technik sein 
und beziehen sich auf das Sammeln des Materials, das Härten, 
Einbetten, Schneiden, Maceriren und Färben. Zum Schluss 
folgt ein Verzeichniss derjenigen Präparate, deren Anfertigung 
sich für diejenigen empfiehlt, welche sich mit dem feineren 
Bau von Gehirn und Rückenmark bekannt machen wollen. 

—r. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Als Reagens auf Eiweis und Gallenfarbstoff empfiehlt 
Prof. Rosenbach eine 5 pCt. Lösung von Chromsäure. Wenige 
Tropfen dieser Lösung, schwach saurem, eiweisshaltigem 
Urin hinzugeseizt, geben einen Niederschlag, der bei selbst 
verhältnissmässig geringem Albumingehalt fast immer flockig 
und mehr oder weniger deutlich gelb gefärbt ist. Bei gallen¬ 
farbstoffhaltigen Unnen tritt bei vorsichtigem Zusatz der 
Chromsäure eine schön grüne Färbung des Harnes ein. 
Fährt man mit dem Zusatz der Säure fort, so färbt sich die 
Flüssigkeit schlieslich braunroth. Je grösser der Gallen¬ 
farbstoffgehalt ist, um so vorsichtiger soll man mit dem Zu¬ 
satze der Säure sein und stets einige Augenblicke warten 
bevor man wieder einen Tropfen des Reagens znsetzt. Auch 
Auftränfeln der Chromsäurelösung auf das gelbgefärbte 
Filtrirpapier, durch welches man den icterischen Harn filtrirt 
hat, soll ein einwurfsfreios Resultat liefern, 

(Deutsche medic. Wochensch. Nr. 17. 1892). 

— Bekanntlich werden die jetzt vielfach gebrauchten Subli¬ 
matpastillen um Verwechselung mit innerlich zu gebrauchen¬ 
den Ar/.neien vorzubeugen, gefärbt. Nun ist aber die ge¬ 
wöhnliche Farbe — rotn oder gelb — nicht glücklich ge¬ 
wählt, da eine roth oder gelb gefärbte Lösung der Sublimat¬ 
pastillen sehr leicht vom Patienten mit einer durch Frucht¬ 
saft oder Pomeranzensyrop gefärbten Mixtur verwechselt 
werden kann. Diesem Uebelstande ist abzuhelfen, wenn man 
blau gefärbte Sublimatpastillen verwendet, da blaugefärbte 
Mixturen wohl kaum Vorkommen. Es ist daher als eine 
praktische Neuerung zu bezeichnen, dass jetzt blaue Sublimat¬ 
pastillen in den Handel gebracht werden (von der Kasanschen 
Apotheke, Newski, 28). 

— Th. Mackenzie berichtet über einen Fall von Vergif¬ 
tung mit Paraldehyd. Eine Frau hatte 105 Gramm Pa- 
raldehyd aus Versehen genommen. Sie kam trotz der enor¬ 
men Dose nach 34 stündigem Schlaf (Puls 120, Respir. 40—60) 
wieder zu sich und genas. 

(Brit. med. Journ. 1891 Nr. 12. — Centralbl. f. Nervenh. 

u. Psych. 1892, Juni). 

— In einem Falle von chron. Otorrhoe, bei dem sich in der 
Trommelhöhle Larven von Lucilia sarcophaga ent¬ 
wickelt hatten und die heftigsten Schmerzen dort verursachten, 
gelang es Falta, nachdem Oel und Alkohol ihn im Stiche 

f gelassen hatten,durch Jodoformeinblasungen dieäusserst 
ichtscheuen Larven aus der Paukenhöhle und dem Gehörgange 
herauszutreiben. 

Pester med. chir. Presse Nr. 15 (nach Orvosi Hetilap. Nr. 5). 
— In der «Deut. Med. Wochensch.» Nr. 20, 1892, theilt Dr. 
Richter einen Fall von acutem Darm verschlösse mit, welcher 
mittels Queksilber behandelt wurde. Bei völligem Verfall der 
Kräfte, Pulslossigkeit verordnet« Verf. Mercurius vivus 150,0. 
Einige Stunden darauf erfolgten copiöse Ausleerungen und 
die Patientin — eine 49jährige Fran, genas. 


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322 


— Ausgebend von dem Gedanken, dass das Blut syphilis- 
immuner Thiere möglicherweise Heilwirkungen gegen Syphilis 
au8zuüben vermöge, hot Tommassoli (Modena) Lammblut- 
seruminfectionen bei luetischen Patienten angewandt. Er 
injicirte täglich unter möglichster Wahrung der Antiseptik 
2—8 Ccm. Serum in die ganze Dicke der Nates; nach der In- 
jection Massage. Von 6 behandelten Kranken litten 5 an 
florider Syphilis der sechste an einer speciflschen Periostitis. 
Die Behandlung wurde im Allgemeinen gut vertragen. Als 
Resultat seiner Therapie hebt der Vert. hervor «das man alle 
speciflschen Krankheitserscheinungen verschwinden sah mit 
einer Schnelligkeit, wie sie keine andere Cur, alle subcutane 
Injectionen zusammengenommen, aufznweisen vermag». 

Gazetta degli ospitali 1892 Nr. 28. 


Vermischtes. 

— Am 12, August Morgens ist Geheimrath Prof. Dr. 
Rudolf Virchow aus Moskau hierselbst eingetroffen und ge¬ 
denkt bis zur nächsten Woche in St. Petersburg zu ver¬ 
weilen. Wie sich erwarten liess, wurde dem berühmten 
deutschen Gelehrten, welcher in Russland eine grosse Popu¬ 
larität geniesst und eine erhebliche Zahl von russischen 
Aerzten zu seinen Schülern zählt, ein festlicher Empfang auf 
dem Nikolai-Bahnhof zu Theü. Prof. Virchow hat hier be¬ 
reits verschiedene Hospitäler, wissenschaftliche und commnnale 
Institute besucht, sowie manche Sehenswürdigkeiten in Augen¬ 
schein genommen. Zu bonnabend ist er mit sämmtlichen 
Mitgliedern der Sanitätacommission von dem Präses der städti¬ 
schen Hospitalcommission Ratkow-Roshnow zum Diner auf 
dessen Villa in Oranienbaum geladen und am Montag veran¬ 
stalten die hiesigen Aerzte dem berühmten Gast zu Ehren 
ein Festessen im Restaurant Donon hierselbst. 

— Am 10. August verschied in Peterhof der Leibchirurg 
am Hofe Sr. Majestät und Chef des Hof-Medicinalwesens, Ge¬ 
heimrath Dr. Alexander Ludwig Obermüller, im 
nahezu vollendeten 66. Lebensjahre an Herzparalyse. Der 
Hingeschiedene bekleidete ausserdem die Aerater eines Mit¬ 
glieds des Medicinalraths und des gelehrten militäi-medicini- 
schen Comitäs und nahm eine hervorragende Stellung in der 
Gesellschaft des «R.ithen Kreuzes», sowie als praktischer Arzt 
in der medicinischen Welt St. Petersburgs ein. 

Einen ausführlicheren Nekrolog des hier in weiteren Kreisen 
beliebten Mannes bringen wir nächstens. 

— Verstorben: 1) Am 4. Juli in Baku der Sanitätsarzt A. 
Archangelsk an der Cholera. Nähere Auskünfte über ihn 
fehlen. 2) In Ssamara am 2L Juli der Student der Medicin 
der Dorpater Universität, Wassili Pawlow, im 29. Lebens¬ 
jahre. Der Verstorbene stammt aus Ssamara und studirte 
nach Absolviiung des dortigen Gymnasiums anfangs an der 
Universität Kasan, von welcher er jedoch ausgeschlossen 
wurde, mit dem Recht, seine Studien auf einer anderen Uni¬ 
versität fortzusetzen. Im Jahre 1888 bezog er die Dorpater 
Universität, wo er Medicin studirte nnd jetzt kurz vor seinem 
Schlussexamen stand. Er starb in demselben Hospital, in 
welchem er sich bei Ausübung seines Berufs infirirt hatte. 
3) Am 26. Juli der Consultant des Charkowschen Militärhos¬ 
pitals, Privatdocent Dr. Wl. J. Porai-Koschiz, im 46. 
Lebensjahre. Der Hingeschiedene beschäftigte sich speciell 
mit der Syphilidologie und hat viele Arbeiten auf diesem Ge¬ 
biet veröffentlicht, unter anderem als seine Doctor-Disser- 
tation: «Pathologie der venerischen Krankheiten». 4) Im Juli 
in London der Nestor der alten Londoner Chirurgenschule, 
Dr. Frederik le Gros Clark, ein Schüler Astley Coo- 

er’s, im 81. Lebentijahre. Er hat lange Zeit am St.Thomas- 
ospital in London gewirkt und war früher Präsident des 
Royal College of Surgeons und Hunterian Lecturer. 

— An der militär-medicinischen Akademie beginnen 
mit dem bevorstehenden Lehrjahre drei neue Professoren 
ihre Lehrthätigkeit: 1) Dr.N. A. Cholodkowski, welcher an 
Stelle des verstorbenen Prof. E. Brandt den Lehrstuhl der 
Zoologie und vergleichenden Anatomie einnimmt; 2 ) Der 
frühere Charkowsche Professor Dr. A. I. Danilewski, 
welcher an Stelle des verabschiedeten Professors N. W. So- 
kolow auf den Lehrstuhl der medicinischen Chemie berufen 
ist und 3) der Professor der Universität Tomsk Dr. N. Wi- 
nogradow der auf den Lehrstuhl der pathologischen Ana¬ 
tomie an der Akademie übergeführt worden ist, nachdem 
Prof. N. P. Iwanowski den durch den Abgang Prof. Sso- 
rokin’s erledigten Lehrstuhl der gerichtlichtn Medicin über¬ 
nommen hat. Die Besetzung des vacanten Lehrstuhls der 
speciellen Pathologie und Therapie in der Akademie wird 
erst im Herbst dieses Jahres erfolgen. 

— Der Director der Augenklinik in Jena. Prof. Kuh nt. 
folgt dem Rufe alB Professor der Augenheilkunde an die 
Universität Königsberg, an Stelle des Professors Hippel, 
welcher als Nachfolger Prof. Alfred Graefe’s nach Halle 
versetzt worden ist. 


— Zum Nachfolger des verstorbenen Professors nnd Dirne- 
tors der ersten psychiatrischen Klinik im Allgemeinen Kranken¬ 
hause in Wien, Meynert, ist der Vorstand der zweiten 
psychiatrischen Klinik in der österreichischen Landes-Irren¬ 
anstalt, Hofrath Prof. v. Krafft-Ebing, einstimmig vom 
Wiener med. Professoren-Collegium gewählt worden. 

— Die städtische Sanitätscommission bittet die in 
der Residenz prakticirenden Aerzte, welche keine gelben 
Sanitätskarten zur Registrirung von Choleraer 
krankungen erhalten haben, unverzüglich der Commission 
(im Gebäude der Stadtduma) Meldung darüber zu erstatten 
oder persönlich zur Entgegennahme der Karten in der Kanzlei 
vorzusprechen. Dasselbe bittet die Sanitätscommission zu 
thun, falls der Vorrath der Karten ausgegangen ist. 

— Am 8. August ist in einer isolirten Baracke des hiesigen 
Börsenhospitals auf Wassili-Ostrow eine Abtheilung für 
Cholerakranke eröffnet worden. Ebenso hat in dem 
Palaishospital und dem Kalinkin-Marienhospital die 
Annahme von Cholerakranken begonnen, 

— Der verstorbene Kaufmann Alafusow hat der Stadt 
Petersburg die Gebäude der ehemaligen Michailowscheu 
Manufactur testamentarisch vermacht. Die Stadtverwaltung 
richtet daselbst ein Hospital für 120 chronische 
Kranke ein, welche in nächster Zeit aus dem Obuchow- 
hospital dorthin übergeführt werden sollen, um für Cholera- 
kranke Raum zu schaffen. 

— Am 6. August ist eine neue Partie von 25 Studiren- 
den des letzten Cursus der militär-medicinischen Akademie 
in’s Gebiet der Donischen Kosaken abgereist, wo ein Mangel 
an medicinischem Personal wegen der zunehmenden Epidemie 
sich fühlbar macht. 

— Der Termin für die Prüfungen zur Erlängung 
des Arztgrades ist für die Stuuirenden des letzten Cursus 
der militär-medicinischen Akademie bis zum 1. Januar 1893 
verschoben worden, da fast sämmtliche Studirende dieses 
Cursus in die Choleragegenden abcommandirt sind. Die Vor¬ 
lesungen für den 4. und 5. Cursus sollen im September be¬ 
ginnen, falls bis dahin die Choleraepidemie abgenommen hat. 

— Die St. Petersburger städtische Hospitalcommission hat 
in ihrer Sitzung am 10. August beschlossen nach Massgabe 
der Zunahme der Cholerakranken das medicinische Per¬ 
sonal bei den Stadthospitälern zu vergrössern und 
den Aerzten ein Gehalt von 100 Rbl. und den Studenten von 
60 Rbl. monatlich auszusetzen. Ausserdem wurde der Be¬ 
schluss gefasst, in den städtischen Armenhäusern die Zahl der 
Betten um 200 zu vermehren und alle an chronischen Krank¬ 
heiten Leidenden aus den städtischen Hospitälern dorthin 
überzuführen. 

— Auf dem UBpenski- und Preobrashenski-Kirchhofe werden 
von der stätischen Sanitäts-Commission beständige Du- 
jouren von Feldschern eingerichtet, welche mit kleinen 
Apotheken versehen sind, um den auf den Kirchhöfen Ange¬ 
stellten, sowie auch anderen Personen, die bei den Beerdi¬ 
gungen von Choleraleichen erkranken, die erste Hilfe leisten 
zu können. 

— Von der städtischen Sanitätscommission ist an alle in der 
Residenz praktisirenden Aerzte eine Aufforderung zur Be¬ 
theiligung an der Organisirung unentgeltlicher ambu¬ 
latorischer Hilfeleistung den an der Cholera er¬ 
krankenden armen Einwohnern der Stadt ergangen. 
Das Verzeichniss der Aerzte, welche sich dazu bereit erklärt 
haben, mit der Angabe ihrer Sprechstunden, wird bei jedem 
Hausknecht zu haben sein. 

— Die «Bri tish Medical Associction», welche vom 26. bis 
29. Juli n. St. ihre 60. Jahresversammlung in Nottingham 
abhielt, hat den Antrag, den weiblichen Aerzten, welche 
mit einem vollgültigen Diplom ausgestattet sind, aie Auf¬ 
nahme in die «Association» zu gewähren, fast ein¬ 
stimmig angenommen. 

— Gegenwärtig üben schon 140 Frauen den ärztlichen Be¬ 
ruf in den vereinigten Königreichen aus und in den sechs 
ausschliesslich für Frauen bestimmten medicinischen Schulen 
in London, Edinburg, Glasgow und Dublin studiren zur Zeit 
140 Damen. 

— Der Telegraph meldet aus Hamburg, dass dort in der 
letzten Woche zahlreiche choleraähnliche Erkrankungen 
mit letalem Ausgange vorgekommen seien, und in mehreren 
Fällen die Cholera asiatica constatirt worden sei. Ein 
amtlicher Bericht liegt noch nicht vor. Nach den «Ham¬ 
burger Nachrichten» sind bisher 300 Personen erkrankt, von 
denen 120 gestorben sind. — Von dem deutschen Reichsge¬ 
sundheitsamte sollen Prof. Robert Koch und Dr. Rahts 
dorthin geschickt worden sein, nm den Charakter der Krank¬ 
heit festzustellen. 

— Die Choleraepidemie in Russland hat in der 
letzten Zeit eine irgend nennenswerthe weitere Ausbreitung 
nicht genommen. In den Städten Baku und Astrachan, 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETERSBURGER 


MEIIC1HISCIE WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl 

Dorpat. 


Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Riga. 

Dr. Rudolf Wanach. 


St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnamentapreifl ist in Suul&nd 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postzustellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreii 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


iW* Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet mau ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Rioker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect N 14, zu richten.— Hanuscripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilnngen bittet man an 
den geschäftsführeuden Redacteur Dr. Btldolf Wanach in St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect M 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 


Jfs 34 St. Petersburg, 23. August (3. September) 1892 


Inhalt: Rudolf Wanach: Ein Fall von eingeklemmtem gangränösem Schenkelbrach, geheilt durch Resection und 
Naht dos Darms. — Referate: Prof. C. Wernicke: Ueber fixe Ideen. — Prof. Franz Riegel: Ueber chronische continuir- 
liche Magensaftsecretion. — Dr. Carl Fixsen f. — Dr. Emil Lehmann f. — Vermischtes. — Vacanzen. — Morta¬ 
litäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


An die Leser. 

Indem ich den Lesern dieser Wochenschrift mittheile, dass 
ich wegen Zeitmangels genöthigt bin, mich von der Redaction 
zmückzuziehen, danke ich allen Demjenigen aufs beste, die 
mich in meiner Redactionsarbeit durch Rath und Thai unter¬ 
stützt haben, und bitte sie dem neuen gescbäftsffihrenden 
Redacteur und Herausgeber, Herrn Dr. Rudolf Wanaoh, 
in gleicher Weise helfend und fördernd zur Seite zu stehen. 
Nur durch gemeinsame Arbeit kann eine wissenschaftliche 
Zeitschrift, wie die unsrige, an deren Fortbestehen wir Alle 
in gleicher Weise interessirt sind, gedeihen, sich entwickeln 
und die von ihr erstrebten Ziele erreichen. Das habe ich in 
den Jahren meiner Arbeit an der Wochenschrift nur zu oft 
lebhaft empfunden und kann daher bei meinem Scheiden ans 
der Redaction nur wünschen, dass das rege Interesse und die 
freundliche Mitarbeit der betheiligten Kreise, die der Wochen¬ 
schrift bisher zu Theil geworden sind, ihr auch ferner erhalten 
bleiben mögen. 

Alle Manuscripte, Mittheilnngen und für die Redaction be¬ 
stimmten Sendungen bitte ich von jetzt ab Herrn Dr. Rudolf 
Wanach, Petersburger Seite, grosser Prospect Nr. 7, zukom¬ 
men zu lassen. Wegen etwa noch unerledigt gebliebener An¬ 
gelegenheiten bitteich sich an mich unter meiner nenen Adresse, 
Liteini Prospect 55 Qu. 13 zu wenden. 

Dr. Theodor von Schröder. 


Vierter Aerztetag 

der Gesellschaft livländischer Aerzte. 


Der vierte Aerztetag der Gesellschaft livländischer Aerzte 
findet in Wenden statt und währt vom 14.—10. September 
d. Jahres. 

Vorträge, deren Dauer die Zeit von 15 Minuten nicht über¬ 
schreiten darf, werden die Herren Aerzte ersucht, unter 
genauer Angabe des Themas und kurzer Wiedergabe des 
Inhalts baldmöglichst, spätestens aber bis zum 1. August c. 
bei Unterzeichnetem anzumelden. 

Tm Namen des Vorstandes: 
d. Z. Präses: Dr. H. Truhart — Fellin. 


Ein Fall von eingeklemmtem gangränösem Schenkel¬ 
bruch, geheilt durch Resection und Naht des Darms. 


J 


Von 

Dr. med. Rudolf Wanach, 

St. Petersburg. 


Die Frage, wie man bei Darmgangr&n in Folge von 
Brucheinklemmung zu verfahren hat, ist noch immer 
nicht entschieden. Es stehen noch immer zwei Methoden 
in Concurrenz: die Bildung eines widernatürlichen Afters 
und die primäre Resection und Vernähuug des Darms. 
Wenn auch die zweite Methode immer mehr Für¬ 
sprecher findet, so fehlt es doch nicht an Chirurgen, die 
sie als unzulässig verwerfen und die Anlegung eines 
Anus präternaturalis als Normalverfahren bezeichnen. 

Bei dieser Verschiedenheit der Ansichten, die sich 
noch kürzlich auf der 64. Versammlung der Gesellschaft 
deutscher Naturforscher und Aerzte in Halle a. S. 
geltend gemacht hat (cf. die Verhandlungen der Gesell¬ 
schaft) dürften casuistische Beiträge nicht ohne Interesse 
sein. Ich theile daher einen von mir durch Darmresec- 
tion und Naht geheilten Fall von incarcerirter gangränöser 
Hernie mit. 

Olga W., 36 J. alt, trat am 11. April 1892 in das städtische 
Peter-Paulshospital ein. Pat. hat seit vielen Jahren einen 
linksseitigen Schenkelbrnch, der ihr nie Beschwerden gemacht 
hat. Ein Bruchband hat rat. nicht getragen. Abgesehen 
von trägem Stuhlgang ist Pat. immer vollkommen gesund ge¬ 
wesen. Vor vier Tagen ist der Bruch plötzlich iri eponibel 

f eworden, seitdem ist kein Stuhl erfolgt, auch haben sich 
eine Gase per anum entleert. Bald nach der Einklemmung 
des Bruchs stellten sich Schmerzen im Leibe, Uebelkeit und 
Erbrechen ein. Das Erbrochene hat in den letzten 24 Stunden 
einen üblen Geruch bekommen. Bevor ich die Kranke sah, 
hatte sie im Hospital wiederholt fäculenie Massen erbrochen. 

Pat. ist von ziemlich kräftigem Körperbau, mager, mit 
wenig entwickelter Muscnlatur. Leidender Gesichtsausdruck, 
mässig beschleunigter, regelmässiger, relativ kräftiger Puls, 
Zunge zur Trockenheit geneigt, weiss belegt. Brnstorgaue 

f ;esund. Der Leib stark aufgetrieben, die Darmschlingen in 
ebhafter peristaltischer Bewegung, häufiges Aufstossen. Unter 
dem linken Lig. Poupartii dicht nach innen von der deut- 


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lieh fühlbaren Schenkelarterie eine hühnereigrosse, gegen 
Druck empfindliche Bruchgeschwnlst, die sich bei leichtem 
Druck nicht verkleinert. Die Haut über der Geschwulst in- 
filtrirt und geröthet. Um 9 Uhr Abends machte ich die 
Operation. Chloroform bekam die Pat. nicht. Um den Haut- 
schnitt unempfindlich zu machen, injicirte ich 2 Pravaz'sche 
Spritzen einer 4 pCt. Cocainlösung. Nach Durchtrennung der 
Haut präsentirt sich der missfarbi^e, mit der Umgebung 
stellenweise verklebte Bruchsack; bei seiner Eröffnung fliesst 
eine geringe Menge kothig riechenden trüben Brncliwassers 
aus- In der Tiefe des Brncnsacks liegt eine fest eingeklemmte, 
an der Einschnürungsstelle mit der Bruchpforte verklebte 
Dünndarmschlinge; sie ist schlaff schwärzlich verfärbt, und 
zeigt genau in der Mitte auf der Kuppe eine fingernagelgrosse 
graue Stelle, aus der wie aus einem Sieb flüssiger Darminhalt 
in feinen Tropfen hervorsickert. Nach vorsichtiger aber 
ausgiebiger Einkerbung des Schnürringes lässt sich aer Darm 
gut vorziehen. Aus der Banchhöhlo entleert sich reichlich 
seröse Flüssigkeit. Nachdem ich den Darm weit vorgezogen 
und die Bruchpforte und die ganze Wunde mit Jodoformmarly 
tamponirt hatte, resecirte ich die ganze eingeklemmt gewesene 
Darmschlinge. Die Schnürfurchen waren sehr deutlich aus¬ 
geprägt. Der abführende Darmtheil hatte normales Aussehen 
und war leer. Der zuführende Darmabschnitt war gebläht, 
etwas ödematös verdickt und rosenroth injicirt, die Serosa 
spiegelnd. Ich durchtrennte nun den znführendeu und ab¬ 
führenden Darm ca. 2 Cm. von der entsprechenden Schnür* 
furche quer und schnitt die so isolirte Darmpartie (die incar- 
cerirt gewesene Schlinge) dicht an ihrem Mesenterialansatz 
ab. Die Blutung aus den Mesenterialgefässen war unbedeu¬ 
tend. Die Schleimhaut des zuführenden Dauns war ödematös 
geschwellt nnd injicirt, sonst aber nicht verändert. Ich liess 
aus ihm eine beträchtliche Menge flüssigen Kotlies ausfliessen, 
spülte ihn mit warmer Borsäurelösung aus und iiess dann 
beide Darmlumina durch den assistirenden Feldscher mit den 
Fingern comprimiren. Das Mesenterinm umsäumte ich mit 
einer fortlaufenden Naht und vereinigte dann die beiden 
Darmstücke durch eine doppelte Reihe von Knopfnähten nach 
Czerny-Lambert. Zur Naht benutzte ich Seide. Nach 
Reposition des vernähten Darms in die Bauchhöhle excidirte 
ich den Bruchsack, führte einen Jodoform marly streifen in die 
Bauchhöhle bis zum genähten Darm, der an der Bruch pforte 
unbeweglich liegen blieb und taraponirte die ganze Wunde 
mit Jodoformmarly. 

Die Patientin vertrug die Operation ausgezeichnet, zeigte 
keine Erscheinungen von ShoK, empfand keine erheblichen 
Schmerzen; ihre einzigen Klagen bezogen sich auf die lange 
Dauer der Operation (vom Beginn bis zur Beendigung des 
Verbandes 17» Stunden). 

Das resecirte Darmstück ist 10 Cm. lang, wovon 6 Cm. auf 
die incarcerirt gewesene Partie kommen. Mikroskopische 
Schnitte durch das zuführende Darmstück zwischen dem 
Resectionsschnitt und der oberen Schnürfurche, ca. 1 Cm. von 
ersterem entfernt, lassen zahlreiche Gefässthrombosen in der 
Subserosa erkennen, am zahlreichsten an der dem Mesen¬ 
terium gegenüberliegenden Dannpartie, aber auch einzelne 
durch Thromben verschlossene Gefässe zwischen den Blättern des 
Mesenteriums. Hier und da sieht man tim solche Gefässe herum 
ausgetretene rothe Blutkörperchen. Weniger zahlreich sind 
die Thrombosen in der Snbmncosa. Alle Venen sind prall 
mit Blut gefüllt (das Präparat ist in Müllerscher Flüssigkeit 

f ehärtet). Die Schleimhaut zeigt nirgends Geschwürsbildung, 
och färbt sich das Epithel stellweise schlechter, die Epithel¬ 
zellen sind gequollen. Zahlreiche mit Schleim gefüllte 
Becherzellen. 

Ueber den weiteren Verlauf ist Folgendes zu berichten: Die 
Temperatur schwankte an den ersten 4 Tagen zwischen 37.5° 
und 38,3°: war von da an normal. Der Puls blieb regelmässig 
und ziemlich kräftig, war an den ersten 4 Tagen frequenter 
(bis 104 p. m.). Das Erbrechen kehrte nur zweimal nach der 
Operation wieder, die Zunge reinigte sich schnell. Die Auf¬ 
treibung des Leibes blieb zunächst bestehen, verschwand aber 
nach einer am 2. Tage vorgenommenen M.agenspülung, bei 
der etwa 7* Liter übelriechender Flüssigkeit entleert wurde. 
Der Urin wurde anfangs spärlich entleert (400 Ccm.) und 
zeigte deutlich ausgeprägte ßosenbac li’sche Reaction 
(Bnrgunderrothfärbung beim Kochen mit Salpetersäure), die 
erst nach einer Woche allmählich verschwand. Die ersten 
Flatus gingen 48 Stunden nach der Operation ab, der erste 
kleine Stuhl erfolgte am Beginn des dritten Tages nach einer 
vorsichtigen Darmspülung. An den folgenden Tagen hatte 
Pat. 3—6 flüssige Ausleerungen; darauf täglich normale 
Stühle. Die Wunde liess ich langsam per granulationem 
heilen, indem ich sie wegen anfänglichen ziemlich beträcht¬ 
lichen seiösen Ausflusses aus der Bauchhöhle durch Tampons 
offen hielt. Am 21. Mai, also nach 40 Tagen, verliess Pat. 
das Hospital mit gut geheilter Wunde, guter Verdauung und 
vortrefflichem Allgemeinzustand. Einen Monat später stellte 
sie sich wieder vor, weil sich in der Narbe eine kleine ober¬ 
flächliche Fistel gebildet hatte. Diese Fistel heilte, nachdem 


sich ein Seidenfaden (offenbar eine Ligatur) ausgestossen 
hatte. Die Narbe ist jetzt (nach 4 Monaten) lineär, von 
Neigung zu erneuter Bruchbildung ist, trotzdem Pat. ohne 
Bruchband ihre häuslichen Arbeiten’ verrichtet, keine Spur 
zu sehen. 

Es ist nicht meine Absicht, das ganze grosse Thema 
über die Behandlnng der gangränösen Brüche hier zn 
discutiren. Sind doch noch in nenester Zeit vortreffliche 
Arbeiten erschienen, welche die Vorzüge der primären 
Darmresection und Naht vor der Bildung des Anus prä- 
ternaturalis in erschöpfender und überzeugender Weise 
darthun; ich meine namentlich den Aufsatz von Mikulicz *) 
und zwei in russischer Sprache erschienene Arbeiten von 
Butz 2 ) und Zeidler 3 ) in denen sich auch ein vollständiges 
Literaturverzeichniss findet. Es ergiebt sich, dass sowohl 
die Statistik, soweit sie überhaupt herangezogen werden 
kann (cf. die Ausführungen von Mikulicz a. a. 0., 
denen ich vollkommen beipflichte), als auch die klinische 
Erfahrung und das theoretische Raisonnement in glei¬ 
cher Weise zu Gunsten der Resection sprechen. Ich kann 
dem nichts Neues hinzufügen. Dagegen möchte ich mich 
etwas mit den von gegnerischer Seite geäusserten An¬ 
sichten beschäftigen. Eine der bedeutsamsten unter den 
in den letzten Jahren gegen die Darmresection und 
Enterorhaphie bei gangränösen Hernien geschriebenen Ar¬ 
beiten ist die von P. Klemm 4 ), bedeutsam hauptsächlich 
deshalb, weil in ihr die pathologische Anatomie zur 
Entscheidung der Streitfrage herangezogen wird, also die 
Erörterungen auf sicherer Basis ruhen. Es ist in der 
That ein grosses Verdienst von Klemm, nachdrücklich 
betont zu haben, dass das Studium der pathologischen 
Anatomie und der Ursachen des immer noch so häufigen 
letalen Ausganges der Darmgangrän unerlässlich ist, um 
die Therapie zu fördern. K. hat ein sehr interessantes 
Material gesammelt, aber die praktischen Schlüsse, die 
er daraus zieht, sind anfechtbar. K. argumentirt folgen- 
dermaassen: In Folge von Brucheinklemmung wird der 
oberhalb der Occlusionsstelle gelegene Darm gebläht, in 
seiner Circulation geschädigt und gelähmt. Die in diesem 
gelähmten und schlecht ernährten Darm stagnirenden 
fauligen Kothmassen bewirken Geschwürsbildung auf der 
Darmschleimhaut, die immer tiefere Schichten der Darm¬ 
wand ergreift und schliesslich zur Perforation und Peri¬ 
tonitis führen kann. Von der veränderten Schleimhaut 
aus werden septische Stoffe resorbirt, die zur allgemeinen 
septischen Intoxication führen und den Tod veranlassen 
können, bevor noch Perforation eingetreten ist. Diese 
Veränderungen im oberhalb der Occlusion gelegenen Darm, 
die am intensivsten an der Occlusionsstelle sind und sich 
weit nach aufwärts erstrecken können, sind von wesent¬ 
licher Bedeutung, geben dem Krankheitsbild das charak¬ 
teristische Gepräge und bestimmen den Ausgang der 
Erkrankung. Die Therapie hat daher die Aufgabe die 
Einklemmung zu lösen und — was mindestens ebenso 
wichtig ist — den Darm möglichst schnell und ausgiebig 
von seinem Inhalt zu befreien. Soweit muss man K. 
unbedingt beistimmen und mit Dank anerkennen, dass er 
die Art und Bedeutung der Veränderungen im zuführen¬ 
den Darm klargestellt hat. Nun fährt aber K. fort: 
dieser therapeutischen Forderung wird die primäre Re¬ 
section und Enterorhaphie nicht gerecht, da die Cardi- 
nalbedingungen jeder Darmresection und Darmnaht — die 
ausgiebige Entleerung des Darms und die Anlegung der 
Naht im Gesunden — nicht erfüllt werden können. Die 


’) Mikulicz. Ueber die Behandlung brandiger Brüche. Berl. 
klin. Wochenschr. 1892, Nr. 11—13. 

2 ) ByTut. Kt Bonpocy o aeueHin OMepTBi>BinHXT> rptiast. 
Xnp. BbcTHHKT,. 1892, I, UI n IV. 

*) II.eÖÄJiep’B. 0 peBeKgin khiukh npa oMepTBkmH ea bi. 
ymeMJieHHWx'b rpuHtaxT,. ^ncccpT. C.-neTepÖyprt. 1892. 

*) Paul Klemm. Studien über die pathologisch-anatom. Ver¬ 
änderungen am Darm in Folge von Brucheinklemmung und 
ihre Bedeutung für die Herniotomie. Inaug.-Diss. Dorpat 1889. 


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327 


primäre Resection nnd Naht ist daher eine vom anato¬ 
mischen Standpunkt nicht zulässige Operation und ist 
durch das Normal verfahren — die Anlegung eines Anus 
präternaturalis — zu ersetzen. Das kann nicht zugegeben 
werden. Was zunächst die Fortschaffung der Fäcalmassen 
betrifft, so muss natürlich, bevor der Darm vernäht wiFd, 
so viel von seinem Inhalt entleert werden, als nur mög¬ 
lich ist — und das ist in der Regel, wenn man sich Zeit 
nimmt, eine ganz bedeutende Masse; dadurch wird der am 
meisten gefährdete, der Occlusionsstelle zunächst ge¬ 
legene Darmabschnitt entlastet. Was weiter aufwärts an 
Koth zurückbleibt, wird schnell weiter getrieben und ge¬ 
langt zu der inzwischen vernähten Stelle. Hier findet 
nach K.’s Ansicht, da die Naht eine Verengerung bewirkt 
und der oberhalb gelegene Darm gelähmt ist, wieder 
Stauung statt. Dagegen ist einzuwenden, dass die 
zufliessenden Kothmassen ausnahmslos ganz dünnflüssig 
sind, mithin auch ein verengtes Darmlumen ohne Schwie¬ 
rigkeit passiren können, zumal abwärts wegen meist voll¬ 
ständiger Leere des abführenden Darms nur ein sehr 
geringer Widerstand vorhanden ist und die oberhalb der 
gelähmten Partie stattfindenden peristaltischen Contrac- 
tionen eine immerhin bedeutende vis a tergo repräsen- 
tiren. Sieht man doch auch häufig bei andern Darm¬ 
strangulationen — etwa durch einschnürende Narben¬ 
stränge und dergl. — wie sofort nach Lösung der Ein¬ 
klemmung, noch bevor sich die Schnürstelle bis zur 
Norm erweitert und bevor in dem zunächst gelegenen 
Darmabschnitt peristaltische Bewegungen auftreten, die 
gestauten dünnflüssigen Massen durch die enge Stelle 
durchfliessen; sie bewegen sich eben wie alle unter Druck 
stehenden Flüssigkeiten nach dem Ort des geringsten 
Widerstandes. Ist der Darm aber in solcher Ausdehnung 
gelähmt, dass sein Inhalt gar nicht mehr fortbewegt wird, 
dann- kann auch ein Anus präternaturalis keine Abhilfe 
schaffen. Dass die durch die Darmnaht gesetzte Veren¬ 
gerung in der That kein wesentliches Hinderniss Fiir die 
Kothcirculation bildet, gehtauch aus der Angabe Zeidler’s 
hervor (pag. 149 der angeführten Arbeit), dass von 289 
Fällen von prim. Darmresection und Naht wegen gangrä¬ 
nöser Hernie nur 6 in Folge der Verengerung an der 
Nahtstelle gestorben sind. Was den andern Punkt, die 
Anlegung der Naht im Gesunden betrifft, so steht die 
Sache doch wohl kaum so, dass «mit dem Rath Kocher’s 
so lange Darm vorzuziehen, bis man im Gesunden an¬ 
langt, nicht viel anzufangen ist», da die Grenze zwischen 
Gesundem und Krankem nicht scharf ist und da die 
Veränderungen der Mncosa weiter hinaufreichen als die 
der Serosa — man mithin dem Darm von aussen nicht 
ansehen kann, wie weit die Schleimhaut schon irreparable 
Störungen erlitten hat. Zum Theil wird ja die Bestim¬ 
mung der Grenze für die Resection Sache der Erfahrung 
des Operateurs bleiben. Nach den Hinweisen von Reichel, 
Schwenninger und Klemm wird man aber die Mucosa 
in der Nähe der Schnittfläche genau inspiciren bevor 
man näht, auch wenn die Serosa gesund aussieht. Geringe 
Veränderungen der Schleimhaut, venöse Hyperämie und 
Oedem und vereinzelte Thrombosen ohne Infarctbildung 
dürften den Erfolg der Naht nicht beeinträchtigen; in 
dem von mir mitgetheilten Fall waren sie ohne Belang. 
Irrthümer können freilich Vorkommen, sie werden aber 
gleich verhängnissvoll werden, wenn man einen künst¬ 
lichen After anlegt; auch oberhalb eines solchen kann es 
zur nachträglichen Perforation eines übersehenen Geschwürs 
kommen. Ich glaube, dass der von mir mitgetheilte Fall 
ein typischer ist, und dass auch die Ergebnisse der ana¬ 
tomischen Forschung nicht gegen die Darmresection und 
Enterorhaphie in solchen Fällen sprechen. Ich glaube, 
dass Klemm, unter dem Eindruck der von ihm verar¬ 
beiteten Sectionsprotokolle stehend, die Operationsergeb¬ 
nisse in den Fällen, wo die Patienten am Leben blieben, 
nicht genügend berücksichtigt hat. Die Erfahrungen an 


Lebenden lehren nun, darauf muss man mit Mikulicz 
nachdrücklich hinweisen, dass der Anus präternaturalis 
erstens eine immerhin nicht ganz ungefährliche Nachope¬ 
ration erfordert und zweitens das Leben seines Trägers 
noch nach Wochen dadurch gefährden kann, dass, wenn 
er hoch angelegt werden musste, ein grosser und gerade 
der functionstüchtigste Theil des Darms von derVerdau- 
ungsthätigkeit ausgeschaltet wird; die Patienten können 
dann an langsamer Inanition zu Grunde gehen. Ich möchte 
die Anlegung des Anus präternaturalis auf die Patienten 
eingeschränkt wissen, die wegen hochgradigen Collapses 
einer langdauernden Operation nicht mehr unterzogen 
werden können und die wegen schon entwickelter allge¬ 
meiner Peritonitis von vornherein als verloren angesehen 
werden müssen. Als Normal verfahren dagegen betrachte 
ich die primäre Resection und Enterorhaphie. 

Was die Wundversorgung nach Darmresection wegen 
Bruchgangrän betrifft, so halte ich die Tamponade mit 
Jodoformmarly für das Richtigste, in Fällen von Phleg¬ 
mone des Bruchbettes für durchaus nothwendig. Erstens 
wird durch den zur Nahtstelle geführten oder noch 
besser sie einhüllenden Tampon eine Art Sicherheits¬ 
ventil geschaffen für den Fall, dass doch Perforation 
eintritt; es ist ja bekannt, wie schnell ein in die Bauch¬ 
höhle eingeführter Tampon peritoneale Adhäsionen bewirkt. 
Auf diese Weise wird also bei etwaiger Perforation dem 
Koth der Weg in die Peritonealhöhle versperrt. Zweitens 
dürfte eine durch langsame Granulationsbildung erzeugte 
Narbe mehr Schutz vor erneuter Bruchbildung gewähren, 
als eine feine Narbe wie sie nach Vernähung der Wunde 
zu Stande kommt. 

Zum Schluss noch einige Worte über das Chlorofor- 
miren. Patienten mit eingeklemmten Brüchen sind immer 
Schwerkranke. Theils der Shok, theils die Intoxication 
schädigen ihre Herzthätigkeit und ihre Kräfte in hohem 
Grade. Das Chloroform fügt namentlich für das Herz eine 
neue Gefahr hinzu. Ich habe daher diesen Kranken schon 
früher.mur minimale Mengen Chloroform geben lassen; in 
der letzten Zeit habe ich, angeregt durch eine Mitthei¬ 
lung von Prof. Tiling (cf. diese Wochenschrift 1892 
Nr. 18 pag. 177) incarcerirte Hernien ganz ohne Chlo¬ 
roform operirt und nur Cocain subeutan gegeben. Dass 
die Patienten dabei von Schmerzen fast garnicht zu leiden 
haben und sich nach der Operation bedeutend besser 
befinden, als wenn sie einer tiefen Narkose unterworfen 
worden sind, davon habe ich mich wiederholt überzeugen 
können. 


Referate, 

Prof. C. Wernicke: Ueber fixe Ideen. Aus der psychiatr. 

Klinik za Breslau. (Deut. med. Wochenschr. Nr. 25 1892.) 

Der Name des Antors und der vielversprechende Titel des 
Aufsatzes werden gewiss manchem Collegen, der sonst psychi¬ 
atrische Artikel zu fibergehen gewohnt ist, die Lectüre obiger 
kurzen Abhandlung nahe gelegt haben. Bei der grossen 
raktischen und namentlich forensischen Bedeutung des be- 
andelten Stoffes erscheint es doppelt geboten, auf die mannig¬ 
fachen Abweichungen des Verfassers von der allgemeinen An¬ 
schauung hinzu weisen, damit nicht unter dem Einfluss der 
Autorität Wernicke’s der prakt. Arzt eine Auffassung sich 
aneigne, die — es sei schon hier gesagt — ganz vereinzelt 
dasteht und von der heutigen Psychiatrie als klinisch unhaltbar 
aufgegeben ist. 

Wenngleich auch Verf. die allgemein verworfene Lehre von 
den Monomanien als verhängnissvoll bezeichnet, scheint ihm 
die Annahme circumscripter Geistesstörung an sich nicht 
«so grundfalsch» zu sein. Als Beleg dafür erwähnt W. zu¬ 
nächst flüchtig die Aufstellung des sog. «impulsiven Irre¬ 
seins» und fibersieht dabei, dass letzteres keineswegs als 
isolirte Störung auf dem Boden allgemeiner Geistesgesund- 
heit, sondern als eine der Aensserungsformen hereditärer oder 
in den ersten Lebensjahren erworbener psychischer Invalidität 
(Imbecillitas). des degenerativen Irreseins, von allen Forschern 
angesehen wird. Eine weitere praktische Anerkennung der 
Lehre von den fixen Ideen d. h. einer ganz umschriebenen 
geistigen Erkrankung erblickt W. in der Auffassung des 


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328 


Querulantenwahns, wie sie sich «wenigstens bei unvoreinge¬ 
nommenen Beobachtern» Geltung verschafft hat. Die hierher 
gehörige, ohne jede Anamnese allzukurz mitgetheilte Kranken¬ 
geschichte, die dem Leser keineswegs die Gewissheit stattge¬ 
habter genauerer klinischer Beobachtung gewährt, wird allein 
durch die beruhigende Schlussbemerkung des Verf. «die 
Schriftstücke sind frei von irgend welchen Symptomen des 
Schwachsinns» nicht beweiskräftiger. — Der betr. Querulant 
erhält nach mehrfachen Beschwerden von dem Oberlands¬ 
gericht den Bescheid, dasselbe «sei in dieser Hinsicht unbe¬ 
schränkt». Diese Erklärung einer einzigen Behörde veran¬ 
lasst Pat. «von da ab die Behörden mit beleidigenden Schrift¬ 
stücken zu überschwemmen, dass die Richter behaupteten in 
ihrer Rechtspflege unbeschränkt zu sein». Schon in dieser 
Verallgemeinerung einer einzelnen Erfahrung offenbart sich 
nicht nur eine formale Denkstörung, sondern vor Allem eine 
hochgradige kritische Schwäche d. h. also ein allgemeiner 
psychischer Defect. Ein genauerer Einblick in die «beleidi¬ 
genden Schriftstücke» dürfte wohl auch eine gewisse ethische 
Verkümmerung nachweisen lassen. — Eine so ungenügend 
wiedergegebene Beobachtung wird den Irrenarzt in seiner 
Auffassung des Quernlantenwahns nicht wankend machen, die 
von W. gezogenen Schlüsse könnten jedoch dem der Psychiatrie 
ferner stehenden Arzte die in forensicher Hinsicht verhäng¬ 
nisvolle Annahme des «partiellen Irreseins» nicht unmöglich 
erscheinen lassen. Der Zweck dieses Referats besteht in der 
Betonung des nachfolgenden Satzes: Das Irresein der 
Querulanten ist als eine Erkrankung der psychi¬ 
schen Gesammtpersönlichkeit von der heutigen 
Psychiatrie ganz allgemein anerkannt. Der Umstand, 
dass die Wahnideen der Querulanten — jedoch nur bei ober¬ 
flächlicher Beobachtung — in einem bestimmten, engbegrenzten 
Vorstellungsbereich sich ausschliesslich zu bewegen scheinen, 
die — jedoch ebenfalls nur scheinbare — Schärfe der logischen 
Schlüsse machen die irrthümliche Annahme eines «partiellen 
Irreseins», «der fixen Ideen» begreiflich. Der erfahrene Irren¬ 
arzt aber wird bei den Querulanten mehr oder weniger mar¬ 
kante Auffälligkeiten in gemüthlicher und intellectueller 
Richtung stets nachweisen können, in den meisten Fällen 
Wahnideen auch auf anderen Gebieten des Vorstellens und eine 
allgemeine Unzulänglichkeit der Kritik d. h. also psychische 
Invalidität. Eine eingehende Darlegung dieser Verhältnisse 
dürfte im Rahmen eines Referats keinen Raum finden. — Als 
weitere Belege für seine Annahme einer nur «circumscripten 
Geistesstörung» bringt W. drei ebenso skizzenhaft wieder- 
egebene Krankheitsgeschichten, die sich als Irresein durch 
wangsvorstellungen erweisen. In gleicher Willkür wendet 
Verf. in der Psychiatrie feststehende Bezeichnungen in 
ganz abweichender Bedeutung an. Allgemein versteht man 
unter einer «fixen Idee» eine ganz vereinzelt dastehende, 
stabile falsche Vorstellung, die keine Consequenzen Für die 
sonstigen Vorstellungen hat. W. aber berichtet unter obigen 
Fällen über eine Frau, die an der «fixen Idee» litt, dass ihr 
Mann übermässig schnupfte. Es gebt aber aus der Kranken¬ 
geschichte — trotz deren Dürftigkeit — hervor, dass Pat. 
auch der Ansicht ist, der Mann thut es nur um sie zu ärgern; 
sie deutet jedes unwillkürliche Räuspern des Mannes in diesem 
Sinne; da sie den Schnupftabak nicht finden kann, so nimmt 
sie das Vorhandensein einer besonders präparirten und zum 
Verstecken geeigneten Sorte an u. s. w. kurz, es handelt sich 
keineswegs um eine «fixe Idee», sondern um ein Irresein von 
ausgesprochen paranoiischer Färbung. 

W. jedoch sieht in allen übrigen Erscheinungen nur das 
«logische Delirium», «einen Beweis mehr für die Intactheit 
des übrigen geistigen Geschehens und den circumscripten 
Charakter der zu Grunde liegenden Functionsstörung». Der 
Verf. kann die gleiche Intactheit bei dem Paralytiker wieder¬ 
finden, der ausgehend von der Idee, er harne nur Champagner, 
consequenter Weise mit Behagen seinen Urin trinkt! — Es 
würde uns zu weit führen, aie zahlreichen Unrichtigkeiten 
der kurzen Abhandlung zurechtznstellen. Wir wollen hier 
auch nicht dem Verf. auf das unbegrenzte Gebiet der Specu- 
lation folgen, auf dem er, ausgehend von der Definition der 
Geisteskrankheiten als dem «Gebiet der transcorticalen Apha- 
sien» für die «fixen Ideen, welche eine bestimmte Form der 
partiellen Verrücktheit» ausmachen, zur «dringenden Empfeh¬ 
lung» der Bezeichnung «circumscripter Autopsychose», «par¬ 
tieller intrapsychischer Parafunction» gelangt. (Berl. Klin. 
Wochenschr. 1892 Nr. 23). Denn zur Klarlegung der betr. 
Krankheitsbilder ist diese Nomenclatur wenig geeignet, eher 
schon überkommt dabei den Leser — um mit Wernicke zu 
sprechen — eine «autopsychische Rathlosigkeit». — — Es 
sollte hier nur Verwahrung eingelegt werden ge^en die un¬ 
begründete Lehre von dem «circumscripten, partiellen Irre¬ 
sein», die das Gebiet der längst aufgegebenen Monomanieen 
wiederum hart streift und die Anschauung des praktischen 
Arztes in verhängnissvoller Weise zu beeinflussen geeignet 
ist. — Wir sehen W., für den die Begriffe «Nervenzellen und 
Nervenfasern» einerseits und «Vorstellungen und Associations¬ 
leistungen» andererseits schon identisch zu sein scheinen, beinahe 


auf die Windung in der Hirnrinde hi nweisen, in der bei allge¬ 
meiner Geistesgesundheit die betr. «fixe Idee» als circumscripte 
Störung ihren Sitz hat! 

Können wir also nach dem Gesagten durchaus nicht mit W. 
in Bezug auf seine Auffassung der geschilderten Krankheits¬ 
bilder tibereinstiramen, so müssen wir ihm jedoch unbestritten 
Recht geben, wenn er sagt: «Es scheint ja leider das unver¬ 
meidliche Geschick jedes bahnbrechenden Forschers zu sein, 
dass er neben dem wirklichen Fortschritt, den er bringt, 
doch auch einen neuen Aberglauben stiftet.» 

M. Schönfeldt (Rothenberg — Riga.) 

Prof. Franz Riegel: Ueber chronische continuirliche 
Magensaftsecretion. (Deutsche medic. Wochenschrift 
Nr. 21. J 892.) 

Die chronische continuirliche Magensaftsecretion oder, wie 
man sie auch benannt hat, die chronische Hvpersecretion ist 
nach Verf. durchaus keine seltene Magenkrankheit. Ihr Wesen 
besteht bekanntlich darin, dass der Magen im Gegensätze zur 
Norm nicht blos auf den Reiz der Ingesta, sondern continuir- 
lich auch ohne jede Reizung der Magenschleimhaut Magen¬ 
saft absondert. Infolge dessen ist nach beendeter Austreibung 
der Ingesta der Magen nicht wie in der Norm leer, sondern 
er enthält stets, auch im nüchteren Zustande, Magensaft. 
Symptome: Aussehen kachektisch, stark abgemagert. Bei 
sein- langer Dauer der Affection machen die Kranken zu¬ 
weilen den Eindruck von Carcinomkranken. Puls meist ver¬ 
langsamt. Die Haut neigt zur Trockenheit. Gewöhnlich ist 
das ganze Epigastrium druckempfindlich; eine nur ganz um¬ 
schriebene Druckempfindlichkeit weist auf eine Complication 
mit einem Ulcus hin. Der Magen ist stets erweitert. Fast 
ausnahmslos kann man in abnorm grosser Ausdehnung beim 
leisen Anschlägen ein sehr lautes Succussionsgeräusch erzeugen. 
Häufig peristaltische Unruhe des Magens zu constatiren. Er¬ 
brechen tritt bei richtiger Behandlung nur ausnahmsweise 
auf, spielt aber in der Vorgeschichte der Kranken häufig eine 
grosse Rolle. Das Erbrochene besteht theils aus sauren 
Speisemassen (meist am Tage) oder mehr aus wässeriger, 
trüber, gallehaltiger Flüssigkeit (meist Nachts). Die Diagnose 
ist nicht allzu schwer. Man hebert zunächst 5—6 Stunden 
nach der Probemahlzeit aus. Die reichliche, oft über 1 Liter 
betragende Menge Mageninhalts theilt sich im Standgefässe 
in 3 deutliche Schichten: a) schaumige Schicht, b) die Haupt¬ 
masse — eine trübe, meist gelbliche Flüssigkeit, c) feine 
Amylaceenreste. Fleischfasern sind gewöhnlich nicht zu 
finden. Diese Dreitheilung hält Verf. für charakteristisch. 
Eine zweite Ausheberung findet Abends spät ge^en 10 Uhr 
statt, wobei der Magen so gründlich irewaschen wird, bis das 
Spülwasser ganz klar, nicht sauer abläuft. Die Entwickelung 
des Leidens ist eine ganz allmähliche. Die Kranken klagen 
über saures Aufstossen, Sodbrennen, Schmerzen (letztere nicht 
selten bei der Verdauung); sehr charakteristisch sind nächt¬ 
liche Schmerzen. Der Appetit ist meist gut; oft besteht 
Heisshunger; letzterer meist Nachts mit heftigen Schmerzen; 
gewöhnlich Obstipation. Therapeutisch kommen in Betracht 
zunächst die Diät, die vorwiegend Eiweiss und Leimstoffe 
enthalten soll. Amylaceen sind möglichst zu vermeiden, am 
besten noch unmittelbar nach den Ausspülungen zu verab¬ 
reichen. Die Magenansspülungen bilden den zweiten wichtigen 
Factor in der Therapie und sind Früh und Abends vorzu¬ 
nehmen. Das 3. therapeutische Moment bildet die Darreichung 
von Alkalien (Karlsbad), die bei continuirlicher Magensaft¬ 
secretion vor der Mahlzeit zu verabreichen • sind, während 
bei Hyperacidität |zur |Zeit des Säuremaximums. Auch gäh- 
rungßwidrige Mittel können in Betracht kommen. Nach 
Kuhn vermag die Salicylsäure schon in kleinen Mengen die 
Gasbildung zu unterdrücken: in gleicher Weise wirkt das 
Saccharin. Die nächtlichen Schmerzanfälle werden oft durch 
hartgesottenes Eiweiss besser beseitigt, als durch Morphium. 

Abelmann. 


Dr. Carl Fixsen f. 


— Völlig unerwartet traf ans Borshom im Kaukasus die 
Nachricht ein, dass Dr. C. Fixsen, welcher dort einige Wo¬ 
chen zur Erholung verbringen wollte, am 14. August gestorbeu 
ist; ein schmerzlicher Verlust, namentlich für jene Gruppe 
befreundeter deutscher Collegen, welche nm’s Jahr 1860 herum, 
von der Dorpater Hochschule kommend, sich in St. Petersburg 
niederliessen. 

Carl Fixsen, geboren am 23. Juni 1832, war der Sohn 
eines aus Hamburg stammenden, seinerzeit sehr bekannten 
Gross-Kaufmanns in St. Petersburg. Seine Schulbildung ver¬ 
dankt er der Petrischule, nach deren Absolvirung wurde er 
im Sommer 1850 Student in Dorpat, anfangs Zoologe, später 


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329 


Mediciner und hielt sich zur Corporation Curonia. Im Jahre 
1856 errang er den Doctor-Titel und ging darnach zur ferneren 
Ausbildung iit’s Ausland. An verschiedenen Hochschulen 
machte er vorwiegend klinische Studien und arbeitete auch 
unter B. Vircliow’s Leitung iin pathol. Cabinet zu Berlin. 
Neben medicinischen Studien betrieb er mit Vorliebe Entomo¬ 
logie, eine wissenschaftliche Specialität, auf welche er seit 
früher Jugend viel Arbeit verwandt hat und in welcher er 
Bedeutendes geleistet; seine entomologische Sammlung wird 
von Fachleuten sehr hoch geschätzt. 

Nach Petersburg im Jahre 1859 zurückgekehrt, fand er 
zunächst als Entomologe bei der Akademie der Wissen¬ 
schaften Verwendung, trat dann als Supernumerar am Obu- 
chow-Hospital in den Staatsdienst. Damit begann seine ärzt¬ 
liche Lauhjahn, welcher er 33 Jahre bis zuletzt treu geblieben. 
Vom Obuchow-Hospital ginr er 1868. einem Rufe des dama¬ 
ligen Oberarztes Köttner folgend, zum Gefängniss-Hospital 
über, welches er nach K.’s Abgang bald auch verliess; später 
hat er wiederholt die zeitweiligen internen Abteilungen ge¬ 
leitet, welche beim Hospital Nikolai des Wundertäters einige 
Jahre hindurch bestanden. Ausserdem zählte er nominell im 
Dienst beim Apanagen-Departement. Der Schwerpunkt seiner 
ärztlichen Thätigkeit lag in der Privatpraxis, welche in den 
letzten 10 Jahren nach seinem Ausscheiden aus dem Hospital- 
Dienst seine ausschliessliche Arbeitsform war. Er hatte eine 
grosse hausärztliche Clientei, vorwiegend in deutschen Kauf- 
raanDskreisen und war überall ein sehr beliebter Arzt, weil 
zugleich der treue Freund seiner Patienten. Am Krankenbett 
war er ein genauer, aufmerksamer Beobachter, ruhig und 
bestimmt in seinen Anordnungen, welche stets auf reiflicher 
Ueberlegung beruhten: seine ganze Persönlichkeit war eine 
solche, dass man ihm Vertrauen schenken musste. C. Fixsen 
hat kein eignes häusliches Glück gekannt, - er ist unver- 
heirathet geblieben, — um so fester waren die Freundschafts¬ 
bande, welche ihn mit einigen verwandten und nahestehenden 
Familien, sowie einzelnen Freunden verbanden. Unter seinen 
Collegen war er hoch geachtet wegen seines ruhigen Urtheils 
seiner Ehrenhaftigkeit und Treue. Ein reger Kunstsinn, 
besonders für Musik, führte ihn auch vielfach mit Künstlern 
zusammen, manchen Abend hat Frau Musika dem alternden 
Junggesellen verschönt und ihn auf diese Weise für mangelnde 
häusliche Freuden entschädigt. 

Nun er dahingegangen, werden wir eine schmerzliche 
Lücke noch lange empfinden. Ein dankbares und liebevolles 
Andenken wird ihm in den Herzen aller seiner Freunde 
bewahrt bleiben. M. 


Dr. Emil Lehmann t- 


Schlag auf Schlag’folgen die Todesfälle in unserem ärzt 
liehen Kreise. Die Kränze auf Obermüllers Grabe sind noch 
nicht verwelkt, das Telegramm, welches uns die Nachricht 
vom Hinscheiden Fixsen’s brachte, ist noch nicht zu Aller 
Kenntniss gekommen, und schon geht von Mund zu Munde 
die Trauerbotschaft: auch Lehmann ist nicht mehr unter 
uns. Monatelang während des vorigen Winters fürchtete der 
grosse Kreis seiner Freunde die Nachricht zu hören; denn 
eine schwere mit mancherlei Complicationen verlaufende Pneu¬ 
monie fesselte ihn lange ans Krankenlager. Als er aber Alles 
glücklich überstanden hatte, und sich durch einen langen 
Aufenthalt im südlichen Europa erholt und gekräftigt hatte, 
da hofften Alle, dass er nun für lange seinem an Arbeit und 
an Freuden reichen Leben wiedergegeben sei. Es sollte 
anders sein: In der Frühe des 17. August erlag er einer 
acuten Endokarditis. 

Geboren 1831 zu Fellin, genoss Emil Lehmann den ersten 
Unterricht in seiner Vaterstadt und besuchte später die An- 
slalt von Birkenruh. An der Universität Dorpat studirte er 
erst Zoologie (1850) dann Medicin (1851 -1856) und wurde 1856 
zum Dr. med. promonirt. In den daranffolgenden Jahren 
(1857—58) setzte er seine Studien im Auslande, besonders in 
Berlin und Wien fort. Im Jahre 1859 liess er sich in St. Pe¬ 
tersburg als praktischer Arzt nieder und wurde er Ordinator 
am Marien-Magdalenenhospital, welche Stellung er bis 1882 
inne hatte. 

Offenheit und Gutherzigkeit, unerschrockener Mnth und 
gesellige Liebenswürdigkeit, gewürzt von Geist und Humor, 
waren die Charakterzüge, welche Lehmann schon als Stu¬ 
denten, als Glied der Landsmannschaft Livonia auszeichneten. 
Er hat sich diese Eigenschaften bis an sein Ende unbeschränkt 
erhalten. Dazu trat aie Pflichttreue im Beruf, die ihn immer 
so handeln liess, dass seine Berufspflichten den ersten An¬ 
spruch an seine Zeit und Kraft hatten. Diesen genügte er mit 
einlicher Gewissenhaftigkeit, mit bewundernswerther Aus- 
auer und Geduld, gleichviel ob es Reiche oder Arme, Vor¬ 
nehme oder Geringe waren, die seine Hilfe suchten. Ja, er 
gab den Armen und Geringen den Vorzug, einmal aus inne¬ 


wohnender Noblesse, dann aber auch, weil ihm ein Hauch 
frischer Burschikosität geblieben war, der ihn keine Anmaassung 
dulden liess, in welcher Form sie ihm auch entgegen treten 
mochte. Besonders gut hatten es die Kranken und das Pflege¬ 
personal der Abtheilung des Marien-Magdalenenhospitals, in 
welcher Lehmann mehr als 20 Jahre wirkte. Dabei bewiesen 
die ausserordentlich genau und gewissenhaft geführten Kran- 
kemouvnale, dass nicht nur freundliche Humanität sondern 
auch wissenschaftliches Interesse ihn mit solcher Hingabe am 
Hospital arbeiten liess. Und wer Gelegenheit gehabt hat, 
Lehmann in seiner Thätigkeit als Hausarzt zu sehen, der 
weiss, dass er zahlreichen Familien Jahre und Jahrzehnte lang 
ein treuer, unermüdlicher Helfer und Berather gewesen. 

Lehmann war reich an sonnigem Lebensglück. Mit Sorgen 
um die Existenz hat er nie zu kämpfen gehabt. Anerken¬ 
nung in jeder Form fand seine Berursthätigkeit in reichem 
Maasse. Ein glückliches, wenn auch vod manchem herben 
Verlust berührtes Familienleben war ihm geschenkt. Iro Kreise 
seiner Familie und seiner zahlreichen Freunde durfte er vor 
anderthalb Jahren das Fest der Silberhochzeit begehen. Seine 
Liebe und sein Verständniss für die schönen Künste, besonders 
die Musik, und für die Blumenzucht Hessen immer nur die 
Tage und Jahre zu kurz für ihn sein - und zu kurz erscheint 
sein Leben für die Seinen, für die Freunde und Collegen 
und für den weiten Kreis seiner dankbaren Patienten. 

Friede seiner Asche! 


Vermischtes, 

— Am 21. Angnst hat Professor Dr. Rudolf Virchow 
mit seinem Sohne, Prof. Dr. Hans Virchow, St. Petersburg 
verlassen, um nach mehrwöchentlicher Abwesenheit nach Berlin 
znrückzukehren. Während seines neuntägigen Aufenthalts in 
St. Petersburg war der berühmte deutsche Gelehrte und Arzt 
der Gegenstand einer ununterbrochenen Reihe von Huldigun¬ 
gen und Ovationen. Schon bei der Ankunft wurde ihm seiten* 
der Spitzen der medicinischen Institutionen der Residenz und 
zahlreicher Vertreter der ärztlichen Welt ein herzlicher Empfang 
zu Theil. Reiche Ehren brachten dem gefeierten Gast auch 
die folgenden Tage. Nicht allein die Aerzte, auch viele hoch- 
gestellte Staatsmänner wetteiferten im Bestreben, dem grossen 
Gelehrten ihre Hochachtung und Verehrung auszudrücken, ihm 
beim Besuch der wissenschaftlichen Institute, Hospitäler, Se- 
henswtirdigkei en u. s. w. behülflich zu sein und ihm den Auf¬ 
enthalt soangenehm als möglich zu machen. 

Unfcrthüdlich und mit einer für seine Jahre staunenswerthen 
körperlichen und geistigen Frische hat Prof. Virchow aber 
auch die Tage seines Aufenthalts hierselbst ausgenutzt zur 
eingehenden Besichtigung vieler Hospitäler, des Instituts ttir 
Experimental-Medicin, verschiedener Knnstiustitute, des Smol- 
nastifts. mancher städtischer Einrichtungen, wie Schlachthof, 
Wasserfllter, Schulen, viele Sehenswürdigkeiten hier, in Pe¬ 
terhof, Pawlowsk und Zarskoje Sselo, ja selbst der russischen 
Badstube. Die Nachmittagsstunden waren in der Regel durch 
Festdiners, welche zu Ehren des verehrten Gastes veran¬ 
staltet wurden, eingenommen. Die Reihe derselben eröffnete 
das Diner beim Prinzen Alexander von Oldenburg auf 
seiner Villa in Peterhof, zu welchem ausser hoch gestellten Per¬ 
sönlichkeiten auch die Aerzte sämmtlicher unter dem Protec- 
torat Sr. Hoheit stehenden Institutionen geladen waren. Am 
nächsten Tage folgte die grosse Festivität, welche der Präses 
der städtischen S witätscommission Ratkow-Roshnow zu 
Ehren Virchow’s auf seiner Villa in Oranienbaum arrangirt 
hatte, in welcher nicht weniger als 150 Personen versammelt 
waren. Am Sonntag war Prof. Virchow von Prof. Zdekauer 
und einer Anzahl Aerzte zu einem Diner nach Pawlowsk ge¬ 
laden: Am Montag, den 7. August fand dann das grosse Diner 
statt, welches die St. Petersburger Aerzte zu Ehren ihres 
berühmten Collegen und Meisters veranstalteten und an 
welchem auch der Minister der Volksaufklärung Graf Delja- 
now theil nahm. 

Dienstag, den 18. Angust. um 6 Uhr Nachm, stattete Prof. 
R. Virchow in Begleitung seines Sohnes Prof. Hans 
Virchow, dem hiesigen deutschen Alexanderhospital einen 
Besuch ab. Vom Director Dr. Moritz geleitet, besichtigte 
der berühmte Gast die stationäre Abtheilnng des Hospitals, 
verweilte längere Zeit im pathologischen Cabinet im Gespräch 
mit dem Prosector des Hospitals Dr. Westphalen nnd 
nahm sodann mit einigen Mitgliedern des Directoriiras und 
den Aerzten des Hospitals in einem zurZeit freien Ranne des 
Hospitals das Diner ein, welches in animirter Stimmung ver¬ 
lief und sich bis gegen Mitternacht hinzog. 

Auf die zahlreichen bei den verschiedenen Gelegenheiten 
gehaltenen, zum Theil recht interessanten Reden können wir 
wegen Raummangels nicht näher eingehen, wollen aber hier 
doch die von Prof. Virchow in einer seiner Reden abge¬ 
gebene Erklärung hervorheben, dass der Zweck seiner dies- 
maUgen Fahrt nach Russland darin bestapdep Ipa^e, dev 


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330 


rassischen Aerzten für die 1 eichen Ehren zu danken, die sie 
ihm ira vorigen Jahre anlässlich seines Jubiläums erwiesen 
hätten; viele Länder hätten ihn damals geehrt, keines aber 
herzlicher als Russland! 

Wie der Empfang, so war auch der Abschied von dem ver¬ 
ehrten Gaste ein dnrchans würdiger nnd glänzender; ein zahl¬ 
reiches Contingent von hochgestellten Personen und Aerzten 
hatte sich auf dem Bahnhof eingefunden, um ihm das Geleit 
zu geben. Bf. 

— Am 5. AugiiBt beging der hiesige Arzt, wirkl. Staatsrath 

Dr. G. F. Wutschichowski, auf seinem Gute in Finnland 
das ötyjährige Jubiläum seiner ärztlichen Thätigkeit. Der 
Jubilar war nach Absolvirung des Cursus in der medico- 
chirnrgischen Akademie anfangs Arzt am Findelhause und am 
Peter-Paul-Hospital in St. Petersburg, worauf er längere Zeit 
im Marien-Ressort diente. Viele Jahre hindurch war er auch 
älterer Arzt des Isidor’schen Armenhauses und ist gegen¬ 
wärtig Curator des Marien-Instituts für blinde Mädchen hier- 
selbst. (Syn Otetschestwa. — Wr.). 

— Verstorben: 1) Am 7. August in St. Petersburg der 
hiesige Arzt. Collegienrath Hermann Malis, im 74. Lebens¬ 
jahre. Der Hingeschiedene stammte aus Wolhynien und hatte 
seine medicinische Ansbildung in Dorpat erhalten, wo er von 
1847—51 studirte. Nach Erlangung des Arztgrades war er 
anfangs Kreisarzt in Ostrog (Wolhynien), später Kreisarzt 
des Petersburger Kreises. Im Jahre 1885 nahm er seinen Ab¬ 
schied und lebte seit dieser Zeit als praktischer Arzt in St. 
Petersburg. 2) Ara 14. Juli auf der Sanitätsstation in Samar¬ 
kand der Oberarzt des 11. Turkestanschen Linienbataillons. 
Nikander Draitrowski, an der Cholera. 3) In Eriwan der 
Militärarzt Nowikow, welcher von der Militär-Obrigkeit 
dorthin zur Bekämpfung der Cholera abcommandirt worden 
war, an der Cholera. 4) In Tscherkassy am 25. Juli der 
Oberarzt der Fastowschen Eisenbahn Sigismund Kirsch- 
niann ira 47, Lebensjahre an Phthisis. Der Verstorbene er¬ 
freute sich sowohl als Eisenbahnarzt, als auch als praktischer 
Arzt im Flecken Sny'ela grosser Beliebtheit. Er hat seine 
Frau mit 4 Kindern mit wenig Mitteln hinterlassen. 5) Der 
jüngere Ordinator des Militärhospitals in Taschkent, Joh. 
Donskow, im 33. Lebensjahre. 6) In Wien der frühere 
Professor der Wiener Universität. Dr. Ludwig Bandl, im 
noch nicht vollendeten 50. Lebensjahre nach langjähriger 
Geisteskrankheit. Seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem 
Gebiet der Gynäkologie sichern ihm einen ehrenvollen Platz 
in der Geschichte dieser Disciplin. 

— Prof. Dr. v. An rep hat, da die Cholera in -Nishni- 
Nowgorod dem Erlöschen nahe ist, diese Stadt bereits ver¬ 
lassen nnd ist ihm bei dieser Gelegenheit vom Gouverneur, 
der Einwohnerschaft und der zur Messe versammelten russi¬ 
schen Kaufmannschaft der wärmste Dank für die energische 
nnd weise Leitung im Kampfe gegen die Epidemie ausge¬ 
sprochen worden. 

— Am 16. August ist ein temporäres Cholerahospital, 
welches aus 20 Zimmern besteht, bei der Station Udelnaja auf 
Kosten der St. Petersburger Kreislandschaft eröffnet worden. 
Ein ebensolches Hospital wird in Nowaja Derewnja einge¬ 
richtet. 

— Der XXIII. deutsche Anthropologencongress in 
Ulm hat zum ersten Vorsitzenden für die nächstjährige Ver¬ 
sammlung, welche in Hannover stattfinden wird, Prof. Rud. 
Virchow, zum zweiten Prof. Waldeyer (Berlin) und zum 
dritten Vorstände Prof. Schaafhausen (Bonn» gewählt. 

— Der nächste internationale Congress für Anthro¬ 
pologie und prähistorische Archäologie soll in Kon¬ 
stantinopel oder, falls Hindernisse eintreten sollten, in Athen 
stattfinden. 

— Zur Theilnahme an dem am 14. September n. St. in 
Brüssel beginnenden internationalen Congress für 
Frauenkrankheiten und Geburtshilfe sind bereits 750 
Ae'rzte aus Europa und Amerika angemeldet. Für den vom 
5.—10. September n. St. in Wien tagenden II. interna¬ 
tionalen dermatologischen Congress haben sich bereits 
über 200 Mitglieder gemeldet. 

— In New-York erscheint ein neues med. Journal, 
welches ausschliesslich der Therapie gewidmet ist, unter dem 
Titel «The American TherapeutiBt». Redacteur des¬ 
selben ist Dr. Aulde. 

— In Brescia (Lombardei) ist der Director der dortigen 

Irrenanstalt geisteskrank geworden. Die Ordinatoren wurden 
die Erkrankung des Directors erst gewahr, als er bei seinem 
Rundgang am Morgen im Hospital plötzlich eine Scheere ver¬ 
langte, «um den Kranken den Schädel zu öffen behufs 
Untersuchung des Gehirns». (Züricher Post — Wr.). 

— Die Kreislandschaft von Sserdobsk (Gouv. Ssara- 
tow) hat das Leben ihrer 5 Aerzte mit 50,000 Rbl. nnd 
6 Feldschern mit 60,000 Rbl. versichert, um die Familien 
derselben im Falle des Todes ihrer Versorger sicherzustellen. 


Ein nachahmungswürdiges Beispiel für andere Landschaften 
und städtische Communen! 

— Prof. Rosenbach (Breslau) empfiehlt in der <BerL klin. 

Wochenschrift» Nr. 34 die Anwendung der Kohlensäure 
bei der Behandlung der Cholera. Auf die von Dr. 
E. Fränkel gefundene Thatsache, dass die Kohlensäure ent¬ 
wicklungshemmend auf Culturen der Cholerabacillen wirkt, 
welche sich, ebenso wie andere Saprophyten, in einer Kohlen 
säure gar nicht zu entwickeln scheinen, sich stützend, 
macht R. den Vorschlag, die Kohlensäure in Gasform 
direct in den Verdauungstractus zu bringen. Die An¬ 
wendung von kohlensauren Alkalien vermeidet er, weil durch 
dieselben die Säure des Magensaftes neutralisirt wird, während 
durch Einführung von künstlicher flüssiger Kohlen¬ 
säure eine direote Resorption ohne Störung der Verdauungs¬ 
function stattfiudet und die Verwendung der flüssigen Kohlen¬ 
säure zu Darminjectionen (nach Dr. Oliven’s Versuchen ge¬ 
legentlich der Behandlung der Phthisis) ungefährlich ist. 
Rosenbach empfiehlt daher bei der Cholera Injec tionen von 
flüssiger Kohlensäure in den Magen mittelst einer Schlund - 
sonde und in den Darm vom Rectum aus. Um den etwaigen 
Widerstand des Pylorus und der Bauhin’schen Klappe zu 
überwinden, benutzt R. die Darreichung von Opium nnd hofft 
dadurch auch das Eindringen der Kohlensäure in den Dünn¬ 
darm erreichen zu können. Bf. 

— Seit dem 12./24. August ist in Hamburg die asiatische 
Cholera amtlich festpestellt worden, obschon mehrere Tage 
früher zahlreiche choleraartige Erkrankungen, darunter einige 
mit Exitus letalis gemeldet wurden. Nach den Mittheilnngen 
des aus Hamburg zurfickgekehrten Professors Rob. Koch 
herrscht die asiatische Cholera in Hamburg und Altona in 
i-inem bedrohlichen Umfange. Am 16./'28. August kamen 445 
Erkrankungen und 162 Todesfälle an der Cholera vor. Anch 
aus Lübeck, Magdeburg, Meklenburg - Schwerin, 
Sachsen-Altenburg werden vereinzelte Cholerafälle ge¬ 
meldet. In Belgien ist die Cholera bereits in: Brüssel, 
Antwerpen. Jumet und Charleroi; in Frankreich: in 
Havre und Rouen aufgetreten. 

Die Choleraepidemie in Russland ist im Ganzen in 
den bisherigen Grenzen geblieben, nur hat sie ihre bisherige 
westliche Grenze, das Gouvernement Poltawa, überschritten, 
indem sie plötzlich, mit Ueberspringung der dazwischenlie¬ 
genden Gouvernements Kiew una Wolhynien, am 7. August 
im Gouv. Lublin aufgetreten ist. Bis jetzt sind über 50 Gou¬ 
vernements und selbstständige Gebiete von der Cholera inficirt. 
Die meisten Opfer fordert die Seuche gegenwärtig noch in 
den Gouvernements an der untern Wolga, ira Tambow’schen 
Gouvernement und im Kaukasus. In St. Petersburg ist die 
Zahl der Erkrankungen noch immer in Zunahme begriffen, 
wozu namentlich die Feiertage mit der an solchen Tagen 
üblichen Unmässigkeit im Essen und Trinken das Ihre beige¬ 
tragen haben. So wurde am 17. August, also einen Tag nach 
dem Apfelfest, die bis jetzt höchste Zahl der Erkrankungen 
(156) und am 18. August die gröste Zahl der Todesfälle (51) 
constatirt. Bis jetzt sind fast ausschliesslich die niedern Volks¬ 
klassen von der Seuche ergriffen worden. Nach den officiellen 
Bulletins beträgt die Gesammtzalil der Erkrankungen in 
St. Petersburg vom 20. Juli bis zum 19. August Mittags 1812. 
Von diesen sind 742 genesen und 506 verstorben. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 16. August d. J. 5687 
(114 mehr als in der Vorwoche), darunter 256 Typhus — (4 mehr), 
558 Syphilis — (3 weniger), 20 Scharlach — (5 mehr), 10 Diph¬ 
therie— (1 mehr), 15 Masern-- (2 mehr), 2 Pocken — (2 we¬ 
niger) und 448 Cholerakranke (157 mehr als in der Vorwoche). 


Vacanzen. 

1) Im Kreise Mokschan (Gouv. Pensa) ist der Posten eines 
Landschaftsarztes erledigt. Wohnsitz im Handelsdorf Lunino, 
wo ein Hospital mit 20 Betten ist. Gehalt 1600 Rbl. jährlich 
nebst freier Wohnung mit Beheizung. Adresse: «MoKmaHcitaa 
3eMCKHH ynpaßa». 

2) Es wird ein Landschaftsarzt für den Kreis Bugu- 
ruslan (Gouv. Ssamara) gesucht. Gehalt 1200 Rbl. jährlich. 
Bewerber haben sich unter Beifügung der Documente zu 
wenden an die «EyrypycjiaHCKaa 3eMCKaa Ynpaßa». 

Es werden ferner zur zeitweiligen Hilfeleistung 
während der Choleraepidemie gesucht von folgenden 
Landschaften: a)Jaroslaw — Aerzte (200—400 Rbl. Gehalt 
monatl.), Studenten der beiden letzten Curse (100 Rbl. monatl.), 
Feldscher und Feldscherinnen (25—50 Rbl. monatl.) — 
b) Krapiwna (Gouv. Tula) — Aerzte (250 Rbl. monatl. und 
50 Rbl. zu Fahrten), Feldscher (50 Rbl. monatl. und Fahr¬ 
gelder). Adresse: «JlaaapeBCKoe nouTOBoe OTA'haeme, Tyju>cicofl 
ry6., r. npeackaaTejoo YnpaBM A. H. noinncoBy». c) Starodub 
(Gouv. Tschernikow) — Aerzte (200 Rbl. monatl.), Studenten 


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331 


<&8 41 und 5. Curaus (150 Rbl.), Feldscher (75 Rbl.). Im Falle 
des Todes an der Cholera wird der Familie des Arztes eine 
Pension von 500 Rbl., der des Feldschers von 100 Rbl. ge¬ 
zahlt. d) Poscliehonje (Gouv. Jaroslaw) — 1 Arzt und 1 
Feldscher (Gehalt nach Vereinbarung). 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 9. August bis 15. August 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


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Im Ganzen: 


M. W. Sa. 


472 324 796 151 51 79 11 12 28 100 145 70 48 52 37 11 1 
2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 8, Febris recurrens 1, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 2. Masern 7, Scharlach 2, 
Diphtherie 1, Croup 1, Keuchhusten 9, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 9, Erysipelas 3, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica288, Ruhr 3, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 


matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyämie und Septicaemie 1, 
Tuberculose der Lungen 72, Tuberculose anderer Organe 4L 
Alkoholismus und Delirium tremens 4, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 44, Marasmus senilis 26, Krankheiten des 
Verdauungscanals 110, Todtgeborene 26. 

Die Bibliothek des Vereins St. Petersburger 
Aerzte wird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 
Dienstag und Freitag von 4—6 Uhr und am Mittwoch im 
Laufe des ganzen Tages. 

Curort Salzbrunn, Schlesien: Heilbewährt bei Erkran¬ 
kungen der Athmungsorgane und des Magens, bei Scrophulose 
Nieren- und Blasenleiden, Gicht, Hämorrhoidalbeschwerden 
und Diabetes. 

Saxlehner’s Bitterwasser Hunyadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Pnrgativ durch folgende Vorzüge aus: Prompte und sichere 
Wirkung; milder Geschmack; geringe Dosis; auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stnhlverstopfung; Leberleiaen; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis jnit Erfolg angewendet. 

Rotirender Desinfector. Bewährtes Schutzmittel gegen 
Uebertragung von Infectionskrankheiten, vernichtet jeden 
Ansteckungsstoft und füllt jeden Raum innerhalb 15 Minuten 
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332 


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MM. Nencki et Boutmy. — Contributions k la morphologie des Organismen de la 
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Saint-Petersbourg. Par. M. Kruiouchkiue. — Kecl.erches sur la transformalion des 
milieux uutritifs par les bacilles de la dipht4rie et sur la compositiou chimique de ces 
microbes. Par MM. Dzierzgowski et de Rekowski. — Contribntion ä la biologie 
du bacille typhique. Par M. Blae liste in. — La tuberculine, sa prdpbration, ses ertets 
snr l’organisme des animaux utteints de la tuberculose. Par M. Bujwid. — Revue cri- 
tique des procedes employes pour le dosage de l'acide ehlorhydrique du suc gastrique. 
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Par M-me N. Sieber et AJ. Schubenko. — Sur la sderetion stomacale chez les cliiens 
ayaut subi la section sous-diaphrugitiatiqne des nerl's pneumogastriques. Par M. N. Jür¬ 
gens, — Contribution k la pathologie des cellules hepatiques. Par M. A. Lewiue. — 
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1 Die Herrn Collegen, welche am! 
J4. Livländischen Aerztetage in Wenden] 
Jtheilzunehmen beabsichtigen, ersuche] 
^ ich, sich behufs Regelung der Woh-) 
vnungsfrage baldmöglichst bei mir an-j 
jmelden zu wollen. | 

1 (im 3-1 Dr V. Gähtgens. j 


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AokB.udiA.Cb6. 25 Anrycts 1692 1 . Herausgeber: Dr.Rudolf Wanach. Buchdruckerei vou A. Wie necke, Kath&rinenhoier-Pr. M15. 



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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETEIISBlIRfiER 

HEDICIKISC1E WQGHENSCEEIFT 


unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Or. Johanges Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicini&clie Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnemtntiprtii ist in Bauland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postzustellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xnsertionipreil 
für die 3 mal gespaltene Zeile inPetit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Rioker in 
St. Petersburg, Mewsky-Prospect ü 14, zu richten. — Xanusoripte 
sowie alle aafdie Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
den geschftftsführeudeu Redactpur Dr. Budolf Wanaoh in St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect J* 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 


Xi 35 


St. Petersburg, 29. August (10. September) 


1892 


Inhalt: L. Stembo: Ein Fall von fortschreitendem Muskelschwund syringomyelitischen Ursprungs. — Referate: 
L. Brieger und A. Wassermann: Ueber künstliche Schutzimpfung von Thieren gegen Cholera asiatica. — G. Klemperer: 
Untersuchungen über künstlichen Impfschutz gegen Choleraintoxication. — Maass (Göttingen): Die Methode der Wiederbele¬ 
bung bei Herztod nach Chloroformeinathmung. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Prof. Wilh. Winternitz: Zur 
Pathologie und Hydrotherapie der Cholera. — Protokolle der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. — Vierter 
Aerztetag der Gesellschaft livländischer Aerzte. Programm. — Kleinere Mittheilnngen and therapeutische 
Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Anzeigen. 


Ein Fall von fortschreitendem Muskelschwund sy¬ 
ringomyelitischen Ursprungs. 

Vortrag mit Krankenvorstellnng, gehalten den 12. April 1892 
in der medicinischen Gesellschaft zn Wilna. 

Von 

Dr. L. Stembo. 


Sehr geehrte Collegen! Nachdem ich Ihnen eine grös¬ 
sere Reihe von Muskelatrophie-Fällen myopathischer Natur 
vorgeführt habe, denke ich, dass es von Interesse sein 
wird einen Fall von progressiver Muskelatrophie myelo- 
pathischer Herkunft nnd zwar deuteropathischer Natur 
Ihnen vorznsteilen. 

Der vor Ihnen befindliche Kranke stammt aus einer kern¬ 
gesunden Familie: weder Schwindsucht, noch Syphilis, noch 
Rheumatismus, noch irgend welche Nervenkrankheiten sind in 
seiner Familie vorgekommen. Der Kranke will früher immer 
gesund gewesen sein. Mit zwanzig Jahren verheirathete er sich, 
seine Frau hat ihm fünf gesunde Kinder geboren, von denen 
zwei ans unbekannter Ursache gestorben sind. Aborte sollen 
bei seiner Fran nicht vorgekommen sein. Vor zehn Jahren 
überstand er einen sohweren Unterleibstyphus. Vor acht Jahren 
fiel er in einen grossen mit heissem Bier gefüllten Kübel, er 
erlitt dabei nur Verbrenn nngen ersten Grades. Während seiner 
Krankheit wurden ihm nie Aetherinjectionen an den Armen 
gemacht. 

Obwohl er schon seit langer Zeit au Schwäche in beiden 
Anneu litt, so datirt der Kranke doch den Beginn seiner 
Krankheit vom September vorigen Jahres, als er zuerst 
Schmerzen in der linken Schalter verspürte, worauf auch die 
Schwäche in diesem Arme bedeutender wurde. Es dauerte nicht 
lange and der rechte Arm wurde auch nach und nach 
schwächer. 

Wenn wir jetzt unseren 40 Jahre alten Kranken näher be¬ 
trachten, so sehen wir, dass er von hoher Statur und mitt¬ 
lerem Körperbau ist, sein Schädel zeigt keine Abnormitäten. 
Gesichtsausdrnck traurig. Gesichtsmnskeln wenig beweglich, 
obwohl sichtliche Paresen nirgends zu sehen sind. 

Die Beweglichkeit der Augen ist normal, die rechte Pupille 
ist etwas enger als die linke, beide aber reagiren gut auf 
Licht and Accommod&tion. Am Aagenhintergmnde ist nichts 
auffallendes zn bemerken. 


Gesicht, Gehör, Geruch und Geschmack dem normalen Zu¬ 
stande entsprechend. 

Die Lippen schmal. Appetit und Schlaf sehr gut. 

An den oberen Extremitäten ein leichter Tremor. Herztöne 
dumpf, ihr Rhythmus unregelmässig. Geräusche sind jedoch 
nirgends wahrzunehmen. Pulsfrequenz 76. 

Lange nnd Unterleibsorgane in Ordnung. Defäcation und 
Harnabsondernng normal, der Harn enthält weder Zucker 
noch Eiweiss. Alle Sensibilitätsarten ausser dem Tastsinn sind 
an mehreren Stellen des Körpers, besonders an den oberen 
Extremitäten und am Rücken abgeschwächt, am meisten hat 
das Gefühl für Schmerz und Wärme gelitten. Feuer wird an 
den genannten Stellen als blosse Berührung empfanden. 

Haat- nnd Sehnenreflexe abgeschwächt, die Patellarreflexe 
sind auch mit Hilfe des Jendrassik’sehen Verfahrens nicht 
hervorzurufen. 

An der hinteren Fläche beider Ellenbogengelenke befinden 
sich sogenannte Hygromata Olecrani, rechts etwas grösser 
als links. 

Die Temperatur beider Oberextremitäten mässig herab¬ 
gesetzt. 

Die Muskeln auf der Streckseite beider Vorderarme sind 
deutlich atrophisch, an der Atrophie nehmen auch viele 
andere Muskelgruppen Theil, aber nicht in dem Maasse, so die 
Tricipites brachii, Mm. supra- et infraspinati, die langen Rücken- 
muskeln, in Folge wessen sich bei dem Kranken eine bogen¬ 
förmige Kyphose ansgebildet hat; von Skoliose ist bei unserem 
Kranken nichts zn sehen. 

Die kleinen Fin^erranskelu, so die des Thenar and Hypo- 
thenar wie auch die interossei, sind wenig afficirt. 

Das Muskelgefühl ist erhalten. Die elektrische Erregbarkeit 
der Mnskeln and Nerven ist quantitativ bedeutend herabgesetzt, 
aber qual'tativ nicht verändert. 

Mnskeln und Nerven sind auf Druck nicht empfindlich, anch 
ist die mechanische Erregbarkeit der Muskeln nicht erhöht, 
jedoch sind in ihnen Öfters fibrilläre Zuckungen zu bemerken. 
Der Kranke fühlt gut den Boden unter sich, kann gut mit 
eschlossenen Angen gehen und stehen, er zeigt absolut keine 
oordinationsstörnngen. 

Es sind also bei unserem Kranken folgende Symptome 
hervorzuheben: fortschreitender Muskelschwund, beson¬ 
ders der beiden oberen Extremitäten, Fehlen der Patel¬ 
larreflexe, Dissociation der Hautsensibilität nnd Hygro¬ 
mata olecrani. Wie sollen wir uns in diesem Fall zu¬ 
rechtfinden? gehören die bei unserem Kranken vorhan¬ 
denen Krankheitserscheinuugen zwei oder mehreren von 
einander unabhängigen Krankheitsforraen an, oder sind 


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334 


vielleicht manche Symptome nur die Folgen von anderen, 
oder gehören alle Symptome nur einer Krankheitsform 
an? Es wurde von einer Seite die Meinung geäussert, 
ob nicht die Atrophie an den vom N. radialis innervirten 
Muskeln vom Druck der Hygromata auf die Nn. radiales 
abhängig gemacht werden könnte. Wollen sie gefälligst 
nur einen Kick auf die drei im Hirschfeld’schen 1 ) Atlas 
sich befindenden Abbildungendes Verlaufes des N. radialis 
werfen. Sie werden sich sofort überzeugen, dass die 
Hygrome gar keinen Druck auf die genannten Nerven 
ausüben können. 

1. Haben wir es vielleicht mit einer Bleil&hmung zu 
thun? Der Kranke hat sich nie mit Blei beschäftigt, Sie 
finden an ihm absolut nichts, was an Satnrnismus erin¬ 
nern könnte: keinen Bleisaum am Zahnfleisch, keine 
Darmkolik, keine Verstopfung, kein Verschontbleiben des 
Supinator longus und Abductor pollicis u. s. w. 

2. Es kann sich in unserem Falle auch nicht um 
Druck- oder Schlaflähmung handeln, da die Schwache in 
den Muskeln allmälig zunahm; dagegen würde auch der 
Befund der elektromuskulären Erregbarkeit der Muskeln 
und Nerven sprechen. 

8. Es kann auch nicht von einer degenerativen chro¬ 
nischen Polyneuritis in unserem Falle die Rede sein; 
dagegen spricht das Fehlen der Schmerzhaftigkeit bei 
Druck auf die Nerven, das Fehlen der mechanischen 
Erregbarkeit der Muskeln, dagegen spricht auch das 
Resultat der elektrischen Exploration der eben genannten 
Gebilde. 

4. Soll das Vorhandensein des Westphal’schen Zei¬ 
chens uns zur Annahme einer Tabes verleiten? Umsomehr 
da wir wissen, dass bei der eben genannten Krankheit 
auch Muskelatrophien Vorkommen. Die Untersuchung des 
Kranken hat uns aber gezeigt, dass ausser dem Fehlen 
der Kniephaenomene wir absolut nichts haben, was für 
die Diagnose «Tabes* sprcehen könnte: kein Romberg’- 
sches Symptom, kein Treppenzeichen (signe de l’escaiier), 
keine Argyll-Robertson’sche Pupille, Patient legt 
leicht ein Bein auf das andere u. s. w. 

5. Von einer primären Myopathie kann in unserem 
Falle nicht die Rede sein, da wir Störungen der Sensi¬ 
bilität und fibrilläre Muskelzuckungen haben. Die Art 
der Verbreitung der Muskelatrophie und das Vorhanden¬ 
sein der Sensibilitäts-Dissoeiationen sprechen gegen die 
Annahme einer gewöhnlichen Muskelatrophie vom Typus 
Duchenne- Aran. 

6. Die multiple Sklerose kann durch das Fehlen des 
Intentionszitterns, des Nystagmus ausgeschlossen werden. 

7. Bei Myelitis chronica cervicalis haben wir haupt¬ 
sächlich motorische Störungen und keine Dissociation der 
Sensibilität. 

8. Von der anaesthetischen Form der Lepra wird unser 
Fall dadurch zu unterscheiden sein, dass die Sensibili¬ 
tätsstörungen viel grössere Regionen als bei Lepra ein¬ 
nehmen und regelmässig und scharf begrenzt sind. 

9. Ich muss noch der Hysterie, die zuweilen ähnliche 
Erscheinungen, wie unser Patient sie bietet, machen kann, 
erwähnen. Es ist ja bekannt, dass Charcot und Babinski 
bei manchen Hysterischen Mnskelatrophien angetroffen 
haben, und wenn wir noch hinzüftigen, dass Charcot 
bei denselben manchmal auch die Dissociation der Sensi¬ 
bilität, die dieselbe Art der Verbreitung wie bei unserem 
Kranken hat, vorfand, so wird die Nothwendigkeit des 
Beweises, dass es in unserem Falle sich nicht um Hysterie 
handelt, verständlich sein. Auch Rossolimo stellte am 
20. März d. J. in der Gesellschaft für Psychiatrie und 
Nervenheilkunde zu Moskau eine Hysterische vor. deren 
Leiden grosse Aehnlichkeit mit dem unseres Kranken 


*) Deecription et iconographie da sy stein nerveux, Paris 
1853, Planche 49. 


hatte,'Und doch von Rossolimo mit gutem Grunde als 
Hysterie angesprochen werden konnte. 

Bei der Hysterie haben wir Störungen der speciellen 
Sinne, hier, wie Sie wissen, fehlen sie, der Eintritt der 
Lähmung ist bei der Hyütetfo pJßtzRch, Bef unserem 
Kranken hielt die Schwäahe resp. Lähmung mit der 
Atrophie gleichen Schritt. 

Sie sehen also, dass das KrankieitsÄild unseres 
Patienten nicht in den Rahmen aller hier angeführten 
nosologischen Formen passt, sich aber leicht durch die 
Anwesenheit von Höhlen im Rückenmark erklären lässt, 
es handelt sieh also bei ihm um eine Syringomyelie. 

Der Name «Syringomyelie» stammt vonOllivier (1837), 
der denselben für alle ohne Ausnahme im Rückenmark 
vorkommenden Höhlen, auch für die Erweiterung des 
Canalis centralis medullae spinalis, den er für ein patho¬ 
logisches Product hielt, gebrauchte. 

Durch Untersuchungen von Stilling, Kölliker und 
Waldeyer wurde die normale Existenz des eben ge¬ 
nannten Canals sichergestellt, ja nach Virchow und 
Leyden sollten alle im Rückenmark vorkommenden 
Höhlen eben durch Erweiterung dieses Canals zu Staude 
kommen und iür diesen pathologischen Zustand wurde 
der Ausdruck «Hydromyelie» gebraucht. 

Erst 1869 zeigte Hallopeau, dass verschiedene Pro- 
cesse in der Substanz des Rückenmarks selbst, besonders 
chronische Entzündungen, auch zur Formation von Cavi- 
täten in demselben führen können. 

Weitere Forschungen besonders von Simon und 
Westphal haben bewiesen, dass noch ein dritter Modus 
der Entstehung dieser Höhlen möglich ist, nämlioh Er¬ 
weichung und Resorption gliomatöser Geschwülste des 
Rückenmarks und Simon ?cbhig deswegen vor, das 
Wort Hydromyelie für Erweiterung, des Centralcanals 
und Syringomyelie für Höhlen, die unabhängig von dem¬ 
selben entstehen, zu gebrauchen. 

Vor kaum 10—18 Jahren konnte man in den ausführ¬ 
lichsten Handbüchern der Nervenpathologie kaum einige 
Worte über die uns interessirende Krankheit finden. Ja 
sogar Erb 2 ) äusserte sich in seinem bekannten Hand¬ 
buch «dass wir zur Zeit (1876) kein Mittel besitzen, um 
während des Lebens die Diagnose einer Syringomyelie 
zu stellen». 

Liebermeister*) und Strümpell 4 ) in ihren 1886— 
1886erschlenenenHandbnchern schenken der Syringomyelie 
auch sehr wenig Aufmerksamkeit, auch Hirt *) handelt 
in seiner Pathologie und Therapie der Nervenkrankheiten 
(1890) diese Krankheit in einigen Zeilen ab. 

Doch ist es jetzt gelungen durch eine Reihe von 
interessanten und wichtigen Arbeiten von Char¬ 
cot, Schultze, Strümpell, Bäumler, Kahler, 
Pfirstner und Zacher, Remak, Oppenheim, Bern¬ 
hardt, Debove, Dejerine und, last not least, von 
russischen Forschern wie W. Roth, Rosenbach, Sso- 
kolow u. A. die Sache so weit zu fördern, dass wir 
jetzt die Syringomyelie klinisch eben so gut diagnosti- 
ciren können wie die classische Tabes, und Wenn sie 
früher von den Autoren vernachlässigt wurde, hat sie jetzt 
eine ausgezeichnete Bearbeitung durch eine Monographie 
Brühl’s"), eines Schülers Charcot’s erhalten. 

In der eben erschienenen zweiten Auflage des bekannten 
Handbuches der Krankheiten des Nervensystems von 
Gowersfindet die Syringomyelie als Krankheit sui 
generis eine ausführliche und genaue Betrachtung. 


’) Krankheiten des Rückenmarks, 1876. S. 383. 

*) Krankheiten des Nervensystems, 1885, S. 206. 

4 ) Krankheiten des Nervensystems, 1886, S. 268. 

*) Pathologie und Therapie der Nervenkrankheiten, 1890, 
S. 386. 

s ) Contribuiion ä l’ätude de la Syriügomyelie. Paris, 1890. 

T ) A manual of diseases of the nervons System. London, 
1892, pag. 562. 


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Und in der Th&t ist es jetzt sehr leioht diese Krank¬ 
heit zu erkennen: wenn bei einem Kranken progressive 
Muskelatrophie und Sensibilitätsstorungen in Form der 
von Charcot sogenannten syringom yeli tischen Disso- 
ciation, d. h. Erhaltung der Tastempfindung bei gleich¬ 
zeitiger Verminderung oder gar Aufhebung des Gefühls 
für Wärme, Kälte und Schmerz, zu constatiren sind, 
können wir sicher sein, dass wir eine Syringomyelie vor 
uns haben. Ja in vielen Fällen, kann schon die Anwe¬ 
senheit der «Dissociation syringomyelique» ohne Muskel¬ 
schwund genügen wenn Hysterie ausgeschlossen werden 
kann, um mit einer an Gewissheit grenzenden Wahr¬ 
scheinlichkeit die in Frage stehende Krankheit zu dia- 
gnosticiren; «of the two, the sensory loss is the earlier 
and more constant», sagt ganz richtig Gowers 1. c. 
S. 574. 

Zu den zwei oben angeführten Cardinalsymptomen 
kann sich mit der Zeit eine grosse Zahl anderweitiger 
Störungen besonders trophischer Natur hinzugesellen, ln 
Folge derer sich Haut-, Knochen-, Gelenk-, Schleimbeutel¬ 
erkrankungen, Rückgratsverkrümmungen (Skoliose) u. m. a. 
einsteüen. 

Die Art der Verbreitung des Muskelschwundes ist nichts 
weniger als constant und darum ist die Behauptung der 
Franzosen, dass bei Syringomyelie der Muskelschwund 
immer in Form des Typus Duchenne-Ar an auftritt, 
lange nicht für alle Fälle zutreffend. 

Es ist eine längst bekannte Thatsache, dass bei Rncken- 
markskrankheiten die Symptomatologie viel mehr von dem 
Sitz der Erkrankung als von der Natur derselben ab- 
hftngt, ja es können Fälle Vorkommen (Bernhardt) bei 
denen gar keine Muskelatrophie vorhanden ist, eben wo 
die Vorderhömer vom syringomyelitischem Processe ver¬ 
schont bleiben. 

Dass viele von Duchenne als progressive Muskel- 
atrophie beschriebene Fälle grosse Aehulichkeit mit Sy¬ 
ringomyelie haben, erklärt sich einfach dadurch, dass er 
eben Syringomyeliefälle vor sich hatte. 

Wenn auch das Centrnm ciliospinale von dem Process 
ergriffen wird, haben wir oculo-pupilläre Erscheinungen: 
Ungleichheit der Pupillen und Retraction der Bulbi, das 
letzte wahrscheinlich in Folge einer Lähmung der glatten 
Mtiller’schen Orbitalmnskeln. Als Folge der Lähmung 
derjenigen Sympathicusfasern, die zu den recti externi 
gehen, ist Strabismus convergens zu verzeichnen. 

Die Krankheit, nachdem man sie zu erkennen gelernt 
hat, ist gar nicht 60 selten, sie befällt Männer häufiger 
als Frauen. 

Die Aetiologie ist noch ganz in Dunkel gehüllt, schwere 
Handarbeit soll dazu disponiren und als Causa proxima 
werden Trauma nnd Infectionskrankheiten beschuldigt. 
Die Prognose ist immer eine schlechte, da wir kein 
Mittel, der Krankheit Halt zu gebieten, besitzen. 

Die Zahl der bei diesem Leiden angewandten Mittel 
ist gross, aber alle bleiben leider erfolglos. 


Referate, 

L. Brieger und A. Wassermann: Ueber künstliche 
Schutzimpfung von Thieren gegen Cholera asiatica. 
(Deutsche medic. Woebensohr. Nr. 31. 1809). 

G. Klemperer: Untersuchungen über künstlichen Impf¬ 
schutz gegen Choleraintoxication. (Berliner klinische 
Wochen sehr. Nr. 32). 

Brieger und Kitasato berichteten vor einiger Zeit über 
ein Verfahren, welches gestattet Mee. schweinchen gegen eine 
nachfolgende Injection mit vollvirulenten Choleranacillen 
widerstandsfähig zn machen. Diese Methode beruht auf der 
Züchtung von Uholerabacillen in wässrigen Auszügen zellen¬ 
reicher Organe, insbesondere der Thymusdrüse von Kälbern. 
24 Stunden lang liessen die Autoren die Bacillen auf dem 
Thymnsnährboaen wachsen, alsdann erwärmten sie die Cnlturen 
auf 65' 15 Minuten lang, brachten darauf die Cultnreu auf 24 


Stunden in einen Eisschrank, und mit der so präparirten 
Cultur worden die Thiere einer Vorbehandlung unterworfen, 
ln der Regel wurden den Thieren innerhalb 4 aufeinander 
folgenden Tagen 4 Ccm. der Flüssigkeit intraperitoneal injicirt. 
Nach der ersten Injection wurden die Meerschweinchen von 
mehr oder minder schwerem Unwohlsein befallen, welches aber 
bald verschwand. Derart vorbehandelte Thiere erwiesen sich 
sofort nach der letzten Injection widerstandsfähig gegenüber 
den Choleravibrionen, nnd zwar ertrugen dieselben von der 
für nicht vorbehandelte Thiere innerhalb 12 Standen tödtlich 
wirkenden Dosis das dreifache. Da diese Methode gewisse 
Schwierigkeiten wegen der nothwendigen Verarbeitung der 
Thymus bietet, suchten Brieger nnd Wassermann dieselben 
günstigen Resultate auf eine einfachere Weise zu erzielen. Am 
zweckentsprechendsten erwies es sich Choleravibrionen in der 
gebräuchlichen Fleischwasserpeptonbonillon zn züchten und 
diese Cnlturen dann am folgenden Tage fünfzehn Minnten 
lang auf 65° C. zu erwärmen. Mit dieser Flüssigkeit wurden 
dann die Thiere in analoger Weise behandelt. Sämmtliche 
derart vorbehandelte Meerschweinchen haben die doppelt 
tödtliche Dosis vollvirulenter Choleraculturen ertragen, wäh¬ 
rend die Controlthiere ausnahmslos an Cholera zu Grunde 
gingen. 

Klemperer hat ebenfalls Schutzimpfüngsversuche mit 
erhitzten Choleraculturen angestellt: es kam ihm auch darauf 
an zu prüfen, ob der Einfluss der Thymuseztracte unbedingt 
nothwendig sei, nnd ob man nicht durch die Erwärmung der 
Culturen allein dieselben Resultate erzielen könne. Die Vorbe¬ 
handlung geschah mit Cnlturen, welche 2 Stunden lang auf 
70° erwärmt waren, theils wurden snbentane, theils intrave¬ 
nöse Injectionen ausgeführt. Nach der intravenösen Injection 
von 1,5 der Cultur erkrankten Kaninchen alsbald in inten¬ 
siver Weise; es traten starke Durchfälle ein, die Temperatur 
sank ausserordentlich tief. Offenbar sind Kaninchen gegen 
das Choleragift äusserst empfindlich. Von der 2 Stunden auf 
70° erwärmten Cultur. von welcher ein 400 G. schweres Meer¬ 
schweinchen 3 Ccm. ohne wesentliche Erkrankung verträgt, 
genügen bei intravenöser Einbringung 8 Ccm. um ein 20.0 G. 
schweres Kaninchen in 24 Stunden zn tödten. Nimmt man eine 
geringere Dosis, bo vertragen die Kaninchen die Injection nnd 
nach Ueberstehen der Erkrankung sind sie gegen die tödt¬ 
liche Dosis geschützt. Das Blutserum eines immunisirten Ka¬ 
ninchen hat die Fähigkeit, bei intraperitonealer Injection 
Meerschweinchen gegen die tödtliche Dosis zn schützen. Zu 
solch einem Impfschutz gebrauchte Verf. 2 Ccm. djs Serums 
für ein 400 G. schweres Meerschweinchen. Der Impfschutz 
war ein sicherer, wenn die Impfung 3 Stunden vor der Injec¬ 
tion geschah. Verf. hat ferner Versuche angestellt Thiere 
gegen die vom D&rmcanal kommende Cholerainfection (richtiger 
Choleraintoxieation) zu schützen. Es ergab sich, dass dis 
Injectionen von immunisirenden Culturen sämmtlich 
geeignet sind auch gegen die lntoxication vom Ver¬ 
dauungscanal Schatz zu gewähren. Nur bedarf es hierzu 
eines höheren Grades von ImmunitAt, als gegen die intraperi¬ 
toneale Vergiftung. Auch die immunisirenden Substanzen 
brachte Verf. Meerschweinchen in den Magen ein (nachdem 
die Magensänre durch Soda abgestumpft und Opium zur Auf 
hebung der Peristaltik gegeben wurde). Es zeigte sich nun, 
dass Meerschweinchen, welche die Eingiessung von 4 Ccm. 
Cnlturmischung in den Magen, nach Soda- Opiumbehandlung, 
überstanden, gegen die einige Tage später erfolgende Ein¬ 
giessung absolut tödtlicher Mengen sicher geschützt waren, 
während die Controlthiere regelmässig zu Grunde gingen. Die 
Imniunisirung vom Magen ans gelang aber nur, wenn kurz 
vor der immunisirenden Cultur 5 Ccm. Sodalösung gegeben 
wurde; diejenigen Thiere, bei welchen die Sodalösung bei der 
Vorbehandlung nicht angewendet wurde, sind bei der viru¬ 
lenten Bacillengabe, genau so wie die Controlthiere, einge¬ 
gangen. Verf. hat schliesslich noch versucht immunisirende 
Culturen mittelst Electricität herzustellen. Er stellte für die 
Cholerabacillen fest, dass in eintägigen Bouillon-Culturen die 
Bacillen durch die 24 ständige Einwirkung eines cönstanten 
Stromes von 20 Milliampere völlig abgetöatet werden, während 
die Cultur zur Immunislrung sich sehr geeignet erweist. 

Abelmann. 

Dr. Maass (Göttingen): Die Methode der Wiederbe¬ 
lebung bei Herztod nach Chloroforraeinathmung. 
(Berliner klin. Wochenschrift Nr. 12. 1892). 

Verfasser berichtet über zwei Fälle von Stillstand der 
Herzaction bei Chloroformnarkose vor denjenigen der Respi¬ 
ration, wobei die Wiederbelebung in etwas modifleirter Weise 
nach der in dem Lehrbuch der Allgemeinen Chirurgie von 
Prof. Koenig beschriebenen Methode gelang- Beide Fälle 
stimmen in den Hauptzügen vollständig überein, die jugend¬ 
lichen Patienten (9'/* a. n. und 13 a. n.) waren ohne ernst¬ 
liche Erscheinungen bis zu tiefer Narkose chloroformirt 
worden: nach plötzlichem Schreien und Stränben der Patienten 
wurde 3 Mal Chloroform in mässiger Menge aufgegossen, 


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336 


worauf Aussätzen der Athmung, Fehlen des Eadialpulses 
und maximale Weite der Pupillen auftraten. — Freimachen 
der Luftwege und entsprechend der Respirationsfrequenz aus¬ 
geführte Herzcompression beseitigten die drohenden Erschei¬ 
nungen bis auf aas Fehlen des Pulses. Ueber eine Stunde 
lang wiederholte sich dasselbe Spiel, Verengerung der Pupillen 
una Besserung der todtenblassen Gesichtsfarbe durch Cora- 
pression der Herzgegend, nach dem Unterlassen derselben 
einige spontane Athemzüge aber kein Herzschlag, nach dem 
letzten Athemzüge maximale Pupillenweite. — Dabei findet 
eine langsame Verschlechterung des Zustandes statt. Erst 
mit dem Uebergehen zu einem schnelleren Tempo der Herz¬ 
compression von 130 und mehr in der Minute trat langsame 
Besserung ein, indem vollständige Verengerung der Pupillen 
zunächst eintrat, sodann Zunahme der spontanen Athemzüge 
an Tiefe und Zahl und als drittes Symptom Schliessen der 
Hände, Beugen der Arme, Heben der Schultern und Aufreissen 
des Mundes gleichzeitig mit dem letzten Athemzüge. Nach 
einiger Zeit Hessen sich schwache Pnlsschläge in der Carotis 
nachweisen, die blassen Lippen und Wangen begannen sich 
zu röthen und nach weiteren wenigen Minuten war nach 
Unterbrechung der Compression ein rascher kleiner Puls in 
der Carotis deutlich nachweisbar, die Athmung blieb im 
Gange und die Pupillen gingen auf mittlere Weite zurück. 
In der Folge traten Störungen des Bewusstseins, der Schluck¬ 
bewegungen und der Sprache auf, bei dem einen nur ange¬ 
deutet, bei dem anderen sehr intensiv, die langsam wieder 
schwanden. — Von einzelnen Erscheinungen wäre noch her¬ 
vorzuheben, dass bei einem Patienten anfangs noch Herz¬ 
action, aber ohne Carotidenpuls bestand, und dass die Athmung 
eine Zeit lang deutlich den Cheyne-Stokes’schen Charakter 
trug, während im zweiten Fall die tiefe Narkose auffallend 
rasch eintrat, Neigung zur Pupillenweite schon vor Beginn 
der Syncope bestand und während der frequenten Compres- 
sionen eine deutliche Pulswelle in der Carotis gefühlt wurde 
sowie die Athmung auch während der Ausübung des Druckes 
auf die Herzgegend regelmässig stattfand. 

Der Schwerpunkt der Gefahr lag nach Ansicht des Ver¬ 
fassers im Herzen. Ob es sich dabei um eine Lähmung des 
Herzmuskels oder des nervösen Apparates handelte, bleibt 
unentschieden, doch wäre letzteres wahrscheinlicher. — Zum 
Schluss riebt uns Verfasser die Technik der modifleirten 
Methode der Herzcompression an, was im Original nachzu¬ 
lesen ist. C. Tomberg. 


Bücheranzeigen und Besprechungen. 

Prof. Wilh. Winternitz: Zur Pathologie und Hydro¬ 
therapie der Cholera. Leipzig und Wien, Toeplitz und 
Deaticke 1887. 

In den zahlreichen jüngst erschienenen Broschüren und Ab¬ 
handlungen über Choleratherapie vermissen wir jeden Hin¬ 
weis auf die von Winternitz empfohlene hydriatische Behand¬ 
lungsmethode — eine Methode, die schon in den früheren 
Epidemien von berühmten Aerzten und Klinikern empfohlen 
und geübt, von Winternitz aber wissenschaftlich begründet 
wurde. Wir erlauben uns die Leser unserer Wochenschrift 
mit dem Inhalte der vorliegenden Abhandlung bekannt zu 
machen. Verf. weist zunächst auf die Beobachtungen von 
Watson hin, dass Leute, die an kalte Waschungen und Bäder 
gewohnt waren, von der Cholera verschont blieben. Becker, 
Richter, Homberg und viele andere Aerzte erklärten, dass 
eine diätetische Wassercur zu Cholerazeiten einen prophylan- 
tischen Werth habe. Von den zahlreichen Mitgliedern des 
Berliner Wasserheilvereins soll während der mörderischen 
Epidemie 1850 kein einziges an der Cholera erkrankt gewesen 
sein. Winternitz schliesst sich der Meinung der eben ge¬ 
nannten Autoren an, indem er die tonisirende, Innervation und 
Circulation kräftigende, einer Erkältung vorbeugende, Ver¬ 
dauung bessernde Wirkung einer allmorgendlichen diätetischen 
Wassercur als ProphylakUcum vollauf gelten lässt. Aber auch 
bei praemonitori8cher und Choleradiarrhoe giebt es nach 
Verf. kein sichereres, prompter und unfehlbarer wirkendes 
Mittel, als eine hydriatische Behandlung. Natürlich wirkt 
diese Methode nicht direct gegen das infectiöse Agens, wohl 
aber gegen den ganzen Symptomencomplex der Cholera. Verf. 
führt eine grosse Zahl historischer Daten an, wo der inner¬ 
liche und äusserliche Wassergebrauch als bestes Mittel gegen 
die Choleradiarrhoo anerkannt wird. So hat sich schon die 
bekannte Commission französischer Aerzte (Gaimard und 
Gerardin), die von ihrer Regierung behafs Studiums der 
Seuche (Epidemie 1831) und ihrer Behandlung nach Russland, 
Preussen und Oesterreich entsendet wurde, in ihrem Berichte 
an die Regierung dahin ausgesprochen, dass die mit der 
Wassercur erzielten Resultate günstiger wären, als die mit 
irgend einer anderen Cur erzielten. Dieser Meinung schlossen 
sich in den späteren Epidemien viele Aerzte an. (Die zahl¬ 
reichen literarischen Angaben sind im Original nachzulesen). 


Der wichtigste Factor der Wasserwirkung ist der Einfluss 
auf die Circulation. Nach Kälteeinwirkung haben wir eine 
active arterielle Fluxion zur Haut, dadurch wird die Blut- 
vertheilung im ganzen Organismus geregelt, das Blut wird 
von den inneren Organen, also auch vom Darmcanal abge¬ 
leitet. Dagegen bewirkt eine Wärmeeinwirkung eine passive 
Congestion und Hyperaemie. Eine andere Einwirkung des 
kalten Wassers ist die auf die Innervation: die Herzaction 
wird eine kräftige, die Innervation in den verschiedenen Vaso¬ 
motoren eine höhere. Eine solche Innervationssteigerung im 
Splanchnicnsgebiete bringt die Gefässe des Darms und der 
Unter]eibBorgane zu mächtiger Contraction. Nun wird ein 
GefäSB mit hoher tonischer Spannung seiner Wand dem 
Durchtritte seines Inhalts einen grösseren Widerstand ent¬ 
gegensetzen, als ein erschlafftes Gefäss. Hierin liegt nach 
Üeberzengung des Verf. die so grosse Wirksamkeit der H ydro- 
therapie. Was nun die anznwendenden Methoden anlangt, so 
können dieselben ziemlich verschieden sein. Die einfachste 
ist die einer Abreibung mit einem in möglichst kaltes Wasser 
getauchten, meist etwas ausgerungenen Leintuch: unmittel¬ 
bar darauf ein 10—14 gradi^es Sitzbad. Im Sitzbade muss 
der Kranke an allen nicht im Wasser befindlichen Theilen 
gut in Wolldecken eingehüllt sein. Der Unterleib des Kranken 
wird dabei von einem Wärter frottirt. Darauf kommt der 
Patient in’s Bett, wird tüchtig frottirt und dann gut bedeckt. 
Unter solch einer Behandlung trete dann meist bald eine 
vollständige Reaction und proruser Scliweiss ein. In dieser 
Weise hat Winternitz seine Patienten mit Choleradiarrhoe 
behandelt. Der Erfolg war ein sehr guter. Aber auch im 
Stadium algidura und asphvkticnm ist nach Verf. eine Wasser¬ 
behandlung indicirt, die Wärmeapplication perhorrescirt er. 
Dabei macht Verf. auf die bekannte Thatsacne aufmerksam, 
dass im algiden Stadium nur die Temperatur der Körper¬ 
oberfläche gesunken ist, die Temperatur im Mastdarm ist. 
dabei sehr häufig über der normalen (Charcot, Jefferson) 
Diese abnorme Wärmevertheilung wird durch eine Eisab¬ 
reibung, durch kalte Sturzbäder, Sitzbäder etc. gehoben. 
Aerzte, wie Romberg, Wagner, Dietel, Niemeyer sind 
für die Anwendung der Kälte im algiden Stadium der Cholera 
eingetreten. Abel mann. 


Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

1182. Sitznng am 20. Mai 1892. 

Anwesend 46 ordentliche Mitglieder und 11 Gäste. 

1. Dr. Hampeln demonstrirt einige fibrinöse Beläge 
aus den Bronchien 2. und 3. Ordnung, welche eine Herz¬ 
fehlerkranke, die wegen Hydrops der Pleura punktirt worden 
war, expectorirt hatte. Nach der Punction stellte sich seröse 
Expectoration ein, die ausnahmsweise nicht zum Tode führte. 
Hierauf und auch wohl im Zusammenhänge hiermit bildeten 
sich die fibrinösen Beläge durch Reizung der Bronchial¬ 
schleimhaut. 

2. Dr. Mercklin stellt eine 49jährige Frau vor, die an 
«depressivem Wahnsinn» mit zahlreichen Gehörshallncina- 
tionen leidet und erörtert an der Hand dieses Krankheit* 
falles die klinischen Unterschiede zwischen den Krankheits¬ 
formen «Wahnsinn» und «Paranoia». 

3. Dr. Mercklin verliest seinen angekündigten Vortrag: 

Zur Abgrenzung der Krankheitsform Paranoia. 

Redner betont gegenüber den zwei monographischen Dar¬ 
stellungen der Paranoia, welche das Jahr 1891 brachte 
(Magnan-Möbius, Werner) die Thatsache, dass die Forschungen 
über diese Krankheitsform, welche Snell 1865 als erster klar 
definirte, noch nicht, den Charakter des Abschlusses gewonnen 
haben. Vergleiche man den gegenwärtigen Standpunkt der 
Lehre von der Paranoia mit demjenigen Westpnals vom 
Jahre 1876 so müsse man die von der Mehrzahl der Autoren 
vollzogene Ausscheidung der sogenannten «acuten Paranoia» 
aus der Gruppe der Paranoia und ihre Beschreibung als eine 
besondere Krankheitsform «Wahnsinn», als einen entschie¬ 
denen Fortschritt bezeichnen. Auch sonst seien im Einzelnen 
manche Behauptungen geprüft und in anderer Weise formulirt 
worden. Die pathologische Anatomie der Paranoia sei noch 
völlig unklar. Das Wesen des psychologischen Grundprocesses, 
der das Wahnsystem erzeugte sei hypothetisch und werden 
die hierauf bezüglichen Anschauungen MeyneTt’s, Hägen's 
u. a. kurz besprochen. Die Mehrzahl der Fälle von Paranoia 
seien von Hallucinationen und Sensationen begleitet, die jedoch 
durchaus nicht mit der Krankheit verbunden sein müssten, 
wie der «Querulantenwahn» beweise. In der Regel führe die 
Paranoia nicht Zu einem stärkeren Verfall der Intelligenz; 
sie könne aber bei schon früher Schwachsinnigen Vorkommen 
und in einzelnen Fällen zu einem progressiven Verfall der 
psychischen Fähigkeiten führen. Ob zur Entstehung von 


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Wahnideen, wie es scheine, ein gewisser Mangel der kriti¬ 
schen Fähigkeiten nothwendig wäre, sei unbekannt. Die Frage 
«der psychischen Schwäche» bei der Paranoia werde endgiltlg 
nur durch psycho-physische Messungen entschieden werden 
können. Bnccola habe Reactionsbe&tiramun^en bei Paranoikern 
ausgeführt und das Maximum der Reactlonszeit bedeutend 
geringer gefunden als bei geistig rüstigen Individuen. Die 
Paranoia sei eine Krankheit des erwachsenen Alters. Im 
Kindesalter habe sie Vortragender nie gesehen, wenngleich 
es entschieden Fälle gebe deren Entwickelung in das Puber- 
tätsalter zurückreiche. (Originäre Verrücktheit nach Sander). 
Was das Verhalten der Paranoia zu vorhergehenden Nenrosen 
beträfe so sei eine Entwickelung derselben ans Neurasthenie 
und-Hysterie unzweifelhaft zu beobachten, häufiger jedoch 
entstände sie ohne vorausgellende Neurose. Der Begriff der 
Hypochondrie habe sich mehr und mehr in den weiteren der 
Neurasthenie aufgelöst. Die sogenannten Hypochonder seien 
entweder Neurastheniker oder Paranoiker mit besonders 
hervortretenden hypochondrischen Wahnvorstellungen. Alle 
Versuche die Paranoia in einzelne Specialfonnen zu sondern 
hatten etwas unbefriedigendes. Möge man die Bezeichnung 
nach dem Inhalte der Wahnvorstellungen (Kraft-Ebing) oder 
nach dem Fehlen oder nach dem Vorhandensein der Hallucina- 
tionen (Mendel, Werner) oder nach dem mehr depressiven oder 
expansivenQesammthabitus und der Präponderanz des hallncina- 
torischen oder des combinatorischen Elementes, (Kraepelin) 
wählen, immer würden damit augenblickliche Zustände be¬ 
zeichnet, die im weiteren Verlauf der Krankheit in einander 
übergehen könnten. Das fortgesetzte Studium des Gesammt 
Verlaufes der Paranoia könnte möglicherweise zur Aufstellung 
von Unterformen führen. Die Anschauung von Mag na n, die 
Paranoia verlaufe bei bisher Gesunden und bei Degenerirten 
ganz verschieden, sei der Nachprüfung werth. Es lasse sich 
aber so viel schon jetzt sagen, dass die Paranoia bei früher 
Gesunden sich durchaus nicht immer in ihrem Verlaufe an 
die 4 typischen Stadien halte, die Magnan ihr vorzeichne und 
ferner, dass auch bei Degenerirten Fälle von Paranoia mit 
typischer Systerabildung vorkämen. Sn eil habe schon gezeigt, 
dass bei der Paranoia ein acuter Beginn Vorkommen könne, 
anch gäbe es acutere Stadien der Krankheit, zuweilen einen 
Verlauf in Schüben, aber der von Westphal eingefnhrte 
Begriff der «acuten Paranoia» mit häufigem Ausgang in Hei¬ 
lung habe sich nicht bewährt. Gebe es eine «acute raranoia» 
so müsste man erwarten, dass die unjjeheilten Fälle einfach 
in die chronische Form mit systematisirter Wahnbildung flber- 

f ingen; dasselbe sei aber bis heute nur behauptet worden, nicht 
urch überzeugende Krankengeschichten nacngewiesen. Richti¬ 
ger würde man jene Krankheitsfälle als eine besondere Gruppe 
«Wahnsinn» beschreiben (Meynert, Kraepelin n. a.). Von der 
Paranoia unterscheiden sich diese Krankheitsfälle durch die 
mangelnde Systematisirung der Wahnideen, die engere Ver¬ 
knüpfung derselben mit lebhaften Affecten und durch eine 
gewisse Benommenheit. Krankheitseinsicht stelle sich ein, 
sobald die Kranken besser wurden. Trete die hänfig vor¬ 
kommende Heilung nicht ein, so bildeten sich chron. Zustände 
heraus, die von der Paranoia immer noch deutlich geschieden 
werden könnten. Schelde man also diese Wahnsinnsfälle als 
besondere Gruppe aus, so bleibe der Begriff der Paranoia 
scharf abgegrenzt: eine sich meist langsam entwickelnde, 
durchaus zu chronischem Verlauf neigende Geistesstörung, 
deren Hauptmerkmal die auf der Grundlage von Miss¬ 
deutungen, Sensationen und Hallucinationen eintretende, 
zur Systematisirung übergehende Wahnbildung sei, bei unge¬ 
trübtem Bewusstseinszustande und mangelnder Krankheits¬ 
einsieht. 

Dr. Tiling: 

Die Lehre von der Paranoia umfasse gegenwärtig den 
wichtigsten und meist bearbeiteten Theil des Psychiatrie; 
die Literatur über diese Krankheitsform sei sehr gross und 
eine orientirende kritische Arbeit über dieses Thema wie sie 
Vortragender gebracht, sei äusserst dankenswert h wenngleich 
sehr schwierig. Gerade bei dieser Form der Geisteskrankheit 
vermisse man am meisten fertige abgeschlossene Arbeiten über 
die normale Psychologie, was ja Vortragender hervorhob, 
indem er das tiefere Eindringen in das Wesen der Paranoia 
von erfolgreicher Forschung in der Psycho-Physik abhängig 
machte. Um nur ein Beispiel anzuführen sei die Frage, ob 
die entwickelte Paranoia einen gewissen Grad von Schwach¬ 
sinn zur Voraussetzung haben müsse, streitig und schwierig 
zu entscheiden. Die gänzliche Kritiklosigkeit den eigenen so 
absurden Wahnideen gegenüber und die oberflächlichen un¬ 
logischen Conclusionen sprächen dafür, anderseits aber zeigen 
sich Gedächtniss nnd Ueberlegung auf anderen Gebieten, die 
den Wahn nicht berühren fast intact, so dass sich die An¬ 
sicht vertreten lasse, es liege hier nicht Schwachsinn im 
engeren Sinne vor. Der Begriff des Schwachsinnes, der Demenz 
entspräche auf motorischem Gebiete der Parese. Da man 
aber auch andere motorische Störungen kenne, welche die 
Function, als Parese, herabsetzen, so müsse man anch das 
Versagen des logischen Apparates aut etwas Anderes als eine 


reine Lähmung zurückführen können. Deute man z. B. den 
systematisirten Wahn als Krarapfcrscheinung oder Incoor- 
dination so sei es nach Analogie der motorischen Vorgänge 
klar, dass der Paranoia ein anderer Vorgang, andere Symp- 
ptome, vielleicht auch ein anderer anatomischer Process zu 
Grunde liege als bei einer reinen Demenz. 

z. Z. Secretär: Heerwagen. 


Vierter Aerztetag 

der «Gesellschaft livländiscber Aerste» 

in Wenden 

vom 14.—16. September 1892. 


Programm. 

Die Eröffnung des Aerztetages findet statt: 

Montag den 14. September 1892. 

1 Uhr Nachmittags. 

Tagesordnung: 

I. Sitzung von 1—8 Uhr. 

1. Rechenschaftsbericht des Cassaführers. 

2. Festsetzung des Ortes und der Zeit des nächsten Aerzte¬ 
tages, sowie statntenraässige Wahlen laut § 8 der Sta¬ 
tuten. 

3. Referat über die Wirksamkeit und Bestand der «Gesell¬ 
schaft znr Bekämpfung der Lepra». 

4. Referat des Herrn Dr. J. Müller nebst Correferat des 
Herrn Dr. A. Katterfeld über die «Hospitalfrage». 

5. Vortrag des Herrn Prof. C. Dehio: «Ueber den gegenwär¬ 
tigen Stand der Cholerafrage». 

II. Sitzung von 6—8 Uhr. 

1. Besichtigung der Ausstellung chirurgischer und optischer 
Instrumente, sowie elektrischer und orthopädischer Apparate, 
exponirt von betr. Fabrikanten. 

2. Vorträge und Disctission über folgende angekündigte 
Themata: 

a) «Ueber Hypochondrie».A. Mercklin. 

(Correferat Ed. Schwarz). 

b) «Ueber fortschreitende halbseitige Ge¬ 
sichtsatrophie» .A. Treu. 

(mit Demonstration). 

c) «Ueber traumatische Neurosen». . . Ed. Schwarz. 

d) «Ueber die Ursachen der primären oder 

essentiellen Anämieen».F. Krüger. 

e) «Ueber Rheumatismus».W. Zoege v. 

Manteuffel. 

f) «Ueber die Bradycardie der Reconval- 

escenten».C. Dehio. 

(Correferent P. Hampeln). 

Dienstag den 15. September. 

Tagesordnung: 

III. Sitzung von 9—1 Uhr.' 

1. Verlesung des Protokolls der Sitzungen des vorigen 
Tages. 

2. Vorträge und Discussion über folgende von den Aerzten 
angekündigte Themata: 

A. a) «Ueber Magenoperationen» . . . . A. Selenkoff. 

b) «Die chirurgische Behandlung der Pe¬ 
rityphlitis» .A.v.Bergmann. 

c) «Ueber die Behandlung perforirender 
Verletzungen des Abdomens». . . . W. Zoege v. 

Manteuffel. 

d) «Behandlung von Gangrän verdäch¬ 
tigen Hernien» . . ..E. Kiwull. 

10 Minuten Pause. 

B. a) «Ueber Sciascopie».H. TruharL 

b) «Zur Trachomstatistik in Livland» . A. Oehrn. 
(Correferent H. Truhart). 

c) «Ueber das perforirende Geschwür der 

Nasenscheidewand».R. Otto. 

d) «Ueber Schulz’sche Schwingungen» . B. Körber. 

2 Uhr Nachmittags: 

Gemeinsamer Ausflug der versammelten Aerzte in die Um¬ 
gegend der Stadt Wenden. 


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Mittwoch den 16. September. 

•• Tagesordnung: 

IV. Sitzung von 9—12 TThr. 

1. Verlesung des Protokolls der Sitzung des vorigen Tages. 

2. Referat der Commission betreffend «die Hebammenfrage». 

3. Vorträge nnd Discussion über folgende von den Aerzten 
angeköndigte Themata: 

a) «lieber die Behandlung der normalen 

Geburt».N. v. Stryck. 

(Correferenten: L. Kessler und J. Meyer). 

b) «Zur Frage der Ernährung des Säug¬ 
lings» .F. Krüger. 

c) «Zur Diagnose und Operation der Cer¬ 
vixmyome» .M. Treymann. 

(Correferent: Fr. Hach). 

d) «Thure Brandt und seine Methode» . J. Meyer. 

4. Berathungen über etwa wtinschenswerthe Abänderung 
oder Ergänzung der Statuten (conf. § 23 der Statuten). 

5. Verlesung des Protokolls der heutigen Sitzung. 

2 Uhr Nachmittags: 

Constituirende Generalversammlung der «Pensionscasse für 
Wittwen und mindeijährige Waisen von Aerzten des livlftn- 
dischen Gouvernements». 

Schluss. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Die Frage der Choleratherapie ist gegenwärtig eine alle 
Welt interessirende. Es sind an unsere Wochenschrift An¬ 
fragen gerichtet worden, welches die am meisten angewandten 
Methoden sind und welche Resultate sie haben. Genaue An¬ 
gaben lassen Bich noch nicht machen, da wir noch mitten in 
der Epidemie sind und die Aerzte, die den Choleraabtheilungen 
vorstehen wohl kaum im Stande sind, schon jetzt Definitives 
über einen so complicirten Gegenstand, wie die Wirkung ver¬ 
schiedener Behandlungsmethoden, auszusagen. Es werden ja 
natürlich die allerverschiedensten Maassnahmen getroffen und 
da ist es um so schwerer, die Wirkung der einzelnen festzu¬ 
stellen. Ref. muss sich daher darauf beschränken, in allge¬ 
meinen Zügen anzugeben, was ungefähr hier am Ort und 
wohl auch anderwärts mit den Cholerakrankea gemacht wird, 
ln sehr ausgedehntem Maase findet das Calomel innerliche 
Anwendung. Die Art der Verabreichung ist verschieden, doch 
werden im Allgemeinen grosse Mengen, theils in wenigen 
grossen, theils in mehreren kleinen aber häufigen ('/'—I stünd¬ 
lich) Dosen gereicht, bevorzugt. Als durchschnittliche Ge- 
saramtmenge, die im Beginn der Erkrankung gereicht wird, 
kann man ungefähr 1,0 Gramm bezeichnen. Späterhin werden 
die verschiedensten Antiseptica innerlich gegeben, alle in 
möglichst grossen und häufigen Dosen. Am beliebtesten 
scheinen die Wismuthpräparate (Bismuth. subnitr., Bis- 
muth. salycil.X Sulol, Creolin zu kein. Versuche mit Jodo¬ 
form sind aufgegeben worden, weil scheinbar das Erbrechen 
gesteigert wird. Ferner werden sehr viel die hypodermati- 
schen Kochsalzinfnsionen nnd die hohen Klystier» mit '/»— 1°/« 
Tanninlösungen, die Cantani in der Mitte der achtziger 
Jahre so warm empfahl gebraucht. Die Meinungen namentlich 
über die subcutanen Injectionen sind getheilt; während Einige 
gute Resultate beobachtet haben, negiren Andere ihren Nutzen. 
Die Methode ist wohl zu bekannt, als dass sie hier genauer 
beschrieben zu werden braucht. Dass von Anfang an den 
Analepticis ein weites Feld eingeräumt ist, ist selbstver¬ 
ständlich. Campher und Moschus subcutan nnd innerlich, 
Wein etc. wird viel gebraucht. — Zur Hebung der Blut- 
circulation und Körpertemperatur sind warme und heisse 
Bäder, Wärmefl^schen, heisse Compressen, Frottiren der Haut 
in ausgedehntem Gebrauch. Grosse Senfteige und spirituöse 
Einreibungen sollen theils ablei tend wirken, theils die Mnskel- 
krämpfe beschränken. Zu erwähnen ist, dass Opium nicht 
sehr viel angewandt wird* Einige wollen beobachtet haben, 
dass die stopfende Wirkung des Opiums Verschlimmerungen 
hervorruft, indem die giftigen Toxine, die ja unzweifelhaft die 
schweren Choleraerscheinungen bewirken, zurückgehalten und 
in grösseren Mengen resorbirt werden. Die Diät ist natür¬ 
lich die allerstrengste; im Anfang bekommen die Kranken 
meist nur Eis zu schlucken oder heissen Thee und Kaffee 
zum Getränk. 

Diese allgemeinen Angaben dürften vorläufig genügen. Wir 
werden ja noch oft Gelegenheit haben, etwaige neue thera- 

K ’sche Vorschläge nnd genauere Resultate der üblichen 
ndlungsmethoden zu referiren. 


Vermischtes. 

— Der Professor der speciellen Pathologie und Therapie 
an der Universität Dorpat, Dr. H. Un verricht, ist auf seine 
Bitte verabschiedet worden. Wie wir bereits mitgetheilt haben, 
siedelt derselbe nach Magdeburg über, wo er die Direction 
des neuen städtischen Krankenhauses übernimmt. In ihm 
verliert die Dorpater Universität wiederum eine tüchtige Lehr¬ 
kraft 

— Dr. Mitrofanow, ausserordentlicher Professor der ver¬ 
gleichenden Anatomie, Histologie nnd Embryologie in Waraohau 
ist als ordentlicher Professor anf dem genannten Lehr* 
Stuhl bestätigt worden. 

— Der ältere Arzt der 30. Flottenequipage und chirur¬ 
gischer Consultant des Nikolajewsehen Marinehospital. Staats¬ 
rath Dr.Lippe, ist Zum Oberarzt des Wladiwostolc’schen 
Marinehospitals an Stelle des wirkl. Staatsraths Dr. Sie¬ 
be rt ernannt worden, welcher zur baltischen Flotte ttberge- 
führt ist. 

— Verstorben: 1) Am 21. August in Lewaschowo (bei 
St- Petersburg) das berathende Mitglied des Medicinalraths, 
Geheimrath Dr. Julius Ucke, nach längerer Krankheit 
im 71. Lebensjahre. Der Hingeschiedene war in Livland ge¬ 
boten und hatte seine medicinische Ausbildung in Dorpat er¬ 
halten, wo er von 1839—46 studirte und 1845 das Arztexamen 
bestand, im Jahre 1861 aber die Doctorwürde erhielt. Nach 
Absolvirung seines Studiums wurde U. Kreisarzt in Pere- 
myschl (Gouv. Kaluga), siedelte aber im Jahre 1852 nach 
Ssamara über, wo er anfangs als Arzt am Krankenhause des 
Collegiums der allgemeinen Fürsorge fungirte, dann von 
1860—64 den Posten des Accoucheurs an der dortigen Medi- 
cinalVerwaltung bekleidete und von 1861—81 Medicmalinspec- 
tor des Ssamaraschen Gouvernements war. Im Jahre 1871 
wurde er bereits zum beratenden Mitglieds des Medieinal- 
rathes beim Ministerium des Innern ernannt, siedelte aber 
erst im Jahre 1881 nach Petersburg über, um sich ganz den 
Arbeiten des Medicinalraths zu widmen. 2) Am 20. Juli in 
Taschkent der Oberarzt des Turkestanschen Sappeurbataillons 
Dr. NikolaiBlagoweschtschenskiander Cholera. 
3) Am 4. August im Jelez’schen Landschaftshospital der 
Student des letzten Curaus der Moskauer Universität N i k o - 
laiKljatschin, welcher vom «Rothen Kreuze» in den 
Jelezschen Kreis zur Bekämpfung der TyDhusepidemie ge¬ 
schickt worden war. Als vor ca. 2 Wochen im Kirchdorf 
Paljno die Cholera ansbrach, wurde er dorthin abcommandirt, 
erkrankte aber selbst sehr schwer an dieser Krankheit, welcher 
er noch am selben Tage erlag. 4) In Kasan der Oberarzt des 
Lazareths der Kasanschen Pulverfabriken Dr. M i t r o f a n 
S t o p a n i im 59. Lebensjahre. 5) In Jalta die Aerztin Marie 
Mawrina im 38. Lebensjahre an der Lungenschwindsucht. 

6) In Wien der emeritirte Professor der Verbandlehre an der 
dortigen Universität, Dr. Carl v. Cessner, 76 Jahre alt. 

7) In Wien am 29. August n. St. der Primararzt und Leiter 
der medicinischen Abtheilung des allgemeinen Krankenhauses, 
Dr- Joseph Standhartner im 73. Lebensjahre. Der 
Verstorbene war der älteste Primararzt dieses Kranken¬ 
hauses, an welchem er 49 Jahre hindurch gewirkt und dessen 
Directionsgeschäfte er häufig stellvertretend geführt hat. 

— Ans Anlass des bevorstehenden 2§jährigen Pro¬ 
fess or-J ubiläums desProf. Dr. Billrothin Wien, 
ist in Bergen auf der Insel Rügen au dem Hause, in welchem 
Billroth i. J. 1829 als Sohn eiues Predigers geboren ist, eine 
Gedenktafel angebracht. 

— Prof, extraord. Dr. Carl Freiherr von Rokitansky 
ist zum ordentlichen Professor der Geburtshilfe und Gynae- 
kologie an der Universität in Graz ernannt worden. Dieser 
Lehrstuhl in Graz wurde mehrere Semester hindurch von dem 
ausserordentlichen Professor Dr. .Ernst Börner proviso¬ 
risch verstehen. 

— Der Ausschuss des deutschen Vereins für öffentliche Ge¬ 
sundheitspflege hat beschlossen, die Würzburger Ver¬ 
sammlung des deutschen Vereins für öffent¬ 
liche Gesundheitspflege für dieses Jahr au s- 
fallen zu lassen, da in Folge des Auftretens der Cholera 
in Hamburg und der dadurch bedingten Möglichkeit der Ver¬ 
schleppung der Krankheit nach anderen Theilen Deutschlands 
es dem grössten Theil der Mitglieder unmöglich gemacht ist, 
die für den 8. September in Aussicht genommene Versamm¬ 
lung in WÜrzbnrg zu besuchen. — Aus demselben Grunde 
ist, laut officiellen Beschlusses des leitenden Comitta, die 
diesjährige 65. Versammlung deutscher Naturfor 
scher und Aerzte in Nürnberg, welche am 12.September 
eröffnet werden sollte, wie schon mehrfach in Zeiten von 
Kriegs- und Seuchengefahr auf das nächste Jahr ver¬ 
tagt worden. 

— Die von der St. Petersburger Duma zur Bekämpfung 
der Cholera angewiesene Summe von 200,000 Rbl. ist 
bereits verausgabt und war daher das Stadtamt nnd dieitftd- 


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tische Samtäts-Cömmfssfon bei der Stadtdama am Bewilligung 
eines weiteren Credits im Betrage von 100,000 Rbl. elnge- 
kommen. In der Sitzuug am 35. August hat die Stadtduma 
diesen Betrag ohne weitere Debatte bewilligt. Für die sofor¬ 
tige Einrichtung einer bakteriologischen Abtheilung 
bei dem städtischen Laboratorium sind von obiger 
Summe 6100 Rbl. bestimmt. 

—- Die 8b. Petersburger Stadtverwaltung hat auf einer 
hiesigen Privatwerft 3 Assainirungs-Böte von 13 Faden 
Länge anfertigen lassen, welche einen hermetisch verschliess- 
baren Raum zur Aufnahme von Unrath haben. Mit diesen 
Böten welche an den Flüssen Shdanowka und Smolenka, sowie 
auf der.Wyborger-Scdte aufgestellt worden sind, wird dar 
anges&muieite Unrath in’s Meer hinausgeführt und dort aus- 
geechttttet werden. 

— Der Stadtverordnete E. J. Eedrin bat ln der letzten 
Sitzung unserer Duma den Antrag gestellt, die Familien 
dar Aerzte, Feldscher, Krankenwärterinnen. Desin- 
fectoren und anderer Personen des medicinischen Personals, 
welche bei Ausübung ihrer Berufe «ich mit der Cholera infi- 
cJren und an derselben sterben, aichersustellen. Er proponirt 
den Wittwen von Aerzten, die ein Opfer ihres Berufes geworden 
sind, eine Pension' von 900 RbL und den Kindern derselben 
bis zum schulpflichtigen Alter 150 Rbl. jährlich auszusetzen 
und später sie-auf Kosten der Stadt zu erziehen. Die Pensio¬ 
nen für die Familien des übrigen medicinischen Personal soll 
die Duma bestimme». Der Kedrin’sche Antrag wurde dem 
Stadtamt zur Prüfung übergeben. 

— Die Sserdobsk’sche Kreislandschaft hat, wie Dr. Ned- 
swezki der Redaction des «Wratsch* enttheilt, das Leben 
ihres ganaen ständigen medicinischen Personals für die Zeit 
der Cholera entsprechend den Gagen versichert, und zwar: 5 
Aerzte mit je 10.000 Rbl., eine Aerztin mit 4.000 RbL, 1 Feld¬ 
scher mit 3500 Rbl., 19 Feldscher und^ Feldscherinnen mit je 
3000 Rbl. und eine Hebamme mit 1500 RbL Die Landschaft 
hat für die versicherte, 113,000 Rbl. betragende Gesammt- 
summe etwas über 3400 Rbl. an Prämie jährlich zu zahlen. 

. — Den Aerzten tind dem übrigen Sanitätspersonal, 
welches sich behufs Bekämpfung der Cholera in die von der 
Seuche heimgesuchtan Gegenden oder deren Nachbarschaft 
begiebt wird eine Brmäisiffutg des Fahrpreises auf 
allen Eisenbahnlinien des Reiches gewährt. 

— Mittelst Allerhöchstem Befehls ita Militärressort vorn 8. 
und 10. August c. ist die Verpflichtnnjg der in der Reserve 
stehenden Militärs, zu medir wöchentlichen Dienstübungen zu 
erscheinen, nun auch den direct zar Reserve auf Grand des 
Wehrpflichtgesetzes zugezählten Aerzten auferlegt worden, 
und zwar dürfen sie während der 18 Jahre, welche sie in der 
Reserve stehen, nur 3 Mal und jedes Mal für die Zeit von 
nicht mehr als 6 Wochen, falls eine Choleraepidemie 
die Verstärkung des militäv-ärztlicheü Personals und der 
Civil-Medicinalinstitutlonen erheischt, einberufen werden. 
Von der Verpflichtung, sieh zur Einberufung im Falle einer 

• Cboieraepidemie zu stellen, sind befreit: alle etatmässigen 

Aerzte an Krone-, Communal- und Laadschaftskrankenhäusera, 
an Armenhäusern und ErziebungsixfsUtnten, MedJcinalinspec- 
toren, Kreis-, Stadt- und etatmäßige Landärzte, Psychiater, 
Aerzte bei Mineralquellen, etatmässlge Eisenbahnärzte. Den 
während der Choler&epidemie einzuberufenden Aerzten und 
Feldschern bleiben ihre Stellen hu Staatsdienst erhalten und 
sie gehen auch der mit ihren Aemtern verbundenen Gage 
nicht verlustig. Ein Tagesbefehl des Kriegsministers vom 
10. August schreibt den Kreis-Militärcheft vor, sofort nach 
dem Empfang der Listen und Verzeichnisse an die Einberu¬ 
fung der Aerzte und Feldscher zu gehen und die Einberufenen 
ohne Aufenthalt an die Orte ihrer Bestimmung zu befördern. 
Nach dem Wehrpflichtgesetz müssen dem Einberufenen 3 
Tage zum. Ordnen seiner häuslichen Angelegenheiten und 8 
Tage behufs Equipirung und Ausrüstung gegeben werden. 
Ein grosser Theil der der Einberufung unterliegenden Aerzte 
hat rieh bereits gestellt und ist in den Dienst auf 6 Wochen 
getreten. J • 

— Von 8 Aerzten des Mirgorod’schen Kg-elabe? (Golv,- 
Poltawa) ist den Ssaratow’schen LandschaftsÄlrEjes eSie 
schriftliche Kundgebung zugegangen, in wäloher i&Ä 1 letz> 
tttren die volle Sympathie der Collagen aasgedrückt und ihre 
Handlungsweise b$i dem IncidenV mit dem Landschaftsprä- 
sMenten Kropotaw als mit der-Ärztlichen nud menschlichen 
Wirt» vereinbar bedingungslos gut geheissen wird. 

—ein diesen Tagen begiebt lieh eine neue Gruppe von 
Stndirenden der letzten Curse der militär-medici- 
nischon Akademie in’s Gouvernement Tobolsk, um den 
' dort anlangenden Uebereiedlern ärztliche Hülfe zu leisten. 

’ Von den Stndirenden welche im Mai-Monat dorthin abkom- 
: toandirt wuiden, ist gegenwärtig nur noch einer nachge- 

* ^lieben; die anderen sind entweder selbst am Typhus erkrankt 
'«der in die von der Cholera heirogesuchten G ege nd e n abge- 
schfokt worden. - 


— Die Choleraepidemie in Hamburg, weiche mit 
grosser Heftigkeit auftrat, weist in den letzten Tagen bereits 
eine Abnahme der Erkrankungen auf. Die Gesammtzahl 
der bis zum 31. Augast gemeldeten Erkrankungen und 
Todesfälle betrug dort 3968, resp. 1148. Die ersten Erkran¬ 
kungen an der Cholera in Hamburg lassen sich bis zum 
16. Augast verfolgen. Wi« Prof. Kob. Koch und Dr. 
Raths im Aufträge des deutschen Reichsgesundheitsamtes 
fest mit Sicherheit festgeetetit, hätten, ist die Seuche 
höchst wahrschein lieh durch Ajiswahderer aus Russland 
verschleppt worden, und »war in der Weise, dass aus der 
für diese Auswanderer erbauten Baracke die Schmutzw&sser, 
sowie die sämmtlichen Fäcalien der Auswanderer un- 
deaiafidrt in den Elbarm gelangten, in dessen Nähe die 
Wasserleitung der Stadt Hamburg sich befindet. Von Ham¬ 
burg Verschleppt, ist die Cholera bei zugereisten Personen 
in Berlin, Leipzig, Halle, Darmetadt Vergekommen, 
doch ist sie in diesen Städten auf diese vereinzelten Fälle 
beschränkt geblieben. Neuerdings werden auch aus Eng¬ 
land und Kopenhagen Fälle vpn Cholera asiatica ge¬ 
meldet. In Paris ist in letzter Zeit wieder eine Zunahme 
der Erkrankungen nnd Todesfälle constatirt. Die Cholera¬ 
epidemie in Russland weist in letzter Zeit eine weitere 
Ausbreitung nach Süden, Westen nnd Norden auf. So ist 
die Cholera jetzt in den Gouvernements Tschernigow und 
Cherson, in der Stadt Kertsch und neuerdings auch im 
Gouvernement Wologda und in Kiew aufgetreten. Die 
meisten Opfer fordert die Seuche von den bereits früher er¬ 
griffenen Gouvernements noch im Ssaratowschen (am 33.Aug. 
747 Erkrankungen, 397 Todesfälle in 24 Stunden, Stawro- 
pol’schen (655 resp. 252), Woronesh’schen (464, resp. 252), 
Orenburg’schen 355, resp. 212), Tambow’schen, Kasan’- 
schen und einigen anderen. In St. Petersburg übersteigt die 
Zahl der täglichen Erkrankungen an der Cholera noch immer 
100. Nach den officiellen Bulletins beträgt die Gesammtzahl 
der Erkrankten bis znm 36. August Mittags 3672, die der 
Genesenen 1840 und der Verstorbenen 786. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälera St. Petersburgs betrug am 2cL August d. J. 5779 
(93 mehr als in der Vorwoche), darunter 311 Typhus — (3 mehr), 
558 Syphilis (wie in der Vorwoche), 19 Scharlach — (1 we¬ 
niger), 6 Diphtherie — (4 weniger), 17 Masern -- (2 mehr), 
4 Pocken — (2 mehr) und 673 Cholerakranke (225 mehr als 
in der Vorwoche). 


Vacanzen. 


1) Von dem St. Petersburger Gouvernements-Land¬ 
schaftsamte werden für die Leitung der fliegenden Sani¬ 
tätsabtheilungen, welche in die finischen Gemeindebezirke 
des Gouvernements abcoramandirt werden, Aerzte und 
MediciH8tudirende gesucht, welche der finnischen Sprache 
mäohtig sind. 

2) Es werden ferner zur zeitweiligen Hilfeleistung 
während der Choleraepidemie gesucht: a) Von dem 
Stadtamt in Tscheljabinsk — 5 Aerzte (Gehalt 
300 Rbl. monatl.) und 10 Feldscher (Geh. 50 RbL) b) Von 
der Sanitätscommigsion in Jurjewez (Gouv. Kostroma) 
— ein Arzt zur Leitung der Cholerabaracke von 30 Betten 
(Gehalt 300 Rbl. monatlich). 

3) Im Kreise Belebei (Gravi. Ufa) ist eine Landschafte- 
Arztstelto erledigt. Gehatt 1200 Rbl. jährlich. — Die Mel¬ 
dung geschieht unter* Beifügung der Documente bei der 
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Stuhl Verstopfung; Leberteitwn; GhfbaöCbt etc. NeuertMngs auch 
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i Die Herrn Collegen, welche am; 
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|thei|zunehmen beabsichtigen, ersuche 
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Jnungsfrage baldmöglichst bei mir an- 
^melden zu wollen. 

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Adressen von Krankenpflegerinnen: 

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Aoaa. USK«. Cn6. 29 Asiy cts 1892 r. Herausgeber: Dr. R u do 11 W a n ac h. Buchdruckerei von A. Wienecke, Katharinenhofar-Pr. M 15. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jmhrg. 


ST. PETERSBURGER 


imiGIIISCHI WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. Or. Johannas Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Rudolf Wahach. 


St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medieiniscbe Wochenschrift» erscheint jeden 
Sounabend. — Der Abonnementipr«!« ist in Busslaad 8 Rbl. flir das 
Jahr, 4 Rbl. Hir das halbe Jahr incl. Postxustellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xnsertioasprels 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenu.—Den 
Autoren werden 25 Separatabsöge ihrer Orininalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


■V* dbonnements-Auftrlge sowie alle Inserate 

bittet min ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Blcker iu 
St. Petersburg, Newsky-Prospect 14, zu richten. — Xanueorlp te 
sowie alle auf die Redaetion bezüglichen Mittheilungen bittet mau au 
den gesehaftsfUhrenden Redactenr Dr. Budolfwanaoh in St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect M 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich von 1—2 Uhr Nachm. 


28 36 St. Petersburg, 5. (17.) September 


1892 


Inhalt: J. J. Trns8ewitsch: Lösungen von Nitroglycerin und Ammoniak als Stimnlantien der Blutcironlation bei 
Cliolerakr&nken. — Andreesen: Ein Vorschlag zur Behandlung der Cholera asiatica. — Referate: C. A. Ewald: Zur 
Diagnose und Therapie der Krankheiten des Verdannngstractus. — Germain See f Paris): Ueber neue Calciumsalze in der 
Therapie. — Bächeranzeigen und Besprechungen: Gustav Naumann: Ueber den Kropf nud dessen Behandlung. — 
Prof. Nil Filatow: Semiotik nnd Diagnostik der Kinderkiankheiten. — Prof. Ang. Gärtner: Leitfaden der Hygiene. — 
H. Cohn: Lehrbuch der Hygiene des Auges. — Kleinere Mittheilnngen und therapeutische Notizen. — Die Pei- 
slonskasse für Wittwen und minderjährige Waisen der Aerzte des Livläudiso.hen Gouvernements. — Ver¬ 
mischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — An die Redaction eingesaadte Bücher 
nnd Brochären. — Anzeigen. 


MT An die Herren Aerzte Livlands. "Vl 

Im Hinweis anf das im Aufträge des III.' Livländischen 
Aerztetages meinerseits (Dec. 1891) erlassene Circulair, ersuche 
ich diejenigen Herren Collegen, welche noch hn Rückstände 
sind, mir den fälligen Vorschlag pro Sem, I. 1893 betreffend 
die Zahl der wegen Syphilis behandeltenKranken bald¬ 
möglichst zusenden zu wollen. 

Dr. H. Truhart — Fellin. 

Losungen von Nitroglycerin und Ammoniak als Stl- 
mulantien der Blutcirculation bei Choterakranken. 

Von 

Dr. med. J. J. Trussewitsch. 


Nachdem ich im Jahre 1886 eine Bemerkung über den 
möglichen Erfolg der Behandlung einiger Perioden der 
Cholera mit subcutanen Einspritzungen von Ammoniaklö¬ 
sung veröffentlicht hatte *), schlug ich zu Beginn der 
gegenwärtigen Epidemie zweien Petersburger Hospitälern 
vor, diese Lösung als symptomatisches Mittel zu ver¬ 
suchen, ebenso wie eine einprocentige spirituöse Lösung 
von Nitroglycerin, von der ein bis zwei Tropfen auf die 
Zunge zu träufeln sind; beide Mittel sind jedoch in ver¬ 
schiedenen Perioden der Krankheit anzuwenden. Ich bin 
jetzt nicht im Stande persönlich mich mit ähnlichen 
Beobachtungen zu beschäftigen und schlage daher den 
Hospitalärzten vor, die folgenden Hinweise in Bezug auf 
die Verordnung beider Mittel bei Cholerakranken zu 
berücksichtigen, wenn aus irgend welchen Gründen andre, 
mehr causal wirkende, Mittel nicht angewandt werden. 
Im Hinblick auf die leider zu seltene Anwendung beider 
Mittel, besonders in Russland, glaube ich, dass es nicht 
unnütz sein wird, sie iu Erinnerung zu bringen. 

Die Hauptindication zu ihrer Verordnung muss der 
Zustand der- Gefässe sein. Wenn der palpirende Finger 
die Wand der Art. radialis, trotz Pulsschwäche, nicht 


*) Pyccnaa Mexuqna 1886 Nr. 8. 


collabirt findet, nnd noch mehr, wenn die Contouren des 
Gefässes deutlich zu fühlen sind oder gar die Gefässwand 
hart nnd etwas gespannt ist, so kann man Nitroglycerin 
verordnen. Auf die Möglichkeit eines solchen Zustandes 
der Gefässwand weisen die Beobachtungen eines solchen 
Kenners vasomotorischer Veränderungen wie Marey hin, 
meiner bekannten - Arbeit *) die Pulscurve eines - 
Cholerakranken im algiden Stadium unter denjenigen 
Sphygmogrammen unterbrmgt, die die Zeichen einer er¬ 
höhten Gefässcontraction bei gleichzeitiger Blässe und 
Kälte der äusseren Haut aufweisen. Die oben angege¬ 
benen Dosen des Nitroglycerin rufen in letzterer Röthe, 
Wärmegefühl und etwas erleichternden Schweiss hervor. 
Wie seinerzeit von mir nachgewiesen worden ist*) kann 
die durch das Nitroglycerin bewirkte Erweiterung der 
Hautgefässe, nnd zwar sowohl der Arteriolae als auch 
der grösseren Arterien, in gewissen Fällen zweierlei Folgen 
haben: 1) Ableitung des überschüssigen Blnts aus Gebieten, 
die mit ihm überfüllt sind in Gebiete, aus denen das 
Blut durch Verengerung des Strombettes verdrängt war; 
es erfolgt also sozusagen eine Transfusion von Blut aus 
einem Gebiet in das andere, aber innerhalb der Grenzen 
desselben Systems nnd ohne jeden Blutverlust für den 
Kranken; 2) Die Strombetterweiterung der peripheren 
Blutcirculation bewirkt eine Entlastung des Herzens: es 
beginnt stärker zu schlagen und erzeugt einen reich¬ 
licheren und schnelleren Strom, was leicht durch die 
entsprechende Veränderung des Sphygmogramras zu 
erweisen ist: man erhält also eine verstärkte Herzthätig- 
keit bei minimalem Kraftverbrauch von Seiten der Ner- 
vencentreu, die besonders bei der Cholera aufs Aeusserste 
zu schonen sind, ln beiden Fällen kann der Organismus 
nur gewinnen. 

Die Resultate ähnlicher Veränderungen habe ich häufig 


*) Marey La circulation du sang ä l’dtat physiologique et 
dans les maladies. Paris 1881, § 409. 

') Trusse witsch. Gebiet der Anwendung nnd Regeln der 
Dosirung des Nitroglycerins (Anenrosin’s). St. Petersburger 
medicinische Wochenschrift, 1887 Nr. 1 und Mexnnmcxoe 
Oöospknie 1887. 


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Bei der NltrogTycerinbehandlung von Seekrankheit, Migräne, 
Asthma und Angina pectoris von angiospastischein Typus 
sehen können, ebenso in Fällen von acuter Congestion 
der Lungen und andrer Organe 4 * ). Ich muss noch hin¬ 
zufügen, dass man das Nitroglycerin in Folge seiner 
Einwirkung auf die Gefftssuerven als sehr gutes exciti- 
rendes and robarirendes Mitted. bezeichnen muss; diese 
Eigenschaften sind von vielen Autoren bei der 
Verordnung bei Ohnmächten und anderen Zuständen 
von Prostration constatirt worden. Ich weise auf die 
Beobachtungen von Green 6 ). (Behandlang der Herz¬ 
schwäche), Weil*) (Frostperiode der Febris intermittins), 
Burroughs 1 * ) (Collaps) und auf den Autor eines Auf¬ 
satzes *), der energisch das Nitroglycerin als Excitaiis 
empfiehlt, hin. Einige meiner Patienten, welche das 
Mittel während irgend einer allgemeinen Erschöpfung 
nahmen, z. B. nach übermässigen geistigen Anstren¬ 
gungen oder nach schlaflosen Nächten, stellten die Wir¬ 
kung eines Tropfens der 1 pCt. Nitroglycerinlösung der¬ 
jenigen eines Glases guten Weins gleich. Schliesslich 
erwähne ich die harntreibende Wirkung des Mittels (bei 
gestörter Nierenfunction) und den Umstand, dass Uebel- 
keit und Erbrechen in vielen Fällen von ihm günstig 
beeinflusst werden, was Prof. Talma 9 ) bei verschiedenen 
krankhaften Zuständen und ich bei der Behandlung der 
Seekrankheit bestätigen konnten. Ich warne nur vor der 
Verordnung des Nitroglycerins in grösseren Einzeldosen 
als den angegebenen, obgleich man sie 3—4 Mai täglich 
geben kann, und vor der Verdünnung desselben mit 
Wasser und Aufnahme in den Magen da man im ersten 
Fall eine unerwünschte, im zweiten Fall garkeine Wirkung 
erhalten kann. 

Ein anderes Ding ist es, wenn die Palpation der 
Radialarterie solche Veränderungen anzeigt, dass difr 
Pulsschwäche mit Erschlaffung der Gefässwand, Weich¬ 
heit oder vollständigem Schwinden der Contouren des 
Gefässes verbunden ist. Hier hat die Therapie die Auf¬ 
gabe, die Contractilität des Gefässes zu verstärken, das 
periphere Strombett nach Möglichkeit zu verengern, wenn 
die Structur der Gefässwand das noch zulässt, und 
damit dem Herzen befriedigendere Thätigkeit zu er¬ 
möglichen. Viele Beispiele weisen darauf hin, dass im 
Lauf einer und derselben Krankheit ganz verschiedene 
Zustände des Blutgefässsysteras Vorkommen können, und 
in diesem, so zu sagen, Reactions- und Erschlaffungs¬ 
stadium, gewöhnlich in «len späteren Perioden der Krank¬ 
heit, muss die Einführung von gefässverengemden Mitteln 
von Nutzen sein; unter diesen halte ich für das beste 
eine Lösung von Ammoniak. Meine 10 ) und vieler Autoren 
Beobachtungen bestätigen vollkommen die ungewöhnlich 
excitirende Wirkung subcutaner und intravenöser In- 
jectionen dieses Mittels in einer ganzen Anzahl von 
Fällen. 

Es ist schon von mir beschrieben worden, dass die 
subcutane Einverleibung von 3—8 Tropfen Salmiakgeist 
auf eine Pravaz’sche Spritze destillirten Wassers in der 
grössten Mehrzahl der Fälle nicht nur unschädlich ist, 
sondern eine ungewöhnlich schnelle und dauernde Er¬ 
höhung der Herzthätigkeit und eine Verbesserung des 
Allgemeinbefindens zur Folge hat. Der kleine Schorf, 
der sich in einem (dem ersten) Fall an der Einstich¬ 
stelle bildete, konnte in den übrigen durch leichtes 


4 ) TpyceBH^i. RHTporamepMHi. (AHeBpoaHH'BiBXMeÄinHHi. 
2 h8ä. cTp. 105, 126, 134, 139. — Ero-ace Monorpa^ia: Mopcaaa 
Öojrfcaai,. 

‘) Green. Practitioner 1882 p. 103. Brit. medic. Jonrn. 
1882 p. 573. 

*) Wei 1. The tberapeut. gaz. 1885, I, p. 225. 

7 ) Burroughs. Practitioner 1885. p. 298. 

*) Allgem. med. Centralzeitnng 1887. 

*) Talma (Utrecht). Zeitschrift für klinische Medicin. 1884. 

Bd. VIII, p. 333. 

*•) MejumracKoe OßoeptBie 1884 JA 24. 


Streichen der Haut vermieden werden; dafür waren die 
Resultate dieser Behandlung im höchsten Grade befriedi¬ 
ge ud selbst in Fällen hoffnungslosen Kräfte Verfalls, z. B. 
nach Vergiftungsversuchen, besonders mit Opium (Mace- 
wen 11 ), Carbolsäure (Davidson**) Salzsäure (mein Fall), 
ebenso bei völliger Prostration nach Schlangenbiss(Sso- 
kolowski**), Comminutivfractur (Cotton 14 ), Amputation 
(Tibbis* 6 ), Bruststich (Flint **) und bei mehr chronisch 
entwickeltem Kräfteverfall (z. B. in meinem Fall von 
Lungenschwindsucht, 1. c.‘). Selbst in der Agonie ist es 
mir mehr als einmal gelungen, eine wenn auch kurz¬ 
dauernde Wiederkehr des Bewusstseins zu erzielen. 

Dieses Mittel gab oft einen augenscheinlichen Effect 
und wandte den scheinbar sicher zu erwartenden letalen 
Ausgang auch in solchen Fällen ab, in denen alle 
übrigen sogenannten excitirenden und belebenden Mittel 
vergeblich angewandt waren; soviel ich bemerken konnte, 
erhöhte die Beimengung von Aether, Kampher oder 
Moschus zum Ammoniak den Effect des letzteren gar- 
nicht. 

Der Salmiakgeist ist auch als symptomatisches Mittel 
innerlich mit Wasser zu gebrauchen und mir ist es be¬ 
kannt, dass seine Lösung zusammen mit Kochsalz und 
Rhabarber während einer der früheren Choleraepidemien 
tim" Tschernigowschen Gouvernement) unzweifelhaften 
Nutzen gebracht hat. Uebrigens erinnere ich hier an 
grosse Gaben heissen Kaffees: ich selbst habe Gelegen¬ 
heit gehabt, ihn bei Cholerine und Dysenterie anzu¬ 
wenden; er wirkt nicht nur als Excitans und Tonicum 
(pöfdssverengend), sondern wahrscheinlich auch als Anti- 
septicum. 

Zur Ergänzung des Obengesagten kann mau als Des- 
inficiens für den Darrainhalt die innerliche Anwendung 
der zwei- bis dreifach mit Wasser verdünnten schwedi¬ 
schen Flüssigkeit «Atukos» vorschlagen, die unter 
Anderem Thymol und Borax enthält; ihre antibakteriellen 
Eigenschaften sind leider nicht geprüft, aber Lister, 
Mosetig u. A. haben sich für ihre antiseptischen Eigen¬ 
schaften ausgesprochen. 

Endlich scheinen mir die ersten Massnahmen der Mit- 
cliell’schen Behandlungsmethode der Neurasthenie und 
Anämie, nämlich absolute Ruhe und allgemeine metho¬ 
dische Massage, bei Cholerakranken angewandt, zur Er¬ 
höhung der Hauttemperatur, der Circulation und Inner¬ 
vation beitragen zu können. 

Mir. obigen Bemerkungen möchte ich die Aufmerksam¬ 
keit der Aerzte, die ein hinreichendes Material an 
Cholerakranken zu ihrer Verfügung haben, auf zwei 
Mitte, richten, die freilich nur symptomatische Bedeu¬ 
tung haben, deren Anwendung aber bei deutlicher Indi- 
catioi. von Seiten des Pulses wohl wünschenswerth und 
gerechtfertigt ist, besonders in den Fällen, in denen schon 
geraune Zeit verstrichen ist, oder die mit Enteroklyse, 
Hypr derraoklyse und andern, der Indicatio morbi ge¬ 
nügenden Methoden, nicht behandelt werden können. 


Ein Vorschlag 

zur Behandlung der Cholera asiatiea. 

Von 

Dr. Andreesen. 

Da ich selbst zur Zeit keine Gelegenheit habe Cholera 
aeiitica zn behandeln, so erlaube ich mir aus rein theo¬ 
retischen Gründen bei Cholera asiatiea Magenspülungen 


”) Macewen Glasgow med. Journ. 1872 p. 497. 

**) Davidson Med. Times and Gazette 1875, II, p. 597. 

**) CoKoaoBcxift PyKOBOflCTBo qacTHofi (papMaKOJiorii 1875, 
CTD. 129. 

**) Cotton Edinb. med. Journ. 1875, p. 771. 

“) Tibbis Med. Times and Gaz. 1872, II, p. 486. 

'•) Flint Boston med. and surg. Jonrn. 1879, CI, 2. 


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mit Tantrinlösnng zu empfehlen, um so zu versuchen eine 
der wichtigsten Indicationen bei der Choleratherapie zu 
erfüllen — Neutralisirung und schnelle Abscheidung des 
Choleragiftes. Es erscheint mir wahrscheinlich, dass das 
Cholerägift bei der während der Cholera im Magendarm- 
canal meist herrschenden Hypersecretion durch den Magen 
ausgeschieden wird, während die Function der Haut und 
Nieren stocken. Etwas Analoges wird bei Morphiumver¬ 
giftungen auch nach subcutaner Application beobachtet. 
Morphium ist nach subcntaner Injection im Magen nach¬ 
gewiesen worden, Magenspülungen daher bei Vergiftungs¬ 
erscheinungen indicirt, um zu vermeiden dass die durch 
den Magen ausgeschiedenen Morphiummengen wieder in 
den Kreislauf gelangen. Die Spülung des Magens mit 
Tanninlösung bei Cholera dürfte das Choleragi't fällen, 
ebenso wie das beim Darm angenommen wird, und mecha¬ 
nisch entfernen. Da Belladonnapräparate einen hemmenden 
Einfluss auf die Absonderung der Verdauungsseerete aus¬ 
üben, so scheint mir deren interne Anwendung besonders 
bei der Choleradiarrhoe, wo der Magen noch resorbirt 
ebenso rationell, wie beim chronischen Magensaftfluss. 
Bei Cholera in späteren Stadien würde ich Atropininjec- 
tionen versuchen. Zu gleicher Zeit würde ich Tannin- 
klystiere anwenden und mit allen Mitteln die Thäiigkeit 
der Haut und Nieren zu erzwingen suchen, besonders mit 
hydrotherapeutischen Proceduren wie sie Winternitz 
angiebt. 

Jalta, August 1892. 


Referate. 

C. A. Ewald: Zur Diagnose und Therapie der Krank¬ 
heiten des Verdauungstractus. (Berliner klin. Wochschr. 
Nr.Nr. 26 27. 1892). 


pro die verordnet werden kann. Seine gährungswidrigen Ei- 

g enschaften machen sich namentlich im oberen Theile des 
'arms geltend; hier spaltet sich das Benzonaphtol in Beta- 
naphtol nnd Benzoesäure. 

Handelt es sich nm Desinfection des unterhalb der Bauhin- 
schen Klappe gelegenen Darmabschnittes, so wendet man nach 
Verf. mit Vortneil Klysmen an. und zwar aus Chloral und 
Kalkwasser (0,5 Cbloral in 250 Ccm. Aq. Calcis) eventuell mit 
Znsat z einer 2 pCt. Lösung von Acidnm tannicum. 

Abelmann. 

Germain S6e (Paris): Ueber neue Calciumsalze in der 
Therapie. (Deutche medic. Wochenschrift Nr. 22. 1892). 

Verf. gelangt auf Grund seiner zahlreichen Versuche und 
Beobachtungen zu der Ueberzeugnng, dass die Calciumsalze 
resp. die Brom-, Chlor- und Jodsalze eine überaus wichtige 
Rolle in der Therapie verschiedener Krankheiten zu spielen 
verdienen. Um den Kalk sicher in den Organismus einzu¬ 
führen, muss man die Calciumsalze verordnen, das Brom- and 
vornehmlich das Chlorsalz, das mehr als ein Drittel Calcium 
enthält. Die gebräuchlichen Kalkpräparate sind ansicher, 
weil sie nur in ganz kleinen Mengen absorbirbar sind; sie 
gehen vielmehr fast vollständig durch den Darm fort. 
Bei einer grossen Reihe von Dyspepsieen and Magenleiden 
wirken die Brom- und Chlorverbindungen des CalciHms sehr 
günstig ein. Das Chlorcalcium fällt die organischen Säuren 
nnd gestattet die Bildung von Salzsänre. Fettsäuren werden 
in Gestalt von Kalkseifen gefällt, dadurch weiden die Magen* 
gährungen eingeschränkt; die Milchcoagolation im Magen 
wird durch CaJciutnsalze beschleunigt. Das Jod und das 
Bromoalcinm sind ganz besonders geeignet die Wirkung des 
Jods und des Broms anf den Organismus herbeizufübren. denu 
der Procentaatz des Jods und des Broms ist'hier ein weit 
höherer, als bei jedem anderen Salze. Andererseits hat das 
zur Neutralisation des Broms nnd Jods verwandte Calcium 
weder die oft unerwünschten activen Eigenschaften des 
Kaliums, noch die Wirkungslosigkeit des Natriums. Das 
Jodcalcium wirkt auf die speciflschen Krankheiten sehr gut, 
wird dabei von den Verdannngsorganen vertragen, während 
die Kaliumverbindungen ihnen geradezu schädlich und. 

Abelmann. 


Bis vor relativ kurzer Zeit war man der Meinung, dass das 
Fehlen der Salzsänrereaction die Annahme eines bösarti;;en 
Magenleidens sehr wahrscheinlich mache. Die Irrigkeit djtser 
Hypothese hat sich erst im Laufe der letzten Jahre drrch 
einwandsfreie Beobachtungen heraus gestellt. Bekanntlich dent 
die Salzsäure zunächst dazu, nm die vorhandenen organisc hen 
und anorganischen Basen sowie die Eiweisskörper zu bin len. 
Gewöhnlich ist die HCl des Magens hierfür mehr als ausrei¬ 
chend, so dass bald nach der Einbringung von Nähre ngs- 
mitteln bis za ihrem Anstritt ans dem Magen freie Salzrünre 
im Mageninhalt nachweisbar ist. Znweilen aber reicht die 
HCl nicht ans, selbst wenn sie mehr oder weniger reichlich 
secernirt wird, den Mageninhalt zu sättigen. Um das Verhalten 
der HCl-production genau zu benrtheilen, muss man daher 
anch naenweisen, wie viel locker gebundene HCl im Magen¬ 
inhalt sich befindet. Hat man nnn das Verhalten der HCl im 
Magen genau eruirt, so wird man es zu diagnostischen Zwecken 
nur mit der grössten Vorsicht verwenden können, da ein und 
dasselbe Verhalten der HCl verschiedenen pathologischen Zu¬ 
ständen des Magens gemeinsam sein kann, Ganz besondere 
Schwierigkeiten bereitet häufig die differentielle Diagnose 
zwischen Magencarcinom und der sog. Atrophie resp. Anade nie 
der Magenschleimhaut. Zur Bestätigung dieses fuhrt V« rf. 
einen Fall vor, wo weder HCl noch Pepsin, noch Pepion im 
Mageninhalt vorgefnnden wurde. Es wurde die Wahrschcin- 
lichkeitsdiaguose auf Anadeuie gestellt, und durch geeignete 
Diät nnd Medication konnte der Zustand des Patienten ge¬ 
bessert werden. In diesen Fällen kommt es namentlich dr; uf 
an, die Gährungen im Magen nach Möglichkeit zu beschr ,nk n 
und die Muscnlatur des Magens zu kräftigen, damit die Speis m 
möglichst bald in den gut fnnctionirenden Darm übert ettn. 
Was die Kräftigung der Magenbewegungen anlangt, s«- v<r- 
sagen hier die üblichen Medicamente (Strychnin, Physostirmin, 
Belladonna etc.). Zweckmässiger ist schon die systematisdi 
geübte körperliche Bewegung (Schwimmen, Turnen, B dt« u 
etc.) und die Massage. Am wirksamsten aber hat sich de ti 
Verf. die von ihm modifleirte Einhorn’sche Faradisation du 
Magens erwiesen: eine an einem mässig elastischen bo gi«- 
artfgen Stiele befestigte mandelförmige Elektrode wird ii< ac i 
mit Wasser gefüllten Magen geschoben, die andere Elekt. od • 
anf das Sternum gesetzt nnd der Strom geschlossen. Die Er 
folge sollen nach Verf. recht zufriedenstellend sein. Bezug icl 
der Magendesinfection ist hervorznheben, dass sich 3 Pr: oa 
rate als besonders zweckmässig erwiesen haben: Resoi in, 
Bismnthnm salicylicnm und Benzonaphtol. Besonders das letzt re 
wird vom Verf. empfohlen. Es ist ein weisses, gernchlo es 
Pulver, von sehr geringer Toxicität, so dass es bis zu 5 Gm, 


Bücheranzelgen und Besprechungen. 

Gustav Naumann: Ueber den Kropf und dessen Be¬ 
handlung. Aus dem Schwedischen übersetzt vonO. Rey- 
her. Lund, Möller’s Univ.-Bachhandlung 1892. 191 

Seiten. 

Das vorliegende Bnch ist Jedem zu empfehlen, der sich kurz 
über den gegenwärtigen Stand der Chirurgie des Kropfes 
instruiren will. Die Darstellung des interessanten Gegen¬ 
standes .ist sehr klar, kurz, dabei aber doch so vollständig, 
dass sie dem Chirurgen, der allerdings, wenn er mit Erfolg 
Kröpfe behandeln will, die grundlegenden Arbeiten von 
Kocher, Billroth. Wölfler n. A. stndirt haben muss, in 
ausreichender und zusammen fassender Weise alles Wesent¬ 
liche über jeden ihn interessirenden Punkt bietet. Ueber eigene 
neuo Erfahrungen verfügt der Verf. scheinbar nicht. Ana¬ 
tomie, Entwickelung, Physiologie der Schilddrüse, Geschichte, 
Verbreitung, Aetiologie, pathologische Anatomie, Wachsthnm- 
verhältnisse, Symptome, Verlauf, Diagnose und Prognose des 
Kropfs werden im ersten Theil des Baches besprochen. Der 
zweite, grössere Theil behandelt die Therapie, wobei alle neuen 
wichtigen Arbeiten hinreichend berücksichtigt sind. Ein aus¬ 
führliches Literaturverzeichnis bildet den Schluss des Buchs. 
— Störend bei der Lectüre sind die vielen Druckfehler, die 
bei einer etwa erforderlichen zweiten Auflage beseitigt werden 
müssten. Wanach. 

Prof. Nil Filatow: Semiotik und Diagnostik der Kin¬ 
derkrankheiten. Nach der 2. russischen Auflage über¬ 
setzt von A. Hippins. Stuttgart. Verlag von Ferdinand 
Enke. 1892. 

Wir begrüssen mit Freuden das Erscheinen einer deutschen 
Uehersetzung des Filatow’schen Werkes, das in Russland 
im Laufe eines Jahres 2 Auflagen erlebt hat. Obgleich es in 
der deutschen Literatur gewiss nicht an aasgezeichneten 
Werken über Kinderheilkunde mangelt, so wird doch nach 
unserer Ueherzengung, das vorliegende Lehrbuch einen grossen 
Leserkreis finden; es hält nämlich eine glückliche Mitte zwi¬ 
schen den kurzen, neuerdings wieder mehr and mehr anfkom- 
menden Compendien, die einem Anfänger wegen ihrer Kürze 
nicht viel nützen können, nnd den grossen vielbändigen Hand¬ 
büchern, die nur derjenige mit Erfolg stndiren kann, der die 
hauptsächlichsten Erscheinungsformen der geschilderten Krank- 


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heiten aas eigener Erfahrung in der Klinik kennen gelernt 
hat. Verf. bezeichnet es als Tendenz seines Werkes dem An¬ 
fänger einen Leitfaden in die Hand zu geben, der ihm die 
Erkennung der Cardinalsymptorae der gewöhnlichsten Kinder¬ 
krankheiten erleichtern und ihn vor der Gefahr schützen soll 
sich in Details zu verlieren. Dieses Ziel sucht er in der 
Weise zu erreichen, dass er die Krankheitsbilder der ver¬ 
schiedenen Aflfectionen nur in den wichtigsten Symptomen 
anführt, letztere selbst aber in ihrer klinischen Bedeutung 
sorgfältig erläutert: auf die für differentielle Diagnose wich¬ 
tigen Punkte wird namentlich aufmerksam gemacht. Die 
Aetiologie und Therapie der Krankheiten sind entsprechend 
der Tendenz des Buches consequent ausgeschlossen. Verf. hat 
sein Programm meisterhaft durchgeführt. Die Uebersetzung 
ist correct, die Ausstattung eine sehr saubere. 

Abelmann. 

Prof. Aug. Gärtner: Leitfaden der Hygiene. Berlin 1892. 
Verlag von S. Karger. 

Immer mehr macht sich die hervorragende Bedeutung der 
Gesnndbeitslehre — als eine der wichtigsten medicinischen 
HülfswisBenschaften geltend; haben doch die jetzt so oft 
segensvoll wirkenden prophylaktischen Maassnahmen nur dank 
den mit Riesenschritten vorwärts strebenden Lehren der Hy¬ 
giene sich aufbauen lassen. In dem vorliegenden Buche Prof. 
Gärtner’s finden wir alles Wlssenswerthe auf dem Gebiete der 
Gesundheitspflege in übersichtlicher Weise zusammen gefasst, 
Mit grosser Geschicklichkeit hat Verf. in knappen Strichen, 
ohne dabei der Vollständigkeit Abbruch zu thnn, alle Haupt¬ 
punkte des hygienischen Bereiches geschildert. Eine treffliche 
eingehende Bearbeitung hat das den Praktiker hauptsächlich 
interessirende Capitel der Infectionskrankheiten gefunden; aber 
auch die Bearbeitung der anderen Capitel Über Wohnnngs- 
hygiene. Klima, Nahrungsmittel etc. lässt nichts zu wünschen 
übrig. Durch kurze Erläuterungen der physikalisch-chemischen 
Untersuchungsmethoden, sowie durch gelungene Illustrationen 
ist für die leichte Verständlichkeit und Uebersichtlichkeit ge¬ 
sorgt worden. Das Buch entspricht vollkommen seinem vom 
Verf. ausgesprochenen Zwecke, als Einführung in die Hygiene 
zu dienen und kann auf das Wärmste empfohlen werden. 

Abelmann. 

H. Cohn: Lehrbuch der Hygiene des Apges. Zweite 
Hälfte. Wien und Leipzig,* Urban und Schwarzenberg. 
1892. Mit zahlreichen Holzschnitten und einer Tafel in 
Farbendruck. 

Nachträglich, als die erste Hälfte des Buches von uns in 
Nr. 14 bereits besprochen war, ging uns die zweite, übrigens 
weit grössere Hälfte desselben zu, welcher auch das bis dahin 
vermisste Vorwort angeschlossen ist. Wir sehen uns daher 
veranlasst, unserer damaligen Besprechung einige Worte hin¬ 
zuzufügen. Der grosse Umfäng des ln geschickter und über¬ 
sichtlicher Anordnung gebotenen Stoffes verbietet ein genaues 
Referat. Wir beschränken uns deshalb auf eine kurze Inhalts¬ 
angabe. Die vorliegende zweite Hälfte umfasst die Capitel: 
Kurzsichtigkeit, Augenleiden bei Onanisten, syphlitische Augen¬ 
krankheiten. Sehschwache bei Rauchern und Trinkern, Augen¬ 
leiden in Folge von Blendung, Berufs-Augenkrankheiten, Ver¬ 
letzungen des Auges, Netznautleiden bei Kindern blutsver¬ 
wandter Eltern, Farbenblindheit. Enthält ein jedes dieser 
Capitel des Interessanten genug, so ist doch dasjenige über 
die Kurzsichtigkeit das werthvollste; es kann als eine Mono¬ 
graphie über die Entstehung und Verhütung der Myopie und 
über, die Schulhygiene des Auges gelten und ist vom ge¬ 
schätzten Verfasser, der ja als ein Vorkämpfer auf diesem 
wichtigen Gebiete der Augenhygiene bekannt ist, offenbar mit 
besonderer Sorgfalt behandelt worden; an Umfang nimmt es 
fast ein Drittel des ganzen Werkes ein. Indem wir das 

g anze ebenso musterhaft ausgestattete wie inhaltlich reiche 
uch hier nochmals empfehlen, möchten wir im Hinblick auf 
eine spätere Auflage wiederum den Wunsch äussern, dass 
Alles, was nicht eigentlich zur Hygiene und Prophylaxe ge¬ 
hört, insbesondere die Symptomatologie and Therapie der 
einzelnen Augenkrankheiten, künftig fortgelassen werden 
möchte, damit das Werk vollständig dem Titel entspräche und 
auch dem gebildeten Laien ganz verständlich würde, was es 
in der gegenwärtigen Form trotz consequenter Verdeutschung 
der Fremdwörter doch nicht sein kann. Auch könnten die 
Grenzen der Angenhygiene als solcher vielleicht enger ge¬ 
zogen werden; uns scheinen dieselben zu weit gesteckt, wenn 
z. B. bei den syphilitischen Angenkrankheiten die Prophylaxe 
der venerischen Krankheiten überhaupt, die Fragen der Pro¬ 
stitution, des Ammenwesens etc, erörtert werden. Von grossem 
Werthe ist das dem Werke beigegebene sehr umfangreiche, 
nach Capiteln geordnete Literaturverzeichniss. Blessig. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Prof. G6rard macht darauf aufmerksam, dass das Ei- 
weise im Harn bei Morbus Brightii unter dem Ein-* 
fluss einer Milchkur in Propepton oder Albumose 
sich verwandelt und beim Erhitzen nicht mehr gerinnt. 
Es genügt daher in solchen Fällen die Kochprobe zur Unter¬ 
suchung des Harnes nicht, sondern es müssten auch andere 
Untersuchungsmethoden in Anwendung gezogen werden. 

(Journ. de pharroacie — Wj .). 

— Pasteur hat in der Sitzung der Pariser Akademie der 
Wissenschaften (20. August n. St.) die Mittheilung gemacht, 
dass die von dem russischen Biologen Dr. Hawkin (welcher 
im Pasteur’schen Institut arbeitet) an seiner eigenen Person 
und an drei anderen Personen (ebenfalls Russen) vorge- 
nomraenen Impfversuche gegen die Cholera zu Ergebnissen 

S eführt hätten, die zu weiteren Versuchen ermuthigten. — 
lawkin hat sich bereits nach Russland gewandt mit dem 
Vorschläge, seine Schutzimpfungen gegen die Cholera in den 
von der Seuche heimgesuchten Gegenden zu prüfen und 
günstige Urtheile von Pasteur und Roux über die von ihm 
aargestellte Vaccine beiget'ttgt. In St. Petersburg hat, wie 
die «Nowosti» erfahren, in dieser Angelegenheit eine private 
Berathnng von Aerzten (DDr. Batalin, Rauchfass, 
Remmert, Lewin, Raptschewski, N. J. Ssokolow u. A.j 
sattgefunden, welche zu dein Schluss« gekommen sind, dass 
die Schutzimpfungen mit abgeschwächtem Choleragift zur 
Zeit noch nicht über die Bedeutung von blossen Laboratoriums¬ 
versuchen hinausgehen. 

— Bei essentieller Anämie ist nach Hare Cuprum arsenf- 
cosum dem Liquor. Fowleri vorzuziehen, und zwar in folgender 
Dosis 0,0012 — 0,0024 drei Mal täglich nach dem Essen. Ver¬ 
dauung und Gesichtsfarbe sollen sich bessern, Heilung sehr 
bald eintreten. (M6d. mod. III. 21). 


Die Pensionskasse für Wittwen und minderjährige Waisen 
der Aarzte des livländischen Gouvernements. 

Wie aus dem in der vorigen Nr. der Wochenschrift mitge- 
theilten Programm des bevorstehenden 4. Livländischen Aerzte- 
tages in Wenden zu ersehen, findet am 16. September nach 
Schluss der Sitzungen die constitnirende Versamm¬ 
lung der Pensionscasse für Wittwen und min¬ 
derjährige Waisen von Aerzten des L i vländi¬ 
schen Gouvernements statt. 

Obschon es seit Jahren unter den Aerzten der Ostsee¬ 
provinzen nicht an ernsten Bestrebungen gefehlt hat, die 
Zukunft ihrer Wittwen nnd Waisen sicher zu stellen, so ist 
es doch erst den Bemühungen des Livl. Aerztetages gelungen, 
in dieser Sache erfolgreich vorzngehen und die obrigkeitliche 
Bestätigung der von einer zu diesem Behuf eingesetzten 
Commission entworfenen Statuten einer Pensionskasse für 
Wittwen und Waisen der Aerzte Livlands zu erlangen. Leider 
ist die von der Commission in dem Statntenentwurt ursprüng¬ 
lich in Aussicht genommene Beteiligung der Aerzte der 
Nachbarprovinzen ausgeschlossen, da in Folge einer vom Mini¬ 
sterium beliebten Abänderung der Statuten nur in Liv¬ 
land lebende Aerzte Mitglieder der Kasse 
werden können, auswärts lebende jedoch nicht. Immer¬ 
hin ist es erfreulich, dass mit dieser Livl. Pensionscasse — 
wenn auch mit der Beschränkung auf nur ein Gonvernement 
— der Anfang für eine geregelte Versorgung von nothlei- 
denden Wittwen und Waisen der Aerzte gemacht wird. Es 
wird nun aber auf eine rege Beteiligung der Aerzte Livlands 
ankoramen, um das geplante gemeinnützige Werk zu Stande 
zu bringen, da nach einer Bestimmung der Statuten die 
Kasse ihre Tbätigkeit nur in dem Falle be¬ 
ginnen kann, wenn an ihr nicht weniger als 100 
Mitglieder sich betheiligen. Nach einer ungefähren 
Schätzung beträgt die Zahl der prakticirenden Aerzte in Liv¬ 
land gegen 250; es wird also eine Beteiligung von wenigstens 
40 pCt. aller Aerzte Livlands erforderlich sein. 

Uni unseren Lesern Einsicht in die Statuten der Kasse zu 
gewähren, geben wir nachstehend einige der wichtigsten Be¬ 
stimmungen der Statuten wieder: 

Das Capital der Kasse wird gebildet durch die 
Eintrittsgelder der Mitlieder, Schenkungen und Vennächt¬ 
nisse zu Gunsten der Kasse, die nach Deckung der Verwal¬ 
tungsausgaben und Anszahlung der Pensionsquoten restiren- 
den Zinsen, die Strafgelder für verspätete Zahlung der Bei¬ 
träge, sowie die Pensionsqnoten, welche im Verlaufe von 10 
Jahren nicht erhoben worden sind (§ 3). — Der Eintritt in 
die Kasse steht jedem Arzte offen, welcher im Livländischen 
Gouvornement lebt und das Diplom einer russischen Univer¬ 
sität besitzt Der Eintritt gilt als perfect, sobald die drei 
Curatoren der Kasse und zwei Curatorsubstituten sich ein¬ 
stimmig für die Aufnahme ausgesprochen haben. Bei V e r - 


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Weigerung; der Aufnahme kann (der C&ndidat bei der 
General Versammlung Beschwerde führen. Das Curatorium 
kann, falls es ihm erforderlich erscheint, über den Gesund¬ 
heitszustand des Candidaten genaue Auskunft einholen (§ 4). 
Im Falle freiwilligen Austritts kann die Zurück¬ 
erstattung der eingezahlten Gelder nlobt beansprucht werden. 
Im Falle jedoch des Todes eines Mitgliedes vor der für die 
Auszahlung der Pensionen festgesetzten Frist ist die Kasse 
verpflichtet, spätestens 1 Jahr nach dem Todestage sämmt- 
liche Einzahlungen voll zurückzuerstatten. Wechsel des Wohn¬ 
orts und Aufgabe der Praxis bedingen nicht den Austritt 
aus der Kasse (§ 5). Jedes Mitgliednat ein einmaliges 
Eintrittsgeld zu zahlen und zwar, wenn von dem Tage, 
an welchem der Candidat den ersten medicinischen Grad 
erhalten hat, ein Zeitraum verflossen ist von 1—5 Jahren — 
50 Rbl.; 5—10 Jahren — 75 Rbl.; 10—15 Jahren — 100 Rbl.; 
15—20 Jahren — 125 Rbl.; 20—30 und mehr Jahren — 150 Rbl. — 
Der Jahresbeitrag beträgt 20 Rbl., welcher 
eine Pensionsquote von 100 Rbl. sichert. Bei 
Zahlung eines 2 nis 5 fachen Eintrittsgeldes nnd einem 
2—Sfacnen Jahresbeiträge kann eine 2bis öfache Pen¬ 
sionsquote erworben werden. Durch Entrichtung 
der Jahresbeiträge für 5 Jahre im Voraus 
kann der Theilnehmer die Auszahlung der Pension an seine 
Wittwe und Waisen auch vor Ablauf der 5 Carenzjahre 
sichern. Der Jahresbeitrag ist stets am 2. Octob. 
pränumerando zu entrichten, später nur mit Straf¬ 
zahlung von l pCt. monatlich. Bei Unter¬ 
lassung der Zahlung desBeitrages bis Ablauf 
des Jahre8, erfolgt die Ausschliessung aus der 
Zahl der Mitglieder unter Verlust sämmtlicher gelei¬ 
steter Einzahlungen. Geschiedene Frauen und Wittwen, welche 
eine neue Ehe eingehen, verlieren das Am echt auf Pension zu 
Gunsten der minderjährigen Erben des verst. Mitgliedes. Die 
Auszahlung der Pension findet, sobald 5 Jahre seit Beginn 
der Tbätigkeit der Kasse verflossen si nd, alljährlich in den 
ersten Tagen des Monats Januar statt; die erste Auszahlung 
erfolgt aber erst in dem auf das Todesjahr des verstorb. Mit¬ 
gliedes folgenden Januar. 

Die Verwaltung der Casse besteht ans 3 Curatoren und 
3 Stellvertretern derselben, welche von der alljährlich statt¬ 
findenden ordentlichen Generalversammlung jedes Jahr neu 
gewählt werden. Die Beschlüsse der Generalversamm¬ 
lung erlangen gesetzliche Kraft, wenn an der Versammlung 
nicht weniger als '/* aller Mitglieder persönlich nnd J /4 in 
Vollmacht theilgenommen haben. Zur Abänderung des Statuts 
ist die Zustimmung von */s aller Mitglieder erforderlich. 

Das Curatorium hat seinen Sitz in Riga und tritt 
alljährlich mindestens 2 Mal zusammen.—Beigefügt ist den Sta¬ 
tuten eineRentabilitäts Berechnung der Kasse, 
welche die Stabilität der in Aussicht genommenen Pensions- 

S uoten, ja mit Wahrscheinlichkeit sogar ein baldiges Steigen 
erselben nachweist. 


Vermischtes. 

— Ordensverleihungen; Der St. Annen-Orden 
I. Classe — dem Wirkl. Staatsrath Pr. Wreden, bestän¬ 
digem Mitglied des Gelehrten Militär-Medicinischen Comit^s 
und Ehren-Leib-Otiater des Allerhöchsten Hofes. — Der St. 
Stanislaus-Orden I. Classe — den Wirklichen Staats- 
räthen: Dr. Sawarykin, Prof, emeritus der Militär Medicini¬ 
schen Akademie Dr. Obraszow, Arzt der Hauptintendantur- 
Verwaltung und Dr. Nikolajew, Canzlei-Director der Ober- 
Militär-Medicinalverwaltung. — Der St. Wladimir-Orden 
III. Classe — dem Wirk!. Staatsrath Dr. Popow, ordent. 
Prof, der Militär-Medicinischen Akademie und dem stellv. 
Pleskauschen Medicinal- Inspector, Wirklichen Staatsrath 
Dr. Rauch. 

— Befördert: au Geheimräthen — die Wirklichen Staats- 
räthe Dr. Fowelin, Corpsarzt des Gardecorps und Dr.Odno- 
ssumow, Corpsarzt des Kaukasischen Armeecorps. — Zu 
Wirklichen Staatsräthen Dr. Kossuchin, Corpsarzt des 
4. Armeecorps; Dr Polotebnow, ausserordentl. Prof, der 
Militär-Medicinischen Akademie, Dr. Woronzow, berathendes 
Mitglied des Gelehrten Militär-Medicinischen Comites und 
ausserordentl. Prof, der Militär Medicinischen Akademie. 

— Verstorben: 1) Am 7. August der Kreisarzt in Lai- 
schew (Gouv. Kasan) Alex. Deck, im 54. Lebenqjahie an 
der Cholera. Der Verstorbene, welcher gegen 25 Jahre in 
Lai'schew als Arzt thätig gewesen ist, war dort allgemein 
beliebt und geachtet. 2) Der jüngere Arzt des Ssimferopol- 
schen örtlichen Lazareths Beljajew. 3) Auf der ärztliclien 
Station im Kirchdorf Rostokan (Gouv. Moskau) hat sich am 
13. August der dort beschäftigte Medicinstudirende Wjerow 
erschossen. 4) Am 31. August in London der Professor der 
Chirurgie an der Universität Glasgow, Sir George Mac- 
leod. Der Hingeschiedene war während der Belagerung von 
Sewastopol Chef eines der Haupthospitäler. 


— In Jena beging am 8. September n. St. der ehemalige 
Director der dortigen chirurgischen Klinik, Prof. Franz 
Ried, sein 63jähriges Doctorjnbilänm. Er steht jetzt im 
82. Lebensjahre und war von 1836 -46 Professor in Erlangen, 
von 1846 bis 1884 Prof, in Jena. 

— Der berühmte Chirurg am Hotel Dien in Paris, Prof. 
Verneuil beabsichtigt in nächster Zeit von seinem Posten 
aus Altersrücksichten (er steht im 69. Lebensjahre) zurflck- 
zutreten. Prof Verneuil, welcher eine glänzende Laufbahn 
hinter sich hat, darf fast alle jüngeren Chirurgen der fran¬ 
zösischen Schule zu seinen Schülern rechnen. Er war auch 
einer der Ersten in Frankreich, welche die antiseptische 
Methode dort zur Geltung brachten. — Als sein Nachfolger 
wird der bekannte Chirnrg am Hospital Pitie, Prof. Lefort, 
genannt. 

— Zur Feier des 25jährigen Professorenjubiläums 
Professor Billroth’s, welche bei Beginn des Winter¬ 
semesters begangen werden soll, werden grosse Vorbereitungen 
getroffen. Von seinen ehemaligen und gegenwärtigen Schülern 
wird dem Jubilar eine Festschrift überreicht werden, in 
welcher die Leistungen Billroths auf chirurgischem und huma¬ 
nitärem Gebiet verzeichnet werden sollen. An diesem Werke 
arbeiten bereits zahlreiche Chirurgen in verschiedenen Ländern 
der Welt. Die Studentenschaft gedenkt einen Fest.commers 
und einen Fackelzug zu veranstalten. (A. m. C.-Ztg.). 

— Die Professur Lister’s am King’s College in Lon¬ 
don ist seinem Schüler und Gehfilfen, Dr. Watson Cheyne, 
übertragen worden. 

— Der Arzt Dr. F. A. Perelmann ist als Krons- 
Rabbiner in Ssimferopol bestätigt worden. 

(Krym. — W r.). 

— Für den durch den Rücktritt Prof. W. A. Manassein’s 
erledigten Lehrstuhl der speciellen Pathologie und 
Therapie an der militär-medicinischen Akademie sollen 12 
Bewerber sich gemeldet haben und zwar die Proff. M, G. 
Kur low (Tomsk) und M. J. Afanasjew (St. Petersburg), 
die Privatdocenteu J.J.Bogomolow, W.P. Dobroklonski, 
A. M. Dochraann, W. I. Drosdow, A. A. Lipski, W. N. 
Ssirotinin, G. A. Smirnow, N. I. Skokolow, N. I. 
Tschistowitsch und M. W. Iwanowski. Die Wahl wird 
zu Beginn des Semesters stattfinden. 

— In Astrachan hat der dortige Arzt Dr. Alexander 
Dalinger schwer die Cholera durchgemacht, ist aber bereits 
wieder hergestellt. 

— Die Einwohner des sogenannten «Nobel’schen Stadttheils* 
in Astrachan bähen den Aerzten M, A. Hahn und N. M. 
Zu mf.t, welche während der Choleraepidemie 6 Wochen auf 
dem Landungsplätze der Nobe''sehen Actiengesellschaft ärzt¬ 
liche Hilfe geleistet haben, beim Abschied von ihnen als 
Zeichen der Dankbarkeit für ihre aufopfernde Thätigkeit eine 
Adresse und Werthgeschenke überreicht. 

— Wir erfahren aus zuverlässiger Quelle, dass der bisherige 
Redacteur der Zeitschrift <Me;uuuiHa>, S. M. Wassiljew zum 
Professor der innern Medicin in Dorpat ernannt ist. Vou 
hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen desselben ist 
uns nichts bekannt. 

— Auf dem vorigjährigen livländischen Aerztetag wurde 
bekanntlich von Dr. A. von Bergmann die «Lues in Liv¬ 
land und die Mittel zur Abwehr derselben besprochen. In der 
Discnssion über diesen Vortrag wurde allgemein anerkannt, 
dass man nicht eher an eine wirksame Bekämpfung dieser 
Volksseuche gehen könne, als bis man einen verlässlichen 
Maassstab für ihre Verbreitung und ihre Fortschritte besitze. 
Ein solcher Maassstab kann aber nur durch eine genaue Sta¬ 
tistik, an der sich alle Aerzte Livlands — wenn möglich ohne 
Ausnahme — betheiligen, gewonnen werden. Ein von Dr. T r u- 
hart im Aufträge des Aerztetages an die Aerzte versandtes 
Circulair regte zu statistischen Beiträgen an. In Anbetracht 
der grossen praktischen Wichtigkeit der Frage richten wir 
die Auftnerksarakeit der livländischen Herren Collegen auf die 
an der Spitze dieses Blattes abgedruckte Aufforderung des 
Herrn Dr. T r u h a r t, die Einsendung der Verschlagschemata 
für Syphilis pro Sem. I 1892 zu beschleunigen und fügen 
unsrerseits den Wunsch hinzu, dass sich keiner der Herren 
Collegen der Erfüllung dieser Pflicht — als solche möchten 
wir die Betbeilignng jedes Einzelnen an der Bekämpfung der 
Laes bezeichnen — entziehen möge. 

— Die Militärärzte, welche behufs Bekämpfung der 
Cholera auf länger als 2 Wochen und weiter als 300 Werst 
abcommandirt werden, erhalten ausser ihrem Gehalt nnd den 
Reisegeldern noch folgende Extrazahlungen: 

1) Aerzte im Range eines Staatsrathes und höher 4 ßbl. 
täglich Diäten nnd 600 Rbl. zur Ausrüstung. 

2) Aerzte, welche im Range von Stabsofficieren stehen, 
sowie Doctoren der Medicin 3 Rbl. täglich und 450 Rbl. zur 
Ausrüstung. 

3) Aerzte, welche im Range von Oberofficieren stehen, 
2‘/* Rbl. täglich und 300 Rbl. zur Ausrüstung. 


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346 


Für Stadenten der Medicin sind 2 Rbl. täglich Diäten und 
200 Rbl. znr Ausrüstung ausgesetzt. 

Im Klassenrange stehende Feldscher erhalten IV« Rbl. täg¬ 
lich und 150 Rbl. znr Ausrüstung. 

— Vom Medicinalrath ist in denjenigen Ortschaften, in 
welchen keine Apotheken existiren, den Droguenhand- 
lungen die Verabfolgung von Weinen auf Grand 
eines ärztlichen Recepts gestattet worden, doch muss 
das Quantum jedes Ual genau angegeben sein. 

— In New-York wurden in’s dortige Bellevue-Hospital 
mehrere Knaben nacheinander aufgenommen, welche an Ab¬ 
dora in alt y phtts litten. Die Nachforschung ergab, dass sie 
alle im Flusse in der Nähe der Stelle sich gebadet hatten, an 
welcher die städtischen Abfälle in den Fluss geleitet werden. 

(Boston med. J. — Wr.). 

~ Dr. M. S. Braudo (Riga) macht in einem Schreiben an 
den «Wratsch» darauf aufmerksam, dass es vielleicht vortheil- 
hart wäre, die Arzneien bei der Cholera in keratinirten 
Fillen zu verordnen, da das Keratin bekanntich im sanren 
Magensafte unlöslich ist und die Arzneien in Folge dessen 
sicherer in den Darm gelangen Flüssige und ölige Mitttel, 
memt er, könnten in Gelatinekapseln, welche mit Keratin 
überzogen sind, verabfolgt werden. 

Dr. Braudo wirft ferner die Frage auf, ob es nicht rath- 
8am wäre — in Anbetracht der von Büchner festgestellten 
rhatsache, dass Jodoformdämpfe die Entwickelung der Cho- 
lerabacillen hemmen — bei der Cholera auch das Jodo¬ 
form in Keratinhüllen zn versuchen. 

— Das Medicinaldepartement macht in Anbetracht 
dessen, dass von Medicinalpersonen noch immer Anmeldungen 
mit dem Wnnsche einlaufen, in die von der Cholera ergriffenen 
Ortschaften commandirt zu werden, bekannt, dass in Folge 
erheblicher Abnahme der Epidemie dergleichen Abcomman- 
dirungen seitens des Departements nicht mehr erfolgen. 

^boleraepidemie in Hamburg' nimmt seit dem 
io. (30.) August ab, namentlich in Bezug auf die Zahl der 
schweren Erkrankungen. Nach den statistischen Angaben Dr. 
Keinckes, der an Stelle des bisherigen Medicinalinspectors 
IJr. Kraus die Leitung des Hamburgischen Medicinalwesens 
übernommen hat* sind m Hamburg bis zum 3. September n. St. 
im Ganzen ca. 7000 Erkrankungen und rund 4000 Todesfälle 
vorgekommen. Von den Aerzten in Hamburg ist, so viel'be¬ 
kannt, bis anf einen schon wieder genesenen Augenarzt, 
keiner an der Cholera erkrankt; ebenso sind im Warte- und 
iransportpersonal nnr vereinzelte Erkranknngen vorge- 
Komraen. In anderen Städten Deutschlands, in welchen 
tmolerafälle constatirt worden, sind dieselben bis Jetzt ver¬ 
einzelt geblieben. 

Jn Russland weist die Cholera einen weiteren all- 
mäiigen Rückgang auf, namentlich in den von der Seuche 
zuerst ergriffenen Ortschaften. Wir lassen hier eine inter¬ 
essante Ueberslcht über die Sterblichkeit an der 
Cholera in Russland folgen: 

Wie die Daten in den vom Regierungsanzeiger veröffent¬ 
lichten Cholerabnlletins ausweisen, sind während des Zeit¬ 
raumes vom 11. Juni bis zum 22. August in Russland 128,517 
Personen an der Cholera gestorben. Was die einzelnen Ge¬ 
biete und Orte des Reiches anbetrifft, so weisen die grösste 
Sterblichkeitsziffer Transkankasien (Baku, Tiflis und Jelisa- 
wetpol einbegriffen — 15,169 Sterbefälle), das Gebiet der 
Donischen Kosaken (mit Rostow — 14,415 Sterbefälle), das 
Terekgebiet (11,174 Todesfälle) und Ssaratow (10,187 Todes¬ 
fälle). Es folgen sodann mit einer Sterblichkeitsziffer unter 
10,000 das Knbangebiet (8935 Todesfälle), Ssaraara (8642 Todes¬ 
fälle), Tnrkestan (7704), Astrachan (7197). das Transkaspi- 
gebiet mit Taschkent und Aschabad (6037), das Daghestan- 
gebiet (4747), Woronesh (4344), Eriwan (4162), das Uralgebiet 
(3923), Gonv. Simbirsk (3541), Tambow (2150), Charkow (1912), 
Kasan (1682), VVjatka ( 1432), Nishni-Nowgorod (1344), Tobolsk 
(1277), Tomsk (1250), Omsk (1019), Jekaterinoslaw (935), Pensa 
(852), Ufa (719), Knrsk (718). Perm (643), St. Petersburg (616), 
das Karsgebiet (587), das Sakatalgebiet i483), Rjasan (283). 
Jaroslaw (240), Moskau (172), Poltawa (165), Orel(135), Sschu- 
scha (132), Lublin (87), Wladimir (84), Krim (83), Tula (80), 
Kostroma (73), Balachany (55), Cherson (39), Turgaigebiet (23), 
Bjely Gorodok (21), Tschernigow (21), Irkutsk (8), Jenisseisk 
(8), Twer (7), das Akmolinsk-Gebiet (5). 

Am meisten haben solche Gegenden gelitten, die sich durch 
ihren traditionellen Schmutz aaszeichnen und denen eine 
schnelle und gut organisirte Hilfeleistung und die noth- 
wendigen Präventivmassregeln mangelten. 

In St. Petersburg weist die Choleraepidemie in der 
letzten Woche ebenfalls eine erhebliche Abnahme der Er¬ 
krankungen auf (am 28. Angast — 100 Erkvankungsfälle, am 
29. August —81, 30. Angust— 62, 31. August —64, l.Septb. 
— 61 Erkranknngen). Nach den officiellen Bulletins betrug 
die Gesammtzahl der Erkranknngen bis znm 1. September 
Mittags 3143, die der Genesenen 1702 und der Verstorbenen 942. 


— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 30. Angnst d. J. 5664 
(115 weniger als in der Vorwoche), darunter 254 Typhus — 
(5 weniger), 540 SyphiWk (18 weniger), 22 Scharlach — 
(3 mehr), 5 Diphtherie -w (b weniger), 16 Masern -- (1 we¬ 
niger), 7 Pocken — (3 niehr) nnd 631 Cholerakranke (42 we¬ 
niger. 


Vacanzen. 

1) Das St. Petersburger Gouvernements - Land¬ 
schaftsamt ersucht die Aerzte, welche bereit sind die Lei¬ 
tung der temporären Hospitäler und der fliegenden Sanit’its- 
abtheilungen der Landschaft zu übernehmen, ihre Bedingungen 
im Hanse des St. Petersburger Adels, Michailstrasse, Anfahrt 
Nr. 3 aufzugeben. — Es sind auch Feldscher, Feldscherinnen 
und Hebammen (50 Rbl. Gehalt monatlich) nöthig. 

2) Die Pirjatinsche Landschaft (Gouv. Poltawa) 
sucht zur Bekämpfung der Choleraepidemie für einige Zeit 
Aerzte (Gehalt 200 Rbl. raonatl.), Studenten des 5. Cur- 
8us (100 Rbl. monatlich) und Feldscher (50 Rbl. monatl.). 
Die Meldung geschieht per Telegramm beim Kreislandschafts¬ 
amt. — 


MortalitÄte-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 16. August bis 22. August 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 

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514 372 886 121 49 106 15 13 44 141 149 104 63 44 24 8 5 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 11, Febris recurrens 1, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, PockenO, Masern 8, Scharlach 1, 
Diphtherie 0, Croup 3, Keuchhusten 3, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 15, Erysipelas 6, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 396, Ruhr 2, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 1, Parotitis epidemica 0, Kotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 1, Pyämie und Septicaemie 8, 
TuberculoBe der Lungen 70, Tnberculose anderer Organe 6, 
Alkoholismus und Delirium tremens 4, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 25, Marasmus senilis 15, Krankheiten des 
Verdanungscanals 121, Todtgeborene 27. 


Für die Woche vom 23. August bis 29. August 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


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Im Ganzen: © © 


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453 324 777 134 57 102 16 5 30 97 145 79 47 30 26 8 1 
2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 7, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 0, Masern 4, Scharlach 2, 
Diphtherie 1, Croup 2, Keuchhusten 5, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 6, Erysipelas 3. Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 285, Ruhr 6, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankbeit0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 0, Pyämie and Septicaemie 3, 
Tübercnlose der Lungen 79, Tnberculose anderer Organe 11, 
Alkoholismns nnd Delirium tremens 4, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 52, Marasmns senilis 18, Krankheiten des 
Verdanungscanals 130, Todtgeborene 29. 


An die Kedaotion eingesandte Büoher und Broohüren. 

L’otite grippale observ^e a Paris en 1891 par Dr. Loewenberg. 
(Sep. Abdr.). 

yiaaaTejb pyccicot jrrepaTypu no MaTeuaTHRfe, rhctumi» b np«- 
KjajHURT. ecTecTBeaauBi» Hayna»n> sa 1890 r., BaxasaeKuft xies- 
ckhmii o6mecTBOm> ecTecTBOHcnbiTo t ejieft nojt pejaxniefl B. K. 
CaBHH csaro. T. IX. Q-Saa 2 p. Kies*. 


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347 


ÄpxHBi. ClÖJTorH'iecKHXi nayKT>, HsjaBaenbifi HiinepaTopcKin:i. nu- 
cniTyTOMT» aKcuepHMeHTaji«Hott ne*Hanuhj B-h C.-IleTepöyprÄ. T. I, 
BbiuycKi 1 n 2. CII6. 1892 r. (Text russisch und französisch). 

Curaus der Massage mit Einschluss der Heilgymnastik von Dr. j 
Leopold Ewer-Berlin. Mit 101 Ahb. Berlin. II Kornfeld. 1892. 

Ilaudbuch der physiol. Optik von H. v. II e I m li ol tz. 2 Auflage. 

6 Lief. Hamburg und Leipzig. Leop. Voss. Ib92. 

Experimentelle und pathologisch - anatomische Untersuch ugen 
über Croup nnd Diphtherie vou I)r. K. Middeldorpf und 
Dr. E. E. Goldmauu. Jena. G. Fischer. 1892. 

Ungarisches Archiv für Mediciu redigirt v. Prof. Arpad Bokai, 
Ferd. Klug und Otto Petrik. 1 Bd. 1 u. 2 Heft. Wiesbaden. 

J. F. Bergmann. 1892. Pr. pro Bd. (6 Hefte) Mrk. 16 

Münchener med. Abhandlungen. Heft 23. Ueber die Wirkung des 
Tuberculinum Kochi bei Lupus v. Dr. Konrad Port. Heft 24: 
Acht Thesen gegen die Münchener Schwemmkanalisation von 
Max v. Pettenkofer. Heft 24: Ein Fall von Aneurysma der 
Arteria basilaris bei einem 7 jährigen Knaben von Dr. Wili- i 
bald Oppe Heft 26: Die Lendeuuerven der Affen und des 
Menschen vou Dr. Anton Ulschneider. Heft 27: Die Pro¬ 
stitution. Ansichten und Vorschläge auf dem Gebiet des Prosti- 
tiuiousweseus von Dr. Eugen Miller. 

Kt> Boupocy o BjisHiH TyöepKyjiina Koch’a na asOTBCTUfl oöuturb 
h TKaHH B. A. Bopobbeßa. /Hhcc. Mockbb, 1892. 

Grundriss der path. anat. Technik für pmkt. Aerzte uud Studi- 
rende von Prof. F. Neelseu. Stuttgart. F. Enke. 1892. 

Leitfaden der Hygiene für Studirende und Aerzte Prof. Aug. 
Gärtner. Berliu. S. Karger. 1892. Pr. 7 Mrk. 

Die Verbreitung der Syphilis in Berlin v. Dr. A. Blaschko. 
Berlin. S. Karger. 1892. Pr. 0.80 Mrk. 


Die Bibliothek des Vereins St. Petersburger 
Aerzte wird im Laufe des Sommers zugänglich sein am 


Dieitaiug und Freitag von 4—6 Uhr und am Mittwoch im 
Laufe des ganzen Tages. 


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Chlorose, bei Krankheiten der Haut, der Verdammgs- und 
Circulations-Organe, bei Hals- und Nasen-Leiden, sowie bei 
entzündlichen und rheumatischen Affectionen aller Art, tlieils 
in Folge seiner durch experimentelle uud klinische Beobach¬ 
tungen erwiesenen redncirenden, sedativen und antiparasitären 
Eigenschaften, anderntheils durch seine die Resorption beför¬ 
dernden und den Stoffwechsel steigernden Wirkungen. 

Bad Kissingen: Angewendet bei chron. Magen- und Darm¬ 
katarrh, habitueller Stuhlverstopfnng, chron. Katarrh der 
Gallenwege und Nierenbecken, chron. Blasenkatarrh, Leber¬ 
und Milzschwellung, Haemorrhoiden, chron. Entzündungspro- 
dncten (Exsudate), Fettleibigkeit, Gicht, Rheumatismus, Bleich¬ 
sucht, Scrophulose, Rhachitis, Hautkrankheiten, chron. Erkran¬ 
kungen der Respirationsorgane, durch Herzklappenfehler und 
Fettherz veranlassen Kreislaufstörungen, Frauenkrankheiten, 
Erkrankungen des Nervensystems, Folgekrankheiten der 
Influenza. 

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achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Purgativ durch folgende Vorzüge aus: Prompte und sichere 
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Stuhlverstopfung; Leberleiden; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
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WHT Hierzu eine Beilage betrefiend: HatypaAbtiafl HoHTpeKCBMAbCKafl MMHepa/ibHafl boah. T 


Am. neu. Cn6.5CenrflöpH 1898'r. Herausgeber: Dr. Rudo 1 f Wunsch. Bnehdruckerei von A. Wienecke, Ketherinenboilr- 


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XVII. 


JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 



ISCHE WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. 

Dorpat. 


Or. Johannes Krannhals. 

Riga. 


Dr. Rudolf Wanach. 


St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinisclie Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der AbonnMttentsprsis ist in Busslanä8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionaprsifl 
fär die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Origiualartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen lionorirt. 


BC Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate "W 

bittet man ausschliesslich au die Buchhandlung von Oarl Biokor in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect >6 14, zu richten. — Kannsoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilangen bittet man aD 
den gesehäftsführendeu Redacteur Dr. Budolf Wanaoh in St Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospekt .N» 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstnndeu täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 


M 37 


St. Petersburg, 12. (24.) September 


1892 


Inhalt: L. Stembo: Therapeutische Anwendung der praehypnotischen Suggestion. — Referate: E. Wirsing: Acute 

S elbe Leberatrophie mit günstigem Ausgang. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Die Influenzaepidefaie 1889/90.— 
.. Kramer: Grundriss der Geburtshilfe« — James Eisenberg: Hygiene der Schwangerschaft. — Albert Wangerin und 
Fedor Krause: Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte. — H. Krannhals: Ueber die Cho¬ 
lera. _ g. F. Wachsmuth (Berlin): Cholera, Brechdurchfall etc. — I. F. Raptscheffski: (Jeher die asiatische Cholera. — 
Kleinere Mittheilangen and therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin 
St. Petersburgs. — An die Redaction eingesandte Bücher und Brochüren. — Anzeigen. 


MF* An die Herren Aerzte Livlands, 

Im Hinweis auf das im Aufträge des III. Livländischen 
Aerztetages meinerseits (Dec. 1891) erlassene Circnlair. ersoche 
ich diejenigen Herren Collegen, welche noch im Rückstände 
sind, mir den fälligen Vorschlag pro Sem. I. 1892 betreffend 
die Zahl der wegen Syphilis behandelten Kranken bald¬ 
möglichst znsenden zu wollen. 

Dr. H. Truhart — Fellin. 

Therapeutische Anwendung der praehypnotischen 
Suggestion. 

Von 

Dr. L. Stembo, 

Wilna. 

«Th&t we cannot cogitate an 
idea, is certainly no proof of its 
being incogitable; l'or ii may be 
cogitaded at some later period, 
when knowledge is more ad 
vauced>. Buckle’s History of 
civilizatiou in England, vol. 1. 
p. 150. (Leipzig, lb65). 

Die therapeutische Anwendung der Suggestion in dieser 
oder jener Form gewinnt immer mehr und mehr an 
Terrain. Solche Koryphäen der deutschen medicinischen 
Wissenschaft wie Möbius und Leyden sprachen sich 
für sie aus. Der erste schreibt bekanntlich vier Fünftel 
aller durch Elektrotherapie erreichten Erfolge der Sug¬ 
gestion zu. Leyden hält die Suggestion, wie aus 
seinem ganz unlängst in der Hufelandschen Gesellschaft 
zu Berlin gehaltenen Vortrage hervorgeht, für einen sehr 
wichtigen Bestandteil unseres ärztlichen Handelns. Auch 
Ewald (Berlin) betrachtet die beruhigende Wirkung der 
Faradisation bei gewissen nervösen Hyperästhesien des 
Magens als eine Folge der Suggestion. 

Darum ist es erklärlich, dass auch wir gewöhnlichen 
praktischen Aerzte immer öfter in geeigneten Fällen 
znr Suggestion unsere Zuflucht nehmen. 


Die Suggestionen werden bekanntlich in intra — und 
posthypnotische eingetheilt. Maack in Kiel spricht noch 
von praehypnotischer Suggestion. Werden Einflüste¬ 
rungen, die während der Hypnose selbst ausgeführt 
werden sollen, gemacht, so heissen sie intrahypnotische— 
soll'd:e“*Wirkung der Eingebung gleich oder eine kurze 
Zeit nach der Hypnose eintreten, so nennt man sie eine 
posthypnotische —, wenn man vor dem Eintritt der 
Hypnose der Person etwas suggerirt, was während der 
Hypnose selbst eintreten oder von derselben ausgeführt 
werden soll, so wird eine solche Suggestion als «prae- 
hypnotische» bezeichnet. Es giebt noch sogenannte retro- 
active Suggestionen, wo es sich um Einflüsterung von 
Erinnerungstänschungen handelt. 

Statt der Eintheilung in viele Grade (Li6beault, 
Bernheim i wird jetzt der hypnotische Schlaf allgemein 
nach dem Vorgänge von Forel in nur drei Grade ein¬ 
getheilt: 1) Schläfrigkeit (Somnolenz), 2) leichter Schlaf 
(Hypotaxie), 3) tiefer Schlaf (Somnambulismus). 

Im Zustande der Somnolenz kann die Person leicht 
Snggestionen widerstehen, im zweiten Grade werden Ein¬ 
flüsterungen schon leicht erfüllt, aber in beiden ohne 
Amnesie. Im Somnambulismus werden fast alle Sugges¬ 
tionen erfüllt mit vollkommener Amnesie. 

Nun giebt es aber eine wenn auch nicht grosse Reihe von 
Kranken, bei denen die gewöhnliche Art der Suggestio- 
nirung während des Schlafes, aus gleich anzuführenden 
Gründen, nicht reussirt. Erstens giebt es Kranke, die 
bei jeder Hypnotisation statt des hypnotischen in den 
gewöhnlichen Schlaf verfallen; dass dem so ist, erkennt 
inan leicht daran, dass sie ungeachtet des tiefsten Schlafes 
Suggestionen nicht erfüllen und in der Hand gehaltene 
Gegenstände fallen lassen (Preyer). 

Zweitens giebt es Patienten, die sogar nach mehr¬ 
facher Hypnotisation nicht üher Somnolenz hinauskommen. 
Meine Bemühungen durch mehrfaches Wecken und Ein¬ 
schläfern, wie es Wetterstrand, Forel und v. Corval 
rathen, die Hypnose zu vertiefen blieben meist erfolglos. 
Ich habe auch mehrfach versucht durch kleine Gaben 
von Narcoticis (v. Sch renk-Notzing) den Grad der 


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Hypnose zu verstärken, was auch oft gelingt, aber leider 
wird dadurch die Suggestibilität, auf die es uns ja haupt¬ 
sächlich ankommt, nicht wesentlich gesteigert. 

Drittens giebt es Fälle, die zwar leicht in den zweiten 
Grad der Hypnose verfallen; der Umstand aber, dass bei 
ihnen keine Amnesie vorhanden ist, tritt hindernd in den 
Weg, denn Viele aus der sogenannten besseren Klasse, 
die von der Hypnose gehört oder gelesen haben, halten 
nur dann die Suggestion für erfolgreich, wenn sie von 
allem dem, was mit ihnen in der Hypnose geschah, keine 
Ahnung haben. Im entgegengesetzten Falle bildet sich 
bei ihnen eine conträre Autosuggestion, die der von uns 
gemachten entgegenwirkt. Manche Patienten dieser Ka¬ 
tegorie geben selbst zu, willkürliche Bewegungen in diesem 
Zustande nicht ausführen zu können, ein Zeichen, dass 
sie sich wirklich in der Hypnose befanden und nicht, 
wie manche von ihnen denken, garnicht geschlafen haben; 
dadurch wollen sie erklären warum sie der Eingebung 
widerstehen. 

Bei allen solchen Kranken gelang die Suggestion nicht, 
weil diejenigen der ersten Kategorie sie nicht hörten und 
darum sie auch nicht auffassen konnten und bei denje¬ 
nigen der zwei letzten Kategorien, weil sie sie hörten 
und davon die Erinnerung behielten. Die Behaup¬ 
tung Pitres ’), dass «Certains snjets ne sont pas sus- 
ceptible d’ötre inlluences par les suggestions pendant leur 
somraeil hypitotique. D’autres sujets accepient les sug¬ 
gestions dans certaines phases du sommeil hypnotique 
et ne les acceptent pas dans les autres», findet in 
meinen Beobachtungen vollkommene Bestätigung.' 

Ich will hier beiläufig bemerken, dass die Definition 
Bernheims, die Hypnose sei ein psychischer Zustand, 
der die Suggestibilität erhöht, wenigstens eine Einschrän¬ 
kung erleiden muss, denn manche Wachsuggestion kann 
wirksamer sein als eine hypnotische. 

In allen Fallen also, wo nach vier- fünfmaliger Sug¬ 
gestion in der Hypnose kein Erfolg erreicht wurde, 
wandte ich mich zur praehypnotischen Suggestipn % d. h. 
die nöthige Eingebung wurde vor der Hypnose gemacht. 
Es wurde nämlich entweder von mir selbst, oder von 
dem assistirenden Arzt, hin und wieder sogar von den 
Angehörigen der Kranken gesagt: «Nun werden Sie bald 
eingeschläfert werden und Ihr Leiden resp. Ihr perverser 
Trieb oder Leidenschaft wird auf so und so lange oder 
auf immer wegsuggerirt werden». Gleich darauf wurde 
der Patient hypnotisirt resp. eingeschläfert und während 
des Schlafes wurde gar keine Eingebung gemacht Und 
bei einem grossen Theil derselben gelang es noch auf 
diese Weise zum Ziele zu kommen. 

Zur Illustration mögen von den vielen von mir so 
behandelten Fällen nur folgende vier, zwei von Dipso¬ 
manie und je einer von Enuresis und Morphinismus hier 
Mittheilung finden. 

Der Alkoholismus wurde schon vielfach von Forel, 
Bernheim, Wetterstrand, Ladame, Ringier, Lloyd- 
Tucke y, Neilson und vielen Anderen zum Object der 
Suggestiv-Therapie gemacht. 

Fall I. B. M. sechzig Jahre alt, aus einer kerngesunden 
Familie stammend, hat in seinem Leben viel gearbeitet, aber 
noch mehr getrunken, besonder* ergab er sich dem Trünke 
als er vor zwölf Jahren seine Geschäfte liqnidirte und als 
Rentier zu leben begann. Ertrank täglich ausser drei Flaschen 
Wem zwei bis vier Qnart. Schnaps. 

Schon vor acht Jahren begannen verschiedene Erscheinungen 
der chronischen Alkoholvergiftung sich bei ihm einzustellen: 
zuerst eine chronische Nephritis, dann nach zwei Jahren eine 
Polyneuriti» hauptsächlich die unteren Extremitäten betreffend; 
vor vier Jahren hatte er lange an einer Nenroretinitis zu 
laboriren. Seit zwei Jahren stellten sich Tremor, Erbrechen, 
Appetitlosigkeit, Gedächtnissschwäche ein und über ein Jahr 
gesellten sich dazu Anfälle von allgemeinen Convnlsionen, 
höchst wahrscheinlich in Folge von chronischer Pachyme- 
ningitis. 


') Leqons cliniques sur l’hystärie, 1891. t. II p. 166. 


Da alle Mittel nicht halfen baten die Angehörigen and der 
Patient selbst die Hypnose zu versuchen. 

Er schlief auch gleich beim ersten Versuch ein, da ich aber 
überzeugt war, dass es kein hypnotischer Schlaf war, so ging 
ich schon bei der nächsten Sitzung zur praehypnotischen Sug¬ 
gestion über, die auch die merkwürdige Wirkung hatte, dass 
Pat. schon nach drei Sitzungen, die in Verlauf von sechs 
Tagen gemacht wurden, zwei Monate laug keinen Tropfen 
Schnaps zu sich nahm und sich nur mit etwas Wein, den ich 
selbst ihm verordnete, begnügte. Leider soll die Besserung 
nur drei Monate angehalten haben. 

Fall II. Einen zweiten Fall von periodischer Dipsomanie, 
den ich auf dieselbe Weise mit dauerndem Erfolge geheilt 
habe, will ich noch kurz mittheilen. Er betraf einen Diener, 
der mir von HerrnCollegen Prosorow behufs hypnotischer 
Behandlung zugeschickt wurde. Er war ein Mann von über 
vierzig Jahren, der sonst ein sehr ruhiges und gesittetes 
Leben führte und seit vielen Jahren bei einem Herrn in Dienst 
stand. Seit sechs Jahren stellten sich bei ihm alle drei bis 
vier Monate Anfälle von Trunksucht ein, die sieben bis zehn 
'Page dauerten und durch keine Mittel abgewandt werden 
konnten. 

Am ersten Tage eines solchen Anfalls bekam ich ihn in 
Behandlung und nach sechs praehypnotischen Suggestionen 
war er geheilt. Seit anderthalb Jahren kein Anfall mehr. 

Bemerkenswerth ist es. dass bei diesen beiden Patienten 
gar keine Abstinenzerscheinungen zu beobachten waren. 

Fall III. Der zwölfjährige schwächliche ans einer stark 
neuropalhisnh belasteten Familie stammende au Enuresis lei¬ 
dende Knabe E. K. wurde mir von Herrn Collegen S e - 
m e n t z k i behufs suggestiver Behandlung angeführt, richtiger 
gesagt für die elektrische. — Da aber die Elektricität, die in 
vielen Fällen dieser Krankheit mir ausgezeichnete Dienste 
leistete, hier ungeachtet der verschiedenartigsten Methoden, 
die ich angewenaet hatte, gar nicht fruchten wollte, so bat 
mich der eben genannte College auf Wunsch der Eltern des 
Knaben die Suggestiv-Therapie zu versuchen. 

Beim Knaben, dessen Grossmutter ebenfalls an Blasen- 
schwäche (Incontinentia urinae) leidet, war nicht nur eine 
Enuresis nocturna sondern auch eine diurna vorhanden, denn 
bei der kleinsten Ablenkung seiner Aufmerksamkeit liess er 
den Urin auch am Tage nnter sich. 

Die arme Mutter musste näehtlich mehrmals aufstehen um 
deu Jungen auf das Nachtgeschirr zu setzen, dabei war der 
Schlaf so fest, dass er dabei gar nicht die Augen öffnete und 
am nächsten Morgen gar keine Ahnung hatte, dass er in der 
Nacht geweckt wurde. Ungeachtet dieser mühseligen Arbeit 
von Seiten seiner Mutter liess er doch sehr oft den Urin ins 
Bett. Ausserdem war der Kranke immer sehr zerstreut, lernte 
ohne Fleiss, grösste Bekannte nicht n. s. w. Unter den vier 
Kindern seiner Eltern ist er der einzige, der daran leidet. 

Die erste Einschläferung, der auch Herr Dr. Sementzki 
beizuwohnen die Güte ha te. dauerte ungefähr zehn Minuten. 
Trotzdem, dass er während der drei nächsten Sitzungen in 
einen ziemlich tiefen Schlaf verfiel, war doch an seiner Krank¬ 
heit wie an seinem allgemeinen Verhalten keine irgendwie 
nennenswerthe Veränderung eingetreten, darum schritt ich 
auch bei ihm zur praehypnotischen Suggestion. 

Als Probe suggerirte ich ihm anfangs nur, dass er von 
jetzt an die Bekannten seiner Eltern wie auch die Seinigen 
grüssen wird, was er auch nacher pünktlich erfüllte. Die 
nächste Eingebung wurde gegen die Enuresis diurna gerichtet, 
und in der That, im Verlauf von mehreren Tagen, die zwischen 
dieser und der nächsten Hypnotisation vergingen, blieb er am 
Tage trocken. 

Das folgende Mal sagte ich ihm: «Nun bist Du so weit, 
dass Dn auch in der Nacht bei jeder Füllung der Blase auf- 
wachen, das nöthige Gefäss holen und Urin lassen wirst». 
Diese Einflüsterung wurde buchstäblich erfüllt: der Knabe 
erwachte, ging mit offenen Augen zum Gjfäss und urinirte, 
was seine Mutter in das grösste Erstaunen setzte, da der 
Junge noch nie Aehnliches gethan hatte. Dnrch noch zwei¬ 
malige Suggestion wurde die Behandlung dieses Kranken 
geschlossen. 

Vor einigen Tagen sah ich Collegen Sementzki und er 
theilte mir mit, dass die Besserung bei ihm eine anhal¬ 
tende ist. 

Auf diese Weise gelang mir noch bei einigen Kindern, 
die ich vor Jahren hypnotisch erfolglos behandelt hatte, 
Besserungen ja Heilungen zu erzielen. 

Nicht so gute Erfolge wie bei Dipsomanie und Enu¬ 
resis werden der Ilypno-Tlierapie des Morphinismus nach¬ 
gesagt; doch sind vielfache gute Erfolge (Bernheim, 
Wetterstrand) mitgetheilt worden. Darum will auch 
ich folgenden Fall von Morphinismus, den ich mit Erfolg 
durch die praehypnotische Suggestion behandelt habe, ver¬ 
öffentlichen. 


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851 


Fall IV. G. L. 35 Jahre alter Rittmeister leidet seit vielen 
Jahren an einer linskseitigen Hemicranie, die ihn sehr oft 
belästigt nnd nicht selten zn heftigen Krämpfen in allen 
Gliedern (ohne Verlust des Bewusstseins) fuhrt. Die Schmerzen 
waren mitunter so unerträglich, dass er einen Selbstmord¬ 
versuch machte, indem er sich eine Kugel in die Brust schoss. 
Glücklicher Weise streifte die Kugel nur eine Rippe und 
blieb unweit des Rückrates stecken, von wo sie später entfernt 
wurde. Zu der Hemicranie gesellten sich noch Schmerzen in 
der linken Schulter und in der liuken unteren Extremität. 

Zur Stillung oder wenigstens Linderung seiner wüthenden 
Schmerzen wurden von den hinzugezogenen Aerzt n Morphium¬ 
einspritzungen gemacht, die j.ber bald öfter und öfter und in 
steigender Dose gemacht werden mussten. Da aber sein Arzt 
ihm grosse Dosen Morphium einzuverleiben sich weigerte, so 
suchte er oft unbekannte Aerzte auf um sich nur auf diese 
Art Morphium in ihm genügender Quantität zu verschaffen. 
Da ihm aber die verschriebenen Mengen dieses Narcoticums 
doch zu wenig waren, weil er es jetzt schon auf eigene Hand 
obgleich er schmerzlos war, gebrauchte, so liess er sich das¬ 
selbe durch einen Feldscher besorgen. Mit der Zeit kam er 
so weit, dass er täglich zwölf Grab (0,6) Morphium und darüber 
consnmirte. 

Als er mir Ende März d. J. von Dr. Korneitzik-Sewa- 
s tjan ow zugeführt wurde, klagte der mittelgrosse stark herun¬ 
tergekommene Mann Über allgemeine Schwäche, Schlaf-, Appetit- 
nnd Energielosigkeit, Schmerzempftndungen in verschiedenen 
Nervenbahnen, rraecordialangst u. s. w. 

Merkwürdiger Weise konnte ich bei meinem Patienten keine 
Miosis constatiren, ira Gegentheil war bei ihm eine ziemlich 
starke Mydriasis vorhanden. Ausserdem war bei ihm eine Er¬ 
scheinung vorhanden, die ich auch hin und wieder bei anderen 
Morphinisten mehr oder weniger ausgesprochen fand, nämlich 
eine Hemeralopie (coecitas nocturna). Da ‘ich den Augenhin¬ 
tergrund dieses Kranken leider nicht untersucht habe, so kann 
ich nicht behaupten, dass diese Erscheinungen von einer Er¬ 
krankung der Retina unabhängig sind. Es könnte auch viel¬ 
leicht bei ihm die Hemeralopie eine Familieneigenthümlichkeit 
sein (Donders), was aus der Anamnese nicht zu erfahren war. 
Ausser leichtem Schielen und erhöhten Sehnenreflexen war 
an diesem Kranken weiter nichts Auffallendes zu bemerken. 

Da er schon verschiedene Abstinenzversnche gemacht hatte, 
die durchzuführen es ihm an Energie fehlte, so bat er mich 
mit der Hypnose ihm behülflich zu sein. 

Schon beim ersten Versuch den Patienten zu hypnotisiren, 
der in Gegenwart von Herrn Collegen Korneitzik-Sewast- 
janow gemacht wurde, gelang es Somnolenz hervorzurufen. 
Die zweite Sitzung, die wegen der plötzlichen Erkrankung, 
seiner Frau nicht bei dem Patienten zu Hause abgehalten 
werden konnte, wurde beim Collegen K-Sew. gemacht, aber es 
gelang nicht irgend welchen Schlafzustand hervorzurufen, 
höchst wahrscheinlich weil Pat. sehr aufgeregt war. Während 
der dritten Sitzung verfiel er in leichten Schlaf. Ein tieferer 
Schlaf war auch nicht durch Chloral bei ihm zu erreichen. 
Die ihm in diesem hypnotischen Zustande gemachten Sugges¬ 
tionen blieben erfolglos, weil, — wie der Kranke selbst angab — 
er meinte, dass nur bei vollkommener Amnesie in Bezug auf 
das ia der Hypnose Vorgefallene eine Suggestion wirksam 
sein könnte. Da er, wie gesagt, in den dritten Grad der 
Hypnose auf keine Weise gebracht werden konnte, so griff 
ich auch bei ihm zur praehypnotischen Suggestion. Noch vor 
meinem Ankominen sagte ihm Dr. Sew.: «Nun wird Dr. Stembo 
Sie wieder einschläfern und Ihnen einflüstern, dass Sie 48 
Stunden lang einen Ekel gegen Morphium empfinden werden, 
Sie werden Morphium weder sehen, noch an dasselbe denken 
können n. s. w. Sie werden auch im Verlauf dieser Zeit gar 
keine Schmerzen haben, folglich auch keine Ursache für den 
Morphimngebrauch haben». Darauf kam ich, hypnotisirte ihn 
ohne dabei irgend welche Suggestion zu machen. 
Nach dem Erwachen war Patient mit dieser Hypnose sehr 
zufrieden, da er von der ihm gemachten Suggestion 
nichts gehört hatte, folglich auch sehr tief ge¬ 
schlafen hatte. Diese Suggestion wurde auch pünktlich 
erfüllt. Noch vier auf diese Weise gemachte Suggestionen 
führten zum Ziele. Die Abstinenzerscheinungen waren bei 
unserem Patienten ziemlich geringe. 

Dass es sich bei der praehypnotischen Suggestion um 
eigentliche Wachsnggestion handelt, die nur durch den 
folgenden Schlaf — einerlei ob hypnotischen oder ge¬ 
wöhnlichen — verstärkt wird, gebe ich gerne zu; da es 
aber bei der Suggsstiv-Therapie nur darauf ankommt 
eine genügende Wirkung auf die Psyche zu erlangen 
und es uns einerlei ist auf welchem Wege wir das Ziel 
erreichen, wenn nur dem Kranken geholfen wird, so ist 
diese Art von Suggestion von grossem Werth. Dass bei 
manchen unserer prähypnotisch behandelten Kranken 
Recidive sich einstellten, darf uns doch nicht abhalten in 


geeigneten Fällen, wo andere Methoden fehlschlugen, 
immer wieder die praehypnotische Suggestion zu ver¬ 
suchen, denn warum soll denn die Suggestion anders 
gehandhabt werden wie die Hydro-, Elektro- und Pharma¬ 
kotherapie, die doch ebenfalls Recidive zulässt und auf 
die wir doch deswegen nicht verzichten. 

Wie wir uns die Wirkung der praehypnotischen Sug¬ 
gestion erklären können, ist oben angegeben. 

Wie im Anfänge dieser kleinen Mittheilung angeführt 
wurde, ist Maack der erste, der von praehypnotischer 
Suggestion spricht, ob er sie aber auch zu therapeuti¬ 
schen Zwecken angewendet hat, ist mir nicht bekannt, 
da ich leider seine Arbeit nicht habe bekommen können. 

Wilna, den 9. August, 1899. 


Referate. 

E. Wirsing: Acute gelbe Leberatrophie mit günstigem 
Ausgang. (Würzburg, Stahel, 1892, 44 pag.). 

Bei der Reserve und Skepsis, die heutzutage noch Mit¬ 
theilungen gegenüber herrscht, die von Heilerfolgen bei der 
acuten gelben Leberatrophie berichten, ist obige Arbeit inso¬ 
fern von grossem Interesse, als sie von einem Schüler und 
unter Leitung Leube’s entstanden ist, welcher Autor in seiner 
cspeciellen Diagnose der inneren Krankheiten» schreibt: «tritt 
Genesung ein, nachdem die Diagnose auf acute gelbe Leber¬ 
atrophie gestellt war, so ist mehr als wahrscheinlich, dass die 
Diagnose falsch war». — Dieser Lehrsatz wird durch exacte 
Beobachtung eines in Heilung übergegangen Falles umge- 
stossen. 

Nach Aufzählung der 15 in der Literatur bekannt ge¬ 
wordenen Genesungen nach acuter gelber Leberatrophie, geht 
Verf. auf den von ihm beobachteten Fall ein: Er betrifft 
eine 2Qjährige Büglerin, welche am 21. April mit allgemeinem 
Unwohlsein, Erbrechen, Husten, Magenschmerz erkrankte. Das 
Erbrechen nahm an Häufigkeit derart zu, dass Pat. seit dem 
1. Mai überhaupt nichts mehr im Mägen behält. Am 5. Mai 
Bluterbrechen. Status: Milz deutlich fühlbar, liebergrenze in 
der MaraillarUuie normal, in der Mittellinie 5 Cm. oberhalb 
des Nabels. Leber mässig druckempfindlich. Urin norma'. 
Am 11. Mai Icterus sclerae, am 19. Mai allgemeiner Icterus; 
im Urin Urobilin, sehr wenig Eiweias, spärliche Cylinder; 
Faeces hellgelb, reichlich Urobilinhaltig. Seit dem 10. Mai 
eine auffallende Mnskelunruhe, an choreat. Bewegungen er¬ 
innernd, Steigerung der nervösen Symptome und des unstill 
baren Erbrechens; Herzthätigkeit sehr beschleunigt, häufiges 
Nasenbluten- Leber am 22. Mai als ganz weiches Organ fühl¬ 
bar, 6 Cm. oberhalb des Nabels, empfindlich. Die perkussori- 
sche Grenze in der MittelHnie 2 Cm., in der Mamillarlinie 
1 Cm. oberhalb des fühlbaren Leberrandes. Urin enthält in 
beträchtlichen Mengen Leucin und Tyrosin. T. normal. 

29. Mai Nasenbluten, Verkleinerung der Leberdämpfung, 
Fortdauern des Erbrechens. 

2. Juni Lebergegend empfindlich nnd eingefallen, v. Leube 
constatirt die noch nie beobachtete Erscheinung: Bei Druck 
mit dem Finger auf die Leber medianwärts vom 
rechten Rippenbogen ist deutlich das Gefühl einer 
teigig weichen Resistenz wahrzunehmen und bleibt 
längere Zeit ein gut sicht- und fühlbarer Eindruck 
zurück (Knetbarkeit). 6. Juni: Enge Papillen mit Reaction. 
Leberrand nirgends mehr fühlbar, Hyperalgesie der unteren 
Extremitäten nnd der linken Abdominalseite. Icterus ab¬ 
nehmend, ebenso die pathologischen Urinbestandttheile- 1. Juli: 
Erbrechen seltener. 1.August: Pat. eiholt sich. Zunahmeder 
Leberdämpfung nicht zu constatiren, Milz noch stark ver- 
grössert. Am 20 September: Entlassung, Pat. war gravid, 
gebar Ende December Zwillinge. 

Verf. geht dann mit Berücksichtigung der reichen Literatur 
auf die Aetiologie nnd Theorie der Krankheit naher ein und 
kommt zum Schluss, dass nach der jetzt herrschenden Ansicht 
das W esen der acuten gelben Leberatrophie in einer Allge¬ 
meinkrankbeit zn suchen sei und zwar am wahrscheinlichsten 
in einer Infectionskrankheit. Hierbei muss wohl die Art der 
Infection keine einheitliche sein, wofür einigermassen das Auf¬ 
treten der Erkrankung im Verlaufe der verschiedenartigsten 
Zustände und Infectionskrankheiten spricht. — Es folgt hier¬ 
auf eine ausführliche und kritische Besprechung der Organ¬ 
veränderungen bei der acuten gelben Leberatrophie, der dieser 
allseitig gut beobachtete Fall zu Grunde gelegt ist. Zu 
erwähnen wäre noch die Thatsache, dass 3 Monate nach Be¬ 
ginn der Erkrankung anfangend, sich unverkennbare Zeichen 
von Wachsthnm der Leber einstellten, so dass zum Schlüsse 
die normalen Grenzen mit einer geringen Einbusse wieder 
erreicht waren und endlich noch eine vom Verf. empfohlene 


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352 


Modification der Jaffe’schen Methode der Urobilinbestimmung: j 
Der Urin wird mit einigen Cc. Chloroform mehrere Minuten 
langsam ausgeschüttelt, der Chloroformanszug mit einer Pipette 
herauBgenomraen und mit soviel chlorzinkhaltigem absol. Alko¬ 
hol versetzt, bis die anfangs entstehende Trübung sich wieder 
aufhellt. 

Die Therapie des Falles war eine symptomatische. Ernährung 
per rectum. Gegen das Erbrechen: Ei»( Cocain, Morphium, 
Ausspülung des Magens mit Eiswasser, NaCl-Lösnng, 3 pCt. 
Salicyllösung. Gegen die Herzinsufficienz: Coffein natro- 
salicyl. subcntan und in Suppositorien. Digitalis in Klysmen 
und Suppositorien, Wein in Klysmen, Phenacetin und Anti- 
pyrin in Supposit. Gegen das Hautjucken Antipyrin, Spiritus- 
nnd Carboiwaschungen. Kallmeyer. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Die Influenzaepideraie 1889/90. Im Aufträge des Ver¬ 
eins für innere Medicin in Berlin, heransgegeben von 
E. Leyden und S. Guttman. Wiesbaden, Verlag von 
J. F. Bergmann. 1892. 

Das vorliegende stattliche Werk, aus der von dem Verein 
für innere Medicin veranstalteten Sammelforschung hervor¬ 
gegangen, giebt eine vollständige, nach allen Richtungen hin 
erschöpfende Bearbeitung der denkwürdigen Influenzaepidemie 
vom Jahre 1889/90. Das Material entstammt den von mehr 
als 6000 Aerzten beantwortet zurückgesandten Fragekarten; 
es ist also ans einer grossen Eeihe von Beobachtungen her¬ 
vorgegangen, gewährleistet desshalb anch eine bisher nicht 
erreichte Vollständigkeit. Wir finden zunächst eine Zusammen¬ 
stellung der gesammten über die Influenza vorhandenen 
Literatur, für deren Vollständigkeit der Name des Verf. des 
Dr. A. Würzburg, Bibliothekar am Kaiserlichen Gesund¬ 
heitsamte, bürgt. Die Bearbeitung der Statistik lag in den 
Händen des Dr. Rahts. In den nächsten beiden Abschnitten 
schildern Lenhartz den Gang der Epidemie von 1889/90 und 
Jacob Wolff ihr Auftreten im Winter 1891/92. Hieran 
schliesst sich der von Prof.Ribbert (Zürich) bearbeitete Auf¬ 
satz üben die Pathologie der Influenza, der sowohl die patho¬ 
logische Anatomie, wie Bacteriologie umfasst. Besonderes 
Interesse beansprucht der darauf folgende Abschnitt über die 
Symptomatologie (Prof. Litten, Dr. Riess, Prof. Ziilzer). 
Die Darstellung der Mit- und Nachkrankheiten, der Artec- 
tionen der Lungen, des Kehlkopfes, der Augen, Ohren, der 
Nase und des Gehirns (Psychosen), die aus der Feder von be¬ 
rühmten Specialisten stammt, ist eine überaus gelungene. Len 
Praktiker werden besonders der von Fürbringer verfasste 
Abschnitt über die Behandlung der Influenza, und von Paul 
G.nttmann über die Todesursachen interessiren. Zum Schlüsse 
finden sich noch 2 sehr werthvolle Beiträge: die Beobach¬ 
tungen der Influenza bei Kindern von A. Baginsky und die 
Beobachtungen der Epidemie in den Gefängnissen von Baer- 

Ansstattung und Format, Druck und Papier, sowie die Aus. 
führung der Tafeln sind elegant. Im Grossquartformat ge¬ 
druckt, etwa 200 Seiten umfassend, wird das Werk in besonderer 
Deckelmappe ausgegeben. Abel mann. 

A. Kramer: Grundriss der Geburtshilfe. Ein Compendium 
für Studirende. Stuttgart 1892. Verlag von F. Enke 

Die Frage von dem Werthe eines Compendiums für Studi¬ 
rende im Allgemeinen offen lassend, können wir nicht umhin 
dem Verf. vorliegenden Büchleins volle Anerkennung für das 
Geleistete zu zollen. Hauptsächlich ist es die kurze, über¬ 
sichtliche Form und klare Darstellungsweise, welche das Buch 
auszeichnet. Durch diese Eigenschaften wird eine schnelle 
Orientirung ermöglicht, wozu noch eine von den meisten Lehr¬ 
büchern etwas abweichende Anordnung des Materiales nicht 
unwesentlich beiträgt. 

Einige Abschnitte scheinen uns jedoch zu aphoristisch 
behandelt zu sein. Bei der Leitung der Geburt wird z. B. 
viel zu wenig Gewicht auf die äussere Untersuchung gelegt. 
Zu entschieden absprechend verhält sich Verf. ferner gegen¬ 
über der Dührssensehen Uterus-Tamponade bei Blutungen in 
der Nachgeburtsperiode; dagegen wird Massiren der Gebär¬ 
mutter auf der in dieselbe eingeführten Hand aufs wärmste 
empfahlen. 

Durch derartige sich jedoch nicht häutig findende Stellen 
wird der Werth des Büchleins nur wenig beeinträchtigt und 
können wir datier diesem Compendium eine weite Verbreitung 
wünschen. Dobbert. 

James Eisenberg: Hygiene der Schwangerschaft. 
Wien 1892. Verlag von J. Safär. 93 Seiten. 

In den meisten grösseren Hand- und Lehrbüchern der Ge¬ 
burtshilfe findet der Leser nur spärliche Angaben über Hy¬ 
giene und Diätetik der Schwangerschaft. 


Der praktische Arzt spec. der Hausarzt wird jedoch häufig 
über Fragen auf diesem Gebiete interpellirt — der Rath welchen 
derselbe ertheilen soll, muss von ihm dann häufig erst von 
Specialärzten eingeholt werden. Vorliegende Abhandlung ver¬ 
sucht diese Lücke in der Literatur auszuffillen. 

Im ersten Theil wird in der Kürze die Diagnose der Schwan- 

g erschaft besprochen, woran sich die «specielle Hygiene und 
iätetik der Schwangerschaft» anschliesst, welches Kapitel 
besonders sorgfältig und eingehend behandelt wird. 

Den 2. Theil bildet die «Pathologie der Schwangerschaft». 
Es werden hier die Störungen der regelmässigen Schwanger¬ 
schaft, die pathologische Schwangerschaft, die Erkrankungen 
der Schwangeren durch pathologische Steigerung physiolo¬ 
gischer Erscheinungen und die Complicationen der Schwan¬ 
gerschaft mit zufälligen Krankheiten geschildert. 

Wir glauben diese Abhandlung besonders den Landärzten 
bestens empfehlen zu können, weil sich der Leserin derselben 
wie gesagt über manche Fragen eine Aufklärung, in kurzer 
und präciser Form, verschaffen kann, nach welcher in den 
meisten Werken vergeblich gesucht wird. Dobbert. 

In der gewohnten noblen Ausstattund sind im Verlage 
von F. C. W. Vogel (Leipzig) die «Verhandlungen der Gesell¬ 
schaft deutscher Naturforscher und Aerzte» (64. Versammlung 
zu Halle) herausgegeben von Albert Wangerin und Fedor 
Krause erschienen. Wir wollen nicht unterlassen, auf den 
reichen Inhalt aufmerksam zu machen; derselbe bietet für den 
praktischen Arzt sehr viel Interessantes. 

Die Verhandlungen der Abtheilungssitzungen für Pädiatrie 
sind in einer besonderen Brochüre von Dr. Emil Pfeiffer 
im Verlage von J. Bergmann (Wiesbaden) herausgegeben. In 
derselben finden sich recht wichtige Abhandlungen, von denen 
wir hier die Impffrage und die Tuberkulinbehandlung iin Ge¬ 
biete der Kinderheilkunde erwähnen möchten. A. 

H. Kranuhals: Ueber die Cholera. Riga, Jonck und 
Poliewsky 1892. 32 pag. 

G. F. Wachsuiuth (Berlin): Cholera, Brechdurchfall etc. 

Leipzig, Hartung & Sohn 1892. 

I. F. Raptscheffski: Ueber die asiatische Cholera. 
St Petersburg, Russisch Slavische Buchhandlung 1892. 
(russisch) 55 pag. 

Aus der grossen Reihe der in den letzten Wochen er¬ 
schienenen Brocbüren über die Cholera, möchten wir nicht 
unterlassen einiger derselben Erwähnung zu thun. 

Die von Dr. H. Krannhals verfasste ist für das grosse 
Publicum bestimmt und daher populär und allgemein ver¬ 
ständlich gehalten. Sie bringt das nöthige über Schutzmass- 
regeln und Verbreitungsweise der Krankheit nach dem 
gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse, liest sich ange¬ 
nehm nnd giebt dem Laien Auskunft über alle ihn inter- 
essirenden Punkte. Durch ihre Kürze und Handlichkeit wird 
sie wohl Eingang in jedes Haus gefunden haben. 

Die Brochüre von wachsmuth bringt Rathschläge gegen 
genannte Krankheiten, welche im Allgemeinen eher den aus¬ 
ländischen als unseren Verhältnissen angepasst sein dürften. 
In der Einleitang befürwortet Verf. das Institut der Leichen¬ 
verbrennung in Cholerazeiten, ein Vorschlag, der, we in er 
neben anderen Massregeln in Indien zur Durchführung käme, 
uns wohl für immer von der Cholera befreien würde, 

Dr. Raptscheffski hat den Inhalt zweier vor Kurzem 
gehaltener wissenschaftlich-populäre Vorträge in Form einer 
stattlichen Brochüre niedergelegt. Sie sind mehr für das 
gebildete Publicum bestimmt nnd zeichnen «ich durch eine 
sorgfältige und geschickte Bearbeitung nnd eine vorzügliche 
Darstellung des Stoffes aus. Auch der historische, der aetio- 
logische und der epidemiologische Theil sind ausführlicher 
behandelt, so dass die Brochüre ein schön abgerundetes Ganzes 
vorstellt. Sieben recht hübsch ausgeführte Photogramme 
sind ihr beigegeben. K a 11 m e y e r. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

Zur Choleratherapie. 

(Nach Mittheilungen, die im «Wratsch» Nr. 33—35 veröffent¬ 
licht sind.) 

Die herrschende Choleraepidemie hat vielfach Gelegenheit 
egeben, Erfahrungen in Bezug auf die Therapie dieser Er- 
rankung zn sammeln. AnBser schon bewährten Behandlungs¬ 
methoden werden auch weniger bekannte oder neue Mittel in 
Vorschlag gebracht. 

Da solche an grossem Material gesammelten Erfahrungen 
über therapeutische Maassnahmen von einigem Interesse sind, 
verzeichnen wird nachstehend in Kürze die Hauptmoraente 
der Behandlungsweiseu einiger Aerzte. 


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363 


Prof. N. Manaurow sieht ira Staub© das Hauptinomeut 
für die Uebertragnng der lnfection. Pie auf theoretischem 
Kalkül basirenden Vorschläge in Betreff der Prophylaxe und 
Therapie bieten nichts Neues; zu erwähnen wäre nur, dass 
M. das Tragen von Wattetampons in den Nasenlöchern und 
Bedecken des Mundes mit Marlysfreifon anräth, um Aerzte 
und Dienstpersonal vor Ansteckung von den Luftwegen her 
zu schützen. 

A. Nedzwedzki hält die Cholera für identisch mit der 
malaria larvata epidemica perniciosa, weil er im Blute Cholera¬ 
kranker bedeutende Mengen von Mikroorganismen gefunden 
hat. welche gleichfalls bei Malariafleber ohne bestimmten Typus 
beobachtet werden. Als Therapie emptielt N. snbcutane ln- 
jectionen von: Chininum bimuriat. 30.0, kochendes desti- 
lirtes Wasser 100.0, Kochsalz 0.6. Anfangs werden 2 Spritzen 
(ä 2 Cc.) *= 1,2 Chinin injicirt; in den folgenden Tagen sind 
je nach Bedürfniss 1—2 Injectionen zu machen. Hat das Er^ 
brechen anfgehört, so kann Chinin auch innerlich gegeben 
werden. Als Hilfsmittel bei dieser Behandlungsmethode werden 
angeführt: Morphium snbcutan bei Schmerzen ira Leibe und 
bei Krämpfen; Lavements mit Tanninlösung. Wenn kein Er¬ 
brechen vorhanden ist Bismuthnra salicylic. mit Opium und 
Chinin indicirt. 

Im algiden Stadium sind sofort h\podermatische Ein¬ 
giessungen mit physiolog. Kochsalzlösungen zu machen. 

A. D. Stepanow sieht in der Abkühlung des Kranken 
und im Sinken der Temperatur die Hauptgefahr und hält 
neben der Darreichung von die Herzthätigkeit anregenden 
Mitteln die Erwärmung des Patienten für die Hauptaufgabe 
der Choleratherapie. Da die zu diesem Zwecke meist üblichen 
Frictionen wenig leisten und den Kranken belästigen, heisse 
Wannen dagegen zu umständlich und in Dörfern ausserdem 
nicht ausführbar sind, hat S. sich einfacher, oder zu diesem 
Zwecke hergestellter Säcke von 2—2’/a Arschin Länge be¬ 
dient, welche noch durch 3—4 Längennähte in schmälere 
Streifen zerlegt werden, Per Sack wird mit Hafer, Roggen 
Weizen oder anderen Aehrenfrüchten gefüllt, welche vorher 
20—30 Minuten im russischen Ofen erhitzt werden. Mit 
diesen heissen Säcken werden Füsse und Extremitäten des 
Kranken bedeckt: vor 2 Stunden ist ein Wechseln der Säcke 
nicht nöthig. S. hat mit diesem Verfahren sehr gute Erfolge 
erzielt. 

A. Aleksinski erapfielt Enteroklysraata zugleich mit 
Magenansspfilnngen. Zu ersteren werden 2 zu letzterer 

1 Liter folgender Lösung genommen. 10.0 Grm* acid. tan nie. 
auf 1000 Grm, Kamilleninfus oder Wasser von 40° C. Nach 
diesen Ausspülungen hat A. mit Erfolg innerlich angewandt: 
Tct. valeTian. aether. zu gleichen Theilen mit Hoffmanns 
tropfen; 30 Tropfen stündlich. — Pulver bestehend aus: 
Calomel V>« gr. Opium '/«o gr. Bismnth. subnitric 5 gr. 
stündlich ein Pulver — Cognac, Portwein, Getränke mit Roth- 
wein. Schon nach wenigen Ausspülungen und Eingiessungen 
hören Erbrechen und Durchfälle auf und das Befinden des 
Patienten bessert sich. 

Dr. D u b n e r sah gute Erfolge von den Cantani’schen hohen 
Eingiessungen, welche er 4 Mal, in schweren Fällen sogar 
6 Mal täglich machte. Im Beginne der Behandlung wurden 
dieselben von 38—40° C. gemacht, trat Besserung des Zu¬ 
standes ein, so wurde die Temperatur der Lösungen auf 
32—28° C. erniedrigt. 

Die innere Darreichung von Medicamenten verwirft D.; er 
beobachtete in solchen Fällen Reizerscheinungen von Seiten 
der Blase. Wenig Erfolg sah er von den subcutau ange¬ 
wandten Excitantion. 

D. W1 a d i s 1 a w 1 e w ist in dem Stadium wo Magen- und 
Darmerscheinungen in den Vordergrund treten für heisse 
Enteroklysmen. 

Haben die Durchfälle und das Erbrechen etwas nachge¬ 
lassen so sind innerlich Gaben von Adstringentien und Anti- 
septicis indicirt. Zur Bekämpfung des Aufstossens Narcotica. 
Werden diese Mitteln nicht erbrochen, dann kann Calomel in 
kleinen Dosen (0,06) gegeben werden. 

Im algiden Stadium sind Excitantien am Platz; Campher, 
Aether, Moschus subcutan Desgleichen Cantanische hvpo- 
dermati8che Eingiessnngen (4,0 Natr. mnriat. 3,0 Natr. carbonic. 
1000 aq. destill). Um die Herzthätigkeit zu heben ist es 
rathsam, während der Eingiessung subcutan Injectionen von 
Campher etc. zu machen. 

Getränk: Thee mit Rothwein. Bei Krämpfen Wannen mit 
Senf, Wärmeflaschen, Einreibungen mit Pfefferschnaps. 

Nach Parfenow trägt Naphtalin zu 5 gr. mit ge¬ 
branntem Kaffe zur Hebung des Pulses bei. 

Stnd. Lasarew und Prschedotski gaben in mittel¬ 
schweren Fällen mit Erfolg eine einmalige Dosis von Calomel 
8 gr. und Salol 10 gr. darauf 2 stündlich ’/a—2 gr. Calomel 
und 10 gr. Salol. Gegen Erbrechen hat sich nach den 
Autoren Cocain sehr gut bewährt. (3 gr. Cocain, muriat. 

2 Drachm. Pfefferraünztinctur; 10 Tpropfen 1 h stündlich. 

S. T r i w n s empfiehlt Einathmungen von Sauerstoff im algi¬ 
den Stadium. Seiner Meinung nach handelt es sich im algiden 


Stadium nicht um Verdickung des Blutes und er erwartet 
daher von Eingiessungen physiologischer Kochsalzlösungen 
keine Erfolge. Bäder von 30° R. hat er mit Erfolg gegen 
Krämpfe und Erbrechen angewandt. Im algiden Stadium darf 
das Wasser in der Wanne nicht über Nabelhöhe reichen. — 
Aus der Analogie der Vergifungserscheinungen schliesst 
K o r o 11 s c h u k, dass die Cholera toxi ne iu die Gruppe des 
Muscariu gehören und empfiehlt im algiden Stadium subcutane 
Atropininjectionen. Praktische Erfahrung über diese Behand¬ 
lung liegen nicht vor. , 

Bekannt ist, dass es Hashimoto gelungen ist Cho¬ 
lerabacillen durch Essig (bei einem 2,2 pCt. bis 3,2 pCt. 
Gehalt an Säure) im Laufe von 15 Minuten zu tödten. 
Dr. Fedorow hat in Folge dessen eine 4 pCt. Lösung 
von Essigsäure bei den ersten Symptomen der Cholera 
in Anwendung gebracht: 15 Grm. der Lösung mit Schnaps 
und 0.1 Grm. Kampfer genügten um Durchfälle, Leibschmerzen 
und Uebelkeiten zu beseitigen. Wenn in schweren Fällen die 
Gabe erbrochen wurde, so wurde sie nochmals ordinirt, der 
Kranke in eine heisse Badestube gebracht und mit Tüchern 
gerieben. Sobald Erwärmung der Glieder und Röthung des 
Gesichts bemerkt wurde, verabfolgte er eine zweite Dosis und 
liess den Pat. in das Zimmer transportiren. In 5 schweren 
Fällen hat sich das Mittel bewährt. 

L. D. Scheffer berichtet über einen Fall, in welchem 
einem schon pnlslosen Patienten durch ein Versehen des 
Feldschers ein Klysma aus 3 Unzen reinen Kampferöls (144 Grm. 
Kampfer) gestellt wurde; Pat. verfiel in eiuen aufgeregten 
Zustand mit kräftigem Pnlse. Die Genesung des Kranken 
schreibt S. der bedeutenden Anregung der Herzthätigkeit zu. 

M o s t o w i t s c h theilt mit, dass 1847 vom Arzt Ernst 
Stepanowitsch Andrejewski ein Mittel gusamraengeBtellt 
wurde, welches Verf. schon in den Epidemien von 1866, 70 
und 72 und in der jetzigen als gutes Anticholericum erprobt 
hat; seine Zusammensetzung ist folgende: schwefelsaures 
Chinin 17« Drachmen 43° .Spiritus 7‘ a Pfund Ol. carum. carvi 
45 Tropfen; 01. citri 54 Tropfen: Tct. nuc. vomic. 6 Drach¬ 
men; Tct. trifolii, soviel zu grüner Färbung uothwendig. 
Von diesem Getränk wird morgens ein grosses Spitzglas ge¬ 
nommen. 


Vermischtes. 

— Ordensverleihungen: Der St. Annen-Orden I.C1.— 
den Geheimrath Dr. Schulz, Militär-Medicinaliuspector des 
Odessaer Militär Bezirks und den wirklichen Staatsräthen Dr. 
Rubezy Militär-Medicinalinspector des Irkntskischen Militär- 
Bezirks; Dr. Gawrilko, Corpsarzt des 9. Armeecorps. — Der 
St. Stanislaus-Orden I. CI. — den wirkl. Staatsräthen Dr. 
Kulitschenko, Gehilfen des Militär-Aledicinalinspectors des 
Amur-Militärbezirks; DDr. Kriwzow und Mileiko, Oorps- 
Aerzten des 3. resp. 7. Armeecorps; Dr. Popow, Oberarzt 
des Militärhospitals zu Nowogeorgiewsk. — Der St. Wla¬ 
dimir-Orden III. CI. — den wirklichen Staatsräthen Dr. 
Gorbatschowski, Militär-Medicinalinspectordes Transkaspi- 
Gebiets; Dr. Ger ich. Oberarzt des Helsingsforser Militär- 
Lazareths. Der St. Wladimir-Orden IV. CI. — den wirkl. 
Staatsräthen Dr. Reipolski, Gouverneinents-Medicinalinspec- 
tor von Poltawa und dem ausseretatmässigen älteren Medici- 
nalbeamten bei dem Medicinal - Departement Marzynke- 
witsch. Der St. Annen Orden II. CI. — den Staatsräthen 
Dr. Buchowzew, stellv. Gouvernements-Medicinalinspector 
von Ssaratow; Dr. Po retjat ko witsch, st ellv. Gonverne- 
ments-Medicinalinspector von Bessarabien; T)r. Malinowski, 
stellv. Gouvernements-Medidnalinspector von Estland. Der 
St. Stanislaus-Orden 11. CI. — dem wirkl. Staatsrath Dr. 
Arronet, Gouvernements-Medicinalinspector von Mohilew. 

— Verstorben: 1) Am 22. August in Jalta der frühere 

Oberarzt des 8. Ulanenregiments des Prinzen von Hessen, 
Dr. K. I. Leonow im 63. Lebensjahre an Paralyse. Der 
Hingeschiedene beschäftigte sich neben seiner Praxis eifrig 
mit den Naturwissenschaften und zeichnete sich durch grosse 
Sprachkenntnisse aus. So beherrschte er die lateinische 
griechische, hebräische, arabische, persische Sprache, das 
Sanskrit, sowie fast alle neueren europäischen Sprachen. Seine 
grosse Bibliothek hat er einem Realgymnasium vermacht. 
(Wr.) 2) Am 28. August im Jaroslawschen Gouvernements- 

Landschaftshospital der Landschaftsarzt Al. Michin im 36. 
Lebensjahre an der Cholera, mit welcher er sich in einer 
unter seiner Leitung stehenden Dorfs Cholerabarake inficirt 
hatte. 3) Am 13. August der Arzt für Abcomraandirungen 
bei der Militär-Medicinalverwaltung in Omsk, M. W. Popow, 
ira 44. Lebensjahre an der Cholera. Er leitete seit dein Auf¬ 
treten der Epidemie im dortigen Reservebataillon die Cholera¬ 
baracke im Lager. 4) ln Kiew am 27. August der jüngere 
Arzt des 42. Infanterie-Regiments Paul Sabello, 35 Jahre 
alt, an den Folgen einer Oberschenkelfractur, die er sich 
durch einen Fehltritt beim Aussteigen ans einem Pferdehahn- 


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A 



354 


wagen zu gezogen hatte. Der Verzier bene hat seine Frau 
mit 4 unmündigen Kindern ganz mittellos hinterlassen. 5) Am 
J7. August m Kronstadt der jüngere Schiffsarzt der 16. 
| lottenequipage, Eugen Jadowin, im 34. Lebensjahre, 
b) Am ,29. Juni der Oberarzt des Bergwesens in Slatoust, 
ümitri W. Solowjew am Flecktyphus im 39. Lebensjahre. 
• ^. Y er8t orbene erfreute sich grosser Beliebtheit unter der 
drthchen Bevölkerung; sein Ruf als tüchtiger Angenarzt 
führte ihm Kranke oft aus weiter Entfernung zu. 7) In 
j ,e ? » r ehemalige Professor der Geschichte der Hedicin an 
der Wiener Universität, Dr. F. Seligmann, im 84. Lebens¬ 
jahre. S. hatte sich schon frühzeitig mit detn Studium fremder 
Sprachen beschäftigt und beherrschte unter Anderem die 
persische Sprache in ungewöhnlicher Vollendung. Diese lin¬ 
guistischen Kenntnisse befähigten ihn zu seinen Schriften 
«De re medica Persarum«, «Ueber 3 höchst seltene persische 
Handschriften» u. A. 

T. Gouvernement Woronesli ist der Student der militär- 
medicinischen Akademie I. L. Karnowitsch, welcher zur Be¬ 
kämpfung der Cholera in den Korotojakschen Kreis abcom- 
mandirt war, an dieser Krankheit gestorben. 

D -Ger Privatdocent der militär-medicinischen Akademie und 
Prosector am ObuohowhoBpital, Dr. N. W. Petrow, ist, wie 
verlautet, zum Professor der pathologischen Anatomie 
am klinischen Institut der Grossfürstin Helene Paw- 
lowna ernannt worden. 

Prof. Dr. Rudolf Virchow ist als Rector der Uni¬ 
versität Berlin für das Jahr 1892/93 bestätigt worden. 
Derselbe hat sich am 9. September n. St. nach Italien be¬ 
geben, um an der Jubiläumsfeier in Genua theilzunehmen. 

— Der Professor des Dorpater Veterinär-Instituts, wirkl. 

veter - Semmer, ist zum ordenl liehen 
Mitglieds des Kaiserl. Instituts für Experimen t al- 
Medicrn ernannt worden. 

— Am 21. September begeht der bekannte Svphilidologe, 
Prof. ord. der militär-medicinischen Akademie W. M. Tar- 
nowski, das 30jährige Jubiläum seiner Lehrthätig- 
aei uu 16 P eter8 bnrger Aerzte beabsichtigen an diesem Tage 
zu Ehren des Jubilars ein Diner zu veranstalten. 

Der Privatdocent der militär-medicinischen Akademie 
Dr. A. W. Jakowlew ist als Prosector beim Lehrstuhl 
der operativen Chirurgie an der genannten Akademie 
bestätigt worden. 

— Um das Andenken Dr. Moitschanow’s, welcher bekannt¬ 
lich ein Opfer seines Berufes bei den Cholerakravallen in 
Chwalvnsk wurde, danernd zu bewahren, werden von der 
Redaction des «Wratsch» Spenden zur Bildung eines «Molt- 
schanow-Capitals* entgegengenommen, welches auf Wunsch 
der WIttwe des Verstorbenen zur Unterstützung von unbe¬ 
mittelten Studenten der militär-medicinischen Akademie ver¬ 
wandt werden soll. Wie verlautet, beabsichtigt auch die 
Gesellschaft der Moskauschen Aerzte ein Stipendium auf 
den Namen des Verstorbenen Dr. Moltschanow bei der 
Moskauer Universität zu stiften. 

— Die Tschernigowsche Landschaft hat den Aerzten 
nnd Studenten, welche zur Bekämpfung der Cholera in den 
Dienst der Landschaft getreten sind, versprochen, falU sie an 
dieser Krankheit sterben, der Familie jedes Arztes 5000 Rbl. 
und der jedes Studenten 3000 Rbl. zu zahlen. — Die Mos¬ 
kau sehe Gouvernements-Landschaft hat ebenfalls im Princip 
die Bewilligung von Pensionen für die Aerzte und andere 
im Laudschaftsdienste stehende Personen, welche bei der Be¬ 
kämpfung der Cholera starben, angenommen, jedoch die Be¬ 
stimmung der Höhe dieser Pensionen auf die nächste ordent¬ 
liche Versammlung verschoben. 

— _ Die. Zahl der Pri.vatdocenten an der militär- 
medicinischen Akademie hat gegenwärtig bereits die Zahl 
60 erreicht. Die meisten derselben (17) habon sich der internen 
Medicin gewidmet; es folgen dann Geburtshilfe und Frauen¬ 
krankheiten (6), Geistes und Nervenkrankheiten (6), Kinder¬ 
krankheiten (4 Docenten) u. s. w. 

— Das hiesige klinische Militärhospital, welches 
bekanntlich die von den Professoren der militär-medicinischen 
Akademie geleiteten Kliniken enthält, in administrativ-ökono¬ 
mischer Beziehung aber einem selbstständigen, von der Aka¬ 
demie unabhängigen Oberarzt unterstellt ist, wird, wie die 
«Nowosti» erfahren, wegen der Unzuträglichkeiten, die ein 
solcher Dualismus verursacht, in Bezug auf seine Administra¬ 
tivverwaltung einer radicalen Reform unterzogen werden 
Das Hospital soll sowohl in wissenschaftlicher als auch in 
administrativ-ökonomischer Beziehung dem Chef der Akademie 
unterstellt werden; als Gehilfe soll ihm einer der Professoren 
beigegeben werden, dem auch die Verantwortung für das 
OekoQomiewesen des ganzen Hospitals übertragen werden wird, 
während die ökonomische Leitung der einzelnen Kliniken den 
betreffenden Professoren, welche diese Kliniken leiten, über¬ 
lassen wird. Bei der Ober-Militär-Medicinal Verwaltung wird 


demiiiichst dieses Reformprojcct in einer Commission zur Be¬ 
ratung gelangen, zu welcher unter Anderen der Chef der 
Akademie und die betreffenden klinischen Professoren hinzu¬ 
gezogen werden. 

— Am 8. September wurde das neu ausgebaute Ambula¬ 
torium beim Marienhospital eingeweiht. Das Gebäude, 
welches von dem Hospital isolirt liegt, enthält im unteren 
Stock 10 Zimmer für die Ambulanz und im obern Stock die 
Zimmer für die barmherzigen Schwestern. Die Einrichtung 
der Ventilation, der Heiz Vorrichtungen, der Dielen (aus 
Cement), die Closets etc. genügen den strengsten Anforde¬ 
rungen. Zum Verbrennen der verunreinigten Verbandstücke etc. 
sind besondere Oefen vorhanden. 

— Nach den statistischen Daten, welche Dr. Martin für 

einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren gesammelt hat, er¬ 
weist es sich, dass der Pariser im Darchschnitt nur ein Mal 
in 2 Jahren sich badet. (Union med.). 

— In Boston wird durch Privatwohlthätigkeit im Lauf« 
des Sommers jeden Monat für ca. 500 Dollars sterilisirte Milch 
auf Verlangen der Arzte an arme Kinder vortheilt, welche 
an Krankheiten der Verdaunngawege leiden. 

— Der Specialcorrespondent des «New-York Herald» Stan- 
hope, welcher im Aufträge dieser Zeitung nach Hamburg 
und Altona sich begiebt, hat sich im Institut Pasteur bei 
Dr. Hawkin der Schutzimpfung- gegen die Cholera 
unterworfen. Derselbe will, wie er erklärt hat, in Hamburg 
durch Au8serachtla8sung aller Vorsicht die Wirkung der 
Impfung erproben. 

— Der II. internationale Dermatologen-Con- 
g r e s 8 wurde am 5, September n. St. in der Aula der Wiener 
Universität durch den Präsidenten des Organisationscomitds 
Prof. Kaposi eröffnet, welcher sich in seiner Begrüssungs- 
rede dahin aussprach, das er in der Wahl Wiens zur dies¬ 
maligen Versammlung der Dermatologen, sowie iri dein zahl¬ 
reichen Erscheinen auswärtiger Fachgfcnossen eine spontane 
Huldigung für den Genius Ferdinand Hebra’s, des 
Schöpfers der naturwissenschaftlichen Dermatologie nnd der 
Wiener dermatologischen Schule erblicke. Nach darauf fol- 

f enden Begrüssungen des Congresses seitens der Vertreter 
er Regierung, der Stadt Wien, der Universität und der 
Wiener dermatologischen Gesellschaft (durch Prof. Neu- 
ra a n n) bestieg der Ehrenpräsident des Congresses und Senior 
der französischen Dermatologen Prof. Hardy aus Paris die 
Tribüne, um einen Ueberblick über den gegenwärtigen Stand 
der Dermatologie zu geben. Noch in derselben Sitzung be¬ 
gann eine lebhafte Discussion über Lepra nach einem Vor¬ 
trage Prof. Neumann’s «Ueber neue Lepraherde in Europa 
(Bosnien und Herzegowina). 

Es hatten sich viele hervorragende Dermatologen zum Con- 

g ress eingefunden, so aus Frankreich Hardy, Vidal, 
au eher. Barth41emy, Besnier, aus England 
Hutchinson, Leslie, Crocker, Pringle, Bal- 
mano-Squire, aus Deutschland Neisser, Veiel, 
Köbner, aus Norwegen Boeck, aus Russland 
Stukowenkow (Kiew) u. A. m. Am 3. Congresstage, 
welcher mit Ferd. Hebra’s Geburtstage znsammenflel, legten 
die Congressinitglieder an der Büste des grossen Arztes im 
Arcadenhofe der Universität einen Lorbeerkranz nieder. Am 
10. September wurde der Congress officiell geschlossen, nach¬ 
dem zum Verhandlungsort für den nächsten im Jahre 1895 
abzuhaltenden Congress London und zum Vorsitzenden des 
Organisationscomitös H utchinson gewählt worden waren. 

Mit dem Congress war eine Ausstellung dermatologischer 
Lehrmittel, Jnstrumente, Apparate u. b. w. verbunden, welche 
viel Interessantes bot. 

— Von dem Ministerium des Innern sind bis jetzt znr 
Hilfeleistung in 25 von der Choleraepidemie ergriffene Gou¬ 
vernements und Gebiete des russischen Reiches im Ganzen 
149 Aerzte, 5 Aerztinnen, 75 Medicinstudirende, 209 
Feldscher und 106 barmherzige Schwestern abcom- 
mandirt worden. Die grösste Zahl der Aerzte wüde in’s 
Ssaratow’sche (29), in’s Woronesh’sche (18). in’s Astrachan- 
sche (17) Gouvernement und in den Kaukasus (15) geschickt. 
Die grösste Zahl Studenten erhielt das Ssamarascue (24), das 
Nishni-Nowgorod’sche (11) und das Woronesh’sche Gouverne¬ 
ment (10). Von den abcomraandirten Feldschern waren 48 
im Ssaratow’schen, 31 im Woronesh’schen, 22 im Tobolsk’schen 
je 16 im Nishni-Nowgorodschen und Charkow'schen Gouver¬ 
nement thätig. In’s letztgenannte Gouvernement wurden auch 
die meisten barmherzigen Schwestern (26) znr Pflege der 
Cholerakranken geschickt. 

— Von der Gesellschaft des «Rothen Kreuzes» sind 
seit Beginn der Choleraepidemie bis zum 1. September auf 
Ansuchen verschiedener Institutionen und einzelner Personen 
im Ganzen 333 barmherzige Schwestern in verschiedenen 
Ortschaften zur Pflege der Cholerakranken abcommandirt 
worden. Ausserdem sind in allen Hospitälern St. Peters¬ 
burgs, welche Cholerakranke aufnehmen, barmherzige Schwe- 


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365 


stern der hiesigen Gemeinschaften des «Rothen Kreuzes» als 
Krankenpflegerinnen thätig. 

— Professor Rudolf Virchow hat sich nach seiner 
Rückkehr ans Russland in Berlin mehrfach recht anerkennend 
über nnser Hospitalwesen, die russischen Aerzte und die 
Massregein, welche von Seiten der Behörden und Commnnal- 
Verwaltungen gegen die Cholera ergriffen worden, geäussert. 

In der Sitzung der Berliner medicinischen Gesellschaft vom 
7. September, in welcher die Cholerafrage auf der Tages¬ 
ordnung stand, empfahl Prof. Virchow dringend die Ein¬ 
führung der Desinfectionseinrichtungen St. Petersburgs und 
demonstrirte an einer Zeichnung den von .dem hiesigen 
Fabrikanten San-Galli construirten Apparat zur Sterili- 
sirung der Auswurfsstoffe (Fäcalien etc.) der Cholerakranken. 
Bekanntlich sind diese Kochapparate in St. Petersburg be¬ 
reits in vielen Hospitälern eingeführt und werden durch die¬ 
selben die in dieselben hineingebrachten Dqjectionen der 
Cholerakranken derartig sterilisirt, dass sie ohne Bedenken 
in die öffentlichen Wasserläufe ohne Gefahr abgeführt werden 
können. In der neuesten Nummer (38) der «Berliner klin. 
Wochenschrift» findet sich eine Abbildung dieses San- 
Galli’sehen Apparates nebst einer Beschreibung desselben 
aus der Feder Prof. V i r c h o w’s. 

Die Desinfection der Ausleerungen von Kranken durch Kochen 
ist nun bereits, wie wir aus den Mittheilungen der Hospital- 
Directoren H. Merke und Dr. PaulGuttmann in der 
«Berl. klin. Wochenschrift» (Nr. 38) ersehen, im Berliner 
städtischen Krankenhause Moabit mit bestem Erfolge versucht 
worden. Die von Dr. Guttmann vorgenommene bakterio¬ 
logische Untersuchung der im Kochzustande befindlichen 
Fäcalien ergab, dass schon 1—2 Minuten langes Kochen der 
Fäcalien ausreicht, um sämmtliche Keime in denselben zu ver¬ 
nichten. Nur ein Uebelstand machte sich beim Kochen der 
Fäcalmasse mit Kalkwasser geltend: es entwickelt sich ein 
penetranter, äusserst übler Geruch. Es wurde daher der 
Versuch gemacht, an Stelle der Kalkmilch das als treffliches 
Desodorans bekannte übermangansaure Kali den Dejectionen 
zuznsetzen. Und in der That erwies es sich, dass man durch 
Zusatz von Vi Liter 5 pCt. übermangansaurer Kalilösung zu 
7 Liter dünnflüssiger Fäcalien imStande ist, den Kochprocess 
ohne irgend einen Fäcalgeruch zu bewirken. Bf. 

— DieCholerepidemie in Hamburg weist eine 
weitere, wenn auch langsame Abnahme auf. Nach den amt¬ 
lichen Feststellungen sind bis zum 10. September n. St. dort 
gegen 13,000 Erkrankungen und 5800 Todesfälle an der 
Cholera vorgekommen. Erkrankungen an der Cholera sind 
auch in verschiedenen Städten Deutschlands vorgekommen, 
doch sind sie bis jetzt vereinzelt geblieben. Ein Chöleräherd 
ist ausser in Hamburg und Umgegend nirgends in Deutsch¬ 
land constatirt. In Paris und Havre kommen noch immer 
Choleratodesfälle vor, ebenso in Antwerpen. Neuerdings ist 
die Cholera anch in Krakau und Umgegend aufgetreten. 

In Russland nimmt die Choleraepidemie immer 
mehr ab. Nur in den Gouvernements Ssaratow, Samara, 
Tambow, Woronesh, 3simbirsk und im Kaukasus kommen 
noch immer recht viel Erkrankungen und Todesfälle vor. 

In St. Petersburg weist die Cholera einen deutlichen 
Rückgang auf; seit dem 3. September haben die täglichen Er¬ 
krankungen nie mehr die Zahl 50 erreicht, die Zahl der 
Todesfälle schwankt in den letzten Tagen zwischen 11 und 15. 
Nach den officiellen Bulletins betrug die Zahl der Erkrankungen 
in St. Petersburg bis zum 9. September Mittags 3502, die der 
Genesenen 2206 und der Verstorbenen 1048. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 6. September d. J. 5482 
(182 weniger als in der Vorwoche), darunter 275 Typhus — 
(21 mehr), 492 Syphilis — (48 weniger), 13 Scharlach — (9 we¬ 
niger), 7 Diphtherie — (2 mehr). 18 Masern — (2 mehr), 
6 Pocken — (1 weniger) und 388 Cholerakranke (243 weniger. 


Vacanzen. 

1) Im Kreise Mossa 1 k (Gonv. Kalnga) ist eine Landschafts 
Arztstelle erledigt. Gehalt 1000 Rbl. jährlich und 200 Rbl. 
zu Fahrten. Zu dem ärztlichen Rayon gehören 6 Gemeindebe¬ 
zirke. Die Meldung geschieht unter Beifügung der Documente 
bei der «Mocaxßcxaa 3eucKas ynpaßa». 

2) Von dem Landschaftsamt des Kreises Kaschin (Gouv. 
Twer) wird ein Arzt für einen ärztlichen Bezirk gesucht. 
Gehalt 1000 Rbl. nebst freier Wohnung. Adresse: «KamaHCKaa 
SeMCKaa Ynpaßa». 

3) Für den Flecken Remigola im Kreise Ponewesh (Gouv. 
Kowno) wird ein freiprakticirender Arzt gesucht. Der 
Flecken hat gegen 8000 Einwohner und eine wohlhabende Be¬ 
völkerung in der Umgegend, wo kein Arzt vorhanden ist. Fixum 
180 Rbl. jährlich. Nähere Auskünfte ertheilt der örtliche Apo¬ 
theker. 


4) Es werden vom Tarusa’schen Kreislandschafts¬ 
amt (Gouv. Kaluga) für den Fall des Auftretens der Cholera 
Aerzte (Gehalt 200 Rbl. monatl.), Studenten des 4. Cur- 
sus (Gehalt 150 Rbl.) und Feldscher (Gehalt nach Verein¬ 
barung) gesucht. Meldungen per Telegraqh. 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 30. August bis 6. September 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 

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10 

9 

22 

77 

74 

63 

47 

39 

16 

6 

5 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 4, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 0, Masern 4, Scharlach 2, 
Diphtherie 2, Croup 1, Keuchhusten 7, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 6, Erysipelas 5, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 147, Ruhr 11, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus Oj Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 1, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 1, Pyämie und Septicaemie 4, 
Tuberculose der Lungen 72, Tuberculose anderer Organe 1, 
Alkoholisraus und Delirium tremens 6, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 35, Marasmus senilis 18, Krankheiten des 
Verdauungscanals 102, Todtgeborene 22. 


An die Redaotion eingesandte Bücher und Broohüren. 

Das Pectal als Anaestheticmn von Prof. Holländer. (Sepabdr.). 
Die galvanische Behandlung der Fibromyome des Uterus v. Dr. 

P. Br Öse. Berlin. H. Kornfeld. 1892. Pr. 2 Mrk. 

Leitfaden f. med. chemische Curse von Prof. A. Kossel. 3 Aufl. 

Berlin. H. Kornfeld. 1892. Pr. 2 Mrk. 

Therapehtisehea Jahrbuch 1891 von Dr. Ernst NitielnadeL 
Leipzig und Wien. Franz Denticke. 1892. 

Das medieinische Berlin. Ein Führer für Stadtrands und Aerzte. 

Berlin. S. Karger. 1892, Pr. 1 Mrk. 

Vorläufiger Bericht über die Miliaria-Epidemie im Bezirk Gurk- 
feld in Krain von Prof. A. Dräsche and A. Weichselbaam 
(Scp. Abdr.). 

Weibliche Aerzte. Eine Studie von S. Bi oder. Stuttgart. Gös¬ 
chen. 1892. 

Aerztliehes Handbüchlein für hygienisch-diätetische, hydrothera¬ 
peutische, mechanische und andere Verordnungen von Dr. 
Hermann Schlesinger. Frankfurt a. M. Joh. Alt. 1692. 
Pr. 2 Mrk. 80. 

MaTepasJu kt. Bonpocy o öojothoI jHxopaxrb. J(bcc. M. M. Ko- 
pojbxa. Cnö. 1892. 

Zur Statistik und Aetiologie des Scorbuts von Dr. Leo Berthen- 
son. . Leipzig. S. B. Hirschwald 1892 
The Wills eye hospital. Reports for the year ended Dec. 31, 
1890 and 1891. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 15. September. 

-*♦- Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 21. September. 


Dr. Michaelis’ Eichel Cacao. Stärkendes (tonisirendes) 
Nahrungsmittel für jedes Alter. Zweckmässig als Ersatz für 
Thee nnd Kaffee. Zum medicinischen Gebrauch empfohlen: 
bei Reiz-Zuständen des Magens und des Darmes, bei diarrhöi- 
sehen Zuständen vertrauensvoll mit bestem Erfolg anzuwenden. 

Saxlehner’s Bitterwasser Hnnyadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürliche 
Purgntiv durch folgende Vorzüge aus: Prompte nnd sichere 
Wirkung; milder Geschmack; geringe Dosis; auch bei längerem 
Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indication: Habituelle 
Stuhl Verstopfung; Leberleiaen; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 

Rotirender Desinfector. Bewährtes Schutzmittel gegen 
Uebertragung von Infectionskrankheiten, vernichtet jeden 
Anstecknngsstoff nnd füllt jeden Raum innerhalb 15 Minuten 
mit reiner ozonhaltiger Luft. 


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flo«B. uesa. Cu6.12 CeHTaöpa 1892 r. H eransgeler; Dr. Rudolf W anach. Buchdruckerei von A. Wienecke, Katharinenbofer*Pr. M 15, 



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XVII. JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER Ne U «Foi ge ix.j«hr g . 

IlBIOimCII WOCHENSCHRIFT 

unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 

Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jedes-l 09“ Abönnementl-Aufträge sowie alle Z&serate 
Sonnabend.— Der Abo&nemo&tspreis ist in Bauland 8 Rbl. Kir das bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Rioker in 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. l’ostzustellung; in den anderen St. Petersburg, Newsky-Prospect 14, zu richten.— Hanuscripte 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Iniertionspreis sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den den geschäftsführenden Redacte ur Dr. Rudolf Wanach in St Pe- 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— tersburg, Petersburger 8eite, grosser Prospect M 7, Qn. 6 zu richten. 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogeu houorirt. Sprechstunden täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 

M 38 St. Petersburg, 19 . September (1. October) _ 1892 

Inhalt: E. Jaesche: Die Sterblichkeit in Dorpat.— von CorvahSuggestiv-Therapie. — Referate: Prof. Erisraann: 
Zar Frage über die Gefahr für das medicinische Personal durch die Cholera. — G. Leopold: Zwei Symphyseotomien mit 
glückbchem Ausgang für Matter und Kind. — Robert Müllerheim: Ueber die Symphyseotomie. — Bücheranzeigen und 
Besprechungen: B. Nannyn (Strassbarg i. E.): Klinik der Cholelithiaais. — Kleinere Mittheilungen und therapeu¬ 
tische Notizen. — Der IV. livländische Aerztetag. — Vermischtes. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs.— 
An die Redaction eingesandte Bücher und Brochüren. — Anzeigen. 


19* An die Herren Aerzte Livlands. 

Im Hinweis anf das im Aufträge des III. Livländischen 
Aerztetages meinerseits (Dec. 1891) erlassene Circulair, ersuche 
ich diejenigen Herren Collegen, welche noch im Rückstände 
sind, mir den fälligen Verschlag pro Sem. I. 1892 betreffend 
die Zahl der wegen Syphilis behandelten Kranken bald¬ 
möglichst zusenden zu wollen. 

Dr. H. Truhart — Fellin. 

Oie Sterblichkeit in Dorpat 

vom 1. Mai 1891 bis 2. Mai 1892. 

Von 

Dr. E. Jaesche 
in Dorpat. 

Bei Abfassung eines Sterblichkeitsberichts für dieses 
Jahr wird man natürlicher Weise anf Vergleichung mit 
dem vorhergehenden Jahre hingewiesen, wo wir zum 
ersten Male eiflen solchen Bericht zusammenstellen konnten. 
War derselbe nicht vollständig betreffs aller Krankheiten, 
die im vorigen Jahre tödtlich verlaufen waren, so war 
er doch vollständig in Bezug auf die wichtigsten Infec- 
tionskrankheiten und auf die ganze Zahl der Todten. 

Vergleichen wir nun das Jahr 1891—92 mit dem vor¬ 
hergehenden, so tritt uns eine auffällige Ueberein- 
stimmung in den allgemeinen Ergebnissen entgegen, 
während in den Todesursachen eine merkliche Differenz 
besteht. 

Verstorben sind in diesem Berichtsjahre 929 gegen 
935 des vorigen Jahres, also 26,5 oder z4,4 vom Tausend 
der Einwohner, je nachdem wir 35,000 oder 38,000 als 
Gesamrtitzahl letzterer annehmen. Das ist eine massige 
Ziffer, wie wir sie in einer grösseren Zahl westeuropäi¬ 
scher Städte mittlerer Grösse wiederfinden, während sie 
in manchen anderen Städten, wo ungünstigere Verhält¬ 
nisse herrschen, sich höher heransstellt. 

Die andere Uebereinstimmung dieses Jahres mit dem 
vorhergehenden betrifft die angegebenen Todesursachen, 


wenn wir ihre Gesammtzahl ansehen. Im vorigen Jahre 
namentlich waren an den herrschenden ansteckenden 
Krankheiten Verstorbene im Ganzen angegeben 208 und 
in diesem Jahre gerade auch 208. 

Dieses Zusammentreffen ist natürlich ein mehr zu¬ 
fälliges,«da in d en ver schiedenen Krankheiten, welche den 
Tod verursach? "habend merkliche Differenzen sich zeigen, 
und bei genauerer ärztlicher Angabe derselben, beson¬ 
ders was die Rubrik « Schwindsucht» betrifft, grössere Unter¬ 
schiede derselben nicht ansbleiben werden. Mussten wir 
im Berichte für das verflossene Jahr den Scharlach als 
Haupttodesursache voranstellen, so ist das in diesem 
Jahre in noch weit höherem Grade der Fall. Es sind an 
dieser Krankheit verstorben 112 = 12,0 pCt. aller Ver¬ 
storbenen, gegen 40 = 4,8 pCt. im Jahre 1891. Das 
macht 3,2 p. M. aller Bewohner, eine bereits recht er¬ 
hebliche Ziffer. Es steigerte sich die Häufigkeit der 
tödlichen Scharlachfälle besonders gegen den Sommer 1891 
hin, so dass in einer Woche, vom 2. bis 8. Juni solcher 
11 angezeigt wurden. Weiterhin nahmen sie ab und 
kamen im laufenden Jahre nur immer mehr vereinzelt 
vor. Ueber die Morbilität in Bezog auf diese Krank¬ 
heit, ihre Bösartigkeit, die Zahl aller daran Erkrankten 
können wir leider keinen Aufschluss erhalten. Eine Ant¬ 
wort auf diese so wichtige Frage wird uns die Statistik 
noch lange schuldig bleiben. 

Eigentümlich für das Jahr 1891—92 ist es, dass auch 
die Masernkrankheit mehrere Opfer gefordert hat, was 
in dem vorhergehenden Jahre nickt vorgekommen war. 
Die Zahl der daran Gestorbenen ist zu 19 angegeben. 
Wahrscheinlich ist in den tödtlichen Fällen eine Com- 
plication mit Lungenleiden hinzugekommen und vielleicht 
hat dabei ein Einfluss der in diesem Jahre stark ver¬ 
breiteten Influenza sich geltend gemacht. Der Procent¬ 
satz beträgt 2,0 pCt aller Gestorbinen. 

Auch der dritte der acuten Hautaisschläge, die Pocken 
sind viel häufiger aufgetreten, als im vorhergehenden 
Jahre. Verstorben sind daran 45, d. i. 4,8 pCt. aller 
Todten und gegen 1,2 vom Taisend der Einwohner. 
Nun wird es sich im Verlaufe des neu angetretenen 


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Jahres aus^eisen, ob dieser Krankheit noch grössere Aus¬ 
breitung beschieden ist oder ob vielleicht die rechtzeitige 
Impfung der Neugeborenen und die Revaccination bei 
uat fcreita sopallgemein duMjhgeÜlut wei?ien, dass wirft- 
Hfh diesem soh^mmen Uab^ der Boden zn übermässiger 
Fortwncherung in enerrisctyrr Weise entzogen wird. Zu 
vertrauensvoll dürfen wir d%rin iadeas gewiss noch nicht 
sein, sondern müssen immerhin auf die drohende Gefahr 
aufmerksam machen. 

Die Krankheit welche nächstdem in Bezug auf Todes¬ 
ursache besOiUjdara za herficksichtigeu ist, das ist die 
Diphtheritls. An ihr sind 22 gestorben, gegen 23 Im 
vorhergehenden Berichtsjahre d i. 2,3 pCt der Ver¬ 
storbenen. Das zeigt uns, das dieses bösartige Debet bei 
uns immer wieder zum Vorschein kommt, aber zum Glück 
doch nur in sporadischer Weise. Ob seiner epidemischen 
Verbreitung lediglich allgemeine Umstande entgegen 
stehen, oder ob dazu auch hygienische Desinfections- 
maassregeln beitragen, können wir noch nicht entscheiden 
Jedenfalls abe~ ist es einigermassen beruhigend, dass 
letztere auch h’er allmählich mehr und mehr in Aufnahme 
kommen. 

Von den 929 Gestorbenen kommen also 2,3 pCt. auf 
Diphtheritis, wobei wir indess bemerken müssen, dass 
vielleicht auch einige Fälle von Croup dabei mitge¬ 
zählt sind. 

Die Ruhr hat sich in sehr mässigen Grenzen ge¬ 
halten , es sind nur 10 Todesfälle, durch sie verursacht, 
angegeben, noch weniger als im vorhergehenden Jahre, 
wo diese Zahl 17 betrug. 

An Schwindsucht sollen 99 gestorben sein, gegen 111 
im Jahre 1891—92, wobei wiederum zu bemerken ist, 
dass durchaus nicht entschieden werden kann, wie viele 
Fälle von Tuberculosis in dieser Zahl anzunehmen sind 
und wieviele auf Rechnung anderer chronischer Brustleiden 
kommen. Immerhin muss hervorgehoben werden, dass 
von 1000 Einwohnern unserer Stadt dnrchschnittlich 
jährlich 3,0 vom Tausend der Einwohner und ip,f> pCt. 
der Gestorbenen an solchen Uebeln zu Grunde gehen. 

Bemerkenswerth für dieses Jahr ist die Thatsaciie, dass 
keine von den andern Krankheiten, die sonst als Todes¬ 
ursachen auch bei uns aufzutreten pflegen, dieses Mal 
vorgekommen sind. Am Flecktyphus und am Unterleibs¬ 
typhus ist nur je einer gestorben. Dem Kindbett¬ 
fieber sind 2 Frauen erlegen, was jedenfalls für die 
sorgsamere Pflege spricht, die allgemein den Frauen vor 
und nach der Niederkunft geboten wird. 

Schliesslich müssen wir hier noch der Influenza Er¬ 
wähnung thun, da sie im Laufe dieses Jahres hier recht 
extensiv geherrscht hat. Ganz so verderblich war ihr 
Auftreten hier nicht, wie es von manchen anderen Ge¬ 
genden her berichtet wird, aber doch ist sie am Tode 
mancher Personen betheiligt gewesen. Besonders gefährlich 
zeigt sie sich bekanntlich für alte Personen, bei denen 
sie leicht eine katarrhalische Pneumonie hervorruft. - Da 
aber diese Krankheit auch sonst häufig das Greisenalter 
nicht verschont, so lässt sich in vielen Fällen nicht wohl 
entscheiden, ob bei letalem Ausgang die Influenza an¬ 
zuschuldigen ist, oder nicht. In einer Versammlung, wo 
ein grösserer Theil der Dorpater praktischen Aerzte ver¬ 
treten war, ergab die Anfrage, wie viele Todesfälle an 
Inflaenza im Laufe dieses Berichtsjahres von ihnen beob¬ 
achtet seien, dass sie sicher nur in 9 Fällen ihr die 
Schuld zuschreiben könnten. Unter diesen waren 2 oder 
3 bei jüngeren Personen, mit auffälligeren Erscheinungen 
vorgekommen. Für die ganze Stadt dürften wir also wohl 
höchstens das Doppelte oder Dreifache an Influenza Ge¬ 
storbener an nehmen. 

Indem wir diesen immerhin noch mageren Mortalitäts¬ 
bericht für das Jahr vom 1. Mai 1891 bis 2. Mai 1892 
vorlegen, glauben wir doch aussprechen zu dürfen, dass 
derselbe für die fernere Mortalitätsstatistik Dorpats nicht 


ganz bedeutungslos ist. Wir können aber für die fernere 
Zeit vollständigeren Berichten entgegen sehetf, denn die 
hygienische Commission der Stadtverordneten-Versammlung 
hat die Besttamoog getroffen, dass foctai bet jede* 
hier ln der Stadt zu Beerdigenden • ein vom Arzte ausr 
gestellter specificirter Todlenschein beizubringen sei. Dieser 
Schein wird die bekannten Angaben über Stand. Alter,. 
Geschlecht u. s f. sowie über die Todesursache ent¬ 
halten. 


Suggtstitf-Therapi* 

Von 

Obwstabfaizt a. D. Dr. von Corval in Baden-Baden. 

Aus den Encyclopädischen Jahrbüchern I. Band, herausgegeben 

. von Professor Enlenberg in Berlin *). 

Indem wir den Titel Snggestiv-Therapie für vorliegende 
Arbeit gewählt, haben wir zngleich ausgesprochen, dass wir 
nns in Bezug aaf die Theorie durchaus der Schule von 
Nancy anschliessen und somit annehmen, dass sämmtlirhe 
Erscheinungen der Hypnose durch Erwecknng entsprechender 
Vorstellungen, besonders Phantasievorstellungen erzeugt 
werden. Wir halten, im Anschluss an diese Schule und wohl 
auch im Einverständnisse mit der überwiegenden Mehrzahl der 
Aerzte, welche sich praktisch mit der Frage beschäftigen, 
alle hier beobachteten Erscheinungen als durch Suggestion 
(Eingebung) bedingt, sei es, dass dieselbe beabsichtigt, also* 
bewusst von einem Fremden, (Fremdsnggestion) geschehe, 
sei es nnbewnsst. oder gar von dem Patienten selbst, (Auto¬ 
suggestion) ausgehend. Ara leichtesten wird der Zweck 
dadurch errreicht, dass der Hypnotiseur mittelst der Sprache 
mit Bestimmtheit erklärt, dass der zu erzeugende Zustand in 
demselben Augenblicke, wo diese Erklärung abgegeben wird, 
vorhanden sei. oder sogleich eintreten würde. (Verbalsng- 
gestion — Einreden'. 

Redet sich dagegen Jemand selbst etwas ein, so nennen wir 
das Autosuggestion. 

Eine Suggestion kann aber, wie bereits gesagt, auch unbe¬ 
wusst geschehen, oder es kann die entsprechende Vorstellung 
so schwach oder so kurz im Bewusstsein erscheinen, dass sie 
sofort wieder aus demselben schwindet, wählend, die Sugges¬ 
tion trotzdem mächtig bleibt. Hierin liegt die Erklärung 
einer Anzahl von Selbsttäuschungen und Unrichtigen Benr^ 
theilungen, und ist es ganz besonders Bernheim’s scharfer 
Logik gelungen, für fast alle derartigen bisher räthselhaften 
und daher der Wirkung geheimer Kräfte zu geschriebenen Er¬ 
scheinungen die Erklärung zu finden, vor Allem aber auch zu 
zeigen, dass alle in der Schule von Charcct demonstrirten 
Erscheinungen des «grand hypuotisme> nnr auf bewusster 
oder unbewusster Suggestion beruhen. 

Mit Recht haben daher verschiedene Forscher wie van Ren- 
terghem nud von Eden vorgeschlagen den unbestimmten 
Ausdruck Hypnotismns fallen zu lassen und. wenigstens so 
weit es sich um Beeinflussen von Krankheiten handelt, nur 
mehr von Psycho-Therapie oder höchstens psychothera- 
peutiqne suggestive zu sprechen. Auf diese Weise wird 
von vorne herein jedem Missverständnisse vorgebeugt nnd zu¬ 
gleich bestimmt erklärt, dass es sich nur um eine Einwirkung 
anf die Psyche nnd vermittelst dieser auf die rein körper¬ 
lichen Functionen handele, dass man, um die .beabsichtigten 
Wirkungen zu erzielen, suchen müsse eine genügend entschie¬ 
dene Einwirkung auf die Psyche zu erlangen, und dass es 
schliesslich gleichgültig sei, auf welchem Wege man zn solch’ 
einer Macht gelaugt, vorausgesetzt, dass der Patient in keiner 
Weise irgend einen Schaden erleide. Wir glauben hiermit den 
Standpunkt präcisiren zu können welchen wir bei allen unseren 
therapeutischen Bestrebungen einnehmen sollten. 

Ohne uns in ausführliche, theoretische Erörterungen einza- 
lnssen. heben wir doch hervor, dass wir zu bezüglichen kür¬ 
zeren Betrachtungen im Verlaufe unserer Arbeit noch wieder¬ 
holt Veranlassung haben werden. Wohl angebracht aber düt fte 
zunächst ein kurzer geschichtlicher Rückblick sein, der nns vor 
Allem zeigen soll, das» die Suggestion so alt wie die Mensch¬ 
heit selbst ist, dass dieselbe überhaupt, sei es bewusst oder 


*) Obgleich wir in der Regel in unsrer Wochenschrift keine 
Arbeiten abdrncken, die schon in andern Zeitschriften erschie¬ 
nen sind, glauben wir mit dem vorliegenden Aufsatz, dem 
Wunsch des Verf. nachkouiniend, eine Ausnahme machen zn 
dürfen, da die Eulenburgschen Encyclopädischen Jahrbücher 
nur einem kleinen Theil unserer Leser zugänglich sein dürften 
und das vom Verf. ausgezeichnet behandelte Thema immer 
grössere pinktische Bedeutung gewinnt. 

Dia Redactien der St PefersU med. Woche* sehr* 


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»■bewusst, eine sehr grosse Rotte gespielt hat Und vielfach 
zh guten, aber eben so oft 2 u unerlaubten Zwecken benutzt 
worden ist. 

Die Thatsacke, dass man durch gewisse Manipnlationen 
besondere psychische Zustände beim Menschen herbeifüliren 
könne, war im Orient seit ältester Zeit bekannt, and wurde 
mit oder ohne Absicht zu religiösen Zwecken verwendet. 
Wahrsagen und Krankenheilungen, Wunderkuren aller Art 
waren um so mehr im allgemeinen Gebrauche, als die alte 
Medicin sich stets in den Händen der Priesterkaste befand: 
Anstarren von Amulets an dem Gürtel und der Kopfbedeckung 
des Hohenpriesters, Heilung durch Handauflegung, Tempel¬ 
schlaf bei Griechen und Egyptern, Bertibrnng von Heilig- 
thümern, Reliquien, Gebrauch von wundertätigen Quellen, 
(Lourdes) sympathetische Curen, Gebetsheflnngen, sogar in 
besonderen Anstalten, etc. 

Ueberall bedurfte es des Glaubens, der festen Ueberzeugung, 
dass man auf diese Weise gesund würde, überall war es not¬ 
wendig, dass die Idee der Heilung in die Psyche des 
Kranken eindringe und feste Wurzel schlage. Haben 
wir es nicht bei der Wirkung der homöopathischen Streu¬ 
kügelchen, des Kneipp’scnen Wasserheilverfahrens n.d. g. 
auch grösstenteils mit psychischen Wirkungen zu thun, und 
wer vermag zt bestimmen, ob nicht so manche der vielge¬ 
brauchten Arzneimittel ihre unzweifelhafte Wirkung nicht 
selten gleichfalls durch Vermittelung der Psyche (Sugges¬ 
tion) erreichen, nnd dass sich dadurch nicht selten die ver¬ 
schiedene Wirkung des gleichen Mittels in den Händen ver¬ 
schiedener Aerzte erklären lässt; ob wir z. B. bei Anwendung 
der Elektricität nicht selten auch nnr mit Suggestiv-Wirkung, 
za thun haben? Wäre es sonst möglich, dass bei dergleichen 
KrankheitBform die verschiedenen Beobachter mit den ver¬ 
schiedensten Applicationsweisen und Strömen genau dieselben 
Resultate erzielen könnten? Wodurch anders als durch Auto¬ 
suggestion erreichen die Fakirs die vollständige Anästhesie, 
die Fähigkeit in den unnatürlichen Stellungen tagelang ver¬ 
harren zu können? Sollte es denn so nnerlHärlich sein, dass 
es bei besonders empfindlichen Personen gelingt, durch Sug¬ 
gestion vollständige Unempfindlichkeit gegen äussere Eingriffe 
hervorzurufen, so dass gelegentlich chirurgische und geburts¬ 
hilfliche Operationen gemacht werden können, ohne dass die 
betreffenden Personen irgend welchen Schmerz empfinden. 

Aus verschiedenen Andeutungen dürfte unzweifelhaft her- 
voi gehen, dRss die Suggestion seit undenklichen Zeiten mehr 
oder woniger bewusst in Verwendung gewesen, ja, dass wir 
uns derselben ancii heute noch vielfach bedienen, oft ohne 
uns Rechenschaft über das eigentliche Wesen und die Art der 
Wirkung unseres Vorgehens zu geben, so wie, dass wir zu 
mancherlei unrichtigen Vorstellnnger, zu einem Verkennen 
der wahren Natur unseres Verfahrens in erster Reihe dadurch 
verleitet werden, dass wir an der Vorstellung festbalten, es 
bedürfe zur Wirkung einer 8uggestion unbedingt des hypno¬ 
tischen Schlafes, während es doch unzweifelhaft fest stobt, 
dass nicht wenige Personen eine Suggestion in wachem Zn 
stände leicht anfnehmen und dieselbe zu voller Wirkung 
gelangen lassen. Zur Klärung der Anschannngen über diese 
Jr die ganze Therapie höchst wichtige Frage ist unserer An¬ 
sicht nach ganz besonders eine vor Kurzem erschienene Arbeit 
von Rosenbach geeignet. Die hohe Bedeutung derselben in 
dieser Beziehung dürfte es rechtfertigen, dass wir etwas auf 
dieselbe eingehen. 

RoBenbach macht den Versuch die verschiedenen Formen 
der psychischen Therapie abzugrenzen, ihre gemeinsame Wurzel 
im Gebiete der Vorstellung deijenigen, bei denen sie zur An¬ 
wendung kommt scharf darzulegen nnd den Nachweis zn liefern, 
dass die durch die reine F_»rm der Suggestion wirkende 
Therapie streng geschieden werden müsse von der mehr 
erziehlich wirkenden Behandlung, welche unter Berücksichti¬ 
gung der Individualität des Kranken die stets vorhandene 
tehlerhaft^ auf unrichtigen Vorstellungen beruhende Inner¬ 
vation daroh methodische Belehrung, durch Uebung pervers 
reifender Muskeln, durch Kräftigung des WillenB und der 
Widerstandskraft in richtige Bahn zu lenken versucht, (z. B. 
Behandlung des Stotterns.) 

Hypnotische Behandlung Sei also die auf physiologi¬ 
sche Vorgänge, anf Erregung bestimmter Vorsteilangen be¬ 
gründete Therapie, nnd zeige sich selbe bei denjenigen Krank¬ 
heiten, resp. Aeusserungen des Krankheitsprocesses wirk¬ 
sam, wo die zu beobachtenden Symptoue unter dem Ein¬ 
flüsse der Psyche stehen, während sie bei den anf orga¬ 
nischen, anf materiellen Veränderungen beruhenden Krank¬ 
heitsvorgängen höchstens symptomatische Erfolge erzielen 
könne; es gäbe aber ansser diesen organischen Erkrankungen, 
die nnr beseitigt werden können, wenn die Ursache der Func- 
tionstömng behoben wird, eine grosse Reihe anderer, bei denen 
diese Störung wesentlich anf einer Beeinflussung und Er¬ 
regung gewisser Vorstellungen beruht, und wo durch Ein¬ 
wirkung anf die Psyche gewisse Empfindungen ansgelöst und 
gewisse Vorstellungen hervorgerufen werden, die dauernd 
Weibe» könne», and bewußt oder unbewusst zu Aeusserungen 


in der motorischen Sphäre führen, welebe dann oft als wirk¬ 
liche Krankheitserscneinnngen gedeutet werden. 

Wie oft käme es vor, dass nach Ablauf einer gewissen 
OrganerkrankHng bestimmte unangenehme Empfindungen, die 
entweder von den Residuen der Krankheit, noen häufiger aber 
von dem Nichtgebranche des betreffenden Organes herrühren, 
Zurückbleiben. Bei gesteigerten Ansprüchen können dann 
Ermüdungserscheinungen oder abnorme Sensation auf das 
Fortbestehen der Erkrankung bezogen werden; die perversen 
Empfindungen steigerten sich mehr nnd mehr, die Leistungs¬ 
fähigkeit nehme ab. essteilte sich Hyperästhesie in den das 
Organ mit dem Centrum verbindenden Bahnen nnd zuletzt im 
Centralorgan selbst ein, die unter den Erscheinungen einer 
wirklichen Erkrankung die Leistnngfähigkeit und die Er¬ 
nährung des Organismus herabsetzte. 

In einer anderen Form wieder Weihen gewisse Reflexrao- 
chanismen nach dem Verschwinden des Krankheitsprocesses 
fortbestehen da sie zor zweiten Natnr geworden sind und dem 
Kranken Kraft oder Wille fehlt, dieselben zu unterdrücken. 

Eine dritte Form hierher gehöriger Erkrankungen könne 
man auch als Vorstellungsltrankheiten bezeichnen. Die¬ 
selbe liegt vielen Fällen von Hypochondrie nnd Patho- 
phobie zu Grunde. Hierbei setzt sich in Folge vonLectÜre, 
von Erkrankung eines Nahestehenden, oder von wirklichen 
abnormen Gefühlen der Gedanke an eine bestimmte Organ¬ 
erkrankung fest. Die Richteng der Vorstellung anf diesen 
Punkt des Körpers macht nach den Gesetzen der Uebung die 
Centralorgane so empfindlich, dass von der Peripherie 
kommende Reize jeder Art, die das bestimmte Organgebiet 
treffen, stärker und onangenehm empfanden werden. Diese 
Ueberempflndliclikeit im Gebiete der betreffenden Nerven und 
ihrer Centralorgane ruft gesteigerte motorische Erscheinungen 
hervor nnd damit ist das bisher nnr sntyective Leiden auch 
objectiv geworden. Endlich gehört hierher noch die abnorm 
gesteigerte Feinheit aller Sensationen, bei welcher alle von 
der Peripherie kommenden Impulse besonders unangenehm 
empfanden werden, und schnell das Gefühl der Ermüdung in 
den entsprechenden Organen hervorrnfen. Hier liegt das Ge¬ 
biet der Neurasthenie. Dass auch die Hysterie hierher 
gehöre, braucht nicht besonders ausgeftihrt zu werden und 
haben auch deren Hanpterscheinungen in typischen Fällen 
eine auffallende Aehnlichkeit mit der Hypnose. 

In allen diesen Zuständen, sagt Rosenbach weiter, sind die 
betreffenden Individuen krank, weil ihre Vorstellung und ihr 
Wille nach gewisser Richtung beeinflusst ist; sie wären nicht 
krank, wenn ihre Vorstellungen in andere Bahnen gelenkt, 
oder ihrem Denken und Empfinden ein anderer Inhalt gegeben 
werden könnte. Sie Bind gesund solange sie ihre Gedanken 
ablenken können, sobald sie an die Heilwirkung einer ärzt¬ 
lichen Vorschrift, oder eines Verfahrens glauben, im Gegen¬ 
sätze zu wirklich Kranken, deren Leistungsfähigkeit in 
der beschränkten Leistung ihrer kranken, nnd darum insuf- 
ficienten Organe, trotz aller hoffnungsreichen Vorstellungen, 
die enge, und trotz aller Willenskraft unüberschreitbare Grenze 
findet. . . . 

Krankheiten, die in der Vorstellung bestehen oder durch 
Vorstellungen wesentlich beeinflusst werden, sind aber nur 
durch psychische Beeinflussung zu heilen: die Waffe, die 
die Wunde schlug, hilft zur Genesung. Die ln den Stoff¬ 
wechsel gelangenden Mittel aber, die durch körperliche Be¬ 
einflussung heilen, indem sie wirkliche, directe, chemische Ein¬ 
wirkung üben, unterscheiden sich dadurch, dass sie wirksam 
sind, ohne das der Patient von ihrer Einwirkung Kenntniss 
zu haben braucht, and dass sie ihre Wirkung trotz gegen¬ 
teiligen Willens der Patienten erfüllen müssen. Vorstellungs¬ 
krankheiten dagegen können nnr geheilt werden, wenn der 
Kranke einen activen Antheil ander Heilung nimmt, wenn 
er entweder aus eigener Initiative, dem eigenen Wunsche 
folgend, oder scheinbar passiv, in Wirklichkeit doch activ, 
seinen Vorstellungsinnalt im Sinne dieses Bestre¬ 
bens ändert, nnd so, anscheinend durch den Willen einer 
anderen Person, in Wirklichkeit natürlich durch seinen eigenen, 
zu bestimmten Gedauken und Handlungen Veranlassung er¬ 
hält. . . .» 

(Fortsetzung folgt). 


Referate. 

Prof. Erismann: Zar Frage Uber die Gefahr für das 
raediclnische Personal iurch die Gholera. (Wratsch 
Nr. 36. 1898, [russisch]). 

In bekannt fesselnder Weise bringt unser Moskauer Hygie¬ 
niker heute einen Aufsatz, der die gegentheilige Morbiditäts¬ 
frequenz seitens des ärztlichen Personals bei Flecktyphus uud 
Cholera illustriren und zum besseren Verständniss des Wesens 
der letzteren dienen soll. 

Es ist eine noch wenig bekannte Thatsache, dass Militär¬ 
ärzte im Kriege häufiger erkranken und in grösserem Pro- 


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360 


Centverhältnisse sterben als Offleiere. Von den Infections- 
krankheiten ist es bei ans besonders der Flecktyphus, welcher 
die wüstesten Verheerungen unter dem Ärztlichen Personale 
angerichtet hat; dieses hat nicht nur der letzte türkisch¬ 
russische Krieg, sondern auch noch die kaum erloschene Epi¬ 
demie gegen Anfang des Jahres bewiesen. Erismann hat den 
russisch-türkischen Krieg in der Eigenschaft als Präsident 
des Sanitätscorps in ßnmänien und Bulgarien mitgemacht und 
dort eine Reihe interessanter statistischer Daten gesammelt. 
Nach ihnen erkrankten bei Jassy am T. exanthem. in der ersten 
Hälfte des Januar 79 pCt. aller Hospitaldiener; 66,7 pCt. aller 
Heilgehilfen und von 8 Aerzten lagen zur Zeit eines Besuches 
des Autors 7 krank; alle barmherzigen Schwestern hatten die 
Krankheit durchgemacht, von 16 blieben nur diejenigen am 
Leben, welche in der Wirthschaft beschäftigt gewesen waren. 
In einem anderen Hospital bei Jassy erkrankten am Fleck¬ 
typhus 60 pCt. der Aerzte, 100 pCt. der Schwestern, 80 pCt. 
der Heilgehilfen und 60—70 pCt. des unteren Pflegepersonals. 

In Frateschty erkrankten von 10 Aerzten 3 und starb 
einer; ausserdem erkrankte jeder neueingetroffene Arzt obii- 

f atorisch 2—3 Wochen nach seiner Ankunft; von den 
chwestern 82 pCt., von den Heilgehilfen 82 pCt. Ans der 
Zahl des Pflegepersonals erkrankten 427 Personen; von 300 
Pflegedienern bei Eröffnung des Hospitals, verblieben zum 
Scnluss nur 7. Alle übrigen waren theils am Flecktyphus 
gestorben, theils krankheitshalber in die Heimath zurüenge- 
schickt worden. 

In Simnitzi grassirte die Epidemie nnter dem Pflegepersonal 
dermassen, dass behnfs Uebernahme der Krankenpflege häufig 
aus den Reservebataillonen Soldaten requirirt werden mussten, 
welche dann ihrerseits ebenfalls erkrankten. Aehnliches 
passirte in Sistowo und Rasgrad; an letzterem Orte musste 
von Anfang des Krieges bis zum Mai 1878 3 Mal das Pflege¬ 
personal vollständig neu eompletirt werden. In Bela er¬ 
krankten von 18 Aerzten 16. Bei St. Stefano erkrankten fast 
alle Aerzte an Flecktyphus und Recurrens, so dass zuweilen 
ein gesunder Arzt 500 Patienten zu besorgen hatte: von 
14 Schwestern erkrankten alle am Typhus (?), starben 2 und 
das Wartepersonal musste 4 Mal neu eompletirt werden. — 
Das sind die Zahlen, die der Krieg ergeben hat; aber sie 
weichen kanm von denjenigen ab, die bei Epidemien im Flie¬ 
den beobachtet werden. Daraus folgt, dass der Flecktyphus 
durch seine Infectiosität die grösste Oefahr für das meaici- 
nische und für das Pflegepersonal darbietet. 

Verf, geht hierauf auf aie Cholera über, erwähnt die in der 
verzeichneten Morbiditäts- und Mor- 
Aerzte und Pflegepersonal bei der 
die minime Zahl der bisher bekannt 
gewordenen Opfer hin, welche die Epidemie in dieser Hinsicht 
in Russland gefordert hat. Selbst an einem Orte wie Baku 
waren znr Zeit der Höhe der Epidemie, im Juli, alle 13 zu¬ 
gereisten Aerzte nnd 8 Studenten gesund. Daraus folgt, dass 
der Cholerakranke als solcher nicht gefähr¬ 
lich für seine Umgebung ist und in seinem 
Körper nicht das fertige krankmac.h ende 
Agens producirt; vielmenr erreicht dieser 
Keim erst dann dasjenige Entwicklunngs- 
stadium, in welchem er das Individuum krank 
macht, wenn er unter günstige äussere Be¬ 
dingungen kommt. Somit ist nicht der Kranke, son¬ 
dern der Ort gefährlich. Das medicinische Wartepersonal 
eines Hospitals kann erst dann gefährdet werden, wenn der 
Ort, auf welchem dasselbe liegt günstige Bedingungen für die 
Entwicklung des Keimes besitzt. Die Litteratnr beweist, dass 
Aerzte und Pflegepersonal solange ungestraft ihren Pflichten 
nachgehen konnten, als der gegebene Ort frei blieb von 
localen Erkrankungsfällen. Fälle von Infection wurden erst 
dann beobachtet, wenn die Krankheit in Häusern und Strassen 
anttrat, welche in der Nähe des Hospitals lagen. 

Es ist daher kein Grund vorhanden den Kranken zu fürchten, 
wohl aber den Ort, an welchem die Cholera Neigung zur 
epidemischen Ausbreitung zeigt. Beginnt in Indien in einem 
Cholerahospital das Wartepersonal zu erkranken oder eine 
Hausepidemie sich zu manifestiren, so wird das Hospital in 
eine cholerafreie Gegend fibergeführt' — Endlich kommt Verf- 
zu dem Schluss (wobei ihm wohl so mancher beistimmen wird, 
der Gelegenheit gehabt hat, mit Cholerakranken in dauernde 
Berührung zu kommen), dass in der Aetiologie, in der Ver¬ 
breitungsweise der Cholera und in dem Kampfe mit ihr, 
durchaus nicht alles so einfach und verständlich ist, wie die¬ 
jenigen^ glauben, die in dem Cholerabacillns den reifen Cholera¬ 
keim erblicken und ausschliesslich ihn allein za vernichten 
bestrebt sind, um ersterer Herr zu werden. 

Ref. möchte nicht unterlassen im Anschluss und znr Be¬ 
leuchtung obiger Ausführungen Erismann’s, an dieser Stelle 
einige Zahlen anznführen, welche im St. Petersburger städti¬ 
schen Obuchowhospital gesammelt sind. Im August, zur Zeit 
des Höhestadiums der eben abnehmenden Epidemie waren in 
genanntem Hospital ca. 120 Betten von Cholerakranken ein¬ 
genommen. Täglich beschäftigt waren in den Cholerabaraken: 


ausländischen Literatur 
talitätsstatiBtiken über 
Cholera und weist auf 


7 Aerzte, 3 Heilgehilfen, 8 Schwestern und ca. 60 Personen 
Wartepersonal und Bedienung (Wäscherei nnd Küche ausge¬ 
schlossen). In Smnma also ca. 80 Personen. Von ihnen ist 
bisher nui eine Wärterin an der Cholera gestorben nnd 
je 2 Aerzte und Pfleger waren für einige Tage an einer acuten 
Enteritis (speciiihch?) erkrankt. Kallmeyer. 

G. Leopold: Zwei Syraphyseotomien mit glücklichem 
Ausgang für Mutter und Kind (Centralblatt f. Gyn. 
1892. Nr. 30). 

Robert Müllerheim: Ueber die Symphyseotomie. 
(Ibidem). 

Mit Einführung der Symphyseotomie in die Praxis der 
deutschen Gynäkologen durch oben genannte Autoren, von 
denen übrigens Müllerheim die Priorität gehört, dürfte die auf 
der Tagesordnung stehende Frage von der Zulässigkeit des 
Kaiserschnitts bei relativer Indication eine neue Beleuchtung 
erfahren. Leopold, der selbst glänzende Resultate bei zahl¬ 
reichen Kaiserschnitten aufzuweisen hat, spricht sich, offenbar 
ganz unter dem Eindruck zweier für Mutter und Kind mit 
glücklichem Ausgang ansgeführter Syinphyseo.tomien, dahin 
aus, dass der Kaiserschnitt ganz bedeutend einzuschränken 
und in dasjenige Gebiet zuriickznverweisen ist, wohin er von 
jeher gehört nat, auf die Fälle von absoluter Beckenenge 
(6 Cm. Conj. vera und darunter bei ausgetragenen Früchten). 

Die Operation selbst wird seit etwa 25 Jahren in Italien 

§ eiibt und ist durch die Arbeiteu Morisani’s den deutschen 
eburtshelfern bekannt. Letztere verhielten sich aber sehr 
skeptisch gegen die Operation. Erst die neueste Publication 
Pinard’s gab den Anstoss zur Ausführung der ersten drei 
Operationen in Deutschland, deren Ausführung keineswegs 
scliwer ist. Leopold beschreibt sie folgendermassen: Lagerung 
der Gebärenden mit vorstehendem Gesäss auf einen Tisch, 
nachdem alles zur Entbindung durch Zange oder Wendung 
bereit gemacht ist Zwei Assistenten halten die Beine unter 
den Knien, diese ein wenig gespreizt und drücken mit der 
freien anderen Hand die Trochanteren fest zusammen. Haut¬ 
schnitt von dem oberen Rand der Schamfuge bis 1 Cm. ober¬ 
halb der Clitoris. Durchtrennen der Weichtheile bis zum 
Gelenk und quere Durchtrennung der Ansätze der Musculi 
recti nur so breit, dass der linke Zeigefinger hinter die Schamfuge 
gelangen kann. Leicht gleitet er an dieser hinten herunter, 
bis zum Li$. arcuatum und nun durchtreunt man mit ge¬ 
knöpftem, sichelartigem Messer langsam das Gelenk. Sofort 

g ehen die beiden Knochenenden auf 3 Cm., bei vorsichtiger 
preizung der Kniee und gering nachlassendem Trochanteren- 
druek auf 7 Cm., jedenfalls so weit aus einander, dass der 
grosse Kopf sofort in den Beckeneingang gedrängt nnd mittels 
hoher Zange leicht entwickelt werden kann. Sofort drücken 
nun die beiden Assistenten die Rollhügel so fest wieder an- 
einander, dass sich die Gelenkenden berühren. Mit Silber¬ 
draht oder stärksten Seidenfäden werden sie gleichzeitig mit 
den Weichtheilen an einander gezogen und vernäht und die 
übrige Wunde geschlossen. Ein fester, mit Schnalle ver¬ 
sehener, breiter Gurt hält in den nächsten drei Wochen das 
Becken zusammen und wird, je nachdem, täglich fester ange¬ 
zogen. Das Lig. arcuat zu durchtrennen hält Leopold für 
überflüssig, in einigen Fällen genügt sogar eine unvollständige 
(halbe oder dreiviertel) Durchtrennnng der Symphyse da auch 
schon so ihre oberen Enden auf 3 Cm. ansemandergehen. In 
beiden Fällen hatte es Leopold mit allgemein verengten, 
platten Becken von ü 3 U Cm. Conj. vera. zu thun. Die Heilung 
erfolgte ohne Störung des Gehvermögens. 

In dem Falle von Müllerheim erfolgte die Geburt spontan 
durch die kräftigen Wehen sofort nach Ausführung der 
Symphyseotomie, es warde nur noch der Ritgen’sche Hand¬ 
griff zu Hilfe genommen. M. hält die Anlegung eines Esmarck- 
schen Schlauches um das Becken, in der Höhe zwischen Darm¬ 
beinkämmen und Trochanteren nach Ausführung der Opeia- 
tion für erforderlich, als Schutzvorrichtung gegen zu kräftige 
Wehen oder zu energische Art der Entbindung. Auch er be¬ 
zeichnet die Ausführung der Operation als leicht und betont 
die Ungefährlichkeit des Eingriffs im Vergleich zum Kaiser¬ 
schnitt. Er ist noch erlaubt, wenn die Blase längst gesprungen, 
vielleicht Infection eingetreten ist und Cervixdehnung sich 
entwickelt hat. Letztere drei Umstände compliciren nicht 
nur den Kaiserschnitt, sondern trüben auch seine Prognose 
bedenklich. W. Beckmann. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

B. Naunyn (Strassburg i. E.): Klinik derCholelithiasis. 
Mit 3 farbigen und 2 Lichtdruck-Tafeln. Leipzig. Ver¬ 
lag von F. C. W. Vogel. 1892. 

Unter den verdienstvollsten litterarischen Erzeugnissen der 
Gegenwart gebührt der vorliegenden Monographie Nannyn’s 
wohl ein hervorragender Platz; von Meisterhand abgefesst 


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bietet das Werk eine Fülle neuer Untersuchungsresultate und 
anregender Gedanken, so dass das Interesse des Lesers von 
Anfang bis zu Ende gefesselt wird. Da wir bei der Fälle 
des Materials auf Einzelheiten hier nicht weiter eingehen 
können, wollen wir nns begnügen eine ganz gedrängte In¬ 
haltsübersicht zu geben. Zunächst werden die einzelnen 
Arten der Gallensteine, ihre Fundorte und chemischen Be- 
standtheile, ausführlich beschreiben. Dann folgen die inter¬ 
essanten Untersuchungen der Nannvn’schen Schüler zur Phy¬ 
siologie der Gallenabsonderimg, welche alle demselben Ziele 
zustreben, eine einheitliche Theorie der Gallensteinbildung zu 
begründen. Nachdem Verf. seine wissensehaftlich festgestützte 
Theorie der Concreinentbildung eingehend besprochen hat, 

f eht er zu den klinischen Erörterungen über die Ursachen 
er Cholelithiasis über. Unzweifelhaft spielt bei der Gallen¬ 
steinbildung die Gallenstagnation eine hervorragende Rolle. 
Durch dieselbe ist die Möglichkeit des Eindringens von 
Mikroorganismen gegeben; die in die Galle eindringenden 
Bakterien verursachen eine Cholangitis, welche durch den 
Schleimhautzerfall Ursache der Concrementbildnng wird. In 
einem Falle wurden die Bacillencongloraerate selbst als Kerne 
von Gallensteinen nacbgewiesen. Möglich bleibt noch dieAn- 
nabme, dass die Galle selbst, als heftiges Protoplasmagift, 
bei längerer Berührung mit der Schleimhaut — auch ohne 
Bakterien — zum steinbadenden Katarrh Veranlassung giebt. 
Die nächsten Capitel sind der klinischen Symptomatologie ge¬ 
widmet. Verf. giebt ein erschöpfendes Bila des regulären wie 
des unregnlären Verlaufes der Gallensteinkrankheit. Zum 
Schlüsse bespricht Verf. die Therapie. Vor allem kommt es 
darauf au, die Gallenstauung zu verhindern: Alles was in Lebt ns- 
weise, Tracht, gymnastischen und hydrotherapeutischen Pro- 
cednren hierfür in Betracht kommt, wird ausführlich ge¬ 
würdigt. Eine wesentliche Beförderung des Gallenflusses sieht 
Verf. in einer guten Blutcirculation der Bauchorgane und in 
der Darmperistaltik, wie sie durch regelmässige Mahlzeiten, 
lauwarme salinische Wässer, auch durch Rectaleingiessungeu 
hervorgerufen werden. Hierauf beruht auch der Effect von 
Karlsbader Cnren. Auch die chirurgische Therapie wird 
einer eindringenden Kritik unterworfen. Verf. ist geneigt 
den chirurgischen Eingriff auch bei einfacher Gallenblasen¬ 
ektasie zu empfehlen, besonders wenn heftige Beschwerden 
der Cholelithiasis bestehen. Abelmann. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Eine Methode zur Vereinfachung der bakteriologischen 
Diagnostik der Diphtherie giebt M. Sacherow an. Er empfiehlt 
für die bakteriologische, diagnostische Cultnr der Mikroorga¬ 
nismen aus den Membranentöas gekochte Htihnereiweiss. Nach¬ 
dem man von einem frischen und hart gekochten Hühnerei 
vorsichtig, ohne das Weisse mit den Fingern zu viel zu be¬ 
rühren, die Schale entfernt hat, schneidet man mit geglühtem 
Messer längliche Stücke ans dem Weissen heraus und legt sie 
in sterile Gläschen, in denen einige Tropfen sterilen Wassers 
sich befinden, welche eine Austrocknung des Eiweisses ver¬ 
hindern. Mittelst einer Platinnadel zieht man nun ein kleines 
Stück der Membran in parallelen Strichen über das Eiweiss- 
sttickchen hinweg, ln 24 Stunden entwickeln sich bei 37° 
kleine runde Colonieen von convexer Gestalt, sie sind weisser, 
als die Farbe des Nährbodens, nehmen allmählich aber einen 
Stich in’s Röthliche an. Das Mittel soll der Praxis besonders 
empfohlen werden. 

(Annal. de l’lnstit. Pasteur, Tome VI, Nr. 6). 

— Auf dem XIV, Balneologen-Congress zu Berlin trug Dr. 
Schubert (Reinerz) seine weiteren Erfahrungen über den 
Aderlass bei Bleichsucht und Blutarmnth vor. Verf. 
hat diese Methode seit 2 Jahren an 40 Patienten mit bestem 
Erfolge angewandt: üble Zufälle sind nie eingetreten. Die 
Besserung tritt häufig nicht schnell ein, sondern erst nach 
8—14 Tagen, während welcher manchmal kleinere Zwischen¬ 
fälle Vorkommen; bei sehr vorgeschrittenen Fällen, wo bereits 
Degeneration wichtiger Organe eingetreten ist, bleibt sie ganz 
aus. Prognostisch ist von grosser Wichtigkeit das Eintreten 
des kritischen Schweisses, da der Erfolg nicht eintritt, wenn 
der Körper kalt und trocken bleibt. Die Besserung hält nicht 
immer an, oft ist ein wiederholter Aderlass nothwendig. Schu¬ 
bert entzieht pro Pfund Körpergewicht ca. 1 Gramm Blut, bei 
sehr schwachen Personen J /a G.: die Wirkung unterstützt er 
durch sebweisstreibende Mittel. Eine etwaige Wiederholung 
geschieht nach 4—8wöchentlicher Pause. 

(Wiener medic. Presse 1892. Nr.Nr. 23. 24). 

— Schlesinger theilt 3 Beobachtungen von der zuerst in 
Amerika beschriebenen Chorea chronica hereditaria mit 
und gelangt zu folgenden Schlussfolgerungen. Es giebt eine 
hereditäre Chorea, die in der Regel im vorgerückten Alter 
beginnt, von der aber einzelne Familienglieder schon in jün- 

f eren Jahren ergriffen werden können. In der Regel findet 
ererbnng von Generation zu Generation statt; ausnahmsweise 


kann aber eine Generation völlig übersprungen werden. Das 
Leiden ist progressiv, es wird durch eine selbst frühzeitig 
eingeleitete Arsencnr nicht beeinflusst. 

(Zeitschr. f. kl. Medicin. Bd. XX.), 

— In der «Berliner klinischen Wochenschrift Nr, 49 1891» 
beschreibt Paul Guttmann einen Fall von Leukaemia 
acuti8siraa. der in 5 Tagen tödtlich verlief. Das Verhältniss 
der weissen Blutkörperchen zu den rothen betrug 1 : 1,4; die 
ersten Symptome der Krankheit waren Nieren- und Hautbla¬ 
tungen; dieselbe wurde beendet durch Hirnblutung. Die Thy¬ 
musdrüse war hochgradig geschwellt, während die Milz — in 
Folge des sehr raschen Ablaufs der Lenkaemie — nicht sehr 
vergrössert war. Die Aetiologie des Falles ist völlig dunkel. 
Impfverauche mit Milzsttickchen fielen negativ aus. 

— Gallavardin fand die Behandlung der Variola durch 
Fernhaltnng des Sonnenlichts für änsserst vortheilhaft. Diese 
Methode der Behandlung soll die Eiterungsperiode der Krank¬ 
heit unterdrücken und die Heilung begünstigen. Die Pocken¬ 
kranken werden in ein dunkles, gegen das Sonnenlicht voll¬ 
ständig abgeschlossenes Zimmer gebracht und verweilen dort 
während der ganzen Krankheitsdaner (Lyon medic. Juni 1892). 
Maurice Coste (Marseille) empfiehlt die Pockenpnsteln fol- 
gendermas8en zu behandeln: Da« Gesicht wird mit einem 
Stück Borlint bedeckt, welche mit 4 Oeffnungen. entsprechend 
den natürlichen Oeffnungen dieser Gegend, versehen ist. Es 
wird trocken auf’s Gesicht gelegt, alsdann mittelst eines Zer¬ 
stäubers mit Borwasser befeuchtet. Auf diese erste Schicht 
legt er noch ähnliche, die gleichfalls mittels Zerstäubers im- 
bibirt werden und füllt alle Vertiefungen der Gesichtsfläche 
irit Borwassertainpons aus, um an diesen Stellen eine voll¬ 
kommene Anlagerung der Borlintschicht zu erhalten. Die 
verschiedenen Schichten werden dann mit einem Stück Gum¬ 
mi taflet bedeckt, und das Ganze mit einer Gazebinde zusam¬ 
mengehalten. Der Verband wird beim Beginn der Eruption 
aufgelegt und bleibt bis zum Abfall der Borken liegen. In der 
Zwischenzeit wird der Verband feucht gehalten, indem der 
Gummitaffet abgenoramen und der Lint alle 4—5 Stunden mit 
dem Borwasser befeuchtet wird. Bei diesem Verfahren wird 
die Entzündung der Pusteln sehr gemildert und es bleiben 
nie Narben zurück. Diese Behandlungsmethode beschleunigt 
auch den Abfall der Borken. 

(Bull. g6n de Thfc-ap. 30. April. 1892k 

— Lior untersuchte den Bakteriengehalt der Milch bei An¬ 
wendung einiger in der Kinderernährung zur Verwendung 
kommender Sterilisationsverfahren. Er prüfle den Keimgehalt 
von Milch vor, sowie nach der Sterilisation im Milchkocher 
(’/a Stunde lang) und im Soxhlet'schen Kochapparate. Es wurde 
nun zwischen dnn Keimgehalt der einfach aufgekochten und 
der im Milchkocher gekochten Milch kein durchgreifender Un¬ 
terschied gefunden; dagegen sehr starke Schwankungen, sowie 
dieselbe in vorher nur sauber gespülte, nicht sterilisirte Milch¬ 
flaschen umgeschtittet worden. Es ergiebt sich hieraus, wie 
wichtig es ist, bei Verwendung eines Milchkochers diesen selbst 
zugleich als Aufbewahrungsgefäss zu benutzen und die in ihm 
sterilisirte Milch nicht in andere Gefässe umzugiessen. 

(Jahrbuch für Kinderheilkunde XXXIV. 1). 

— Bieganski untersuchte die im Blute unter Wirkung 
des Syphilisgiftes vor der Quecksilberbehandlnng, sowie die 
nach und während der Behandlung auftretenden Verände¬ 
rungen. Seine Erfahrungen fasst der Autor in folgenden 
Schlnssätzen zusammen: 1) unter der Wirkung des Syphilis¬ 
giftes verändert sich sehr lange Zeit die Zahl der rothen 
Blutkörperchen überhaupt nicht und bleibt normal. 2) Dagegen 
nimmt die Zahl der weissen Blutkörperchen erheblich zu. 3) 
Von dieseh vergrössert sich hauptsächlich die Zahl der kleinen 
einkernigen Blutkörper. 4) Der Haemoglobingehalt sinkt unter 
dem Einflüsse des Syphilisgiftes. 5) Unter der Wirkung des 
Quecksilbers unterliegt die Zahl der rothen Blutkörperchen 
zahlreichen Schwankungen, während 6) die Zahl der weissen 
abnimmt, so dass das Verhältniss der weissen zu den rothen 
Blutkörperchen annähernd normal wird. 7) Der Haemoglobin- 

f ehalt wächst unter der Wirkung des Quecksilbers. 8) Bei 
er Anaemie, die nach der Darreichung grosser Ouecksilber- 
mengen auftritt, sind die rothen Blutkörperchen einer Verän¬ 
derung unterworfen, die hauptsächlich ihre Beschaffenheit 
betrifft, (Zerfall der Körperchen, Megalocyten, Mikrocyten). 

(Arch. f. Dermat. und Syph. Heft 1. 1892). 


Der IV. Inländische Aerztetag 

wurde in Wenden am 14. Sept. 1 Uhr im Locale des Gewer¬ 
bevereins durch den Herrn Kreisarzt Gaehtjens eröffnet. 
Nach Verlesung des Kassenberichtes wurde einstimmig be¬ 
schlossen. den nächsten Aerztetag in Dorpatabzahalten, wobei 
die Zeit der Versammlung erst in einer spätem Sitzung 
bestimmt werden sollte. Zum Präsidenten wurde wiederum 
Dr. Truhart-Fellin, zum Kassirer Dr. Ströhmberg-Dorpat 
und zum Secretär Dr. Dehio-Rothenberg gewählt. Hierauf 


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362 


begrüssteder Präsident die Versammlung uad gedachte des 
seit dem letzten Aerztetage der Gesellschaft durch den Tod 
entrissenen Dr. Schulz und Medicinaünspector Hess, 
deren Andenken von den Anwesenden durch Erheben von den 
Sitzen geehrt wurde. Zur Verhandlung: kamen in der ersten 
Sitzung die Leprafrage und die Hospitalfrage. Herr 
Prof. Dehio theilte in dem Berichte über die Wirksamkeit der 
«Gesellschaft zur Bekämpfung der Lepra» mit, dass die ge¬ 
nannte Gesellschaft die bereits 354 Mitglieder zählt, ihre 
Thätigkeit auch auf Estland auszudehnen ermächtigt worden 
sei und machte weiter sehr erfreuliche Mittheilungen über die 
bereits eröffheten Leprosorien von Muli (bei Dorpat) und 
Nennal; ersteres (von Dr. Gerlach geleitet) hat bereits 25 
Kranke aufgenoromen, letzteres (unter Leitung vonDr. Walter) 
ist für die Aufnahme von 40 Patienten eingerichtet. Im An¬ 
schluss hieran berichtete Dr. Reissner über das Leprosorium 
bei Riga und über die in demselben angestellten Heilversuche 
mit Tuberculin, Salicylsänre etc. In der D'scussion werden 
hauptsächlich die Fragen der Zwangsanfnahme, der Anzeige¬ 
pflicht und der Sammlung zuverlässiger Daten Über die Aus¬ 
breitung der Lepra verhandelt. Zum zweiten Thema, zur 
Hospitalfrage, gaben die Herren DDr. Müller und Rät¬ 
ter fei d sehr eingenende durch Vorzeigung von Plänen und 
Modellen erläuterte Referate. Die Cholerafrage musste 
wegen Zeitmangels auf den nächsten Tag verschoben werden. 
Nash dem gemeinsamen Mittagsmahl in der «Müsse» begann 
um V*6 Uhr die zweite Sitzung. Abends fand eine gemeinsame 
Vereinigung in den gastlichen Räumen der «Müsse» statt. 
Nach dem Verlauf des ersten Tages zu urtheilen, wird der 
diesjährige Aeiztetag an wissenschaftlicher Arbeit und an 
geselligem Genuss den vorhergehenden gewiss nicht nach¬ 
stehen, obwohl die Zahl der Tbeilnehmer diesmal — wohl auch 
wegen der Choleraepidemie — eine geringere ist als in frü¬ 
heren Jahren. Bei der Eröffnung waren ca. 65 Herreu anwe¬ 
send, darunter manche Gäste aus Estland, Kurland und St. Pe¬ 
tersburg. Die Beliebte über die Verhandlungen werden bald¬ 
möglichst gebracht werden. 

15. September 1892. 


Vermischtes. 

— Dem Professor der Chirurgie und preussischen General- 
Arzt 1. Classe, Dr. Ernst v. Bergmann ist, wie dem «Big. 
Ta^ebl.» aus Berlin geschrieben wird, von Sr. Majestät dem 
Kaiser von Russland der St. Annenorden 1. Classe ver¬ 
liehen worden. Die Insignien des Ordens sind ihm am Vor¬ 
abend einer Familienfestlichkeit, der Hochzeit seiner ältesten 
Tochter mit einem preussischen Gardeofficier, durch den Bot- 
schaftBrath Grafen Mnrawjew überreicht worden. Bekannt¬ 
lich besitzt Prof. v. Bergmann den St. Stanislaus-Orden 
1. Classe bereits seit 14 Jahren. Er erhielt ihn nach dem 
russisch-türkischen Kriege, wo er als Chefarzt für Chirurgie 
thätig gewesen war, als er seinen Abschied aus dem russischen 
Staatsdienste nahm, um aus Dorpat nach Würzbnrg tiberzu¬ 
siedeln. 

— Der Privatdocent der Kiewer Universität und Prosector 
der pathologischen Anatomie. Dr. I. I. Ssudakewitsch, ist 
an Stelle des Prof. Winogradow zum Professor der patho¬ 
logischen Anatomie an der Universität Tomsk ernannt worden. 

— Verstorben: 1) Der Landschaftsarzt des Ssudsha’schen 
Kreises (Gouv. Kursk), I. I. Chitrowo im 33. Lebensjahre an 
der galopirenden Schwindsucht. 2) Im Flecken Kr j n ko wo 
der frühere Piijatinsche Landschaftsarzt A. I. Gulenko im 
37. Lebensjahre an Aneurysma Aortae. Obschon der Ver¬ 
storbene durch seine unermüdlichen Bemühungen in seinem 
Bezirke im Laufe von 10 Jahren eine regelrechte Ambulanz 
und ein kleines Krankenhaus, in welchem er hauptsächlich 
chirurgische Fälle behi ndelte, geschaffen hatte, so musste er 
doch in Folge von Intriguen im Jahre 1890 den Landschafts- 
dienst quittir m und sich in der letzten Zeit mit einem kleinen 
Posten bei dem Intendantur-Depot in Krjukowo begnügen. 
Er hat seine Familie ganz mittellos hinterlassen und ist die¬ 
selbe daher ganz auf die ärztliche Unterstützungscasse an¬ 
gewiesen, deren Mitglied der Verstorbene glücklicherweise 
war. (Wr.) 3) Der Oberarzt des 2. Rostow’scheu Grenadier- 
Regiments I. A. Issakow. 4) Der Oberarzt des Militär- 
lazareths in Nachitschewan Alfred Kowalski. 5) Am 
4. September bei Brünn der Director der Mährischen Landes¬ 
irrenanstalt Dr. Joseph Scharff, einer der hervorragendsten 
Irrenärzte Oesterreichs und der Reformator der Irrenpflege in 
Mähren, im Alter von 50 Jahren. 

— Die Aerzte. welche bei der St. Petersburger städtischen 

Sanitätscommisuon angestellt sind, beabsichtigen auf Initiative 
der Dr. Lipski, Porzel u. A. eine eigene Leih- und 
Sparcasse zu gründen. (Russk. Shisn. — Wr.). 

— Der Ssamarasche Arzt W. 0. Portugalow hat seine 
G-age, die er als Choleraarzt bezog, zum Besten der 


Waisen von armen Leuten, welche au der Cholera 
gestorben, gespendet. 

— In Busuluk (Gouv. Ssamara) ist der dortige Arzt Dr. 
S. S. Sagorski an der Cholera erkrankt. 

— In Uebereinstiinmnng mit der Resolution des Kriegs¬ 
ministers ist von der militär-medicinischen Akademie der Be¬ 
ginn der Schlussprüfungeu für die in die Choleragegen¬ 
den abcoramandirten Studenten des letzten Cursus der ge¬ 
nannten Akademie auf den 7. Januar 1893 verlegt worden. 

— Die Kliniken sowie die übrigen Gebäude der militär- 
medicinischen Akademie werden in diesem Herbst statt der 
bisherigen Gasbeleuchtung elektrische Beleuchtung er¬ 
halten. Der Bau der elektrischen Station, welcher beinahe 
vollendet ist, kostet mit den elektrischen Lampen zusammen 
450,000 Rbl. 

— Am 1. September wurden auf dem Jungfernfelde in Moskau 
zwei neu erbaute Kliniken, die therapeutische Hospital- 
klinik und die chirurgische Klinik des Prof. Kusmin, er¬ 
öffnet. Die Einrichtungen beider Kliniken entsprechen allen 
Anforderungen der Wissenschaft. 

— Trotzdem die Choleraepidemie in St. Petersburg 
in starker Abnahme begriffen ist, beabsichtigt die Stadtver¬ 
waltung die jetzige verstärkte Sanitätsaufsicht in der 
Residenz noch ein Jahr in Kraft zu belassen. Auf Vorschlag 
des Stadthanptmanus v. Wahl wird sogar die Zahl der 
Sanitätsärzte von 11 auf 26 erhöht, wozu ein Credit von 
18.000 Rbl. bewilligt worden ist. Ausserdem hat die Stadt¬ 
verwaltung beschlossen, ln Anerkennung des Opfermuthes ünd 
der bewundernswerthen Hingebung, mit welcher die in den 
Cholerabaracken angestellten Aerzte gearbeitet haben, den¬ 
selben zu Extragratificationen 10,000Rbl. zu bewilligen, 
von denen jedem Arzte 4 Rbl. Diäten täglich gezahlt werden 
sollen. Auch die Feldschere, barmherzigen Schwestern und 
das sonstige medicmische Personal sollen Ergänzungshonorare 
erhalten. 

— Vom 15. bis 17. September n. St. tagte in Brüssel der 
erste internationale Congress für Geburtshilfe. Zu 
demselben waren zahlreiche Aerzte aus Deutschland, Oester¬ 
reich-Ungarn, England, Frankreich. Holland, Italien, Russ¬ 
land, Belgien, Spanien, Portugal, Schweden und Norwegen, 
Dänemark, Griechenland, der Türkei, der Schweiz und aus den 
Vereinigten Staaten erschienen. Der Congress wurde im 
Marmorsaale der Brüsseler Akademie durch den Präsidenten 
des Organisationscomites, Prof. Kufferath mit einer Be- 
grüssungsrede eröffnet, worauf die amtlichen Vertreter ver¬ 
schiedener Länder, Prof. Gusserow (Deutschland), Spencer 
Wells (England), P6an (Frankreich), Engelmann (Ver¬ 
einigte Staaten). Porro (Italien), Prof Rein <Russland), 
Vuillet (Schweiz) Westermark (Schweden und Norwegen), 
Pawlaky Bey (Türkei) und andere ihren Dank für die Ei n- 
berufnng des Congresses aussprachen. 

Den ersten Vortrag hielt der Präsident Prof. Kuffe¬ 
rath «über die Einführung und Vortheile der 
antiseptischen Methode hei der Behandlung 
des Kindbettfieber8». Die zweite Sitzung fand unter 
Vorsitz Prof. Gnsserow’s (Berlin) statt nnd war haupt¬ 
sächlich der Extranterin-Scnwangerschaft ge¬ 
widmet, über welche Privatdocent Dr. Martin (Berlin) Be¬ 
richt erstattete. In der Schlusssitzung, welche nnter Dr. 
Macan’s (Dübl n) Vorsitze stattfand, wurde beschlossen, 
dass der Congress alle drei Jahre and zunächst in Genf 
tagen soll. Es wurde ein aus 10 Mitgliedern bestehender Aus¬ 
schuss (für Russland — Prof. Rein aus Kiew für Deutsch¬ 
land — Dr. Martin) gewählt, welcher alle Fortschritte in 
der Geburtshilfe feststellen soll. In der Nachmittags Sitzung 
des ersten Tages erschien auch König Leopold, welcher die 
Congressmitgheder zu sich in’s Schloss lud, wo sie bewirthet 
wuroen. 

Mit dem Congress war eine internationale Aus¬ 
stellung von Instrumenten und Apparaten 
für Geburtshilfe und Frauenkran heite» ver¬ 
bunden, welche allgemeine Anerkennung bei den Congress- 
mitgliedern fand. 

— König Humbert von Italien und Königin Margherita 
haben gelegentlich des fünften internationalen 
Congresses der Vereine vom Rothen Kreuz 
einen Preis von 10,000 Lire, welcher auch in zwei Preise zu 
je 5000 Lire zerlegt werden kann, für die Herstellung solcher 
Einrichtungen im Wege des Wettbewerbes ansgesetzt, durch 
welche in zweckraäsaigster Weise Verwundete vom Schlacht¬ 
felde in die Feldlazarethe oder in die weiter zurück gelegenen 
Lazarethe mittelst der bekannten nnd gebräuchlichsten Trans¬ 
portmittel tibergeführt werden können, a. h. also derjenigen Vor¬ 
kehrungen, die geeignet sind, das Aufheben der Verunglückten 
vom Boden zn erleichtern und die sichere und bequeme Zu¬ 
führung derselben zu den Verbandplätzen und den Feld- und 
Siationshospitälern zu ermöglichen. Das mit der Veran¬ 
staltung dieses Wettbewerbes betraute Central-Comitd des 


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m 


Bothsn Kremes Bat nun die näheren Bedra- 
rmun dbsselben vor Kurzem bekannt gegeben nnd den Ab¬ 
lauf der Bewerbung, den Wünschen der Preisstifter gemäss, 
auf Ende Juni 1893 festgesetzt. Ans den Einzelheiten der 
die Bewerbung regelnden Vorschriften ist zu ersehen, dass es 
•ich hauptsächlich nm die Construction von zweckmässigen 
Tragbahren, Kranken - Transportwagen und Beleuchtungs- 
Einrichtungen handelt, welche das Gefechtsfeld beleuchten 
und den Krankenträgern als Leuchte bei ihren Streifzugeu 
über das Gefechts terrain dienen, üeber die Gewährung des 
Preises von 10,000 Lire oder der Preise von 5000 Lire wird 
die Jury anf Grund einer Prüfung der ihr vorgeführten 
Gegenstände entscheiden. Die Concurrenten haben zu diesem 
Zwecke Modelle der von ihnen in Vorschlag gebrachten 
Transportart: kel nebst einer dieselbe erläuternden Denkschrift 
und beigefügten Zeichnung vorznlegen. Ans der Denkschrift 
und ihren Beilagen muss das System der Construction, der 
Gebrauchsraodus der Apparate etc. und der Preis, der tur 
dies» Utensilien im Handel verlangt wird, ersichtlich sein. 
Die Denkschrift nebst A Blagon müssen in französischer oder 
italienischer Sprache verfasst oder wenigstens von einer 
Uebersetzung in einer dieser Sprachen begleitet sein. Die 
Modelle sollen von der wirklichen Grösse der betreffenden 
Artikel sein, jedoch können anch solche, die nur ein Viertel 
der eigentlichen Dimensionen aufweisen, zugelassen werden. 
Die zum Wettbewerb eingelieferten Gegenstände werden 
nebeneinander aufgestelli. nnd einer eingehenden Prüfung 
unterzogen werden. 

Nähere Auskünfte ertheilt auf Anfrage das Central-Comite 
des Italienischen «Rothen Kreuzes> in Rom. 

— In Dänemark ist ein Strike dor Aerzte ausge- 
brochen! Die dänischen Provinzialärzte, welche von den 
kärglichen Gehältern, die sie von der Administration beziehen 
nicht existiren können, hahen sich geweigert ihren Dienec 
fortzusetzten. Sie klagen, dass sie mit Arbeit überhäuft und 
überaiigestrengt werden und dass bei alledem die Mittel zu 
ihrer Existenz nicht ansreichen. 

Die Kopenhagener medicinische Zeitung räth den Ärzten, 
die vacanten Arztstallen nicht anzunehmen und von der 
Administration eine Erhöhung der Taxe für die Visiten zu 
verlangen. 

— Die Choleraepidemie in Russland weist eine stetige 
Abnahme ?nf. sodass an manchen Orten die Cholerabaracken 

f eochlossen werden können, unter Anderem die auf den 
lisenbahnstationen Klin, Twer und Bologoje an der Nicolai¬ 
bahn erbauten Baracken. Wie verlautet, haben alle Dampf¬ 
schifffahrts-Gesellschaften die Benachrichtigung erhalten, dass 
sie von medicinisch-sanitärer Besichtigung befreit sind. Neuer- 
dihgs ist die Cholera auch in Riga constatirt worden, wo 
schon seit dem 13. Angust Erkrankungsfälle an acutem Darm¬ 
katarrh vorgekomroen sind, die sehr oft einen tödtlichen.Aus- 
gang hatten. Vom 13. bis 31. Angust versterben daselbst von 
den 16 erkrankten Personen 9, and die medicinische Unter¬ 
suchung lies* keinen Zweifel mehr übrig, dass die Krankheit 
die asiatisch* Cholera ist. Im Laufe eines Monats sind in 
Riga 42 Erkrankungen an der Cholera mit 23 Todesfällen 
vorgekommen, und zwar fast nur unter Leuten, welche auf 
dem Wasser arbeiten, wie Matrosen, Arbeitern auf Bagger- 
maschinen u. s. w. 

* In St. Petersburg macht sich ein schneller Rückgang 
der Epidemie bemerkbar. In den letzten drei Tagen Tvom 
13. Ms 16. September) sind hier täglich nur 20, resp. 18, 35 
Erkrankungen und 2, resp. 3, 7 Todesfälle an der Cholera 
vorgekoramen. Nach den ofiicidlen Bülletins betrug die 
Gesammtzahl der Erkrankungen in St. Peters¬ 
bur g bi» zum 16. September Mittags 3677, die der Genesenen 
2458 und der Verstorbenen 1087. — Wie die Charkowsche 
Zeitung ausgerechnet hat, sind biß zmu 1. September in ganz 
Russland 172,363 Personen an der Cholera gestorben, und 
zwar am meisten im Kaukasus (57,967). Es folgen dann das 
Doügebiet mit 16,367 Todesfällen, Ssaratow mit 13,293, 
Ssaroara mit 11,142, Tobolsk mit 10,798 das Transkaspi-Gebiet 
mit 10,078. Astrachan 7629. Woronesh 6184, Ssinibirsk 4.590, 
Tambow 4278 n. s. w. 

ln Hamburg hält sich die Seuche nnf gleicher Höhe; 
ihre Intensität ist etwa halb so grosn wie in den ersten Tagen 
des September Monats. Nach, amtlichen Daten sind dort bis 
sam 12. (24.) September iosgesammt 17,157 Personen an der 
Cholera erkrankt nnd 7,339 Personen gestorben. Aus dem 
übrigen Deutschland werden bis jetzt nur vereinzelte Er¬ 
krankungen gemeldet, die aus Hamburg versohleppt sind. 

Als Curiosum erwähnen wir noch eine in den Tagesblärtern 
sich vorftndende Nachricht, wonach der Hamburger Natur¬ 
heil verein sämmtliche Natnrheilärzte Deutschlands anf- 
gsfordert hat, nach Hamburg zu kommen und die Cholera- 
kranken zu behandeln. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tslern Bt; Petersburgs betrag am 18. September d. J. 5353 


(129 weniger als in der Vorwoche), darunter 245 Tf pfeu 
(30 weniger), 542 Syphilis — (50 mehrl 24 Schafteeh — 
(11 mehr), 5 Diphtherie — (2 weniger), 22 Masern — (4 mehr), 
8 Pocken — (2 mehr) und 243 Cholerakranke (145 weniger als 
»n der Vorwoche). 

Mortalitäts-Bulletin St Petersburgs. 

Für die Woche vom 6. September bis 12. September 1892. 
Zahl der Sterbefälie; 


1) nach Geschlecht nnd Alter: 


Im 


J J h* b' »2 h h‘ k' h ll b b J 

Ganzen: 


^ ^ m v* w uj 


*“> >“S 1-3 

8 


M. W- Sa. J * 7 f f ] ? f f 8 f 8 1 

284 242 526 91 42 83 6 11 8 58 68 62 40 26 24 4 3 
2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0 Typh. abd. 2, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0 Pocken 2, Masern 2, Scharlach 8, 
Diphtherie 4, Croup 0, Keuchhusten 1, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 7, Erysinelas 3 Cholera noetras 0, Cholera asia- 
tica 89, Ruhr 4, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 1, Pyämie und Septicaemie 5, 
Tuberculose der Lungen 85, Tuberculose anderer Organe 11, 
Alkoholismus und Delirium tremens 2, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 34, Marasmus senilis 19, Krankheiten des 
Verdauungscanals 71, Todtgeborene 31. 


An die Kedaotion eingesandte Bücher und Broohüren. 

lieber die VolksheilmlUel der Leiten von Pr. Emil ArooBon' 
(Sep. Abdr.). 

Ueber die Oebmnchs-Methode des versendeten Gnsteiner Thermal- 
Wassers von Dr. Gustav Droell. Wien. Carl Gerold. 1892. 
Les maladies des yeux da ns leurs rapport avee la puthologie 
generale par Prof. Emile Berger. Paris. G. Masson. 1892. 

C. v. Kahlden. Technik der histol. Untersuchung pathol.-anatom. 

Präparate. II Aufl. Jena. G. Fischer, 1892. 

A. Freiherr- von Schrenck*Notzing. Die Saggestionstherapie 
bei kränlcb. Erscheinungen des Gage blech iss in na. Stuttgart. Ferd. 
Enke 1892. 

II. II. AxeKcSeB-b, IIoaeTHbift Hxem» Kieecaaro oöigecTua ecre- 
ctböhcu. KieBT. 1892. 

H. Cohn. Leh/b. der Hygiene des Auges. 11. Hälfte. Urban und 
Sehwarzenberg. 1892. 

K. v. Jak sch. Klin. Diagnostik innerer Krankheiten. III. AufL 
Urban n. Schwarzenberg, 1892. 

R.Lewandowski. Das elektr. Licht in d. Heilkunde. Urban 
and Schwarzenberg, 1892. 

V. M ag n an. Psyeliiatr Voi lesungen II/III Heft. Ueber die Geistes¬ 
störungen der Entarteten. Deutsch von Möbius. Leipzig, G, 
Thieme, 1892. 

L. EdingCr. 12 Vorlesungen über d. flau der nervösen Central- 
orgaue. III. Anfl. Leipzig, C. W., Vogel, 1892. 

3&ORCKH KieBCK. Oörn, EoTecTaoueauT. T. XII. Bun. 1. Kien, 
1892. 

Liebig D. Veräud. der Lungencapacität mit dem Lultdruek. 
Sep. Abdr. 

G. Leubuscher u. Th. Ziehen. Klin. Unters, üb. die 8alz- 
•ftnreabscheidung des Magens bei Geisteskranken, Jena, G. Fischer, 
1892. 

Nächste Sitzung des Vereins SA Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 20. September. 

Tagesordnung: Dri Selenkow, 2 Fälle von Pyloroplastlh. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 21. September. 


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XVII. 


JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jfthrg. 


HEIMISCHE WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. 

Dorpat. 


Dr. Johannes Krannhals. 

Riga. 


Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Jiedicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der A^oaneflM&tipreli ist in Russland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postznstellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Xnsertlonsprels 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit Ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


|f Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate "W 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Rioker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect 14, zu richten.— Xanusoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Rudolf Wanaoh in St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect >4 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 


N 39 


St. Petersburg, 26. September (8. October) 


1892 




Inhalt: Joseph Winiarski: Blutuntersuchungen bei der Lepra. — von Corval: Suggestiv-Therapie. (Fortsetzung). — 
Referate: S. Triwns: Zur Behandlung der Cholera und einiger anderer acnter Infectionskrankheiten. — Vermischtes.— 
Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Blutuntersuchungen bei der Lepra. 

Von 

Dr. Joseph Winiarski. 


Auf Veranlassung des Herrn Prof. Dr. Dehio habe ich 
das Blut von Leprösen einer systematischen Untersuchung 
unterzogen. Ich habe dabei folgende Bestimmungen aus¬ 
geführt: 1) Die Bestimmung der durch das Hämoglobin 
bedingten Färbekraft des Blutes mittelst des v. Fleisch 1- 
schen Hämometers. — Ehe ich zu den Bestimmungen 
an diesem Apparate herantrat, habe ich den constanten 
Fehler desselben, der von Nenbert, Lezius, Tom¬ 
berg und mir nachgewiesen wurde, beseitigt, indem ich 
mir dem T o mb erg’schen Vorschläge gemäss eine Correc- 
turtabelle herstellte, nach der sämmtliche am Kranken¬ 
bett gemachten Hämoglobinbestimmungen corrigirt wurden. 

2) Die Bestimmung der in 1 Cub -Mm. Blut enthaltenen 
Zahl rother Blutkörperchen, der Grösse und etwaigen 
Formabweichnng derselben, sowie des numerischen Ver¬ 
hältnisses der rothen zu den weissen Blutkörperchen; 

3) die Bestimmung der in 1 Cub.-Mm. des Blutes vor¬ 
handenen Zahl der Leukocyten und des numerischen 
Verhältnisses der ein- und mehrkernigen Leukocyten zu 
einander. 

Eine genaue Beschreibung des Ganges meiner Blut¬ 
untersuchungen findet sich in meiner Inaugural-Disserta- 
tion (J. Winiarski: Blutuntersuchungen bei anämischen 
und kachektischen Zuständen, insbesondere bei der Lepra. 
Dorpat, 1892). An dieser Stelle möchte ich nur be¬ 
merken, dass meine Zählungen der Blutkörperchen mit 
Hilfe des Thoma-Zeiss’schen- Zählapparates geschahen. 
Als Verdüimungsflüssigkeiten benutzte ich für die rothen 
Blutkörperchen eine 2 l 2 /z pCt. Lösung von Kali bichro- 
micum, für die weissen — ’/ 3 pCt. Essigsäurehydrat¬ 
lösung. — Zur Messung des Diameters der rothen 
Blutkörperchen wandte ich die «trockene Messung» 
Laache’s an. 

Als Normalzahlen habe ich meinen Untersuchungen die 


von Neubert angegebenen Zahlen zu Grunde gelegt, und 
zwar: 1) als normale Zahl der in 1 Cub.-Mm. 
Blut enthaltenen rothen Blutkörperchen 
bei den Männern — 5,596,000, bei den Frauen 5,100,000; 

2) als normale Zahl der in lCnb.-Mm. des 
Blutes vorhandenen Leukocyten — 5000 bis 
10,000; als normales Verhältniss der ein — zu 
den mehrkernigen Leukocyten — 45,4 : 54,6; 

3) als Normalwerth des relativen Hämo 
globingehaltes des Blutes für die Männer — 105 
der Scala des v. Fleischl’schen Hämometers, für die 
Frauen dagegen 95 derselben Scala. 

Im Ganzen habe ich 17 Lepröse in verschiedenen 
Stadien der Krankheit untersucht. Um dem Leser einen 
Einblick in die von mir gewonnenen Resultate zu er¬ 
möglichen, stelle ich alle 17 Fälle in Tabellenforra zu¬ 
sammen. (cf. die Tabelle auf der folgenden Seite). 

Als ich meine Blutuntersuchungen bei der Lepra, 
begann, glaubte ich, dass bei dieser Krankheit sich 
ebenso charakteristische Veränderungen in der morpho¬ 
logischen Zusammensetzung und in dem Hämoglobinge¬ 
halt des Blutes würden finden lassen, wie z. B. bei der 
Syphilis secundaria, der Phthisis pulmonum oder dem 
Carcinom. — Diese Erwartung ist nicht erfüllt worden. 

Auf Grund dieser Untersuchungen darf behauptet werden, 
dass so lange die Lepra noch nicht tiefgreifende Ver¬ 
änderungen im Organismns hervorgernfen hat, so lange 
auch die Zusammensetzung des Blutes, soweit ich die¬ 
selbe mit meinen Untersuchungsmethoden controlliren 
konnte, noch nicht wesentlich verändert ist. — Es lässt 
sich erstens constatiren, dass in Betreff der verschiedenen 
klinisch unterscheidbaren Formen der Lepra (anästhetica, 
nodosa, mixta) kein Unterschied in der Blutbeschaffen¬ 
heit nachzuweisen ist. 

Dieselbe ist vielmehr abhängig vom Verlaufe der Krank¬ 
heit; so lange die Ernährung eine genügende, das All¬ 
gemeinbefinden ein gutes ist, so lange keine Ulcerationen 
bestehen, so lange zeigt auch das Blut gleichfalls keine 
Veränderungen; ja, in den frischen Fällen sehen wir 
sogar (Fall I und II), dass die Zahl der rothen Blut- 


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367 


körperchen, sowie der Hämoglobingehalt über der Norm 
stehen kann. Für Fall II kommt zwar die bestehende 
starke Cyanose der Hände in Betracht; im Fall I dagegen 
fehlt dieselbe; im Fall X ist allein die Blntkörperchen- 
zahl eher vergrössert, der Hämoglobingehalt dagegen ein 
wenig vermindert. Solche Abweichungen von der Norm 
kommen auch bei gesunden Personen vor, und ich 
glaube deshalb kein grösseres Gewicht auf dieselben legen 
zu dürfen. 

Ein etwas anderes Verhalten zeigt eine Reihe von 
gleichfalls verhältnissmässig frischen Fällen wo die Krank¬ 
heit im Durchschnitt erst ein paar Jahre bestanden und 
einen leichten Verlauf genommen hat; das sind die Fälle 
III, IV, V, XI und XII. Hier hält sich die Blutkörper¬ 
chenzahl ungefähr auf der Norm, während der Hämo¬ 
globingehalt entweder noimal (XI und XII) oder ein 
wenig herabgesetzt ist (Fall III, IV, V); die ersteren 
Fälle repräsentiren die Weiber, die letzteren — die 
Männer. Diese Fälle im Verein mit den schon soeben 
aufgeführten scheinen mir zu beweisen, dass der lepröse 
Krankheitsprocess an sich in seinen jüngeren und leich¬ 
teren Stadien keine tiefer greifenden Veränderungen des 
Blutlebens bewirkt. Dem entsprechend sehen wir ja 
auch, dass die Kranken zu dieser Zeit sich noch eines 
guten Allgemeinbefindens erfreuen, falls nicht die leprösen 
Erkrankungen durch ihre Localisation die Leistungs¬ 
fähigkeit der Kranken beeinträchtigen. 

Eine dritte Gruppe bilden die schweren Fälle, (VI, VII, 
Vin, XIII, XIV und XV); hier besteht die Krankheit 
im Allgemeinen schon längere Zeit, die Ernährung ist 
mässig, es besteht eine geringe Hautblässe. Dem ent¬ 
sprechend ist die Zahl der rothen Blutkörperchen con- 
stant vermindert, im Durchschnitt um 17,9 pCt bei den 
Männern und um 12,3 pCt. bei den Weibern. Der 
Hämoglobingehalt dagegen ist im Mittel um 6,3 pCt. bei 
den Männern und um 2,4 pCt. bei den Weibern ver¬ 
mindert. Wie wir sehen, ist hier die Zusammensetzung 
des Blutes nicht mehr normal; das Charakteristische der 
in diesen Fällen bemerkbaren Blutveränderungen scheint 
mir darin zu liegen, dass die Zahl der Blutkörperchen 
in höherem Masse abgenommen hat, als der Hämoglobin- 
gehalt, so dass jedes einzelne Blutkörperchen trotz der 
allgemeinen Hämoglobinverarmung des Blutes doch hämo¬ 
globinreicher ist, als in der Norm, — Eine derartige 
Blutveränderung wird auch bei anderen Formen der 
Anäraia gravis beobachtet. — Dadurch bilden diese Fälle 
einen Uebergang zu den schwersten von mir beobachteten 
Erkrankungen, welche ich als letzte Gruppe zusammen¬ 
stellen möchte. Es sind das diejenigen Fälle, wo die 
Ernährung und auch das Allgemeinbefinden schlecht waren 
und wo die Krankheit einen schweren Verlauf schon von 
Anfang an genommen hatte; es sind dies die Fälle XVI, 
X'VII und IX. Wir sehen in denselben eine starke Ver¬ 
minderung der Zahl der rothen Blutkörperchen und eine 
Herabsetzung des Hämoglobingehaltes; die letztere geht 
mit der ersteren keineswegs immer parallel; sie ist in 
den beiden ersten Fällen viel geringer, als die Herab¬ 
setzung der rothen Blutkörperchen; im Fall IX geht zwar 
die Verminderung der Blutkörperchenzahl mit dem Hämo¬ 
globingehalt parallel, indem beide Werthe etwa auf die 
Hälfte der Norm reducirt sind; im Fall XVI dagegen 
ist die Blutkörperchenzahl auf etwa t>0 pCt. der Norm 
und der Hämoglobingehalt nur auf etwa PO pCt. der 
Norm reducirt und im Fall XVII vollends ist nur noch 
etwa '/* der normalen Blutkörperchenzahl vorhanden bei 
einer Verminderung des Hämoglobins, welches noch immer 
7* der Norm übersteigt. Derartige Befunde erinnern 
uns aufs Lebhafteste an die Blutveränderungen, wie sie 
Laache bei perniciöser, und Dehio bei Botriocephalus- 
anämie beschrieben haben. 

Bei Fall IX und XVII könnte man annehmen, dass 
die schwere Anämie vielleicht nicht direct von der leprösen 


Erkrankung verursacht, sondern durch die Ulcerations- 
processe an den Unterschenkeln, an denen diese Kranken 
litten, bewirkt worden sei, wenn nicht mehrere andere 
von mir untersuchte Kranke, welche gleichfalls an 
leprösen Unterschenkelgeschwüren litten, durchaus nicht 
so schwere Blutveränderungen gezeigt hätten. Es bleibt 
also wohl nur übrig, die fortgeschrittene lepröse Er¬ 
krankung an sich als die Ursache der Anämie zu be¬ 
trachten. Bei Fall XVI wird diese Annahme fast zur 
Gewissheit; diese Kranke hatte nämlich wenig Tage vor 
meiner Untersuchung unter Fiebererscheinungen eine aus¬ 
gedehnte Lepromeruption an den Extremitäten erlitten, 
und es liegt wohl nahe zu vermuthen, dass durch diesen 
acuten Nachschub der Krankheit die anämische Blutver¬ 
änderung bewirkt worden ist. Einige Wochen später 
hat sich die Patientin gut erholt und ich bin überzeugt, 
dass ihr Blut jetzt nicht mehr so hochgradige Abweichung 
aufweisen würde. — Ich komme also zu dem Schluss, 
dass die Lepra inihren jüngeren und leich¬ 
teren Stadien keine schwereren Altera¬ 
tionen des Blutes bewirkt, dagegen bei 
weiterer Verbreitung über den ganzen 
Körper und ihren schweren Formen aller¬ 
dings eine sch were Beeinträchtigu ng des 
Blutlebens bewirkt, indem sie zu solchen 
Veränderungen des Blutes führt, wie sie 
bei den schwersten Formen der essentiel¬ 
len Anämie beobachtet werden. 

Die weissen Blutkörperchen halten sich im Allgemeinen 
auf der Norm; eine Abweichung von dieser Regel zeigt 
uns Fall XII, wo die absolute Zahl der Leukocyten ver¬ 
mehrt war; eine Erklärung dafür finden wir leicht in 
der bestehenden Eiterung (Phlegmone praepatellaris); die 
relative Zahl der Leukocyten war vergrössert in den 2 
schwersten Fällen (IX und XVII), was leicht zu ver¬ 
stehen ist bei der Verminderung der rothen Blutkörper¬ 
chen; eine relative, sowie auch absolute Verminderung 
derselben Zahl liess sich constatiren in den Fällen V, VI 
und XIV; ein Grund dafür konnte nicht gefunden werden. 

Bei allen Fällen von Lepra habe ich ein bedeutendes 
Praevaliren der mehrkernigen Leukocyten nachweisen 
können. 

Was die Diameter der rothen Blutkörperchen anbe¬ 
langt, so behielten dieselben im Allgemeinen normale 
Grösse, nur waren die Mikrocyten und die Blutkörper¬ 
chen mit einem Durchmesser von 9,218 {jl bis 10,066 p. 
etwas reichlicher vertreten, als es normal zu sein pflegt. 


Suggestiv-Therapie. 

Von 

Oberstabsarzt &. D. Dr. von Corval in Baden-Baden. 

Aus den Encyclopädischen Jahrbüchern I. Band, heraasgegeben 
von Professor Enlenberg ln Berlin). 


(Fortsetzung). 

Wir haben uns nicht versagen können die Grandzüge der 
RoBenbach’schen Beobachtnngen über psychische Therapie, 
znm Theil sogar wortgetreu wiederzageben, weil wir der 
Ueberzeugung sind, dass wir auf diesem Wege die Wirkung 
der psychischen Therapie am Besten erklären können. Müssen 
wir auch zugeben, dass auch diese Erklärung uns nicht eine 
völlig erschöpfende zu sein scheint, dass noch mafiche Er¬ 
fahrung der Suggestiv-Therapie damit noch nicht ganz 
aufgeklärt ist, so glauben wir doch, dass der hartnäckigste 
Gegner unseres Verfahrens sich nunmehr zu dem Geständniss 
herablassen werde, dass dasselbe in Wahrheit Krankheiten und 
Krankheitserscheinungen heilen könne, um so eher vielleicht, 
als er zugeben wird, dass er selbst vielfach Psychotherapie 

f etrieben und treiben müsse. Der Unterschied liegt oft nur 
arin, dass wir durch Suggestion (Eingebung) zunächst bei 
unseren Patienten einen Zustand hervorzurufen suchen, bei 
welchem die Suggestibilität, die Empfänglichkeit zur Auf¬ 
nahme der Befehle, der Eingebungen oder Vorstellungen er¬ 
höht ist, während man sonst durch Aufklärung, Vorstellungen 
und Züspruch den gleichen Effect zu erzielen sucht. 


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368 


Und um die Suggestibilität zu erhöhen, suchen wir die 
Thätigkeit der Orosshirnrindenzellen herabzusetzen und 
wir merken, dass wir unsere Absicht erreicht haben, zunächst 
daran, dass ein allgemeines Ermüdungsgefühl den Patienten 
überkoramt und er auf äussere Reize nicht reagirt, wenn die¬ 
selben nicht zu intensiv sind. Er scheint zu schlafen, 
schläft aber nicht, indem er Alles hört und auf Fragen richtige 
Antworten giebt, wenn auch meist in träger Weise, während 
es häufig schon in diesem leichten Grade der Hypnose gelingt 
auf umschriebene Rindengebiete, motorische sowohl wie sensible 
einzuwirken, 

Wir vermögen die Bewegung von Armen und Beinen, das 
Oefflnen der Augen unmöglich, gewisse Körpertheile anästhe¬ 
tisch zu machen, oder besser gesagt, in dem Patienten den 
Glauben zu wecken, dass er nichts fühle, so dass öfter sogar 
Extraction der Zähne nicht bemerkt wird. Ob wir diesen Zu¬ 
stand als einen mit dem Schlafe identischen, mit dem Aus¬ 
drucke Hypnose bezeichnen, (Liebault, Bernheim, Forel), 
vielleicht nur einen Unterschied darin finden, dass die Per¬ 
sönlichkeit des Hypnotiseurs dabei die Hauptrolle spielt, dass 
dabei ein Rapport zwischen dem Kranken und dem Hypno¬ 
tiseur besteht, oder das Vorhandensein eines durchaus* ver¬ 
schiedenen Gehirnzustandes annehraeu sollen, (Hirt), das ist 
zur Zeit noch eine unentschiedene Frage. Dieselbe hat jedoch 
Taktisch wenig Bedeutung; es kommt nur darauf an, ob wir 
urch Suggestion einen krankhaften Zustand erzeugen 
oder nicht, denn von der Entscheidung nach der einen oder 
der anderen Richtung hängt es ab, ob wir die Suggestiv- 
Therapie für berechtigt, für zulässig halten dürfen. 

Wollten wir die verschiedenen Ansichten hierüber, alle 
Gründe pro und contra hier anführen, so würde uns das zu 
weit führen und von unserem eigentlichen Thema ablenken; 
nachstehende kurze Betrachtungen dürften völlig genügen um 
zu zeigen, dass der hypnotische Schlaf, in richtiger Weise 
und nur zu therapeutischen Zwecken hervorgerufen und ver¬ 
wendet, keinerlei Gefahren mit sich bringt, und darauf kommt 
es in erster Reihe an. 

Nehmen wir an, dass die weit überwiegende Mehrzahl 
der geistig gesunden Menschen der Suggestion zugänglich 
sei, vorausgesetzt, dass dieselben nicht absichtlich widerstreben, 
so werden wir auch zugeben müssen, dass die Meisten in einen 
mehr oder weniger tiefen hypnotischen Schlaf versetzt, des- 

f leichen auch wieder durch eine einfache, verbale Suggestion ans 
eraselben ohne nachher irgend welche abnorme Erscheinungen 
zu zeigen, oder abnorme Gefühle anzugeben, erweckt werden 
können. 

ln dieser Beziehung giebt es unter den zahlreichen Beob¬ 
achtungen mit dem denkbar grössten Beobachtungsmaterial 
keine divergirenden Anschauungen (Bernheim, Liebanlt, 
Wetter Strand u.A.) und fast ausnahmslos lassen sich dort, 
wo gegenteilige Erfahrungen gemacht worden sind, Fehler 
nach irgend einer Richtung nachweisen. Vor Allem müssen 
wir uns hüten, jeden Menschen ohne Rücksicht auf die Ver¬ 
hältnisse, auf den jeweiligen Zustand seines Gemüthes und 
seines Geistes zu hypnotisiren. 

Es gelingt ja nicht selten, auch sehr aufgeregte, ängstliche 
Leute in hypnotischen Schlaf zu bringen, aoch wird man sich 
dann nicht wandern dürfen, dass Bolche nach dem Erwachen 
statt des behaglichen Zustandes mehr oder minder hochgradige 
Erregung oder Depression erkennen lassen, sich mehr oder 
weniger unbehaglich fühlen trotz aller Suggestionen. Gelingt 
es daher nicht die Patienten dadurch zu beruhigen, dass man 
ihnen die völlige Gefahrlosigkeit der Sache erklärlich macht, 
ihnen die Furcht benimmt, als handle es sich um einen 
wunderbaren Vorgang, dass man sie endlich einer hypnoti¬ 
schen Sitzung beiwohnen lässt, so wird man gewiss besser 
thun, zunächst von jedem Versuche abzustehen, und einen 
günstigen Moment abzuwarten. 

Bei Hysterischen werden wir uns nicht selten vergeblich 
bemühen, weil wir in vielen Fällen doch sicherlich eine ge¬ 
wisse psychische Abnormität annehmen müssen. Wir werden 
bei denselben in Folge von Autosuggestionen entweder 
keinen Schlaf erzielen, so wenig wie Heilwirkungen, werden 
vielmehr in Folge des Widerstandes ganz verkehrte, ent¬ 
gegengesetzte Erscheinungen auftreten sehen, andererseits 
aber freilich gerade bei dieser Kategorie von Kranken zauber¬ 
hafte Wirkungen beobachten. Gelingt es hier nicht durch 
sicheres, imponirendes Auftreten sofort jeder perversen Reac- 
tion entgegenzutreten, so wird man eben zunächst nicht 
weiter gehen dürfen, wenn man nicht die allarrairendsten, zum 
Glücke freilich meist unschädlich verlaufenden Anfälle folgen 
sehen will. 

Wirklich Geisteskranke mit starken und anhaltenden 
Hallucinationen, mit maniakalischen Erregungszuständen und 
dgl. setzen meist allen SuggeBtions-Versuchen un¬ 
überwindlichen Widerstand entgegen, und können bei fortge¬ 
setzten Versuchen leicht in vermehrte Aufregung versetzt 
werden; doch zeigen die Versuche von Voisin z. B., dass 
man bei genügender Geduld und Consequenz auch hier 
mancherlei erreichen kann. 


Von grösster Bedeutung ist es aber in jedem einzelnen 
Falle, dass der Arzt alleVersuche unangeneh¬ 
mer, unnatürlicher Suggestion unterlässt 
wenn er therapeutischen Erfolg und keinen 
Nachtheil sehen will. Der Gedanke, es könnte 
Jemand durch das Hypnotisiren irgend welchen Schaden er¬ 
leiden, ist vielfach durch Verwechselung der verschiedenen 
Formen der Hypnose entstanden: Wer der Meinung ist, jener 
in der S a l p e t r i e r e erzeugte, bei schweren Hysterischen 
durch mehr oder weniger starken Sinnenreiz und Dressur 
entstandene, nur zu Experimenten und nicht zu therapeuti¬ 
schen Zwecken verwandte Zustand (vielfach grand Hyp- 
n o t i s m e genannt) sei identisch mit dem nach der Schule 
von Nancy durch Suggestion hervorgebrachten Schlafzu¬ 
stand (auch petitHypnotisme genannt), der muss freilich 
annehmen, dass das Hypnotisiren verwerflich sei; so sehen 
wir denn auch, dass so hochbedentende Männer wie Ziems- 
s e n , Ewald u. A.. zu durchaus Unrechten Schlüssen ge¬ 
langen. Durch richtige Auswahl der Fälle, durch richtige 
Technik werden wir also, wie die Erfahrung in vielen Tau¬ 
senden von Fällen zweifellos erwiesen hat, mit der Sugges¬ 
tion niemals Schaden stiften, und selbst jene wirklich mög¬ 
lichen und zuweilen auftretenden unangenehmen Folgen 
häutig wiederholter Suggestion, wie die abnorm erhöhte S u g - 
gestibilität, das Eintreten derHypnose gegen 
den Willen des Betreffenden, die leichte 
Empfänglichkeit für frem’de Einflüsse, ohne 
Hypnose, lassen sich durch entsprechende rechtzeitig 
gegebene, Vorbeugende Suggestion (eigene Erfahrung) ver¬ 
hüten. 

Aus all’ diesem geht deutlich hervor, dass die Snggestiv- 
Therapie keine gar so einfache Sache ist und nicht Jedem 
(Ewald) überlassen werden kann. In den Händen eines er¬ 
fahrenen Arztes ist sie ein gefahrloses Mittel, und 
die Anwendung desselben ist daher auch nur dem Arzte zu 
gestatten. In den Händen des gewissenhaften und erfahrenen 
Arztes werden wir, wenn überhaupt, so doch niemals nennens¬ 
werte Nachtheile auftreten sehen, jedenfalls viel seltener 
und viel weniger schwere Erfahrungen bei oder nach 
derselben beobachten, wie bei vielen der gebräuchlichsten 
unserer Arzneimittel, als Chloroform, Kal. chloric, Antife- 
brin u. dgl. 

Wenn wir oben hervorgehoben, dass die Snggestiv-Therapie 
nur eine besondere Form der Psvcho-Therapie darstelle, wenn 
wir weiter schon bemerkt haben*, dass eine wirksame Sugges¬ 
tion selbst mit sofortigem Erfolge, zuweilen im Wachen ge¬ 
geben werden könne, so wollen wir uns an dieser Stelle doch 
vorwiegend nur mit jener Form der Psychotherapie beschäf¬ 
tigen, welche in nenester Zeit immer mehr zur Anwendung 
gelangt, besonders in solchen Krankheitsumständen, die seither 
vergeblich mit den sonst üblichen Mitteln behandelt wurden, 
d. h. mit der Suggesti v-Th erapie im gewöhnlichen 
Sinne des Wortes, bei welcher wir durch Hervorrufen eines 
mehr oder weniger tiefen, schlafäUnlichen Zustandes die 
Empfänglichkeit des Patienten zur Aufnahme unserer, auf 
Beseitigung der krankhaften Erscheinungen gerichteten Ein¬ 
gebungen zu erhöhen bestrebt sind. 

In Bezug auf den Grad derSuggestibilität hat 
man die verschiedensten Aufstellungen gemacht, nach Tem¬ 
perament, Charakter, Alter, Geschlecht, ja, sogar nach Nationen 
unterscheiden wollen, doch scheinen uns bis heute die Zahlen 
noch nicht genügend, um absolut sichere Schlüsse zu ge¬ 
statten. So viel steht jedoch fest, dass es schwer möglich 
ist auf Personen einzuwirken, welche eine fast kranke Ein¬ 
bildungskraft besitzen, oder sich durch ein ungewöhnliches 
Reflexionsvermögen auszeichnen, oder welche überhaupt nicht 
im Stande sind, ihre Gedanken während einer gewissen Zeit 
auf einen und denselben Gegenstand zu concentriren. Auf 
sehr erregbare Menschen die nicht gewohnt sind, sich selbst 
zu beherrschen, oder verzärtelte Naturen, die gewissermassen 
an ihren eingebildeten Leiden eine Freude naben, ist es 
schwer EinflnBs zu gewinnen, desgleichen auf Leute mit grosser 
Neigung zur Skepsis und Kritik. 

Sehr schwer der Suggestion zugänglich sind auch kleine 
Kinder, welche noch nicht verstellen, was man von ihnen 
will, während etwa vom 5. Jahre ab der hypnotische Schlaf 
bei denselben sehr leicht eintritt. Am besten zngänglich 
findet man hingegegen solche Personen, welche mit vollem 
Glauben und Vertrauen an die Sache herantreten, und solche 
welche au passiven Gehorsam gewöhnt sind z. B. Soldaten. 

v. Schrenk berechnet nach seinen vorläufigen Zusammen¬ 
stellungen über die Hypnotisirbarkeit von 8705 Personen; 

I. Gral der Hypnose 2557. - II. Grad 4316. - HI Grad 
1313. -- Refractäre 519. Auf 100 kommen somit: I. Grad 29, 

II. Grad 49. HI. Grad 15. Refractäre 6. (Weiteres über diesen 
Punkt in dem Artikel «Hypnose)». 

Man hat sich weiter bemüht, verschiedene Grade der Hyp¬ 
nose, dieses schlafähnlichen, durch Suggestion hervorgerufenen 
Zustandes aufzustellen, doch neigt man in neuerer Zeit immer 
mehr zu der Ansicht, dass eine scharfe Trennung derselben 


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nicht möglich, nnd dass es einzig aus praktischen Gru ndeu 
zweckmässig sei, 3 Grade der Hypnose anzunehmen: 

I. Somnolenz: nur leicht Beeinflusste; der Patient kann 
noch mit Anwendung seiner Energie der Suggestion wider¬ 
stehen und die Augen öffnen. 

IL Hypotaxie oder Charme: Der Beeinflusste kann die 
Augen nicht mehr öffneu und gehorcht im Allgemeinen fast 
allen Eingebungen, mit Ausnahme der Amnesie. 

1IL Tiefer Schlaf oder Somnambulismus, charakteri- 
sirt durch Amnesie und posthypnotische Erscheinungen. Dabei 
ist jedoch festzubalten, aass auch im leichten Schlafe posthyp¬ 
notische Erscheinungen eintreten, dieSuggestibilität dagegen bei 
tieferem Schlafe ganz gering sein kann, dass mit einem Worte 
Uebergänge sehr häufig bemerkt werden. 

Haben wir oben hervorgehoben, dass durchaus nicht alle 
Menschen sich gleich gut zur Suggestiv-Therapie eignen, so 
müssen wir andererseits auch betonen, dass nicht jeder 
Arzt gleich gut zum Hypnotiseur geeignet ist, dass viel¬ 
mehr gewisse persönliche und Charaktereigenschaften in dieser 
Beziehung eine grosse Rolle spielen. Wir dürfen niemals 
vergessen, dass die Patienten ein sehr feines Gefühl haben, 
dass sie, wenn auch oft unbewusst, sehr gut merken, ob der 
Arzt Belbst Vertrauen zu der Sache hat: Sie fühlen es, ob er 
die nöthige Erfahrung, die nöthigen Kenntnisse besitzt, und 
je nachdem flösst er den Kranken Vertrauen ein und ist 
ihnen sympathisch, oder nicht. Von diesen Eigenschaften 
hängt ja, wie wir alle wissen, in unzähligen Fällen auch sonst 
der ganze Erfolg unserer ärztlichen Thätigkeit überhaupt ab 

Durch eine psychische Einwirkung erreichen wir oft unend' 
lieh viel mehr wie durch noch so geistreich componirte Arz¬ 
neien, und alle die Charlatane. die ausschliesslich mit Wasser 
oder sonstigen sogenannten Naturheilmitteln Alles heilenden 
Nichtärzte wissen nur zu gut, dass sie durch psychische Ein¬ 
wirkung mehr erreichen, wie durch ihre Verordnungen. 

Darum müssen auch wir iede falsche Vorspiegelung ver* 
meiden, unseren Patienten klar zu machen suchen, dass es 
sich bei unserem Verfahren nicht um geheimnissvolle 
Na t u rk r ä f te sondern um einen, durch Zusammenwirken 
von Arzt und Patienten hervorgerufenen, durchaus natürlichen. 
seelischen Vorgang handle, wobei wir andererseits freilich 
nicht darauf bestehen dürfen, einfachen Leuten mit Aufbie¬ 
tung aller Dialektik begreiflich zu machen, dass wir es z. B. 
bei den sogenannten «passes» nur mit der einschläfernden 
Wirkung, einer Form der Suggestion, zu thun haben. 

Nicht minder feinfühlig pflegen aber intelligentere Patienten 
nach jener Richtung zu sein, so dass sie es sofort bemerken, 
ob wir selbst ganz bei der Sache sind oder nicht, ob wir bei 
verbaler Suggestion etwa nur mechanisch eine bestimmte 
Formel anssprechen; dieselben verlieren durch Zweifel in dieser 
Beziehung das Vertrauen oder werden dadurch so unaufmerk¬ 
sam, dass ein Erfolg unserer Suggestion unmöglich wird. Vor 
allen Dingen müssen wir nicht nur Sicherheit im Auftreten 
zeigen, sondern auch wirklich durch ernstes theoretisches nnd 
praktisches Studium die nöthige Sicherheit erworben haben, 
eine Forderung, welche hier mindestens ebenso berechtigt ist, 
wie bei jedem anderen therapeutischen Vorgehen, wenn wir 
nicht unter Umständen durch unsere Ungeschicklichkeit 
Schaden anrichten, oder durch zu häufig eintretenden Miss¬ 
erfolg die ganze Methode discreditiren wollen. 

Bevor wir an die Beschreibung des Suggestiv-Verfahrens 
selbst gehen, müssen wir noch hervorheben, dass wir unsere 
Patienten auch änsserlich unter solche Bedingungen versetzen 
sollen, welche das Gelingen der Suggestion erleichtern. Wir 
müssen vor Allem dafür sorgen, dass möglichst wenig inten¬ 
sive Sinnenreize auf dieselben einwirken, also: Ruhe, raässig 
verdunkeltes Zimmer, Anwesenheit nur einer vertrauten 
Person, beauemes Lager oder wenigstens bequemer Sitz, nicht 
beengende Kleidungsstücke, — das sind alles Erfordernisse, 
welche die Concentrirung der Gedanken auf den einen Punkt 
erleichtern. Und weil die äusseren Bedingungen ganz beson¬ 
ders leicht in Kliniken herzustellen sind, so werden wir auch 
in solchen die besten Erfolge sehen, ganz abgesehen davon, 
dass, wie Bern heim sagt, an solchen Orten schon eine hyp¬ 
notische Athmosphäre herrscht, dass die Patienten mit dem 
Gedanken: «hier werde ich schlafen, hier werde ich durch den 
Schlaf geheilt werden», die Anstalt betreten, eventuell auch 
Andere schlafen sehen. 

Die idealste Einrichtung in dieser Beziehung dürfte, so 
weit unsere Erfahrung reicht, die Cliniqne de Psycho 
Therapie suggestive in Amsterdam, von Van Renter- 
ghem und Van Eden sein, in welcher, dem Namen ent¬ 
sprechend, einzig nur Psychotherapie, diese aber freilich 
in voller Ausdehnung (Rosenbach) getrieben wird. 

(Schluss folgt). 


Referate. 

S. Triwus: Zur Behandlung der Cholera und einiger 
anderer acuter Infectionskraukheiten. (Wratsch Nr. 39. 
1892. Russisch). 

Wie in den vielen in der letzten Zeit erschienenen theore¬ 
tischen Schriften über Choleiatherapie, so auch in der Praxis, 
in Kliniken und Hospitälern, nimmt heutzutage die Desinfec- 
tiou des Magendarmtractus der Cholerakranken, d. h. die Ver¬ 
nichtung des angesammelteu Toxalbumins — den ersten Platz 
ein. Kühnere Therapeuten verordnen oder empfehlen Subli¬ 
mat, Theer, Kalkmilch etc., vorsichtigere begütigen sich mit 
grossen oder kleinen Dosen von Calomel, Salol, Acid. tanuic. 
u. s. w. Diese Behandlung scheint auf den ersten Blick so 
zeitgemäss und rationell zu sein, dass wir uns gar nicht er¬ 
innern wollen, dass sie empirisch schon längere Zeit früher 
resultatlos angewandt wurde. Bei einer Vergiftung von der 
Magen-oder Darmspülung, von einem Abführmittel, von einem 
Antidot Abstand zu nehmen, fällt freilich schwer. Aber wir 
müssen uns doch fragen, ob das Gift per os eingedrnngen 
war, obes noch im Magen liegt, oder, wenn wir es neutralisiren 
wollen, ob es sich im Organismus noch in unverändertem Zu¬ 
stand befindet. Ist das alles nicht der Fall, so müssen wir 
die «zeitgemässe rationelle» Therapie aufgeben und uns mit 
der bescheidenen Rolle der Behandlung des kranken Körpers 
begnügen. 

Was die acuten Infectionskraukheiten betrifft, so sind die 
erwähnten und andere Fragen noch unbeantwortet, in den 
Lehrbüchern werden sie entweder gar nicht oder ungenügend 
behandelt, in den Special forsch ungen erst jetzt bearbeitet und 
noch von keiner Seite sicher beantwortet. Es ist daran zu 
erinnern: 

1) Dass wir nicht wissen, wann der Kranke sich vergiftet 
oder iuticirt hat; die Incubationsdauer ist noch bei keiner 
Krankheit sicher festgestellt. 

2) Dass wir streng unterscheiden müssen zwischen den 
Giften und den Producten der pathogenen Mikroben; mit den 
ersten können wir uns mehrmals vergiften, das Krankheits¬ 
bild bleibt immer fast das gleiche (von der allraähligen Ver¬ 
giftung ist hier nicht die Rede); ganz anders steht die Sache 
bei den zweiten: wer einmal eine acute Infectionskrankheit 
überstanden hat, wird für diese Krankheit immun (Ausnahme¬ 
fälle und lange Zeitperioden ausgenommen). Hit anderen 
Worten: nach einer gewissen, für verschiedene acute Infet- 
tionskrankheiten verschiedenen Zeit werden die Toxalbumine 
fü^-den-Organismns unschädlich und bedürfen nicht mehr der 
Neutralisation. Dieses Immunwerden ist eben, höchst wahr¬ 
scheinlich der Hauptfactor der natürlichen Heilung — die vis 
medicatrix naturae. Ohne dieses Imraunwerdeu ist es unver¬ 
ständlich wie ein durch die Krankheit in der Ernährung 
heruntergekommener und erschöpfter Patient von der Ver¬ 
giftung durch die Unzahl der in ihm weilenden Bakterien ge¬ 
rettet wird, während seine wohlernährten, gesunden Mit¬ 
menschen an dem Gifte erkranken. 

Für eine rationelle Therapie müssen wir also den Zeitpunkt 
bestimmen können, bei dem der Kranke die Immunität für 
diese Krankheit erwirbt, um zu wissen, ob es noch angezeigt 
ist Antidote anzuwenden. Die Brüder Kleinperer und 
Ehrlich meinen, dass bei einigen Infectionskrankheiten, wie 
z. B. bei der croupösen Pneumonie, die volle Immunität mit 
der Krise auftritt, aber, ob es eine partielle, relative Immu¬ 
nität giebt, die sich schon vor der Krise einstellt, ist uns 
noch gänzlich unbekannt. Die Menge des producirten Anti¬ 
toxins ist. wie es scheint, nicht proportional der Krankheits¬ 
dauer. Wir sehen, dass der Eine schon nacli einer leichten 
und kurzen Krankheit für immer oder lange immun wird, 
während der Andere selbst nach einem schweren und laugen 
Krankenlager Recidive bekommt; im eisten Falle hat sich 
wahrscheinlich so viel Antitoxin gebildet, dass es nicht nur 
für die schnelle Neutralisation des Toxins, sondern auch für 
eine iangdanernde Immunität des Organismus genügt, im 
zweiten Falle hat die Antitoxinmenge kaum für die Neutra¬ 
lisation des Toxins ausgereicht, Prof. Metschnikow bewies 
experimentell dass die Intensität der Immunität keineswegs 
proportional der Zahl der gemachten Impfungen ist. 

Für die Therapie der Bakterieniufection von grosser Be¬ 
deutung ist die Vaccination. Sobald Papeln auftreten d. h. 
mit dem Anfang des Fiebers sind weder Variola noch wieder¬ 
holte Impfungen für den Betreffenden mehr ansteckend, d. h. 
der Kranke hat die volle Immunität erworben. Weiter: 
warum endet die Eruption bei der Variola innerhalb eines 
Tages? Das bedeutet docli wohl das Auftreten der Krise und 
somit auch der Immunität? Wenn nun vom ersten Tage an, 
wo die Krankheit sich diagnosticiren lässt, auch schon die 
Immunität aufgetreten ist, so mus man doch fragen, was wir 
mit unseren desinficirenden Mitteln ausrichten wollen? Noch 
eigenartiger ist die Sache bei den miasmatisch-contagiösen 
Krankheiten, wie Typhus abdomin. etc., zu denen wir auch 
die Cholera zählen müssen. Wie es scheint existirt hier 


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ansaer der Immunität noch eine zweite vis medicatrix natmae. 
Da diese Kranken absolut nicht ansteckend sind, so müssen 
wir annehmen, dass die betreffenden Bakterien oder die 
Toxalbumie nach dem Aufenthalte im menschlichen Körper 
Hire giftigen Eigenschaften verlieren, und erst einiger anderer 
Einflüsse bedürfen, (Boden, Luft, Uebergang aus dem anaeroben 
in den aeroben Zustand etc.) nm wieder ansteckungsfähig zu 
werden. Nach einer Zeit also wird das Gift unschädlich 
ebenso für den Träger wie auch für die Umgebung: diese 
Zeit ist. nicht länger anzunehmen als die Dauer der Incnba- 
tionsperiode, da ja sonst die Gefahrlosigkeit des Kranken 
für die Umgebung unverständlich wäre. Wir können sagen, 
dass der Kampf des Organismus mit den pathogenen Bakterien 
mit der gleichzeitigen Entkräftung beider Seiten endet, und 
dass im Moment wo die Krankheit sich manifestirt, wir nicht 
mehr gegen den erschöpften und unschädlich gemachten 
Feind zn kämpfen brauchen, sondern vielmehr die Aufgabe 
v haben, dem verwundeten Organismus zu helfen, dass er sich 
von seinen Wunden erhole. 

Wollen wir den ganz unwahrscheinlichen Fall annehmen, 
dass wir den Kranken bevor der genannte Kampf zwischen 
beiden begonnen hat, antreffen. Können wir hier mit der Des- 
infection den Feind vor dem Kampf tödten? Wir müssen diese 
Frage durchaus verneinen. Nicht nur den Körper, nicht ein¬ 
mal den Darm zn desinflciren sind wir im Stande. Ebenso 
wie die Eitercoccen. die in der Umgebung eines Abscesses 
sitzen, Für den Organismus gefährlicher sind als diejenigen 
des Abscesses selbst, sind auch die in die Darmwand einge¬ 
drungenen Bakterien viel schädlicher als die im Darmlumen 
befindlichen, aber schon mit den letzteren ist der Kampf 
nicht leicht, geschweige mit den ersteren. Ich erinnere an 
das Experiment von Lustig. Er machte bei Cholerakranken 
Darmeingiessungen einer Lösung von Vb pCt. acid. tannic. 
und 0,02 °/oo Sublimat und bekam aus der zurückgewonnenen 
Flüssigkeit schöne Culturen der Cholerabacillen. Manche be¬ 
haupten, dass, wenn es auch nicht gelingt, die Cholerabacillen 
zu tödten, es doch rationell ist den Darm zu desinflciren, da¬ 
mit dabei andere Mikroorganismen absterben, und der Körper 
nur mit einem Feinde zn kämpfen hätte. Diesen gegenüber 
wollen wir an Kaupe’s Experiment erinnern. Er machte eine 
Saat von Cholerabacillen auf nicht sterilisirtem Kotli bei 
15 pCt. C. und bekam positive Resultate nur in den ersten 
24 Stunden, später wollte keine Probe gelingen, obgleich er 
die T.° am 20. Tage bis 36° C. bracht. Bei sterilisirtem Koth 
mit saurer (!) Reaction gelangen die Cnlturen sogar am 10. 
und 11 Tage! 

Wollen wir weiter annehmen, dass wir wohl im Stande sind 
die Bakterien zu tödten, sogar die der Darmwand. Da müssen 
wir im Auge behalten, dass zusammen mit der schäd¬ 
lichen Wirkung der pathogenen Bakterien eine 
segensreiche Immnnisirung des Organismus vor sich 
geht, diejenigen Bakterien, welche das Toxin produciren, 
liefern auch das sogenannte «Bakteriotoxin» (Emmerich). 
Vielleicht treffen wir Aerzte gewöhnlich den Kranken gerade 
dann an, wenn die Production des Toxins zn Ende ist und 
die Production des Antitoxins oder Bakteriotoxins erst anfängt; 
indem wir jetzt die Bakterien tödten, schaden wir auch dem 
Kranken. Im Falle der gleichzeitigen Production des Toxins 
und Antitoxins befinden wir uns mindestens in der Lage des 
Wilhelm Teil, der, auf den Apfel zielend leicht den Kopf 
treffen konnte. Dabei mangelt es uns noch an seiner Fertigkeit. 
Das Gesagte findet einige Bestätigung in den Untersuchungen 
von Prof. Pasternatzky, welcher bewiesen hat, dass die 
Anripyretica die ßecidive vermehren, was wir durch die man¬ 
gelhafte Bildung des «Immunotoxinprotein» oder Bakterio¬ 
toxin erklären können. Es ist hier noch an die schädliche 
Wirkung auf die Gewebszellen seitens sogar minimaler Dosen 
verschiedener Arzneien z. B. Calomel (Stomatitis, Fieber etc.) 
zu erinnern; es kann gelegentlich diese Wirkung des Calomel 
auf lebende Zellen einen echten Bärendienst erweisen. 

Auf Grund des Gesagten scheint es ganz irrationell, bei den 
acuten Infectionskrankheiten mit den desinficirenden Mitteln 
die Zeit zn vergeuden; wir müssen vielmehr den kranken 
Körper selbst zn heilen suchen. Womit? Die Mittel 
drängen sich nach dem Gesagten von selbst auf. 

Wie erwähnt, geht parallel mit der Heilung auch die Ira- 
munisirung des Organismus vor sich. Die Immunisirung d. li. 
die Heilung ist durch einen gewissen Stoff das «Immunotoxin- 
protein» oder «Antitoxin» bedingt. Behring nnd Kita- 
8 a t o haben b^wiesen ; dass das Blut von einem künstlich 
immun gemachten Thier ebenso die Kraft besitzt, ein anderes 
Thier, dem es transfnndirt wird, immnn zu machen, wie die 
künstliche imraunisirende Flüssigkeit selbst. Es ist sogar 
anzunehmen, dass das Blnt (Serum) schneller wirken wird, als 
die künstlich präparirte immunisirende Flüssigkeit, weil das 
Immunitoxinprotein hier wahrscheinlich schon in fertigem Zu¬ 
stande sich befindet, während in der künstlichen Flüssigkeit 
nur das Material dazu vorliegt. Es liegen schon gelungene 
Versuche dieser Art vor. Italienische Aerzte heilten Tetanus¬ 
kranke durch Bluttransfusion von einem künstlich immun 


g emachten Pferd. Bis jetzt hat noch Niemand versucht 
lut von einem auf natürlichem Wege immun Ge¬ 
wordenen d. h. von der Krankheit Genesenen zu ver¬ 
wenden, nm es einem an derselben Krankheit neu Er¬ 
krankten zu transfundiren. Es ist zweifellos, dass am 
Anfänge der Krankheit, zur Zeit wo wir es noch mit der 
directen Wirkung der Bacillen und ihrer Toxine zn thnn 
haben, d. h. bevor die Folgen der Vergiftung zu Tage treten 
(Eiterung bei Variola, Uraemie bei Cholera etc.), wir mit der 
genannten Transfusion positive Kesultate bekommen müssen 
und zwar schneller als mit der künstlich präparirten immu- 
nisirenden Flüssigkeit. Autorreferat. 


Vermischtes. 

— Zum Präsidenten der russischen chirurgischen Ge¬ 
sellschaft zum Andenken an Pirogow ist, an Stelle de6 
verstorbenen Leibarztes Dr. Oberraüller, Dr. A. Ebermann 
gewählt worden. 

— Am 21. September vollendeten sich 30 Jahre der Lehr- 
thätigkeit des bekannten hiesigen Syphilidologen Prof. B. M. 
Tarnow8ki. Der Jubilar hatte sich der Feier dieses Tages 
entzogen. Wie verlautet, ist Prof. Tarnowski noch auf ein 
Jahr nnd 9 Monate im Amt als Professor an der uiilitür- 
raedicinischen Akademie belassen worden. 

— Prof. Billroth in Wien ist von der hiesigen militär- 
medicini8chen Akademie zum Ehrenmitglied e gewählt 
worden. 

— Der vor Kurzem verabschiedete Professor der physiolo¬ 
gischen Chemie an der militär-medicinischen Akademie Dr. N. 
W. Ssokolow wird seine Vorlesungen an der genannten 
Akademie als Privatdocent fortsetzen. 

— Verstorben: 1» Am 14. September in Riga der dortige 
praktische Arzt Dr. Alexander Allenstein, im 59. Lebens¬ 
jahre am Schlage. Der Hingeschiedene stammte aus Livland 
und hatte seine medieinisclie Ausbildung auf der. Dornater 
Universität erhalten, an welcher er von 1854—1859 stuairte. 
Nach Erlangung des Arztgrades liess A. sich im J. 1862 in 
Riga nieder, wo er bis zn seinem Lebensende als praktischer 
Arzt thätig war. Von 1864—83 war er auch Arzt des Inlän¬ 
dischen Hofgerichts. 2) Am 21. August in Nogaisk (Taurien) 
der dortige Arzt P. M. Nadeshdin im 81. Lebensjahre. Der 
Verstorbene war ein Schüler der Moskauer Universität, an 
welcher er im Jahre 1834 den Grad eines Arztes I. Classe 
erhielt. Nach 40jährigem Dienst lebte er pensionirt in Nogaisk. 
3) Der jüngere Arzt des Odessaschen Infanterieregiments S. 
M. Diakonow. 4) In Greifswald der Privatdocent und Assi¬ 
stent am pathologischen Institut der dortigen Universität, 
Dr. Alfred Kruse im 29. Lebensjahre am Herzschlage. 

— In Halle ist der Professor der orientalischen Sprachen 
Dr. Aug. Müller gestorben, welcher sich grosse Verdienste 
um die Geschichte der Medicin erworben hat, indem er «Osei- 
bias Geschichte der arabischen Aerzte» und «Arabische Quellen 
zur Geschichte der indischen Medicin» heransgegeben hat. 

— An Stelle des pensionirten Professors Carl Schmidt ist 
der bisherige Docent für physiologische Chemie, Dr. Gustav 
Tammann, zum ausserordentlichen Professor der 
Chemie an der Universität Dorpat, gerechnet vom 1. 
Sept. d. J. ab, ernannt worden. 

— Für den seit dem Tode Prof. Skolosubow’s erledigten 
Lehrstuhl der Nervenkrankheiten an der Univer¬ 
sität Kasan ist der Privatdocent der Moskauer Universität, 
Dr. L. N. Darkschewitsch, in Aussicht genommen. 

— Von den 12 Candidaten. welche als Bewerber um den 
durch Prof. Manassein’s Rücktritt vacantgewordenen Lehr¬ 
stuhl der speciellen Pathologie und Therapie sich gemeldet 
haben, ist einer, der Privatdocent der Kasanschen Universität 
Dr. D o c li m a n n, wegen zerrütteter Gesundheit znrückgetreten. 
Die Wahl wird in einer der nächsten Conferenzsitznngen der 
Akademie stattfinden. 

— Dem ausseretatraässigen Consultauten des Nikolai-Mili¬ 
tärhospitals, Ehrenleibmedicus Dr. Scherschewski ist es 
Allerhöchst gestattet worden, den ihm verliehenen monte¬ 
negrinischen Danillo-Orden II. Classe anzunehmen und 
zu tragen. 

— Bei der am 19. September stattgehabten Immatriculation 
wurden, wie die «N. D. Ztg.» berichtet, in die Zahl der Stu- 
direnden der Dorpater Universität 100 neu aufge¬ 
nommen, von denen 60 für die medicinische Facultät (und 
zwar 42 Mediciner und 18 Pharmaceuten), 13 für die physiko¬ 
mathematische Facultät, 15 für die theologische Facultät, 9 
für die juristische und 3 für die historisch-philologische Fa¬ 
cultät inscribirt wurden. Im Ganzen betrag die Zahl der 
Studirenden an diesem Tage 1558 (gegen 1670 im August 
vorigen Jahres und 1649 im Januar dieses Jahres), und zwar 
vertneilt sich diese Zahl auf die einzelnen Facultäten wie folgt: 
Zur medicinischen Facultät zählen 952 (834 Mediciner und 118 
Pharmaceuten), zur theologischen Facultät 243, zur physiko¬ 
mathematischen Facultät 161, zur juristischen 136 und zur 
historisch-philologischen Facultät 66. 


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— Das Örganisations-Büreau der hier im nächsten 
Jahre stattfindenden allrussischen hygienischen 
Ausstellung hat den Anmeldungs-Termin für 
die Aussteller bis zum 1. December d. J. ver¬ 
lang e r t. 

— Die Gesellschaft zur Wahrung der Volks¬ 
gesundheit beabsichtigt in St. Petersburg ein hygieni¬ 
sches Muse um zu gründen. Sie hofft, dass die Aussteller 
der bevorstehenden Hygiene-Ausstellung manche von ihren 
Ausstellungsgegenständen zum Besten des Museums spenden 
werden. 

— Die hiesige Gesellschaft russischer Aerztebeging 
am 12. September ihren 58. Jahrestag, Aus dem von dem 
Secretär Dr. Ssi rotin in bei dieser Gelegenheit verlesenen 
Berichte für das verflossene Jahr geht hervor, dass die 
Gesellschaft gegenwärtig 70 Ehrenmitglieder, 207 ordentliche 
Mitglieder und 26 correspondirende Mitglieder zählt. Aus der 
Zahl ihrer Ehrenmitglieder hat die Gesellschaft im vorigen 
Jahre durch den Tod drei verloren (die Proff. Andrejewski, 
Babuchin und Kowalewski) und an ihre Stelle drei neue 
Ehrenmitglieder (Helmholtz. Terrier undDr. Archipow) 
gewählt. Die Zahl der Mitglieder hat sich um 7 vei grössert. Im 
Laufe des Berichtsjahres hat die Gesellschaft 17 Sitzungen ab¬ 
gehalten, in denen 35 wissenschaftliche Vorträge gehalten 
wurden. Die von der Gesellschaft zu vergebende Rudnew- 
Prämie wurde Dr. N. W. Uskow einstimmig zuerkannt für 
seine Arbeit «Das Blut als Gewebe», ln der Gasse der Gesell¬ 
schaft befinden sich nach dem Berichte des Cassirers Dr. W. 
Pokrowski zur Zeit 37187 Rbl. in Werthpapiren und 176 R. 
95 K. in barem Gelde. und zwar gehören davon 17387 R. zum 
eigenen Capital der Gesellschaft, 8600 R. zu dem auf Prof. 
Grnber’8 Namen gesammelten Capital, 5300 R. zum Capital 
des Prof. Naranowitsch, 5600 R.zum Rudnew-Capital und 
300 R. zum Glebow-Capital. Ansserdem sind zur Bildung 
eines Capitals auf den Namen Prof. S. P. Botkin’s durch die 
Sammlungen gegenwärtig bereits über 21,000 R. aufgebracht 
worden. 

Die Wahlen der Glieder des Verwaltungsvorstandes der 
Gesellschaft für das nächste Jahr hatten folgendes Ergebnisse 
Es wurden gewählt zum Präsidenten — Prof. Iwanowski, 
zum Vicepräsidenten — Privatdocent Dr. N. J. Ssokolow, 
zum Secretär — Privatdocent Dr. Ssirotinin, zum Biblio¬ 
thekar — Privatdocent Tschelzow und zum Cassirer — 
Dr. W. Pokrowski. 

— Für das Pirogow-Denkmal sind bereits über 9000 R. 
gesammelt worden. 

— Wie einige Tagesblätter berichten, werden gegenwärtig 
Daten über die im Kampfe gegen die Cholera- und Typhus¬ 
epidemie in den Noihstaudsgouverneuients gestorbenen Aerzte 
gesammelt, um als Material bei der Entscheidung der Frage 
in Betreff der erhöhten Pensionen für die Familien der 
Aerzte zu dienen. 

— Einige Edinburger Professoren der Medicin beziehen 
wahre Ministergagen. So bezieht der Professor der med. 
Chemie A. Crum Brown 3450 Pfd. Sterling (nach dem gegen¬ 
wärtigen Curse über 34.000 Rbl. S,) jährlich: der Anatom 
Professor William Turner — 3000 Pfd. (gegen 30,00) Rbl,): 
Prof. William Rutherford — 2581 Pfd. (über 25.000 Rbl.) 
u. s. w. (Tits-Bits—Wr.). 

— Die Gesellschaft praktischer Aerzte in 
Riga hat in ihrer letzten Generalversammlung Dr. A. 
Merc klin (in Rothenburg bei Riga) zum Präses und Dr. 
D a h 1 f e 1 d t zum Secretär gewählt. 

~ Das Leprosorium in Nennal (am Peipus-See in 
Livland belegen) ist, wie wir der N.-D.-Ztg entnehmen bereits 
soweit fertig gestellt, dass es in diesen Tagen eröffnet werden 
kann. Es ist nicht zu bezweifeln, dass die vorhandenen 50 
Betten dieser neuen Heimstätte der armen Leprösen bald bis 
auf den letzten Platz besetzt sein werden, da allein von der 
Insel OeBel schon 21 Leprakranke angemeldet sein sollen. 

— Der Rückgang der Choleraepidemie hat seit 

unserem letzten Bericht überall in der Welt, wo sie bisher 
herrschte, erfreuliche Fortschritte gemacht. Neu aufgetreten 
ißt die Cholera in der letzten Zeit nur in Budapest (Ungarn) 
und in Odessa, wo vom 11.-16. September au der Cholera 10 
Personen erkrankt und 4 gestorben sind. Auch aus Pleskau 
werden neuerdings einige choleraartige Erkrankungen ge¬ 
meldet. ** 

In Russland weist die Choleraepidemie fortge¬ 
setzt eine rückläufige Tendenz auf. Die grösste Zahl der Er¬ 
krankungen und Todesfälle kommen noch immer im Gouver¬ 
nement Ssaratow vor (am 20. September 265 Erkrankungen 
und 131 Todesfälle), doch ist dieselbe auch dort jetzt kaum 
/s so gross als zur Zeit der Acme der Epidemie. 

In St. Petersburg ist ein erfreulicher weiterer Rück- 
Epidemie bemerkbar. Die Zahl der Erkrankungen 
jr Cholera schwankte in den letzten Tagen zwischen 12 
und 25. die Zahl der Todesfälle zwischen 4 und 8 pro Tag. 
Es stehen daher bereits mehrere Cholerabaracken unbenutzt 
da und hat auch die Stadtverwaltung beschlossen die Cholera¬ 


baracken bei den städtischen Hospitälern zu schliessen mit 
Ausnahme der Baracken des Botkinschen Barackenhospitals, 
des Marien-Magdalenen-Hospitals und des Alexanderhospitals 
für Arbeiter. x 

Nach den officiellen Bulletins betrug die Gesammtzahl 
der Choleraerkrankungen in St. Petersburg 
bis zum 23. September Mittags 3800, die der Genesenen 2598 
und der Verstorbenen 1131. Die Gesammtzahl der 
Cholerakranken in denHositälern St. Peters¬ 
burgs betrug am 23. September nur noch 118. 

In Riga bleibt die Cholera in massigen Grenzen. Am 19. 
und 20. September erkarnkte dort an beiden Tagen nur je eine 
Person, es starb 1. und es verblieben in Behandlung 13. 

ln H a in b u r g ist die Intensität der Choleraepidemie bis 
jetzt in stetiger Abnahme geblieben. Mit 70Erkrankungen und 
33 Todesfällen, die am 14. (26.) September gemeldet wurden, 
ist sie bereits auf etwa den 10.—12. Theil der Ausdehnung 
angelangt, die sie zur Zeit ihrer Acme erreicht hatte. Aus 
Deutschland werden sonst nur vereinzelte Cholerafälle 
gemeldet. Was die übrigen europäischen Länder 
anbetrifft, so hat in Frankreich die Cholera nachgelassen 
und sind in Grossbritannien, Dänemark, Italien 
und den Niederlanden nur vereinzelte Choleratodesfälle 
vorgekommen. 


Vacan?$n. 

1) Im Kreise Ustsyssolsk (Gouv. Wologda) ist eine Land- 
schaftsarztstelle zu besetzen. Gehalt 1500 R. jährlich bei 
freien Amtsfahrten. Wohnsitz beim Hospital im Kirchdorfe 
Ustkulemsk. Adresse: <yen>CHCo.iicKaa 3encitaa ynpaBa». 

2) Es wird für einen ärztlichen Bezirk im Kreise Tichwin 
(Gouv. Nowgorod)ein Arzt gesucht. Gehalt 1200R.jährlich. 
Wohnsitz beim ivrankenhause mit 5 Betten. Dem Gesuch ist 
eine Empfehlung von der früheren Stelle oder von einem Pro¬ 
fessor beizulügen. 

3) im Kreise Starodub (Gouv.Tschernigow)ist eine Land¬ 
schaftsarztstelle erledigt. Gehalt 1200 R.jährlich. Adresse: 
«CTapoayöcKaa 3encKaa ynpaBa». 

4) Für den Flecken Ganuschischki bei der Station 
Rakischki der Liban-Romny-Bahn im Gouv. Kowno wird ein 
Arzt gesucht. 100 Rbl. Fixum, sowie freies Quartier mit 
Beheizung von dem Apotheker. LohneityLe Praxis, Nähepe 
Auskünfte ertheilt der Örtliche Apotheker. 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 13. September bis 19. September 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 


M. W. Sa. 


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HÖICO^iO^ONOO 


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11 42 58 59 38 25 20 8 3 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 1, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken l, Masern 4, Scharlach 4, 
Diphtherie 2, Cronp 1, Keuchhusten 4, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 13, Erysipelas 2, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica —, Ruhr 2, Epidemische Meningitis 1, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0 ? Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyämie und Septicaemie 4, 
Tuberculose der Lungen 89, Tnberculose anderer Organe 1, 
Alkobolismus und Delirium tremens 5. Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 33. Marasmus senilis 16, Krankheiten des 
v erdauungscanala 62, Todtgebo rene 35. 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 29. September. 

Tagesordnung: Dr. Selenkow, 2 Fälle von Pyloroplastik. 


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Purgativ durch folgende Vorzüge aus: Prompte und sichere 
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Stuhlverstopfung; Leberleiden; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 

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fc +r* 


XVIf. 


JAHRGANG. 


ST. PITliRSBIfRGlR 


Neue Folge IX. Jafirg. 


IIIIIOIIISOM WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. 

Dorpat. 


Dr. Johannes Krannhals. 

Riga. 


Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicioische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonntmentspreis ist in Busslanä 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. t'ostzustellung; in den anderen 
Ländern 20 Hark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Zniertionspreif 
für die 3 mal gespaltene Zeile inPetit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoreu werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Dogen honorirt. 


WtF Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate "PI 

bittet man ausschliesslich au die Buchhandlung von Oarl Eioker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect 14, zu richten. — Äanusoripte 
sowie alle aul aie Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
den geschäftsführeuden Redacteur Dr. BuäolfWanaoh in f»L Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect J* 7, tyi. 6 zn richten. 
Sprechstunden täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 


m 40 


St. Petersburg, 3. (15). October 


1892 


Inhalt: Job. Meyei: Ein Fall von idiopathischem Magenabscess und ein Fall von subphrenischem Abscess. -- von 
Corval: Suggestiv-Therapie. (Schluss). — Referate: G. Klemperer: Untersuchnngen über Schntzimpfung des Menschen, 
gegen asiatische Cholera. — R. Kutner: Die Behandlung der Cholera in den Pariser Hospitälern. — Seeligsohn: Zwei 
Falle von Dacryoadenitis spontanea. — v. Schroeder: Ein Fall von Dacryoadenitis aeuta bei Parotitis epidemica, — Fuchs: 
Gleichzeitige Erkrankung der ThrMiendrüse nnd der Parotiden. — Zirm: Ein Fall von gleichzeitiger chronischer Thränen- 
drüsen- und Parotidenachwellung, vorübergehende Heilung durch intercurrirendes Erysipel. — Zossenheim: Augenerkran¬ 
kung bei Mumps. — Vermischtes. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Ein Fall von idiopathischem Magenabscess und ein 
Fall von subphrenischem Abscess. 

Vorgetragen in der raed. Gesellschaft zu Dorpat. 

-4* Von 

Dr. Job. Meyer/“" 

Herr A. H., Ingenieur, 41 a. n., hat sich stets der besten 
Gesundheit erfreut. Nur in der letzten Zeit hatte Patient, 
vielleicht in Folge mannigfaltiger Anfregnngen, welche sein 
Beruf mit sich brachte, nicht ganz wohl aasgesehen. Am 
9. November 1890 hatte er an einer geselligen Zusammenkunft 
theilgenommen, nach welcher sich am folgenden Tage eine 
leichte Indisposition geltend machte. Patient war jedoch allen 
Bernfspllichten nachgekommen. Abends V*8 ühr stellte sich 
Frösteln ein, gleichzeitig trat eine sehr von seinem ruhigen 
ernsten Wesen abstechende Aendernng im Benehmen auf: 
Patient ging pfeifend and jodelnd in seinem Bureau umher. 
Nachts um 7»12 Uhr begann heftiges Erbrechen von Galle 
und Schleim, das Sensonnm war nicht ganz frei. 

11. November. T. 38°,9 P. 100.-T. 40“,3 P. 106. Um 10 Uhr 
Vormittags constatirte ich folgenden Befund: Patient würgt 
beständig, wobei gallige Schleimmassen ohne jede Spur von 
Blut zum Vorschein kommen. Abdomen leicht druckempfindlich, 
nicht anfgetrieben. Puls klein, hart, regelmässig. Papillen 
auffallend eng, kaum merklich reagirend, Unruhe, Sensorium 
benommen, Patient redet während der Untersuchung planlos 
hin and her. Am Nachmittage nur kurze Pausen im Erbrechen, 
nach welchem etwas Erleichterung verspürt wird. Bei 
ganz regelmässigem Pulse ist ein eigenthümlicher AthrauBgs- 
modas zu constatireu. Eine Reihe von tiefen, ganz regel¬ 
mässigen Aihemztigen wird unterbrochen durch etwa 6 ganz 
oberflächliche, unter sich ganz gleiche Respirationsbeweguagen. 
Abdomen etwas gespannt, in der Herzgrube druckempfindlich. 
Flatus sind abgegangen. Urin reichlich, klar, dunkel. Papillen 
sehr eng, Innervation der Augen- und GesichtBmuskel intact. 
Ord.: Morph, und Bismnth, Eis auf den Kopf, Blutegel hinter 
die Ohren. Am Abend ist das Erbrechen etwas seltener. Das 
Gesicht ist blass. Athmungstypus wie früher. Muskel¬ 
zuckungen im Bein; Sehnenrettexe lassen sich nicht erzielen 
im Uebrigen ist der Befund an Nervensystem, Muskulatur und 
inneren Organen negativ. Ord.: Calomel in mehreren Dosen zu0,2. 

• 12. November. T. 39,1*, P. 100. — T. 38,2° P. 92. Patient hat 
in der Nacht den Stuhl unter sich gelassen, was ihm jedoch 
bald zum Bewusstsein gekommen. Der Schmerz ist genau anf 
die Magengegend begrenzt. Es erfolgen mehrere bräunliche, 
flüssige Ausleerungen, mit festen Bröckeln uuteuneugt. Die 


Athmnng ist rnhiger. das Sensorium klarer, Erbrechen seltener 
Am Abend ist das Bewusstsein ganz ungetrübt. Links unter 
dem Rippenbogen Druckernpfindlichkeit. Urin sehr concenttfrt, 

starkes Durstgefühl. 

13. November T. 39,1°, P. 100 -T.39,7°. P. 108. Seit 2 Uhr 
früh kein Erbrechen mehr. Sensoriun; völlig frei. Thee und 
Haferdecoc* wird gut vertragen. Die Empfindlichkeit der 
Magengegend ist etwas geringer. Im Coecnth Snccussions- 
geräusch. Die ruhige Respiration ist nur durch wenige tiefe 
Athemzüge unterbrochen. 

14. November T. 39,2° P. 92. — T. 38,7°, P. 84. Nacht un¬ 
ruhig, Delirien. Zange trocken, kein Erbrechen. Urin enthält 
Albumin in Spuren. 

15. November 38,6®, P. 96. — T. 38,5° P. 98. Nacht schlaflos. 
In der Gegend des linken Leberlappens mehrmals heftige 
Stiche. 7 spontane Ausleerungen, die erste grün, die späteren 
dunkelbraun gefärbt und flüssig. Urin braunroth, enthält 
GallenfarbBtoff und spärlich Albumin. Leichte ikterische 
Verfärbung der Bulbi and der Integumente. Die Leberdämpfung 
in der Mamillarlinie bis zur V. Rippe, der liuke Lappen etwas 
vergrössert, druckempfindlich. Der II. Herzton gespalten. 
Athmnng regelmässig. Ord.: Priessnitz über die Lebergegend, 
Opinm. 

16. November T. 39,4°. P. 106. T. 39,7°, P. 110. Nacht ruhig. 
Diarrhoe ristirt, Zunahme des Ikterus. Lebergegend sehr 
schmerzhaft, die Leberdämpfnng verbreitet, reicht von der 
Höhe der Mamilla bis zum Rippenbogen. Hinten ist am Thorax 
beiderseits der Percnssionsschall bis zur unteren Spitze der 
Scapula gedämpft. Die Anscultation ergiebt rechts und links 
unten abgeschwächies Atlimen, darauf mehr nach oben eine 
Zone fast bronchialen Athmens, ganz oben normales Vesicu- 
lärathmen. Der Spitzenstoss links von der Mauiilla, Herz¬ 
dämpfung dem entsprechend verbreitert. Ord.: Eisbeutel,.Opium. 

17. November T. 38,7°, P. 110. - T. 39,1", P. 112. 

Schlechtes Befinden. Seit der Nacht Hustenreiz. Atlimung 

oberflächlich. Dämpfung unverändert. Ikterus geringer. Ord.: 
Wein. 

18. November. Seit dem Morgen Lungenoedem, 2 Uhr Mit¬ 
tags Exitus letalis. 

Herr Prof. Thoma führte die Section aus; Folgendes theile 
ich ans dem Sectionsprotokoll mit: 

Darm stark mit Gas gefüllt, ln der rechten Pleurahöhle 
geringe Mengen trüber Flüssigkeit, in der Unken klares Serum 
mit vielen gaüertigen Fibringerinnseln. Auch im Herzbeutel 
etwas klares gelbes Serum. Das Zwerchfell steht sehr hoch, 
so dass infolgedessen das Herz mehr horizontal Uegt. Herz 
von mittlerer Grösse, enthält zahlreiche frische Gerinnsel nnd 
flüssiges Blut; in dem rechten Herzohr einzelne globoiöse Ge¬ 
rinnungen von Wrisser Farbe; die Musculatur schlaff nnd trübe, 
ln der absteigenden Aorta einzelne gelbe Flecke. Linke Lunge 


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fm allgemeinen klein, Pleura pariet. und pulm. stärker geröthet, 
in den unteres Abschnitten mit fibrinös eitrigem Belag. Die 
kleinen Bronchien etwas erweitert, enthalten trübes, rötliliches 
Secret. Pulmonalarterie frei: Das Gewebe des oberen Lungen- 
larifttis lufthaltig, sehr feucht und blutreich; das des unteren 
Läppens blutüberfällt, von vermindertem Luftgehalt. Rechte 
Lunge ebenso; an der Plenrafläche ausserdem kleine Fibrin¬ 
gerinnsel. Die diaphragmatischp Oberfläche der Leber ebenso 
wie das unterste Ende des neum unmittelbar über der 
Ileocoecalklappe mit fibrinösen eitrigen Belägen versehen, in 
der kleinen Beckenhöhle etwas trübe, fibrinflockenhaltige 
Flüssigkeit. Die Milz sehr stark vergrössert, Kapsel schlaff, 
gerunzelt. Pulpa stark vermehrt, Trabekeln und Malpighi- 
sche Körperchen weniger. deutlich. Die Duodenalschleimhaut 
stark hyperämisch, stellenweise ekchymosirt. Papilla Vateri 
etwas geschwellt. Im Ductus choledochus sowie in der Gallen¬ 
blase dunkel olivengrüne zähe Galle; Vena portae enthält ein 
frisches Gerinnsel. Das Lebergewebe intensiv trübe, atifiöse# 
Bau undeutlich. 

Im Fundustheil des Magens multiple Ekchymosen; in der Nähe 
der Kardift in der hinteren Magenwand eine geröthete Stelle, ln 
deren Mitte ein unscharf begrenzter Fleck sichtbar ist. Beim 
Einschneiden gelangt man hier in 2 längliche streifenförmige 
mit dicklichem Eiter gefüllte Höhlen von etwa 2 Ctiu. grösster 
Länge, welche ihren Sitz zwischen Mucosa und Muscularis, 
zum Theil in letzterer selbst haben. Die zugehörige Peri¬ 
tonealfläche ist gleichfalls von Eiter durchsetzt. Die Innenfläche 
der Dura Mater zeigt Spuren eines gelblichen Belags. 

Die Anamnese ergab keine Anhaltspunkte zur Er¬ 
klärung der schweren Erkrankung. Der Patient konnte 
sich entsinnen, am Tage vor der Erkrankung Häring ge¬ 
gessen zu haben, so dass die Möglichkeit einer Ver¬ 
letzung durch eine Gräte nicht ausgeschlossen ist. 

In diagnostischer Hinsicht bot der Fall die grössten 
Schwierigkeiten. Am dritten Tage wurde zur Erklärung 
der zum Theil pyämischen Erscheinungen die Möglichkeit 
eines Typhus incipiens, einer Meningitis oder namentlich 
einer Phlegmone ventriculi in Erwägung gezogen und zu¬ 
nächst keine definitive Entscheidung getroffen. Als jedoch 
in Folge der Ausbildung des Lebertumors am sechsten 
Tage die Untersuchung Verlagerung des Herzens, Hoch¬ 
stand des Zwerchfells mit Compression der Lungen nach¬ 
wies, — da lag es nahe, einen eitrigen Krgussientweder 
unter oder über dem Zwerchfell anzunehmen. Ich sak 
mich veranlasst, erstere Annahme zu bevorzugen; eine 
definitive Entscheidung musste der Zukunft Vorbehalten 
bleiben, schon weil der Zustand des Patienten zunächst 
wiederholtes Untersuchen verbot. Der Exitus letalis 
trat früher ein, als erwartet werden musste, und ver¬ 
eitelte die Absicht, eine genaue Differentinldiagnose zu 
versuchen. 

Die Section wies einen primären phlegmonösen Process 
der Magenwand nach, welcher als Ausgangspunkt der 
übrigen pathol.- anatom. Veränderungen zu betrachten ist 
und die dunklen klinischen Symptome veranlasst hatte. 

Die Gastritis phlegmonosa zählt zu den seltenen Affec- 
tionen. Nach der Zusammenstellung von Glax, welche 
mir leider nicht ira Original zur Disposition stand, sind 
61 Fälle bekannt. In der neueren Literatur habe ich 
nnr wenige Mittheilungen, darunter eine von Linde¬ 
mann 1 ) gefunden, die eine ältere Dame betrifft bei 
welcher nach Extraction mehrerer Zähne ulceröse Pro- 
cesse mit höchst infectiösem Secret in der Mundhöhle sich 
entwickelten. Dieses rief offenbar im Magen einen diffusen 
phlegmonösen Process hervor. Der Mann der Patientin, 
welcher die Säuberung des Mundes besorgte, acquirirte 
sich eine bösartige Phlegmone der Hand. 

Der von mir beobachtete Fall bestätigt in jeder Hin¬ 
sicht Ewald’s Ansicht, dass die Diagnose dieser Affec- 
tion wohl nur durch Zufall richtig gestellt werden kann, 
und eine wirklich präcise Differential-Diagnose kaum für 
möglich zu erachten ist. Wie in den meisten Fällen, so 
traten auch hier die pyämischen Erscheinungen in den 
Vordergrund; die localen Symptome liessen eine zweifellose 
Deutung nicht zu. 


') Münchener med, Wochenschrift 1867. Nr. 26. 


Im Jahre 1888 habe ich folgenden Krankheitsfall 
beobachtet: 

Ein 21jähriges Mädchen, das schon vielfach wegen Magen- 
heschwerden behandelt worden war, erkrankte plötzlich unter 
Erscheinungen, welche die Annahme einer Perforation eines 
rnnden Magengeschwüres mit nachfolgender cfecumecripter 
Peritonitis rechtfertigten. Allmälig missigten sich die heftigen 
Schmerzen iin Epigastriuni, es traten jedoch lebhafte Stiche 
ifn linken Hypociiondrium auf, ohne dass sich plenritische 
Symptome hatten nachweisen lassen. Die Temperatur schwankte 
zwischen 38,5° und 39.5°. Nach lOtägigem Verlauf trat leichter 
Husten auf, wobei spärliche rostbraune, elastische Fasern und 
verfettetes Lungenepithel enthaltende Sputa entleert worden. 
Zugleich wurde links hinten unten am Thorax eine nicht 
scharf begrenzte Dämpfungszone nachweisbar, anscultatorisch 
abgeschwächtes Vesicnlärathmen und feinblasiges Rasseln. 
Nach mehreren Tagen trat am unteren Winkel der Scapula 
hauchendes ‘A : thmen auf. Nach Lageveränderungen der 
Patientin war bisweilen ein eigentümlich metallisch klingen¬ 
der Schall, wie vom Herabfallen eines Tropfens herrührend, 
wahrnehmbar. Weitere Aenderungen im Befund traten nicht 
mehr ein. Die Gegend des linken Hypochondriums war stets 
druckempfindlich und etwas anfgetrieben. — Nachdem wieder¬ 
holt aashaft riechende, schwarze Flocken enthaltende Flüssig¬ 
keit dnrch Erbrechen entleert worden, trat 26 Tage nach 
dem Beginn der Erkrankung unter Erscheinongen allgemeiner 
Erschöpfung der Exitus letalis ein. 

Bei der Section fand sich eine grosse Höhle mit schwarzen, 
brandig zerfallenden Wänden links unter dem Zwerchfell, 
welche nach rechts vom linken Leberlappen find dem Lig. 
hepatis, nach vorn und nnten vom Magen und Colon trans- 
versnra, nach links von der Milz begrenzt wird. Aus der 
kleinen Curvatur des Magens führt eine scharfrandige runde 
Oeffnung von 8 Mm. Durchmesser in die Abscesshönle. Die 
Muscularis war im Bereich der Perforationsöffnung retrahirt, 
so dass der änsserste Sanm derselben von der Mucosa allein 
ebildet wird. Die Magenschleimhaut wies eine grosse strah- 
ge Narbe zunächst der Perforationsöffnung auf. Iin Zwerch¬ 
fell fanden sich 4 rnnde, missfarbige zerfallene Partien, 
welchen entsprechend sieh in dem adhärenten pneumonisch 
infiltrirten unteren Langenlappen 4 Herde von Nuss- bis 
Wallnussgrösse fanden. 

Es handelte sich also in diesem Falle um einen gas¬ 
haltigen subphrenischen Abscess, entstanden durch Per¬ 
foration eines Ulcus rotundum und Abkapselung der con- 
secutiven Peritonitis. Die Diagnose war intra vitam bloss 
auf circumscripte Peritonitis und septische Pneumonie 
mit Cavernenbildung gestellt worden. Die Lage des Ab- 
scesses unter dem Zwerchfell hatte nicht festgestellt werden 
können. Der Umstand, dass die Abscesshühle frei mit 
dem Magen communicirte, somit einen wechselnden Gas- 
und Flüssigkeitsinhalt haben musste, machte eine dia¬ 
gnostische Abgrenzung desselben unmöglich. Intra vitam 
war angenommen worden, dass das Phänomen der Gutta 
cadens in einer Caverne entstände; nach der Section 
schien es wahrscheinlicher, dass es in der Abscesshöhle 
zu Stande kam, in welcher bei plötzlichen Lagever¬ 
änderungen des Körpers durch die unebenen Wandungen 
zur Tropfenbildung Gelegenheit geboten war. 

Leyden 2 ) stellt mehrere Panktc auf, welche in diffe¬ 
rentialdiagnostischer Hinsicht beim gashaltigen subphre¬ 
nischen Abscess in Betracht gezogen werden müssen. 
Dieselben zielen hauptsächlich darauf hin, deu Nachweiss 
zu liefern, ob der Abscess unter oder über dem Zwerch¬ 
fell liegt. Namentlich bei hochgradiger Exsudatbildung 
muss die Diagnose meist möglich sein. In meinem Fall 
lag die Möglichkeit, überhaupt ein Exsudat, eine Eiteran- 
sammlung nachzuweisen, gar nicht vor, wie ich oben 
bemerkt habe. Damit war die Schwierigkeit für die 
Differentialdiagnose gegeben. Beim Fall von Magen- 
absces6 hingegen wurde durch die starke Schwellung der 
Leber ein das Zwerchfell nach oben drängender, die 
Lunge comprimirender subphrenischer Erguss vorgetäuscht, 
so dass die anfangs gestellte zutreffende Wahrscheinlich¬ 
keitsdiagnose aufgegeben wurde. 

Diese diagnostischen Schwierigkeiten haben mich ver¬ 
anlasst, diese casuistischen' Mittheilungen zu veröffent¬ 
lichen. 


») Zeitschrift für klin. Med. 1880. I. Bd., pag. 320. 


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876 


Ü-T 


Suggestiv-Theraple. 

Von 

Oberstabsarzt a. D. Dr. von Corval in Baden-Baden. 

Aus den Encyelopädischen Jahrbüchern I. Band, herausgegeben 
von Professor Enlenberg in Berlin). 


(Schloss). 

Wenn wir nun dazu schreiten die Suggestion auzuwenden, 
müssen wir, wie schon gesagt, vor allen Dingen unseren, iti 
möglichst beauerae Position gebrachten Patienten in eine 
ruhige, behagliche Stimmung zu versetzen snchen. Wir sagen 
ihm, dass jeder Mensch bei gutem Willen schlafen könne, und 
dass dieser Schlaf seiue Krankheit heilen oder doch erheblich 
bessern werde, ohne dass er irgend welche Unannehmlichkeit 
habe, dass er sich nach demselben erquickt und behaglich 
fühlen müsse. Wir geben ihm die Versicherung dass seine 
Unterwerfung unter nnseren Willen nur vorübergehend wäre, 
so wie er nur mit seinem vollen Einverständnisse einschlafen 
könne, und der geringste Widerstand von seiner Seite unseren 
Einfluss vollkommen aufheben müsse. Er möge seine Gedanken 
einzig nur auf Einschlafen concentriren, von allem Anderen 
abzulenken suchen, das Ange des Arztes fixiren, seine Augen 
jedoch sofort schliessen, sobald er ein Gefühl von Druck in 
der Stirne fühle. 

Ein solches Fixiren, welches aber nicht in ein Austarren 
ausarten darf, erleichtert die Concentration der Gedanken 
ausserordentlich. Indem wir selbst wieder die Augen des 
Patienten fixiren, suggeriren wir der Beihe nach die Erschei¬ 
nungen des eintretenden Schlafes mit ruhiger monotoner 
Stimme: «Sie fühlen schon eine gewisse Schwere in den Glie¬ 
dern, es macht Ihnen Mühe die Augen offen zu halten, der 
Blick trübt sich, Sie sehen mein Gesicht doppelt, dasselbe wird 
immer undeutlicher, die Schwere der Glieder wird immer 
stärker, Sie können nicht mehr widerstehen, Sie können die 
Augen nicht mehr offen halten, schliessen Sie die Augen, 
schlafen Sie >! 

Mit diesen oder ähnlichen Worten gelingt es in den meisten 
Fällen den hypnotischen Schlaf hervorzurufen. In anderen 
Fällen, bei sehr suggestiblen Personen und bei häufiger Wie¬ 
derholung der Sitzungen genügt schon der einfache Befehl: 
«Schlafen Sie!» um sofort tiefen Schlaf, Soinna nbulismns, zu 
erzeugen. Zuweilen ist es dagegen nothwendig, ein kurzes 
Verfahren anzuwenden, die Patienten gleichsam zu überrum¬ 
peln, ihnen keine Zeit zu Beflectionen, zu Autosuggestionen 
zu geben («bei mir wirkt das Zureden Nichts, ich bin nicht 
empfänglich, ich will nicht einschlafen», n. dgl.). 

Zuweilen wieder dauert es, selbst bei dem besten Willen der 
Kranken sehr lange, bis sie die nöthige Buhe gewinnen, zu 
der Concentration der Gedanken auf den einen Punkt des 
«Schlafes» gelangen, und muss man sich wohl hüten, hierbei 
die Suggestiona^Versuche zu lange fortzusetzen. Man wieder¬ 
holt dieselben lieber den nächsten Tag und erreicht nach drei, 
vier Versuchen vollständig seinen Zweck. 

Ganz zweckmässig ist es zuweilen, besonders um den Schlaf 
zu vertiefen and zugleich dem Patieuten seine Macht za zeigen, 
Unbeweglichkeit eines Armes zu suggeriren, denselben in die 
Höhe zu heben, zu erklären, dass er nicht gesenkt werden 
könne u. s. w. Es empfiehlt sich aber diese Suggestion nicht 
unnöthiger Weise zu machen, besonders aber nicht bei aus¬ 
gesprochen Hysterischen, weil bei diesen kataleptische Zustände 
gelegentlich unerwünscht lange anhalten. 

Als prnctisch bewährt können wir für jene Fälle, wo tiefer 
Schlaf sehr erwünscht ist, aber nicht erreicht werden kann, 
empfehlen, den Patienten zu erwecken, nach wenigen Minuten 
aber wieder einzuschlkfern, worauf jedesmal tieferer Schlaf 
eintritt. Bei häufiger Wiederholung gelingt es dann nicht 
selten den Schlaf nach Wunsch zu vertieren. (Wetterstrand, 
Forel). 

Dass man seine Worte jedem einzelnen Falle anpassen, die 
Patienten förmlich studieren muss, um die richtigen Worte, 
die richtige Art der Eingebung zu treffen, ist begreiflich, 
nnd müssen wir uns sehr davor hüten jedes Mal denselben, 
gewissei massen eingelernten Spruch herznsagen. Damit würden 
wir in einem Falle uns geradezu lächerlich machen, in einem 
anderen nicht verstanden werden, kurz niemals auf regelmässigen 
Erfolg rechnen dürfen, weder in Bezng auf das Einschlafen, 
noch auf die Heilsuggestion. 

Kann man es einrichten, dass unser Patient vorher einer 
Sitzung beiwohnt, so wird damit die Suggestibilität entschieden 
verstärkt, also auch die Wirkung unserer Suggestion wesent¬ 
lich erhönt. 

In neuerer Zeit hat man durch Rifat. Herero, Voisin 
angeregt, den Versuch gemacht vor Beginn der Suggestion 
wenige Tropfen Chloroform einathmen zu lassen, und scheint 
dadurch die Empfänglichkeit wesentlich verstärkt zu werden, 
so dass wir wahrscheinlich ein weiteres Mittel gefunden 
haben, um hartnäckigen 'Widerstand zu brechen. 


Dass wir anch hierbei nichts Anderes als eine psychische 
W irkung erzielen, ist wohl zweifellos, gerade so wie es der 
Fall ist Dei den schmerzlosen Zahnextractionen nach 6,0 Chlo¬ 
roform, der einschläfernden oder abführenden Wirkung von 
Brodpillen, welche man als schlafmachend nnter anderem 
Namen verschrieben hat, n. dgl. 

Fixiren des Auges oder vorgehaltenen Fingers trotz einge¬ 
tretenem Spannungsgefühl im Ange oder ln der Stirne, halten 
wir nicht für rathsam. weil diese unangenehmen Erschei¬ 
nungen zuweilen noch Standen lang nach der Sitzung an¬ 
dauern können nnd trotzdem der Zweck doch nicht immer 
erreicht wird. Aus gleichem Grande noch weniger geeignet 
scheint uns das Fixiren glänzender Gegenstände ober- oder 
unterhalb der Augen, während wieder die Wirksamkeit der 
sogenannten «passes», sich ans nnd vielen Anderen, (Wetter¬ 
strand, Van Benterghem, Van Eden,) als ganz bedeu¬ 
tend erwiesen hat. 

Ob wir es hierbei nur mit Suggestion zn thun haben, oder 
sich nicht vielmehr dabei die einschläfernde Wirkung des 
leichten tactilen Beizes geltend macht, wagen wir nicht zu 
entscheiden, müssen aber feststellen, dass die «passes von den 
Kranken meist angenehm und wohlthuend empfunden, Schmer¬ 
zen unter dem Streichen wesentlich verringert werden, bevor 
noch Schlaf eingetreten ist. Als sehr wirksam möchten wir 
endlich das Fixiren des vorgehaltenen und immer mehr ge¬ 
senkten Fingers bezeichnen. Dabei senkt sich das obere Au- 
enlid gleichfalls immer mehr über den Bulbns and es wird 
nrcb diese, dem Vorgänge des Einschlafens nachgemachte 
Bewegung, letzteres wesentlich beschleunigt. 

Aus einer soeben erschienenen Studie des Dr. von Sehrenck 
(«Die Bedeutung der Narcotica für die Hypnose mit beson¬ 
derer Berücksichtigung des indischen Hanf»), heben wir zum 
Schluss dieses Abschnittes noch einzelne sehr wichtige Punkte 
hervor: 

1. Die Hypnose unterscheidet sich von allen analogen Zu¬ 
ständen dnreh das cerebrale Abhängigkeitsverhältniss des 
Percipienten von den ihm aufgedrängten Suggestionen. Die 
kritiklose Aufnahme anfgezwungener Ideen durch das Gehirn 
zeigt die Existenz einer Hypnose an, gleichgültig ob wacher 
Zustand, ob Schlaf, ob Narcose oder etwas Aehnliches besteht. 

2. Narcotiscbe Mittel, wie Alkohol, Aether, Chloroform, 
Morphium, etc. schwächen die eontroliienden Functionen des Ge¬ 
hirns, den bewussten Intellect, den Eigenwillen ab, und 
erzeugen durch Hervorrnfung von Mtidigkeitsempflndungen, 
Betänoungszuständeo etc. eine günstige Prädisposition zur 
Anfnahme von Suggestionen, d. h. für den Eintritt des hypno¬ 
tischen Zustandes. 

3. Die ans Narcose etc. transformirten Hypnosen sind in 
der Regel tiefer als die bei denselben Individuen im wachen 
Zustande durch alleinige Anwendung psychischer Mittel 
erzeugten Grade der Hypnose. 

Aus Schrenk’s Ausführungen scheint zunächst hervorzu- 

f ehen, dass die Erklärung der hypnotischen Erscheinungen dorch 
uggestion nicht für alle Fälle richtig sein könne: weiter, 
dass es um so leichter sei Hypnose herbeizuführen, je mehr der 
Patient ermüdet ist, d. h. Abends. 

Diese Bedingungen können zum Theil durch «chiafmachende 
Mittel ersetzt werden, so dass es bei refraetären Fällen z. B. 
durch Alkohol, Chloroform, Morphium gelingen kann sehr tiefe 
Hypnose hervorzurnfen: doch wird man zu diesem Zwecke nie¬ 
mals zu hohe Gaben (nicht bis zur Besinnungslosigkeit) ver¬ 
wenden dürfen (Pierre Janet) und überhaupt nur in den 
äussersten Fällen dazu schreiten. Ganz geringe Dosen von 
Morphinm oder Chloroform wirken jedenfalls als die Hypnose 
befördernde Mittel nnd Suggestiv. 

Von grösstem Interesse sind die über die Suggestibilität in 
dem Hadschisch-Banbche gemachten Mittheilnngen bei 
welchen, wie der Orden der Assassini zeigt, die der Anf¬ 
nahme vorangehenden, in dem Zustande des Bausches gegebenen 
Suggestionen so tief nnd fest wurzelten, dass sie meist von 
lebenslänglicher Däner waren. Wir können an dieser Stelle 
nicht weiter auf die hoch-interessanten Ansführungen eingehen, 
glauben aber, dass die betreffenden Studien noch manche 
weitere, praktische Folgen für die Suggestions-Therapie haben 
werden. 

Ist der Patient eingesclilafen, was wir an einem leichten 
Vibriren des oberen Augenlides, den erschlafften Gemehts- 
zügen,dem behaglichen Gesichtsausdrücke, dem rnhigen Athmen 
erkennen, «>o fahren wir noch kurze Zeit mit der Suggestion 
fort. Es giebt kein bestimmtes Zeichen, welches uns andeutet, 
dass die Hypnose nun tief genug sei am weiter gehen zu 
köunea, besonders bei Patienten deren Verhalten wir in dieser 
Beziehnng noch nicht kennen. Beagirt der Patient nicht mehr 
anf leichte Nadelstiche, gelingt es den Arm in beliebiger 
Stellung, z. B. über den Kopf erhoben zu halten, Drehen der 
Hände über einander, (automatische Bewegungen) zu erzielen, 
dann können wir ruhig mit der Suggestion weiter gehen 
nnd abwarten, ob nach dem Erwachen Amnesie zu bemerken, 
ob unsere Eingebungen mehr oder weniger befolgt sind 
u. s. w. 


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376 


Wir dürfen aber andrerseits nicht vergessen, dass nicht : 
selten schon genügende Resultate bei einfacher Somnolenz ' 
erhalten, ganz zufriedenstellende aber meist bei dem von uns 
als II. Grad bezeichnten Zustande beobachtet werden, während 
wir freilich bei anderen Patienten uns müglichts bemühen 
müssen, den III. Grad zu erreichen. Endlich dürfen wir nicht 
versäumen unsere Patienten während des Schlafes 
zu beobachten. Dies ist ganz besonders bei Hysterischen 
durchaus nothwendig, um bei den ersten Zeichen abnormer 
Reaction (Unruhe, Aufstossen, Zuckungen, Weinen u. dgl.) 
sofort mit energischen Worten Ruhe und Wohlbehagen zu 
befehlen, oder die Hypnose aufzuheben, und muss das Gleiche 
geschehen wenn, wie Hirt (Breslan) Behr richtig bemerkt, 
Zeichen von subjectivem Unbehagen, wahrscheinlich durch Hirn¬ 
anämie hervorgerufen, auftreten, das Gesicht blass wird, Athem 
und Puls unregelmässig werden. 

Alle diese Erscheinungen treten nur äusserst selten auf; 
das Vernachlässigen derselben hat aber, wenn aucli keine 
directen Gefahren gebracht, so doch ohne Zweifel schon 
mancherlei unangenehme Erfahrungen bereitet, zum Mindesten 
verschuldet, dass peinliche Gefühle statt des absolut behag¬ 
lichen Zustandes aen Betreffenden selbst auf Tage verfolgt, 
uijd ihm die Lust zu weiteren Versuchen benommen haben. 
Die beste und ausführlichste Schilderung des Suggestions- 
Verfahrens finden wir in dem betreffenden Werke von Bern- 
heim dem wir auch den bekannten Ausspruch verdanken: 
«Alles liegt in der Eingebung; man muss nur die Feder finden 
(il faut trouver le joint), um jede individuelle Suggestibilität 
in Thätigkeit zu versetzen, resp. zu erwecken». 

Glauben wir nun annehmen zu dürfen, dass der Kranke 
tief genug schlafe um genügend snggestibel zu sein, so beginnen 
wir mit den Heilsuggestionen, d. h. wir suchen auf die ein¬ 
zelnen Krankheitserscheinungen, resp. auf deren Verschwinden 
einzuwirken. Wir haben oben bereits kurz skizzirt wie wir 
uns den Vorgang hierbei zu denken haben, und dabei betont, 
dass es sich In keiner Weise um einen wunderbaren d. h. 
unerklärlichen Vorgang handle. An dieser Stella möchten wir 
nun noch für Jene, welche noch immer an der Anschauung 
festhalten, dass wir bewusst oder unbewusst unser Verfahren 
mit einem Nimbus des Mystischen umgeben, und dadurch be¬ 
sondere Wirkung zu erzielen suchen, bemerken, dass es sich 
nur um einfach natürliche, bekannte Vorgänge in unserem 
Seelenleben und um deren Einwirkung auf die körperlichen 
Vorgänge handele. Auch dürfte es durchaus angebracht sein, 
daran zu erinnern, dass e»ne solche Wechselwirkung zwischen 
Körper und Seele, wenn man so sagen darf, sich täglich 
und stündlich deutlich bemerkbar macht, ohne dass wir uns 
bemühten, uns über solche Beobachtungen Rechenschaft zu 
geben. 

Wir erinnern nur an das plötzliche Erröthen oder Erblassen, 
bei Scham, Verlegenheit oder Erschrecken (Wirkung auf das 
vasomotorische Centrum), die plötzlich auftretenden Diarrhöen 
bei Aufregungen, die oft colossale Vermehrung der Harnab¬ 
sonderung ans psychischen Ursachen (z. B. bei dem Gedanken 
an die Unmöglichkeit der Entleerung des Urins auf Fahrten 
in der Eisenbahn oder in Gesellschaft), an die plötzliche Unter¬ 
drückung der Menses bei grossem Schreck, u. s. w. So werden 
wir es durchaus nicht unerklärlich oder gar unmöglich finden, 
dass wir im Zustande vermehrter Empfänglichkeit durch 
unsere Worte Vorstellungen erregen, welche auf unsere Phan¬ 
tasie, und vermittelst dieser auf die verschiedensten körper¬ 
lichen Vorgänge zu wirken vermögen. 

Indem wir die Besprechung der Art der Eingebungen zu 
diesem Zwecke auf die Beobachtung der einzelnen Krankheits- 
formen verschieben, haben wir uns zunächst noch mit der Dauer 
des hypnotischen Schlafes zu beschäftigen. 

Es ist bekannt, dass oft nur ganz kurzer Schlaf genügt, um 
hinreichende Wirksamkeit unserer Suggestion zu erzielen, dass 
wir oft nur wenige Minuten dazu nöthig haben; ebenso bekannt 
ist es, dass sehr häufig die Entschiedenheit und Dauer der 
Wirkung von einer längeren Dauer des Schlafes abhängig 
sind, dass man z. B. bei hartnäckiger Schlaflosigkeit die Pa¬ 
tienten bis zu 3 Stunden im Schlafe erhalten muss. Bestimmte 
Regeln lassen sich nicht angeben, und wird es Sache des 
Arztes sein, die Zeit nach seinen Erfahrungen, nicht minder 
aber auch nach seinen Beobachtungen an den jeweiligen 
Patienten zu bestimmen. Da jedoch der Einfluss sich allmählig 
abzuschwächen pflegt, so ist es nothwendig, von Zeit zu Zeit 
in einer Sitzung die Suggestion zu wiederholen, gerade so wie 
man bei einzelnen krankhaften Zuständen, bei denen eine 
Uebung gemacht werden muss (Sprechübungen beim Stottern 
z. B.) diese Uebung öfter in einer Sitzung vornehmen muss. 

Von besonderer Wichtigkeit ist es weiter, dass man die 
richtigen Worte wählt, dass man sich nicht damit begnügt 
zu sagen: «Sie fühlen keinen Schmerz mehr und werden 
keinen mehr fühlen», sondern dass man sich auch nach dieser 
Richtung hin genau dem jeweiligen Bildungsgrade, dem 
Fassungsvermögen der Einzelnen möglichst anzupassen sucht, 
dem Einen kürzere Befehle ertheilt, dem Anderen eine Art 
von Schildernng des Heilprocesses zn geben sich bemüht 


u. 8. f. Hier zeigt sich der Scharfblick, die Erfindungsgabe 
und Erfahrung des Arztes, und hierin nicht minder wie in so 
manchen anderen, bereits erwähnten Dingen, wie in dem ganzen 
Wesen und Auftreten des Arztes liegt die Erklärung dafür, 
dass der Eine glänzende Erfolge mit der Suggestiv-Therapie 
erzielt, während der Andere Nichts erreicht. 

Nach kürzerer oder längerer Zeit erschöpft Rieh die Wirk¬ 
samkeit der Suggestion, der Kranke wacht auf. Wir werden 
aber gut daran thun, dieses spontane Aufwachen nicht abzu¬ 
warten, sondern zu geeigneter Zeit den Kranken wieder durch 
Suggestion aufwecken, wozu denn der in mehr oder weniger 
festem Tone ausgesprochene Befehl: «Wachen Sie auf»! ge¬ 
nügt. Würden wir uns jedoch damit allein begnügen, so 
würden wir nur zu oft beim Erwachen allerlei unangenehme 
Erscheinungen beobachten, wie dieselben auch häufig bei 
plötzlichem Erwecken ans tiefem Schlafe vorzukommen pflegen. 
Wir dürfen es niemals versäumen vor dem Erwachen zn 
s u g g e s t i o n i r e n , d. h. den Patienten zu befehlen, dass 
sie sich nach dem Erwachen dnrehaus frisch und behaglich 
nach jeder Richtung fühlen, dass Appetit und Schlaf gut 
seien, dass etwa vorhandener schwacher Wille, schwache 
Widerstandsfähigkeit sich kräftigen, dass keine Autosugges¬ 
tionen Vorkommen dürfen, dass ale Kranken keinen Schwindel 
haben, kein Kopfweh, keine Betäubung spüren sollen, dasa 
sich kein Zittern zeigen dürfe. Treten trotzdem beim Er¬ 
wachen derartige Erseneinungen auf, so darf man selbst keine 
Aengstlichkeit zeigen, sondern zuversichtlich erklären, dass 
derartiges nur zuweilen nach der ersten Sitzung vorkäme und 
künftig nie mehr auftreten werde, sofort wieder hypnotisiren 
und dahin gerichtete Suggestionen geben. 

F o r e 1 (Zürich) legt mit vollem Rechte auf das Desug- 
gestioniren den grössten Werth und glaubt, dass der 
Unkenntniss oder Nichtbeachtung desselben alle unabsicht¬ 
lichen Schädigungen durch den Hypnotismus, über welche die 
Literatur berichtet, zu verdanken seien. 

Auf gleiche Weise, d. h. durch Gegensuggestionen muss 
und kann man, wie bereits gesagt, auch das Verfallen in 
Selbsthypnose, die Schwächung der Willenskraft und andere 
Dinge verhindern, welche Gefahr immer der Suggestiv-Therapie 
entgegengehalten wird. Ungefährlich ist dagegen eine mittelst 
A m u1 e t, B i 1 d, B r i e f und dgl. snggenrte Selbsthypnose 
(posthypnotische Erscheinung) doch muss man letztere nur 
auf kurze Zeit ausdehnen, und ihr Zustandekommen durch 
den betreffenden Brief und dgl. nur vom Arzte ausgehend ge¬ 
statten. (Forel, Corval und Andere). 

Vielfach hat man empfohlen, das Erwecken durch einen 
leichten Reiz, z. B. durch Anblasen des Gesichtes hervorzur ufen 
oder kräftigere Reize, z.B. Elektricität anzuwenden, wenn der Pat. 
auf einfachen Befehl nicht erwacht. Das Erstere erscheint uns 
mindestens überflüssig, und auch stärkere Reize dürften kaum 
nothwendig sein, wenn man im gegebenen Falle mit dem 
nöthigen Ernste, der nöthigen Energie vorgeht, dem Kranken 
befiehlt, er müsse aufwachen, sein Widerstand nütze Nichts, 
und dgl. Durchaus unschädlich und nicht selten als ganz 
zweckmässig hat es sich bei tiefem Schlafe bewährt, dass 
man den Kranken gleichsam zum Erwachen vorbereite, indem 
man vorher folgende Suggestion giebt. «Ich werde laut zählen, 
und sobald ich 5 zähle, wachen Sie auf*. Noch besser ist es, 
wenn man dem Kranken befiehlt, selbst laut zu zählen und 
etwa mit fünf ganz frisch und munter anfznwachen. 

Es ist eben liier wie bei dem Suggestiv-Verfahren über¬ 
haupt unmöglich, bestimmte Regeln für jeden einzelnen Fall 
aufznstellen. und muss es dem Arzte Überlassen bleiben, durch 
Beobachtung das jeweilig Richtige zu finden. Damit ist aber 
auch zugleich gesagt, dass nicht Jeder sofort mit vollem Er¬ 
folge die Methode anzuwenden im Stande sei, dass ausser ge¬ 
wissen persönlichen Eigenschaften eine gewiss e U e b u n g , 
vor Allem ein genügendes praktisches Studium, 
ein Anschauen vieler Sitzungen nothwendig sei, ehe man an 
die Sache herantritt. 

Eg muss eben die Suggestiv-Therapie praktisch 
wie theoretisch studirt werden, wie jede andere Behandlungs¬ 
methode auch, und liegt in diesem Umstande zugleich die 
beste Widerlegung jener Behauptung von Ewald und 
Anderen, welche dieselbe als des Arztes unwürdig, den Schäfer- 
Knechten und dergleichen Leuten zu überlassen empfehlen. 
Hypnotisiren wird schliesslich unter Umständen so mancher 
können, die Suggestiv-Therapie in wirklich segensreicher, 
durchaus unschädlicher Weise bei Kranken anzuwenden, das 
wird und muss immer einzig Aufgabe des tüchtigen, 
seiner Verantwortlichkeit voll bewussten Arztes 
bleiben. 

Da wir theoretische Betrachtungen möglichst vermeiden 
wollen, so werden wir auch auf die posthypnotischen Er¬ 
scheinungen nicht näher einzugehen haben; bemerken wir nur 
noch, dass wir die posthypnotischen Wirkungen zu therapeu¬ 
tischen Zwecken vielfach verwerthen müssen, ja, dass in der 
richtigen Verwerthung derselben der grösste Theil unserer 
wirklich heilenden Thätigkeit begründet liegt. 

Als praktische Regel dürfte noch gelten, dass man die Stig- 


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377 


gestions-Versuche nicht in’s Unendliche ausdelmen, sondern 
nach 4—5 Sitzungen unterbrechen, eventuell nach einigen 
Wochen wieder aufnehmen sollte, wenn man anfangs keinen 
Erfolg gesehen hat. 

Die anfänglich täglichen Sitzungen reducirt. man allmählich, 
und unterbricht die Cur, wenn man keine Fortschritte mehr 
bemerkt, um dann nach einiger Zeit wieder anzufangen. Sehr 
wichtig ist es endlich, darauf zu achten, dass die Wirkung 
der Suggestion nicht durch Einflüsterungen Anderer, durch 
Lectüre u. s. w. paralysirt werde; mit Vorsicht, Klugheit und 
Energie wird man in den meisten Fällen derartigen, nacli- 
theiligen Einflüssen entgegentreten können. 


Referate. 

G. Klemperer: Untersuchungen Uber Schutzimpfung des 

Menschen gegen asiatische Cholera. (Berliner klin. 

Wochenschr. 1892. Nr. 39). 

Die in Nr. 35 unserer Wochenschrift referirten Versuche 
KlemDerer’s hatten bewiesen, dass es mit Sicherheit ge¬ 
lingt, Meerschweinchen und Kaninchen durch die intravenöse 
und mtraperitoneale Injection erwärmter Oulturen gegen die 
tödtliche Wirkung der Cholerabacillen zu schützen. Das Blut 
serum derart immunisirter Thiere verleiht, andern Thieren 
injicirt, diesen letztem gleichfalls Impfschutz und Immunität. 
So nahe es nun liegt, diese Erfahrungen auf den Menschen 
zu übertragen und somit therapeutisch zu verwerthen. so 
setzt der Entschluss hierzu doch ein unerschütterliches Ver¬ 
trauen in die Zuverlässigkeit und Irrthumslosigkeit der Thier¬ 
experimente voraus. 

Dieses einem zuverlässigen Forscher geziemende Vertrauen 
m die eignen Untersuchungen hat Klemperer bewährt, indem 
er nach derselben Methode, die sich an seinen Versuchstieren 
bewährt hatte, zunächst an sich selbst und dann an 13jungen 
Aerzten, die sich freiwillig zu den Versuchen hergaben, 
Schutzimpfungen mit Cloleraculturen vornahm. 

Zunächst injicirte er drei Tage alte Culturen von Cho- 
lerabacillen, die 2 Stunden auf 70° C. erwärmt worden waren, 
\ D »i en Vorderarm. Abgesehen von einer geringen febrilen 
A1 lgemeinreaction und geringer Localreaction an der Injec- 
tionsstelle traten keine schweren Krankheitserscheinungen 
* 1 “. Es fragte sich nur, ob der so behandelte Mensch gegen 
die Cholera immun geworden war oder nicht. War er immun, 
so musste sein Blutserum im Stande sein, Kaninchen bei 
mtraperitonealer Einverleibung gegen die Cholerainfection zu 
schützen. Es wurde also durch Aderlass Blut steril aufge¬ 
fangen und das Serum dieses (von dem mit erwärmter Cho- 
lerabacillencultur behandelten Menschen gewonnenen) Blutes 
einem Meerschweinchen injicirt. Es erwies sich, dass 0,25 Ccm. 

.waren ein Meerschweinchen vor der 
todtlichen Cholerainfection zu schützen. Im weitern Verlauf 
der Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Chilera- 
bacnlen, welche fm Darm der Menschen sich rasch vermehren 
und die bekannten Verheerungen anrichten, unter die Haut 
gespritzt nur geringfügige Entzündung und mässiges Fieber 
erregen. Die subcutane Im'ection geringer Mengen von 
lebenden Cholerabacillen wird vom Menschen gut vertragen: 
alldn noch mehr: eine solche Injection lebenden Infections- 
stoffes verleiht, ebenso wie beim Thierexperiment, auch dem 
Menschen Immunität, so dass sein Serum, auf Meerschweinchen 
übertragen, auch letztere giftfest und immun macht. 

In wie weit die Methode der Immunisirung, welche 
Klemperer eingeschlagen hat, mit der von Chawkin in 
Paris befolgten, übereinstimmt, entzieht sich bis jetzt unserer 
Benrtheilnng. Jedenfalls aber dürfte der Beweis, den Klem- 
perer und dessen Freunde durch ihre muthigen Selbstver- 
suche für die ^tatsächliche Erreichung der Choleraimmunität 
erbracht haben, zuverlässiger sein als der abenteuerliche Ent- 
Schluss des Reporters Stanhope, seine künstlich erzielte 
Uholerafestigkeit in den Krankenbaracken Hamburgs zu er- 

proben - Dehio. 


R. Kutner: Die Behandlung der Cholera in den Pariser 
Hospitälern. (Deutsche medic. Wochenschr. Nr. 35). 

1) Erscheinungen von Seiten des Darracanals. 


a. Acidum lacticum ist in einigen Krankenhäusern mii 
bestem Erfolg gegeben worden. Es scheint nach den dortiger 
Erfahrungen vorläufig das werthvollste Mittel in der Cholera 
tüerame zu sein. Man verordnet es: Acidi lactici 15.0 Aq 
desto lat 200,0 Sirup, sftnpl. 100,0. 3 Mal ‘/»stündlich 1 Ess 
löffel, später 2stündlich 1 Esslöffel oder Acid. lactic 15,0 aui 
1 Eiter abgekochten Wassers mit etwas Zucker pro die. 

b. Benzo-Naphtol — ist im Krankenhause Beauion an 

geblich mit gutem Erfolge in Kapseln zu 4 Gr. pro die ge 
geben worden. re 


c. Von den Opiumpräparaten hat min in einem Hospital gute, 
in einem andern zweifelhafte, in einem dritten schlechte Re¬ 
sultate gesehen. 

d. Wism.ith hat keine Wirkung gehabt. 

e. Nur im Krankenhanse Beaujon ist Salol einige Mal ge¬ 
geben worden, jedoch ohne Erfolg. Prof. Netter ist der 
Meinung, dass es auch anderweitig ganz erfolglos angewandt 
worden sei. 

f. Im Krankenhause Beaujon hat man mehrfach, vom dritten 
bis vierten Tage der Erkrankung an Tulcnin (gepulvertes 
Magnesiumsilicat) zu 50—60 Gr. pro die in Milch verab¬ 
reicht in der Idee, dem erkrankten JDarme einen schützenden 
Ueberzug zu geben. 

2) Erbrechen. 

Starkes Erbrechen wjjrde rein symptomatisch behandelt: 

a. Eis innerlich, und im Hospital Necker wurde ausserdem 
noch der Chapmann’sche Eisbeutel für die Wirbelsäule ange¬ 
wandt. 

b. Cocain wurde im Krankenhause Bastion Trente-Six 
subcutan zu 2—3 Cgr. pro die gegeben und zwar mit gutem 
Erfolge. 

c. Chloroform wurde in Form von Chloroformwasser (Aq. 
destill. und Chloroform ad saturat.) esslöffelweise verabreicht. 

3. Tonisirende resp. excitirende Behandlung. 

a. Coffeinum natro-salicylicum ist in allen Kranken¬ 
häusern mit bestem Erfolge subcutan angewandt worden. 

b. Die Transfusion von Kochsalzlösung nachHayera 
wurde mit überraschend gutem Erfolg von Galliard ange¬ 
wandt. Zur Transfusion benutzte letzterer den Collin sehen 
Transfuseur, bei dem Gerinselbildung und Einführung von 
Luft völlig ausgeschlossen sind. Er machte alle Transfusionen 
in die Vena saphena anterior und benutzte dazu folgende Lö¬ 
sung: Aquae destillat 1000,0, Natri chlorati 5,0, Natri sul- 
furici 10,0. 

(Rieder in Hamburg berichtete im Aerzteverein, Sitzung vom 
30. August, dass die subcutane Kochsalzinfusion meistentheils 
ohne Effect war, wohl aber bewährte sich die intravenöse 
Infusion. Ahm. des Recens). 

c. Champagner wurde nach Ablauf d s acutesten Stadium 
reichlich gegeben, 

d. Brown : S6quard’sche Iiyectionen völlig erfolglos. 

Aeussere Behandlung. 

In allen Krankenhäusern wurden die Patienten mit Wärm¬ 
flaschen und Frictionen behandelt, um die Körpertemperatur 
zu heben. Im Krankenhause Beaujon hat man den Patienten 
3 Mal pro die Lavements mit Borwasser, dem pro Liter 1 Gr. 
Naphtol zugesetzt war, gemacht. 

Diät. 

Um dßn glühenden Durst zu löschen, wurde den Kranken 
Thee mit Rum in grossen Mengen gereicht; in Bastion 
Trente-Six iiess man die Kranken ad libitum weinsaure 
Limonade (Acid. tartarici 15,0 auf 1 Liter Wasser) consumiren. 

Desinfection. 

Die Wäsche wurde in Sterilisationsöfen, die Faeces und die 
Waschgeschirre mit Cuprum sulfuricum 50:1000,0 desinficirt. 

Abelmann. 

Seeligsohn: Zwei Fälle von Dacryoadenitis spontanen 
(Klin. Monatsbl. für Augenheilkunde. 1891). 

v. Schroeder: Ein Fall von Dacryoadenitis acata bei 
Parotitis epidemica, (ibid.). 

Fuchs: Gleichzeitige Erkrankung der Thränendrtlse und 
der Parotiden. (Beiträge zur Augenheilkunde heraus - 
gegeben von Deut sch mann, Heft III. 1891). 

Zirm: Ein Fall von gleichzeitiger chronischer Thränen- 
drtlsen- und Parotidenschwellung, vorübergehende Hei¬ 
lung durch intercurrirendes Erysipel, (ibid. Heft TV. 
1892). 

Zossenheim: Augenerkrankung bei Mumps, (ibid.). 

Die doppelseitige Erkrankung der Thränendrüsen kann nach 
b u c h 8 m folgenden Combinationen auftreten: 

1) Schwellung beider Thränendrüsen allein, acut oder 
chronisch. 

2) Acute Schwellung der Thränendrüsen und der Parotiden 
als echter «Mumps». 

3) Chronische Schwellung der Thränendrüsen und verschie¬ 
dener Speicheldrüsen alB Lymphome oder Lymphosarcome. 

4) Chronische Schwellung der Thränendrüsen und der 
Lymphdrüsen des Kopfes und Halses. 


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378 


Die acute oder subacnte, nicht eitrige Dacryoadenitis cha- 
rakteriairt »ich durch folgende Symptome: Das obere Lid 
ist geschwollen, besonders im äusseren Theile, entsprechend 
der Lage der Thränendrüse; beim Umklappen des Lides oder 
bei Emporziehen desselben und Abwärtswenden des Auges 
wölbt sich ein Theil der Drüse als gelappter Tumor unter der 
oberen Conjunctivalfalte vor: die Conjunctiva palpebrarum ist 
normal, die Copjunctiva bulbi zeigt mehr oder weniger ausge¬ 
sprochene glasige Chemose; zuweilen besteht ein leichter 
Exophthalmus und ist die Beweglichkeit des Auges beschränkt, 
so dass eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Bilde einer retro¬ 
bulbären Phlegmone entstehen kann; das Auge ist mässig ge¬ 
reizt, die Thränensecretion nicht alterirt, Schmerzen sind 
kaum vorhanden. Diese acute Entzündung der Thränendrüse 
ist sowohl selbstständig (Seeligsohn n. A.) als auch com- 
binirt mit acuter epidemischer Parotitis (Gordon Norrie, 
v. Schroedcr) beobachtet worden. *Die Fälle der letzteren 
Kategorie können füglich als «Mumps» der Thränendrüse be¬ 
zeichnet werden, und ist das gleichzeitige Ergriffensein der 
Speichel- nnd Thränendrüsen bei dem analogen Bau dieser 
Organe leicht verständlich. Die Prognose dieser Form von 
Dacryoadenitis ist ebenso günstig wie diejenige der Parotitis. 

In den Fällen von Fuchs und Zirm handelt es sich um 
chronische Schwellung sowohl der Thränen- wie der Speichel¬ 
drüsen, bedingt durch kleinzellige Infiltration des intersti¬ 
tiellen Bindegewebes; Zirm’s Fall, in welchem noch ausser¬ 
dem zahlreiche Lyraphdrüsenschwell ungen bestanden, ist da¬ 
durch besonders interessant, dass ein intercurrentes Erysipel 
die Schwellung der Drüsen für kurze Zeit zum Schwinden 
brachte. — Zossenheim beobachtete in einem Falle im An¬ 
schluss an eine Parotitis bei einem Kinde eine doppelseitige 
parenchymatöse Keratitis und Iritis. (Der ursächliche Zu¬ 
sammenhang der Affection der Speicheldrüsen mit derjenigen 
der Augen kann in diesem Falle übrigens angezweifelt werden. 

***•)' Blessig. 


Vermischtes. 

Professor Dr. W. v. An rep, welcher nach Erfüllung 
seiner Mission in Nishni-Nowgorod bekanntlich in die süd¬ 
lichen Gouvernements zur Besichtigung der dortigen Sanit'its- 
zustände abcomraandirt wurde, ist, wie der Correspondent der 
«Nowoje Wremja» mittheilt, im Gouvernement Jekaterinoslaw 
an der Cholera erkrankt, soll sich jedoch bereits in 
der Besserung befinden. 

— In Lentschna (Gouv. Lublin) ist Dr. 0 n a n o w , 
welcher beim Ausbruch der Cholera daselbst aus Warschau 
zur Hilfeleistung hingekommen war, an der Cholera 
8 c h w e r e r k r a n k t. Dr. 0 n a n o w hat in Paris studirt 
und beschäftigte sich in der letzten Zeit im pathologischen Labo¬ 
ratorium des Prof. Lukjanow in Warschau. Er hat sich 
bereits durch seine Arbeiten auf dem Gebiete der Nerven¬ 
krankheiten einen Namen gemacht. 

— Professor Arnstein ist von dem Amte eines Decans 
der medicinischen Facnltät der Universität Kasan zurückge¬ 
treten; an seiner Stelle ist der dortige Professor Dr. Gay 
als Decan auf vier Jahre gewählt und bestätigt worden. 

— Ernannt: Der Privatdocent der Charkowschen Uni¬ 
versität, Dr. Bartenew — zum ausseretatmässigen ausser¬ 
ordentlichen Professor der Kinderheilkunde an der Univer¬ 
sität Tomsk und der Privatdocent der Moskauer Universität 
Dr. Krjukow — zum ausseretatmässigen ausserordentlichen 
Professor der Augenheilkunde an der Moskauer Universität, 

— Verstorben: l)Im Kirchdorfe Kamyschenskoje (Kreis 
Tjukalinsk im Gouv. Tobolsk) der Dorfarzt Nikolai Stolo w, 
31 J. alt, welcher in das genanrte Dorf zur Bekämpfung der 
Choleraepidemie abcominandirt worden war, an der Cholera. 
2) In Kisljar (Terekgebiet) der dortige Militärbezirksarzt 
Joseph Schaken. 3) Der jüngere Arzt des Akschinschen 
Militärhospitals des Transbaikalischen Kosakenheeres G. F. 
Utk in im 36. Lebensjahre. 4) Im Dorfe Kornilowa der 
Arzt IIja Ssaposhnikow, welcher sich erschossen hat. 
5) Am 1. October n. St. in Berlin der Nestor der dortigen 
Aerzte, Geh. Sanitätsrath Dr. Martin Steinthal im 94. 
Lebensjahre. Der Hingeschiedene war früher viele Jahre 
hindurch Vorsitzender der Hnfelandschen raed. Gesellschaft in 
Berlin. 6) In Kopenhagen der Leibarzt Prof. Dr. Eduard 
Ipsen im 48. Lebensjahre. 

— Prof. B i 11 r o t h, welcher in diesen Tagen sein 4Qj ä h - 
riges Doctorjubiläum und zugleich das 25jährige 
Jubiläum seiner Lehrthätigkeit an der Wiener Universität 
beging, ist in Anerkennung seines vieljäbrigen verdienstlichen 
Wirkens an dieser Universität vom Kaiser von Oesterreich 
das Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft ver¬ 
liehen worden. Die Wiener Universität veranstaltete am 
11. October n. St. eine gro»se Festfeier zu Ehren des 
Jubilars. 


— Prof. H. Kubnt in Jena ist an Prof. Hippels Stelle zum 
ord. ProfessorderAugenheilkunde an die Un i- 
versität Königsberg berufen worden. 

— Die Universität Königsberg hat mit dem Be- 
inn dieses Semesters eine psychiatrische Klinik be- 
omraen deren Leitung Prof. Meschede, Director des 

städtischen Krankenhauses, übertragen worden ist. 

— Der bekannte Chirurg W.- Mac e w e n ist zum Pro¬ 
fessor der Chirurgie an der UniversitätGlas- 
g o w ernannt worden. 

— Die Stadtverwaltung von K o s 1 o w (Gouv. Tambow) hat 
beschlossen, allen Aerzten, welche während der Choleraepiaemie 
in dieser Stadt thätig gewesen sind, eine Gratification 
ausznzahlen. 

— Das raediciniBche Personal des städtischen Kalinkin- 
Hospitals veranstaltete am 27. September zu Ehren Prof. 
W. M. Tarnowski’s in Anlass seines 3C(jährigen Jubiläums 
in dem Comptoir des Hospitals ein Festessen, an welchem 
auch zahlreiche Collegen des Jubilars, theilnahm. Dem Jubilar 
wurde von seinen Assistenten eine Adresse Überreicht. Die 
städtische Hospitalcommission hat beschlossen, in Anbetracht 
der Verdienste Prof. Tarnowski’s um das Kalinkinliospital, 
sein Bildiiiss im Empfangszimmer des Hospitals aufzuhängeu. 

— Am 27. September fand die Einweihung und Er¬ 
öffnung des neuerbauten Gebärasyls imHafen 
auf Wassili-Ostrow statt. Das neue Asyl besteht aas einem 
Steingebäude mit den Gebärziramern und zwei hölzernen 
Baracken mit je 4 Zimmern zur Unterbringung der Frauen 
in der Nachgeburtsperiode. Vor dem Hause ist ein Garten 
angelegt. Das medicmische Personal besteht ans dem Director 
Prof. Dr. K. F. Sslawjanski, dem Accoucheur Dr. W. 
Massen und 3 Hebammen. Es ist die Absicht vorhanden, 
bei diesem Gebärasyl auch Hebammencurse, sowie Vorlesungen 
für Aerzte und Studenten einzurichten. 

— In den ersten Tagen des November-Monats vollenden 
sich 10 Jahre seit der Creirung der Aerater der D u m a- 
und der Sanitätsärzte in St. Petersburg. Es wird ein 
Bericht über die Thätigkeit der Aerzte während dieses Decen- 
niums zusammengestellt. 

— In I n n 8 b r u c k ist vor Kurzem der seltene Fall vor¬ 
gekommen, dass ein eben zum Professor ernannter Privat¬ 
docent auf seine Professur verzichtet hat. Es hat nämlich 
der vor einigen Wochen zum ausserordentlichen Professor der 
Kinderheilkunde an der Innsbrucker Universität ernannte 
Wiener Docent Dr. Fol tanek seine Professur niederge¬ 
legt. weil seine Bemühungen, von der Unterrichts Verwaltung 
die Einrichtung einer wenn auch kleinen klinischen Abthei¬ 
lung oder auch nur eines Ambulatoriums für kranke Kinder 
zn erlangen, vergeblich waren, 

— Das neue Programm uud die Regeln für die Arzt - 
prüfungen bei der militär-medicinischen Akademie 
ist bereits von der zu diesem Zweck unter dem Vorsitz des 
Chefs der Akademie Dr. W. Paschütin niedergesetzten 
Commission ausgearbeitet worden. Das neue Programm ist 
ira Wesentlichen mit den bei den Universitäten bereits einge¬ 
führten Prüfungsprogrammen für die Staatsexamina vor den 
Regierungscommissionen in Einklang gebracht. Nach dem 
neuen Programm müssen alle diejenigen Studenten ihr Arzt¬ 
examen absolviren, welche nach der Einführung der neuen 
Statuten der Akademie in dieselben eingetreten sind. Die 
Prüfungen werden vor einer besonderen Commission abgelegt 
werden, welche alljährlich wechselt und deren Glieder vom 
Kriegsminister aus der Zahl der Professoren und Privat- 
docenten der Akademie oder auch anderer, ausserhalb des 
Lehrkörpers der Akademie stehenden Personen ernannt werden. 
Zn den Arztprüfungen nach dem neuen Programm werden 
auch Studenten, welche den vollen Cursus an einer Univer¬ 
sität absolvirt haben, sowie Personen mit Doetordinlomen einer 
ausländischen Universität zugelassen werden. Von 1895 an 
wird das Examen vor der Prüfungscommission für alle 
Studenten der inil.-med. Akademie obligatorisch werden. 

Die neuen Regeln für die Arztprüfungen werden in nächster 
Zeit im militär-medicinischen Journal veröffentlicht werden. 

— Professor Dr. Hneppe (Prag), welcher sich einige Zeit 
in Hamburg anfliielt, um seine Behandlungsmethode der 
Cholera im dortigen neuen Krankenhanse in Eppendorf zu 
versuchen, ist wieder abgereist, da er von seiner Methode 
nicht den erhofften Erfolg gehabt. Nach ihm ist Professor 
Dr. Klebs, welcher sich jetzt in Karlsruhe niedergelassen 
hat, in Hamburg eingetroffen und hat sogleich in demselben 
Krankenhause die Versuche der Cholera-Behandlung nach 
seiner Heilmethode begonnen. Klebs Methode hat, wie er 
selbst raittheilt, mit der R. Koch’s bei der Tuberculose nur 
das gemein, dass es sich um Bakterienproducte handelt. Es 
iBt aoer das Klebs’sche als <Anticholerin» bezeichnete 
Präparat eine Substanz, die erst durch chemische Massnahmen 
aus dem Rohproduct iaolirt ist, und zwar nach demselben 
Princip, wie die Darstellung des Tuberculocidia aus dem 


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Tq Wct üp, Was Öe damit erzielten Erfolge betrifft, 
so whanptet Prof. Klebs, dass alle Aerzte, die den 
Versuchen mit dem Anticholerin beiwohnten, zn ge standen 
haben, dasa die Substanz in gewissen schweren Fallen die 
Temperatnr des Organismus, die in dem Stadium algidum sehr 
bedeutend gesunken war (bis 34° C.) in kurzer Zeit auf die 
Norm zurückbriugt. Es soll dies durch eine directe Schädi¬ 
gung der Cholerabacillen geschehen. Sehr schwere Fälle, die 
dem Tode verfallen schienen, will Klebs schon am dritten 
Tage geheilt haben. 

Ausführliche Mittheilungen von Prof. Klebs nnd dem be¬ 
handelnden Arzte über diese Versuche werden in Aussicht 
gestellt. 

— In Wien hat sich an neuer medicinischer 
Verein unter dem Namen «W iener medicinischer 
Club» gebildet, der sich die Pflege der inneren Medicin zur 
Aufgabe gestellt hat. Die Sitzungsprotokolle desselben werden 
in der «Wiener med. Presse» veröffentlicht werden. 

— Der auf den 7. October d. J. anberaumte X. ö s t e r - 
reichischeAerztevereinstag in Wien ist mit 
Rücksicht auf die bestehende Choleragefahr aufgeBchoben 
worden. 

— Die Gesellschaft der Aerzte in Minsk wird 
das 25j ti h r i g e Jubiläum ihres Bestehens nachträglich 
am 7. November d. J. festlich begehen. 

— ln Deutschland gab es im vorigen Semester auf den 
dortigen zwanzig Universitäten 8838 Medicin- 
studirende. Die grösste Zahl der Mediciner hat 
München (1443), dann folgt Berlin mit 1185 Leipzig mit 834, 
Würzburg mit 743 Medicinstndirenden u. s. w. die kleinste 
Zahl hat Rostock (138), dann Giessen (172) und Göttingen (200). 

— Die hiesige medicinische Gesellschaft hielt am 
29. September unter dem Vorsitz des Leibmedicus Berthenson 
die erste Sitzung Hach den Sommerfellen ab, welche dem An¬ 
denken der im Kampfe gegen die Cholera und den 
Typhus erlegenen Aerzten und Studenten geweiht war 
Nach einer Seelenmesse für die ven der Seuche dahingerattten 
50 Aerzte, Studenten nnd anderen Personen des mediciuischen 
Personals, gedachte Dr. Berthenson in längerer Rede der 
durchlebten Cholerazeit, schilderte die oft unter schwierigen 
Verhältnissen mit grösster Selbstaufopferung Bich vollziehende 
Thätigkeit der russischen Aerzte, die sich bei ihren hochher¬ 
zigen Samariterdiensten nur von den Gefühlen der Humanität 
und selbstlosen Nächstenliebe leiten liessen, nnd forderte die 
Versammlung dann auf, das Andenken der verstorbenen Col- 
legen durch Erheben von den Sitzen zu ehren. Hieran schloss 
sich ein Vortrag des Dr. Puritz über die Resultate der 
Cholerabehandlung im hiesigen Roshdestwenski-Ba- 
rackenlazareth, über welche wir nächstens Mittheilung 
machen werden. 

— Die Choleraepidemie in Russland nimmt in erfreu¬ 
licher Weise immer mehr ab. Die grösste Zahl der Erkran¬ 
kungen und Todesfälle kommen noch immer im Gouv. Ssamara, 
Ssaratow, Stawropol, Tambow vor.Neu anfgetreten ist dieCholera 
in der letzten Woche im Gouv. Grodno. 

In St. Petersburg ist die Epidemie dem Erlöschen nahe: 
die Zahl der Erkrankungen an der Cholera schwankte in den 
letzten Tagen zwischen 11 und 15, die der Todesfälle zwischen 
2 und 5. Die städtische Sanitätscommission hat daher für mög¬ 
lich befunden, die öffentlich aiifgestellten Fässer mit gekochtem 
Trinkwasser fortzunehmen, die gemietheten Wagen znm Trans- 

£ ort der Cholerakranken abznlassen, die Nachtdqjonren der 
•esinfectoren bei den Polizeibtireans aafzuheben, die 5 extra 
angestellten Sanitätsärzte zu entlassen n. 8. w. Nach den 
ofüciellen Bulletins betrug die Gesammtzahl der Chole- 
raerkranknngen in St. Petersburg bis zum 1.October 
Mittags 3927, die der Genesenen 2697 und der Verstorbenen 
1174. Zum 1. October verblieben in (len hiesigen Hospi¬ 
tälern iiu Ganzen 103 Cholerakranke. 

In Riga ist die Cholera in mässigen Grenzen geblieben. 
Nach dem Cholerabulletin für den 27. Sept. betrug der Bestand 


der Kranken 8, es erkrankten neu 4 und' es starb I Person, 
so dass 11 Kranke in Behandlung verblieben. 

In Hamburg nimmt die Cholera andauernd ab, so dass 
man annehmen kann, dass sie dort bald erlöschen wird. In 
anderen deutschen Städten sind nur wenige vereinzelte Chole- 
raerkrankpngeu vorgekommen. In Paris nimmt die Cholera 
erheblich ab, dagegen werden aus Marseille einige Chole¬ 
raerkrankungen gemeldet. In Galizien, in Pest und in 
den Niederlanden hat die Seuche etwas an Ausdehnung 
gowonnen. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St. Petersburgs betrug am 20. September d. J. 5293 
(60 weniger als in der Vorwoche), darunter 246 Typhus — 
(1 mehr). 563 Syphilis — (21 mehr), 22 Scharlach — (2 we¬ 
niger). 9 Diphtherie — (4 mehr), 24 Masern — (2 mehr), 
6 Pocken — (2 weniger) und 101 Cholerakranke (101 weniger 
als in der Vorwoche). _ 

i 

Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 20. September bis 26. September 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 


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226 213 439 77 27 63 6 5 16 44 51 46 47 26 19 9 3 
2) nach den Todesursachen: 

-- Typh. exanth. 0, Typh, abd. 6, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, PockenO. Masern 3, Scharlach 5, 
Diphtherie l, Croup 2, Keuchhusten 5, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 20, Erysipelas 5, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 50, Ruhr 2, Epidemische Meningitis 1, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 0, Pyämie und Septicaemie 4, 
Tuberculose der Lungen 81, Tuberculose anderer Organe 8, 
Alkoholismus nnd Delirium tremens 1, Lebensschwäehe und 
Atrophia infantum 25, Marasmus senilis 17, Krankheiten des 
Verdaunngscanals 49, Todtgeborene,27. 

Nächste Sitzung des Vereins 8t Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 13. October. 

-*♦- Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins. Montag den 19. October. 


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Circnlations-Organe, bei Hals- nnd Nasen-Leiden, sowie bei 
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in Folge seiner durch experimentelle and klinische Beobach¬ 
tungen erwiesenen reducirenden, sedativen und antiparasitären 
Eigenschaften, anderntheils durch seine die Resorption beför¬ 
dernden and den Stoffwechsel steigernden Wirkungen. 

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floss. ne»».Cn6. SOmlpiimr. BeiattgtUr: Di.Rudoll V\ »nach. Bnrhditckerei von A.Wi*ntrke,KalharineDbofer-Pr.J»l5. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 



IMOIIMI WOCHENSCHRIFT 

unter der Redaetion von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Or. Rudolf Wanabh. 

St. Petersburg. 

Die «St. Petersburger MeHicinische Wochenschrift» erscheint jeden 09* Abonnements-Attftrige sowie alle Inserate 
Sonnabend.— Der Abonnementspreis ist in Russland® Rbl. für das bittet man ausschliesslich an die Buchhandlnng von Oarl Riolcer In 
Jalir, 4 Rbl. Tür das halbe Jahr |ncl. l'osUnstellnng; in den anderen St. Petersburg, Newaky-Prospect 14, zu richten — Xanusoripte 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich, Der Ineertionspreis sowie alle auTdie Redaetion bezüglichen Mitteilungen bittet man an 
für die 3 mal gespalteneZeile in I’etit ist 16 Kop. oder 35 Pfeuu.—Den den geschäftsführenden Redacteur Dr. Rudolf Wanaoh iu St. Pe- 
Autoren werden 25 Separatabziige ihrer Origiualartikel zugesandt.— j tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospekt J4 7, Qu. 6 zu richten. 
Referate werden nach dem Sntr;e von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. | Sprechstunden täglich von 1— 2 Uhr Nachm. 

Jfi 41 St. Petersburg, 10. (22). Üctober 1892 

Inhalt: A. v. Bergmann: Die chirurgische Behandlung der Perityphlitis. — E. Kiwull: Zur Behandlung gangraen- 
verdftchtiger Hernien. — Referate: W. N. Ssi rotin in: Einige Worte zur Frage über die Infectiosität der Cholera. — 
Th. Bosen heim: üeber die Magendonche. — P. Hampeln (Riga): Ueber einen Fall habitueller und paroxystischer Taohy- 
cardie mit dem Ausgange in Genesung. — Fr. Schauta: lieber innere Blutung bei Nephritis Gravidarum. A. Schaefer: 
l’eber die therapeutische Verwendung des Trionals und Tetronals. — Biicheranzeigen und Besprechungen: Emile 
Berger: Les maladies des yeux dans leurs rapports avec la pathologie generale. — Max Joseph (Berlin): Lehrbuch der 
Hautkrankheiten. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Berichtigung. — Vermischtes. — 
Vacanzeu. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — An dieRedüction eingesandte Bücher und Brochüren. — 
Anzeigen. 


Die chirurgische Behandlung der Perityphlitis. 

Vortrag, gehalten auf dem JV. inländischen Aerztetag in 
Wenden am 15. September 1892. 

Von 

Dr. A. v. Bergmann 
—-- in Riga. 

M. H.! Das Thema, über welches ich Ihnen zu referiren 
beabsichtige, ist ein in der heutigen Fachliteratur, auf 
Sitzungen und Congressen viel besprochenes. Handelt es 
sich doch darum eine Krankheitsgruppe dem chirurgischen 
Eingriff zuzo weisen, welche bisher ausschliesslich exspec- 
tativ behandelt wurde. Dem Messer soll überantwortet 
werden was bisher unter Eis, Opium und Priessnitz- 
schen Umschlägen sich zurückgebildet hat! Die Resultate 
dieser letzteren Behandlungsmethode sind im Grossen und 
Ganzen derart befriedigende gewesen, dass es verständlich i 
ist, wie die Opposition gegen die chirurgische Behand¬ 
lung der Perityphlitis noch gegenwärtig eine grosse; ver- 1 
stündlich ganz besonders, weil von einigen Chirurgen die 
Grenzen des Indicationsgebietes für den operativen Ein- j 
griff zu weit gesteokt werden. Der Kampf der Meinungen 
wird noch fortdauern, bis es gelungen sein wird, aus der 
unter dem Namen Typhlitis und Perityphlitis zusammen¬ 
gesetzten Krankheitsgruppe die Kennzeichen der Erkran¬ 
kung der einzelnen hierbei betroffenen Organe zu 
isoliren und sie zur allgemeinen Anerkennung zu bringen. 

Zunächst sind die typischen Fälle von Typhlitis 
herauszuheben. Jene Fälle, wo dem Beginn der Erkran¬ 
kung mit Obstipation, Erbrecheu, Fieber, die Ausbildung 
eines mehr oder weniger langen wurstförmigen Tumore 
folgt, der die Form des gefüllten Coecum resp. Colon 
ascendens wiedergiebt. 

Diese typischen Fälle der Typhlitis werden wohl nur 
in den allerseltensten Fällen eine chirurgische Behand¬ 
lung in Frage treten lassen, und zwar nur da, wo ent¬ 
weder durch allzulauge Kothstagnation oder auf dyskra- 
sischer Grundlage Ulcerationsprocesse der Schleimhaut 


Platz greifen und tiefergreifend zu einer Perforation 
der Darm wand selbst führen. 

Je langsamer sich dieser Process vorbereitet, desto 
deutlicher wird das um das Typhlon auftretende Exsudat: 
ein Tumor, dessen Merkmale Druckempfindlichkett, diffuse 
verschwommene Grenzen, and eventuell Oedem der da¬ 
vorliegend en Bauchdecken sind. Falsch ist ps auf Grund¬ 
lage dessen, dass die Typhlitis durch ein derartiges peri- 
typhlitisches Exsudat complicirt werden kann, die Be¬ 
zeichnung Typhi und Perityphl. promiscue zu gebrauchen 
oder dieselben als nur graduell von einander ver¬ 
schieden hinzustellen. In der ühergrossen Mehrzahl der 
Fälle hat das Typhlon selbst mit dem perityphlitischen 
Exsudat nichts za thun, sondern liegt letzterem eine 
Erkrankung des proc. vermiformis zu Grunde. 

Weir hat bei 100 Perityphlitissectionen 84 mal Pr. 
verin. — Perforation, 3 mal Pr. verm. — Entzündung ge¬ 
funden. 

Einhorn bei J00 Perityphl. Sect. 91 Erkrankungen 
des Proc. verm. 

Matterstock bei 14G Sect. Erwachsener 132 Erkran¬ 
kungen des proc. vermif., bei 49 Sect. von Kindern 37 Er¬ 
krankungen des proc. vermif. 

Auch Bainberger kommt bei einer sehr viel kleineren 
Zahlenreihe nahezu anf dasselbe Verhältnis heraus. 

Folgerichtig dürfte von perityphlitischem Exsudat nur 
in den seltenen Fällen die Rede sein, wo dasselbe in der 
That im Anschluss an eine Typhlitis aufgetreten. In 
allen übrigen Fällen müsste die Benennung dem ursäch¬ 
lich erkrankten Organ Rechnung tragen, wie dieses 
bereits auch von den Amerikanern geschieht. Damit 
soll jedoch nicht gesagt sein, dass die amerikanische Be¬ 
zeichnung « Appendicitis» an sich sehr glücklich gewählt sei. 

ßamberger berechnet den Heilerfolg bei exspectativer 
Behandlung der in Rede stehenden Erkrankungen auf 
7ö"/o. Gilt für diese Fälle auch, was uns die Seclions- 
protokolle über den Ausgangspunkt der Perityphlitis 
lehren? Die Erfahrungen der zahlreichen Operationen, 
welche bis heute wegen Perityphlitis gemacht worden, 
scheinen diese Frage in positivem Sinn zu bestätigen. 


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Bereits in einer verhältnissmässig geringen Anzahl von 
Sec^ionen kann man sich davon überzeugen, wie wechselnd 
Lflp^e, Dielte und Lage des Wurmfortsatzes sind, man 
fihfet ihn mit langem Mesenteriolura, nach links hinüber 
ge|igert, dann wieder dem Colon hart anliegend, nach 
oben hinaiügekhlftgen, kurz, es giebt die mannigfaltigsten 
Variationen, ohne dass im Leben irgend welche Be¬ 
schwerden dadurch verursacht worden wären. 

Eine grössere Dicke des Wurmfortsatzes beruht meist 
auf chronischen entzündlichen Vorgängen, welche zunächst 
wohl nur auf der Schleimhaut sich abspielen, dann aber 
die ganze Wandung ergreifend zu Verklebungen der 
Serosa mit dem Darm, parietalem Peritoneum oder den 
Organen des kleinen Beckens führen. 

Eine sog. perityphlitische Attaque wird in diesen 
Fällen nicht ausgelöst. 

Das einzige Symptom ist Schmerz, dumpfes lästiges 
Ziehen u. dgl. Sensationen, welchen irgend eine speei- 
fische Bedeutung keineswegs zukomrat. 

Im März a. c. operirte ich im Krankenhause eine 
kräftige, Frau von einigen dreissig Jahren wegen der¬ 
artiger Beschwerden, die durch einen ca. api'elgrossen 
Tumor ansgelöst wurden, der dem rechten Ovarium 
anliegend von demselben ausgegangen zu sein schien und 
zugleich eine auffallend feste Verbindung mit der Becken¬ 
wand eipgegaugen war. Die Operation ergab einen finger¬ 
dicken Wurmfortsatz, welcher mit dem r. Ovarium, mit 
Darmschlingen und mit dem Periton. parietale verklebt 
war. Die Adhäsionen Hessen sich zum Theil recht schwer 
lösen. An seiner Basis wurde dann der Wurmfortsatz 
durch ovalären Schnitt erstirpirt und die Darmwunde 
durch Lembertsche Nähte geschlossen. Pat. fühlt sich 
jetzt ein halbes Jahr nacli der Operation völlig wohl. 
Es liegt nahe, dass ein in seinen Wandungen verdickter 
Wurmfortsatz leicht durch einen eindringenden Fremd¬ 
körper obturirt werden kann. Es kommt zur Dilatation 
des oberhalb gelegenen Abschnittes durch die vermehrte 
Transsndation der geschwellten Schleimhaut. Die zuneh¬ 
mende Spannung ttthrt dann zur Ulceration an der Stelle 
wo der Fremdkörper eingekeilt, und endlich zur Perfo¬ 
ration nach aussen. Oder aber der Durchbruch erfolgt, 
nachdem als Folge des chronischen Katarrhs der Schleim¬ 
haut sich Strukturen im Lumen des Wurmfortsatzes 
gebildet haben, welche dann ihrerseits zur Stauung des 
Inhalts, Ulceration und Perforation führen. 

In diesen Fällen ist durch die der Perforation vor¬ 
hergehende Bildung von Adhäsionen eine relative Uuge- 
fährlichkeit des Durchbruchs selbst bedingt. 

Entweder findet man die Perforationsstelle durch Ad¬ 
häsionen gegen die Bauchhöhle ganz abgeschlossen, oder 
die Adhäsionen lassen es nur zur Bildung eines allseitig 
abgeschlossenen Abscesses kommen. Der geschilderte Be¬ 
fund bildet die Grundlage der sog. recidivirendenPerity¬ 
phlitis, bei welcher die Anfälle meist von kurzer Dauer 
sind, sich jedoch häufig folgen und sehr bakl keine ganz 
schmerzfreien Intervalle zwischen sich lassen. 

Ferner findet man intraperitoneale, abgekapselte Ab- 
scesse, welche den theil weise oder ganz nekrotisch abge- 
stossenen Wurmfortsatz—mit oder ohne Kothstein ent¬ 
halten. Hier sind trotz vorangegangener perityphliti- 
scher Attaquen die Wandungen des Wurmfortsatzes 
nicht verdickt. Dieses lässt die Schlussfolgerung zu, 
dass der entzündlichen Schwellung des proc. vermiformis 
wieder restitutio ad integrum folgen kann, indem spontan 
oder nach Perforation nach aussen, das Lumen des 
Fortsatzes nach dem Darm hin wieder wegsam wird, 
bis dann vielleicht nach Jahren wieder einmal Verlegung 
des Lumens durch entzündliche Schwellung oder einen 
Fremdkörper erfolgt und eine neue sog. perityphlitische 
Attaque ausgelöst wird. Und nun die Folgen der Per¬ 
foration? Den oben angefülirten Fällen, in welchen die 
Perforation ohne Folgen bleibt oder höchstens zu einem 


allseitig abgeschlossenen, fest abgekapselten Abscess führt, 
stehen jene gegenüber, wo der meist dünnwandige Wurm¬ 
fortsatz acut verschlossen wird und npn Perforation resp. 
Gangrän des jenseits des Verschlusses gelegenen Theils 
zum Austritt des gestauten Inhalts in die Bauchhöhle und 
zu allgemeiner Peritonitis führt. Zwischen diesen beiden 
Extremen stehen die Fälle von intraperitonealen Abscessen, 
wo Multlplicität derselben, verborgener, schwer zu er¬ 
kennender Sitz, oder aber zu schwacher Abschluss gegen 
die Peritonealhöhle den Ansgang auf die Spitze des Messers 
stellen. 

Der nicht geöffnete Abscess, sowie der unglücklich er- 
{jffnete d. h. mit gleichzeitiger Verletzung der ab¬ 
schliessenden Adhäsionen, können den Krankheits verlauf 
schwer compliciren. 

Am 25. Ootober a. p. operirte ich einen 26jährigen 
Arbeiter, der angeblich seit 6 Tagen krank, starke Drnck- 
empfindlichkeit. Vorwölbung, intensive Dämpfung und 
Fluctuation in der lleocöcalgegend zeigte. Eine 15 Ctm. 
lange Incision legte das verdickte Peritoneum frei, die 
Probepunction ergab Eiter und bei der nun folgenden 
Incision stürzte trübe, seröse Flüssigkeit vor, hinter der 
sich ein paar hyperämische Därmschlingen prösentirten. 
Bei behutsamem Anziehen derselben riss eine Adhäsion 
und etwa 200 Ccmt. dicken, äusserst stinkenden Eiters 
ergossen sich aus dem kleinen Becken. Wenngleich auch 
der grösste Theil des Eiters anfgefangen wurde, so er¬ 
goss sich dooii genügend in die Bauchhöhle, um eine in¬ 
tensive Peritonitis zu Stande, zu bringen, welcher der 
Kranke beinahe erlegen wäre. Die Punctionsnadel hatte 
den Abscess erreicht, während das Messer den peritonealen 
Erguss traf, welcher oberhalb der zarten den Elter zu¬ 
rückhaltenden Adhäsion sich angesammelt hatte. — 

Äm 21. Januar operirte ich einen özjährigen Mann, 
der seit vier Tagen an seinem 6. perityphlitischen An¬ 
fall litt. Den nach innen oben vom Darmbeinkamm 
prominirenden durch die Fluctuation deutlich erkennbaren 
Abscess eröffnete ich durch eine lange Incision und fand 
einen grossen, nekrotisch abgestossenen Theil des proc. 
vermiformis, sowie einen Kothstein in dem Abscess. Die 
allseitig abgeschlossene Höhle wurde tamponirt. Die 
nächsten Tage brachten Uebelkeit, Erbrechen, massigen 
Meteorisrans. 

Am 26. hatte das Erbrechen aufgehört. 

Am 28. stirbt Pat. plötzlich mitten in der Unter¬ 
haltung mit dem Assistenzarzt. Einige Stunden vorher 
hatte Pat. mit gutem Appetit zu Mittag gegessen und 
in den letzten Tagen war regelmässig reichlicher spon¬ 
taner Stuhl erfolgt, waren Winde abgegangen, kurz — 
es hatte sich völlig freie Passage des Darms wieder 
hergestellt. 

Die Section ergab als Todesursache hochgradige Dege¬ 
neration des Herzmuskels. In der Bauchhöhle findet sich 
ein Abscess an der Innenseite d«6 Coecum — der er¬ 
öffnete sass an dar Aussensette — nnd weiter unterhalb im 
kleinen Becken ein zweiter ca. lOOCctm. Eiter haltender 
Abscess, ausserdem zwischen verklebten Dann schlingen 
noch 8 oder 4 erbsen- bis bohnengrnsse Abscesschen. 

Wann waren diese Abscesse entstanden and welches 
war der Modus ihrer Entstehung? 

Entweder sind sie als Reste der frühem! Attaquen 
anzusehen oder sie sind als Aussaat zu deuten, welche 
der Wurmfortsatz durch eine Perforationsöffnung rerur- 
sacht hatte, ehe er abgekapselt wurde und der Gangrän 
verfiel. 

Wie von früheren sog. perityphlitischen Attaquen her 
sich isolirte Abscesse erhalten können, beweist ein anderer 
Fall deutlicher, der unoperirt im Krankenhause gestorben. 
Hier fand sich neben der diffusen Peritonitis, welche 
durch eine frische Perforation des proc. vermiformis ent- 
j standen war, ein ca. wall nussgrosser, dicken, gelben Eiter 
! enthaltender, abgekapselter Abscess in der radix mesen- 


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terii, (fassen Entstehung offenbar mit einer vor einigen 
Jahren durchgemachten perityphlitischen Attaqne zu¬ 
sammenhing. — Dieser selbe Fall illustrirt ferner, wie der 
geschwollene proc. vermiformis eine Com pression des 
Ileum zu Stande bringen kann, wodurch localer Meteo- 
rismns der nächst höher gelegenen Darmpartie entsteht. 
Man hatte hier einige Stunden hindurch am 3. Tage der 
Erkrankung den Eindruck, als handele es sich um Vol- 
vulus, so deutlich liess sich eine geblähte Darmschlinge 
palpiren. 

Soweit die intraperitonealen Erscheinungen, welche die 
Eutzündung des Wurmfortsatzes zur Folge hat. Die 
extraperitonealen Erscheinungen bestehen in progre¬ 
dienter Phlegmone oder abgegrenztem Abscess, welche in 
der Fossa iliaca ihren Sitz haben. Meist findet man den 

k verbindenden Gang, welcher zum intraperitonealen ursäch¬ 

lichen Eiterherd führt — die Cömmunication zwischen 
para — uiid perityphlitischem Absces6. 

Durch die Lyraphbahnen findet ferner Verschleppung 
des Eiters in die radix. mesenterii statt, es kommt da 
zu Abscessen in derselben, zu Infection und Vereiterung 
der Mesenterialdrüsen. 

Ferner kann der Transport von Eiter durch die 
Mesenteriaivenen stattfinden, wie solehos ein Sections- 
protokoll des Rig. Krankenhauses zeigt. In diesem Fall 
waren die Mesenteriaivenen vielfach mit missfarbigem 
grauen Eiter gefüllt bei normaler glatter Intima. Die 
kolossal vergrös8erte Leber war von zahlreichen apfel- 
kern- bis Rnsengrossen Abscessen durchsetzt, welche in 
Grnppen von Hühnerei- bis Gänseeigrösse zusammeu- 
stamlen. 

Endlich wären die perihepatischen Abscesse zu erwähnen. 

Welche Directive soll man angesichts des Angeführten 
fftr die Behandlung aufstellen? 

Zunächst werden alle Fälle von Typhlitis stercoralis 
zu guter Prognose bei der bisher üblichen Therapie be¬ 
rechtigen. 

I Angesichts der Thatsache, dass aber auch ein erkleck¬ 

licher Procentsatz derjenigen Fälle, welche keine typi¬ 
sche Typhlitis stercoralis sind, genesen und jahrelang 
recidivfrei bleiben können, ist überall die nicht operative 
Behandlungsmethode zn üben, wo kein Eiter nachweisbar 
ist. oder dringend gemuthmaasst wird. Ein wichtiges Hilfs¬ 
mittel zur Diagnose giebt hier das Chloroform. Der schein¬ 
bare Tumor, der einen Abscess bei Palpation durch die 
gespannten Banchdecken vortäuscht, schwindet in der 
Narkose vollständig und wie bereits vielfach von autori¬ 
tativer Seite hervorgehoben, macht es die Narkose über¬ 
flüssig, den Weg einzuschlagen, welchen Sonnenburg für 
die Behandlung der Perityphlitis vorgeschlagen — die 
Incision bis auf das Peritoneum und secundär die Er¬ 
öffnung des Abscesses, wenn ein solcher zu Tage tritt. 
Zweimal habe ich mich bewogen gesehen zu incidiren, 
obgleich die Untersuchung in Narkose den Tumor nicht 
finden liess, den ich ohne Narkose so deutlich zu fühlen 
geglaubt. Beidemal hat die Incision bis auf das Peri¬ 
toneum mich belehrt, dass mein erster Untersnchnngs- 
befund eine Täuschung gewesen. In der Narkose hat 
man auf das Genaueste die ganze Bauchhöhle nach Ab¬ 
scessen abzntasten nicht bloss in der Ueocöcalgegend oder 
deren nächster Umgebung. Ein beliebter Sitz ist das 
kleine Becken, hier ist der Abscess nur durch sorgfältige 
Rectahmtersuchnng, und zwar die eombinirte, zu finden. 
Ferner scheint die Milzgegend relativ häufig Sitz der¬ 
artiger seenndärer Abscesse zu sein. Ist der Abscess con- 
statirt, so fordert er aöch ungesäumt die Eröffnung. 

Es könnte anffallen, dass bei der grossen Anzahl er- 
öffneter Abscesse, so verhältnissmässig selten der Wurm¬ 
fortsatz in denselben gefunden wird. Einer der vorhin 
angeführten Fälle illustrirt, wie solches möglich. In jenem 
Fall war ich znfällig in den Abscess mit dem proc. ver¬ 
miformis ge können und die anderen blieben uneröffnet, 


meistens findet das Umgekehrte statt. Natürlich kann 
man wegen sog. Perityphlitis operirte Patienten nicht für 
definitiv geheilt ansehen, so lange die cansa mort>i, der 
Wurmfortsatz, nicht entfernt worden ist. Gelingt es im 
weiteren Verlauf dieser Fälle den Tumor nachzuweisen, 
oder leitet bei anhaltend wiederkehrenden perityphllti- 
schen Attaquen auch blos eine gewisse Resistenz und 
Drnckempfindlichkeit auf den proc. vermiformis, so ist lll 
der anfallsfreien Zeit dem Kranken der Verschlag der 
Operation zu machen. Die Erfolge Senn’s, Kümmell’s 
und Anderer berechtigen nicht nur, sondern verpflichten 
auch dazu, da bei zurückgebliebenem Wurmfortsatz die 
Möglichkeit stets vorhanden, dass eine neue Attaque 
Perforation nach der Bauchhöle und todbringende Peri¬ 
tonitis zur Folge haben kann. 

Öb man bei der allgemeinen Peritonitis operiren soll, 
ist eine Frage, zu der Jeder für sich Stellung zu nehmen 
hat. Die Chancen sind so wenig günstige, dass Keinen^ 
ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er die Operation 
ablehnt. 

Ist die Perforation frisch, der Kräftezustand ein leid¬ 
licher, so könnte die Operation immerhin gewagt werden, 
da von allen operirten Peritonitiden diejenige bei Wurm¬ 
fortsatzperforation die am wenigsten schlechten Aussichten 
giebt, vielleicht hilft dazu die Teüdenz des Peritoneütli 
durch Adhäsionen dem Vordrängen des EiteTS eine Grenze 
zu setzen, welche Tendenz es bei den irt Rede stehenden 
Processen in ganz besonderem Masse ftuszudben scheint. 

Zum Schluss erlaube ich mir folgende Sätze bervor- 
zuheben: 

1. Die Begriffe Typhlitis und Perityphlitis sind schärfer 
auseinanderzuhalten als bisher. 

2. Die Bezeichnung «Perityphlitis» käme am Besten 
ganz in Wegfall. 

8. Die unter dieser Diagnose ohne Operation zur Hei¬ 
lung kommenden Fälle sind theils den Typhlitiden zuza- 
rechnen, theils betreffen sie acute Schübe chrou. Entzün¬ 
dung des Wurmfortsatzes, welche ohne Perforation ver¬ 
laufen. 

4. In jedem Fall, welcher keine typische Typhlitis dar- 
stellt, ist die Chloroformnarkose zur Vervollständigung 
der Untersuchung anzuwenden. 

ö. Der möglichst frühzeitigen Diagnose des Abcesses 
hat sofortiger operativer Eingriff zu folgen. 

6. Bei intraperitonealem Abscess ist stets an sein 
multiples Vorkommen zu denken, bei extraperitonealem 
daran, dass gewöhnlich ein Zusammenhang mit einem 
intraperitonealen Abscess vorhanden ist. 

7. Die radicale Entfernung des Wurmfortsatzes hat 
nur in den freien Intervallen zu geschehen. 


Zur Behandlung gffngraenverdächtiger Hernien. 

Vortrag, gehalten anf dem IV. livländi&chea Aerstet&g am 
15. September 1892. 

Von 

Dr. med. E. Kiwull, 
ätadtstrat zu Wenden. 


Bei der eminent praktischen Bedeutung der Therapie 
der Hernien erscheint es berechtigt auch an dieser Steile 
auf einige zur Zeit noch strittige Punkte in dieser Frage 
einzugehen und dieselben einer Besprechung zu unter¬ 
werfen. Ich meine im speciellen die Behandlung gan- 
graenVerdäclitiger Darmbrüche. Trotzdem die klinische 
Beobachtung schon seit lange gezeigt hatte, dass man 
eine Darm schlinge — wenn män nur genügend anti- 
resp. aseptisch verfuhr, längere Zeit extraperitoneal be¬ 
lassen konnte, ohne dass daraus dem Träger besondere 
Gefahren erwuchsen, ist' dieses Princip bei der Theräpfa 


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der Hernien bisher noch wenig berücksichtigt worden. 
Erst die letzten Jahre haben uns einzelne spärliche Beo¬ 
bachtungen gebracht, wo man bei Verdacht auf Gangraen 
dje Schlinge nicht in die Bauchhöhle reponirte, auch nicht 
resecirte, sondern dieselbe ausserhalb der Bauchhöhle sorg¬ 
fältig aseptisch beliess, uud sie erst dann reponirte, als 
sie sich erholt hatte. 

Dass man bei einer Herniotomie einen wenig injicirten 
und spiegelnden Darm, der auch am einschnürenden Ring 
keine auffälligen pathol.-anat. Veränderungen darbietet, 
sofort nach Lösung der Einklemmung in die Bauchhöhle 
reponirt, erscheint jedem selbstverständlich. Darüber aber, 
wie man bei einem gangraen verdächtigen Darm vorgehep 
solle, gehen die Ansichten noch sehr auseinander. — 
Mögen die gebräuchlichen Lehrbücher noch so subtile 
Untersuchungsmittel angeben, wann maa den Darm repo- 
niren dürfe, wann nicht — in der Praxis steht man 
häufig genug rathlos da. Trotzdem man auf Glanz, Be¬ 
lag, Geruch, Farbe der Schlinge und des Bruchwassers 
geachtet und scheinbar alle Regeln befolgt hat. wird man 
nach Reposition häufig genug schliesslich von einer sep¬ 
tischen Peritonitis überrascht. Natürlich wird eine grosse 
Erfahrung viele solcher Fälle wohl vermeiden können — 
aber wonach soll sich eben Der richten, dem diese grosse 
Erfahrung nicht zu Gebote steht? Dabei beträgt die 
Mortalität nach Herniotomien in der antiseptischen Zeit 
36,6 pCt. (B. Schmidt). Unter den verschiedenen Ur¬ 
sachen dieser Mortalität bleibt doch immer eine der be¬ 
deutendsten und wichtigsten die, dass nach Reposition 
doch schliesslich Gangraen und Perforation der Schlinge 
eintrat und dadurch eine septische Peritonitis veranlasst 
wurde. Nächstdem führt die pathologische Anatomie als 
Todesursache Perforation auf, die nicht in der incarce- 
rirten Schlinge, sondern oberhalb derselben .eintrat, be¬ 
dingt durch die faulige Zersetzung des stagnirenden 
Darminhalts und dessen Einwirkung auf die Darmwand. 
Ferner folgen Sepsis durch Ptomainresorption, septische 
lobuläre Pneumonieen, endlich die vagen Todesfälle ohne 
anatomisches Substrat, Shok etc. 

Für unsere heutige Betrachtung hat im Wesentlichen 
nur die perforative Peritonitis Bedeutuug, die von der 
incarcerirten Schlinge ihren Ausgang nahm — da bei 
der oben erwähnten «extraperitonealen» Behandlung 
suspecter Schlingen derlei Todesfälle wohl ziemlich sicher 
vermieden werden können. 

Was die gebräuchliche Therapie gangraen verdächtiger 
Hernien angeht, so wäre zunächst die Reposition zu 
erwähnen. Bei dieser ist es zum mindesten nicht zu ver¬ 
antworten, wenn gleich an die Reposition die Radical- 
operation geschlossen wird. Mehr Vertrauen verdient da 
noch der Vorschlag von Hahn, die Schlinge zu reponiren, 
nachdem man sie in ein Stück Jodoformgaze eingehüllt 
— aber auch dabei kann es bei Perforation der Schlinge 
zu Peritonitis kommen. — Auch die mehrfach gemachte 
Empfehlung, die verdächtige Schlinge zu reponiren und 
den Bruchsack durch einen Gazetampon oder Drain offen 
zu halten — mag in vielen Fällen genügen. Man ver¬ 
lässt sich nur eben darauf, dass der Darm, in seiner 
Peristaltik gelähmt, an der Bruchpforte liegen bleibt. Ob 
das aber unter allen Umständen zutreffend ist, ist noch 
bisher definitiv nicht festgestellt 

Die Anlegung eines anus präternaturalis käme bei 
blossem Verdacht auf Gangraen wohl kaum in Frage. 
Bei manifester Gangraen beträgt dabei die Mortalität nach 
Riegel und Kocher 80 pCt. 

Was die primäre Darmresection und Naht bei 
gangraen verdächtigen Schlingen ängeht, so haben sich die 
Resultate, die früher so abschreckende waren, jetzt wesent¬ 
lich gebessert. Trotzdem ergiebt eine Zusammenstellung 
von 155 Fällen von Darmresection und Naht aus den 
Publicationen aller Länder (D. Zeitschrift für Chirurgie 
Bd. XXXII W. Sachs), eine Mortalität von 37,5 pCt. 


Jetzt frage ich, sind wir berechtigt, bei eiuer Morta¬ 
lität von 37,r» pCt. auch gangraenverdächtige Fälle so¬ 
fort primär zu reseciren und zu nähen, wo die Möglich¬ 
keit vorliegt, dass bei oxpectativem Verhalten sich die 
Schlinge erholt und nach wenigen Tagen unbeschadet 
reponiren lässt. Ich glaube kaum, sobald der klinische 
Nachweis geliefert ist, dass man gangraenverdächtige 
Schlingen in dieser Weise mit Erfolg behandelt hat. Und 
dieser Nachweis kann geliefert werdeu. Uns liegen 
mehrere gut beobachtete Krankengeschichten vor. R.Graefe 
(D. Zeitschrift für Chirurgie, Bd. XXXIV) reponirte eine 

3 Tage lang eingeklemmt gewesene gangraenverdächtige 
Schlinge nicht, sondern lixirte sie durch Nähte vor der 
Bauch wund. Die Schlinge erholte sich und wurde nach 
fünf Tagen secundär versenkt. Genesung —Einen weitern 
Fall giebt uns Rovsing (Centralblatt f. Chirurgie 1 92. 
Nr. 28). Eine 3 Tage incarcerirte, sehr suspecte Schlinge 
wird mittels Suturen an der Bauchwand fixirt. Nach 

4 Tagen Reposition, da sich die Schlinge erholt hatte. 
Ausgang in Genesung. — Ausserdem bin ich in der Lage 
über einen derartigen Fall zu referireu, den ich im 
Krankenhause zu Riga operirt habe und den ich mit 
gütiger Erlaubnis des Ordinators der chirurgischen Ab¬ 
teilung daselbst Dr. A. Bergmann jetzt veröffentliche. 

5. H.. 20 a. n., wird am 27. September 1890 im Rigaschen 
Krankenhanse anfgenommen. (Journal Nr. 3088). Anamnese: 
Seit einem Jahr an einem rechtseitigen Leistenbruch leidend, 
der sich bisher immer gut reponiren liess- Am 24. September 
Mittags Bruch wieder hervorgetreten und uiclit mehr zu re- 

oniren gewesen. Sehr bald nachher Erbrechen, starke 
chmerzen im Leibe. Seit dieser Zeit kein Stuhl, keine Winde. 

Siatns präsens: Graciles Individuum, schwache Muscu- 
latur, massiger panniculns adiposus. liechte Scrotalhklft.a bis 
zu Faustgrösse ausgedehnt. Geschwulst verläuft in der Rich¬ 
tung zum Leistencanal hin. Percussiansschall Uber dem Tumor 
gedämpft. Am tiefsten Punkt des Scrotnras rechts der Hode 
palpabel. Leib nicht aufgetrieben. Unterer Leberrami am 
Rippenbogen. — Innere Organe ergeben normalen Befund. — 

27. September, 4 h. p. m. Herniotomie. Nach Ei Öffnung-des 
Brnchsackes entleert sich eine bräunlich verfärbte übel¬ 
riechende Flüssigkeit. In der Flüssigkeit geronnene gelatinöse 
Massen. Im Bruchsack findet sich eine üünudarmschliuge und 
Netz. Darmschlinge braunroth, wenig spiegelnd. Nach 
Spaltung des einschnürenden Ringes dureli die ganze Dicke 
der Bauchdecken überzeugt man sich, dass am Darm eine 
deutlich gelblich verfärbte Sclmürfurche vorhanden ist. Es 
wird daher von einer Reposition abgesehen und der Darm in 
Gaze eingehüllt ausserhalb der Bauchhöhle gelassen. Bruch¬ 
sack durch einzelne Suturen an die äussere Haut fixirt. 

28. September. In der Nacht mehrfach Winde abgegaugen. 
kein Erbrechen. Leib etwas aufgetriebeu. Beim Verbandwechsel 
findet man die vorliegende Darmschlinge gebläht, durch 
Adhäsionen mit dem Gazestück verklebt, doch lassen sich die 
Adhäsionen leicht lösen. An Stelle der gelblich verfärbten 
Sclmürfurche jetzt eine gut granulirende Wunde sichtbar. 
Darm selbst hellroth, spiegelnd. - Darmschlinge wird in 
die Bauchhöhle reponirt. Bruchpforte durch Jodoformgaze¬ 
tampon geschlossen. 

29. September. V. W. Bruchpforte sehr eug geworden. 
Schlinge nicht mehr sichtbar. Stuhl nach Klysma. 

2. October. Täglich Stuhl nach Klysma. 

3. October. Stuhl spontan. Bruchpforte hat sich vollständig 
geschlossen. Gute Granulation. 

6. October. Täglich spontaner Stuhl. 

5. November. Bis auf eine kleine granulirende Partie alles 
benarbt. Genesen entlassen. 

In allen diesen Fällen gelang es also leicht die incar- 
cerirt gewesenen, gangraenverdächtigenDannschlingeu zu 
reponiren, nachdem sie 5 resp. 4 resp. 1 Tag vor der 
Bauchwand fixirt gelegen und sich erholt hatten. Mag 
uns von gegnerischer Seite auch der Vorwurf gemacht 
werden, dass diese Fälle alle wohl auch nach primärer 
Reposition in die Bauchhöhle gut abgelaufen wären — 
wir haben das Bewusstsein, nicht hazardirt zu haben Ob 
diese Fälle bei primärer Resection ebenso gut abgelaufen 
wären, erscheint nach den statistischen Belegen wohl 
etwas zweifelhaft. Damit will ich keineswegs die 
Resection verdammen —- nein, ich verlange nur, dass 
man nicht bei blossem Verdacht auf Gangraen schon 


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resecirt. — Man lasse die gangraenverdächlige Schlinge 
nach Losung der Einklemmung und Vorziehen der Schlinge 
bis über die Schnürfurche, durch einige Suturen fixirt 
vor der Bauchwand liegen, und resecire erst, sobald die 
Gangraen manifest wird. 


Referate. 

W. N. Ssi rot inin: Einige Worte zur Frage über die 
Infectiosität der Cholera. (Bolnitsehnaja Gazeta Bot- 
kiua 1892 Nr 37) (russisch). 

In der Nr. 38 der Wochenschrift brachten wir das Referat 
über den vor Kurzem erschienenen Artikel Eris man n’s zur 
Cholerafrage, in welchem derselbe die geringe Morbiditäts¬ 
ziffer der Aerzte durch die Cholera dadurch zu erklären suchte, 
dass er gleich Pettenkofev annahm die Choleradqjectionen ent¬ 
hielten das Krankheitsgift nicht in bereits wirksamer Form, 
sondern dasselbe müsse sich erst in einem geeigneten Erdboden 
weiterentwickeln. 

Es war somit angesichts der Epidemie die Frage über die 
Entstehung der Cholera im weiteren Sinne von Neuem ange¬ 
regt worden und sie hat auch schon, wie zu erwarten war, 
weitere Meinungsverschiedenheiten gezeitigt. Der loealistisehen 
Lehre E ri s m a n n’s tritt S s i r o ti n i n in mehr contagionistischer 
Beweisführung gegenüber. Er betont vor Allem. 1) dass ein 
Vergleich der Cholera mit dem Flecktyphus schon deshalb 
unmöglich sei, weil das Contagium des letzteren zu den flüch¬ 
tigen gehört uud in Folge seiner Tenacität wahrscheinlich 
längere Zeit in trockenem Zustande an den Gegenständendes 
Kranken und des Hospitals haftend wirksam bleiben kann; 
und 9) dass das Contagium des T. exanthemat. an den Aus¬ 
scheidungen des Kr inken haftet und zwar in einer für unsere 
Sinnesorgane bisher nicht wahrnehmbaren Form (z. B. Epi¬ 
dennis); dass also eine persönliche Prophylaxis viel schwerer 
durchzuführen sei gegen den unsicheren Feind und dass ihm 
daher am frühesten und am meisten diejenigen erliegen, welche 
durch ihren Beruf genöthigt sind am längsten in der Um¬ 
gebung des Kranken zu weilen, besonders noch wenn dieser 
sich in ungünstigen hygienischen Verhältnissen befindet, wie 
z. B. im Kriege. — lu dem hiesigen Alexander-Baracken- 
Hospital z. A. Botkin’s seien in 10 Jahren 1000 Fälle von 
Flecktyphus behandelt worden und in diesem Zeitraum seien 
erkrankt am Flecktyphus nur ein Arzt, 6 Schwestern und 
Feldscherinnen, 13 Wärterinnen und 4 Diener, obgleich ein 
Wechsel des meist ans jüngeren Personen bestehenden Per¬ 
sonals häufig genug stattgefunden hatte. Das ergiebt also 
ganz andere Zahlen,als die von Erismann ans Kriegszeiten. 
Der Krankheitserreger des Flecktyphus wird woiil die Fähig¬ 
keit haben auf verschieden^ Weise in unseren Orgarismus zu 
gelangen, bei dem nicht flüchtigen Contagium der Cholera 
liegen aber dieVerhältnisse anders. Ist die Annahme E r i s m a n n’s, 
dass der Kranke das Choleragift in noch unwirksamer Form 
ausscheide richtig, daun ist ja wohl die Cholera nicht contagiös 
und das relativ seltene Erkranken des ärztlichen Personals 
erklärt. Aber hier kämen noch andere Momente in Betracht: 
1) Ein Keim könne hochgradig infectiös sein, ohne dass die 
Bedingungen für seine Uebertragung günstige sind (wie z. B. 
bei der Syphilis). 2) Der Keim könne unter ungünstigen Be¬ 
dingungen ausserhalb des Körpers rasch zu Grunde gehen. 
3) Der Keim kann endlich, wie bei der Cholera, in den Ex- 
creten in sehr beschränkter Quantität vorhanden sein, und zwar 
in denjenigen Excreten, mit welchen in Berührung zu kommen 
jeder Mensch instinctiv vermeidet. Wenn also diese letztere 
Bedingung mit der getingen Dauerhaftigkeit des Krankheits¬ 
erregers zusammenfällt, so könne es nicht Wunder nehmen, 
dass das auf Reinlichkeit dressirte Wai tepersonal der Cholera¬ 
kranken seltener erkrankt, als die bisherige häusliche Um¬ 
gebung des Kranken. Heutzutage, wo das Experiment ent¬ 
scheidet, sei es nicht gestattet, bei Abwesenheit positiver 
Kenntnisse über die Art der Ausbreitung der Cholera durch 
indirecte Beweise Schlussfolgerungen zu zieheu. Wenn aber E. 
behauptet der Cholerakeim befände sich in den Ausleerungen 
des Kranken in unreifem Zustande, so heisst das doch, man 
könne ihn in beliebiger Quantität ungestraft per os einfiikren 
und wenn E. den Cholerakranken als solchen nicht fürchtet, 
so wendet ihm Ss. dagegen ein, dass wir ohne den einzelnen 
Cholerakrauken in Europa ja keinen Choleraort oder wenigstens 
keinen grösseren Erkrankungsherd besässen. — Verf. kommt 
zum Schluss, dass er sich in Bezug auf die Cholera nicht auf 
den Standpunkt der Contagionisten stellt, wohl aber den 
Kommabacillus bestellen lässt, es sei jedoch per analogiam 
geschlossen fast unmöglich anzunehraeu, dass der von Klassi¬ 
scher Cholera betroffene Organismus nicht auch den bereits 
seinerseits wirksamen Krankheitserreger producire. 

Kallmeyer. 


Th. Rosenheiin : Ueber die Magendouche (Therap. 

Monatshefte. Nr. 8. 1892). 

Die Magensonde lässt sich nicht nur zur Entleerung des 
Magens und zur Ausspülung, sondern auch zur sog. Beriese¬ 
lung des Organs verwenden, die entweder unmittelbar an die 
Reinigung angeschlossen, oder als selbstständige Procedur am 
leeren Magen geübt werdeu kann, um auf die Schleimhaut 
eine anregende oder beruhigende Wirkung auszuüben. Diese 
Methode der Magendouche wurde zuerst auf der Kussraaul’- 
schen Klinik von Malbranü erprobt. Dieser bediente sich 
zur Bekämpfung schwerer, hartnäckiger Magenkrämpfe der 
inneren Douche von warmem, kohlensäurehaltigem Wasser 
(gewöhnlichem Sodawasser ven 38° C.) unter starke n Druck : 
das Wasser, die Wärme und die Kohlensäure erzielten offen¬ 
bar den günstigen Erfolg. Verf. hat nun eine grosse Zahl 
von Magenkranken der Behandlung mit der Douche unter¬ 
worfen, indem er warme3 Wasser, Kochsalzlösung, kohlen¬ 
säurehaltiges Wasser und Chloroformwasser zur Berieselung 
verwandte. Er gebrauchte zu diesem Zwecke einen Schlauch, 
der zahlreiche, kleine Oeffnungen enthielt (1—2 Mm. Durch¬ 
messer) und in der Kuppe ein Loch von 3—4 Mm. Das unter 
starkem Druck ausfliesseude Wasser tritt in feinen Strahlen 
foutaineartig ans den kleinen Löchern heraus und berieselt 
alle Theile des Organs; die grosse Oeffnung in der Kuppe ge¬ 
stattet ein schnelles Abfliessen des Wassers. Die Procedur 
wurde gewöhnlich des Morgens auf nüchternen Magen vor- 

f enommen und hat sich als beruhigendes nnd milde anregen- 
es Mittel bewährt. Bei nervöser Dyspepsie, ferner bei mittel¬ 
schweren Katarrheu wurde oft 3chon innerhalb einer Woche 
ausserordentliche Besserung erzielt. Wo eine Anregung der 
Saftsecretion wünschenwerth erschien, wurde 1 Theelöffel 
Kochsalz auf 1 Liter Wasser zur Berieselung angewandt. In 
Fällen schwerer Reizznstände — Hyperaesthesie. vomitus 
nervosus, besonders Gastralgie — wurden Douclien mit Zu¬ 
satz von Kohlensäure, Höllenstein (1:1000) oder Chloroform 
versucht; in einigen Fällen war ein eclatanter Effect zu cou- 
statireo, in anderen blieb ein solcher vollständig aus. Das 
Chloroformwasser (50—60 Gr. Chloroform in 1 Liter Wasser 
geschüttelt) schien bei schweren Cardialgieu gute Dienste zu 
leisten. Die Berieselungen mit Höllensteinlösung bewährten 
sich hervorragend bei den durch Superacidität erzeugten Be¬ 
schwerden; dabei wird die Magenschleimhaut in keiner Weise 
geschädigt. Die Indication für die Anwendung des Irriga- 
tiousVerfahrens stellt Verf. auf Grund der angeführten 
Kraukengeschioliten in folgender Weise: «Die Douche kann 
erfolgreich bei Individuen mit Dyspepsie nervöser Natur ver¬ 
wandt werden mit uud ohne allgemeine tieuraslhenische Be¬ 
schwerden, ferner auch bei solchen mit chronischem Mageu- 
katarrh mässigen Grades mit und ohne Herabsetzung de- 
motoriseken Function, endlich bei schweren Reizzuständen der 
sensiblen secretorischeu Apparates des Magens, Gastralgien, 
Magensaftfluss; sie erweist ihren günstigen Einfluss als ans 
regendes uud beruhigendes Mittel selbst in sehr hartuäckigeu 
Fällen. Abel mann. 

P. Ilampelu (Riga): Ueber einen Fall habitueller 
und paroxystischor Tachycardie mit dem Ausgange in 
Genesung. (Deutsche raedic. Wochenschr. Nr. 35). 

Verf. beschreibt einen Fall von Tachycardie. die 15 Jahre 
lang bestand und schliesslich den Ausgang in Genesung nahm: 
von Interesse ist hier namentlich der Zusammenhang zwischen 
Herzerkranknng und Tachycardie. Da der Fall in dieser Be¬ 
ziehung lehrreich ist, wollen wir hier die Krankengeschichte 
in Kurzem wiedergeben; 

Herr M. 47 Jahre alt, vor 15 Jahren acuter Gelenkrheu¬ 
matismus, complicirt sich in der 3. Krankheitswoche mit 
Pericarditis. In der Reconvalescenz tritt eine auffallende Be¬ 
schleunigung des Pulses auf. 140—160: dabei aber fortschrei¬ 
tende Erholung. Wiederherstellung dei normalen Verhält¬ 
nisse am Herzen. Bald nach der Erkrankung gesellten sich 
zu der habituellen Tachycardie Anfälle von Herzklopfen iu 
zwei verschiedenen Typen 1) im Typus der nervösen Herz- 
palpitationen, 2) im Typus des Tachycardieparoxysmns. Erstere 
traten tätlich mehrmals auf und zwar in Abhängigkeit von 
geringfügigen Ursachen; letztere Paroxysmen treten ohne er¬ 
kennbare Veranlassung auf, halten längere Zeit an (von V* 
bis 8sfündiger Dauer) und sindäusserst quälend. Sie beginneu 
mit kurzwäbrender Verminderung der Pulsfrequenz unter 
Beklemmungsgefühleu, darauf steigt die Pulszahl auf 240 
bis 280 in der Minute: lebhafte Angst, Schweiss auf der 
Stirne, zuweilen Brechneigung. Respiration ungestört, nach 
dem Anfalle sinkt, wiederum plötzlich, die Pulsfrequenz von 
240—280 auf 90, Gefühl von Befreiung und Erlösung. Die 
quälenden Anfälle wiederholten sich in jedem Jahre, besonders 
oft seit 1886—87, es trat hypochondrische Stimmung ein. Im 
Sommer 1890 Aufenthalt in einer Anstalt für Nervenkranke, 
darauf Besserung des psychischen Verhaltens, im Uebrigen aber 
Status idem bis April 1891. Am 8. dieses Monats stellte sich 


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um 3 Uhr Nachmittags ein ca. 15 Minuten währendes Herz¬ 
klopfen ein, welches in einen höchst unregelmässigen, stocken¬ 
den. nicht zu zählenden Herzschlag überging, von diesem 
Moment ab hatte Patient kein Herzklopfen mehr gehabt, 
fühlte nur Athemnoth, Beklemmung und starke Schwäche. 
Dieser Znstand dauerte bis zum 16. April, Morgens 6'/» Uhr. 
In dieser Nacht hatte, nach Angaben des Kranken, das Herz 
stürmisch und unregelmässig geschlagen, er schlief daun um 
5 Uhr ein, und, als er um 6’/* Uhr erwachte, fühlte er sich 
völlig geheilt. Der Puls war regelmässig und kräftig ge¬ 
worden, 88 pro Minute. Dabei ist es bis jetzt geblieben; alle 
Beschwerden sind spurlos verschwunden. 

Verf. sieht den Fall nicht als Herznenroae an, sondern 
nimmt als Ursache ein mechanischesBewegungshinderuiss, die 
nericardiale Synechie an, dieselbe wird die volle Contraction 
aes Vorhofs oder Ventrikels gehindert haben; und als Folge 
dieser mangelhaften Contraction trat eine grössere Contrac- 
tionsgeschwindigkeit compensatorisch ein. Die Herzpalpita 
tionen und tachycardischen Anfälle sind wohl als Neurose 
aufzufassen (Lähmung des Vagus, resp. Reizung des Acce- 
lerans und Sympathicus). Verf. nimmt an, dass es infolge 
der heftigen ’Herzaction zur Dehnung oder auch zur Zer- 
reissung des hindernden Stranges gekommen sei und auf diese 
dürfte dann die Naturheilung eiugetreten sein. 

Abelmann. 

Fr. Schau ta: lieber innere Blutung bei Nephritis Gra¬ 
vidarum. (Inter, klin. Rundschau 1892, Nr. 27). 

In Schauta’s Klinik wurde eine Xpara in hochgradig anä¬ 
mischem Zustande gebracht. Lippen und Schleimhäute wachs¬ 
bleich, grosse Unruhe, Schlafsucht. Zahlreiche Petechien der 
Haut des Rumpfes und der oberen Extremitäten, spärlicher 
an den unteren Extremitäten. Fundus nteri am proc. xiphoid, 
Ut^rnswand auch ausserhalb der Wehen stark gespannt. 
Kindstheile und Herztöne nicht nachweisbar. Beständiger, nicht 
bedeutender Blotabgang aus den Genitalien, der zur Erklä¬ 
rung der hochgradigen Anämie nicht ansreicht. Kindlicher 
Schädel im Beckeneingang, Cervix verstrichen, Muttermund 
für 2 Finger durchgängig. Kein Placentargewebe fühlbar. 
Starke Oedeiueder unteren Extremitäten, im Harn l*/oo Albumin. 
Die Anämie steigerte sich beständig. Auf Grund der hoch¬ 
gradigen Spannung im Uterus in Verbindung mit Anämie bei 
sehr massiger und unbedeutende* äusserer Blutung stellte 
Schauta die Diagnose auf innere Blutung. Nachdem eine snb- 
cntane Kochsalzinfusion nur geringe und vorübergehende 
Besserung erzielt hatte, wurde die Entbindung durch Kranio- 
klasie vorgenommen. Gleich nach der Extraction stürzte ein 
grösseres Blntcoagnlum aus den Geschlechtstheiien, gleich 
darauf gingen noch 1960 Gramm theils flüssigen theils coa- 
ulirten Blutes ab. Prophylaktische Uternstamponade mit 
odoformraarlv. Trotzdem die Blutung vollständig stand, 
starb die Frau eine Stunde nach dei Entbindung. 

Es war offenbar infolge der Brüchigkeit der Gefässe bei 
Nephritis — wofür auch die Hauptpetecbien sprechen — zu 
einem kleinen Bluterguss an der Placentarinsertionsstelle ge¬ 
kommen. Das Blut hatte sich langsam zwischen Placenta und 
Uterusinnenfläche ergossen, die Placenta abgehoben und all¬ 
mählich auch die Eihäute abgelöst. Nachdem letztere bis an 
den Muttermund abgehoben waren, kam es zu einer äusseren 
Blutung. Aehnliche Blutungen bei Nephritis sind von Winter 
in 3 Fällen beobachtet worden. Für die Nephritis als aetio- 
logisches Moment spricht auch der Umstand, dass bei dieser 
Krankheit habitnelles Absterben der Frucht infolge weisser 
Infarctsbildnng vorkoramt(Fehling, Cohn'. Die Infarctbildung 
kommt aber durch Blutungen in die Placenta mit nach¬ 
folgender Coagulationsnecrose zu Stande. Gehen grössere 
Placentarpartien durch Infarctsbildung zu Grunde, so muss 
es zum Absterben der Frucht kommen. Auch in der Placenta 
des Schaota’schen Falles fanden sich zahlreiche weisse Infarcte, 
die aber nicht so bedeutend waren, als dass sie nicht ge¬ 
nügend reparntionsfähiges Parenchym znrückgelassen hätten, 
sonst hätte das Kind nicht die Reife erlangen können (Ge¬ 
wicht ohne Gehirn 3750 Gramm) Schauta glaubt, dass ähn¬ 
liche Fälle schwerer innerer Blutung Schwangerer bei 
Nephritis sich häufiger Anden werden, wenn man diesen That- 
sachen mehr Aufmerksamkeit schenken wird. 

W. Beckmann. 

A. Schaefer: Ueber die therapeutische Verwendung 
des Trionals und Tetronals (ans der psychiatrischen 
Klinik zu Jena). (Berl. kliu. Wochenschr. Nr.29. 1892). 

Beide Mittel wurden an einer grösseren Anzahl Nerven- 
nnd Geisteskranken geprüft. Der Gesammtverbranch belief »ich 
im Ganzen auf 500 Gr. für jedes Mittel. Die Zahl der be¬ 
handelten Kranken betrag für Trional 77, für Tetronal 49; 
bei 42 Kranken kamen beide Mittel nebeneinander znr Ver¬ 
wendung. Sie wnrden in helsser Milch verrührt und von den 
meisten Kranken ohne Schwierigkeit genommen. Die Einzel¬ 


dosis schwankte zwischen 0,5 und 4,0. Bei deu meisten 
Patienten, die an Schlaflosigkeit litten, wurde eine einmalige 
Abenddosis von 1,0 resp. 2,0 gegeben. Sollte bei psychischer 
Erregung und motorischer Agitation Bernhigung erzielt 
werden, so erfolgte Darreichung von 1,0—3,0 in 4—8 stündigen 
Zwischenräumen. Die Schlussfolgerungen von Schaefer sind: 
Beide Mittel haben eine ausgesprochene hypnotische und zu¬ 
gleich beruhigende Wirkung; letztere Eigenschaft kommt in 
etwas höherem Maasse dem Tetronal zu. Der Eintritt der 
Wirkung erfolgt schon nach 10-20 Minuten. Trional ist als 
gnt wirkendes Hvpnoticura iu den verschiedenen Formen der 
Neurasthenie, der functionellen Psychosen and organischen 
Hirnleiden indicirt. Es versagte nur in Fällen von Morphio- 
Coeain-Abnsns. Tetronal ist indicirt. wo motorische Unruhe 
mässigen Grades vorhan len ist. Die wirksame Dosis liegt bei 
1—2,0. Schädliche Einwirknngen auf Körperorgane ausser auf 
den Magen nnd Darmcanal in geringer Intensität wnrden nicht 
beobachtet. Eine Gewöhnung an die Mittel scheint nicht 
vorzukommen. Abelmann. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Emile Berger; Les maladies des yeux dans leurs rap- 
ports avec la pathologie g£n6rale. Paris 1802. G. 
Masson (8° 456 pg.). 

Die Bedeutuug der Augenerkrankungen für die Diagnostik 
der Allgemeinleiden ist schon längst erkannt worden; je weiter 
die Ophthalmologie seitdem in ihrer Entwickelung fortge¬ 
schritten ist, nm so mehr ist jene Bedeutung gewachsen. Die 
durch das Allgemeinleiden verursachten Augensymptome sind 
nicht selten die erste Veranlassung; zur Erkennung derselben 
(Nephritis. Diabetes etc.) nnd noch öfter massgebend für die 
genauere Feststellung der Diagnose i Gehirn- nnd Nerven¬ 
leiden etc.). Es sind deshalb die Beziehungen zwischen den 
Augenerkrankungen und den Allgemeinleiden schon in ein¬ 
zelnen Werken eingehender Bearbeitung gewürdigt worden, 
die sich aber meist auf ein specielles Gebiet (Gynäkologie, Ge- 
liirnleiden etc.) beschränkt. Bei ger giebt nun ebenso wie 
Förster im bekannten Lehrbuch von Graefe-Saemisch im J. 
1877, im vorliegenden Werke eine Znsammenstellnng der bisher 
bekannten Beziehungen der Augenerkranknngen zu allen All- 
gemeinleiden, indem er die von ihm in seiner Klinik zu Paris 
über dieses Thema gehaltenen Vorträge in Buchform umgear¬ 
beitet, erweitert und mit den nötbigen bibliographischen Hin¬ 
weisen versehen hat. Bei dem Fortschreiten aller Zweige der 
Medicin ist diese Arbeit eine durchaus zeitgemässe und wird 
Vielen erwünscht kommen. Nicht nur den Ophthalmologen ,in 
deren Lehrbüchern in Folge der Einteilung nach einzelnen 
Theilen des Auges die von einem AUgeraeinleiden abhängigen 
Erkrankungen aer verschiedenen Theile nicht leicht zu flnaen 
siud, sondern auch den Vertretern der anderen medic. Dis- 
ciplinen, in deren Lehrbüchern die Augensymptome meist nicht 
genügend ausführlich behandelt sind. 

Es ist dem Verf recht gnt gelungen, seine Aufgabe zu löseu, 
doch muss der Leser nicht eine monographische Abhandlung 
der einzelnen Abschnitte erwarten. Hauches ist sehr kurz 
behandelt, Anderes sehr ausführlich; die Bibliographie lässt 
viele Lücken bemerken. Aber es ist genug geboten, um ein klares 
Bild unserer Kenntnisse der von den verschiedenen Allgemein- 
leiden abhängigen Augenerkrankungen zu bekommen. Die 
theoretischen Ausführungen sind theilweise originell, stets 
aber dem neuesten Standpunkt der Wissenschaft entsprechend. 
Es werden alle Krankheitsgruppen berücksichtigt, einschliess¬ 
lich der Intoxieationen und Parasiten. Als Anhang und etwas 
aus dem Rahmen der Arbeit heraustretend sind die professio¬ 
nellen und senilen Augenleiden abgehandelt, sowie der Ein¬ 
fluss verschiedener Augenleiden auf Erkrankung anderer 
Organe. — Der Druck ist gut, die Bilder nicht ganz unserem 
verwöhnten Geschmack entsprechend. Schroeder. 

Max Joseph (Berlin): Lehrbuch der Hautkrankheiten. 
Leipzig. Georg Thieme. 1892. 299 Seiten. Mit 33 Abbil¬ 
dungen im Text nnd 3 Photogravüren. 

Bei den zahlreichen Fortschritten auf dem Gebiete der Der¬ 
matologie im letzten Lustrum, namentlich nachdem seit Be 
gründnng der dermatologischen Cougresse der Austausch der 
verschiedenen Anschauungen ein lebhafterer geworden, stellte 
sich ein entschiedenes Beaürfniss nach einem kurz gefassten 
Handbuche ein, in welchem auch der Nicht-Specialist einen 
richtigen, klaren Ueberblick über den gegenwärtigen Stand 
der Pathologie uud Therapie der Hautkrankheiten (namentlich 
letzterer) erhielte. Diesem Bedürfnis hat J o se ph durch 
sein soeben erschienenes Büchlein in glänzender Weise abge¬ 
holfen und sind wir überzeugt, dass jeder College das in klarer, 
knapper Form dargelegte Material mit Vergnügen nnd Nntzen 
sich zu eigen machen wird. Wir müssen hervorheben, dass 
der Autor in anerkennenswertester Weise die Special-Lite- 


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ratur bis in die allerjüngste Zeit hinein verwerthet hat and 
sind überzeugt, dass dasBuch sich bald viele Freunde erwerben 
und dadurch bald eine 2. Auflage ermöglichen wird. Gerade 
im Hinblick darauf möchten wir uns einige kleine Bemer¬ 
kungen erlaufen. 

Vor Allem scheint es uus wünschenswert mit einem alt 
hergebrachten Usus zn brechen und endlich die bisher in 
sämintlichen Handbüchern der Dermatologie in Wort und Bild 
abgehandelten. Läuse und Flöhe hinauszuwerfen. Es genügt 
doch vollkommen, wenn man beiläufig bei den Haut-Traumen 
erwähnt, dass sie auch durch die erwähnten Schmarotzer 
bewirkt werden können. Sollte wirklich irgend ein Mediciner 
sein Diplom erhalten haben und doch noch mit Kopf, Filz- 
und Kleiderlaus nicht mehr als angenehm bekannt geworden 
sein. Andererseits verteuert doch jedes Cliche die Aus¬ 
gabe. 

Ferner scheint es zeitgemäss, vou dem Namen «Herpes ton- 
surans» sich völlig los zu machen und statt seiner die bereits 
gangbare Benennung «Dermatomycosis» zu acceutiren, denu ge¬ 
wöhnlieh haben wir bei dem gedachten Krankhe.tsbilde 
weder «Herpesbläschen» noch sind die Haare «tonsurirt». 

Dann möchte ich noch für den Nichtspecialisten, der selten 
Gelegenheit zur dermatologischen Therapie hat, hervorgehoben 
wissen, dass das Chrysarobin in Salbenform die Wäsche aufs 
ärgste bedeckt und verdirbt. Daher müsste es eigentlich nur 
in Verbindung mit «Traumaticin» benutzt werden, um so mehr 
da es in dieser Form eben so schön wirkt wie in Salben und 
die Wäsche genügend schont. 

Die Ausstattung des Buches verdient volle Anerkennung. 

0. Petersen. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Ritzman theil im «Correspbl. f. Schweizer Aerzte» Nr, 3 
mit, dass Prof. Forel in seiner Gegenwart einen hartnäckigen, 
allen Behandlungsmethoden trotzenden Fall von Bl e pliaro - 
spasmus idiopathicus seu hystericus bei einer 35jkhr. Bauern- 
dirne dnrch mehrmalige Hypnose heilte und eine Anaesthe¬ 
sin retinae bei einem 18jähr. Dienstmädchen in zwei Sitzungen 
beseitigte. (Cbl. f. Angenh. September). 


Wir erhalten folgende Zuschrift: 

Hochgeschätzter Herr College! 

ln der Nr. 36 der «St. Petersburger medic. Wochenschrift» 
findet sich eine Mittheilung über «die Pensionscasse für 
Wittwen und minderjährige Waisen der Aerzte des Livländi- 
scben Gouvernements». Aus dieser Mittheilung gewinnt der 
Leser die Ansicht, als ob Livland unter den Ostseeprovinzen 
his jetzt allein in der Lage wäre, eine solche ärztliche Pen¬ 
sionscasse zn besitzen. Dieses ist nicht der Fall. In Estland 
besteht eine ähnliche Pensionscasse, die am 4. April 1891 ge¬ 
gründete «Dr. Carl Berg-Stiftung zur Unterstützung von 
Wittwen und Waisen der Aerzte Estlands», nachdem, wie 
aus dem beifolgenden Statut zn ersehen, die ministerielle Be¬ 
stätigung dieser Stiftung schon am 25. Mai 1890 erfolgt war. 

Indem ich etc. , 

Dr. med. Arthur B;ätge, 
z. Z. Curator der Dr. Carl Berg-Stiftung 
zur Unterstützung von Wittwen und Waisen 
der Aerzte Estlands. 


In Sachen der Bekämpfung der Lepra 

geht uns die nachstehende Zuschrift zu, welche wir der ange¬ 
legentlichen Aufmerksamkeit unserer Leser empfehlen: 

Wie bekannt ist, hat die in Dorpat gegründete Gesellschaft 
zur Bekämpfung der Lepra zu Ende des vorigen Jahres in 
Muhli bei Dorpat ein Leprosorium eröffhet; dasselbe steht 
seitdem in erfreulichem Betriebe und hat im Ganzen 25 Kran¬ 
ken Schutz und Pflege angedeihen lassen. Zugleich ist die 
Gesellschaft auch mit der Errichtung eines grösseren Lenro- 
soriums in Nennal am nordwestlichen Ufer des Peipns-Sees 
beschäftigt gewesen. 

Die frühere Poststation Nennal, deren geräumige Gebäude 
nebst zugehörigem Bodenareal von der Livländischen Ritter¬ 
schaft behufs Gründung einer Leprosei ie der Gesellschaft zur 
Bekämpfung der Lepra Übergeben worden sind, ist im Lanfe 
dieses Sommers nach deu Plänen und unter der Aufsicht des 
Heran Universitätsarchitekten Guleke für ihren neuen Zweck 
ausgebaut und renovirt worden, ferner ist eine saubere Wasch¬ 
küche und Badeanstalt eingerichtet, der Boden des Hauses und 
der zugehörige Hofranm sind durch einen tiefen Canal drainirt 
und trocken gelegt« ein Eiskeller, ein Holzschuppen, eine 
Scheune und Stallraum hergestellt. Gleichzeitig hat auch die 


Gesellschaft alles zur inneren Einrichtung Nothwendige, wie 
Beiten, Bettzeug, Möbel, Küchengeschirr, Wäsche, Kleiaer und 
Fusszeug für die Kraukeu so wie auch Medicamente. ärztliche 
Instrumente und Verbandzeug besorgt. 

Als Arzt und Leiter der Anstalt ist der Herr Dr. W. 
Walter aus Tschorna engagirt worden, welcher nahe bei 
Nennal seinen Wohnsitz hat und die Anstalt so oft es nöthig 
ist, jedenfalls aber 2 mal wöchentlich, besuchen und für den 
regelmässigen Betrieb derselben sorgen wird. Eine Oberauf- 
Seherin und Pflegerin, ein Knecht und eine Magd wohnen in 
Nennal selbst. Die noch arbeitsfähigen Kranken werden daselbst 
nicht nur Verpflegung Anden, sondern auch Gelegenheit haben, 
im Garten uud auf deu Feldern leichte Arbeit zu leisten und 
einen Theil des Küchenbedarfs für die Anstalt aus dem eigenen 
Grund uud Boden derselben au produciren. Die weiblichen 
Insassen werden sich hoffeutlick durch Spinnen, Stricken und 
Nähen nützlich machen und die Kleider der Kranken in Ord¬ 
nung halten. 

So sieht uun das Leprosorium Nennal, welches für 40 bis 
50 Kranke eingerichtet ist, wohl ausgerüstet deu Beginn 
seiner Tbätigkeit entgegen. Als Zahlung für die Verpflegung 
Lepröser hat die Gesellschaft zur Bekämpfung der Lepra 
fünf Rubel monatlich festgesetzt— ein Betrag, der natür¬ 
lich die wirklichen Unterhaltskosten eiues Kranken bei weitem 
nicht deckt, aber doch nicht wohl gesteigert werden kann, da 
die meisten Kranken auf Kosten ihrer Landgemeinden unter¬ 
halten werden und diese letzteren nur selten im Stande sind, 
mehr als 60 Rbl. jährlich für ihre unglücklichen Kranken auf¬ 
zubringen. Die Zahlung ist an den Leiter der Anstalt in Nen¬ 
nal zu entrichten. 

Da die Lepra auch in Estland verbreitet ist, so hat die Ge¬ 
sellschaft zur Bekämpfung der Lepra beschlossen, ihre Thä- 
tigkeit auch auf diese Nachbarprovinz auszudehnen, and dem 
gemäss gehörigen Ortes eine Erweiterung ihres Statutes er¬ 
wirkt. Es steht somit der Aufnahme von Kranken, welche aus 
Estland stammen, Nichts entgegen. 

Die Krankenaufnahme geschieht durch Herrn Dr. W. Wal¬ 
ter iu Tschorna und Nennal nach vorher gegangener Besich¬ 
tigung und Untersuchung der sich meldenden Kranken: auch 
können dieselben beim Leiter des Leprosoriums Muhli, 
Herrn Dr. W. Gerl ach (Adr.: Dorpat, Medicinische Klinik.) 
angemeldet und aufgenommen werden. Die Kranken, welche 
sich in Dorpat melden, Anden dann zunächst in Muhli ein Un¬ 
terkommen und nur wenn bei ihnen die Lepra nicht zu weit 
vorgeschritten ist, werden sie nach Nennal dirigirt, während 
die schwerer Erkrankten, bei denen eine schwierige medici- 
nische Pflege oder operative Eingriffe voramanschen sind, 
in Muhli zarückbehalten werden, weil hier eine ausgiebige 
medicinlsche Hilf<i durch die Nähe der Kliniken leichter zn be¬ 
schaffen ist. 

Somit hat unsere Gelellachaft einen bedeutsamen Schritt 
vorwärts getkaa in der Entwickelung ihrer Tiätigkeit und 
io der Erfüllung der Aufgaben, die sie sich gestellt hat. Wir 
hoffen, dass das Leprosorium Nennal in kurzer Zeit mit Aus¬ 
sätzigen gefüllt sein wird, die die Wohlthat einer gesicherten, 
menschenwürdigen Existenz ebenso dankbar einpflnden werden, 
wie die Bewohner von Muhli, und wir bitten alle Gemeinden 
und Privatpersonen, welche die Absicht haben, Lepröse in 
Nennal unterzubringen, dieselben möglichst bald hei Dr. Ger- 
lach oder Dr. Walter anzumelden. Die genannten Herren 
werden auf etwaige Anfragen überdas Wie und Wann der Kran- 
kenanfnahme bereitwilligst Auskunft geben. 

Die Gesellschaft zur Bekämpfung der Lepra wird, sobald 
auch Nennal in vollem Betriebe ist, gegen 70 Aussätzige ver¬ 
pflegen Dass dadurch den Kranken eine grosse Wohlthat 
erwiesen wird, ist zweifellos; es lässt sich aber auch hoffen, 
dass die lsolirung der Kranken, welche durch die Verpflegung 
in einem Leprosorium aus dem allgemeinen Verkehr heraus¬ 
gezogen werden, nicht ohne günstigen Einfluss für die Be¬ 
schränkung der Seuche im Lande sein wird. 

Es handelt sich also nicht nur um ein Werk der Barm¬ 
herzigkeit, sondein zugleich um eine Unternehmung, die dem 
ganzen Lande Nutzen bringen soll. Deshalb rechnet die Ge¬ 
sellschaft auf thatkräftige Unterstützung in allen Kreisen und 
Schichten unserer Bevölkerung. 

Die bauliche Einrichtung und die Beschaffung des Inventars 
der Leproserien hat einen grossen Theil de« Capitals, welches 
die Gesellschaft gesammelt hat, verschlungen. Auf der im 
Januar des kommeuden Jahres stattftndenden GeneralVer¬ 
sammlung der Gesellschaft zur Bekämpfung der Lepra wird 
hierüber öffentlich Rechenschaft abgelegt werden. Die Zinsen 
der übriggebliebeuen Summen und die jährlichen Mitglieds- 
Beiträge zusammen mit den Zahlungen, die für die einzelnen 
Kranken geleistet werden, sind aber bis jetzt nicht gross 
genug, um die Kosten vollständig zu decken, weiche durch 
den Unterhalt und die Verpflegung von 70 Kranken verursacht 
weiden. Es darf nicht vergessen werden, dass ein einziger 
Kranker etwa 90 bis 100 Rubel jährlich kostet- 

Es gilt daher, das hoffnungsreich begonnene Werk durch 
fortgesetzte Geldbeiträge zu stützen und zu erhalten. Die 


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Gesellschaft wendet sich daher an alle Menschenfrennde, die 
ein Herz für das Elend der Leprösen haben, mit der herzlichen 
Bitte, ihre Bemühungen dadurch zu unterstützen, dass sie 
Mitglieder unserer Gesellschaft werden und sich zu einer 
regelmässigen Zahlung zum Besten derselben verpflichten. 
Als Minimum eines Mitglieds-Beitrages sind 3 Rbl. jährlich 
oder eine einmalige Zahlung von 50 Rbl. festgesetzt und es 
giebt gewiss Viele, die ein so geringes Opfer mit Freuden 
bringen werden. 

Die Gesellschaft besitzt in Petersburg an den Herren: 
Redacteur P. v. Kügelgen, Newski Pr. 20 und Dr. med. P. 
Hellat, Mochowaja 44 Vertrauensmänner, die sich frenndlichst 
bereit erklärt haben, etwaige Spenden und die einlaufendeu 
Mitgliedsbeiträge an die Centralverwaltung nach Dorpat zu 
senden, sowie die Jahresquittungen für die Mitglieds-Beiträge, 
welche zugleich als Mitglieds-Karten gelton, den Mitgliedern 
zuzustellen. Wir bitten einen Jeden, der sein Scherflein zum 
Besten unserer Aussätzigen beibringen will, sich an diese 
Vertrauensmänner zu wenden, 

Wir hoffen, die Sammlungen zum Beuten unserer Gesell¬ 
schaft auf diese Weise so bequem als möglich organisirt, und 
dem Erfolg derselben, so weit es an uns liegt, die Wege ge¬ 
ebnet zu haben. Mögen unsere Sammler überall freundliches 
Gehör und opferfreudige Herzen finden. 

Hoffentlich wird sich in Estland, welches ja jetzt auch 
officiell in den Thätigkeitskreis unserer Gesellschaft einbe¬ 
zogen ist, ein Zweigveiein derselben bilden lassen, der die 
Sammlung von Mitglieds-Beiträgen und etwaigen Schenkungen 
daselbst in die Hand nimmt und überhaupt die Interessen 
unserer Gesellschaft und unserer guten Sache in Estland ver¬ 
tritt. 


Vermischtes. 

— Am 25. September versammelten sich die Mitglieder der 
St. Petersburger Sanitätscommission, sowie die Duma- und 
städtischen Sanitätsärzte, welche an der Bekämpfung der 
Cholera theilgenommen, zu einem gemeinschaftlichen Souper 
im Aerzteclnb. 

— Der ausserordentliche Professor der Hospitalklinik in 
Kasan, Dr. S. W. Lewaschew, ist als ordentlicher 
Professor bestätigt worden. 

— Der Privatdocent der medicinischen Chemie an der 
militär-medicinischen Akademie Dr. T. 1. Bogomolow, hat 
sich mit Genehmigung der Conferenz der Akademie auch als 
Docent für innere Medicin habilitirt, 

— Im Sserdobski’schen Kreise (Gouv. Ssaratow) ist Dr. 
A. N. Nikolski an der Cholera erkrankt. 

-Verstorben: 1) Am 29. September in Poltawa der 
pensionirte Militärarzt, wirkl. Staatsrath Dr. Carl Eduard 
Fehre. im 63. Lebenyahre. Der Hingeschiedene stammte aus 
Livlana und hatte seine medicinische Ausbildung in Dorpat 
erhalten, wo er von 1848—54 studirte. Nach Erlangung des 
Arztgrades wurde F. Militärarzt und diente als solcher in 
verschiedenen Reserve-Regimentern bis 1866, in welchem 
er zum Oberarzt des 35. Brjansk’schen Infanterie-Regimen ts 
ernannt wurde. Im Jahre 1880 nahm er seinen Abschied und 
lebte seit dieser Zeit in Poltawa. 2) Ara 25. September in 
Lenczno (Gouv. Lublin) Dr. I. N. Onanow, dessen Erkrankung 
an der Cholera wir in der vorigen Nummer meldeten, im 
Alter von 33 Jahren nach 14tägiger schwerer Krankheit. Der 
Verstorbene war armenischer Abstammung und in Taganrog 
geboren. Nachdem er zu Ende der 70er Jahre in St. Peters¬ 
burg zwei Jahre hindurch Naturwissenschaften studirt, begab 
er sich nach Paris, wo er sich dem Studium der Medicin 
widmete, den Doctorgrad erlangte und längere Zeit als 
Assistent in der Charcot’schen Klinik fungirte. Im Sommer 
dieses Jahres kam er nach Warschau, um im Herbst das 
Examen zur Erlangung der venia practicandi in Russland zu 
machen. Als nun aber die Cholera im Lublinschen Gouver¬ 
nement ausbrach, zog er sofort in den Flecken Lenczno, wo 
er in der Bekämpfung der Epidemie rastlos thätig war, bis 
ihn das tragische, durch Cholerainfection herbeigeführte Ende 
ereilte, ln der Wissenschaft hat sich Onanow durch seine 
Arbeiten auf dem Gebiet der Nervenkrankheiten bereits einen 
Namen gemacht. Wir nennen hier seine mit Dr. Blocq ge¬ 
meinschaftlich herausgegebene «Anleitung zur Diagnostik der 
Nervenkrankheiten» (in frunzösisclier Sprache), ferner seine 
Arbeiten: «Sur la myopatliie progressive»; «Du reflexe bulbo- 
caverneux»; «Sur la nature des faisceaux neuromnsculaires» 
u. s. w. (Wr.). 3) In Namangan (Ferghana-Gebiet) der dortige 
Kreisarzt S. P. Podsossow im 31. Lebensjahre an der 
Cholera.P. ist bereits das vierte Opfer der Cholera aus der 
Zahl der Aerzte im Turkestanschen Bezirk. (Wr.) 4) lm 
Sserdobsk’schen Kreise der Student der Kasanschen Univer¬ 
sität Perzow, welcher in der dortigen Sanitätsabtheilung 
thätig war, an der Cholera. 5) Am 21. August im Kuban¬ 
gebiet der dortige Arzt Boris Rochlin im 29. Lebenqjahr e 


an Phthisis. Er hat seine Frau mit zwei Kindern ganz 
mittellos hinterlassen. 6) Der ältere Arzt des 13. Turkestan¬ 
schen Linienbataillons G. D. Misjukow.. 7) In Paris Prof. 
Villemin, der Begründer der Lehre von der Infectiosität der 
Tuberculose, im 65. Lebensjahre. 8) Bei London der Arzt und 
Chemiker Dr. George Dixon Longstaff, welcher der Erste 
in England war, der Medicinstudirenden Vorträge über Chemie 
gehalten hat, im 94. Leben ty ah re. 

— In Kursk ist die Feldscherin der von der Landschaft 
eingerichteten Cholerabaracke Agrafena Olenkina an der 
Cholera gestorben. 

— Die Aerztin Moljawko-Wvssozkaja. welche im 
Dienste der Pleskaitschen Kreislnnusehaft steht und einige 
Kranke eines der Stadt nahegelegenen Dorfes behandelt hat, 
war an der Cholera er krau kt, ist aber bereits genesen. 

— Zum jüngeren Arzt der psychiatrischen Klinik der 
militär-medicinischen Akademie ist an Stelle des Privat- 
docenten Dr. Anfiinow. welcher zum Professor an der Uni¬ 
versität Tomsk ernannt ist, der ältere Ordinator der hiesigen. 
Irrenanstalt Nicolai Tschudotworez, Dr. Tomaschewski ge- 
wählt worden. 

— Dem Oberarzt der Moskauer Polizei und Mitgliede der 
Moskauer MedicinalVerwaltung, wirkl. Staatsrath Gol nbkow, 
ist Allerhöchst gestattet worden das ihm verliehene Officiers- 
kreuz der französischen Ehrenlegion anzunehmen und 
zu tragen. 

— Am 11. October beging die Wiener Universität das 
Doppel-Jubiläum des genialen Chirurgen Prof. Bill- 
roth, welcher vor 25. Jahren seine Lehrthätigkeit an der 
Wiener Universität begann und vor 40 Jahren das Doctor- 
diplom erwarb. Es fand die solenne Feier unter dem Vorsitz 
des Rectors Prof. Ludwig in der Aula der Universität statt, 
wo der nächste College des Jubilars, Prof. Albert, die Fest¬ 
rede hielt, in welcher er die Bedeutung Billroth’s als 
Forscher, Arzt und Lehrer schilderte. Bereits einige Tage 
früher fand eine intimere Feier in der Klinik Billroth’s 
statt, wo eine grosse Zahl seiner Schüler sich versammelt 
hatte und Prof. Czerny (Heidelberg) mit einer Ansprache 
eine Festschrift «Beiträge zur Chirurgie» überreichte, 
welche auf 600 Seiten wissenschaftliche Arbeiten, von 30 der 
bedeutendsten, aus der Schule Billroth’s hervorgegangenen 
Chirurgen enthält. 

— Am 15. October n. S. erfolgte in der Aula der Berliner 
Universität die feierliche Inauguration Professor 
R. Virchow’8 als Rector. In seiner Rectorsrede, in deren 
Einleitung der Redner bemerkte, dass er diese Würde erhalten, 
nachdem er 43 Jahre ordentlicher Professor gewesen, feierte 
Virchow die akademische Lehr- und Lernfreiheit als das 
kostbarste Gut der deutschen Universitäten. 

— Der bekannte Anatom Prof. Waldeyer in Berlin, be¬ 
ging am 13. September n. St. sein 25j übriges Jubiläum 
als ordentlicher Professor. Der Berliner Universität ge¬ 
hört W. seit 9 Jahren als Director des I. anatomischen In¬ 
stituts an, welches er vollkommen reorganisirt hat. 

— Der um das Charite-Krankenhaus in Berlin hochverdiente 
ärztliche Director desselben, Generalarzt I. Classe Dr. Mehl¬ 
hausen, hat aus Gesundheitsrücksichten sein Amt, welches 
er 20 Jahre inne gehabt, niedergelegt. Zu seinem Nach¬ 
folger ist der Generalarzt II. Classe Dr. Schaper in Braun¬ 
schweig, Leibarzt des Prinzen Albrecht, ernannt worden. 

— Prof. Dr. 0. Rosenbach in Breslau hat seine Entlassung 
als Oberarzt des dortigen Allerheiligen-Hospitals genommen. 

— Am 3. October n. St. feierte der frühere Professor für 
Militär-Sanitätswesen in Wien, Dr. Baron Mundy, seinen 
70. Geburtstag. Ursprünglich 12 Jahre hindurch Militär 
(zuletzt im Hauptraannsrauge) nahm er im Jahre 1853 seinen 
Abschied, und widmete sich im Alter von 31 Jahren dem 
Studium der Medicin in Würzburg, wo er auch die I)octor¬ 
würde erlangte. Nachdem er sich längere Zeit mit der Irren¬ 
heilkunde beschäftigt, nahm seine ärztliche Thätigkeit durch 
den Krieg von 1866 eine andere Richtung — er widmete sich 
ganz dem Militär-Sanitätswesen and machte sich einen Namen 
als Vorkämpfer aller Bestrebungen, welche auf die Verbesse¬ 
rung der Kranken- und Verwundeteupflege abzielen. Prof. 
Muudv ist aber auch in allen grösseren Kriegen der letzten' 
Jahrzehnte thätig gewesen: im Krieg von 1866, denn 1870.71 
(als Lazarethleiter m Paris), im serbisch-türkischen Feldzüge, 
im russisch-türkischen Kriege (als ärztl. Leiter des Kothen 
Halbmondes»), schliesslich im serbisch-bulgarischen Kriege. 

— Von der Hauptingenieur-Verwaltung ist der russischen 
Gesellschaft zur Wahrung der Volksgesnndheit die Michail- 
Manege für die im Mai 1893 hiersei bst zu eröffnende all¬ 
russische hygienische Ausstellung auf 2'/* 
Monate zur Verfügung gestellt worden. Falls der grosse 
Raum der Manage znr Plaeirung der Ausstellungsgegenstände 
nicht hinreichen sollte, so werden auf dem Hofe der Manege 
Pavillons erbaut werden. Die Ausstellung zerfällt in 5 Sec- 


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389 


tionen mit vielen Unterabtheilungen. Präsident des Ans 
Stellung sbüreaus ist Dr. A.L. Ebermann, Seeretäi 
Dr. W. P. Werekundow. 

— Zu Anfang des December Monats vollenden sich 25 Jahr e 
se't der Bestätigung der Statuten des städti¬ 
schen Roshdestwenski-Barackenlazareths zum 
AndenkenandieKaiserinMariaAlexa ndrowna. 
Die Reorganisation desselben aus dem früheren städtschen 
Roshdestwenaki-Hospital und die Erbauung der Baracken er¬ 
folgte i.J. 1871, wo der noch gegenwärtig fungirende Director 
und Oberarzt Dr.J. Bertenson die Leitung desselben über¬ 
nahm. 

— Der von uns bereits gemeldete Aufschub der 
Sch 1 u8se xamin a für die Medicinstudirenden 
bis zum 7. Janu ar 1893 ist in Folge der von einigen 
Gouvernements-Chefs beim Ministerium eingelaufenen diesbe¬ 
züglichen Gesuche geschehen, und zwar im Hinblick darauf, 
dass die Studirenden der Medicin etwa die Hälfte des ärzt¬ 
lichen Personals bilden, das den Kampf mit der Cholera er¬ 
folgreich anfgenommen hat, und dass die Epidemie, obgleich 
sie schwächer geworden ist, doch noch immer in vielen Orten 
Massnahmen zu ihrer Unterdrückung erforderlich macht. 

— Die Zahl der Apotheken in St. Petersburg 
ist. ungeachtet der Zunahme der Bevölkerung, seit 1884 un 
verändert geblieben — nämlich 61 Apotheken mit 3 Filialen, 
ausserdem die Apotheke des Findelhauses und 2 Homöopati- 
sehe Apotheken. Dagegen wächst die Zahl der Apotheker 
Magazine und Droguenhandlungen mit jedem Jahre. Die 
Durchschnittszahl der Recepte, welche in den 
letzten Jahren in allen Apotheken St. Petersburgs angefertigi 
wurden, beträgt 1,700,000 pro Jahr. 

— Die Choleraepidemie in Russland hat in der letzten 
Zeit so bedeutend nachgelassen, dass, wie ofüciell bekannt ge¬ 
macht wird, die Berichte über den Stand der Choleraepidemie 
im Reiche vom 1. October ab, nur ein Mal wöchentlich ver¬ 
öffentlicht werden sollen und nur von einer etwaigen Zunahme 
der Epidemie oder dem Auftreten derselben in neuen Ort¬ 
schaften besonders Mittheilung gemacht werden wird. 

In St. Petersburg schwankt die Zahl der Erkrankungen 
an der Cholera in den letzten Tagen zwischen 13 und 17, die 
der Todesfälle zwischen 3 und 6. Zum 7. October verblieben 
in den hiesigen Hospitälern im Ganzen 84 Cholerakranken. 
Nach den officiellen Bülletins betrug die Gesammtzahl der 
Cholerakranken in St. Petersburg bis zum 7.0ctober 
Mittags 4004, die der Genesenen 2768 und der Verstorbenen 
1199. 

— In Riga betrug der Bestand der Cholerakranken 
am 2. October 14. Es erkrankten neu 2 Personen und genas 
1, fo dass 15 Kranke in Behandlung verblieben. 

ln Hamb arg ist die Epidemie im Erlöschen begriffen. Am 
8. October soll kein Todesfall vorgekommen sein. Aus Berlin 
werden keine Erkrankungen gemeldet. 

Die letzten Nachrichten über den Stand der Cholera in 
Ungarn und Galizien lauten wesentlich günstiger. In 
Budapest, wo früher 30—50 Cholerafälle mit 10—17 Todes¬ 
fällen vorkamen, hat die Zahl der Cholererkrankungen in der 
letzten Zeit 20—29 nicht überschritten. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospitälern 
St. Petersburgs betrug am 27. September d. J. 5261 t32 weniger 
als in der Vorwoche) darunter 232 Typhus — (14 weniger), 
584 Syphilis — (21 mehr), 22 Scharlach — (wie in der Vor¬ 
woche), 7 Diphtherie — (2 weniger), 25 Masern — (1 mehr), 
6 Pocken — (wie in der Vorwoche) und 103 Pockenkranke 
(39 weniger), <• 


Vacanzen. 

1) 'Von der Duchowschtschinaschen Land¬ 
schaft (Gouv. Ssaratow) wird ein Arzt, der bereits bei 
einer Landschaft gedient hat, zur Leitung des Landschafts¬ 
hospitals im Kreise gesucht. Gehalt 1000 Rbl. nebst freiem 
Quartier und Progongeldern für 3 Pferde bei Abcoramandi- 
rungen. Adresse: «jJjxoBmiHCKaa 3excKäfl YnpaBa». 

2) Im Kreise G a 1 i t s c h (Gouv. Kostroma) ist eine Land- 
schaftsarztsselle erledigt. Gehalt 1000 Rbl. und Quartier in 
der Stadt Galitsch. Der Arzt ist verpflichtet ein Mal im 
Monat die 6 Feldscherpunkte in seinem Rayon zu besuchen. 
Die Meldung geschieht unter Beifügung der Documente bei 
der «rajnrecKaa 3eMCKaa YnpaBa». 

3) Es wird von dem Kreislandschafsamte in Bogorodsk 
(Gouv. Moskau) ein Assistenzarzt für eine aer Heilan¬ 
stalten des Kreises gesucht. Derselbe ist verpflichtet, bei 
Beurlaubung eines der Landschaftsärzte dieselben zu vertreten. 
Gehalt 600 Rbl. jährlich bei freier Wohnung mit Beheizung 
und Beleuchtung. Die Meldung geschieht bei der «EoropoA- 

cKäfl BeMCK&ü yupaBa». 


Mortalitäts-Bulletin St Petersburgs. 

Für die Woche vom 27. September bis 3. October 1892. 


Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: © © 


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--'Cuco^in^t'CO^ 

18 46 57 36 32 40 21 9 3 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 1, Typh. abd. 4, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, PockenO, Masern 6, Scharlach 3, 
Diphtherie 2, Croup 3, Keuchhusten 4, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 9, Ery sipelas 4, Cholera nostra» 0, Cholera asia- 
tica 27, Ruhr 0, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 1, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 1, Puerperalfieber 0, Pyämie und Septicaemie 7, 
Tuberculose der Lungen 78, Tubercolose andrer Organe 4, 
Alkoholismus und Delirium tremens 5, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 33, Marasmus senilis 27, Krankheiten des 
Verdauungscanals 48, Todtgeborene 27. 


An die Redaction eingesandte Büoher und Broohüren. 

J. Eisenberg. Hygiene d. Schwangerschaft. Wien, Jos. Salär, 
1892. 

Schmölder. Die Bestrafung und polizeiliche Behandlung der 
gewerbsmässigen Unzucht. Düsseldorf, L. Voss u. Co., 1892. 

A. Pollatschek. D. therapeuL Leistungen des Jaiiree 1891. 111. 

Jahrgang. Wiesbaden, Bergmann, 1892. 

Ebstein. Ueber die Lebensweise der Zuckerkranken. Wiesbaden 
Bergmann, 1892. 

G. Naumann. Ueber den Kropf. Uebers. von O. Key her. Lu ad 
Hjalmar Möller, 1892. 

I. Diese. Grundriss der Gewebelehre. Stuttgart, F. Enke, 1892. 
N. Filatow. Semiotik und Diagnostik der Kinderkrankheiten. 
Deutsch von A. Hippius. Stuttgart, F. Enke, 1892. 

I. Müller. Ueber Gamoph&gie, Ibidem. 

A. Hanpt. Soden am Taunus. II. Anfl. Würzburg. A. Stüber, 
i. Guttmaun. Jahrbuch der prakt. Med. Jahrgang 1892. Stutt¬ 
gart, F. Enke. 

SoÖpoB-B. IIoAKoxaue paspueu doukh. Sep. Abdr. 

G. de Ruyter uud E. Kirchhoff. Compendiom der allgem. 
Chirurgie. Berlin, Karger, 1892. 

J. v. Kennel. Die Ableitung der Vertebratenaugen von den 
Angen der Anneliden. Dorpat. 1892. 

Die seit dem 30. April 1891 erschienenen Dorpater medie. Doctor- 
dissertatiouen. 

C. E. S&joua. Anuual of the universal medical Sciences Philadelphia 
1892. & Bände. 

Ad. Lesser. Atlas der gerichtl. Medicin. II. Abth. VI. Lief. 

Breslau, Schottländer, 1892. 

IIpOTOROXl» rOAHBHH. 8&C&X. KaBKSSCK. *0*- oöm. 1892. 

Odczyty kliniezne wydawane przez Redakcyje Gazety lekarskiej. 
42 i 43. 

H. Schmidkunz. Der Hypnotismus. Stuttgart, A. Zimmer, 1892. 
Bibliographie der kl n. Helminthologie. Heft 3 u. 4. Müuchen, 

Lehmann, 1892. 

H. Keller. Das Soolbad Rheinfelden, 1892. 

F. Martins und J. Lüttke. Die Magensäure des Menschen. Stutt¬ 
gart, Enke, 1892. 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 13. October. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli- 
ohen Vereins Montag den 19. October. 


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JL Ed. Messter, 

Optiker und Mechaniker. 

Lieferant für hiesige und auswärtige Xrankenhänser und 
pW (106) 12—11 Universitäten. 

Berlin, Friedrichstrasse 95. 

SSKsShSBäHH^ Prätniirt Berlin 1892 mit der silbernen Medaille. 


Die Freunle uu- 


♦ serer Quelle wer- 
J den gebeten beim 




Einkäufe auf die 


Zu haben bei deu 4 
Drognisten und ♦ 
Apothekern. J 


hier beigedruck- 




te Schutzmarke 




Man verlange X 
Saxlehner’s * 


(Portrait) zu 


achten. 


**1*1 JAKOS 


Bitterwasser. ♦ 


(68) 26—23 

Eigentümer: ANDREAS SAXLEHNER, BUDAPEST. 


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OTHpbiTa c-b 2U Mas no 20 ceHTnOpn. 

BoAOJeqenie : Bamau. flymn. Maccaan,. 3aBe A eHie I ro paspHja. /(omt, coöpaHin. 

TeaTpTi. BoJibmoH napin>. I'n MiiacniKu h np. (99) _13 

Epomiopa „La eure de Contrexöville chez soi" ct> purynnaMH BucbijaeTc« no Tpe- 
ooBniiiK). Aapec-b Administration de la Sockte: 6 rue de laChunss^e d'Antin •» Paris. 


üierzu als Beilage ein Prospe ct betretlend: Verlagsbuchhandlung von Carl Sali mann in Basel. 

„Excerpta medica“. “•* 


fl Ol». ueHi.-CnÖ. 10 Orraöpa 1892 r. Herausgeber: Dr.Rudolf Wanach. Buchdruckerei von A. Wienecke, Katharinenhofer-Pr.Jil&. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETERSBURGER 


MEMCINISCSE WOCHENSCIRIFT 


unter der RedacÖon von 


Prof. Dr. Karl Dehio. 

Dorpat. 


Dr. Johannes Krannhals. 

Riga. 


Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinisehe Wocheusehrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der AbonnunentqHeia ist in Russland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Ländern 20 Mark j&hrlich, 10 Hark halbjährlich. Der Znsertionspreis 
für die 3 mal gespaltene Zoile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


MF* Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet man ausschliesslich au die Buchhandlung von Carl Ricker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect >6 14, zu richten.— Manusoriptt 
sowie alle auf die Redactiou bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschäftsführe nden Redacteur Dr. Rudolf Wonach in St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect J4 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich von 1—2 Uhr Nachm. 


N 42 


St. Petersburg, 17. (29). October 


1892 


Inhalt: Hampeln: Ueber Bradykardie. — Referate: Th.Wey 1: Können Cholera, Typhus und Milzbrand durch Bier 
übertragen weiden? — R. Stern: Ueber Immunität gegen Abdorainaltyphus. — I. Heddaeus: Zur sogenannten Thränen- 
sack-Blennorrhoe der Neugeborenen. — L. Weiss: Zur Behandlung der Erkrankungen der Thränenwege bei Neugeborenen. — 
0. Lange: Zur Casuistik der Thränenschlaucheiterung bei Neugeborenen. — Leo Bertensohu: Znr Statistik und Aetiologie 
des Scorbuts. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Adolf Lesser: Atlas der gerichtlichen Medicin. — Prof. A. 
Guttstadt: Deutschlands Gesundheitswesen.— Protokolle desVereins St..Petersburger Aerzte. — Vermischtes.— 
Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Ueber Bradykardie. 

Correferat, erstattet auf dem Livl. Aerztetag in Wenden am 
14. September 1892. 

Von 

Dr. Hampeln. 

M. H.! Die Aufgabe meines Correferats glaube ich so 
auffassen zu sollen, dass ausser der eben von Professor 
Dehio behandelten Reconvalescentenform der Bradykardie 
nun auch die übrigen zu erörtern wären. 

Als solche kommen denn in Betracht die im Puerpe¬ 
rium und im Verlauf verschiedener Organerkrankungen 
auftretenden Bradykardien, ihre toxischen Formen, die 
Bradykardie als Herzneurose uni endlich die wichtigste 
Form, die Bradykardie der Herzkranken. 

Der Reconvalescenten-Bradykardie am nächsten steht 
die puerperale Form. Hier wie dort folgt auf eine 
Periode erregter Herzaction nach Ueberwindung der 
Krankheit resp. nach Beendung der Geburt ein Stadium 
ruhigerer Herzthätigkeit. Die Frequenz des Pulses sinkt, 
häufig brechen Schweisse aus. Aus der auffallenden 
Analogie der Erscheinung in beiden Fällen und in An¬ 
betracht fehlender directer Beweismittel im Sinne eines 
bestimmten Causalnexus erscheint der Wahrscheinlich- 
keitssdiluss gestaltet, dass beiden derselbe Entstehungs¬ 
modus zu Grunde liege und es sich, wie Traube meint, 
wesentlich dabei um ein Ermüdungszeichen, oder nach 
Schroeders Auffassung um compensatorisch reducirte 
Herzthätigkeit. gewissermassen um Erholung handelt. 

Demgemäss hätten wir hier weder Vagusreizung noch 
Reizung des Depressor anzunehmen, sondern eine zweck¬ 
mässige, den veränderten Verhältnissen sich anpassende, 
physiologische Thätigkeit des kardialen motorischen 
Centrums. 

Bei solcher Stellung dürfen wir die Bradykardie der 
Reconvalescenten und des Puerperiums als physiologi¬ 
sche erste Hauptgruppe zusammenfassen. 

Ihr gegenüber stellen wir dann als zweite Hauptgruppe 
diq pathologische Bradykardie. Innerhalb dieser 


unterscheiden wir, dem Beispiel Traffet’s folgend, zweck¬ 
mässig zwei Formen, nämlich erstens die vorübergehende, 
p'assante und zweitens die dauernde, eonstante Form. 
Letztere als praktisch wichtigste wird uns am meisten 
beschäftigen. An sie denken wir auch in der Regel 
zuerst, wenn von Bradykardie im Allgemeinen die 
Rede ist. 

Die erste, passante Form, bei der wir nur kurz 
verweilen wollen, begegnet uns als nicht seltene Er¬ 
scheinung im Verlaufe verschiedener acuter und chroni¬ 
scher, Allgemein- und Organerkrankungen. Ich erinnere 
an die Bradykardie während der Fieberperiode des Typhus 
abdominalis, bei der tuberculösen Meningitis, als Symptom 
der Gehirn- und Rückenmarkserkrankungen überhaupt, 
an ihr gelegentliches Auftreten bei Magen- und Darm¬ 
krankheiten, Helminthiasis etc. Hierher gehören auch die 
toxischen Formen der Bradykardie infolge einer Einwir¬ 
kung der Digitalis und verwandter Species, nach starkem 
Alkohol- oder Tabakgenuss, bei Ikterus und Uraemie, 
endlich auch die Bradykardie als Folge mechanischer 
Reizung peripherer Nerven. 

Während der ersten Hauptgruppe gegenüber die An¬ 
nahme einer blos ausgleichenden, physiologischen Herz¬ 
action als Ursache der Bradykardie begründet erscheint, 
sprechen hier alle Zeichen und das Experiment, so weit 
es angängig ist, ftlr Reizung der Hemmungsnerven resp. 
des Depressor als wesentliches pathogenetisches Moment, 
und zugleich grundverschieden von dein die erste Haupt¬ 
gruppe beherrschenden. 

Die Hauptform der zweiten, pathologischen Gruppe 
bildet aber die erwähnte, eonstante Bradykardie, der 
als einem wesentlichen Merkmal gewisser gleich näher 
zu betrachtender, materieller Herzerkrankungen die grösste 
Bedeutung zukommt. Doch sei zuvor einer Art der 
Bradykardie gedacht, die eine vermittelnde Stellung ein¬ 
nimmt, ich meine die Bradykardie als functioneile Herz¬ 
neurose. 

Man beobachtet nämlich zuweilen, und auch mir hat 
sich dazu die Gelegenheit geboten, bei scheinbar gesunden 
Individuen, Männern und Frauen, meist in jugendlichem 


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Alter, trotzdem jedes Zeichen einer Allgemein- oder Organ¬ 
erkrankung fehlt, dieses auch mit Sicherheit ausge¬ 
schlossen werden kann, einen auffallend langsamen. 
40—50 in der Minute zählenden Puls. Diese Bradykardie 
wird von Einigen als physiologische, individuelle Eigen- 
thümlichkeit aufgefasst; dem kann ich nicht beistimmen. 
Es lässt sich freilich keine bestimmte Zahl von Herz¬ 
schlägen als feste Norm hinstellen, sondern werden 
Schwankungen im Sinne der Vermehrung oder Vermin¬ 
derung immer noch als physiologische gelten dürfen, aber 
doch nur bis zu gewissen, erfahrungsgemäß gewonnenen 
Grenzen. Diese scheinen nun durch eine Frequenz von 
40—50 in der Min. nach der Seite der Verlangsamung 
überschritten. So starke Abweichungen von der Norm 
gestatten sich die Organe nicht, ohne erfahrungsgeinäss 
in das Gebiet des Krankhaften zu fallen. Darum handelt 
es sich, meine ich, auch in diesen Fällen und zwar um 
die Bradykardie als lunctioneller llerzneurose, die wie 
jede Neurose isolirt oder als Theilerscheinung allgemeiner 
Neurosen, schliesslich ja auch als familiäre auftreten 
kann. Sie bildet, wenigstens nach der symptomatischen 
Seite ein Gegenstück der nervösen, habituellen Tachy¬ 
kardie und liegt ihr wahrscheinlich ein verminderter Reiz¬ 
zustand des motorischen cardialen Centrums zu Grunde. 

Wir gehen nun endlich zur Hauptform der pathologi¬ 
schen Bradykardie über, zur Bradykardie der Herz¬ 
krankem. Wie bereits bemerkt, handelt es sich hier um 
eine verhältnissmässig häufige Erscheinung, die sich 
erstens ihrer Constanz nach durch einen besonders starken 
Entwickelungsgrad auszeichnet. Denn hier gerade werden 
die geringsten Pulszahlen beobachtet, mit denen nur noch 
die toxischen Pulse concurriren können, 20 und noch 
weniger, bis 8 in der Min. Dazu gesellen sich zuweilen 
schwere Zufälle, insbesondere epileptiforme Anfälle. Im 
Ganzen kommt dieser Bradykardieform die Bedeutung 
eines enisten, auf eine lebensgefährliche Herzerkrankung 
weisenden Zeichens zu. Doch giebt es, wenn auch selten, 
Fälle, wie in einem meiner Beobachtung, in denen trotz 
auffallend geringer Pulsfrequenz, (einige 20 Schlage in 
der Min.) gleichwohl viele Jahre ein fast völlig unge¬ 
störtes, gutes Allgemeinbefinden besteht, was um so auf¬ 
fälliger ist, als, wie wir gleich sehen werden, die Circu- 
lation des Blutes hier in einer von der Norm sehr 
abweichenden Art regulirt werden muss. Es scheint, 
als ob gerade Fälle dieser Art zur irrtümlichen An¬ 
nahme einer physiologischen Bradykardie verleitet hätten, 
während sie doch nur beweisen, dass ein negativer patho¬ 
logischer Befund, namentlich auch in Bezug auf das Herz 
noch lange nicht Gesundheit bedeutet. Können doch 
gerade einige der schwersten Ilerzerkrankungen lange 
Zeit symptomenlos verlaufen. In der .Regel spricht denn 
auch eine stärker ausgeprägte, constante Bradykardie auch 
bei sonst negativem Localbefunde für ein Herzleiden und 
zwar ernster Natur* 

Wesentlich in Betracht kommen hierbei folgende Herz¬ 
erkrankungen: 1) Klappenfehler, besonders Stenose des 
Aortenostiums; 2 ) Sklerose der Coronararterie und end¬ 
lich 8) die schwielige Myokarditis und fettige Ilerzdege- 
neration. 

Bei der Beziehung der Bradykardie zu so verschieden¬ 
artigen Herzerkrankungen, einmal zu Circulationshinder 
nissen, das andere Mal zu materiellen Veränderungen 
der Herzsubstanz, erscheint von vornherein das Bestehen 
eines je nachdem verschiedenen Causelnexus wahrschein¬ 
lich. Fnd in der That, Erfahrung und Ueberlegung 
sprechen dafür, dass z. B. bei Stenose des Aorten¬ 
ostiums, wo es also die Ueberwinduug eines peripheren 
Hindernisses gilt, die Bradykardie von rein functioneil 
compensatorischer Bedeutung ist. Das Herz contrahirt 
sich langsam und selten, weil es so am zweckmässigsten 
und mit ganzem Erfolge zugleich mit geringstem Auf¬ 
wand von Kraft das Hinderniss zu überwinden vermag. 


Raschere Contractionen würden entweder die Ventrikel 
nicht zu eutleeren im Stande sein oder, um das doch 
trotz der engen Ausflussöffnung zu bewirken, ein Ueber- 
mass von Anstrengung erfordern. Die langsame Con- 
traction garantirt den vollen Erfolg bei geringster An¬ 
strengung. 

Aber auch bei Erkrankung des Herzmuskels selbst 
halte ich, wenigstens in einigen Fällen, den gleichen Zu¬ 
sammenhang für wesentlich, denn auch hier wird die 
Bradykardie mitunter als Ausdruck dafür angesehen 
werden dürfen, dass die erhaltenen, functionstüchtigen 
Muskelelemente, für die Leistung des ganzen Herzens 
relativ zu schwach, nur durch seltene Contractionen das 
vermehrte Arbeitsmass zu leisten vermögen. Gerade wie 
wir bei willkürlicher Ueberwindung übergrosser Lasten 
sofort ein langsames Tempo einschlagen. 

Anders liegt meines Erachtens die Sache bei der Haupt¬ 
form der Bradykardie im Verlaufe der Coronarsklerose. 
Hier scheint die Bradykardie durch materielle Verände¬ 
rungen der Herzsubstanz bedingt zu sein. Das Herz hat 
seine Fähigkeit rascherer, regulirbarer Contractionen über¬ 
haupt eingebüsst, vegetirt gewissermaassen, wofür die 
Constanz der Erscheinung und ihre Resistenz gegen alle 
beschleunigenden Einwirkungen spricht. 

Gerade diese Form der Bradykardie ist eine so häufige, 
ihr Verhältnis zur Coronarsklerose ein so gewöhnliches, 
dass man in der Regel mit der Diagnose letzterer Er¬ 
krankung auf Grund der Bradykardie nicht fehlen wird, 
wahrend sie, wenigstens in meinen Bcobachtungsfällen, 
nur selten zu anderen Herzerkrankungen hinzutritt. Kli¬ 
nisch-diagnostisch erscheint sie von um so grösserem Werth, 
als es sich dabei oft wirklich um das einzige auffällige 
Symptom der Coronarsklerose handelt und der Befund 
im Uebrigen ein normaler sein kann. Doch hat umgekehrt 
die Coronarsklerose nicht immer eine Bradykardie zur 
Folge, sondern besteht oft bei ganz normaler Herzfre¬ 
quenz. Dabei gleichen sich die Beziehungen der Brady¬ 
kardie völlig mit denen der Angina pectoris zur Coro- 
uarsklerose, welches ein ebenso wichtiges Merkmal dieser 
Frkrankung bedeutet, aber dennoch oft, trotz hochgra¬ 
diger Sklerose, vermisst wird 

Hiermit sind die verschiedenen Arten der Bradykardie, 
so viele ihrer bisher bekannt, berücksichtigt, doch möchte 
ich mir erlauben, sie nach einer allen Arten gemeinsamen 
Seite hin noch kurz in Betracht zu ziehen. 

Welche besondere Veranlassung nämlich im concreten 
Falle einer Bradykardie auch vorliegen mag, Ermüdung 
oder Intoxication, eine Neurose oder Herzsklerose oder 
welche Ursache sonst, in jedem Falle muss, auch bei 
ungehinderter Cirkulation und ganz allein infolge der 
verlangsamten Herzthätigkeit das Herz eine erhebliche 
Dilatation erfahren. Das erscheint physikalisch noth- 
wendig. Die fehlenden Circulationsstürungen beweisen die 
normale, von Liebermeister treffend so genannte all¬ 
gemeine Circulationsgrösse, d. lu, in einer Secunde strömt 
durch jeden Gesammtquersclmitt des Gefässapparats die 
gleiche Blutmeuge, c. lOO (Je. denn, wäre das nicht der 
Fall, sondern wäre in Folge der Bradykardie die allge¬ 
meine Circulationsgrösse verringert, so müssten, bei un¬ 
veränderter Blutmeuge, notliwendig die gewöhnlichen Er¬ 
scheinungen der Circulationsstörung, Oedeme und Dyspnoe, 
eintreten. Aus ihrer Abwesenheit darf mithin auf einen 
normalen Werth der Circulationsgrösse in diesen Fallen, 
trotz der Bradykardie, geschlossen werden. 

Damit aber in jeder Sec. c. 100 Cc., in jeder Min. 
also c. ü Liter Blut jeden (iesammtquerschnitt passiven, 
muss selbstverständlich auch die gleiche Menge von jedem 
llerzventrikel in einer Min. bewältigt worden sein. Das 
bedeutet bei einer normalen Pulszahl von c. 70 in der 
Min. für jede Systole resp. Diastole die Bewältigung von 
85 Cc. Blut. Unter gewöhnlichen Verhältnissen beträgt 
also die Capacitäl eines Ventrikels ebenso viel—85 Cc. 


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Referate. 


Finden nun, wie nicht selten bei der Bradykardie, in 
einer Min. nur 35 oder gar 20 Systolen statt, so muss 
der Herzventrikel, um dennoch das gleiche Blutquantum, 
also c. 6 Liter in einer Min. zu befördern, nothwendig 
mit jeder Diastole ein vielfaches des normalen Quantums 
aufnehmen und bergen, in unserem Beispiel also 170 
resp. 300 Cc. statt 85 Cc. Mit anderen Worten heisst 
das aber, dass die Bradykardie in jedem Falle eine je 
nachdem geringere oder hochgradige Dilatation des Her¬ 
zens und zwar beider Ventrikel nothwendig zur Folge hat. 
Ob die concreten Verhältnisse nun auch wirklich mit 
den theoretischen Deductionen stimmen, das vermag ich 
weder auf Grund eigener noch fremder Beobachtungen 
zu sagen. Es fehlt an Untersuchungen darüber, auf die 
kurz hinzuweisen ich mir an dieser Stelle erlauben wollte. 

Was die Therapie der Bradykardie betrifft, so handelt 
es sich dabei meist um Anwendung von Excitantion, die 
sich übrigens mehr gegen die Herzschwäche als gegen 
die Bradykardie richten. Dass es aber möglich ist, auch 
die Bradykardie direct anzugreifen, lehren die Unter¬ 
suchungen Dehio’s über die Anwendung des Atropins. 
Praktische Verwendung haben jedoch bisher nur die Reiz¬ 
mittel gefunden. In der Regel entsprechen die Resultate 
mit ihnen nicht unseren Erwartungen. Doch lehrte mich 
ein Fall von Bradykardie bei Aortenklappeninsuflicienz. 
dass die Digitalis mitunter von vorzüglicher Wirkung 
sein kann. Es bestanden allgemeine Oedeme und über¬ 
haupt die subjectiven und objectiven Zeichen hochgradiger 
Herzinsuflicienz bei einem Pulse von constant 40 in der 
Min. Nach vergeblichen Versuchen mit den üblichen Reiz¬ 
mitteln griff ich endlich zur Digitalis und zum Coffein 
und erlebte alsbald nicht nur ein Schwinden sämmtlicher 
Stanungssymptome für längere Zeit, sondern auch eine 
scheinbar paradoxe Beschleunigung des Pulses von 40 auf 
50 in der Minute. 

Es erscheint klar, dass in diesem Falle die tonisirende 
Digitaliswirkung überwog. Sobald kräftigere Herzcontrac- 
tionen unter ihrem EinHuss erfolgten, ein rascherer Blut¬ 
strom den Herzmuskel durchströmte und seine bessere Er¬ 
nährung veranlasst?, gewann er auch seine Fähigkeit zu 
rascherer Bewegung zurück. Umgekehrt darf, meine ich, 
daraus auf Herzschwäche resp. Herzdegeneration als 
Ursache der Bradykardie dieses Falles geschlossen werden, 
eine Annahme, die nach einigen Monaten durch die Sec- 
tion ihre Bestätigung erfuhr. Patient erlag seinem Leiden, 
einer complicirenden Pleuritis noch bei gutem Befinden, 
im plötzlichen Anfall. Die Section ergab ausser der 
Aortenklappeninsufficienz rheumatischen Ursprungs und 
geringfügiger Herdsklerose der Coronaria wesentlich Ver¬ 
fettung der Herzmuskulatur. 

Recapituliron wir kurz das ganze Capitol der Brady¬ 
kardie, so sind zwei Hauptgruppen zu unterscheiden: die 
physiologische und pathologische Form. 

Erstere ist sowohl in derReconvaloscenten —als puer¬ 
peralen Bradykardie repräsentirt. 

In der zweiten Gruppe unterscheiden wir: 1) die sympto¬ 
matische und sympathische als Verlaufserscheinung ver¬ 
schiedener Organ- und Allgemeinerkrankungen; 2) die 
toxische, insbesondere die cholämische und urämische Form. 
Beiden liegt meist directe oder rellectorische Reizung 
der Hemmungsfasern des Vagus zu Grunde. 3) Die Bra¬ 
dykardie als primäre, centrale Herzneurose und endlich 
4) die wichtigste Form, die Bradykardie als Zeichen 
einer Herzerkrankung, also ihre kardiale Form, vor Allem 
bei der Coronarsklerose, seltener bei Herzverfettung und 
Stenose der Ostien des linken Ventrikels. Hierbei handelt j 
es sich entweder um eine compensirende, vom Bewegungs- 
centrum des Herzens selbständig intendirte Bewegungs- 
änderung (bei Klappenfehlern und in einigen Fällen von 
Herzdegeneration) oder wahrscheinlich nm materielle Ver¬ 
änderungen eben dieses Centrums und Beraubung seiner 
Fähigkeit zu rascherer Bewegung. 


Th. Weyl: Können Cholera, Typhus und Milzbrand 
durch Bier übertragen werden? (Deutsche inedicin. 
Wochenschrift Nr. 37). 

Die Frage, ob Cholera. Typhus und Milzbrand durch das 
Bier verbleitet werden können liegt sehr nahe, wenn man 
bedenkt, dass Bier mehr als 90 pCt Wasser enthält, und dass 
gewisse Biersorten häutig durch Zusatz von Wasser zur ver¬ 
goltenen Bierwürze dargestellt werden. Es war somit äusserst 
wichtig festzustellen. ob die Keime der oben genannten In- 
fectionskrankheiien, wenn sie in das Bier gelangen, absterben, 
oder in diesem Medium weiter gedeihen. Zur Erkennung der 
Choleravibrionen wurde ausser dem Culturverfahren die sog. 
Cholerareaction angestellt. Dieselbe beruht nach Salkowski 
auf der gleichzeitigen Entstehung von Indol nnd salpetrig¬ 
saurem Salz in den Cnlturen des Kommabacillus. Fügt man 
also zu derCultur verdünnte — am besten 20 pCtige Schwefel¬ 
säure hinzu, so entsteht eine rotlie Lösung. Verf. hat sich 
zunächst überzeugt, dass jede Cholerabacillencultur nach 
24—48stiindigem Wachstlmm die erwähnte Reaction giebt, 
sobald die benutzte Bacillencultur den richtigen Grad von 
Alkalescenz besitzt. Aus dieser Beobachtung folgt die Regel, 
dass man verdächtige Colonien nur mit Hilfe solcher Bouillon 
auf den Eintritt der Cholerareaction prüfen darf, in welcher 
eine unzweifelhafte Reincultur der Kommabacillen in einem 
Vorversuche die betreffende Reaction auftreten Hess. Wir«; diese 
Vorsichtsmassregel beachtet, so ist die. Cholerareaction das 
sicherste Kennzeichen der Kom uabacillen. 

Yerf. hat nun Versuche mit Weissbier und mit billigen 
in Berlin gebrauten Bieren angestellt. Die Resultate 
waren folgende: 1) Es ist wenig wahrscheinlich, dass 
die Cholera durch Bier übertragen werden kann, wenn oie 
Kommabacillen längere Zeit mit dem Bier in Berührung ge¬ 
wesen sind. Nach 24stündigem Verweilen im Bier sind die¬ 
selben sicher abgestorben. Aus diesem Grunde sollten Bier¬ 
seidel in Cholerazeiten nur mit sterilisirtem Wasser, also mit 
gekochtem oder mit heissem Wasser gereinigt werden. 2) Der 
hauptsächliche Grund, weshalb die Bacillen im Bier schnell 
absterben, ist die saure Reaction des Bieres. Die Versuche 
zeigten jedoch, dass die Vibrionen auch im alkalischen Biere 
nach einiger Zeit abgetödtet werden: es müssen also in dem¬ 
selben choleratödtende Stoffe enthalten sein. Vielleicht sind 
das Substanzen, die aus dem Hopfen stammen. Versuche mit 
Typhus und Milzbrandbacillen sind in der Arbeit nicht ange¬ 
führt. Abelmann. 

R. Stern: Ueber Immunität gegen Abdominaltyphus. 

(Deutsche medic. Woehenschr. Nr. 37). 

Bekanntlich haben G. und F. Klemperer, von der Vor¬ 
aussetzung ausgehend, dass der menschliche Organismus im 
Moment der Krise immun gegen die Pneomokokken-Infection 
sein müsse, das recht bemerkenswerthe Resultat gefunden, 
dass das Blutserum der Pneumoniker nach der Krise die 
Eigenschaft, besitzt, die Pneumokokken-Krankheit des Kanin¬ 
chens zu heilen, resp. diesem Thier Immunität gegen die¬ 
selbe zu veileihen. Verf. unternahm es nun zu untersuchen 
ob dieselben Folgerungen auch für den Abdominaltyphus 
gelten. Er untersuchte das Blut in sieben Fällen nach 
iiberstandenem Unterleibstyphus, dasselbe wurde entweder 
durch Venaesection oder durch blutige Schröpfköpfe erhalten. 
Zunächst sollte entschieden werden, ob im Blute des Menschen 
nach überstandenein Abdominaltyphns eine erhöhte bakterien¬ 
tödtende Kraft gegenüber dem* Typhusbacillus nachweisbar 
sei. Die zu untersuchende Flüssigkeit wurde in Portionen zu 
8 Tropfen mittelst steriler Pipette in sterile Reagensgläser 
eingenillt, und jede Portion mit einer Platinose einer Typhns- 
bacillen-Aufschwemmung geimpft. Die gleiche Menge der 
Aufschwemmung wurde in zwei Röhrchen mit verflüssigtem 
Agar-Agar gebracht und letztere zu Platten ausgegossen. 
Es ergab sich, dass das Blut von 5 kurz nach dem Ablauf 
des Typhus untersuch! eil Personen nicht nur keine gesteigerte, 
sondern in der Mehrzahl der Fälle sogar eine auffallend ge¬ 
ringe bakterientödtende Wirkung gegenüber dem Typhus- 
bacillus hatte; in einem Falle liess sich eine solche überhaupt 
nicht nachweisen. Dagegen hatte das Blutserum eines Patienten, 
welcher vor 17 1 2 Jahren Typhus überstanden hatte, sehr 
starke bakterientödtende Kraft. Als zweite Frage suchte 
Stern zu lösen, ob dieses Blut die Eigenschaft besitzt auf die 
bei Thieren durch den Typhusbacillus verursachte Krank¬ 
heit heilend einzuwirken. Es ergab sich, dass unter 6 kurze 
Zeit nach dem letzten Fiebertage untersuchten Typhusrecon- 
valescenten bei vier derselben aas Blut im Stande war Mäuse 
vor der Wirkung der T\plnisculturen zu schützen; in einem 
zweiten Falle wurde der Tod der Versuchsthiere merklich 
\erzögert. in dem sechsten Falle und ebenso bei dem 17'h 
Jahre nach überstandener Krankheit untersuchten Patienten 
war eine derartige Wirkung des Blutes nicht nachweisbar 


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394 


Um weiter die Frage zu entscheiden, ob das Blut die vom 
Typhusbacillus producirten Gifte unschädlich machen kann, 
stellte Verf. concentrirte keimfreie Giftlösnngen her. Wurden 
nun Mischungen des Serams der erwähnten 3 Typhusrecon- 
valescenten mit steriler Giftlösung (im Verhältnisse 1: 1 oder 
2:1) den Versuchstieren injicirt, so vertrugen diese eine der 
letalen Dosis entsprechende Menge unter nur leichten und 
rasch vorübergehenden Krankheitserscheinungen, während das 
Serum mehrerer Controllpersonen eine derartige schützende 
Wirkung durchaus vermissen liess. Verf. glaubt, dass man 
auf Grand seiner Versuche, beim Typhus die Transfusion des 
Blutes von Menschen, welche die Krankheit überstanden 
haben, wohl mit Nutzen ausführen dürfte: allerdings würde es 
zunächst immer nothwendig sein, sich vorher durch Thier¬ 
experimente von der Wirksamkeit des zu transfundirenden 
Blutes zu überzeugen. Abelraann. 

I. Heddaeus: Zur sogenannten Thränensack-Blen- 
norrhoe der Neugeborenen. (Klin. Monateblatt für 
Augenh. 1892- März). 

L. Weiss: Zur Behandlung der Erkrankungen der 
Thränenwege bei Neugeborenen. (Ibid. Juli). 

0. Lange: Zur Casuistik der Thränenschlaucheiterung 
bei Neugeborenen, (Ibid. September). 

Im Novemberheft des vorigen Jahrganges der klinischen 
Monatsblätter hatte Peters eine Arbeit veröffentlicht, in 
welcher er gestützt auf eine Reihe von Fällen behauptete, 
die sogenannte Thränensack-Blennorrhoe der Neugeborenen 
beruhe bisweil an lediglich auf einer Retention des normalen 
Secretes im Thränensack, infolge angeborener Atresie des unteren 
Sacks des Thränenschlauches; dementsprechend erforderte 
dieses Leiden bei Neugeborenen oft keine andere Behandlung, 
als Reinigung des Conjunctivalsackes und Ausdrücken des im 
Thränensack stagnirenden Secretes; bei letzterer Manipulation 
sollte die membranöse Atresie dem Drucke nachgeben und die 
Passage nach der Nase hin frei werden. (Siehe Referat in 
Nr. 51 des vorigen Jahrganges dieser Wochenschrift). 

Heddaeus schliesst sich nnn auf Grund eigener Beob¬ 
achtungen dieser Anschauung an und giebt zugleich ein 
differentialdiagnostisches Zeichen zur Unterscheidung des in 
Rede stehenden Znstandes von der wahren Blennorrhoe des 
Thränensackes: Bei der Atresie des Thränenschlauches ist die 
Conjunctiva normal und das stagnirende und in den Conjunc- 
tivalsack gelangende Secret ist ein physiologisches; im 
Schlafe sistirt die normale Absonderung der Thränensack- 
schleimhaut ebenso wie diejenige der Nasenschleimhaut. 

Wird also das Auge vor dem Schlafe sorgfältig gereinigt, 
so wird auch beim Erwachen kein Secret gefunden. Umge¬ 
kehrt verhält es sich bei der wahren Blennorrhoe des Thränen - 
sackes, bei welcher ein pathologisches Secret geliefert wird 
und die Conjunctiva stets catarrhalisch afficirt ist; hier sammelt 
sich das Secret hernach während des Schlafes besonders 
reichlich an. 

Ferner empfiehlt H. bei Atresie des Thränenschlauches, 
wenn sie durch Expression nicht zu sprengen ist, die Mün¬ 
dung des Thränennasenganges von der Nase aus zu sondiren. 

Weiss kann nach seinen Erfahrungen das von den ge¬ 
nannten Autoren Gesagte nicht bestätigen. Ohne die Möglich¬ 
keit in Abrede zu stellen, dass man m manchen Fällen mit 
einfacher Expression auskommt, meint W. doch in der Regel 
die Sondirung nicht entbehren zu können, dieselbe führte in 
mehreren hier mitgetheilten Fällen schnell zu dauernder 
Heilung. Ist nach wiederholtem Ausdrücken das Ziel nicht 
erreicht, so greife man ohne Zögern zur Sonde. W. giebt den 
dickeren Sonden den Vorzug vor den ganz dünnen. Die 
Sondirung von der Nase aus dürfte in praxi sehr schwierig 
werden. 

Der von Lange mitgetheilte Fall spricht sehr entschieden 
zu Gunsten der Anschauung von Peters und Heddaeus: 
Bei einem Neugeborenen fand sich Erweiterung des einen 
Thränensackes mit spärlichem Secret im Coiyunctivalsack. 
Druck auf die Thränen sackgegend entleerte eine eitrige 
Flüssigkeit aus dem entsprechenden Nasenloch, and damit trat 
dauernde Heilung ein. Blessig. 

Leo Bertensohn: Zur Statistik und Aetiologie des 
Scorbuts. (Deutsches Arch. für klin. Medic. Bd. XLIX. 
1892. September). 

Unter Zugrundelegung eines sehr reichen Materials, das 
aus der im Jahre 1889 im Nikolai-Militärhospital zu St. 
Petersburg beobachteten Scorbutepidemie stammt, hat der 
hochgeschätzte Verf. in der vorliegenden Monographie die 
zahlreichen bis jetzt veröffentlichten Angaben über das Wesen 
des Scorbuts kritisch gesichtet, dabei seinen eigenen An¬ 
schauungen in klarer und überzeugender Weise Ausdruck 
gegeben. Das Material — 225 Scorbutkranke ist vom Verf. 
vielseitig bearbeitet worden; die sich daran knüpfenden Be¬ 


trachtungen sind äUBsert werthvoll. 149 Kranke kamen mit 
Scorbut in das Hospital, 76 wurden im Spital angesteckt. 
Unter letzteren befanden sich hauptsächlich Typhus-Kranke, 
Tuberculöse, Patienten mit Magendarmkatarrhen. Auf alle 
diese Leiden hatte der Scorbut eine entschieden ungünstige 
Einwirkung. Dabei wurden durchaus nicht pur besonders 
elende Patienten betroffen, — im Gegentheil blieben solche 
oft verschont. Im Ganzen war die Epidemie eine gutartige. 
125 Fälle konnten als leichte bezeichnet werden: Anaeraia 
scorbntica, oberflächliche Su^illationen, geringe Erkrankungen 
des Zahnfleisches; 48 als mittelschwere: Muskelinfllträte. 52 
als schwere: schwere Erkrankungen der Schleim- und serösen 
Häute, Höhlenblutungen. Durch besondere Langwierigkeit 
zeichneten sich die Fälle mit Ergriffensein der Gelenke aus. 
Nur 3 Kranke starben an Scorbut ohne gleichzeitiges Bestehen 
einer anderen Krankheit, bei 2 derselben fand sich bei der 
Section eine haemorrhagische Pericarditis. 

Was die Aetiologie anlangt, so spricht Verf. seine Meinung 
dahin aus, dass der Scorbut unbedingt zu den contagiösen 
Infectionskrankheiten gezählt werden müsse, dabei spricht er 
den Ernährungs- nnd Wohnungsverhältnissen eine gewisse 
Bedeutung nicnt ab. Eine Ernährungsstörung resp.'ein Mangel 
an diesem oder jenem Nahrungsbestandtheil sei nicht im Stande 
Scorbut hervorznrufen, auch sei sie keine absolut nothweu- 
dige Vorbedingung zur Entwickelung der Krankheit, wohl 
aber könne sie in einzelnen Fällen als prädisponirendes 
Moment eine wichtige Rolle spielen. 

Die mehrfach empfohlene absolute Milchdiät bewährte sich 
nicht, dagegen ist Milch neben guter anderer Kost entschie¬ 
den vortheilhaft. Specifische Mittel gegen die Erkrankung 
sind bis jetzt nicht vorhanden. Einer Besserung der äusseren 
Verhältnisse und einer Verhütung jeder Ansteckung ist 
grössere Sorgfalt zuznwenden, als bisher. Abelmann. 


BQcheranzeigen und Besprechungen. 

Adolf Lesser: Atlas der gerichtlichen Medicin. 
2. Abth. Lieferung 6. Breslau 1892. Verlag der Schle¬ 
sischen Buchdruck., Kunst- und Verlagsanstalt vormals 
S. Schottländer. 

Die vorliegende Lieferung bildet den Schluss des gesammten 
Werkes. Zunächst bringt sie noch eine Reihe von Darstellungen, 
welche sich, wie in Aussicht gestellt war, auf die cadaverösen 
Veränderungen beziehen: faulige Verfärbung und blutige 
Imbibition der Haut, Mumification und Saponincation, sodann 
die wichtigsten cadaverösen Erscheinungen an den inneren 
Organen, ferner einen typischen Fall von postmortaler Inva- 
ginafion und schliesslich die. Folgen postmortaler Hitzeein¬ 
wirkung (Röstung). 

Ausserdem hat aber Verf. noch in durchaus dankenswerther 
Weise die beiden letzten Seiten des Atlasses einer Zusammen¬ 
stellung gewisser mikroskopischer Befunde gewidmet, welche 
jeder Genchtsarzt häufig in 'die Lage kommt erheben zu 
müssen. Sowohl zu Vergleichs- als auch ganz besonders Un¬ 
terrichtszwecken ist eine derartige Tafel nicht hoch genug 
anzuschlagen. Wir finden hier das mikroskopishe Bild von Blut¬ 
körperchen des Menschen, vieler Sängethiere, eines Vogels und 
eines Fisches theils im frischen Zustande, theils nach vorans- 
gegangener Eintrocknung wieder zpm Quellen gebracht. 
Üeber die gerichteärztliche Bedeutung und Verwerthbarkeit 
dieser Bilder spricht sich Verf. in dem begleitenden Texte 
klar und deutlich aus. Je eine colorirte Zeichnung ist den 
Teichmann’schen Hämincrystallen, (nur vermissen wir hier 
leider den dunkeln Farbenton und die Zwillingsformen) und den 
menschlichen Spermatozoen (nach Färbung mit Bismarckbraun) 
gewidmet. Hierauf folgen einige in der Textilindustrie ver¬ 
wendeten Gewebsfasern und den Beschluss bildet eine Samm¬ 
lung von Haarabbildungen, in der mehrere Arten von mensch¬ 
lichen Haaren und die Haare der verschiedensten Thiere ver¬ 
treten sind. 

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass dem Texte dieser 
letzten Lieferung ausser einem Index für den 2. Theil des 
Werkes auch noch ein Sachregister beigegeben ist, in welchem 
beide Theile des Atlas Berücksichtigung finden. 

Schon bei der Besprechung der einzelnen Lieferungen haben 
wir Gelegenheit gehabt, die vielen Vorzüge dieses einzig in 
der forensisch medicinischen Literatur dastehenden Tafel¬ 
werkes hervorzuneben. Der vor Jahren erschienene erste 
Theil desselben (die Vergiftungen behandelnd) hat sich be¬ 
reite in dem leider für ein solches Unternehmen nicht aus¬ 
reichend grossen, Interessentenkreise die wärmsten Freunde 
erworben, welche es dem Verf. und auch dem Verleger sicher 
Dank wissen, dass sie vor keinen Schwierigkeiten zurück¬ 
schreckend das Werk zu einem so schönen Abschluss geführt 
haben. Indem wir ihnen dazu Glück wünschen, sprechen wir 
die Hoffnung aus, dass sich der Atlas der gerichtlichen Medicin 
noch viele neue Freunde nicht nur in akademischen Kreisen, 
sondern auch besonders unter den praktisch thätigen Gerichte¬ 
ärzten erwerben möge. Wladimirow. 


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396 


Prof. A. Guttstadt: Deutschlands Gesundheitswesen. 
Leipzig. Georg Thierae. Band I. 575 pag. 1890, Band 
n. 1891, 581 pag. 

In diesem ausführlichen, mit grossem Fleiss und echt deutscher 
Sorgfalt zusammen gestellten \\ erke erhält der Leser einen 
eingehenden Begriff von der Organisation und Gesetzgebung 
des deutschen Seiches und seiner Einzelstaaten. 

Es beginnt im I. Bande mit der Organisation der Medicinal 
behörden in den 26 Einzelstaaten, giebt dann die Reichsge- 
setze und alle auf Ausübung der Praxis bezüglichen Punkte, 
wobei namentlich sehr ausführlich die Honorarirage behandelt 
ist. Fast der ganze 2. Band handelt von der «Bekämpfung 
ansteckender und gemeingefährlicher Krankheiten». 

Es ist viel werthvolles Material in diesem Werke an ge¬ 
häuft, das hoffentlich recht bald dazu verwerthet wird, eine 
einheitliche Sanitäts-Gesetzgebung für Deutschland zu schaffen, 
deren Abwesenheit sowohl aus diesem Buche, wie auch aus 
den jüngsten trüben Erfahrungen in Hamburg so klar her¬ 
vorgeht. Bisher variiren die verschiedenen Gesetze in den 
Einzelstaaten wohl noch bedeutend. Aber nicht nur für 
Deutschland, sondern für die Sanitätsbehörden jedes anderen 
Landes wird, das Buch stets ein werthvolles Quellenwerk 
bleiben und macht es seinem Autor alle Ehre. 

0. Petersen. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 12. Mai 1892. 

1. Herr Moritz berichtet über folgenden Fall einer eigen- 
thümlichen Infectionskrankheit. 

Am 17. April wurde M. zu einer alten Dame gerufen, einer 
Verwandten, die er seit ihrer Jugend kannte. Er erfuhr, dass 
sie etwa 12 Tage krank sei; der anfänglich behandelnde Arzt 
hatte die Krankheit zuerst als Lungenentzündung bezeichnet, 
jedoch in den letzten Tagen von Typhus gesprochen und eine 
Consnltation in Aussicht gestellt, — es waren ihm augen¬ 
scheinlich diagnostische Zweifel gekommen. 

Die Krankheit hatte mit starkem Fieber begonnen, dabei 
hat Patientin gehustet und viel ausgeworfen, der Auswurf 
war indessen me blutig oder bräunlich gewesen, Glieder- uud 
allgemeine Brustschmerzen, Appetit- und Schlaflosigkeit, un¬ 
regelmässiger Stuhl, oft Uebelkeit, selten Erbrechen. Was die 
Patientin am meisten quälte waren Fieber-Anfälle mit Schüt¬ 
telfrost, die in den letzten Tagen 1—2 mal täglich sich wie¬ 
derholten, dann war meist Antipyrin oder Chinin gegeben 
worden, was Schweiss und subjective Erleichterung bewirkte. 
Die Temperaturen zeigten starke Schwankungen von 37° bis 
40°. Das Sen8orium war frei. 

Bei der ersten Untersuchung fand sich das Herz in allen 
Beziehungen normal, der Puls c. 100. regelmässig. lieber den 
Lungen überall sonore Percussion, die Auscultation zeigte zahl¬ 
reiche mittel und feinblasige katarrhal. Rasselgeräusche, die 
nur,r. h. u. etwas consonirenden Charakter trugen bei etwas 
hauchendem Exspirium. Der Lungenbefund war ein solcher, 
wie er während der Influenzaepiaemie oft beobachtet und be¬ 
zeichnend ist für das Vorhandensein kleiner katarrhalpneumo- 
nischer Herde neben ausgebreiteter Bronchitis. Die Leber war 
palpabel mit frei mobilem etwas druckempfindlichem Rande. Die 
Milz percntorisch gross, liess sich nur undeutlich beim Inspi 
riren durchfühlen. Zunge etwas belegt, nicht ganz trocken. 
Leib schmerzlos, weich, voll; kein Ileo-Coecal-Gurren, ge¬ 
formter Stuhl auf Klysma. Der leicht trübe gelassene Urin 
hellte sich beim Kochen etwas auf, enthielt also wahrschein¬ 
lich etwas Schleim, gewiss kein Eiweiss. M.’s Diagnose lautete: 
acute fieberhafte Infectionskrankheit mit Lungen- 
affection. Welches von den bekannten Infectionsöebern es 
sei, konnte zunächst nicht gesagt werden, in Frage kommen 
konnten: Influenza und Abdominaltyphus — aber gegen beide 
Annahmen Hessen sich gewichtige Bedenken erheben. Gegen 
Influenza, — was immerhin noch am meisten für sich hatte, — 
schienen die häufigen Schüttelfröste zu sprechen, wenn die¬ 
selben nicht vielleicht durch Reaction auf Antipyrin — Ent¬ 
fieberung — bedingt waren. 

Es wurden nunmehr alle Antipyretica weggelassen, Salmiak¬ 
mixtur verordnet, — Ernährung vorwiegend durch Milch 
und Wein. 

In den ersten Tagen nach der veränderten Therapie wieder¬ 
derholten sich noch einige Schüttelfröste mit Anstieg über 
39,0°, danach wurde das Fieber niedriger aber constanter mit 
Morgen-Remissionen unter 38,0°. Husten, Auswnrf, Athem- 
frequenz Hessen nach; das 2 mal untersuchte Sputum war 
frei von Tuberkel-Bacillen. Ueber den Verlauf kann Vortr. in 
allgemeinen Zügen nur aus der Erinnerung berichten, da die 
Temperatur- und anderweitigen ärztlichen Notizen aus missver¬ 
standener Ansteckungs-Angst von den Angehörigen verbrannt 
wurden. 

Etwa um den 23. April zeigte sich am Rücken und an der 
Brust ein grossfleckiges Exanthem von anfangs bräunlich- 


rother Farbe, dasselbe bedeckte allmälig, z. Th. in grössern 
confluirten Flächen, den ganzen Rumpf und blasste, etwas 
gelb.ich werdend, in etwa 6 Tagen vollkommen ab; — danach 
blieb die Haut rein, blass. Husten und Auswurf verminderten 
sich immer mehr, dagegen bUeb die Anorexie bestehen, — Wi¬ 
derwille gegen jegliche Nahrung, grosses Schwftchegefühl. Die 
Arzneimittel Salmiak, Campher, Valeriana mit Strophantus 
n. 8. w. mussten eines nacn dem andern fortgelassen werden 
um Erbrechen zu vermeiden. Nachdem einige Zeit Klystiere 
gemacht waren, trat etwa um den 28. April häufiger Durchfall 
auf mit Abgang flüssiger, erbsen puree-ähnlicher, Massen; der 
Leib war etwap anfgetrieben, es folgten im Laufe von 2 Tagen 
eine Reihe blutiger Ausleerungen, in welchen einzelne grossere 
Coagula kenntlich waren. Die Temp. ging nun stetig hinunter 
— in den letzten Lebenstagen bis unter 36°,0. Zum 1. Mai 
war unter Opium innerUch und Campher snbentan ein Still¬ 
stand des Durchfalles eingetreten, — am 3. Mai begann un¬ 
stillbares Erbrechen, das durch jeden Versuch etwas zu sich 
zu nehmen hervorgerufen wurde. Sogar gegen Eisstückchen 
wurde protestirt. Das Erbrechen war dünn, grünUch grau 
und hatte deutlich fäculenten Geruch — offen! ar Danninhalt. 
Eine Cocain-Injection schien für einige Zeit Erleichterung zu 
bringen, doch bald begannen unwillkürliche Abgänge; der seit 
Eintritt des Durchfalls rascher zunehmende Collaps bei klein¬ 
werdendem' Pulse führte zum Exitus am 5. Mai. 

M. war beim Tode der Pat. über die Diagnose kaum weniger 
im Unklaren als beim ersten Besuch. Die Durchfälle mit Darm¬ 
blutung schienen ein Indicium für Abdominal-Typhus, jedoch 
widersprach so Vieles dieser Annahme, dass die Vermuthnng, 
es könne sich hier um eine ganz ungewöhnliche noch nicht 
rubricirte Infectionskrankheit handeln, als die wahrscheinlichste 
erschien. Pat. lebte unter ganz ausnahmsweise ungünstigen 
äus8ern Bedingungen: Sie bewohnte in einem baufälligen alten 
Holzhause an der Ligowka ein grosses 3 fenstriges Zimmer, 
dessen Dielen ganz defect. breite Ritzen hatten. Im Hofe des 
Hauses war eine Niederlage von Lumpen und vor ihren 
Fenstern dehnten sich unabsehbare Hügel von gefrorenen 
Abfuhr-Stoffen aus der ganzen Stadt, welche aUmählig auf- 
thauten und vielen hundert Schweinen zur Weide dienten. 
Hier führte sie ein durch manches Kümmerniss und Sorge um 
einen kranken Grosssohn trübes Leben; es wäre erklärHch, 
dass dieser alte, schwächliche, psychisch gedrückte Organismus 
einer Invasion von äussern Fäulnisserregeru unterlag, während 
andre kräftigere nicht inficirt wurden. 

Section 6. Mai. (l)r. de la Croix). 

Ziemlich magere, blasse Leiche, kein Exanthem. 

Brusthöhle: Beide Pleurasäcke frei von Flüssigkeit, die 
linke Lunge nirgends, — die rechte nur mit ihrem obern Lappen 
adhärent. Geringes Emphysem der Lungenränder. In beiden 
untern Lungenlappen, besonders rechts zerstreute katarrhal¬ 
pneumonische Herde. Zahlreiche subplenrale Ekchymosen. Herz 
klein, parenchymatös degenerirt, auf dem Schnitt lehmfarben. 
Die Klappen intact. 

Bauchnöhle frei, trocken, Peritoneum spiegelnd. Leber 
raittelgross, vorderer Rand geschrumpft, scharf, der linke 
Lappen uneben; auf dem Schnitt Muskatnuss-Zeichnung, im 
Gewebe zerstreute kleine graue glasige Knötchen und Puncte. 
Milz gross (15 1 /*,—8,—4 Cent.) Kapsel verdickt und gerunzelt, 
Gewebe weich, blass rothbraun. Nieren-Kapsel z. Th. adhärent. 
Die rechte Niere ziemlich gross, dunkelroth, an einer Stelle 
der Oberfläche ein flammiger gelbUcher Fleck. Die Hnke Niere 
normal gross, roth, blass gesprenkelt. Beide Nieren an der 
Oberfläche granuHrt, weich, — Corticalis schmal, Pyramiden- 
Zeichnung undeutlich; das ganze Gewebehyperämisch,enthält 
eine grosse Menge gelber weicher Knötchen von Nadelspitze 
bis Nadelkopf-Grösse — kleine Abscesse, welche beim Ein¬ 
schnitt gelben Eiter entleeren, Schleimhaut des Nierenbeckens 
injicirt, nicht geschwellt, spiegelnd. 

Im Magen am Fundus ein snbmucöser schwarzbrauner 
Fleck (4 1 / 2 —2 Cent.) — Ueberbleibsel eines in Resorption begrif¬ 
fenen Blut-Extravasats. 

Im ganzen Darmtractus nichts Abnormes — insbesondere 
keine Ulcera oder deren Narben, Harnblase frei, ihre Schleim¬ 
haut gesund. 

Ira Uterus einzelne kleine Myome; etwas schleimiger Katarrh 
im Cervialcanal. 

Ueber den bakteriologischen Befund referirt Herr 
de la Croix folgendes: 

In den bei der Section am 6. Mai angefertigten Deckglas- 
Trocken Präparaten fanden sich bei der mikroskopischen Unter¬ 
suchung sowohl des Blutes als hauptsächlich des Eiters aus 
den multiplen Nierenabscessen zahlreiche Kokken, häutig in der 
Anordnung von Diplokokken, aber auch vereinzelte Strepto¬ 
kokken. Ferner fanden sich in den Präparaten aus dem Blute 
vereinzelte, in denjenigen aus den Eiterheerden der Nieren 
dagegen stellweise sehr zahlreiche kurze Bacillen, deren End¬ 
pole sich oft stärker färbten als die Mittelstücke. Diese Bacillen 
erschienen jedoch plumper und dicker, als die Influenzabacillen 
beschrieben werden, und näherten sich in ihrer Form den 
früher als Bakterium termo, jetzt als Bacillus saprogenes be- 


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zeichneten, bei Fänlnissprocesseu beobachteten Bakterieua: , t< > n. 
Eg muss die Krankheit daher als ein pyämischer Process 
bezeichnet werden, dessen Ursprungs- resp. Einfallspforte bisher 
unaufgeklärt geblieben ist. Als letztere könnten vielleicht die 
Lungen angesehen werden, da atn Beginne der Erkrankung 
Lungenerscheinungen beobachtet worden sind und z. B. putride 
Bronchitis zur Erzeugung sogar von Leberabscessen voll¬ 
ständig ausreicht. Jedenfalls ist die Anwesenheit von Bacillen 
in den Nierenherden ein anssergewöhnlicher Befund und 
bringt die Untersuchung der bisher noch nicht schnittreifen 
Gewebsstücke vielleicht nähere Aufklärung. 

Auch de la Croix ist geneigt, den Process nicht für eine 
gewöhnliche Pyätnie. sondern für eine besondere Infections- 
krankheit. etwa eine Fäulnissinfeclion zu halten. 

P.S.Die nachherige Untersuchung der Schnittpräparate konnte 
nur die Pyämie bestätigen, indem sich zahlreiche Embolien 
von Kokken in den Capillaren der Leber.- und namentlich der 
Niereuarterien fanden. Ausserdem erwiesen sich den oben 
beschriebenen Bacillen durchaus ähnliche auf den Schnitten 
zerstreut namentlich im Gewebe der Nieren, doch konnte sich 
keinerlei Schluss ant die Specificität derselben ziehen lassen, 
namentlich, da es nicht ausgeschlossen erscheint, ob sie nicht 
einen postmortalen Leichenbefund bildeten (dieSection hatte mehr 
als 24 Stunden nach dem Tode stattgefunden), 

2. Herr Westphalen hält einen zum Druck bestimmten 
Vortrag: «Zur Symptomatologie der fibrösen Mediasti¬ 
nitis» (cfr. St. Petersb. med. W. Nr. 29). 

Secretär: E. Blessig. 


Vermischtes. 

— Am 10. October faud hierselbst die Jahresver¬ 
sammlung der russischen sy philidologischen 
und der m a tologischenGe Seilschaft statt, welche 
fast ausschliesslich der Feier des 3Qj ä h r i g e n Jubiläums 
des Professors der militär-medieinischen Akademie Dr. Ben¬ 
jamin Tarnowski, gewidmet war. Die genannte Ge¬ 
sellschaft hat Prof. Tarnowski, welcher seit der Grün¬ 
dung der Gesellschaft (vor 8 Jahren) Präsident der Gesell¬ 
schaft ist, zu ihrem Ehrenmitgliede gewählt und 
ausserdem beschlossen, auf den Namen des Jubilars eine 
Prämie zu stiften, welche für die beste Arbeit auf dem 
Gebiete der Syphilidologie vergeben werden soll. In derselben 
Sitzung überreichte der Präsident der Moskauschen venerolo- 

f ischen und dermatologischen Gesellschaft, Dr. Pospelow, 
era Jubilar eine Adresse und das Ehrenmitglieds-Diplom der 
Moskauschen Gesellschaft. Die Gesellschaft der Odessaschen 
Aerzte hat ebenfalls Prof. Tarnowski zu ihrem Ehren¬ 
mitgliede gewählt. 

An die Feier schloss sich ein Souper im Restaurant «Bär». 
— Die hiesige Gesellschaft russischer Aerzte 
hat in ihrer letzten Sitzung die Professoren der militär-raedi- 
cinischen Akademie Iwanowski und Dobrowolski zu 
Ehrenmitgliedern gewählt. Prof. Iwanowski ist 
bekanntlich seit dem Tode Prof. B o t k i n ’ s Präsident der 
genannten Gesellschaft. 

— Der Professor der militär-medicinischen Akademie Dr. 
I. P. M ier zej e wski und der Professor der Moskauer 
Universität Dr. Erismann sind von der medicinischen Ge¬ 
sellschaft in Omsk zu Ehrenmitgliedern gewählt 
worden. 

— Zum Nachfolger Prof. Man assein’s auf den Lehr¬ 
stuhl der speciellen Pathologie und Therapie 
an der militär-medicinischen Akademie ist in 
der letzten Conferenzsitzung der Akademie derPriva'docent und 
Oberarzt des städtischen Barackenhospitals, Dr. N i 1 u s 
S 8 o k o 1 o w , mit grosser Majorität gewählt worden. Es 
hatten sich im Ganzen 10 Candidateu für diese Professur ge¬ 
meldet. 

— Dem Director des hiesigen Kinderasyls zum Andenken 
an den 19. Februar 1861, Geheimrath Dr. Andreas Mein¬ 
hard , ist das Ehrenzeichen füröOjährigen tadel¬ 
losen Dienst Allerhöchs verliehen worden. 

— Verstorben: 1) Am 2. October in Dünaburg einer 
der beliebtesten dortigen Aerzte, Hofrath Dr. August 
Wernitz nach kurzer Krankheit im 43. Lebensjahre. W. 
wurde in Warschau als Sohn eines Capellraeisters geboren, 
erhielt seine Schulbildung im Rigaschen Gymnasium und be¬ 
zog die Universität Dorpat im Jahre 1869, um daselbst Theo¬ 
logie zu studiren. Mangel an Mitteln zwang ihn jedoch, 
dieses Studium wieder aufzugeben und nach Warschau zu 
elien, wo er sich dem Studium der Medicin widmete. Im 
ahre 1873 kehrte er, mit einem Stipendium ausgerüstet, nach 
Dorpat zurück und beendete dort seine Studien im Jahre 1876. 
Im Jahre 1880 wurde er zum Doctor raedicinäe promovirt. 

Nach Absolvirung seiner Studien war Wernitz succes- 
sive Arzt auf dem Kriegsschauplätze in Bulgarien während 
des letzten Türkenkriegee, Ordinator am Militärhospital und 


Arzt der Festungsartillerie in Dünabnrg. Schon seit längerer 
Zeit an einem Herzübel leidend, nahm er im Jahre 1886 seinen 
Abschied, um sich als freiprakticirender Arzt ganz seiner 
ausgebreiteten Praxis zu widmen, die er mit seltener Hinge¬ 
bung und Treue, trotz des eigenen Leidens, bis zu seinem 
Lebensende ansgeübt hat. 

2) Am 5. October ln St. Petersburg der frühere Oberarzt 
des 3. Sappeur Bataillons, Dr. Woldemar Abel, im 62. 
Lebensjahre. Der Hingeschiedene stammte aus Estland und 
hatte seine medicinische Ausbildung in Dorpat erhalten, wo 
er als Provisor der Moskauer Universität von 1858—64 Medicin 
studirte. Nach Erlangung der Doctorwürde wurde A. Militär¬ 
arzt und war als solcher Arzt des Orenburgschen Infanterie¬ 
regiments, sodann Oberarzt des 18. Schützenbataillons und 
seit 1879 (Iberarzt des 3. Sappeur-Bataillons (anfangs in Riga 
dann in Grodno und Wilna). 

3) Am 4. October der Oberarzt des Marieulazareths bei den 
der Admiralität gehörigen Ishoraschen Fabriken in Kolpino 
bei Petersburg. Dr. I. I. Rosow, im 59. Lebeny ahre. 4) Am 
9. October in St. Petersburg der frühere Schlüsselburgsche 
Arzt S. A. Basch ki re w. 5) In Kilija (Bessarabien) der 
dortige Stadtarzt Franz Lab udzinski im 62. Lebens¬ 
jahre an Zungenkrebs. Der Verstorbene, welcher seit Ab¬ 
solvirung seiner Studien in Kiew (1861) ununterbrochen in 
Kilija als Arzt, gewirkt hat, erfreute sich der allgemeinen 
Beliebtheit. 

— Zum zweiten Professor beiraLehrstu hl der 
operativen Chirurgie und topographischen 
Anatomie an der militär-medicinischen Aka¬ 
demie ist der Consultant bei der Ambulanz der Heilanstalt 
der Grossfürstin Maria Alex and rowna, Herzogin von 
Edinburg. Dr. A. I. Jakobson ernannt worden. (Das Amt 
des ersten Prosectors versieht seit vielen Jahren der Privat- 
docent Dr. S. P. Kalantarianz). 

— Zum Rector der Dorpater Universität ist. 
an Stelle des auf sein Gesuch wegen Krankheit ans dem 
Dienst entlassenen Professors Dr. 0. M e y k o w, der ordent¬ 
liche Professor der Warschauer Universität Dr. Budilo- 
witsch ernannt worden und bereits in Dorpat eingetroffen. 

— Der bekannte Massagearzt Dr. Mezger beabsichtigt, 
wie verlautet, im April nächsten Jahres aus Wiesbaden nach 
Paris überzusiedeln. Als Grund seines Wegzuges soll 
Mezger angeben, dass er seinen Söhnen nachdem die deut¬ 
sche Erziehung derselben vollendet sei, auch eine französische 
Ausbildung geben wolle. 

— Nach der «Riforma medica» ist die Zahl der Aerzte 

in Italien eine übermässig grosse, noch grösser als in 
Deutschland. In Neapel z. B. kommt anf 513 Einwohuer 
bereits ein Arzt. Hand in Hand damit geht die Verminde¬ 
rung der Einkünfte der Aerzte, welche nach den Zusammen¬ 
stellungen der Generalsteuerdirection unter allen freien Be¬ 
rufsarten (Advocaten, Notaren, Ingenieuren etc.) das geringste 
Einkommen anfweisen, (A. m. C.-Ztg.). 

— Die Aerzte des weiblichen Obuchowhospitals haben be¬ 
schlossen, das Andenken des im vorigen Janr verstorbenen 
Dr. Hinze, welcher der Anstalt 23 Jahre lang angehört 
hat, durch Auf hängen seines Porträts im Dejourzimmer, zu 
ehren. 

— In erfreulicher Weise lindet die Thätigkeit der Aerzte 
und des medicinischen Personals während der letzten Typhus- 
und Cholera-Epidemie in immer weiteren Zweigen Aner¬ 
kennung. Zu den von uns bereits früher mitgetheilten Aner¬ 
kenn ungsbe weisen fügen wir heute noch einige hinzu. So hat 
die S 8 a m a r a s c h e S t a d t v e r w a 1 1 u n g beschlossen, den 
DDr. Dwoitschenko und Ssimakow, sowie sämmt- 
lichen Studenten, welche in Ssamara bei der Bekämpfung der 
Epidemie tbtttig gewesen sind, ihre Erkenntlichkeit auszu¬ 
drücken und denselben zum Andenken an ihre nützliche 
Thätigkeit goldene Jetons mit einer entsprechenden Auf¬ 
schrift darznbringen. ausserdem noch über die in hohem Grade 
nutzbringende Thätigkeit derselben dem Kriegsminister, so¬ 
wie dem Vorstande der militär-medicinischen Akademie und 
der Kasanschen Universität zu berichten. Die Einwohner 
von Samarkand haben Dr. N. M. Dranizyn eine in 
höchst anerkennenden Worten abgefasste Adresse und ein 
Werthgeschenk für seine selbstverleugeude Thätigkeit wäh¬ 
lend der Choleraepidemie überreicht und ihm zu Ehren ein 
Diner veranstaltet. Die Koslowsche Duma hat be¬ 
schlossen den Aerzten, welche während der Choleraepidemie 
in Koslow' thätig waren, eine Geldgratitication znkommen zu 
lassen. Das Charkowsche Stadtamt hat den Aerzteu 
Michailow, Tscherewkow, Lesse witsch, N e - 
mirowitsch und Fedossejewa für ihre gewissenhafte 
und aufgeopfernde Thätigkeit während der Choleraepidemie den 
Dank abgestattet. Den Aerzten Bobin, Prokopenko 
und A k i m e n k o hat dieses Stadtamt noch seine besondere 
Erkenntlichkeit für die unentgeltliche Besorgung der Nacht- 
dejouren ausgedrückt. 


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— Das St. Petersburger Stadtamt, die städtischen Hospital- 
und die städtische Sanitätscommission haben in einer ver¬ 
einigten Sitzung beschlossen, bei der Duma den Antrag zu 
stellen, den Etat der städtischen Sanitätsärzte zu vergrössern 
(von 26 auf 41) und denselben für das ganze nächste Jahr 
beizubehalten. Zur Gagirung dieser zn den jetzt bereits au¬ 
gestellten 26 Aerzten hinzukommenden neuen 15 Sanitäts- 
ärtze erbittet sich die Commission einen Credit von 18,300 Rbl. 
für das nächste Jahr. Die Gage für die von der Sanitäts- 
Commission neu anzustellenden Sanitätsärzte ist auf 100 Bbl. 
monatlich für diejenigen veranschlagt, welche keine andere 
Stellen im Polizei- oder städtischen Dienste bekleiden, für 
diejenigen Aerzte aber, welche bereits bei der Duma oder der 
Polizei dienen, nur auf 75 Rbl. monatlich. 

— Am 6. October ist in Moskau eiue von den dortigen Militär¬ 
ärzten eingerichtete Heilanstalt für unentgeltliche 
ambulatorische Behandlung von Kranken eingeweiht 
worden. Die Kosten der Erbauung des zweistöckigen Gebäudes 
für die Anstalt hat der Wohltbater S. J. Malj uschin getragen. 
Das Gebäude enthält, ausser einem grossen Saal für die Versamm¬ 
lungen des militär-ärztlichen Vereins, 10 ärztliche Cabinets, 
ein Operationszimmer, eine Bibliothek, Apotheke und Kran¬ 
kenzimmer mit 7 Freibetten, welche von Privatleuten ge¬ 
stiftet sind. 

— Vom October d. J. an wird das neue Organ der Gesell¬ 
schaft Odessaer Aerzte unter dem Titel «lOatHO-Pyccnaa ue- 
AHgBBQK&a rasera» (Südrussische medicinische Zeitung) heraus¬ 
gegeben werden. Die neue Wochenschrift wird 1—1 */* Bogen 
stark unter der Redaction der Aerzte A. VV. Kor sch, 0. 0. 
Motschutkowski, M. G. Pogrebinski, N. A. Stroganow 
und M. A. Finkeistein erscheinen. Der Abpnememspreis 
beträgt 6 Rbl. für’s Jahr. (Die Gesellschaft der Odessaer 
Aerzte hat bei der Stadtverwaltung um eine jährliche Sub¬ 
vention von 2000 Rbl. zur Herausgabe dieser Zeitung nach¬ 
gesucht). 

— Die vor Kurzem verstorbene Frau E. A. Kuhn hat der 
Stadt Moskau 143,040 Rbl. zum Bau einer Baracke bei 
der städtischen psychiatrischen Heilanstalt testa¬ 
mentarisch vermacht. 

— Ein gewisser Levy hat der französischen Akademie der 
Wissenschaften 50,000 Frcs. vermacht, deren Zinsen jährlich dem 
Pasteur’schen Institut behufs Erforschung der Diph¬ 
therie übergeben werden sollen. Das Kapital soll demjenigen 
ausgezahlt werden, der eine wirksame Behandlung dieser Krank¬ 
heit entdeckt. 

— Die Choleraepidemie in den von ihr ergriffenen 
Gebieten des russischen Reiches weist eine stetig fort¬ 
schreitende Abnahme auf. Nach den für die Zeit vom 29. 
September bis 7. October veröffentlichten officiellen Daten 
kam die grösste Zahl der Choleraerkrankungen auf das Gou¬ 
vernement Ssamara (vom 28. Sept. bis 5. October 904 Erkran¬ 
kungen und 363 Todesfälle), dann folgen die Gouvernements 
Tambow (725 Erkrankungen und 333 Todesfälle), Ssaratow 
(641 resp. 359), Woronesh und hjublin. Unter den Städten 
hatte St. Petersburg in der in Rede stehenden Woche die 
meisten Erkrankungs- und Todesfälle, nämlich vom 30. Sept. 
bis 7. October 88 Erkrankungen mit 29 Todesfällen. Es weist 
die letzte Woche aber auch tür Petersburg eine deutliche Ab¬ 
nahme auf: vom 7.—14. October erkrankten hier 36 Personen 
starben 19 und genasen 59. Zum 14. October verblieben in den 
hiesigen Hospitälern im Ganzen 42 Cholerakranke (gegen 84 
am 7. Oct.). Am 11. nnd 13. October ist hier nur je ein Cho¬ 
lera-Todesfall vorgekommen. Nach den officiellen Bulletins 
betrug die Gesaramtzahl der Cholerakranken bis zum 14. Oc¬ 
tober 4040, die der Genesenen 2827 und der Verstorbe¬ 
nen 1218. 

In Riga ist am 9. October keine neue Erkrankung vorge¬ 
kommen und sind in Behandlung nur noch 7 Kranke ver¬ 
blieben. 

In Kronstadt ist die Cholera erloschen. 

In Hamburg ist die Epidemie dem Erlöschen nahe. Am 
19. October ist dort zum ersten Mai kein einziger Todesfall 
und nur eine Cholera-Erkrankung vorgekommea. Nach einer 
Zusammenstellung des statistischen Amtes sind in Hamburg 
in der Zeit vom 17. Aug. bis 13. Oct. 17,929 Personen erkrankt 
und 7592 gestorben. Es betrug die Sterblichkeit also 13 pro 
Mille der Bevölkerung. 

ln Altona sind bis zum 5. Oct. 299 Personen gestorben, 
also 2 pro Mille. 

ln Belgien sind nach dem Bericht des dortigen Directors 
des Gesundheitsdienstes seit dem 21. Juli d. J. 1135 Personen 
an der Cholera erkrankt und 564 gestorben, also 50 pCt. der 
von der Seuche Ergriffenen ihr erlegen. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St.Petersburgs betrug am 4. October d. J. 5814 
(53 mehr als in der Vorwoche), darunter 212 Typhus — (20 
weniger), 628 Syphilis — (44 mehr), 24 Scharlach — (2 mehr), 


14 Diphtherie — (7 mehr), 17 Masern — (8 weniger), 7 
Pocken — (1 mehr) und 84 Cholerakranke (19 weniger als in 
der Vorwoche). 

Am 11. October d. J. betrug die Gesammtzahl der 
Kranken in den Civilhospitälern St. Petersburgs 
5418 — (104 mehr als in der Vorwoche), darunter 179 Typhus 

— (33 weniger), 640 Syphilis — (12 mehr), 24 Scharlach — 
wie in der Vorwoche). 19 Diphtherie — (5 mehr), 21 Masern 

— (4 mehr), 5 Pocken -- (2 mehr) und .63 Cholerakranke — 
(21 weniger). 


Vacanzen. 

1) Es wird ein Arzt für den 4. ined. Bezirk des Kreises 
Noworschew (Gouv. Pskow) gesucht. Gehalt 1200Rbl.jährl. 
bei freien Amtsfahrten. Adresse: « RoBopscescKaa Bevcieaa 
ynpaiia». 

2) In der Stadt Jeisk (Kubangebiet) ist die Stelle eines. 
Hospitalarztes erledigt. Gehalt 1000 Rbl. Die Meldung 
geschieht bei der «Eficsaa Popojcitaa ynpasa». 

3) In der Stadt Wessjegonsk (Gouv. Twer) ist die Stelle 
eines Arztes beim Krankenliause zu vergeben. Nähere 
Auskunft ertheilt die <BecneroHCKaa SeMcitaa ynpaßa». 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 4. October bis 10. October 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 

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48 

52 

47 

37 20 


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2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 4, Febris reenrrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 1, Pocken 3, Masern 0, Scharlach 6, 
Diphtherie 3, Cronp 0, Keuchhusten 3, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 14, Erysipelas 2, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 34, Ruhr 0, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 1, Pyämie und Septicaemie 5, 
Tuberculose der Lungen 75, Tubercoiose anderer Organe 9, 
Alkoholismus und Delirium tremens 3, Lebensschwäche und 
Atrophia infantum 21, Marasmus senilis 14, Krankheiten des 
Verdauungscanals 42, Todtgeborene 21. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 27. Ootober. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 19. October. 


Diejenigen Herren, welehe der Bibliothek des Vereins St. Pe¬ 
tersburger Aerzte die nachstehend aufgezählten Zeitschriften 
entnommen haben, ohne den betretenden Vermerk in dem dazu 
in der Bibliothek ausliegenden Bach zu machen, werden 
höfliehst ersucht, die Zeitschriften zu retourniren oder über 
ihren Verbleib Mittheilung zu machen. 

1. Virchow’s Archiv Band 20. 

2. Deutsche mediciu. Wochensclirift Jahrgang 1882, 1884. 
1886, 1887. 

3. Berliner klin. Wochenschrift Jahrgang 1880, 1881, 1883, 
1888. 

4. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Baud 27. 

Dr; Wandch, 
Bibliothekar des Vereins 
St. Petersburger Aerzte. 


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Stuhl Verstopfung; Leberleiden; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
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398 


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floao. neaa. Cn6.17 Oxrx6pa 1892 r. Herausgeber: Dr. Rudolf ; W an ach, Buchdruckerei von A. Wienecke, KathariDenhofer'Pr.JAl5> 


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XVII. JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


UEDIIIIIISC1E WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 

Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» ersclieiut jeden fiü^ Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate "VS 
Sou nabend. — Der Abonnementspreis ist in Russland 8 Rbl. für das bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Oarl Rioker in 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. t'ostzustelluug; in den anderen , St. Petersburg, Newsky-Prospect As 14, zu richten — Äanuscripto 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreis sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man au 
für die 3 mal gespaltene Zeile inPetit ist 16 Kop. oder 35 Pfenu.— Den * den geschäftsfülirennou Redacteur Dr. Rudolf Wanaoh in St. Pe- 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— . tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect M 7, Qu. 6 zu richten. 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. | Sprechstunden täglich von 1—2 Uhr Nachm. 

Jß 43 St. Petersburg, 24. October (5. November) 1892 


Inhalt: Prof. Karl Dehio: Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage, erläutert an den Epidemien von Dorpat 
nnd Reval aus dem Jahr 1871. — Referate: Martin B. Schmidt (.Strassburg): Anatomisches und Bakteriologisches über 
Pyelonephritis. — C. Beck (New-York): Ueber Dannresection bei gangränösen Hernien. — Bücheranzeigen und Be¬ 
sprechungen: Robert Krieg: Atlas der Kehlkopfkrankheiten. — The Pharmacology of the newer Materia Medica, etc. — 
Franz Friedberger nnd Eugen Fröhner: Lenrbuch der speciellen Pathologie und Therapie der Hausthiere. - Ver¬ 
mischtes. — Vacanz. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Ueber den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage, 
erläutert an den Epidemien von Dorpat und Reval 
aus dem Jahr 1871. 

Vortrag, gehalten am 15. September (a. St.) 1892 auf dem 
IV. Inländischen Aerztetage in Wenden. 

Von 

Prof. Dr. Karl Dehio. 
in Dorpat. 

Hochgeehrte Collegen! 

Der ehrenvollen Aufforderung unseres Herren Präsi¬ 
denten folgend, will ich es versuchen, Ihnen die Ansichten 
auseinanderzusetzen, die ich mir Uber den gegenwärtigen 
Stand der Cholerafrage gebildet habe, einer Frage die 
jetzt alle Welt bewegt, erregt und erschreckt und es um 
so mehr verdient ein Gegenstaud der Verhandlungen 
unseres Aerztetages zu sein, als auch an den Thoren 
unserer Provinzen die Schläge erschallen, mit denen der 
unheimliche Gast Einlass begehrt. 

Ich bin mir der Schwierigkeit meiner Aufgabe wohl 
bewusst, denn den Stand einer im vollen Fluss befind¬ 
lichen Frage fixiren wollen, heisst nichts Anderes als die 
Momentphotographie eines galoppirenden Rosses versuchen; 
nur zu leicht erscheint der sich bewegende Gegenstand 
in einer Stellung, die verzerrt und unnatürlich erscheint, 
weil sie den länger andauernden Haltungen, an welche 
sich unser Auge mehr gewöhnt hat, nicht entspricht und 
rasch wieder wechselt. 

Einen neuen Standpunkt hat die Frage nach der Ent¬ 
stehung und Verbreitung der Cholera mit der Entdeckung 
des Cholerabacillus oder Kommabacillus (spirillum cholerae 
asiaticae) gewonnen. Nachdem Robert Koch in den 
Jahren 18H4 und 1885 mit aller der Sicherheit, welche 
naturwissenschaftliche und medicinische Entdeckungen 
überhaupt haben können, so lange sie nicht durch das 
Experiment am Menschen absolut zweifellos bewiesen 
sind, die constante Anwesenheit des Cholerabueillus in 
jedem Falle der Cholera asiatica festgestellt und den 


Nachweis geliefert hatte, dass diese Mikroben in der That 
die specifischen Erreger und Träger des Choleraprocesses 
sind, machte sich naturgemäss das Streben geltend, nun 
auch die epidemiologischen Thatsachen, so weit sie schon 
früher bekannt waren, mit den bedeutungsvollen Koch’- 
schen Entdeckungen in Einklang zu bringen. Es kam 
darauf an zu zeigen, dass die Entstehung nnd die Ver¬ 
breitung der Choleraepidemieu, so wie die Pathogenese 
der einzelnen Choleraerkrankungen durch die biologischen 
Eigenschaften des Cholerabacillus in ausreichender Weise 
erklärt werden. 

Ein Urtheil darüber, ob dieser Nachweis schon in allen 
Stücken gelungen ist. können wir nur gewinnen, nach¬ 
dem wir uns die Lebenseigenschaften des Komma¬ 
bacillus, so weit sie bis jetzt bekannt sind, kurz ver¬ 
gegenwärtigt haben. Aus der Thatsache, dass der Cholera¬ 
bacillus in jedem einzelnen Fall von Cholera im Darm- 
inhalt der Kranken nachgewiesen werden kann und trotz 
eifrigen Suchens bei keiner andern Krankheit aufgefunden 
worden ist, folgt der jetzt wol allgemein anerkannte 
Schluss, dass der Kommabacillus in der That die Ursache 
und der Träger der Cholerainfection ist. Er ist das kör¬ 
perliche Substrat, das so lange gesuchte Ens morbi, 
welches nun, wohl eingeschlossen in gläserner Phiole, 
unserer directen Beobachtung und Untersuchung zugüng- 
lich ist. 

Wir wissen durch Koch, dass der Cholerabacillus nicht 
nur im Darm der Cholerakranken lebt und sich vermehrt, 
sondern anch ausserhalb des menschlichen Körpers existiren 
und wachsen, also sowohl ein parasitäres als ein sapro- 
phytisches Dasein führen kann. Er gedeiht in Fleisch¬ 
brühe, Gelatine, Agar-Agar, auf gekochten Kartoffeln und, 
was praktisch besonders wichtig sein dürfte, vortrefflich 
auch in der Milch, ohne dieselbe zur Gerinnung zu bringen, 
oder sie sonst wie äusserlich zu verändern. Das üppigste 
Wachsthum zeigt,er bei 50—40° C., und bei weniger als 
17° stellt er sein Wachsthum und seine Vermehrung ein, 
ohne jedoch seine Lebens- und Entwickelungsfähigkeit 
einzubüssen; er erträgt sogar Frosttemperatu reu ohne zu 
sterben. Auf günstigen Nährböden, bei günstiger Temperatur 


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400 


und genügendem Sauerstoffzutritt vermehrt er sich rasch, 
doch hurt dieses Wachsthum schon nach wenigen Tagen auf 
und es kommt dann zur Bildung von sogenannten Involu 
tionsforraen, wobei die Bacillen schrumpfen oder quellen 
mit den gebräuchlichen Farbstoffen sich nur noch schlecht 
färben und höchst unregelmässige Gestalten annehmen. 
Das Vorkommen von Sporen, die im Stande wären un¬ 
günstigen Einflüssen wie z. B. der Austrocknung und dem 
Nahrungsmangel länger zu widerstehen als die Bacillen 
selbst, stellt Koch auf das Bestimmteste in Abrede. In 
Bezug auf die Nährsubstanzen ist der Kommabacillus rela¬ 
tiv wenig wählerisch; nur bei starker Verdünnung derselben 
stellt er sein Wachsthum ein. In reinem Wasser kann 
er sich deshalb nach Koch nicht vermehren; nur wo das 
Wasser reichliche Mengen organischer Substanz gelöst 
enthält, wie z. B. in stangnirenden Tümpeln oder an 
Ufern von Flüssen und Bächen, kann eine Vermehrung 
der Bacillen stattfinden. Durch saure Reaction des Nähr¬ 
bodens wird der Bacillus getödtet, desgleichen durch voll¬ 
kommene Austrocknung. Auf der Leibwäsche, dem Bett¬ 
zeug und den Kleidern von Cholerakranken, welche mit 
bacillenhaltigen Dejectionen der Cholerakranken besudelt 
sind, kann der Bacillus, wenn keine Austrocknung der 
Gegenstände erfolgt, sich in den ersten Tagen rasch ver¬ 
mehren und weiterhin längere Zeit entwickelungsfähig 
bleiben, falls ei nicht durch andere Fäulnissbakterien 
überwuchert und erstickt wird; in praxi mag diese letztere 
Art der Vernichtung des Bacillus häufig genug Vorkommen. 
Im Reagenzglase hat Koch eine Reincultnr des Bacillus 
fünf Monate lang lebendig erhalten. Wie auf der Wäsche 
gedeiht der Bacillus auch auf feuchter Erde, und die 
Möglichkeit, dass er sich auch im Erdboden unter gün¬ 
stigen Bedingungen reproduciren könne, ist nicht in Abrede 
zu stellen. Im Brunnenwasser hält der Bacillus sich nach 
Koch 30 Tage, im Berliner Kanalwasser bis 7 Tage, in 
Abtrittsjauche nicht über 24 Stunden lebensfähig. 

Koch glaubt nun, dass die ganze Choleraaetiologie, 
so weit sie bis jetzt bekannt ist, mit diesen Eigenschaften 
des Kommabacillus in gutem Einklang stellt. Als obersten 
Satz stellt er die Behauptung hin, dass eine Cholera¬ 
erkrankung nur dann entstehen kann, wenn der Cholera¬ 
bacillus aus dem Darm eines Kranken entweder direct, 
oder nachdem er sich eine Zeit lang in der Aussenwelt 
aufgehalten und eventuell daselbst vermehrt hat, in die 
Verdauungsorgane eines andern zur Cholera disponirten 
Menschen hineingelangt. Es kommt nur darauf an die 
Wege zu erkennen, auf welchen diese Uebertragung vom 
Kranken auf den Gesunden erfolgt. Der directeste dieser 
Wege kann in der unmittelbaren Uebertragung der De¬ 
jectionen der Kranken in den Mund derGesunden bestehen, 
wobei die Finger und Hände solcher Personen, die mit 
Cholerakranken, Cholerastühlen und beschmutzter Cho¬ 
lerawäsche zu thon haben, gewiss häufiger die Ver¬ 
mittlerrolle spielen, als früher angenommen wurde. Zwei¬ 
tens können wol auch Nahrungsmittel, die zufällig und 
unbemerkt, aber dennoch häufig genug mit Cholera-Dejec- 
tionen besudelt werden, die Uebertragung der Cholera¬ 
bacillen besorgen; auch Fliegen und Insecten dürften die 
Verschleppung des Keimes auf die Nahrungsmittel bewirken. 
Einen der häufigsten Wege zur Verbreitung der Cholera 
dürfte die Verunreinigung des Trink- und Gebrauchs¬ 
wassers mit Choleradejectionen abgeben. Dass die Cho¬ 
leraentleerungen bei sorgloser Verschüttung auf tausend¬ 
fältige Weise durch Rinnsale, durch Spülwasser u. s. w. 
in Brunnen und natürliche Wasserläufe hineingelangen 
können, liegt ja auf der Hand, und es wäre Zeitver¬ 
schwendung, wenn ich hierauf näher eingehen würde. Da 
die Bacillen nach Koch sich im Inhalt von Senk- und 
Schwindgruben nur sehr kurze Zeit lebendig erhalten, so 
legt Koch auf die Möglichkeit, dass die lnfection von 
Abtrittsgruben zu einer Verseuchung des Erdbodens und 
weiterhin des Grundwassers und der Brunnen führen 


könne, nur wenig Gewicht. Die angeführten Verbreitungs¬ 
wege des Cholerakeims hält Koch für völlig ausreichend, 
um die Entstehung von Epidemien zu erklären, nachdem 
die Einschleppung von Kommabacillen, sei es durch Kranke, 
sei es durch deren Effecten oder durch Nahrungsmittel, 
einmal erfolgt ist. Von der ersten Erkrankung gehen die 
Ketten immer weiterer Uebertragung, sich mannigfach ver¬ 
zweigend, nach den verschiedensten Richtungen aus und 
ergeben schliesslich die Massenerkrankung der Häuser, 
der Ortschaften und ganzer Länder. 

Das sind die Vorstellungen, die Koch sich von der 
Genese der Choleraerkrankung und von der Entstehung 
der Choleraepidemien auf Grund seiner grossartigen Ent¬ 
deckungen und Untersuchungen gebildet, und auf den 
vielbesprochenen Berliner Choleraconferenzen der Jahre 
1884 und 1885 mit glänzendem Geschick vertreten hat. 

Allein der Widerspruch gegen dieselben ist nicht aus¬ 
geblieben; bekanntlich hat namentlich Pettenkofer und 
dessen Schule immer wieder darauf hingewiesen, dass 
sich doch nicht alle charakteristischen Eigentümlichkeiten, 
durch die die Choleraepidemien sich auszeichnen, durch 
dieKoch’sehen Entdeckungen erklären lassen. 

Warum sind die Choleraepidemien nach Intensität und 
Extensität unter einander so verschieden? Warum giebt 
es Ortschaften, in denen die Cholera niemals festen Fuss 
gefasst hat, obgleich weit und breit umher die grössten 
Verheerungen durch die Seuche angerichtet wurden? 
Warum beschränkt sich die Seuche erfahrungsgemäss in 
manchen Städten nur auf bestimmte Theile derselben? 
Warum hört sie so plötzlich wieder auf? Das sind die 
hauptsächlichsten der schwer zu beantwortenden Fragen, 
die Pettenkofer der Koch’sehen Lehre entgegenstellt 
und die ihn dazu veranlassen, seine schon aus den sech¬ 
ziger Jahren stammende durch ausgedehnte statistische 
und epidemiologische Untersuchungen gestützte Ansicht 
von der Genese der Choleraepidemien auch jetzt noch 
aufrecht zu erhalten. 

Eine kritische Darlegung der Pettenkofer’sclien 
Theorie würde zu weit führen, allein die Hauptpunkte 
derselben muss ich doch namhaft machen. Pettenkofer 
giebt zwar zu, dass die Cholera durch ein verschleppbares 
Virus hervorgerufen wird, allein er glaubt nicht, dass 
dieses Virus direct und in unveränderter Form vom Kran¬ 
ken auf den Gesunden übertragen werden kann, weil 
unter dieser Voraussetzung Epidemien überall entstehen 
müssten, wo dieses Virus hingelangt und choleraimmune 
Orte dann nicht bestehen könnten. So wie der einzelne 
Mensch, welcher sich einer Cholerainfection ausgesetzt 
hat, nur dann wirklich erkrankt, wenn er für die Cholera 
disponirt ist, ebenso können nach Pettenkofers Ansicht, 
Choleraepidemien auch nur in solchen Ortschaften entstehen, 
welche eine gewisse Disposition für die Cholera besitzen. 
Da nun erfahrungsgemäss viele Ortschaften choleraimmun 
sind, so setzt Pettenkofer eine örtliche Immunität hei 
denselben voraus, und nimmt umgekehrt an, dass Epide¬ 
mien nur an solchen Ortschaften entstehen können, welche 
eine örtliche Cholera-Disposition besitzen. Da ferner die 
Cholera ausserhalb Indiens nicht permanent vorhanden 
ist, sondern in den befallenen Ortschaften nur zeitweilig 
auftritt und dann wieder schwindet, ohne dass für das 
Eine wie für das Andre greifbare Ursachen zu erkennen 
wären, so meint er, dass die örtliche Disposition auch 
nur zeitweilig vorhanden sein kann. Er supponirt daher 
eine örtliche und zeitliche Disposition der von 
der Cholera heimgesuchten Orte und verlegt das 
Hauptgewicht seiner Lehre in den Satz, dass das einge¬ 
schleppte Cholera-Virus nur an solchen Orten den Aus¬ 
bruch einer Epidemie veranlassen kann, welche eine 
örtliche und zeitliche Disposition für die letztere besitzen. 
Die Ursache für die vorhandene oder fehlende örtliche 
Disposition sieht Pettenkofer in der Bodenbeschaf¬ 
fenheit (poröser Boden soll im Allgemeinen günstig, un- 


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inischen Wochenschrift“. 


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I Erste 1 |('h 0 i era , 

II Zweiter) 

III Dritter I ^zirk. 

Die isohrtcn rothe/i Punkte 
bezeichnen die nicht zu den 
CholeraAezirken gehörigen 
üi/icirien Häuser. 


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Uebersieht der 

Choleraerkrankungen \ 

in Doroat i« 7 i 



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401 


durchlässiger Felshoden im Allgemeinen nngünstig fiir die 
Entstehung der Epidemien sein) und für die zeitliche 
Disposition bezeichnet er den wechselnden, grösseren oder 
geringeren Gehalt des Bodens an Grundwasser und 
Feuchtigkeit, so wie an Grundluft und organischen 
Substanzen als maassgebeud. Alles kommt also nach 
Pettenkofer auf den Boden an und von der Uebertra- 
gung der Cholera durch die Auswurfsstoffe der Kranken 
und von der Vermittelung dieser Uebertragung durch 
Nahrungsmittel und Wasser hält Pettenkofer nichts. 
Da nach seiner Ansicht das verschleppbare Krankheits¬ 
virus nnr dann eine Epidemie veranlasst, wenn die Dispo¬ 
sition der betroffenen Ortschaft dabei mitwirkt, so glaubt 
er consequenter Weise auch nicht an die unmittelbare, 
spccifische Virulenz der Koch’scheu Cholerabacillen. 

Diese radicale Negation der Koch’schen contagionisti- 
schen Lehre hat ihrerseits den Schöpfer derselben zu einer 
nicht weniger klaren Absage in Bezug auf die Petten- 
kofer’sche Bodentheorie veranlasst. Noch jüngst hat 
Robert Koch sich über dieselbe folgendem]aassen 
geäussert : 

«Die einzige Möglichkeit, dass .Infectionsstoffe von 
tiefem Bodenschichten aus zur Geltung kommen, ist die, 
dass sie durchspalten oder in Geröll- und Kiesboden, welcher 
nicht mehr filtrirt, in die Tiefe zum Grundwasser gelangen 
und von diesem, sofern es sich ebenfalls wieder in nicht 
filtrirenden, grobkörnigen Bodenschichten bewegt, in die 
Brunnen gespült wird. — Im Uebrigen ist es ohne Be¬ 
deutung, ob die tieferen Bodenschichten verunreinigt sind 
und ob das Grund'wasser in denselben diese oder jene 
Bewegung macht. Alle Hypothesen Uber geheimnissvolle 
Vorgänge in den dem Grundwasser benachbarten Boden¬ 
schichten, über das Hinabsteigen der Infectionsstoffe in 
diese Schichten, ihr Reifen daselbst und das Aufsteigen 
der gereiften Keime mit der Bodenluft oder Flüssigkeits- 
strömungen stehen mit den neuern Erfahrungen über die 
wirklich in und auf dem Boden sich abspielenden Vor¬ 
gänge nicht im Einklang und müssen deswegen fallen 
gelassen werden* (R. Koch. Die Bekämpfung der Infec- 
tionskrankheiten. Rede 1888). 

So stehen sich auch heute noch die Koch’sche und 
die Pettenkofer’sche Anschauung unvermittelt gegen¬ 
über. 

Im Allgemeinen liegen die Dinge aber doch so, dass wir 
sagen können: die Koch’schen Ansichten erwerben sich 
immer mehr Anhänger — an der Pettenkofer’schen 
Lehre bewundert man den Scharfsinn, mit der sie von 
Pettenkofer aufgestellt und vertheidigt worden ist, aber 
man lässt sich im praktischen Handeln durch dieselbe 
nicht beeinflussen. Sehr deutlich tritt das Vorherrschen 
der Koch’schen Ansichten auch in den Schutzmaassregeln 
zu Tage, die jetzt allerorts ergriffen werden. Man desin- 
ficirt die Cholerastühle, die Cholerawäsche und das Trink¬ 
wasser — die durch Pettenkofer empfohlene directe 
Assanisation des Bodens dagegen sowie die Regulirung 
des Grundwassers spielt unter den Mitteln, die wir gegen 
die Epidemie in’s Feld führen, nur eine sehr unter¬ 
geordnete Rolle. 

Die interessanten, in Paris und Berlin ausgeführten 
neuesten Untersuchungen über Impfschutz und künstliche 
Immunisirung bei Cholera gehen gleichfalls von der Koch’¬ 
schen Grundanschauung aus, dass der Kommabacillus, so 
wie wir ihn aus den Stuhlentleerungen der Kranken 
züchten, der directe Träger und Verursacher der Cho¬ 
leraerkrankung ist. 

Theoretische Versuche, die streiten len Meinungen mit 
einander zu versöhnen, sind ja vielfach gemacht worden, 
allein ich glaube, dass nur neue epidemiologische Thatsachen 
und bakteriologische Entdeckungen im Stande sein werden 
eine definitive Klärung der Streitfrage zu bewirken. 

Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich die Hoff¬ 
nung ausspreche, dass die diesjährige Epidemie in dieser 


j Beziehung Nutzen bringen wird. Wir wissen nun, welche 
die strittigen Punkte sind und auf welche Umstände wir 
bei der Beobachtung der gegenwärtigen Epidemie unsre 
Aufmerksamkeit zu lenken haben, um eine Entscheidung 
herbei zu führen. Auch jetzt schon liegen die Ergebnisse 
einiger Forschungen vor, welche vielleicht geeignet sind, 
die Cholerafrage ein wenig zu fördern. Namentlich ist es 
Hüppe, welchem wir eine wesentliche Bereicherung der 
Biologie des Cholerapilzes verdanken. Hüppe und seine 
Schüler haben nämlich nachgewiesen, dass bei der Culti- 
virung der Cholerabacillen auf verschiedenen Nährböden, 
bei verschiedener Temperatur und bei stärkerer oder ge¬ 
ringerer Sauerstoffzufuhr die Wuchsform der Bakterien 
eine sehr verschiedene ist, so dass die typische Komma¬ 
gestalt ganz unkenntlich werden kann. Hieraus erklärt 
sich die von Cunningham constatirte Thatsache, dass 
auch in den menschlichen Choleradejectionen durchaus 
nicht immer die typischen Kommabacillen, welche Koch 
ursprünglich für allein charakteristisch hielt, sondern auch 
andere Formen Vorkommen, die jedoch keine fremde 
Species von Mikroben, sondern nur eine andre Erschei¬ 
nungsform der echten Cholerabacillen darstellen. Dem¬ 
selben Forscher verdanken wir die Erkenntniss, dass auch 
die specifische Virulenz und die Widerstandsfähigkeit der 
Bakterien gegen schädigende Einflüsse unter verschiedenen 
Lebensbedingungen sehr variabel ist. Der typische Koch’¬ 
sche Kommabacillus, welcher im sauerstoffarmen Darmin- 
nern wächst, besitzt eine sehr grosse Virulenz und An¬ 
steckungsfähigkeit, ist aber, wie wir gesehn haben, gegen¬ 
über den Wirkungen der Magensäure und der Austrock¬ 
nung, so wie bei der Concurreuz mit andern saprophy- 
tischen Bakterien, nur wenig widerstandsfähig. Diese 
Eigenschaften bewahrt er auch bei der anaeroben Züch¬ 
tung im Hühnerei. Dagegen nimmt die Production des 
specifischen Choleratoxins, welche im Darm und im Hühnerei 
energisch vor sich geht, sehr bald ab, wenn man den 
Bacillus auf beliebigen andern Nährböden bei Luftzutritt 
züchtet; bei dieser aöroben Art der Züchtung gewinnt 
er aber an Widerstandsfähigkeit und Lebenszähigkeit und 
kann sogar Arthrosporen produciren, die wir als eine 
Art Dauerform des Bacillus ansehen dürfen. Durch diese 
Entdeckung wird, wie mir scheint, eine fühlbare Lucke 
in der Koch’schen Beweisführung geschlossen. Das Auf¬ 
treten der, namentlich zu Beginn einer Epidemie, häu¬ 
figen sporadischen Erkrankungen, welche längere Zeit¬ 
räume zwischen sich lassen, wird uns nun verständlich, 
während sie bei der Koch’schen Lehre von der kurzen 
saprophytischen Lebensdauer der Bakterien nur schwer 
zu erklären war. Auch die zunehmende Bösartigkeit der 
Erkrankungen während des Ansteigens einer Epidemie, 
ist nun leicht zu begreifen, wenn wir bedenken, dass die 
Krankheitsträger der ersten vereinzelten Fälle durch¬ 
schnittlich solche sein müssen, die schon längere Zeit ein 
aörobes, saprophytisches Dasein geführt, und dabei ihre 
Virulenz theilweise eingebüsst haben, während späterhin, 
wo massenhaft virulente, direct aus dem Darm stammende 
Bakterien an die Aussenwelt abgesetzt werden, schwerere 
Erkrankungen sich häufen, weil die Chance, dass 
virulente, erst kürzlich aus dem Darm entleerte Bakterien¬ 
saaten wieder in den Darm eines andern Menschen hin¬ 
eingelangen, jetzt grösser ist. 

Noch auf einen weitern Punkt möchte ich aufmerksam 
machen: Die Annahme, dass der Cholerabacillus längere 
Zeit als bisher geglaubt wurde, im Erdboden existiren 
und sich, wenn auch in abweichender Form, ernähren 
und sich vermehren kann, hat nach den Hüppe ’schen 
Untersuchungen nichts Unwahrscheinliches mehr; warum 
sollte die eine Bodenart dem Bacillus nicht 
mehr Zusagen können als eine andere? Fin¬ 
den vir doch dieses Verhalten in der ganzen Pflanzen¬ 
welt als Regel verbreitet. Eine jede Pflanze verlangt zu 
ihrem Gedeihen eine passende Bodenbeschaffenheit. Und 


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wenn nun der Bacillus in einem geeigneten Erdboden 
vegetireu und sich in demselben gar vermehren kann, 
warum sollte da eine Infection der Menschen vom Erd¬ 
boden aus, etwa durch Vermittelung des Grund- und 
Brunnenwassers nicht auch möglich sein? Ich muss ge¬ 
stehen, dass ich mich trotz Koch von einer derartigen 
Annahme nicht los machen kann und mit Hüppe der 
Ueberzeugung bin, dass die Koch’sche Lehre von der 
Belanglosigkeit der Bodenbeschaffenheit für die Verbrei¬ 
tung der Cholera einer starken Einschränkung bedarf. 

Zu dieser Ueberzeugung hat mich schon vor Jahren 
das Studium der von Weyrich(Dorpater medic. Zeitschr. 
Bd. IV. 1873) trefflich beschriebenen Dorpater Cho¬ 
leraepidemie vom Jahre 1871 geführt. 

Leider ist diese Arbeit nicht so bekannt geworden 
wie sie es verdiente; aber weil sie auf sehr gewissen¬ 
haften Beobachtungen beruht und die einzelnen Krank¬ 
heitsfälle der Epidemie in Bezug auf ihre ätiologischen 
Zusammenhänge aufs Genaueste darlegt, so lohnt es sich 
wohl auf dieselbe näher einzugehen und sie im Licht unsrer 
heutigen Anschauungen zu betrachten. 

(Cfr. den beiliegenden, der Wey rieh’sehen Arbeit ent¬ 
nommenen Plan der Stadt Dorpat, in welchem die von 
der Epidemie ergriffenen Stadttheile durch rotlien Druck 
bezeichnet sind). 

Die Stadt Dorpat, welche iin Jahre 1871 etwa 22,000 
Einwohner zählte, liegt zum grössten Theil in der Fluss¬ 
niederung des Embachthaies. Die sanften Abhänge des¬ 
selben rücken da, wo die Stadt gelegen ist, weiter aus¬ 
einander und lassen ein ausgedehntes Sumpfterrain zwi¬ 
schen sich, auf welchem sich zu beiden Seiten des Flusses 
die ärmeren Stadttheile ausdehnen, während die übrige 
Stadt höher liegt und sich, allmählich die Hügelabhänge 
hinaufziehend, zum Theil noch auf das umgebende Pla¬ 
teau ausdehnt. Der niedrig gelegene ärmere Stadtbezirk 
ist auf beiden Flussufern häufigen, einige Partien des¬ 
selben sogar jährlichen Frühlingsüberschwemmungen aus¬ 
gesetzt. Die Wasserversorgung der Stadt geschieht durch 
Brunnen, die zum grossen Theil nur wenig tief sind und 
direct das in den sumpfigen Stadttheilen sehr hoch ste¬ 
hende Grundwasser schöpfen. Eine Wasserleitung giebt 
es nicht. 

Was nun die Epidemie von 1871 betrifft, so dauerte 
dieselbe vom 9. August bis zum 8. November, während 
welcher Zeit im Ganzen ltiO Cholerafälle vorkamen. Die 
Seuche trat, wie auch anderwärts, überwiegend in Her¬ 
den auf, die sich auf einzelne Häuser beschränkten und 
als Hausepidemien bezeichnet werden können. Im Ganzen 
sind 52 Häuser heimgesucht worden, und von diesen 52 
Häusern betheiligten sich 22 mit je einem (isolirten) 
Fall, während in 8 Häusern je zwei Fälle, in 7 Häu¬ 
sern je drei Fälle und in 15 Häusern je vier bis sechs¬ 
zehn Fälle vorkamen. Was die Verbreitung der Epidemie 
anlangt, so hat dieselbe sich gewisse topographisch ziem¬ 
lich genau abgegrenzte Gegenden der Flussniederung zu 
ihrem ausschliesslichen Tummelplatz gewählt, während 
sie die höher gelegenen Stadtgebiete, in denen zerstreut 
nur neun isolirte Erkrankungsfälle vorkamen, als Epi¬ 
demie durchaus verschonte. Man kann daher von fol¬ 
genden «Cholerabezirken» sprechen: Der erste 
Cholerabezirk ist auf dem rechten Embachufer ge¬ 
legen und zieht sich von der Holzstrasse über die Fischer¬ 
und Marktstrasse bis in die Alexanderstrasse hinein. 
Dieser Bezirk lieferte 90 Erkrankungen, welche sich auf 
22 Häuser vertheilten. Die Häuser liegen hier meistens 
eng bei einander und sind dicht bewohnt. Der zweite 
Cholerabezirk liegt dem erstgenannten gegenüber, 
auf dem linken Erabachufer und umfasst ein weniger 
bebautes, von umfangreichen Gemüsegärten durchzogenes 
Terrain, welches sich, der Strassenanlage entsprechend, 
das Embachufer entlang, durch die Linden- und Annen- 
hofsche Strasse hinzieht. Dieser Bezirk lieferte, auf 17 


I Hauser vertheilt, 51 Erkrankungen. Der dritte Cho- 
i lerabezirk. gleichfalls auf dem linken Embachufer 
i gelegen, beschränkte sich auf die Malz-MUhlenstrasse und 
lieferte nur 10 Kranke, welche sich auf vier Häuser ver¬ 
theilten. 

Diese drei Cholerabezirke bieten sehr übereinstim¬ 
mende Verhältnisse dar, durchgängig Sumpfboden und 
schlechtes Trinkwasser. Ihre Einwohner gehören dem nie* 
dern Proletariat an und wohnen in elenden, überfüllten, 
schmutzigen und schlecht gelüfteten Häusern. Von den 
43 cholerainficirten Häusern, welche sich auf diese drei 
Bezirke vertheilen, haben 13 nur je einen Krankheits¬ 
fall aufzuweisen, in den übrigen 30 Häusern kamen, wie 
schon gesagt, je zwei bis sechszehn Cholerafälle auf ein 
Haus; in dem grössten Theil der den drei Cholerabe¬ 
zirken angehörigen inficirten Häuser haben sich also 
die Cholerafälle wiederholt und kleine Hausepidemien 
bewirkt. 

Es bleiben nun noch die 9 sporadischen Erkrankungen 
übrig, welche in der übrigen Stadt zerstreut vorkaraen; 
sie blieben sämmtlich vereinzelt und keiner hat eine 
weitere Erkrankung der Hausgenossen, noch auch eine 
Infection benachbarter Häuser nach sich gezogen. 

Die geschilderte Ausbreitung der Epidemie und die 
Anhäufung der Erkrankungen gerade in solchen Gegen¬ 
den, die sich sämmtlich im Gegensatz zu fast allen übrigen 
nicht inficirten Stadttheilen, durch ungünstige Boden¬ 
verhältnisse auszeichnen, giebt doch Manches zu denken. 
Schmutz und Armuth herrscht auch in andern Theilen 
Dorpats, namentlich im ganzen übrigen, auf dem linken 
Embachufer gelegenen Stadttheil. Die einzige ersicht¬ 
liche Differenz besteht nur darin, dass der letztere höher 
gelegen und den Ueberschwemmungen nicht ausgesetzt 
ist. Der erste und der zweite Cholerabezirk dagegen, 
ziehen sich wie jedem Dorpatenser, der einen Blick auf 
den beigefügten Stadtplan thut, sofort einleuchten wird, 
an der Grenze desjenigen Stadtgebietes hin, welches von 
den Flussüberschwemmungen heimgesucht zu werden 
pflegte. Dasselbe lässt sich von dem Cholerabezirk der 
Malz-.Mühlenstrasse sagen. Ich muss gestehen, dass ich nicht 
einsehe, wie ein stricter Anhänger der Koch’schen con- 
tagionistischen Lehre, diese Beschränkung der Epidemie 
auf bestimmte engumgrenzte Stadtbezirke erklären will. 
Dass Hausepidemieen durch mehr oder weniger directe 
Uebertragung des Krankheitsvirus, wie Koch sie an¬ 
nimmt, zu Staude kommen können, will ich gern zugeben; 
wenn aber dies die einzige Verbreitungsweise der Cho¬ 
lera sein sollte, dann ist es mir unverständlich, warum 
unter 43, zu den beschriebenen Cholerabezirken gehöri¬ 
gen Häusern, 30 eine mehr- und sogar vielmalige Er¬ 
krankung aufwiesen, während von den 9 in den nicht 
ergriffenen Stadttheilen gelegenen cholerainficirten Häu¬ 
sern, kein einziges von einer Hausepidemie heimgesucht 
wurde. Sollten die Einwohner der neun letzterwähnten 
Häuser wirklich mit den Cholera - Dejectionen so viel 
vorsichtiger uragegangen sein, als die Bewohner der 
Cholerabezirke? Das scheint mir doch sehr unwahrschein¬ 
lich. Ich kann mir die Sache nur mit Hülfe der Annahme 
erklären, dass sich in den Häusern, wo sich Hausepi¬ 
demieen entwickelten, ausser der directen Uebertragung 
des Virus, noch andre lnfectionsqueilen aufgethan haben 
müssen, welche in den Häusern mit isolirten Erkran¬ 
kungen fehlten. 

Warum liegen ferner die Häuser, in denen Massen¬ 
erkrankungen vorkamen, alle nahe bei einander? Auch 
diese Frage ist nach der Koch’schen Lehre kaum zu 
beantworten. Der nachbarliche Verkehr allein kann das 
nicht bewirkt haben, denn wir wissen, dass durch andere 
contagiösen Krankheiten z. B. die Pocken, deren Aus¬ 
breitung durch den Verkehr vermittelt wird, zwar auch 
Hausepidemien entstehen, aber niemals einzelne Stadt¬ 
bezirke so ausschliesslich ergriffen werden, wie hier bei 


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403 


der Cholera. Gemeinsame auf die Cholerabezirke be¬ 
schränkte Bezugsquellen der Nahrungsmittel, wie etwa 
der Milch, sind nicht anzunehmen und ebensowenig kommt 
eine gemeinsame Benutzung des Trinkwassers hier in 
Betracht, denn fast jedes Haus besitzt seinen eigenen 
Brunnen. Die Koch’sche Lehre lässt uns liier iin Stich 
und wenn wir nicht annehmen wollen, dass 
der Grund und Boden bei der Verbreitung 
des C h o le r a v i r u s eine Rolle gespielt hat, 
so müssen wir überhaupt auf eine Erklä¬ 
rung der eigenthümlichen Localisation 
unserer Epidemie verzichten. Ich sehe mich 
zu der Annahme gezwungen, dass der sumpfige Unter¬ 
grund der inficirten Stadttheile dem Cholerabacillus einen 
bessern Nährboden geboten hat, als das trocknere Areal 
der übrigen Stadt. Und wenn man fragt, wie der Ba¬ 
cillus dann wieder aus dem Boden in den erkrankenden 
Menschen gelangt ist, so glaube ich, dass das hochste¬ 
hende Grundwasser und die Brunnen die Vermittler¬ 
rolle gespielt haben. Mit unsern heutigen Kenntnissen 
von den Lebenseigenschaften des Cholerabacillus steht 
diese Annahme keineswegs im Widerspruch. In diesem 
Sinne theile ich den alten Volksglauben, dass Cholera- 
epidemieen durch Brunnenvergiftung zu Stande kommen 
können. Aber freilich, je mehr die altmodischen, bei 
jedem Hause und Gehöft befindlichen Einzelbrunnen durch 
rationelle Wasserleitungen ersetzt werden, desto seltener 
mnss jene Entstehungsweise der Epidemieen zur Beobach¬ 
tung kommen. 

Ein ausschliesslicher Anhänger der Bodentheorie bin 
ioh aber noch lange nicht. Der Möglichkeiten giebt’s 
viele und offenbar entwickeln und verbrei¬ 
ten sich die verschiedenen Choleraepide- 
raien nicht alle auf den gleichen Wegen 

Vielmehr kann ich Ihnen über eine Choleraepidemie 
berichten, welche mit Bodenbeschaffenheit und Grund¬ 
wasser nichts zu thun hatte, sondern durch das Trink¬ 
wasser einer Wasserleitung verursacht wurde. Der Fall 
scheint mir so eindeutig, dass er eine Veröffentlichung 
an dieser Stelle verdient. 

Es handelt sich um eine Epidemie, die sich im 
Winter 1871/1 872 in Reval abspielte, (cfr. den 
beigefügten Plan der Stadt Reval, in welchem die infi- 
cirte Wasserleitung roth gedruckt ist). 

Die zu Anfang der siebziger Jahre etwa 35000 Ein¬ 
wohner zählende Stadt Reval liegt am Nordufer der aus 
steil abfallenden Kalkfelsen bestehenden Küste Estlands, 
am finnischen Meerbusen. Das Kalkfelsplateau Estlands 
tritt hier in weitem, nach Norden offenen Halbkreis vom 
Meeresufer zurück und lässt eine aus Dünensand beste¬ 
hende, etwa 8—10 Kilometer im Durchmesser haltende, 
nach Norden zum Meer offene Tiefebene frei, in deren 
Mitte die Stadt Reval gelegen ist. Dieselbe besteht aus 
der noch jetzt tlieilweise von mittelalterlichen Thürmen 
und Mauern umgebenen Altstadt, und ausgedehnten Vor¬ 
städten, die nach allen Richtungen von den nach Narva, 
Dorpat, Pernau und Baltischport führenden Chausseen 
durchschnitten werden. Das Südende der Altstadt bildet 
eine ganz isolirt aus der Tiefebene sich erhebende aus 
Kalkstein bestehende Klippe, der sogenannte Dörnberg, 
deren Höhe etwa 80 Fuss über dem Niveau der übrigen 
Altstadt liegt und ein flaches etwa 7» Quadrat-Kilomeier 
grosses Hochplateau darstellt Auf diesem Plateau steht 
das alte Corathurschloss des einstigen Schwertbrüder¬ 
ordens, das jetzt theils als Sitz des Gouverneurs und 
mehrerer Verwaltungsbehörden, theils als Gefängniss 
benutzt wird. Der übrige Raum des Plateaus wird von 
Privathäusern und der Domkirche eingenommen und 
besass zur Zeit der in Rede stehenden Epidemie ausser 
ein paar alten, sehr tiefen, kaum benutzbaren Brunnen 
keinerlei Wasserleitung, so dass das Gebrauchswasser mit 
Pferd und Tonne angeführt werden musste. Als Trink¬ 


wasser diente den Bewohnern des Domberges eine Quelle, 
(die s. g. Karriquelle«, die am Südostrande der Altstadt 
in der Tiefebene entspringt. Was die Wasserversorgung 
der übrigen Stadt betrifft, so erhielt dieselbe seit Alters 
ihr Wasser aus einem etwa drei Kilometer entfernten 
südlich von der Stadt auf der Höhe des estländischen 
Plateaus gelegenen See. Von hier wurde das Wasser vermit¬ 
telst eines oberirdischen gemauerten Kanals, welcher sich 
zwischen der dörptseken und pernauschen Strasse hinzog 
und in seinem Lauf durch die, um die Stadt herumge¬ 
legenen Wiesen offen, von der Grenze der bebauten Vor¬ 
stadt an, aber gewölbt war. In seinem Verlauf durch die 
Vorstadt speiste derselbe mehrere, in der Nähe der Ro¬ 
senkranzstrasse gelegene offene Brunnen, von denen sich 
der letzte, der sogenannte Arrestantenbrunnen, hart am 
Fusse des Domberges befindet. Aus diesem Arrestanten¬ 
brunnen bezogen die Bewohner des Domberges, und unter 
ihnen auch die Insassen des Gefängnisses ihr Gebrauchs¬ 
wasser. Von den Gefangenen wurde das letztere auch 
zum Trinkeu benutzt, während die übrigen Bewohner des 
Doms ihr Trinkwasser meist aus der schon erwähnten 
Karri-Quelle bezogen, welche ein reineres und wohl¬ 
schmeckenderes Wasser lieferte. Jenseitdes Arrestanten¬ 
brunnens theilte sich die Wasserleitung in mehrere Arme, 
von denen der eine am Süd- und Ostrande der Altstadt,* 
ausserhalb der Stadtmauern, unterirdisch hinzieht und 
sich schliesslich ins Meer ergiesst, währen 1 die übrigen 
sich unter der Altstadt vertheilten und die offenen Brun¬ 
nen der Stadt speisten. In den 60. Jahren wurde eine 
neue, gleichfalls aus dem schon genannten See ent¬ 
springende Wasserleitung angelegt; dieselbe bildet ein 
allen Anforderungen der Neuzeit entsprechendes geschlos¬ 
senes Röhrensystem, dessen Netz den grössten Theil der 
Vorstädte, sowie die Altstadt, mit einziger Ausnahme des 
Domberges, mit gutem Wasser versorgt. Da die alte 
Wasserleitung nunmehr zum grössten Theil unnütz ge¬ 
worden war, so wurden die offenen Brunnen derselben 
geschlossen. Nur die bei der Rosenkranzstrasse befind- 1 
liehen Brunnen und der Arrestantenbrunnen, welcher von 
den Bewohnern des Domberges nicht gemisst werden 
konnte, blieben zur fernem Benutzung offen. Das Wasser 
dieser alten Leitung wurde also nur noch von den Be¬ 
wohnern der Gegend der Rosenkranzstrasse und von den 
Arrestanten des Schlossgefängnisses als Trinkwasser 
benutzt. 

Die letzte Cboleraepidemie in Reval, welche, wie fast 
immer von Petersburg eingeschleppt worden war, gewann 
nur eine geringe Ausdehnung und kam im Spätherbst 
des Jabres 1871 zum Ausbruch. Sie begann am 4. Oct. 
und erreichte ihr Ende mit dem 21. November; im Ganzen 
kamen nur 86 Erkrankungen zur Anzeige, von denen 32 
genasen und 54 starben. Diese kleine Epidemie sollte 
jedoch noch ein Nachspiel haben. Kurz vor Weihnachten 
hatte man bei der Reinigung der Abtrittsgrube der für 
die Behandlung der Cholerakranken benutzten Baracke 
des Hospitals des Collegiums der allgemeinen Fürsorge 
(Stadthospital) den Inhalt derselben unerlaubter und 
heimlicher Weise auf die Wiesen abgeführt, durchweiche 
der offene Kanal der alten Wasserleitung sich hinzieht. Hier 
war der Grubeninhalt einfach auf den Schnee ausgegossen 
worden, nicht sehr weit von der Wasserleitung. Als nun, 
unmittelbar vor Weihnachten plötzlich starkes Thauwetter 
eintrat, musste sich das verunreinigte Schneewasser zum 
Theil in den Wasserleitungskanal ergiessen. Schon am 24. 
December kam ein Cholerafall in Behandlung, die Zahl der 
Fälle mehrte sich rasch und zwar im Rayon der alten 
Wasserleitung welche, wie wir gesehen die dort befind¬ 
lichen Brunnen speiste. Am auffallendsten war die Er¬ 
krankung zahlreicher Arrestanten des Schlossgefäng¬ 
nisses auf dem Domberg, welcher’ Stadttheil in den frü¬ 
heren Choleraepidemien immer verschont geblieben war 
und deshalb für immun galt. Nächst dem kamen die 


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404 


meisten Erkrankungen in der Rosenkranzstrass^ und 
deren nächster Umgebung vor. Die übrige Stadt blieb 
von der Epidemie verschont. Wie viel Erkrankungen an 
der Cholera unter den Bewohnern des Doraberges, abge¬ 
sehen von den Gefangenen, vorgekoraraen sind, habe ich 
nicht erfahren können. Jedenfalls können es nur spora¬ 
dische Fälle in geringer Zahl gewesen sein. 

Die in Folge dessen angeordnete Untersuchung ergab 
die oben angeführte Unordnung der Abfuhr und liess 
das Wasser der alten Wasserleitung als die Quelle des 
erneuten Ausbruchs der Cholera erkennen. Sofort wurden 
nun sämmtliche von der erwähnten Leitung gespeiste 
Brunnen geschlossen und der Zufluss des Schneewassers 
in den Wasserleitungskanal durch Aufschüttung eines 
Dammes verhindert. Am 16. Februar 72 kam der letzte 
Cholerafall vor und hiermit erlosch die Epidemie. Tm 
Ganzen waren vom 24. December 1871 bis zum 16. Fe¬ 
bruar 1872 145 Personen (darunter gegen 80 Arrestanten) 
erkrankt, und von ihnen 63 genesen und 82 gestorben. 

Ein .Einzelfall aus dieser Epidemie mag noch erwähnt 
werden, weil seine Genese sehr klar zu sein scheint. Ein 
junger Mann (Baron P., auf dem Domberge wohnhaft), 
hatte seit Wochen an einer Kniegelenksentzündung zu 
Bette gelegen und keinerlei Verkehr mit choleraverdäch¬ 
tigen Personen gehabt; eines Tages war sein Trink¬ 
wasser, welches aus der Karri-Quelle bezogen wurde, 
ansgegangen und er entschloss sich dazu, aus dem Wasch¬ 
krug, der mit Wasser aus dem Arrestantenbrunnen gefüllt 
war, seinen Durst zu löschen. Danach erkrankte er an 
der Cholera, von der er übrigens genas. Seine Eltern 
und Geschwister mit der Dienerschaft hatten kurz vorher 
die Stadt verlassen und waren auf ihr Gut hinausge¬ 
zogen ; dort erkrankten alsbald eine Magd und ein Diener, 
welche in der Stadt ebenfalls das Wasser aus der alten 
Leitung zum Trinken benutzt hatten, an der Cholera. 
Die Magd starb. 

Für die Zuverlässigkeit der angeführten Daten kann 
ich volle Garantie übernehmen, da sie mir von meinem 
Oheim Dr. J. Dehio in Reval, freundlichst zur Ver¬ 
öffentlichung mitgetheilt sind; derselbe war zur Zeit der 
Epidemie Gehilfe des Medicinalinspectors von Reval und 
hat die ganze sanitätsärztliche Untersuchung genau verfolgt. 

Da seit der von Maragliano geschilderten Leitungs- 
wässer-Epidemie in Genua (cfr. 4. Sitzung der Cholera 
conferenz in Berlin 1885. Berlin. Klin. Wochenschr. 
Nr. 37. b.) keine derartigen Ausbrüche der Cholera meines 
Wissens mehr gemeldet worden sind, so dürfte der vor¬ 
stehende Reval er Fall gewiss Interesse und Beachtung 
verdienen. Wenn man an denselben eine derartige, scharfe 
Kritik legen will, wie sie von Pettenkofer auf der ge¬ 
nannten Conferenz gegen die Genueser Epidemie ange¬ 
wandt worden ist, so werden sich ja gewiss auch hier 
Lücken in der Stringenz der Beweisführung finden. Wir 
haben es eben nicht mit einem wissenschaftlichen Ex¬ 
periment zu thun, dessen Bedingungen wir nach unserm 
Belieben einrichten können und das daher auch gegen 
die schärfste Kritik gewappnet sein muss, sondern es 
liegt uns eine gute, aber immerhin zufällige naturhisto¬ 
rische Beobachtung vor, die vorurtheilsfrei verwerthet 
sein will. Ich glaube, dass jeder unbefangene Kritiker 
darin mit mir übereinstimmen wird, dass die geschilderte 
Revaler Epidemie ihre einfachste und natürlichste Er¬ 
klärung in der Annahme einer Verunreinigung des Was¬ 
sers der alten Wasserleitung durch Choleradejectionen 
findet. 


Referate. 

Martin B. Schmidt (Strassburg): Anatomisches und 
Bakteriologisches über Pyelonephritis. (Verhandlungen 
des elften Congresses für innere Medicin 1892). 
Vortragender macht darauf aufmerksam, dass das häufigste 
Bild derjenigen Pyelonephritis, welche sich an eine primäre 


(Hstitis ausehlie8st, anatomisch und'ätiologisch eine besondere 
Stellung gegenüber den eitrigen Processen einnimmt. In einem 
nach einer Perforation eines parametritischen Exsudates in die 
Blase entstandenen Fall waren z. B. schon für das blosse Auge 
deutlich scharf umschriebene keilförmige Herde in der Rin¬ 
densubstanz, sehr ähnlich Infarkten, bemerkbar, die aus der 
Tiefe der Marksubstanz, bisweilen ans den Papillenspitzen 
emporstiegen und von einer dunkelgefärbten Gewebszone um¬ 
säumt waren. In den keilförmigen Partien war mikroskopisch 
eine Nekrose des Nierenparenchyms, dessen Zellen vorher 
vielfach gwuchert waren, jedoch Nichts von eitriger Ein¬ 
schmelzung bemerkbar. Die dunkelgefärbte umgebende Schicht 
bot das Bild einer demarkirenden Entzündung, die hier und 
da schon zur Ablösung des Abgestorbenen geführt hatte. In 
einem zweiten Fall fanden sich ausgedehnte Nekrosen in den 
Papillen und kann hier bekanntlich die demarkirende Eite¬ 
rung die Ab8to8Simg ganzer Papillentheile ins Nierenbecken 
hinein bewirken. Im dritten Fall finden wir Papillennekrose 
combinirt mit kleinen weissen, erweichten oder noch soliden 
Rindenherden. Untersucht man letztere mikroskopisch, so 
erkennt man als Anfangsstadien des Processes auch hier Epithel- 
Wucherung und -Nekrose, welche gelegentlich noch an intactes 
Nierenparenchym anstösst, andere Male aber von einer eitrig 
infiltrirten Zone umgrenzt wird. Ist die Nekrose klein, so kanu 
sie schliesslich in der demarkirenden Eiterung untergehen und 
ein Abscess resultiren, in dessen Inhalt keine gröberen Paren- 
chymtheile mehr zu entdecken sind. 

In allen diesen Fällen handelte es sich nicht um einen von 
vornherein eitrigeu Process, sondern um eine sequestrirende 
Entzündung. Auch ätiologisch grenzen sich di.-,se Fälle von 
Pyelonephritis von der einfach eitrigen Erkrankung ab, indem 
in den Nieren mit sequestrirender Entzündung sich keine Spur 
von Eiterkokken, sondern ausschliesslich Bacillen, stets kurze 
Stäbchen mit der Neigung, zu zweien aneinander zu hängen, 
vorfanden, und diese Diplobacillen traten in den mikrosko- 
ischen Nierenschnitten gewöhnlich sehr reichlich auf. Durch 
ie Localisation der Bacillen in den Herden wurde der Ver¬ 
dacht einer secundären, etwa postmortalen Einwanderung 
unschädlicher Mikroorganismen aus dem Harne in das schon 
nekrotische Gewebe ausgeschlossen, was noch durch die Be¬ 
obachtung unterstützt wurde, dass die Bacillen mit dem ab¬ 
sterbenden Gewebe allmählig zu Grunde gingen. Das beste 
Zeugniss von der prämortalen Existenz und der Pathogenität 
der Diplobacillen legte der eine Fall ab, in welchem sich an 
eine Pyelonephritis mit Papillennekrose eine Pyämie aufge¬ 
schlossen hatte, uud aus dem vereiterten Kniegelenke als Rein¬ 
kultur Diplobacillen zu züchten waren von derselben Gestalt 
und Färbbarkeit, wie sie in der Niere und einem metastati- 
schen pneumonischen Herde sich mikroskopisch sehr reichlich 
naclnveisen Hessen. 

Es handelte sich in den verschiedenen Beobachtungen nicht 
um einen einheitlichen Diplobacillus, sondern um mehrere 
Arten, allerdings mit Wiederholung einzelner derselben in meh¬ 
reren Fällen. Durch die Reinzüchtung auf künstlichem Nähr¬ 
boden konnten bisher 3 wohlcharakterisirte Formen aufgefnnden 
werden. Keiner der Diplobacillen verflüssigte die schrägerstarrte 
Gelatine, aber einer wuchs in flächenharter Ausbreitung mit 
ausgebuchteten Rändern, die zwei anderen mehr nach der Dicke 
des Impfstriches. Zwei Ai ten der Bacillen besassen im hängenden 
Tropfen lebhafte Eigenbewegung, der dritte nicht, ebenso 
tödteten erstere bei intraperitonealer Injektion Meerschweinchen 
rasch, der dritte liess dieselben gesund. Dagegen war die Art 
der Färbbarkeit übereinstimmend, indem sie nach Gram nicht 
und mit den gewöhnlichen Anilinfarben schwer zu tingiren 
waren; am besten gelang die Färbung mit Löffler'scher 
Lösung. Besonders auffallend war die Eigenschaft zweier der 
Diplobacillen, welche an den Culturen sich leicht erkennen 
liess, indem sie auf NährgelatineAmmoniakentwickeluug herbei¬ 
führten, was durch Lakmuspapier und den charakteristischen 
Geruch der Culturen nachzuweisen war. Ferner veranlassen 
diese zwei Arten von Bacillen auf frischbereiteter Gelatine 
schon in wenigen Tagen Bildung von Krystallbtischeln, wie sie 
sonst in Culturen anderer Bakterienarten erst nach viel län¬ 
gerer Zeit beim Austrocknen des Nährbodens auftreten. 

Dass die Diplobacillen der Nieren ans den Harnwegen 
stammten, unterlag keinem Zweifel, und man darf annehmen, 
dass das gebildete Ammoniak die nekrotisirende Wirkung auf 
das Parenchym ausübt«, indem der Urin innerhalb des Nieren¬ 
parenchyms dort, wo Bacillen lagen, in statu nascendi zersetzt 
wurde und sein ammoniakalisches Umwandlungsprodukt in 
Wirksamkeit trat. 

Das Thierexperiment unterstützte durchaus die Annahme der 
ursächlichen Bedeutung der Diplobacillen, nur war natürlich 
der Ausfall der Versuche abhängig von der Virulenz der ver¬ 
schiedenen Arten. Zwei derselben nämlich, welche sich für 
Meerschweinchen bei intraperitonealer Injection als pathogen 
erwiesen, führten auch beim Kaninchen nach Ureter-Injection 
binnen '/a—1'/» Tagen allgemeine septische Erkrankung mit 
tödtlichem Ausgang herbei, wobei schon z. B. in 12 Stunden 
sich Diplobacillen durch die ganze Niere bis zur Rinde inner- 


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halb der Harnkanälchen verbreitet hatten, nnd die erste Wir¬ 
kung in Wucherung und Nekrose bestand. Mit der 3. Art, 
welche für Meerschweinchen unschädlich war, Hessen sich beim 
Kaninchen die Versuche länger ausdehnen und es konnten 
mit derselben Nierenverändernngen erzielt werden, welche 
ganz dem Bilde der menschlichen Pyelonephritis glichen und 
mikroskopisch sich als eine Epithelwucherung und Nekrose, 

B efolgt von entzündlicher Infiltration, documentirten. Der für 
ie infektiöse Pyelonephritis des Rindes von E n d e r 1 e a 
beschriebene Bacillus, w'elcher nach subcutaner Injection bei 
Kaninchen Nekrose hervorruft, schien mit keinem der hier 
genannten Bacillen identisch zu sein. C. Toraberg. 

C. Beck (New-York): Ueber Darmresection bei gangrä¬ 
nösen Hernien. (New-Yorker medicinische Monatsschr. 
Nr. 7. 1892). 

Die Frage, ob man bei gangränösen Hernien reseciren oder 
einen Anus praeternaturalis anlegen soll, wird immer viel¬ 
fach discutirt und ist daher jeder Beitrag dazu willkommen. Verf. 
beschreibt folgende 4 Fälle: 

1) 57jährige Wittwe, leidet seit 30 Jahren an einem Nabel - 
brnch. Es natten mehrfach Entzünduugsvorgänge stattge- 
fnnden, die Adhaesionen hinterliessen. Schliesslich trat eines 
Tages Incarceration ein, schliesslich Kothbrechen. An Reposi¬ 
tion nicht zu denken. Nach Magenausspüluug wird zur Ope¬ 
ration geschritten. Erst nach «Lösung und Unterbindung 
vieler Adhaesionen gelangt man zum Bruchringe. Am einge¬ 
klemmten Darm eine 5 Cent, grosse blau-schwarze Stelle, die 
beim Reinigen berstet. Verf. entschloss sich zur Darmresection, 
legte die Rydygier’schen Commpressorien an, schnitt im gesun¬ 
den Gewebe und legte die Czerny’sche Doppelnaht mit 
Jodoformseide an. Darauf Exstirpation des Bruchsackes nebst 
einem grossen Hautstück. Darauf Annähen der Nahtstelle 
an den Bruchring. Verschluss der Wunde und Druck verband. 
Operationsdauer 2 Stunden. Am dritten Tage Verbandwechsel, 
am /folgenden Tage Darminhalt in der Wunde. Es werden 
nekrotische Fetzen entfernt. Eine Woche nach der Operation 
V» der W'unde verheilt, das 3. Drittel von einem wohletablii ten 
Anus praeternaturalis eingenommen, der erst nach 3 Monaten, 
nachdem Patientin sich erholt, geschlossen mit glattem Ver¬ 
lauf. 

2) 45jähriger Mann. Seit 4 Jahren eine kleine rechtsseitige 
Hernie. Incarceration. Herniotomie. Die eingeklemmte Stelle 
blau-schwarz, matsch. Resection eines 5" langen Darmstückes, 
27 Nähte, Operationsdauer l 1 /* Stunde. Heilung nach vier 
Wochen. 

3) 76jährige Frau. Seit 20 Jahren linksseitige kleine hernia 
femoralis. Incarceration. 2 Tage darauf Herniotomie. Eine 
dunkel verfärbte Darmschlinge riss beim Hervorziehen, jedoch 
erst, nachdem die Compressorien angelegt waren. Resection 
eines 8" langen Darmstückes. Operationsdauer l 1 /» Stunden. 
Am folgenden Tage Kothabgang durch die Wunde. Nach 
3 Tagen Tod an Collaps. 

4) 43jährige Frau. Seit 2 Jahren rechtsseitige Schenkel¬ 
hernie. lucarceration. 2 Tage darauf Herniotomie. Der Darm 
ca. 6" laug gangränös, da» subcutane Zellgewebe oedematös, 
emphysematos. Anus praeternaturalis angelegt. Operations¬ 
dauer IV« Stunde. Tod nach 28 Stunden. Bei der Section 
findet sich das prävesioale und in der Umgebung des Bruch¬ 
sackes befindliche Zellgewebe mit übelriechender Flüssigkeit 
infiltrirt. Peritonitis. 

Auf Grund seiner Ei fahrungen spricht Verf. sich für die 
Resection aus, nur muss sie im gesunden Gewebe ausgeftihrt 
werden, wobei besonders zu beachten, dass die Blutzufuhr 
vom Mesenterium erhalten bleibt, deshalb keine Keilexcision. 
Die Lembert’sche Naht genügt nicht, daher ist stets die 
Czerny’sche anzulegen. Die Darmnahtstelle ist zur Sicherheit 
am Bruchringe anzuheften. Da die Technik der Darmresec¬ 
tion eine so enorm schwierige, sollte sie Niemand unternehmen 
bevor er sie nicht am Thiere geübt hat. 0. Petersen. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Robert Krieg: Atlas der Kehlkopfkrankheiten. Stutt¬ 
gart. Verlag von Ferd. Enke. 1892. 

Die Enke’sche Verlagsbuchhandlung, durch welche die 
deutsche medicinische Literatur schon um viele nnd werth¬ 
volle Arbeiten und Bücher bereichert worden ist, hat sich 
neuerdings durch die Herausgabe des vorstehend angezeigten 
Atlas ein neues Verdienst um unsre Wissenschaft erworben. 
Es ist ein Prachtwerk, das auf 37 Tafeln 345 Figuren in Far¬ 
bendruck und 25 Zeichnungen im Text enthält. Ein solches 
monumentales Werk hat die Laryngologie bis jetzt nicht 
besessen. Die seitherigen Atlanten der Kehlkopf krankheiten, 
die ja, wie jeder Kenner zugeben wird, viele vortreffliche Abbil¬ 
dungen enthalten, leideu an dem Fehler, dass sie sich entweder 
nur auf einige wenige Krankheiten des Kehlkopfes beschränken 


wie z. B. der für die operative Laryngologie grundlegende Atlas 
von Victor v. Bruns, oder dass sie trotz ihres Bestrebens mög¬ 
lichst alle Erkrankungen des Kehlkopfes in den Bereich ihrer 
Darstellung zu ziehen, doch nicht so zahlreiche Bilder enthalten, 
um dieser Aufgabe gerecht zu weiden. Vielfach fiudeu wir in 
ihnen Raritäten und Seltenheiten dargestellt, aber die gewöhnli¬ 
chen, für die Praxis wichtigsten Krankheitsbilder sind nur selten 
vertreten und tragen häufig den Stempel des Schematischen 
ine undeutlichen, zweifeierregenden Bilder, welche in Wirk¬ 
lichkeit nur zu oft dem laryngoskopirenden Auge begegnen, 
kommen in den bisherigen laryngoskopischen Bilderwerken 
nicht genügend zur Geltung, und deshalb lassen sie in 
diagnostisch unklaren Fällen den rathsuchenden Praktiker 
häufig im Stich. 

Diesen Uebelständen ist Krieg in seinem Atlas aufs Glück¬ 
lichste ausgewichen. Die grosse Zahl der lebenstreuen, trefflich 
ausgefbhrten Abbildungen gestattet es ihm nicht nur das ganze 
Gebiet der Kehlkopfkrankheiten zu umfassen, sondern auch 
die verschiedenen Krankheitsformen in ihren einzelnen Stadien 
d . H » treffliche Beispiele zu illustriren. Besonders lehrreich 
sind die Bilderreihen, welche einen einzelnen Krankheitsfall 
in seinem ganzen Verlauf illustriren und eventuell die Wir¬ 
kung der Behandlung erkennen lassen. So möchte ich nament- 

,• u U f dle Darstellung der durch Milchsäure- oder Tuber- 
culinbehandlung oder durch gal vanocaustische Eingriffe geheilten 
irälie von Larynxtuberculose aufmerksam machen. Vielen 
Laryugoskopikern werden gewiss auch die Abbildungen der 
Granulationsgeschwülste und der papillären Wucherungen, 
welche sich auf dem Boden tuberculöser Geschwüre entwickeln 
können von grossem Werth sein; ebenso die Wiedergabe der 
nicht häufig zu beobachtenden und deshalb diagnostisch so 
schwer zu beurtheilenden milchweissen Flecke, die bei chro¬ 
nischem Larynxkatarrh zuweilen auftreteu und vom Verf. als 
Epithelnekrosen gedeutet werden; ebenso auch die Bilder von 
Herpes des Rachens und Kehlkopfes sowie von Pharyngomy- 
cosis ieptothricia. Die wechselvolien Bilder die im Verlauf der 
tertiären Syphilis durch gummöse Ulceration und Narben- 
büdung entstellen, sind durch treffliche Beispiele vertreten, 
bo konnte ich den ganzen Atlas durchgehen und auf jeder 
beite wäre Lobenswertes zu erwähnen. Verf. hat sich aber 
nicht nur auf die laryngoskopischen Bilder beschränkt, sondern 
wo es anging, auch die zugehörigen Sectionspräparate wieder¬ 
gegeben; beim Kapitel von den perichondrftischen Erkran¬ 
kungen, deren anatomische Verhältnisse in vivo oft schwer zu 
durchschauen sind, ist das besonders nützlich. Mit grosser 
Zurückhaltung ist der begleitende Text behandelt; dennoch 
findet sich in demselben eine Fülle interessanten, auf eigner 
Beobachtung gegründeten Erfahrungsmaterials, wie es nur 
eine so reiche und langjährige Praxis, wie die des Verf. 
bieten kann. 

Dei Atlas ist das Resultat der 15 jährigen Arbeit eines, 
praktischen Arztes, und hierin ist ein Hauptvorzug desselben 
begründet. Krankenbeobachtungen die sich über Jahre er- 
stieckeu, und die bei chron. Krankheiten schliesslich allein 
eme sichere Beurtheilung des Einzelfalles erlauben, können 
aut keiner Klinik gesammelt werden, sondern nur in der pii- 
vaten Praxis. An solchen Fällen ist der Krieg’sche 'Atlas 
aber reich; ich raacne nur auf die von ihm Jahre lang beobach¬ 
teten rälle von mehr oder weniger vollständig geheilter Kehl- 
kopftnberculose aufmerksam. 

der Atlas der Kehlkopf krankheiten von Krieg nicht 
nur für den Laryngologen von Fach zu einer Fundgrube 
interessanten Materials, sondern ganz besonders auch für den 
praktischen Arzt, der bei beschränkter eigner Erfahrung sich 
in Bilderwerken Rath zu holen gezwungen ist, ein zuver¬ 
lässiger^ f tthrer in schwierigen Fallen sein. 

Das Format in Grossquart ist handlich, die Wiedergabe der 
Bilder mit malerischem Geschick uud grosser Naturtreue 
gelungen. j)_ 0 


The Pharmacology of the newer Materia Medica, 
embracing botany, chimistry, pharmacy and therapeutics 
of the new remedies. Compiled and pnblished for circula- 
tion among the medical profession. Detroit Mich. 1892 
George 8. Davis. 

Unter diesem Titel liegt ein Buch in Grossoctav von 1307 
beiten engsten Druckes vor uns, welches mit zahlreichen bo¬ 
tanischen und pharmakognostischen Figuren und Tafeln ver¬ 
sehen ist. Ein eigentliclier Autor ist nicht genannt, jedoch 
findet sich die Angabe ««being the results of the collective 
Investigation of new remedies, as conductedunder the «wor¬ 
king bulletin» System, properly arranged, classified and in- 
dexed»». Nach dieser sehr bescheidenen Angabe handelt es 
sich um eine Sammelforschung über die Wirkung 
neuer Mittel, welche von der bekannten Welttirma Parke 
nnu v -i 18 * kornp. ifi Detroit (Michigan)in den verschiedensten 
1 heilen Amerikas gesammelt und pharmakognostisch und che¬ 
misch untersucht worden sind, und über die diese Firma aile 
vorliegenden Angaben aus der Literatur, die ihr zugängig 


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waren, hat durch geeignete Gelehrte zusammenstellen lassen. 
Es ist also eine Art wissenschaftlicher Handelsbericht 
aber im grossartigsten Massstabe, der auf viele Jahre eine 
Quelle der Belehrung über neue amerikanische Mittel auch 
diesseits des Oceans bleiben wird. Im Ganzen sind 131 Sub¬ 
stanzen anfgeführt, von denen die meisten pflanzliche Droguen 
sind. Ich nenne von denselben beispielsweise Adhatoda vasica, 
Cyperus articulatus, Ailanthus glandnlosa, Carum copticnm, 
Laurus persea, Alstonia constricta. Alvelosmilch, Anagallis 
arvensis, Anhatonium Lewinii, Arecanüsse. Thuja occidentalis, 
Momordica balsamica, Mnsa sapientinm, Statice brasiliensis, 
Polymnia Uvedalia, Vibnrnum prunifolinm, Fncus vesiculosus. 
Asclepias curassavica, Arctium Lappa, Garrya Fremonlii. Co- 

J ernicia cerifera, Jacaranda procera. Picramnia, Siuiaba, Ce- 
ron, Cereus grandiflorns, Svcocaspus Kusbiji, Gynooardia odo- 
rata. Turnera diffusa, Piscidia erythrina, Alstonia scholaris, 
Eupliorbia pilulifera, Grindelia robnsta, Dipterocarpus turbi- 
natns, Helianthella tennifolia, Strychnos inalaccensis, Ostrya 
virginica etc. Man sieht schon aus diesen beliebig herausge- 
griflfenen Beispielen, dass es sich hier um zahlreiche Mittel 
handelt, von denen der europäische Arzt gar keine Ahnung 
hat. Um aber auch für ihn das Buch verwendbar zu machen, 
ist ein therapeutischer Index beigegeben, mit Hülfe des¬ 
sen sich jeder leicht orientiren kann. Wie ausführlich manche 
Mittel besprochen sind, davon zeugt, dass z. B. über Coca und 
Cocain 837 Seiten handeln. Was die Berücksichtigung euro¬ 
päischer Literatur anlangt, so ist sie an manchen Stellen recht 
mangelhaft, z. B. bei Mutterkorn und bei Asclepias curassa¬ 
vica. Indessen ist dies ohne Belang, da wir ja aus dem Buche 
nur lernen wollen, was man in Amerika über die einzelnen 
Mittel denkt. Zum Schluss seien die Aerzte Russlands noch 
auf eins der warm empfohlenen amerikanischen Mittel beson¬ 
ders aufmerksam gemacht, nämlich auf Xanthium struma- 
rinm, da dasselbe ein nraltes russisches Volksmittel ist. 

R. Robert. 

Franz Friedberger nnd Eugen Fröhner: Lehrbuch 
der specielien Pathologie und Therapie der H&usthiere, 
für Thierärzte, Aerzte nnd Studirende. In 2 Bänden. 
Dritte vermehrte nnd verbesserte Auflage. Stuttgart 
1892, Ferd. Enke. 

Unter den vielen guten Büchern, welche von der rührigen 
Enke’schen Verlagsbuchhandlung im Laufe des letzten Jahres 
auf den Markt gebracht worden sind, nimmt das vorliegende 
stattliche Werk eine hervorragende Stellung ein. Es umfasst 
auf über 1500 Seiten die ganze specielle Pathologie und The¬ 
rapie der Haussäugethiere einschliesslich der Literatur der 
betreffenden Krankheiten. ie der Titel besagt, ist das Werk 
nicht nur für Thierärzte sondern ebenso auch flir Menschen - 
ärzte und Studirende der Medicin bestimmt, hat es doch auch 
zwei Doctoren der Medicin zu Verfassern, von denen der eine 
jetzt Professor in München, der andere in Berlin ist. Der enge 
Gesichtskreis des Stndirenden der Medicin und des Arztes 
wird durch dieses Buch in Bezug auf Pathologie nnd Therapie 
eben so erweitert wie er in Bezug auf Anatomie durch das 
Studium der vergleichenden Anatomie bereichert wird. Frei¬ 
lich gehört eB leider in Deutschland zum guten Ton, dass der 
Menschenarzt die Veterinärwissenschaft als etwas Verächt¬ 
liches betrachtet, und deshalb wird der grosse Haufe der 
deutschen Aerzte dies Werk wohl nie zur Hand nehmen. Aber 
in Dorpat, wo durch eine gesetzliche Vorschrift der Mediciner 
auch über gewisse Theile der Veterinärwissenschaft eine Vor¬ 
lesung zu hören und darin ein Examen abznlegen gezwungen 
ist, liegen die Verhältnisse günstiger. Ferner fordert der un¬ 
geheure Reichthum des russischen Reiches an Vieh und der 
Mangel an Veterinärärzten in vielen Gegenden den Menschen¬ 
arzt ganz von selbst auf sich auch mit den Thierkrankheiten 
etwas genauer zu beschäftigen. Bei dieser Beschäftigung sei 
das vorliegende Lehrbuch aufs Wärmste empfohlen. Dass das¬ 
selbe einen internationalen Ruf geniesst, geht schon daraus 
hervor, dass es ins Französische und Russische übersetzt wor¬ 
den ist und dass Uebersetzungen auch noch in andere Sprachen 
in Vorbereitung sind. Gegenüber der erst vor wenigen Jahren 
erschienenen zweiten Auflage hat die vorliegende dritte eine 
wesentliche Bereicherung namentlich hinsichtlich der lnfec- 
tionskrankheiten erfahren, auf denen ja gerade die letzten 
Jahre so viel Neues ans Tageslicht gebracht haben. 

R. Robert. 

Vermischtes. 

— Der von der Universität Charkow an die militär-medici- 
nisehe Akademie berufene Professor der medicinischen Chemie. 
Dr. A. J. Danilewski, ist wie verlautet, vom Medicinalrath 
des Ministeriums des Innern zum berathenden Mirgliede gewählt 
worden. 

— Am 11. October beging der Professor der pathologischen 
Anatomie an der Moskauer Universität, wirkl. Staatsrath 
Dr. Joh. Klein, das 30jährige Jubiläum seiner Lehr- 
thätigkeit an der Moskauer Universität. Bei dieserGelegen- 


keit wurde dem Jubilar eine 20 Arbeiten seiner Schüler ent¬ 
haltende Sammlung überreicht, welche der Redacteur des in 
Moskan erscheinenden medicinischen Journals «Medizinskoje 
Obosrjenie» heran sgegeben hat. 

— Am 3. October vollendeten sich 25 Jahre der Lehr- 
thätigkeit nnd fast 30 Jahre der ärztlichen Thätig- 
keit des Professors der therapeutischen Hospitalklinik an der 
Kasanschen Universität, Dr. Michael Chomjakow. 

— Ernannt: Das Ehrenmitglied des St. Petersburger Con¬ 
seils der Kinderasyle, wirkl. Staatsrath Dr. Rohbusch —zum 
Director des Alexander-Newski-Kinderasyls in St. Peters¬ 
burg. 

— Verstorben: 1) Am 26. September in Ssaratow der Arzt 
des Fleckens Dubowka (Goav. Ssaratow) Dr. Eduard Bruun 
im 57. Lebensjahre am Schlage. Der Hingeschiedene stammte 
aus St. Petersburg und hatte seine medicinische Ausbildung in 
Dorpat erhalten, wo er von 1853— 57 studirte und den Arzt- 
grad erlangte. Siebzehn Jahre hindurch hat B. in Dubowka 
prakticirt, wo er sich allgemeiner Liebe and Achtung erfreute. 
2) Der Landschaftsarzt des Kreises Poretschje (Gouv. Smo¬ 
lensk), Kudrjawzew. 3) Die Landschaftsärztin des Arsamas- 
sr.hen Kreises Lydia Raibul-Vacare im Alter von 39 
Jahren an Meniug’itis. 4) und 5) Die in der Reserve der Militär- 
Medicinalbeamten stehenden Aerzte Wl. A. Shdanow 31 J. 
alt, und Th. A. Pissarewski 40 J. alt. 

— In Odessa wird demnächst eine Abtheilung des ärzt¬ 
lichen Rechtsschutz Vereins in’s Leben treten. 

— In der Gesellschaft der Kiewschen Aerzte sind 
ernstliche Zerwürfnisse vorgekoramen. Wie der «Wratscli» 
erfährt, sind die Protf. Morosow, Podwyssozki, Ssado- 
wen, Ssikorski, Tschernow, Jakimowitsch, Dr. Pole- 
tika nnd Andere ans der Gesellschaft getreten und beab¬ 
sichtigen einen nenen medicinischen Verein za gründen. 

— Zum ansserord. Professor der Augenheilkunde an der 
Jenaer Universität ist der bisherige Docent in Heidelberg, 
Dr. Wagenmann, und zum ansserord. Professor der inedici- 
nischen Poliklinik in Jena der Docent Dr. Kreh 1 in Leipzig 
ernannt worden. 

— Zur Errichtung eines Denkmals für den im Anfang dieses 
Jahres verstorbenen berühmten Physiologen Prof. E. v. Brücke 
sind bereits in wenigen Monaten so genügende Beiträge ein¬ 
gelaufen, dass das Comite an die Ausführung desselben gehen 
kann. 

— Als weitere Beweise der Anerkennung, welche die Thä¬ 
tigkeit der Aerzte nnd des medicinischen Personals während 
der letzten Choleraepidemie gefunden hat, theilen wir nach¬ 
stehend noch einige mit. Die Kasans che Stadtduma hat 
in ihrer Sitzung vom 29. September beschlossen, dem ganzen 
medcinischen Personals, welches an der Bekämpfung der Cho¬ 
lera theilgenommen hat, ihren Dank und ausserdem dem Stadt¬ 
arzt Dr. Boris so w ihre besondere Erkenntlichkeit anszn- 
drficken. Das Odessasche Kreislandschaftsamt hat dem 
Sanitätsarzt P. S. Karamenko 500 Rbl. aisGratifikation 
für die energische Bekämpfung der Cholera in Warwarowka (bei 
Nikolajew) bewilligt. Die Stadtduma von Nishni-Now- 
gorod hat im Princip das Project der Sicherstellung der Fa¬ 
milien von Aerzten und PerBouen des Medicinaldienstes, welche 
ein Opfer der Epidemie geworden, angenommen. 

— Der Aufseherin der Irrenanstalt «Nikolai Tschudotworez» 
E. G. Gulielmi, welche nach 20jährigem Dienst in dieser 
Anstalt in gleicher Eigenschaft au der Klinik für Geisteskrank¬ 
heiten bei der militär-medicinischen Akademie angestellt worden 
ist, sind bei ihrer Verabschiedung zahlreiche Beweise der An¬ 
erkennung ihrer bisherigen Thätigkeit zu Theil geworden. 
Die Aerzte der Anstalt überreichten ihr ein silbernes Tafel¬ 
service und ebenso erhielt sie von den Aufseherinnen und 
Krankenpflegerinnen silberne Werthsachen. 

— Die ersten Schritte znr Errichtung einer Heilanstalt 
für Trinker in Russland sind von der St. Petersburger 
Gouvernements-Landschaft gemacht worden, welche das Land¬ 
schaftsamt mit der Ausarbeitung eines bezüglichen Projects 
beauftragt hat. Wie aus Odessa berichtet wird, beschäftigt 
sich die Odessaer Gesellschaft zur Bekämpfung der Trunksucht 
ebenfalls mit dieser Sache. 

— Von der militär-medicinischen Akademie weiden die Stu¬ 
denten des letzten Cursus der Akademie, welche zur Bekäm¬ 
pfung der Epidemie abcommandirt sind, aufgefordert, sich u n - 
verzüglich zur Fortsetzung der Schlussexamina in der 
Akademie einzuflnden. Dityenigen, welche aus irgend einein 
(Bunde wegbleiben, gehen ihrer Stipendien verlnstig. 

— Nach einer Allerhöchst bestätigten Resolution des Kriegs¬ 
ministers erhalten die Militärärzte, Studenteu und Feldscher, 
welche ans den Bezirken im Innern des Reiches in entfernte 
Bezirke zur Bekämpfung der Choleraepidemie bereits abcom¬ 
mandirt sind oder noch abcommandirt werden, ihre Remune¬ 
ration nach dem erhöhten Etat, wie solcher für die in 
diesen Gegenden dienenden Militärärzte festgesetzt ist. 

— An der Berliner Universität sind im letzten Sommer¬ 
semester (vom 16. April bis zum 15. August 1892) nicht we¬ 
niger als 154 russische Unterthanen immatriculirt 


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gewesen,'VOk dooen 4/7 Medicit and 2 ffharmacifc und£ah!nh'eÖ- 
kunde studirten, während die übrigen 105 den arideren Facul- 
täten angehörteö. Za Doctoren sind im Jahre 1891/1892 
fünf aas Russland gebürtige Personen promoyirt worden, 
darunter 2 za Doctoren der Philosophie and 3 za Doctoren 
der Medicin, Die medicinische Doctorwürde erlangten dort 
Moses Mübilmann aus Odessa anf Grund einer Dissertation 
über Hirnpigmente; Carl Wolter Aschan dasFinland nach 
Vertheidignng seiner Dissertation «Zur Kenntniss der Homo- 
piperidin säure» und Nathan Landau ans Mobile w auf Grand 
einer Dissertation pharmakologischen Inhalts. 

— Auf Anordnung der hiesigen Sanitfttscommission sind im 
städtischen analytischen Laboratorium 10 Flaschen Quas 
(Dünnbier), welche verschiedenen Fabriken find Verkaufs¬ 
localen entnommen wärt*, untersucht und Bämmtlich als un¬ 
tauglich zum Genuss befunden worden. In dem Bodensätze 
einiger derselben und sogar Theile von Bandwürmern und 
abgestorbenen Mehlwürmern nachgewiesen worden. 

Die Choleraepidemie in Russland ist in dauernder Ab¬ 
nahme begriffen, jedoch weisen einzelne Städte und Gouver¬ 
nements noch immer eine recht erhebliche Zahl von Cholera-, 
Erkrankungen und Todesfälle^ auf. An der Spitze der Städte 
in Bezog anf die Zahl der Erkranknngen und Todesfälle an 
der Cholera steht Kiew, wo vom 28. Sept. bist). October 154 
Personen erkrankten und 47 starben, dann folgt Orel mit 46 
Erkranknngen und 22 Todesfällen vom 6.—12. October, 8t. 
Petersburg mit 44 resp. 20 Fällen in demselben Zeiträume. 
Unter den öouvernements hat das Kiew’sche die meisten 
Cholerafälle (vom 28. Sept. bis 6. October 1220 Erkrankungen 
and 458 TaiifttUft nttpfebCdem die Gouvernements SSamara 
(vom 5.—12. Uctober 827 resp. 310) und Tambow ((Äri-bsp. 
265). In St. Petersburg sind in den letzten 3 Tagen täg¬ 
lich nur 2 bis 4 Erkranknngen und nur je 1 Todesfall vor- 
gekomraen. Zum 20. October verblieben hier 19 Choleräkräitke 
in den HoeglUftorn. Nach deh offieitfllen Bulletins betrug die 
Gesammtzanl der Cholerakrankeu bis zum 20. October 4068, 
die der Genesenen 2860 und der Verstorbenen 1226. 


betrachtet werden. 

In Hamburg ist das gänzliche Erlöschen der Epidemie wohl 
bald zu erwarMU. 

Neu aufgetreten ist die Cholera in Wipn, wo in der vorigen 
Woche drei Fälle asiatischer Cholera constatirt wurden, von 
welchen zwei letal verlaufen sind. Ih Budapest ist die 
Cholera in stetiger Abnahme begriffe». 

-TT der Krank an in den Civilhospi- 

t»l baglftAlrJlbeimbargs betrüg am fe. October d. J. 5406 


{'weniger als in der 


feiger), 634 Syphilis — ($w^ 
r Vorwoche), 16 Diphth 
weniger), 8 Pocken — 


weniger als in der Vorwoc||e)&?;F5^ 


Im Kreise B a — ~ 
arztstellen 
Der eine Arzt vjernält 
Qnartiergeld. 

Hag 3encnaa yibaaa». 


St. £e^4>urgsJ 

Für die #oehe vdm 11. Octobübfe li.^dctöber 1892 


'bis 1 \ß dctöber 1892. 


Zahl der Sterbefälle: 

......».j»- ... *• • 

1) nach Geschlecht und Alter; 

Iih Ganzen: § g 4 4 4 I *§ 4 ’l I I 4 I S 


MW Sa. "a'SSSSSSSSS?! 

l J i 1 i i T T i i i " “ « 

fi vH fp wH fp fH vH vH v*H «H ^ ^ 

228 196 424 75 19 60 12 4 9 43 59 49 33 28 23 8 2 

2) nach den Todesursachen: 


ohne Besömmring ‘der Form 0, Pocken 0, Masern 3, Scharlach 7, 
Diphtherie 1, Croup 2, Keuchhusten 5, Crtrapöse Lungen¬ 
entzündung 21, Erysipels« 1, Cholera noBtras 0, Cholera asia- 
tica J7, Ruhr 5, Epidemische Meningitis. 0, Acuter Gelenkrheu- 
mätitnnus 0. Partratis epidemica"0, Kotzkrankheit 0, Anthrax 2, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 0, Pyämle und Septicaemie 6, 
Tfibeffctaoue dfer Langen 79, Tnberenlose anderer Organe 9. 

und DeUrinm tirewens 5, Lebenssohwäche und 
Aw<*hia ÜBWftnm 32, Märasmus senilis M>, Krankheiten des 
VerdMungscanals 30, Todtgeborene«.■ .... 


^Nächste Sitzung 4«»V®reinfi 8t. Peters¬ 
burger frmt.fi Kiflnateg Ami 97 October. 

Nächste Sitzung des deutsohen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 1Ö. November. 


darunter 152 Typhus — (27 
ra24 Scharlach — (wie in 
(3r* weniger), 14 Masern — 
dfhd 87 Cholerakrünke (33 


Diejenigen Herren, welche der Bibliothek des Vereins St. Pe- 
tarstyirger Aerzte die nachstehend aufgezähiten Zettschriften 
eilnotnaen haben, ohne den betreuenden Vermerk m dem dazu 
in der Bibliothek ausliegeudfu Buch zu machen, werden 


—-- —- mt u IVVVUIUIIOU V/UOl 

ihren Verbleib luttheii«Bgzn niachen. 

1. Virchow'8 Archiv Band 20. 

2. Deutsche medicin. Wochenschrift Jahrgang 1882. 1884 
1886 1887. 

3. Berliner klin. Wochenschrift Jahrgang 1880, 1881, 1883 

lOOO w 1 1 


d zwei Landschafts- 
bpi freien Amtsfahrten. 
, der andere 100 Rbl. 
ii Her «PsesoKad yts*-. 


J ‘i. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Band 27. 

■ ... ? ‘ • •’ 

St. Petersburger Aerzte. 


Saxlehrier’s Bitterwasser Huayadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sich dieses natürlich« 


sich dieses natürliche 


Gebrauche keine Verdauungsstörungen. Indien 
Stohlvsrslopfzn»; LeberisiSe^jGÄauOtÖtci 
in der zahftärztucHen Praxis mit Erfolg ange 


c.NeieMidf 

gewendet. 




FlLfftlt 


5 im ura-f if»ren 


von Gefllhlslähmnng, von Schwerhörig¬ 
keit und von Schwachsichtigkeit. 
Herausgeg. von Ör. Max Burchardt, 

Oberstaljearzt L. i.L «ul Pvetessor. 

HMbei ein Stereoskop nebst Tdrtfl$fen, 
welche 2um Nachweis der Simqteifevi ein¬ 
seitiger Blindheit bestijfejjFist. 

Drifte virmelu-te und vtrb^dmfi. 
I8ÄI. RUhs 10 p. 15 k. flepee. tfe 3 


aua gemumter InfusöWAtepde. < 

P«i« bei der Wasserleitung Sfjfe. Mit Pumpe wo keine WassSrtASkung vorhanden ist 46 B * 

1. Kann das Wasser von allen sohadliohen Keimen beT^len. *♦ 

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Eigenthümer: ANDREAS SAXLEHNER, BUDAPEST, 


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Herausgeber:Dr. Rudolf Wanach. B uehdruckerei von A. Wienecke, Kathariuenhofer-Pr .)* 15, 



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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETERSBURGER 


HEDICINI3CEE WOGEENSGlEin 

unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Rudolf Wanach. ' 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medieiniselie Wochenschrift» erscheint jeden ! 
Sonnabend. — Der Abo&nexne&tspreis ist in Bauland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung-, in den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Znsertlonspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


9V Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bioker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect 14, zu richten.— Manuscripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungeo bittet man au 
den geschäftsführenden Redacteur Dr, Btldolf Wanaoh in 8t. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser ProspectJ* 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 


INI 44 St. Petersburg, 31. October (12. November) 1892 


Inhalt: Axel Oehrn: Zur Trachomstatistik in Livland. — Referate: H. Leo (Bonn): Ueber die Ebstein’sche Theorie 
des Diabetes mellitus. — H. Leo: Ueber die Bedeutung der Kohlehydratnahrung bei Diabetes mellitus. — J. E. Greiwe: 
Eine nach Trauma rasch zum Tode führende Leukaemie. — Alexander Poehl: Eine chemische Erklärung zur physiolo¬ 
gischen Wirkung des Spermins. Vorläufige Mittheüung. — Alexandre Poehl: Action physiologique de la spermine. Inter¬ 
pretation de ses effets sur l’organisme. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Georg Letzel (München-Tölz): 
Lehrbuch der Geschlechtskrankheiten. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — 
Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Zur Trachomstatistik in Livland. 

Vortrag, gehalten auf dem IV. Livländ. Aerztetage zu Wenden 
am 16. September 1892. 

Von 

Dr. Axel Oehrn. 

(Wendau in Livland). 


Seitdem das Trachom sich in unseren Provinzen stärker 
verbreitet hat — nach Rählmann ist es am Anfang 
dieses Jahrhunderts durch die aus Frankreich zurück¬ 
kehrenden russischen Truppen eingeschleppt worden *) — 
hat es stets das besondere Interesse der Aerzte wach¬ 
gehalten. Dafür zeugen zahlreiche Arbeiten, die sich mit 
der Verbreitung des Trachoms in den Ostseeprovinzen, 
ganz besonders aber in Livland, beschäftigen. Einerseits 
finden wir in den Dissertationen von Germann 2 ), Sta- 
venhagen 3 ) und Anderen statistische Bearbeitungen des 
Materials der Au e . ! eilanstalten, namentlich der Dorpater 
Klinik und der Reimers’sehen Anstalt in Riga. 

Weiter hat Gueta , \ Reyher 1867 die Dorf- und Pa- 
rochialschulen der im Dörptschen Kreise belegenen Kirch¬ 
spiele Lais und Bartholomäi untersucht und bei 62 pCt. 
der Schüler das Vorhandensein von Trachom constatirt 4 ). 

Die umfassendsten Untersuchungen Uber die Verbrei¬ 
tung der Augenkrankheiten, namentlich des Trachoms, in 
Livland sind aber von den Professoren G. von Oettingen 
und G. von Samson in den Jahren 1866—59 angestellt 
worden. Es wurden in den einzelnen Kirchspielen und 
Gebieten des ganzen Livland an bestimmten Tagen sämmt- 
liche Augenkranke versammelt und untersucht. Die 


‘) Rählmann: Ueber Trachom. Volkmann’s klin. Vortr. 
Nr. 263. 1885. 

’) Germann: Statist, klin. Untersuchnngen über das 
Trachom. 1883. 

*) Stavenhagen: Klin. Beobachtungen aus der Wittwe- 
Reimerss’chen Augenheilanstalt zu Riga. 1868. 

4 ) G. Reyher: De trachomatis initiis, statisticis de eo nota- 
tionibus adjunctis. 1857. Dissert. 


Resultate sind dann von Weiss 6 ) und L. von Holst 6 ) 
in ihren Dissertationen bearbeitet worden. Es ergab sich, 
dass mehr als 1 pCt. der Gesammtbevölkerung Livlands 
trachomkrank war. In einigen Districten stieg die Zahl 
sogar bis auf 4 '/* pCt. 

Alle bisherigen Untersucher stimmen darin dberein, dass 
für die grosse Verbreitung des Trachom’s unter dem Land¬ 
volke vorwiegend die hygienisch ungünstigen Lebensbe¬ 
dingungen desselben verantwortlich zu machen sind, nament¬ 
lich die dunklen niedrigen, beständig von Rauch erfüllten, 
jeder rationellen Ventilation entbehrenden Wohnräume, 
wie sie zur Zeit der damaligen Untersuchungen die Regel 
bildeten. Reyher hat für die von ihm untersuchten Schulen 
den verderblichen Einfluss dieser Rauchstuben zahlenmässig 
nachgewiesen, indem er fand, dass in relativ rauchfreien 
Schulstuben 56 pCt. der Kinder trachomkrank waren, 
während diese Zahl in rauchigen Stuben bis auf 68 pCt. 
stieg. Es ist ja auch von vornherein einleuchtend, dass 
eine beständig gereizte, resp. schon katarrhalische Con- 
junctiva der Infection mit Trachom weit zugänglicher 
sein muss, als eine bisher mehr oder weniger intacte. 

Nun, m. H., die Lebensverhältnisse unseres Landvolkes 
sind ja seitdem ganz erheblich bessere geworden. An die 
Stelle der Rauchstuben von damals sind fast überall 
Wohnungen getreten, die den Anforderungen der Hygiene 
weit mehr entsprechen, wenn sie auch noch recht viel zu 
wünschen übrig lassen. Das geistige Niveau des Volkes 
hat sich gehoben, der einzelne wendet seinem Körper und 
seiner Gesundheit mehr Aufmerksamkeit zu, in Folge dessen 
ist das Bedürfnis nach dem Arzte überall gewachsen und 
es ist nicht mehr so absolute Regel, dass die Krankheit 
vernachlässigt wird, so lange sie nicht die Arbeitsfähig¬ 
keit in empfindlicher Weise beeinträchtigt. 

Angesichts des langen Zeitraumes, der seit den letzten 
trachomstatistischen Eihebungen verflossen ist, sowie an- 


5 ) C. Weiss: Zur Statistik und Aetiologie der etc. Augen¬ 
krankheiten, besonders des Trachoms. 1861. 

*) L. von Holst: Variae theoriaede trachomatis natura etc. 

18Ö6. 


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gesfchts der sicher vorhandenen Fortschritte in hygienischer 
Beziehung wäre es von grossem Interesse zu erfahren, wie 
es jetzt mit der Verbreitung des Trachom’s in Livland 
steht und ob namentlich eine Abnahme desselben sicher 
zu constatiren ist. 

Von diesen Erwägungen ausgehend habe ich im Laufe 
des letzten Jahres eine trachomstatistische Enquete ange¬ 
stellt, über deren Resultate ich Ihnen heute berichten 
will. Vorher gestatten Sie mir. Ihnen kurz den dabei ein- 
geschlagenen Weg anzugeben. 

Die ganze Bevölkerung, resp. alle Augenkranken zu 
untersuchen, wie es 1856—59 geschehen ist, dürfte jetzt 
kaum mehr ausführbar sein, weil uns die dazu nöthigen 
Autoritäten, wie sie damals durch die Gutsverwaltungen 
repräsentirt wurden, nicht mehr zur Verfügung stehen. 
Es blieben mir daher zur Ermittelung der Trachomver¬ 
breitung nur die beiden anderen oben angeführten, schon 
früher betretenen Wege übrig. Einmal galt es, die Anzahl 
der in einem gewissen Zeitraum von den Aerzten Liv- 
land’s behandelten A.ugenpatienten, speciell der Trachom- 
kranken zu ermitteln; dann aber weiter die Dorfschulen 
zu untersuchen, die mir für meinen Zweck besonders 
geeignet erschienen, weil das in ihnen gebotene Material 
in sehr gleichmässiger Weise das ganze zur Schule gehö¬ 
rende Gebiet repräsentirt und dieselben ausserdem, na¬ 
mentlich durch Vermittelung der Herren Pastoren, wohl 
überall den Aerzten zugänglich sind. 

In diesem Sinne wandte ich mich im November des 
vorigen Jahres an sämmtliche auf dem Lande prakti- 
cirenden Collegen und sandte ihnen 2 Fragebögen zur 
Beantwortung zu, von denen der erste sich auf die Ver¬ 
breitung des Trachom’s in den Dorfschulen bezog, der 
zweite auf die in den letzten 5 Jahren behandelten Au¬ 
genpatienten. Auf 76 Anfragen habe ich in Bezug auf 
den ersten Pnnkt 28, in Bezug auf den zweiten 38 
Antworten erhalten. 

I. 

Was zunächst die 'Verbreitung des Trachom’s in 
den Dorfschulen anbetrifft, so sind überhaupt unter¬ 
sucht worden ca. 190 Schulen in 36 Kirchspielen und 2 
Städten (Fellin und Pernau) mit 11310 Schülern im Alter 
von 8 bis 18 Jahren. Am meisten, nämlich 2303 Kinder 
entfallen davon auf den Walk’schen Kreis, weiter folgen: 
Dorpat mit 2 1 60, Wenden 1738, Werro 1447, Wolmar 
1285, Fellin 951, Riga 812 und Pernau mit 614 Kindern. 
Von diesen wurde bei 1996, also 17,(5 pCt. Trachom 
constatirt. 

Sehen wir uns die Vertheilung dieser Zahlen auf die 
einzelnen Kreise an, so weist der Rigasche Kreis den 
geringsten Procentsatz auf, nämlich nur 3,6 pCt. Weiter 
folgt Pernau mit 5,0 pCt., Wolmar 8,7 pCt., Wenden 
16,2 p€t., Walk 19,6 pCt., Werro 23,0 pCt., Dorpat 
23,6 pCt. und Fellin mit 25,7 pCt. Oesel habe ich gar- 
nicht berücksichtigen können, weil es dort überhaupt keine 
Landärzte giebt. 

Von den genannten Zahlen möchte ich die für Wenden 
(16,2 pCt.) von vornherein beanstanden. Ich erinnere 
Sie, meine H., an die Thatsache, dass auf dem 2. Livland. 
Aerztetage Dr. Jaesche sich an die Wenden’schen Col¬ 
legen gewandt hat, mit der Bitte, ihm zu Demonstra¬ 
tionszwecken einen Trachomkranken zu verschaffen, aber 
ohne Erfolg, da sich ein solcher in der Stadt nicht auf¬ 
treiben liess. In demselben Sinne schreibt mir der College 
Kiwull aus Wenden, er habe in 9 Monaten nur 4 Fälle 
von Trachom behandelt, von denen 3 noch obendrein aus 
dem Wolmar’schen stammten. Wie erklärt sich dem gegen¬ 
über die hohe Zahl 16,2 pCt. für den Wenden’schen 
Kreis ? 

M. H. ln demselben sind im Ganzen in 5 Kirchspielen 
Schulen untersucht worden und zwar in Alt- und Neu- 
Pebalg, Erlaa, Serben und Löser. Iu ersteren 4 Kirch¬ 


spielen hatten 6,09 pCt. der Kinder Trachom, in Löser 
dagegen 5o,8 pCt.! Der Unterschied ist enorm und wäre 
der hohe Procentsatz für Löser wohl nur durch ganz 
besonders ungünstige locale Verhältnisse zu erklären. 
So lange nur aus 5 von 16 zura Wenden’schen Kreise 
gehörenden Kirchspielen Untersuchungen vorliegen,xmüchte 
ich die hohe Zahl für Löser unberücksichtigt lassen und 
den Procentsatz für den Kreis nur aus den 4 andereu 
Kirchspielen berechnen, also statt 16,2 pCt. — 6,09 pCt. 
setzen. 

Die Zahl für Pernau möchte ich vorläufig überhaupt 
nicht berücksichtigen, weil ausser 4 städtischen Elemen¬ 
tarschulen nur ein einziges Landkirchspiel des Kreises 
untersucht worden ist. Nach dem bisher vorliegenden 
kleinen Material scheint Pernau weit günstiger dazustehn, 
als die übrigen estnischen Kreise, was auch die weiter 
unten zu erwähnende Statistik bestätigt 1 ). 

Nach Ausführung dieser Correcturen erhalten wir fol¬ 
gende Reihe: Minimum Riga mit 3,6 pCt., ferner Wenden 
6,09 pCt., Wolmar 8,7 pCt., Walk 19,5 pCt., Werro 
23,0 pCt., Dorpat 23,6 pCt. und als Maximum Fellin 
mit 26,7 pCt. 

Entsprechend früheren Erfahrungen zeigt sich ein deut¬ 
licher Unterschied zwischen dem südlichen lettischen und 
nördlichen estnischen Theil Livland’s. ln ersterem erwiesen 
sich 11,4 pCt. der untersuchten Schulkinder als trachom¬ 
krank, in letzterem dagegen 23,8 pCt., also mehr als 
doppelt so viel. Die Verbreitung des Trachom’s nimmt 
von Süden nach Norden gleichmässig zu, nur der Walk’sche 
Kreis zeigt gegenüber dem Wolmar’schen einen starken 
Sprung von 8,7 pCt. auf 19,6 pCt. 

Dieser Unterschied zwischen dem estnischen und 
lettischen Livland findet wohl zum Theil in culturellen 
und socialökonomischen Differenzen seine Erklärung: sowohl 
was Bildung als Wohlhabenheit anbetrifft, sind die Letten 
den Esten entschieden voraus: die Wohnungen sind hy¬ 
gienisch besser construirt, das Bedürfniss nach ärztlicher 
Hülfe ist ein allgemeineres, die Mittel, sich dieselbe zu 
verschaffen, sind reichlicher vorhanden, alles Umstände, 
die in Bezug auf die Verbreitung des Trachom’s gewiss 
nur einen günstigen Einfluss ausüben können. Anderer¬ 
seits mögen zur Erklärung dieses Unterschiedes wohl auch 
zum Theil die namentlich von Adel mann betonten Verschie¬ 
denheiten im anatomischen Bau der Orbitae bei Letten 
und Esten heranzuziehen sein. 

Unter den 11310 untersuchten Kindern waren 6337 
Knaben und 4973 Mädchen, davon trachomkrank 1118 
Knaben und 878 Mädchen, also je 17,6 pCt. Beide Ge¬ 
schlechter sind also ganz gleichmässig ergriffen. Für die 
späteren Alterstufen ist sowohl von früheren Unter¬ 
suchern als auch von mir durch die später anzufüh¬ 
renden statistischen Erhebungen ein ganz beträchtlicher 
Unterschied zu Ungunsten des weiblichen Geschlechts 
constatirt worden. Das Resultat der Schuluntersuchungen 
kann daher als Beleg dafür dienen, dass der für’s vorge¬ 
rücktere Alter constatirte Unterschied wohl kaum durch 
die zur Erkrankung an Trachom mehr geneigte Consti¬ 
tution des Weibes bedingt sein kann, wie Arlt und 
Holst annehmen, sondern wohl auf Unterschieden in 
Lebensweise und Beschäftigung der Geschlechter beruht, 
welche im schulpflichtigen Alter noch nicht zur Geltung 
kommen. Reyher hat allerdings auch für’s jugendliche 
Alter einen Unterschied nachweisen können, doch ist der¬ 
selbe zu gering — 60 pCt. gegen 64 pCt. — um als 
Gegenbeweis gelten zu können. 

Ich habe dann weiter die Trachomfrequenz für die ein¬ 
zelnen Lebensjahre vom 8. bis 18. berechnet. MitlS pCt. 

7 ) Von Pernau’schen Collegen liegen mir Mittheilungen vor 
nach welchen das relativ seltene Vorkommen von Tracnom in 
diesem Kreise vollständig deu iu ihrer Praxis seit Jahren 
gemachten Erfahrungen entspricht. 


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411 


im 8. Jahre beginnend, steigt sie ziemlich regelmässig an, 
um im 13. und 14. Jahre mit 19.5 pCt. und 19,8 pCt. 
das Maxiraum zu erreichen und dann wieder mit geringen 
Schwankungen abzunehmen. Ganz analoge Verhältnisse 
hat Reyher gefunden. 

Die Curve für die Knaben hat im Ganzen denselben 
Verlauf, nur ist das Maximum auf das 14. und 15. Jahr 
verschoben. 

Ganz unregelmässig verläuft sie bei den Mädchen: das 
Maximum fällt hier auf das 1“. Lebensjahr, 3 erhebliche 
Steigerungen auf das 13., 16. und 18. Jahr. 

Weiter habe ich zu ermitteln gesucht, wieviele der 
untersuchten Kinder Coraplicationen von Seiten der Cornea 
aufwiesen und es stellte sich heraus dass das bei 3,3 pCt. 
aller an Trachom erkrankten der Fall war, für dieses 
jugendliche Alter gewiss eine hohe Zahl. Auch hier zeigt 
sich ein deutlicher Unterschied zwischen dem estnischen 
und lettischen Livland: in ersterem hatten 4,8 pCt. Cor- 
nealerkrankungen, in letzterem dagegen nur 1,62 pCt. 
In 3 lettischen Kreisen (Riga, Wenden und Walk) wurden 
überhaupt keine Cornealerkrankungen gefunden, während 
dieselben in allen estnischen Kreisen vorhanden waren. 
Wie a priori zu erwarten, steigt die Anzahl der Corneal¬ 
erkrankungen mit zunehmendem Alter, von ca. 2 pCt. 
im 8. bis auf9pCt. im 18. Jahr. Beide Geschlechter zeigen 
ein ganz analoges Verhalten. 

II. 

Verlassen wir jetzt die Untersuchungen der Schulkinder 
und wenden wir uns den statistischen Erhebungen zu, 
die sich auf die in den letzten 5 Jahren von den 
Aerzten Livland’s behandelten Augenpatienten 
beziehen. Von 38 Aerzten ist mir über 11352 in den 
Jahren 1887—91 behandelte A ugenpatienten berichtet 
worden. Die umfangreichsten Berichte stammen aus dem 
Fellin’schen Kreise über 3736 Patienten, die kleinste Zahl, 
315 Patienten, aus dem Wenden'schen. 

Unter diesen wurden wegen Trachom behandelt 4232 
Patienten, d. h. 37,2 pCt. 

Die Zahlen für die einzelnen Kreise sind folgende: 
Riga 23,5 pCt., Wenden 18,1 pCt., Wolmar 19,9 pCt., 
Walk 35,1 pCt.,' Werro 36,7 pCt, DorpaC 44,2 pCt., 
Fellin 51,3 pCt. uni Pernau 32,0 pPt. Mit alleiniger 
Ausnahme von Riga, welches einen grosseren Procentsatz 
aufweist, als Wenden und Wolmar, ist hier genau dieselbe 
Reihenfolge eingehalten, wie wir sie oben für die Trachom¬ 
frequenz unter den Schulkindern landen. Auch hier nimmt 
die Frequenz von Süden nach Norden zu und zeigt sich 
der starke Sprung der Zahl für Walk gegenüber dem 
Wolmar’schen Kreise. Ferner bestätigt auch diese Sta¬ 
tistik, dass Pernau günstiger dasteht, als die übrigen 
estnischen Kreise. 

Die 4 lettischen Kreise zusammen ergaben 24,7 pCt., 
die 4 estnischen 43,8 pCt., also wieder beinahe doppelt 
so viel. Fellin steht in beiden Statistiken am ungünstigsten 
da, oben mit 26,7 pCt., hier mit 51,3 pCt. 

Diese Statistik zeigt deutlich die, wie gesagt, auch von 
allen früheren Untersuchern constatirte bedeutend grossere 
Trachomfrequenz beim weiblichen Geschlecht gegenüber 
dem männlichen. Bei letzterem beträgt dieselbe 32,2 pCt., 
bei den Weibern dagegen 41,8 pCt. Auf die Bedeutung 
dieses erheblichen Unterschiedes gegenüber dem Fehlen 
desselben im jugendlichen Alter wurde schon hingewiesen. 

Die Zahl der Cornealerkrankungen ist eine sehr grosse, 
nämlich 41,7 pCt. aller Trachomfälle, also nicht viel 
geringer als die Hälfte derselben. Wenn auch sicher 
anzunehmen ist, dass dieselbe sich bei einer Untersuchung 
ßämmtlieher überhaupt vorhandener Trachomkranken 
erheblich kleiner herausstellen würde, da gewiss in sehr 
vielen Fällen gerade erst die Miterkrankung der Cornea 
mit ihren grosseren subjectiven Beschwerden, namentlich 
der Beeinträchtigung des Sehvermögens, die Kranken zum 


Arzte treibt, so muss doch auch diese erschreckend gross 
erscheinen. 1Ö 1 /; pCt. sämmtlicher überhaupt behandelter 
Augenpatienten wiesen durch Trachom bedingte Corneal¬ 
erkrankungen auf, ganz abgesehen von allen auf anderer 
aetiologischer Basis entstandenen. 

Die Kreise weisen folgende Zahlen auf: Riga 62,0 pCt., 
Wenden 50,8 pCt., Wolmar 6 ,6 pCt, Walk 43,0 pCt., 
Werro 57,4 pCt., Dorpat 32,5 pCt, Fellin 33,0 pCt. 
Pernau 46,1 pCt. Hier sehen wir die Reihe vollständig 
verändert und es fällt auf, dass gerade in den Kreisen, 
in welchen relativ wenig Trachom vorkommt, dasselbe 
ganz besonders häufig die Cornea in Mitleidenschaft zieht. 
Das zeigt sich auch darin, dass das lettische Livland in 
54,8 pCt. aller Trachomfälle Cornealerkrankungen auf¬ 
weist, während das im estnischen Livland nur bei 37,8 pCt. 
der Fall ist. Das weibliche Geschlecht ist mit 44,4 pCt. 
wiederum stärker betheiligt, als das männliche mit 
37,6 pCt. 


Werfen wir, in. H.. einen Blick zurück auf die Resultate 
der von mir angestellten EnquSte, so muss unbedingt zu¬ 
gegeben werden, dass dieselben noch sehr lückenhaft sind. 
Von ca. 106 Landkirchspielen Livland's sind nur 35, also 
nur der dritte Theil, vertreten. Ausserdem fehlen die 
Städte mit Ausnahme von Fellin und Pernau. Ich habe 
es mir daher zur Aufgabe gemacht, in den nächsten 
Jahren die Enquöte zu vervollständigen und wenn 
möglich auch auf Est- und Kurland auszudehnen. Ich 
bin mir dabei vollständig dessen bewusst, dass dieser 
Modus der EnquPte durchaus nicht ideal ist: es kann 
gegen ihn mit Recht eingewandt werden, dass nicht jeder 
praktische Arzt soweit Specialist sein kann, um diffe¬ 
rential-diagnostische lrrthümer sicher zu vermeiden, na¬ 
mentlich Trachom und folliculären Catarrh, resp. chron. 
Blenorrhoe stets auseinanderzuhalten. Abgesehen davon, 
dass es mir nicht gelungen ist, unter den jetzigen Ver¬ 
hältnissen einen anderen Modus für eine dermaassen um¬ 
fassende Enqu&te ausfindig zu machen, scheint mir die 
Gesetzmässigkeit meiner Zahlen und ihre Uebereinstim- 
mung mit früheren Befunden dafür zu sprechen, dass 
die Fehler in praxi doch nicht sehr gross sind 8 ). 

Die Enqufte hat, so lückenhaft sie auch ist, doch 
ergeben, dass die Verbreitung des Trachom’s in Liv¬ 
land eine recht bedenkliche ist: über 17 pCt. der Schul¬ 
kinder und über 37 pCt. der Augenpatienten leiden an 
Trachom. Gegen früher scheint eine Besserung vorhanden 
zn sein: solche Zahlen, wie Reyher sie für Lais und 
Bartholoinäi fand, kommen jetzt nicht mehr vor. Dr. 
Francken hat in diesen Kirchspielen bei 16,5 pCt. der 
Kinder Trachom constatirt gegen 62 pCt. im Jahre 1 ö 67. 
Trotzdem sind die Zahlen doch gross genug, um uns zu 
einem gemeinsamen energischen Vorgehen gegen diese 
socialökonoraisch so wichtige Krankheit zu veranlassen. 
Und da sind es gerade die Dorfschulen, die meiner An¬ 
sicht nach den geeignetesten Angriffspunkt bieten: einer¬ 
seits haben wir bei den in den Dorfschulen der Regel 
nach vorhandenen frischeren Erkrankungsformen die 
meisten Chancen für radicale therapeutische Erfolge, anderer¬ 
seits würden wir durch die Kinder auf zahlreiche Haus¬ 
epidemien hingeleitet werden und so auch ausserhalb der 
Schule bis dahin unbekannt gebliebene Krankheitsfälle 
unserer Behandlung zugänglich machen. Auch scheint es 
mir bei dem so häufig schleichenden, fast unmerklichen 
Beginn des Trachom’s geboten, die Kranken aufzusuchen, 
namentlich den Anfangsstadien in den Schulen nachzu¬ 
spähen und nicht zu warten, bis schon ganz besonders 
lästige Symptome und verhängnissvolle Complicationen 


*) Dr. Trnhart- Fellin theilte dem IV. Livl. Aerztetage 
die Resultate der Blindenzälilung von 1886 mit, welche in 
überraschender Weise mit meiner Trachomstatistik fiberein- 
stimmen: die Kreise in denen viel Trachom vorkommt, weisen 
auch ganz besonders viel Blinde anf und umgekehrt. 


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412 


dieselben zum Arzte treiben. Es wäre daher dringend zu 
wünschen, dass auch die Dorfschulen Schulärzte erhielten, 
welche ex officio alljährlich die Schüler untersuchen und 
etwaige Trachomkranke in Behandlung nehmen würden. 
Auch wäre dann die Möglichkeit geboten, der Hygiene 
allmählich in den Schulen Eingang zu verschaffen, nament¬ 
lich bei etwaigen Neubauten für Berücksichtigung derselben 
zu sorgen. 

Endlich halte ich es, m. II., für unser Aller Pflicht, 
durch die Presse auf unser medicinisch noch so absolut 
unwissendes Landvolk einzuwirken und in populärer Weise 
hygienische, diätetische, allgemein pathologische und thera¬ 
peutische Kenntnisse unter demselben zu verbreiten. Das 
gilt natürlich nicht allein für das Trachom, sondern über¬ 
haupt für alle Krankheiten. Für das flache Land, wo die 
persönliche Beeinflussung durch den behandelnden Arzt 
naturgemäss nur in sehr unvollkommenem Maasse statt¬ 
finden kann, ist es meiner Ansicht nach der einzige Weg, 
auf dem wir dazu gelangen können, im Laufe der Zeit 
vernünftigere Anschauungen über medicinische Fragen zu 
verbreiten, alteingewurzelte Vorurtheile und abergläubische 
Gebräuche zu bekämpfen und uns so den Weg für ein 
erspriessliches therapeutisches Handeln zu ebnen. 


Referate. 

H. Leo (Bonn): Ueber die Ebstein’sche Theorie des 
Diabetes mellitus. (Centralbl. für klm. Medicin. 1892. 
Nr. 25). 

H. Leo: Ueber die Bedeutung der Kohlehydratnahrung 
bei Diabetes mellitus. (Deutsche medicin. Wochenschr. 
1892. Nr. 37). 

Nach Ebstein soll das Wesen des Diabetes mellit. darin 
bestehen, dass das Protoplasma und die Gewebe des Körpers 
beim Diabetiker zu wenig CO» bilden und ausscheiden. Die 
CO» wirkt hemmend auf die überall in den Geweben vorhan¬ 
denen diastatischen, zuckerbildenden Fermente, und wo CO» 
fehlt, da muss daher aus dem Glycogen der Körpergewebe zu 
viel Zucker gebildet und ausgeschieden werden. Gegen diese 
Theorie wendet sich Leo. Er hat Diabetiker eine CO»-reiche 
Luft atlimen lassen und so den Kohlensäuregehalt des Blnts und 
der Gewebe um ein Viertel des normalen Kohlensäure^ehaltes 
gesteigert. Dennoch wurde die Znckerausscheidung im Urin 
dadurch weder aufgehoben noch vermindert. Gegen Ebstein 
spricht ausserdem die Thatsache, dass das Blut der Diabetiker 
nicht ärmer an CO» ist, als das Gesunder (Minkowski) — 
Ferner hat Leo durch Gasanalyseu der Athmungsluft von 5 
Diabetikern gezeigt, dass die Diabetiker bei gleicher Nahrung 
ebensoviel 0 aufnehmen und CO» ansscheiden, wie Gesunde. 

Endlich hat Leo durch Stickstoffbestimmungen im Harn und 
Koth von Diabetikern gezeigt, dass die Kohlehydrate, da 
sie doch zum Theil verbraucht und verbrannt werden, auch 
bei Diabetikern als Sparmittel für das Eiweiss der Organe 
dienen und die Zersetzung des letztem einschränken. Bei zwei 
Diabetikern, die sich bei kohlehydratarmer Nahrung im Stick¬ 
stoffgleichgewicht befanden, wurde durch reichliche Zufuhr 
von Kohlehydraten zwar der Zuckergehalt des Urins bedeutend 
vergrös8ert, zugleich aber auch die Stickstoffausscheidung ver¬ 
mindert, und somit die Abnutzung des Organeiweisses einge¬ 
schränkt. Dem entsprechend siebt man in praxi garnicht so 
selten, dass Diabetiker der schweren Form, welche sich bei 
absoluter Entziehung der Kohlehydrate schlecht befinden, 
besser werden und sich erholen, sobald man zu ihrer Nahrung 
mässige Mengen von Kohlehydraten hinzufügt. 

In Betreff der Diät der Zuckerkranken ist Leo deshalb der 
Ansicht, dass eine Einschränkung der Kohlehydrate stets 
nöthig ist, und dass zu Beginn einer Kur auch die absolute 
Entziohung der Amylaceen und des Zuckers indicirt ist. Sehr 
vielen Diabetikern bringt eine solche Abstinenz grossen Nutzen. 
Eine andere Frage aber ist, ob die völlige Ausschaltung der 
Kohlehydrate in allen Fällen auch für die Dauer geboten ist. 
Wenn die Kranken bei einem solchen Regime immer mehr 
herunterkommen, dann muss man ihnen nach einiger Zeit 
wieder mässige Mengen von Kohlehydraten gestatten und Zu¬ 
sehen, ob sie sich nun besser fühlen und an Kräften zunehmen. 
Nach längerer oder kürzerer Zeit müssen freilich immer wieder 
Perioden eingeschaltet werden, in denen alle Kohlehydrate 
verboten werden. Genaue Krankenbeobachtung und strenges 
Individualisiren lässt hier das Richtige treffen. 

D e h i o. 


J. E. Greiwe: Eine nach Trauma rasch zum Tode füh¬ 
rende Leukaemie. (Berl. Klin. Wochenschr. 1892. Nr.33). 

Verf. berichtet über einen interessanten Fall von Leukaemie. 
der nach einem Trauma in elf Tagen zum Tode führte und 
ähnlich einigen von Ebstein vor 3 Jahren zusammengestell¬ 
ten Fällen von Leukaemie unter dem Bilde des Scorbuts ein 
setzte. Es handelte sich hier um einen 28 Jahre alten, kräftig 
und gut gebauten Schlosser, der bei seiner Aufnahme ins Kran¬ 
kenhaus am 26. Febr. d. J. angab, dass er bisher stets gesund 
gewesen sei. Am 23. Febr. hatte er beim Heben einer schwe¬ 
ren Last plötzlich Schmerzen in der linken Seite empfunden, 
die ihn nöthigten, von der Arbeit nach Hause zu gehen. Am 
Morgen des 24. Febr. sind Blutungen aus dem Munde aufge¬ 
treten, er musste das Bett hüten, bis ihn am 26. Febr. die an¬ 
dauernde und immer zunehmende Blutung aus dem Munde 
zwang das Krankenhaus aufzusuchen. Bei der Aufnahme war 
der Status folgender: Haut und sichtbare Schleimhäute hoch¬ 
gradig anämisch. An verschiedenen Körperstellen, besonders 
an der linken Brustseite und den unteren Extremitäten zahl¬ 
reiche zehnpfennig- bis thalergrosse, blaurothe Haemorrhagien, 
die er bereits seit längerer Zeit bemerkt hat; ausserdem mehr¬ 
fache frische Blutungen unter der Haut. Zunge schmierig und 
mit massenhaften schwarzbraunen Krusten belegt, Zähne und 
Zahnfleisch aufgelockert und geschwollen. Das Zahnfleisch 
blutet ununterbrochen. Keine Nasenblutung. Lungen und 
Herz normal. Puls 100, mässig stark. Urin Frei von Eiweiss 
und Blut. Eine nach der Ehrlich’schen Methode vorge¬ 
nommene Blutuntersuchung ergab das mikroskopische Bild 
einer rein lymphatischen Leukaemie. Dieser Blutbefnnd ver- 
anlasste, dass Patient nach dieser Richtung hin nochmals un¬ 
tersucht wurde. Die Lymphdrüsen in der Cervical-, Cubital- 
und Leistengegend, sowie in der Axilla waren sämmtlich 
mässig vergrössert und auf Druck empfindlich. Die genaue 
Untersuchung des Unterleibes, die bei der Aufnahme wegen 
der gespannten Bauchdecken und der grossen Empfindlichkeit 
nur ud genau vorgenommen werden konnte, ergab eine Ver- 
grösserung der Milz, die von der 7. Rippe oben bis vier Quer- 
huger unterhalb des Rippenbogens reichte. Am 28. Febr. trat 
zu den Blutungen aus dem Munde Nasenbluten hinzu. Das 
Sen8orinm blieb frei; bis auf eine einmalige Temperaturstei¬ 
gerung auf 38,2 war Patient fieberfrei, Patient wurde allmäh¬ 
lich immer schwächer und nach einer in der Nacht vom 5 
zum 6 März erfolgten erheblichen Blutung trat der Tod ein.. 
Die am nächsten Tage vorgenommene Section bestätigte die 
Diagnose Leukaemie. 

Es besteht also kein Zweifel, dass hier eine echte Leukae¬ 
mie vorlag. Die Anamnese berechtigt allerdings zur Annahme, 
dass es sich hier um eine Leukaemia acutissima gehandelt hat. 
Dennoch glaubt Verf. nicht, dass er es mit einer solchen hier 
zu tliun gehabt hat, denn die Blutextravasate an den unteren 
Extremitäten und an der Brust lassen sich wohl kaum alle 
auf Verletzungen bei der Arbeit zurückführen, sondern ist 
liier wohl eine besondere Disposition zu Zwangen anzuneh¬ 
men. Verf. ist überzeugt, dass das Trauma hier nicht die Ur¬ 
sache der Krankheit, sondern nur die Veranlassung zum Aus¬ 
bruch, zum Anfflammen der bis dahin latent verlaufenden 
Krankheit war. Zwar leugnet er nicht das Vorkommen einer 
Leukaemia acutissima, doch glaubt er, dass einige der bis 
jetzt veröffentlichten Fälle grosse Aehnlichkeit mit dem von 
dem beschriebenen Falle haben. Die Diagnose einer Leukaemia 
acutissima dürfte jedenfalls nicht auf die Angabe des Pa¬ 
tienten, er sei bisher gesund gewesen, gestellt werden; zu 
einer solchen sei man erst berechtigt, wenn durch eine ärzt¬ 
liche Untersuchung, womöglich eine Blutuntersuchung, kurz 
vor Ausbruch der Krankheit ihr früheres Bestehen mit Sicher¬ 
heit ausgeschlossen werden kann. H. Büttner. 

Alexander Poehl: Eine chemische Erklärung zur phy¬ 
siologischen Wirkung des Spermins. Vorläufige Mit¬ 
theilung. (Bulletin de l’Acad6mie Imperiale des Sciences 
de St. Petersbourg. Tome XUI). 

Alexandre Poehl: Action physiologique de laspermine. 
Interpretation de ses effets sur l’organisme. (Compte 
rendu de la süance du 11 Juillpt 1892 de l’Acadömie des 
Sciences. Paris). 

In der erstgenannten Arbeit weist der Verfasser nochmals 
auf die schon früher von ihm ausgesprochene Erscheinung hin, 
dass bei der Einwirkung von metallischem Magnesium auf 
Goldchlorid bei Gegenwart von Spermin ein charakteristischer 
Spermageruch sich entwi' eit, und dass ferner hierbei grosse 
Mengen von Magnesiu :u -Uroxyd gebildet werden; letztere 
Reaction kommt auc zü Stande, wenn statt Goldchlorid 
PtCl«, HgCh, CuCh, CdCl» u. s. w. genommen werden. Da 
schon ein ausserordentlich kleines Quantum Spermin grosse 
Mengen von Magnesiumhydroxyd zu bilden vermag, so fasst 
Poehl diese Wirkung als katalytische auf. Diese Reaction 
sowohl als auch die von Tarchanoff und Weljaminow 


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beobachtete günstige Einwirkung des Sperinins bei Chloro- 
formintoxicatiouen, ferner der Umstand, dass das Sperwiu in 
allen möglichen männlichen nicht nur, sondern auch weiblichen 
Organen und im Blute aufzufinden ist, brachten den Autor 
auf den Gedanken, dass dem Spermin eine wichtigere Stelle 
bei den Oxvdationsvorgängen im menschlichen Organismus 
zukomme. Dieses,beweist denn auch Poehl in vorliegender 
Arbeit an der Hand experimenteller Untersuchungen am Blut 
mit künstlich herabgesetzter Oxydationsfähigkeit (z. B. durch 
Chloroform): ein solches Blut erlangt seine frühere Oxyda¬ 
tionsfähigkeit bei Zusatz von Spermin sofort wieder. Als 
weiteren Beleg für diese Annahme führt Poehl ferner den 
Umstand an, dass in allen Fällen, wo das Verhältnis des Ge- 
saramtstickstoffs des Harns zum Stickstoff des Harnstoffs (be¬ 
kanntlich der beste Ausdruck für die Energie der Oxydation 
im Organismus) unter der Norm ist, so z. B. bei Oxalurie, 
dasselbe nach den Spermininjectionen sofort gehoben wird. 
Denselben Gesichtspunkt hält Poehl auch massgebend zur 
Erklärung für die günstige Wirkung des Spermins als Tonicum 
und Nervinum und bei gewissen Formen des Diabetes. 

In der zweiten Arbeit weist Poehl darauf hin, dass das 
Spermin ein Bestandtheil der Brown S^qnard’schen Testi- 
kelemulsion sei, ferner zeigt er, dass das Spermin nicht iden¬ 
tisch sei mit dem Aethylenimin (Ladenburg, Abel) und 
noch weniger mit seinem Polymeren, dem Piperazin oder 
Dispermin (Robert), indem die chemische Formel des Sper- 
rams CiHhN» von deijenigen der genannten Körper CjHjN 
differirt; in dieser seiner Behauptung findet der Autor eine 
Stütze an Prof. Mendelejew. Im Uebrigen deckt sich die 
vorliegende Arbeit mit der vorhergehenden, indem auch hier 
Poehl die günstigen Einwirkungen des Spermins durch dessen 
oxydationsbefördende Eigenschaften zu erklären glaubt. Es 
ist, wie Poehl zum Schluss hervorhebt, das Spermin thera¬ 
peutisch dort mit Erfolg zu verwerthen, wo der Organismus 
eines Theiles des ihm ganz normal znkomraenden Spermins 
verlustig gegangen ist und zwar entweder dadurch, dass die 
verschiedenen Organe diesen Körper in zu geringer Menge 
produciren (wie bei verschiedenen Infectionskrankheiten), oder 
dadurch, dass das schon gebildete Spermin durch Ueberführnng 
in das unlösliche phosphorsaure Salz nicht zur Action gelangen 
kann (Bronchitis, Asthma, Anämien u. s. w.). 

H ö h 1 e i n. 


Bücheranzeigen und Besprechungen. 

Georg Letzel (München-Tölz): Lehrbuch der Geschlechts¬ 
krankheiten. Mit 71 Holzschnitten. 1892. Wien und 
Leipzig. Urban und Schwarzenberg. 436 Seiten. 

I)a die Speciallitteratur eine grosse Reihe gnter Handbücher 
der venerischen Krankheiten aufweist, so ist es eigentlich 
fraglich, ob das Bedürfnis nach neuen Handbüchern vorhanden. 
V\ir erinnern nur an die ausgezeichneten kurz gefassten Lehr¬ 
bücher Finger’s und Lesser’s die häufig neue Auflagen 
erleben. Line gewisse Berechtigung dieses neuen Lehrbuches 
liegt dann, dass es ausnahmsweise ein praktischer Arzt ist, 
der sich an diese Aufgabe gemacht hat. Nur mit dem Titel 
<Geschlechtskrankheiten» sind wir nicht einverstanden, denn 
werden m demselben nur «Tripper, Syphilis und weicher 
Schanker» behandelt, während zn den Geschlechtskrankheiten 
doch noch eine ganze Reihe anderer Leiden gehören, die nicht 
Erwähnung finden. 

Im Ganzen müssen wir anerkennen, dass der Verf. seiner 
Aufgabe vollkommen gewachsen and in kurzer, bündiger und 
klarer Form einen guten Ueberblick Über den gegenwärtigen 
Stand der Lehre von den venerischen Krankheiten giebt und 
sowohl «Aerzte wie Studierende» das Buch mit Nutzen ver- 
werthen können. Nicht ganz befriedigt das Capitel der Therapie 
der Syphilis, namentlich die Frage bezüglich der Injections- 
1 herapie. Der überall jetzt anerkannte Werth des Hydrar- 
gyrum balicylicura ist nicht genügend betont und giebt Verf. 
noch ßecepte für Calomel-Injectionen, die wohl gegenwärtig 
zum grössten Theile nicht mehr angewandt werden. Da das 
Manuscnpt im Mai 1892 geschlossen, hätte wohl die Frage 
bezüglich der Temperatursteigernngen nach den Injectionen, 
die doch gerade für den Praktiker wichtig, Erwähnung finden 
müssen, denn sie wurde bereits 1891 auf dem Leipziger Der- 
matologen-Congresse verhandelt. Besonders werthvoll sind die 
Gapitel der syphilitischen Affectionen des Auges (bearbeitet von 
Ancke), des Ohres (Dr. Pnricelli) und des Nerven¬ 
systems (Dr. Löwenfeld). Namentlich das letztere Capitel 
wird hoffentlich dazu beitragen nicht so ohne Weiteres die 
verschiedenen Nervenleiden bei Syphilitikern stets der Syphilis 
m die Schuhe zu schieben. 

Die Ausstattung ist musterhaft und empfehlen wir gern das 
Buch den praktischen Aerzten, die sich damit bekannt machen 
wollen, wie es jetzt im Allgemeinen mit der Lehre von den 
venerischen Krankheiten steht. 0. Petersen 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Die Prophylaxe der Infectionskrankheiten wird in Zukunft 
auch die Vertilgung des beim Menschen nnd Vieh schmaro- 
zenden Ungeziefers za ihren Aufgaben zu zählen haben, wie 
n. A. folgender Fall darthnt, welchen Dr. Dewövre in «Revue 
de m6d.» mittheilt. Nach D.’s Untersuchungen war die Tu¬ 
berkulose durch Wanzen übertragen worden, u. zw. 
auf einen jnngen Mann der bei der ärztlichen Untersuchung 
eine Unmenge von Wanzenbissen auf seinem Körper aufwies. 
60 in der Wohnnng des Pat. heimischer Wanzen wurden ein¬ 
gefangen, verrieben, in Verdünnung filtrirt und darauf lege 
artis bakteriologisch untersucht. Die Präparate sowohl als die 
Impfversuche an Meerschweinchen bewiesen die Anwesenheit 
von Tuberkelbacillen in der Wanzen-Pnlpa. Freilich muss hin- 
zugefügt werden, dass Pat. 8 Monate nach dem Tode zweier 
Brüder an Lnngenphthise tuberculös erkrankt ist. 

(Der Pharmaceut). 

— Gegen Seborrhoea capitis empfiehlt Dr. Jessner ein-bis 
zweimal wöchentlich Waschen des Kopfes mit Spirit, sapona- 
tokalinus Hebrae, Abspülen mit warmem, zuletzt abgekühltera 
Wasser. Ausserdem jeden Abend (nach einigen Wochen seltener) 
Einreibung der Kopfhaut mit Resorcin. aloissimi, Sulf. depurat. 
u 10,0, Ungt. poraad. 100,0. Von Vortheil ist es, Nachts eine 
Bade* oder Gummikappe zu tragen. 

— In der Sitzung der «Societö de Biologie» zu Paris vom 
30. Juli 1892 trug N. Gamaleia seine experimentellen Studien 
über Cholera bei den Händen vor. Vortr. hat besonders die 
Wirkung der intravenösen Injection von Choleraspirillen bei 
Hunden beobachtet. Seine Resnltate waren folgende: 1) Die 
Cholera bei den Hnnden zeigt eine grosse Analogie mit der 
der Menschen. Sie ist charakterisirt durch blutige oder reis¬ 
wasserähnliche Stühle und besonders durch Erbrechen, das 
mehrere Stunden anhalten kann. Die Thiere gehen unter 
Krämpfen zu Grunde. 2) Bei der Autopsie findet man den 
ganzen Digestionskanal vom Magen bis zum Rectum schwer 
alterirt. Die Schleimhaut ist ebenso wie der Darminhalt hae- 
morrhagisch; in letzterem findet man bei der mikroskopischen 
Untersuchung desquamirte Darraepithelien. Die histologischen 
Veränderungen der Mncosa sind senr ausgesprochen. Die ganze 
Epitheldecke ist verändert: das Protoplasma der Zellen ist 
granulirt und ebenso wie die Kerne geschrumpft. 3) Auffallend 
ist bei den Hunden die Schnelligkeit, mit der sie eine Immu¬ 
nität gegen die Cholera erwerben. Schon am Tage nach der 
Injection einer Quantität des Virus, die uicht hinreicht, sie zu 
tödten, aber allgemeines Unbehagen und Erbrechen hervorruft, 
zeigen sich die Hunde gegen sehr grosse Mengen einer Cultur 
gefeit. _ 

Vermischtes. 

— Der Medicinalinspector des St. Petersburger Hafens und 
Oberarzt des Kalinkin-Marinehospitals, wiikl. Staatsrath Dr. M. 
J. Kwizinski, ist wegen Krankheit von diesen Aeratern zu- 
rückgetreten. Die hiesigen Marineärzte, mit dem Ober Militär- 
Medicinalinspector der Flotte Dr. Kudrin an der Spitze, ver¬ 
anstalteten zu Ehren des Scheidenden ein Diner im hiesigen 
adligen Club. 

— Prof. Charcot ist von der Gesellschaft der Odessaer 
Aerzte zum Ehrenmitgliede gewählt worden. 

— Zum Vicepräsiaenten der Russischen Gesell¬ 
schaft zur Wahrung der Volksgesnndheit ist in der 
Sitzung am 25. October an Stelle des verstorbenen W. M. 
Karlowitsch der bekannte hiesige Architekt Graf. P. Suzor 
erwählt worden. 

— Verstorben: 1) Am 9. October in Simferopol der Prä¬ 
sident der dortigen ärztlichen Gesellschaft nnd Arzt des weib¬ 
lichen Gymnasiums Dr. Adolf Trachtenberg, nach langer 
Krankheit. Der Hingeschiedene war der Sohn eines Arztes 
und hatte seine medicinische Ausbildung auf dei Kiewer Uni¬ 
versität erhalten, das Doctordiplom aber an der Doipater Uni¬ 
versität erlangt. Im Jahre 1867 liess er sich in Simferopol als 
Arzt nieder und war seit 1885 Präsident der ärztlichen Ge¬ 
sellschaft ausserdem Stadtverordneter und Mitglied des Stadt¬ 
amtes. Für die grosse Achtung und Liebe, welche der Ver¬ 
storbene iu den weitesten Kreisen sich erworben hatte, liegen 
zahlreiche Beweise vor. Eine unabsehbare Menschenmenge 
folgte seinem Sarge, auf dßn 16 Kränze niedergelegt wurden. 
Es wird eiu Stipendium auf seinen Namen gestiftet werden 
und die Gesellschaft der Aerzte in Simferopol hat beschlossen 
das Andenken Ihres heimgegangenen Präsidenten dnrch eine 
ausserordentliche Sitzung zu ehren. Die Tagesblätter «Krymski 
Westnik» und «Jushny Krai» bringen warm gehaltene Ne¬ 
krologe des Verstorbenen. Wie letztere Zeitung mittheilt, 
wurde obgleich der Verstorbene Lutheraner war -- mit 
Bewilligung des Örtlichen Bischofs eine feierliche Seelen¬ 
messe in der russischen Kathedrale abgehalten. (Wr.) 2) Am 
28. September in Jekaterinoslaw der Präsident der örtlichen 
Gesellschaft der Aerzte und Ordinator am Gouvernements- 
Landschaitshospital, Dr. Dm. J. Wyscheljesski, an hyper- 


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414 


trophischer Leberzirrhose. Nach Absolvirung des Cursns in 
der medico-chirurgischen Akademie i. J. 1866 war W. 5 Jahre 
hindurch Militärarzt und trat dann in den Landschaftsdienst 
als Ordinator des Gonv.-LandschaftshoBpitals in Jekaterino- 
8law, wobei er zugleicli als Docent für Anatomie und Physio¬ 
logie an der Feldscherschule der Landschaft, sowie auch als 
Lehrer der Hygiene an dem geistlichen Seminar fungirte. 
Der Verstorbene gehörte zu den Gründern der Jekaterino- 
slawschen inedicinisehen Gesellschaft, deren langjähriger Secre- 
tär und nachheriger Präsident (seit 3 Jahren) er war. 3) und 
4) Die in der Reserve der Militär-Medicinalbeamten stehenden 
Aerzte P. Birjukow und M. Klimentow. 5) Der jüngere 
Arzt der 6. Artilleriebrigade Joseph Stark mann. 6) In Basel 
der ordentliche Professor der Geburtshilfe und Gynäkologie 
Dr. Joh. Bischoff, im 51. Lebansjahre. Der Verstorbene hat 
das Verdienst, den praktischen Unterricht in der Frauenheil¬ 
kunde an der Universität Basel gegründet zu haben. Nachdem 
er i. J. 1864 in Basel zum Dr. meaicinae promovirt, habilitirte 
er sich als Privatdocent und erhielt 1868 bereits eine ausser¬ 
ordentliche und 1872 eine ordentliche Professur. Literarisch 
ist Bischoff wenig hervorgetreten. 

— Am 28. October vollendeten sich 25 Jahre der päda¬ 
gogischen und literarischen Thätigkeit des Privat- 
docenten der Physiologie an der St. Petersburger Universität, 
Dr. Bakst, welcher durch seine Arbeiten auf dem Gebiete der 
Physiologie bekannt ist. 

— Der berühmte Physiologe und Physiker, Prof. Herrn, 
v. Helmholtz, Präsident der physikalisch-technischen Reichs¬ 
anstalt in Berlin, beging am 2. November n. St. sein 50jäh¬ 
riges Doctorjubilänm. Von einer öffentlichen Feier wurde 
auf Wunsch des Jubilars Abstand genommen. 

— Der berühmte Wiener Augenarzt, Prof. Stell wag von 
Carion, feiert in nächster Zeit seinen 70. Geburtstag. 
Das ProfesBoren-Collegium soll einstimmig beschlossen haben, 
die Belassung dieser hervorragenden Lehrkraft in der Wiener 
med. Facultät für das nächste Lehrjahr beim Ministerium zu 
beantragen. 

— Nach dem soeben herausgegebenen Personalverzeich- 
niss der Kais. Universität Dorpat pro II. Semester 
1892, welches seit dem vorigen Semester in russischer Sprache 
erscheint, betrug die Gesamratzahl der Stndirenden zum 
1. October d. J. 1670 (gegen 1682 zum 1. Februar d. J. und 
1784 am 1. Februar vorigen Jahres). Abgegangen waren 316 
und hinzugekommen 304 Studirende. Die medicinische. theolo¬ 
gische und die historisch-philologische Facultät haben einen 
Zuwachs auf Kosten der juristischen und physiko-raathemg- 
tischen erfahren. Die medicinische Facultät zählt 1019 
Studirende (gegen 1017 im vorigen Semester), die theologische 
256 (gegen 254), die historisch-philologische 81 (gegen 73); die 
juristische 142 (gegen 148) und die physiko-mathematische 172 
(gegen 190). Was die Herkunft der Stndirenden betrifft, 
so stammen aus den Ostseeprovinzen 1012 (gegen 1020 im 
vorigen Semester), und zwar aus Livland 589 (gegen 591), ans 
Kurland 296 (gegen 313) und ans Estland 127 (gegen 116). 
Aus dein Innern des Reichs stammen 653 (gegen 655), die Zahl 
der Ausländer betrug 5. die der freien Zuhörer 7. In dem 
Lehrkörper der medicinischen Facultät ist nur eine 
Veränderung zu verzeichnen, nämlich an die Stelle Prof. 
Dr. Unverricht’8 ist Dr. Stepan Wassiljew als ord. 
Professor der speciellen Pathologie und Therapie getreten. 

— Am 16. October fand eine ausserordentliche allge¬ 
meine Sitzung der St. Petersburger ärztlichen Ge¬ 
sellschaft zur gegenseitigen Hülfe statt. 

Vor Beginn der Sitzung wurde ein feierlicher Gedächtniss- 
Gottesdienst für die während der letzten Flecktyphus- und 
Cholera-Epidemie verstorbenen Aerzte und Studenten abge¬ 
halten. In warmen Worten gedachte der Priester des Obnchow- 
Hospitales der als Opfer ihres Berufes Dahingeschiedenen. 

Nach Eröffnung der Sitzung wurde zur Wahl des Ehren- 

S räsidenten für diese Sitzung geschritten und einstimmig dazu 
as Ehrenmitglied, Geheimratli Senator Koni gewählt. 

Der Präsident gedachte nochmals der verstorbenen Aerzte 
und proponirte das Andenken derselben durch Erheben von den 
Sitzen zu ehren. 

Darauf folgten prograramässig die im Namen des Ver- 
waltungsrathes gehaltenen Vorträge: 

1) Dr. W. Afonassjew hielt eine Gedächtnisrede auf den 
während des Cholera-Kravalles in Chwalynsk erschlagenen Dr. 
Moltschanow, und proponirte, im Namen der Verwaltung 
ein Capital zum Andenken an Moltschanow zu grün¬ 
den. zu diesem Zwecke für das Jahr 1893 den Beitrag von 3 
auf 5 Rbl. zu erhöhen und eine Snbscription zu eröffhen. Die 
Procente des Moltschanow-Capitale6 sollen in erster Linie 
Wittwen und Waisen von Aerzten, die in Epidemien ver¬ 
storben zu Gute kommen. — Der Antrag wird einstimmig 
angenommen. 

2) Dr. 0. Petersen weist darauf hin, wie wenig noch zur 
Sicherstellung der Familien verstorbener Aerzte unternom¬ 
men nnd giebt einen Ueberblick über die bestehenden Unter¬ 


stützungs-Gesellschaften (Tschistowitsch-Casse, Marien-Casse 
etc.) und proponirt u. A. die ccollective Lebensversicherung 
der Aerzte*. Falls nicht weniger als 25 daran Theil nehmen, 
so bietet die «Russische Gesellschaft zur Versicherung von 
Capitalien nnd Renten* 7 pCt. Rabatt von der Jahresprämie 
und ist bereit 1 pCt. der Versicherungs-Summe der Vereins- 
Casse zu zahlen. 

Nach einer lebhaften Debatte wird zur weitern Bearbeitung 
dieser Frage eine Commission gewählt. (DDr. Dembo, Schapiro, 
F. Fischer und Pokrovski). 

3) Dr. W. Afonassjew berichtet über den Stand der Con- 
sumverein8-Angelegeuheit. Da sich bereits 35 Firmen bereit 
erklärt, den Mitgliedern der Gesellschaft Rabatt (3—20 pCt.) 
bei Einkäufen zu geben, kann die Thätigkeit dieser Branche 
der Gesellschaft beginnen. Zu diesem Zwecke werden den Mit¬ 
gliedern Karten ansgereicht, die gegen Entrichtung des 
Beitrages pro 1893. sowie 20 Kop. pro ßillet beim Rentmeister 
der Gesellschaft, Dr. A. Trojanow (Obuchow-Hospital) täg¬ 
lich von 10-3 Uhr ansgefertigt werden. P. 

— In der combinirten Sitzung der St. Petersburger städti¬ 
schen Hospitalcommission und der Sanitätscommission, welche 
am 21. October unter dem Vorsitz des stellv. Stadthauptes 
Medwjedew und im Beisein des Medicinalinspectors der 
Residenz Dr. B a t a 1 i n stattfand, wurde der Voranschlag für 
das nächstjährige Budget der städtischen Sanitätscommission 
und der ihr unterstellten Institutionen berathen und nachste¬ 
hende Summe fhr das Budget des Jahres 1893 festge¬ 
setzt: Für den Unterhalt der Sauitätscommission 17,680 Rbl.; 
für das berathende Mitglied der Commission und zum Unter¬ 
halt der Kanzellei derselben — 4.000 Rbl.; für das Ambulatorium 
und den Unterhalt der unentgeltlichen ärztlichen Hülfeleistung 
im Hause der Kranken — 48,000 Rbl.; für die epidemiologi¬ 
sche Aufsicht — 17,700 Rbl.; für die städtischen Gebärasyle 
44,184 Rbl.; für den Preobrashenskischen nnd Uspenskischen 
Kirchhof — 45,359 Rbl.; für das städtische analytische Labo¬ 
ratorium — 10,100 Rbl.; für die ärztliche sanitarische Beauf¬ 
sichtigung der städtischen Elementarschulen — 10,100 Rbl. 
und ausserdem zur Anschaffung von Medicamenten und ver¬ 
schiedenen Utensilien für die Schnlen — 6000 Rbl. 

— Die St. Petersburger städtische Sanitätscomraission hat 
den neugewählten Sanitätsärzten vorgeschlagen, sich die Be¬ 
zirke für ihre Wirksamkeit selbst zu wählen nnd ihre Ent¬ 
scheidung der Commission mitzntheilen. Die Eintheilung der 
Stadt in 26 Bezirke wird von der Commission ausgeführt nnd 
hängt die Grösse der Bezirke von der Zahl der Bewohner, 
Häuser, Handelsgeschäfte etc. ab. Die Aufsicht in jedem Be¬ 
zirk wird einer Sanitätsabtheilung übertragen werden, welche 
aus dem von der Duma gewählten Bezirks-Sanitätscurator, dem 
Sanitätsarzte und dem freiwilligen Sanitätscurator besteht. 
Feldscher und Desiufectoren werden jeder Abtheilung zur Ver¬ 
fügung gestellt. 

— Alle Krankenhäuser des St. Petersburger Gouvernements 
sollen in nächster Zeit mit besonderen gedruckten Anlei¬ 
tungen für Personen, welche die an anstecken¬ 
den Krankheiten leidenden Patienten pfle¬ 
gen. versehen werden. Es wird damit bezweckt die Bauern 
damit bekannt zu machen, wie sie sich bei den an anstecken¬ 
den Krankheiten Erkrankten zu verhalten haben, um, sich und 
andere vor Ansteckung zn schützen. 

— Die militär-medicinische Academie erhält in nächster 
Zeit zwei selbstständige Kliniken für Nasen- und Kehl¬ 
kopfkrankheiten sowie für Ohrenkrankheiten. Die¬ 
selben werden in dem Gebäude nntergebracht, in welchem sich 
früher die Klinik für Nerven- und Geisteskrankheiten befand*, 
und werden zusammen über 30 Betten verfügen. 

— Der erste Congress russischer Architekten, der vom 9. 
bis zum 16. Dcbr. a. c. in Petersburg statttindet wird sich in 
besonderen Sectionssitznngen auch mit sanitären Fragen be¬ 
schäftigen (Assanirung von Städten. Häusern und Wohnungen, 
Verbesserungen im Ban von Schulen, Krankenhäusern, Ka¬ 
sernen, Gefängn'ssen, Kirchen, Theatern etc., Fortschritte 
auf dem Gebiete der Beheizung und Beleuchtung). Während 
des CongresBes werden specielle Ausstellungen stattfinden. 
Das Arrangement des Congresses übernimmt die Petersburger 
Gesellschaft von Architekten. (Komi HMnepaTopcuaro 06me- 
craa noompeEdfl xyaoacecTBi,, Mogaa 83). 

— Wie wir hören, hat das Bureau der allrussischen hy¬ 
gienischen Ausstellung in seiner letzten unter dem Vor¬ 
sitze Dr. A. Ebermanns stattgehabten Sitzung den Beschluss 
gefasst, diese Ausstellung auf das Frülijahr 1894 zn verschieben. 
Es ist dies geschehen in Anbetracht der Befürchtung des 
Wiederauftaucnens der Cholera im Frühjahr 1893, wodurch die 
Aerzte verhindert sein werden, an der Ausstellung theilzu- 
nehmen. 

— Die Lepra ist in Kurland recht verbreitet und zwar 
mehr als man nach den früheren officiellen Daten annahm. 
Wie aus einem ausführlichen Bericht in der Kurländischen 
Gouvernements-Zeitung zu ersehen wurden in Kurland nach 


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officiellen Daten im ^.1886 — 40 Lepröse, 1887 — 57 und 1888 — 
41 gezählt. Die auffallende Schwankung in der Ziffer von ei¬ 
nem Jahr zum andern beweist die grosse Unzuverlässigkeit 
der früheren Statistik, ln Folge dessen wurde i. J. 1889 auf 
Initiative des Dr. Meyer in Popen (Kreis Windau in Kur¬ 
land) vom kurländischen Gouverneur eine genaue Enquete 
über die Verbreitung der Lepra in Kurland angeordnet, 
bei welcher zbgleich alle wissenswerten Daten über jeden ein¬ 
zelnen Fall gesammelt werden sollten. Als Resultat ergab 
diese Enquete 87 Lepröse (44 männl. u. 43 weibl. Geschlecht«), 
von denen die Mehrzahl im Windanschen und Talsenschen 
Kreise, namentlich am Meeresstrande ansässig war, während 
der östliche Theil Kurlands (Friedrichstadt—Illuxt) fast gänz¬ 
lich von der Lepra verschont war. Im Jahre 1891 wurden ge¬ 
legentlich einer Revision der Krankenhäuser durch den Medi- 
cinalinspector noch einige bis dahin nicht bekannte Leprafälle 
entdeckt. 

Auf Anregung der dortigen Aerzte sind daher Vorbereitungen 
zur Anlage eines Leprosorinms im Windauschen oder 
Talsenschen Kreise im Gange und sind bereits die Statuten 
einer kurländischen Gesellschaft zur Bekäm¬ 
pfung der Lepra nach dem Muster des livländischen 
Vereins höheren Ortes zur Bestätigung vorgestellt worden. 

— Die hiesige Zeitschrift für öffentliche Hygiene (BfccTHJuci. 
OÖmecTBeHHoft rariauM) macht darauf aufmerksam, dass im 
November d. J. sich ein Jahrhundert vollendet 
seit, dem Erscheinen des ersten russischen 
raedicinischen Journals, welches den Titel «C.- 
IleTepÖyprcKia Bpauedmia Bfc*OMocni> (St. Petersburger roedi- 
cinische Zeitschrift) führte. Dieses Journal hat aber nur vom 

2. November 1792 bis 1. Juli 1798 existirt. 

— Auf dem in Folkestone kürzlich abgehaltenen englischen 
Kirchencongress war auf Veranlassung der Anti- 
vivisections - Gesellschaft auch die Vivisections- 
frage zur Discussion gestellt worden. Prof. Victor 
Horsley, der persönlich erschienen war und in einer mei¬ 
sterhaften, aber schonungslos groben Rede die Lügenhaftig¬ 
keit der antivivisectionistischen Behauptungen nachwies, be¬ 
wirkte, dass diese Discussion statt zu einer weiteren Stärkung 
der Agitatioh gegen das Thierexperiraent, za einer kläglichen 
Niederlage dieser Bewegung führte. 

(Allg. med. Centr.-Ztg.). 

— Criminelle Therapie der Cholera. In 
der <Semaine mädicale» wird eine chirurgische Behandlung 
der Cholera durch den belgischen Arzt Lambotte be¬ 
schrieben. Derselbe machte einen 3 Ctm. langen Bauchschnitt 
in der Linea alba, näht die sich präsentirende Dünndarm¬ 
schlinge in die Wunde, eröffnet sie und wäscht nun mittelst 
einer 1 Meter langen, eingeführten Kautschuksonde den Dünn¬ 
darm nach oben und nach unteR mit einem Liter Sublimat¬ 
lösung (7» °/*o) aus. Darauf wird Kaffee, Pfeffermünzthee u dgl. 
eingegossen. Als Resultat wird gemeldet: Das Erbrechen 
hörte anf; die Defäcation wurde selten; die Temperatur stieg 
von 31° anf 36°; der Puls wurde wieder fühlbar und — beide 
so operirte Patienten starben. 

Die vom «Corresp.-Blatt für Schweizer Aerzte» gewählte 
Titelbezeichnnng dieser Mittheiluug dürfte gerechtfertigt sein. 

— Die Choleraepidemie in Russland ist in den meisten 
Gegenden, welche von ihr heimgesucht worden, in weiterer 
Abnahme begriffen. Nur in der Stadt Kiew und dem zuge¬ 
hörigen Gouvernement herrscht sie noch fast ungesohwäcnt. 
V*m 6.—18. October kamen in der Stadt Kiew 157 Erkran¬ 
kungen und 46 Todesfälle an der Cholera vor, während im 
Gouvernement Kiew diese Zahlen 2171 und 786 betrugen. 
Von Städten weisen noch Moskau (v. 9.—16. Oct. 49 Er¬ 
krankungen, 27 Todesfälle) und Orel (v. 12.—16. Oct. 30, resp. 
16) die grössten Zahlen auf. 

In St. Petersburg machte sich in der letzten Woche 
eine Zunahme der Erkrankungen an der Cholera bemerkbar. 
Vom 21. bis 27. October sind hier 32 Personen neu erkrankt, 
während in der vorhergehenden Berich tswoche (v. T6.—21. 
Oct.) nur 18 Nenerkrankungen an der Cholera vorkamen. Zum 
27. Oct. verblieben hier 25 Cliolerakranke (gegen 19 am 20. 
Oct.) in den Hospitälern. Nach den officiellen Bulletins betrag 
die Gesamratzalil der Cholera kranken in St. 
Petersburg bis zum 27. October 4090, die der Genesenen 
2877 und der Verstorbenen 1235. 

Nach einer Zusammedstellnng der Charkowschen Gouverne¬ 
ments-Zeitung sind im russischen Reiche seit Be- 

S 'nn der Cholei aepidemie bis gegen die Mitte des October- 
onats, den officiellen Daten zufolge, 220,122 Personen 
an der Cholera gestorben. 

In Hamburg sind keine Cholerafälle mehr vorgekommen 
qnd ist die Stadt von der Reichsregierung bereits für 
seuchenfrei erklärt worden. Ebenso ist Wien, 
wo von drei dort an der Cholera erkrankt gewesenen Perso¬ 
nen der zuletzt erkrankte Mann sich in der Reconvalescenz 
befindet, und seit dem 24. Oct. n. St. eine Nenerkrankung an 
Cholera nicht stattgefunden hat, als cholerafrei anzu- 


sehen. In B u d a p e s t ist die Cholera in ständigem Abneh¬ 
men begriffen: in Krakau hat sich seit mehr als 14 Tagen 
kein Cholerafall ereignet, ln Holland sind in der Woche 
vom 23.-29. Oct. n. St. an der Cholera 12 Personen gestorben, 
(gegen 21 in der Vorwoche). 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St.Petersburgs betrug am 25. October d. J. 5430 
<24 mehr als in der Vorwoche), darunter 133 Typhus — (19 
weniger), 627 Syphilis — (7 weniger), 24 Scharlach — (wie in 
der Vorwoche). 15 Diphtherie — (1 weniger), 20 Masern — 
(6 mehr), 10 Pocken — (2 mehr) nnd 19 Cholerakranke (8 
weniger als in der Vorwoche). 


Vacanzen. 

1) Es ist die Stelle eines Landschafts-Arztes ira 
Kreise Ljublin (Gonv. Jaroslaw) beim Ochulow’schen Kran¬ 
kenasyl erledigt. Gehalt nebst Quartiergeld 1000 Rbl. jährlich. 
Adresse: «JIioöHMCKaa 3eMCK&a ynpaßa». 

2) Von der-Waldaischeu Landschaft (Gonv. Nowgorod) 
werden zwei Aerzte gesucht. Wegen der Bedingungen hat 
man sieh an die «BajuaficitaH Bencitaa Ynpaßa» zu wenden. 

3) Es wird ein Arzt für den Flecken Li^umy im 
Gouv. Gowno gesucht. Auskünfte ertheilt der örtliche Apo¬ 
theker. 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 18. October bis 24. October 1892. 


Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 

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5 

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8 

38 

38 

36 

30 26 15 

6 

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2) nach den Todesursachen: 


— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 5, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 1, Pocken 5, Masern 4, Scharlach 4, 
Diphtherie 1, Croup 4, Keuchhusten 2, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 14. Erysipelas 3, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 11, Ruhr 1, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, ' 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 0, Pyämie und Septicaemie 2, 
Tnberculose der Lungen 63, Tubercolose anderer Organe 8. 
AlkoholismuB and Deliriam tremens 7, Lebensschwäche nnd 
Atrophia infantum 23, Marasmus senilis 18, Krankheiten des 
Verdau ang8canals 20, Todtgeborene 21. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 10. November. 

Tagesordnung: Dr. Wanach: Ueber die Therapie gan¬ 
gränöser Hernien. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 16. November. 


Diejenigen Herren, welche der Bibliothek des Vereins St. Pe¬ 
tersburger Aerzte die nachstehend aufgezählten Zeitschriften 
entnommen haben, ohne den betreffenden Vermerk in dem dazu 
in der Bibliothek ausliegenden Buch zu machren, werden 
höflicli8t ersucht, die Zeitschriften zu retourniren oder über 
ihren Verbleib Mittheilung zu machen. 

1. Virchow’s Archiv Band 20. 

2. Deutsche medicin. Wochenschrift Jahrgaug 1882, 1884, 
1886, 1887. 

3. Berliner klin. Wochenschrift Jahrgang 1880, 1881, 1883, 
1888. 

4. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Band 27. 

Dr. Wanach, 

Bibliothekar des Vereins 
__ St. Petersburger Aerzte. 


Saxlehner’s Bitterwasser Hunyadi Janos. Nach Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten zeichnet sioh dieses natürliche 
Pnrgativ durch folgende Vorzüge aus: Prompte und sichere 
Wratuaf; milder Geschmack; geringe Dosis; auch bei längerem 
Gebräuche keine Verdauungsstörungen, lndication: Habituelle 
Stuhlverstopfung; Leberleiaen; Gelbsucht etc. Neuerdings auch 
in der zahnärztlichen Praxis mit Erfolg angewendet. 


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Frau Marie Kubern, MottKa 84, kb. 19. 

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Ida Belajew. KasaHCKiiH Ai 52, kb. 24. 

E. van der Vliet, EnaTep. Kan. 166, kb. 25. 


Bitterwasser. 


il *l JAKOS ^ 

(68 

Eigentlmmer: ANDREAS SAXLEHNER, BUDAPEST 


ECTECTBEHHAfl. MMHEPAJILHAfl BORA 


San-Remo. 

Ich habe meine Praxis in 

San - Remo 

wieder aufgenommen. (126) 6 

Professor Dr. A. Weil. 


EAMHCTBOHMa» npH- 
3 HaHHaa BoOpaHt;lH 

oömecTBeHHO no- 

A03HOIO. 

OTKpbiTa et 20 Man no 20 ceHTHÖpn. 

BoAOJe’ieHic : Bumibi. flynm. Maccaxt. 3aBcflenie 1 ro paepiixa. /lout coßpaHifl. 

TeaTpi.. BoxbmoB napKt. ruwHaciHKa n np. (99) —16 
Bpomiopa „La eure de Contrexöville chez soi" ct pHr.yiiK&MH iibicbixaeTCfl no Tpe- 
öOBiiniio. Axpect Administration de la Fociele: 6 nie de laCbanssöe d'Autin a Paris. 


source du 


MdSSclQB und Gymnastik. 

(130) 1—1 

Axel Roman, der die Technik 
der Massage erlcrut hat, empfiehlt sieb 
den Herren Aerzten zur Ausführung der 
MASSAGE und Gymnastik nach ihrer An¬ 
weisung unter ihrer Leitung. MiixattxoB- 
ckAji nxomaxi-, xomt /lamnoBa, kb 15: 


)],obb. lusHd. Cu6. 31 OKTHÖpfl 1892 r. Herausgeber: Dr. Rudolf Wan ach. Buchdruckerei von A. Wienecke, Katharinenhofer-Pr. Ml 


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(113) —5 ;♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ 























Neue Folge IX. Jahrg. 


XVU. JAHRGANG. 



MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 


Dorpat. ' Riga. 

Dr. Rudolf Wanach. 


St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnwnsntspwis ist in Buula&d 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Hark halbjährlich. Der Znsertionspreis 
für die 3 mal gespalteueZeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


19 " Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet man ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Bioker in 
St. Petersburg. Newsky-Prospect J6 14, zu richten.— Hanusoripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Rudolf Wanaoh in St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect N 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich von 1—2 Uhr Nachm. 


N 45 St. Petersburg, 7. (19.) November 1892 

-------■■ ’ — . . - - ----4 " -—-——-- 

Inhalt: A. Mercklin: Ueber Hypochondrie. — Referate: Prof. A. Fraenkel (Berlin): Ueber primären Endothelkrebs 
(Lyinphangitis prolifera) der Pleura. — W. Baiser (Köppelsdorf): Ueber mnltiple Pankreas und Fettnekroee. — G. Klemperer 
(Berlin): Klinischer Bericht über 20 Fälle speciflsch behandelter Pneumonie. — Prof. P. Färbringer (Berlin): Znr Kenntniss 
der Psendogallensteine nnd sogenannten Leberkolik. — Bächeranzeigen und Besprechungen: Anton Bum und M. T. 
Schnirer: Diagnostisches Lexicon für praktische Aerzte. — Johannes Gad: Real-Lexicon der medicinischen Propaedeutik. — 
Tb. Kocher: Chirurgische Operationslehre. — Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — Kleinere Mit¬ 
theilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Peters¬ 
burgs. — Anzeigen. 


Ueber Hypochondrie*). 

Vortrag gehalten auf dem IV. livländischen Aerztetag am 
14. September 1892. 

Von 

Dr. A. Mercklin, 

II. Arzt der Irrenanstalt Rothenberg in Riga. 

M. H.l Wenn ich im Nachfolgenden Einiges über 
Hypochondrie mittheilen will, muss ich bei der gegebenen 
Kürze der Zeit auf Vollständigkeit verzichten. Ich bitte 
Sie deshalb keine neue, eingehende Beschreibung der 
Symptomatologie nnd Mittheilung besonders interessanter 
Casuistik zu erwarten. Es liegt mir vielmehr daran, durch 
einige Betrachtungen etwas zur Verständigung über 
den Begriff der Hypochondrie unter uns bean¬ 
tragen. 

Auch in der Gegenwart wird der Ausdruck «Hypo¬ 
chondrie» als Krankheitsbezeichnung noch öfters gebraucht. 
Betrachtet man die Zastände genauer, die so bezeichnet 
werden, so ergeben sich grosse Verschiedenheiten, wenn 
man die Summe aller Symptome Zusammenhalt und den 
Krankheitsverlauf verfolgt. 

Ich muss gestehen, dass, wenn mir von einem Collegen 
ein Patient zngeschickt wird mit der Bemerkung, dass 
es sich nm einen Hypochonder handle, ich mir — so wie 
die Dinge jetzt liegen — von der Natur des Leidens ohne 
eigene Untersuchung ein Bild nicht machen kann nnd 
anderen Aerzten wird es ebenso gegangen sein. Derartige 
Unzulänglichkeiten in der Beurtheilung von Krankheits¬ 
zuständen sollten aber durchaus beseitigt werden. Deshalb 
müssen wir auch den Krankheitsbegriff Hypochondrie 
präciser zu forrauliren suchen. 

Soll die Bezeichnung Hypochondrie beibehalten werden, 


*) Die zur Orientirung bestimmte Mittheilung erscheint hier 
in ihrer ursprünglichen Gestalt. Eine ausführliche Betrachtung 
über den hypochondrischen Symptoraencoraplex und dessen Be¬ 
ziehungen zur Paranoia wird an anderer Stelle veröffentlicht 
werden. 


so muss zunächst eine Verständigung darüber erfolgt sein, 
welche Reihe von Symptomen unter diesem Namen znsam- 
mengefasst werden soll. Hierüber bestehen, wie wir sehen 
werden, keine wesentlichen Meinungsverschiedenheiten. 
Weiter aber fragt es sich: bilden diese als Hypochondrie 
zusammengefassten Symptome wirklich eine eigenartige 
Krankheit mit typischem Verlauf — oder ist das, was 
man als Hypochondrie bezeichnet, ein blosser Symptomen- 
complex, der als Theilerscheinung in das Bild verschie¬ 
dener Krankheiten eintritt? 

Beide Anschauungen haben ihre Vertreter und aus 
dieser Meinungsverschiedenheit erklärt sich genugsam, 
wie ungenügend für die praktische Verständigung die Be¬ 
zeichnung Hypochondrie ohne weiteren Zusatz ist. 

Ein kurzer historischer Rückblick soll uns zur Beant¬ 
wortung der streitigen Fragen hinüberführen. Bekanntlich 
reicht die A ufstellung eines Krankheitsbildes«Hypochondrie » 
zurück bis in die hippokratische und galenische Heilkunde. 
Eine Erkrankung des üxoxövSpiov, des Unterleibes, speciell 
der Verdauungsorgane wird darunter verstanden, gekenn¬ 
zeichnet durch locale Beschwerden und begleitet von 
psychischen Krankheitserscheinungen. Traurigkeit, Furcht, 
Angst, schlechter Schlaf mit erschreckenden Träumen 
werden unter diesen genannt. 

Lange Zeit erhält sich diese Anschauung, dass die 
Hypochondrie eine Organerkrankung der Verdaunngs- 
organe sei, welche secundär von psychischen Symptomen 
gefolgt ist. Im Laufe der Zeit werden Affectionen ver¬ 
schiedener Abdominalorgane: Magen und Darm, Leber, 
Pancreas, Milz für die eigentliche Wurzel der Krankheit 
gehalten. 

Erst im XVII und XVIII Jahrhundert trennen sich 
die Aerzte, welche sich mit dem Studium der Hypo¬ 
chondrie beschäftigen, von dieser Anschauung: nun wird 
das Hauptgewicht dabei auf die psychischen Symptome 
gelegt und auf das Nervensystem als den eigentlichen 
Sitz der Krankheit hingewiesen. Im XIX Jahrhundert ist 
diese Anschauung bereits allgemein angenommen, über die 
Stellung der Hypochondrie im System der Nervenkrank¬ 
heiten, über die Pathogenese der nervösen Symptome, 


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über die zugrundeliegenden Abnormitäten der Empfin¬ 
dung, der Erregbarkeit gehen die Meinungen noch aus¬ 
einander. Unter dem Einfluss englischer, französischer und 
deutscher Irrenärzte hat um die Mitte unseres Jahr¬ 
hunderts die Hypochondrie die ihr znkommende Stellung 
unter den psychischen Störungen bereits eingenommen. 
Für lange Zeit bleibt in Öer deutschen Literatur nun 
Griesinger’s Schilderung und Auffassung die maassge¬ 
bende, welcher die hypochondrischen Zustände als die 
mildeste, massigste Form des Irreseins bezeichnet und sie 
den Schwermuthsformen zurechnet. 

Wesentlich dieselbe Auffassung vertritt Jolly bei der 
Beschreibung der Hypochondrie inZiemssen’s Sammel¬ 
werk (1877). Es ist die werthvollste und umfassendste 
Darstellung der Hypochondrie in monographischer Form, 
welche die deutsche Literatur aufweist. Jolly versteht 
unter Hypochondrie einen Zustand psychischer Krankheit 
und zwar jene Form der traurigen Verstimmung, in 
welcher die Aufmerksamkeit des Kranken anhaltend oder 
vorwiegend auf die Zustände des eignen Körpers und 
Geistes gerichtet ist. Unter den Autoren, welche an dem 
hypochondrischen Irresein, als besonderer Krankheitsform 
festhalten, befinden sich auch Gowers (cf. Handbuch der 
Nervenkrankheiten Bd. III), Schtlle (klin. Psychiatrie. 
III. Aufl. 1886), Arndt (Realencyclopädie 1887) und 
Mendel. Letzterer behandelte noch 1889 in einem Vor¬ 
trage die Hypochondrie beim weiblichen Geschlecht (Dtscb. 
med. Wochenschr. 1889 Nr. 11), wobei er drei Formen 
dieser den depressiven Geisteskrankheiten zugehörigen 
Erkrankung beschrieb. 

Die Durchsicht der Literatur ergiebt, dass die Mitthei¬ 
lungen über Hypochondrie als besondere Krankheitsform 
immer spärlicher werden, je mehr wir uns der unmittel¬ 
baren Gegenwart nähern. Dies kann nicht etwa darauf 
bezogen werden, dass die betreffenden Krankheitserschei¬ 
nungen als solche seltener geworden sind. Vielmehr hat 
eine weitere Beobachtung derselben zu einer anderen An¬ 
schauung über ihre Classificirung geführt und dieser 
immer mehr Anhänger gewonnen. Diese neue Anschauung, 
welche in der Hypochondrie weniger eine selbständige 
Nervenerkrankung, als eine Symptomengruppe, eine TheU- 
erscheinung anderer Neurosen resp. Psychosen erblickt, 
gründet sich zum Theil auf das genaue Studium bereits 
früher aufgestellter Krankheitsformen (so besonders der 
Melancholie und der Paranoia, cf. Tuczek. Allg. Ztschr. 
f. Ps. Bd. 39) Zum anderen, grössern Theil hat aber 
die Einbürgerung des zuerst in Amerika von Beard 
geschaffenen Krankheitsbegriffs der Neurasthenie auch in 
Europa den Begriff der Hypochondrie als einer selb¬ 
ständigen Krankheit zurücktreten lassen. In dem sympto- 
menreichen Bilde der Neurasthenie nehmen hypochon¬ 
drische Zustände: Furcht vor Krankheiten, peinliche 
Selbstüberwachung aller Functionen des Körpers so häufig 
eine hervorragende Stelle ein, dass viele Autoren bald 
den engeren Begriff der Hypochondrie in den weiteren 
der Neurasthenie aufgehen Hessen. Die Hypochondrie — 
eine häufige Erscheinungsform der Neurasthenie, eine Theil- 
erscheinung dieser vielgestaltigen Nervenerkrankung; diese 
Anschauung vertreten unter Anderen Beard, Eulenburg, 
v. Ziemssen, Kraepelin 1 ). Charcot will beobachtet 
haben, dass das hypochondrische Element sich besonders 
in den Fällen von Neurasthenie kund giebt, bei welchen 
eine erbliche Belastung vorhanden ist. 

Wenn wir nun zu diesen verschiedenen Anschauungen 
auf Grundlage eigener Beobachtungen Stellung zu nehmen 
suchen, ergiebt sich Folgendes: Traurige Verstimmung, 
ängstliche Selbstbeobachtung, in die verschiedensten Or¬ 
gane localisirte Sensationen, Befürchtung an verschiedenen, 


*) Vergl. auch die Betrachtungen von Möbius: «Ueber die 
Eintheilnng der Krankheiten» Centralbl. f. Nervenheilkunde. 
1892. Juli. 


objectiv nicht nachweisbaren Leiden erkrankt zu sein — 
das sind Symptome, die wir in inniger Verbindung, in 
gegenseitiger Abhängigkeit häufig bei Nervenkranken 
beobachten. Es ist eine wohl charakterisirte, leicht in 
die Augen fallende Symptomengruppe. Sie erfordert schon 
zum Zweck schneller Verständigung eine besondere Be¬ 
zeichnung. Die historische Bezeichnung: «hypochondrisch, 
Hypochondrie» für diese Symptomengruppe wird kaum 
mehr auszurotten sein, wir haben uns zu sehr an sie 
gewöhnt, auch naohdem wir es aufgegeben haben sofort 
eine Affection der Unterleibsorgane ätiologisch mit diesen 
Symptomen zu associiren. Wir behalten also die alte 
Bezeichnung bei und sprechen vorläufig von einem hypo¬ 
chondrischen Symptomencomplex. Die unbefangene Be¬ 
trachtung ergiebt weiter, dass diese Symptomengruppe 
uns bei sehr verschiedenen Krankheitszuständen entgegen¬ 
tritt, bald mehr isolirt, bald mit anderen verschieden- 
werthigen Symptomen verbunden, bald temporär in einem 
Krankheitsverlauf auftauchend, bald mehr dauernd und 
intensiv den Vordergrund eines Krankheitsbildes be¬ 
herrschend. Schon im Kindesalter kommen hypochondrische 
Zustände zur Beobachtung. Meist sind es nervös disponirte, 
erblich belastete Kinder, welche diese Symptome zeigen. 
Das Krankheitsbild ist ein verschiedenes nach den anderen 
nervösen Symptomen, die gleichzeitig mit vorhanden sind. 
Zwangsvorstellungen, (nicht hypochondrischen Inhalts), 
nächtliches Aufschrecken, explosive Reizbarkeit und An¬ 
deres kommt vor. So erscheint hier das hypochondrische 
Element als eine Symptomenreihe unter anderen. Bei 
Erwachsenen sehen wir in den verschiedensten Psychosen 
den hypochondrischen Symptomencomplex hervortreten. 
So im depressiven Wahnsinn, in der melancholischen 
Phase der circularen Psychosen, bei der Paranoia, 
besonders in den als «Verfolgungswahn» sich darstel¬ 
lenden Formen, bei progressiver Paralyse, im Entwicke¬ 
lungsstadium von Hirntumoren, im senilen Blödsinn. 
Hysterie und Epilepsie können mit der hypochondrischen 
Symptomengruppe verbunden sein. So winl, wo sich dieser 
Symptomencomplex zeigt, die körperliche wie die psychische 
Exploration des Patienten nach allen Seiten weiter geführt 
werden müssen, um nicht oberflächlich an dieser einen 
Symptomenreihe hängen zu bleiben 
Ein 35-jähriges lediges Fräulein wird unserer Anstalt 
zur Behandlung zugeführt. Seit Jahren leidet die Pat. 
an Verdauungsstörungen, die mit den verschiedensten 
Mitteln und euren ohne Erfolg behandelt wurden. Nei¬ 
gung zu Obstipation, peinliche Sensationen im Abdomen, 
Kopfcongestionen. Der hypochondrische Symptomencomplex 
ist deutlich ausgeprägt: die Stimmung eine deprimirte, 
die einzige Beschäftigung besteht in genauer Selbst¬ 
beobachtung, zu der die verschiedensten Sensationen sie 
immer wieder auffordern. «In der linken Seite sitzt es 
wie ein fremder Körper, der sich nicht zertheilen will. Ira 
ganzen Körper ist ein Gefühl entsetzlicher Schwäche*. 
Sie kann ohne starke Beschwerden nur ganz bestimmte 
Speisen und diese nur gekühlt gemessen. Sie kann nur 
leichte, nicht anschliessende Kleider tragen, weil das 
Athmen sonst garnicht geht. Sie muss immer einzelne 
Arzeneien, namentlich ätherische Tropfen zur Hand haben, 
weil sie eine plötzliche Ohnmacht fürchtet. Die Versuchung 
liegt nahe —nach Constatirung dieser Symptome hier im 
Sinne der alten Anschauung von Hypochondrie zu sprechen. 
Die Patientin wurde von Laien auch einfach für hypo¬ 
chondrisch gehalten. Der Umstand, dass sie ihre Speisen 
beim Abkühlen immer ängstlich zudeckt und dass sie bei 
der Unterhaltung mit dem Arzt es vermeidet, ihm ins 
Gesicht zu sehen, sondern das Gesicht zur Wand zu 
drehen sucht, veranlasst uns, sie weiter auszuforschen. 
Es ergiebt sich nun, dass sie glaubt, die peinlichen 
Empfindungen würden ihr von aussen künstlich gemacht. 
«Von den Menschen, von den Wänden geht es auf sie über, 
es muss Elektricität sein; man lässt aufregende Substanzen 


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in die Speisen gelangen, um ohne ihr Wissen ihr Nerven- | 
System zu erschüttern». Also ein ausgesprochener Verfol- j 
gungswahn. Diese Pat. leidet sicher an Paranoia. Es : 
würde den wahren Zustand und die Prognose uns ver¬ 
schleiern, wenn hier der gleichzeitig sehr ausgesprochene 
hypochondrische Symptomencomplex zur Benennung der 
ganzen Krankheit benutzt würde. 

Ein anderer Fall: 1889 wurde ich zu einem 40-jährigen 
intelligenten Manne gerufen, der seit Monaten in seiner 
Leistungsfähigkeit durch nervöse Symptome gehemmt war. 
Der in seiner Ernährung reducirte Patient, welcher sich 
in sehr gedrückter Stimmung befand, beschrieb selbst 
zusammenhängend und genau seinen Zustand. Er fürchtete 
ein schweres Nervenleiden ziehe heran, denn er sei in 
letzter Zeit mehr zerstreut als sonst, jede Beschäftigung 
erfordere eine grosse Willensanstrengung, sein Gedächt- 
niss nehme entschieden ab. Dies Alles habe seinen tieferen 
Grund in dem Zustande seines Magendarmcanals, er könne 
eigentlich gar nicht essen, denn er verdaue nichts, es 
bestehe die hartnäckigste Obstipation und wenn er dann 
Abführungsmittel nehme, komme es zu schwächenden 
Durchfällen. Bei diesem Zustande des Darmes könne er 
nie gesund werden. Ich erfuhr, dass Pat. seine Verdauung 
in ängstlicher Weise überwache, dass er ausser Ei, Beaf- 
steaks, und Wein kaum etwas zu sich nehme. Auch diese 
Speisen waren ihm nie weich genug und er zeigte sich 
gereizt über die angebliche schlechte Zubereitung. Vor 
allen Dingen also ein hypochondrischer Zustand. Bei der 
gemeinsam mit dem Hausarzt des Pat. vorgenommenen 
Untersuchung fanden wir die linke Pupille weiter als die 
rechte, jedoch beiderseits erhaltene Licht- und Conver- 
genzreaction, gesteigerte Patellarreftexe — sonst keine 
objectiveD Symptome. Als der Pat. sich wieder ankleiden 
sollte, fiel uns die grosse Ungeschicklichkeit beim An¬ 
knöpfen des Hemdkragens und beim Zuknöpfen der Cravatte 
auf. Es dauerte ungewöhnlich lange bis er damit fertig 
wurde. Er soll sich indessen nie durch Geschicklichkeit 
ausgezeichnet haben. Wir hätten uns gern mit der Dia¬ 
gnose: Nervenschwäche, Hypochondrie beruhigt, konnten 
aber den Verdacht, dass es sich um mehr, und zwar um 
beginnende progressive Paralyse handele, nicht von der 
Hand weisen; auch der Umstand, dass Pat. vor 10 Jahren 
an Lues gelitten hatte, konnte diesen Verdacht nicht zer¬ 
streuen, mehr bestärken. Der Sommer 1889, zu welcher 
Zeit Pat. unter Leitung eines geschützten Collegen eine 
Mastkur durchmachte, brachte eine entschiedene Besse¬ 
rung des körperlichen und psychischen Befindens, der 
betreffende Herr College meinte deshalb einen Neurasthe¬ 
niker vor sich zu haben. Im Frühjahr 1890 hatte ich 
noch einmal Gelegenheit, den Kranken zu sehen. Die für 
progr. Paralyse charakteristische Abnahme der psychischen 
Fähigkeiten, besonders des Gedächtnisses, die lnconsequenz 
von Vorsätzen und Handlungen, der leichte Wechsel der 
Affecte war jetzt sehr deutlich; ein hypochondrischer Zug 
aber noch immer vorhanden. Der Pat. hielt auch jetzt 
seinen Magen für den Sitz des Leidens und beunruhigte 
sich darüber, dass man der Behandlung des Magens zu 
wenig Aufmerksamkeit schenkte. Im Sommer 1890 erlitt 
Pat. einen Anfall von schwerer Ohnmacht und ging im 
unmittelbaren Anschluss daran nach wenigen Tagen zu 
Grunde. 

Ich, hoffe es wird deutlich geworden sein: der bekannte 
hypochondrische Symptomencomplex kann in das Krank¬ 
heitsbildverschiedener Nervenaffectionen als Theilerschei- 
nuug eintreten. Nun fragt es sich aber weiter: giebt es 
nicht Fälle, in denen dieser Symptomencomplex fast isolirt 
auftritt und für lange Zeit so im Vordergründe bleibt, 
dass man nach dem Satz «a potiori fit denominatio» doch 
von Hypochondrie als besonderer Krankheitsspecies 
sprechen darf? Wie sind die Fälle aufzufassen, die den 
oben genannten Beschreibungen von Jolly, Schule, 
Mendel zu Grunde liegen? 


M. H.! Es hiesse den natürlichen Verhältnissen Zwang 
anthun, wenn man leugnen wollte, dass es eine Form von 
nervöser Erkrankung giebt, bei der hypochondrische 
Symptome so sehr das Bild beherrschen, dass die anderen 
nervösen Symptome, wenn sie auch immer gleichzeitig 
vorhanden sind, weniger schwer erscheinen. Nach geistiger 
Ueberanstrengung, nach traumatischen Einflüssen, nach 
sexuellen Excessen, zur Zeit schwerer Epidemien kommen 
— um nur einige Gruppen von Fällen zu erwähnen — 
solche Zustände zur Beobachtung. Hier haben die hypo¬ 
chondrischen Einbildungen einen nicht so fixen Charakter, 
wie bei hypochondrischer Paranoia, sondern bleiben oft 
auf der Stufe von blossen Befürchtungen stehen. Der 
Belehrung und dem Zuspruch des Arztes gelingt es, sie 
vorübergehend zum Schwinden zu bringen, der Inhalt 
wechselt. Nach Wochen, Monaten, Jahren sind diese 
Zustände der Heilung, resp. der Besserung fähig. Befragt 
man diese Kranken genauer, so erfährt man meist, dass 
sie schon früher «nervös» waren, oder dass sich nun 
auch noch andere Zeichen von Nervosität bei ihnen ein¬ 
gefunden haben. 

Diese Symptome hat u. A. Jolly (1. c.) eingehend 
beschrieben. Er rechnet zur Hypochondrie als compiici- 
rende Erscheinungen: Sensibilitätsstörungen verschiedener 
Art, motorische Schwäche in verschiedener Form, den 
Kopfdruck in seinen verschiedenen Qualitäten. Auch die 
verschiedenen Formen krankhafter Furcht, so die Furcht 
allein zu sein, die Furcht vor grossen Versammlungen, 
vor weiten Plätzen, vor Berührung gewisser Gegenstände, 
die Zweifel- und die Fragesucht finden unter den hypo¬ 
chondrischen Zuständen ihre Beschreibung. Vergleicht 
man diese Beschreibung mit der Schilderung der Neu¬ 
rasthenie, wie sie jetzt gewöhnlich gegeben wird, so 
decken sich die Symptome vollständig. Für welche Be¬ 
zeichnung dieser Zustände sollen wir uns entscheiden? 

Es ist hier nicht der Ort, um ausführlich die Berech¬ 
tigung zur Aufstellung des Krankheitsbegriffs der Neu¬ 
rasthenie zu discutiren. Mag auch gern zugegeben werden, 
dass dieser umfassende Begriff nicht nach allen Seiten 
hin scharf begrenzt ist, soviel ist gewiss: in der Praxis 
hat sich derselbe gut bewährt. Für eine ganze Reihe von 
nervösen Symptomen, die theils auf erblicher Grundlage, 
theils ohne eine solche durch die mannigfaltigen Schäd¬ 
lichkeiten des modernen Culturlebens erworben werden, 
Symptome, deren Beginn durchaus an das bekannte Bild 
der Ermüdung anknüpft, war jetzt eine zusammenfassende 
Benennung gefunden, die weiter nichts präjudicirt, als 
dass hier functionelle, ausgleichbare Schwächezustände 
des Centralnervensystems vorliegen. Für einen Sammel¬ 
begriff ist diese zugleich unseren pathogenetischen An¬ 
schauungen Rechnung tragende Bezeichnung jedenfalls 
geeigneter als der Ausdruck Hypochondrie, bei dem wir 
durch traditionelle Gewöhnung zunächst nur an die 
bestimmten Cardinalsymptome denken. Genau unter den¬ 
selben ätiologischen Bedingungen wie die übrigen Zeichen 
der Neurasthenie und häufig mit ihnen vereinigt sehen 
wir den hypochondrischen Symptomencomplex zu Tage 
treten. Wir sprechen dann folgerichtig von Neurasthenie 
mit Vorwiegen der hypochondrischen Symptome. 
Stützt sich diese Diagnose auf eine gewissenhafte Kran¬ 
kenuntersuchung, so ist zugleich damit ausgesprochen, 
dass schwerere Störungen mit hypochondrischem Charakter 
ausgeschlossen sind: so namentlich fixe hypochondrische 
Wahnvorstellungen (die, mögen sie allein oder in Ver¬ 
bindung mit Verfolgungswahn auftreten, dem Gebiet der 
Paranoia zuznweisen sind), progr. Paralyse mit hypo¬ 
chondrischen Svmptomen u. s. w. 

M. II.! Wie Sie sich nun auch zu dem hypochondrischen 
Symptomenbild, seiner Selbständigkeit oder seiner Unter¬ 
ordnung unter andere Krankheitsformen steilen mögen, 
das Eine werden Sie zugeben, dass es sich hier um mehr 
handelt als eine blosse Wortklauberei, dass vielmehr das 


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Interesse der praktischen Verständigung solche Betrach¬ 
tungen veranlasst. Die blosse Bezeichnung «Hypo¬ 
chondrie» kann leicht zu Missverständnissen 
führen und ist noch keine Diagnose. Es giebt 
einen gut charakterisirten hypochondrischen 
Symptomencomplex, aber er ist eine Theil- 
erscheinung verschiedener Nervenkrankheiten. 
In jedem einzelnen Fall bleibt es unsere Aufgabe 
diese Nervenkrankheit gleichzeitig näher zu 
bezeichnen. 


Referate. 

Prof. A. Fraenkel (Berlin): Ueber primären Endothel¬ 
krebs (Lymphangitis prolifera) der Pleura. (Verhand¬ 
lungen des 11. Congresses für innere Medicin gehalten 
zu Leipzig, 1892. 

Redner giebt zunächst die Symptome an, welche die Bethei¬ 
ligung des Brustfelles bei dem Vorhandensein einer malignen 
Geschwulstbildung in der Brusthöhle dokumentiren, und zwar 
sind die wichtigsten diagnostischen Hilfsmittel: 1; Nachweis 
von Geschwulstpartikelchen in der durch Punction gewonne¬ 
nen Pleuraflüssigkeit; 2) der Fettgehalt der Pleuraflüssigkeit; 
3) die hämorrhagische Beschaffenheit des Exsudates und 4) 
Verengerung des Brustkorbes, namentlich an den hinteren 
und seitlichen Partieen durch Schrumpfung der beiden Pleura¬ 
blätter. — Daran anknüpfend wird ein Fall beschrieben, bei 
welchem auf Grund obiger Symptome einCarcinora der Pleura 
diagnosticirt wurde, während dieSection das Bestehen einerKrank- 
heitsform ergab, die von E. Wagner und von Rieh. Schulz 
unter der Bezeichnung Endothelkrebs beschrieben worden ist. 
Der Krankheitsverlauf dauerte von dem Tage, an welchem 
eine, allerdings vielleicht schon einige Zeit bestehende Pleu¬ 
ritis constatirt wurde, bis zum Tode nicht viel mehr als 6 
Wochen. Trotz des starken Blntgehaltes des Pleuraexsudate« 
und trotz des negativen Ergebnisses der Untersuchung des 
Auswurfes, musste zuerst eine tuberkulöse Pleuritis angenom¬ 
men werden. Als aber 5 Tage vor dem Tode eine geschwollene 
linke supraclaviculäre Lymphdrüse gefunden wurde, die etwa 
haselnussgross und von weicher Consistenz war, und die 
mikroskopische Untersuchung der bei einer zweiten Punction 
entleerten Exsudatflüssigkeit eine erhebliche Menge grosser 
epithelartiger Zellen, die zum Theil rundlich, zum Theil ex¬ 
quisit polymorph und polyedrisch, sowie keulenförmig und ge¬ 
schwänzt und theilweise mit Fetttropfen erfüllt waren, auf¬ 
wies, schien die Diagnose carcinomatöse Pleuritis gesichert. 
Zur Befestigung derselben trug die relativ schnell auftretende 
Verengerung des hinteren Thoraxumfanges auf der linken 
Seite oei. Es bestand kein Symptom, welches mit Sicherheit 
auf eine Betheiligung des Pericards hingewiesen hätte. Die 
Section ergab ein eigenthümliches Aussehen des Pericards und 
der Pleura sinistra, indem das Gewebe beider aufs Beträcht¬ 
lichste (bis V 2 Cm. Durchmesser) verdickt und in ziemlich 
starrwandige, überaus derbe Membranen verwandelt waren. 
Von Knollen- oder sonstiger Tumorbildnng war nirgends etwa» 
zu sehen, die Innenfläche der schwieligen Platten erschien so¬ 
gar nach Entfernung der stellenweise fest adhärirenden fibri¬ 
nösen Auflagerungen an vielen Stellen durchaus glatt, an an¬ 
deren Stellen, war das Aussehen durch grubige Vertiefungen 
mit umgebenden balkenartigen und leistenförmigen Vorsprün¬ 
gen ein exquisit trabekuläres. Der Durchschnitt bot eine weiss- 
Hche Farbe, narbenge webeartige Beschaffenheit dar. Sowohl 
auf der freien Fläche der Pleura als auch auf dem Durch¬ 
schnitt traten schon bei verhältnissmässig geringfügigem Druck 
hier und da milchweisse Tropfen einer chylusartigen Flüssig¬ 
keit aus. Das Lungengewebe erwies sich bis auf Lungenate¬ 
lektase als völlig normal. Die mikroskopische Untersuchung 
ergab eine gleichmässige, zellarme Bindegewebswucherung', in¬ 
nerhalb deren die Lymphspalten erheblich dilatirt erschienen 
und sich mit polymorphen, meist kubischen, bläschenförmige 
Kerne führenden Zellenelementen epithelialen Charakters er¬ 
füllt zeigten. Diese füllten in dichter Aneinanderlagerung das 
Lumen der Spalträume theils aus, theils Hessen sie noch einen 
kleinen Hohlraum zwischen den einander gegenüberliegenden 
epithelartigen Zellbesätzen frei. Nirgends fanden sich bei den 
Zellen irgend welche der beim Carcinora so häufig anzutref¬ 
fenden Degenerationsvorgänge, Zelleinschlüsse etc. 

Die gewucherten Elemente waren zweifellos aus dem En¬ 
dothelbelag der Lymphgefässe resp. der fixen Bindegewebs¬ 
zellen der Lymphspalten hervorgegangen. 

Die Pleura selbst zeigte auf den Querschnitten eine fibri¬ 
noide Entartung der oberflächlichsten Gewebsschichten. ihr 
Endothel fehlte zum grössten Theile, während an anderen Orten 
auch an ihm eine entschiedene Wucherung mit Bildung mehr¬ 
schichtiger Zellstrata derselben kubischen, zum Theil poly¬ 
morphen epitheUalen Elemente, wie in den Lymphgefässen, 


wahrzunehmen war. An Flachschnitten der Pleura sah man 
dieselben Verhältnisse, nur dass die Wucherung wandständi¬ 
ger Zellen in den Spalträumen des mehr oder weniger zell¬ 
reichen Bindegewebes noch mehr ins Auge fiel. Die Lymph¬ 
spalten und Gefässe der Pleura diaphragmatica und media- 
stinaUs waren besonders dilatirt und mit epithelartigen Zell¬ 
massen dicht erfüllt, so dass dieselben grossen Krebsalveolen 
täuschend ähnliche Formen aufwiesen. 

Schnitte aus der entarteten Lymphdrüse Hessen nichts mehr 
von dem eigentbchen Drüsenparenchym erkennen, statt dessen 
fand man ein im Ganzen zellarmes, mehr oder weniger dick- 
balkiges Stroma, welches von kleineren und grösseren sinuö- 
sen Hohlräumen durchsetzt war. In denselben fanden sich 
epithelartige Zellelemente von der gleichen Beschaffenheit, wie 
sie an den die Lymphspalten der Pleura erfüllenden geschil¬ 
dert wurden. 

Fraenkel bemerkt, dass die Erkrankung in einer Reihe 
von Fällen unzweifelhaft ihren Ausgang primär von dem 
Brustfell nimmt und ebenso auch an anderen serösen Hauten, 
z. B. am Bauchfell zur Beobachtung gelangt; ferner dass sie, 
wo die Pleura der zuerst befallene Theil ist, die Neigung be¬ 
sitzt, auf die Lunge überzugreifen und in den Lymphbahnen 
derselben durch Wucherung der Endothelien ganz analoge Ver¬ 
änderungen zu bewirken, wobei häufig ein Bild hervorgerufen 
wird, das wie der echte Lungenkrebs aussieht. Allein der 
Lymphgefässkrebs der Lunge unterscheidet sich vom Endothel¬ 
krebs dadurch, dass im ersteren Fall die Endothelien der Lymph¬ 
gefässe bei der Ausfüllung mit Krebsmassen gänzlich unbe¬ 
teiligt sind, während sie im zweiten Fall in Folge activer 
Wucherung und metabolischer Umwandlung den hauptsäch¬ 
lichsten Antheil an der Neubildung tragen. 

Vortragender spricht die Wahrscheinlichkeit aus, dass 
mancher Fall von callöser Pleuritis mit vorliegender 
Affection gelegentlich verwechselt worden sei, was 
häufig durch die mikroskopische Untersuchung der Pleuraex¬ 
sudate, namentlich der hämorrhagischen, vermieden werden 
könne. 

Zum Schluss äussert sich F. im Allgemeinen über die Me¬ 
tastasen, die Prognose und das mikroskopische Bild der vor- 
Uegenden Krankheit, wobei er ihre von vornherein ausge¬ 
sprochene Neigung zu diffuser Ausbreitung betont und es nahe¬ 
legt, die Bezeichnung Endothelkrebs fallen zu lassen, weil sie 
nur irrtümlichen Auffassungen Vorschub leistet. Er neigt 
sich mehr der Ansicht zu, dass diese Affection eher zu den 
infectiösen Entzündungen als zu den Geschwülsten zu zählen 
sei, und proponirt, die von Schweninger vorgeschlagene Be¬ 
nennung «Lymphangitis prolifera» anzunehmen. 

C. Tomberg. 

W. Baiser (Köppelsdorf): Ueber multiple Pankreas und 
Fettnekrose. (Verhandlungen des elften Congresses für 
innere Medicin gehalten zu Leipzig 1892). 

Von der Wahrnehmung ausgehend, dass bei vielen Sectionen 
von Erwachsenen im Pankreas und seiner nächsten Umgebung 
zwischen den Drüsenläppchen und in dem Fettgewebe opake, 
gelbweisse, punktförmige bis stecknadelkopfgrosse Herde ge¬ 
funden werden, die bei der mikroskopischen Untersuchung eine 
sehr eigenthümUche Beschaffenheit zeigen, so dass Vortragender 
sie als «Fettnekrose» bezeichnet, berichtet uns B. von 2 Fällen, 
von denen der eine, plötzlich verlaufende, das anatomische 
Bild einer sogenannten Pankreasblutung darbot, während der 
andere mehr chronisch verlaufende eine grosse, in der Pan¬ 
kreasgegend gelegene, einem Abscess etwa ähnHche, vielfach 
buckbge Höhle zeigte, die mit einer dünnbreiigen, graugelben, 
trüben Flüssigkeit gefüllt war, in der zahlreiche Fetzen und 
Brocken bis nahezu Hühnereigrösse schwammen, welche durch 
die mikroskopische Untersuchung als abgestorbenes Fettge¬ 
webe nachgewiesen wurden. Nicht blos die ersten Anfänge 
dieses seltsamen Processes, sondern auch die zum Tode füh¬ 
renden schweren Veränderungen kommen gar nicht so selten 
vor, und zwar sind es hauptsächlich 2 Gruppen, die natürlich 
manche Uebergänge in einander zeigen. Einmal kommen schnell 
unter CoUaps oder acut peritonitischen Erscheinungen zum 
Tode führende Fälle vor, bei denen die Blutungen im Vorder¬ 
grund des anatomischen Bildes stehen, und anders mehr 
chronisch verlaufende Fälle, bei denen die nekrotisirenden 
Processe vorwiegen, meist mit Ansammlung der erwähnten 
dünnbreiigen, schmierigen, an nekrotischen Gewebsfetzen 
reichen Flüssigkeit in grossen, oft bis ins Becken reichenden 
buckligen, gewöhnUch extraperitonealen Höhlen. Vortragender 
legte sich die Frage vor, ob diese in kleinen Anfängen beim 
Menschen so häufige, in ihrer schweren Form, besonders bei 
sehr fettreichen Menschen, nicht so selten anzutreffende Krank¬ 
heit auch bei sehr fetten Thieren vorkomme, und gelangte 
zu einem positiven Resulat. Bei Ochsen, Kälbern uud Häm- 
melu allerdings Hess sich keine derartige Krankheit constatiren, 
wohl aber fanden sich bei sämmtlichen untersuchten 15 unga¬ 
rischen Schweinen Fettnekrosen in und um das Pankreas, sowie 
bei 2 von 20 untersuchten deutschen Landschweinen Spuren 


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derselben Krankheit. Später wurde das Material noch bereichert 
durch das erkrankte Pankreas von 9 ungarischen und 2 deutschen 
Landschweinen, sämmtlieh mit sehr ausgesprochenen »Fett¬ 
nekrosen». Auch bei fettreicher! algerischen Schweinen fand 
sich häufig dieselbe Erkrankung. Sehr möglich ist es, dass 
die Erkrankung mit der Maismast in Zusammenhang gebracht 
werden kann. Interessant ist die Thatsache, dass die Nekrosen 
sich vielfach zu Anilinfarben anders verhallen, als das Driisen- 
Binde- und Fettgewebe. 

Anch bakteriologisch hat B. die Erkrankung untersucht und 
auf Nährgelatine, Agar und Glycerinagar eigentümliche Cul- 
turen gezüchtet, die zimmtrothe, korallenähnliche Wuche¬ 
rungen darstellten, die mikroskopisch aus kurzen Stäbchen¬ 
bakterien bestanden. Ueberimpfungen der Cultnren in die 
vordere Augenkammer von Kaninchen ergaben positive Re¬ 
sultate. 

Redner ist der Meinung, dass die Fettnekrose beim Menschen 
und beim deutschen, algerischen und ungarischen Schwein 
makroskopisch und mikroskopisch dieselben morphologischen 
Verhältnisse zeigt, dass sie beim Menschen auch in ihrer schweren 
Form nicht gar zu selten anftritt und zuweilen die einzige 
Erklärungsmöglichkeit für die plötzlichen und unerwarteten 
Todesfälle nach acuten oder chronischen Krankheiten ist. 

C. Tomberg. 

G. Klemperer (Berlin): Klinischer Bericht über 20 Fälle 
specifisch behandelter Pneumonie. (Verhandlungen des 
elften Congresses für innere Mediein gehalten zu Leipzig. 
1892). 

Im Anschluss an den Vortrag von F. Klemperer, aus 
welchem hervorgeht, dass beim Thierversuch eine Heilung der 
Pneumokokkeninfection auf zweierlei Weise möglich ist, näm¬ 
lich 1) durch das Impfen mit dem Serum immunisirter Thiere 
und 2) durch das Impfen mit erwärmten concentrirten Cultu- 
ren, berichtet Redner über die Resultate, welche die Anwen¬ 
dung dieser Heilmethode bei einigen an Pneumonie erkrankten 
Menschen ergeben hat. Zunächst handelt es sich um 12 Fälle 
von Pneumonieen, die mit dem Serum immunisirter Kaninchen 
behandelt wurden. Das Serum wurde gewonnen durch ein¬ 
faches Abstehenlassen des aseptisch entzogenen Blutes von 
Kaninchen, denen mehrere Wochen hindurch auf 60° erwärmte, 
meist filtrirte Cultnren von Pneumokokken in steigender Do¬ 
sis theils subcutan, theils intravenös injicirt waren. Als ge¬ 
nügend immnnisirt galten die Thiere, die 5 CCm. virulente 
Bonilloncnltur fieberlos vertrugen, ln mehreren Selbstver¬ 
suchen wurde zuerst bewiesen, dass die Injection von 1—4 
CCn». des Serums der immunisirten Thiere beim Menschen 
einen abBolnt indifferenten Eingriff - darstellt. Die Injectionen 
wurden unter aseptischen Cantelen unter oie Haut de. Glntäal- 
gegend gemacht, die momentane Schmerzhaftigkeit verging 
bald, keine üble Nachwirkungen wurden beobachtet. Iui Uebri- 
gen war die Pflege, Ernährung und Behandlung dieselbe, wie 
bei den anderen Fieberkranken. In 5 von diesen 12 Fällen 
kam es alsbald nach der Injection zur regulären Krise, wo¬ 
bei iu 2 Fällen der eigentlichen Krise eine tiefe Pseudokrise 
vorherging. Allein es fehlt der Beweis, dass die Krise auch 
wirklich die Folge der Injection gewesen ist. Anders steht 
es mit den folgenden 7 Fällen, wo jedesmal meist 4-8 Stan¬ 
den nach der Injection eine Temperaturherabsetznng so wie 
fast immer eine Erniedrigung der Pulsfrequenz eintrat. Der 
Temperaturabfall war verschieden gross (von 1° bis 3°) und 
von verschiedener Dauer (bis zu 24 Stunden). Die Respirations- 
freqnenz war nicht so regelmässig herabgesetzt. In keinem 
Fall wurde der locale Entzündungsvorgang von den 
Seruminjectionen irgend wie beeinflusst, häufig schritt 
sogar die Infiltration während der Wirkung des Serums vor. 
Das Semm hatte eben nur die Wirkung des Pneumotoxins 
aufgehoben und die Zeichen der Intoxication, Fieberhitze und 
hohe Pulsfrequenz, nur vermindert. Die Dyspnoe, die zum 
Theil von der Raumbeschränkung in der Lunge herrührte, 
konnte dagegen natürlich nicht immer ermässigt werden. Das 
Vorschreiten der Infiltration erklärte sich dadurch, dass die 
Pneumokokken durch das Serum weder getödtet noch in ihrer 
Entwicklung gehemmt werden. Der erzielte Giftbindungs. 
effect war also nur schnell vorübergehend und geringfügig- 
Das mag in der Abstammung des angewandten Serums seinen 
Grund haben, indem bei grösseren Thieren z. B. dem P fei de 
leicht ungleich höhere Immunitätsgrade zu erzielen sind als 
beim Kaninchen, und das Serum um so heilkräftiger ist, je 
höher immun das Ausgangsthier. 

Ferner hat K. 8 Fälle von Pneumonie mit concentrirten 
erwärmten Reinculturen behandelt. Es ist ja erwiesen, dass 
die pneumonische Krise dadurch eintritt, dass der Körper unter 
Benutzung der Bakterienproducte (Pneumotoxin) den giftbin¬ 
denden Schutzstoff (Antipneumotoxin) selbst bildet. Es kommt 
also darauf an, dem Körper die wirksamen Bakterienproducte 
ohne deren ursprüngliche Giftwirkung zuzuführen. Die Gift¬ 
wirkung wild durch massige Erwärmung (00°) zerstört, wäh¬ 
rend die immunißirende Wirkung erhalten bleibt. Die concen¬ 


trirten erwärmten Bonillonculturen sind für den Menschen 
absolut unschädlich. Klemperer kommt zum Schluss, dass 
keiner von den 8 Fällen den Erwartungen widersprochen hat, 
die nach den Resultaten der Thierversuche er zu hegen be¬ 
rechtigt war, dass aber die Anzahl von Beobachtungen zu 
klein ist, um ein Urtheil über den Werth dieses Verfahrens 
zu 'begründen. In der That trat unter 8 Fällen 7 mal 1—2 
Tage, nach der Injection reguläre Krise ein, während es im 
8. Fall um einen sehr herabgekommenen Potator mit äusserst 
schweren Erscheinungen sich handelte. C. Tomberg. 

Prof. P. Fürbringer (Berlin): Zur Kenntniss der Pseu¬ 
dogallensteine und sogenannten Leberkolik. (Verhand¬ 
lungen des 11. Congresses für innere Mediein gehalten 
zu Leipzig. 1892). 

Der Vortragende berichtet über 4 Fälle, iu denen ihm von 
auf Cholelithiasis verdächtigen Patienten weissgelbe, lelim- 
farbene bis rothbraune, durchweg harte Gebilde von der Grösse 
eines Sandkorns bis einer Erbse zugegangen sind, von denen 
namentlich der grösste, einer halbirten Bohne gleichende, durch 
seine maulbeerähnliche Oberfläche und ebene Sprengfacette 
leicht den Eindruck eines Gallensteines machen konnte. Eine 
genauere Untersuchung dieser Steine jedoch ergab, dass ihnen 
sowohl jede Spur von Cholesterin, als auch Gailenpigment 
mangelte. Bei der mikroskopischen Untersuchung stellte es 
sich heraus, dass ihr Material durchweg ans charakteristischen 
Steinzellen bestand, Pflanzen zellen mit ungewöhnlich stark 
verdickten und von Porencanälen durchzogenen Wänden, die 
vielleicht Knochenkörperchen und Bandwurmgliedern ähneln. 
Diese Steine hatten also mit der Leber nichts zu thnn, sondern 
entstammten vegetabilischer Nahrung, vermuthlich Kernobst. 
Dr. Schwerin im Krankenhause Friedrichshain lenkte zuerst 
nach verschiedenen vergeblichen Identiticirungsversuchen die 
Aufmerksamkeit auf die Birne, und konnte Vortragender in 
der That nach einer Vergleichcontrolle die Identität ausser 
Frage stellen. Die bekannten, zumal bei «steinigen» Birnen 
massenhaft um das Endocarpgehäuse im Fruchtfleisch sitzenden 
und Sich bisweilen in grösseren Concretionen in den Kelchrest 
fortsetzenden Körner hatten die Rolle von Gallensteinen 
gespielt. Später hat Redner dieselben in grosser Menge beim 
Abschlämmen der Stühle von Krankenhauspatienten, denen 
Birnencompot. gereicht worden, wieder gefunden. 

Er macht darauf aufmerksam, wie leicht in solchen Fällen 
eine irrthüraliche Beurtheilnng von Fremdkörpern als Ein¬ 
schlüsse von Stuhlgängen zur Fehldiagnose und folgerichtig 
falschen Indicationsstellung führen kann und diese Täuschung 
zur Ursache einer wenig rationellen Behandlung führen kann. 

Im Anschluss hieran bespricht er die sogenannte Coli ca 
hepatica. Sie kommt seiner Meinung nach als reine Neuralgie 
garnicht so selten vor; namentlich bei Neurasthenikern und 
Chlorohysterischen trifft man sie häufiger. Der Vortragende 
erinnert an seine Bemerkungen, welche er im vorjährigen 
Congresse in Wiesbaden als Correferent über die Gallenstein¬ 
krankheiten bei Gelegenheit der Würdigung der Diagnose des 
Leidens gegen' die nervöse Leberkolik gegeben: «Nicht-recht 
verstehe ich die vorwiegend ablehnende Haltung zu der Häu¬ 
figkeit der differentialdiagnostischeu Schwierigkeiten gegen¬ 
über der im Gebiete des Plexus hepatiens verlaufenden «Leber¬ 
kolik». Mit Budd und Frerichs muss ich die letztere als ein 
bei Neurasthenikern und Chlorohysterischen nicht seltenes 
Symptom ansprechen. Es kann, zumal bei der Gegenwart vou 
Schmerzpunkten, dem ohne Icterus verlaufenden Gallenkolik- 
anfalll wie ein Ei dem anderen gleichen». Er hält noch heute 
an dieser Meinung fest, nur glaubt er einige Kriterien erkannt 
zu haben, geeignet, jene diagnostischen Schwierigkeiten in 
etwas zu verringern. Zwei der vier obenerwähnten Patienten 
haben an Leberkoliken gelitten und iui Vereine mit dem 
geschilderten Pseudocholelithenbefunde eher den Eindruck 
veritabler Gallensteinkoliken gewinnen lassen. Ausserdem hat 
Vortragender vor dieser Zeit und im letzten Semester einige 
einschlägige Fälle beobachtet, so dass er über ein halbes 
Dutzend sicherer Beobachtungen verfügt. Die nervöse Leber¬ 
kolik kann, wie gesagt, der Colica calculosa in Bezug auf den 
einzelnen Anfall vollständig gleichen. «Wie sollte es auch 
anders sein, da hier wie dort der Begriff der «Visceralneu¬ 
ralgie» gegeben ist, derselbe Nervenplexus getroffen wird». 
Das auslösende Moment, welches beider Colica calculosa durch 
den Gallenstein gegeben ist, entzieht sich im anderen Falle, 
wie bei den anderen Visceralneuralgien, dem Magenkrampfe, 
der Ovarie, der Pleurodynie der Neurastheniker und Hyste¬ 
rischen unserer Kenntniss. Alle seine erwähnten Patienten 
waren blutarme Hysteroneurasthenische, fünf junge Mädchen 
und Frauen im Alter von 15—25 Jahren, der sechste ein 
40jähriger Beamter. In Bezug auf das Grundleiden macht 
Vortragender auf die Häufigkeit der hochgradigen Steigerung 
des Patellarreflexes aufmerksam, ein Symptom, das seiner 
Meinung nach viel zu wenig gewürdigt wird. Er pflichtet 
Frerichs in der Betonung einer gewissen Periodicität der 
Paroxysmen bei und sieht in dem ganz regelmässigen Wieder- 


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kehren der Anfälle ein schwerwiegendes differentielles Moment 
gegen die Gallenkolik. Niemals hat er Icterus beobachtet. 
Hingegen war meist die Leber Sitz erheblicher Druckschmerzen 
und garnickt selten gelang es im Bereiche anderer Abdominal¬ 
organe die bekannten Druckpunkte zu finden. Endlich fehlen 
trotz Jahre langer Dauer stets die fieberhaften, entzündlichen 
Localaffectionen im Bereiche der Leber, Gallengänge und Gal¬ 
lenblase. Zum Schluss macht Vortragender auf die ganz 
erstaunliche Besserung des Leidens aufmerksam, die durch ein 
rationelles antineurasthenisches Heilverfahren erreicht werden 
kann und betont, dass eine antineurasthenische Behandlung 
auch in den Fällen angebracht sein wird, in welchen perito¬ 
neale Adhäsionen der Leber mit ihrer Nachbarschaft zu qual¬ 
vollen Visceralneuralgien Anlass geben. «Insofern solche Vor¬ 
kommnisse in früheren Steinleiden wurzeln, besteht allerdings 
ein wichtiger Berührungspunkt zwischen nervöser LeberkoUk 
und Cholelithiasis. Aber aem denkenden Arzte bleibt es auch 
hier nicht verborgen, dass die das Dasein vergällenden Be¬ 
schwerden sich nicht mehr an die Gegenwart von Gallensteinen 
heften, sondern ganz wesentlich an den actuellen Begriff der 
reizbaren Schwäche des Nervensystems gebunden sind. Die 
Verwachsungen haben nur der Visceralneuralgie den Ort 
angewiesen». u D .. 

H. Büttner. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Anton Bum und M. T. Schnirer: Diagnostisches 
Lexicon für praktische Aerzte. Mit zahlreichen Illu¬ 
strationen in Holzschnitt. Erster Band, 1. Hälfte. Wien 
und Leipzig. Urban und Schwarzenberg. 1892. 

Die Herausgabe eines Werkes, das sich zur Aufgabe stellt 
dem praktischen Arzt ein Wegweiser zur richtigen Erkennung 
des Leidens am Krankenbette zu sein, ihm in klarer und über¬ 
sichtlicher Weise alle zur Deutung des Krankheitsbildes noth- 
wendigen Untersuchungsmethoden und die sich aus diesen 
ergebenden Symptomen-Gruppen in Erinnerung zu bringen 
muss als ein überaus glücklicher Gedanke bezeichnet werden. 
Bei der mit Riesenschritten fortschreitenden Entwickelung der 
medicinisch-diagnostischen Hülfswissenschaften wird es dem 
praktischen Arzt immer schwerer das grosse Gebiet zu 
beherrschen; er ist genöthigt,Hand- und Lehrbücher zu Rathe 
zu ziehen, und dies nimmt oft mehr Zeit in Anspruch, als 
unter dem Drange der im Vordergründe stehenden Beschäfti¬ 
gungen zur Verfügung ist. Deshalb wird ihm ein Werk 
äusserst willkommen sein, das sich zur Devise macht «rasche 
und gründliche Orientirung auf allen Gebieten medicinischer 
Diagnostik». Der vorliegende Band dieses Lexicons entspricht 
vollauf den Versprechungen der Herausgeber. Die einzelnen 
Symptomencomplexe sind klar beleuchtet, dabei erschöpfend 
bearbeitet, indem allen Errungenschaften und Fortschritten 
der Wissenschaft gebührende Rechnung getragen wird. Es 
würde uns zu weit führen, wollten wir hier einzelne Abschnitte 
des ersten Bandes anführen. In demselben sind grade dia¬ 
gnostisch äusserst wichtige Krankheitsbilder von bewährter 
Feder bearbeitet; so die verschiedenen Formen der Anaemie 
( M. Weiss) der Aphasie (Freud), die Beckenanomalien 
(Klein Wächter) etc.; sehr wichtige Untersuchungsmethoden 
wie z. B. die bakteriologische (ochnirer), die Untersuchungen 
des Blutes (Stintzing). Durch gelungene Illustrationen ist 
dabei für leichte Uebersichtlichkeit und Verständlichkeit 
gesorgt worden. Wir können jedem praktischen Arzt das 
Anschaffen dieses Lexicons auf das Wärmste empfehlen. Die 
Ausstattung ist eine vortreffliche. Ah«imann 


Anforderungen stehen wird. Wir werden uns erlauben später¬ 
hin, wenn bereits mehrere Lieferungen erschienen sein werden, 
den Inhalt etwas eingehender zu besprechen. 

Der Preis pro Lieferung beträgt 1 M. 20 Pf. 

Abelmann. 

Th. Kocher: Chirurgische Operationslehre. Jena, Verlag 
von Gustav Fischer, 1892. 208 Seiten. 

Unter den Chirurgen der Jetztzeit dürfte kaum ein andrer 
in dem Maasse dazu berufen sein, eine chirurgische Operations¬ 
lehre herauszugeben wie gerade Kocher. Hat er doch fast 
auf allen Gebieten der operativen Technik wesentliche Fort¬ 
schritte an gebahnt. Das vorliegende Buch, das «in der Art 
von Roser’s hochgeschätztem Vademecum eine möglichst 
knrzgefasBte Anleitung für rasche Orientirung über eine aus¬ 
zuführende Operation geben soll» unterscheidet sich wesentlich 
von andern dasselbe Thema behandelnden Werken. Fragen, 
die in das Gebiet der chirurgischen Pathologie und Klinik ge¬ 
hören, specielle topographisch-anatomische Schilderungen, so¬ 
weit sie nicht zum directen Verständnis des Textes noth- 
wendig sind, Aufzählung verschiedener Methoden, seltener 
geübte Operationsverfahren für specielle Fälle sind fortgelassen. 
Dagegen sind in mehr allgemeiner Weise die Normen aufge¬ 
stellt, nach denen man sich bei einem operativen Eingriff in 
jeder Körperregion zu richten hat. Das Hauptprincip, das 
immer wieder betont wird und das für die Wahl der empfoh¬ 
lenen Methoden maassgebend gewesen ist, ist die möglichste 
Schonung aller für die physiologischen Functionen wichtiger 
Gebilde, besonders der Nerven. Die Aseptik und Narcoae giebt 
uns nicht nur das Recht, die complicirtesten Eingriffe vorzu- 
nehmen, sondern legt uns auch die Pflicht auf, Jede unnütze 
Nebenverletznng zu vermeiden und die Functionen der ein¬ 
zelnen Organe, besonders auch der Muskeln möglichst intact 
zu lassen; für die Muskeln speciell ist die Schonung der sie 
versorgenden Nerven wichtiger als die Vermeidung einer 
Verletzung der Muskeln selbst, die nach erfolgter Hei¬ 
lung nur eine künstliche Inscriptio tendinea hinterlässt. 
Daraus ergiebt sich die Forderung, die Hautschnitte so 
anzulegen, dass sie sowohl das Operationsgebiet möglichst 
bequem zugänglich machen als auch die grösseren Nerven¬ 
zweige an der Oberfläche und in der Tiefe schonen. Kocher 
stellt für jede Körperregion die diesen Forderungen entsprechen¬ 
den Normalschnitte fest, die ausserdem, meist mit der Spalt¬ 
richtung der Haut zusammenfallend, die besten Narben geben. 
Das Buch enthält, in sehr klarer Darstellung eine Fülle von 
neuen und originellen, theoretisch wohl begründeten nnd durch 
die praktische Erfahrung bewährten Rathschlägen. Es wird 
von jedem Chirurgen mit grösstem Nutzen studiert werden. 
Anfängern dürfte es nur theilweise zugänglich sein, da es 
Bekanntschaft mit der ganzen modernen Chirurgie voraussetzt. 
Das soll aber natürlich kein Vorwurf sein. 

Wenn wir Einzelheiten hervorheben sollen, die uns beson¬ 
ders erfreut haben, so erwähnen wir die ausgezeichnete Dar¬ 
stellung der Beziehungen der Hirnoberfläche zur Schädelkapsel, 
zu deren Bestimmung die bekannte Müller’sche Methode der 
procentischen Maasse empfohlen wird, ferner das Kapitel über 
die Resectionen, das ja bekanntlich schon früher von K. aus¬ 
führlich bearbeitet worden ist. Gern hätte Ref. die von Neu¬ 
dörfer für die Amputationen und Exarticulationen aufge- 
siellte Methode erwähnt gesehen; entspricht sie doch ganz 
dem Schonungsprincip, wie es K. in seinem Buch durchführt. 

Die Ausstattung des Buches ist gut; einige Druckfehler wä¬ 
ren bei der nächsten Auflage, die wohl bald nöthig sein wird, 
zu corrigiren. Die zahlreichen Abbildungen sind genügend 
deutlich. Wan ach. 


Johannes Gad: Real-Lexicon der medicinischen Pro- 
paedentik. Repetitorium für Stndirende nnd praktische 
Aerzte. Mit zahlreichen Illustrationen in Holzschnitt. 
Wien und Leipzig. Urban und Schwarzenberg. 1893. 
Lieferung 1. 

Von der gleichen renomirteu Verlagshandlung erscheint 
unter der Redaction des Berliner Physiologen, Professor Gad, 
ein Werk, das einen gewiss nicht minderen Erfolg, als das 
oben erwähnte, ernten wird, wenn auch der Leserkreis zum 
Theil ein anderer sein wird. Das Werk stellt sich die Auf¬ 
gabe in knapper Form die einzelnen Disciplinen, welche die 
wissenschaftliche Basis der Heilkunde bilden, also die Ana¬ 
tomie, Physiologie, Histologie. Allgemeine und pathologische 
Anatomie. Bakteriologie, physiologische Psychologie, medici- 
nisclie Chemie, Physik und Zoologie in einer grossen Zahl 
alphabetisch geordneter, praeciser Artikel darzustellen. Der 
Name des Herausgebers, sowie die stattliche Zahl hervorra¬ 
gender Mitarbeiter leistet für das Gelingen des Ganzen volle 
Gewähr. Uns liegt die 1. Lieferung vor: es sind nur wenige 
Capitel bis jetzt bearbeitet, aber das wenige lässt schon keinen 
Zweifel übrig, dass das Ganze vollkommen auf der Höhe der 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 15. September 1892. 

1. Herr Beckmann berichtet über folgenden Fall von 
Ascites, bedingt durch Echinokokken der Leber und 
des Peritoneums: 

Anamnese 3 Sept. 1892. M. J. 28Jahre alt, unverheiratliet, 
hat nicht geboren. Früher gesund. Menstruirt seit dem 18. Jahr 
regelmässig alle 4 Wochen 3 Tage lang. Seit dem April Ver¬ 
stopfung, gleichzeitig bemerkte Pat. ein wachsen ihres Leibes. 
Vom Juli an starke Vergrösserung des Abdomen, Abmagerung. 
Subjectiv anfangs keine Beschwerden, jetzt bekommt Pat. leicht 
Athemnoth. 

Stat. praes. Starke Abmagerung, gelblich blasse, schmutzige 
Hautfarbe, kein Icterus, keine Oeaeme, Schleimhäute stark 
anämisch, Zunge rein, feucht. Puls 90 kräftig, Temp. 38,2, 
R. 24 costal. Leib gross, Umfang über dem Nabel 100 Cm., 
Seitenpartien vorgewölbt, ascitische Form. Epigastrium stark 
vorgewölbt, Rippenbogen vorgedrängt. Ueberau über dem Ab¬ 
domen Flnctuation, geringer tympanitischer Bezirk wechselt 
mit der Lageveränaerung. Zwerchfellstand hoch. Leber¬ 
dämpfung beginnt im Sitzen in der M. L. am unteren Rande 


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der IV. B. Herzdämpfung nach oben verschoben beginnt am 
oberen Bande der II. B. Spitzenstoss in der M. L. ira III. J. 
C. B, fühl- und sichtbar. Herztöne rein. Hinten ist die untere 
Grenze des Lungenschalls 2 Querfingerbreit unter dem Angulus 
scapulae. Lungen frei. Milzdämpfung nicht bestimmbar. Uterus 
beweglich. Scheidengewölbe anscheinend frei. Nirgends ge¬ 
schwellte Lymphdrüsen. Urin eiweissfrei sauer ohne Gallen¬ 
farbstoff, von normaler Farbe. 

Da die Ursache des Ascites nicht bestimmt werden kounte 
(Consilium mit Dr. Krankenhäuser und Dr. Stoll) wurde am 
4. Sept. eine Probepunction des Ascites gemacht, dieselbe er¬ 
gab eine trübe grünlich gelbe Flüssigkeit, die stark eiweiss¬ 
haltig war und Gallenfarbstoff und Gallensäuren enthielt. In 
den nächsten Tagen nahm das Exsudat immer mehr zu. Der 
Umfang des Leibes war am 7. Sept. schon bis auf 105 Cm. ge¬ 
wachsen. Pat. hatte abendliche Temperatursteigerungen, fühlte 
sich aber bis auf die zunehmende Dyspnoe nicht sehr schlecht. 
Keine Schmerzen. , ^ 

9. Sept. Punction des Exsudates. Im Ganzen 12 Liter ent¬ 
leert. Das Exsudat enthielt 3 pCt. Eiweissstoffe, ferner Mucin, 
keine Echinococcushaken, spec. Gew. 1019. Nach der Punction 
fühlt man den Leberrand 2 Querflnger unter dem Kippenbogen. 
Leber von normaler Consistenz, Oberfläche glatt. Linker Le¬ 
berlappen nicht fühlbar. Abdomen überall weich nicht druck¬ 
empfindlich. Nirgends Tumoren nachweisbar. Uterus normal 
gross, beweglich, Adnexa frei. Leibumfang 76 Cm. 

Da nach der Punction das Exsudat schnell wieder zuzu- 
nelmien anfing, wurde am 12. Sept. die Laparotomie gemacht, 
um eine endgültige Diagnose zu stellen und gleichzeitig daran 
den therapeutischen Eingriff anzuschliessen. Combinirte Cocain- 
Chloroformnarkose. Schnitt zwischen Symph. und Nabel. 
Nach Eröffhnng der Peritonealhöhle erweist sich das Peritoneum 
parietale stark verdickt, stark iiyicirt. Auf demselben kleine, 
weissliche, leicht prominirende Flecke, stecknadelspitz bis steck¬ 
nadelkopfgross. Der vom Netz nicht bedeckte Dünndarm stark 
injicirt blauroth gefärbt. Darmschlingen durch Fibrinauflage¬ 
rangen untereinander verklebt. Das kleine Becken mit Echino¬ 
coccusblasen von Erbsen- bis Gänseeigrösse ausgefüllt, die¬ 
selben sind theils frei in der Bauchhöhle, theils dem Peritoneum 
leicht anhaftend. Nachdem das Becken von den Blasen ausgeräumt 
worden war, ergab sich bei weiterer Besichtigung des Darmes 
und Mesenteriums, dass überall zahlreiche kleine Echinococcus¬ 
blasen theils dem Peritoneum aufsassen theils zwischen den 
Blättern des Mesenteriums ihren Sitz hatten. Nach Erweiterung 
des Bauchschnittes bis handbreit über den Nabel konnte der 
rechte Leberlappen und die Leberpforte abgetastet werden. 
Dieselben erwiesen sich als frei von Echinococcusblasen. Da 
gegen war die Gegend des linken Leberlappens, der sich weich 
elastisch anfühlte, wie auch die Milzgegend von zahlreichen 
Echinococcusblasen eingenommen. Linker Leberlappen, Milz 
und Magen sind von ziemlich dicken peritonitischen Schwarten 
bedeckt und unter einander wie aucn mit dem grossen Netz, 
das nach oben geschlagen ist, verklebt. In genannten perito¬ 
nitischen Auflagerungen, theils in der Milzsnbstanz selbst, theils 
hinter dem Magen lassen sich noch weitere Echinococcusblasen 
durchftthlen, deren radikale Entfernung unmöglich erscheint. 
Der Echinococcus hatte seinen Ausgang offenbar vom linken 
Leberlappen genommen. Nach Ausspülung der Peritonealhöhle 
mit physiologischer Kochsalzlösung wurde die Bauchwunde 
durch Seidenknopfnähte geschlossen. 

Am ersten Tage nach der Operation war das Befinden der 
Pat. gut, die Temperatur nicht höher als vor der Operation 
bis 38,5. Am zweiten Tage trat hohes Fiber auf, aer Puls 
wurde klein und schnell, starke Dyspnoe trat ein in Folge 
starker Auftreibung des Leibes. Am 14/IX Exit. letal. Bei 
der Section fand sich im linken Leberlappen ein kleiner als 
kindskopfgrosser Sack mit etwa 2 mm. dicker verkalkter Wan¬ 
dung, vom Lebergewebe selbst waren nur geringe Beste nach- 
gebßeben. Der Sack war allseitig geschlossen und gefüllt von 
theils prallen grösstentheils collabirten Echinococcusblasen 
mit gallig verfärbtem oder klarem opalisirendem Inhalt. Im 
rechten Leberlappen eine wall nnssgrosse Höhle von einer 1 mm. 
dicken Membran umgeben, von nicntcollabirten Blasen gefüllt, 
von denen die in der Peripherie gelegenen gallig gefärbt wa¬ 
ren, die centralgelegenen von weisslicher Farbe, ln der Milz, 
im Oment. maj. und min. im Mesocolon transv. Echinococcus¬ 
blasen theilweise gleichfalls eingekapselt. Allgemeine fibrinöse 
Peritonitis, starke Aufblähung des Darmes. Ausserhalb des 
Cavum peritonei fand sich nur in der Scheide des M. rectus 
hinter dem Muskel unterhalb des proc.ensiformis ein wallnuss¬ 
grosser Hohlraum in dem sich gleichfalls Echinococcusblasen 
befanden. Der übrige Sectionsbefund wies nichts bemerkens- 
werthes auf. 

Es folgt die Demonstration des Praeparates: der Leber 
mit dem Eehinococcussack und einiger freier, der Bauchhöhle 
entnommener Cysten. 

In Fällen, wie dem mitgetheilten, wo die Ursache eiues As¬ 
cites anders nicht zu eruiren ist, möchte Vortr. der Probe¬ 
laparotomie den Vorzug vor der Probepunction geben, 
und zwar aus folgenden Gründen; 1) Weil die Laparotomie 


heutzutage keinen gefährlichen Eingriff darstellt, andererseits 
die Punction nicht ganz gefahrlos ist, 2) weil die Laparotomie 
in jedem Falle zu einer Diagnose führt, 3) weil die Laparo¬ 
tomie bei den in Frage kommenden schwer diagnosticirbaren 
Fällen von Ascites sehr häufig der erste Schritt zur radicaleu 
Operation ist (tuberculös^ Peritouitis, Papillome und Carci- 
nome der Ovarien etc.). Vortr. befindet sich daiin in Ueberein- 
stimmnng mit Gusserow (Arch. f. Gynaek. Bd. 42, Heft 3) 
und Thomas (New-Jork, Journ. of Gynaek. 1892, Nr. 1). 

Herr Tiling möchte die corapiicirte und noch keineswegs 
abgeschlossene Frage von der Berechtigung der Probelaparo¬ 
tomie hier nicht zur Entscheidung bringen, warnt aber doch 
vor zu leichter Entscheidung zu dieser Operation. Dieselbe 
stellt im Verein mit der dabei nöthi^en Chloroformnarkose 
einen nicht zu unterschätzenden Eingriff dar, jedenfalls einen 
grösseren, als die ganz ungefährliche, von den Therapeuten 
unendlich oft ausgeführte Punction. Es kommt hinzu, dass 
man bei der Probelaparotomie oft ein inoperables Leiden vor- 
tindet, in welchem Falle also die Operation ganz unnütz gemacht 
wird. T. hält die Probelaparotomie nur dann für berechtigt, 
wenn von derselben nicht nur die Klarstellung der Diagnose 
sondern auch ein thatsächlicher therapeutischer Vortheil für 
den Pat. erwartet werden kann. Jedenfalls wäre bei Ascites 
immer zuerst die Punction zu machen, welche die Unter¬ 
suchung immer sehr erheblich erleichtert und oft auch allein 
zur Diagnose verhilft. 

2. Auf Anregung des Präses werden folgende therapeu¬ 
tische Erfahrungen ans der gegenwärtigen Cholera¬ 
epidemie mitgetheilt: 

Herr Pendin (weibl. Obuchow-Hospital) bericht.-t über Ca n- 
tani'sche Enteroklysen und subcutane Injectionen 
von NaCl-Lösung: erstere reichen, wie solches wiederholt 
durch die Sectionen nachgewiesen wurde, nicht hoch hinauf, 
nur ausnahmsweise bis insCoecam. Die subcutanen Injectionen 
wurden in allen Fällen systematisch angewandt (alle 4 Stun¬ 
den 1200 Grm. ohne Zusatz von Natr. bicarbon.). Der Effect 
dieser Therapie war leider sehr gering, es wurde meist nur 
vorübergehende Besserung erzielt; auch auf den Verlauf 
des Typhoids und auf die Diurese während desselben hatten 
die Iiyectionen keinen Einfluss. Von 155 Fällen starben bei 
dieser Behandlung 68 (ca 44 pCt.), davon die meisten im Ty¬ 
phoid (35), wobei zu bemerken ist, dass nur die schweren Fälle 
überhaupt mitgezählt wurden. Von Complicationen wurden 
Diphtherie des Dickdarmes und Pneumonie beobachtet. Alle 
Patientinnen, die schwanger waren, starben im Typhoid, auch 
stillende Frauen erkrankten besonders schwer. Neben den In¬ 
jectionen spielten die Hauptrolle: heisBe Bäder; innerlich wur¬ 
den Calomel, Diuretin und Coffein gegeten, subcutan Campher; 
doch wurde in letzter Zeit von Verordnungen per os ganz ab¬ 
gesehen, und in späteren Stadien wurde Bismuth. salicyl. ver¬ 
abfolgt. Am meisten legt Vortr. Gewicht auf die Bäder, da¬ 
neben hält er die Klysmen für angezeigt, weil sie den Dick¬ 
darm reinigen. 

Herr de la Croix (Peter-Paul-Hoepital) constatirt den re¬ 
lativ günstigen Character der gegenwärtigen Epidemie; wenn 
das Mortalitätsprocent jetzt geringer ist als früher (es beträgt 
z. B. im Peter-Paul-Hospital. wo alle Fälle mit Nachweis von 
Bacillen gezählt werden, nur 33,8 pCt.) — so ist das nicht 
der heutigen Therapie, sondern gewiss anderen Umständen 
(Witterung etc.) zuzuschreiben, welche die Epidemie nicht 
bösartiger auftreten liessen. Beachtungswerth war, besonders 
in der ersten Zeit, das auffallend langsame Wachsthum der 
Bacillenculturen. Auch 1. Cr. hat sich bei Sectionen davon 
überzeugen können, dass die Enteroklysen nicht über dasCoe- 
cum hinausreichen. Die subcutanen und intravenösen Iiyec- 
tionen hat er von den Collegen loben hören, meint aber vor 
übermässiger Anwendung derselben warnen zu müssen, da er 
in manchen so behandelten Fällen bei der Section ein Gehirnoedem 
fand, während doch sonst die Choleraleichen sich durch Trocken¬ 
heit der Gewebe und Eindickung des Blutes auszeichnen. 
Ferner konnte 1. Cr. constatiren, dass fast alle Gestorbenen 
bereits vorher irgend ein Organleiden gehabt hatten, und zwar 
meist ein solches des Magens (Dilatatio ventriculi, Gastritis 
glandularis etc.) und der Nieren (inierstitielle Nephritis), uu 
ter den gestorbenen Frauen waren viele Schwangere und 
solche die abortirr hatten. 

Herr Kallmeyer (weibl. Obuchow-Hospital) schliesst sich 
ira Allgemeinen den Vorreduern an und kann im Besondern 
auch bestätigen, dass schon vorher Kranke, vorzüglich Alko- 
holisten besonders gefährdet sind; er hat unter den Cholera¬ 
patientinnen des Obuchow-Hospitals fünf wiedererkannt, die 
in früheren Zeiten, zum Theil wiederholt, wegen Alkoholismus 
Aufnahme gofnnden hatten. Betreffs der subcutanen Salzwasser- 
Injectionen weist K. darauf hin, dass eine richtige Beurthei- 
lung ihres therapeutischen Werthes auf Grund der Beobach¬ 
tungen im Obuchow-Hospital nicht möglich sei, weil sie dort 
fast ausnahmslos in allen Fällen, und zwar neben den anderen 
bekannten Massregeln zur Anwendung kamen, dass sie aber 
im Allgemeinen den gehegten Erwartungen leider nicht ent¬ 
sprochen haben. Im Stadium algidum, wo der Patient pulslos 


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und apathisch ist, wo Stuhl auf Stuhl erfolgt und selbst Eis¬ 
illen erbrochen werden, sei der Arzt bei dem derzeitigen 
tande der Therapie dennoch verpflichtet, eine einmalige Salz¬ 
wasser- Injection von ca. 1 Liter zu versuchen; ob die Injec- 
tion zu wiederholen ist, das wird vom Etfect der ersten ab- 
hängen; feste Regeln lassen sich da noch nicht aufstellen; im 
Typhoid hat auch K. keinen Erfolg von den Injectionen gesehen. 

fler.r de la Croix macht noch folgende vorläufige Mitthei¬ 
lungen zur pathol. Anatomie und Bakteriologie der Cholera: 
Das Bild der Darmschleimhaut kann verschieden sein, ebenso 
der Grad der Eindickung des Blutes. Typisch aber ist 
der Befund einer die Serosa des Darmes überzie¬ 
henden zähen Schleimschicht; in diesem Schleim hat 1. 
Cr. oft die Kommabacillen nachweisen können, doch ist dieser 
Bacillenbefund nicht constant und es fragt sich noch, ob er 
nicht, wo er vorhanden ist, eine Leichenerscheinnng darstellt. 

Herr Wladimirow, der gleichfalls soeben mit bakteriolo¬ 
gischen Untersuchungen über die Cholera beschäftigt ist, kann 
vorläufig nur mittheilen, dass der Befund von Kommabacillen 
ausserhalb des Darms in anderen Organen ganz inconstant 
und vielleicht nur eine postmortale Erscheinung ist. 

Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Oscar Silbermann hat bei Kindern mit starkem Er¬ 
brechen und Durchfällen die arterielle centrale Kochsalzin¬ 
fusion, wie sie von Landois zuerst geübt wurde, mit sehr gün¬ 
stigem Erfolge ausgeführt. Die a. radialis wird durch einen 
etwa 2‘/* Cm. langen Schnitt freigelegt, an ihrem peripheren 
Ende unterbunden und etwas aufwärts von der Unterbindungs¬ 
stelle mit einer kleinen Arterienpincetie abgeklemmt. Nun¬ 
mehr legt man einige Fadeu unter das freigelegte Arterien¬ 
rohr und schreitet zur Vornahme der Transfusion. Silber¬ 
mann hat zu diesem Zwecke ein eigenen Apparat construirt. 

(Deutsche medie. Woohsck. Nr. 30). 

— Berg (Reinerz) hat in einigen Epidemien mit sehr gu¬ 
tem Erfolge Liquor, ammonii caust. spirit. angewandt. Er ver¬ 
abfolgte 5—10 Tropfen */ 2 —1 stündlich in Wasser oder Rum; 
ausserdem erwiesen sich nützlich Klystiere aus Argentum ni- 
tricum 0,5—l°/o. Bei Kindern wurde das salpetersaure Silber 
auch innerlich verordnet. 

(Deutsch, medic. Wochsch. Nr. 36). 

— Mendel und Simon loben die Anwendung des Cocains, 
mit dem sie in Hamburg günstige Resultate erzielt haben. Das 
Recept war folgendermassen zusammengesetzt: Acid. muriatici 
2,0, Cocaini mnr. 0,12 Tinct. opii simpl. 2,0, Aq. destillat. 170,0 
Sirup, simpl. ad 200,0 MDS. stündlich bis zum Aufhören des 
Erbrechens und weiterhin zweistündlich bis zum Nachlassen 
der Durchfälle 1 Esslöffel voll eiskalt zu nehmen. Bei. Kin¬ 
dern dem Alter entsprechend kleinere Dosis. 

(Deutsche medic. Wochsch. Nr. 36). 

— Ei wert hat bei Brechrühr Erwachsener sehr guten und 
raschen Erfolg von Ferrum sesquichloratum gesehen. Er ern- 

f tfiehlt auch die Anwendung des Mittels bei asiatischer Cho- 
era: Liquor ferri sesquichl. 0,7—1,0 Aq. Cinamomii 150.0 
Mucilag. gnmuii arabic. 25,0—30,0 Syr. simpel 30,0 */a—1 stünd¬ 
lich 1 Esslöffel. (Deutsche medic. Wochsch. Nr. 37.) 


Vermischtes. 

— Am 3. November fand hierselbst die Einweihung und 
Eröffnung der drei neuerbauten Baracken beim 
Peter-Paul-Hospital statt, zu welchen eine Frau E. G. 
Stepanowa die Mittel gespendet hat. 

- - Am Sonntag den 25. October fand im Stadt-Kranken¬ 
hause zu Riga die Uebergabe zweier neuerrichteter Baulich¬ 
keiten seitens der Stadtverwaltung an die Krankenhans- 
Direction statt — eines neuen Anbaus für die Desinfections- 
vorrichtungen nebst Lagerräumen für die von den Kranken 
mitgebrachten Kleidungsstücke und der nach allen Erforder¬ 
nissen der gegenwärtigen Zeit eingerichteten Operations¬ 
baracke. Die Desinfectionsvorrichtnngen haben in dem 
Neubau noch nicht Aufstellung gefunden, die Lagerräume 
sind hoch, geräumig gut ventilirt und hell. In 585 Fächern 
lagern hier die mit Nummern und Name versehenen Effecten 
der Kranken auf aus Latten gezimmerten Holzgestellen. Ein 
luftiger, grosser Bodenraum steht ausserdem zur Verfügung. 
Die neue Operationsbaracke dürfte wol jeden Arzt mit Freude 
erfüllen. Das Gebäude gleicht den übrigen Baracken in ver¬ 
kleinertem Maassstabe, besitzt zwei Operationsräume mit aus- 

f iebigster Beleuchtung (Oberlicht etc.) Untersuchungsziinmer, 
adezimmer, einen Raum für Sterilisirung des Verbandmate¬ 
rials, ein Zimmer für das Instrumentarium etc. Der Bau ist 
nach den Angaben unseres altbewährten Krankenhaus-Archi¬ 
tekten, Herrn Neuburger ausgeführt. Alle Utensilien, die 
eisernen mit Glastafel gedeckten Instrumententische, der 
Sterilisir-Apparat (mit strömendem Dampf) der aus Eisen und 
Glas bestehende Instriunentenschrank etc. etc. sind von den 


Handwerkern des Krankenhauses aufs Beste ausgeführt 
worden. Eine eingehende Beschreibung dieser Operations*- 
baracke vou berufenster Seite ist uns zugesagt. Der Stadt¬ 
verwaltung und denjenigen Organen derselben, welche dem 
Krankenhauswesen unmittelbar vorstehen, gebührt der freu¬ 
digste Dank für die mit warmer Hand reichlich gespendeten 
Mittel. Wir können nur dem Wunsche Ausdruck geben, dass 
auch in den neuen Räumen der Geist strenger gewissenhafter 
Pflichterfüllung und ernsten wissenschaftlichen Strebens wie 
bisher die besten Früchte trage zum Heile unserer leidenden 
Mitmenschen. J. K. 

— Die Frage der Errichtung einer medicinischen 
Facultät bei der Odessaer Universität ist bekanntlich 
seit Jahren oftmals angeregt worden, bis jetzt aber stets er¬ 
folglos. Wie verlautet, hat die Stadtduma von Odessa neuer¬ 
dings beschlossen eine Petition in dieser Angelegenheit an zu¬ 
ständiger Stelle einzureichen. 

— Wie die «Nowoje Wrjemja» erfährt, ist dem Reichsrath 
eine Vorlage betreffs Errichtung eines «medicinischen In¬ 
stituts für Frauen» in der Art der eingegangenen weib¬ 
lichen medicinischen Curse zugegangen. 

— Die Aerzte. welche der militär-medicinischen Academie 
zucommandirt sind, haben, als sie erfuhren, dass die zahlreiche 
Familie des an der Cholera verstorbenen Dr. E. M. Nowi- 
kow in höchst bedrängten Verhältnissen zurückgeblieben ist, 
beschlossen, ah Ergänzung zur Pension, welche die Wittwe 
erhalten wird, alljährlich im Durchschnitt 5 Rbl. pro Mann 
beizusteuern. Die erste auf diesem Wege gesammelte Summe 
(100 Rbl.) ist bereits der Redaction des «Wratsch» behufs 
Uebertnittelung an die Wittwe des Verstorbenen zugegangen. 
(Wratsch). Dr. Nowikow gehörte in letzter Zeit ebenfalls zu 
den der mil.-med. Academie behufs weiterer Vervollkommnung 
zucommandirten Aerzten, wurde aber im Juli zur Bekämpfung 
der Choleraepidemie ins Gouvernement Eriwan geschickt, wo 
er bereits nach 7 tägiger Thätigkeit an der Cholera erkrankte 
und am 26. Juli ein Opfer derselben wurde. 

— Die Studenten der militär-medicinischen Academie haben 
ebenfalls beschlossen, um das Andenken ihrer drei Commili- 
tonen — der Studenten Karnowitsch, Potapow und Ta- 
rassow, welche bei der Bekämpfung der Epidemie in diesem 
Sommer ihren Tod gefunden — zu ehren, ein Capital auf 
den Namen der drei Verstorbenen bei der Unter- 
stiit zungscasse derStudenten der mil.-med. Acade mie 
zu stiften. — Es sind bereits 150 Rbl. zusammengekommen. 

(Wr.). 

— Verstorben: 1) Am 25. October in Moskau der Divisions¬ 
arzt der I. Grenadierdivision, Staatsrath Dr. A. J. Ssamoilo 
im 55. Lebensjahre. 2) Im Zari/vn’schen Kreise Dr. Hofmann, 
welcher zur Bekämpfung der Cholera dorthin geschickt war, 
an chronischer Pneumonie. 3) In Tschnchloma (Gonv. Kostroraa) 
der dortige Kreisarzt Const. Aliakritski im 42. Lebens¬ 
jahre. 4) Der Landschaftsarzt des Saraisk’schen Kreises, Wl. 
W. Sacharow, im Alter von 36 Jahren. 5) Im Kirchdorfe 
Bykow’o (Kreis Koselez, Gonv. Tschernigow) der Student der 
Medicin des IV. Curses der Charkow'er Universität, Koma- 
row’ski, an der Cholera. Der Verstorbene w'ar vor einigen Mo¬ 
naten von der Landschaft zur Mitwirkung bei der Bekämpfung 
der Cholera angestellt worden, war aber bereits im Begriff 
nach Charkow zurückzukehren, als er plötzlich an der Cholera 
erkrankte, die bald einen verhängnisvollen Ausgang bei ihm 
nahm. 6) In Frankfurt a. 0. am 2. November n. St. der w'irkl. 
Geh. Ober-Medioinalrath Dr. Louis Kersandt, bis vor Kurzem 
Vortragender Rath im preussischen Cultusministerium und 
Mitglied der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinal- 
w’esen, im 71. Lebensjahre. 

— Der Professor der medicinischen Chemie und derzeitige 
Decan der Wiener medicinischen Facultät, Hofrath u. Ober- 
Sanitätsrath Dr. E. Ludwig, ist zum lebenslänglichen Mit- 
gliede des österreichischen Herrenhauses ernannt 
worden. 

— Der bekannte Pariser Chirurg, Prof. Vernenil, hat am 
29. Oct. in der Ecole de medecine vor einer zahlreichen Ver¬ 
sammlung von Studenten, Aerzten und Freunden seine letzte 
Vorlesung gehalten, nach deren Schluss ihm begeisterte Ova¬ 
tionen bereitet wurden. Verneuil hat seine Professur nieder¬ 
gelegt, bevor er die gesetzliche Altersgrenze von 70 Jahren 
erreicht hat. 

— Am 31. October fand die Einweihung und feierliche Er¬ 
öffnung der elektrischen Station der militär-medici- 
schen Academie statt. Die Station ist auf Kosten des 
Kriegsministeriums für 250,000 Rbl. erbaut und versieht nicht 
allein die militär-medicinische Academie und ihre Kliniken 
mit elektrischem Licht, sondern auch die in der Nachbarschaft 
liegende Artillerie-Academie, die Feldscherschule, die pyro¬ 
technische Schule und das Militär-Gefängniss. 

— Die St. Petersburger Dumaärzte und städtischen Sani¬ 
tätsärzte haben beschlossen, den 11. November als den Tag, 
au welchem sich 10 Jahre des Bestehens des städtischen Sn. 

nitätgWesens in St. Petersburg vollenden, festlich zu begehen | 

und ein Diner auf Subscription za veranstalten. 


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XVII. JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 




unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. 

Dorpat. 


Dr. Johannes Krannhals. 

Riga. 


Dr. Rudolf Wanach. 


St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Mediciuische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnementepreis ist in Bauland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postzustelluug; in den anderen 
Ländern ‘JO Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Sep&ratabzüge ihrer Originalartikel zugesaudt.— ! 
Referate werdeu nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogeu honorirt. j 


■V* Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet mau ausschliesslich au die Buchhandlung von O&rl Bioker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect & 14, zu richten. — Manusoripte 
sowie alle auf aie Redactiou bezüglichen Mittheilungen bittet mau an 
d6n geschäftsführenden Redacteur Dr. Budolf Wanaoh i» St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect Jfr 7, Qu. 6 zu richten, 
Sprechstunden täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 


N 46 St. Petersburg, 14. (26.) November 1892 


Inhalt: Richard Otto: Ueber das perforirende Geschwür der knorpeligen Nasenscheidewand. — Referate: Prof. 
F. Martius (Rostock): Die quantitative Salzsäurebestimmnng des Mageninhaltes. — II. Die operative Behandlung der 
A ppendicitis. John. C. Munro. M. D.: A case of recurrent Appendicitis. Operation. Recovery. — John Hornons M. D.: 
Two cases of relapsing Appendicitis. Operation betweenattacks.Cure. — A. Worcester: The Treatment of Äppendicitis. — 
M. Richard so n: Remarksou the surgical treatraent of Appendicitis. - Eliiot. M. D.: Appendicitis. Snmmary of cases. — Bücher¬ 
anzeigen und Besprechungen: Magnan: Psychiatrische Vorlesungen, Heft II u. III. Ueber die Geistesstörungen der Ent¬ 
arteten. — Lenbnscher und Ziehen: Klinische Untersuchungen über die Salzsäureabscheidung des Magens bei Geisteskranken. 
— Auszug aus den Protokollen des deutschen ärztl. Vereins zn St. Petersburg. — Kleinere Mittheilnngenund 
therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Ueber das perforirende Geschwür der knorpeligen 
Nasenscheidewand. 

Vortrag, gehalten am 16. September 1892 auf dem IV. liv- 
ländischen Aerztetag in Wenden. 

Von 

Dr. med. fr l Ttn n fl Otto 

in Dorpat. 


M. H.! Unter dem Namen Ulcus septi nasi perforans 
beschreibt Voltolini eine Erkrankung der knorpeligen 
Nasenscheidewand, welche in Ulceration der Schleimhaut 
und Perforation des Knorpels besteht, bei ganz gesunden 
Menschen Vorkommen kann und Nichts mit Lues, Tuber- 
culose (oder Lupus) zu tliun bat. 

Der Verlauf dieses perforirenden Geschwürs ist schlei¬ 
chend und schmerzlos. Ueber das Zustandekommen des¬ 
selben äussert er sich reservirt, glaubt aber, dass die 
ihres Gefässreichthums wegen zu Blutungen neigende 
Schleimhaut den Ausgangspunkt bildet und dass das 
habituelle Nasenbluten ganz gegen die Annahme einer 
meist weiter nach hinten liegenden Laesion gerade öfters 
hier aus gelegentlich varicös erweiterten Gefässen zu 
Stande kommt. 

Kennzeichnend für den gutartigen Charakter dieses 
ulcerativen Processes ist, dass er unter keinen Umständen 
seine Domaine, den Knorpel überschreitet, also im 
äussersten Falle stets am Septum osseum Halt macht. 
Im Gegensatz zur Lues ist also ein Einsinken der Nase 
nicht zu fürchten, wohl aber kann es, wenn auch sehr 
selten, zur Neigung der Nasenspitze kommen, wofern die 
Perforation bis an die äussere Haut reicht. 

Wenn nun Voltolini vom klinischen Standpunkt diese 
Erkrankung zuerst unter separatem Kapitel in seinem 
Lehrbuch vom Jahre 1888 beschreibt und später Ross¬ 
bach ihm folgt, so gebührt doch den Anatomen Zucker- 
kandl und Weichselbaum das unstreitige Verdienst 
bereits 6 Jahre früher den pathol. anatomischen Charakter 
dieses Defects erkannt zu haben, während Hyrtl und 


Hildebrandt denselben fälschlicher Weise für eine von 
einer Hemmungsbildung abhängige congenitale Lücke 
erklärt hatten. 

Erst in neuester Zeit sind wir durch zwei weitere 
Bearbeitungen dieses Gegenstandes der Mechanik dieser 
eigentümlichen Geschwürs- und Defectbildung näher 
getreten, indem einerseits Hajek 1890 .jind wiederum 
Zuckerkandl 1892 im mittlerweile erschienenen II. 
Theile seiner normalen und pathol. Anatomie der Nasen¬ 
höhle uns weitere ausführliche Gesichtspunkte zur Be¬ 
urteilung eröffnen. 

Bevor wir jedoch auf die Anschauungen dieser Autoren 
eingehn, gestatten Sie mir m. H. die Mitteilung eines 
von mir im vorigen Jahre beobachteten Falles der in 
Rede stehenden Erkrankung, 

F. H. 13 Jahre 2 Monate alt vdn gracilem Knochenbau nnd 
von auffallender Blässe. Die erste Ursache zur anämischen 
Verfassung ist eine vor 5 Jahren durchgemachte Perityphlitis, 
die eineu sehr schleppendeu Verlauf nahm und zwei Ruckfälle 
im Gefolge hatte. Im Anschluss hieran litt Pat. an habit. 
Nasenbluten, das anfänglich alle 14—8 Tage, später fast 
täglich sich zeigte nnd stets nur aus einem und zwar dem 
lin> eu Nasenloch zu Stande kam. 

Direct veranlassende Momente, wie körperliche oder geistige 
UeberanBtrengungeu wurden grösstmöglicnst vom Knaben fern 
gehalten, um so schwieriger aber war es die üble Gewohnheit des¬ 
selben zu bemeistern, mit dem Finger in der Nase zn bohren. 
Als sich trotz aller Gegenmaassregeln dennoch ein bedenk¬ 
licher Grad von Blutarmuth zu eutwickeln begann, wurde ein 
Arzt zu Rathe gezogeu, welcher unter Anderem ein weisses 
Pulver zur Einstäuoung in die Nase empfahl, wonach der 
Zustand erträglicher wurde. Nichtsdestoweniger besteht die 
Neigung zu den Blutungen fort. 

Am 22. Oktober 1891 wurde der Knabe mir zur Behandlung 
zugeschickt, an welchem Tage ich folgenden Befund erhob: 

Bei Besichtigung des Naseneinganges findet sich ziemlich 
in der Mitte aes knorpligen Septums eine harte dellenartig 
vertiefte Kruste, welche ihrer Unterlage fest* anhaftet. An 
den uneben geformten Rändern der schwarzgrauen, nahezu 
rundlichen Kruste nimmt die Schleimhaut der allernächsten 
2—3 Mm. breiten Zone einen hellgrauen Farbenton an, während 
der übrige Tbeil derselben geschwollen nud hochroth erscheint. 
Nach Entfernung der Kruste zeigt die Riickflüche derselben 
blutig eitrige Beschaffenheit. Nach Stillung der unmittelbar 
folgenden Blutung wird ein sich zum Centrum hin vertiefendes 



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428 


Flächengeschwär sichtbar mit schmutzig-grauem Grnnde und 
helleren, wie zernagten Rändern, ßechtersoits ist der Sclileim- 
hantäberzug des Knorpels durchweg von normaler Beschaffen¬ 
heit und Farbe. 

Verdachtsgründe hinsichtlich einer vielleicht hereditär lue¬ 
tischen Belastung veranlassten mich neben einer ausfiihrlic en 
Untersuchung des Knaben auch zu eingehender Exploration 
des Vaters, welcher zur Zeit Restaurateur, in früheren Tagen 
Schauspieler gewesen war. Beim Patienten liess sich nun nichts 
entdecken was einmal für Lues, sodann aber auch für Tnber- 
culose hätte sprechen können, ebensowenig am Vater des 
Knaben, der mir aufs Nachdrücklichste versicherte, ausser 
an einer Gonorrhoe niemals an einer venerischen Krankheit 
gelitten zu haben. Es blieb mir nun nichts Anderes übrig, als 
mit eigenem Reagens Untersuchung und Anamnese zu prüfen. 
Ich verordnete neben weisser Praecipitatsalbe, Jodkali, nachdem 
ich kurz zuvor das Geschwür mit Chromsäure gebeizt hatte 
und bestimmte den Knaben jeden zweiten Tag meine Sprech¬ 
stunde zu besuchen. 

Trotz Jodkali, Aetzungen mit Chromsäure, Trichloi essig 
und Ausschabungen — zur Galvanocaustik war der Knabe 
nicht zu bewegen — zeigte nun das Geschwür nicht nur keine 
Tendenz zur Heilung, sondern verschlimmerte sich zusehends 
unter Zunahme an Breite, vorzugsweise aber an Tiefe. Im 
Uebrigen stets dasselbe Bild: die sich erneuernde Kruste, nach 
Beseitigung derselben die Blutung; nur dass mit der Zeit die 
Ränder steiler abfallen, wie mit dem Locheisen ausgeschlagen 
erscheinen und der vom schmutzig verfärbten Knorpel gebildete 
Boden sich dementsprechend mehr zu vertiefen beginut. Gegen 
Ende der 3. Woche ist der Knorpel bei gewissen Stellungen 
des Patienten stark transparent, die gegenüberliegende Schleim¬ 
haut noch intact, wenn auch ein wenig diffus injicirt, während 
ein paar Tage später ein stecknadelkopfgrosses Loch in der¬ 
selben zu Tage tritt. Von jetzt ab lässt sich in wenigen 
Tagen rapider Zerfall des Knorpels und der gegenüberliegenden 
Schleimhaut beobachten, so dass am 19. November der Schmel- 
zungsprocess in vollkommen symmetrischer Weise unter Bildung 
der Perforation beendet ist. 

Trotz gelegentlicher Beizung der leicht blutenden wunden 
Perforationsränder mit Höllenstein, schreitet die ßenarbung 
nur langsam vorwärts, wobei zunächst der hintere, dann der 
obere und ganz zuletzt der vordere untere Theil der Um¬ 
randung heilt; die Krustenbildung besteht während dieser 
gegen 6 Wochen dauernden Zeit unentwegt fort. Nach Ab¬ 
schluss des gesammten Processes zeigt die Cartilago quadran- 
gularis einen senkrecht gestellten, nahezu rautenförmigen 
Defect der weder ans Nasendach noch an den Boden der Nase 
heranreicht, dessen H'ihendnrchmesser die Länge eines Cm. 
betragen mag, während der Tiefendurchmesser diesem um 
1—2 Mm. nachsteht. Vom vorderen scharfen Rande der Carti¬ 
lago, welche bei Abbiegung der häutigen Scheidewand leicht 
durchgefühlt werden kann, ist der vordere mehr abgerundete 
Winkel der Perforation 1 Ciu. entfernt. Die Ränder des Defects 
sind verdickt, verjüngen sich indess von beiden* Nasenhöhlen 
her allraälig zu scharfem Saume. 

M. H.! Wenn ich den Ihnen geschilderten Fall von 
Ulcus perforans, welcher meiner Meinung nach wohl kaum 
den Verdacht auf Lues zu rechtfertigen vermag, der 
Besprechung für werth gehalten habe, so geschah das 
einmal, weil solche Fälle zu den immerhin selteneren 
Vorkommnissen der rhinologischen Praxis gehören, sodann 
aber weil wir es hier mit der ersten Beobachtung zu 
thun haben, wo der Uebergang vom Ulcus zur 
Perforation sich vor und unter den Augen des 
Arztes vollzogen hat; denn entweder sprechen die 
Berichte von Heilungen oder von der misslichen «Ueber- 
raschung» einer bereits stattgehabten Perforation. 

lieber den Beginn der Erkrankung, die sich nach 
Rossbach durch weissliche Verfärbung, d. h. Nekrose der 
Schleimhaut markirt, kann ich dagegen nicht aus eigener 
Anschauung berichten, es sei denn, dass die Anfangs um 
die Kruste bestehende hellgraue Zone dieselbe Deutung 
zulasst, während das centrale Geschwür schon einem 
weiteren Stadium entsprach. 

Dass es sich in der That um nichts anderes in solchen 
Fällen handelt, als um Nekrose des Epithels der Schleim¬ 
haut, konnte übrigens Hajek, dem wir ausführliche 
mikrosk. Untersuchungen verdanken, bestätigen. 

Nach den Angaben dieses Autors bildet sich eine 
Pseudomembran, in welcher nicht selten ein gelbgrünes 
Pigment auf vorher in die Schleimhaut statt-gefundene j 
Blutung seliliessen lässt und welche unter weiterer Nekrose | 


der Mucosa wiederholt zur Abstossnng gelangt. Dabet 
wird das Perichondrium bereits ei griffen, bevor der nekro- 
sirende Process soweit vorgedrungen ist. Der Knorpel 
zerfällt, worauf Porichondritis und Schleimhautnekrose 
der gesunden Seite folgt. Die vom Knorpel abgehobenen 
Schleimhautränder des entstehenden Defects legen sich 
an einander und der vernarbende Geschwürsrand über¬ 
zieht sich mit einem Plattenepithel, das nie mehr die 
ursprüngliche Mächtigkeit erreicht und keine Schleim¬ 
drüsen mehr aufweist. 

Am ganzen Processe sollen ferner gewisse Mikroorga¬ 
nismen speciell der Staphylococcus pyogenes anreus und 
der Streptococcus pyogenes aetueli betheiligt sein ver¬ 
mittelst ihrer Fähigkeit diese Pseudomembranen zn bilden. 
Diese Schilderung Hajek’s stimmt mit der klinischen 
Beobachtung vollkommen überein; in wie weit aber das 
Verhalten der Mikroorganismen als ätiologisches Moment 
für den nekrotischen Zerfall der Nasenschleimhaut gelten 
darf, müssten wohl noch weitere Untersuchungen 
lehren. Vor der Hand können wir dem Ein wände 
Dietrichs nur zustimmen, der im Vorkommen von 
Mikroorganismen in zerfallenem Gewebe an so exponirter 
Stelle nicht Ungewöhnliches, vielmehr Selbstverständ¬ 
liches sieht. Zu den constanten Symptomen, wie sie in 
der Casuistik stets wiederkehren, gehört ferner die habi¬ 
tuelle Blutung, die naturgemäss durch wiederholte Insulte 
von Seiten des Fingers gesteigert zu werden pflegt. 

Dass diese Blutung beim Entstehen des Ulc. perforans 
eine wichtige Rolle spielen muss, liegt auf der Hand, 
woher denn auch Voltolini die Perforation aus «hae- 
morrhagischem» Geschwüre entstehen lässt, ohne jedoch 
die Beziehung zwischen Blutung und pathologischer Ver¬ 
änderung der Schleimhaut erklären zu können. 

Dreht es sich doch immer wieder nm die Frage, warum 
das im Allgemeinen häufige habituelle Nasenbluten, das 
in den weitaus meisten Fällen gerade der pars anterior 
septi entstammt, so überaus selten zur Gelegenheitsursache 
des Ulcus zu werden pflegt? Wohl aus diesem Grunde 
widerspricht Rossbach der Vermuthung Voltolinis, 
indem er den moleculären Zerfall von Schleimhaut und 
Knorpel direct abhängig macht von der initialen weiss- 
lichen Verfärbung des Epithels, ohne indess den Ursprung 
dieser letzteren feststellen zu können. 

Zuckerkandl und Hajek räumen nun im Gegensatz 
zu Rossbach den Blutungen diejenige Rolle ein, welche 
sie als primär beeinflussendes Moment für die Nekrose 
in der That zu haben scheinen. 

Auf Grundlage der Haemorrhagie näch aussen und ins 
Schleimhautgewebe hinein acquirirt nach Zuckerkandl 
die Mucosa eine gelblich schmutzige oder rostbraune 
Färbung, die er als Xanthose der Nasenschleirahaut 
bezeichnet und der er die praedisponirende Eigenschaft 
zur Entwickelung des Ulc. perf. zuschreibt. Die Schleim¬ 
haut wird aufgelockert; die Drtlsenmündungen erweitert, 
wodurch das Terrain förmlich der Infection zugänglich 
und eröffnet werde, während der schleichende Charakter 
des Geschwürs durch die iu Folge der Haemorrhagien 
und der verödeten Capillaren herabgesetzten Ernährungs¬ 
verhältnisse seine Erklärung finde. Bleibt die Infection 
aus, so käme es hingegen zu partieller Atrophie des 
Septums. Er unterscheidet sowohl für die eine als die 
andere Möglichkeit folgende Stadien: 

1. Verletzung, lang dauernde mechan. Irritation (etwa 
Kratzeffecte). 

2. Haemorrhagien in das Schleimhautgewebe. 

3. Verödung der Capillaren; dadurch mangelhafte Er¬ 
nährung. 

4. Partielle Atrophie bez. Ulcus perf., je nachdem 
Infection stattfindet oder nicht. 

Aus diesen Erörterungen Zuckerkandis, denen wir 
nur in gedrängter Kürze folgen können, geht also 


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hervor, dass die Pars anterior septi. welche den Verun¬ 
reinigungen der Luft und des Fingers besonders aus- 
gesetzt ist, gelegentlich inficirt werden kann und dass 
es sich dann um eine lnfection von schleichend destruc- 
tivem Charakter handelt, welche auf die früher statt¬ 
gehabten Blutungen zurückgeführt werden muss. 

In ähnlicher Weise urtheilt Hajek, dem, neben 3 
klinischen Fallen ein besonders reiches anatomisches Mate¬ 
rial zur Verfügung stand, indem er sagt: das perforirende 
Geschwür ist somit nach anatomischen und klinischen 
Beobachtungen eine wahrscheinlich häufig mit Blutungen 
in der Schleimhaut beginnende, sehr chronisch verlaufende 
progressive Nekrose der Schleimhaut und des Knorpels 
innerhalb der knorpligen Nasenwand, welche ohne in der 
umgebenden Schleimhaut erhebliche Veränderungen hervor- 
zurufen zur Perforation der Scheidewand führt (nur selten 
früher heilt) und nach der Perforation spontan zur Hei¬ 
lung gelangt. 

Einer Statistik Chiaris zur Folge machen die Hae- 
morrhagien des knorpligen Septums etwa 86 pCt. aller 
Blutungen aus der Nase aus. Es geht daraus hervor, 
dass ganz bestimmte Vorbedingungen gegeben sein müssen, 
welche das Zustandekommen der habituellen Blutung an 
dieser Praedilectionsstelle begünstigen. 

Kiesselbach, Hartmann, Chiari, die sich mit 
dieser Frage beschäftigt haben, auch Schaffer, Hajek 
und Dietrich, Alle betonen in aetiologischer Hinsicht 
für die Blutungen das reiche Gefässnetz und die eigen¬ 
artige Vertheilung der Gefässe, die besondere Zartheit 
des Schleimhautüberzuges und seine straffe Anheftung an 
den Knorpel, den ungünstigen venösen Abfluss und die 
hiermit im Zusammenhang stehende Bildung varicös er¬ 
weiterter, zur Blutung neigender Gefässe. So erinnert 
beispielsweise Dietrich daran, dass das Septum carti- 
lagineum sein arterielles Blut ö kleinen Arterien ver¬ 
dankt, der. art ethmoidalis ant. und post., der art. spheno- 
und pterygopalatina und der art. septi mobilis uasi. Ihre 
Verästelungen gehen hier zahlreiche Anastomosen ein, 
während das sept. osseum fast nur allein von der 
art. sphenopalatina versorgt wird. Hiernach sei verständ¬ 
lich, dass der von ö entgegengesetzten Richtungen ins 
Capillarnetz hineinbrechende arterielle Blutstrom und mit 
ihm besonders der venöse Abfluss verlangsamt wird. 
Die directe Folge ist die varicöse Erweiterung der Gefässe 
und ihre Zerreisslichkeit namentlich bei gesteigertem 
Zufluss zum Kopf, starkem Schnäuzen oder irgend welchen 
äusseren Insulten. 

In solchen Varicositäten kann .es nun gelegentlich zur 
Thrombose, nachträglicher Verödung der Capillaren, zum 
Zerfall von Schleimhaut und Knorpel kommen, so dass 
unter gleichzeitiger Einwirkung von Entzündungserregern 
das ülc. perforans entstehen kann. 

Betonen möchte ich übrigens, dass Zuckerkandl 
diesen ziemlich übereinstimmenden Erklärungsversuchen 
gegenüber eine durchaus negative Stellung einnimmt, 
indem er die septalen Blutungen einzig und allein auf 
den Umstand zurückführt, dass die vordere exponirte 
Partie der Nasenscheidewand ungleich häufiger Ver¬ 
letzungen ausgesetzt ist, als die tiefer gelegenen Schleim¬ 
hautpartien, welche von dem bohrenden Finger nicht mehr 
erreicht werden können. Dass die Septumschleimhaut 
blutreicher als der Ueberzug der Muscheln oder dünner 
als die Schleimhaut der äusseren Nasenwand sei oder 
straffere Anheftung aufweise, leugnet er dagegen voll¬ 
kommen; ebensowenig gestaltet sich für ihn der Abfluss 
des Blutes am Septum ungünstiger als an den Muscheln 
und wir wollen von uns aus hinzufügen, dass die varicös 
erweiterten Gefässe nicht zum ausschliesslichen Befunde 
gehören, wenn sie auch nach Chiaris Statistik in 
21 pCt. von 70 Fällen notirt sind. 

Ob also in erster Linie innere oder rein äussere 
Ursachen vorwalten, welche das habituelle Nasen¬ 


bluten zu Stande bringen, diese Frage sfösst bei so diver¬ 
genten Anschauungen auf gewisse Schwierigkeiten; den¬ 
noch sollte ich meinen, dass bei einem gesunden Menschen 
es sich doch nur um Blutungen traumatischen Charakters 
handeln kann, während die spontane Haeraorrhagie der 
patholog. Gefässwand oder den Stauungen des Kreislaufes 
angekört; der weitere Verlauf hinsichtlich der consecutiven 
Geschwürs- und Defectbildung brauchte in einem oder 
andern Falle doch keine differirenden Merkmale aufzu¬ 
weisen. Dass es nun in der That Fälle giebt, wo dauernd 
wirkende äussere Reize die Veranlassung zu recidi- 
virenden Blutungen werden, welche vom Ulcus perforans 
gefolgt sind, dafür liefern uns die Chromarbeiter den 
Beweis, bei welchen dieser Erkrankungsprocess nach 
De 1 pech und Ilillairet fast constant vorzu¬ 
kommen pflegt. 

Anmerkung: Im Gegensatz zu der fast durchgängigen 
Beobachtung dieses Defects bei den Chromarbeitern kommt das 
Ulcus perforans bei den Cementarbeitern weit seltener vor. 

Herr Dr. Moritz Luig, welcher seit etwa 10 Jahren Arzt 
an der Cementfabrik Port Knnda in Estland ist, schreibt mir 
auf eine diesbezügliche Anfrage Folgendes: 

Von 30 ad hoc untersuchten sogenannten Staubarbeitern 
boten */••», welche 1—2 Jahre in der Cementmühle tliätig waren, 
einen durchaus negativen Befund. Bei dem übrigen Drittel, 
welches im Minimum 3, im Maximum 12 und im Mittel 7 Jahre 
Staubarbeit verrichtet hatte, fanden sich an nur 2 Arbeitern 
manifeste Zeichen eines am knorpligen Septum stattgehabten 
krankhaften Processes. 

So entdeckte L. an einem 35 jährigen Majine, welcher 7 Jahre 
in Arbeit gestanden hatte, in der Mitte der knorpligen Scheide¬ 
wand eine runde Perforation von 0,25 Cm. Durchmesser, mit 
glatt benarbtem Bande, welcher n..r am vorderen Abschnitt 
exulcerirt war. Das Geschwür, von fest adhaerirender Cenient- 
haltiger Krnste bedeckt, hat einen gut granulirendeu Grund 
und zeigt Tendenz zur Benarbung. Der rat. giebt an, schon 
vor 2 Jahren mit dem Finger an der Beseitigung der sich stets 
erneuernden Kruste gearbeitet zu haben, wobei es oft. zu Blu¬ 
tungen gekommen sei. Er ist vou schwächlicher Constitution, 
etwas abgemagert, leidet Öfter an Verdauungsstörungen. Pul- 
mones susnect., keine Lues. Auffallend ist die Diinnwandig- 
keit des Knorpels. 

Im zweiten Falle, 29jähriger Arbeiter, 9 Jahre im Dienste, 
fand sich freilich keine Perforation, statt dessen an der linken 
Seite der knorpeligen Nasenwand eine oberflächliche kleine 
weisse Narbe, über deren Entstehung Pat. keine Angaben zu 
machen weiss. 

Wenn es sich bei dieser Untersuchung, für welche ich dem 
Collegeu L. meinen wärmsten Dank ausspreche, auch nur um 
einen zweifelhaften Fall von Ulc. sept. nasiperfor. handelt, so 
wird hierdurch die Angabe Foulerton's (Chatam) bestätigt, 
der im Jahre 1889 über das Vorkommen der Perforation bei 
den Cementarbeitern berichtet. 

So entnehme ich dem Eulenberg’sehen Handbuch 
des öffentlichen Gesundheitswesens und speciell dem von 
Hörmann bearbeiteten Kapitel über Chromindustrie 
folgend« werthvolle Notiz der genannten Autoren: Die 
Erscheinungen, die dieser Perforation vorausgehn, sind 
Prickeln in der Nase, häufiges Niesen, begleitet von 
starker Absonderung und eine schmerzhafte Empfindung 
beim Einathmen kalter Luft. Bei vielen Individuen kommt 
häufiges Nasenbluten hinzu. Diese Neigung zur Blutung 
besteht bei Einigen monate- bei anderen tagelang. Auf¬ 
fallend ist, dass diese Perforationen ohne besondere 
Schmerzempfindung zu Stande kommen, im Gegentheil 
von den Arbeitern meist ganz ahnungslos acquirirt und 
erst bei der ärztlichen Untersuchung entdeckt werden. 

Bei sehr vorgeschrittener Desorganisation des Knorpels 
tritt Deformation der Nase ein. In sehr vielen Fällen 
kommt es zur Heilung; wird indess der Pat. dem bishe¬ 
rigen Wirkungskreise nicht entzogen, so treten meist 
Recidive ein. 

Sie sehen, m. H. dass es sich hier um eine gewerbliche 
Erkrankung handelt, welche zweifellos der klinischen 
Schilderung des Ulcus septum perforans entspricht, ohne 
aus inneren Ursachen entstanden zu sein. 
Diese Beobachtung muss aber unser Interesse noch aus 
einem weiteren Grunde in Anspruch nehmen, als durch 
das fast constante Vorkommen der Perforation bei 


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430 


den Chromarbeitern die Frage nach der luetischen oder i 
nicht luetischen Grundlage des Krankheitsprocesses ihre 
Entscheidung finden dürfte. Sie werden mir zugeben 
müssen, dass wir es doch unmöglich mit einem fast aus¬ 
schliesslich luetischen Arbeiterpersonal zu thun haben 
werden und falls einer der Arbeiter es wirklich ist, er 
ebenso gut wie jeder andere, der nie luetisch inficirt war, 
an diesem Uebel erkranken kann, so dass man dann mit 
Fug und Recht selbst bei einem Syphilitiker von einem 
Ulcus sept. nasi perforans non syphiliticum reden dürfte. 
Kehren wir zu denjenigen Fällen zurück, die dem ge¬ 
wöhnlichen Leben angehören, so ist man, glaube ich, wohl 
berechtigt den nicht luetischen Charakter des Geschwürs 
anzunehmen, wenn wie in dem von mir berichteten Falle 
keinerlei sonstige Symptome, die auch nur entfernt auf 
Syphilis schliessen lassen, vorliegen und das Jodkali 
wirkungslos bleibt. 

Differentialdiagnostisch wichtig ist ferner der Umstand, 
dass das Ulcus septi cartilag. auch ohne Behandlung heilt, 
sobald es zum Durchbruch gekommen ist, während das 
syphilitische Ulcus, welches sich mit Vorliebe amknöcheren 
Septum etablirt, nach stattgehabter Perforation zu weiteren 
Zerstörungen des Knochens führt. Ein weiteres Unter¬ 
scheidungsmoment scheint mir in dem Umstande gegeben 
zn sein, dass das Ulc. perf. Tendenz zum Durchbruch 
besitzt, während die auf dem Sept. cartilag. gelegentlich 
vorkommenden Plaques muqueuses unter Jodkali vorher 
zu heilen pflegen. So paradox es klingt, wäre also dort 
eher Verdacht auf Lues angebracht, wo eine flächenartige 
Narbe im Bereiche der knorpligen Nasenscheidewand 
besteht, als dort, wo statt dessen eine Perforation ge¬ 
funden wird. 

Trotz dieser Erwägungen, welche in hohem Grade für 
eine Erkrankung sui generis sprechen, möchte ich nicht 
unerwähnt lassen, dass Dietrich jüngst einen Fall 
publicirt hat, der bei aller Analogie, dennoch syphili¬ 
tischen Ursprungs war, und Jurasz die .Mittheilung 
machen konnte, dass ein von einem Collegen bereits litera¬ 
risch verwertheter Fall von ihm nachträglich durch Ge- 
ständniss des Patienten auf seine syphilitische Basis 
zurückgeführt werden konnte. Dass es unter solchen Um¬ 
ständen einer minutiösen Untersuchung und doppelter 
Vorsicht bei Beurtheiluug des Ulc. perforans bedarf, 
unterliegt keinem Zweifel. Nichtsdestoweniger ist durch 
derartige Ausnahmen von der Regel noch nicht der Be¬ 
weis dargethan für die Anschauung J n rasz’s, welcher 
die Nekrose des Knorpels höchstens dyskrasischen, speciell 
aber syphilitischen Individuen zuschreibt. Endlich möchte 
ich noch an die Möglichkeit erinnern, dass die luetische 
Infection nicht unbedingt zur Grundursache des Ulc. perfor. 
zu werden braucht, wie auch schon der vielerfahrene 
V o 11 o l i n i sagt: Mit Syphilis hat diese Erkrankuugs- 
form nichts zu thun, obgleich Leute, welche im Leben 
einmal inficirt gewesen sind, zuerst daran denken. 

Doch eine weitere Frage haben wir zu beantworten. 
Ist die Annahme gerechtfertigt, dass es sich vielleicht 
um ein Geschwür tuberculösen Charakters handelt? 

Weichselbaum und H a j e k haben freilich Defecte 
der knorpeligen Nasenscheidewand vorzugsweise bei tuber¬ 
culösen Leichen gefunden; das Material stammte jedoch 
aus den ärmsten Klassen, wo jede 2. Leiche tnber- 
culös war. 

Gegen diesen scheinbaren Zusammenhang spricht aber 
der Umstand, dass wir es beim Ulc. perf. niemals mit 
der für die Tuberculose der Nasenschleimhaut typischen 
Granulationsgeschwülsten zu thun haben und dass in 
einem Falle der Tuberkelbacillus seine specifische Rolle 
spielt, während er im andern Falle nie gefunden wird, 
was durch die vielfachen Untersuchungen Hajeks am 
Lebenden zweifellos festgestellt worden ist. Nicht un¬ 
interessant dürfte ferner die Thatsache sein, dass Tuber- I 
culininjectionen, zur Zeit an einem 16jährigen Mädchen | 


durch Herrn Prof. Unverricht ausgeführt, keine Allge- 
meinreactionen hervorzurufen im Staude waren, obgleich 
nicht allzu lange Zeit nachher Perforation der knorpeligen 
Nasenscheidewand constatirt werden konnte. 

Eine Verwechslung endlich mit Lupns dürfte wohl 
kaum ernstlich in Frage kommen, da es sich bei Durch¬ 
bruch des Knorpels um gleichzeitige lupöse Processe der 
äusseren oder inneren Nase handelt. 

M. H.! Wir sind am Schlüsse; die bereits überschrittene 
Zeit drängt. Ich hoffe, dass diese Arbeit mit dazu bei¬ 
getragen hat, die Anschauungen über das .Wesen der 
septalen Perforationen zu klären und die Vorurtheile zu 
zerstreuen, welche bisher in der einseitigen Auffassung 
gipfelten, jede Perforation sei syphilitischen Ursprungs. 


Literaturverzeichniss. 

R. Voltolini: Die Krankheiten der Nase. Breslau 1888. 
Rossbach: Allgemeine medic. Central-Zeitung. 1889. 
Nr. 24. 

E. Zuckerkandl: Norm, und pathol. Anatomie der 
Nasenhöhle. Wien 1882. 

Weichselbaum: Das perf. Geschwür der Nasenscheide¬ 
wand. Allgem. Wiener med. Zeitung. 1882. 34 

und 36. 

M. Hajek: Das perforirende Geschwür der Nasenscheide¬ 
wand. Archiv f. path. Anatomie. Bd. 120, Heft 3. 
1890. 

E. Zuckerkandl: Normale und pathol. Anat. d. Nasen¬ 
höhle II. Band. 1892. Wien und Leipzig. 
Kiesselbach: Ueber spontane Nasenblutung. Berl. klin. 
Wochenschr. 1884. Nr. 24. 

A. Hartmann: Erfahr, auf dem Gebiete der Hals- und 
Nasenkrankheiten. Leipzig und Wien. 1887. 

Chiari citirt nach Zuckerkandl. 

M. Schäffer: Rhinolog. Mittheilungen. Monatsschr. für 
Ohrenheilkunde. 1886. Nr. 11. 

J. Dietrich: Monatsschr. für Ohrenheilkunde. 1890. 
pag. 336. 

Delpech et Hillairet: Ann. d’hyg. publ. 2 ser. t. 21. 

pag. 6. 1869. und t. 45 pag. 6 und 193 1876. 
Eulenberg’s Handbuch des öff. Gesundheitswesens. 

Berl. 1881. I Band. 

H ö r m a n n : Ueber Chromindustrie. 

A. Jurasz: Die Krankheiten der oberen Luftwege. 
Heidelberg 1890. 

Hildebrandt: Jahrbuch der Anatomie, citirt nach 
Zuckerkandl. 

J. Hyrtl: Lehrb. der Anat. 11. Auflage. Wien 1870. 
pag. 533. 

Foulerton (Chatam) citirt bei W. Freudenthal: Ueber 
das Ulc. sept. nasi perforans. New-Yorker med. 
Monatsschrift. 1891. 


Referate. 

Prof. F. Marti us (Rostock): Die quantitative Salzsäure¬ 
bestimmung des Mageninhaltes. (Verhandlungen des 
11. Congresses für innere Medicin. gehalten zu Leipzig. 
1892). , 

Verf. bespricht in seinem Vortrage die Leistungsfähigkeit 
einer von ihm und J. Lüttke in seiner Poliklinik ansgearbei- 
teten Methode der Salzsänrebestimmnng des Mageninhaltes. 
Er giebt dabei nur den Gang der Untersuchung an, während 
er in Betreff des chemischen Theiles derselben auf die von J. 
Lüttke bereits veröffentlichte Arbeit «Eine neue Methode znr 
quantitativen Bestimmung der Salzsäure im Mageninhalte> 
(Deutsche med. W. 1891, Nr. 49.) verweist. 

Zu ihren Bestimmungen benutzten Verf. und J. Lüttke 
stets unflltrirten Mageninhalt, der vorher gut durchgertihrt. 
wurde, da es sich gezeigt hatte, dass die Untersuchung des 
Filtrates unter Umständen ganz falsche Resqltate giebt, wäh¬ 
rend es ein grosser Vorzug ihrer Methode ist, dass die unge¬ 
lösten Bestandteile des Mageninhaltes weder die Aciditäts- 
I noch die Chlorbestimmungen beeinträchtigen können. 


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Es wird iu jedem Eiuzelfalle zunächst die Gesamrotacidität => 
A bestimmt. Darauf folgt die titrimetrische Bestimmung des 
gesummten Chlors => a und die Bestimmung des Chlors der 
Chloride = b. Daran schliesst sich, falls die qualitativen Farb- 
stoffreactionen mit Phloroglncin-Vanilin oderCongo in Bezug 
auf freie Säure ein positives Resultat ergeben haben, die quan¬ 
titative Bestimmung derselben durch Titrirnng mit einem der 
nur freie Säure anzeigenden Indicatoren an. Dazu empfiehlt 
Verf. Tropaeolin. Aus diesen vier empirisch bestimmten Wer- 
t.hen, A nnd B, a nnd b, lässt sich unter allen Umständen be¬ 
rechnen, was in Betreff der Magensäure zu wisseu von Werth 
ist npd kann eine derartige Bestimmung nach Verf. selbst in 
den complicirtesten Fällen bequem in nicht ganz einer Stunde 
ausgeführt werden. 

Der wahre Gang der Untersuchung ist nun folgender: a—b 
giebt uns die Menge des Chlors der Salzsäure. Ferner ist 
ohne Weiteres ersichtlich, dass, wenn A=a—b gefunden wird 
(beides in den Zahlen des I iters ansgedrückt oder auf HCl 
berechnet), die Acidität lediglich durch Salzsäure bedingt ist. 
Ist A > a — b, so giebt die Differenz unmittelbar den Werth 

für fremde (organische) Säuren nnd saure Salze an. r -=* 1 

cl— D 


bedeutet, dass letztere fehlen. 


a—b 


< 1 dagegen ist ein Ex¬ 


perimentalfehler, es sei denn, dass der bei der Aciditätsbe- 
stimmnng benutzte Indicator auch durch die lockeren organi¬ 
schen Verbindungen der HCl beeinflusst wird. Fällt, die quali¬ 
tative Farbstoffreaction positiv aus, so ist zu untersuchen, 
welcher Theil der gefundenen Gesammtsalzsäure (a- b) frei, 
welcher gebunden ist. Der durch Titriren mit Tropaeolin ge¬ 
fundene Werth für freie Säure wird mit B bezeichnet. Ist 
vorher die Abwesenheit fremder (organ.) Säuren nachgewiesen, 
so ist damit die Untersuchung zu Ende. Wir haben B =* freie 
Salzsäure und (a — b) — B =* gebundene Salzsäure. Sind da¬ 
gegen organ. Säuren in beachtenswerther Menge vorhanden 

( ä—b^*)’ 80 ^ ragt es s * c ^’ we l c l ,er Antheil diesen, welcher 

der Salzsäure znzurechnen ist. Da bei Gegenwart freier Salz¬ 
säure die schwächeren organischen Säuren uicht gebunden 
sein können, so müssen sämmtliche organische Säuren [A— 
(a— b)l in B enthalten sein. Folglich bleibt für freie Salzsäure 
der Wert B -[A—(a—b)l. Damit ist die Untersuchung auch 
für den complicirtesten Fall zu Ende geführt. 

Im Anschluss an vorliegende Ausführung theilt Verf. kurz 
die bei seinen Untersuchungen gewonnenen Resultate mit. Es 
hat sich gezeigt: 

1. Dass bei der normalen Verdauung ein erstes Stadium, in 
dem Milchsäure, und keine freie HCl gebildet wird, nicht exi- 
stirt. Milchsäure wird während der ersten Stunde der Ver¬ 
dauung nur dann gefunden, wenn sie fertig mit der Nahrung 
eingeführt wird (Fleischmilchsäure). 

2. Schon wenige (5) Miuuten nach der Nahrungsaufnahme 
ist die secernirte HCl quantitativ nachweisbar. Sie allein be¬ 
stimmt (falls nicht Säuren mit der Nahrung in den Magen 
gebracht sind) die Acidität. Die als frei secernirte HCl wird 
jedoch unmittelbar in statu nascendi an das Eiweiss der Nah¬ 
rung gebunden. Trotz der stetig wachsenden Acidität ist sie 
also zunächst für die bekannten Farbstoffreactionen nicht nach¬ 
weisbar. Der Zeitpunkt, bis zudem die HCl frei bleibt (nicht 
wird !)T hängt ceteris pavibus von der Menge des eingeftthrten 
Nahrnngseiweisses ab. 

3. Organische Säuren, insbesondere Milchsäure, treten in 
solchen Mengen, dass sie die Acidität nachweisbar mitbedingen, 
nur unter pathologischen Verhältnissen und auch dann nur 
bei Stagnation in den späteren Stunden nach der Nahrungs¬ 
aufnahme auf. Sie können unter diesen Bedingungen sehr hohe 
Werthe erreichen. 

4. Die Salzsäure wird als solche und zwar frei secernirt. 
Alle anderen Vorstellungen sind unhaltbar, Büttner 


II. Die operative Behandlung der Appendicitis. 

John. C. Munro. M. D.: A case of recurrent Appen¬ 
dicitis. Operation. Recovery. Boston medical & sur- 
gical J. Vol. CXXVI. Nr. 26, pag. 653. 

Im vorliegenden Falle entsprachen die pathologischen Ver¬ 
änderungen nicht den vorhergehenden Leiden. 17jährige Pa¬ 
tientin. Erkrankte im Nov. 89 an Darmkoliken die 8 Stunden 
anhielten. Schmerzen in d. Coecalgegend. Am nächsten Morgen 
Besserung, in der folgenden Nacnt wieder Verschlimmerung. 
Hospitalbehandlung 2 Wochen. Ruhe, Diät, Opium. Nach meh¬ 
reren Wochen neue Attacken. Im Sommer 90 rieth M. zur 
Operation oder absoluter Ruhe von 4 Monaten. Trotz letzterer 
eine acute Attacke im Bette, die eine Woche dauerte. Im J. 
1891 P. ziemlich elend, reducirt, invalide. Laparotomie 201191. 
Die Bauchhöhle eröffnet in d. rechten linea semilunaris. Auf 
dem Coecum einige Streifen frischer Lymphe. Der Appendix 
scheinbar normal, etwas rigid vielleicht und verdickt: Excisio 


l h" vom Coecum, Peritonealiiberzug eiugestülpt, mit Seide Über 
den Stumpf vernäht. Den Tag über einige gelinde Schmerzen 
T° 101°, daun normal. Am 5. Tag Seidlitzpulver. Am 6. prima 
intentio. Am 13. alle Nähte entfernt. Seit einem Jahr keine 
Anfälle mehr. Der Appendix wurde mikroskopisch untersucht 
und normal gefunden. 

John Homons. M. D.: Two cases of relapsing Ap¬ 
pendicitis. Operation between attacks. Cure. Boston 
medical & surgical Journal. 1892. Julv. Nr. 4, pg. 86. 

1. Patient trat in Hospitalbehandlung l/'IV 91. Vor 18 Mo; 
naten erster Anfall v. Appendicitis. 5 Tage bettlägerig, Schmer ¬ 
zen, Erbrechen. Seitdem 5 Anfälle, der letzte vor 10 Tagen. 
Jetzt gutes Allgemeinbefinden. Bei Palpation grössere Resi¬ 
stenz rechts, hier hühnereigrosser Tumor den Beckenrand 
überragend, elastisch, empfindlich. 6. IV. 91 Operation. Incision 
über den Tumor 3"»" lang, mitten zwischen spina ant. sup. u. 
Nabel. D. Omentum der Bauchwand adhaerent. Nach Dnrch- 
trennung d. Omentum entleert sich Ji Eiter und Ascitesflüs¬ 
sigkeit. Der Tumor hühnereigross wurde von den Adhaesionen 
getrennt, Coecum nnd die Vereinigungsstelle d. ileum blosge- 
Fegt. Der Tumor bestand grösstentheifs ans Netz. Der Appen¬ 
dix fand sich in ein Stück gangraenösen Omentums einge¬ 
wickelt. Resectio omenti, excisio appendicis. Wunde zngenäht 
ohne Drain. Heilung nach 3 Wochen. Bis dato (Mai 92) gesund. 

IT. 18jähriger Jüngling. Erster Anfall Februar 1891. Opium- 
klysmata. Zweiter 1/IV: dritter 15. Juli. Der Anfall erfolgte am 
Abend. Den ganzen Tag hatte P. anf der Jagd zugebracht 
und darauf stark zu Abend gegessen. 2 Wochen darauf kein 
Tumor durchznftihlen. 4. Anfall 20/VIII. Behandlung mit Ab¬ 
führmitteln. 5. Anfall 18/IX; 6. 9/1 92. Operation 4/II 92. Ap¬ 
pendix leicht gefunden. Keine Adhaesionen, keine Entzündung, 
alles normal bis auf den verdickten und starren Appendix. 
Excision an der Basis. Appendix l h Zoll dick, gefüllt mit 
dunkelgrüner, eingedickter Flüssigkeit. Fremdkörper nicht 
gefunden. Chron. catarrhal. Appendicitis; Verdickung der Mn- 
cosa, in geringerem Grade d. Muscularis. Bis jetzt kein Re- 
cidiv. 

A. Worcester: The Treatment of A'ppendicitis. The 
Boston medical etc. Journal CXXVII. Nr. 5, pg. 101. 
1892. 

Die Behandlung der Appendicitis propria, des perityphliti- 
schen Abscesse u. d. allgemeinen Peritonitis ist im Wesent¬ 
lichen dieselbe d. h. eine operative. Letztere ist unangefochten 
beim perityphlitischeu Abscess. Der Abscess kann der vorderen 
Bauchwand adhaerent sein oder nicht. Adhaerenz abwarten ist 
nicht anzurathen, da unterdessen ein Durchbruch in die Bauch¬ 
höhle leicht zu Stande kommen kann. In den Fällen, wo wir 
durch die Peritonealhöhle dringen müssen, um zum Abscess zu 
gelangen, laufen wir nicht Gefahr zu inficiren, wenn wir 
Schwämme oder Jodoformgaze herumpacken und die Banch- 
wand fest, hinunterdrücken ehe wir den Abscess leeren und 
answasehen. Die Hauptgefahr liegt nach W. uicht in lnfection 
der Bauchhöhle während der Operation, sondern im ungenü¬ 
genden Draiuiren. Drainröhren allein sind Cast werthlos, asep¬ 
tische Gaze muss den Röhren entlang in die Abscesshöhle ge¬ 
leitet werden. Um die Abdominalwände nicht zu inficiren, ist 
es besser keine Naht anzulegen. — W. berichtet über 4 ad- 
haerente Abscesse. Alle genesen. Fall V. Nicht adhaerenter 
perityphlitischer Abscess. Operation. Genesung. Patient 35 J. 
alt, erkrankt 19. X 91. Am 24. X constatirt faustgrosser Tu¬ 
mor in der rechten fossa iliaca, scharf begrenzt, schmerzhaft. 
Incision 3 Zoll in der rechten linea semilunaris. Bei Eröff¬ 
nung d- r Bauchhöhle entleeren sich einige Unzen stinkenden 
Eiters. Eine e’gentliche Abscesshöhle nicht vorhanden, sondern 
eine Masse nekrotischen Gewebes, die in situ gelassen wird. 
5 Drainröhren werden in verschiedenen Richtungen eingelegt 
und Jodoformgaze zwischen den Röhren in die fossa iliaca d. 
gepackt. Abführmittel. Genesung nach 2 Monaten. Fall VI. 
Nicht adhaerenter perityphlitischer Abscess. Operation. Gene¬ 
sung. 8 Jahre alter Knabe. Eingetreten 5. IX. 1890. Erkrankt 
vor 2 Wochen. Dumpfer Percussionsschall, Empfindlichkeit 
und Resistenz in der rechten Lendengegend. Operation 6. IX. 
Verticale Incision 2 Zoll lang über der crista ilei an Stelle der 
grössten Resistenz. Eine Masse v. Hühnereigrösse kam zum 
Vorschein; Schwämme wurden herumgepackt und die Abdomi¬ 
nalwand auf die Schwämme hernntergearückt, so dass bei Er¬ 
öffnung des Abscesses der faulige Eiter nicht in die Perito¬ 
nealhöhle floss. Auswaschen. 2 Drains. Gesund nach 2 Woeben. 

VII. 76 jähriger Farmer, erkrankt 27. III 92. 3 IV. Ope¬ 
ration. Incision 3'/j Zoll in der rechten linea semilunaris über 
dem Tumor. Bei Eröffnung der Bauchhöhle floss trübe 
blutige Flüssigkeit. Die serosa d. vorliegenden Darmschlinge 
stark injicirt. Der Tumor eine verfilzte Masse am Beckenrande. 
Bei Untersuchung mit dem Finger platzte dieselbe, ehe Gaze 
herumgepackt worden war, so dass fauliger Eiter direct in 
die Bauchhöhle sich ergoss. Abscess- und Peritonealhöhle wer¬ 
den gründlich mit gekochtem Wasser ausgewaschen. Tampo¬ 
nade mit Jodoformgaze und Drainage. Genesung. 


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432 


Appendicitis propria bezeichnet W. als Entzündung- eines 
ganz werthlosen Organs. Grosse Tendenz zur Gangraeu. Die 
richtige Behandlnr.gsweise besteht in der Excision des Ap¬ 
pendix und zwar im Beginne der Erkrankung ehe Perforation 
oder sonstige Complication eintritt. Dann ist die Operation 
nicht schwierig, da keine Adhaesionen da sind, die das Auf- 
snehen des Appendix erschweren. 

VIII. Appendicitis. Allgemeine eitrige Peritonitis. Operation, 
Genesung. Erkrankt 7. IX 90. 24jähriger Mann. Schmerzen 
im Abdomen, hauptsächlich iin Hypogastrium in der Mittel¬ 
linie und in der linken Seite. Keine Dämpfung. Per rectum 
Beckenboden empfindlich, keine Hervorwölbung, keine Fluctu- 
ation. Operation 9. Oct. Incision 3 Zoll in der Medianlinie. 
Aus der Bauchhöhle entleert sich seropurulente Flüssigkeit. 
Appendix im Becken der hinteren Wand adhaerent. 2. Schnitt 
in der rechten Abdominalwand 2 Zoll lang, parallel dem liga- 
mentuin Poupartii. Entfernung des Appendix schwierig. Er 
ist 4V* Zoll lang, äussere */« gangraenös, noch nicht perforirt. 
Amputation */»" vom Coecum, dicker Eiter aus dem Becken 
und aus der Peritonealhöhle ausgewaschen. Drain im Becken. 
Genesung. 

IX. Appendicitis. Peritonitis purulenta. Operation, Tod. 35 
Jahre alter Patient erkrankt 25 Aug. 90. Frösteln n. Schmer¬ 
zen in der Nabelgegend. Am nächsten Tage sind die Schmerzen 
grösser, namentlich in der rechten Iliacalgegend. Kein Tu¬ 
mor. Abführmittel. Die Schmerzen steigern sich darauf bis 
zum Unerträglichen. Nächsten Morgen T° 102,5°. Puls 110. 
Emtns, Meteorismus. Am Nachmittag T° 96. Puls klein, 
schwach, kalter Schweiss, Erbrechen von dunkelbraunen 
Massen. Operirt pulslos, bei kalten Extremitäten aber voller 
Besinnung. Der Appendix fand sich gangränös. Im Abdomen 
frei jauchiger Eiter- Tod 3 Stunden nach der Operation. 

X. Appendicitis. Operation. Genesung. 6 Jahre alter Knabe* 
Erkrankt 10. Aug. 90. Schmerzen in der rechten Seite des 
Bauches. Erbrechen während der Nacht. Dämpfung n. Empfind¬ 
lichkeit rechts. Operation 50 Stunden nach der Erkrankung. 
T* 102. P. 120. Schnitt 27» Zoll parallel d. crista ilei 17* Zoll 
vom Bande entfernt. Peritoneum mit dem Coecum und Colon 
adhaerent. Nach Lösung der Adhaesionen mit dem Finger fand 
W. den Appendix unter (resp. hinter) dem Coecum, demselben 
fest adhaerent. Nach dem Gefühl zu nrtheilen war er gangrä 
nös und enthielt einige Concremente. Ans den Adhaesionen 
konnte nur die Spitze ausgelöst werden, er wurde daher in 
situ gelassen und ein perforirtes Drain daneben geleitet. Vom 
2. Tage an normale Temperatur. Aus der Wunde entleerte 
sich eine grosse Menge blutig-seröser Flüssigkeit. Zur Zeit der 
Operation war kein Eiter. Erst am 3. Tage p. o. zeigte sich 
eine kleine Menge übelriechenden Eiters. Am 6. Tage kam ein 
nnssgrosses Stück Koth zum Vorschein. Nach 3 Wochen Ge¬ 
nesung. 

XI. 21 jähriger Mann. Jüngste Attacke 30. Jan. 92. Schon 
früher mehrere Mal leichte Anfälle. Keine Dämpfung, kein 
Tumor. Meteorismns; T° 98. P. 108. Operirt 44 Stunden nach 
der Erkrankung. Bei Eröffnung der Bauchhöhle in der rechten 
linea semilunaris zeigt sich Eiter in der Bauchhöhle. Appendix 
2 Zoll lang. Perforation nahe der Basis. Amputation. Auswa- 
schen der Peritonealhöhle mit gekochtem Wasser. Glasdrain. 
Geheilt. 

XII. 21 jähriges Mädchen. Vor 12, 10 und 6 Monaten An¬ 
fälle von Appendicitis. Jetzt erkrankt 6. Jan. 91. Unbehagen, 
Schmerzen ini Leibe; am nächsten Tage Frost, grosse Schmer¬ 
zen namentl. rechts nnten. T° 100,6. P. 112. Keine Dämpfung 
in der Coecalgegend. Operirt 48 Stunden nach der Erkrankung. 
In der Narcose Starre der Banchdecken wie bisher, unbestimmte 
Resistenz rechts in der fossa iliaca. Peritoneum verdickt. Trü¬ 
bes Serum. Zur Medianlinie hin Alles frei und normal. An der 
äusseren Seite des Coecum zarte Adhaesionen welche leicht 
nachgeben. Appendix leicht gefunden, unten und aussen vom 
Coecum, umspült von stinkendem Eiter. Amputation, Ausspü¬ 
lung der Bauchhöhle. Drains in der fossa iliaca. Genesung 
trotz Complication; Eiterung der Banchwunde, Phlebitis des 
linken Beins. Ausgeschrieben 6 Wochen nach der Operation 


M. Richardson: Reraarks on the surgical treatment 
of Appendicitis. (Ibidem pag. 105). 


Acute Appendicitis 


Chronische » 
» » 
Chronische » 
Acute > 
> » 
» > 


Genesung ohne Operation 27 
» » » 4 

Tod » » 1 

Genesung nach Operation 6 
» > » 21 
Tod > » 13 

Keine Operation gewagt 9 
"81 


Summa 

Tod 

» 


Genesung ohne Operation 32 
» mit > 27 

nach Operation 13 

ohne * _9 

81 


Allg. Mortalität 29 pCt. Operirter 32,5 pCt.Bei acuter Ap¬ 
pendicitis 31—38 pCt. 

Die Mortalität wäre im Allgemeinen geringer, wenn früher 
operirt werdeu würde. Die Gefahren einer Explorativ-Laparo- 
toinie sind gering. Unstreitig giebt es aber Fälle, wo auch 
der wüthendste Operateur im Ernst die Entfernung der Ap- 

J iendix nicht auräth. Wichtig ist zu unterscheiden zwischen 
oealisirter und allgemeiner Peritonitis. Zeichen einer Perfo¬ 
rationsperitonitis sind plötzliche Teraperatursteigerung, rasende 
Schmerzen, Meteorismus. Paralyse aes Darms und Erbrechen. 
Hier ist die Operation einzige *Bettung. wenn auch meist zu 
spät. Im Allgemeinen sind die Ausgänge einer Appendicitis; 
1) leealisirte Peritonitis ohne Abscessbildung, 2) mit Abscess- 
bildung, 3) plötzliche Perforation ohne vorhergehende Stö¬ 
rungen. Im Falle snb 2 ist die Eröffnung des Abscesses die 
einzig richtige. Sich selbst überlassen perforiren sie manch¬ 
mal in andere Organe. Dann oder Blase, oder in die freie 
Bauchhöhle. Es giebt Fälle, die unter den schwersten Symp¬ 
tomen beginnen und dann glatt auch ohne Operation endigen, 
doch ist die Laparotomie immer vorznziehen, da man unmög¬ 
lich vorherwissen kann, ob der Fall in wenigen Stunden nicht 
in eine septische Peritonitis ansartet. 

Ellio t. M. D.: Appendicitis. Summary ofeases. (Ibidem, 

pg. 111). 

E. verfügt übei' 21 Fälle. 19 genasen. 2 starben. Im ersten 
Fall, der letal endete, fand sich der Appendix vollständig vom 
Coecum getrennt, ein Loch im Blinddarm d. den Finger dnreh- 
liess. Im 2. war schon allgemeine septische Peritonitis. Die 
früheste Operation war 40—45 Stunden nach der Erkrankung 
unternommen worden. Die T° giebt nach E. keinen Aufschluss 
über die Schwere des Falles. Hauptgewicht ist auf locale Symp¬ 
tome zu legen. Sind keine Erscheinungen acuter Sepsis da, 
so operirt E. nicht bis local was gefunden ist, Auftreibung 
des Bauches, Starrheit der Bauchdecken, Meteorismus oder 
Resistenz iu der fossa iliaca. Die Kothanhäufungen sind ans- 
zuschlie8sen. Wo grosse Abscesse sind braucht noch keine 
Dämpfung zu sein. Die Palpation ist das Wichtigste. Bei 
der Operation soll kein Abscess in die Bauchhöhle platzen, 
auch soll Eiter im Becken nicht übersehen werden. 

Erwähnenswerth sind folgende Fälle: Peritonitis purulenta, 
Excision der Appendix. Drainirung der Peritonealhöhle 40 
Stunden nach den ersten Schmerzen. Genesung. 6jähriger 
Knabe. Erkrankt 11. Juli. Operirt 13. Juli. Ebenso ein 18jäh¬ 
riges Mädchen mit allgemeiner Peritonitis, wo die Operation 
45 Stunden nach dem Anfalle gemacht wurde. Genesung. 
18jähriges Mädchen. Erkrankt vor 10 Tagen, T° 104. P. 130. 
Kräfteverfall. In extremis. Bei der Operation fand sich ein 
circnm8cripter Abscess. Genesung. Butz. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

Magnan: Psychiatrische Vorlesungen, Heft II u. III. 
Heber die Geistesstörungen der Entarteten. Deutsch 
von P. J. Möbius. Leipzig, Thieme 1892. 

Während das I. Heft dieser Vorlesungen hauptsächlich einer 
eng begrenzten Krankheitsform, dem delire chroniqUe V Pa¬ 
ranoia coinpleta, gewidmet war, umspannt der vorliegende 
Band in acht Abhandlungen von Magnan dessen Lehren über 
das weite Gebiet der geistigen Entartung. In einer überaus 
klar gefassten und an zutreffenden Behauptungen reichen 
Einleitung giebt Möbius eine kurze Uebersicht über Mag¬ 
na ns Lehre von den Geistesstörungen der Entarteten, ehe er 
dem Leser die Originalaufsätze des französischen Irrenarztes 
vorführt. Mit Recht nennt Möbius dieses Gebiet «einen der 
wichtigsten Theile der Menschenkunde überhaupt». Der Arzt, 
der Richter, der Pädagoge, oder «überhaupt der es mit wirk¬ 
lichen Menschen zu thun hat, bedarf der Kenntnisse hierüber*. 
«Denn die Entarteten sind nicht nur überaus zahlreich und 
ihre Zahl wächst immer mehr, sondern auch sie gelten zum 
grossen Theile nicht für krank und spielen gerade wegen der 
ihnen eigenen Art eine grosse Rolle in der Gesellschaft». Ent¬ 
artete sind die, die vermöge krankhafter Zustände ihrer Er¬ 
zeuger mit einem krankhaften Geisteszustände zur Welt kom¬ 
men. Derselbe krankhafte Zustand kann durch Schädlichkeiten, 
welche das Kind in utero und während der frühen Kindheit 
treffen erworben werden. In die Kategorie der «Entarteten» 
gehören also mehr Individuen, als die früher als «Heredita- 
rier» bezeichneten. Bei der Betrachtung der Entarteten (de- 
generes) unterscheidet Magnan dreierlei Zustände: 1) den dau¬ 
ernden Geisteszustand (etat mental» — 2) die hinzutretenden 
Zufälle (syndromes episodiques) und 3) das Irresein im en¬ 
geren Sinne (6tat delirant). Nach dem dauernden Zustande 
lassen sich die Entarteten in mehrere Stufen scheiden: man kann 
hier Idioten, lmbecille und Entartete geistiger Reife auseinan¬ 
der halten. Die Entartung bei geistiger Reife zeigt dauernd 


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eine Disharmonie der einzelnen geistigen Fälligkeiten, noben 
glänzenden Fähigkeiten finden sich intellectuelle oder morali¬ 
sche Lücken. Hierzu kommen nan die seelischen Stigmata der 
Entartung, die Zufälle oder Syndrome. Unter ihnen sind die 
Zwangsvorstellungen und Zwangshandlungen die wichtigsten. 
Aber auch eine Reihe, früher als Monomanie bezeichneter Zu¬ 
stände ist unter die S\ndtone der Entartung zu rechnen, so 
Dipsomanie, Kleptomanie, geschlechtliche Verkehrtheiten und 
vieles andeie. Bei dieseu Zufällen ist Krankheitseinsicht vor¬ 
handen. Diese fehlt bei der moral insanity, welche den Ueber- 

f ang zu den bei den Entarteten vorkommenden eigentlichen 
sychosen darstellt. Vorübergehende Delirien und länger¬ 
dauernde Störungen entwickeln sich bei ihnen leicht und tra¬ 
gen in, der Unregelmässigkeit des Verlaufs, in der bizarren 
Form des Wahns, in den unvermittelten Uebergängen beson¬ 
deren Charakter, der auf die Entartung hinweist. Rückfälle 
sind Behr häufig. 

Mag nan steht, indem er so die Lehre von der Entartung 
formulirt, durchaus auf den Schultern Anderer, die vor ihm 
über Heredität und nervöse Entartung arbeiteten. Es ist aber 
sein grosses Verdienst, das Zerstreute unter einheitlichen 
Gesichtspunkten zusammengefasst und besonders durch die 
Vereinigung der sog. Zufälle, Syndrome auf dem Boden der 
Entartung nene Ausblicke geschaffen zu haben. Vorzügliche 
Krankengeschichten und die anziehem.e Form der Darstel¬ 
lung, an der auch der Uebersetzer seinen Theil hat, werden 
diese Veröffentlichungen zu allgemeiner Kenntnissnahme brin¬ 
gen, ganz *abgesehen von der nohen Bedentung der hier ver¬ 
handelten Fragen an sich. Wer dieses Buch zur Hand nimmt, 
wird es sicher nicht ungelesen fortlegen. Mercklin 

Leuhuscher und Ziehen: Klinische Untersuchungen 
über die Salzsäureabscheidung des Magens bei 
Geisteskranken. Jena. Fischer 1892. 96 pag. 

Untersuchungen über die Magenverdaunng bei Geisteskran¬ 
ken waren bisher in nicht sehr grossem Umfange angestelli 
worden. Die Verf.. welche zunächst die jetzt üblichen Methoden 
der Untersuchung einer Kritik unterziehen, legen das Haupt¬ 
gewicht auf die quantitative Bestimmung der Salzsäure, die 
sie in mehr als 600 Analysen nach der Methode von Sjö- 
qvist (mit geringer Modification) bei den verschiedensten 
Psychosen und zu verschiedener Zeit bei den Einzelfällen 
anstellten. Ausserdem wurden die Übliche Aciditätsbestimmung, 
Farbstoffreactionen und Verdauungsproben ausgeführt, ln 
Bezug auf die einzelnen Krankheitsformen ist das Resultat der 
mühevollen Untersuchungen Folgendes: 

1. Bei Dementia paralytica und D. senilis besteht häufig 
Tendenz zu Hypochlorhydrie, die mit psychischem und soma¬ 
tischem Verfall der Kranken zunimmt. 

2. Auch bei angeborenem Schwachsinn (Imbecillität) und 
secundärer Demenz nach funktionellen Psychosen zeigt sich 
eine ähnliche, wenn auch schwächere Tendez zur Herabsetzung 
der Salzsäuresecretion. Bei anderen, functioneilen Psychosen 
waren die Ergebnisse schwankend. Dies gilt auch für die 
Melancholie, für welche v. Norden Hyperacidität als Regel 
constatirt hatte. Wie es scheint, giebt es unter den Geistes¬ 
kranken, vielleicht auch unter den Geistesgesnnden in grösserer 
Anzahl Individuen mit Schwankungen der Salzsäuresecretion 
mit einer sehr «labilen Chlorhydrie». In Bezug auf den Ein¬ 
fluss der Affecte ergab sich, dass Exaltation und Depression 
in gleichem Sinne und zwar in leichter Tendenz zur Erhö¬ 
hung dar Salzsäurewerthe wirken. Inhaltliche intellectuelle 
Störungen haben als solche keinen Einfluss, während intellec- 
tueller Defect (cf. oben) die Salzsänresecretiou herabzusetzen 
tendirt. Das motorische Verhalten der Kranken scheint auf 
die Salzsänresecretion keinen erheblichen Einflnss zu haben. 
In Bezug auf alle Einzelheiten verweisen wir auf die mit 
hervorragendem Fleiss ausgefülirte Arbeit. Mercklin 


Auszug aus den Protokollen 
des deutschen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. 

Sitzungen vom 13. April und 4. Mai 1892. 

1. Dr. Ambnrger verliest eine Abhandlung «UeberAthem- 
pausen». (Gedruckt in Nr. 24 dieser Wochenschrift 1892). 

Physiologischer, sowie pathologischer Stillstand des Ath- 
mens sind dem Verständniss näher gerückt durch die Ent¬ 
deckung von mehrfachen Centren der Respiration, namentlich 
dnrch das von Unverricht in der Hirnrinde gefundene und 
von Preobrashenski bestätigte Hemmungscentrum. Unter 
den graduell verschiedenen pathologischen Formen der Athem- 
pausen beansprucht, durch die Regelmässigkeit der Erschei¬ 
nungsform, das grösste Interesse das s. g. Respirationsphäno¬ 
men von Chevne-Stokes. Dr. Ambnrger ist der Ansicht, 
dass lediglich das langsame Anwachsen der' Blutreize (O-mangel) 
während der Athen)pause der Grund für das charakteristische 


Anwachsen der aufsteigenden fiespirationsphase ist, besonders 
da das Bewusstsein der Kranken fast immer aufgehoben oder 
benommen zu sein pflegt während und kurz nach dem Athem- 
stillstand. Die allgemein gangbare Erklärung der Cheyne- 
S t o k e suchen Respirationsform durch hochgradige Herabsetzung 
der Erregbarkeit des Respirationscentrums scheint nicht nur 
entbehrlich, sondern ist für die meisten klinischen Bilder nicht 
einleuchtend; dagegen spricht das Ausbleiben der Erschei¬ 
nung bei progress ver Lähmung der Hirnganglien bei Er¬ 
schöpfung, bei der Agonie, dagegen anch der auffällig nega¬ 
tive Befund bei Erkrankungen der Hirntbeile, die die Athera- 
centra enthalten. Es scheint somit Dr. Ambnrger, dass die 
Clieyne' Stokes’sehe Athemform so wie alle verwandten 
Arten periodischen Atlienistillstandes als Fnnctionsstömng 
durch Anomalie der Blutreize und durch die jetzigen Kennt¬ 
nisse über den Sitz der Athemoentra genügende Erklärung 
finden können. 

Dr. Moritz ist nicht der Ansicht, dass der Omangel allein 
zur Eutstehung des C h ey n e-S tok es! sehen Phänomens 
genüge. So könnten bei dem Lufthunger der Cardialgischen 
eigentlich keine Athempausen wahrgenommen werden; des¬ 
gleichen finde man bei Zuständen, welche direct Hypercarbo- 
nisation des Blutes veranlassen, wie Herzfehler etc., und wo 
die Patienten oft hochgradig cyanotisch sind, dies Phänomen 
nicht. Dagegen spräche Vieles füi eine directe Einwirkung 
auf die Hirncentra: so das häufige Vorkommen des C h e y n e- 
Stokes’ sehen Phänomens bei Apoplektikern; sogar in Fäl¬ 
len, wo die Apoplexie in 12 Stunden zum Tode führte, war 
dies Phänomen anfangs auch vorhanden, schwand jedoch stets 
vor dem Tode. 

Dr. A 8 s m u th hat 3 Fälle von Cheyne-Stokes’ sehen 
Respirationsphänomen vom Anbeginn desselben bis znm Tode 
der Patienten beobachtet, in welchen keine Hirnerkrankung 
vorlag. Ein Fall betraf einen Leberkrebs, ein anderer ein Epi¬ 
theliom der Harnblase. In letzterem Falle traten etwa 2*/* 
Wochen vor dem Tode längere Athempausen ein, die erst 
nach einigen Tagen zn ausgesprochenem Cheyne-Stokes- 
schem Athmen übergingen. Letzteres dauerte etwa eine Woche 
und ging dann anf einen Tag in rhytmische einmalige sehr 
tiefe Inspirationen über ohne anschwellende und abschwel¬ 
lende Inspiration, danerte also gleichfalls nicht bis znm Tode. 

Dr. Kernig hat in Gemeinschaft mit Dr. v. L i n g e n 
eine herzkranke Dame in Beobachtung, die an heftiger Dyspnoe 
leidet und eine VWhe lang auch deutlich ausgesprochenes 
Cheyne-Stokes’ sches Athmen darbot, welches jedoch 
jetzt bei Weiterbestehen der Dyspnoe seit mehreren Monaten 
geschwunden ist. Dabei kann das Bewusstsein vollkommen er¬ 
halten bleiben, wie in diesem Falle. Diese Erscheinung trat 
hauptsächlich hervor, wenn Patientin behufs Anscultation auf¬ 
gesetzt wurde. Andeutungen von Hydrops und Leberschwellnng, 
die früher bestanden hatten,sind jetzt gleichfalls geschwunden. 
Dr. K. ist der Ansicht, dass bei Herzkranken das Cheyne- 
Stokes’ sehe Phänomen nicht selten, gewöhnlich aber ein 
Vorbote des bald eintretenden Todes sei. 

Dr. Moritz kann nur einen quantitativen Unterschied 
zwischen dem C h e y n e - S t o k e s’ sehen Respirationsphä¬ 
nomen und der gewöhnlichen Dyspnoe der Herzkranken con- 
Btatiren; jedenfalls gäbe es viele Uebergangsstnfen zwischen 
der gewöhnlichen Dyspnoe und dem besprochenen Phänomen 
und hat er letzteres noch vor Kurzem bei einem 4 wöchent¬ 
lichen Kinde gesehen, welches an Schnupfen und Bronchial¬ 
katarrh litt, dabei asphyktisch wurde, worauf sich dann nach 
einer Athempause eine Reihe von tieferen Athemzügen eiu- 
stellte, denen wieder eine Atherapanse folgte. Allmählfg, etwa 
nach 24-8tündigem Verlaufe, ging dieser Zustand wieder in 
den normalen über. 

Dr. Amburger spricht sich gleichfalls dahin aus, dass 
dieses Phänomen nichts so Appartes sei, sondern Uebergänge 
bis znr gewöhnlichen Dyspnoe vorkämen. Auch könne man 
nicht sagen, dass dasselbe einer bestimmten Kategorie von 
Erkrankungen eigenthtiralick sei, etwa Hirn- oder Herzkrank¬ 
heiten allein, sondern müsse eine gemeinsame Ursache finden, 
als welche er Anomalie der Blutreize und Mangel des Bewusst¬ 
seins anspricht. 

Dr. Ass m u t h bestätigt Letzteres, indem das Phänomen 
bei Herzkranken hauptsächlich dann anftreten soll, wenn die¬ 
selben sich bei halbem Bewusstsein befinden, z. B. infolge von 
Morphinismus. 

2. Dr. Moritz tbeilt einen im deutschen Alexander-Hospilal 
für Männer durch Trepanation geheilten Fall von Eigrossem 
Gehirnabscess ira linken Temporallappen mit, wobei die fast 
ganz erloschene Sprech- und Schreibtähigkeit sich im Laufe 
der Zeit bedeutend gebessert hat. (Der Fall wird in extenso 
veröffentlicht werden). 

3. Dr. Schröder theilt folgenden seltenen Fall von gehemm¬ 
ter Leitung im Centralnervensystem mit: Es handelt sich um 
einen Mann von 23 Jahren aus der besten Gesellschaft, welcher 
sein Offleiersexamen bestanden hat, tüchtiger Tänzer and Reiter 


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ist, ein vollkommen scharfes Sehen und gleiche Farbenemptin- 
dung besitzt, keinen Gesichtsfelddefect darbietet und auch 
keine Augenschwäche aufweist, mit einem Worte körperlich 
und geistig vollständig normal entwickelt ist. Jedoch schon 
seit seiner Schulzeit war es sehr schwer gewesen, ihm das 
Lesen beiznbringen. Infolge dessen kann er auch jetzt nur 
sehr langsam schreiben und lesen und ist z. B. gar nicht im 
Stande etwa« vorznlesen, sondern hat alle seine Kenntnisse 
nur durch mündlichen Unterricht sich angeeignet. Er ist sonst 
ein sehr fleissiger Schüler gewesen und auch jetzt noch sehr 
wissbegierig. Dr. Schröder erklärt sich den Fall durch eine 
gehemmte Leitung fiir Schriftzeichen zwischen dem Auge und 
dem Vorstellungsvermögen, den Ideencentren. 

D. z. Director: Dr. v. Lin gen. 

Secretär: Dr. Jalan de la Croix. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Taube (Leipzig) hat 10% ige Pyoktaninlösung mit sehr 
günstigen Erfolgen gegen Diphtherie, Söor und Tonsillitis an¬ 
gewandt. Bakteriologisch ergab sich der interessante Befund, 
dass die Bacillen durch das Pyoktanin nicht zum Absterben 
gebracht werden; seine günstige Wirkung besteht darin, dass 
es das gesunde Gewebe schützt und eine schnellere Abstossung 
der Membranen bewirkt. Verf. behandelt die Diphtherie folgen- 
. dermassen: das Kind erhält zuerst einen Theelöffel Natron bi- 
carbonic. in einen Esslöffel Wasser eingerührt, fünf Minuten 
darauf werden der Zungengrund, die Tonsillen und Rachen¬ 
wand tüchtig mit 10° oiger Pyoktaninlösung gepinselt. Ge¬ 
wöhnlich tritt dabei eine starke Würgbewegnng ein, welche 
günstig ist, da dadurch das Mittel in die Tiefe der Tonsillen 
eindringt. Die Pinselung wird 2 mal täglich ausgeführt, später 
nur einmal täglich. Bei septischen Scharlachdiphtherien werden 
die Pinselungen häufiger verordnet. Die Resultate dieser Be¬ 
handlungsmethode waren sehr erfreuliche. 

(Deutsche medic. Wochsch. Nr. 38). 

— Macpherson stellte in der med. chir. Gesellschaft zu 
Edinburgh am 2. März eine Patientin vor, der mit gutem Er¬ 
folg die Implantation der Thyroidea eines Schafes 
wegen Myxoedem gemacht worden war. Sie wurde im J. 
1890 ins Hospital aufgenommen mit Myxoedem: war melancho¬ 
lisch und stumpf; sehr blutarm: hatte Menorrhagie, subnormale 
Temperatur (36,1 C.) und herabgesetzte Urinsecretion (29 Un¬ 
zen pro die). Ihr wurde unter jede Mamma ein Stück der unter 
antiseptischen Cantelen einem eben geschlachteten Schafe ent¬ 
nommenen Thyroidea implantirt; Heilung per secundam. Tem- 

J eratur stieg auf 37,1; Pat. wurde gesprächig und lebhaft- 
ie Wahnvorstellungen schwanden; die Haut wurde glatt und 
die Urinmenge nahm zn; es schwanden also alle wesentlichen 
Symptome des Myxoedems. (Medic. Press. 16. März 1892). 

— Smith (Detroit) giebt folgende Methode zur Besei¬ 
tigung der Trichiasis und Distichiasis au: Nach Anle¬ 
gung des Lidklemmers wird mit dem Baer’schen Messer, wie bei 
der Jaesche-Arlt’schen Operation, am freien Lidrande inci- 
dirt, aber zwischen den normalen und den deviirten Cilien 
und die Spaltung des Hautlappens vom Knorpel bis zu den 
Wurzeln der Cilien hinauf fortgesetzt. Nach Stillung der Blu¬ 
tung werden die (den deviirten Cilien angehörigen) auf dem 
Knorpel zurückgebliebenen Haarbälge durch leichtes Berühren 
mit dem Thermokauter zerstört. Sind einige deviirte Cilien 
am Hantlappen geblieben, so werden ihreWurzelu in gleicher 
Weise zerstört. Sublimatverband. Nach 24 Stunden fallen die 
canteri8irten Cilien ans oder werden leicht ausgezogen. Hei¬ 
lung oft per primam. Die Tarsaldrüsen sind zu schonen. 

(The Satellite. October 1892). 

— Professor Schulz empfiehlt in der «Deutschen medic. 
Wochenschr. Nr. 36 2 Mittel gegen Cholera: 1, Veratrin. 
Dieses Alkaloid ist bereits von Markbreiter 1856 mit gutem 
Erfolge angewandt worden und zwar in der Form von:Tinct. 
veratri gntt. nnam, Aquae destillat 30,0 7*-1 stündlich einen 
Kaffelöfrel voll. Bloedan (1884) verordnete Veratrini 0,005, Spir. 
dilut. Aquae destillat »» 50,0 % stündlich 1 Esslöffel. Das 
Mittel ist nach Schulz namentlich in den Anfangsstadien der 
Cholera indicirt, wo starkes Erbrechen, Durchfälle und Mus¬ 
kelkrämpfe bestehen. 2. Arsen. Bereits 1890—1891 wurde das 
arsenigsaure Kupfer von Schulz gegen hartnäckige Diarrhoe 
empfohlen. Die Verbindung ist jedoch schwer löslich. Verf. 
schlägt daher folgende Formel vor. Acidi arsenicosi 0.0005, 
Aq. destillat. 200,0 theelöffel weise oder Solutionis Fowleri 
0,05 : 200,0 theelöffelweise. 


Vermischtes. 

— Der V. Congress russischer Aerzte, welcher im Mai 
1893 gleichzeitig mit der hygienischen Ausstellung stattfinden 


sollte, ißt auf den December 1893 verschoben worden 
Das Organisationscomitö des Congresses hafte zwar anfangs 
beschlossen, in Anbetracht der Befürchtung des Wiederauf¬ 
tauchens der Cholera im Frühjahr 1893, den Congress im De¬ 
cember dieses Jahres zu berufen, sah sich aber genöthigt, 
diesen Beschluss abznändern, da die Mehrzahl der Sections- 
Leiter es für unmöglich erklärte, in zwei Monaten die nöthigen 
Vorbereitungen treffen zu können. 

— Vom Medicinaldepartement wird bekannt gemacht, dass 
der Minister des fnnern es für zweckentsprechend erachtet 
habe, behufs Prüfung der in verschiedenen Gegenden des 
Reichs gegen die Choleraepidemie getroffenen Maassregeln und 
Feststellung eines zweckmässigen Planes zur Bekämpfung der 
im Frühjahr etwa wieder auftauchenden Seuche, zum 13. De¬ 
cember d. J. einen Congress von Aerzten aus den von der 
Cholera heimgesuchten Gouvernements einzuberufen. Es sollen 
nach Auswahl der höhern örtlichen Administration aus jedem 
von der Cholera ergriffenem Gouvernement 1 oder 2 Aerzte, 
welche während der Epidemie thätig gewesen und auch mit 
den örtlichen Bedingungen und Bedürfnissen vertraut sind, 
zum Congress nach St. Petersburg delegirt werden. Die ab- 
delegirten Aerzte erhalten während ihres Aufenthalts in 
St. Petersburg, der auf 5—7 Tage bemessen ist, 5 Rbl täglich 
Diäten und das Recht zu freier Fahrt auf den Eisenbahnen 
nach Petersburg und zurück. Das Programm für die Arbeiten 
des Congresses ist im Regierungsanzeiger bereits veröffentlicht 
woi den. 

Gleichzeitig ersucht das Medicinaldepartement diejenigen 
Aerzte, welche über Beobachtungen und Materialien bezüglich 
der letzten Choleraepidemie verfügen, solche, in welcher Form 
es auch sein möge, baldmöglichst dem Medicinaldepartement 
zukommen zu lassen, und zwar auf den Namen des Directors 
des Medicinaldepartements. 

— /um Präsidenten der Gesellschaft Kiew'scher 
Aerzte ist der Professor der patnol. Anatomie, Dr. G. Münch, 
gewählt worden. 

Am 24. November vollenden sich 40 Jahre der ärzt¬ 
lichen und wissenschaftlichen Tliätigkeit des Profes¬ 
sors der Chirurgie an der .Moskauer Universität, Dr. J. No- 
wazki. N. ist zugleich Oberarzt des Moskauer Cathariuen- 
Hospitals, in welchem er die chirurgische Klinik leitet. 

— Am 22. November wird in Jalta das 25jährige Jubi¬ 
läum der Tliätigkeit des bekannten Arztes Dr. W. N. 
Draitrijew an diesem Orte festlich begangen werden. Dr. 
Dmitrijew hat sich grosse Verdienste um diesen wichtigen 
Curort Russlands erworben und viel zur Hebung desselben 
beigetragen. Seit einer Reihe von Jahren hat derselbe dort 
nicht allein als Arzt gewirkt, sondern nebenbei auch die 
Functionen eines Präsidenten der Sanitätscommission, der 
Jaltaschen Abtheilung der Gesellschaft zur Wahrung der 
Volksgesundheit, des Friedensrichterpleuums, eines Dumadepu- 
tirten n. s. w. ausgeübt. Zur Kenntniss des Curorts hat er 
durch zahlreiche Schriften, wie «Die Traubencur in Jalta» 
(3 Auflagen); «Die Badecur in Jalta»; «Die klimatischen Be¬ 
dingungen des Südufers der Krim» und andere beigetragen. 
Dr. Dmitrijew r steht gegenwärtig im 53. Lebensjahre. 

— Verstorben: 1) Ara 4. November in Moskau der Pro¬ 
fessor emeritus der dortigen Universität, Dr. M. P. Mans- 
surow, welcher seit 30 Jahren an derselben den Lehrstuhl 
für Hautkrankheiten und Syphilis bekleidete. Nach Absolvi- 
rung des Cursus an der Moskauer Universität hielt sich M. 

2 Jahre behufs weiterer Vervollkommnung im Auslände auf 
und wurde nach seiner Rückkehr in die Heimath als Ordi- 
nator der syphilitischen Abtheilung des Arbeiterhospitals in 
Moskau angestellt. Im Jahre 1863 habilitirte er sich als 
Privat- Docent an der Moskauer Universität, wurde 1884 zum 
Docenten, bald darauf zum ausserordentlichen Professor und 
im Anfang d. J. zum ordentlichen Professor ernannt. Der 
Hingeschiedene ist auch vielfach literarisch thätig gewesen. 

2) Am 28. October in Moskau der Consultant der dortigen 
Anstalten der Kaiserin Maria, wirkl. Staatsrath Dr,Münder. 

3) In St. Petersburg am 30. October der Polizei- und Sani- 
tätsarzt von Wassili-Ostrow, W. J. Fedotow, im 59. Lebens¬ 
jahre. 4) Der Oberarzt des Kaschira’schen Inf. Reg., S. D. 
Ablezow, im Alter von 43 Jahren. 5) Am 7. November in 
Batum der Stadtaizt und Oberarzt des dortigen städtischen 
Hospitals Dr. Theodor Scheffer. Die Beerdigungskosten 
hat die Stadt übernommen. 6) In Brüssel der Professor der 
Kinderheilkunde an der dortigen Universität, Dr. Henriette 
7) In Kopenhagen am 22. November n. St. der bekannte Chi¬ 
rurg Prof. Axel Iversen. 

— Unser Landsmunn, der Professor der Pharmakologie 
Dr. Woldemar v. Schröder in Heidelberg, ist auf der in 
der vorigen Woche abgehaltenen Festsitzung der Münchener 
Akademie der Wissenschaften zum correspondirenden Mitgliede 
dieser Akademie gewählt worden. 

— Der bekannte Leipziger Zoolog, Prof. Dr. Rudolf 
Leuckart, welchem die Wissenschaft unter Anderem auch 

werthvolle Beiträge zur Lehre dev Parasiten der Menschen 
und der Thiere verdanktest von der Kasan'sch’en Univer¬ 
sität zum Ebrenmitgliede §;ew'ählt worden. 


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XVII. 


JAHRGANG. 


ST. PETERSBURGER 


Neue Folge IX. Jahrg. 


MEDICINISCQB 



unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. 

Dorpat. 


Dr. Johannes Krannhals. 

Riga. 


Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medieinische Wochenschrift* erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abounementspreis ist in Russland. 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Postzustellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 36 Pfenn.—Den 
Antoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zngesaudt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


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bittet mau ausschliesslich an die Buchhandlung von Carl Ucker in 
St. Petersburg, Newsky-Prospect H 14, zu richten.— JKanuscripte 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. Rudolf Wanaoh in St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect H 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich von 1—2 Uhr Nachm. 


n 47 


St. Petersburg, 21. November (3. December) 


1892 


Inhalt: E. Anders: Castration eines durch Torsion nekrotischen Leistenliodens. — H. Büttner: Polizeiärztliche 
Untersuchungen über das Vorkommen von Gonokokken im weiblichen Genitalsecret. — Referate: Kohlstock: Ueber sub- 
cntane und rectale Anwendung von Abführmitteln. — 0. Heubner: Ueber die scorbntartige Erkrankung rachitischer Säug¬ 
linge. — Pott (Halle): Ueber Thymusdrüsenhyperplasie nnd die dadurch bedingte Lebensgefahr. — Bücheranzeigen und 
Besprechungen: Rudolf Virchow: Die Sections-Technik. — Hirschberg: Einführung in die Augenheilkunde. — Auszug 
ans den Protokollen des deutschen ärztl. Vereins zn St. Petersburg. — Protokolle des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte. - Kleinere Mittheilungen und therapeutisch« Notizen. — Vermisshtes. — Vacanzen. — 
Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Castration eines durch Torsion nekrotischen 
Leistenhodons. 

Von 

Dr. E. Anders. 


Sicher beobachtete Fälle von Hodentorsion gehören zu 
den grössten Seltenheiten. 

In Nr. 25 der deutschen medicinischen Wochenschrift 
theilt uns Dr. Edward v. Meyer einen Fall von 
Torsion des Samenstranges mit Erhaltung des zurück- 
gedrehten Hodens ans der Heidelberger chirurgischen 
Universitätsklinik mit. Im 31. Bande des Langenbeck’- 
schen Archivs beschreibt Nicoladoni 2 Fälle, in 
denen es sich bei einem Leisten- und einem Scrotalhoden 
um Drehungen von 180° und 360° handelte. Bei der 
mehrere Tage bestehenden Torsion wurde in beiden 
Fällen die Castration des gangränösen Hodens ausgeführt 
Ein 4. Fall wurde von Dr. C a h e n ans der Greifswalder 
Klinik im 30. Bande der deutschen Zeitschrift für Chi¬ 
rurgie berichtet; bei den bestehenden Incarcerations- 
erscheinnngen am 7. Tage wird incidirt, ein spiralig 
aufgewundener Samenstrang mit daran hängendem nekro¬ 
tischem Hoden gefunden und castrirt Der Verlauf in 
allen 4 angeführten Fällen war ein günstiger. Diesem 
4. Falle füge ich in Folgendem einen 6. hinzu: 

Am 10. Februar 1892 wurde ich zu einem 13jährigen 
Knaben angeblich wegen incarcerirter Hernie gerufen. In der 
That stellte sich eine pralle Geschwulst in der linken Ingui¬ 
nalgegend dar, die als incarcerirte Hernie auf den ersten 
Blick imponiren konnte. Ich nnterliess Repositionsversuche 
und ordnete die Ueberfühmng des schwer leidenden Knaben 
ins Alexander-Männerhospital an, um dort das Weitere zn 
entscheiden. Auch in der Narkose wurden Repositionsversnche 
unterlassen, da linksseitiger Kryptorchismus zu constatiren 
war und somit an einen incarcerirten Hoden gedacht werden 
musste. Ich schritt sogleich zor Operation. Nach einem über 
die Leistengeschwulst gemachten Hautschnitte präsentirt sich 
sehr bald eine mit Flüssigkeit gefüllte längliche, einer Fisch¬ 
blase nicht unähnliche Geschwulst von 8—10 Ctm. Länge, in 
der Richtung des Leistenkanals. Beim weiteren Freilegen der 
Geschwulst Bisst sich dieselbe breitstielig in einen rigiden 


Ring sich fortsetzend verfolgen. Bfeiro Umtasten des genannten 
Ringes konnte das Heraussickern=klarer Flüssigkeit aus der 
Geschwulst constatirt werden. Dieselbe für Bruchwasser zu 
halten wa* nach dem Mitgetheilten kaum möglich. Es durfte 
nicht mehi gezweifelt werden, dass es sich um Hydrocelen- 
Flflssigkeii handelte. Ich discidirte die Geschwulst. Nun prä- 
sentirte sich in der Tiefe des Sackes eine hämorrhagisch 
gestauty «schwulst, kirschroth bis bläulich schwarz, die, wie 
die Palpation ergab, aus dem LeisteBormge- nar -zum.- Theil 
hervorsah und von demselben fest umklammert wurde. Das 
bisher Mitgetheilte nicht im Auge habend, hätte dem Bilde 
nach an einen gangränös incarcerirten Darm gedacht werden 
können. Nach Incision in den Leistenring lässt sich der gan- 
gränescirende Hoden und Nebenhoden entwickeln. Zugleich 
bietet sich ein Anblick, der zu den .seltensten Vorkommnissen 

G ehört: Der torquirte, jetzt aus seiner Einklemmung befreite 
'estikel dreht sich spoutan los und macht eine fast selb¬ 
ständige 1'/» malige Umdrehung. Es handelte sich somit um 
Torsion eines Leistenhodens. In dem Zustande, in welchem sich 
der torquirte Hoden und Nebenhoden befanden, konnte derselbe 
nur entfernt werden, waR anch geschah. Ich exstirpirte ferner 
die durch Hydrocelenflüssigkeit ausgedehnte tunica vag. propr. 
nnd schloss die Wunde durch tiefe und oberflächliche Nähte. 
Aus der Narkose erwacht, war Patient schmerzfrei. Auch 
traten fernerhin keine Beschwerden irgend welcher Art auf. 
Der Verlauf war prima intentio nud afebril. Vou Interesse 
ist noch, dass Patient wegen der präsumirten Hernie 5 Jahre 
lang ein Bruchband getragen hatte, an welches er sich schliess¬ 
lich so gewöhnt, dass er sich von demselben bis zum Beginn 
der Operation nicht trennen wollte. 

Greifen wir etwas zurück, so Anden wir mehrfach Mit¬ 
theilungen ähnlicher Falle, in welchen ein aetiologisches 
Moment nicht ernirt wurde. 

Miflet’s experimentelle Studien an Hunden über 
Hodennekrose, mit Nachweis von Infarcirung und Nekro- 
tisirung der Testikel, gingen dahin, für die ursächlichen 
Momente Anhaltspunkte zn gewinnen. Der Art. sperma- 
tica wird die Bedeutung einer Endarterie im Cohnheim- 
sehen Sinne zugeschrieben, die Infarcirung auf embo- 
lischem Wege oder durch pathologische Processe ange¬ 
nommen. 

Kocher beschränkt diese Auffassung auf den Hunde¬ 
hoden und fasst die Art. deferentialis vorherrschend als 
Vermittlerin des Kreislaufes auf. Hieran schliessen sich 
klinische Beobachtungen. 


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43 8 


In einem Volkmann’schen Falle kam es bei 
einem 15 jährigen Knaben zur spontanen Ausstossung des 
gangränösen Hodens; doch blieb ein causales Moment der 
Infarcirung dunkel. In einem andern analogen Falle auf 
derselben Klinik wurde Quetschthrombose oder Abreissung 
der Art. spermat. interna angenommen. Auf der Mas s’- 
schen Klinik wird an'einem nekrotischen Hoden eine 
Thrombose der Art. sperm. int. an der TheilungssteJle 
am Corpus Highmori constatirt (Niemann). 

In den 3 letzten angeführten Fällen war der Neben¬ 
hoden intact. Scarenzio eiStir'pirte einen violet 
verfärbten Leistenhoden, der die Erscheinungen der 
Incarceration bot, wonach rasche Heilung erfolgte. 
Schwankte man vielfach in der Auffassung solcher 
und ähnlicher Fälle, so ist sicherlich durch die Ni¬ 
co 1 a d o n i ’ sehen Mittheilungen für eine Reihe von 
Fällen, für welche auch der von mir operirte Fall be¬ 
weisend ist, Klarheit gewonnen worden. N i c o 1 a d o n i 
findet im Kryptorchismus ein wesentliches ätiologisches 
Moment für die Torsion des Samenstranges. Hier werde 
ein Mangel des Mesorchiums, ein Fehlen der knappen 
Fixation des Hodens durch das zu lange Mesorchium 
beobachtet. So komme eine abnorme Beweglichkeit des 
Samenstranges mit dem ansitzenden Hoden zu Stande. 
Die Torsion werde somit bedingt durch die bestehende 
oder früher bestanden habende retentio testis. 

N i c o 1 a d o n i und Kocher sehen eine weitere Tor¬ 
sionsmöglichkeit in der Trennung des Gefäss- und Defe- 
rensstranges beim Leistenhoden; die verschiedene Inser¬ 
tion derselben gestatte eine ausgiebigere Drehung. 

Besonderes Interesse bietet uns der von Meyer mit- 
getheilte, von Czerny operirte Fall, in welchem es bei 
einem 18 jährigen jungen Manne nach 24stündiger Tor¬ 
sion gelang, den geschwollenen hämorrhagisch aussehenden 
rechten Hoden durch 1'/* maliges Umdrehen von links 
nach rechts zu erhalten. Der linke Hoden war atrophisJh, 
um so wesentlicher die Erhaltung des rechten. 

Es handelte sich wohl um einen verspäteten Descensus. 
Allerdings zweifelt der Autor an der Functionsfähigkeit 
des so erhaltenen Hodens; der Hode sei wohl aseptisch 
eingeheilt es kam zur einfachen Nekrobiose, d. h. er 
wurde in eine vascularisirte Narbe verwandelt, die vor¬ 
aussichtlich kein functionsfähiges Drüsengewebe enthält. 
Ob Gefässlumina wieder nach der Aufdrehung durch¬ 
gängig geworden, ob überhaupt schon Thrombosirungen 
erfolgt waren, ist nicht zu bestimmen. Offenbar ist der 
Hoden narbig geschrumpft uni wieder vascularisirt 
worden. 

Wir haben hier also einen Beweis am Menschen zu 
dem bekannten Thierexperiment von Chauveau, welcher 
bei subcutaner Torsion des Samenstranges bei Widdern 
nur dann Gangrän eintreten sah, wenn er Fäulnisskeime 
in’s Blut brachte, während im entgegengesetzten Falle 
Nekrobiose eintrat. 

Aus dem Mitgetheilten geht mit dringender Klar¬ 
heit hervor, wie rasch wir in solchen Fällen einzugreifen 
haben, wie wir erhaltend, bei frühzeitigem Yerlahren 
unter günstigen Bedingungen vielleicht vollkommen 
restituirend im Stande sind vorzugehen. Leider war in 
meinem Falle an ein Conserviren bei schon entwickelter 
Nekrose nicht zu denken. Die lncarcerationssymptome 
hatten seit 3 Tagen bestanden, auch musste angenommen 
werden, dass sich die Torsion nicht plötzlich vollzogen 
hatte, da schon kurze Zeit früher Schmerzhaftigkeit 
bestand. Indessen vollzieht sich ein verspäteter Descensus 
in vielen Fällen vollkommen glücklich, oft aber unter 
allen möglichen Leiden und Beschwerden. So hatte ich 
im verflossenen Jahre Gelegenheit einen lu jährigen 
Knaben zu beobachtender wiederholt an heftigen Schmerzen 
in seinem linken Leistenhoden litl. Die Beschwerden hatten 
einmal einen Grad erreicht, welcher eine lncision nahe¬ 
legte. Sie gaben sich indessen und der Hoden war in 


! Jahresfrist zwar hochstehend, aber im scrottwr nach¬ 
weisbar. Sicherlich spricht aber der Fall aus der Heidel¬ 
berger Klinik dafür, die Indication für eine frühzeitige 
lncision möglichst zu erweitern, da der Eingriff in keiner 
Weise zu scheuen sein dürfte. Wir würden durch eine 
solche sicher häufig genug Gelegenheit haben, durch 
passende Umlagerung des Hodens bleibenden Nutzen zu 
bringen. Da es sich in einer Reihe von Fällen, vielleicht 
in einer grösseren Zahl als wir eben bei den wenigen 
vorliegenden Beobachtungen vermutben, bei incarcerirten 
Leistenhoden iim Torsion des Sftmeüstrajiges handelt, 
wird es in manchen Fällen gelingen, den zurechtge- 
, drehten Testikel in das Scrotum zu legen. Dass dieses 
.Jiaufig nicht gelingt, sagt uns die Erfahrung. Das letzte 
wozu aber dann zu greifen wäre, ist die Reposition in 
die Bauchhöhle. Bei dem zweifelhaften Schicksal des 
schon gestauten Hodens ist dieselbe verwerflich. Der 
Meyer’sche Fall giebt uns nnn weiter eine Beobachtung 
an die Hand, welche geeignet ist, eine nothwendig gewor¬ 
dene Entfernung eines Hodens um so weniger zu scheuen, , 
als in seinem mitgetheilten Falle der linke bei dem Be¬ 
stehen eines verspäteten Descensus bisher atrophische 
Hoden nach Ablauf eines viertel Jahres als hypertrophisch 
constatirt wurde, ein Verhalten mit dem die Experimente 
Ribbert’s correspondiren, der nachgewiesen hat, dass 
eine compensatorische Hypertrophie der Geschlechtsdrüsen 
bei Fehlen oder Atrophie des einen Organes vorkomrat, 
und dass dieselbe auf hyperplastische Vorgänge zurück- 
zuführen ist. Ein etwas eigenthümliches Verhalten meines 
Falles besteht in dem Umstande, dass der nekrotische 
Hoden in einem prallgefüllten Hydrocelensack gelagert 
war, und eine so intensive Torsion erfahren hatte, dass 
er sich, aus seiner Einklemmung gelöst, selbständig 
losdrehte. Wie weit dabei das Tragen eines Bruchbandes 
zu beschuldigen ist, bleibt dahingestellt. 


Polizeiärztliche Untersuchungen Uber das Vor¬ 
kommen von Gonokokken im weiblichen Genital- 

secret. 

Von 

Dr. med. H. Büttner 
in Dorpat. 

Nach den Arbeiten von Neisser, Bumm, Bock¬ 
hart, Weiander u. A. wird der Gonococcus — 
Neisser heute wohl allgemein als der specifische In- 
fectiousträger der Gonorrhoe angosehen werden. Wäh¬ 
rend vor Kenntniss desselben die Diagnose einer 
Genitalgonorrhoe sich lediglich auf den makroskopischen 
Befund an den Genitalien stützte und eine Gonorrhoe 
nur bei mehr weniger ausgesprochenem Symptomenbilde 
erkannt werden konnte, ist uns heute in der mikrosko¬ 
pischen Untersuchung des betreffenden Genitalsecrets auf 
Gonokokken ein sicheres und ausschlaggebendes Mittel für 
die Diagnose geboten Der eminente Worth und die Wich¬ 
tigkeit der mikroskopischen Untersuchung der Genital- 
secrete, namentlich bei der ärztlichen Controlle der 
ProstituirteD, wird uns am deutlichsten durch die von 
N e i s s e r im Jahre 1890 in der deutschen medicinischen 
Wochenschrift pag. 834 veröffentlichte Abhandlung «Ueber 
die Mängel der zur Zeit üblichen Prostituirtenunter- 
suchung» dargelegt. Ich will daher, bevor ich zu meinen 
eigenen Untersuchungen übergehe, den Inhalt derselben 
kurz referireu. 

Nachdem von Steinschneider in der Neisser- 
schen Klinik durch die mikroskopische Untersuchung der 
Urethral- und Cervical-Uterinsecrete eine beträchtliche 
Anzahl von Gonorrhoen an Personen aufgedeckt wurde, 
die wegen Syphilis, Ulcus molle etc. behandelt wurden. 


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439 


ohne dass gegen sie ein directer Verdacht anf Gonorrhoe 
vorlag, war es festgestellt worden, djiss die Gonorrhoe 
bei Prostituirten viel häufiger vorkommt, als man bis 
dahin vermuthete. Deshalb unternahm Ne iss er mit 
seinen Assistenten im Januar 1888 und im Februar 1889 
eine ausführliche Untersuchung aller bei der Controlle 
erscheinenden Puellae publicae und zwar derart, dass 
von jeder Untersuchten mehrmals das Urethral- und 
Cervicalsecret mit einem langen, etwas abgestumpften 
V o 1 k m a n n ’ sehen Löffel von der Schleimhaut abge¬ 
kratzt und mikroskopisch untersucht wurde. Die Zahl 
der dabei constatirten Gonorrhöen entsprach den gehegten 
Erwartungen. Das heisst im Januar 1888 worden 627 
Puellae publicae auf die Art untersucht und fanden sich 
unter ihnen 216 Personen=40,9 pCt. in deren Genital- 
secret zweifellos oder höchst wahrscheinlich Gonokokken 
vorhanden waren. Unter diesen 216 Personen hatte nur 
bei 22 ein eitriges Secret den Verdacht einer Gonorrhoe 
erweckt. Von den 216 Prostituirten wurden 126 zur 
genaueren Beobachtung und Behandlung im Hospital auf¬ 
genommen und bei diesen fanden sich Gonokokken in 
grösserer oder geringerer Menge: 

49 Mal im Urethralsecret 

43 » » Cervicalsecret 

34 » * Urethral- und Cervicalsecret. 

Bei der im Februar 1889 wiederholten Untersuchung 
wurde nur das Urethralsecret unter das Mikroskop ge¬ 
bracht und fanden sich unter 579 Untersuchten 110 mit 
Gonokokken behaftete=19 pCt. Wäre auch das Cervical¬ 
secret untersucht worden, so wäre die Zahl der Gonor¬ 
rhöen offenbar eine weit grössere gewesen. 

Im Anschluss an diese Mittheilung bespricht N ei ss er 
die Schwierigkeit, eine derartige Untersuchung praktisch 
durchzuführen und kommt zum Schlüsse: «Diese Schwie¬ 
rigkeit löst sich auf in eine einfache Geldfrage, welche 
die nothwendige Vermehrung der (mit der mikrosko- < 
dischen Untersuchung betrauten) Aerzte mit sich bringt, I 
ein Opfer, das so sichtbarem Nutzen gegenüber kaum 
von einer Commune verweigert werden dürfte». Zur 
weiteren Begründung führt N e i s s e r die seit dem Mai 
1889 fortgesetzten mikroskopischen Secretuntersuchungen 
an den Puellis publicis Breslaus an. Dabei worden täglich 
wenigstens 10—16 Prostituirte derselben unterworfen, 
so dass jede etwa 6—8 Mal im Jahre an die Reihe 
kommt. Nachdem nun fortan ins Breslauer Krankenhaus 
nicht nur solche Prostituirte aufgenommen wurden, bei 
denen eine venerische Krankheit schon makroskopisch zu 
diagnosticiren war, sondern auch solche internirt wurden, 
bei denen die Gonorrhoe lediglich durch die bakteriosko- 
pische Diagnose festgestellt wurde, stieg die Gesammt- 
zahl der daselbst behandelten Prostituirten sehr bedeutend 
an. Während in den Monaten Mai, Juni und Juli 1886 
die Zahl der ins Krankenhaus aufgenommenen Puellae 
publicae 69, 1887: 86, 1888: CG betrug, stieg sie im 
Jahre 1889 auf 118: die Zahl der behandelten Gonor¬ 
rhöen stieg dabei von 9 (=13pCt. alleraufgenommenen 
Prostituirten), resp. 10 (^18pCt.),resp 11 (=16,9 pCt.), 
auf öl (=43 pCt.) an. 

Angeregt durch Herrn Prof. Dr. K. D e li i o unter- | 
nahm ich es im Februar 1892 durch ein ähnliches Vor- \ 
gehen die Häufigkeit der Gonorrhoe bei den Prostituirten j 
Dorpats festzustellen*). Leider stand mir nur ein sehr 
kleines Material zur Verfügung, so dass ich im Laufe 
des Februar, März und April nur 64 Prostituirte unter¬ 
suchen konnte und kann daher meinen Resultaten nicht 
eine derartige Bedeutung zukommen, wie den in Breslau 
gewonnenen. Ich musste mich mit der Untersuchung 
derjenigen Prostituirten begnügen, welche sich zweimal 

*) cf. meine Inanguraldissertation, die denselben Titel trägt, 
wie diese Arbeit. Dorpat 1892. 


wöchentlich im Dorpater Bezirkshospital zur ärztlichen 
Controlle einzustellen hatten; die Zahl derselben waran 
und für sich schon eine geringe, zudem erschienen sie 
noch sein* unregelmässig, so dass ich nur 32 derselben 
habe untersuchen können. Weiteres Material boten mir 
22 während der genannten Monate im Hospital internirte 
und wegen irgendwelcher Krankheiten behandelte Puellae 
publicae. Bei diesen letzteren war nur in 6 Fällen makro¬ 
skopisch eine Gonorrhoe diagnosticirt wordeD, so dass 
bei den übrigen 16 die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit 
Gonokokken inficirt seien, dieselbe war, wie bei den nicht 
im Hospital internirten Prostituirten. Bei den im Hospital 
befindlichen Puellis publicis habe ich meist sowohl das 
Urethral- wie auch Cervieal- und Vaginalsecret unter¬ 
sucht. Zur Erlangung des Cervicalsecrets reinigte ich 
den betreffenden Puellis zunächst gründlich die Vagina, 
legte darauf einen Wattetampon vor den äusseren Mutter¬ 
mund und liess ihn daselbst bis zu 24 Stunden liegen. Nach 
Ablauf dieser Zeit hatte sich dann meist auf dem Tampon 
ein zur mikroskopischen Untersuchung genügend grosser 
Tropfen aus dem Cervicalkanal stammenden Secrets an¬ 
gesammelt. Zugleich konnte ich vor Entfernung des 
Tampons reinen, nicht mit Cervicalsecret vermischten 
Vaginalschleim erhalten. Wenn ich diese Vorsichtsmaass¬ 
regel beobachtet hatte, konnte ich im Vaginalsecret nie¬ 
mals Gonokokken finden, eine Thatsache, die schon viel¬ 
fach von Anderen betont worden ist und die man zum 
Theil durch die saure Reaction des Vaginalschleimes, zum 
Theil durch die Structur der Vaginalschleimhaut zu 
erklären versucht hat. Bei den Prostituirten, welche sich 
nur ambulant zur Untersuchung einstellten, habe ich mich 
meistens mit der Untersuchung des Urethralsecrets 
begnügen müssen. Das zu untersuchende Secret entnahm 
ich mit einem stumpfen Löffelchen, das ich sowohl für 
die Urethra, wie für die Cervix benutzen konnte. 

In der ersten Zeit färbte ich meist mit Methylenblau, 
dabei machte ich stets Controllfärbungen nach derGram’- 
schen Methode. In einer filtrirten wässrigen Lösung von 
Methylenblau (1:50) verblieben die Deckglaspräparate 
bis zu 20 Minuten, worauf sie in Wasser abgespült, ge¬ 
trocknet und mit Canadabalsam aufgedeckt wurden. Bei 
der Färbung nach Gram blieben die Präparate 25—30 
Minuten in einer Anil.n-Gentianaviolettlösung, darauf 
wurden sie in Wasser abgespült, 5 Minuten einer Jod- 
Jodkaliumlösung (Jodi 0,5. Kal.-jodat. 1,0. Aq. dest. 150,0) 
ausgesetzt und sodann in Alkohol so lange entfärbt, bis 
die vom Glase abtropfende Flüssigkeit keine bläuliche 
Färbung mehr zeigte. Darauf wurde wieder mit Wasser 
abgespült, getrocknet und schliesslich mit Bismarckbraun 
übergefärbt. In so behandelten Präparaten haben die 
Gonokokken die blaue Farbe verloren und die braune 
Tinction der Gegenfärbung angenommen,—ein Verhalten, 
durch welches sie sich von fast allen anderen im weib¬ 
lichen Genitalsecret vorkommenden Mikroorganismen 
unterscheiden. Später färbte ich vorzugsweise mit einer 
dünnen wässrigen Methylviolettlüsung, in der die Deck¬ 
glaspräparate etwa 2—3 Minuten verblieben, worauf sie 
auf einige Secunden in eine V*°A>ige Essigsäurelösung 
kamen und schnell mit Wasser abgespült wurden. Die 
letztere Methode scheint mir zur Massenfärbung sehr ge¬ 
eignet zu sein, da nach ihr schnell gefärbt werden konnte 
und nur selten Ueberfärbung eintrat. Die auf diese Weise 
gewonnenen mikroskopischen Bilder waren gut. Die Go¬ 
nokokken waren etwas stärker gefärbt als die Zellkerne, 
traten daher sehr deutlich hervor und Hessen ihre eigen¬ 
artige Form und Anordnung sehr gut erkennen. 

Die einfache Färbung mit Methylenblau oder Methyl¬ 
violett genügte mir wohl in den meisten Fällen, trotz¬ 
dem habe ich zugleich die Gr am’sehe Methode der Ent¬ 
färbung mit nachheriger Ueberfärbung angewandt, weil, 
wie Steinschneider gezeigt hat, dieselbe die Gonokok¬ 
ken mH einer WahrscheinHchkeit von 95 zu 5 von allen 


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übrigen in den weiblichen Genitalien vorkommenden Mi¬ 
krokokken unterscheiden lässt and daher sehr wohl in 
zweifelhaften Fällen zur Differential-Diagnose verwandt 
werden kann. 

In den 6 Fällen makroskopisch diagnosticirter Go¬ 
norrhoe habe ich stets Gonokokken in grosser Menge 
finden können; sehe ich von diesen ab,- so fand ich bei 
den übrigen 16 im Hospital internirten Puellis in 11 
Fällen Gonokokken = 68 pCt. und zwar 6 mal sowohl 
im Urethral- wie Cervic&lsecret, 4 mal nur im Urethral- 
secret und 1 mal nur im Cervicalsecret. Unter den am¬ 
bulanten Prostituirten fand ich bei 9 Gonokokken = 
28 pCt., darunter zweimal nicht nur im Urethral- son¬ 
dern auch im Cervicalsecret. Für alle 54 untersuchten 
Prostituirten würde das einen Procentsatz von 48 pCt. 
gonorrhoisch Inficirter ergeben, eine Zahl, die gewiss 
nicht zu hoch gegriffen ist, da ich bei 13 von diesen 
Prostituirten nur einmal habe untersuchen können, wäh¬ 
rend es mir häufig genug vorgekommen ist, dass ich die 
Gonokokken nicht bei meiner ersten, sondern erst bei 
der 2. oder 3. Untersuchung gefunden habe. Auffallend 
ist die Thatsache, dass ich bei den im Hospital befind¬ 
lichen Prostituirten, von den wegen Gonorrhoe behan¬ 
delten natürlich abgesehen, viel häufiger Gonokokken ge¬ 
funden habe, als bei den nicht internirten. Vielleicht 
dürfte sich dieses durch folgenden Umstand erklären las¬ 
sen; die im Hospital internirten Puellae publicae waren 
im Allgemeinen jünger als die ambulant Untersuchten; 
während die ersteren ein Durchschnittsalter von 20 Jah¬ 
ren aufwiesen, betrug das der letzteren etwa 26 Jahre. 
Es ist ja bekannt, dass die venerischen Krankheiten bei 
den Neulingen unter den Prostituirten viel häufiger sind, 
als bei den älteren, dieses mag auch für die Gonorrhoe 
gelten. Es ist aber auch denkbar, dass, da die Gonokok¬ 
ken im Trippersecret desto seltener werden, je länger 
die Erkrankung besteht, schliesslich bei solchen Erkran¬ 
kungen, welche viele Jahre unbehandelt fortbestanden 
haben, der Nachweis der Gonokokken nur noch ausnahms¬ 
weise gelingt. Doch kann, wie ich zugeben muss, bei der 
geringen Zahl der von mir Untersuchten auch der Zu¬ 
fall mitgespielt haben. 

Als Resultat meiner Arbeit nehme ich an, dass meine 
Untersuchung, wenn sie auch nur einen kleinen Theil 
der in Dorpat vorhandenen Prostituirten umfasst, doch 
mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die gesammte Menge 
der Dorpater Prostituirten verallgemeinert werden darf, 
da ich meine Fälle unterschiedslos, wie der Zufall sie 
mir gab, gesammelt habe. Danach würden also im Mi¬ 
nimum 48 pCt. aller Dorpater Prostituirten gonorrhoisch 
inficirt sein, eine Zahl die gewiss zu denken giebt. Ich 
möchte daher meine Mittheilung nicht schliessen, ohne auf 
die Gefahr für die öffentliche Gesundheit, welche 
in der grossen gonorrhoischen Verseuchtheit der 
Prostituirten liegt, aufmerksam zu machen. Jeden¬ 
falls glaube ich, dass die bis jetzt übliche rein ma¬ 
kroskopische Untersuchung der Prostituirten 
keine genügende Handhabe bietet, um hier Ab¬ 
hilfe zu schaffen. Auf welche Weise durch strengere 
polizeiärztliche Controlle und ausgiebigere medicinische 
Behandlung hier eine Aenderung erzielt werden könnte,— 
das zu erörtern liegt nicht im Rahmen meiner Arbeit. 


Referate. 

Kohlstock: Ueber snbcutane und rectale Anwendung 
von Abführmitteln. (Charitü-Annalen. Bd. XVII). 

Der Besitz von zuverlässigen und von Nebenwirkungen freien 
Abführmitteln, die sich subcutan oder per Rectum dem Kör¬ 
per einverleiben liessen, würde dem Bedürfnisse der ärztlichen 
Praxis wohl entsprechen, denn sehr häufig; hindern profuses 
Erbrechen oder bestehende Bewusstlosigkeit die Application 
per os. Verf. hat sich der Mühe unterzogen an einem grossen 


Krankenmateriale der Senator’ sehen Klinik folgende 4 
Pflanzenstoffe in dieser Beziehung zu prüfen: Aloin (und zwar 
Barbaloin), Acidum cathartinicum e Senna, Colocynthinum pu¬ 
rum (Merck) und Citrullinum (Merck). Die subcutanen Iniec- 
tionen von Lösungen dieser Stoffe gaben in Bezug auf abfüh¬ 
rende Wirkung ziemlich befriedigende Resultate, jedoch waren 
sie äussersi schmerzhaft, so dass sich Verf. bald an die rectale 
Application der genannten Stoffe wandte. Die Substanzen 
wurden in Lösung gebracht und mit Hülfe einer 10 ccm. 
fassenden Spritze in den Mastdarm eingesnritzt. Aloin und 
Cathartinsäure erwiesen sich für leichtere, die beiden anderen 
Mittel für habituelle Obstipation geeignet. Das Aloin wurde 
zunächst in einer Glycerinlösung angewandt, später in fol¬ 
gender Form: Aloin 1,0 Formamid 10,0. Eine Dosis von 
0.4—0,5 Aloin genügt in allen Fällen leichter Verstopfung, 
um einen sicheren Erfolg herbeizuführen. Cathartinsäure wirkt 
in Dosen von 0,6. Sie wurde in folgender Lösung verabfolgt: 
Acid. Cathartinici e Senna 3,0 Aq. destillat. 7,0 Natri bicarbon. 
q. 8. ad react. alkalin. Für hartnäckigere, langwierige Ver¬ 
stopfung kommt Colocynthin in Dosen von 0,01—0,04 sowie Ci- 
trullin in Betracht, welches letztere selbst bei sehr schwerer 
Obstipation in Dosen von 0,02 kräftige Wirkung entfaltet. 
Alle diese Mittel rufen im Mastdarm selbst nicht die geringste 
Reizung hervor, quälende Tenesmen werden gar nicht beo¬ 
bachtet. Der Stuhlgang erfolgt in den meisten Fällen ohne 
Leibschmerzen. Die Entleerungen sind sehr ergiebig und über¬ 
treffen in dieser Hinsicht bedeutend die durch Glycerinein 
Spritzungen erzielten. Die Mittel hinteriassen keine Neigung 
zur Verstopfung. Bei längerem Gebrauch tritt zwar eine ge¬ 
wisse Gewöhnung ein, indessen genügt dann eine ganz geringe 
Steigerung der Dosis. Ein Uebelstand Hegt nur in dem vor¬ 
läufig noch sehr hohen Preise der Mittel. A b e 1 m a n n. 

0. Heubner: Ueber die scorbutartige Erkrankung 
rachitischer Säuglinge. (Barlow’sche Krankheit.) (Jahrb. 
f. Kindheilk. Bd. 34. Heft 4). 

Verf. lenkt die Aufmerksamkeit der Aerzte auf eine eigen¬ 
tümliche Erkrankung des Säuglingsalters, welche von recht 
erheblicher praktischer Wichtigkeit ist — und doch, wie es 
scheint, nicht genügend bis jetzt berücksichtigt worden, von 
Vielen sogar nicht gekannt ist. Es handelt sich gewöhnlich 
um 10—14 monatliche Kinder, die durch künstliche Ernäh¬ 
rung aufgezogen sind; sie erkranken an einem eigentümlichen 
«Rheumatismus»; es besteht eine ungemeine Schmerzhaftigkeit 
der Extremitäten gegen jede, auch die sanfteste Berührung. 
Die Eltern berichten gewöhnlich, dass sie sich kaum mehr 
die Windeln zu wechseln, geschweige denn zu baden getrauen, 
denn beim Angreifen der Oberschenkel erhebe das Kind jedes¬ 
mal das kläglichste Geschrei; es vermeidet selbst jede Bewe- 

f ung, liege ganz steif im Bette oder halte beide Beine in 
rampfhalter Beugung; daneben bestehen Schlaflosigkeit, 
Fieberbewegungen, Schweisse und Appetitlosigkeit. Bei der 
Untersuchung fällt das Kind durch eine erhebliche Blässe, 
sogar wachsbleiche Färbung der Haut und schlaffe Muskulatur 
auf; am Schädel und Thorax rachitische Veränderungen. Man 
überzeugt sich bald, dass der Hauptsitz der Schmerzen nicht 
in den Gelenken, sondern an den Knochen sei und mehr noch 
an der Diaphyse, als an der Epiphyse; man gewahrt dabei 
eine Anschwellung dieser Theile. In einzelnen Fällen ist schon 
die Haut an geschwollen, doch kann dieses fehlen, und man 
fühlt nur in der Tiefe eine ziemUch gleichmässige cvlindrische 
Auftreibung des Oberschenkelknochens und eine diffuse An¬ 
schwellung der Tibia. Auch an den oberen Extremitäten, na¬ 
mentlich an den Radien, können ähnliche Anschwellungen 
beobachtet werden, doch treten hier Schwellung wie Schmerz 
sehr gegen die der unteren Extremitäten in den Hintergrund. 
Ein weiteres Symptom ist, dass diejenigen Partien des Zahn¬ 
fleisches, wo die wenigen vorhandenen Zähne durchgebrochen 
sind oder wo der Durchbruch sich vorbereitet, hochgradig 
geschwollen, von schwammiger Consistenz und dunkelblauroth 

g efärbt sind und bei der Berührung, oft auch schon beim 
effnen des Mundes, zu bluten anfangen. Von einzelnen Be¬ 
obachtern werden auch Suffusioneu und Blutungen auf der 
Haut beschrieben, doch sind diese selten anzutreffen; ferner 
wird eine ödeinatös-haemorrhagiscbe Anschwellung eines oder 
beider Augenlider beschrieben. Der eben geschilderte Symp- 
tomencomplex ist erst in neuerer Zeit berücksichtigt worden, 
obgleich schon ältere Autoren ähnUche Symptome beschrieben 
haben. Namentlich war es B a r 1 o w, der die Erkenntniss der 
Krankheit durch eine Reihe sorgfältiger Beobachtungen und 
pathologisch anatomischer Untersuchungen förderte. Er wies 
nach, dass die oben geschilderten Symptome am Knochensy¬ 
stem durch einen haemorrhagischen Process bedingt sind. 
R e h n hat in einem Falle durch Probeinoision auf die erkrankte 
Tibia das Bestehen der haemorrhagischen Periostitis nachge¬ 
wiesen. Das eigentliche Wesen der Krankheit ist noch nicht 
aufgeklärt; Verf. ist geneigt in dem Leiden eine Mischerkran¬ 
kung von Scorbut und Rachitis zu erblicken; als aetiologisches 
Moment führt er eine qualitativ fehlerhafte Ernährung an. 


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441 


Durch geeignet« Verordnungen kann die Barlow’sche Krank¬ 
heit überraschend schnell zur Heilung gebracht werden; dabei 
sind Medicamente ganz entbehrlich, es genügt vielmehr eine 
Regelung der Diät. Die Mehlpräparate und die künstlichen 
Milch Präparate sind ganz ans der Kost zu entfernen; dafür 
frische Milch, frisch ausgepresster Fleisehsaft (täglich einige 
Kinderlöffel) mit etwas Malaga- oder Ungarwein, ferner Frucht¬ 
saft (am besten Apfelsinensaft 2—3 Kaffeelöffel täglich oder 
Apfelmus) und Mittags neben einer Kalbsbrüh- oder Hühner- 
suppe einige Kaffeelöffel frischen, durch das Sieb geschlagenen, 
breiförmigen Gemüses (Spinat, Möhrenbrei u. dgl.). Die schmerz¬ 
haften Glieder werden in Priessnitz’sche Umschläge gehüllt; 
wo man in schweren Fällen Epiphysenlösungen oder Fractu- 
ren zu fürchten Grund hat, wendet man feste Verbände an. 
Binnen wenigen Wochen schwinden gewöhnlich alle krank¬ 
haften scorbutischen Erscheinungen. A b e 1 m a n n. 

Pott (Halle): Ueber Thyrausdrüsenhyperplasie * und die 
dadurch bedingte Lebensgefahr. (Jahrb. f. Kinderheil¬ 
kunde. Bd. XXXIV. Heft 1). 

Plötzliche Todesfälle im Kindesalter sind von einigen Aerzten 
auf Hyperplasie der Thymusdrüse zurückgefübrt worden, ohne 
dass sich damit auch andere Forscher einverstanden erklärt 
hätten. Auch die bei Stimmritzenkrampf nicht selten beobach¬ 
teten plötzlichen Todesfälle sind noch nicht ganz aufgeklärt. 
Pott hat in der Zeit von 1876—1891, 176 Fälle von Spasmus 
glottidis gesehen; davon starben 18 (fast 10°/o) und zwar 4 mal 
unter den Händen des Beobachters. Die Kinder litten an 
leichten Formen der Rachitis und hatten schon wochenlang 
meist täglich Anfälle von Stimmritzenkrampf gehabt. Der 
tödtliche Anfall, der bei allen 4 Kindern in dem Augenblicke 
eintrat, wo P. den Spatel einführen wollte, wird in seinem 
Verlauf vom Verf. sehr anschaulich geschildert: plötzlich bie¬ 
gen die Kinder den Kopf nach hinten zurück, machen eine 
lautlose, nach Luft schnappende Inspirationsbewegung, ver¬ 
drehen die Augen nach oben. Das Gesicht wird momentan 
blau und schwillt an. Die Zunge zeigt sich zwischen die Kiefer 
eingeklemmt, schwillt stark an, ist stark cyanotisch, etwas 
nach oben umgerollt und fest an den harten Gaumen ange¬ 
presst. Die Hände werden mit eingeschlagenem Daumen zur 
Faust geballt, die Finger cyanotisch. Die Wirbelsäule wird 
im Bogen stark nach hinten gekrümmt. Einige blitzartige 
Zuckungen der Gesichtemuskeln und einige vergebliche, schnap¬ 
pende Inspirationsbewegungen erfolgen, aber kein Laut, kein 
Zischen des Eindringens von Luft duich die Stimmritze wird 
gehört. Auf einmal löst eich der Krampf, das Gesicht ver¬ 
färbt sich, wird aschgrau, die Cyanose lässt nach, die Zunge 
und die Lippen werden livide, und nach höchstens 1—2 Min. 
ist das Kind eine Leiche. Die Herzthätigkeit hört mit Eintritt 
des Anfalls sofort auf; weder sind Herztöne zu hören, noch 
ist der Puls zu fühlen. Auf das Einführen des Fingers in den 
Mund und auf die Berührung des Kehldeckels resp- der Stimm¬ 
bänder, erfolgen weder Wtirgbe wegungen, noch Hustenreiz. 
Ebenso bleibt der Lidschlnss nach Berührung der Cornea aus. 
Künstliche Atherabewegungen, die sofortige Tracheotomie, die 
Faradisation der Phrenici — alles war erfolglos. Die Section 
ergab in 3 Fällen eine vergrösserte Thymusdrüse, auch im 4. 
Fall war die Drüse «veihältnissmässig gross». — Es ist wohl 
unzweifelhaft, dass die Thymusdrüse ebenso wie die Thyroidea 
oder die Lymphdrüsen recht beträchtlich sich vergrössern 
kann. Kann nun die Vergrösserung der Thymus bestimmte 
Krankheitserscheinungen hervorrnfen, eventuell gar zur Todes¬ 
ursache werden? Sanne hat eine «compressive» Form des 
Stimmritzenkrampfes beschrieben und behauptet, dass der 
Druck der Thymusdrüse auf die Trachea und die Nervi re- 
currentes oder vagi Stimmritzenkrampf hervorrufen kann. 
Auch Verf. sucht diese Behauptung zu bekräftigen: er hat den 
Abstand des Manubrium Storni von der Wirbelsäule an einer 
Reihe von Kinderskeletten gemessen und fand denselben durch¬ 
schnittlich 2*/» Cm. gross. Der Dickendurchmesser der Thymus 
betrug in 10 Sectionsfällen noch nach dem Tode 2 Cm., da 
bleibt für die Trachea etc. nur *l » Cm. übrig! Eine hyperpla¬ 
stische Thymusdrüse beeinflusst aber nicht nur die Respiration, 
sondern auch die Circulation: die vergrösserte Drüse liegt 
«wie eine dicke nach innen gewölbte Kappe» auf den oberen 
Partien des Herzens und besonders auf dem Ursprung der 
grossen Gefässe, der Pulmonalis und der Aorta; sie überlagert 
und belastet ferner mit dem am meisten vergrösserten rechten 
Drüsenlappen den rechten Vorhof, sowie die 2 oberen Drittel 
des rechten Ventrikels. Das Herz steht somit unter einem po¬ 
sitiven Druck, welcher von der acuten Schwellung der Drüse 
und der Raumbeengung der oberen Thoraxapertur abhängig 
ist. Auf diese Weise kann die hyperplastische Thymusdrüse 
durch Beeinflussung der Respiration und Circulation zur 
Todesursache werden. Pott schildert zum Schluss den Sec- 
tionsbefund eines Falles und führt die Erscheinungen auf die 
plötzliche Compression der Pulmonalarterie zurück. 

Abelraann. 


BUchertnzeigen und Besprechungen. 

Rudolf Virchow: Die Sections-Techaik im Leichen - 
hause des Charite-Krankenhauses, mit besonderer Rück¬ 
sicht auf gerichtsärztliche Praxis. Im Anhänge: Das 
prenssische Regulativ für das Verfahren der Gerichts¬ 
ärzte bei den gerichtlichen Untersuchungen menschlicher 
Leichen vom 13. Februar 1875. IV Auflage. Berlin 1893. 
Verlag von August Hirschwald. 

Bei dem Erscheinen einer neuen Auflage eines so berühmten 
Werkes wie der Virchow’sehen Sections-Technik 
bleibt dem Ref. kaum etwas Anderes übrig als die Thatsache 
des Erscheinens zu constatiren. Ueber den Inhalt des Buches 
etwas schreiben, hiesse Eulen nach Athen tragen. Jeder Arzt, 
welcher heutzutage Sectionen ausführt, thut solches nach den 
Grundsätzen, welche Virchow im Jahre 1875 in seiner Sec¬ 
tions-Technik der Oeffentlichkeit übergeben hat: die Gerichts¬ 
ärzte fast der ganzen Welt lichten sich nach Regulativen, 
welche dem preus^ischen, mit andern Worten dem virchow’- 
schen, uachgebildet oder direct entlehnt sind. Nicht alle aber 
haben das grundlegende Werk selbst studirt, sondern so 
mancher verdankt seine Ausbildung nur der persönlichen Un¬ 
terweisung dieses oder jenes akademischen Lehrers. Wer das 
Erscheinen der neuen Auflage benützt, um das Versäumte 
nachznholen, wird eine doppelte Befriedigung Anden, denn es 
ist nicht nur belehrend zu verfolgen wie der Begründer der 
modernen Sections-Technik seine Grundsätze aufstellt und bis 
in die Einzelheiten durchführt, sondern es ist auch gleichzeitig 
einGenuss, den gewöhnlich als dürr und trocken verschrieenen 
Stoff in einer Form behandelt zu lesen, welche, abgesehen von 
allen übrigen Vorzügeu, dank der subjectiven Schreibweise 
V i r c h o w’ 8 durch das persönliche Interesse für den be¬ 
rühmten Autor belebt wird. Wladirairoff. 

Hirschberg: Einführung in die Augenheilkunde. 
I. Hälfte. Leipzig. G. Thieme. 1892. 

Selten begegnen wir in der specialistischen Literatur einem 
Buche, welches so sehr den Stempel der Originalität an sich 
trägt, wie das vorliegende. Die Vielseitigkeit und umfassende 
Belesenheit des Verfassers kommen hier ebenso sehr zur Gel¬ 
tung, wie seine reiche praktische Erfahrung. Die Schreibweise 
ist so charakteristisch, dass der Autor erkannt werden würde, 
auch wenn er anonym geschrieben hätte. Die Lectttre des 
Buches ist interessant, gleichviel ob man in vielen Punkten 
mit dem darin Gesagten tibereinstimmt, oder ob man in ande¬ 
ren wieder zu lebhaftem Widerspruch angeregt wird; sie ist 
auch jedem FachgenosBen nützlich wegen der zahlreichen prak¬ 
tischen Winke, die er hier findet. Die Subjectivität der Dar¬ 
stellung, die bis zu einem gewissen Grade den Werth eines 
Werkes erhöht, kann aber auch zu weit gehen, und letzteres 
ist auch hier leider oft der FalL Daher ist das Buch dem An¬ 
fänger, der nicht die nöthige Kritik üben kann, weniger zu 
empfehlen alB dem ausgebildeten Arzte. Von den 6 Abschnitten 
(Augenheilmittel, Augenoperationen. Untersuchung der Aagen- 
kranken, Refraction, Accomodation, Dioptrik) ist. der zweite 
besonders werthvoll durch die genauen Angaben über die in 
der Privatklinik des Verfassers geübte Antiseptik und Asep- 
tik. Die Aufzählung der hauptsächlichsten Augenoperationen 
(S. 44 und 45) scheint uns in ihrer Kürze ganz überflüssig 
und hätte entweder ausführlicher sein oder ganz Wegfällen 
sollen; die Extraction der harten Cataracte wird hier in 12 
Zeilen (!) abgehandelt, als wäre es eine ganz schematische, 
immer und überall nach derselben Methode anszuführende Ope¬ 
ration, bei der es keine Abweichungen und Complicationen 
geben könnte. Mit dem Motto: «Augenheilkunde ist weder eine 
Gewebelehre des Auges noch eine mathematische Formelsamm¬ 
lung, noch eine Pilzkunde, sondern die wissenschaftliche Dar¬ 
stellung der Kunst, kranke Augen zu heilen und gesunde so 
zu erhalten» wird man sich gewiss einverstanden erklären. 
In dem Capitel über Dioptrik scheint uns aber doch ein Ueber- 
fluss an mathematischen Formeln geboten zu sein, der den 
praktischen Zwecken des Buches nicht entspricht. In sprach¬ 
licher Hinsicht möchten wir die radicale und oft sehr gezwun¬ 
gene Verdeutschung aller Termini technici tadeln. Wenn nicht 
bei jedem ins Deutsche übertragenen Terminus der ursprüng¬ 
liche lateinische als Anmerkung am Rande stände, so wäre 
manches ganz unverständlich z. B. «Schmutzstaar» (ein mit 
'Jhränensackeiterung complicirter Staar). Es ist in dieser 
Wochenschrift schon wiederholt gegen die übertriebene Na- 
tionalisirung der wissenschaftlichen Sprache protestirt wor¬ 
den, so dass wir uns eine principielle Erörterung über diesen 
Gegenstand hier ersparen können. Trotz der gerügten Mängel 
empfehlen wir das vorliegende Buch als durchaus lesenswerth 
und interessant. Die Ausstattung lässt nichts zu wünschen. 

B1 e 8 8 i g. 


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442 


Auszug aus den Protokollen 

de« deutschen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. 

Sitzung am 21. September 1892. 

1. Dr. Kernig theilt seine Erfahrungen über die dies- 
jalirige Choleraepidemie aus dem weiblichen Obnchow- 
Hospital mit. Auffallend war die giesse Zahl acuter Gastro- 
intestinaleatarrhe, welche dem eigentlichen Ausbruche der 
Epidemie (20. Juli) voransgingen. So wurden vom 3.—20. Juli 
ins Hospital 10 solcher Falle angenommen. Dieselben waren 
meist so leicht, dass man kaum die Entleerungen zu Gesichte 
bekam und ausser Erbrechen und Durchfall weiter keine 
Symptome aufriaten. Der Ansgang war in allen Fallen Gene¬ 
sung. Der erste Fall von asiatischer Cholera wurde am 22. 
Juli ins Hospital aufgenommen. Es war ein Fall von Cholera 
sicca, der bei der Aufnahme so geringe Erscheinungen darbot, 
dass der Dejourarzt sich direct entschuldigte, einen so leichten 
Fall aufgenommen zu habeu. Es bestand kein Durchfall, nur 
Erbrechen. Am folgenden Tage 11 Uhr Vormittags bot die 
Patientin jedoch das volle Bild der Cholera. Sie war pulslos 
und blau. Der Urterleib etwas aufgetrieben, jedoch weich und 
schwappig. Abends erfolgte der Tod. Die Pat. hatte notorisch 
keinen Stuhl gehabt. Bei der Section erwiesen sich jedoch die 
Dünndärme mit Beiswasser-Inhalt gefüllt, der Dickdarm zeigte 
beginnende Diphtherie In dem von der Patientin bewohnten 
Hause waren dann später noch 8 Cholerafälle vorgekounnen. 
Ueberhaupt ist die geringe Quantität der flüssigen Entlee¬ 
rungen in dieser Epidemie auffallend gewesen. Erbrechen war 
wohl häufiger, aber doch verbaltnissmässig wenig. Im Obuchow- 
flospitale ist vom Dienstpersonale nur eine Krankenwärterin 
an .der Cholera erkrankt. Dieselbe trat 2 Stunden nach der 
Erkrankung in den Krankenbestand ein: um 7 Uhr Abends 
war der erste noch gebundene Stuhl erfolgt, uui 9 Uhr bei 
der Aufnahme war sie bereits kalt und blau, am anderen Tage 
um Mittagszeit war sie gestorben. Ferner hebt K. die grosse 
Häufigkeit des Vorkommens von Choleratyphoid in dieser Epi¬ 
demie hervor. Nach Ausschluss aller sog. Gastroenteritiden 
sind im weiblichen Obuchow-Hospitale vom 20. Juli ab bis 
heute im Ganzen 158 Cholerapatientinnen aufgenommen, davon 
84 genesen, 07 gestorben, während 7 sicher Genesende noch 
in Behandln: g, was eine Mortalität von 42.4 pCt. ergiebt. 
Von den 67 sind 36 im Choleiatyphoid gestorben, wahrend sich 
unter den Genesenen 5 mit Choleratyphoid befanden, im Ganzen 
41 Typhoide auf 158 Erkrankte. Dieselben liegen bis 8 Tage 
und länger mit immer mehr herabgehender Temperatur, unbe- 
similich. urinlos. Wenn Urin vorhanden, lässt sich derselbe 
der Unbesinnlichkeit wegen nicht auffungen und messen Unter 
den 41 Fällen von Choleratyphoid (Choleranephritis) fand sich 
in 11 Fällen bei der Section ausserdem Diphtherie des Dick¬ 
darmes, 4 Mal mit Diphtherie der Vagina, 1 mal mit Diphtherie 
des Hachens vergesellschaftet. Choleraexanthem wurde nur in 
einem der 158 Fälle beobachtet. 

Während dieser Zeit (vom 20. Juli ab) haben im weiblichen 
Obuchow-Hospitale ausserdem 62 Fälle von einfachen Gastri¬ 
tiden und 129 Fälle von Gastroenteritis Aufnahme gefunden. 
Letztere, welche wohl Durchfall und Erbrechen, nur in ein¬ 
zelnen wenigen Fällen auch Krämpfe, aber guten Puls dar- 
boteu, winden besonders gelegt und nicht in die Zahl der 
Choleraerkt anklingen aufgenommen, während nur diejenigen, 
welche auch ausserdem noch Symptome von rapidem Kräfte¬ 
verfall und schlechten Puls aufwiesen, in die Choh-raabthei- 
lung gelegt wurden. Dr. K. ist jedoch der Ansicht, dass von 
den 129 Fällen mit Sicherheit 40 Fälle als leichte Cholera oder 
Cholerine betrachtet werden können. Zählt man diese 40Fälle 
zu den 158 Fällen von Cholera hinzu, so erhält man gleich¬ 
falls eine Mortalität von 33 pCt, wie sie durchschnittlich 
während dieser Epidemie in Petersburg berechnet worden. Bei 
einigen von diesen 40 Fällen sind in der That die Kommaba¬ 
cillen auch später nachgewiesen worden. 

Als Curiosum theilt Dr. K einig, noch einen Fall von 
schwerer Cholera mit, welcher sich schon in der Besserung 
befand, indem sich schon tägliche Urinmengen von 2000 bis 
3000 Co. eingestellt hatten. Da trat plötzlich Fieber auf. 12 
Tage nach der Erkrankung an Cholera. Es wird Pneumonie 
gesucht und erweist sich Abdominaltyphus. Unaufgeklärt ist 
die Infectionsquelle. Im Hospitale kann die Pat. sich kaum 
den Typhus acqnirirt haben, da das Incubationsstadium des¬ 
selben auf 2—3 Wochen angenommen wird. Der Fall endete 
mit Genesung. 

Dr. M oritz ist der Ansicht, dass, wenn man die Morta¬ 
lität dieser Epidemie bere< hnen und sie mit derjenigen früherer 
Epidemien vergleichen wolle, man sich derjenigen Criterien 
bedienen müsse, die früher bestanden, ehe man die Bacillen 
kannte. Früher wurden nur die Fälle mit schwerem Kräfte¬ 
verfall und miserablem Pulse als Cholera bezeichnet und er¬ 
gaben dieselben nie unter 50 pCt. Mortalität. Daher sei es sehr 
erfreulich, dass jetzt bei sehr genauer Zählung im weiblichen 
Obuchow-Hospitale nur 42 pCt. Mortalität beobachtet worden. 

Dr. v. Lin gen erinnert sich, im Jahre 1848 im Marien- 


! Magdalenen Hospitale eine Abtheilnng von 60 Betten im Laufe 
von 3 Tagen zwei Mal von Cholerakranken besetze gesehen 
zu haben, von denen keiner genesen. 

2. Dr. Metzler bestätigt nach seinen Beobachtungen im 
Peter-Panl-Hospitale das Auffallende der geringen Quantität 
der flüssigen Entleerungen in dieser Epidemie, betont jedoch, 
dass Todesfälle an Cholera sicca und im algiden Stadium mehr 
am Anfänge der Epidemie vorkamen. während später der 
Uebergaug in das sogenannte Choleratyphoid häufiger beo¬ 
bachtetwurde. Bei jedem einfachen Intestmalcatarrhe wurden 
grössere Massen entleert, als in diesen Fällen der Cholera, 
welche meist das reine Bild einer Vergiftung darboten. Auf 
die therapeutischen Maassnahmen übergehend, theilt Dr. 
Metzler mit. dass im P. P. Hospitale von den Abtheilungs- 
ärzten wohl alle gebräuchlichen innerlichen Medikamente in 
Anwendung gezogen wurden, ohne jedoch damit, irgend welche 
bemerkenswerthe Besultate zu erzielen,- Auch von den Can- 
tani’sehen Eingiessungen von Kochsalzlösung ins Unterhantr 
Zellgewebe des Abdomen wurde bald Abstand genommen, da 
sie keine Erfolge zeigten und von den Patienten wegen der 
Schmerzhaftigkeit nur widerwillig ertragen wurden. Die in¬ 
travenösen Injectionen einer Lösung von 1 pCt. Natron «ul- 
furicum und 0.5 pCt. Natron chloratum haben auch wenig 
geleistet, obgleich der Puls sich nach der Injection sofort 
hebt und bald Wohlbefinden eintritt, jedoch meist flnr auf 
kurze Dauer. Pro dosi wurden .1500—2000 Cc. intravenös im 
Verlaufe von 10-20 Minuten eingeführt, so dass bei Wieder¬ 
holungen in Zeit von ein paar Tagen bis 6000 nnd 7000 Cc. 
einvevleibt wurden. Im Ganzen wurden 22 Fälle so behandelt 
(11 Männer und 11 Frauen), von denen 7 genasen (3 Männer, 
4 Frauen). Unter diesen 7 Genesenen sind jedoch 5 Fälle, in 
denen nur je eine intravenöse Irnection gemacht worden war. 
Die übrigen 15 Fälle, wo die Injection wiederholt werden 
musste, weil der Puls wieder verschwand, endeten alle letal. 
Darunter sind auch Patienten gestorben, die bereits wieder 
Urinentleerung gehabt hatten. Infolge dessen legt, Dr. M. der 
Behandlung bei der Cholera keine grosse Bedeutung bei. Gute 
Dienste leisteten jedoch wiederholte Bäder von 30—32° ß., die 
bei allen Cholerakrauken angewandt wurden und ihnen sehr 
angenehm waren. Man sah nach den Bädern den geschwun¬ 
denen Puls wiedererscheinen und sich lieben, und sind bei 
dieser Behandlung ebenso viel und noch mehr Genesungen 
selbst im algiden Stadium aufgenoiumener Kranken zu ver¬ 
zeichnen, als bei der Anwendung intravenöser Injectionen. 

Dr. Metzler schildert dann den Gang der Epidemie, wie 
sie sich den zahlreichen Flussarmen der Newa und den Kanälen 
entlang ausgebreitet, was einen wi.-htigen Fingerzeig für die 
Aetiologie der Cholera, nämlich das inficirte Trinkwasser, 
abgiebt. Meist erkrankten Anfangs Arbeiter in Fabriken, auf 
den Barken und andere Personen, welche zum Trinken nach¬ 
weislich direct Flusswasser benutzt hatten, wobei nach Ver¬ 
schluss der betreffenden Böhrenleitungen die Erkrankungen 
der Arbeiter in diesen Fabriken fas t ausnahmslos sistirten, 
während diejenigen Stadttlieile, welche ausgiebig mit Wasser 
der städtischen Wasserleitung vei sorgt waren, erst viel später 
betroffen wurden und eine verbaltnissniässig geringere Zahl 
von Erkrankungen stellten. 

Im Peter-Paul-Hospitale, wurden übrigens Fälle mit Er¬ 
brechen, Durchfall und Krampten, auch wenn sie leichter ver¬ 
liefen, doch als Cholera gezählt, weit ja auch bei anderen In¬ 
fektionskrankheiten neben den schweren leichtere Fälle Vor¬ 
kommen. Im Ganzen sind im P. P. Hospitale vom 20. Juli bis 
20. September 668 Fälle an der Cholera behandelt (434 Männer, 
234 Frauen), davon 416 entlassen (255» Männer, 157 Frauen); 
226 sind gestorben (151 Männer nnd 75 Frauen), was eiue 
Mortalität von 33,83 pCt. ergiebt (34,79 pCt. für die männliche, 
32,05 pCt. für die weibliche Abtheilnng). Der Pest von 26 
Fällen befindet sich noch in Behandlung, jedoch auf dem besten 
Wege der Besseiung. 

6. Di. Kocli theilt Beobachtungen aus dem Nicolai-Kinder- 
hospitale mit, woselbst 30 Fälle an Cholera behandelt wurden, 
von denen 11 gestorben, 16 genesen sind, wählend 3 sich noch 
in Behandlung befinden. Auch hier sind Falle von rapidem, 10 
und 12 ständigem Verlaufe beobachtet worden während die 
Mehrzahl der Erkrankten das Bild des Choleraijphoids bot. 
Oft schwankte die Diagnose sogar zwischen Meningitis. Ein 
Knabe hatte in der Abtheilnng schwere Cholera durchgeinacht, 
als sich am 7. Tage bei einer Temperatur von 37.2*0. eine 
fleckige Eöthe im Gesicht und auf der Brusteinstellte, welche 
für Masernexanthem angesprochen wurde, um so mehr als am 
zweiten Tage, als das Exanthem heraus war, die Temperatur 
auf 38,2 stieg und es sich herausstellte, dass eine Wärterin 
aus der Masernabtheilong die Cbolcraabtheilnng besucht hatte. 
Schnupfen hatte allerdings u.cht bestanden a ). 

*) P. S. Der Knabe, welcher nach Ansbruch des fleckigen 
Exanthems auf die Masernabtheilung übergefnhrt worden, hat 
dort späterhin, wie Dr. Koch auf der folgenden Sitzung 
mittheilte, abgeschuppt, ohne sich dort eine weitere Masern- 
jnfection zngezogen zu haben. 


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Dr. Kernig'ist der Meinung, dass es sich im vorliegenden 
Falle vielleicht auch um ein, in dieser Epidemie freilich selten 
beobachtetes Choleraexanthem gehandelt haben könnte. 

D. z. Director: Dr. v. Lin gen. 

Secretär: Dr. Jalan de la Croix. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 29. September 1892. 

1. Herr Selenkow stellt zwei Patienten vor, an welchen 
er mit schönem Erfolge die Pyloroplastik ausgeführt hat. 
Nachdem Vortr. die Geschichte der genannten Operation, ihre 
Indication und ihre Technik besprochen, referirt er ausführ¬ 
lich die Krankheitsgeschichte und den Operationsverlauf der 
beiden (zur Veröffentlichung bestimmten) Fälle: Der eine be¬ 
trifft einen 7jährigen Knaben, bei welchem nach einer Ver¬ 
brennung durch Chlorzink eine Pylorusstenose sich ausbildete, 
die zu rapide fortschreitender Inanition führte, der andere ein 
32 jähriges Fräulein mit hochgradiger Dilatatio ventricuü und 
gleichfalls bedrohlicher Inanition infolge eines den Pylorus 
narbig stenosirenden Ulcus ventriouli. In beiden Fällen kann 
die Operation als lebensrettend angesehen werden. 

2. Im Anschluss hieran berichtet Herr Wanac h über fol¬ 
gende'von ihm im Peter-Paul-Hospital ansgeführte Pyloro¬ 
plastik nach Heineke -Mikulicz: Knabe von 17 Jah¬ 
ren, hat am. 15. Juli d. J. im Versehen Schwefelsäure, geschluckt 
und ist.damals sogleich ins Hospital aufgeaommen, am 31. Juli 
aber wieder entlassen worden; es bestanden noch keine Magen¬ 
beschwerden. Wieder aufgenommen am 12- Ang.'- Schlingbe¬ 
schwerden. Pat. kann nur flüssige Nahrung zn sich nehmen. 
Theilweise Verwachsung des weichen Gaumens mit der Rachen¬ 
wand; die Magensonde passirt den Oesophagus nicht. Magen 
erweitert, untere Grenze 2 Qnerfinger über dem Nabel.^ Er¬ 
brechen fast täglich; das Erbrochene enthält freie HCl. Stuhl 
kaum vorhanden. Am 26. Ang. Magengreuze schon 1 Quer¬ 
finger unter dem Nabel, hochgradige, schnell fortschreitende 
Abmagerung. Am 9. Sept. gelingt die Sondirung, aus dem 
Magen werden l 1 /*—2 Liter Flüssigkeit entleert. Operation am 
11. Sept.: Schnitt in der Linea alba; es linden sich keine Ad¬ 
häsionen. Der Pylorus präsentirt sich als ein dicker, derber 
Wulst mit zahlreichen erweiterten Venen an der Oberfläche. 
Eröffnung des Pylorus, der für eine geschlossene Pincette 
durchgängig ist, vom Magen aus, Erweiterung des Schnittes 
bis ins gesunde Duodenum. Wie in den Fällen von Selenkow, 
so erwies sich auch hier die Muscularis colossal verdickt, an 
der Schleimhautoberfläche war aber ansserdem eine deutliche 
•ringförmige Narbe zu sehen. Die Spannung der queren Naht 
bei einer Schnittlänge von 7 Cm. war eine recht erhebliche, 
wodurch die von Brau'n auf dem letzten Chirurgencongres» 

emachte Angabe, man solle den Schnitt nicht länger als 8 
m. machen, bestätigt werden dürfte. Nach der Operation kein 
Collaps, wohl daher, weil sehr wenig (einige Tropfen) Chloro¬ 
form verbraucht worden war; es war auch Cocain subcutan 

g egeben worden; Pat. war während der Naht des Pylorus bei 
ewusstsein und gab auf Befragen an, dass er keinen Schmerz 
spüre. Die Bauchnähte wurden am 10. Tage entfeint. Die 
erste Nahrung wurde per Klysma zugeführt. Pat. erholt sich 
zusehends, das Körpergewicht, das vor der Operation nur 70 
Pfd. betrug, nimmt schnell zu. Der Magen verkleinert sich. 
Es folgt die Vorstellung des Patienten. Nachtrag: Am 13. 
October macht Herr Wan ach die Mittheilung. dass der Pat. 
am 11. Oct. mit einem Körpergewicht von 84V« Pfd. entlassen 
worden ist. Der Magen hat sich noch weiter verkleinert, die 
untere Grenze steht jetzt zwischen Nabel und Proc. xiphoideus. 
Was die Geschichte der Pyloroplastik anlangt, so ist zn be¬ 
merken, dass Köhler schon vor 2 Jahren 15 auf diese Art 
operirte Fälle in der Literatur zählen konnte. In piognosti- 
scher Beziehung sind die Verbrennungsstenosen von den durch 
Ulcus bedingten zn scheiden; letztere sind ungünstiger, weil 
die Narbe massiger zu sein pflegt und der Pylorus häufiger 
mit der Umgebung verwachsen ist, was die Operation wesent¬ 
lich erschwert. 

Herr W estphalen hat die von Selenkow soeben vor¬ 
gestellte Patientin früher einmal gesehen. Damals wurde con- 
statirt: Tumor der Pylornsgegend, Magenerweiterung. im Ma¬ 
geninhalt Gährnngssäuren, keine freie Salzsäure, ausserdem 
aber noch: palpable Nieren, tiefstehendes Colon, tiefsteheuder, 
mässig dilatirter Magen. Es musste damals an die Möglichkeit 
einer Entero- und Gastroptose gedacht werden, die ihrer¬ 
seits zn Knickung des Pylorus, zu Stauung und Bindegewebs- 
hypertrophie. in demselben geführt hätte. Die typischen Symp¬ 
tome eines Ulcns ventricuü (Cardialgien, Blutungen, Hypera¬ 
cidität) fehlten. 

Herr Kernig hälfe «s für wenig wahrscheinlich, dass En- 
teroptose nnd Dilatation des Mages durch bewegüche Nieren 
hervorgernfen werden könnten, da ganz bewegliche Nieren 
ohne Senkung von Leber und Milz, und ohne Magendilata¬ 
tion bekanntüch recht häufig Vorkommen. 


Herr Selenkow bemerkt, dass in dem von ihm über die 
erwähnte Patientin aufgenommenen Status notirt ist: »Nieren 
nicht palpabel». 

Herr Kernig erwähnt eines Falles aus dem weibl. Obuchow- 
Hospital, in welchem 24 Stunden nach der wegeu Pylorns- 
srenose und Dilatatio ventricuü und hochgradiger Ernährungs¬ 
störung ausgaführten Pyloroplastik der Tod durch-Collaps 
(atrophisches Herz!) eintrat. Bei der Section erwies sichdie Wunde 
durch die Nähte fest geschlossen, ohne irgend welche Compli- 
cation. Bei der Berührung aber riss das Duodenum ein. da die 
Wand desselben sehr dünn war. Hierin liegt eine Gefahr für 
den weiteren Verlauf nach der Pyloroplastik. 

Herr Moritz Mit es für wünschenswerth, den fast ver¬ 
hungerten Patienten in solchen Fällen möglichst bald nach 
der Operation Nahrung zuzuführen. Herr Selenkow’ ist der 
Ansicht, dass solches am so mehr zu gestatten ist. als man 
sieht, dass ein frisch operirter Magen sogar das nach der Ope¬ 
ration häufig auftretende Erbrechen ohne Schäden für die 
Wunde erträgt. Wichtig ist es jedenfalls, mit dam Chloroform 
mögüchst sparsam zu sein. 

Sitzung am 13. October 1892. 

1. Herr Hellat seilt einen 70 Jahre alten Mann, der seit 
1V* Jahren an einem Tumor der linken Nasenhälfte 
leidet, vor. Patient kam Ende März a. c. in H.’s Behandlung. 
Bei der Untersuchung wurde ein schmutzig rüthücher, 1— 
IVa Cm. aus der Nase hervorragender, sehr weicher, bei 
geringster Berührung blutender Tumor cons atirt, der die 
ganze linke Nasenhälfte, ansfüllt nnd nach Entfernung wieder 
sehr schnell nachwächst. Rechte Nasenhälfte. Nasenrachen¬ 
raum frei,keine, DrlisenBchwellung. Auf die proponirie tem¬ 
poräre Reseetion der Nase mit nachfolgender Exstirpation 
der Geschwulst geht Patient nicht ein; Ende März wird ihm 
vorher die Geschwulst per vias natnrales io 4 Sitzungen ent 
fernt. 

Mitte Mai treten nebst einem Recidiv in der Nase nach und 
nach schmerzhaft weidende und schwell wachsende taobened- 
bis hühnereigrosse Metastasen in den beiden Snb- 
maxillargegenden nnd nachher in den beiden 
Wangen auf. 

Da der Fall anf diese Weise inoperabel geworden war, so 
entschloss sich H. Injeetionen von Pyoctanin, 
dessen resorbirende Wirkung auf Ohrpolypen und in einem 
Falle auch auf Larynxgranulationen er bereits erprobt hatte, 
in die Tumormassen zu machen. Vom 1. bis 5. Juli wurde tägüch 
und später seltener, im Ganzen 14 Injeetionen Pyoct. flav. 

1:300, in wässriger Lösung in die Snbraaxillardrüsen injicirt. 
Schon nach der III. Injection liess sich eine bedeutende Ver¬ 
ringerung der Spannung und Weicher werden der Geschwulst 
constatiren; die Schmerzen hörten vollständig auf; am 10. Aug. 
waren beide Unterkiefermetastnsen fast verschwanden. 

Die Wangengeschwulst war unterdess taubeneigross geworden 
nnd schmerzhaft. 3 Einspritzungen bringen anch diese zu Re¬ 
sorption, es bleibt nur eine erbsengrosse nicht schmerzhafte 
Schwellung zurück. 

In der Nase hatte die Geschwulst abertrotz Injection, Spü¬ 
lung und innerlicher Verordnung derselben Lösung keine 
merkliche Veränderung gezeigt. Dagegen wurde aber die 
Geschwulst in 10—14 Tagen bis auf anbedeutende Reste im 
hinteren Nasenraum durch Anwendung von P. in Pulverform 
vermittelst Wattetampon eingeführt znm Verschwinden ge¬ 
bracht. 

Mikroskopisch war die Geschwulst von Prof. Semmer 
und Dr. W 1 a d i m i r o w untersucht worden. Beide erklärten 
die Geschwulst nach vorläufiger Untersuchung für ein 
kleinzelliges Rundzelle n sarkom. 

Pyoctanin ist zuerst von Mosetig-Moorhof gegen 
bösartige Geschwülste angewandt worden, nachher noch von 
Anderen, meistens aber mit unvollständigem oder gar keinem 
Erfolge. H.’s Behandlung unterscheidet sich von denjenigen 
der Anderen dadurch, dass er Pyoct. flavum in Substanz 
oder in 1 pCt. Lösung als Anspritznng anwandte, während 
andere P. caernl. in 1:1000--1 :300 meistens als Waschung 
benutzt. 

H. glaubt jedoch, dass nicht so sehr die Anwendungsweise 
des Mittels, als vielmehr der Charakter der Geschwulst den 
Erfolg bedinge. 

Herr W1 a d i m i r o w betont’ dass die Diagnose «Sarkom ^ 
nur vorläufig nach dem erster Eindruck des mikroskopischen 
Befundes gestellt sei, und behält sich ein definitives Urtheil 
über den anatomischen Charakter der Geschwulst bis nach 
erfolgter Anwendung aller technischen Hilfsmittel vor. 

Herr Neumann hat yin Carcinom des Oberschenkels nach 
10 Injeetionen von Mosetig-Moorhof’s Lösung (Pyoctan 
coerulenm) rapide zerfallen sehen. Aehnliches beobachteten wie 
N. aus mündlichen Hittheilnugen bekannt, die DDr. Kirejew 
und Moersch an mehreren Carcinomen des Uterus. N. zweifelt 
bis auf Weiteres an dem Sarkom-Charakter der von Hellat 
* behandelten Geschwulst. 


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4*4 


f 


• b 


2. Herr Westphalen berichtet Über einen Fall von 
Anadenie des Magens verbunden mit Oirrhose des¬ 
selben, welchen er in Gemeinschaft mit Dr. Tr eiten feld 
beobachtet hat. 

Pat. 39 a. n. hat nachweislich schon Jahre lang an einer 
von Dr. Treitenfeld constatirten schleimigen Gastritis ge¬ 
litten. In letzter Zeit Verschlimmerung des Leidens und hoch¬ 
gradige Abmagerung, wobei sich namentlich ein sehr lästiges 
Erbrechen geltend macht. Von sonstigen Beschwerden wird 
über einen schmerzhaften Druck hinter dem Sternum geklagt, 
der momentan bei relativ stärkerer Anfüllung des Magens 
eintritt und so lange anhält, bis Pat. den Inhalt willkürlich 
durch Erbrechen entleert. Infolgedessen geniesst der Kranke 
nur ganz geringe Mengen Flüssigkeiten in einer Quantität 
von ca. V»— 1 /* Bierglas. Ausserdem bestehen leichte dyspep¬ 
tische Beschwerden nnd Stuhlträgheit 

Stat. praes.: Hochgradige Abmagerung Schluckgeräusche 
normal. Die Sonde passirt leicht die Cardia. motorische 
Schwäche des Magens, da einzelne Speisen über 24 Stunden 
in dem Magen verweilen. Bei Spülungen des Magens tällt 
zunächst das vollständig unverränderte Aussehn der Ingesta 
auf, weiter macht sich aic auffallende Thatsache bemerkbar, 
dass ca. 150 Cbcm. Flüssigkeit leicht in den Magen eingefiihrt 
werden können, lässt man jedoch noch mehr einfliessen, so 
tritt momentan Druckgefühl hinter dem untern Sternumende 
ein und die eben eingeführte Flüssigkeit wird durch Erbrechen 
neben der Sonde entleert. Das gleiche findet auch statt, 
wenn Luft in den Magen geblasen wird. Es können nur ganz 
geringe Mengen eingeblasen werden, momentan tritt Span¬ 
nungsgefühl ein und es lässt sich keine weitere Luft ein¬ 
führen, wobei man, wenn mit dem Munde geblasen wurde die 
Empfindung hat, als ob man nicht in ein elastisches Organ 
sondern in einen starrwandigen Baum hineiubläst. Plötzlich 
tritt Stenosegeräusch auf und die Luft entleert sich in das Duo¬ 
denum welches als geblähte Partie durch die dünnen Bauch¬ 
decken sich abhebt, nunmehr können wieder geringe Quan¬ 
titäten eingeblasen werden. 

Eine percutorische Bestimmung des Magens war unmöglich, 
da keine grösseren Flüssigkeitsmengen eingebracht werden 
konnten. 

Im Mageninhalte fand sich kein Schleim ebensowenig wie 
HCl. und Pepsin — wohl aber reichliche Gährungssäuren 

Jodkaliprobe gab erst in 1 Stunde ein positives Resultat im 
Speichel. 

Auf das Gesagte hin wurde die Diagnose folgendermaassen 
formulirt: Nahezu vollständige Atrophie der 
Magenschleimhaut, als Ausgang einer schlei¬ 
migen GastTitis, stark geschädigte Resorp¬ 
tion und Motilität des Magens. Cirrhose 
seiner Wand und Verkleinern ng-seines 
Rauminhaltes bis auf ca. 150 Cubcm. 

Pat. ging bald zu Grunde. 

Bei der Section fanden sich die in Vivo angenommenen Ver¬ 
änderungen des Magens, daneben in der rechten Niere ein 
Herd, welcher makro- und mikroskopisch als ein tuberku¬ 
löser oder gummöser Process angesprochen werden musste. 

Demonstration des Magenpräparates. 

Secretär: E. Blessig. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Hotz (Chicago) hat den durch Entfernung eines grossen 
Pterygium entstandenen Defect der Conjunctiva nach der 
Thiersch'schen Methode durch einen Hautlappen von der In¬ 
nenseite des Vorderarms zu ersetzen versucht. Der erst fleisch¬ 
farbene Lappen wurde in der zweiten Woche weiss und war 
bedeckt mit Epidermiszellen, die sich leicht abschaben Hessen. 
Allmälig wurde er weich und glatt und ragte schüesslich nur 
ein wenig über das umgebende Gewebe hervor. 

(The Satellite. October 1892). 

— Dr. S t e p p in Nürnberg hat schon vor 3 Jahren das 
Chloroform in wässeriger Lösung (1,0:150,0) innerlich ange¬ 
wandt und damit namentlich bei Typhus abdomin. sehr gute 
Resultate erzielt. Somnolenz, Delirien, Allgemeinbefinden, Puls 
wurden in günstigster W,*se beeinflusst. Auch als Gurgel- 
und Spülwasser bei verschiedenen schwereren Affectionen der 
Mund und Rachenhöhle leistete das Chloroformwasser vor¬ 
treffliche Dienste. Besonder., hervorzuheben ist, dass das 
Chloroform bei innerlicher Anwendung in der angegebenen 
Tagesdosis nie eine nachtheilige Wirkung hatte. (Cf. Münche¬ 
ner med. Wochenschr. 1889 Nr. 8 und 1890 Nr. 45). 


Vermischtet 

— Die allrussischehygienische Ausstellung, welche, 
wie wir vor Kurzem berichteten, zufolgVeines Beschlusses des 
Organisationscomites derselben wegen dar im Frühjahr 1893 
zu befürchtenden Choleragefahr auf das J^hr 1894 verschoben 


wurde, soll nun doch im nächsten Jahre stattfinden. Die Ge¬ 
sellschaft zur Wahrung der Volksgesundheit hat nämlieh in 
ihrer Sitzung am 16. November es für möglich gefunden, die 
Ausstellung im Juli 1893 zu arrangiren. Zur Deckung 
der Unkosten der Ausstellung hat die Gesellschaft 50,000 R. 
ausgesetzt. 

— Wie wir hören, ist Dr. A. Eber mann von dem Präsi¬ 
dium des Organisationscomites der hygienischen Ausstellung 
zurückgetreten nnd ist an seine Stelle der Architekt Graf 
Suzor gewählt worden. 

— Der Professor der Chirurgie Dr. J. N. N o w a z k i in 
Moskau ist anlässlich seines 40jährigen Jubiläums (cfr. Nr. 46) 
von der Moskauer chirurgischen Gesellschaft zum Ehren- 
mitgliede gewählt worden. 

— Vor Kurzem beging hierBelbst der Consultant für innere 
Krankheiten an der Maximilian-Heilanstalt, wirkl. Staatsrath 
Dr. W. Kamenezki, das 50jährige Jubiläum seiner 
ärztlichen Thätigkeit. 

— Ordensverleihung: Der St. Wladimir-Ordes 
III. Classe — dem etatmässigen Consultanten des Hospitaln 
für ambulante Kranke der Grossfürstin Maria Alexandrowna, 
Herzogin von Edinburg, Staatsrath Dr. Tschernyschew. 

— Verstorben:!) Am 15. November der frühere Oberarzt 
des hiesigen Obuchowhospitals Geheirarath Dr. Friedrich 
Herrmann im 82. Lebensjahre. Einen ausführlichen Nekrolog 
bringen wir in der nächsten Nummer. 2) Am 2. November in 
Berlin unser Landsmann der dortige freiprakticirende Arzt Dr. 
GeorgFriedländerim63. Lebensjahre. Als Sohn des Dorpater 
Professors der CameralWissenschaft in Dorpat geboren, erhielt 
er dort seine Schulbildung und bezog im Jahre 1847 die Dor¬ 
pater Universität, an welcher er bis 1851 Medicin studirte. 
Nach Erlangung der Doctorwürde setzte er seine Studien in 
Deutschland behufs weiterer Vervollkommnung fort und Hess 
sich dann in Berlin als praktischer Arzt nieder. Vor Kurzem 
gab er seine Praxis ganz auf, um sich ansschliessUch mit 
literarischen nnd Uebersetzungsarbeiten zu beschäftigen, wozu 
ihn seine umfassende Bildung und seine grossen Sprach- 
kenntnisse befähigten. Auch an politischen Dingen hat er 
lebhaft Theil genommen. Die freisinnigen Blätter rühmen ihm 
eine von «unwandelbarem Freisinn» erfüllte Gesinnung nach. 
3) In Rjasan der Eisenbahnarzt W. A. Petrow im 33. Le¬ 
bensjahre. 4) In Kiew am 6. November der Arzt Sylvester 
Wosnessenski. Nach Absolvirung des Arztexamens in 
Charkow, wurde W. Beamter des Controlhofes in Kiew. 
Während des vorigen Sommers war er als Choleraarzt an 
einer Zuckerfabrik thätig. 5) In Nowaja Ladoga die Aerztin 
Claudia Petrowskaja, geb. Stroganow. welche als Land- 
schaftsärztin seit 10 Jahren fungirte, am Flecktyphus. 6) Im 
Bade Elster der dortige Brunnenarzt Dr. Flechsig im Alter 
von 75 Jahren. Der Hingeschiedene hat sich um die Bäder¬ 
kunde grosse Verdienste erworben. Von ihm rührt unter An¬ 
derem eine für den praktischen Arzt berechnet« Darstellung 
der Balneotherapie her, die in diesem Jahre in zweiter Auflage 
erschienen ist. 7) In St. Moritz (Engadin) der dortige Bade¬ 
arzt Dr. Berry. 

— Die «Royal Society», die bedeutendste wissenschaftliche 
Vereinigung Englands, hat ihrem auswärtigen Mitgliede 
Prof. Dr. Eud. Virchow in Berlin für seine Forschungen 
auf den Gebieten der Pathologie, der pathologischen Anatomie 
und der Archäologie die diesjährige «Copley-Medaille» 
zuerkannt. (A. m. C.-Ztg.). 

— Pasteur in Paris erreicht in diesem Jahre am 27. De- 
cember n. St. sein 70. Lebensjahr. Die Section für Medicin 
und Chirurgie bei der Acad6mie des Sciences hat ein Comitö, 
bestehend aus den Akademikern Marey, Charcot, Brown- 
S6quard, Bouchard, Verneuil, Guyon, Duclaux und 
Gran che, gewählt, das beauftragt ist, die Sammlungen zur 
Beschaffung eines Ehrengeschenks für den berühmten Ge¬ 
lehrten zu veranstalten. Wie verlautet, beabsichtigen auch 
die russischen Aerzte Pasteur bei dieser Gelegenheit eine 
Ehrengabe zu überreichen. 

— Prof. Tillaux ist zum Leiter der chirurgischen Klinik 
der medicinischen Facultät in Paris ernannt worden. 

— Dr. B. W e r i g o hat sich mit Genehmigung der Confe- 
renz der militär-raedicinischen Akademie als Privatdocent 
für Physiologie an der genannten Akademie habi- 
litirt. 

— Als weitere erfreuliche Beweise der Anerken¬ 
nung, welche die Thätigkeit der Aerzte und Studenten 
während der letzten Choleraepidemie gefunden hat, registriren 
wir heute folgende: Die Chersonsche Gouvernements-Land- 
schaftsversammlnng hat einstimmig beschlossen, den Land¬ 
schaftsärzten, welche an der Bekämpfung der Epidemie sich 
betheiligt, den Dank für ihre selbstverleugnende Thätigkeit 
zu notiren. Das Spassk’sche Kreislandschaftsamt hat in sehr 
schmeichelhafter Weise über die Thätigkeit der unter der 
Leitung des Dr. A. .Segen stehenden Sanitätsabtheilnng 
berichtet. Die Moskausche Kreislandschaftsversammlung hat 
den Landschaftsärzten für ihre energische Thätigkeit im Kampf 
geg en die C hole raepidemie ihren Dank ausgesprochen und zu 
Gratificationen für die Feldscher. Feldseherinnen und Kran- 
kenwärterinnen 1000 R. bewilligt. Das Nikolajewsche Stadt- 
arpt (pouv. Cherson) hat - schlossen, dem Studenten der Me- 

*'(iiein der Dorpater Univeisität, Moses Kamener, als Zeichen 
des Dankes dafür, dass derselbe 2 Monate hindurch die Func¬ 
tion eines Choleraarztes nnentgeltlich erfüllt hat, ein gol¬ 
denes Jeton zu überreichen. O i 



XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 


ST. PETERSBURGER 


HEDICIHISC3E WQCI1N303EIFT 


unter der Redaction von 

Prof. Dr. Karl Oehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden 
Sonnabend. — Der Abonnemsntspreis ist in Ausland 6 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postzuatellung; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der XnaertionipreU 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 

■V Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 

bittet man ansschliesslich an die Buchhandlung von (Jarl Stoker m 
St. Petersburg, Newsky-Prospect J# 14, zu riehten. — Kanuiorip te 
sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man aa 
den geschäftsführenden Redacteur Dr. SudolfWanaoh in Sk Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospekt Ji 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich von 1—2 Uhr Nachm. 

48 St. Petersburg, 28. No 

vember (10. December) 1892 


Inhalt: Th. Dobbert: Beiträge zur Lehre von der Tubenschwangerschaft. — Referate: Edwin Kiebs (Professor): 
Zur Pathologie und Therapie der Cholera asiatica. — Bücheranzeigen und Besprechungen: S. L. Schenk: Grundriss 
der Bakteriologie. — Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte, - Dr. Friedrich Herrmann f. — Kleinere 
Mittheilungen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Vacaozen. — Mortalitäts-Bulletin St. Pe¬ 
tersburgs. — Anzeigen. 


Abonnements-Aufforderung. 

Die St. Petersburger 

Medicinische Wochenschrift 

wird auch im Jahre 1893 unter der jetzigen Bedaetion und 
nach dem bisherigen Programm erscheinen. Sie bleibt ihrer 
Aufgabe getreu, ein Organ für praktische Aerzte zu sein nnd 
letztere durch Original arbeiten sowohl als durch Referate 
und Besprechungen neu erschienener Werke mit den Ergeb¬ 
nissen zeitgenössischer medicinischer Forschung bekannt zu 
erhalten. — Wie bisher werden die wissenschaftlichen Ver- 
han dlungen der Dorpater mecLF aoultat in der Wochenschrift 
erscheinen und wird dieselbe als Organ nachstehender Vereine 
und Gesellschaften fortfahren mit der Veröffentlichung der 
Protokolle des allgem. Vereins St. Petersburger Aerzte, 
des 8t. Petersburger Vereins deutscher Aerzte, der Ge¬ 
sellschaft praktischer Aerste zu Riga, der medioini- 
sehen Gesellschaft zu Dorpat und der GeseUaoh&ft In¬ 
ländischer Aerzte. — Besondere Aufmerksamkeit wird die 
Wochenschrift auch fernerhin der russischen madioinisohen 
Literatur widmen und in gleicher Weise, wie im vorigen Jahre, 
auch weiterhin durch fortlaufende Referate über alle wichti¬ 
geren in russ. medioin. Journalen erscheinenden Ar¬ 
beiten, sowie über die Verhandlnngen russischer medioini- 
scher Gesellschaften, den mit der rassischen Sprache nicht 
vertrauten Fachgenossen die Einsicht in diese stetig an Be¬ 
deutung gewinnende Literatur ermöglichen. — Der Abonne¬ 
mentspreis ist incl. Zustellung in Russland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für ein halbes Jahr; in den anderen Ländern 
20 Mark für das Jahr, 10 Mark für ein halbes Jahr. Abon¬ 
nements-Aufträge bittet man an die Buchhandlung von C. 
Bioker in St. Petersburg, Nevsky-Prospect Nr. 14, Manu- 
scripte sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilun¬ 
gen an den geschäftsführenden Redacteur Dr. Rudolf Wa- 
naoh (Petersburger Seite, Grosser Prospect Nr. 7, Quart. 6) 
zu richten. 


Beiträge zur Lehre von der Tubenschwangersohaft. 

Von 

Dr. Th. Dobbert. 

’wj» •' ... 


Die zahlreichen In der Literatur veröffentlichten Fälle 
von Extranterinschwangerschaft haben uns gelehrt, dass 
diese Anomalie, spec. die Tubenschwangerschaft, viel 
häufiger vorkommt, als wir früher annahmen. Nicht zu 
verwundern ist es daher, dass sich das Interesse der 
Gynäkologen eine Zeitlang fast ansschliesslich dieser Frage 
zuwandte und Abhandlungen über Tubenschwangerschaft 
in der Literatur dominirten ’). Stehen augenblicklich 
wieder andere Themata auf der Tagesordnung, so ist 
damit noch nicht gesagt, dass die Frage von der Extra¬ 
uterinschwangerschaft zu einem definitiven Abschluss 
herangereilt ist. Viel «Neues» braucht durch weitere 
Forschungen wohl nicht hinzugefügt zu werden, manches 
schon «Bekannte» harrt jedoch noch der Bestätigung, um 
als beweiskräftig anerkannt zu werden. 

Durch die Freundlichkeit mehrerer Herrn Collegen 
verfüge ich Uber eine Anzahl interessanter Präparate vou 
Tubenschwangerschaft, habe ausserdem in der gynäkolo¬ 
gischen Abtheilung des Peter-Paul Hospitals eine ganze 
Reihe von Eileiterschwangerschaften zu beobachten Gele¬ 
genheit gehabt und erlaube mir daher in Nachstehendem 
die durch Beobachtungen am Krankenbette und durch 
mikroskopische Untersuchungen gesammelten Eindrücke 
mitzutheilen. 

Die klinischen Erfahrungen haben gelehrt, dass die 
Ursachen der Tubenschwangerschaft in einer irgend wie 
gestörten Eileitung zu suchen sind. In der Aetiologie 


*) Vollständige Lit eraturaugaben finden sich in derDissert. 
von K. 3nzrpoACKit «Kt> y?eiri» o BH&MäTOVHofl 6epe- 
MeHHocTz» CHE. 1886 und vom Jahre 1887 an in Frommels 
Jahresberichten über die Fortschritte anf dem Gebiete der Go- 
burtsh. und Gynaekologie. 


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der Nachbarschaft der Gebärmutter und damit in Zusam¬ 
menhang stehende Dislocationen und Knickungen der 
Tube mit besonderer Vorliebe angeführt worden. Man 
suchte selbst die Häufigkeit der in letzter Zeit beobach¬ 
teten Fälle von Extrauterinschwangerschaft mit der immer 
mehr um sich greifenden Verbreitung des Gonococcus und 
den dadurch bedingten Erkrankungen der weiblichen Ge 
schlechtsorgane in Zusammenhang zu bringen. 

Bekanntlich beruhen genannte Entzündungen in der bei 
Weitem grössten Mehrzahl der Fälle auf Infection. Fast 
regelmässig können wir uns bei Sectionen davon über¬ 
zeugen, dass bei einigermassen vorgeschrittenen Ent¬ 
zündungsprocessen in der Nachbarschaft des Eileiters 
der peritoneale Ueberzug und die Gewebsbestandtheile 
der Tube in Mitleidenschaft gezogen werden und braucht 
daher, wie mir scheinen will, kein besonders grosses 
Gewicht darauf gelegt zu werden, ob die Tube als Leiter 
der Infection gedient hat oder dabei nur eine neben¬ 
sächliche Rolle spielte. Die in solchen Fällen schon 
makroskopisch sichtbaren Veränderungen des Eileiters 
gehen mit noch bedeutenderen mikroskopischen Hand in 
Hand. Die Schleimhaut macht so bedeutende Verände¬ 
rungen durch, dass sie nicht nur im acuten Stadium, 
sondern auch für spätere Zeiten funetionsunfähig wird. 
Ich erinnere hier nur an die Veränderungen wie sie nach 
einer Salpingitis purulenta, gonorrhoica, haemorrhagica 
und interstitialis gefunden werden a ). Bei den drei zuerst 
genannten Entzündungsformen pflegt ausserdem eine 
Verwachsung des Orif. abdomin. tubae sehr häufig zu 
sein 3 ). 

Das Ovarium nimmt an den entzündlichen Vorgängen 
gleichfalls mehr weniger regen Antheil. Kommt es in 
solch’ einem veränderten Eierstock überhaupt noch zum 
Reifen und Bersten von Follikeln, so sind für die Auf¬ 
nahme des Ovulum in die Tube und für die Fortbewe¬ 
gung desselben im Eileiter die denkbar ungünstigsten 
Bedingungen vorhanden. Obliteration des Tubenlumens, 
inversio ostii tubae abdominalis, bedeutende Schwellung 
und Wulstung der Schleimhaut und Verlust des Flimmer¬ 
epithels, das sind in Kürze die Hindernisse, welche sich 
dem Eichen entgegenstelleu. Die Veränderungen in der 
Lage der Tube, Knickungen derselben etc. kommen we¬ 
niger in Betracht, weil das Eichen entweder gar nicht 
in die Tube hineingelangt, oder schon im ampullären 
Tlieil derselben liegen bleibt, weil das Epithel der bewe¬ 
genden Kraft verlustig gegangen ist. Die oben ange¬ 
führten Veränderungen werden in einigen Fällen die Ver¬ 
anlassung dazu sein, dass das Ovulum den Weg zum 
Ostium der anderen, vielleicht in geringerem Grade ver¬ 
änderten Tube sucht. 

Bedeutendere Entzündungen sind daher geeignet die 
Entstehung von Retentionscysten der Tube zu begünstigen, 
werden aber, in Folge der tiefgreifenden Veränderungen 
der Schleimhaut, wohl kaum eine Tubenschwangerschaft 
verursachen können. Leichtere Entzündungsformen könnte 
man noch als aetiologisches Moment gelten lassen, doch 
dürften dieselben, bei den geringen Symptomen, welche 
sie verursachen, nicht so häufig wie Eng ström*) 
annimmt, klinisch nls solche diagnosticirt werden. 

In vollem Einklänge hiermit stehen die Befunde welche 


*) Vergl. E. Orthmann «Beiträge zur normalen Histo¬ 
logie und Pathologie der Tuben». Virchow’s Archiv Bd. 108; 
A. Mal tin «Ueber Tubenerkrankung». Zeitsehr. für Geb. 
und Gyn. Bd. XHI; Miihobi «Kx Bonpocy o na(>oxf>KiiHijixx 
(pa.iaouieBtixi, Tpyßx n ähuhhkobx. flncc. CHE. 1889. 

*) Vergl. K. <P. CjiaBHncKifi «Bocnnaeuifl n poTemdoH- 
hhh khcth (pajMonieBuxx Tpyöx». JKyp. aicym. ■ aeHCK. 6o.i. 
1891; L. Landau «UeberTubensäcke».Berlin 1891; Schmitt 
«Zur Kenntniss der Tubengonorrhoe». Arch. f. Gynaekologie 
Bd. 35. 

*) <Znr Aetiologie der Tubenschwangerschaft». Zeitschr. für 
Geb. und Gyn. Bd. 34. 


Tubenschwangerschalten in frühen Stadien wird der Eileiter 
meist frei uud nur selten durch peritonitische Adhaesionen 
und Verklebungen fixirt gefunden. Die in späteren Ent- 
wickelungsphasen sich findenden, zuweilen recht beträcht¬ 
lichen, Verwachsungen sind meistentheils auf entzündliche 
Vorgänge zurückzuiühren, welche sich erst in der Folge 
in der Umgebung des wachsenden Tumors etablirt haben. 
Eine bekannte Thatsache ist ferner, dass bei Extra¬ 
uterinschwangerschaft das Corpus luteum verum häufig 
im Ovarium der entgegengesetzten Seite gefunden wird. 

Schon Werth 6 ), Küstner ’), Engström 7 ) und A. 
weisen darauf hin, dass pathologische Processe im Ei¬ 
leiter selbst Veranlassung zu Tubenschwangerschaft geben 
können. 

Untersuchungen an Serienschnitten makroskopisch nor¬ 
maler Tuben, welche sich unter dem Mikroskop als 
pathologisch verändert erwiesen, iin Vereine mit Unter¬ 
suchungsbefunden, welche an Präparaten von Tuben¬ 
schwangerschaften aus frühen Entwickelungsstadien ge¬ 
wonnen wurden, haben miehzuderUeberzeugung gebracht, 
dass als hauptsächlichstes ursächliches Moment für die 
Entstehung einer Tubenschwangerschaft diejenigen patho¬ 
logischen Veränderungen angesehen werden müssen, weiche 
in der Tube resp. in der Schleimhaut derselben Platz 
greifen. Solche Veränderungen können entweder Folge¬ 
zustände entzündlicher Processe, oder angeborene Ano¬ 
malien sein. Die Entzündungen die hier in Betracht 
kommen, sind meist chronischer Natur, sie zeichnen sich 
besonders durch hyperpiastische Vorgänge aus, beschränken 
sich nicht selten nur auf einzelne Abschnitte der Tuben 
und führen fast nie zu so weitgreifendeu makroskopischen 
Veränderungen wie die oben genannten. Hier sind zu 
nennen: die Salpingitis catarrhalis ehr. vegetativa seu 
proliferans, papiüomatosa, follicularis, interstitialis (einige 
Formen) unu deren Folgezustande, wie sie trefflich von 
Martin, Orthmann, Michnow und A. r ) beschrieben 
werden. 

Besonders möchte ich auf die Salpingitis proliferans 
und follicularis hin weisen. In zwei Fällen Yon Tuben¬ 
schwangerschaft gelang es mir in dem nicht geschwän¬ 
gerten Eileiter diese Entzündungsformen in seJhr ausge¬ 
sprochenem Grade zu constatiren; in dem Präparate der 
Tube einer Jungfrau konnte gleichfalls Salpingitis folli¬ 
cularis geringen Grades nachgewiesen werden. Nicht 
selten wurde nur eine Tube pathologisch verändert 
gefunden, während die Tube der anderen Seite keiue Ab¬ 
weichung von der Norm aufwies. 

Es versteht sich von selbst, dass das anatomisch¬ 
pathologische Bild solcher Fälle ein sehr verschiedenes 
sein kann. Zwischen starker Wulstung und Verdickung 
der Schleimhaut und vollständigem Verschluss des Tuben¬ 
lumens, zwischen geringen Ausbuchtungen der Mucosa 
und der Bildung von Alveolen, welche die ganze Wand 
der Tube durchsetzen, sind zahlreiche Uebergänge vor¬ 
handen. 

Von wesentlicher Bedeutung sind ferner die noch zu 
erwähnenden Divertikel der Tuben Schleimhaut (welche 
zum Theile angeboren sein können). Dieselben werden 
von einigen Autoren'-) als zufällige Befunde bei mikro¬ 
skopischen Untersuchungen der Tuben angeführt; Klein “0 
gelang es zuerst den Nachweis zu liefern, dass es in 
denselben zur Einnistung und Entwickelung eines Eies 


J ) «Beiträge zur Anatomie uud operativeu Behandlung der 
Extrauterinschwangerschaft». Stuttgart 1887. 

°) P. M ü 11 e r ’ s Handbuch der Geburtshilfe. 

') a. a. O, 

") alle a. a. 0. 

*) Williams «Histology of Fallopian Tubes». The americ. 
Journ. of the Med. Sciences. Vol. CII 1891. 

>U J «Zur Aetiologie der schwangeren Tube». Zeitschrift filr 
Geb. und Gyn. Bd. 20. 


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449 


kommen kann. Landan und Reinstein n ) veröffent¬ 
lichten darauf eineu ähnlichen Fall. Ich habe diese Er¬ 
scheinung gleichfalls au zwei Präparaten constatiren 
können ,2 ). 

Windungen der Tube, wie sie von Freund ,3 ) beschrieben 
werden, müssen, falls oben geschilderte pathologische 
Verhältnisse in einem Eileiter bestehen, das Zustande¬ 
kommen einer Tubenschwangerschaft noch bedeutend 
erleichtern. 

Aus dem oben Angeführten ist ersichtlich, dass die Zahl 
der auf Veränderung im Eileiter selbst beruhenden ursäch- 
lichenMomente keine kleine ist, und dass wir keine grob 
anatomischen Veränderungen anzunehmen brauchen, um das 
Zustandekommen einer Tubenschwangerschaft zu erklären. 
Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte aus die Ent¬ 
stehung der Tubenschwangerschaft, so können uns auch 
Fälle, in welchen bei anscheinend gesunden Frauen Ei¬ 
leiterschwangerschaft constatirt wird, in aetiologischer 
Beziehung keine Schwierigkeit bereiten. 

Bei Besprechung der pathologischen Anatomie der 
Tubenschwangerschaft gehe ich auf die Vorgänge in der 
Schleimhaut der geschwängerten Tube und auf die Bildung 
einer Decidna aus Bindegewebselementen derselben nicht 
näher ein, weil diese Veränderungen im Allgemeinen 
dieselben sind, wie wir sie im Uterus in Folge der Gra¬ 
vidität beobachten M ). 

Von besonderem Interesse ist die Frage, ob die Deci- 
dua der schwangeren Tube eine Reflexa bildet. Bekannt¬ 
lich sprechen sich einige Forscher wie z. B. Winkel 16 ) 
und Frommei ,fi ) für das Vorhandensein einer Decidua 
reflexa bei Tubenschwangerschaft aus, während Roki¬ 
tansky, Leopold, Laughans, Wyder, Hennig, 
Klein n ) und A. eine Bildung derselben in Abrede 
stellen. 

In den von mir in Serienschnitten untersuchten 4 Fällen 
von Tubenschwangerschaft habe ich kein Mal eine Reflexa 
zu beobachten Gelegenheit gehabt. Zu denselben Resul¬ 
taten gelangte ich auch bei der Untersuchung anderer 
Präparate von Tubenschwangerschaft, welche nicht in 
Serienschnitte zerlegt wurden. Auf Grund meiner Unter¬ 
suchungen muss ich daher das Vorhandensein einer De¬ 
cidua reflexa bei Tubenschwangerschaft in Abrede stellen. 
Wie haben wir uns dann die Bildung einer Placenta und 
das Verhalten der Blutgefässe bei Eileiterschwanger¬ 
schaften zn denken? Klein *•) macht schon darauf auf¬ 
merksam, dass die Tubendecidua durch stellenweise ener¬ 
gischere Wucherung oft genug Stellen bildet, welche 
einer uterinen Placenta ähnlich sehen. Functionell können 
diese Partien auch als Placenta angesehen werden, da 
sie vorwiegend den intervillösen Kreislauf zu übernehmen 
scheinen, doch konnte Klein auch noch an anderen 
Stellen eine freie Mündung der Tubengefässe zwischen 
den Chorionzotten nachweisen ,# ). Diese Thatsache berech¬ 
tigte ihn zur Annahme, dass in dem von ihm unter¬ 
suchten Falle die Decidua in ihrer ganzen Ausdehnung 
die Rolle einer Placenta übernimmt. Diese Befunde 
Kleins kann ich theilweise bestätigen. 

") »Beiträge zur patliol. Anatomie der Tube». Archiv für 
Gyn. Bd. 39. 

Das eine Präparat ist von mir in Virchow's Archiv Bd. 
127 beschrieben, den anderen Fall hat Dr. v. Schrenk in der 
St. Petersb. medicin. Wochenschr. 1891. Nr. 40 nag. 354 ver¬ 
öffentlicht. 

'*) «Ueber die Indieationen zur operativen Behandlung der 
erkrankten Tuben». Volkmann’s Samml. klin. Vortr. Nr. 323. 

14 ) Vergl. auch meine «Beiträge zur Anatomie der ektopischen 
Schwangerschaft» a. a. 0. 

,s ) Lehrbuch der Geburtshilfe. Leipzig 1889. 

'*» Deutsches Archiv für klin. Men. Bd. 42. 

”) Citirt nach Klein a. a. 0. pag. 297. 

”) a. a. 0. 

'*) Tubare Decidualgefässe sind auch von Leopold, Lang¬ 
haus, K e 11 e r u. A. gesehen worden; eine freie Mündung 
dieser Gefässe in die intervillösen Räume beschreibt hei Tu¬ 
benschwangerschaft meines Wissens zuerst Klein. 


Ich habe an 2 Präparaten Gefässe bis zur freien Ober¬ 
fläche der Deekiua resp. bis in die intervillösen Räume 
verfolgen können. In einem Präparate wurde allerdings 
nur. die freie Mündung eines einzigen Tubengefässes 
constatirt, in dem anderen, zu solchen Untersuchungen 
geeigneteren, konnten an verschiedenen Stellen Gefäss- 
mündungen nachgewiesen werden. 

Bei Durchmusterung der Serienschnitte dieses Präpa¬ 
rates fiel mir folgendes Verhalten einiger Blutgefässe auf. 
Die Gefässe in dem Bereich der Decidua sind dünnwandig, 
ein Theil der Muscularis und Adventitia scheint geschwun¬ 
den, während an dem Endothel für’s Erste keine Ver¬ 
änderungen zu bemerken sind. Je tieler das Gefäss in 
die Decidua eindringt, nm so schmächtiger wird die Muscu¬ 
laris, während das Endothel gequollen erscheint. Diese 
Veränderung in der Gefässwandung geht so weit, bis 
schliesslich nur ein Kranz von gequollenen Endothelien 
sichtbar ist. Zn weilen deuten noch einige circular ange¬ 
ordnete Bindegewebsfasern die Abstammung eines solchen, 
von gequollenen Endothelzellen umgebenen Hohlrauraes 
von einem Blutgefässe an. Wie schon gesagt, konnte an 
mehreren Stellen die Einmündung solcher veränderter 
Gefässe in die intervillären Räume nachgewiesen werden; 
zuweilen setzte sich das Endothel des Gefässes noch eine 
Strecke weit auf die Decidua fort. Chorionzotten und Aus¬ 
läufer derselben ragten stellenweise in die eben beschrie¬ 
bene Gefässmündung hinein. 

Zahlreiche Communicationen der Gefässlumina unter 
einander (vor der Einmündung) und der Bau des Haupt- 
gefässes lassen mich annehmen, dass es sich lüer nm 
Venenmöndnngen handelt. Arterien konnten in dem 
untersuchten Abschnitte der Tube nicht bis zu ihrer 
Mündung verfolgt werden, obgleich dieselben sich an 
einigen Stellen der Decidua näherten, auch theilweise 
schon in derselben verliefen, wobei gleichfalls ein 
Schwinden der Muscularis und Adventitia bemerkt wurde. 
Die Deciduagefässe der Tube scheinen sich somit den 
utero-placentaren analog zu verhalten, wie dieses auch 
schon von Klein behauptet wird. 

Da bei dem Fehlen einer Reflexa von einer Placenta 
im Sinne der uterinen keine Rede sein kann, und die 
Gefässmündungen sich an verschiedenen Stellen der Tuben- 
Decidna finden, so kann ich mich nur der Ansicht an* 
schliessen nach welcher bei der Tubenschwangerschaft die 
Decidna vera in ihrer ganzen Ausdehnung an die Stelle 
einer Placenta tritt. 

In Betreff der Diagnose und Therapie seien mir 
noch einige Bemerkungen gestattet über diejenigen Formen 
der Taben Schwangerschaft, mit welchen wir es in den 
Stadthospitälern, deren Klientel fast ausschliesslich aus 
der weniger intelligenten, arbeitenden Bevölkerungsklasse 
besteht, zu thun haben; ich meine die Haematocele 
retrouterina ex grayiditate extrauterina und den Tuben¬ 
abort. 

Wie es mit anamnestischen Angaben in der Mehrzahl 
der Fälle bestellt ist, brauche ich kaum zu erwähnen. 
Nur selten sind genaue Daten über letzte Menstruation, 
Auftreten des Tumors im Unterleibe, Abgehen von Ge- 
webspartikeln ans der Scheide etc. zn erhalten. Ebenso 
häufig wird die Diagnose erschwert durch bedeutende 
Druckempfindlicbkeit und Aufgetriebenheit des Leibes, 
welche eine exacte gynaekologische Untersuchung illu¬ 
sorisch machen. In solchen Fällen glaube ich die von 
Landau ao ) bei der Behandlung von Tubensäcken geübte 
Punction des Tumor bestens empfehlen zu können. Eine 
Punction mit nicht zn feiner Nadel durch das hintere 
Scheidengewölbe oder, in sich dazu eignenden Fällen, 
durch die Bauchdecken, dürfte uns immer über den Cha¬ 
rakter der Geschwulst Aufklärung verschaffen und nur 
in Au8nahmefäiien schlechte Folgen nach sich ziehen. 


*°) a. a. 0. 


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450 


IW der Behandlung der Haematocelen wild häufig ein 
passives Verhalten empfohlen, es sei denn, dass Fieber 
einen operativen Eingriff indicirt. Temperatursteigerungen 
dürfen in solchen Fällen, wie mir scheinen will, nicht 
entscheidend für unser therapeutisches Handeln sein. Wir 
besitzen im Fieber, besonders in den verschiedenen Höhen¬ 
graden desselben, kein absolut sicheres Zeichen für Zer¬ 
setzung Vorgänge . 

Viel bessere Anhaltspunkte haben wir im Verhalten 
der Haeihatocele. Tritt bald nach erfolgtem Bluterguss 
Neigung zur Resorption des ergossenen Blutes auf, so 
kann ruhig abgewartet werden, verzögert sich diese 
Selbsthilfe der Natur, treten keine Veränderungen in den 
Dimensionen des Tumors ein, oder werden sie gar noch 
grösser, so ist die Zeit gekommen, wo wir handelnd ei n- 
greifen müssen. 

Die klinische Erfahrung lehrt, dass wenn bei solchen 
wenig Neigung zur Resorption zeigenden Haematocelen 
doch schliesslich noch Aufsaugung erfolgt, eine resti¬ 
tutio in integrum fast nicht stattfindet und die Frauen 
für lange Zeit krank und leistungsunfähig bleiben; meist 
etabliren sich in dem stagnirenden Blute Zersetzungs¬ 
vorgänge, welche zu Eiterung und Jauchung führen. 

Haben wir so lange gezögert, so ist der geeigneteste 
Moment verpasst und die ungünstigsten Verhältnisse für 
eine Operation vorhanden. 

Mit Recht ist in neuerer Zeit eine operative Behand¬ 
lung der Haematocelen empfohlen worden *‘). Meinungs¬ 
verschiedenheiten bestehen nur darüber, ob dieser Ein¬ 
griff zweckmässiger von der Scheide aus, oder von der 
Bauchhöhle her unternommen wird 

Vom theoretischen und praktischen Gesichtspunkte aus 
erscheint es wünschenswert!!, dass bei der Operation nach 
Möglichkeit alles krankhaft Veränderte (Tube, Frucht- 
theile, Sackwandung) entfernt wird. Durch eine für alle 
Fälle gleiche Operation diesen Forderungen Genüge zu 
bieten ist nicht gut möglich und wird daher in jedem 
einzelnen Falle dasjenige Verfahren gewählt werden 
müssen, welches den anatomischen Verhältnissen ent¬ 
spricht. Letztere sind bei Haematocelen grösserer Di¬ 
mensionen, welche die Grenzen des Beckens überschritten 
und sich im unteren Tkeile der Bauchhöhle oberhalb der 
Symphyse etablirt haben, andere als bei kleinen, womög¬ 
lich nur auf das kleine Becken beschränkten Bluter¬ 
güssen. Beide der angeführten Paradigmata haben das 
gemeinsam, dass meist Verklebungen der Därme unter¬ 
einander und mit dem Haematocelensacke bestehen; wäh¬ 
rend jedoch im ersten Falle die Därme durch den Tumor 
in die Höhe gedrängt sind und znwoilen schon Verwach¬ 
sungen der Sackwand mit den Bauchdecken bestehen, 
liegen die Intestina in letzterem Falle fixirt ln der Becken¬ 
höhle. Hieraus folgt, dass bei kleinen Haematocelen ein 
Vorgehen von der Bauchhöhle aus grosse Schwierigkeiten 
bereiten und bedeutende Infectionsgefahren involviren 
itaUss, während die Entfernung der pathologisch verän¬ 
derten Theile von der Scheide aus verhältnissmässlg leicht 
uftd gefahrlos bewerkstelligt werden kann. Grössere Tu¬ 
moren Werden sich mehr zur Laparotomie eignen, weil 
durch dieselbe eine bessere OrienUrung und radicaleres 
VöTgehOn ermöglicht wird, wobei die Bauchhöhle durch 
die erwähnten Adhäsionen und Schwartenbildungen recht 
sicher vor IufectSon geschützt bleibt. 

Unter den für die erstgenannte Gruppe von Haema¬ 
tocelen sich eignenden Operationsmethoden ist an erster 
Stelle die Elytrotomie zu nennen. 

Geringe technische Schwierigkeiten und verhältniss- 
n&ästg'e Ungefährlichkeit sind die Vorzüge dieses opera¬ 
tiven Eingriffes; der dadurch erzielte Effect ist häufig 

**) v. S t r a ü c h «Ueber Haematocele» diese Wochenschr. 
Nr. 53 1890; W. Z w e i f e 1. «Ueber Extrauteringravidität und 
retrouterine Haematocele» in der Festschr. z. 35 jährig. Prof.- 
Jubiläum von Prof. Guiserow. 


kein ganz befriedigender. Die Incisionswunde im hinteren 
Scheidengewölbe neigt sehr zur Vernarbung und Retrac- 
tion; die Oeffnung wird zuweilen auch durch Herabsinken 
der Portio vaginalis verlegt, wodurch die Tamponade 
resp. Drainage bedeutend erschwert wird und Secretver- 
haltung mit ihren Folgen eintritt. 

Partielle Resection des Uterus nach Th. Landau fl ) 
oder Pean’s Morcellement dürften für schwierigere 
Fälle die geeigneteren Operationen sein — persönliche Er¬ 
fahrungen hierüber habe ich nicht. 

Für Laparotomie-Fälle eignet sich sehr gut ein Ver¬ 
fahren, wie es von Dombrowski geübt wird; 

Nach den üblichen Vorbereitungen zur Operation wird 
Pat. in Steissrückenlage gebracht. 

Ein in frontaler Richtung geführte! - Schnitt eröffnet 
das hintere Scheidengewölbe und durchtrennt die Zellge- 
websschichten bis Zum Haematocelensack. Tamponade 
der Vagina mit Jodoformgaze. Pat. wird auf dem Ope¬ 
rationstisch nach Trendelenbarg gelagert. Schnittfüh- 
rung in der Linea alba zwischen Nabel und Symphyse. 
Erweist sich nach Durchtrennung der Bauchwand, dass 
der Tumor mit dem Peritoneum parietale verbacken ist, 
so wird in den Haematocelensack eingeschnitten; sind 
keine Verklebungen mit den Bauchdecken vorhanden, 
so spaltet man, nach vorausgeschickter Orientirung über 
die Lage des Tumors, Adhäsionen mit den Nachbaror- 
ganen etc., die Haematocele und näht die Sackwand in 
die Bauchwunde ein, um das Abdomen vor Verunreini¬ 
gung zu schützen. Es folgt Ausräumung der Höhle und 
Abtragung der pathologisch veränderten Gewebstheile. 
Ist das Operationsfeld nach Möglichkeit gereinigt, so wird 
nach Lösung der fixirenden Nähte von der Sackwand so 
viel entfernt, als es die Verhältnisse gestatten und der 
eventuell restirende Theil wieder in die Bauchwunde ein¬ 
genäht. 

Der Tampon wird nun aus der Vagina entfernt, eine 
Kornzange durch die Wundöffnung im hinteren Scheiden¬ 
gewölbe in den untersten Abschnitt der durch die Ope¬ 
ration gesetzten Höhle gestossen und ein längerer Gaze¬ 
streifen von der Bauchwunde aus in die Vagina geleitet, 
so dass das eine Ende des Tampon sich in der Bauch¬ 
wunde das andere in der Scheide befindet. Der übrige 
Theil der Höhle wird mit Gaze austamponirt und die, 
Bauchhöhle bis auf die Oeffnung für die Tampons durch 
Nähte geschlossen. Beim ersten Verbandwechsel werden 
die Tampons durch die Oeffnung in der Banchwunde ent¬ 
fernt und die Höhle gereinigt. Ist es noch erforderlich, 
so wird abermals tamponirt; meist hat sich jedoch die 
Hölile schon verkleinert, und der eine von der Bauch¬ 
wunde aus in die Vagina geführte Tampon genügt, um 
dieselbe auszufüllen. Der Gazestreifen, welcher in der 
Folge durch ein gefenstertes Drainrohr ersetzt werden, 
kann, bleibt so lange liegen, bis eine Sequestrirung von 
Gewebstheilen nicht mehr stattfindet, die Höhle an Di¬ 
mension bedeutend abgenommen hat und die Eiterung 
eine mässige ist. Unter diesen Umständen wird der Tam¬ 
pon nur von der Scheide aus eingeführt. Die Banch¬ 
wunde heilt per granulationem. 

Durch das eben geschilderte Verfahren wird die Nach¬ 
behandlung sehr erleichtert. Da die nach der Operation 
zurückgebliebene Höhle nach 2 Seiten hin drainirt wird, 
kann keine Stauung des Sekretes resp Eiters stattfinden, 
ferner können sich häufig noch nachträglich abstossende 
Gewebspartikel durch die obere Oeffnung bequem und 
leicht entfernt werden, wie denn überhaupt das Vor¬ 
handensein zweier Oeffnungen eine gründliche Spülung 
möglich macht. 

Eine Drainage nach der Scheide bei Laparotomien 
mit vollständigem Verschluss der Bauchwunde wurde 


n ) «Die Resection des Uterus». Centralblatt für Gynaekol. 
Nr. 35. 1893. 


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45 J 


schon 1881 von Martin auf dem VI. internationalen 
Congress zu London vorgeschlagen und ist seitdem von 
einigen Gynaekologen, u. A. auch von Zweiffel **) geübt 
worden, v. Ott 54 ) hat sich gleichfalls von derselben 
Idee bei Laparotomien leiten lassen. Das Olfenbleiben 
eines Theiles der Bauchwunde bietet jedoch, wie schon 
erwähnt, einige Vortheile und möchte ich daher für Fälle, 
in welchen man gezwungen ist Theile des Haematocelen 
resp. Tubensackes iu der Bauchhöhle zurückzulassen. 
das Dombrowski’sche Verfahren empfehlen. 

Zum Schluss sei es mir noch gestattet in Kürze die 
Krankengeschichten von 5 im Jahre 1892 nach dieser 
Methode behandelten Fällen von Haematocele retrouterina 
anznführen. 


Fall I. Krankenjournal Nr. 886. M. L. 23jährige Bäuerin 
ist Matter von 2 Kindern, von welchen das jüngere vor 3 
Jahren geboren wurde. Die erste Menstrhation trat im 14 
Jahre auf, kehrte regelmässig in 4 wöchentlichen Intervallen 
wieder und dauerte 4—7 Tage. Letzte Begel im December 
1891 (?). Im Januar sollen besonders am Morgen Uebelkeiten 
vorhanden gewesen sein; in den ersten Tagen des Februar 
stellte sich unter wehenartigen Schmerzen Blutabgang ein, 
welcher bis zur Aufnahme der Pat. andauerte. Beim Auftreten 
der Blutungen soll Pat- in Ohnmacht gefallen sein, auch soll 
sie sich noch längere Zeit nachher recht schwach gefühlt 
haben, so dass sie 1*/» Wochen das Bett zu hüten genöthigt 
war. Mit dem Eintritt der Blutungen hörte auch die Uebel- 
keit auf. 

Status praesens den 2. März 1892. Pat. ist von kräftigem 
Knochenbau, recht anämisch, Brüste wenig geschwellt, entleeren 
auf Druck Colostrum-artige Flüssigkeit. Leib etwas gespannt, 
Unterleibsgegend besonders rechterseits auf Druck empfindlich. 
Durch die Bauchdecken wird in dev rechten Reg. inguinalis 
ein derb elastischer Tumor gefühlt. Uterus wenig vergröshert, 
anteflectirt und zur Symphysis oss. pubis gedrängt. Im hinteren 
Scheidengewölbe ist ein Tumor durchfühlbar, welcher der 
rechten und hinteren Gebärmutterwand fest anliegt. Auf 
dieser circa fanstgrossen Geschwulst verläuft, vom Fundus 
uteri ausgehend, in schräger Richtung von vorne nach hinten 
und lateralwärts ein etwa fingerdicker Strang, welcher mit 
der tiefer gelegenen Geschwulst verbacken ist. Temperatur 
normal, Puls etwas schwach, regelmässig. Häufiges und 
schmerzhaftes Uriniren. 

13.—14. März. Das Befinden der Pat. hat sich verschlimmert; 
jüe klagt über die heftigsten Schmerzen im Unterleibe. Der 
Tumor im Abdomen hat an Dimensionen zugenommen; der 
wurstförmige 3träng ist nicht mehr zu palpiren. Abends 
treten Temperatursteigernngen auf, welche vom 12. an in ein 
continuiiliches Fieber mit Abendsteigerangen bis zu 39,9° 
übergehen. Ans den Genitalien entleert sich blutig tingirte 
Flüssigkeit, seltener reines Blut. 

Am 14. März konnte von mir folgender Genitalien befand 
aufgenommen werden: Portio vaginalis stark nach oben und 
vorne gedrängt; äusserer M. M. für eine Fingerkuppe durch¬ 
gängig; Gebärmutter nach links verdrängt, doch lassen sich 
die Lontouren derselben nicht ganz genau bestimmen. Das 
hintere und das rechte Scheidengewölbe sind durch einen 
Tumor herabgedrängt, welcher sich, die Höhle des kleinen 
Beckens ausfüllend, bis in die Bauchhöhle erstreckt. Obere 
Grenze desselben circa 3 Querfinger breit unter dem Nabel. 
Eine Punction durch das hintere Scheidengewblbe und eine 
zweite durch die Bauchdeckeu ergeben dunkles, dünnflüssiges 
Blut. 

willigte in die ihr vorgeschlagene Operation ein, welche 
am 16. März in der Chirurg.Abtheilnng von Dombrowski 
1° der oben beschriebenen Weise ausgeführt wurde. 

Die vordere Partie der Hämatocelenwand, welche zum 
grössten Theile bei der Operation entfernt wurde, schliesst 
die verdickte, vielfach geschlängelte rechte Tube ein, welche 
mit dem erweiterten abdominalen Ende frei in den Blutsack 
mündet. Die Tabenwand ist in dieser Partie circa 1 Cm. dick, 
ooo 2a a }? n ^ a ®k, der Operation fieberte Pat. noch, 

j ’ * * * ) “ch jedoch verhältnismässig gut. In den 

darauf folgenden Tagen wurde die Temp. subfebril und kehrte 
nach weiteren 24 Stunden zur Norm zurück. Beim Verband- 
wechsel entleerten sich anfangs aus der Bauchwnnde beden- 
tende Eitermengeu. welche jedoch nach einiger Zeit weniger 
reichlich wurden, so dass der Tampon in der Bauchwunde 
weggelassen werden konnte, worauf schnelle Verheilung und 
Vernarbung der Wunde erfolgte. Vom 22.-24. April men- 
struirte Pat. Am 26. April wurde sie mit verheilter Bauch- j 


”) a. a. 0. 

“) «Einige technische Modifioationen der Tamponade der 
Bauchhöhle». Centralblatt für Gynaekologie 1882. Nr. 32. 


und Scheideuwunde mit dem Dombrowski’schen Heftpflaster¬ 
verband entlassen. 

Unter dem Mikroskop liess sich in der exstirpirten Tube 
eine bedeutende Hypertrophie der Bindegewebs- und Muskel¬ 
elemente der Wandung nachweisen. Bedeutender Gefässreich- 
thum. ln der Mucosa zahlreiche mit Blut gefüllte Hohlräume, 
welche sich als colossal erweiterte Gefässe erweisen. Das 
Tabenepithel erscheint etwas niedriger und gequollen. In 
einiger Entfernung vom abdominalen Ende der Tube findet 
sich, der Sohleimhaut derselben fest aufsitzend, ein ca. linsen¬ 
grosses Blutgerinnsel. Auf Schnitten aus dieser Stelle sieht 
man unter dem Mikroskop in den tieferen Partien der Mucosa 
dilatirte. von Blut strotzende Gefässe; einige derselben liegen 
näher zu dem freien Rande der Schleimhaut; in ihrer Umge¬ 
bung bedeutende Infiltration des Gewebes mit Blutkörperchen. 
An der Stelle, wo das Blutgerinnsel sich befindet, fehlt das 
Epithel. Eb handelt sich hier offenbar um eiuen Bluterguss in 
das Lumen der Tube nach Beratung eines der erweiterten 
Blutgefässe der Schleimhaut. Chorionzotteu habe ich nirgends 
nachweisen können. 

Fall II. Krankenjonrnal Nr. 1065. K. L. Soldatenfrau 39 a. n. 
hat 4 mal geboren; die letzte Geburt erfolgte vor 4 Jahren. 
Nach dem le.zten Wochenbette will sie 8 Monate an Haemor- 
rhoiden gelitten haben, ira Uebrigen stets gesund gewesen 
sein. Die Menses traten iin 14. Lebenuahre auf und sind nach 
der letzten Geburt regelmässig alle3 Wochen.eingetreten und 
haben 7 Tage gedauert Letzte regelmässige Menstruation vor 
6 (?) Monaten. Bald nach der letzten Menstruation erkraukte 
Pat. plötzlich (Angaben des Mannes); sie fiel in Ohnmacht und 
war längere Zeit bewusstlos. Aus diesem Zustande erwachte 
sie mit den heftigsten Schmerzen, welche sich nur nach einer 
subcutaaen Morphiuuiiiyection, die von einem hinzugerufenen 
Arzte gemacht wurde, etwas milderten. Von dieser Zeit an 
leidet rat. an häufigen Schwindelanfällen. Die letzten 3 Mo¬ 
nate wurde fast beständig geringer Blntabgang beobachtet. 

Stat. pr. den 14. März. Kräftige Brünette von blasser Hant- 
farbe. Unterleib etwas aufgetrieben und sehr schmerzhaft. 
Uterus vergrössert, normal anteflectirt, wenig beweglich und 
von derber Consistenz. Blutige Ausscheidung aus den Geni¬ 
talien. Durch das rechte und hintere Scheidengewölbe ist ein 
Tumor zu fühlen, welcher ungefähr kindskopfgross ist, sich 
fast garnicht dislociren lässt nnd eine teigig-elastische Con¬ 
sistenz besftzt. Temperatur und Puls normal. 

15.—28. März. Blutige Ausscheidungen dauern fort. Empfind¬ 
lichkeit des Tumors recht bedeutend; die Dimensionen desselben 
sind unverändert geblieben. Temperatur normal. Pat. wird in 
die Chirurg. Abtheilnng tibergefülirt und am 29. März von 
Dombrowski operirt. 

Nach Eröffnung des Peritoneum findet man den Uterus nach 
links verlagert; rechts und theilweise auch hinter demselben 
liegt ein Tumor, welcher an seiner oberen und hinteren Fläche 
fest mit Darmschlingen verbacken ist. Die rechte l abe geht 
auf die Geschwulst über und verliert sich in derselben. Lin¬ 
kerseits besteht eine Haeiuatosalpinx, welche mit dem Tnmor 
rechterseits stellweise fest verbacken ist. Nach Dnrchtrennung 
der Haematocelenwand präsentirt sich ein zweiter Sack, nach 
dessen Eröffnung ein mit Blutgerinnseln erfüllter Hoblraum 
sichtbar wird. Entfernung der Blutgerinnsel und der dieselben 
umgebenden Schwarten. Nach Unterbindung der rechten Tube 
wird ein Theil derselben, das rechte Ovarium und ein Stück 
der Sackwand entfernt. Exstirpation der Haematosalpinx der 
linken Seite. Tamponade der Höhle. 

Der Krankheitsverlauf nach der Operation bietet keine Be¬ 
sonderheiten dar. Temperatursteigerungen fanden nicht statt. 
Die anfänglich recht bedeutende Eiterung wurde allmählig 
geringer, so dass eine Vernarbung; der Bauch wunde angestrebt 
weiden konnte. Pat. erholte sich gut, nahm bedeutend an 
Körpergewicht zn. Nachdem auch die Scheidenwunde vernarbt 
war, wurde sie am 26. Juni als geheilt mit einem Heftpflaster- 
verbande entlassen. 

Die bei der Operation entfernte Gewebspartie enthält die 
geschlängelt verlaufende, nicht wesentlich verdickte Tube und 
ein cystisch degenerirtes Ovarium. Beide Adnexe des Uterus 
sind m eine Gewebsmasse eingebettet, welche stellenweise eine 
Dicke von 1—1'/» Om. erreicht nnd zum grössten Theil aus 
Bindegewebe besteht. Mikroskopisch lässt sich in der Schleim¬ 
haut der Tube stellenweise Bildung von Deciduazellen nach¬ 
weisen. Das Tubenepithel trägt an solchen Stellen den Cha¬ 
rakter eines cubischen Epithels. Gefässentwickelnng in der 
Mucosa und Mnscularis bedeutend. In einem derWana anhaf¬ 
tenden kleinen Blutgerinnsel ist der Querschnitt einer Chorion¬ 
zotte sichtbar. 

Fall III. Krankenjournal Nr. 1266. M. A. 26jährige Bäuerin 
wurde am 30. März in die gyn. Abtheilnng aufgenommen. Sie 
klagt über heftige 8chmerzen im Unterleibe und erschwertes 
Harnlassen. Pat. hat 1 mal vor 7 Jahren geboren; seitdem ist 
sie stete gesund gewesen. Menstrnirt vom 17. Jahre an alle 
4 Wochen 4 Tage lang. Die letzten zur Zeit eingetretenen 
Menses will sie kurz vor ihrem Eintritt ins Hospital gehabt 
haben. 


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452 


Bei der gynäkologischen Untersuchung wurde der ver- 
grösserte Uterus stark an die Symphyse gedrängt gefunden . 
Der hintere Douglas ist von einer elastischen, sehr schmerz¬ 
haften Geschwulst ausgeftillt; eine genaue Bestimmung der 
Grenzen derselben ist unmöglich. Temperatur normal. Puls 
befriedigend. Massige blutige Ausscheidung aus der Gebär¬ 
mutter. 

Auf Eis und Opiate nahm die Empfindlichkeit des Leibes 
ab. Da aber keine Verkleinerung des Tumors bemerkbar war 
und einmal die Abt-ndtemperatur 38,5° betrug, wurde eine 
Pnnction des Tumors durch das hintere Scheidengewölbe ans- 
gefuhrt, wobei dnnkles flüssiges Blut entleert wurde. Pat. 
entschloss sich nicht sogleich zur Operation, willigte schliess¬ 
lich aber doch in dieselbe ein und wurde am 15. April von 
Dombrowski operirt. 

Nach Eröffnung der Bauchhöhle und Lösung einigeradliae- 
rirender Dannschlingen erweist es sich, dass der Fundus Uteri 
nnd die verdickte Tube fest mit dem Darme verbacken sind. 
Die Tube wild nahe am Uterus abgebunden. worauf es gelingt 
den Eileiter und das Ovarinm aus den Verklebungen heraus- 
zupräpariren. Die Tube ist mit ihrer abdominalen Oeffnung 
zum Douglas hin gerichtet und mündet hier in einen circa 
apfelgrossen Blntsack, aus welchem alte Blutgerinnsel und 
flüssiges Blut entleert werden. Die Haemat ocelen wand wird 
nach Möglichkeit entfernt und die Bauchhöhle in der oben 
angegebenen Weise tamppnirt. 

Nach der Operation \tfar Pat. vollständig fieberfrei; die 
Eiterung war nicht bedeutend, die Wunden vernarbten gnt, 
und Pat. wurde am 1. Jnni mit einem Heftpflasterverbande 
nach Hanse entlassen. 

Die exstirpirte Tube ist verdickt und stark geschlängelt; 
ungefähr in der Mitte derselben befindet sich eine etwa hasel- 
nnssgrosse Anschwellung. Auf einem Längsschnitte sieht man, 
dass das Lumen der Tube sich an dieser Stelle allmählig 
erweitert nnd dass in der dadnreh gebildeten Höhle ein festes 
Blutgerinnsel der Tubenwand aufsitzt. Das Orif. tubae abdo¬ 
minale klafft weit. Im erwähnten Blutgerinnsel lassen sich 
unter dem Mikroskope deutliche Ohorionzotten nacliweisen. 

Fall IV. Krankenjournal Nr. 1276. M. A. 32 a. n. hat weder 
geboren noch abortirt. Erste Menses im 16. Jahre, sind regel¬ 
mässig in 4 wöchentlichem Typus wiedergekehrt. Die letzte 
Menstruation war Anfang März, die Blutung hörte jedoch 
nicht wie gewöhnlich nach 4 Tagen auf, sondern dauerte bis 
znr Aufnahme der Pat. ins Hospital, welche am 31. März 
erfolgte. 

Pat. klagt über heftige Schmerzen im Leibe, Uebelkeiten, 
Schwindel und bedeutendes Schwächegefühl. 

Die recht wohl genährte Frau sieht etwas anämisch aus; 
der Puls ist leicht unterdrückbar 120 Schläge in d. M. Aus 
den Brüsten entleert sich Colostrum-ähnliche Flüssigkeit. Der 
Leib ist aufgetrieben, bei Berührung sehr schmerzhaft. Port, 
vaginalis schlaff, etwas vergrössert. desgleichen der Uterus, 
welcher nach rechts und oben dislocirt ist. Im Dongias ein 
über faustgrosser Tumor. Eine Punction desselben durch das 
hintere Scheidengewölbe ergiebt eine dunkele, blutige Flüssig¬ 
keit. Die Körpertemperatur der Pat. wnr bei der Aufnahme 
am Morgen eine subfebrile. Abends waren geringe Erhöhungen 
bis 38— 38,5° vorhanden. Nach Verlauf weniger Tage wurde 
das Fieber ein continnirliches. der Tumor veränderte sich in 
seinen Dimensionen garnicht und Pat. wurde daher am 13. 
April von Dombrowski laparotomirt. Der Schnitt in der 
Linea alba, welcher bis zum Nabel geführt wird, eröffnet nur 
im obersten Abschnitte die Bauchhöhle; im unteren Theile 
bestehen feste Verklebungen der Haemotocele mit den Banch- 
decken, so dass dieselbe durch den Schnitt eröffnet wird. Der 
Blntsack breitet sich hauptsächlich hinter dem an die Sym¬ 
physe gedrängten Uterus aus. Die rechte Tube mündet in den 
Sack; sie wird unterbunden und mit einem Theile der Sack¬ 
wand exstirpirt. 

In den ersten Tagen nach der Operation fieberte Pat. noch bis 
38,5°; nachdem sich aber einige Gewebsfetzen abgestossen hatten, 
hörte das Fieber auf, die Eiternng wurde gering und konnte 
Pat. am 25. Juni als geheilt mit einem Heftpflasterverbande 
entlassen werden. 

Das Präparat enthält ein Stück der Tube, deren abdominale 
Oeffnung fest mit der Sackwand verwachsen ist und direct in 
die Haemotocele übergeht. Bei der mikroskopischen Unter¬ 
suchung wurde eine Zunahme hauptsächlich der bindegewebigen 
Elemente der Tnbenwand und mässige Gefässentwickelung in 
derselben constatirt. Veränderungen des Tnbenepithels sowie 
Chorionzotten wurden nicht gefunden. 

Fall V. Krankenjournal Nr. 1145. J. A. 26 a. n. hat 3 mal 
geboren nnd vor einigen Jahren 1 mal abortirt. Letzte regel¬ 
mässige Menses im Januar 1892. Die darauffolgende Menstrua¬ 
tion im Februar verspätete um mehrere Tage und es stellte 
sich am 24. Februar ein blutiger Ausfluss aus den Genitalien 
ein, welcher bis zur Aufnahme der Pat. (18. Mürz) andauerte. 
Zeitweise will Pat. Uebelkeiten und besondere Gelüste gehabt 
haben, welche mit dem Eintritt der Blutungen verschwanden. 

Status praes. Kräftige Blondine. Brüste mässig geschwellt, 


enthalten Colostrum, Leib etwas aufgetriebeu. etwas schmerz¬ 
haft. Bei der combinirten Untersuchung wird direct durch das 
linke Scheidengewölbe ein Tumor gefühlt, dessen Contonren 
sich nicht gei au bestimmen lassen, weil Pat. beider leisesten 
Berührung starke Schmerzen empfindet. Portio vaginal, weich, 
vergrössert. an der vorderen Lippe ein erbsengrosser Schleim¬ 
polyp, welcher entfernt wird. Temp. 37,9 - 37.6. Puls kräftig:. 
Ara 19. März Abends bekommt Pat. auf dem Naclitstuhle 
sitzend einen Ohnmachtsanfall. Sie wird fast pnlslos ins Bett 
gebracht. Haut und sichtbare Schleimhäute anämisch, Leib 
bedeutend aufgetrieben, sehr schmerzempfindlich. Percutorisch 
lässt sich im Unterleibe eine Dämpfung bestimmen, deren obere 
Grenze, ungefähr 3 Querfinger breit über der Symphyse steht. 
Uebelkeiten. Aufstosscn. kleiner frequenter Puls 110—114 in 
d. M. Blutig schleimiger Ausfluss ans der Gebärmutter. Am 
23. März wird die in toto ausgestossene Decidua ans der Va¬ 
gina entfernt. Temperatur subfebri). Das Allgemeinbefinden 
der Pat. hat sich ein wenig gebessert, der Puls ist kräftiger. 
Obgleich Pat. auf einen operativen Eingriff nicht eingeht, 
wird sie dennoch in die Chirurg. Abtheilung übergeführt. nm 
im Falle einer nochmaligen intra-abdominellen Blutung sofort 
operirt werden zu können. Der Zustand der Pat. besserte sich 
in den darauf folgenden Tagen, sie wurde weniger anämisch 
und die Aufgetrieben heit des Leibes nahm ab. Bei nochmaliger 
Untersuchung fand ich die Portio vag. ein weuig verkürzt, 
äusseren Muttermund für einen Finger durchgängig, Uterus dem 
2. Schwangerschaftsraonat entsprechend vergrössert und nach 
rechts dislocirt. Links nnd rechts von dev Gebärmutter befindet 
sich eine teigig elastische Geschwulst, welche ungefähr bis 
zur Nabelhöhe reicht. Die Temp. sind am Morgen meist normale, 
Abends subfebrile. Eine Verkleinerung des Blutergusses ist 
nicht bemerkbar. Am 1. April tritt Fieber ein, die Temp. 
schwanken zwischen 38,4 und 39.9°. Pat. fühlt sich schlecht 
und entschliesst sich nach langem Zögern zur Operation, 
welche von mir am 6. April ansgeführt wurde. Nach Durch¬ 
trennung der Bauchdecken erwies es sich, dass die Haema- 
tocele schon mit den Bauchdecken verklebt war. Der Sack 
wurde breit eröffnet und aus demselben bedeutende Mengen 
sowohl flüssigen als geronnenen Blutes entleert. Im Haema- 
tocelen-Sacke fühlt man darauf zwei derbere Gewebsstücke von 
welchen das eine der Innenfläche der Sackwand anliegt (Ova- 
lium) während das andere in die Höhle hineinhängt (Tube). 
Beide Gewebsstücke werden nach Unterbindung entfernt, die 
Höhle gründlich gereinigt nnd tamponirt. 

Nach der Operation war Pat. vollständig fieberfrei und 
erholte sich gnt. Die Eiternng war anfangs recht bedentend. 
doch erfolgte verhältnissmässig schnell eine Verkleinerung der 
grossen Höhle. Am 22. Mai wird Pat. geheilt entlassen. 

Das entfernte Stück der Tube ist in Pseudomembranea ein¬ 
gehüllt, die Tube selbst bedeutend verdickt. Ungefahr 6 Cm. 
von der abdominalen Oeffnnng entfeint, erweitert sich plötzlich 
das Lumen der Tnbe, während die Wandungen in diesem Ab¬ 
schnitte etwas dünner als in dem übrigen Theile deB Eileiters 
sind. Die Schleimhaut ist röthlioh-braun verfärbt, grössere 
Blutgerinnsel haften derselben nicht an. 

Mikroskopischer Befund: Das gnt erhaltene Tubenepithel ist 
von einer dünnen Schicht in Oigauisation begriffenen Blutes 
bedeckt. In der Mncosa beginnt stellenweise Bildung von De- 
cidnazellen. Bei genauerer Durchmusterung der die freie 
Oberfläche der Schleimhaut bedeckenden Blntschichten finden 
sich zuweilen runde oder ovale Gebilde, welche den Farbstoff 
schlecht annehmen. Sie besitzen einen etwas dunkleren homo¬ 
genen Randstreifen, in welchem zuweilen noch eine Lage un¬ 
regelmässiger, den Farbstoff noch annehmender Kerne sichtbar 
ist. und ein farbloses bald körniges, bald streifiges Centrum. 
Zuweilen finden sich in dieser nicht mehr als organisirtes 
Gewebe anzusehenden Masse noch einige längliche, nicht 
gefärbte Kerne. Es handelt sioh hier höchst wahrscheinlich 
nm Querschnitte von Chorionzotten, w elche in Folge schlechter 
Ernährungsverhältnisse der regressiven Metamorphose ver¬ 
fallen sind — Verändeiungen wie sie von Keller 2S ) zutreffeud 
geschildert werden. 

Von den soeben beschriebenen 5 Fällen von Haema- 
tocele retrouterina sind 3 mit Sicherheit auf Tuben¬ 
schwangerschaft zurdckzuführen. In keinem dieser Fälle 
war es zu einer Continuitätstrennung in der Tubenwand 
gekommen; das Blut muss sich folglich durch das orif. 
abdominale in die Bauchhöhle ergossen haben, ln 2 
Fällen gelang es nicht die Ursache der Blutung fest¬ 
zustellen. 

Wie wichtig und inteiessant der Nachweis des ursäch¬ 
lichen Momentes einer Haematocelenbildung in mancher 
Hinsicht auch sein möge, für die Therapie wird derselbe 


JS ) «Zur Diagnose der Tubengravidität». Zeitschrift f. Geb. 
und Gyn. Bd. 19. 


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*9# 


meist von- nebensächlicher Bedeutung bleiben. Verzögerte 
Resorption des ergossenen Blutes, beginnende Eiterung 
oder Jauehung des Haematoceieninhaltes und continuir- 
liches die Kräfte der Pat. schnell deciinirendes Fieber 
werden in der Behandlung der Haematocele Ausschlag 
gebend sein und wie in vorliegenden Fällen einen ope¬ 
rativen Eingriff indiciren. 

Der Erfolg der Operation wird, wie diese Fälle zeigen, 
zum grössten Tlieile von den Abflussverhältnissen bedingt 
werden, welche nach Möglichkeit günstig zu gestalten sind. 


Referate. 

Edwin Klebs (Professor): Zur Pathologie und Therapie 
der Cholera asiatica. (Deutsche med. Wochensoli. Nr. 43 
u. 44). 

Verf. suchte der Frage näher zu treten, ob analog den frü¬ 
heren, mit den Produkten der Tuberkelbacillen angestellten 
Versuchen heilende Substanzen zu isoliren, auch aus den Cul- 
turen der Choleravibrionen bactericide Stoffe isolirt werden 
können. Die von ihm und Dr. Libbertz angelegten Masseu- 
culturen von Choleravibrionen wurden sterilisirt, filtrirt und 
auf dem YVasserbade concentrirt. Durch Ausfällung mit abso¬ 
lutem Alcohol wurden die toxischen Substanzen, wie Thier¬ 
versuche zeigten, ausgeschieden; der übrig bleibende Rest, von 
Kleb8 mit dem Namen «Anticholerin» bezeichnet, sollte auf 
seine bactericide, heilende und imuiunisirende Fähigkeit ge¬ 
prüft werden. (Von den Höchster Farbwerken ist das Anti¬ 
cholerin in concentrirtem Zustande hergestellt). Zunächst 
wurde versucht, ob durch Hinzufügen sehr geringer Mengen 
des Anticholerins zu festen Nährsubstraten die Entwickelung 
von später aufgetragenen Cholerabacillen verhütet werden 
könne. Es genügte min von einer Anticholerinlösung, welche 
etwa einem Ttopfen des conc. Präparates entsprach, dem In¬ 
halte eines Heageusröhrchens hinzuzufügen, um den Nähr¬ 
boden unfähig, Choleravibrionen zur Entwicklung gelangen 
zu lassen, zu machen. Auch auf bereits entwickelte C'holera- 
bacillenculturen wirkte das Aiiticholeiin insofern ein, als ein 
Stillstehen des Wachsthums und weiterhin eine vollkommene 
Involution der Cultureh erzielt werden konnte. — Um sich von 
der Giftlosigkeit des Anticholerins zu überzeugen, brachte 
Kleb8 Meerschweinchen durch subcutane Injectionen 1 Ccm. 
der Substanz bei; die Thiere blieben am Leben und zeigten 
keine krankhaften Veränderungen. Alsdann injicirte Verf. 
0,5 Ccm. sich selbst und einem Collegen. Mit Ausnahme einer 
geringen Temperatursteigeruug (.von 30,6 auf 37,ö) und leich¬ 
ten Fröstelns wurde nichts Krankhaftes beobachtet. Die Un¬ 
schädlichkeit der Substanz wurde feiner durch die viel höhe¬ 
ren Gaben bewiesen, welche Cholerakranken injicirt wurden 
(bis zu 9 Ccm.). Es galt nun weiter zu prüfen, ob die pro¬ 
phylaktisch mit Anticholerin behandelten Thiere widerstands¬ 
fähig gegen die Choleravibrionen und ob bereits erkrankte, 
d. h. iuflcirte Thiere mittelst Anticholerin her gestellt werden 
können. Leider sind in dieser Richtung noch wenige Thier¬ 
versuche angestellt worden. Dieselben ergaben nach Verf. das 
Resultat, dass «ebenso, wie gegenüber den Choleravibrionen 
im Reagensglase und gegenüber der peritonealen lnfection, die 
Wirkung des Anticholerins auch bei vom Darm aus inücirten 
Meerschweinchen zur Wirkung gelangt». 

Nach diesen Vorprüfungen wurde die von Klebs hergestellte 
Substanz zu Versuchen an Patienten des allgemeinen Kran¬ 
kenhauses in Hamburg-Eppendorf (Director Prof. Rumpf) 
verwendet, und zwar wurden nur* schwere Fälle von asiati¬ 
scher Cholera mit dem Anticholerin behandelt. Die einzelnen 
Beobachtungen werden von Dr. Manchot (dem Leiter der 
betreffenden Baracke; publicirt weiden. Von vorneherein war 
ein Erfolg nur dann zu erwarten, wenn eine nicht zu kurze 
Krankheitsdauer die Wirkung des Mittels zur Entfaltung ge¬ 
langen lässt. Wenn es gelingt Zeit zu gewinnen, um aut die 
Krankheitsursache zu wirken, dann ist, nach Veit., der ge¬ 
eignete Boden für die Anwendung des Anticholerins gefunden, 
ln Fällen, wo recht schwere Erscheinungen sonCyanose und 
intoxication vorhanden, der Puls kaum fühlbar, tadenformig, 
starke Muskelkrärapfe vorhanden waren, schieu das Mittel zu 
helfen. Namentlich konnte man beobaohten, dass die bedeutend 
gesunkene Temperatur unter dem Einflüsse der alle 2—3 Stun¬ 
den gemachten Injectionen von 1 Ccm. der starken Losung, 
sehr oft ein regelmassiges Ansteigen er. uhr. Ueberhaupt konnte 
man in allen mit Anticholerin behandelten Fällen constatiien, 
dass die Körperwärme günstig beeinflusst wurde, ferner fehl¬ 
ten die höchst bedrohlichen Typhoide und nepliritischen Zu¬ 
stände. 

Bezüglich der Pathologie und Pathogenese der Cholera er¬ 
wähnt Klebs zu Anfang seiner Mittheilung, dass das Wasser 
höchst wahrscheinlich der Träger des virus sei. Dafür sprechen 
sowohl die Erfahrungen iu den früheren Epidemien, als aucli 


die der diesjährigen: die weite und plötzliche Ausbreitung der 
lnfection iu einer grossen Stadtbevölkerung, die vorzugweise 
Erkrankung der Wasser trinkenden Einwohner, in Hamburg 
die von Koch in ihrer Entstehung sehr wahrscheinlich ge¬ 
machte lnfection der Wasserleitung von der Elbe her, vor 
allem aber die erfolgreiche Bekämpfung der Krankheit durch 
Ausschliessung der inücirten Wasserlänfe vom Gebrauche, 
lassen nach Verf. kaum einen Zweifel darüber bestehen, dass 
auf diesem Wege die Verbreitung der Krankheit erfolgt. 

Verf. lenkt ferner die Aufmerksamkeit auf den eigentüm¬ 
lichen anatomischen Befand bei der asiatischen Cholera, 
welcher die Diagnose erhärten kann, bevor noch die bacterio- 
logische Untersuchung zu Ende geführt ist: es ist die weiss- 
grane. festanhaftende .Schleimlage, welche in den allerfri- 
schesteu Fällen stets die Dünndarmschleimhaut bedeckt und 
sonst nur bei Trichinose vorkommt, ferner die charakteristi¬ 
schen Nierenveränderungen (Nekrose eines Theiis der gewun¬ 
denen und graden Kanälchen der Niereurinde). 

Abelmann. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

S. L. Schenk: Grundriss der Bakteriologie für Aerzte 
und Studierende. Mit 99 theiis farbigen Holzschnitten. 
Verl, von Urban und Schwarzenberg Wien und Leipzig 
1893. Preis 7 M. 

Die Zahl der bakteriologischen Lehr- und Handbücher ist 
in stetem Wachsthum begriffen und cs fällt schon jetzt nicht 
leicht gegebenen Falles ein bestimmtes derselben dem Anfänger 
zu empfehlen. Auch der soeben erschienene Grundriss von 
Prof. Schenk gehört entschieden zu den empfehlenswertlieu. 
Der Verf. selbst sagt in der Vorrede: «Das vorliegende Buch 
soll dem Studierenden und dem Arzte ein Führer durch die 
Bakteriologie sein» und wir müssen zu gestehen, dass der ganze 
Zuschnitt desselben es in der That so recht zu einem sicheren 
Führer stempele Keine breiten Auseinandersetzungen, keine 
theoretisirenden Abschweifungen. Das bisher in der Bakte¬ 
riologie Errungene ist knapp und klar d&rgestellt und in ganz 
kurzen übersichtlichen Kapiteln abgehaudeit. Zahlreiche gute 
Illustrationen sparen Worte und erleichtern das Verstäudniss. 
Die Anordnung des Stoffes ist folgende: Zunächst einige all¬ 
gemeine Abschnitte Uber Morphologie und Biologie der .Mikro¬ 
organismen (unter Anderem sind hier Capitel dem Stoffwechsel 
der Bakterien, dem Einfluss der Bakterien auf die Gewebe, deu 
Protozoen gewidmet) über Sterilisation, über Apparate und 
Reagentien, über die Nährmaterialien (auch die selteneren), über 
Züchtungsmethoden, über die mikroskopische Untersuchung und 
über den Thierversuch. Hierauf beginnt der specieUere Theii der 
nach den einzelnen Medien (Luft, Wasser, Hoden, Nahrungs¬ 
mittel, Eiter, einzelne Organe und Köruerhöhleu etc.) welche Ge¬ 
genstand der bakteriologischen Analyse werden können, geglie¬ 
dert ist. Bei jedem Medium schliesst sich an die Augabe des erfor¬ 
derlichen Untersuchungsverfaiuens, die Aufzählung und Be¬ 
schreibung der wichtigsten vorkommenden Bakterien. Den patho¬ 
genen Mikroben ist besondere Sorgfalt zugewendet worden. 
Ein sehr detaiilirtes luhaltsverzeiclutiss und ein Sachregister 
erleichtern das Nachsclüagen. Nach alledem ist der neuebak 
teriologisohe Grundriss in denjenigen Fallen wohl zu empfehleu, 
wo ein practischer Leitfaden für den Laboi atoriumsgebrauch 
gesucht wird. Es sei nur noch hinzugefügt, dass das Büchlein 
(Octavformat, 200 Seiten) sehr handlich ist und eine der Ver¬ 
lagshandlung würdige Eleganz in der Ausstattung aufweist. 

W 1 a d i m i r o f f. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 27. October 1892. 

1. Herr H e 11 a t demonstrirt das makroskopische Präparat 
eiues mit Pyoktanin-lnjectionen behandelten Sar¬ 
koms des Oberschenkels. An den Stellen, wo injicirt 
worden ist, sieht man Zerfallsheerde in Form von Lakunen. 
Ferner stellt H. einen Patienten mit einem Oarcinom der 
rechten Wange vor, welcher gleichfalls mit Pyoktanin 
behandelt wild. Die Geschwulst ging von der Wangenschleim- 
haut aus, wurde am 5. Aug. d. J. operirt, recidivirte aber 
bald und perfoiirte nach aussen in Form einer blumenkohl- 
ähnlichen Geschwulst. Das Pyoktanin wurde in letzter Zeit 
täglich in Substanz auf die Geschwulst gebracht; letztere 
schwindet zusehends, ohne zu jauchen, unter Abstossung 
trockner Schorfe. 

lnbetrett des iu der vorigen Sitzung vorgestellten Kranken 
theiit H. mit, dass bei demselben die Anschwellungen in der 
Submaxillargegend wiederum zugenomnten haben. Nach erneuten 
liyectlonen von Pyoktanin ist eine umschriebene Eiterung ein- 
gecreten, vielleicht dadurch entstanden, dass eine spirituöse 
Lösung benutzt wurde. Nachträglich ist zu bemerken, dass 
die gesättigte wässerige Lösung des Mittels ] '1 heil auf 
300 Aq. enthält. 


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454 


Herr T i 1 i n g hat sowohl das blaue wie auch das gelbe 
Pyoktanin in manchen Fällen von inoperablen Sarkomen and 
Carcinomen versucht, aber immer ohne Erfolg. Lakunenbildung 
an den Ipjectionsstellen (durch nekrotischen Zerfall des Ge¬ 
webes) hat er auch beobachtet. T. erinnert bei dieser Gelegen¬ 
heit an die scheinbaren Besserungen, die man zuweilen auch 
mit anderen local applicirten Mitteln erzielt (z. B. mit Natron 
bicarbonic. bei Ulcus rodens.). 

Herr Wan ach hat in einem Falle von inoperablem Mam- 
macarcinora das Pyoktanin' in Substanz angewandt, und in 
einem andern von Carcinoin der Parotis Injectionen in die 
Geschwulst gemacht, aber beides ohne Erfolg. 

2. Herr Petersen hält einen zum Druck bestimmten Vor¬ 
trag «Ueber die Mikroorganismen des Ulcns 
molle». Secretär: E. Blessjg. 


Dr. Friedrich Herrmann f. 


Am 15. November verschied hierselbst im 82. Lebensjahr, 
Dr.Friedrich Herrmann, der in der iiiedicinischen Welt zu 
den angesehensten, vielgesuchten Aerzten gehörte, und unter 
seinen Collegen als ein bewährter, beliebter Berufsgenosse 
sich des besten Rufes erfreute, und durch seine Theilnahme 
an den Arbeiten mehrerer philanthropischen Anstalten im 
Publicnm als Menschenfreund in hoher Achtung stand Uner¬ 
müdlich war er in seiner anstrengenden practischen Thätig- 
keit, und nicht weniger im Streben sich auf der Höhe der 
fortschreitenden Wissenschaft zu erhalten; besonders anzuer¬ 
kennen war die allgemeine raedicinische Bildung die zu er¬ 
weitern er stets beflissen war, ohne sich durch eine Specia- 
lität zu enge Grenzen zu setzen. Das reiche Material, das 
ihm in ausgebreiteter Praxis uud besonders im Obuchow- 
Hospital zu Gebote stand, gab ihm die Möglichkeit zu allge¬ 
meinen übersichtlichen Beobachtungen die er wissenschaftlich 
bearbeitete und publicirte, und darunter namentlich Gruppen 
endemischer und epidemischer Krankheiten. So hat er fast 
60 Jahre als Arzt und Menschenfreund segensreich zum un¬ 
berechenbaren Nutzen und Heil seiner Mitbürger gearbeitet, , 
wobei ihm glücklicher Weise eine aussergewöhnliche geistige I 
und körperliche Rüstigkeit und Leistungsfähigkeit zu Statten j 
kam, die erst im fortschreitenden Greisenalter abgeschwächt j 
wurden. In vollem Maasse genoss er das Glück eines muster- ! 
haften Familienlebens und hinterliess die tief um ihn trau- i 
ernde Wittwe, Kinder, Enkel und Urenkel. 

Fr. Herr mann wurde am 22. März 1811 geboren, seine Eltern i 
waren ans Deutschland eingewandert; nach absolvirter Petri- j 
Schule trat er. als 14 jähriger Jüngling in die Gödicke’sche 1 
Apotheke als Lehrling, 1825—1829, dann als Student in die 
roedico-chirurgische Akademie, die er 1833 als Arzt verlieBS, 
mit der Auszeichnung einer silbernen Medaille. In demselben 
Jahre trat er als Supernnraerär-Ordinator ins Obuchow Hospi¬ 
tal ein, aus dem er erst als Greis nach 57jährigem, erfolg¬ 
reichem Dienste ausschied, nachdem er alle Grade des Hospital- 
Dienstes durchgeraacht hatte. 1857 wurde er Oberarzt der 
weiblichen, 1862 der männlichen Abtheilnng. Im Sommer 1865 
bekam er den ehrenvollen Auftrag, die Meningitis cerebro¬ 
spinalis epidemica in Deutschland zu studiren; seine Erfah¬ 
rungen darüber hat er im X. Bande der St. Petersburger 
Medicinischen Zeitschrift publieirt; in demselben Jahre wurde er 
wirkl. Staatsrath: 1871 erhielt er den Stanislaus-Stern, 1876 
eine Arrende und den Annen-Stern, 1878 wurde er in den Me- 
dicinalrath berufen, 1879 erhielt er für seine Verdienste um 
die Ausbildung barmherziger Schwestern den St- Wladimir- 
Orden 2 Klasse, 1883 wurde er Geheimrath; am 9.8eptember 
1883 erhielt er zu seinem 50jährigen Dienstjubiläum den 
weissen Adler-Orden. Ara 24. October 1884 leitete er noch das 
Fest des 100jährigen Jubiläums des Obuchow-Hospitals; im 
Juni 1890 nahm er seinen Abschied als Oberarzt. Sieben und 
fünfzig Jahre seines Dienstes und schwerer, aufopferungs¬ 
voller Arbeit an derselben Stelle,— in den wenigen Worten 
liegt viel. Ein Mann, der das von sich sagen konnte, der 
musste wohl ein ganzer Mann sein, und sein Name kann nur 
mit Hochachtung genannt werden. 

Neben seiner Thätigkeit im Hospital und seiner ausgebrei- i 
teten Praxis, war H. auch anderweitig von Anstalten der , 
Humanität in Anspruch genommen. , j 

Seit 1862 war H. Kurator an der Philanthropischen Gesell- j 
Schaft, seit 1865 Kurator am Kinderasyl der Grossfürstin Olg» 
Nikolaewna. Ausserdem betheiligte sich H. eifrig am medici- 
nischen Vereinsleben, mit reger wissenschaftlicher und schrift¬ 
stellerischer Thätigkeit. Dem Deutschen ärztlichen Ver¬ 
eine gehörte er seit 1857 an, nachdem er eine Reihe von 
Jahren Secretair desselben gewesen, wurde er 1874 Director 
desselben, bis 1889. Er war Mitglied des Pirogow’sehen 
chirurgischen Vereins und der Gesellschaft für den Schutz 
der Volksgesundheit, war 1859 Mitbegründer des allge- j 
meinen Vereins practischer Aerzte in St. Petersburg, und j 


1858—64 Mitglied einer privaten medicinisohen Gesellschaft. 
Um den Umfang seiner literarischen Arbeiten mit Ziffern zu 
belegen, können wir 31 grössere in Fachblättern abgedruckte 
Abhandlungen anführen, als die bedeutendsten: Ueber febris 
recurrens, Wjorbnt, den Missbrauch geistiger Getränke. Dia¬ 
gnose des Anthrax intestinalis etc. 

Im Verein deutscher Aerzte hat er die ansehnliche Zahl 
von 20 schriftlichen und 158 mündlichen Vorträgen gehalteu, 
wahrlich eine respectable Productivität, die auch volle Aner¬ 
kennung der Collegen der Gegenwart gefunden hat, und auch 
der Nachwelt linden wird. 

Zu Herrmanns 50 jährigem Dienstjubiläum wurde eine chro¬ 
nologisch geordnete Sammlung seiner schriftlichen Abhand¬ 
lungen und mündlichen Vorträge, mit der jedesmaligen Angabe 
des Journals, in dem es veröffentlicht ist, als Brochüre gedruckt, 
unter dem Titel: «Hermanniana, Erinnerungen aus 50 jähriger 
Praxis». 

So soll denn das Andenken an den aus unserer Mitte ge¬ 
schiedenen hochgeschätzten und geehrten Freund und Collegen, 
den Altmeister unserer ärztlichen Corporation, dessen reiches 
Leben den Werken der Humanität gewidmet war, und der 
schönsten Erfolge sich zu erfreuen hatte, stets in Ehren 
gehalten werden- 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Hiller empfiehlt als vorzügliches Antisepticum das von 
Hueppe sogenannte S o 1 v e o 1, welches eine neutrale wässe¬ 
rige Lösung von verschiedenen Kresolen (den erst bei 185— 
205" C. flüchtigen Destillationsproducten des Theers) darstellt. 
Die wässerige Lösung dieser sonst unlöslichen Körper wird 
durch salicylsaures oder kresotinsaures Natron hergestellt. 
Das Solveol kommt als braune Flüssigkeit in den Handel, die 
in 37 Ccm. 10 Gr. freies Kresol enthält. Eine Verdünnung von 
37 Ccm. der Flüssigkeit mit 1 Liter gewöhnlichen Wassers 
giebt mithin eine 1 pCt, Kresol enthaltende Lösung, deren 
desinficirende Wirksamkeit derjenigen einer 5 pCt. Carbol- 
lösung gleichkommt. In der Regel kraucht man nur halb so 
starke Lösungen. Das Solveol soll nicht giftig sein, nicht 
ätzen, Metalle nicht angreifen und hat sich Hiller bei Ozäna, 
jauchiger Cystitis, Empyema Pleurae und bei andern Krank¬ 
heiten sehr gut bewährt. Vor Creolin und Lysol hat es den 
Vorzug, dass es mit Wasser klare Lösungen giebt. 

(Deutsche med. Wochenschrift. Nr. 37). 

— Um das Verrosten von S t a h 1 i ns t r um e n t e s 
zu verhindern stellt man in den Schrank oder Kasten, 
in welchem sie sich befinden, eine Flasche mit Glastrichter, 
auf den man einige Stücke Calciumchlorid legt. Diesen 
zieht alle Feuchtigkeit aus der umgebenden Luft an. Mit 
einer Beschickung des Trichters reicht man monatelang aus. 

(D. Med. Z. Nr. 86. - D. Am. Ap. Z.). 


Vermischtes. 

— Der Professor der speciellen Pathologie und Therapie an 
der militär-medicinischen AcademieDr. Nilus Ssokolow und 
der Gehillfe des Oberarztes des Obnchow - Hospitals Dr. A. A. 
Trojanow sind vom Medicinalrath zu berathenden 
Mitgliedern gewählt worden. 

— Bei der militär-medicinischen Academie haben sich mit 
Genehmigung der Conferenz der Academie als Privatdo- 
centen habilitirt: Dr. Blumenau — für Nerven- und 
Geisteskrankheiten; Dr. Massen — für Gynäkologie und Ge- 
burtshülfe; Dr. N. Knsskow fProsector am Marienhospital)— 
tür pathologische Anatomie. 

— Verstorben: 1) Am 17. October der Landschaftsarzt 
des Jekaterinburgschen Kreises (Gouv. Perm), Peter Uggla, 
im 30. Lebensjahre am Flecktyphus. 2) Am 17. November in 
Moskau der ältere Ordinator des Gefängniss-Hospitals, Staats¬ 
rath K. N. Mjeschkow. im 57. Lebensjahre. 3) Am 12. Oc¬ 
tober im Kreise Pawlowsk (Gouv. Woronesh) der Landschafts¬ 
arzt Tichon Lewaschew an Diphtherie im 29. Lebensjahre. 
Obschon der Hingeschiedene erst eine verhältnissmässig kurze 
Zeit die Praxis ansübte — er hat im J. 1889 den Cnrsus in 
Kasan absolvirt — so hat er doch während seines Landschafts- 
dienstes zweimal den Abdominaltyphus und einmal den Fleck¬ 
typhus durchgemacht und ist schliesslich an Diphtherie, mit 
welcher er sich bei seinen Kranken inficirt hatte, zu Grunde 
gegangen. Der Verstorbene hinterlässt seine Matter und eine 
verwittwete Schwester mit einen; Kinde, deren einziger Er¬ 
nährer er war. (Wr.). 4) Am 18. November in Riga der frü¬ 
here Oberarzt des dortigen Seehospitals, Dr. Carl Petersenn, 
im eben vollendeten 60. Lebensjahre. Der Hingeschiedene 
stammte aus Livland, erhielt seine Schulbildung im Pernan- 
schen Gymnasium und bezog im Jahre 1853 die Universität 
Dorpat, wo er bis 1858 Medicm studirte. Im Jahre 1860 liess 
er sich in Riga als praktischer Arzt nieder, wurde im Jahre 
darauf Arzt der Kigaschen Patrimonialgiiter und fungirte von v 
1866—86 als Arzt und darauf Oberarzt am Rigaschen Seehos-pvAX. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 



MIMISCHE WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. 

Dorpat. 


Or. Johannes Krannhals. 

Riga. 


Dr. Rudolf Wanach. 


St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Mediciniaclie Wochenschrift» erscheint jeden 
Son nahend. — Der Abonntmontspreis ist in Busil&nd ö Rbl. lur das 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. Post/ustellung; in den anderen 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark hulhjährlich. Der Insertionepreis : 
für die 3 mal gespaltene Zeile in Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfeun.—Den ! 
Antoren werden 25 Separatabzüge ihrer Origihalartikel zugesaudt.— i 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


HF* Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate 'H* 

bittet man ausschliesslich au die Buchhaudlmig von Carl Bicker in 
St. Petersburg Newsky-Prospect Ji 14, zu richten. — llanusoripte 
sowie alle auf nie Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man au 
den gesell äfts füll re nde n Redacte ur Dr. Budolf Wanach in St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect >6 7, Qu. 6 zu richten« 
Sprechstunden täglich von 1—2 Uhr Nachm. 


M49 


St. Petersburg, 5. (17.) December 


1892 


Inhalt: Paul Klemm: Zur Anatomie und Therapie der Kniescheibenbrnclie. — Referate: Paul Gultmann: Ueber 
einen Fall von Antipyrin-Vergiftung. — Ednard Saalfeld: Ueber Losophan. — J. Petruschky: Ueber die Art der pa¬ 
thogenen Wirkung des Typhusbacillns auf Thiere und über die Verleihung des Impfschutzes gegen denselben. — v. Lingels 
heim: Beiträge zur Streptokokkenfrage. — Bücheranzeigen und Besprechungen: Prof. C. Gerhardt (Berlin): Die 
Plenraerkrankungen. — Protokolle der Gesellschaft praktischer Aerzte zn Riga. — Protokolle des Vereins 
St. Petersburger Aerzte. - Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Pe tersburgs. — Anzeigen. 


Abonnements-Aufforderung. 

Die St. Petersburger 

Medicinische Wochenschrift 

wird auch im Jahre 1893 unter der jetzigen Redaction und 
nach dem bisherigen Programm erscheinen. Sie bleibt ihrer 
Aufgabe getreu, ein Organ für praktische Aerzte zn sein und 
letztere durch Originalarbeiten sowohl als durch Referate 
und Besprechungen neu erschienener Werke mit den Ergeb¬ 
nissen zeitgenössischer roedicinischer Forschung bekannt zu 
erhalten. — Wie bisher werden die wissenschaftlichen Ver¬ 
handlungen der Dorp&termed.Faoultät in derWochen schrift 
erscheinen und wird dieselbe als Organ nachstehender Vereine 
und Gesellschaften fortfahren mit der Veröffentlichung der 
Protokolle des allgem. Vereins St. Petersburger Aerzte. 
des St. Petersburger Vereins deutscher Aerzte, der Ge¬ 
sellschaft praktischer Aerzte zu Riga, der medicini* 
schen Gesellschaft zn Dorpat und der Gesellschaft In¬ 
ländischer Aerzte. — Besondere Aufmerksamkeit wird die 
Wochenschrift auch fernerhin der russischen medioinischen 
Literatur widmen und in gleicher Weise, wie im vorigen Jahre, 
auch weiterhin durch fortlaufende Referate über alle wichti¬ 
geren in russ. medicin. Journalen erscheinenden Ar¬ 
beiten, sowie über die Verhandlungen russischer medicini- 
soher Gesellschaften, den mit der russischen Sprache nicht 
vertranten Fachgenossen die Einsicht in diese stetig an Be¬ 
deutung gewinnende Literatur ermöglichen. — Der Abonne¬ 
mentspreis ist incl. Zustellung in Russland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für ein halbes Jahr; in den anderen Ländern 
20 Mark für das Jahr, 10 Mark für ein halbes Jahr. Abon¬ 
nements- Aufträge bittet man an die Buchhandlung von C. 
Rioker in St. Petersburg, Nevsky-Prospect Nr. 14, Manu- 
soripte sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilun¬ 
gen an den geschäftsführenden Redactenr Dr. Rudolf Wa¬ 
nach (Petersburger Seite, Grosser Prospect Nr. 7, Quart. 6) 
zu lichten. 


Zur Anatomie und Therapie der Kniescheiben- 
brllche 

Von 

^ Dr. med. Paul Klemm, 

Assistenzarzt der Chirurg. Abtheilung des Stadt-Kranken¬ 
hauses zu Riga. 


In unserer operationslustigen Zeit erscheint es doppelt 
geboten die Ausbildung der therapeutischen Encheiresen, 
die auf unblutigem Wege erfolgen, nicht zu vernach¬ 
lässigen. Ich habe hier speciell die Behandlung der Ge¬ 
lenkbrüche im Ange, über die ja bekanntlich die Acten 
bis zum heutigen Tage noch nicht geschlossen sind. Unter 
den Gelenkbrüchen haben die Patellarfracturen stets ein 
besonderes Interesse in Anspruch genommen. Die Metho¬ 
den, deren man sich für die Behandlung derselben 
bedient, sind sehr mannigfaltig. Principiell steht auch 
hier die blutige Behandlungsmethode der unblutigen 
gegenüber. Es würde den Rahmen einer kurzen Publica- 
tion überschreiten, wenn ich mich auf die kritische Sich¬ 
tung Alles dessen, was zur Verteidigung des einen oder 
anderen Verfahrens angeführt worden ist, einlassen wollte; 
gegen Eines aber möchte ich mich «loch energisch ver¬ 
wahren, ich meine die Verallgemeinerung der blutigen 
Naht subcutaner Knochenbrüche in der Weise, wie das 
Pfeil Schneider 1 ) in letzter Zeit befürwortete. 
Er stellte auf dem XXI. Chirurgen-Congress zu Berlin 
eine Reihe von Patienten vor, bei denen er wegen ge¬ 
schlossener Brüche in der Nahe der Gelenke die Knochen¬ 
naht ausgeführt hatte. Es befanden si.h unter diesen 
auch typische Brüche des Radius, Brüche des unteren 
Endes der Tibia, der Kniescheibe und and. Ich schliesse 
mich vollkommen Denen an, die derartige Eingriffe für 
zwecklos, wenn nicht schädlich halten; ich bin der An¬ 
sicht, dass wir in der Massage und Compression. in den 

*) XXI. Congress der deutsch. Gesellschaft für Chirurgie. 
Ref. ira Centralblatt für Chirurgie. 


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460 


activen und passiven Bewegungen einen reichen Schatz 
therapeutischer Mittel besitzen, deren richtige Handha¬ 
bung uns in den Stand setzt, die schönsten Erfolge auf 
dem Gebiete der Gelenkbrüche zu erzielen. 

Ich verweise auf die Arbeiten von Länderer 2 ), 
Oberst 3 ), K r a u s e 4 ), K o r s c h 6 ) und And., in denen 
sich eine Fülle werthvoller Hinweise für di«* Behand¬ 
lung subcutaner Gelenkbrüche auf unblutigem Wege 
findet. 

Auch für die Brüche der Kniescheibe werden wir die 
blutige Methode nur für gewisse Fälle reserviren. Wir 
wissen ja, dass die knöcherne Heilung für die Herstel¬ 
lung der Beweglichkeit im Knie nicht absolut nothwendig 
ist, da dieselbe ja bei der Knochennaht auch nicht immer 
erfolgt '•) Es sind andere Gesichtspunkte, die sich aus der 
pathologisch-anatomischen Betrachtung der Kniescheiben¬ 
brüche ergeben, die für die rationelle Therapie derselben 
von Wichtigkeit sind. 

Ich erlaube mir in Nachstehendem über einen Fall 
von Querbruch der Kniescheibe, der in der Chirurg. Ab¬ 
teilung des hiesigen Krankenhauses beobachtet wurde, 
zu berichten. Derselbe ist von Interesse, da er einige 
Tage nach dem Unfall an einer intercurrenten Erkran¬ 
kung zu Grunde ging und zur Section kam. 

Meinem verehrten Chef Herrn Dr. A. von Bergmann, 
sowie Herrn Prosector Dr. J. Krannhals danke ich 
für die freundliche Ueberlassung des Materials. 

Jaan Janson 35 a. n. ist am 3. Oet. a. c. wälnendereine 
Kellertreppe hinaufstieg, ansgeglitten und auf das linke 
Knie gefallen. Pat. konnte sich nicht mehr erheben; er wurde 
mit einem Nothverbande sofort in’s Krankenhaus abgefertigt. 

Status praesens: Pat. ist mittelgross, kräftig gebaut, 
besitzt einen reichlichen Panniculus adiposus. Das linke Knie¬ 
gelenk ist mässig geschwellt, die Contouren desselben sind 
verstrichen. Der obere Recessus ist nicht ausgedehnt. Die 
Schwellung setzt sich auf den Oberschenkel fort 
ungefähr bis zur Mitte desselben, wo sie an der in¬ 
neren Seite besonders deutlich ausgesprochen ist. 

Ueber die Mitte der Patella verlau t eine seichte Grube. Es 
lässt sich hier eine Continuitätstrennung des Knechens nach- 
weisen, durch die die Kniescheibe in zwei annähernd gleiche 
Fragmente getheilt wird, die ca. 3 Gm. von einander ab¬ 
stehen. 

Durch massigen Druck können beide Fragmente leicht zur 
Adaptation gebracht werden. An der äusseren Haut ist nichts 
Pathologisches wahrnehmbar. 

Nach leichter Massage des Gelenkes und des Oberschenkels 
wird über ersteres ein Heftpflasterverband in Testudotouren 
in der Weise angelegt-dass die Fragmente in reponirter Stel¬ 
lung erhalten werden und ein massiger Druck auf das Gelenk 
ausgeiibt wird. BindeneiuWickelung der ganzen Extremität, 
und Hochlagerung derselben in einer Volkmann'scheu 
Schiene. 

Am 5. October wird wieder massirt, gegen Abend bricht 
beim Kranken, der heftiger Potator is>.. Delirium tremens 
aus, dem er am Abend des Ü. October erliegt. 

Section (Dr. Krannhals) Schnitt über die Patella in der 
Achse der Extremität. Nach Zurück präpalireu der Haut nach 
rechts und links liegt die sehnige Ausbreitung des Ligament, 
patell. propr. auf der Kniescheibe vor. Dieselbe ist in der Mitte 
quer durchrissen, doch so, dass der obere und untere Rand 
der Sehne sich nach oben und unten auf das betreffende Frag¬ 
ment nach innen zu umgeschlagen haben und beide Bruch¬ 
flachen maskiren. Die Hisslinien sind nicht gradlinig, sondern 
bildeu verschieden lange Lappen und Fetzen- 

Schlägt man diese nach oben und unten zurück, so erscheint 
die Trennungslinie im Knochen, die quer verläuft und eine 
deutlich gezahnte Linie darstellt. Im Gelenk) atun finden sich 
einige Blutgerinnsel. 

Der obere Hecessns weist an seiner Kuppe eine, 
ca. 1 Om. im Durchmesser haltende Pertorations- 
• •ffnung auf. Zwischen Vastus ext. und der Haut, 
sowie zwischen Vastus int. und dem Knochen findet 
sich, bis zur Mitte des Oberschenkls reichend, ein 

-') Saininl. kl. Vor Ir. Nr. 19. 

J i Volkmanus Samml. kl. Vortr. Nr. 311. 

') Deutsche med. Wochenschr. 1891 Nr. 13. 

J ) Charite-Annalen 1892 png. 439. 

‘•) Pfeil Schneider hat in zweien seiner Fälle keine 
knöcherne Vereinigung erzielt. Was in den anderen geschah, 
ist aus dem Gesagten nicht ersichtlich. 


mächtiges Hämatom, welches nach unten bis in die 
Kniekehle reicht. 

Zwischen beiden Fragmenten ist ein festes, derbes Goagulum 
vorhanden. Die Seitenbänder des Gelenkes sind intact. 

Betrachten wir den Obductionsbefund genauer, so können 
wir mehrere Punkte herausgreifeD, die uns über die Ent¬ 
stehung und den Verlauf der in Rede stehenden Bruch- 
forin Aufschluss geben, sowie uns in den Stand setzen 
richtige therapeutische Maassnahmen zu treffen. 

Wir betrachten: 

1) Das Verhältniss der Risslinie im Lig. patell. 
propr. zur Fracturlinie in der Kniescheibe. 

2 ) Die Perforation des oberen Recessus. 

3) Die periarticulären Hämatome. 

Die Kniescheibenbrüche entstehen ja bekanntlich sowohl 
durch directe Gewalteinwirkung, als auch durch Muskel¬ 
zug als Rissfractur, fracture par arrach6ment. Der Mecha¬ 
nismus bei letzterer ist der, dass Pat., um einem Fall 
auf das Knie vorzubeugen, instinctiv den Quadriceps ad 
maximum spannt. Der Muskelzug setzt sich auf die Sehne 
fort, die die Kniescheibe fest umgreift. Der Elasticitäts- 
coel'ftcient des Knochens ist aber geringer, als der der 
Sehne. Er wird durch den Muskelzug gerissen, während 
letztere noch eine Zeit lang weiter gedehnt wird, bis 
die Gewalt sich eventuell erschöpft oder aber die Eiasti- 
citätsgrenze der Membran überschritten wird und diese 
durchreisst. Wir können in unserem Fall den eben ge¬ 
schilderten Mechanismus als die Causa efficiens betrachten, 
dafür spricht der quere Verlauf der gezähnten Bruch- 
linic, sowie die Interposition der zerrissenen Aponeurose 
zwischen die Bruchfragmente und endlich auch die Ab¬ 
wesenheit jeder sichtbaren äusserlichen GeAvalteinwirkung. 
Das eben geschilderte Verhalten der Fascie ist, wie 
Macewen und König gelehrt haben, von grösster 
praktischer Wichtigkeit für den weiteren Verlauf der 
Fractur, sie erklärt, warum so häufig eine knöcherne 
Vereinigung der Fractur ausbleibt, wasjagauz verständ¬ 
lich ist, wenn durch die Zwischenlagerung der sehnigen 
Gebilde eine directe Berührung der Knochenränder auf¬ 
gehoben wird. Ich konnte in obigem Falle bei der Section 
ein zwischen den Bruchfragmenten gelegenes, derbes Blut¬ 
gerinnsel nachweisen, welches den Spalt völlig ausfüllte. 
Die Heilung geht nun offenbar so vor sich, dass dieses 
Coagulum durch Bindegewebe substituirt wird, bis es als 
feste, fibröse Brücke den Spalt im Knochen ausfüllt. 

Sehr interessant ist ferner die Perforation des oberen 
Recessus. Riedel 1 ) hat vor einiger Zeit auf dieses 
Vorkominniss sowie die Wichtigkeit, die diesem gebührt, 
die Aufmerksamkeit gelenkt. Bei der Untersuchung un¬ 
seres Kranken konnte sofort an ein derartiges Vorkomra- 
niss gedacht werden, wenigstens legte das Verhalten des 
Kniegelenks, welches wenig geschwellt war, während in 
der Regel bei Knieseheibenbrüehen ein starker intra¬ 
capsulärer Erguss zu constatiren ist, diesen Gedanken 
nahe. Die Richtigkeit dieses Calculs gewann durch die 
starke Schwellung des Oberschenkels an Wahrscheinlich¬ 
keit. 

Ich meine, wir werden die Fhitstehung der Perforation 
des Recessus mit dem häufigeren Mechanismus der Patel- 
larbrüche als Rissfracturen in Zusammenhang bringen 
müssen. Dass eine Zerreissung des oberen Recessus bei 
directen Brüchen vorkommt, etwa in Fällen, wo eine 
von aussen her angreifende Gewalt den Knochen bei 
völliger Ruhe des Muskelsehnenapparates fracturirt. halte 
ich für sehr unwahrscheinlich. Riedel weist experi¬ 
mentell nach, dass Kniegelenke erwachsener, kräftiger 
Männer an der Leiche 4 M. Wasserdruck ertragen 
können. Dieses würde nach dem genannten Autor genü¬ 
gen, um den Blutdruck einer Femoralis, die sich im 


7 ) Die Perforation des oberen Recessus bei der Patellar- 
fraetnr. Centralblatt für Chirurgie 1890. Nr. 12. 


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vollen Strahl in’s Gelenk ergiesst, atiszuhallen, da ihr 
Druck nur 13 Cm. Hg. beträgt. 

Wenn wir uns nun aber vorstelleu, dass im Moment, 
wo das Gelenk gebeugt ist, der Quadriceps ad nmximum 
contrahirt, die Kniescheibe fest an die knöcherne Unter¬ 
lage gepresst, von oben und unten her durch die 
Ligamente straff angezogen wird, so ist dieses eine 
Stellung des Gelenkes, wo eine starke Steigerung 
des intraarticulären Druckes statt hat. Es ist nun denk¬ 
bar. dass das im Moment der Fractur gesetzte Hämatom 
zu einer derartigen Druck Steigerung im Gelenkraum führt, 
dass eine Ruptur des Recessus eintritt. Die Perforation 
würde demnach in den Fällen Vorkommen, wo der Typus 
der Rissfractur dem Knochenbruch zu Grunde liegt oder 
eine Combination dieser mit einer direct einwirkenden 
Gewalt anzuschuldigen ist. Natürlich halte ich diesen 
Modus der Perforation nur für zutreffend in denjenigen 
Fällen, wo diese mit der Fractur gleichzeitig entsteht, 
da es ja auch denkbar ist, dass durch secundäre Bewe¬ 
gungen eine Kapselsprengung zu Wege gebracht werden 
könnte. 

Die Wichtigkeit der Kapsel Perforation ist haupt¬ 
sächlich in der Bildung eines intramusculären Hä¬ 
matoms und den schädigenden Einflüssen, welche 
letzteres auf die Ernährungsverhältnisse der 
Muskulatur und Gelenkweichtheile ausübt, zu 
suchen. 

Die Prognose der in’s Gelenk penetrirenden, sowie der 
pararticulären Brüche ist seit Alters eine bedeutend we¬ 
niger günstige, als die der gewöhnlichen Schaftfracturen. 
Wir sehen gelegentlich Steifigkeiten in den Gelenken 
nachbleib(M), die sich zu völliger Ankylose steigern 
können. Der Grund dieser Erscheinung ist in den intra- 
und pararticulären Hämatomen zu suchen, die stetige Be¬ 
gleiter dieser Brüche sind. Das intra- und pararti- 
culäre Hämatom ist das wesentliche Characte- 
risticum der Gelenkfractur und in ihm liegt die 
Hauptgefahr, die sich in den später zu Tage tre¬ 
tenden Functionsstörungen zeigt. 

Die üblen Folgen dieser Ergüsse machen sich nach 
verschiedenen Richtungen hin geltend. Wir können unter¬ 
scheiden zwischen: 

1. Directen Schädigungen, die durch die Er¬ 
güsse als solche unmittelbar verursacht werden. 

2. Entfernter liegenden Einwirkungen. Hier 
sind es gewisse Veränderungen, die das ergossene Blut 
eingeht, welche zu beträchtlichen Störungen führen. 
Diese treten erst nach Ablauf einer gewissen Zeit in 
Erscheinung. 

Zu den ersteren müssen wir vor Allem die Ernäh¬ 
rungsstörungen rechnen, die die massigen, den Gelenken 
anliegenden Blutergüsse bewirken. Es ist ja eine bekannte 
Thatsache, dass bei länger dauernder Immobilisirung der 
Extremitäten die .Muskulatur derselben atrophischen Zu¬ 
ständen unterworfen ist. Nach den bekannten Unter¬ 
suchungen C. Reyher’s 8 ) leidet der Muskel am frühesten; 
zu einer Zeit schon, wo im Gelenk keinerlei sichtbare 
Veränderungen zu constatircn sind, ist eine deutliche 
Dickenabnahme an ersterem bemerkbar. Um wieviel in¬ 
tensiver werden diese Atrophien sein, wenn sich der 
Blot- und Lymphcirculation so gewaltige Hindernisse, 
wie sie die genannten Hämatome bilden, in den Weg 
stellen. 

Man hat gerade bei den Gelenkfracturen auf die 
schnell einsetzende Atrophie der das Gelenk be wegenden 
Muskeln aufmerksam gemacht; ich meine, dass in einem 
Theil der Fälle die Inaetivität gewiss keine so grosse 
Rolle spielt, als die Blutergüsse mit ihrer Behinderung 
für die Circulation und der Druckwirkung auf Muskeln 
und Nerven. Gerade bei Kniescheibenbrüchen ist es auf- 


*) Den t>ciie Zeitschrift f. Chirurgie. BU. III. 


fallend, falls die Immobilisirung längere Zeit gedauert 
hat, wie schnei! die Extremität functionsunfähig wird. 
Die Meinungen gingen dahin, dass die Diastaseder Bruch¬ 
fragmente das Moment sei. welches die normale Beweg¬ 
lichkeit hindere, jetzt jedoch wissen wir, dass dem nicht 
so ist, die Untersuchungen Brunner’* 5 *) haben gezeigt, 
dass der Quadriceps sich der im Höhendurchmesser ver- 
grösserten Patella, durch nutritive Verkürzung seiner 
Fasern anpasst; wir wissen ferner, dass dem seitlichen 
Bandapparat eine gewisse Bedeutung für die Fixation der 
Kniescheibe zukommt, wir müssen daher die Atrophie 
einzig für die Funetionsstörung verantwortlich machen. 

Ebenso verhängnisvoll sind die erst nach einiger 
Zeit in Erscheinung tretenden, durch den Bluterguss an¬ 
geregten Veränderungen im Gelenk und in dessen Um¬ 
gebung. Wird nicht für die schleunige Resorption des 
extravasirten Blutes Sorge getragen, bleibt dasselbe längere 
Zeit unverändert liegen, so bilden sich in demselben 
regressive Processe, deren Ausgang die Transformation 
des Hämatoms in strafffaseriges Bindegewebe ist, welches 
zu schrumpfenden Processen im Gelenkcavum Veranlassung 
giebt. wie das von v. Volkmann beschrieben worden 
ist, für die Therapie dieser Dinge aber noch zn wenig 
Beachtung gefunden hat. Auf diese Weise kann eine 
völlige Obliteration und Ankylose eines Gelenkes zu 
Stande gebracht Averden. Durch spätere manuelle Eingriffe, 
Avie Massage und passive BeAvegungen entstehen Zer¬ 
rungen und Zerreissungen der aus dem Hämatom umge- 
Avandelten vascnlarisirten BindegeAvebsstränge, die die be¬ 
kannten und gefürchteten Hydropsien der Gelenke, sowie 
die Oedeme in der Umgebung derselben verursachen. 
Für den Patienten beginnt so oft, nach Heilung des 
Knochenbruchs, jetzt erst die eigentliche Leidenszeit, die 
an die Geduld des Arztes und des Kianken gleich hohe 
Anforderungen stellt. 

Aehnlich wie in der Gelenkhöhle kommt es auch im 
pararticulären Geivebe zu schrumpfenden Processen, deren 
Ursache auch hier wiederum die pathologischen Verände¬ 
rungen des ergossenen Blutes sind. Die Muskeln, Sehnen 
und Fasclen, diese für die normale Excursionsweite der 
Gelenke so wichtigen Gebilde atrophiren, obliteriren in 
ihren Scheiden und retrahiren sich narbig, so dass hier¬ 
aus schon allein eine bedeutende Functionsstörnng der 
Gelenke resultiren Avürde. Man hat vielfach die zu lange 
Ruhe, die das gebrochene Glied im immobilisirenden Ver¬ 
bände genoss, als Grund für diese Schäden angeführt. 
Die Ruhe allein genügt meiner Meinung nach nicht; es 
treten durch diese begünstigt allerdings atrophische Pro¬ 
cesse auf. jedoch sind die ersten Schrumpfungsvorgänge 
erst nach Verlauf längerer Zeit (62 Tage nach C. Rey her) 
an den Gelenkkapseln zu constatiren. Wohl aber können 
die schon relativ früh in Erscheinung tretenden 
degenerativen Erclieinungen durch die Ruhe und 
die in Folge dieser begünstigten regressiven Pro¬ 
cesse im ergossenen Blute ihre befriedigende, 
ungezwungene Erklärung finden. 

Wir sehen, wie sich aus dem Studium der Pathologie 
der Patellarbrüche, sowie der Gelenk- und pararticulären 
Fractnren insgemein, die Fingerzeige für die Therapie 
ganz von selbst ergeben. 

Die Hauptaufgabe besteht in der mög¬ 
lichst schnellen Beseitigung des ergös¬ 
se n e n B1 u t e s. Die Coaptation und Retention der Brnch- 
fragmente gelingt dann leicht; der Bekämpfung der dro¬ 
henden Atrophien und Retractionen, sowie der Erhal¬ 
tung der physiologischen Gelenkbewegung ist das Feld 
geebnet, sodass diese jetzt den envünschten Erfolg haben 
Avird. 

Es fragt sich nun, welches Mittel ist das geeigneteste 
die Eliminirung des extravasirten Blutes zu bewerkstel- 

■ '■') Deutsche nunl. Woehenschr. Nr. 20. 1888 pag. 394. 


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462 


ligen? Es concurriren auch hier mit der unblutigen 
Methode die blutigen Eingriffe. Zu den letzteren rechnen 
wir die Entleerung des Hämatoms durch Punction oder 
Schnitt. A priori sollte man glauben, dass letzteres Ver¬ 
fahren der Punction der gedachten Indication der schleu¬ 
nigen Entfernung des Hämatoms am besten entspricht, 
doch in praxi liegen die Verhältnisse anders! Halten 
wir uns nur an unseren Eingangs geschilderten Fall. 
Was hätte hier die Punction geholfen, einige Theelöffel 
voll Blut wären vielleicht entleert worden, während das 
Gros desselben ruhig an seiner Stelle geblieben wäre. 
Riedel schildert dasselbe Verhalten in seinen Fällen 
und führt das gelegentliche Misslingen der Punction des 
Gelenkes bei Kniescheibenbrüchen auf die extracapsuläre 
Lage des Exsudates zurück. Ebenso würde es mit der 
versuchten Entleerung durch den Schnitt gehen. 

Weit zweckmässiger erscheint es mir, die Massage und 
methodische Compression für die Resorption der Bluter¬ 
güsse zu benutzen. Diese beiden Factoren in Verbindung 
mit passiven und activen Bewegungen spielen die wich¬ 
tigste Rolle in der Behandlung der Gelenkfracturen, hier 
speciell der Brüche der Kniescheibe. Die Massage wird 
beiden Indicationen, die wir für die rationelle Behand¬ 
lung der Patellarfracturen kennen lernten, am besten 
gerecht, sie bewirkt baldige Aufsaugung des extravasirten 
Blutes und bekämpft die drohenden atrophisirenden Pro- 
cesse. Rückbildung und Anbildung wird durch sie in 
gleich günstiger Weise beeinflusst. Ich glaube denn auch 
thatsächlich, dass die Massage und methodische Com¬ 
pression in Verbindung mit activen und passiven Bewe¬ 
gungen für die Behandlung der besprochenen Bruch¬ 
formen völlig ausreichen und als das Normalverfahren 
angesehen werden dürfen — nur in Ausnahmefällen werden 
wir zur blutigen Naht greifen, am Kniegelenk z. B. dort, 
wo eine äussere Wunde die Fractur complicirte, oder 
wo es sich um hochgradige Verletzungen mit Läsion der 
seitlichen Weichtheil verbindungen handelte. Ich möchte 
noch einmal vor der blutigen Naht warnen, zum min¬ 
desten vor der Verallgemeinerung derselben, wie sie 
Pfeil Schneider empfiehlt. Auch dem geübtesten 
Aseptiker kann es einmal passiren, dass es zur Eiterung 
und Secretretention kommt; welche unheilvolle Wen¬ 
dung dieselbe nehmen kann, wenn es zur Infektion der 
massigen pararticnlären Extravasate kommt, liegt auf der 
Hand. 

Wir haben hier in unserer chirurgischen Abtheilung 
im Laufe des letzten Jahres 5 Kniescheibenbrüche zu 
behandeln Gelegenheit gehabt und dürfen mit den er¬ 
reichten Resultaten zufrieden sein. 

Wir gingen in folgender Weise vor: Gleich nach der 
Aufnahme des Kranken wurde die Kniegelenksgegend 
und deren Umgebung mässig massirt. Gewicht wurde 
darauf gelegt, zunächst die von der Fractur central gele¬ 
genen Gebiete zu massiren, um liier die Lymph- und 
Venenbahnen zur Aufnahme des Extravasates geschickt zu 
machen. Nach der Massage wurde um das Gelenk, welches 
durch Watterollen vor Druck geschützt wurde, eine Heft¬ 
pflaster-Testudo gelegt, welche einen massigen Druck auf 
das intraarticuläre Extravasat ausübte und zugleich die 
Bruchfragmente in Coaptation erhielt. Die so bandagirte 
Extremität wurde in einem Schienenverbande mässig 
hoch gelagert. Nach 3—4 Tagen wurde der Verband 
abgenommen und abermals massirt, besonders ausgiebig 
auch die Oberschenkelmusculatur. Von jetzt ab wurde 
täglich die Massage vorgenommen. Nach Ablauf von 2 
Wochen erfolgten leichte passive Bewegungen und Patient 
wurde angewiesen Versuche zu machen, die Extremität 
mit gestrecktem Knie zu eleviren. Zwischen der 3. und 
4. Woche war Pat. meist im Stande, mit einem Stocke 
im Zimmer umherzugehen und Ende der 6., Anfang der 
6. Woche erfolgte in allen Fällen die Entlassung. 
Knöcherne Heilung war kein Mal erzielt worden, es » 


befand sich zwischen den Bruchfragmenten eine straffe, 
fibröse Verbindungsbrücke, die eine Action im Kniegelenk 
weiter nicht hinderte. In allen Fällen war vollkommene 
active Streckfähigkeit sowie Beugung bis zu 50 u erhalten. 
Gewiss wird sich im weiteren Verlauf die Excursions- 
weite der Bewegungen noch vergrössert haben. Atrophie 
des Quadriceps, narbige Processe in der Umgebung des 
Gelenkes oder in diesem selbst sind kein Mal beobachtet 
worden. 

Ich gedenke die betreffenden Krankengeschichten an 
einer anderen Stelle mitzutheilen. wo ich mich noch 
des Näheren über die Gelenkfracturen zu äussern beab¬ 
sichtige. 

Jeder, der mit dieser Methode gearbeitet hat oder die 
Erfolge gesehen hat, die mit derselben erzielt werden 
können, wird gewiss ein warmer Anhänger derselben 
werden, zumal sie neben anderen Vorzügen den gewiss 
nicht zu unterschätzenden besitzt, dass sie von Jedem ge- 
handhabt werden kann, da sie ausser etwas manueller 
Geschicklichkeit, Geduld und Sorgfalt keiner weiteren 
Hülfsmittel bedarf. 


Referate. 

Paul Guttmann: Ueber einen Fall von Antipyrin- 
Vergiftung. (Therap. Monatshefte Nr. 10). 

Verf. beschreibt einen Fall von Antipyrin-Intoxication, bei 
welchem einige Vergiftnngssymptome so grosse Aehnlichkeit 
mit dem Bilde des asphyktischen Stadiums der Cholera zeig¬ 
ten, dass der Patient als choleraverdächtig in das städtische 
Krankenhaus Moabit (Berlin) eingeliefert worden ist. Er wurde 
in das Hospital unter den Zeichen schweren Collapses gebracht: 
kühle Extremitäten, Temperatur 34,5° C., Erbrechen, Waden¬ 
krämpfe- tiefliegende Augen, heisere Stimme, unfühlbarer Puls. 
Auf Grund dieses Symptomencomplexes lag es nicht fern, auf 
einen schweren Choleraanfall zu schliessen, doch erwies es 
sich bald, dass eine andere Ursache vorliegen müsse, denn der 
Stuhlgang war normal. Die weitere Beobachtung ergab: auf 
Brust und Bauch ein dunkelrosarothes, miliares Exanthem. 
Klagen über Kopfschmerzen, Doppelsehen, Vertaubnngsgefühl 
in Fingern und Zehen. Als Patient sich etwas erholt hatte, 
gab er an seit einem Jahre an Kopfschmerzen zu leiden, die 
er in letzter Zeit erfolgreich mit Antipyrin bekämpfte. Pa¬ 
tient nahm 2 mal täglich je 1 Grm. und nat im Ganzen 10 Grm. 
Antipyrin verbraucht, wonach das in Rede stehende Krank¬ 
heitsbild sich entwickelt hat. Unter Anwendung verschiedener 
Excitantieu wurde eine schnelle Besserung des Allgemeinbe¬ 
findens im Krankenhause erzielt. 

Verf. räht in der Dosirung des Antipyrins vorsichtiger zu 
sein und immer zunächst mit V» Grm. zu beginnen; wird diese 
Dosis gut vertragen, so kann man dann steigen. 

Abelmann. 

Eduard Saalfeld: Ueber Losophan. (Therap. Monats¬ 
hefte Nr. 10). 

Dieses neue von den Farbenfabriken Friedr. Bayer & Comp, 
hergestellte Präparat ist chemisch als ein Trijodkresol anzu¬ 
sehen, es enthält ungefähr 80 pCt. Jod, ist in Alcohol löslich 
und wird von fetten Oelen leicht aufgenommen. Verf. ver¬ 
suchte zunächst das Mittel bei Mycosen der Haut: in 16 Fällen 
von Herpes tonsurans des Gesichtes und Körpers wandte er 
eine l°/°ige Losophanlösung oder Losophansalbe an und konnte 
13 Patienten definitiv heilen, während bei den 3 übrigen eine 
fortschreitende Besserung zu constatiren war. Von 3 Kindern 
mit Herpes tonsurans des behaarten Kopfes wurde 1 geheilt, 
die beiden anderen erheblich gebessert; in Fällen von Pity¬ 
riasis ver8icolor wurde in sehr kurzer Zeit mit l°/o—2°/o Lö¬ 
sung Heilung; erzielt. Bei acutem Ekzem wirkte das Losophan 
ausserordentlich energisch und verursachte leicht Reizung, so 
dass es mehrfach aus^esetzt werden musste, dagegen war es 
bei chronischen Hautinfiltrationen von sehr gutem Einflüsse. 
Hier kam das Mittel als Salbe zur Anwendung und zwar in 
l°/o—2°/o iger Stärke; erfolgreich wurde es ferner gebraucht 
bei Prurigo, Sycosis vulgaris, Acne vulgaris und rosacea; 
gegen den Juckreiz erwies es sich in vielen Fällen sehr wirk¬ 
sam. Bei einigen Fällen von Epizoen waren günstige Erfolge 
zu constatiren: Kranke mit Peaiculi capitis und pnois wurden 
durch eine l°/o ige Lösung mit 25 pCt. Essigzusatz von ihrem 
lästigen Zustande befreit; auch Scabies wurde durch Anwen¬ 
dung einer 2—3°;o-Salbe geheilt. Bei Urticaria und Psoriasis 
waren die Erfolge sehr gering.—Bei einem 3jährigen Mädchen, 
das an Hautgeschwüren in der Glutäalgegend litt (dieselben 


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4(»3 


waren durch das herunturfliessende Secret einer Colpitis ver¬ 
ursacht) brachte ein Streupulver von 1 pCt. Losophan rasche 
Heilung: dieselbe Coraposition leistete als Verbandmittel bei 
einem Patienten mit Ulcera dura und Phimose, die operirt 
wurde, gnte Dienste. Durch Bestreuen mit l 0 /» igern Losophan- 
streupulver wurde Heilung der Wunde erzielt. Im Ganzen ist 
aber nach Verf. die Secretion verringernde Wirkung des Lo¬ 
sophan in Form eines Streupulvers nicht sehr bedeutend und 
steht den anderen gebräuchlichen Mitteln nach. Contraindicirt 
erscheint der Gebrauch des Mittels bei allen acuten Entzün¬ 
dungszuständen der Haut, weil das Losophan sehr leicht Rei¬ 
zung hervorruft. Abelmann. 

J. Petruschky: Ueber die Art der pathogenen Wir¬ 
kung des Typhusbacillus auf Thiere und über die 
Verleihung des Impfschutzes gegen denselben. (Zeit¬ 
schrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. Bd. XII. 
Heft 3). 

Wir sind gewohnt bei Infectionskrankheiten zu unterschei¬ 
den zwischen reiner Infection und Intoxication. Bei ersterer 
(Milzbrand) genügt die Impfung mit kleinsten Mengen der 
pathogenen Bacterien; sie vermehren sich im Körper des Ge¬ 
impften bis ins Grenzenlose und tödten vielleicht zum Theil 
mechanisch, durch Verstopfung der Capiliaren. Bei letzterer 
(Diphtheritis, Cholera) findet ja auch eine Vermehrung der 
ein gedrungenen Bacillen statt, aber nur local, ins Blut ge¬ 
langen sie nicht und nur ihre giftigen Stoffwechselproducte 
werden resorbirt und tödten. Die Trennung scheint aber nicht 
zu scharf gezogen werden zu dürfen. 

Nach P.’s Untersuchungen nimmt der Typhus eine Mittel¬ 
stellung ein. Bis jetzt gab es zwei Gruppen von Forschern, 
von denen die eine den Typhus als reine Infectionskrankheit 
reklamirte, weil sie im Blut und in allen Organen T.-bacillen 
gefunden hatten, während die andere — diesen Befund zuge¬ 
bend — doch nur Intoxication gelten liess, weil kleine Men¬ 
gen Bacillen in die Bauchhöhle gebracht, nicht tödteten. 
während grössere Mengen immer den Tod zur Folge hatten. 
P.'s Untersuchungen stellten nun Folgendes fest. Wenn sehr 
kleine Mengen von T.-baoillen in die Bauchhöhle von Mäusen 
gebracht wurden, so überstanden die Thiere den Eingriff 
sehr gut und wurden nun immun gegen grössere Mengen. 
Wurden gleich grössere Mengen angewandt, so starben die 
Thiere. Vereinzelte T.-bacillen wurden nun constant im Blute 
und in den Organen lebend gefunden, aber eine Vermehrung 
der hierher gelangten Bacillen konnte sicher ausgeschlossen 
werden. Dagegen hatte eine beträchtliche Vermehrung der¬ 
selben auf den serösen Häuten stattgefunden. Auch wenn 
die Infection snbcutan (nicht intraperitoneal) stattgefunden 
hatte, fanden sich auf Peritoneum und Pleura nengebildete 
Colonien wie auf passenden Nährböden, und zwar von exqni 
siter Virulenz; auch in der Peritoneal und Pleuraflüssigkeit 
waren reichliche Bacillen frei enthalten. Geschah die Section 
wie gewöhnlich, so mischte sich leicht diese Flüssigkeit mit 
dem Blute der ausgeschnittenen Organe und letzteres erschien 
nnn reich an Bacillen. Spülte man aber die serösen Ueberzüge 
der Organe sorgfältig ab, ehe das Parenchym eröffnet wurde, 
so wurden die thatsächlichen Verhältnisse klar gelegt. 

Also nicht (wie bei Milzbrand) unbegrenzte Vermehrung 
der Bacillen überall im Körper; auch nicht (wie bei Diphthe¬ 
ritis und Cholera) Vermehrung nnr am Ort der Application — 
sondern IVermehrnng in loco und in einem System, den 
serösen Häuten und dabei Vergiftung durch Resorption der 
Toxine. Masing. 

v. Lingelsheim: Beitrage zur Streptokokkenfrage. 
(Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten. Bd. 
XII, Heft 3). 

Der Autor sammelte sich Streptokokken von verschiedenen 
Kranken. Zunächst in 22 Fällen von Angina catarrh.. follicu¬ 
laris oder phlegmonosa. Wurden die Exsudate von den Ton¬ 
sillen während der Zunahme oder der Höhe der Entzündung 

f enommen, so bewiesen Mikroskop und Culturversuche, dass 
treptokokken die alleinigen Beherrscher der Scene waren; 
während der Abnahme des Fiebers etc. traten noch andere 
Bacterien auf. Ferner erhielt v. L. Streptokokkenmaterial von 
3 Fällen von puerperaler Sepsis. Endlich von 3 Fällen von 
Erysipel (in den Blasen und in der blutigen Flüssigkeit nach 
Scarincation waren keine Streptokokken zu finden, wohl aber 
immer in excidirten Stückchen der befallenen Haut). 

In allen diesen Krankheiten wurde als alleiniger zweifel¬ 
loser Erreger Streptokokkus gefunden. In folgenden Fällen 
wurde dieser neben den eigentliche npathogenen Bacterien ge 
fanden: 1) pneumonisches Sputum 2) Sputum bei chronischer 
fieberloser Laugentuberkulose 3) Sputum bei hochfiebernder 
Phthise. 4) Pemphigusblasen. 5) Pleuraexsudat eines alten 
Phthisikers. 6) Ans einem hepatisirten Lungenabschnitt einer 
Diphtherieleiche. 

Ein Phthisiker bot besonderes Interesse. Er litt jahrelang 


an chronischer Lungentuberkulose ohne Fieber und iü seinem 
Sputum waren ausser Tuberkelbacillen keine anderen Mikro¬ 
organismen. Plötzlich bekam er hohes Fieber, Fröste; nnn 
erwies sich das Sputum überschwemmt mit Streptokokken, 
welche nach ö Tagen gleichzeitig mit dem Fieber wieder ver¬ 
schwanden. Die Streptokokken von so verschiedener Herkunft 
boten keine constanten Unterschiede weder mikroskopisch noch 
cnlturell. Und wie verschiedene Krankheitsbilder bei ein und 
demselben Erreger! Bei den übrigen parasitären Krankheiten 
ruft der betreffende Mikroorganismus immer dasselbe wolil- 
charakterisirte Krankheitsbild hervor. Dieses Typische wird 
nun wohl bosonders dadurch bedingt, dass diese Bakterien 
nur von einer bestimmten Localität aus krank machen (Cho¬ 
lera-Darm etc.). Ganz anders liegen die Verhältnisse bei » 
Streptokokkus.: «IJeberall verbreitet, zu jedem Kampfe gt- 
waffnet, sind sie befähigt überall einzusetzen, hier einen neuen 
Process einznleiten, dort einen vorhandenen zu compliciren. 
Damit ist es gesagt, dass es eigentlich so viele Krankheits¬ 
bilder geben muss, als es Orte giebt, wo die Streptokokken 
angreifen können*. 

Eine Reihe von Thierexperimenten illustriren das. Wählte 
L die tiefe Injection. <1. li. spritzte er Culturen in die un¬ 
tersten Partien des Unteihantzeligewebes, so konnte — wenn 
die Culturen recht virulent waren — jede palpable locaje Re- 
action unterbleiben und nur schnell verlaufende Septicämie 
eintreten. Iu anderen Fällen (bei weniger empfänglichen 
Thieren und geringerer Virulenz) traten oedematöse Dnrch- 
tränkung oder derbe phlegmonöse Infection auf mit Ansgän¬ 
gen in Abscedirnng und öfters metastatischen Herden in dar 
Leber und Entzündunge i dei serösen Häute- — Bei oberfläch¬ 
licher Impfung war das Erysipel die eonstante Folge; ob der 
zur Impfung benutzie Streptokokkus aus einem Erysipel 
stammte oder nicht, war dabei ganz gleichgültig. Trat das 
Erysipe! heftig auf. so erfolgte rasch der Tod und das Blut 
enthielt zahlreiche Strentokok <en. Interessant, weil vollkom¬ 
men entsprechend der cnirurgischen Erfahrung (dass nämlich 
Erysipele leicht an Stellen mit ungünstigen Circulationsver- 
hältnissen entstehen), waren folgende Experimente- Wurde 
ein Kaninchen oberflächlich mit sehr kleinen Mengen Strepto¬ 
kokken am Ohr geimpft, so überstand das Thier dieses oft 
ohne Folgen; wurde aber nach der Impfung die Ohrwurzel 
leicht durch einen Heftpflaster- oder Collodiumstreifen com- 
primirt, so trat Erysipel auf. 

Von grosser Bedeutung ist die verschiedene Virulenz des 
Impfmaterials. L. erhielt das giftigste aus dem Tutenciter 
una der diphtheritisehen Uterinschleirahaat bei puerperaler 
Sepsis, das schwächste von Tonsillarangina. Masing. 


Bacheranzeigen und Besprechungen. 

Prof. C. Gerhardt (Berlin). Die Pleuraerkrankungen. 

Stuttgart. 1892. Verl. v. Feld. Enke. 

Dieses Werk des bekannten Klinicisten ist als 34. Liefe¬ 
rung der «Deutschen Chirurgie» erschienen und behandelt die 
verschiedenen Formen der Pleuritis und den Pneumothorax, 
also diejenigen Erkrankungen des Brustfellsackes, die für den 
Chirurgen das grössesle Interesse haben. Es gereicht dem 
Buch zum besondern Vortheil, dass es von einem iunern Kli¬ 
niker geschrieben ist, weil ein solcher leichter und häufiger 
Gelegenheit hat den natürlichen, nicht durch chirurgische Ein¬ 
griffe beeinflussten und modificirten Verlauf der in Rede ste¬ 
henden Krankheiten zu studiren als der Chirurg, und daher 
die Erfolge der Chirurgie gegen die Chancen des natürlichen 
Ausganges der Krankheit besser abzuwägen vermag. So wird 
von; Verf. mehrmals betont, dass die, freilich nnr selten ein¬ 
tretende Selbstheilnng des Empyems vermittelst eines Durch¬ 
bruches in die Lunge ein viel vollkommeneres Heilungsresul¬ 
tat ergiebt, als die schönste Rippenresection. Nichts desto we¬ 
niger ist es selbstverständlich, dass der Verf. den chirurgi¬ 
schen Behandlungsmethoden durchaus freundlich gegenüber 
steht. So will Gerhardt die Pnnction eines nicht eitrigen 

S leuritischen Exsudates durchaus nicht auf die bekannten Tn- 
icationen der Lebensgefahr, der Unmöglichkeit anderweitiger 
Heilnng und der unerträglichen Beschwerden des Kranken 
beschränken, sondern gestattet sie bei jedem sicher nachgewie¬ 
senen Erguss; als Einschränkung wird freilich hinzugefügt, 
dass ein guter Erfolg der Punction mit Wahrscheinlichkeit 
erst erwartet werden kann, wenn bei abnehmendem Fieber der 
Erguss selbst (durch Druck auf seine Umgebung) das Hinder¬ 
niss der Aufsaugung bildet. 

Was die Thoracotomie mit Rippenresection, wie sie ursprüng¬ 
lich von König angegeben wurde, betrifft, so schliesst G. sich 
den gewöhnlichen lndicationen derselben an. Bei der Nachbe¬ 
handlung will er nnr bei jauchigem Exsudat desinficirende 
Ausspülungen znlassen, bei einem reinen Empyem dagegen 
wo möglich ohne solche die Heilung abwarten. Wie Zieiussen 
auf dem vorletzten Congress für innere Medicin, so verhält 


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auch Gerhardt, sich ziemlich skeptisch zur Biilau’sehen 
pernianen ten A spirationsdrainage. 

Hie und da wird die klare und präcise Darstellung durch 
lehrreiche Krankengeschichten illustrirt. D—o. 


Protokolle 

der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

1183. Sitzung, am 2. September 1892. 

Anwesend 51 ordentliche Mitglieder und 9 Gäste. 

1. Präses begrüsst die nach den Sommerferien wieder 
versammelte Gesellschaft und bedauert, dass die erste Sitzung 
im neuen Semester ohne feste Tagesordnung habebleiben müssen. 
Allgemein bekannte Giünde hatten veranlasst das im Augen¬ 
blick am nächsten liegende Thema, die Cholera, von der Tages¬ 
ordnung auszuschlie8sen. 

2. Dr. F Berg referirt über folgenden Fall: 

Ein etwa 50 jähriger Mann erkrankte ungefähr 15 Jahr nach 
stattgehabter luetischer Infection unter den Erscheinungen 
progressiver Paralyse: Gedächtnisschwäche, Sprachstöruug. 
Lähmung der Blase und des Mastdarms, allgemeiner Kräfte- 
veifall. Sechs- bis achtmonatliche antisyphiiitische Behandlung 
(Schmiercnr, Jodkali) hatte einen so vorzüglichen Erfolg, wie 
ihn Redner in ähnlichen Fällen bisher nicht gesehen: Patient 
konnte wieder mit einem Stocke gehen; Blase und Mastdarm 
functionirten gut: auch psychisch schien er wieder intact. Bei 
der im Allgemeinen doch durchaus schlechten Prognose der 
allgemeinen Paralyse müsse er dies Resultat für besonders 
auffallend und erfreulich bezeichnen. 

Dr. Holst und Dr. Tiling führen aus, dass sie das von 
Dr. Berg geschilderte Krankheitsbild nicht als das der typi¬ 
schen progressiven Paralyse ansehen. Wenn sie auch Bezie¬ 
hungen der Paralyse zur Syphilis durchaus anerkennen, so 
wollen sie doch davon getrennt wissen die «Hirnsyphilis», 
welche ein sehr ähnliches Krankheitsbild geben könne. Dr. 
Berg’s Fall wollen sie zu letzterer rechnen Dr. Holst wie 
Dr. Tiling sind in solchen Fällen günstige Heilresultate be¬ 
kannt, wenn auch letzterer aus seiner Erfahrung constatiren 
muss, dass hierdurch einmal gesetzte psychische Defecte nie 
völlig schwinden. 

Die Discussion geht darauf über zur Besprechung des Ver¬ 
hältnisses der Tabes zur Syphilis und deren Therapie über¬ 
haupt. 

Dr. Holst tbeilt die Beziehungen der Syphilis zur Tabes in 
zwei Arten: Es könne Tabes directe Folge syphilitischer Er¬ 
krankung des Rückenmarks sein; dann trete sie meist wenig 
Jahre nach der Infection auf, dann verspreche auch antisy¬ 
philitische Behandlung Erfolg. Meist aber sei es anders: 20,30 
und mehr Jahre nach der Infection trete die Tabes auf. und 
zwar nicht als direct syphilitische Rückenmarkserkrankung, 
sondern als selbstständige Krankheit, die auf dem Boden der 
iiberstandenen Syphilis wurzelt. — Dr. Holst erklärt die von 
mehreren Gollegen in Kemmern bei Tabetikern angewandten 
Schwitzeuren in heissem trockenen Moor für direct schädlich, 
wie auch Dr. Berg sie verwirft. -- Allgemein ist man darin 
einig, dass es hauptsächlich lässig und unzureichend behan¬ 
delte Fälle von Syphilis sind, die später die schweren Erkran¬ 
kungen des Centralnerveusystems anfweisen. 

Die Gefahr der subcutanen Injectionen von Calomel und 
Hydrarg. salyeil. wird von mehreren Seiten beleuchtet (Berg, 
Bergmann), wenn auch zugegeben wird (Voss, Berg, Berg¬ 
mann I, dass diese Therapie in einzelnen Fällen doch für die 
beste erklärt werden muss nnd dass auch die Bequemlichkeit 
ihres Anwendung es unmöglich macht sie aus der Praxis aus- 
zuschliessen. z. Z. Secretär: Heerwagen. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitznng am 10. November 1892. 

Zum Protokoll der Sitzung vom 13. Üctober bemerkt Herr 
Wladimirow. dass in dem von Herrn Hellat mitgetlieilten 
Falle von oösartiger Neubildung der Nase die genaue mikro¬ 
skopische Untersuchung definitiv ein grosszeiliges Rund¬ 
zellensarkom erwiesen hat. 

1) Herr Wanach spricht «Ueber die Behandlung 
gangränöser Hernien», unter Ausschluss blos gangrän- 
verdächtiger und solcher Hernien, in deuen sich andere Bauch¬ 
organe als Darm als Bruchinhalt vortinden. Die Literatur und 
Geschichte dieses Gegenstandes ist kürzlich von deu DDr. 
Butz uud Zeidler ausführlich behandelt worden. Unter den 
jetzigen Chirurgen herrscht noch immer grosse Meinungsver¬ 
schiedenheit, ob man den gangränösen Darm primär reseciren 
nnd nähen oder einen anus praeternaturalis anlegen soll; 
einige nehmen eine mehr vermittelnde Stellung ein. W. unter¬ 
scheidet 3 Gruppen von Kranken. Zur ersten Gruppe gehören 


die Fälle, bei denen sich ausgedehnte entzündliche Verände¬ 
rungen in der Umgebung des brandigen Bruches. Kothabscesse. 
Gangräu und Perforation der Haut finden; peritonitische oder 
septische Erscheinungen können vorhanden sein oder fehlen. 
Diese Fälle sind mit einfacher Incision und Reinigung der 
Wunde zu behandeln. Das Resultat ist oft überraschend gut.— 
ln der zweiten Gruppe der Fälle überwiegen die schweren sep¬ 
tischen Allgemeinerscheinungen (kühle Extremitäten, Cyanose, 
kalter Schweiss, fehlender Radial puls i, während die Verände¬ 
rungen am Bruch selbst gering sind; nach Lösung der Ein¬ 
klemmung findet sich eitrige oder kothige Peritonitis. Diese 
Kranken sind fast immer verloren, man legt einen anns praeter, 
naturalis an, um die Operation möglichst schnell zu beenden. 

Bei der dritten, zahlreichsten Gruppe von Kranken mit nicht 
so schweren Intoxicatioussymptomen und begrenzten, relativ 
gelingen entzündlichen Veränaerun<ren am Bruch treten die 
Anlegung des anus praeternat. und aie primäre Darmresection 
nnd Naht in Concurrenz. Welcher Methode der Vorzug ge¬ 
bührt kann durch die Statistik nicht entschieden werden. Das 
Fehlen der unpublicirten Falle macht die auf gesammelten 
casuistischen Mittheilungen basirendeu Berechnungen werth¬ 
los; vollständige Operationsserien einzelner Operateure und 
Anstalten sind zu klein nnd leiden an Ungleichwerthigkeit 
der einzelnen Fälle. Eher ist eine Entscheidung möglich durch 
Erwägung der aus den pathologischen Vorgängen sich erge¬ 
benden Indicationen. Die Veränderungen des zufuhrenden Darms 
(Blähung. Lähmung, Geschwürsbildung auf der Schleimhaut 
mit schliesslichem Ausgang in Perforation,Resorption toxi¬ 
scher Stoffe' sind von weit grösserer Bedeutung als die relativ 
ungefährlichen Processe an der eingeklemmten Schlinge 
(Reichel, Klemm n. A.). Die Therapie soll vor Allem nicht 
schaden; die Kranken sollen nicht Chloroform bekommen, da¬ 
mit das ohnehin geschwächte Herz nicht weiter geschädigt 
wird, Cutane nnd snbentane Cocaininjection genügt, um die 
Operation nahezu schmerzlos zu machen; Manipulationen am 
Darm sind unempfindlich. Weitere Aufgabe der Therapie ist 
es, die Resorption der das Leben gefährdenden toxischen Stoffe 
zu unterbrechen: der Dann soll soweit resecirt werden, als er 
die erwähnten Schleimhautgeschwüre aufweist, der Darminhalt 
soll bei der Operation gründlich entleert werden. Die iu einem 
gewissen Grade bestellende Unsicherheit in der Erkennung 
der Grenze des gesnndeu Darms kann ebenso verhängnisvoll 
werden, wenn man einen künstlichen After anlegt, wie wenn 
man primär den Darm näht. Der (Bissige, bei der Operation 
zurückgebliebene Koth staut sich nicht au der vernähten Stelle. 
Die Methoden der Darmnaht sind genügend aasgebildet. Der 
Naht nach Czeruv-Lembert oder Wölfler ist der Vorzug 
zu geben. Der einzige triftige Einwand gegen die primäre 
Enterorhaphie ist ihre längere Dauer, die aber bei nicht chlo- 
roformirten Patienten nicht schwer ins Gewicht fällt. Für sehr 
collabirte Patienten ist die frühe Secundärnaht (nach 24 Stun¬ 
den) eine vorzügliche Methode (Riedel). 

Der anus praeternaturalis bringt den Kranken eine Reihe 
von Gefahren, die der primären Enterorhaphie nicht an haften: 
später zutretende septische Phlegmonen, Adhäsionen und 
Knickungen der beiden Darmschenkel. Inanition, wenn der 
After an einem hochgelegenen Darmtheil angelegt ist, ein¬ 
greifende Nachoperationen: bei circumscripter Peritonitis kann 
man nach Darinnaht durch Offenlassen und Tamponiren der 
Wunde einer Weiterverbreitung der Entzündung vorbeagen- 
naeli Afterbildung nicht. W. hält die primäre Resec- 
t i o n und Naht des Darms f ii r <1 a s N o r m a 1 v e r . 
fahren bei brandigen Darmbrüchen. 

W. hat 3 mal brandige Hernien operirt. Eine Patientin ge¬ 
langte stark collabirt zur Operation und starb 2 Tage nach 
Anlegung des künstlichen Afters. Der zweiten Patientin wurde 
mit günstigem Ausgang der Darm resecirt und vernäht (der 
Fall ist veröffentlicht in der St. Petersb. med. Wochenschr. 
Nr. 34, 1892). Der dritte Fall ist kurz folgender: 46jähriger 
Pat., geisteskrank, Arteriosclerose geringen Grades. Nach 
4 tägiger Einklemmung eines rechtseitigen faustgrossen Leisten¬ 
bruchs am 28. August 1892 in das Petcr-Panlhospital anfge- 
nommen. Allgemeinzustand, Puls gut, kein Erbrechen, Leib 
nicht aufgetrieben. Haut über dem Bruch infiltrirt und ge- 
rötbet. Sofortige Operation. Im Bruchsack das stellenweise 
adbärente stark geblähte Coecnm nebst der Einmündung des 
Ilenra nnd dem Anfangstheil des Colon ascendens. Auf dem 
Coecum mehrere gangränöse Flecken. Spaltung des Leisten¬ 
canals, Resectionsschuitte am Ileum 2 Querfinger von der Ein¬ 
mündung nnd am Beginn des Colon ascend. Unterbindung des 
langen Mesocöcum in 3 Partien. Das Colon durch Naht so¬ 
weit verengert, dass sein Lumen dem des Ileum entspricht. 
Doppelseitige Enterorhaphie. Wunde offen gelassen una tam- 
ponirt- Verlauf sehr günstig. Am Abend des 3. Tages reich¬ 
licher Stubl, der späterhin regelmässig etwa jeden 2. Tag spon¬ 
tan erfolgt. Am 26. October ist die Wunde vollständig über¬ 
häutet. (Demonstration des Patienten und des resecirteu 
Darms). 

W. hat in der Literatui keinen analogen i all gefunden. 
Cöcalbrüche sind überhaupt selten. Hildebrand hat in die- 


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i 


sem Jahr 128 Fälle gesammelt- In keinem von diesen ist die 
Resection gemacht worden Nach der Zusammenstellung von 
Matlakowski sind 29 Fälle von Resection des Cöeum von 
verschiedenen Chirurgen publicirt, ausserdem hat Billroth 
allein 24 mal das Cöeum exstipirt- In keinem von diesen Fällen 
gab Gangrän in Folge von Brucheinklemmung die Indication 
ab. Die Technik der Vereinigung des Ileum mit dem Colon 
nach Resection des Cöeum ist noch nicht definitiv festgestellt. 
Empfohlen sind: directe Vernähung, Abschrägung des Ileum. 
Keilexcision aus dem Colon, Invagination des Ileum in das 
Colon, Verschluss der Colonwunde und seitliche Implantation 
des ileum in eine neue Oeflnnng. Verschluss beider Darmwun¬ 
den und Anastomosenbüdung. 

Herr Zeidler giebt zu dem verhandelten Thema folgende 
Zahlen aus dem Obuchow-Hospital: von 16 eingeklemmten 
gangränösen Hernien wurden 13 primär resecirt, von diesen 
Patienten starben 7. Die übrigen 3 Fäile, in denen ein Anus 
praeternaturalis angelegt wurde, endeten alle tödtlich. Inbe¬ 
betreff der Indicationstellung schliesst Z. sich VV a n a c h 
durchaus au. Charakteristisch und prognostisch sehr wichtig 
seien die erwähnten Veränderungen der Mucosa (Geschwüre !) 
welche viel weiter von der Einklemmungsstelle hinaufreichen 
können, als die äusserlich am Darm sichtbaren Veränderungen; 
wegen der genannten Ulcerationen musste Z. in einem Falle 
70 Cm. vom Dünndarm reseciren, obwohl die Serosa nur auf 
einer Strecke von 5 Cm. verändert war. Einklemmnngen des 
Coecum wurden im Obuchow-Hospital unter 105 Fällen von 
Herniotomie nur 3 mal beobachtet. Z, hält es für schwierig 
das Chloroform bei diesen Operationen ganz zu entbehren. 

Herr Tiling hat im klinischen Institut von 5 Fällen in- 
carcerirter gangränöser Hernien in 3 den Anus praeternatu¬ 
ralis angelegt (alle 3 Fälle endeten letal; und 2 resecirt (beide 
genasen). Wie bei den meisten Laparotomien, so hat T. auch 
bei der Darmresection ohne Chloroform (mit Cocain allein) 
aaskommen können; er betont nochmals die schon früher ge¬ 
rühmten Vortheile, welche daraus erwachsen: kein Erbrechen, 
kein stärkerer Collaps, subjectiv besseres Befinden nach der 
Operation, grössere Sicherheit in der frühzeitigen Erkennung 
einer etwa beginnenden Peritonitis. Die Herren Schmitz 
und Anders machen darauf aufmerksam, dass man bei 
Kindern das Chloroform dennoch nicht entbehren kann. 

Secretär: E. B1 e s 8 i g. 


Vermischtes. 

-- Am 1. December vollendeten sich 25 Jahre seit der 
Gründung des hiesigen städtischen Roshdestwenski- 
Barackenlazareths und zugleich auch 25 Jahre der 
Wirksamkeit des Oberarztes. Ehren - Leibmedicus Dr. 
Joseph Bertenson an dem Barackenlazareth. Die Feier 
begann mit einem Gottesdienst, worauf sich die zahlreiche 
Festversammlung in den mit dem lebensgrossen Bildniss 
Dr. Bertensons geschmückten Saal der Feldscherinnenschule 
begab, wo der Jubilar Dr. Bertenson die Glückwünsche und 
Adressen empfing. Zunächst verlas der Vicepräsident des 
Damen-Lazareth-Coraite's ein Rescript Ihrer Majestät der Kai¬ 
serin auf den Namen des Jubilars und überreichte demselben 
das ihm allerhöchst verliehene Geschenk — einen kostbaren 
Ring und darauf im Namen des Damen-Lazareth-Comit4s — 
ein prachtvolles Jeton. Es folgte nun die Beglückwünschung 
und Verlesung der Adressen durch die zahlreichen Deputa¬ 
tionen verschiedener Institutionen und Gesellschaften, so der 
St. Petersb. Stadtverwaltung, der Aerzte des Hospitals des 
Prinzen von Oldenburg, des Obuchow-Hospitals, der Pirogow’- 
schen chirurgischen Gesellschaft, der Gesellschaft zur Wah¬ 
rung der Volksgesundheit, der ärztlichen Gesellschaften in 
Witebsk, Riga und Wilna, der früheren und gegenwärtigen 
Zöglinge der Feldscherinnenschule. Ausserdem waren von 
vielen Personen, die verhindert waren persönlich zu erscheinen, 
Glückwunschschreiben und Telegramme ein gelaufen. Dr. B a i- 
k o w überreichte im Namen der Collegen eine Geldsumme zur 
Stiftung eines Stipendiums auf den Namen des Jubilars in der 
Schule für Arztgehülfinnen und Feldscherinneu. 

Der Jubilar antwortete auf die zahlreichen Ansprachen in 
längerer Rede, in welcher er einen Rückblick aut die Thätig- 
keit des Damen-Lazareth-Corait^s und die Geschichte der Ba¬ 
racken warf, welche, wie er hervorhob, ihr Entstehen ganz der 
in Gott ruhenden Kaiserin Maria Fedorowna ver¬ 
danken. 

Dr. B e r t e n s o n ist in Nikolajew geboren und hat seine 
medicinische Ausbildung in Dorpat erhalten, wo er von 1854 
bis 1857 studirte. Nach Erlangung der Doctorwürde war B. 
4 Jahre älterer Arzt am Collegium der allg. Fürsorge in 
Witebsk, siedelte aber 1863 nach St. Petersburg über, wo er 
anfangs praktischer Arzt, von 1865- 68 Inspector des Physi- 
kats, dann Medicinalinspector des St. Petersb. Gouvernements 
war und seit 1871 bis zum heutigen Tage als Director des von 
ihm begründeten Roshdestwenski-Barackenlazareths fungirt. 

— Vor Kurzem beging die medicinische Gesellschaft 
in Minsk das 25jährige Jubiläum ihres Besteheng. 


Die Gesellschaft ist von dem früheren örtlichen Medicinal- 
inspector P. K. Berg gegründet worden nnd unterhält seit 
dem Jahre 1879 eine unentgeltliche Heilanstalt für ambulato¬ 
rische Kranke. Gegenwärtig fungirt als Präsident der Gesell¬ 
schaft der Medici nalinspector Dr. P. M. Petro w. 

— Der ausserordentliche Professor der Hygiene an der 
militär-medicini8chen Acadimie, Dr. S. W. Schidlowski. 
ist zum ordentlichen Professor befördert worden. 

— Am 24. November feierte der Professor der Chirurgie an 
der Moskauer Universität, Geheimrath Dr. J. N. Nowäzki- 
das 40jährige Jubiläum seiner ärztlichen und wessen, 
schafilichen Thätigkeit. Bei dieser Gelegenheit wurden 
ihm zahlreiche Beweise der Anerkennung seiner langjährigen 
fruchtbringenden Wirksamkeit als Arzt und Universitäts¬ 
lehrer zu Theil. Von der Moskauer chirurgischen Gesellschaft 
und von der hygienischen Gesellschaft in Moskau wurde der 
Jubilar zum Ehrenmitgliede ernannt. Deputationen von der 
Moskauer Universität, von seinen früheren Schülern (jetzt 
Professoren), von der MedicinalVerwaltung, von den Aerzten 
des Katharinenhosnitals, an welchem er Oberarzt ist, sowie 
von den meisten Moskauer Hospitälern beglückwünschten deu 
Jubilar und überreichten ihm Adressen. Den Schluss der 
Feier bildete ein Diner im Gasthause «Slawjanski Bazar».— 
Prof. Nowazki steht gegenwärtig im 65. Lebensjahre und 
hat seine medicinische Ausbildung an der Moskauer Univer¬ 
sität erhalten, an welcher er seit 1868 als Professor der chi¬ 
rurgischen Hospitalklinik und zugleich als Oberarzt des Ka- 
thariuenhospitals wirkt. 

— Am 26. Nov. beging der Oberarzt des Moskauer Marien¬ 
hospitals für Arme, wirkl. Sfaatsrath Dr. Herrn. Ssawostizki, 
sein 40jähriges Dienstjubilänm. S. ist im Jahre 1827 
geboren und hat seine medicinischen Studien an der Moskauer 
Universität gemacht. Er gehört zn den Gründern der Mos¬ 
kauer chirurgischen Gesellschaft und ist ununterbrochen bald 
Präsident, bald Vicepräsident dieser Gesellschaft gewesen. 

— Verstorben: l)In Warschau der dortige Arzt H. 
Kepinski im 25. Lebensjahre. Der Verstorbene, welcher schon 
längere Zeit an Nervenzerrüttung litt, hat durch Erhängen 
in einer Badstube seinem Leben ein Ende gemacht. 2) Der 
jüngere Arzt des Nowogeorgiewski’schen Festungsbataillons 
J. J. Nikolski, im 37. Lebensjahre. 3) Der Reservearzt des 
Militärressorts Milost anow. 4) Am 21. October in Kischinew 
die Aerztin Ida Blumenfeld, welche sich mit Carbolsäure 
vergiftet hat. 5) Am 6. December n. St. in Strassburg der 
ord. Professor der Anatomie Dr. Joh. Joessel, bekannt 
durch seine vorzügliche Darstellung der topographischen Ana¬ 
tomie, im 54. Lebensjahre. 

— Der König von Schweden hat Pasteurin Anerkennung 
seiner wissenschaftlichen Verdienste das Grosskrenz des 
Olaf-Ordens verliehen. 

— Die Landschaft8ver8ammlnng von Ssysranj (Gonv. Ssim- 
birsk) hat dem Stndencen der Medicin der Dorpater Univer¬ 
sität, Constantin Blum werk, für seine Thätigkeit als 
Choleraarzt im Dorfe Roshdestwo ihren Dank notirt; ausser¬ 
dem hat das Ssysranj’sche Landschaftsamt demselben in einem 
Schreiben das Zengniss ausgestellt, dass er als Leiter der 
Cbolerabaracke in der Zeit vom 24. Juli bis 24. October seine 
Pflicht mit vollem Eifeh bestens erfüllt habe. 

— In der Moskauer Universität wurde am 22. Nov. von den 
Professoren und Studenten eine Seelenmesse für die Mos¬ 
kauer Studenten der Medicin Ssletow und Kljatsch- 
ki n, welche bei der Bekämpfung der Epidemie im Jelez’schen 
Kreise ein Opfer ihres Berufes geworden sind, veranstaltet. 

— Die Kursk’sche Kreislandschaftsversammlung hat be¬ 
schlossen, den 5jährigen Sohn der Feldscherjn Olon- 
kina, welche sich durch besonderen Eifer bei der Bekämpfung 
der Choleraepidemie anszeichnete und dabei selbst ein Opfer 
der Epidemie geworden ist, auf Kosten der Landschaft zu 
erziehen nnd hat zu diesem Zweck 200 R. jährlich aus¬ 
gesetzt. 

— Wie in anderen Ländern, so hat sich anch bei uns ein 
Comite gebildet, um den russischen Aerzten die Theilnahme 
an dem nächsten internationalen medicinischen Con- 
gress, welcher im Jahre 1893 vom 24. September bis 1. Oc¬ 
tober n. St. in Rom abgehalten werden wird, zu ermöglichen 
und zu erleichtern. Zu dem «Russischen Comite» gehören 
folgende Personen: Der Präsident des Mediciualraths, Prof. 
P asc h u ti n (Vorsitzender), der Ober-Militär-Medicinalinspector 
Dr. Remmert, der Ober-Medicinalinspector der Flotte Dr. 
Kudrin, der gelehrte Secretär des Medicinalraths Prof. An rep, 
die Professoren der militär-medicinischen Academie Slaw¬ 
janski und Danilewski, Prof. Sklifassowski (Moskau), 
Prof. Dehio (Dorpati, Prof. Worosehilow (Kasan), der Cu- 
rator des westsibirischen Lehrbezirks Dr. Floriuski (Tomsk), 
Prof. Rein (Kiew), Prof. Obolenski (Charkow), Prof. Lnk- 
janow (Warschau), Prof. Peter Spiro (Odessa). Secretär 
des Russischen Comites ist Dr. A. A. Lichatschew (St. 
Petersburg, Troizkaja Nr. 9, Qu. 12). 

— Das Comite englischer Aerzte zur Beschickung 
des XI. internationalen Congresses zn Rom, welches 


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— Dr. Chawkin begiebt sich in nächster Zeit nach In¬ 
dien, um seine Schutzimpfungen gegen die Cholera, 
welche er bis jetzt im Pasteur’schen Institut änstellte, in 
grösserem Massstabe zu erproben. In London sollen Lord 
Kimberley nud die Glieder des Medicinalraths ihm mög¬ 
lichste Förderung seines Unternehmens zngesagt haben. 

— Ein neues Choleraexperiment. Die Lorbeeren Stan- 
hope’8 haben den Journalisten A. E. Badaire in Paris nicht 
ruhen lassen, doch muss dem Experiment des Letzteren we¬ 
gen der rationellen Versuchsanoranung, wenn auch kein ab¬ 
solut beweisender, so doch ein grösserer Werth beigelegt wer¬ 
den, als dem seines amerikanischen Collegen, Am 26. August 
und 1. September d. J. liess sich Badaire im Institut Pa¬ 
steur nach der Chawkin’schen Methode impfen. Um die 
Wirksamkeit der Impfung zn erproben, verschluckte er am 
28. September in Gegenwart des Leiters des temporären Pa¬ 
riser Cholerahospitals, Dr. Gaillard, und seiner Assistenz¬ 
ärzte 5 Ccm. Choleradejectionen, die zahllose Commabacillen 
enthielten. Badaire blieb vollständig gesund und verspürte 
nicht das geringste Unwohlsein. (Wien. med. Presse). 

— Vom Medicinaldepartement wird zur Kenntnisnahme der 
Aerzte die Tagesordnung und die Vertheilung des 
Stoffes der Verhandlungen für den vom 13.—20. De- 
cember d. J. hier stattfindenden Choleracongres]s 
veröffentlicht. Es ist wünschenswerth, dass die Mittheilungen 
der Aerzte entsprechend der unten angeführten Einteilung 
der auf dem Congress zur Verhandlung kommenden Fragen 
redigirt sind und wenigstens einen Tag früher, als die be¬ 
treffenden Fragen zur Berathung gelangen, dem Bureau ein¬ 
gereicht werden. Das Programm des Congresses ist folgendes: 

Sonntag, den 13. December um 1 Uhr Nachmittags — 
Eröffnung des Congresses. 

1) Bekanntmachung der Congressniitglieder mit: a. den sta¬ 
tistischen Daten über die Bewegung der Epidemie, der Zahl 
der Erkrankten und Gestorbenen, den Wegen der Verbreitung 
und den Bedingungen, welche zur Verschleppung der Epidemie 
beitrugen. 

b. Der Uebersicht der verwirklichten Anticholera-Massregeln 
von Seiten: a. der Centralverwaltung, b. der örtlichen liegie- 
i ungs- und communalen Behörden in den Gouvernements; c. ver¬ 
schiedener Ressorts. 

2) Bericht A. Allgemeine prophylaktische Massregeln (vor 
dem Auftreten der Epidemie): 

a. Sanitäts-Executivcommissionen. Sanitätsconseils und Bn- 
reaux. Sanitätsabtheilungen. Sanitätscuratoren und Cnratoiien, 
Aufseher, Wächter und das übrige Personal (in Städten und 
Dörfern). Betheiligung der Polizeibeamten. 

b. Assanirung bevölkerter Ortschaften. 

c. Begistrirung von Ortschaften mit ungesundem Trink¬ 
wasser. Beschaffung von gesundem Trinkwasser. 

d. Beaufsichtigung von Stationen, Nachtasylen, Privat¬ 
häusern etc. Einführung von Sanitätsheften und Büchern. 

e. Beaufsichtigung von Fabriken und Victualienhandlungen. 

f. Bildung von fiedactions - Commissionen zur vorläufigen 
Prüfung der eingelaufenen Berichte. 

Montag, den 14. December. Morgens Sitzung der 
Commissionen und praktische Uebnngen in der Desinfection 
und Bacterioskopie. 

Am Abend: 2. allgemeine Versammlung. 

1) Bericht B. Prophylaktische Massregeln gegen die Ver¬ 
schleppung der Epidemie: 

a. Quarantänen. Cordons und Absperrung von Ortschaften 
und Gebäuden. Aufhebung von Jahrmärkten und Bazaren. 
Schliessung der Lehranstalten. 

b. Beaufsichtigung der Bewegung der Bevölkerung. Medici¬ 
nische Besichtigungen, Observationspunkte — auf den Dampfer¬ 
anfahrten, Eisenbahn- und Poststationen. Nachtasyle, Speise¬ 
anstalten und Theehallen für Durchreisende und Ankommende. 
Asyle für Kranke und Verdächtige. 

c. Mittel zur Entdeckung des ersten Cholerakranken — in 
Städten und Dörfern. Organisation der zu diesem Zweck noth- 
wendigen Begistrirung der Erkrankten und Gestorbenen. 

2. Bildung von ßedactionscommissionen für die Verhandlung 
der obigen Fragen. 

Dienstag, den 15. December. Morgens, Commissions¬ 
sitzungen und praktische Beschäftigungen. Abends: 

1) Bericht C. Massnahmen zur Bekämpfung der 
Cholera. 

a. Organisation einer medicinischen Hilfe. Die nöthige An¬ 
zahl der Aerzte, Feldscher und Heilanstalteu. 

b. Isolirung oder Evacuation der Kranken. Entfernung der 
Gesunden aus Bäumlichkeiten, in welchen sich Cholerakranke 
befinden. 

c. Mittel zur Isolirung und zum Transport der Kranken. 

d. Behandlung der Choleraleichen. Cholerakirchhöfe. Desin- 
ficirung derselben. 


e. Desinfection des Auswurfs, der Kleider, Wäsche etc. von 
Kranken. 

f. Das andere Personal der Sanitätsbearaten und Desinfec- 
toreu. 

2) Bildung von Commissionen für diese Fragen. 

Mittwoch, den 16. December. Morgens: Sitzung der 
Bedaction8commissionen und praktische Beschäfti¬ 
gungen. Abends: Mittheilung überTherapie der Cho¬ 
lera. Vorträge und Berichte der Congressmitglieder 
über Fragen, die nicht im Programm vorhergesehen 
sind. 

Donnerstag, Freitag und Sonnabend den 17., 18. und 
19. December. Morgens: Sitzungen der Commissionen und 
praktische Beschäftigungen. Abends: Allgemeine Versamm¬ 
lungen. 

Sonntag den 20. December um 2 Uhr Nachmittags: 
Schluss des Congresses. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhospi- 
tälern St.Petersburgs betrug am 29. November d. J. 5807 
(143 mehr als in der Vorwoche), darunter 93 Typhös — (wie 
in der Vorwoche), 682 Synhilis — (13 mehr), 45 Scharlach — 
(4 mehr), 15 Diphtherie — (3 weniger), 24 Masern — (3 weniger), 
9 Pocken — (2 mehr) und 33 Cholerakr&nke (9 mehr). 


Vacanzen. 

1) In der Stadt Mologa (Gonv. Jaroslaw) ist die Stelle 
des älteren Communalarztes zu besetzen. Gehalt 1000B. 
jährl. Der Communalarzt ist verpflichtet, täglich 3 Stunden die 
Kranken in der ambulatorischen Heilanstalt zu empfangen und 
auch die Kranken in den Häusern unentgeltlich zu behandeln. 
Der ältere Communalarzt erhält jedes Jahr, abwechselnd mit 
dem jüngeren Arzt, einen einmonatlichen Urlaub. Die Meldung 
geschieht bei der «Monoracaa TopoxcKaa YnpaBa». 

2) Von der Kowrow'sehen Landschaft (Gouv. Wladimir) 
wird ein Arzt für das Krankenhaus im Kirchdorf 
Wosskressenskoje und den umliegenden Bezirk gesucht. 
Gehalt 1500 B. jährl. Zu melden beim Präsidenten des Land¬ 
schaftsamtes Mnratow- 

3) Im Kreise Nolinsk (Gouv. Wjatka) ist die Stelle eines 
LandschaftBarztes vacant. Wohnsitz im Dorf, wo ein kleines 
Hospital für Typhuskranke vorhanden ist. Gehalt 1000 Bbl. 
und 100 Bbl. Quartiergeld. Adresse: «HoxaucKaa SeMcitaa 
Ynpaßa». 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 22. November bis 28. November 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 


1) nach Geschlecht und Alter: 


Im Ganzen: 

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13 40 37 47 38 49 17 4 1 


2) nach den Todesursachen: 

— Typh. exanth. 0, Typh. abd. 4, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, Pocken 2, Masern 6, Scharlach 4, 
Diphtherie 3, Croup 3, Keuchhusten 11, Cronpöse Lungen¬ 
entzündung 23, Erysipelas 2, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 13, Buhr 1, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 0, Parotitis epidemica 0, Botzkrankheit 0, Anthrax 1, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 0, Pyämie und Septicaemie 4, 
Tuberculose der Lungen 83, Tuberculose anderer Organe 5, 
Alkobolismns nnd Delirium tremens 2, Lebensschwäche una 
Atrophia infantum 33, Marasmus senilis 15, Krankheiten des 
Verdauungscanals 35, Todtgeborene 23. 

Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 8. December. 

Empfang der Mitgliedsbeiträge für das nächste Jahr. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 14. December. 


Ichthyol wird mit Erfolg angewandt bei Frauenleiden und 
Chlorose, bei Krankheiten der Haut, der Verdanungs- und 
Circnlation8-Organe, bei Hals- und Nasen-Leiden, sowie bei 
entzündlichen und rheumatischen Affectionen aller Art, theils 
in Folge seiner durch experimentelle und klinische Beobach¬ 
tungen erwiesenen reducirenden, sedativen und antiparasitären 
Eigenschaften, anderntheils durch seine die Besorption beför¬ 
dernden und aen Stoffwechsel steigernden Wirkungen. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 



1EDICIIISG1E WOCHENSCHRIFT 


unter Aer Redaction von 

Prof. Dr. Karl Dehio. Dr. Johannes Krannhals. 

Dorpat. Riga. 

Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 

Die «St. Petersburger Medicinische Wochenschrift» erscheint jeden : 0 V* Abonnements-Aufträge sowie alle Inserate “Vl 
Sou imhend.— Der Abonnementipreis int in Auslands Rbl. für das i bittet man ausschlieBälich an die Buchhandlung von Oarl Biokftf in 
Jahr, 4 Kbl. für da« halbe Jahr iiicl. l’ostzustellmig; iu den anAeren I St. Petersburg, Newsky-Prospeet A» 14, zu richten.—Xa&USOriptO 
Ländern 20 Hark jährlich, 10 Mark halhjührlicb. Der Inaertionspreis j sowie alle aul'die Reductiou bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den ' den geschäftsführenden Redacteur Dr. Bttdolf Wanaob iu St. Pe- 
Autoren werden 25 Separatabzüge ihrer Originalartikel zugesandt.— ' tersburg, Petersburger Seite, grosser Prospect >1 7, Qu. 6 zu richten. 
Referate werden nach dem Sutze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. j Sprechstunden täglich vou 1 —2 Uhr Nachm. 

N 50 St. Petersburg, 12. (24.) December 1892 


Inhalt: Friedrich Krflger: Ueber die Ernährung des Säuglings mit Kuhmilch. — Friedrich Krüger: Ueber die 
Ursachen der primären oder essentiellen Anaemie. — Referate: Prof. S. Kitasato: Ueber die Tuberculin-Behandlung tuber¬ 
kulöser Meerschweinchen. — S. H. Scheiber (Budapest): Ein Fall von symmetrischer Asphyxie. — Bücheranzeigen und 
Besprechungen: Prof. H. Fischer: Specielle Chirurgie. - S. Gnttmann: Jahrbuch der praktischen Medicin. — Josef 
Albert Altmann jr.: Ueber Neubildungen der Cervioalportion aes Uterus. — Mittheilungen aus der Gesellschaft 
praktischer Aerzte zu Riga. — Herrmanniana. — Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. — 
Vermischtes. — Vacanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. — Anzeigen. 


Abonnements-Aufforderang. 

Die St. Petersburger 

Medicinische Wochenschrift 

wird anefc- im Jahre 1893 unter der jetzigen Rerianrinn und 
nach dem bisherigen Programm erscheinen. Sie bleibt ihrer 
Aufgabe getreu, ein Organ für praktische Aerzte zu sein und 
letztere durch Originaler beiten sowohl als durch Beferate 
und Besprechungen neu erschienener Werke mit den Ergeb¬ 
nissen zeitgenössischer medicinischer Forschung bekannt zu 
erhalten.Wie bisher werden die wissenschaftlichen Ver¬ 
handlungen der Dorpater med .F acultat in derWochenschrift 
erscheinen und wird dieselbe als Organ nachstehender Vereine 
und Gesellschaften fortfahren mit der Veröffentlichung der 
Protokolle des allgem. Vereins St. Petersburger Aerste. 
des St. Petersburger Vereine deutscher Aerzte, der Ge¬ 
sellschaft praktischer Aerzte zu Riga, der medioini- 
sohen Gesellschaft zn Dorpat und der Gesellschaft liv- 
landischer Aerste. — Besondere Aufmerksamkeit wird die 
Wochenschrift auch ferner hin der russischen medioinisohen 
Literatur widmen und in gleicher Weise, wie im vorigen Jahre, 
auch weiterhin durch fortlaufende Referate über alle wichti¬ 
geren in rnss. medicin. Journalen erscheinenden Ar¬ 
beiten, sowie über die Verhandlungen russischer medioini- 
soher Gesellschaften, den mit der russischen Sprache nicht 
vertrauten Fachgenossen die Einsicht in diese stetig an Be¬ 
deutung gewinnende Literatur ermöglichen. — Der Abonne¬ 
mentspreis ist incl. Zustellung in Russland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für ein halbes Jahr; in den anderen Ländern 
20 Mark für das Jahr, 10 Mark für ein halbes Jahr. Abon¬ 
nements-Aufträge bittet man an die Bachhandlung von O. 
Rioker in St. Petersburg, Nevsky-Prospect Nr. 14, Manu- 
sorlpte sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mitteilun¬ 
gen au den geschäftsführenden Redacteur Dr. Rudolf Wa¬ 
nach (Petersburger Seite, Grosser Prospect Nr. 7, Quart. 6) 
zu richten. 


Ueber die Ernährung des Säuglings mit Kuhmilch. 

Vortrag gehalten auf dem IV. Livländischen Aerztetage in 
Wenden. September 1892. 

Von 

Priv.-Doc. Dr. Friedrich Krüger, 

Dorpat. 

M. H.! An anderem Orte ') hatte ich schon Gelegen¬ 
heit genommen, in Bezug auf die vorliegende Frage 
einige Mitteilungen zu machen. Das Interesse jedoch, 
welches dieselbe beansprucht, veranlasst mich, meine auf 
Grund theoretischen Calculs angestellten Versuche und 
daraus gewonnenen Erfahrungen hier einem grösseren 
Hörerkreise vorzuführen. 

Seit den ersten Versuchen Biedert’s über die Ver¬ 
daulichkeit der Kuhmilch, speciell des Caseins derselben, 
hat sich die Ansicht geltend gemacht, dass sie in Folge 
der grobflockigen Fällung des Caseins nur schwer vom 
Neugeborenen verdaut werde und die Aerzte bemühen 
sich daher durch starke Verdünnung der Milch und da¬ 
durch bedingte feinflockigere Ausscheidung des Caseins, 
die Verdaulichkeit desselben zu erhöhen. 

Aus der grossen Reihe der Vorschriften über die 
Verdünnung der Kuhmilch hebe ich folgende 3 hervor: 

1. Henoch giebt dem Neugeborenen vom I.—III. Mo¬ 
nat Milch und Wasser im Verhältnis von 1 :3, von 
IV.—VI. Mon. 1 : 2 und vom VII.—IX. Mon. Milch und 
Wasser zu gleichen Theilen. 

2. Löbiscli verlangt im 1. Mon. 1 Th. Milch und 3 Th. 
Wasser, im II. Mou. 1 Th. Milch und 2 Th. Wasser, im 
III. Mon. Milch und Wasser zu gleichen Theilen. 

3. Schröder giebt, abgesehen von den ersten Tagen 
nach der Gebnrt, bis zum 18. Tage des ersten Mon. 
Milch und Wasser ää, dann bis zum Schluss des III. Mon. 
2 Th. Milch und 1 Th. Wasser. 


') Dorpater med. Gesellschaft nnd Dorpater Naturforscher- 
geaellschaft 1890. 


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j 








470 


Von diesen Vorschriften werden bei uns zu Lande, 
nach meinen Erfahrungen, hauptsächlich die beiden erst¬ 
genannten in Anwendung gebracht. 

Biedert führte seine Versuche extra Corpus aus; die 
anf diese Weise gewonnenen Resultate dürfen jedoch nicht 
ohne Weiteres auf die Vorgänge innerhalb des Organis¬ 
mus übertragen werden 

Um zu brauchbaren Resultaten betreffs der Ausnutzung 
der Nahrung zu gelangen, muss diese und der Koth ana- 
lysirt werden. Derartige Untersuchungen für den Neuge¬ 
borenen liegen in der Literatur vor (Uffelmann, Förster, 
Escherich). Sie fiihren zu dem überraschenden Ergeb¬ 
nis, dass die Kuhmilch vom Neugeborenen ganz vorzüg¬ 
lich ausgenutzt wird Als Beleg dafür gebe ich in fol¬ 
gender Tabelle die von Uffel mann für den mit Mutter¬ 
milch und von Escherich für einen mit Kuhmilch ge¬ 
fütterten Säugling gefundenen Zahlen, in Procenten der 
Ausnutzung ausgedrückt, wieder. 



Muttermilch 

Kuhmilch 

Casein. . 

99—100°/o 

ca 99 % 

Fett. . . 

97— 98% 

94,7% 

Zocker . 

100 % 

100 # /o 

9 

Asche. . 

89— 90% 

56,ß 


Das 10 Wochen alte Kind Escherich’s bekam täglich 
1 L. Vollmich — es war also in diesem Falle an den 
Verdauungsapparat des Säuglings eine colossale An¬ 
forderung gestellt — und trotzdem dieses ideale Er¬ 
gebnis! 

Aus diesem Versuche lässt sich folgern, dass die Kuh¬ 
milch für den Säugling nicht zu schwer verdaulich sei 
— dieser Grund zur starken Verdünnung muss also in 
Wegfall kommen. Damit soll aber noch nicht gesagt 
sein, dass die Kuhmilch unverdünnt dargereicht werden 
solle — auch das wäre irrationell. Wir sollen vielmehr 
bestrebt sein, dem Kinde die Kuhmilch in einer Form zu 
geben, die der der Muttermilch am nächsten steht. 

In folgender Tabelle gebe ich die Zusammensetzung 
der Muttermilch und Kuhmilch (nach Gerber) an und 
stelle die sich für die verschiedenen Verdünnungen er¬ 
gebenden Zahlen daneben. 


i 

^Muttermilch 

Kuhmilch 

1 : 1 

1 : 2 

Casein. . 

! 1,95 

3,70 

1,86 

| 

1,23 

Fett. . . 

3,59 

4,51 

2,26 

1,50 

Zucker. . 

6,64 

4,93 

2,47 

1,64 

Asche . . 

j 0,22 

0,61 

0,31 

0,22 


Aus diesen Zahlen ergiebt sich, dass bei der Verdün¬ 
nung von 1:1 die Kuhmilch hinsichtlich ihres haupt¬ 
sächlichsten Bestandtheils, des Casein, der Muttermilch 
am nächsten steht. Auf den Fettgehalt der Milch dürfte 
es nicht so sehr ankommen; das Deficit an Zucker muss 
jedoch ersetzt werden. Theoretisch müsste es also am 
richtigsten erscheinen, zur Ernährung des Säuglings mit 
Kuhmilch die gen. Verdünnung zu wählen. 

Ich will nun die Gründe anführen, welche, raoiner An¬ 
sicht nach, gegen eine stärkere Verdünnung sprechen: 

1. Bei einer stärkeren Verdünnung der Kuhmilch ist 
der Säugling gezwungen, um die ihm von Natur zukom¬ 
mende Quantität Eiweiss zu erhalten, eine bedeutend 
grössere Menge Flüssigkeit aufzunehmen, als unter nor¬ 
malen Bedingungen d. h. bei jeder Nahrungsaufnahme 


muss der Magen des Neugeborenen ganz unnatürlich 
stark ausgedehnt werden — ein Umstand, der gewtes von 
schwerwiegender Bedeutung für die Function desselben 
ist und so manche Störung bei mit Kuhmilch aufgefüt¬ 
terten Kindern zu erklären vermag. 

2. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Uebelstand ist 
der, dass eine so grosse Wasseraufnahme eine ergiebigere 
und häufigere Wasserausschaidung veranlasst — die Kinder 
nässen viel öfter, als solche, die die Mutterbrust bekom¬ 
men. Ganz abgesehen von den Unbequemlichkeiten, die 
dadurch dem Wartepersonal erwachsen, ist es auch für 
das Kind von Nachtheil, da einerseits bei jedem Trocken¬ 
legen desselben Gelegenheit zu Erkältungen gegeben wird, 
andererseits aber — und das ist das Wichtigere — 
durch die Feuchtigkeit und durch die ätzenden Bestand¬ 
teile des Harnes auch bei sorgfältigster Wartung nur 
zu leicht eine Maceration der Haut zu Stande kommt. 
In Folge dessen werden die Kinder vielfach im Schlafe 
gestört und es macht sich ein ungünstiger Einfluss auf 
das Wohlbefinden sehr wohl geltend. 

Ebenso unzweckmässig jedoch wie die starke Verdün¬ 
nung ist auch die Darreichung von Vollmilch. Das Kind 
hat nämlich das Bestreben, seinem Magen eine bestimmte 
Flüssigkeitsmenge einzuverleiben, was, da die Kuhmilch 
ja viel mehr Eiweiss enthält, als die Muttermilch, zu 
einer habituellen Ueberfütterung fuhrt. In Folge der 
beständigen Ueberladung des Verdauungstractus kommt 
es dann zu chronischen Verdauungsstörungen, zu abnor¬ 
mer Bakterienentwickelung und Gährungsvorgangen in den 
untersten Theilen des Darmcanals u. dergl. m. 

Die rationelle Verdünnung wäre also, wie schon er¬ 
wähnt, die mit dem gleichen Volum Wasser, wobei das 
Deficit an Zucker ersetzt werden muss. 

Aber nicht nur auf die vernunftmässige Verdünnung 
der Milch kommt es bei der künstlichen Ernährung an, 
sondern auch auf eine richtige Dosirung der Einzel- 
malüzeit. Das Kind hat es viel leichter aus der Saug¬ 
flasche die Milch zu entnehmen, als aus der Mutterbrust, 
es ermüdet weniger leicht und übernimmt sich daher oft. 
Diesem Umstande ist es wohl auch zuzuschreiben, dass 
künstlich gefutterte Säuglinge viel häufiger «speien», 
als solche, die die Mutterbrust bekommen. Das Kind soll 
zu jeder Mahlzeit eine Quantität erhalten, die annähernd 
der gleichkommt, die ein Brustkind zu sich nehmen würde; 
das Quantum darf eher kleiner sein, als grösser und hat 
sich gleichzeitig nach der Zahl der Einzelmahlzeiten in 24 
Stunden zu richten. Ahlfeld und Hähner fanden nun die 
Quantität der Einzelmahlzeit, wie sie in folgender Tabelle 
angegeben ist; daneben stelle ich die von mir bei künst¬ 
licher Ernährung verabfolgten Mengen. 


Ahlfeld und Hähner. Krüger. 


Monat. 

Mahlzeit 
in Cbcm. 

Zahl der 
Mahlzeiten 
in 24 St. 

Mahlzeit 
in Cbcm. 

ZaWl der 
Mahlzeiten 
in 94 9t. 

I. 

94—104 

6—7 

90 

6-7 

11 . 

144—164 

6-6 

120 

» 

III. 

169—166 

4—5 

186 

» 

IV. 

170—209 

» 

135 

» 

V. 

183—223 

» 

136 

» 


Die Concentration der Milch steigerte ich allmählich 
von Monat zu Monat und zwar gab ich im I. Mou.,Jvom 
Tage der Geburt an, Milch und Wasser zu gleichen 
Theilen, im II. Mon.— ö;3, im III. — 6:3, im IV. — 
7:3, im V. — 7: 2, in der ersten Hälfte des VI. Mon. — 
8:1 und von da ab Vollmilch. Dass die Nahrung steri- 
lisirt verabfolgt wurde, braucht wohl kaum erwähnt zu 
werden. 


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471 


Die Kinder gediehen bei dieser Ernährnngs weise aus¬ 
gezeichnet; ernstere Verdauungsstörungen lagen in den 
9 von mir beobachteten Fällen nicht vor. 

Leider war es mir nicht möglich, die Nahrung und 
den Koth zu analysiren. Ich wandte daher in 2 Fällen, 
um über den Werth resp. Unwerth dieser Ernährungs¬ 
weise zu entscheiden, die Methode regelmässiger Kör¬ 
perwägungen an. Das Massenwachsthnm des gesunden 
Kindes giebt nämlich einen fast untrüglichen Aufschluss 
über die Brauchbarkeit der Nahrnng. 

Auf Grund dieser Wägungen, die ich bis znm VII. 
Moli, allwöchentlich ausführte, konntd ich mich davon 
überzeugen, dass das Körpergewicht in ganz normaler 
Weise zunahm, wie die folgende Tabelle zeigt. 


Monat. 

| Monatlicher 
' Zn wachs. 

Täglicher 

Zuwachs. 

Monatlicher 

Zuwachs. 

Täglicher 

Zuwachs. 

I. 

; 

| 900 

30,0 

965 

34,0 

II. 

i: 8i0 

27,6 

835 

29,6 

III. 

j; 746 

26,0 

790 

27,0 

IV. 

ji 630 

21,0 

680 

24,0 

V. 

646 

18,0 

560 

20,0 

VI. 

i 460 

15,3 

480 

17,0 


Andere Milchgemische, wie Milch und Carlsbader Wasser, 
oder Milch und Salep- oder Haferschleim, habe ich in 
diesen Ausführungen unberücksichtigt gelassen, da ich 
ihre Anwendung schon wegen ihrer Abweichung von der 
Zusammensetzung der natürlichen Nahrung des Säug¬ 
lings für irrationell halte. 

Nach dem Mitgetheilten möchte ich für die künstliche 
Ernährung des Neugeborenen mit Kuhmilch folgende 
Sätze aufgestellt wissen: 

1. Es soll eine Verdünnung der Kuhmilch gewählt 
werden, die sie in ihrer Zusammensetzung der Mutter¬ 
milch am ähnlichsten macht. 

2. Es soll das Nahrungsgemisch einen der Muttermilch 
entsprechenden Gehalt an Zucker besitzen. 

3. Es soll auf die natürliche Quantität der Einzelmahl- 
zeit geachtet werden. 

4. Es soll das Nahrungsgemisch sterilisirt werden 


lieber die Ursachen der primären oder essentiellen 
Anaemie. 

Vortrag, gehalten anf dem IV. Livländ. Aerztetage zn Wenden 
September 1892. 

Von 

• Priv.-Doc. Dr. Friedrich Krüger, 

Dorpat. 

M. H.l Bekanntlich ist man über die Ursache der 
sog. primären oder essentiellen Anämien, als deren Pro¬ 
totyp ich die perniciöse Anaemie hinstellen möchte, noch 
ganz im Unklaren; besondere Veranlassungen lassen sich 
intra vitam meist nicht nach weisen und auch die Section 
an diesen Erkrankungen verstorbener Individuen giebt 
uns keinen genügenden Aufschluss. Die Erscheinungen, 
die hier an den inneren Organen wahrgenommen werden, 
wie die Blntarmuth nnd fettige Degeneration derselben 
(Herz, Leber, Niere etc.), Blutungen in den serösen 
Häuten u. s. w. sind sicherlich seenndärer Natur. 

Es ist selbstverständlich, dass zunächst zur Erklärung 
der primären Anaemie bei der Obduction nach specifi- 
schen Veränderungen an den blutbildenden Organen als 


Grnnderkranknng gefahndet wurde, doch an den Lyraph- 
drüsen und der Milz liess sich in der Regel nichts Be¬ 
sonderes nachweisen, nur erschien letztere hin und 
wieder ein wenig vergrössert. Die hauptsächlichste Ver¬ 
änderung, die die Section an den Tag legte, fand sich 
am Knochenmark und kennzeichnete sich durch Schwund 
der Fettzellen und liimbeergelöe-ähnliches Aussehen des¬ 
selben. 

Ob nun, wie Cohn he im annimmt, diese Verände¬ 
rung des Knochenmarkes de facto das ursächliche Mo¬ 
ment ist, ist bei Weitem nicht sichergesteilt. Es ist näm¬ 
lich die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass 
die gen. Erscheinung, wie Nenmann meint, nichts 
Anderes, als der Ausdruck einer stark gesteigerten Re¬ 
generation nnd Neubildung rother Blutkörperchen sei und 
erst secundär auftrete. 

Was die klinischen Symptome der sog. primären 
Anaemie anlangt, so glaube ich sie übergehen zn können» 
da sie nichts für diese Krankheit Charakteristisches dar¬ 
bieten, sondern in ihren subjectiven Beschwerden, wie ra 
den objectiven Veränderungen mit denen jeder secundären 
Anaemie identisch sind. Nur auf die Veränderungen, die 
im Blute selbst angetroffen werden, möchte ich ein wenig 
eingehen. Es werden nämlich sowohl bei der essentiellen 
Blntarmuth, die mit dem Namen «Chlorose* belegt wird, 
als auch bei der, welche wir «pernieiöse Anaemie» nennen, 
unter dem Mikroskope neben normalen rothen Blutkör¬ 
perchen Mikrocyten, Makrocyten nnd Poikilocyten ge¬ 
funden; der Unterschied in dem mikroskopischen Bilde 
bei den erwähnten Krankheiten ist nicht ein qualitativer, 
sondern nur ein quantitativer. 

Weiterhin findet man im Allgemeinen die Zahl der 
Blutkörperchen in der Cubikeinheit Blut, wie auch den 
Haemoglobingehalt je nach der Schwere des Falles mehr 
oder weniger stark vermindert. Auch diese Blutverände- 
rnngen finden sich aber nicht nur bei den sog. «primä¬ 
ren» Formen der Anaemie, sondern auch bei den secun- 
dären. 

Nach dem Gesagten können wir behaupten, dass weder 
klinisch, noch pathologisch-anatomisch sich ir¬ 
gendwelche Veränderungen nachweisen lassen, 
die als Grundursache einer essentiellen Anaemie 
angesprochen werden könnten; sie können alle 
auch bei schweren Anaemien seenndärer Natur ange¬ 
troffen werden. 

Anf eine Wiedergabe der Reihe von Hypothesen über 
die Ursache der Entstehung der essentiellen Anaemie 
will ich mich nicht einlassen; ich darf sie wohl als be¬ 
kannt voranssetzen nnd werde wahrscheinlich auf keinen 
grossen Widerstand stossen, wenn ich behaupte, dass 
keine derselben als ausreichend bezeichnet werden kann, 
schon ans dem Grunde, weil keine derselben im 
Stande ist, den gleichen Symptomancömplex bei schweren 
seenndären Anaemien in irgend einer Weise zn er¬ 
klären. 

Ich glaube nnn, dass die Anaemie nie eine Er¬ 
krankung sni generis ist, sondern in jedem Falle, ganz 
wie der Hydrops, nur ein Symptom darstellt und dass 
es zur Erklärung der Entstehung dieses Symptomes einer 
einheitlichen, allendlichen Ursache bedarf. 

In erster Linie muss das Augenmerk natürlich auf 
die Thätigkeit der blutbildenden Organe gerichtet 
werden. 

Daher veranlasste ich in den Jahren 1888 und 1889 
dieCollegen v. Middendorff') und Glass 2 ) vergleichende 
Rückstands- nnd Haemoglobinbestimmnngen im Blute der 
zn- nnd abführenden Gefässe der Milz auszuführen. Anf 
die Methode der Untersuchung gehe ich nicht ein, sondern 
werde mich mit der Wiedergabe der gefundenen Resul- 


’) Inkug.-Diseert. Dorpat. 1888. 
*) Inang.-Dißsert. Dorpat, 1889. 


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472 


täte begnügen. Es stellte sich heraus, dass das Blut der 
Milzvene meist reicher an Haemoglobin und Trockenrück¬ 
stand ist, als das arterielle. Der Zuwachs resp. die Ver¬ 
minderung an Blutfarbstoff entsprach stets der Vermeh¬ 
rung resp. der Verminderung des Rückstandes. Wir 
schlossen daraus, dass in der Milz Haemoglobin 
sowohl aufgebaut, als auch zerstört wird, wobei 
der Aufbau in der Regel die Zerstörung tiber¬ 
wiegt. Dieser Befund steht mit dem von A.Schwartz 3 ) 
hinsichtlich der Wirkung der Milzzellen extra corpus in 
gutem Einklang. 

Ich darf es nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass 
von*Röhmann 4 ) die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung 
angezweifelt worden ist. Seiner Ansicht nach beruhen 
die erwähnten Ergebnisse auf einer Contraction der Milz- 
gefässe, indem je nach derselben bald mehr rothe Blut¬ 
körperchen, bald mehr Plasma in der Milz zurückge¬ 
halten würde. Ist das der Fall, so ist die Vermehrung 
resp. Verminderung an Haemoglobin und Rückstand nur 
scheinbar, bedingt durch Aus- oder Eintritt von Plasma 
in das Blut. Das Plasma unserer Versuchsthiere 
(Ratten) besitzt einen Rückstand von 8,8—9,0 pC-t. 
Durch Rechnung ergiebt sich aber, dass in unseren Ver¬ 
suchen die Unterschiede zwischen dem Venen- und Ar- 
terienblute nur durch Aufnahme oder Abgabe einer Flüs¬ 
sigkeit, die eine Coucentratiou von 9,4 —9,7 pCt. besitzt, 
erklärt werden könnten. Eine derartige Annahme ist 
aber unmöglich. Es bleibt also der von mir aufgestellte 
Satz bestehen. 

Weiterhin ist von Picard und Malassez 3 ) die Zahl 
der rothen Blutkörperchen im Milzvenenblute höher ge¬ 
funden, als im Arterienblute; am bedeutendsten fiel diese 
Vermehrung nach Durchschneidung der Milzvenen aus, 
ein mittlerer Grad derselben ergab sich im nervösen 
Ruhezustand der Milz, unbedeutend war sie nach Reizung 
der Milznerven. 

Nach Beclard ändert das Blut der Milz je nach 
Reizung oder Lähmung der Milznerven sein Aussehen. 
Auch ich konnte ein eigenthüraliches Verhalten in der 
Färbung des Milzvenenblutes constatiren. Bisweilen zeigte 
es einen auffallend hellrothen Farbenton, der unter den 
Augen fast momentan in dunkelblauroth überging. 
Wenn das Blut hellroth erschien, liess sich mit Sicher¬ 
heit ein besonders hoher Haemoglobingehalt Voraus¬ 
sagen. 

Die Milz wird vom Sympathicus versorgt, er ist somit 
von der grössten Bedeutung für die Function derselben, 
— wird er gereizt, so tritt eine Hemmung in der Haemo- 
globinbildung auf. 

Ich kehre nun zu der uns beschäftigenden Frage 
zurück. 

Nach dem Gesagten scheint mir eine gewisse Berech¬ 
tigung zu der Annahme vorzuliegen, dass durch Rei¬ 
zung des Sympathicus das Bild der Chlorose 
und der perniciösen Anaemie, die ich als Aus¬ 
druck einer und derselben Erkrankung von verschiedener 
Intensität auffasse, bedingt wird. 

* Wir wissen aber, dass das Bild schwerster Blutarmuth 
auch auf Grund einer Reihe verschiedenartiger primärer 
Erkrankungen zu Stande kommen kann. Betrachten wir 
diese nun näher und sehen wir zu, ob bei denselben 
an eine Betheiligung des Sympathicus gedacht werden 
kann. 

Der Symptomencomplex der perniciösen Anaemie ent¬ 
wickelt sich hauptsächlich bei folgenden Erkrankungen 
secundär: 1) bei Magencarcinom, 2) bei Anchylostoma 
duoden., 3) bei Botriocephal. lat., 4) bei Atrophie der 


*) Inaug.-Dissert. Dorpat, 1888. 

4 ) Centralblatt für Physiol.. 1890, Nr. 7 und 9. 

9 ) Recherches sur les modifications qu’6prouve le sang dans 
son passage ä travers la rate etc. Compt. rend. T. LXXIX. 
1874. 


Magen- und Darrowaudung und 5) endlich bildet die 
Gravidität ein entschieden praedisponirendes Moment für 
die Entwickelung desselben. 

Es wird mir wohl unbedingt zugegeben werden müssen, 
dass bei Magencarcinomen und den erwähnten Darmpa¬ 
rasiten eine Reizung des Sympathicus von der Magen- 
resp. Darmschleimhaut aus sehr wahrscheinlich, ja, ich 
möchte sogar sagen, sicher ist — wir sehen ja auch eine 
Reihe anderer Symptome auftreten, die nur auf Sym- 
pathicusreizung zurückzuführen sind, wie Speichelfluss, 
Erbrechen, Pupillenerweiterung etc. 

Was das Auftreten des Bildes der perniciösen Anaemie 
bei Atrophie der Magen- und Darmwandung anlangt, so 
darf auch hier der Sympathicus nicht aus dem Auge 
gelassen werden. Ich weise nnr darauf hin, dass, wie 
Strümpell *) anführt, die Section als Ursache des gen. 
Symptomencomplexes eine ausgedehnte Atrophie der 
Magen- und Darrawandung, zuweilen «mit besonders 
hervortretender Botkeiligung der sympathischen Nerven¬ 
geflechte», ergab. 

Hieran schliesse ich die Anaemia perniciosa gravida¬ 
rum. Auch in der Schwangerschaft sehen wir vielfach 
die Folgen einer Sympathicusreizung in Form von Uebel- 
keit, Erbrechen, Speichelfluss u. s. w. erscheinen. Eine 
Aenderung in der Zusammensetzung des Blutes in der 
Gravidität, das sich dem chlorotischer Individuen nähern 
soll, ist ja schon physiologisch. 

Auch die essentielle Anaemie, die wir Chlorose nennen, 
giebt uns Veranlassung an den Sympathicus zu denken. 
Wann tritt sie in der Regel auf? Zur Zeit der Pubertät, 
znr Zeit der Entwickelung des mit dem sympathischen 
System in innigem Zusammenhang stehenden weiblichen 
Geschlechtsapparates. 

Sie sehen also, m. H., dass in den Fällen, in welchen 
man eine primäre Erkrankung für die Entwickelung der 
hochgradigsten Anaemie glaubte als Erklärung heran- 
zielien zu können, der Sympathicus stark in Mitleiden¬ 
schaft gezogen ist. Sie haben weiter gesehen, welche 
Bedeutung dieser Nerv für die blutbildende Thätigkeit 
der Milz hat Liegt es da nicht nahe, das sympathische 
System für die Entstehung der sog. primären Auaemien 
verantwortlich zu machen, die Bleichsucht und die 
sog. essentielle pernieiöse Anaemie als die Folge 
einer Reizung des sympathischen Geflechtes und 
eines dadurch bedingtenUmschlags inderThätig- 
keit der Milz anzusehen, sie als Reflexneurosen 
aufzufassen. Ich glaube wohl, dass eine derartige Auf¬ 
fassung berechtigt ist und dass diese Hypothese dadurch, 
dass man im Stande ist. durch sie den gleichen Sympto- 
mencomplex verschiedener ursprünglicher Erkrankungen 
auf eine gemeinschaftliche Basis zurückzuführen, an Boden 
gewinnt. 


Referate. 

Prof. |S. Kitasato: Ueber die Tubercnlin-Behandlung 
tuberkulöser Meerschweinchen. (Zeitscbr. tur Hygiene 
und Infectionskr. Bd. XU. Heft 3). 

In den Himmel erhoben - in die Hölle herabgestossen erhebt, 
die Tubercnlinfrage wieder ihr Haupt und rängt an in vor¬ 
sichtiger Reihenfolge Stufe auf Stufe zu ersteigen. Hier hat 
K. auf nnr 6 1 /* Druckseiten seine Erfahrungen mitgetheilt, 
die er seit dem Juli 1891 an über 50 Meerschweinchen gemacht 
hatte. «Wenn man Meerschweinchen mit hoch virulenten Rein- 
culturen von Tuberkelbacillen richtig impft, so stirbt jedes 
Thier ausnahmslos innerhalb ungefähr elr Wochen nach der 
Impfung an Tuberculose. Wenn es gelingt, durch richtige 
Anwendung eines Mittels länger als diese Zeit zu erhalten, 
so ist damit allein bereits ein heilsamer Einfluss eines solchen 
Mittels erwiesen». 

K. inficirte seine Versuchsthiere alle mit derselben Rein- 
cultur, derselben Menge und auf derselben Stelle. Die Behänd. 


‘) Strümpell, Lehrb. d. spec. Pathol. und Therap., 4. Aufl., 
1887. Bd. II Th. 2. pag. 193. 


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473 


lnng aber begann zu verschiedenen Zeiten. Je länger dieser 
Zeitraum nach der Impfung, um so ungünstiger die Prognose. 
Zu Anfang injicirte er stets 1 mg. Tuberculin und stieg ziemlich 
rasch. Die Art und Weise des Steigerns hängt ganz und gar 
vom Allgemeinbefinden des einzelnen Thieres, besonders seinem 
Gewicht ab. Die höhere Dosis wurde immer nur während 
einer Gewichtszunahme angewandt. K. hält dieses Individnali- 
siren zur Erreichung guter Resultate für unerlässlich. 

Im Text ist nun die Tabelle über die 58 behandel'en Meer¬ 
schweinchen, deren Details im Original zu ersehen sind. Als 
Resultat sagt K.: Sämmtliche mit Tuberculin behandelte Thiere 
haben die Controlthiere lange Zeit überlebt, abgesehen von 
den an intercurrenten Krankheiten gestorbenen. Dieser Unter¬ 
schied in der Lebensdauer ist so gross, wie er bis jetzt mit 
keiuem anderen Mittel erreicht worden ist, so dass hieraus 
allein schon der heilsame Einfluss des Tuberculin klar 
bewiesen ist. Bei den an intercurrenten Krankheiten Gestor¬ 
benen zeigten sich deutlich Heilungsvorgänge an den Organen. 
Die Leber war an der Oberfläche mit eingezogenen Narben 
besetzt, jedoch frei von allen Knötchen und necrotischen 
Herden, wie man sie bei Meerschweinchen, die an nicht be¬ 
handelter Tuberculose starben, nie vermisst. Die Milz war 
etwas vergrössert und bot ebenfalls narbige Einziehungen dar: 
Tuberkelknötchen waren nirgends mehr zu finden. In den 
Lungen zeigten sich noch vereinzelte Knötchen, während an 
den meisten Stellen der Lungen ebenfalls bereits Narben an 
die Stelle der vordem dort befindlichen tuberculösen Bildungen 
getreten waren. 

«Ich konnte mich also auf’s Bestimmteste überzeugen, dass 
durch die Tuberculinbehandlung auch die Tuberculose der 
Lungen der Versuehthiere entschieden giiustig beeinflusst 
werde, w.-nn es eben unter günstigen Umständen gelingt, ein 
Thier bis zu der hierzu nöthigen Zeit, vor intercurrenten 
Krankheiten zu schützen.» 

«Diejenigen 5 Meerschweinchen, die heute, also über 7 Mo¬ 
nate. nach der Iufection, noch leben, bei denen das Impf¬ 
geschwür längst völlig verheilt ist, deren früher Btark ge¬ 
schwollenen Lymphdrüsen nicht mehr palpabel sind, die be¬ 
ständig an Gewicht zunehraen und bei denen schon seit dem 

1. Januar 1892 die Behandlung ausgesetzt ist, kurz — die 
völlig wieder den Eindrnck von normalen Thieren machen, 
hatR.Koch am 21. Januar 1892 von neuem mitTuberkelkultureu 
geimpft. Ohne jede weitere Behandlung war der Verlauf dieser 

2. Infection folgendermassen: 

«Nach einigen Tagen zeigte sich die Umgebung der Impf¬ 
stelle geschwollen und hart infiltrirt. Nach einer Woche stiesß 
sich die infiltrirte Partie spontan necrotisch ab, und hinter- 
liess eine frisch granulirende Wundfläche, die von selbst in 
12 Tagen verheilte, was sonst nie vorkommt. Eine weitere 
Folge hat diese 2. Infection nicht gehabt, nicht einmal die 
näcnstgelegenen Lymphdrüsen sind dabei angeschwollen. Das 
Gewicht der Thiere hat bis heute ununterbrochen znge¬ 
nommen». 

«Wenn es also gelingt, ein Thier mittelst Tuberculin zu 
heilen, dann ist für dieses Thier eine 2. Infection innerhalb 
einer gewissen Zeit unschädlich». Masing. 

S. H. Scheiber (Budapest): Ein Fall von symmetrischer 

Asphyxie. (Wiener medicin. Wochensch. Nr. 39, 40, 41, 

42. 1892). 

Im Jahre 1862 beschrieb Raynaud zuerst ausführlich ein 
merkwürdiges Krankheitsbild, das auch vor ihm schon be¬ 
obachtet worden war und das dann nach seinem ersten Be¬ 
schreiber als Raynaud’sche Krankheit bezeichnet wurde. 
Es ist eine mit vasomotorischen, trophischen und sensitiven 
Störungen einhergehende Neurose, die kein einheitliches Krank¬ 
heitsbild vorstellt, sondern sich erst nach Aufeinanderfolgen 
verschiedener selbstständiger Krankheitsphasen (Syncope, sym- 
metr. Asphyxie) zu einem completen Krankheitsbilde ent¬ 
wickelt (Symmetrische Gangrän — Sclerodact.ylie). Bisher sind 
119 Fälle bekannt. Das Leiden kommt in jedem Lebensalter 
vor (l 1 /* a.—60 a.). In der Aetiologie spielt die neurotische 
Belastung eine Rolle. — Man nnterscheidet 3 Stadien: das 
syntwpale, das asphyktische, das gangränöse. Die Krankheit 
beginnt gewöhnlich damit, dass gewisse Körpertheile zumeist 
symmetrisch beiderseits erblassen und anaesthctisch werden 
(Syncope). Nach einiger Zeit tritt durch Gefässlähmnng an 
diesen Stellen Hyperämie und Cyanose ein und es treten 
Schmerzen in den afficirten Teilen auf (locale Asphyxie). Spä¬ 
ter entstehen an diesen Stellen Blasen, welche platzen und 
unter denen die Hant gangräuescirt (symmetr. Gangrän). 
Nach Abstossang des Brandschorfes bleibt ein eiterndes Ge¬ 
schwür zurück, aas unter Narbenbildung heilt. Im Allgemei¬ 
nen ist die sym. Gangrän dadurch charakterisirt, dass sie 
keine allzngrossen Verheerungen anrichtet. Dieser Umstand 
neben der Aetiologie nnterscheidet sie auch von anderen Brand¬ 
arten. Die Krankheit kann aber auch eben so gut auf jedem 
der beiden ersten Stadien stehen bleiben, sie hat fast immer 
einen chronischen Verlauf (viele Jahre) und endet selten tödt- 


lich. Auch kommen mancherlei Anomalien in ihrem Verlauf 
vor. Sie kann, was häufiger ist. paroxysmal verlaufen, oder in 
persistirender Form aurtreten; auch ist in einem Falle ein 
Uebergehen der Raynaud’sehen in die Morvan'sehe 
Krankheit beobachtet worden. 

Der Fall des Verf. betraf einen 58jährigen Kaufmann, der 
nicht nervös belastet und nicht syphilitisch gewesen, aber in 
früheren Jahren viel an Rheumatismus gelitten hatte. Er be¬ 
merkte im Sommer 1882 zuerst leichtes Ermüden beim Gehen 
und verspürte Ermüdnngsschmerzen. Die Ffisse wurden immer 
schwerer und bekamen eine cyanotische Färbung. Im Herbst 
schwollen sie bis zu den Knieen stark an, nachdem die Cyanose 
derartig zugenommen hatte, dass man ein Brandigwerden be¬ 
fürchtete. Zudem kam. dass die Fiis.se stets eiskalt waren und 
ununterbrochen rasende Schmerzen verursachten. Bei Hochla¬ 
gerang waren sie geringer. Ira Sommer 1883 besserte sich Pat. 
nach einer Badekur soweit, dass er wieder anftreten und ge¬ 
ben konnte, wobei auch die Cvanose merklich nachliess. Im 
Herbst Periostitis der linken '/ehe. mit Abscessbildung. lang¬ 
dauernder Eiterung und heftigen Schmerzen und Knebeln in 
dieser Zehe. Mit Anfhören der Eiterung sistirten die Schmer¬ 
zen, aber das Kriebeln wurde heftiger, verbreitete sich auf den 
ganzen linken Fass, sogar später auch auf den rechten Kuss. 
Es war äusserst heftig und qualvoll; im Gegensatz aber zur 
vorhergegangenen Krankheitsperiode, wurden diese Par ästhesien 
eringer bei Tieflagerung der Beine. Im Frühjahr 1884 folg, 
tatns: Sehr abgemagerter Kranker; Beine wie Hopfenstangen 
anssehend. Waden an ihren dicksten Stellen rechts 25 Ctra. 
Umfang, links 20 Ctm. Hautfarbe am ganzen Körper blass, 
nur an den Füssen und an den Unterschenkeln blauroth; hier 
die Haut atrophisch, glänzend von feinen venösen Gefäss- 
netzen durchsetzt. Die ganze linke Seite, inclusive die untereu 
Facialiszweige paretiseb. Sensibilität links herabgesetzt. Pa¬ 
raparese der Beine; linkes Auge amblyopisch. Links das Ge¬ 
hör herabgesetzt. Keine Ablenkung der Zunge, wohl Zittern. 
Plantarrenex und Fussel••nus fehlend. Creraaster- und Bauch- 
reflex, sowie elektromusculäre und sensitive Keaction normal. 
Kniereflex recht« normal, links etwas gesteigert. Leichtes 
Lungenemphysein, Athmun^ arhythmisch und beschleunigt. 
Puls 90—110. Leber und Milz etwas vergrössert. Keine Ar¬ 
teriosklerose, keine Kopfschmerzen, kein Schwindel, keine Ataxie, 
kein Schwanken bei geschlossenen Angen. Geistige Fnnctionen 
normal, bis auf Gedächtnisschwäche seit den letzten Jahren. 
;>tet8 Kältegefühl in den Beinen bis zu den Knieen und Krie¬ 
beln in den Füssen. Wegen der Paraparese kaun Pat. kaum 
2 Minut. stehen, ohne zusainmenzuknicken. 

Atif eine Besprechung und Deutung der Symptome überge¬ 
hend, erklärt Verf. den cyanotischeu Zustand an den Extre¬ 
mitäten durch einen anfänglichen Krampf mit späterer dauern¬ 
der Lähmung der kleinsten Venen; die r.'iraparese sei als Folge 
der hochgradigen Muskelatrophie anzusehen; letztere sei re- 
flectorisch entstanden. Das Kriebeln ist bedingt durch eine 
Neuritis, welche wahrscheinlich von der Periostitis ausgegan¬ 
gen ist. Für die linksseitige Hemiparese müsse man wonl eine 
capilläre Apoplexie des Gehirns annehmen. Auch für die bnl- 
bären Erscheinungen (arhythm. u. freqq. Athmen, acceler. Puls) 
müssten ampulläre Ausdehnungen kleinster Gefässe verant¬ 
wortlich gemacht werden. Ohne auf die weiteren Ausführun¬ 
gen des Verfassers einzugehen, erwähnen wir noch, dass the¬ 
rapeutisch faradische dipolare Bäder jeden anderen Tag zur 
Verwendung kamen, nach welchen bedeutende Besserung ein¬ 
trat. Besonders das Kriebeln, welches der Behandlung mit dem 
faradischen Strom nicht wich, besserte sich und schwand nach 
den Bädern. Pat. ist 2 Jahre später an Darmkrebs gestorben.— 
Das Wesen der Krankheit berücksichtigend, vertritt Verf. einen 
vermittelnden Standpunkt; während nämlich die einen Autoren 
die symm. Gangrän als eine Trophoneurose, die anderen als 
eine Angioneurose ansehen, fasst Verf. das syncopale und 
asphyktische Stadium der symmet. Gangrän als vasomotori¬ 
sche Neurose, den Process der symmetr. Gangrän selbst als 
wirkliche Trophoneurose auf. Bei Reizungszustäuden leichterer 
Art oder bei leichteren organischen Veränderungen in der 
Mednlla obl. treten angionenrotisc.he Veränderungen (Augio- 
spasmen nnd Angioparesen) auf; bei stärkeren Reizungen 
dieses Organes, oder anderer tropliischer Centralorgane, bei 
Reizung peripherer Nerven etc. treten dystrophische Processe 
in Form von symmetrischer Gangrän auf. Zumeist ist als Ur¬ 
sache der Raynaud’ sehen Krankheit eine Affection des 
Centralnervensystems anzunehmen, jedoch kommt es auch vor, 
dass periphere Veränderungen dafür verantwortlich gemacht 
werden müssen. (Aehnlich wie die periphere Neuritis doch 
meist symmetrisch bilateral auftritt). Dagegen seien die sel¬ 
tenen Fälle von einseitiger Raynaud’ scher Krankheit immer 
als ans peripheren Ursachen entstandene anzusehen. Der lesens¬ 
werten Arbeit folgt ein reiches Litteraturverzeichniss. 

K a 11 m e y e r. 


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Böcheranzeigen und Besprechungen. 

Prof. H. Fischer: Specielle Chirurgie. Wreden’s Samm¬ 
ln ng inedicinischer Lehrbücher. Band IX. Berlin Verlag 
von Friedrich \Vreden 1892. 

In dieser Sammlung ist bekanntlich schon eine gauze Reihe 
hervorragender Werke erschienen. Der vorliegende Band reiht 
sich seinen Vorgängern würdig an; der hochverdiente Verf. 
hat sich mit seinem Buch ein schönes Denkmal gesetzt. In¬ 
haltlich wird man sich, bis auf einige unwesentliche Einzel¬ 
heiten, durchweg mit Fischer einverstanden erklären müssen, 
er giebt ein vollständiges und wahrheitsgetreues Bild der 
Chirurgie unserer Tage. Die eifrige Arbeit anf dem grossen 
Gebiet hat F. bis in die allerneuste Zeit hinein verfolgt und 
mit wohlthuender Kritik und Objectivität für seine Darstel¬ 
lung verwerthet. Sein subjectiver Standpunkt in Streitfragen 
tritt überall dentlich hervor, ohne dass er zu vordringlich 
geltend gemacht wird, wie in einigen andern Lehrbüchern. 
Dem einzigen Vorwurf, der dem Werk gemacht werden könnte, 
ist der Verf in seiner Vorrede znvorgekommen: die Verlags- 
handlnng hat. ihm zeitliche und räumliche Schranken gezogen. 
Daher konnte die Darstellung nicht so fliessend nnd elegant 
ausfalleu, wie es bei gehöriger Müsse nnd namentlich bei Ver¬ 
meidung der dnreh den ganzen Plan des Sammelwerkes gefor¬ 
derten grossen Kürze geschehen wäre. Der Satzban ist häutig 
recht complicirt durch Ineinanderschachteln von Nebensätzen, 
von Parenthesen ist überreicher Gebrauch gemacht. Doch 
können wir dem Verf. nur dankbar sein, dass er es vorge¬ 
zogen hat, das Buch in vorliegender Fassung herauszngeben, 
statt einer angenehmeren Stylisirung die Vollständigkeit zu 
opfern. Jedenfalls können wir das Werk zum gründlichen 
Stadium bestens empfehlen, es wird weit mehr Nutzen bringen 
als die bei den Studierenden leider beliebten kleinen Compen- 
dien. Druck, Abbildungen, kurz die äussere Ausstattung des 
Buches berühren das Auge durch Sauberkeit., Deutlichkeit und 
genügende Grösse sehr angenehm. W a nac h. 

S. Guttmann: Jahrbuch der praktischen Medicin. 
Jahrgang 1892. Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke. 

Das von Pani Börner begründete, jetzt unter Mitwir" 
knng zahlreicher in der medicinischen Literatur wohlbekannter 
Autoren von S. Guttmann herausgegebene Jahrbuch ist so 
bekannt, dass es einer Empfehlung unsreiseits nicht bedarf. 
Wir begnügen uns daher das Erscheinen des Jahrganges 
1892 anzuzeigen und zn constatiren, dass auch er die bekann¬ 
ten Vorzüge: kritische Sichtung des umfassenden Materials, 
Kürze, Klarheit in bekannter Weise bietet. Besonders den 
praktischen Aerzten, denen die grossen Jahresberichte von 
Schmidt nnd Virchow-Hirsch. die auch anders angeordnet 
sind und andre Zwecke vevfolgen. nicht znr Verfügung stehen, 
ist die Anschaffung des «Jahrbuchs der praktischen Medicin» 
se»r anzurathen. W. 

Josef Albert Altmann jr.: Ueber Neubildungen 
der Cervicalportion des Uterus. München Verlag von 
Lehmann 1892. 

In dieser anregend geschriebenen Brochüre behandelt Verf, 
auf Grund seiner vieljährigen Erfahrungen als Assistent für 
Mikroskopie der Winckel’sehen Klinik das praktisch so 
wichtige Capitel der Neubildungen des unteren Uternsab- 
schnittes. Besonderes Interesse verdienen die 3 ersten vom 
Verf. genau beschriebenen und analysirten Fälle. Es sind ein 
Fall von Myxadenoma polyposum cervicis, ein Fall von Adeno- 
carcinoma gelatinosum sarcomatodes und ein Endotheliotna 
lymphaticum portionis vag., das von den Lymphbahnen der 
Cervical9chleimhftnt seinen Ansgang genommen hatte und als 
erster derartiger Befund am Cervix besonderes Interesse ver¬ 
dient. Die Hauptmasse des Tumors bestand aus grösseren und 
kleineren mit centralen Hohlräumen versehenen Strängen die 
sich ans polygonalen oder Spindelzellen mit bläschenförmigem 
Kern znsammensetzten und in ein faseriges Bindegewebe ein¬ 
gelagert waren. Für die Abstammung der Zellen der nenge- 
bildeten Stränge von Endothelzellen der Lymphgefässe sprach 
der Umstand, dass nirgends die centralen Hohlräume von 
flachen eine besondere Gefässwand darstellenden Zellen be- 

renzt worden noch sich ebensowenig an der Aussenseiteder 

tränge eine normale Endothelzellen umrahmnng nach weisen 
liess. Die neugebildeten Stränge begleiteten meist die Blut¬ 
gefässe, letztere waren mit rothen Blutkörperchen, die Lumina 
ersterer hänflg mit Leukocyten angefüllt. Charakteristische 
Bilder erhielt Verf. von den perivasculären Lymphräumen, — 
die bekanntlich in der Uterusschleimhaut höherer Säugethiere 
und deB Menschen Vorkommen — die vom Epitheliom befallen 
sichelförmige Durchschnitte ergaben, in deren Mitte sich der 
Gefäsadurcnschnitt fand. Für alle 3 erwähnten von Verf. 
beschriebenen Präparate ist die einschlägige Literatur an¬ 
geführt. 


In der zweiten Hälfte seines Buches bespricht Verf. an der 
Hand eigener Beobachtungen die Histiogenese des Carcinom*. 
Er erklärt sich als unbedingter Anhänger der Thiersch- 
Waldeyer’schen Theorie, weicht aber in einigen Details von 
den allgemein gültigen Anschauungen ab. So erklärt er sich 
gegen die Annahme, dass die meisten Cervicalcarcineme von 
den Drüsenepithelien der Cervicalschleimhaut ansgehen — 
dieses sei das seltenere Verhalten. In der Majorität aer Fälle 
soll das Cervicalcarcinom vom Deckepithel der Cervioal- 
schleirahaut ausgehn; dabei kann das atypisch proliferirende 
Deckepithel in die Lamina der Cervicaldrttsen hineinwuchern. 
So entstehen häufig Bilder, die zur Annahme verleiten können, 
als handele es sich um das gewucherte Epithel der befallenen 
Drüsen, während in der That die Drüsenepithelien dabei eine 
nur passive Rolle spielen. Als Beleg für diese Ansicht werden 
Befunde angeführt. Andrerseits können die wuchernden carci- 
nomatösen Epithelmassen zwischen die die Drüsen umgebenden 
spindelförmigen Stromazellen und die eigentlichen Drüsen¬ 
epithelien hiueinwachsen. Dann werden die Drüsenepithelien 
nach dem Lumen der Drüse zu hineingebuchtet, wobei sie ihre 
Form derartig verändern, dass sie spindelig werden. Findet 
der Process von allen Seiten der Drüse her statt, so erfolgt 
eine concentrische Einengung der Drüsenepithelien und es 
entstehen Carcinomstränge mit centralem Lumen, dessen Be¬ 
grenzung von endothelartigen Zellen gebildet wird. In diesen 
Endstadien ist die Entscheidung, ob es sich um vou Carcinom 
umwneherte Blut- resp. Lymphgefässe oder um nmwucherte 
(Jervicaldrtisen handelt, schwer zu treffen. Weitere interessante 
Befunde des Verf. müssen im Original eingesehen werden, es 
sei hier nur noch ein Fall von Plattenepithelcarcinom 4 0 * 
Cervix angeführt, wobei nach der Erklärung des Verf. dfen 
AnBtoss zur Carcinomentwickelnng der vom Plattenepithel 
ansgehende Epidermidalisirungsprocess der ectropionirten Cer¬ 
vicalschleimhaut gegeben hatte, d. h. das Carcinom war da¬ 
durch entstanden, dass die Wucherung der Plattenepithelien 
sich nicht auf die Grenzen des gewöhnlichen Heilungspro- 
cesses bei Ectropien nnd Erosionen beschränkt hatte, sondern 
schrankenlos das Gewebe der Portio, entsprechend den Lymph¬ 
bahnen derselben, durchsetzend vorgedrnngen war. Nur in 
wenigen Einzelheiten kann Ref. mit dem nient übereinstimmen. 
Die vom Verf. auf pag. 15 beschriebene Wucherung des epithe¬ 
lialen Ueberzuges des Polypen kann Ref. rn Widerspruch zum 
Verf. unmöglich schon als malign bezeichnen. Aehnliche vom 
Referenten untersuchte Befunde entsprachen in ihrem klinischen 
Verlaufe nicht malignen Processen. So wichtig auch die vom 
Verf. mit Recht betonten Vortheile der modernen mikrosko¬ 
pischen Untersuchung für die Diagnose sind, darf ihr Werth 
doch auch nicht überschätzt werden. Verf. giebt selbst auf 
pag. 90 mit Klebs zu, dass häufig aus gutartigen Epithel¬ 
wucherungen maligne carcinomatöse durch ganz allmählige 
Uebergänge hervorgehen. 

Als äusserer Mangel wäre bei einer neuen Auflage des 
Buches die ein wenig unübersichtliche Anordnung des Stoffes 
zu verändern. Amanns Buch wird wohl von jedem Gynäko¬ 
logen mit grossem Interesse gelesen werden. 

Das Buch ist von der Lehmann’schen Verlagsbuchhand¬ 
lung gut ausgestattet und mit 26 instructiven Abbildungen 
auf 12 Tafeln versehen. w. Beckmann. 


Mittheilungen 

aus der Gesellschaft praktischer Aerzte zu Riga. 

Sitzung am 7. October 1892. 

Es referiren über die zur Zeit in Riga herrschende Cholera- 
Epidemie: 1) Dr. Heerwageu über die zeitliche und ört¬ 
liche Vertheilung der Cholerafalle in Riga. Der erste Kranke 
(am 11. Ang.) ist ein wohnnngsloser Schiffsarbeiter, der im 
Hafen bei der Mitauer Vorstadt auf einem Dampfer, der Salz 
ans Eupatoria gebracht hatte, beschäftigt war. Eupatoria galt 
als seuchenfrei, auf der Reise ist angeblich von der Mannschaft 
des Dampfers Niemand krank gewesen. In nächster Nachbar¬ 
schaft dieses Dampfers lagen jedoch Schiffe, welche ans Häfen 
kamen, die bereits damals mindestens für cholera verdächtig 
erklärt weiden können. Mit Sicherheit lässt sich jedoch nicht 
erweisen, wie die Cholera nach Riga gelangt ist. Die nächsten 
9 Erkrankungen (bis zum 26. Aug.) betreffen Leute, die auf 
Schiffen in jenem Hafen ihre Beschäftigung hatten. In Summa 
registrirte Referent bis dato 126 Fälle, bemerkt aber, dass 
diese Zahl vielleicht einer Correctnr bedürfe, da sowohl noch 
nachträglich Fälle entdeckt werden könnten, als auch von den 
registrirten vielleicht der eine oder andere Fall sich als nicht 
cholerakrank erweisen kann. An der Hand einer graphischen 
Darstellung demonstrirt Referent, wie sich die Fälle auf die 
einzelnen Tage vertheilen; es ergiebt sich, dass die höchste 
Erkrankungszahl pro Tag 6 beträgt, und dass die Zahl der 
Erkrankungen bereits stark im Rückgänge begriffen ist. 


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Auf die örtliche Verkeilung in der Stadt übergehend er¬ 
örtert Vortragender, das» er von einer Eintragung der ein¬ 
zelnen Fälle in den Stadtplan Abstand genommen habe, weil 
dem Bedenken gegenübei standen. Welcher Punkt sollte mar¬ 
kiert werden: der der wahrscheinlichen resp. erwiesenen Infec- 
tion, der Ort der Erkrankung oder die Wohnung? Es inücirt 
sich z. B. ein Baggerarbeiter auf der Düna, wohnt an der 

S ’ossen Moskauer Strasse und erkrankt plötzlich auf dem 
lin&inarkte, schleppt sich in eine Kneipe an der Neustrasse 
und wird von dort in die Rettungsanstalt gebracht. Welcher 
Ort soll raarkirt werden? Das wesentliche Interesse verdie¬ 
nen Ort und Art der Infection. Wenn auch jeder einzelne Er¬ 
krankungsfall in der Stadt zu weiterer Infection Gelegenheit 
geben kann, so ist doch für die diesjährige Epidemie fest zu¬ 
stellen, dass die Infection durch Gebrauchswasser wahrschein¬ 
lich die grösste Rolle gespielt hat. Matrosen und Schiflfearbei- 
ter aus dem Hafen bei der Mitauer Vorstadt, die gewohnheits- 
gemäss ihren Wasserbedarf direct aus der Düna schöpfen, 
bilden die erste Erkrankungsgruppe. Eine zweite wird von der 
Cementfabrik in Bolderaa namentlich an einem hart au der 
Düna gelegenen Hause geliefert, dessen Einwohner vor dem 
Hause thre Abwässer in den dort fast stromlosen Fluss giessen, 
ihre Wäsche in demselben waschen und an derselben Stelle 
ihr Gebrauchswasser schöpfen. Eine 3. Gruppe von Erkran 
kungen liefern die Endtheile der Graben- und Trinitatisstrassen, 
deren Einwohner ihr Gebrauchswasser grösstentheils der Ha- 

K ’erger Bucht entnehmen. Einzelne Erkrankungen auf 
erprähmen im grossen Strom der Düna, von Arbeitern 
em Wasser beim Andreasdamm bei Hasen- und Böbnkens- 
holui beschliessen die Gruppe der auf das Gebrauchs- resp. 
Trinkwasser zurückzuführenden Infectionen. Etwa */a aller Er¬ 
krankungen lassen sich auf diesen Ursprung zurückführen, 
während der Rest auf Infection der Wohnungen, durch von 
Kranken besudelte Gegenstände entfällt. Nicht jramer lässt 
sich natürlich die Infectionsquelle nachweisen, aä leichteste 
Erkrankungen, welche nur in Ausnahmsfällen constatirt wer¬ 
den können, den Infectionskeim verschleppen. Ein prägnantes 
Beispiel hierfür wird vom Vortragenden angeführt. 

Cholerabacillen in dem verdächtigen Wasser nachzuweisen, 
ist in Riga ebensowenig gelungen, wie in Hamburg und an¬ 
deren Orten. Hervorgenoben zu werden verdient, dass die 
Düna nur bis Hasen- resp. Böhnkensholm als inficirt ange¬ 
sehen werden kann, mithin also 2 Werst unterhalb der Stelle, 
wo das Wasser für die städtische Wasserleitung entnommen 
wird. 

2. Dr. Krannhals referirt über die von ihm in bisher52. 
Fällen von Cholera ausgeführte bakteriologische Untersuchung. 
Referent bedauert Kulturen nicht vorzeigen zu können, doch 
seien solche jederzeit zur Einsichtnahme im bakteriologischen 
Laboratorium des Stadtkrankenhauses vorhanden. Nach kurzer 
Recapitnlirnng der Wachsthumseigenthümlichkeiten der Kom¬ 
mabacillen bespricht Referent die Bedeutung eines möglichst 
schnellen Nachweises der Cholerabakterien in einem ersten 
verdächtigen Falle. Es seien hierzu in neuester Zeit mehr¬ 
fache Verfahren angegeben und zum Theil auch vom Refe¬ 
renten nachgeprüft. Als sicheres Verfahren könne derselbe 
jedoch nur die Aussaat auf Gelatineplatten ansehen: diese er¬ 
mögliche denn aber auch für einen geübten Untersucher 
«ine zweifellose Diagnose bereits nach 24 Stunden. Was den 
ersten in Riga beobachteten Cholerafall anbetrifft, so gelangte 
derselbe am Tage der Aufnahme in das allgemeine Kranken¬ 
haus auch zur bakteriologischen Untersuchung. Es war das 
am 11. August. Die auf neutraler Gelatine (welche augen¬ 
blicklich nur vorhanden war) vorgenommene Plattenaussaat 
Hess erst nach 3 mal 24 Standen charakteristische Cholera- 
colonieen in verhältnissmässig geringer Zahl erkennen. Die 
Colonien lagen in den Platten so ungünstig (an dicht gesäeten 
Stellen), dass eine isolirte Abimpfung unmöglich war. Trotz¬ 
dem ein Bacteriengemisch verimpft wurde gestaltete sich das 
Wachsthum in den Gelatinestichkulturen anfangs vollständig 
charakteristisch; eine entnommene Probe wies aber neben 
kommaförmigen Bacillen sehr reichlich anch viele Stäbchen 
auf. war also nicht demonstrirbar. Aus dem Bakteriengemisch 
sollten znr abermaligen Isolirnng wiederum Platten angefer¬ 
tigt werden. Unterdess waren jedoch 5 Tage vergangen und 
gelangten am 16. August 3 weitere Cholerafälle zur Aufnahme 
in das allgemeine Krankenhaus. Die bakteriologische Unter¬ 
suchung des ersten Falles wurde daher vorläufig unterbrochen, 
und war in sofern nicht mehr dringend erforderlich, da die 
3 letztgenannten Fälle in den Dejectionen die Cholerabakte¬ 
rien fast in Reinkultur darboten. Am 22. Augnst waren Kul¬ 
turen auf Gelatinplatten, Gelatinstichkulturen, Milchkulturen, 
Kartoffelkulturen nnd Bonillonkultnren zur Demonstration be¬ 
reit, Obgleich Referent auch trotz der unvollkommenen Unter¬ 
suchung des ersten Falles persönlich Überzeugt war, dass es 
sich um Cholera asiatica handele, glaubte er seine Diagnose 
doch erst dann mit Bestimmtheit aussprechen zu dürfen, wenn 
er über Kulturen nnd Präparate verfügte, die im Stande wä¬ 
ren auch einen jL*ien aut bacteriologischepi Gebiete zu über¬ 
zeugen. Dieses war erst am 22. Auguft d*r Fall. 


ln der Folge ist vom Vortragenden noch eine grössere Reihe 
von bakteriologischen Untersuchungen ausgesprochener oder 
Cholera verdächtiger Fälle vorgenommen worden — im Gan¬ 
zen 53. Von diesen lieferten 43 ein positives Resultat, 7 mal 
konnten durch die Anssaat auf Gelatineplatteu keine Cho- 
leracolonien constatirt werden. 3 mal blieben die Platten über¬ 
haupt steril. Es waren dieses von auswärts zugesandte Stuhl¬ 
proben, in welche wahrscheinlich Desinfectionsmittel hiaein- 
gerathen waren. Referent behält sich vor, gelegentlich noch 
eingehender auf den negativen Plattenbefund bei Cholera- 
ähnlichen Fällen dieser Epidemie zurtickzukommen.. 

Referent betont bei Besprechung des morphologischen Ver¬ 
haltens der Cholerabakterien dass man sich nicht allzuängst¬ 
lich an die Comraaform halten dürfe. Diese Form sei an ganz 
bestimmte Cultnrbedingungen gebunden, bei schnellem Wachs¬ 
thum würden z. B. nur Knrzstäbcheu producirt uud sehe mail 
solche neben den ausgesprochenen Komma's stets in grosser 
Menge in den Schleimflocken der Dejectionen. 

Ferner geht Referent etwas näher auf die Kartoffelkulturen 
ein, behält sich jedoch vor, hierüber noch a. a. 0. eingehender 
zu berichten. 

Zu den bakteriologischen Untersuchungen der Dejectionen 
kommt noch eine Wasseranalyse (Dünawasser von 3 verschie¬ 
denen Orten). Die bakteriologische Untersuchung dieser Pro¬ 
ben (vermittelst des gewöhnlichen Platteuverfahrens) hatte 
ein negatives Resultat — es fanden sieb keine Cholerakolo¬ 
nien -— alle ähnlich aussehenden Herde erwiesen sich bei der 
Weiterkultnr und mikroskopischen Untersuchungen als aus 
andersartigen Bakterien bestehend. 

Referent hat ira Krankenhause 17. Sectionen von Cholera¬ 
leichen ausgeführt. Dieselhen boten keine Abweichungen von 
dem gewöhnlichen Befunde dar. Speciell zu erwähnen wäre, 
dass der Darminhalt durchaus nicht immer die fast sprich¬ 
wörtliche Reiswasserbeschaffenheit hatte, sondern in c. v» der 
Fälle anders gefärbt war nnd dass eine auch schon makro¬ 
skopisch sich verrathende Veränderung der Nieren alle mal 
voriand. Ein Milztumor fand sich nur einmal (höchst wahr¬ 
scheinlich frühere Malaria), von Complicationen einmal pneu¬ 
monische lobuläre Herde. 

Auf die Anfrage von Dr. M a n d e 1 s t a m m, ob auch im 
Erbrochenen Choierabacillen gefunden seien, erwiderte Dr. 
Kr an n hals, dass er Erbrochenes nicht untersucht habe. 

3. Dr. v. R a d e c k i berichtet über den Idiniscnen Verlauf 
der Cholera auf Grund seiner Beobachtungen in der Cholera¬ 
abtheilung des Stadtkrankenhanses. Vom 11. Angnst bis zum 
6. October wurden anfgenommen 95 Kranke, doch befanden 
sich unter denselben einige, wo die Diagnose Cholera nicht 
absolut sicher gestellt werden konnte. Es starben 44, was eine 
Mortalität von 41,8 pCt. ergiebt. Die Genesung erfolgte durch¬ 
schnittlich innerhalb 6—7 Tagen. Das Stadium typhoideum 
wurde in 13 Fällen beobachtet; 7 von diesen Fällen starben. 
Gewöhnlich ging dem Typhoid das Stad, asphycticum vorans, 
mitunter kam es auch ohne dieses zum Typhoid. Zu starker 
Austrockung aller Gewebe ist es nur in verhältnissmässig 
wenigen Fällen gekommen, der Tod erfolgte vielmehr in der 
Regel durch die allgemeine Intoxication. Diselbe Beobachtung 
ist auch von C a n t a n i in der Epidemie von 1889 in Neapel 
gemacht worden. Das Typhoid hat sich nie als solches in en- 

f erem Sinne, d. h. mit Temperatursteigerung etc. gezeigt, son- 
ern bot immer das ausgesprochene Bild der Uraeraie dar. 
Bezüglich der Therapie betont Dr. Radecki die völlige 
Wirkungslosigkeit der vielgerühmten Antiseptica, wie Lysol, 
Creolin, Salol etc Er hält den Gebrauch derselben für nicht 
unbedenklich, da bei diesen Kranken die Nieren gewöhnlich 
nicht functioniren. In frischen Fällen ist Referent mit den 
Erfolgen der Cantani’schen Enteroklysen von V« pCt. Tannin- 
lösnng zufrieden gewesen. Dieselben sind, so weit es möglich, 
nach jedem Stuhlgang zu wiederholen. Kein Fall der vom Be¬ 
ginn der Erkrankung an so behandelt werden konnte, hat 
einen schweren Verlauf genommen. Die Opiate hat Referent 
bald verlassen, weil sie die Diarrhoe nicht günstig, das Herz 
aber entschieden ungünstig beeinflussen. Im Stad, asphycticum 
hat Referent einen günstigen Einfluss von der so gerühmten 
Hypodermatoklyse und den intravenösen Infusionen von Koch¬ 
salzlösung nicht constatiren können. In gleichschweren Fällen 
leisteten mehrfache Injectionen von Campheröl entschieden 
mehr. 

Das typhoide Stad, hat Referent nach den lndicationen der 
Urämie mit heissen Bädern, Einpackungen* und Pilocarpinin- 
jectionen, Abführmitteln und selbst Venäesectionen behandelt, 
ohne aber der Therapie besonderen Erfolg zuschreiben zu kön¬ 
nen. Immerhin glaubt Referent, dass die Venaesection im Be¬ 
ginn des Typhoids von günstigem Einfluss sein könne. 

Dr. Hofmann berichtet über die in der Cholerabaracke 
jenseits der Düna behandelten Kranken. Seit dem 25. September 
wurden eingeliefert 20 Fälle, von denen 2 als nur choleraver¬ 
dächtig ausgeschieden werden müssen. Gestorben sind 7 Fülle 
und zw$r 5 ira Stad, asphyet. 2 im Choleratyphoid. Geheilt ent¬ 
lassen sind 4 Fälle. Die Hypodermatoklyse wurde in 11 Fällen 
angewandt und gftcbfe Dr. Hofmann ihren Nutzen nicht 


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I 


in Abrede stellen. Allerdings bat sie bei sehr schweren as- 
phyctischen Zuständen im Stiche gelassen. Der Puls hob sich 
anch nach der Infusion von 2000 Cc. nicht oder nur sehr we¬ 
nig. Campher und Aether hatten hier aber eben so wenig Er¬ 
folg. Wenn bei der Hypodermatoklyse das Wasser sehr lang¬ 
sam aus dem Apparat abfloss, die Resorptionsfälligkeit der 
Lymphgefässe also stark darniederlag, war nie ein Erfolg zu 
bemerken, während bei rascher Resorption der Puls sich in¬ 
nerhalb einer halben Stunde hob und sich auch meist auf der¬ 
selben Höhe erhielt. In einigen Fällen, wo der Puls nach 3—4 
Stunden wieder etwas schwächer wurde, entfalteten dann 
Campher und Aether ihre volle Wirkung. Namentlich scheint 
Campher nach vorausgeschickter Hypodermatoklyse den Puls 
besser zu beeinflussen als ohne dieselbe. In einem schweren 
Falle, der mit starker Cyanose und schwachem Puls anfge- 
»ommen wurde, wurde die Behandlung mit einer 4 Minuten 
dauernden Sitzwanne von 20° und darauf folgender Einpackung 
eingeleitet. Der Erfolg war ein prompter. Der Puls wurde 
bald kräftiger und die Krankheit nahm einen günstigen Ver¬ 
lauf. 

Dr. Meyer hat in Bolderaa 10 Fälle zu behandeln gehabt. 
Alle Patienten hatten Wasser aus der Düna oder stehenden 
Gewässern getrunken. Gestorben sind 8 Fälle, davon einer im 
Typhoid. Bezüglich des Stuhlganges verhielten sich die Pa¬ 
tienten sehr verschieden. Einige hatten im Hospital gar keine 
Stuhlentleerungen, während andere unzählige Stühle depo- 
nirten. Ebenso verschieden verhielten sich die Patienten in 
Bezug auf das Erbrechen. Die Therapie erwies sich als ohn¬ 
mächtig. Die Tanninenteroklyse scheint nur in leichten Fällen 
zu wirken. Die Hypodermatoklyse wurde an 6 Patienten 14 
mal ausgeftthrt. Nur 3 mal zeigte sich eine geringe Besserung 
des Pulses. Anch Campher und Aether hatten keinen Erfolg 

z. Z. Secretär: E. D a h 1 f e 1 d. 


Herrmanniana. 

Nachtrag zum Nelp'olog von 
Dr. Friedrich Herrmann. 

Am 9. Sept. 1883, als Dr. F. Herrraann sein 50jähriges 
ärztliches Jubiläum feierte, erschien ein gedrucktes Heft unter 
dem Titel Herrmanniana. Jenes Heftchen war von Dr. F. 
Wulff zusammengestellt und enthielt ein Register aller vom 
Jubilar veröffentlichten medicinischen Aufsätze und seiner 
mündlichen Vorträge in den Vereinen und gab auf diese Weise 
ein Bild seiner wissenschaftlichen Thätigkcit. Jetzt, nach Ab¬ 
schluss eines arbeitsreichen Lebens, da wir noch einmal das 
Bild des ganzen Mannes vor unserer Erinnerung vergegen¬ 
wärtigen, ist es für den zeitgenössischen Leser von Interesse 
im Anschluss an den Nekrolpg auch die wissenschaftliche 
Arbeit des Dahingeschiedenen noch einmal zusammenfassend 
zu recapituliren. Unsere Zeit lebt rasch. Ohne Unterlass er¬ 
scheinen neue Fragen, rasch erhitzt sich das Interesse, in 
wenigen Wochen oder Monaten werden sie brennend, um auch 
ebenso rasch zu erlöschen zu erkalten und vergessen zu 
werden. Eine Ueberaioht über Herrmanns wissenschaftliche 
Thätigkeit giebt uns zugleich ein Spiegelbild der raedici- 
nischen Zeitfragen, wie sie successive aas Interesse der St. 
Petersburger Aerzte fesselten. Seine Stellung am grössten 
Hospital der Residenz befähigte ihn ganz besonders zur Be¬ 
arbeitung der epidemischen Krankheiten, so liegen denn auch 
seine bedeutendsten Leistungen auf diesem Gebiet. Ganz be¬ 
sonders sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass Herrmann 
der erste war, welcher im Herbst 1864 die damals 
neben dem Flecktyphus herrschenden typhoiden 
Fieber als Febris recurrens erkannte und beschrieb. 

Im Folgenden geben wir die Titel seiner gedruckten Auf¬ 
sätze sowie seiner in den Protokollen der Vereine niederge¬ 
legten mündlichen Vorträge — eine reiche Casuistik — in 
chronologischer Folge; die erstem sind,— soweit uns bekannt 
alle, — in den einheimischen medicinischen periodischen Edi¬ 
tionen erschienen 1857—59 in der «medic. Zeitung Russlands», 
1860—75 in der «St. Petersb. med. Zeitschrift», 1876—92 in 
der «St. Petersb. med. Wochenschrift»: 

A. Original-Abhandlungen. 

1857. 1. Hermaphroditismus. 

2. Therapie einiger chron. Ausschläge. 

3. Pseudoplasmen des Gehirns. 

4. Jahresbericht des Obuchow-Hospitals für 1856. 

5. Hydatide der Leber, durch Punction geheilt. 

1859. 6. Therapie der acuten Peritonitis. 

1861. 7. Ueber die während einer Grippe-Epidemie 
im Ob.-Hosp. beobachteten Lungen-Entzün- 
dungen. 

1£62. 8. Notizen über das Obucbow-Hospital. 


1863. 9. Fall Basedowscher Krankheit. 

10. Der Scorbut im männl. Obuchow-Hosp. 1862. 

1864. 11. Invagination des Ilentn. 

1865. 12. Die Febris recurrens in St. Petersburg. 

1866. 13. Die Meningitis cerebro-spinalis epidemica. 

1867. 14. Beitrag zur Kenntniss aer Recurrens und 

ihrer Anomalien. 

15. Missbrauch geistiger Getränke in Russland. 
(Auch russisch im «Apxmrt. CyaeÖHofi MejurnRHH 1868). 

16. Fall von Perinephritis purulenta mit Durchbruch in 
die Lunge. 

1869. 17. Acute tödtliche Jodvergiftung. 

1870. 18. Zur Statistik und Aetiologie der Volkskrankheiten 

in St. Petersburg (russisch im «ApxHBi, CyjeÖHofi 
MeÄHUHHH» 1871). 

1872. 19. Vergiftung durch scharfe Gase und Dämpfe. 

1875. 20. Zur Kenntniss der Hydrophobie und ihrer 

Behandlung. 

1876. 21. Die Flecktyphus-Epidemie 1874 - 75. 

1878. 22. Vergiftung durch gesalzenen und gedörrten Stock¬ 

fisch. 

1879. 23. Zur Diagnose des Anthrax intestinalis. 

24. Eine eigentümliche Pulver-Verletzung. 

25. Schusswunde mit Verletzung der Brust und Bauch¬ 
höhle. 

1880. 26. Zur Diagnose des Pankreas-Krebses. 

1881. 27. Der Scorbut im Jahre 1880. 

28. Lauwarme prolongirte Bäder beim Flecktyphus. 

29. Beitrag zur Desinfectionsfrage. 

1886. 30. Prophylaxis beim Biss wutlikranker Thiere. 

1887. 31. HkcKOJtbKO aarasixT, o GpronmoMT. Tudrh bi OÖyxoB- 

citofi öoJtbHHifh bt> 1886 r. («PyccRaa MewntHHa*). 
1889. 32. Die Influenza in St. Petersburg 1889. 

1892. 33. BocnoimnaHifl o xojiepHuxt ouRHCMiaxt bt> C.-HeTep- 
öyprk («BkcTHHKi oönj. rarieHH» etc.). 

B. Vorträge und Demonstrationen. 

Diejenigen Mittbeilungen im Deutschen ärztlichen Verein, welche 
später als Original-Abhandlungen gedruckt sind, haben wir in der 
folgenden Uebersicht nicht berücksichtigt, da sie schon unter A 
verzeichnet sind. 

1857— 58. 1. Die während der Grippe-Epidemie im Nov 1857 

herrsehenden Pnenmonieen und deren Ausgang in 
Lungeu-Abscess. 

2. Carcinom des Ovariums. 

3. Epilepsie von 30jähriger Dauer-Obdnction. 

4. Dysphagia periodica: Strictnra oesophagi u. s. w. 

5. Magengeschwür. 

6. Endoearditis und Markschwamm der Leber. 

7. Axendrehung des Dünndarms. 

1858— 59. 8. Phosphorneerose. 

9. Abscessbildung im Herzen. 

10 Krebs des Oesophagus. 

11. Lebercarcinom. 

12. Hydrophobie. 

13. Embolie der linken Art. fossae Sylvii. 

1859— 60. 14. Diphtherie und ihre Lähmungen. 

15. Lösbarkeit der Croup-Membranen. 

16. Icterus gravis. 

17. Zwei Phosphornecrnsen. 

18. Makrodactylie. 

19. Neurosen and Peritonitis der Freudenmädchen. 

20. Echinococcus der Leber. 

21. Delirium tremens. 

22. Embolie. 

23. Cancer medull. hepatis. 

24. Cancer generalisatus. 

25. Chloroform gegen Singultus. 

26. Tibetanische Volks-Aerzte. 

27. Ammon, arsenlcosura bei Diphtherie. 

28. Schnürleber. 

1860— 61. 29. Angina Syphilitica. 

30. Ueber Opium. 

31. Opium bei Melancholie. 

32. Obduction nach Schwefelsäure-Vergiftnug. 

33. Hämatocele retronterina. 

34. Kohleudunst-Asphyxie. 

35. Veitstanz durch Chinin geheilt. 

36. Icterus gravis. 

37. Doppelter Selbstmord*Veisuch. 

38. Hydrops nach Diphtherie olme Albuminurie. 

1861— 62. 39. Hochgradige Tracbealsteuose. 

40. Entlassungstermin der Wöchnerinnen. 

41. Kühle Bäder hei Typhus. 

42. Watteverband bei Verbrennungen. 

43. Verbrennung des Larynx durch Dampf-Olottisödem. 

44. Darmbefuud bei Typhus. 

45. Knochenneubildnng nach Resectiou. „ 

46. Krankenwärter in Hospitälern. 


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1891^—62. 47. Choleratyphoid und Uraemie. 

40. Ubdiictioa nach Embolie. 

49. Ovarialcyste, viel fächerige. 

50. Bericht über den Krankheitsgenins. 

51. Perforatio veutriculi. 

52. Rotzkrankheit. 

1862— 63. 53. Seorbut mit RippenlÖ6ung. 

51. Therapie syphilit. Bubonen 
55. Unvollendete Ppnisamputation. 

66. Tödtliehe Fractnren durch Explosion. 

57. Blutung nach Tonsillotomie. 

58. Sarkom; —Tod durch Pyfimie. 

69. Fractur nttd Luxation des 6 Halswirbels. 

60. Zwei weitere ähnliche Fälle. 

61. Penetrirende Schusswunde der Brust 

62. Nomenclatur der Krankheiten in den Spitälern. 

63. Tod dnreh Stein in der Prostata. 

64. Volvulns dt-s S romannm. 

65. Zwei Fälle von blauer Eiterung. 

66. Oalvanopunctur bei Hydrocele. 

67. Tödtliehe Fläehenhlntung des Ileum. 

68. Tod in Folge von Schussverletzuug. 

69. Tödtlichee Blut-Erbreehen. 

70. Hydrophobie. 

71. Lithion carbonicnm bei Rheuma. 

72. 6yphil. Excrescenzen des Stimmbandes. 

73. Schwere Brueh-Einklemmungen. 

1863— 64. 74. Thrombose und Gangrän nach Typhns. 

75. Typhöses Larynx-Geschwür. 

76. Magnesia snbsulphnrosa im Typhus. 

77. Brnch und Atrophie der Ohrknorpel. 

78. Krebs der Bronchialdrüsen nnd des Mediastinum. 

79. Diphtheritis-Epidemie im Juli 1850. 

80. Thrombose der Art. fossae Sylvii. 

81. Doppelte Axendrehnng des S romannm. 

82. Zerschmetterung der Hand durch Explosion. 

83. Letale Axendrehung der Flexur. 

1864— 65. 84. Gangrän einzelner Gliedmassen nach Typhus. 

85. Kähle Bäder bei Typhus. 

86. Erstes Auftreten der Febris recurrens Simplex und 
biliosa in 8t. Petersburg. 

87. Rasche Zunahme der Febr. recurrens. 

88. Zunehmende Frequenz des Aleoholismns. 

89. Vergiftung durch Säure im Branntwein. 

90. Plötzlicher Tod durch Entfernung der Tracheal- 
Canüle. 

91. Drei Präparate von Recurrens-Milz. 

92. Hydrophobie durch Biss einer gesunden Katze. 

93. Typhomanie und andere Nachkrankheiten der Re¬ 
currens. 

94. Starkes Ansteigen der Recurrens-Epidemie. 

1865— 66. 95. Plötzlicher Tod durch eigenmächtiges Entfernen 

der Canäle. 

96. Die ersten Cholera-Kranken. 

97. Unwirksamkeit des Chloroform bei Hydrophobie. 

98. Abschnürung einer Ueuinschlinge durch periton. 
Adhäsionen. 

99. Dnrchbrueh eii.es Recnrrens-Abseesses in die Pleura. 

1866— 67. 100. Grosser Hiizabseess nach Reenrrens, Durchbruch in 

die Lunge 

101. Giosser leukämischer Milztumor. 

102. Erfolglose Transfusion bei Choleratyphoid. 

103. Invsginatiou des Colon. 

104. Obduction bei Pachymeningitis basilaris. 

1867— 68. 105. Tod durch acuien Gelenkrheumatismus. 

106. Steigende Morbilität. 

107. Vergiftung durch Salpetersäure. 

108. Invagination des Ileum und Coeeum in’s Colon. 

109. Zwei Strychnin-Vergiftungen. 

HO. Hydrophobie. 

111. Häufigkeit gemeiner und secundärer Pneomonieen/ 

1868— 69. 112. Frequenz der Catarrhe des Verdauungs-Canals. 

113. Relat. Frequenz des Typhus abdom. und exanthem. 

114. Zwei Fälle von Fibroma molluscum. 

115. Steigen des Typhus exanth. 

116. Symptome algider Cholera. 

1869— 70. 117. Zunahme der Meningitis cerebr. und cerebrospin. 

in St. Petersburg. 

118. Chloralhydrat bei Delirium tremens. 

119. 3 Schusswunden am Kopf; Wohlbefinden. 

1870— 71. 120. Demonstration eines Situs inversus am Lebenden. 

121. Bösartiger Furunkel. 

122. Coincidenz von Cholera und Intermittens. 

1872—78. 123. Parallele der vorherrschenden Krankheiten in 
Deutschland und St. Petersburg. 

124. Vergiftungsfälle mit Phosphor, Petroleam, salpe¬ 
triger Säure. 

125. Fall von incarcerirter Hernie. 

1878—74. 126. Präparat von Carcinom am Herten. 

127. Fall von Lyssa. 


1874— 75. 128. Spirillen bei Recurrens. 

129. Natr. sulfocarbol. subcutan bei Erysipel. 

130. Fälle von Cysticercus cerebri. 

131. Fall von Mycosis intestinalis. 

1875— 76. 132. Zwei Fälle von Strammonium-Vergiftung. 

133. Fall von Leber-E hin<*coccn». 

134. Zwei Seil'Stmordversuche durch Schusswaffen. 

135. t'ondurango bei ehron. Magencatarrh. 

136. Versuche mit eorl. Jaborandi. 

1876— 77. 137. Vergiftnngsfülle (Kohlendunst, Gebäck, Sublimat, 

Phosphor) 

138. Tumor des Duodenum 

139. Zwei Selbstmordversuche durch Schusswaffen. 

140. Spontangangrän der Extremitäten (Ergotismas). 

141. Fall von Cnloral-Vergiftung. 

142. Gangrän der Extremitäten im Typhus. 

1877— 78. 143. Echinococcus-Säcke sn dem N. cruralis. 

144. Axendrehung der Flexnra sigmoidea. 

1878— 79. 145. Fall von Mycosis intestinalis. 

146. Aneurysma arens aortae. 

147. Fall von Pustula maligna vlseeralis. 

148. Fall von Michwnnden des Magens. 

149. Lipomatöser Darmpolyp; Spontanheilung. 

1879— 80. 150. Jodaethyl bei asthmatischen Anfällen. 

151. Natr. henzoienm bei Phthisis. 

152. Vergiftung mit Canthariden. 

153. Vergiftung mit Chloroform. 

1880— 81. 154. Fall von Neubildung im Unterkiefer. 

165. Fall voo Hydrouephrose. 

1881— 82. 156. Schwefelsäure-Vergiftung. 

157. Fall von Diabetes mellitus. 

1882— 83. 168. Vergiftung mit cöfcayra:». 

159. Vergiftung mit gedörrten Pilzen. 

160. Abetos8ung der Mucosa des Oesophagus nach Ver¬ 
giftung mit aqua regia. 

1883— 84. 161. Frequenz der vorherrschenden Krankheiten. 

162. Fall von disseminirtem Krebs in Hirn, Lunge, Un¬ 
terleib. 

163. Fall von Schluckpneumonie. 

1884— 85. 164. Fall von Aorten-Aneurysma. 

165. Krankheite-Freqnenz im Hospital. 

166. Morbus macnlosus Werlhofl. 

1885— 86. 167. Krankenbewegung im Hospital. 

168. Seorbut bei Kutschern der Pferdebahn. 

169. Fall von Pilz-Vergiftung. 

1886— 87. 170. Antipyrin bei Rheumatismus. 

171. Conglomerat vou Holzstiften im Rectum eines 
Schusterjungen. 

1887— 88. 172. Präparat von Halswirbel-Fractur mit Luxation. 

173. Fall von Athetose. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Zar Behandlung des Milzbrandes tbeilt Dr. Visalli 
in Canlonia einen bemerkenswerthen Fall mit. Bei einem Kran¬ 
ken mit einer linsengrossen Schwellung an der Unterlippe mit 
geechwürigem Zerfall im Centrnm and Oedem der Unterlippe 
wurde die Diagnose auf Pustula maligna gestellt und wegen 
raschen Umsichgreifens der Affection die Pustel mit Ferrum 
candens behandelt. Mehrere derartige Canterisationen blieben 
jedoch erfolglos und das maligne Oedem verbreitete sich rapid 
auf das ganze Gesicht, Kopf. Hals, Thorax und den oberen Theil 
des Abdomens unter hohem Fieber, sehr beschleunigtem kleinen 
Pulse und Delirien. Visalli verordnet« hierauf den internen 
Gebrauch von Tinctura Jodi (1 Tropfen 2 stündlich) und beo¬ 
bachtete innerhalb dreier Tage den Rückgang der Allgemein- 
erBcheinnngen und die Abschwellung der von dem malignen 
Oedem befallenen Hautpartien, während die primär inficirte 
Stelle eine starke «eliminatorische» Entzündung zeigte. V. 
führt diesen Fall als Beweis für die schon von Davain be¬ 
hauptete curative Wirkung des Jod bei Milzbrand an. 

(Riforma med. — Münch, med. Woch. Nr. 41). 

— Gr net empfiehlt gegen acute Dysenterie die innerliche 
Anwendung von Natrinm sulfnricnm. Er bedient sich gewöhn¬ 
lich einer Lösung von 10,0 anf 200,0, die in 4 Malen, in drei¬ 
stündlichen Zwischenräumen zu nehmen ist, daneben werden 
Lavements verordnet, denen man Antiseptica zusetzt, wie z. B. 
Acidum boricum, Naphthol, Acidum carbolicum. Mit dieser 
Behandlungsmethode erzielte er recht gute Resultate. 

(Therap. Monatshefte Nr. 10). 


Vermischtes. 

— Befördert: Zum Geheimrath — der Oberarzt des 
Kronstädter Marinehospitals, Dr. Frommhold Hohlbeck, 
unter gleichzeitiger Verabschiedung wegen Krankheit mit 
Uniform. (H., welcher gegenwärtig im 56 Lebenmahre steht, 
hat seine medicinische Ausbildung in Dorpat erhalten. Nach 
Erlangung der Doctorwürde daselbst wurde er Flottenarzt, 


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hierauf Ordinator am Marinehospital in Kronstadt und fnn- 
girte von 1879—85 als Gehilfe des Oberarztes nnd seit 1885 
als Oberarzt des genannten Mariuehospitals, zugleich auch als 
Chefarzt des Medicinalwesens des Kronstadter Hafens). 

— Oer Oberarzt des Marienhospitals in Moskau, Dr. Ssa * 
wostizki, welcher in der vorigen Woche sein 40jähriges 
Oienstjubiiaum feierte, ist von der Moskauer chirurgischen 
Gesellschaft zum Ehrenmitglieds ernannt worden. Die 
Aerzte des Marienhospitals überreichten dem Jubilar ihr 
photographisches Gruppenbild und ein goldenes 
Jeton mit der Aufschrift «Dem Arzt und Menschen». 

— Verstorben: Am 5. December in Riga der Gehilfe des 
Gouvernements- Mediciuaiiuspeotors, Suuusrath Dr. Carl 
Lange na 55. LeDemyahre. ln Areusburg (Insel Oesel) im 
Jahre i837 geboren, erlueu er in der doitigen höüeren Kreis- 
schuie seine Schulbildung und oezog iui Jaüre 1857 die Uni¬ 
versität Dorpat, wo er bis 1863 Medicin studirte. Nach Ab- 
Bolvirung des Curaus mit der Wurde eines Dr. mediciuae, 
wurde er an» Kroustipendiat zum Stadtarzt in Onega ernannt 
und 18u6 in gleicher Eigenschaft nach Siuzk (Gouv. Minsk) 
versetzt, im Jahre 1873 siedelte er nach Riga Uber, wo er 
anfangs iieipraktickender Arzt war, bis er im J. 1876 zum 
Gehnien des iivlaudisciieu Goaverneuients-Medicinalinspectors 
ernannt wurde, welches Amt er bis zu seinem Lebensende 
bekleidet bat- Sei«. 1879 war L. auch Direcior des livlandischen 
Gefauguis -Comites. Oer Hingeschiedene erfreute sich in Folge 
seiner uuuiauen Gesinnung, seiner liebenswürdigen Umgaugs- 
forwen und seiner steten Hüifsbereitschaft bei Allen, die mit 
ihm in Heidin ung kamen, grosser Belieb.heit und Achtung, 
welche ihm ein bleibendes Andenken sichern. 2) Am 30. No¬ 
vember in Moskau der Consultant der Anstalten der Kaiserin 
Maria, wirkl. Staatsrath Dr. Adolf Caspari, an Herzpara¬ 
lyse im 57. Lebensjahre. Der Verstorbene hat seine medicin. 
Studien au der Moskauer Universität gemacht, an welcher er 
im J. 1862 d^n Arztgrad erlangte. Im J. 1869 wurde H. zum 
Consultanten dei Anstalten der Kaiserin Maria ernannt und 
seit dem Beginn der 80ger Jahre war er auch als Prosecior 
am Golyzinhospital und als Docent für Anatomie bei der 
Feldscherschule dieses Hospitals angestellt. Die Liebe und 
Anerkennung, weiche der Heimgegangene bei seinen Collegen 
Hatienien und Untergebenen genoss, sprach sich auch bei 
seiner Bestattung deutlich aus. 3, In Wmizaam 18. November 
der Arzt E. K. cajewski, 75 J. alt, einer der noch wenigen 
lebenden Zöglinge der früheren VViluascheu medicinischen 
Akademie. 4; Am 21. November in Odessa der Landschaftsarzt 
Nikolai Ganouow im Alter von 27 Jahren an Phthisis. 
Der Verstorbene hat seine Wittwe ganz mittellos hinterlassen. 
5) Im Skopiuschen Kreise der Aizt Nikolai Mokjejew im 
52. Lebeuiyahre. Der Hingeschiedene bekleidete in der letzten 
Zeit das Amt eines Friedensrichters. 6, In Foti die Aerztin 
Natalie Ssubuuaje wa-Glinka im 33. Lebensjahre. 1 ) Am 
28. November in 8t. Fetersburg der Studentdes letzten Cursus 
der militar-mediciuischeu Akademie Grigori Kuklin. Nach 
Absoivirung der 8t. Petersburger Universität mit dem Grade 
eines Candidatender Naturwissenschaften trat K. im J. 1887 
in die luilitar-medic. Akademie ein. Als im vergangenen Sommer 
der Flecktyphus unter den Uebersiedlern in Sibirien ausbrach, 
zog er mit dem von Ssibirjakow ausgeriisteten Sanitatstrain 
dorthin, um ärztliche Hülfe zu leisten, er erkraukte aber bald 
selbst schwer am Flecktyphus. Nach seiner Rückkehr nach 
St. Fetersburg beschäftigte er sich eitrig mit bakteriologischen 
Studien über den Milzbraud im Veterinar-Laboratorium des 
Ministeriums der Reichsdomanen, wo er Bich mit dieser Krank¬ 
heit iniicirte, der er im Laute von 24 Stunden erlag. 8) Am 
1./13. December in Altona der Mediciualrath Dr. C. Kraus, 
welcher bis vor 3 Monaten Medicinalinspector von Hamburg 
war und aus dieser Stellung in Folge des Ausbruches der 
Cholera verdrängt wurde. 

— Der estiandische Medicinalinspector Dr. L. Malinowski 
ist auf denselben Fosten in das Gouvernement Ssamara über- 
geführt worden. Zu seinem Nachfolger in Revai ist der bis¬ 
herige Ssaiuarasche Gouveruements-Mediciuaiiuspector Dr. Mi- 
lowsorow ernannt worden. 

— Die hiesige railitär-medicinische Akademie hat Pasteur 
zum Ehrenmitgliede erwählt und wird ihm das betreffende 
Diplom mit einer Glückwanschadresse an seinem 70. Geburts¬ 
tage 112./24. December) überreichen lassen. 

— Zu dem im nächsten Jahre in Rom stattfindenden inter¬ 
nationalen med. Congress wird aus Moskau Frof. Sklitas- 
so wski abdelegirt werden. 

— In der Conferenz-Sitzung der militär-medicinischeu Aka¬ 
demie am 5. December haben die DDr. M. M. Wolkow und 
S. S. Botkin (ein Sohn des verstorbenen Professors) ihre 
Probevorlesungen behufs Erlangung der Venia le¬ 
gendi gehalten. 

— Am 8. December fand im I ns ti tu t für experimentelle 
Medicin die Einweihung des neuerbauten zweistöcki¬ 
gen chemischen Laboratoriums statt. 


— Als weitere erfreuliche Beweise der Anerkennung, 
welche die Thätigkeit der Aerzte und Studenten während dar 
letzten Choleraepidemie gefunden hat, registriren wir heute 
folgende: Von der Stadtverwaltung in Tomsk erschien bei dem 
Professor der dortigen Universität Ssudakow eine Deputa¬ 
tion. um ihm den Dank für seine Thätigkeit während der 
Choleraepidenüe zn überbringen. Die Stadtduma von Busulnk 
überreichte dem freiprakticirenden Arzte M. Podgornow für 
seine Bemühungen bei der Bekämpfung der Cholera eine 
Dankadresse. Der Congress der Kohlenbergwerk¬ 
besitzer in Südrn8sland hat beschlossen, den grösstentheüs 
jungen Aerzten, welche im Donezgebiet während der Cholera- 
epiaemie thätig waren, den Dank für ihre aufopfernde 
und selbstverleugnende Thätigkeit durch Vermittelung 
der medicinischen Akademie und der Universitäten, auf denen 
sie ihre Ausbildung erhalten haben, auszudrücken. 

— Das Wjatka’sche Gouvernements-Landschaftsamt beab¬ 
sichtigt in der nächsten Landschaftsversammlnng eine Vor¬ 
lage, betreffend die Versorgung der Familien der 
Landschaftsärzte im Falle des Todes der letzteren 
oei Bekämpfung von Epidemien, einzubringen. Das bei 
dem örtlichen Gouvernements-Landscbaftshospital bestehende 
ärztliche Conseil, welches in dieser Angelegenheit vom Land¬ 
schaftsamt zu Rathe gezogen wurde, erklärte es für eine 
Pflicht der Gerechtigkeit nicht allein die Aerzte, sondern auch 
das niedere med. Personal, wie Feldscher, Feldscherinnen, 
barmherzige Schwestern, Krankenwärterinnen, Sanitäre hier¬ 
bei zu berücksichtigen. Was den Modus der Sicherstellnn£ der 
Familien betrifft, so hält das Conseil für die zweckmässigste 
Versorgung nicht die Lebensversicherung, sondern die Aus¬ 
zahlung einmaliger Unterstützungen an die Familien der Ver¬ 
storbenen und zwar bei Personen des niederen Personals 
500 Rbl., bei Feldschern 1500 und bei Aerzten 5000 Rbl. 
(Wolschski We8tn. — Wr.). 

— Dem frühem Prosector der Kasanschen Universität, Dr. 
A. M. Doch mann, welcher an einer unheilbaren Krankheit 
schwer darniederliegt, ist eine Jahrespension von 500 R. 
ausgesetzt, ausserdem ist seiner Familie eine einmalige Unter¬ 
stützung im Betrage von 1500 Rbl. bewilligt worden. 

— Die Kreislandschaftversammlnng von Menselinsk hat der 
Wittwe des Landschaftsarztes Ke tat. welcher ein Opfer der 
Flecktyphnsepidemie wurde, eine Jahvespension im Be¬ 
trage von 200 Rbl. zur Erziehung der 'loehter ausgesetzt. 
Im Falle des Todes der Tochter bezieht die Mutter diese Pen¬ 
sion bis zu ihrer etwaigen Wiederverheirathung. 

— In dem Flecken Kachowka (Gouv. Taurien) hat der 
Landhauptmann den Apothekerbositzer Provisor Woita- 
schewski und seinen Gehülfen Grünberg zu 2 Wochen 
Arrest verurtheilt, weil ersterer in Gegenwart des Veteri¬ 
närarztes Poljejesch einem Bauer, der nach Arznei kam, 
erklärte, dass «in dem Landschaftshospital die Menschen nicht 
geheilt, sondern vergiftet werden» und Grünberg noch hin¬ 
zusetzte, dass «dort etwas zu riechen gegeben werde, wodurch 
man sofort ins Jenseit befördert werde». Ob diese Beiden ihre 
Thätigkeit in der Apotheke noch fortseizen, ist aus der Mit- 
theilnng in den «Nowosti» nicht zu ersehen. 

— Vor Kurzem ist hier der Kaufmann Wassiljew. welcher 
9 kleine Buden besitzt, vom Friedensgericht zu 190 R. Strafe 
event. 3 Wochen Arrest verurtheilt worden, weil er einen 
Kwas (Dünnbier) verkauft hat. der von dem städtischen La¬ 
boratorium als «unbedingt schädlich für die Gesundheit ge¬ 
funden» wurde. 

— Die Stadt Riga erhält in nächster Zeit ein gut einge¬ 
richtetes Kinderhospital. Die Stadtverordneten-Versamm- 
lung hat nämlich beschlossen, die Hälfte des von dein verst. 
Rigaschen Grosskaufmann James Armitstead zn Wohlthä- 
ligkeit9zwecken gespendete Capital, welches gegenwärtig anf 
mehr als 400 000 Rbl. augewachsen ist, zur Erbauung eines 
Kinderhospitals zu verwenden. Dasselbe wird vorläufig anf 98 
* Betten eingerichtet, soll aber später aus den Zinsen des Capi- 
tals bedeutend erweitert werden. 

— Das «Journal des Sciences med. de Lille» theilt einen 
«Fall von Verfälschung der Jodoformgaze» mit. Die 
Gaze war als 30 pCt. enthaltend verkauft worden, enthielt 
aber nur 8 pCt. Jodoform. Die gelbe Farbe war der Gaze 
durch Pikrinsäure verliehen worden. Eine solche Verfälschung 
lässt sich nacliweisen. indem man ein Stück der Gaze anf 
einige Minuten ins Wasser legt. Jodoform färbt das Wasser 
nicht, da es unlöslich im Wasser ist; dagegen wird die Flüs¬ 
sigkeit durch Pikrinsäure oder andere im Wasser lösliche 
Farbstoffe bald gelb gefärbt. 

— In Chicago soll wälirend der Austeilung auch ein in¬ 
ternationaler Congress barmherziger Schwerstem 
und Krankenwärterinnen abgehalten werden. 

— Vom Januar künftigen Jahres ab erscheint als Organ 
der Gesellschaft von Neuropathologen und Psychiatern bei der 
Kasan’schcn UniversWit ein neues russisches Journal «Heß- 
poaonmeeKift BkcTmim.", unter der Redaction von Prof. Bech- 


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terew. Das Journal wird im Umfange von 30 Druckbogen im 
Jahr in 3 Lieferungen periodisch erscheinen. Preis pro Jahr 
4 Rbl. Diese Zeitschrift wird enthal en: Neuropathologie, 
Psychiatrie, gerichtlich-psychiatrische Casuistik, pathol. Ana¬ 
tomie der Geistes- und Nervenkrankheiten, Anatomie, Histo¬ 
logie und Entwickelungsgeschichte des Nervensystems, Ner- 
venphysiologie und Psychologie. 

— Das bekannte Organ der British Medical Association — 
«The Britisch Medical Journal» hat gegenwärtig 17000 
Abonnenten und 2500 Mitarbeiter. 

— Ein neuer Bacillus. Dr.Perles, Assistent anderAu- 

g enklinik des Prof. Hirschberg in Berlin, hat in der Ber¬ 
ner med. Gesellschaft einen Vortrag «über die Ursachen 
der perniciösen Anämie» gehalten. Da diese Krankheit 
häufig mit Blutungen in der Netzhaut verbunden isL, so hat 
P. das Blut solcher Kranken mikroskopisch untersucht und 
dabei ungemein kleine eigenartige Gebilde gefunden, die im 
Blutstrome eine deutliche selbstständige Bewegung zeigen und 
mit keinem der bisher bekannten Bestandtheiie des Blutes 
identisch sind. Dr. Perles vennuthet- dass diese «Schwärm- 
körperchen» eine neue Species von Mikroorganismen und 
wahrscheinlich die Erreger der pernieiösen Anämie sind. 

— Die Influenzaepidemie, welche in Deutschland bis 
Anfang Juni, in England. Nordamerika und Italien aber noch 
etwas länger anhielt, jedoch auch in diesen Ländern schon 
seit geraumer Zeit sich nicht mehr zeigte, ist jetzt wieder an 
verschiedenen Orten aufgetaucht. So sind nach einer Mitthei¬ 
lung des Deutschen Reicbsgesundheitsamtes in den beiden 
letzten Wochen in Kopenhagen je 106 Erkrankungen, in 
London 6, resp. 2, in New-York 3 Todesfälle an der Influ¬ 
enza beobachtet worden, 

— In London herrscht seit dem Ende August eine recht 
heftige Scharlach- nnd Diphtherieepidenrie. Die Ge- 
aaramtzahl der im Verlaufe von 10 Wochen (10. Sept. bis 19. 
Nov. d. J.) gemeldeten Scharlachfäll e betrug 9000 mit 314 
Todesfällen (3,5 pCt. Mortalität). An Diphtherie erkrankten 
in derselben Zeit 2000 Personen, von denen 450 starben 
(21,2 pOr. Morral.). 

— Die Cholera wird in Bussland dem Anscheine nach 
wohl überwintern. Wenn auch an einzelnen Orten die Epi¬ 
demie erloschen oder dem Erlöschen nahe ist, so herrscht sie 
doch in vielen Gegenden des Reiches in nicht gerade uner¬ 
heblichem Grade noch fort. Auch in St. Petersburg hält sich 
die Epidemie in den letzten Wochen fast nngeschwächt auf 
dem alten Stande und es ist bis jetzt noch kein Tag ohne Neuer¬ 
krankungen vorgekommen, die sich jedoch in letzter Zeit aus¬ 
schliesslich auf Wassili Ostrow beschränken. Zum 9. December 
verblieben in den städtischen Hospitälern 26 Cholerakranke 
Nach einer statistischen Zusammenstellung im Regierungs- 
Anzeiger betrug die Gesammizalil der während der diesjähri¬ 
gen Choleraepidemie (bis zum October) in Russland erkrank 
ten Personen 547,999, die der verstorbenen Personen 246,480. 
Von diesen Gesammtzahlen entfallen auf die Gouvernements 
des europäischen Russland 286.691 Erkrankungen und 130,427 
Todesfälle an der Cholera, während in den sibirischen Gou¬ 
vernements. Centralasien, im Kaukasus und Donischen Kosa¬ 
kengebiet 261,308 Personen erkrankten und 116.053 Personen 
starben. Die höchste Erkrankungs- und Stertlichkeits-Ziffer 
weist das Gouvernement Ssaratow auf, dann folgen Ssamara 
und das Donische Kosakengebiet. Unter den Städten nimmt 
Astrachan die erste Stelle, St. Petersburg die zweite ein, 
es folgen dann Ssaratow. Ssamara und Warschau. In 
den Städten sind im Ganzen 52,731 Personen an der Cholera 
erkrankt und 26,326 gestorben. 

In Frankreich scheint die Cholera in einzelnen Gegenden 
in den letzten Wochen wieder um sich zu greifen. 

Aus Hamburg werden nach einer langen Panse wieder 
zwei Choleraerkrankungen tarn 5./17. Novemb.) gemeldet. 


In Budapest ist die Cholera als erloschen erklärt worden, 
in Galizien sind seit dem 30 November sieben weitere Cko- 
leraerkrankungen vorgekommen. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilkospi- 
tälern St.\Petersburgs betrug am 6. Dezember d. J. 5866 
(59 mehr als in der Vorwoche), darunter 95 Typhus — (2 mehrjy 
705 Syphilis — (23 mehr), 52 Scharlach — (7 mehr), 8 Diph 
therie — (7 weniger), 19 Masern — (5 weniger), 5 Pocken — 
(4 weniger) und 31 Cholerakranke (2 weniger als in der Vor¬ 
woche), 


Vacanzen. 

1) Im Kreise Nishni-Lomow (Gouv. Pensa) ist die Stelle 
eines Landschaftsarztes erledigt. Gelialt nebst Fahrten¬ 
geldern 1500 R. jährlich. Die Meldung geschieht bei der «H*- 
aceaoMOBCKaa 3cMCKaa ynpaßa». 

2i Im Ssimbirsk’schen Kreise wird am 1. Januar 1893 eine 
Landschaftsarztstelle vacant. Gehalt 1200 Rbl. nebst 
freiem Quartier beim Hospital. Adresse: «CiuiÖHpcKaHyfesAHafl 
3encKaa y npaBa». 

3) Von der Tschistopol’schen Kreislandschaft werden 3 
Aerzte gesucht (bis zum 1. Januar 1893). Gehalt 1000 R. 
und 170 R. Quartiergeld. Zu melden unter Beifügung von 
Empfehlungen vqn der letzten Stelle oder von Professoren 
bei der «UecTonoaBCKaa 3eMCKaa ynpaßa». 

4) Es wird ein Arzt für den Flecken Schuinsk 
(Kreis Kremenez in Wolhynien) gesucht. Auskünfte ertheilt 
der örtliche Apotheker. 

5) Einem Arzte kaun sofort auf dem Lande eine Stelle 
nachgewesen werden. Näheres in Walk, Apotheker Rücker- 


Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs. 

Für die Woche vom 29. November bis 5. December 1892. 
Zahl der Sterbefälle: 

1) nach Geschlecht und Alter: 


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Im Ganzen: _ _ .. ... ... ... . . . . _ g 

M. W. Sa. T 7 7 7 ^ ^ ^ f ^ f ^ 1 •§. 

-Hp-CTCO'>l'lO'Xlt'CC 

237 220 457 80 19 65 10 7 17 51 51 48 45 33 20 9 2 


2) nach den Todesursachen: 

-- Typh. exantli. 0, Typh. abd. 1, Febris recurrens 0, Typhus 
ohne Bestimmung der Form 0, PockenO, Masern 4, Scharlach 9, 
Diphtherie 5. Croup 2, Keuchhusten 2, Croupöse Lungen¬ 
entzündung 22. Ery sipelas 3, Cholera nostras 0, Cholera asia- 
tica 12, Ruhr 1, Epidemische Meningitis 0, Acuter Gelenkrheu¬ 
matismus 1. Parotitis epidemica 0, Rotzkrankheit 0, Anthrax 0, 
Hydrophobie 0, Puerperalfieber 2, Pyämie und Septicaemie 2, 
Tiiberculose der Lungen 96, Tuberculose anderer Organe 9, 
Alkoholismus und Delirium tremens 2, Lebensschwäche und 
Atropbia infantum 29, Marasmus senilis 17, Krankheiten des 
Verdauungscauals 30, Todtgeborene 24. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 22. December. 

Empfang der Mitgliedsbeiträge für das nächste Jahr. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 14. December. 




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veine porte et ses cons6quences pour l’organisme. Par MM. M. Hahn, 
V. Massen, M. Nencki et J. Pawlow : I. Partie physiologique. Par 
MM. V. Massen et J. Pawlow. II. Partie chimique. Par MM. M. 
Hahn et M. Ncncki. — Sur les processus de putr6faction dans le 
gros inrestin de l’homme et sur les microorganismes qui le provo- 
quent. Par M. Zumfi. — Sur les microorganismes dans les Organes 
des morts cho!6riques. Par M. L. de Rekowski — Contributions & 
l’etude des processus chimiques dans les intestins de l’horame. Par 
M. Jakowski. 


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Die Teutache Jfedlcinalseitung in Berlin, Sanitätsrath Dr. Julius Grosser (Probe- 
Nummer vom 1. Januar 1892, Seite 22) schreibt darüber: «Ein automatisches Lungen- 
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schützen lasseu. Dasselbe besteht aus einem Handgriffe aus gut versilbertem Cuivre 
poli, durch den ein starkes ledernes Centimetermaass geführt ist, das mit einem Zeiger 
versehen ist, während au dem Handgriffe, der auf die Brust gehalten wird, ein anderer 
Zeiger sich befindet. Legt man nun dem zu Untersuchenden das Band genau an und 
läget voll eiu- und ausathmen, so stellen sich die die beiden Zeiger selbstthätig auf den 
Punkt einerseits der Expiration, andererseits des Höhepunktes der Expansion und ge¬ 
statten ein bequemes Ablesen. Das Instrument ist dauerhaft und kostet nebst Ver¬ 
packung und freier Zusendung 5,25 Mark beim Fabrikanten Dresden-Neustadt. Es wird 
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Äosn.uena.Cnfi. 12ßeiaöpa 1892r. Herausgeber: Dr. Rudolf Wauach. Buchdruckerel von A. Wienecke,Katharinenhofer-^r. H 15. 


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XVII. JAHRGANG. 


Neue Folge IX. Jahrg. 



Illicinscil WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. 

Dorpat. 


Or. Johannes Krannhals. 

Riga. 


Dr. Rudolf Wanach. 


St. Petersburg. 

Die «St. Petersburger Mediciuische WoeheuBchrift> erscheint jeden flV* Abonnement«-Aufträge sowie alle Inserate “W 
Souuaheud. — Der Abonnementipreis ist in Bnssland B Rbl. l'iir das bittet inan ansschliesslich an die Biiclihandliing von Oarl Bioker in 
Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr iucl. Postzustellung; in den anderen i St. Petersburg, Newsky-Prospect }6 14, zu richten. — ICanusoripte 
Ländern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Insertionspreis | sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man an 
für die3 mal gespalteue Zeile iu Petit ist 16 Kop.oder35 Pfenn.—Den : den geschäftsführenden Redacteur Dr. Budolf Wanach in St. Pe- 
Antoreu werden 25 Separatabzüge ihrer Origiualartikel zugesandt.— : tersburg, Petersburger Seite, Grosser Prospect M 7, Qu. 6 zu richten. 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. j Sprechstunden täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 

N 51 St. Petersburg, 19. (31 ) -December 1892 


Inhalt: Prof. Körber: Scbujtze’sche Schwingungen — Tod des Kindes. — W. Greiffenhagen: Sfrangulatlonsileus 
in Folge einer Hernia epigastrica. r -- Referate: H. Schlesinger: Beiträge zu den Sensibilitäts-Anomalien bei I«epra. — 
Robert P. Harris: The remarkable ßesults of antiseptic Symphyaiotöray. — Robert P. Harris: Die bemerkenswerthen 
Reonltate der Symphyseotomie. — Bücberanzeigen und Besprechungen: Prof. Friedr. Albin Hoffmann (Leipzig): 
Lehrbuch der Coustitutiouskrankheite-rt. — Pathologisch-anatomische Tafeln. — Auszog aus den Protokollen des deut¬ 
schen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. — Kleinere Mifctheilnngen und therapeutische Notizen. — Ver¬ 
mischtes. — Vaeanzen. — Mortalitäts-Bulletin St. Petersburgs; — Anzeigen. 


Abonnements-Aufforderung. 

Die St. Petersburger 

Medicinische Wochenschrift 

wird auch im Jahre 1893 unter der jetzigen Redaction und 
nach dem bisherigen Programm erscheinen. Sie bleibt ihrer 
Aufgabe getreu, ein Organ für praktische Aerzte zn sein nnd 
letztere durch Originalarbeiten sowohl als durch Referate 
und Besprechungen nen erschienener Werke mit den Ergeb¬ 
nissen zeitgenössischer medicinischer Forschung bekannt zu 
erhalten. — Wie bisher werden die wissenschaftlichen Ver¬ 
handlungen der Dorpatermed.PaoultätinderWochenschrift 
erscheinen nnd wird dieselbe als Organ nachstehender Vereine 
und Gesellschaften fortfahren mit der Veröffentlichung der 
Protokolle des aligem. Vereins St. Petersburger Aerzte. 
des St. Petersburger Vereins deutscher Aerzte, der Ge¬ 
sellschaft praktischer Aerzte zu Riga, der medicini* 
sehen Gesellschaft zu Dorpat nnd der Geselltchaft In¬ 
ländischer Aerzte. — Besondere Aufmerksamkeit wird die 
Wochenschrift auch fernerhin der russischen medioinisöhen 
Literatur widmen nnd in gleicher Weise, wie im vorigen Jahre, 
auch weiterhin dorch fortlaufende Referate Uber alle wichti¬ 
geren in russ. medioin. Journalen erscheinenden Ar¬ 
beiten, sowie über die Verhandlungen russischer medicini- 
scher Gesellschaften, den mit der russischen Sprache nicht 
vertrauten Fachgenossen die Einsicht in diese stetig an Be¬ 
deutung gewinnende Literatur ermöglichen. — Der Abonne¬ 
mentspreis ist incl. Zustellung in Russland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für ein halbes Jahr, in den anderen Ländern 
20 Mark für das Jahr, 10 Mark für ein halbes Jahr. Abon¬ 
nements-Aufträge bittet man an die Bnchhaudlnng von C. 
Rioker in St. Petersburg, Nevsky-Prospect Nr. 14, Manu- 
scripte sowie alle anf die Redaction bezüglichen Mittheilun- 
gon an den geschäftsführenden Redactenr Dr. Rudolf Wa- 
naoh (Petersburger Seite, Grosser Prospect Nr. 7, Quart. 6) 
zn richten. 


Schulische Schwingungen - Tod des Kindes. 

-V i 

Voi|i^g gehalten auf dem IV. Livländ. Aerztetage. 

•* - Von 

ti Prot Körber, - - 

• Vor einigen Monaten seeirte ich ein Kind, an dem 
Scli. Sch. ausgeführt worden waren. Der Sectionsbefuod 
veranlasst mich, denselben kurz mitzutheilen. Bevor ich 
auf den Fall selbst eingehe, erlaube ich mir zwei Bemer¬ 
kungen, um meine Stellung als Gerichtsarzt zur Frage 
zu kennzeichnen: 

Ich glaube auf keinen Widerspruch zu stossen, wenn 
ich 1) annehme, dass gegenwärtig auch alle Gerichts¬ 
ärzte davon überzeugt sind, dass durch Sch. Sch. Luft 
in die Lungen eines ausgetragenen Kindes gebracht 
werden kann und 2) behaupte, dass dadurch die Beweis¬ 
kraft der Scliwimniprobe nicht im Geringsten angetastet 
wird, denn der Gericlitsarzt hat es ausschliesslich mit 
Kindern zu thun, die heimlich geboren wurden, wo dem¬ 
nach Wiederbelebungsversuche durch Sch. Sch. ausge¬ 
schlossen sind. 

Von Geburtshelfern wird die Methode so gern ange¬ 
wandt und so hoch geschätzt, weil der Zweck sicher 
erreicht wird und die Ausführung leicht ist. Nur in 
Bezug auf die Gefährlichkeit resp. Ungefahrliehkeit der 
Sch. Sch. sind die Autoren nicht so einig und scheint 
mir das bisher veröffentlichte Material die Gefahrlosig¬ 
keit noch nicht zu beweisen. 

Im Jahre 1887 wurden durch Winter (Vierteljahr¬ 
schrift für gerichtl. Med. N. F. Bd. 46 S. 84) 3 Fälle 
von Verletzungen durch Sch. Sch. veröffentlicht. Runge 
suchte in der Petersb. med. Wochenschrift (Nr. 19 und 
20. 1887 «Casuistik aus der Dorpater Klinik») den 
Nachweis zu liefern, dass die während der Section von 
Winter bemerkten Verletzungen nicht auf Sch. Sch., 
sondern in 2 Fällen auf die Extraction am Beckenende 
zu beziehen seien. Im 3. Falle, wo das Kind spontan 


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geboren wurde, wird die Leberruptur mit gleichzeitiger 
Fracturder 3.—5. Rippe reehterseits wohl auf die Schwin- 
gungeu zurückgeführt, doch seien die Verletzungen er¬ 
klärlich, da von einem Practicanten nicht lege artis 
langdauernde Schwingungen ausgeführt worden waren. 

In dem von mir secirten Falle wurden Sch. Sch. ca. 
10 Min. lang von dem mehrjährigen Assistenten der 
Dorpater geburtshilflichen Klinik Dr. Holowko und der 
Institutshebamme vorgenommen, demnach von Personen, 
welche die Schwingungen lege artis ausführten, anderer¬ 
seits war der Hergang während der Geburt ein derartiger, 
dass die Verletzungen während derselben nicht entstanden 
sein konnten. 

N. N. 39 J. alt Vll-para. Der behandelnde Arzt hatte die 
Za ne:e angelegt, jedoch den Kopf nicht zu extrahiren ver¬ 
mocht, worauf die Kreissende auf die geburtshilfliche Klinik 
transportirt wurde. Da das Kind lebte und keine Indication 
zur Beendigung der Geburt vorlag, (alle früheren Geburten 
waren normal verlaufen) so wurde beschlossen, mit der Kunst- 
liilfe noch zu warten. In der Nacht vom 24. 25. Mai wurde der 
Kopf in erster Schädellage spontan geboren, von dem Assisten¬ 
ten der Finger in die rechte Achselhöhle eingeführt und damit 
der Rumpf entwickelt; da das Kind schwer asphyktlsch gebo¬ 
ren wurde, schritt der Assistent alsbald zur Einleitung der 
Respiration dnreh Sch. Sch. Die Auscultation des Herzens 
ergab jedoch bereits nach 10 Minuten den Eintritt des 
Todes. 

Sectionsbefund. Länge 57 Cm. Gewicht 4885 grm. Kopf 
und Brustumfang «37 Cm. Knochen kern 9 Mm. 

ln der Unterleibshöhle reichlich 125 Ccm. zum Theil geron¬ 
nenen Blutes. Am vorderen rechten Leberrande die Leberkapsel 
im Umfange eines Silberrubels abgehoben mit flüssigem Blut 

f efüllt. Mehrere etwas kleinere Hämatome an der unteren 
läche nahe dem vorderen Leberrande und am Spigel’sehen 
Lappen. Die Leber sehr gross nnd schwer. Im Leberparencliym 
nahe dem hintern Rande ein wallnussgrosser mit geronnenem 
Blut gefüllter Leberriss, welcher bis zur Kapsel heranreicht, 
die gleichfalls eingerisseu ist. 3 Ctm. weiter nach links ge¬ 
genüber der Wirbelsäule ein 2. kleinerer Leberriss, welcher 
nicht bis an die Kapsel reicht. Das umgebende Lebergewfbe 
von normaler Beschaffenheit. 

Am oberen Pol der rechten Niere ein Blutaustiitt unter der 
Kapsel. w 

Magen-Danncanal sinken unter, der ganze Dickdatm stark 
oontrahirt und nur in der Flexnr und im Rectum Kindf.nech. 
Die Lungen mit dem Herzen sinken langsam unter, die Lungen 
allein in*s Wasser gethan, schwimmen. Am Herzen, den Lun¬ 
gen, der Thymus und den Augenlidern zahlreiche Ekchj mosen. 
Die Lungen deutlich raarraorirt, einzelne Alveolen gruppen¬ 
weise erweitert, das Gewebe von mittlerem Blutgehalt, von 
der Schnitt flache lassen sich nur wenige Luftbläachen ab¬ 
streifen. In der Luftröhre bis in die grösseren Bronchien 
hinab zäher Schleim ohne Luftbläschen, jedoch nirgends das 
Lumen vollständig verlegt. Die Schleimhaut in der Umgebung 
beider Maudeln blutunterlaufen. 

Die Kindskopfgeschwulst in der Umgebung der kleinen Fon¬ 
tanelle, Gehirnhäute nnd Gehirn blutreich, Schädelknochen 
wenig biegsam. 

Das Kinl ist lebend geboren und in Folge derLeber- 
ruptnr und der damit im Zusammenhang stehenden Blu¬ 
tung verstorben. Die Leberruptur kann auf keinerlei 
Manipulationen während der Geburt bezogen werden, sie 
ist vielmehr während der Sch. Sch. entstanden, demnach 
ist das Kind in Folge der Sch. Sch. verstorben. Ob das 
Kind bei anderweitigen Wiederbelebungsversuchen ohne 
Verletzung der Leber hätte gerettet werden können, ist 
nicht zu entscheiden, jedenfalls hat das Kind vorzeitige 
Athembewegungen ausgetührt und kam in hochgradig 
asphyktischem Zustande zur Welt Die Blutunterlaufungen 
am weichen Gaumen sind irrelevant und wahrscheinlich 
auf das Einführen des Fingers zur Entfernung des Schlei¬ 
mes aus dem Rachen zu beziehen. 

Wenn demnach die Sch. Sch. im concreten Falle lege 
artis ausgeführt worden sind, und dennoch in Foke dieser 
Schwingungen der Tod eingetrcteii ist, so darf man wohl 
fragen, warum ereignete sich in vorliegendem Fall eine i 
Leberruptur? Vielleicht bestanden Contraindicationen i 
gegen die Anwendung Sch. Sch V 

Runge, der eifrigste Vertheidiger der Sch. Sch. hat | 
während einer lOjahrigen grossen Praxis niemals er- 


i liebliche Verletzungen zu beobachten Gelegenheit gehabt, 
er hält die Sch. Sch. daher für relativ ungefährlich und 
i zieht sie allen anderen Methoden behufs Einleitung der 
| künstlichen Respiration vor. 

Dr. Leopold Meyer in Kopenhagen (Centralblatt für 
| Gynäkol. 1890 Nr. 10 S. 163) erwähnt eine Contraiu- 
dication. Er plädirt für die Anwendung der anderen 
! Methoden zur Wiederbelebung, falls sich ein Bruch des 
! Schlüsselbeins resp. Oberarms während der Geburt ein¬ 
gestellt hat. ln solch’ einem Falle hält er die Sch. Sch. 
für gefährlich und erklärt er den raschen Tod eines 
Neugeborenen mit Schlüsselbeinbruch (He yd rieh Cen¬ 
tralblatt für Gynäkol. 1890 Nr. 7 S. 109) durch Sch 
Sch., die eine Läsion der Lungen durch Dislocation der 
Bruchenden, Pneumothorax, Hautemphysem und Emphy¬ 
sem im vorderen nnd hinteren Mediastinum bedingten. 
Dürfte man nicht, gestützt auf den von mir secirten Fall, 
als weitere Contraindication gegen Sch. Sch. das bedeu- 
I tende Körpergewicht (5 Klgrui.) aufstellen, denu je 
grösser das Gewicht des ganzen Körpers, desto grösser 
i auch der Druck, den die auf den Unterleib fallenden 
grossen Extremitäten auf die Leber ausüben werden. 
Reicht nun die grosse Leber ausserdem auch noch weit 
gegen den Nabel herab, so wird sie zwischen den Knieea. 
Rippen und Wirbelsäule zusammengepresst werden, wobei 
es znr Zerquetschung des Gewebes resp. ;.u Hämatom¬ 
bildung kommen kann. Jedenfalls ist die Verletzung der 
Leber nicht wälireud des Abschwingens erfolgt, denn 
dann wären das Lig. suspens. resp. die nächste Umge¬ 
bung desselben verletzt worden. 

Wie häufig Verletzungen in Folge Sch. Sch. Vorkommen 
mögen, ist gegenwärtig nicht zu entscheiden. Runge 
(I. c.) sagt «Viele asphyktische Neugeborene, an denen 
Sch. Sch. lege artis ausgeführt wurden, werden wohl 
selten Gegenstand einer Section werden». Er hat Recht, 
denn waren die Kinder todt, so werden Zeichen der 
lebenden Reaction an den durch Sch. Sch. hervorge¬ 
brachten Verletzungen natürlich fehlen, die Verletzungen 
werden wahrscheinlich während der Section übersehen 
werden; blieb das Kind jedoch am Leben, was in geburts¬ 
hilflichen Kliniken, wo lege artis geschwungen wird, die 
Regel ist, so fehlen Verletzungen oder dieselben sind so 
unbedeutend, dass sie auch später das Leben nicht be¬ 
drohen, die Kinder werdeu nicht sepirt. Demnach werden 
die Acten aus den geburtshilflichen Klinikeil schwerlich 
als vollgiltiger Beweis für die Gefahrlosigkeit benutzt 
werden können. Wie steht es dagegen mit den Kindern 
in der Privatpraxis, an denen Hebammen oder ungeübte 
Aerzte vielleicht nicht lege artis Sch. Sch. vorgenommeu 
haben? Giebt es ebenfalls gar keine resp. nur unwe¬ 
sentliche Verletzungen wie in den geburtshilflichen 
Anstalten? 

Seit mehr als 10 Jahren gehören die Sch. Sch- in den 
Hebammenunterricht. Demnach dürfte diese Methode eine 
weite Verbreitung gefunden haben. Doch bei der Scheu 
vor Sectionen und der auch den Laien bekannten Häu¬ 
figkeit der Todtgeburten auf dem Lande (ca. 5 pCt.), 
wird ein asphyktisch geborenes Kind, welches trotz Sch. 
Sch. nicht wieder belebt werden konnte, gewiss unbe¬ 
anstandet beerdigt und kaum je ein Gegenstand einer 
gerichtlichen Untersuchung werden, somit kann auch das 
Fehlen von Veröffentlichungen schlimmer Folgen aus der 
Privatpraxis, meiner Meinung nach, nicht als Beweis der 
Gefahrlosigkeit der Sch. Sch. angesehen werden. 

Nur durch ausnahmsloses Seciren der in- und ausser¬ 
halb der Anstalten verstorbenen Kinder an denen Sch. 
Sch. ausgeführt worden wareii, wobei eine besondere 
Aufmerksamkeit auf die Zertrümmerung des Leberpa- 
renchym’s ohne lebende Reaction, gerichtet werden 
müsste, könnte das Material beschafft werden, um den 
Procentsatz der Verletzungen, sowie Contraindicationen 
lestzustelleu. Sollte es sich dabei heraussteilen, dass 


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Verletzungen bei ungeschicktem Schwingen häufiger Vor¬ 
kommen, als bisher angenommen wurde, so könnten ivs|». 
müssten, — ebenso wie das Chloroform den Hebammen 
entzogen ist, während es in der Hand des Arztes un¬ 
schätzbare Dienste leistet, —die Sch. Sch. nur fiir die 
Kliniken und geschickten Aerzte reservirt bleiben, nicht 
aber den Hebammen gestattet werden. 

Strangulationsileus in Folge einer Hernia 
epigastrica. 

(Mitiheilung am» dem ttevaler Diakonissen hiuo»). 

Von 

Dr. W. G r e i f f e n h a g e n. 

Auf dem Gebiete der Herniologie beanspruchen die 
medianen BauchbrUche, die Hernien der Linea alba eine 
besondere. Berücksichtigung sowohl bezüglich ihrer Aeti- 
ologie, als auch ihrer Pathologie und Therapie. Nachdem 
schon in älterer Zeit Garengeot'), Cooper 2 ) und A. G. 
Richter 5 ) eine Anzahl gut beobachteter Fälle zusainmen- 
gestellt haben, hat die Lehre von den medianen Bauch- 
briichen neuerdings durch Witzei 4 ) und Roth 6 ) eine 
erneute und genauere Bearbeitung gefunden. 

Beide Autoren, in deren Arbeiten auch die Casuistik 
anderer Chirurgen (König, Lücke, Trendelenburg, 
v. Bergmann etc.) zusammengestellt und verwerthet 
wird, kommen zum Resultat, dass die medianen Bauch¬ 
brüche ein viel häufigeres Leiden bilden, als man bisher 
annahm, sich oft. unter dein Bilde eines Magenleidens 
verbergen und jahrelang vergeblich mit internen Mitteln 
behandelt werden. Dieser diagnostische Irrthum beruht 
zum Theil auf der oft beobachteten ausserordentlich ge¬ 
ringen Grösse der Bauchbrüche, so dass Arzt wie Pa¬ 
tient das Vorhandensein eines Bruches leicht übersehen; 
dabei stehen aber die heftigen Beschwerden in gar keinem 
Verhältnis zur geringen Grösse der Hernie. — Nach 
übereinstimmenden Beobaclttungen aller Autoren findet 
sich in der Reihe der aetiologischen Momente an erster 
Stelle das Trauma, sowohl in Gestalt directer (Hieb. 
Stoss auf den Bauch) als auch indirecter Gewalteinwir- 
knngen (Fall auf die Füsse, forcirte Bauchpresse, extre¬ 
mes Rückwärtsbeugen des Rumpfes etc.) Prädisponirend 
wirkt namentlich eine vorhergehende rasche Abmagerung. 
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich lim 
Netz als Bruchinhalt, doch sind auch Theile des Magen- 
darmcanals öfter gefunden worden. Der Bruchsack weist 
viel Verschiedenheiten auf, namentlich ist er oft sehr 
dünn und mit dem Inhalt fest verwachsen; mitunter lässt 
er sich überhaupt nicht differenziren und fehlt scheinbar, 
einen Fettbruch vortäuschend. Bezüglich des Sitzes der 
medianen Banchbriiche zeichnet sich die Gegend zwischen 
Proc. xipli. und Nabel als Prädilectionsstelle aus, wenn¬ 
gleich auch eine ganze Zahl von Hernien unterhalb des 
Nabels beobachtet wurde In therapeutischer Hinsicht 
bieten die medianen Banchbrüche ein sehr dankbares Ge¬ 
biet, indem es meist gelingt durch Reposition resp. Ex- 
cision des Bruchinhalts und V ernähung der kleinen Brnch- 
pforte die Patienten dauernd von ihrem qnälenden Leiden 
zn befreien. 

Doch nicht immer sind die klinischen Erscheinungen 
die oben geschilderten. Auch der von uns beobachtete 
Fall weicht in mancherlei Hinsicht vom üblichen Bilde ab: 


') Garengeot: MSmoires de l’acadfanie rovale de Chirurgie. 
T. I. Pag. 705 ct. nach Witzei. 

*) Cooper: Anatomische Beschreibung und chirurgische Be¬ 
handlung derUnterleibsbrflche. Gebers. Weimar 1888. (Wi tzel). 

*) Richter: Abhandlung von den Brüchen. 2. Auflage 1875 
(Witzei). 6 

*) Witzei: Ueber den medianen Banehbrueh. Volknianns 
Smlg. Klinischer Vortr. n. F. Nr 10. 

5 ) Roth: Ueber die Hernien der Linea alba. Langenbeck’s 
Archiv Bnd. 42. Heft I. 


Julie B. 25 Jahre alt wird am 25. August 1892 in die dem 
Herrn (’oilegen Dr. Baetge nnterstehendeAbtlieilung für innere 
Krankheiten mit den Erscheinungen einer Gastiu-Enteritis 
aufgenommen. 

Anamn.: Pat. will früher stets völlig gesund gewesen sein, 
bis sic vor ca. 6 Tagen mit Erbrechen, massiger Diarrhoe und 
Sehmerzen im Abdomen erkrankte. Irgend eine Vorwölbung 
am Abdoineu so wie Beschwerden von Seiten des Magendarm- 
canals hat sie bis dahin nicht, beobachtet. Stat. präs. Kräf¬ 
tige. gut genährte Person; an den Organsystemen nichts Pa¬ 
thologisches. P. ca- 90. T- 38.0. Obstipation, häufiges Erbrechen, 
Zunge belegt. Abdomeu leicht aufgetrieben; keine Dämpfung, 
keine Unregelmässigkeiten in der Wölbung des Abdomens; ty¬ 
pische Bruchpforten frei. Eine Fingerbreite oberhalb des obern 
Nabelringes eine kleine scheinbar Darm enthaltende Hernie 
der Linea alba. die sich leiciit reponiren lässt. Inguinalgegend 
linkerseits druckempfindlich. — Sensorium frei, aber Patientin 
antwortet auffallend träge. — Ord.: Eispilien. 

26. AugusStat. idem. — Klysma. Reichlicher Stuhl. Dreimal 
Erbrechen. Ord. Jforpli. 0,015 subc. Höchste Temperatur 37,9. 

27. August. Kein Stuhl. Stat. idem. h. T. 37,9. Opium. 

28. August» Abdomen stärker aufgetrieben. Erbrechen häufig. 
P. 100. weniger kräftig. T. 37,8. 

29. August. Morgens fäculentes Erbrechen, collabirtes Ans¬ 
sehn. Somnolenz. Pnls 110. Oie Hernie liisst sich leicht repo¬ 
niren ohne dass die Ileussymptoine schwindeu. Pat. wird be¬ 
hufs Operation in die chirurgische Abtheilung übergeführt. 

Operation. Ohlorofonnnarkose. Hautschnitt etwa 6 Centi- 
nieter lang vom Nabel nach aufwärts. Eröffnung des Brach¬ 
sacks; in demselben spärliches Serum und eine mässig gefüllte 
annähernd normale Diinndarraschlinge, über welche sich ein 
von der Brnchpforte ausgehender Strang hinzieht, der an der 
dein Mesenterialansatze gegenüber liegenden Kuppe der Darm- 
sclilinge inserirt. Doppelte Ligatur und Dnrchtrennnng mit 
dem Paquelin. Der bis dahin leere abführende Schenkel bläht 
sich nach Dnrchtrennnng dieses Stranges sofort auf. Neben 
der mechanischen Strangulation hat die vorliegende Schlinge 
durch Zug eine Axeudi ehung von etwas über 90° erfahren. 
Erweiterung der Bruchpforte. Beim weiteren Vorziehen der 
Darmschlinge spannen sich noch drei Stränge an, von denen 
zwei eine gemeinsame Insertion an der Schlinge haben. Der 
dritte Strang setzt sich tiefer an das abführende Rohr an. 
Sämmtliehe Stränge gehen von der Bruchpforte theils vom 
obern, theils vom nntern Pol aus. Die Stränge werden doppelt 
ligirt und mit dem Paquelin durchtrennt. Sie bestehen aus 
lockerem zartem Bindegewebe, das aber eine gewisse Festigkeit 
besitzt. Einer derselben enthält ein deutlich ansgebildetes Ge- 
fäss. Reposition der Darmschlinge. Naht der Bruch) forte 
und Hautwunde. Bald nacli der Operation Ei brechen galliger 
Massen, eine Stunde später Abgang von Winden und Stuhl. 
Im Lanf des Nachmittags noch sechs reichliche Stühle. Appetit 
stellt sieb ein. Temperatur 38.5 P. 100. Ord. Oniuni. 

30. August. In der Nacht 3 Stühle, im Lauf des Tages zwei. 
Nachmittags zweimaliges Erbrechen. Leib weniger anfgetrieben. 
Temperatur Abends 37,6. 

31. August. Morgens 1 Stuhl. Leib nicht mehr anfgetrieben. 
Befinden gut. Temperatur A. 36,9. 

5. September. Nähte entfernt. Prima Intentio. 

In den folgenden vierzehn Tagen hatte Patientin Abends 
Fieberbewegnngen bis 39,1 verbunden mit Kopfschmerzen und 
allgemeiner Abgeschlagenheit ohne dass sich die geringste 
Ursache nach weisen liess. An irgend eine Complication von 
Seiten des Abdomens war nicht zu denken, auch die Diagnose 
«Typhoid» war unhaltbar, da alle sonstigen Symptome fehlten. 
Kurzum für jenes Fieber haben wir eine befriedigende Er¬ 
klärung nicht finden können. Vom 20 September ab hörten die 
abendlichen Steigernhgen auf und Patientin konnte am 25. Sep¬ 
tember völlig geheilt entlassen werden. 

Der mitgetheilte Fall gehört in die Kategorie der nicht 
traumatischen Banchbrüche, wenigstens lässt sich ein 
Trauma anamnestisch nicht feststellen. Die Hernie ist 
offenbar allmählich entstanden und hat der Trägerin ab¬ 
solut keine Beschwerden verursacht. Für die relativ län¬ 
gere Dauer des Bestehens scheint mir jedenfalls die Be¬ 
schaffenheit der strangulirenden peritonitischen Stränge 
zu sprechen die beim Auseinanderziehen mit den Fin¬ 
gern schon einen gewissen Widerstand leisteten und mit 
mittelstarker Seide fest ligirt werden mussten. Einer der 
drei Stränge enthielt ausserdem ein deutlich ansgebildetes 
venöses Gefäss. 

Der überraschende Befund nach Eröffnung des Bruch- 
sackes und Durchtrennung des ersten Stranges erklärt 
natürlich die Thatsache, dass nach Reposition der Hernie 
das Canalisationshinderniss nicht schwand; es wurde im 
Gegentheil durch die Reposition der Strang noch straffer 


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angezogen und die Achsendrehung und Strangulation da¬ 
durch vermehrt. Zu einer absoluten Occlusion ist es bis 
zum 29. August jedenfalls nicht gekommen, daher fehlte 
auch jegliche locale Vorwölbung und weiterhin bei der 
Operation jede pathologische Veränderung der Darm wand. 

Im Anschluss hieran erwähne ich eines Falles, der in 
mir den Verdacht erweckte, es handele sich auch um 
einen medianen Bauchbruch: Fünfzigjähriger Mann mit 
starkem Emphysem und hochgradiger Arteriosklerose. 
Kleinapfelgrosser Tumor zwischen Nabel und Schwert¬ 
fortsatz seit ca. 10 Jahren, der ihm angeblich viel Schmer¬ 
zen bereite, Uebelkeit errege und das Athmen behindere. 
In Rückenlage lässt sich die weiche fluctuirende Ge¬ 
schwulst unter Gurren zusammendrücken, aber nicht ganz 
reponiren. Wahrscheinlichkeits-Diagnose: Fettbruch mit 
dahinterliegender darmhaltiger Hernie. Die Operation er¬ 
gab ein einfaches freilich sehr dünnbreiiges Atherom. Die 
scheinbare Compressibilität kann ich nur so erklären, 
dass sich das plattgedrückte Atherom seitlich in das Un- 
terhantfettgewebe verschieben liess, und dabei durch den 
Druck gurrende Geräusche im Darm entstanden. 

Hoffentlich tragen diese Zeilen dazu bei, auf’s Neue 
die Aufmerksamkeit der Collegen auf das scheinbar be¬ 
deutungslose, lur den Betroffenen aber nicht indifferente 
Leiden des medianen Bauchbruchs gelenkt zu haben. 

Referate. 

H. Schlesinger: Beiträge zu den Sensibilitäts-Ano¬ 
malien bei Lepra. (Aus der dennatol. Klinik des Herrn 
Prof. Kaposi in Wien). (Deutsche Zeitsr.hr. f. Nerven¬ 
heilkunde II Bd. XIII). 

S. theilt in extenso die Krankengeschichten zweier Schwe¬ 
stern mit, deren eine an Lepra tuberosa, maculosa et anae- 
sthetica litt, die andere nur an Lepra maculosa et anaesthe- 
tica. Das Hauptergebnis der Untersuchung bildete bei beiden 
Pat. der Nachweis einer regellosen Lähmung der verschie¬ 
densten Empfindlingsqualitäten, während die tiefen Theile fast 
völlig intact waren. Die Diagnose Lepra wurde durch den 
charakteristischen Bacillenbefund sichergestellt. 

Auf Grund seiner Befunde und schon früher durch Baude, 
Rosenbach, v. Sass u. A. bei der Lepra gefundenen par¬ 
tiellen Empfindungslähmuugen glaubt Verf. darauf hinweisen 
zu müssen, dass man in Zukunft bei der Diagnose Lepra das 
Hauptgewicht auf lepröse Hautveränderungen wird legen 
müssen, um nicht diagnostischen Irrthümern gegenüber der 
Syringomyelie, der Tabes der Myelitis und anderen mit Stö¬ 
rungen der Sensibilität einhergenenden Krankheiten zu ver¬ 
fallen. Knsick (Reval). 

Robert P. Harris: The remarkable Results of anti- 
septic Symphysiotomy. {The american Jonrn. of Obst, 
and Diseases of Women and Children 1892 Octob.) 

Robert P. Harris: Die bemerkenswerthenResultate der 
Symphyseotomie. 

Anf Empfehlung von Sigault im Jahre 1777 wurde die 
Symphyseotomie schon im arau(Folgenden Jahre 11 mal ans¬ 
geführt, gab aber so schlechte Resultate, dass sie allmählich 
wieder verlassen wurde. Von den ersten 40 vom Jahre 1777— 
1804 operirten Frauen genasen 25 starben 15, während nur 
12 Kinder gerettet werden konnten. Das Resultat war auch 
für die genesenen Frauen in Bezug auf ihre Gehfähigkeit ein 
so trauriges, dass Bandelocqne die Operation als mörderisch 
und unpniloBophisch bezeichnet« und ihren Urheber Sigault 
verwünschte. Es ist daher nicht auffallend, dass von 1841—58 
nnr 11 Symphyseotomien. von 1858—65 aber gar keine mehr 
gemacht wurden. Nachdem Bellnzzi in Bologna 1865 zwei 
Symphyseotomien mit tödtlichem Ausgang gemacht hatte, 
erzielte Morisani in Neapel durch die Operation im drauf¬ 
folgenden Jahre einen dir Mutter und Kind glücklichen Aus¬ 
gang. Als Morisani 1881 seinen ersten Bericht über 50 ope- 
rirte Fälle veröffentlichte, betrug die Mortalität der Operation 
20 pCt. Dieses immerhin relativ günstige Resultat fand aber 
wenig Beachtung, da bald darauf — 1882 — die glänzenden 
Resultate des Sänger’schen Kaiserschnitts das Interesse der 
Gynäkologen in Anspruch nahmen. Die 18 folgenden Opera¬ 
tionen 1881—86 ergaben wieder ungünstigere Resultate, da 
dabei 11 Frauen und 5 Kinder zu Grunde gingen. 

Vom 1. Jan. 1886 bis zur Gegenwart sind im Ganzen 44 
S) mphyseotomicn — davon 10 m der Privatpraxis — von 15 


Operateuren ausgeführt worden. Dieselben sind von Harris 
in einer Tabelle zusammengestellt worden. Die meisten Ope¬ 
rationen sind in Italien, speciell Neapel von Morisani gemacht 
worden, 5 Fälle sind in Paris (Pinard, Tarnier, Porak), 
3 in Deutschland (Leopold, Freund) operirt worden. Von' 
den 44 Frauen starb nur eine au einer puerperalen Metro- 
Peritonitis, in 4 Fällen kam es in Folge der Operation zu 
Vesico-Vaginalfisteln, die sich aber bei exacterer Technik ver¬ 
meiden lassen müssen. Die übrigen Franen genasen ohne 
zurückbleibende Gehstörungen. DaB Alter der Operirten 
schwankte zwischen 15 nnd 45 Jahren, es befanden sich unter 
ihnen Erst- bis Neuntgebärende. Die Zange wnrde in 27 Fällen 
angelegt, in 5 Fällen musste die Weudnng gemacht werden. 
An 6 Frauen wurde die Operation 2 mal ausgeführt. Von den 
44 Kindern starben blos 5. In der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle handelte es sich um rachitische Becken, wobei die 
geringste Conj. vera 6,0 Cm. betrug. Dieses Maass wird auch 
fernerhin als äusserste Grenze Für die Zulässigkeit der Ope¬ 
ration zu betrachten sein, da im Allgemeinen die Symphyse 
nicht mehr als um 7 Cm. auseinanderweichen darf ohne Gefähr¬ 
dung der Ileo8&cralgelenke. Caruso hat allerdings in 2 Fällen 
die Symphyse anf 8,5 nnd 9 Cm. auseinandergehn sehn ohne 
nachtheilige Folgen für die Pat. 

Anf Grund seipes Studiums aller pnblicirten Fälle ist Harris 
ein warmer Befürworter der Symphyseotomie. Dieselbe soll 
nicht nnr den Kaiserschnitt bei'relativer Indication aus der 
Welt schaffen, sondern auch an Stelle der Craniotomie bei 
lebendem Kinde treten. Dank ihrer Ungefährlichkeit nnd der 
geringen Mortalität soll sie dazn geeignet sein. Die Operation 
ist nach Harris mehr zu den geburtshilflichen als zu den 
chirurgischen Eingriffen zu rechnen nnd ist auch technisch 
nicht schwer auszufiihren. Das Operationsverfahren ist nach 
den Angaben Morisani’s beschrieben und stimmt im We¬ 
sentlichen mit dem von uns in Nr. 38 dieser Wochenschrift 
referirten Operationsmodus Leopold’s überein. 

Zum Schluss erlaubt sich Ref. einige Bemerkungen über 
diese wieder aufkommende Operation. Die erste Symphyseo- 
tumie in Russland sah Ref. vor einigen Wochen in St. Peters¬ 
burg Professor A. Krassowsky ansführen. Dem davongetra¬ 
genen Eindruck zufolge mnss die Operation als leicht aus¬ 
führbar bezeichnet werden. Ob sie aber Eingang in die Praxis 
jedes Arztes auch des Landarztes finden wird muss dahin 
gestellt bleiben. Mehrere womöglich geschulte Assistenten 
sind unbedingt erforderlich. Eigentliche technische Schwierig¬ 
keiten bei der Ausführung giebt es nicht, wenn man nicht 
etwa die leicht eintretenae starke parenchymatöse Blutung 
dazu rechnen will, die nach Durchschneiden des Lig. arcuaturo 
durch Verletzung der Corpora cavernosa entstehen kann, sich 
aber jedenfalls beherrschen lässt. Nach Heinnn$ des Ref. 
wird die Symphyseotomie in Kürze an Stelle des Kaiserschnitts 
bei relativer Indication treten. W. Beckmann. 


Bücheranzeigen und Besprechungen. 

Prof. Fried r. Albin Hoffmann (Leipzig): Lclir- 
bnch der Constitutionskrankheiten. Stuttgart. 1893. 
Verlag von Ferd. Enke. 

Mit diesem Werk tritt der zweite Repräsentant eines gross 
angelegten Sammelwerkes an die Oeffentlichkeit, welches von 
der Verlagsfirma Ferd. Enke ins Leben gerufen ist. nnd unter 
dem Titel «Bibliothek des Arztes» eine Sammlung medicini- 
scher Lehrbücher für Studierende und Praktiker umfassen 
soll. Den ersten Band bildete die «Orthopädische Chirurgie» 
von H o f fa, die wir seinerzeit besprochen haben, wie 
schon der Titel des Sammelwerkes anaeutet, wird dasselbe 
das ganze Gebiet der medicinischen Wissenschaften umspan¬ 
nen und in einzelnen Bänden erscheinen, die in selbststän¬ 
diger monographischer Form alle Zweige unserer ausge¬ 
dehnten Wissenschaften zur Darstellung bringen. Der Um¬ 
stand, dass bei den raschen Fortschritten der medicinischen 
Forschung, die von ihr prodneirte riesige Literatur zwar 
unsere Arbeitstische überschwemmt, aber nicht mehr im Ge¬ 
dächtnis des Einzelnen untergebracht werden kann, lässt 
derartige Werke in der Tbat als ein Bedürfnis des ärzt¬ 
lichen lesenden Publikums erscheinen. Es ist nothwendig, dass 
von Zeit zu Zeit der jeweilige Stand der medicinischen Wis¬ 
senschaften fixirt nnd dadurch gleichsam ein Ruhepunkt ge¬ 
schaffen wird, bei dem sich aufatnmen lässt, und von dem ans 
übersehen werden kann, was sich aus der gährenden Flnth 
der Tagesmeinnngen und der Tagesarbeit iüs fester Boden 
abgesetzt und consolidirt bat, so dass darauf weiter gebaut 
werden kann. 

Der gegenwärtige Augenblick dürfte für ein derartiges 
Unternehmen nicht ungeeignet sein, ln der innern Medicin 
und Pathologie wenigstens ist hie nnd da eine gewisse Festi¬ 
gung der Meinung auf solchem Gebiete zu bemerken, die noch 
vor wenig Jahren zu den meistnmstrittenen gehörten; das 
zeigt sich z. B. vielfach in der Lehre von den Nervenkrank- 


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heften, in dev Bakteriologie, so weit sie sich mit dem Nach¬ 
weis und der Reinzüchtung belebter Krankheitserreger be¬ 
schäftigt, in der Lehre von den Verdauungskrankheiten, wo 
betreffs der chemischen Untersuchung der Magenfunction die 
wichtigsten Fragen zu einem klinischen und praktischen Ab¬ 
schluss gebracht worden sind. n. s. w. Andrerseits fühlt wohl 
jeder Arzt, dass wir am Vorabend wichtiger Entdeckungen 
in Bezug auf die chemische Seite der Bakteriologie stehen, 
Entdeckungen die unsere Anschauungen über Immunität und 
über Therapie der Infections-Krankheiten vielleicht in wenig 
Jahren von Grund aus uniformen werden. Da dürfte der Ver¬ 
such wohl erwünscht sein das bisher Erreichte zu recapitn- 
liren und den eisernen Bestand unserer heutigen Kenntnisse 
festzulegen. Wir wünschen, dass dieser Versuch in der «Bi¬ 
bliothek des Arztes» gelingen möge, um so mehr als er sich 
nicht blos auf die innere Medicin beschränkt, sondern sich auch 
über die Chirurgie, Gynäkologie, Ophthalmologie, Pathologie, 
Toxicologie und Pharmacologie ausdehnen will. Für die Leser 
unserer Wochenschrift dürfte das Unternehmen auch ein ge¬ 
wisses persönliches luteresse haben, da sich an demselben eine 
nicht geringe Zahl von ehemaligen und gegenwärtigen Dor- 

f »ater Professoren betheiligt. So hat E. v. B e r g m a n 11 (Ber- 
in) die allgemeine Chirurgie, F r. Schulze (Bonn) die Ner¬ 
venkrankheiten, T h o m a (Dorpat) die pathologische Anatomie, 
Robert (Dorpat) die Pharmakologie, Kennel (Dorpat) die 
Lehre von den menschlichen Parasiten. D e h i o (Dorpat ) die 
Herz- und Gefässkrankheiten zu bearbeiten übernommen. Prof. 
F. A. Hoff mann, der jetzt in Leipzig lebende langjährige, 
Dorpater Kliniker, ist der erste aus diesem Kreise. 

In seinem Lehrbuch der Constitutiouskrank- 
h ei te n , das nunmehr in trefflicher Ausstattung vorliegt, 
erkennen wir die ausgeprägte wissenschaftlich« rersönlich- 
lichkeit wieder, die sich mit ihren Vorzügen dem Gedächtnis» 
der Schüler tief eingegraben hat. 

Mit klaren Worten spricht der Verfasser es aus, dass das 
vorliegende Werk unsere Kenntnisse von den über die Consti 
tution8krankheiten festgestellten Thatsachen zusammen¬ 
fassen, und ihre Quellen nachweisen soll. Hier kommt der 
eindringende, die Literatur mit ungewöhnlicher Gründlichkeit 
beherrschende Gelehrte neben dem langjährigen Kliniker und 
Praktiker, der die selbsterlebten Erfahrungen in treuem Ge¬ 
dächtnis bewahrt und verarbeitet, ebenso gut zur Geltung 
wie der unbestechliche Kritiker, der scharf zwischen dem was 
sicher, was wahrscheinlich und was möglich ist, zu unter¬ 
scheiden weiss. Die Masse der Theorien, durch die wir die 
gerade im Bereich ter Constitutionskrankheiten so breiten 
Lücken unserer Kenntnisse zu iiberbrücken gezwungen sind, 
findet nur so weit Berücksichtigung, als es der Zusammen¬ 
hang des (ranzen unbedingt verlangt; was uns dagegen die 
praktische Erfahrung gelehrt hat., kommt auch dann zur Gel¬ 
tung, wenn die theoretische Begründung noch anssteht. 

Das ganze Werk ist von einem kritischen aber nicht nihi¬ 
listischen Positivismus getragen und giebt daher dem Leser 
die erfreuliche Sicherheit, dass Alles was in demselben gelehrt 
wird, wohl begründet ist und ohne Rückhalt in der Praxis 
verwerthet werden kann. In der Therapie sind überall die 
grossen Gesichtspunkte in den Vordergrund gestellt, von denen 
wir auszugehen haben; die unzähligen kleinen Modemittel, die 
henteals Panaceen angepriesen werden, um morgen ins Dunkel 
der Vergessenheit zurückzutauchen, werden mit einer souverä¬ 
nen Sicherheit behandelt, die nur durch eigene Erfahrung und 
Prüfung erworben werden kann. 

Auf Einzelheiten, in denen sich die originale Anschauung 
des Autors ausspricht, können wir hier natürlich nicht ein- 
gehen; ebenso ist es unmöglich, ein Referat des inhaltsreichen 
Werkes zu geben. Es sei nur angeführt, dass in 370 Seiten 
die Anämien, die hämorrhagischen Diathesen, die Hämoglo- 
binämien, die constitutioneilen Erkrankungen des Bewegungs¬ 
apparates (Rachitis, Osteomalacie, Rheumatismus etc.) und die 
Stoffwechselkrankheiten im engem Sinne (die Fettsucht, Gicht, 
Diabetes, Oxalurie, Addisonsche Krankheit etc.) abgehaudelt 
werden. Das Werk weiss sich ebenso wohl von unerwünschter 
Breite fernzulialten, die das Studium mancher seiner Vorgän¬ 
ger erschwert, als es die compendiöse Kürze vermeidet, hinter 
der sich nur zu oft die Oberflächlichkeit verbirgt. 

D—o. 

Aus den Hamburger Staatskrankenhäusern. Pathologisch- 
anatomische Tafeln uach frischen Präparaten mit er 
läuterndem anatomisch-klinischem Text, unter Mitwirkung 
von Prof. Dr. Alfred Käst. Professor der klinischen 
Medicin in Breslau, früherem Dircctor der Hamburgischen 
Staatskrankenhäuser, redigirt von Dr. Theodor Rumpel. 
pirections-Assistenten am Neuen allgem. Krnnkenhause 
in Hamburg. — Chromographie, Druck und Verlag der 
Knnstanstait (vorm. Gustav W. Seitz) A.-G. Wandsbek- 
Hamburg. 

Unter vorstehendem Titel ist ein neues grossartig angelegtes 
Unternehmen ins Leben getreten, dessen Zweck in der Be¬ 
schaffung eines mustergiltigen und dabei doch allgemein zu¬ 


gänglichen pathalogiscb-auatoraischen Atlanten besteht. Soweit 
sich bisher beurtheilen lässt, haben Redacteure und Verleger 
den richtigen Weg zur Erreichung diese» doppelten Zweckes 
eingeschlagen. Die darztlstellertden Objecte Werden aus dem 
enormen Material der Hamburger Staatskrankenliäitsei' Voll 
berufenen Aerzten ausgewählt und in frischem Zustande durch 
Künstlerhand naturgetreu abgebildet; röthigenfallR sollen auch 
mikroskopische Bilder noch hinzugefügt werden. Um die An¬ 
schaffung den Interessenten zu erleichtern, erscheint nun all¬ 
monatlich ein Heft von 4 grossen Tafeln mit kurzem beglei¬ 
tendem Text. Natürlich kann bei einem solchen Modus der 
Herausgabe von systematischer Anordnung des Materiales zu¬ 
nächst keine Rede sein jedoch wird dieser Uebelstand ge¬ 
wandter Weise dadurch beseitigt, dass jeder Abbildung eine 
Chiffre hinzugefügt wird, welche es ermöglicht, späterhin eine 
systematische Gruppirung der Tafeln vorznnelimert (so bedeu¬ 
tet C-Circulationsapparat; K-Knochensvstem, Muskeln, Sehnen: 
N-Nervensystem u. s. f.). 

Nach den beiden ersten Lieferungen, welche uns heute vor¬ 
liegen. können wir uns bereits eiu Urtheil über die technische 
Seite des Werkes erlauben. Die Bilder, mit minutiöser Sorg¬ 
falt in Zeichnung und Farbengebung ausgeführt und als Aqua - 
reildruck auf den Tafeln reyroducirt, sind von tadelloser 
Naturtreue, daher gewiss beim Studium wie beim Unterricht 
mehr als ein blosser Ersatz für die entfärbten und difformirten 
Spirituspräparate. Greifen wir einige Bilder heraus (auf die 
Wahl der aargestellten Objecte behalten wir uns vor bei spä¬ 
teren Besprechungen näher einzugehen) so Anden wir in einem 
derselben Speiseröhre, Magen und Duodeniim nach frischer 
Schwefelsäurevenriftiing von den zarten Aetzun^en in den 
oberen Theilen bis zu den dnrcli Hämatin tief dunkel ver 
färbten Falten der Mucosa ventriculi und den fleckenweisen 
Veränderungen im Darm-Anfang geradezu greifbar natürlich 
wiedergegeben: in einem anderen sehen wir eine Leber bei 
chronischer interstitieller Entzündung mit ihrer matt-braun 
in Grau gehaltenen Zeichnung, welche sich durch keine 
ConservirungB- Methode erhalten lässt. Auch der mikroskopische 
Schnitt aus dieser Leber (bei s> hwacher Vergrösserung) ist 
charakteristisch gewählt und gut gezeichnet. 

Von besonderem Interesse für unsere Leser dürfte es sein, 
dass in den nächsten Lieferungen Darstellungen ans dem Ge¬ 
biete der pathologisch-anatomischen Veränderungen bei Cho¬ 
lera asiatica erscheinen werden. Wir wei den dadurch Gelegen¬ 
heit Anden, die Beobachtungen der Hamburger Collegen mit 
denjenigen zu vergleichen, welche wir selbst in diesem Jahre 
zu machen Gelegenheit gehabt haben. 

Dass die Ausstattung des Werkes eine i ochelegante ist, 
braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden. Uni so aner- 
kennenswerther ist es. dass trotzdem ein für Tafelwerke unge¬ 
wöhnlich niedriger Preis angesetzt ist. Jede Lieferung (4 r la 
felu) wird einzeln für 4 Mark, jede Tafel eiuzeln für 1,50 Mark 
abgegeben. Studenten können dieselben noch billiger erstehen, 
wenn sie sie in grösseren Partien durch eine Klinik oder ein 
Wissenschaft 1. Institut beziehen. 

Prof. R. Virchow und Prof. Ziegler babeD das Werk vor 
seinem Erscheinen begutachtet und gut geheissen, eiue Em¬ 
pfehlung, welche hoffentlich dazu beitragen wird, den Wuusch 
der Verleger zu erfüllen, dass dasselbe nicht nur in öffentliche 
Bibliotheken Eingang findet, sondern auch in alle Kranken¬ 
häuser und in den Bücherschatz derjenigen Aerzte, denen an 
einer eigenen Weiterbildung in der pathologischen Anatomie 
gelegen ist. V) 1 a d i m i r o ff. 

Auszug aus den Protokollen 

des deutschen ärztl. Vereins zu St. Petersburg. 

Sitzung am 1!). October 1892. 

1. Dr. Metzler tljeilf im Anschluss an die Choleraver- 
handlungen auf der letzten Sitzung einen interessanten Fall 
mit, den er in diesen Tagen im Peter-Panl-Hospitale beobachtet 
hat. Eine paraplegische Frau, welche schon ein Jahr lang im 
Hospitale gelegen hat, die mit Cholerakranken in keine Be¬ 
rührung gekommen ist. erkrankt fa*t einen Mouai, nachdem 
auch die in ganz getrennten Gebäuden untergebrachten Cho¬ 
leraabtheilungen des Hospitals geschlossen waren. Abends 
1» Uhr mit Durchfall und Erbrechen. Um 9 Uhr ist sie bereits 
pulslos, sehr bleich und bietet später das ausgesprochene Bild 
des algiden Stadiums der Cholera dar. Am folgenden Morgen 
erfolgt der Tod. Die von Dr.de la CroixausgeführteSection 
ergab untrügliche Merkmale der asiatischen Cholera mit reich¬ 
lichem Reiswasser-Inhalte im Darrakanale, die bakteriologische 
Untersuchung des letzteren erzielte eine Reincultur von Cotn- 
mab&cillen. Die genaue Untersuchung des Falles stellte fest, 
dass trotz des im ganzen Hospitale eingeführten Gebrauches 
von gekochtem Trinkwasser, aie Verstorbene, selbst gelähmt, 
sich dennoch am Tage der Erkrankung durch eine Kranken¬ 
wärtern kaltes rohes Wasser aus dem Krahn zu verschaffen 
gewusst hat. Bereits im August war dieselbe Patientin in 


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Ähnlicher Art mit Durchfall und Erbrechen erkrankt. Damals 
war die Temperatur jedoch erhöht und trat nach einer Gabe 
Ricinusöl rasch Genesung' ein. 

Dr. Kernig erwähnt, dass nach den Epidemien von 1866 
und 1871 es gleichfalls beobachtet worden, dass hier und da 
in den Abtheilungen Patienten, welche schon lange im Hospi¬ 
tale mit anderen Leiden gelegen hatten, plötzlich an Cholera 
erkrftnkien. 

Dr. de la Croix spricht betreffs der Incubationszeit. welche 
früher im Mittel auf 2 bis 3 Tage geschätzt wurde, seine Ansicht 
dahin aus. dass angesichts des oft rapiden Verlaufes der ganzen 
Krankheit auch die Incubationszeit unter Umständen wahr¬ 
scheinlich nur wenige Stunden zu dauern brauche. Wenigstens 
hätten viele Patienten bei ihrer Aufnahme in das Hospital als 
Ursache ihrer Erkrankung Excesse im Essen und Trinken, 
oder direct den Genuss ungekochten Wassers angegeben, 
welcher oft nur 10 Stunden vor dem Ausbruche der Erkran¬ 
kung stattgefunden hatte. Uebrigena sei dieses Moment schwer 
zu beweisen, da ja auch schon vorher durch diese Unvorsich 
tigkeiten der Infectionsstoff in den Organismus eingeffihrt 
worden sein könnte. 

Dr. Koch hat an einem Knaben des Waisenhauses, bei 
welchem die Erkrankung an der Cholera auf den (Jenuss von 
1 Arschin tief in die Erde vergrabenen rohen Kohlstengeln 
zurückgeführt werden musste, gleichfalls eine Incubations¬ 
zeit von weniger als 24 Stunden beobachten können. 

Dr. Petersen giebt die Incubationsdauer für solche Fälle, 
die nach einem Trünke frischen Wassers an Cholera erkrankt 
waren, nachdem sie vorher nur gekochtes Wasser zu sich ge¬ 
nommen. auf 24 Stunden an. Hinsichtlich der Frage, von den 
Recidiven erinnert er an die während der früheren Epidemien 
von Seidlitz und Zdekauer mitgetheilten Beobachtungen, 
welche in mehreren Fällen 6 bis 8 Wochen nach einer iiber- 
standenen Choleraerki ankung neue Infection mit derselben auf- 
treten gesehen batten. 

2. Dr. Selenkoff berichtet über einen Fall von Herzer¬ 
krankung, welchen er Mitte Mai des Jahres aus der Be¬ 
handlung von Dr. Lingen u. Kernig übernahm. Es handelte 
Rieh um eine etwa 60 jährige Frau, welche im Herbst 1890 an 
Dyspnoe zu leiden anfing, die sich gradatim steigerte und 
einige Monate vor dem Tode unter hydropischen Erscheinun¬ 
gen denChejrne-Stokes'schen Typus annahm, und mit Aus¬ 
nahme von einigen Ta^en bis zum Tode behielt. Am 9. Mai 
bestand hochgradige Herzvergiösserung (Spitzenstoss im 7. 
Intercostalramn in der vorderen Axillarlinie); keine Klappen¬ 
geräusche; bewegliche Nieren, dabei die linke sehr schmerz¬ 
haft; vergrösserte Leber; Oedem der Unterschenkel, hochgra¬ 
dige Dyspnoe und allgemeine Schwäche, Cheyne Stokes’sches 
Athemphänoraen: Urinquantität 480—700Cm. in 24St.,(Digitalis 
wirkungslos); kein Eiweiss; der Puls war 72—80 weich, mit 
unter aussetzend; das Liegen und Gehen wurde schlecht ver¬ 
tragen; Appetit war gering. Nach dem Ueberzuge aufs Land 
am 15. Mai zeigte sich keine Besserung. Adonis und Conval- 
larin versagten auch vollständig, die Urinquantität fiel auf 
400 -600 Cc.. das Oedem stieg, es zeigte sich ab und zu Lun¬ 
genrasseln. Diuretin zu 1,0—2,0 täglich gereicht liess die 
Harnmenge im Laufe von 8 Tagen mit Schwankungen auf 
870 ansteigen; darauf blieb es auch wirkungslos und die Harn¬ 
menge fiel bald auf unter 400 Cc. Die Athempause war in 
dieser Zeit fast regelmässig ’/» Minute lang bei Pnlsver- 
lanirsamung bis 60—70, dann begann dyspnoisches Athmen 
crescendo mit Puls bis 104—120, was auch ’/a Min. währte. 
Mit Ausnahme von etwa 5 Tagen, (vom 22.-26. Juni) wo 
ohne sichtlichen Grund die subjectiven Beschwerden nacli- 
liessen, die Athem pause verkürzt wurde (auf 5—10 Sec.) und 
der Puh regelmässig war. ging es die ganze Zeit bergab, das 
Anasarca stieg bald auf Oberschenkel nnd Abdomen, die Harn- 
quanti.ät fiel auf 280 Cc. (29. Juni bis 2. Juli), der Puls wurde 
schwächer und unregelmässiger und der Athemtypus nahm 
mehr und mehr extreme Form an. Es war notivt: 29. Juni 
Pause 30 Sec. Puls 50; Athem 30 Sec. P. 120. 30 Juni. Panse 
20 Athem 40 Secund.; Puls 60:100. 1. Juli Pause 30, Athem 
40 Sec. Puls schwächer 60 : 96. Lungenrasseln. 2. Juli Pause 
20:45 Sec. Athem; Puls besser 64—88. 3. Juli Panse 30:45 Sec. 
Athem, Puls schwächer, aber nicht anssetzend, 76—100. Das 
Phänomeu dauerte im Schlafe fort, welcher unruhig war und 
nur durch Codeiu 0,05—0.15 erreicht wurde, welches sehr gut 
vertragen worden ist. Am 3. Juli stellte sich Erbrechen ein, 
die Schwäche stieg: am 4. Juli Uebelkeit beim Heben des 
Kopfes, Somnolenz ohne Codein, Puls schwach. Am 5. Juli 
verschied Pat. plötzlich, nachdem sie sich im Bette erhoben 
hatte. Die Section ergab cor bovinum: Länge 17, Breite bi« 
15 Ctm., Umfang 31 Ctra. Die Wand des linken Ventrikels 
sehr verdickt, bis 4 Ctm. die des rechten verdünnt, stellenweise 
fast muskellos, keine Ruptur. Klappen sufficient; Aorta hoch¬ 
gradig atheromatös, zum Theil verknöchert, erweitert. Coro- 
nariae beide erweitert, besonders die linke; die Verknöcherung 
geht bis auf die dritte Verzweigung, kein Thrombus. Leber 
verfettet, gross; rechter Lappen 15, linker 10 Ctm. lang. Höhe 


6—8 Cm. Nieren nicht auffallend beweglich; rechte 12, link* 
11 Cm. lang, schlaff. Pyramiden venös hyperämisch, Corticalis 
verdünnt, blasser, fettig entartet. Kein Hvdrothorax, nicht 
I hochgradiger Ascites. Iu den Lungen nichts besonderes. Das 
Herzpräparat wird demonstrirt. (Autorreferat). 

Dr. Moritz macht darauf aufmerksam, dass iu Fällen, wie 
der vorliegende, wo alle Dinretioa fehlgeschlagen haben, die¬ 
selben Mittel doch noch einen Erfolg erzielen können, wenn 
man den Patienten durch eine Anzahl (10—20) kleiner Schnitte 
an den Extiemitäten ihr Oedemwasser entzieht. Die Entwäs¬ 
serung geht dann sehr rasch vor sich. Bei einem Patienten, 
dem er auf diese AVeise 1 Pud Flüssigkeit entzogen, sah er 
das Harnquantum von 500 wieder auf 2000 Cc. steigen. 

3. Dr. T i 1 i n g theilt folgenden Beitrag zur Gallen¬ 
chirurgie mit, die im Gegensätze zu anderen Operationen 
in den Leibeshöhlen, welche neuere Schöpfungen sind, schon 
im vorigen Jahrhunderte vorgeschlagen worden ist. So hat 
Prof. Riedel in Jena bereits40 Falle mit schwerem Icterus 
operirt mit einer Mortalität von 16—17 pCt. während die leichten 
Fälle ohne Icterus nur 5 pCt. Mortalität ergaben. Der erste 
Fall beschäftigt Dr. Tiling schon ein paar Jahre und ist 
über den ersten Abschnitt der Krankengeschichte von ihm 
bereits auf der Sitzung dieses Vereins vom 6. Mai 1891 refe- 
rirt worden. Es handelte sich um eine Dame von 25—30 Jahren, 
an welcher Dr. Taube im September 1890 in der Coecal- 
gegend einen schmerzhaften Tumor constatirt hatte, den er 
für Paratyphlitis angesprochen hatte. Dr. Tiling, im No¬ 
vember 1890 consnltirt, fand einen undeutlichen, sehr schmerz¬ 
haften Tumor, welcher sich uach oben bis unter die Leber 
fortsetzte. Da das Suppurationsfieber anhielt nnd wiederholte 
Untersuchungen einen Abscess in der Nierengegend am wahr¬ 
scheinlichsten machten, war von T i 1 i n g im Januar 1891 der 
Nierenschnitt ’hinren ausgeführt worden, wobei jedoch weder 
ein Tumor noch Eiterung gefunden wurde, Die obere Hälfte 
der Niere konnte betastet werden und liessen sich keine Steine 
im Becken derselben wahrnebmen. Nach der Operation schwan¬ 
den jedoch die Schmerzen nnd blieb auch das Fieber aus, 
so dass Pat. Mitte Februar das Heleneninstitut verlassen 
konnte. Es war ihr geholfen worden trotz des Irrthums in der 
Diagnose, wohl durch Fixation der deplacirten Niere. Bald 
verschlimmerte sich wieder der Zustand; starke Schmerzhaf¬ 
tigkeit der rechten Seite: hochgradige Unregelmässigkeit in der 
Harnentleerung, dazwischen vollständige Annrie mit folgender 
Oligurie. Da an der Niere ein Höcker gefühlt werden konnte, 
so war es fraglich, ob es sich nicht dennoch um Steine im 
Nierenbecken handele. Am 10. April wurde die Laparotomie 
ausgeführt, um entweder den Nierenstein oder, falls keiner 
vorhanden, die ganze Niere ,zu entfernen, da man dann be¬ 
rechtigt gewesen wäre, alle Störungen auf eine bewegliche 
Niere zu beziehen. Nach Ausführung des Schnittes neben dem 
rechten rectus sprang der Hocker vor und erwies sich als die 
mit Steinen gefüllte Gallenblase. Trotzdem nie Icterus oder 
Coliken bestanden hatten, konnten die meisten der schweren 
Erscheinungen doch durch den Stein erklärt werden. Infolge 
dessen führte T. die Oholecystotomie ans, wobei er drei rnnde 
Steine von Wallnnssgrösse mit Schlifffacetten entfernte, die 
Gallenblase vernähte und versenkte. Die Harnmenge blieb 
zwar klein, aber Schmerzen und Fieber waren geschwunden. 
Die Bauchdeckenwunde hatte zwar etwas geeitert, heilte übri¬ 
gens anstandslos. Pat. nahm ein blühendes Aeussere an, so 
dass man hoffen konnte, die zweite Operation hätte alle ihre 
Leiden beseitigt. So zog sie, eine Lehrerin, im Sommer 1891 
in den Urlaub. Aber schon nach ca. 2 Monaten hatten sich 
wieder Schmerzen und Fieber eingestellt und die Harnmenge 
war noch geringer geworden. So hatte Pat. z. B. oft zwei 
Tage lang keinen Harn und dann doch nur 150 - 300 Cc. 
täglich. Es schienen also die Gallensteine zura Zustandekommen 
des Krankheitsbildes indifferent gewesen zu sein; die Niere 
war wieder beweglich geworden, hatte einen gelappteu Bau 
aufgewiesen, so dass es fraglich ist. ob nicht doch noch eine 
dritte Operation erforderlich sein wird. Hierüber soll eine Be- 
rathung mit Dr. Assmnth entscheiden. 

Dr. Tiling geht nun auf die Theorie der Gallensteinbil- 
dnng ein. Nach Prof. Naunyn’s Ansicht sei an der Steinbil¬ 
dung nicht eine veränderte Beschaffenheit der Galle Schuld. 
Man könne Thiere füttern, wie man wolle, die chemische Zu¬ 
sammensetzung der Galle ändere sich nicht. Die einzige Ur¬ 
sache der Steinbildung seien die Epithelien, resp. ihre Dege- 
nerationsproducte. In der Gallenblase solle jede Cholestenn- 
hildnng durch Cholecystitis (Choleangitis) hervorgerufen 
werden, welche mittelbar durch Gallenstaming veranlasst 
wird. Ausserdem wächst der Stein nicht langsam durch Appo¬ 
sition, sondern entsteht verhältnissmässig schnell (in ein paar 
Wochen). Erst wenn die Gallenstauung längere Zeit besteht, 
bildet sich um die einzelnen Gerinnsel eine Schale, ein Bili¬ 
rubinkalkmantel. Erst später verdickt sich das Centrnm in¬ 
folge einer Durchtränkung mit Cholesterin. Die Steine sind 
anfangs noch so weich, dass sie sich gegenseitig drücken, wes¬ 
halb inan ihre Facetten nicht als Schliff- sondern als Drock- 
facetten anfzufassen hätte. Demgegenüber demonstrirt Dr. 


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Tiling jedoch au den vorgelegten Steinen unzweifelhafte 
Scliliffacetten. 

Vor einiger Zeit hatte Dr. Tiliug einen zweiten Fall durch 
die Dr. Moritz und Assmuth erhalten: eine Dauie von 
42 Jahren, deren Kinder alle an Tuberculose gestorben waren. 
Im Jahre 1879 hatte sie zum ersten Male an Gallensteinko¬ 
liken mit Icterus gelitten, welche sich alle 2 Wochen folgten. 
Darauf war sie in Carlsbad gewesen, worauf sie etwa 8 Jahre 
hindurch Ruhe hatte. 1890 waren dann wieder starke Schmer¬ 
zen eiugetreten, mehrmals sogar sehr starke prolongirte An¬ 
fälle im September. Da man unter der Leber den runden 
Tumor deutlich durchfühlen konnte, so wurde die Operation 
am 23. September von Dr. Tiling ausgeführt. Ein Längs¬ 
schnitt durch den Rectns legte die Blase bloss. Dieselbe war 
4 Cm. breit, die Kuppe steinlos, doch tiefer fühlte man Con- 
cremente durch. Es wurde nun die Blase selbst eröffnet, wo¬ 
rauf weisser Schleim herausquoll, dem 71 Steine von der Grösse 
einer kleinen Erbse mit Dmckfacetten folgten. Die Blase nicht 
breit, aber sehr lang, ihre Wände bis '■» Cm. dick. In der 
'Hefe, wo der Dnctus cysticus endete (16 Cm. tief) Hess sich 
ein Knoten (Stein?) von der Grösse der entfernten Steine 
durchfühlen, der durch keine Manipulationen entfernt werden 
konnte. Er wurde znrückgelassen^ die Blase dessen ungeachtet 
zugenäht: zunächst eine gewöhnliche Naht und darüber eine 
Knrschnernaht angelegt. Ein Sicherheitsventil in Form eines 
eingen.'ihten Jodoformtarapons nach dem Vorbilde Czerny’s. 
wurde eingeftihrt. Am Abend stellten sich heftige Schmerzen 
in der Gegend der Gallenblase ein denen jedoch nach zwei 
Spritzen Morphium zu 0,015 subcutan eine ruhige Nacht folgte 
und die sich zunächst nicht weiter wiederholten. Der Wund¬ 
verlauf war ein guter. Erst kurz vor dem Austritte der Pat. 
aus dem Helenenhospitale am 16. October stellte sich wieder 
eine kleine Attaque ein. Dies beunruhigt Dr. T. wegen des 
zurückgebliebenen verrauthlichen Steines, welcher offenbar 
durch eine oder mehrere Schleimhantschichten von der Pin- 
cette getrennt war. Andererseits bedauert er es aber auch 
nicht, dass er nicht nach Riedel ä deux temps operirt hat. 
Es kommen Steine vor, die gar nicht mehr in der Blase selbst 
liegen, sondern nach Ulceration durch die Schleimhaut ausge¬ 
treten sind, welche sich nachher über sie wieder geschlossen 
hat qnd die daher interstitiell in den Wandungen der Gallen¬ 
blase oder im Lebergewebe selbst liegen. Man hätte zwar in 
diesem Falle zweizeitig operiren können, weil keine Galle in 
der Blase vorhanden war; aber sowohl Riedel, als Naunyn 
und Czerny haben oft nach Entfernung der Steine ein He¬ 
raustreten der Galle beobachtet. Czerny spricht sich sogar 
entschieden für die einzeitige Operation, die ideale Cystotomie, 
aus. Sind jedoch Ulcerationen oder Eiterung vorhanden, so 
will auch T. zweizeitig operiren. Die Cystectomie lässt er 
gelten, wenn die Wände der Gallenblase so morsch sind, dass 
man den Nähten nicht trauen kann, ebenso wenn Gallenblasen¬ 
krebs nach den Steinen eingetreten ist. (Die Demonstration der 
Steine und von Abbildungen ans der einschlägigen Literatur 
vervollständigen den Vortrag). 

Dr. Kernig weist auf das Schwierige der Indicationsstel- 
lung für den operativen Eingriff hin. So liess er in einem 
Falle, wo Icterus 6—8 Wochen bestanden hatte und ausserdem 
schweres Fieber mit pyämischer Curve nnd langdauernde Co- 
liken Vorlagen, Chirurgen consnltiren. Dieselben wollten jedoch 
noch warten nnd in der That schwanden das Fieber und die 
übrigen Symptome wieder und ist Patient jetzt sehr blüheud. 

Dr. Tiling: Die präcise Diagnose ist fieilich nicht leicht. 
Bei einer Heilung, wie die eben erwähnte, bleibt es jedoch frag¬ 
lich, ob der Stein selbst abgegangen sei oder nur der Eiter, oder 
ob der Stein nicht vielleicht in den Darm durcbgebrochen sei. 
Die Adhäsionen mit Colon, Magen, Netz machten die hef¬ 
tigsten Schmelzen, welche eine Gallensteincolik Vortäuschen 
könnten, während der Stein selbst schon längst in den Darm 
durchgebrochen sein .könne. Durch den Ductus choledochus 
gingen überhaupt nur die kleinsten Steine durch, während die 
grossen den letztbeschriebenen Weg nehmen. 

Dr. Kernig meint, Ilens durch Gallensteine hervorgerufen, 
müsse doch ein sehr seltenes Vorkommniss sein. 

Dr. Moritz erinnert sich eines solchen Falles: Ein Mann 
hatte Beschwerden wegen eines mechanischen Hindernisses 
rechts gelegen, welches die Kothentleerung verhinderte. Dr. M. 
proponirte, einen Chirurgen za consnltiren, c.er Patient zog 
jedoch eine therapeutische Behandlung vor. Nach 4 Wochen 
fand die Section statt. Grosse Gallensteine comprimirten den 
Dickdarm. D. z. Director: Dr. v. Lin gen. 

Secretär: Dr. Jalan de la Croix. 

Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— In der «Deutschen medic. Wochenschrift* Nr. 40 giebt 
Th. Weyl nähere Daten über Erkrankungen nnd Sterbetalle 
an asiatischer Cholera der Angestellten aller Brauereien von 
Hamburg, Altona und Wandsbeck. Unter 1837 Angestellten 
erkrankten m dieser Epidemie nur zwei (0,12 pCt.). Die Gründe 
für dieses bemerkenswerthe Ergebniss leitet Weyl davon ab, 


j dass 1) die Brauer das verpestete Elbe-Wasser nicht gemessen 
2) ist es möglich, dass der Genuss des sauer reagirenden 
i Bieres, welches die Konnnabaeillen abtödtet, als Cholera prae- 
servativ gewirkt habe. 


Vermischtes. 

— Am 13. Deceinber fand im grossen Saale des Michael¬ 
palais die Eröffnung des Aerztecongresses statt, welcher 
znr Prüfung der in verschiedenen Gegenden des Reiches gegen 
die Choleraepidemie getroffenen Massregeln und zur Feststel¬ 
lung eines zweckmässigen Planes für die Bekämpfung der im 
nächsten Jahre etwa wieder auftauchenden Seuche einberufen 
worden ist. Zum Congress sind mehr als 150 von Regierungs¬ 
und Communaliustitntionen ans 78 Gouvernements und Gebieten 
abdelegirte Aerzte eingetroffen, ausserdem nehmen an demsel¬ 
ben die Deputirten der Ministerien, die Glieder des Mediciual- 
raths, Professoren der uiil.-med. Akademie, die Aerzte der hie¬ 
sigen Hospitäler und a- m. Theil. Den Congress eröffhete der 
Minister des Innern, Geheiinrath Duruowo mit einer Rede, in 
welcher er die Verdienste der Aerzte um das Gemeinwohl 
liervorhob nnd ihnen für die aufopfernde Thätigkeit während 
der Choleraepidemie dankte. Unter Anderem wies er auch auf 
den Umschwuug hin, der sich in der Cholerazeit in den Beziehun¬ 
gen zwischen den Aerzten und dem einfachen Volke vollzogen. 
Anfangs misstrauisch nnd ablehnend, oft sogar offen feind¬ 
selig, wnrde das Volk allmälig zutrauHcher, freundschaftlicher 
und bewies den Aerzten schliesslich volle Sympathie. Hierauf 
ergriff der Präsident des Cougresses. der Director des Medici- 
naldepartements Dr. R a g o s i n , das Wort. Er skizzirte die 
Aufgaben und die Bedeutnng des bevorstehenden Congresses 
und schloss mit der Aufforderung, das Andenken der im Kampfe 
gegen die Cholera gefallenen Aerzte und Studenten durch Er¬ 
heben von den Sitzen zu ehren. Hieran schloss sich die Ver¬ 
lesung der vom Medicinaldeparteinent vorbereiteten 3 Berichte 
über die Bewegnng der Choleraepidemie, über die 1892 ergrif¬ 
fenen Vorbeugnngsmassl-egeln und über das Eindringen der 
Cholera durch Transkaspien und Transkaukasien. Am nächsten 
Tage begannen die Commissionssitzungen. 

— Der hier tagende Aerztecongress hat, auf Vorschlag 
des Präsidenten, Prof. Pasteur am 15. December anlässlich 
seines Geburtstages ein Glückwunschtelegramm ge¬ 
sandt. 

— Ernannt: Das Mitglied des gelehrten militär-medicinischen 
Comitäs, Geheimrath Dr. Prisselkow. zum Mitgliede des 
Ober-Militär-Sanitärscomites, mit Belassung im gegenwärtigen 
Amt; der ausserordentliche Professor der Diagnostik an der 
Universität Charkow, Dr. Lomikowski, zum ordentlichen 
Professor auf diesem Lehrstuhl. 

— Bestätigt: Der ansseretatmässige ausserordentliche Pro¬ 
fessor der Pädiatrie an der Universität Charkow Dr. Pono- 
marew, als etatmässiger ausserordentlicher Professor. 

— Verstorben: 1) am 26. November in Nowo-Alexandria 
(Gouv. Lublin) Dr. Isidor Gerhardt 2 im 84. Lebensjahre. 
Der Hingescliiedene begann seine ärztliche Praxis i. J. 1831, 
also vor 61 Jahren und fuugirte 34 Jahre hindurch als Arzt 
am Institut in Nowo-Alexandria. 2) Im Tiflischen Kreise der 
jüngere Arzt des Ssnramscheu Militärlazareths Dmitri Scha- 
lygin im 32. Lebeu^jahre. 3) Am 11. November im Flecken 
Kolorasch (Bessarabien) der Landscliaftsarzt Anton Zolkie- 
wicz, im Alter von 58 Jahren. 4) In Lipowez (Gouv. Kiew» 
der Arzt K. Przestemski. welcher erst im vorigen Jahre 
den Cnrsns an der Kiewer Universität absolvirte. 5) u. 6; die 
jüngeren Militärärzte I. Ssanin, 32 Jahre alt, und Ne¬ 
krassow. 

— Am 16./28. Januar 1893 begeht der berühmte Physiolog 
M. Schiff in Genf seinen 70. Geburtstag. Auf Anregung des 
Professors der Physiologie A. Herzen in Lausanne soll dem 
Jubilar zu diesem Tage eine Sammlung aller seiner Arbeiten, 

I welche in verschiedenen Zeitschriften zerstreut sicli finden, in 
2 Bänden dargebracht werden. Etwaige Geldbeiträge znr Her¬ 
stellung dieses Geschenkes sind direct an Prof. Herzen oder 
auch an den Professor der St. Petersburger Universität Ni¬ 
kolai W’edenski (im Gebäude der St. Pet. Univers.) zu senden. 

— Die vor Kurzem hier abgehaltene Petersburger Kreia- 
Iandschaft8ver8ainniluug hat beschlossen, dein Landschaftsamt, 
der Sanitätscommission, dem Präses der letzteren, Dr. A. Op¬ 
penheim, sowie allen Laudschaftsärzten den Dank der Ver¬ 
sammlung für ihre Thätigkeit während der Cholera- 
epideiyie auszusprechen. Den Fedlscheru und dem niedern 
Personal, welche bei der Bekämpfung der Epidemie betheiligt 
gewesen, hat die Landschaftsversammlung Belohnungen ira Be¬ 
trage einer Monatsgage ansgesetzt. 

Die Stadtverwaltung von Tomsk hat an alle Aerzte und 
Studenten, welche an der Bekämpfung der Cholera in Tomsk 
mitgewirkt haben, deren gewissenhafte und selbstver- 
lengnende Thätigkeit anerkennende Dankschreiben 
gerichtet. 

— Die Corporation der Privatdocenten der hiesigen militär- 
medicinischen Academie hielt am 7. December eine Versamm- 


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lung ab, in welcher die Wahlen der Mitglieder des Bureau’s 
der Corporation für das Jahr 1893 stattfanden. In derselben 
Sitzung wurde beschlossen, nach den Weihnachtsfeiertagen im 
Locale des Aerzteclubs eine Reihe von öffentlichen Vorlesungen 
zu veranstalten, deren Ertrag zum Besten der aus den Klini¬ 
ken en'lassenen armen Kranken verwandt werden soll. 

— T)r. J. Bertenson. hat anlässlich seines Jubiläums 300 
R. zum Besten der Gesellschaft zur Unterstützung 
nothleidender Studenten der militär-medicinischen 
Academie gespendet. 

— Am 15./27. December beging Louis Pasteur in Paris 
seinen 70. Geburtstag. Von dem Institut de France wurde 
zu Ehren des berühmten Gelehrten eine Feier in der Sor¬ 
bonne veranstaltet, an welcher der Präsident der Republik 
Car not, die Minister, die Gelehrtenwelt und gegen 50 De¬ 
putationen französischer und ausländischer Gesellschaften 
Theil nahmen. Die Deputationen überreichten dem Jubilar 
Adressen und Medaillen. Die grosse goldene Medaille, welche 
von den ans allen Gegenden eingelanfenen Beiträgen ange¬ 
fertigt ist, trägt auf der einen Seite Pasteurs Bildniss und 
auf der anderen die Inschrift: «Pasteur zu seinem 70. Ge¬ 
burtstage die dankbare Wissenschaft und Menschheit — 27. 
December 1892». 

Von dem deutschen Verein für innere Medicin, sowie von 
der Berliner medicinischen Gesellschaft wurden Pasteur 
Ehreninitgliedsdiplofue übei reicht. Das Institut de France 
hatte die Berl. raed. Gesellschaft in einem eigenen Schreiben 
zur Theilnahme an der Feier eingeladen, — wie Virehow 
bei der Verlesung der Einladung hervorhob, ein neues erfreu¬ 
liches Zeichen für den versöhnlichen Geist, der die wissen¬ 
schaftlichen Kreise Frankreichs beherrscht! Die deutsche me- 
dicinische Presse zollt auch den Verdiensten des grossen 
französischen Forschers ihre volle Anerkennung. 

— In Tiflis wurde am 24. November die erste Augen - 
heilanstalt im Kaukasus, welche von der unter dem Pro¬ 
tektorat Ihrer Majestät der Kaiserin stehenden kaukasischen 
Abtheilung des Kuratoriums der Kaiserin Maria Fedo- 
rowna für Blinde errichtet worden ist, eröffnet. Die Anstalt 
verfügt über acht geräumige Zimmer und einen Operations- 
saal. 

— Vom Militärgericht sind in dem Process gegen die 
an den Choleraunruhen in Jusowka (Gouv. Jekateri- 
noslaw) Betheiligten verurtheilt worden: zwei Reserve¬ 
soldaten und 2 Bauern zur Hinrichtung durch den Strang, 
acht Angeklagte zur Zwangsarbeit auf 15 Jahre, 30 Ange¬ 
klagte zur Abgabe in die Arrestantenabtheiluugen auf eine 
Zeit von drei Jahren, 10 Angeklagte zur Gefängnisshaft auf 
8 Monate, 16 Angeklagte zur Gefängnisshaft auf 4 Monate 
und 7 minderjährige Angeklagte zum Arrest auf 3 Wochen. 
27 Angeklagte 6ind freigesprochen worden. 

— Am 12. December beging die Universität Dorpat, wie 
v-ir der «N. Dörptschen Ztg.» entnehmen, wiederum in fest¬ 
licher Weise die Wiederkehr des Tage-», an welchem diese 
Universität vor 90 Jahren errichtet wurde, um eine Stätte der 
Wissenschaft und fortschreitender geistiger Arbeit zu werden. 
Die Universität Dorpat ist eine Stätte gewesen, auf der ernste 
VVissenschaftlichkeit und echter Forschergeist feste Wurzel 
geschlagen hat. Dieser Ruhm, kann ihr durch Niemand geschmä¬ 
lert werden. Und nicht nur für das Gebiet, zn dessen geistigem 
Centrnra sie in erster Linie bestimmt ist, hat sie gearbeitet, ein 
nicht geringer 1 heil der ehemaligen Angehörigen derDorpater 
Universität hat im Innern des Reiches und weit über die Grenzen 
des Reiches hinaus in den verschiedensten, oft recht hervorragen¬ 
den Stellungen gewirkt. Die Dorpater Universität ist, wenn man 
ihr Bestehen in der schwedischen Zeit mitrechnet,die älteste Uni¬ 
versität des Reiches, dabei ist sie trotz aller ihrer Leistungen 
stets die am spärlichsten dotirte Hochschule des Reiches ge¬ 
wesen. Die Dankbarkeit und Anhänglichkeit, welche die ehe¬ 
maligen und jetzigen Jünger der Dorpater Universität der 
alrna mater bewahren, bezeugen auch diesmal wieder die in 
so grosser Anzahl, wie kaum je zuvor, eingelaufenen Glück¬ 
wunschdepeschen (92), welche — abgesehen von den Collectiv- 
depeschen — viele hunderte von Namen enthalten, deren 
Träger so pietätvoll des Stiftungstages der Alma mater Dor- 
patensis gedacht haben. 

Die officielle Feier in der Aula der Universität, begann 
nach dem üblichen Festgottesdienst in der Universitätskirche, 
mit einer Festrede des Professors der Mineralogie F. Lewin- 
son-Lessing über «Veränderungen in der Vertheilung 
von Festland und Meer». 

Hierauf berichtete der neue Rector, Prof. Dr. Budilowitsch, 
in russischer Sprache über die von den Studirendeu gelösten 
Preisanfgaben und verlas sodann den ebenfalls in russischer 
Sprache abgefassten Jahresbericht. 

Die Betheilignng an der Lösung der Preisaufgabenist 
auch diesmal eine recht rege gewesen uud legt ein beredtes 
Zeugniss für das wissenschaftliche Streben ab, welches die 
Jünger Dorpats beseelt. Im Ganzen kamen 13 Medaillen 
(8 goldene, o silberne) zur Vertheilung, 4 Preisarbeiten blieben 
nnberücksichtigt. in der medicinischen Facultät wareu 


für die drei gestellten Preisaufgaben vier Bearbeitungen ein¬ 
gegangen, die sämmtlich mit goldenen Medaillen gekrönt 
wurden. Die Bearbeitung des Themas «Es wird eine genauere 
Untersuchung der Wand der Arteria coronaria cordis des 
Menschen für die verschiedenen Lebensjahre verlangt» hatte 
zum Verfasser den stud. med. A bba Emannel aus Warschau. 
— Die Preisaufgabe «Ueber den Einfluss der wichtigsten krank¬ 
machenden Gifte auf die Erregbarkeit der Grosshirnrinde* 
war von dem Studirenden der Medicin August Berkholz 
aus Riga uud Wladimir Ramm aus Warschau (der schon 
1889 eine goldene Medaille erhalten hat) gelöst worden. — Die 
goldene Snworow-Medaille erhielt der stud. pharm. Rudolph 
Wach8 aus Livland für die Bearbeitung der Preisaufgabe: 
«Vergleichende Untersuchung des Quercitrins und der ihm 
ähnlichen Verbindungen». 

Mittheilungen aus dem Jahresbericht der Dorpater Univer¬ 
sität bringen wir in der nächsten Nummer. 

Den Schluss der ofticiellen Feier bildete eine längere An¬ 
sprache des Rectors, in welcher er einen Rückblick auf die 
Universität Dorpat als die Zweitälteste resp. (unter Anrech¬ 
nung der schwedischen Zeit) älteste Universität Russlands 
warf und den Leistungen, sowie der Bedeutung der Univer¬ 
sität Dorpat für die Wissenschaft und das Reich während der 
90 Jahre ihres Bestehens volle Anerkennung zollte. 

—■ Zur Feier des 90 jährigen Bestehens der Universität 
Dorpat hat Prof. Dr. R. Kober t den 3. Band der histo¬ 
rischen Studien des von ihm geleiteteten Dorpater phar¬ 
makologischen Instituts als Festgabe dargebracht. Das 
Werk enthält zwei Arbeiten. Die erste Arbeit ist eine 
nach den Archiven der Universität angefertigte Titel-Zusam¬ 
menstellung alles dessen, was die Dorpater medici- 
nische Facultät während der 90 Jahre ihres Beste¬ 
hens geleistet hat. Das Namenregister weist mehr als 
1500 Dorpater Namen auf. Es bestätigt diese Publication 
wieder das günstige Unheil welches schon Pirogow in 
seinen Memoiren über die Leistungen der Dorpater medici¬ 
nischen Facultät ausgesprochen hat. Verfasser dieser dankens¬ 
werten Arbeit ist Dr. A. Grünfeld, erster Assistent 
am pharmakologischen Institut der Dorpater Universität. Die 
zweite Arbeit hat einen Practicanten des pharmakolo¬ 
gischen Instituts, Dr. Abdul Achundow aus Baku, zum 
Verfasser und bringt Uebersetzung und C’ommentar zu einem 
bisher noch in keine andere Sprache übersetzten persischen 
medicinischen Schriftsteller des X. Jahrhunderts, mit Namen 
Abu Mansur Muwaffak Ben Ali Harawi. Der Inhalt 
dieser gelehrten Abhandlung ist nicht allein für die Er¬ 
forschung der altindischen Medicin von grosser Bedeutung, 
sondern m gleich hohem Grade auch für den Culturhistoriker 
und Sprachforscher. Ein namhafter Sanskritist, dem einige 
Druckbogen vorgelegt- wurden, soll sich dahin geänssert haben, 
dass er kein Werk kenne, welches den Erforscher der Sanskrit- 
Medicin in höherem Grade interessire als dieses. 

— Die Choleraepidemie nimmt in St. Petersburg in 
erfreulicher Weise ab. Während sie im November und in 
der ersten Deceraberwoche sich fast ungeschwächt auf gleich 
hohem Stande hielt und die Zahl der Cholerakrankeu in den 
städtischen Hospitälern am 9. December noch 26 betrug, sind 
si it dein 9. d. Mts keine Nenerkrankungen vorgekommen und 
ist die Zahl der in den Hospitälern in Verpflegung verblie¬ 
benen Cholerakranken zum 17. December auf 4 gesunken. 

— Die Gesammtzahl der Kranken in den Civilhosni- 
tälern St. Petersburgs betrug am 12. Dezember d. J. 5926 
(60 mehr als in der Vorwoche), darunter 94 Typhus ~ (1 weni¬ 
ger), 701 Syphilis — (4 weniger), 56 Scharlach — (4 mehr), 
14 Diphtherie — (6 mehr), 16 Masern — (3 weniger), 6 Pocken 
— (1 mehr) und 12 Cholerakranke (19 weniger als in der Vor¬ 
woche). 


Vacanzen. 

1) Vom Kreislaudschaftsamt inBjeloi(Gouv.Smolensk) 
werden 4 Aerzte für die im Januar 1893 neu zu creirenden 
ärztlichen Bezirke gesucht. Gehalt 1000 Rbl. und freies 
Quartier. 

2) ln Ssaratow- ist das Amt des Oberarztes des Stadt¬ 
hospitals erledigt. Die Meldung geschieht beim Stadtamt 
unter Beifügung von Auskünften über den bisherigen Dienst. 

3) Im Kreise Medyn (Gouv. Kaluga) sind 2 Landschafts¬ 
arztstellen vacant. Gehalt 1000 Rbl. jährlich nebst freier 
Wohnung. 

4) Vom Landschaftsamt in Atkarsk (Gouv. Ssaratow) 
werden 6 Aerzte für die Stadt und 5 neu zu eröff¬ 
nende ärztliche Bezirke im Kreise gesucht. Gehalt1000— 
1200 Rbl. jährlich. 

5) lni Kreise Krassnoslobodsk (Gouv. Pensa) ist vom 
1. Januar 1893 ab die Stelle eines Landschaftsarztes 
zu vergeben. Gehalt 1000 R. und 200 R. Quartiergeld. 

6) Vom Landschaftsarat in Werchnedneprowsk wird 
zuui 1. Januar 1893 ein Arzt gesucht. Gehalt 700 R. nebst 
freier Wohnung. 


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XVII. JAHRGANG, 


ST. PETGRSBIIRGDR 


Neue Folge IX. Jahrg. 


IIIICIIMI WOCHENSCHRIFT 


unter der Redaction von 


Prof. Dr. Karl Dehio. 

Dorpat. 


Dr. Johannes Krannhals. 

Riga. 


Dr. Rudolf Wanach. 

St. Petersburg. 


Die «St. Petersburger Medicinisclie Wochenschrift» erscheint jeden j 
Sou nahend. — Der Abo&SSBientlpreil ist in Btmland S Rbl. für das 
'Jahr, 4 Rbl. für das halbe Jahr incl. I’ostznstelluug; in den anderen 
Lindern 20 Mark jährlich, 10 Mark halbjährlich. Der Ineertlonspreis 
für die 3 mal gespaltene Zeile iu Petit ist 16 Kop. oder 35 Pfenn.—Den 
Autoren werden 25 Separatabxiige ihrer Originalartikel eugesandt.— 
Referate werden nach dem Satze von 16 Rbl. pro Bogen honorirt. 


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bittet mau ausschliesslich au die Buchhandlung von Carl Bioker in 
St. Petersburg, Nevrsky-Prospect 14, zu richten.— Hanusoripte 

sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilungen bittet man au 
den geschäftsfiihreuden Redacteur Dr. Budolf Wanaoh in St. Pe¬ 
tersburg, Petersburger Seite, Grosser Prospect M 7, Qu. 6 zu richten. 
Sprechstunden täglich vou 1—2 Uhr Nachm. 


52 


St. Petersburg, 26. December (7. Januar 1893) 


1892 


Inhalt: W. Zoege-Manteuffel: Zur Diagnose und ßehandlnng perforirender Verletzungen des Abdomens. — Refe¬ 
rate: E. Landolt: Der gegenwärtige Stand der Staroperation. — Bücheranzeigeu und Besprechungen: C. Gordon 
Brodie: Dissections illnstrated. A graphic handbook for students of human anatomy. — A. Strümpell: Lehrbuch der spe- 
ciellen Pathologie und Therapie der inneren Krankheiten. — Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. — 
Kleinere Mittheilnngen und therapeutische Notizen. — Vermischtes. — Anzeigen. 


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Die St. Petersburger 

Medicinische Wochenschrift 

wird auch im Jahre 1893 unter der jetzigen Redaction und 
nach dem bisherigen Programm erscheinen. Sie bleibt ihrer 
Aufgabe getreu, ein Organ für praktische Aerzte zu sein und 
letztere durch Originalarbeiten sowohl als durch Referate 
und Besprechungen neu erschienener Werke mit den Ergeb¬ 
nissen zeitgenössischer mediciniscber Forschung bekannt zu 
erhalten. — Wie bisher werden die wissenschaftlichen Ver- 
b an dlung en der Dorp ater med .F a c u ltät in der Wochen schrift 
erscheinen und wird dieselbe als Organ nachstehender Vereine 
und Gesellschaften fortfahren mit der Veröffentlichung der 
Protokolle des allgem. Vereins St. Petersburger Aerste, 
des St. Petersburger Vereins deutscher Aente, der Ge¬ 
sellschaft praktischer Aerste au Riga, der medicini- 
schen Gesellschaft zu Dorpat und der Gesellschaft In¬ 
ländischer Aerste. — Besondere Aufmerksamkeit wird die 
Wochenschrift anch fernerhin der russischen medicinisohen 
Literatur widmen nnd in gleicher Weise, wie im vorigen Jahre, 
anch weiterhin durch fortlaufende Referate über alle wichti¬ 
geren in russ. medioin. Journalen erscheinenden Ar¬ 
beiten, sowie über die Verhandlungen russischer medicini- 
scher Gesellschaften, den mit der russischen Sprache nicht 
vertrauten Fachgenossen die Einsicht in diese stetig an Be¬ 
deutung gewinnende Literatur ermöglichen. — Der Abonne¬ 
mentspreis ist incl. Zustellung in Russland 8 Rbl. für das 
Jahr, 4 Rbl. für ein halbes Jahr; in den anderen Ländern 
20 Mark für das Jahr, 10 Mark für ein halbes Jahr. Abon¬ 
nements-Aufträge bittet man an die Buchhandlung von C. 
Rioker in St. Petersburg, Nevsky-Prospect Nr. 14, Manu- 
scripte sowie alle auf die Redaction bezüglichen Mittheilun¬ 
gen an den geschäftsftihrenden Redacteur Dr. Rudolf Wa¬ 
nach (Petersburger Seite, Grosser Prospect Nr. 7, Quart. 6) 
zu richten. 


Zur Diagnose und Behandlung perforirender Ver¬ 
letzungen des Abdomens. 

Vortrag, gehalten auf dem livländischen Aerztetage zu Wen¬ 
den am 15. September 1892. 

Von 

Dr. W. Zoege-Manteuffel. 

Doc. für Chirurg, an der Univ. zu Dorpat. 

M. H.! Wenn ich Ihnen meine Anschauungen über 
die Behandlung der Abdominalverletzungen hier ausein- 
anderzusetzen wage, so geschieht das nicht um Wesentlich 
Neues zu bringen. Ich meine aber, dass bei dem prak¬ 
tischen Interesse, das jeder Arzt den Verletzungen dieser 
Gegend entgegenzutragen so oft gezwungen ist, es Ihnen 
nicht unerwünscht sein dürfte hier die Gelegenheit zu 
Meinungsäusserungen über dieses Thema zu finden. Zudem 
begegnen wir in den Handbüchern, namentlich in den 
verbreitetsten von König und Tillmanns in Bezug 
auf einzelne Fragen Anschauungen, die ich nicht theilen 
kann und die gewissen physiologisch-pathologischen That- 
sachen, dio die letzten Jahre gebracht, widersprechen. 

Die Aetiologie der Verletzungen ist in ein paar Worten 
abgethan: wir unterscheiden: Schuss-, Stich-, Schnitt¬ 
wunden als perforirende Verletzungen von solchen, die 
durch stumpfe Gewalt verursacht, die Decken nicht 
durchsetzen. Lassen wir diese Contusionen bei Seite, so 
interessiren uns auch in der Friedenspraxis die erstge¬ 
nannten S Formen fast in gleichem Maasse, wenn viel¬ 
leicht auch die Schnittverletzungen, unter die ich auch 
die Stichverletzungen mit schneidender Waffe, wie Messer 
etc. zähle, etwas überwiegen. 

Stehen wir vor einem verwundeten Abdomen, so wird 
unsere erste Sorge sein: Hat das Messer oder das Pro- 
jectil die Abdominalwand durchbohrt oder nicht? Ist die 
Kugel in die Leibeshöhle eingedrungen, hat das Messer 
die Peritonealhöhle mit der inficirenden Aussenwelt in 
Communication gesetzt oder nicht? 
r So einfach diese Frage a priori zu beantworten ist im 
Kriege, gegenüber der Rasanz der Projectile moderner 


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Praecision^ Waffen, so schwierig wird ihre Lösung in der l Peritoneum du rehtrennt, dem Kranken nicht schaden. 
Friedenspraxis, wo es sich um mit wechselnder Gewalt | Ist das Bauchfell gegen alle Vermutlmng nicht eröffnet, 

eindringende Schrote oder um grosse Rundgeschosse mit so kann man den Schnitt schlicssen. Ist die Bauchhöhle 

schwacher oder unbekannter Durchschlagskraft handelt, | eröffnet, so giebt uns die Incision Gelegenheit, manche 
oder gar um die Kraft, die die mörderische oder rauf- j Nebenverletzungen (Blutung etc.) zu erkennen. Man wird 
lustige das Messer führende Faust entwickelte. Und doch I vielleicht einwenden, dass, namentlich in der Landpraxis 
ist bei der letzten Art der Verwundung die Frage, ob j für Arzt und Kranken eine diagnostische Operation etwas 
perforirend oder nicht, in einer ganzen Reihe von Fällen 1 missliches hat und auch oft verweigert werden wird, 
schon beim blossen Anblick des Kranken gelöst. Bei i Da lasse man lieber die Hände ganz aus dem Spiel, 
grossen Schnitten meist schon auf der Stelle der That, da man ja dann wohl auch nicht gleich die Laparotomie an¬ 
bei Messerstichen bei der geringsten durch den Schmerz zuschliessen in der Lage ist. Jedenfalls involvirt die 
hervorgerufenen Bauchpresse, stülpt sich Bauchinhalt vor: diagnostische Incision weniger Gefahren als die Son- 
in der Reihe der ersteren meist Darm und Netz, in der | dirung. 

der letzteren häutig dieses allein. Nicht so bei den meisten j Ist nach dem Gesagten die Eröffnung der Bauchhöhle 

Schuss- und Stichwunden. Hier findet der intraabdomi- f oft schlechterdings nicht zu erkennen, so ist vollends die 
nelle Druck keinen Locus minoris resistentiae grösserer j Diagnose der complicirenden Verletzungen eines Darm- 
Ausdehnung und an der kleinen Schussöffnung kann ! theils in der Zeit, wo die Diagnose noch praktischen 
auch das Netz seine fast zielstrebig zu nennenden Eigen- | Werth besitzt, fast stets unmöglich. Nur in vereinzelten 
schäften als Lückenbüsser nicht in dem Maasse ent- j Fällen, wo eine Aufschlitzung der Decken das verletzte 
wickeln. Daher finden wir hier auch den sichtbaren Beweis i Eingeweide zugleich bloslcgte, oder wo Gas, Koth, oder 
für die Perforation des Peritoneum nur äusserst selten, was ich einmal beobachtete, ein Spulwurm aus der Haut¬ 
wohl nur in Fällen, wo grosskalibrige Geschosse eine wunde hervortrat, ist damit auch zugleich die Verletzung 
grössere Zerstörung setzten. Zu allermeist jedoch stehen des Darmes erwiesen. In allen anderen Fällen tappen 
wir den Schuss und Stichverletzungen und einem grossen wir völlig im Dunkeln. Senn hat deswegen nach dem 
Theil der Schnittwunden rathlos gegenüber und suchen Vorgänge anderer Chirurgen vorgeschlagen den Darm 
umsonst nach einem Symptom, das uns früh über die mit brennbaren Gasen anzufüllen, die bei ihrem Austritt 
Ausdehnung der Verletzung aufklart. aus dem Leibe sich dann entzünden lassen sollen. Gegen 

Sehen wir uns daher nach diagnostischen Hülfsmitteln dieses Verfahren lässt sich dreierlei einwenden: Erstens 
um. Da fällt uns natürlich zuerst die Sonde in die Hand, ist der Darm oft so stark mit Koth gefüllt, dass das 
Tillmanns sagt darüber folgendes: «da meine Sonde Gas nicht bis an die Perforation gelangt. Ferner treibt 
aseptisch ist, so würde ich, wie auch Mo. Cormac es, wenn es in gewünschter Weise strömt, Darmiulialt 
empfiehlt, sicher sondiren und nicht erst abwarten» etc. aus der Wunde, drittens ist schliesslich die durch Insuff- 
und zwar empfiehlt er die Sondirung auch für eine schon lation erzeugte Auftreibung auch bei Bestehen derVer- 
frisch verklebte Wunde. Allerdings giebt er zu, dass die letzung, namentlich aber bei intactheit des Darmes über- 
Ansichten darüber getheilt sind. Udü ich muss gestehen, aus lästig und bei der eventuellen Laparotomie direct 
dass ich mich nicht zu dem Standpunkte Tillmanns schädlich. 

bekenne, obgleich auch der um die Kenntniss der Ver- Als drittes diagnostisches Hülfsmitte-1 steht uns dieLapa- 

letzungen des Abdomens so verdiente Cormac ihn theilt. rotomie zur Verfügung. Diese wird aber nur indicirt sein. 

Allerdings ist auch meine Sonde aseptisch, aber ist es können, wo wir mit grosser Wahrscheinlichkeit, mit 
auch die Wunde? Wie schwierig ist es schon die Bauch- mehr oder weniger Sicherheit eine Complication annehmen 
decken bis an den äussersten Rand der Wunde zu des- müssen, und wo die Operation so ausgeführt werden 
inficiren, ohne das etwas von den benutzten Flüssig- kann, dass in ihr nicht dem Kranken neue Gefahren er- 
keiten hineinrinnt, wie ungleich schwieriger ja unmöglich wachsen, die vielleicht grösser sind als die, denen sein 
ist es, die Wunde seihst zu desinficiren. Denn Abspü- Leben durch die Verletzung als solche ausgesetzt war, 
hingen mit Carbol und Sublimat nützen nichts, sind aber das heisst: Das Mittel darf nicht gefährlicher sein 
bei offenem Peritoneum bedenklich. Das eindringende als die Krankheit. Die diagnostische Laparotomie 
Messer, die Tuehfetzen mitreissende Kugel, sie streifen gehört somit in die klinische Praxis, 
nun allerdings die unreinen Stoffe sicher in den obersten Dä uns die Allgemeinsymptome bei den Verletzungen 
Theilen der Wunde am ergiebigsten ab. Wenn wir des Abdomens im Stiche lassen, wenn wir absehen von 
aber mit der stumpfen Sonde in der Wunde umher- Blutungen und diese veranlassenden Pareuchymverletzun- 
tappen, schieben wir sicherlich Blutgerinnsel, und was geu u. s. w., so müssen wir Auskunft suchen bei der 
an ihnen hängt und haftet, in die Tiefe und schliesslich Statistik und dem Experiment. Auch liier werden wir aber 
in die Bauchhöhle. Bestehen gar complicirende Ver- nur darüber Aufschluss suchen können, ob eine complici- 
letzungen, so können wir hier eine Blutung neu ent- reude Verletzung des Darmes vorliegt, während die Frage, 
fachen, dort schützende Adlmesionen bei älteren Wun- ob die Peritonealhöhle an sich eröffnet ist, nur aus der 
den sprengen. Aber auch bei frischen drohen Gefahren. Richtung der Verletzung und der Grösse der Gewalt zu 
Berühren wir den Darm mit einem beliebigen Gegen- erschlossen ist, mit der die Verwundung erfolgte. Den 
stand so tritt fast stets eine perista!tische Contraction ersteren Factor, die Richtung, können wir meist aus 
auf. Diese begünstigt oder provocirt bei Verletzung der Gestalt der Wunde erkennen, den anderen, die Grösse 
des Darms Kothaustritte. Ich kann mich danach nicht der Gewalt, kennen wir in den Friedensverletzungen, Wie 
zu der Ansicht Cormac’s und Tillinanns’ bekennen, erwähnt, nur selten. 

wenn auch die Versuchung zur Sondirung sehr gross ist. Ueber die Häufigkeit complicirender Darm Verletzungen 

Klärt doch die Sonde in der That die Situation mit giebt uns die Statistik naturgemäss nur sehr ungenaue 
einem Schlage, aber nur in diagnostischer Hinsicht, — Auskünfte. Dass spitze, stumpfspitze und scharfe lnstru- 
in prognostischer trübt sie sie derart, dass ich den Ge- j mente das Abdomen perforiren können, ohne den Darm 
brauch der Sonde hier wie bei allen Höhlenwunden als | zu verletzen, beweisen uns die Fälle von Mc. Cormac 
durchaus und unter allen Umständen unerlaubt ver- ■ und Hennen. Letzterer sah einen Ladestock, Ersterer 
verlen muss. ! ein Bajonett das Abdomen ohne Läsion der Därme 

Andrerseits wird aber die Forderung an die Diagnose i durchsetzen. Auch die tägliche Praxis bestätigt wohl die 
dringend, namentlich in Fällen in denen wir eine Com- | Madelung’sche Beobachtung, dass bei Stich-undSclinitt- 
piication als möglich voraussetzen müssen. Hier wird . wunden der Dann häufig unverletzt bleiben kann. Dass 
ein Schnitt, der schichtweise die B.tuchdecken bis aufs 1 der Magen gelegentlich dem Messerstoss ausweichen kann. 


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493 


habe ich selbst einmal beobachtet (St. Petersburger ined. 
Wochenschrift 1892 Nr. 10). 

Schwieriger ist die Entscheidung dieser anatomischen 
Frage bei Schusswunden. Die Thatsache der Ausheilung 
einer das Abdomen durchsetzenden Schussverletzung 
ergiebt hierfür natürlich gar keinen Beweis. Larrey 
berichtet über einen Fall, in dem die Kugel den Leib, 
wie es anfangs schien, schadlos durchsetzt hatte. Später 
fand sich aber doch eine Quetschung des Darmes. Die 
Thierexperimente von Parkesund Klemm ergaben, dass 
sogar stets eine Mitverletzung des Darmes statt hatte. 

Die persönlich gewonnenen Anschauungen von Autori¬ 
täten wie Cormac, Kocher, Mikulicz stimmen dem 
bei, so dass wir wohl nicht fehl gehen, wenn wir bei 
einer die Abdominal wand perforirenden Schussverletzung 
auch eine Verletzung des Darmes als sehr wahrscheinlich 
anseheu. 

Wenden wir uns nun zu der Therapie der in Rede 
stellenden Verletzungen. Hier müssen wir vor Allem 
danach fragen: was besorgt die Natur selbst und wo 
wird sie ohne Kunslhill'e machtlos? 

Schnitt- und Stichverlet.znngen geben auch bei cxspee- j 
tativer Behandlung eine ziemlich gute Prognose. Reclus 1 ) 
sah von 45 Fällen 40 spontan heilen, was ca. 10 pCt. 
Mortalität giebt. Cormac 2 ) sammelte 89 Fälle, in denen 
der Bauchschnitt gemacht worden war, mit 24 Todes¬ 
fällen, d. h ca. 27 pCt. Unter diesen waren aber 56 
schweie Verletzungen, bei denen der Dünndarm oft mehr¬ 
fach genäht werden musste und die allein 14 Todesfälle 
aufwiesen. Ueberhanpt können wir diese Zahlen nicht 
direct vergleichen, da Cormac Kriegsverletzungen, also 
ungleich schwerere Verwundungen zählt, während Reclus 
hauptsächlich aus der Friedenspraxis sammelt und eine 
•ganze Reibe von Verwundungen mit Pfriemen, Feder¬ 
messern mittheilt, bei denen wohl sicher keine Com- 
plicationen bestanden, ja es fraglich war, ob die Abdo¬ 
minalwand überhaupt perforirt war, während die Cor- 
mac-Otis’schen Fälle bis anf 18 alle complicirt waren. 

Die Friedenspraxi.s, die uns hier vornehmlich inte- 
ressirt, hat es ja mit minder grossen Gewalten zu tlmn 
und da ist. wie gesagt, die Complication seltener, die 
Spontanheilung relativ häufig. Handelt es sich um den 
Stoss eines Ochsenhornes oder einen Sensenhieb, um 
Maschinenverletzungen etc., so sieht man ja wohl die 
Intestina in Masse prolabirt und zerrissen. Hier hat nur 
in seltenen glücklichen Fällen die Kunsthilfe Erfolge auf- 
zuweisen. während bei einfach prolabirter und ange¬ 
schnittener Darmschlinge wohl Spontanheilung, aber mit 
Kothfistel, zu Stande kommen kann. Nur in Bezug auf 
die letzteren Fälle können wir es verstehen, wenn John 
Bell von dem Vorschlag Benjamin Bell’s, den ver¬ 
wundeten Darm zu nähen nnd zu reponiren, sagt, dass 
das geradezu eine Tollheit sei, und dass seit der Erfin¬ 
dung der Buchdruckerkunst dieser Vorschlag seines 
Gleichen nicht finde. Die antiseptische Aera hat dem 
genialen älteren Bell Recht gegeben, und werden wir 
sehr wohl in der Lage sein dem Verwundeten den Anus 
praeternaturalis zu ersparen. Bei den Verletzungen des 
Leibes durch Messerstich, wie sie bei Raufereien und 
Raubanfällen Vorkommen, sehen Sie relativ selten den 
Darm vorletzt. Meist findet sich ein mehr weniger ge¬ 
rader Stichkanal, den ein Zipfel des prolabirten Netzes 
schliesst Hier sind die Bedingungen zur spontanen Hei¬ 
lung überaus günstige. Ueberlassen wir den Fall sich 
selbst, so wächst das Netz hier ein, bedeckt sich mit 
Granulationen und schliesst so bald das Abdomen. 

Sehr anders liegen die Verhältnisse bei den Schuss¬ 
verletzungen. Seit Alters haben sich hier zwei Heerl.iger 
gegenüber gestanden, die sich arg befehdeten. Die Einen 

M Rfvup dt- Chirurgie Bd. X, 1890. 

*) Sammlung klin. Vorträge. , 


! vertraten den Standpunkt, dass Abwarten das Beste sei, 
da auch hier die Spontanheilung relativ häufig zn Stande 
käme und bei der zweifelhaften Diagnose die Berechti- 
: gung und auch Leistungsfähigkeit der Laparotomie an- 
l zuzweifeln sei. Zu Vertretern dieser Richtung gehört 
i vornehmlich in neuerer Zeit Reclus. Er findet, dass von 
i 88 Schussverletzungen, die exspectativ behandelt worden 
I waren, 22 mit Tode abgegangen sind, 66 leben blieben, was 
eine Mortalität von ca. 25 pCt. gäbe, während von 40 
Fällen, die vor der 12. Stunde laparotomirt wurden, 
22 starben = 55 pCt. Mortalität, und von 22. die nach 
der 12. Stunde operirt wurden, 17 starben, was77 pCt. 
Mortalität ergäbe. 

Dem gegenüber lehrt die Schule der Interventionisten, 
zu denen wohl so ziemlich alle deutschen Chirurgen, 
dann Mac Cormac, Parkes, Senn etc gehören, dass 
die Spontanheilung einer Schussverletzung des Leibes 
mit complicirender Darmwunde als so seltener Glticksfall 
(König) anzusehen sei, dass man nicht darauf rechnen 
dürfe, und daher in dom Falle, wo man die Complica¬ 
tion vermuthe. d. h. nach dem oben über die Diagnose Ge¬ 
sagten, in jedem Falle die Laparotomie unbedingt 
machen müsse. Alle Interventionisten und mit ihnen auch 
Klemm in seiner vor kurzer Zeit erschienenen Arbeit 
meirien die Reclus’schen Schlüsse nnd Vergleiche seien 
nicht exact genug, es fehle eine genauere Kritik der 
Einzelfälle. Ich gebe sofort zu, dass die Art, wie Reclus 
die laparotomirten Fälle heranzieht nicht einwandsfrei 
ist und dass ferner von den spontan geheilten Fällen 
eine ganze Reihe nicht fraglos mit Intestinalverletzungen 
complicirt waren. Dennoch aber sind von den 66 Ge¬ 
heilten 33 ohne allen Zweifel mit Magen , Darmver¬ 
letzungen oder Läsion der Gallenblase c2) complicirt 
gewesen, weitere 4 zeigten blutige Stühle und sind somit 
wohl auch als ziemlich sichere Darmverletzungen anzn- 
sehen: macht in Summa 37. Rechnen wir nun auch nur 
diese, so giebt das in Summa 59 fraglos cornplicirte Ab- 
doiuinalverletzungen mit, 22 Todesfällen oder 37 pCt. 
Mortalität. Otis giebt für die Laparotomie 24 Todesfälle, 
7 Heilungen d. h. 66 pCt. Mortalität an. Wer wie Taille¬ 
rand meint: «la statistique c’est le mensonge en chiffre» 
dem kann ich nur das Gleiche gegen die Cormac’sche 
Statistik anführen, und ich meine, solche Zahlen wie die 
von Reclus gebrauchten 37 lassen sich durch ein bon 
mot nicht beseitigen. 

Das Misstrauen, das der exspectativen Behandlungs¬ 
methode und ihren statistischen Angaben entgegengetra¬ 
gen wird, beruht aber, wie ich meine, viel weniger auf 
dem allgemeinen Misstrauen gegen Zahlen, als auf den 
Erklärungsversuchen des Modus der Spontanheilung. 
Namentlich kleine Projectile sollten Oeffnungen setzen, 
die durch den sich vorstülpenden Schleimhautpfropf so 
lange geschlossen würden, his peritoneale Verklebungen 
die Gefahr beseitigten. 

Diesen Behauptungen widersprachen die Resultate der 
Experimentatoren direct. Dadurch kamen aber jene That- 
sachen. die durch diese Theorie erklärt werden sollten, 
auch in Misscredit. Die Experimentatoren fanden, dass 
es fast gleichgültig sei welches Caliber das Geschoss 
besitze, da auch ein kleines Projectil bei tangentialem 
Xuftreffen auf das Darmrohr relativ grosse Oeffnungen 
setzen könnte. Ich selbst hatte solches einmal zu beob¬ 
achten Gelegenheit bei einem Knaben, dessen Darm 11 
mal von einer 7 Mm. Revolverkugel durchbohrt war. 
Einzelne Oeffnungen hatten bis 1,5 Ctm. grössten Durch¬ 
messer (cf. Klemm 1. c.). Aber auch die kleinste Wunde 
gestattet dem Koth den Austritt: «Die Schleimhaut ver¬ 
mag nicht das Loch auch der kleinsten Kugel so zu 
verstopfen, dass jener Austritt verhindert wird» sagt Mc. 
Cormac und Klemm beobachtete den Vorgang des mit 
jedem peristaltisi-hen Impulse periodisch sich wiederho¬ 
lenden Aiistretens von Koth aus einer durch 5 Mm. 


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494 


Projectil gesetzten Darm wunde, trotzdem die Schleimhaut 
in typischer pfropfartiger Weise die Wunde scheinbar 
schloss. Aber auch in anderer Hinsicht widersprachen 
die Resultate der Experimentatoren den Reclus’sehen 
Angaben. Alle Hunde, die nicht laparotorairt wurden, 
gingen zu Grunde. Und wir wissen doch, dass das Hunde — 
Peritoneum viel mehr verträgt als das des Menschen, 
und viel ergiebigere plastische Eigenschaften besitzt. 

Die Widersprüche zwischen Statistik und Experiment 
zu lösen wird der Zukunft Vorbehalten sein, ich glaube 
aber, dass nach dem Erwähnten wir wohl berechtigt sind, 
die experimentellen Resultate als eine theilweise Correctnr 
jener statistischen Angaben anzusehen und somit die 
Schnssverletzungen des Abdomens als mindestens zweifel¬ 
haft zu prognosticirende Verletzungen zu bezeichnen. 

Das giebt uns aber auch schon gewisse Anhaltspunkte 
für die Therapie, und für die Prognose bei eintretender 
Kunsthilfe. Bei Besprechung derselben kann ich nicht 
umhin einen wissenschaftlich geforderten Idealstandpunkt 
von einem, sagen wir, Compromissstandpunkt zu sondern, 
wie er durch die schwierigen Verhältnisse namentlich der 
Landpraxis gegeben ist. Hier dem Arzte die volle Ver¬ 
antwortlichkeit des Klinikers aufzubürden wäre un¬ 
billig. 

Fraglos und unbedingt in allen Situationen indicirt ist 
die Laparotomie wegen das Leben bedrohender intraab¬ 
domineller Blutung. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen. 
dass Verblutung auch aus relativ kleinen Gefässen erfol¬ 
gen kann, weil das Blut in der Leibeshöhle nicht gerinnt 
und das meist nur von Peritoneum bedeckte Gefäss sich 
nicht ins Gewebe retrahiren kann. 

In der voll ausgerüsteten Klinik haben wir, wie ich 
meine, die Pflicht und das Recht bei Schussverletzungen 
des Abdomens die diagnostische Laparotomie vorzunehmen 
nnd therapeutisch zu verwerthen. Wir werden den ver¬ 
wundeten Darm aufsuchen und sei es nach Resection oder 
nach Anfrischung der Wundränder durch die Naht 
schliessen. Es ist das der Standpunkt, der in Deutschland 
und Amerika die meisten Vertreter hat. Wenn wir ihn 
theilen, so müssen wir aber mit der Thatsache rechnen, 
dass nach der 20. Stunde stets schon Peritonitis in aus¬ 
gedehnterem Maasse eingetreten ist und dass die Pro¬ 
gnose von da ab absolut letal ist. Je früher die Opera¬ 
tion ausgeführt wird,umso günstiger liegen ja natürlich 
die Verhältnisse. Ist erst Koth in grösserer Menge ausge¬ 
treten oder hat sich durch Bewegungen in der Bauchhöhle 
ausgebreitet, so sind alle Reinigungsversuche fruchtlos. 
Die Toilette der Bauchhöhle wird hier, wie Reichel das 
gezeigt hat, zur Phrase. 

Ob wir nun den Leib in der Mittellinie eröffnet haben, 
was sich in den meisten Fällen empfiehlt, oder ob wir 
mit der Incision dem Schusskanal folgen, was bei weit 
seitlicher Lage derselben zu empfehlen ist (König), meist 
stossen wir bald auf eine der verletzten Stellen. Diese 
und weitere sind nach Bedeckung der Darm wunde mit 
einer Compresse sofort in Tücher zu schlagen und zu 
eventriren. Jetzt erst suche man den übrigen Darm am 
besten wohl von der Ileocoecalklappe beginnend aufwärts 
ab. Findet man keinen verwundeten Darm mehr so packt 
man den gesunden wieder ein (nach Reinigung) schliesst 
die Bauchhöhle durch eine Serviette und eventuell, bei 
vordrängenden Därmen und kräftiger Musculatur, noch 
durch einige Hautnähte, wobei man die verwundeten 
aussen liegenden Schlingen an enger Stelle austreten lässt, 
damit bei den nun folgenden Manipulationen an der ver¬ 
letzten Schlinge die Bauchhöhle nicht nachträglich inficirt 
wird. Die Wunden am Darm, von denen wir stets mehrere 
erwarten müssen, sind vor der Naht ihrer fetzigen Ränder 
wegen anzufrischen. Liegen viele Wunden nah bei ein¬ 
ander, so wird es zweckmässig erscheinen die ganze 
Schlinge zu reseciren. Nach Reinigung derselben revi- 
diren wir noch einmal die Bauchhöhle, entfernen grobe 


Verunreinigungen durch vorsichtiges Tupfen ohne jedoch 
mit den Schwämmen im Leibe viel herumzufahren. Auch 
Ausspülungen sichern nicht die Entfernung fein vertheil- 
ter Verunreinigungen, breiten sie vielmehr leicht, wie 
Reichel das gezeigt hat, aus. Namentlich das faltenreiche 
Netz ist absolut nicht zu desinficiren und ist daher, soweit 
es verunreinigt erscheint, zu entfernen. Ist ein Theil des 
Bauchinneren durch Kothaustritte verunreinigt gewesen, 
so erscheint es mir durchaus unthunlich die Bauchhöhle 
fest zu schliessen wie König und auch Tillmanns das in' 
seinem Handbuche räth. Es empfiehlt sich hier vielmehr 
die Därme in der Ausdehnung in der sie als septisch 
inficirt anzusehen sind, mit Jodoformmarly oder steriler 
Compresse zu bedecken und über dieser Tamponade die 
Wundränder mit Silberdraht oder Silbkwormgut einander 
nach Möglichkeit zu nähern, um Prolaps der Intestina zu 
verhindern. Seide ist hier weniger gut anwendbar, weil 
sie sich imbibirt und bald durchschneidet. Eine kleinere 
Menge septischer Stoffe saugt das Peritoneum nach 
Wegner so rasch auf, dass keine weitere Schädigung des 
Gesammtorganismus folgt. Diese grosse Resorptionskraft 
des Peritoneums wird aber deletär, sobald die septischen 
Stoffe in grösserer Menge sich stauen. Deswegen leiten 
wir sie durch die aufsaugende und drainirende Tampo¬ 
nade ab. Die Tamponade können wir nun ganz ruhig bis 
zum 8. Tage und länger liegen lassen, wenn keine Zeichen 
von Secretverhaltung (peritoneale Reizung etc.) auf man¬ 
gelhafte Function der Capillardrainage hinweisen. Der 
Schluss der Bauchwunde lässt sich nach allmählicher 
Entfernung des Tampons durch wiederholte Spätnähte 
und Heftpflaster erzielen. Meist verwächst dann aller¬ 
dings der anliegende Darm mit der Narbe, doch kann 
man diese Verhältnisse sehr viel günstiger gestalten, wenn 
sich die Tamponade früher entfernen lässt. 

Sehr ähnlich werden wir auch in der Landpraxis ver¬ 
fahren müssen bei Schnittwunden des Leibes, bei denen 
grössere Abschnitte der Bauchdecken klaffen, Intestina 
vorliegen und verletzt sind, während ich die Laparotomie 
bei Schusswunden in der Landpraxis als nicht indicirt 
ansehen muss und hier gestützt auf die immerhin erheb¬ 
liche Zahl spontan verheilter einschlägiger Fälle, nament¬ 
lich bei ganz unsicherer Diagnose, dem exspectativen 
Verhalten bei antiseptischer Occlusion der äusseren Wunde 
den Vorzug geben muss. 

Ist die Schnittwunde relativ klein und nur etwa eine 
Darraschlinge und Netz vorgefallen, so müssen wir den 
Darm natürlich, nach eventueller Naht, zurückbringen. 
Nicht so fraglos das Netz. König empfiehlt das Netz zu 
reseciren, nur wenn es arg zertrümmert und beschmutzt 
ist. Mir erscheint es aber auch sonst bedenklich das 
Netz zu reponiren, abgesehen davon, dass das ohne Er¬ 
weiterung der Wunde manchmal überhaupt nicht möglich 
ist König empfiehlt es auch zu desinficiren. Ich wies 
schon darauf hin, dass dieser Rath beim besten Willen 
nicht zu befolgen ist. Ist das Netz schon während oder 
vor dem Transport des Kranken vorgefallen, so ist es auch 
in Contact mit Kleidern und Oberhaut gekommen und 
daher inficirt. 

Wir werden also erst nach sorgfältigster Desinfection 
der Hautdecken, was bei offener Bauchwunde nicht so 
ganz einfach ist, nach Abspülung der eventuell vorge¬ 
fallenen Intestina mit schwachen antiseptischen Lösungen 
und nach Reposition des Darmes allein, das Netz ent¬ 
weder als Tampon in der Wunde liegen lassen und hier 
fixiren, was gewiss besser ist als es zurückzubringen. 
Da jedoch leicht mehr vorfällt, auch der Prolaps der 
Därme nicht sicher verhindert wird, empfiehlt es sich 
das Netz etwas vorzuziehen und das vorgefallene Stück 
in gekreuzte Massenligaturen zu fassen und abzutragen. 
Der Stumpf wird reponirt und nun die Bauchwunde wie¬ 
derum— nicht wieKönig und Tillmanns dasempfehlen 
genäht — sondern mit lockerer Gaze drainirt. Ich gebe zu, 




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dass in einer ganzen Reihe von Fallen diese Vorsicht 
unnütz ist. Es ist das aber gewiss besser, als wenn wir 
am anderen Tage die verklebte Baucliwunde losreissen 
müssen, um dem mit Peritonitis drohenden See re t Abfluss 
zu verschaffen. Namentlich bei Naht des Darms ist diese 
Vorsicht am Platz. Empfehlen doch eine Reihe von Au¬ 
toren, so namentlich E. Ilahn dieselbe Yorsichtsmaass- 
regel bei jeder Resection. 

Wir müssen eben auch hier an dem Grundsatz iest- 
halten. dass jede Wunde, die wir nicht selbst in 
reinem Gewebe unter aseptischen Cautelen setzen, 
als septisch anzusehen und demgemäss zu behan¬ 
deln ist. 

Waren wir bei den Schussverletzungen der Landpraxis 
oft nicht in der Lage in der von der Wissenschait em¬ 
pfohlenen Art und Weise vorzugehen, namentlich weil uns 
die zur Darmnaht und Resection nothwendigen Assisten¬ 
tenhände fehlten, so gilt solches nicht für die Schnitt- und 
Stichverletzungen der letzterwähnten Art. Hier ist es 
möglich wenigstens die eigenen -Hände, die Instrumente 
zu desinficiren. Ebenso unschwer ist es steriles Verband¬ 
material sich durch Kochen etc. herzustellen. Wir müssen 
also hier vom Landarzt dasselbe verlangen, was wir über¬ 
haupt bei Behandlung dieser Verletzungen als Regel auf- 
steilen. 

Sind wir schliesslich gezwungen weit von allen Hülfs- 
mitteln in der Bauernhütte oder unter freiem Himmel den 
Kranken in Behandlung zu nehmen, so geben uns die 
angeführten Zahlen ein Recht auch dem rein exspecta- 
tiven Verfahren keine ganz schlechte Prognose zuzu¬ 
sprechen. Hier würden wir etwa mit ausgekochten 
Tüchern die vorgefallenen Intestina bedecken, um den 
Kranken transportfähig zu machen, oder, ist uur Netz 
vorgefallen, oder gar die Diagnose der Verletzung des 
Peritoneum fraglich, durch Offenlassen der Wunde den 
Gefahren eventueller Complicationen, einer etwa schon 
stattgehabten Infection zu begegnen suchen. Wir werden 
dabei vielleicht manchen Kranken einbüssen, der unter 
günstigen Bedingungen noch zu retten gewesen wäre. 
Hierbei brauchen wir uns aber nicht auf das immer 
etwas missliche «ultra posse nemo obligatur» zu stützen. 
Denn so lange die Wissenschaft nicht klar und bündig 
die Indication stellt, so lange noch die Klinik zwei extremen 
Ansichten ihre Berechtigung zugesteht, hat der Prak¬ 
tiker das Recht, um nicht zu sagen die Pflicht, das minder 
gefährliche therapeutische Verfahren einzuschlagen, aus 
dem oft verachteten und bemängelten Grundsatz: nur 
nicht schaden, der, wohlverstanden, nicht den Mnth, 
wohl aber die Operationslust und die Vielgeschäftigkeit 
zügeln soll. 

Denn den Schwankungen, die die Wissenschaft, im 
Bestreben die Frage der Behandlung der perforirenden 
Abdominalverletzungen zu klären, gegenwärtig macht, 
kann und darf der praktische Arzt nicht folgen. Wohl 
aber kann er mitarbeiten an der Lösung dieser Frage. 
Und wenn es mir m. II. gelungen ist Sie dazu anzuregen, 
Ihre Erfahrungen auf diesem Gebiete den relativ wenig 
zahlreichen bisher veröffentlichten anzureihen, so dürften 
kommende Kriege vielleicht mit mehr Sicherheit auch auf 
diesem anatomischen Gebiet der cxspectativen und offenen 
Behandlung einen nicht blos geduldeten Platz einräumen. 

Ich erlaube mir als Beispiel dem Vorstehenden die 
kurze Schilderung einiger einschlägiger Fälle anzufügen, 
die ich, resp. meine Assistenten auf der unter meinei 
Leitung stehenden chirurgischen Abtheilung am hiesigen 
Bezirkshospital beobachteten und behandelten. 

Fall I. Perforirende Schnittwunde des Abdomens 
mit Verletzung des Darmes. Genesung. 

A. A. 17 J. a. wurde in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 
1892 beim Diebstahl ertappt und erhielt dabei mit einem Messer 
einen Stich in die Seite. Er sprang zwei Stock hoch aus dem 
Fenster, wurde dann von der Polizei ohnmächtig gefunden 
und in das Kreishospital gebracht. 


Status: Junger kräftiger Mann, gut genährt aber blass. 
Die Züge eingefallen die Haut, mit kaltem Sehweiss bedeckt. 

In der linken Seite tindet sich in der flucht der mittleren 
Axillarliuie eine von der Spitze, der II. Rippe beginnende nach 
unten vorne bis zur Höhe der Spina anterior sup. verlau¬ 
fende und diese um 2 Cm überschreitende. 10 Cm. lauge klaf¬ 
fende Wunde. Die Ränder derselben scharf geschnitten. Aus 
der Wunde sind mehrere Dünndarm-, eine Dickdarmschlmge 
und ein Stück Netz vorgefallen. 

; Operation: Die Wunde wird nach unten vorne verlängert. 

! Es linden sich reichliche Blutgerinnsel in der Bauchhöhle, 

‘ welche entfernt werden. Oie vorgefallenen Darmschlingen 
! werden mit gekochter Sodalösung gewaschen und mit Subliinat- 
compressen abgewischt. Der vorgefallene Tlieil des Netzes 
i wird nach Unterbindung mit dem Paquelin abgetragen. Repo- 
i sition der Eingeweide. Dabei linden sich an einer erst nach 
> der Incision prolabirten Dickdarmschlinge 2 lineare perlori- 
rende Schnitte von 2 resp. 17» Cm. Länge, schräg zur Längs¬ 
achse des Darmes. Ans ihnen sind geringe Mengen Koth aus¬ 
getreten und kleben an der Serosa des Darmes. Darmuaht 
nach Lembert-Czern v. Desinfectiou, Reposition. Die Bauch- 
wunde durch 8 tiefe, dös Peritoneum mitfassende und 1U ober¬ 
flächliche Nähte geschlossen. 

Opium. Eis. — Abends starke Schmerzen. Puls 132. Senso- 
rium nicht frei. Den 14. stat. idem Puls 110. Auftreibung nnd 
Druekemplindliehkeit des Leibes namentlich links, •— T. 37.6. 
15. 4 Nähte werden entfernt, es entleert sich etwas stinkende, 
trübe Flüssigkeit. Vorsichtige Irrigation, Marly-Drainage. —. 
Jetzt sinkt der Puls am 16. und 17. bis aut 70. Atu 19. wird 
noch eine Spannnaht entfernt. Der vorliegende Dickdarm eitrig 
belegt. Da Prolaps zu fürchten wird Uber lockerer draimrender 
Tamponade eine Sjlberdrahtsntur angelegt. Stuhl reichlich. 
Tamponade wird am 22. da der Puls wieder 100 erreicht, ge¬ 
wechselt. Tätlich Stuhl. Leib weich, schmerzlos. Am 2;>. Ent¬ 
fernung aller Nähte, die gut granulirende Wunde mit Heft¬ 
pflaster zusannnengezogen. Am 7. September »bit.verheilter 
Wunde entlassen. Die Narbe wölbt sich beim Husten mir 


müpsiff vor* 

Nach 6 Wochen stellt Pat. sich wieder vor. Die Narbe ist 
breiter geworden, wölbt sich jedoch nicht vor. Eine Ligatur 
stösst sich aus. , . , , 

II. Perforirende Stichwunde des Abdomens mit 
Netz Vorfall. Genesung. „ 

J. P. 25 J.a. giebt an, am 22. März 1892 Abends 8 Llir bei 
einer Schlägerei Messerstiche in den Arm und einen in den 
Leib erhalten zu haben. Die Wunde ist nach Desintection 
(Seife, Alkohol. Sublimat) sondirt worden. 

Status: 9 Uhr Abends. Am rechten Arm über dem Sulcus 
bicipitalis 1'/» Cm. lange Wunde. Brnehialis unverletzt. Am 
linken eine ähnliche über dem Bauch des Biceps. 

2 Quertinger über dem Nabel. 2 Queitinger von der Mittel¬ 
linie eine 2 Cm. lange etwas schräg gestellte W 7 unde aus der 
Netz in etwa kindsfaustgrossem Klumpen^ vorgefallen ist. 
In Chloroforvnnarkose Erweiterung der Wunde. Gekreuzte 
Massenligatnr des vorgefallenen Netzes. Abtragung über der¬ 
selben mittelst Paquelin. Reposition. Revision der anliegenden 
Därme die unverletzt erscheinen. Naht, der Baucliwunde mittelst 
4 tiefer und mehrerer oberflächlicher Nähte. Jodotorm, 
Trockenverband. Tinct. opii 2 stdl. 10 Tropfen. 

23. März. Abdomen schmerzhaft. Puls 94. etwas dikrut. 
Respiration beschleunigt, schmerzhaft. Galliges Erbrechen. 
T >7 8 

24. März. Zunge etwas belegt. Puls 104. Resp. 28 1 ernp. 37.9 
(Abend) Abdomen etwas aufgetrieben. Magengrube. Nabe.- 
gegend und linke Unt.evbauchgegend schmerzhaft bei Palpation. 
Die Umgebung der W 7 nnde sehr empfindlich, geschwollen. 
Entfernung der Nähte, die scliou etwas verklebte W uude wird 
geöffnet. Diese und die. zunächstliegenden Parmsehlingen mit 
eitrigem Belage bedeckt. Jodoformtamponade. Sublimatgaze- 
verband. 

25. Puls 92. Resp. 38. T. 37.5. Zunge feucht, besser, sonst 
Status idem. 

26. T. Morgens 36,9. Abends 37,4. Puls 81. Resp. 22. 

27. T. Morgens 36.9. Abends 37,4. Puls 70. Schmerzen lassen 

allmählich nach. . , 

29. Abdomen weich, schmerzlos. Zunge rein. Stuhl. Puls «4. 
Resp. 2t). Temp. normal. . 

4. April wird die W unde, die gut granulirt, mit Heftpflaster 
zusammen gezogen. 

Rasche Heilung. Kein Anprall beim Husteu. 

11. Geheilt entlassen. 

I IT. Vulnus porfor. Abdoni. (Lepra) Genesung. 

J. M. 24. a. n. erhielt atn 21. September 1892 in einem Streit 
mit einem Federmesser einen Stich in die Seite, wobei er 
fühlte, dass das Messer bis zur Faust des Gegners eindrang. 
Es entleerte sich aus der Wunde viel Blut, so dass das Hemd 
mit Blut getränkt wurde. . . 

Status 22. Sept. Grosser kräftiger Manu. Geringe Facies 
leoniea. Rücken, Brust nnd Extremitäten bedeckt mit Lepra¬ 
knoten. 


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496 


Tr: der linken Axillarlinie im IX. JCR.eine ca. 1.5 Cm. lange 
den Rippen parallel gestellte lineäre Wunde mit scharfen 
Rändern. Das linke Hypochoudrinm ist etwas vorgewölbt, Ab¬ 
domen mässig gespannt. Zwerchfell IV. JCR, Linke Seitenge¬ 
gend gedämpft. Abdomen gespannt, überall namentlich links 
hochgradig empfindlich, Temp. 38,6. Puls dikrot 120, Zange 
belegt und trocken (Peritonitis). 

Narkose 9 Uhr Abends. Schnitt von der Höhe der 11. Rippe 
20 Cm. abwärts von oben lateral nach unten medial, parallel 
d. Lig. Poupartii. Aus der geöffneten Bauchhöhle ergiesst sich 
reichlich flüssiges schwarzes Blut mit Fibringeiinnseln. Resec- 
tion eines Theiles der 11. Rippe. Da die Blutung zu stehen 
scheint, lockere Drainage-Tamponade mittelst Jodoformgaze, 
darüber einige Silberdrnhtsuturen. Grosser Verband. 

23. Temp. 38,3 Puls 100. Sec re t durchgetreten. Verband¬ 
wechsel. 

24. Abdomen weicher, weniger empfindlich. Unter Abfall der 
Temp. und Sinken der Pulsfrequenz rasche Besserung. Wechsel 
der Tamponade. Im Verlauf durch einen Besucher mit Rrysi- 
polas faclei inficirt. 

Am 26. October geheilt entlassen. 

IV. Schnssverletzung des Abdomen. Genesung. 

J. L. 20 a. n. giebt. an den 23. Juni Abends aus einer Ent¬ 
fernung von ca. 25 Schritt von einer 6 Mm. Revolverkugel 
in den Leih getroffen zu sein. 

Status den 24. Juni Abends 8 Uhr: kräftig gebauter gut 
genährter Mann. Puls 128 T. 37.2. In der rechten Mamillar- 
linie 4 Querfinger unter dem Rippenbogen eine dreieckig ge¬ 
rissene von hyperaemisohem Hof umgebene, im Durchmesser 
ca. 6 Mm. messende Einschussöffnung, mit unterminirten 
Rändern. 

Abdomen leicht, aufgetrieben, überall tympanitisch. Berührung 
sehr schmerzhaft, namentlich links neben dem Nabel. Leber- 
dämpfung nicht nachweisbar. Lungenstand etwas höher als 
normal. 

Bad, äussere Desintection. Jodoforni-Snblimntgaze Verband- 
2 stündl. 10 Tropfen T-ra Ojpii. 

Temperatur steigt bis 38,8 (den 29.) Puls 96-100. 

Am 30. reichlicher Stuhl. 

Den 3. Juli. Temp. 39.3. Puls jedoch 72. Von da ah Abfall 
der Temp. Abdomen wird weicher, weun auch noch hie und 
da schmerzhaft. 

Am 22. Juli d. h. nach 4 Wochen geheilt entlassen. 


Referate. 

E. L a n d o 11: Der gegenwärtige Stand der Staroperation. 

(Beiträge zur Augenheilkunde. Heft IV nnd V). 

Trotz der langen Zeit, seit welcher die Staroperation geübt 
wird und trotz der Häufigkeit ihrer Ausführung bestehen doch 
noch jetzt über die Einzelheiten der Indication und der Technik 
lebhafte Widersprüche, die sich sogar in letzter Zeit noch ge¬ 
steigert haben, seit von einigen hervorragenden Augenärzten 
die Starextraction ohne Iridectomie als die allein richtige ver- 
theidigt wird. Zur Lösung dieser Widersprüche hat L. den 
Weg der Sammelforschung gewählt; ans den ihm auf seine 
Anfrage zugesandten Antworten und aus zahlreichen früher 
veröffentlichten Berichten hat er die Meinungen einer grossen 
Reihe von Fachgenossen zusamroengestellt, von denen viele 
bisher weder in Berichten noch in Debatten der Congressa 
ihre Ansicht haben laut werden lassen. Obgleich natürlich 
nicht alle befragt werden konnten, so kann man doch wohl 
mit Recht diese Zusammenstellung, die nach Möglichkeit alle 
Anschauungen wiedergiebt, als das gegenwärtige, wenn auch 
nicht einheitliche nnd gleichlautende Urtheil der Fachgenossen 
über die Staroperation ansehen und als solches hat e« auch 
für weitere Kreise Interesse. Daher sei ein eingehenderes Re 
ferat über diese Arbeit hier gegeben. 

L. beschränkt sich anf die Operation des Altersstars 
durch Extraction. Die Meinungsverschiedenheiten über die 
Art der Ausführung bei gleich competenten Beurtheilern führt 
er auf mehrere Ursachen zurück: den Mangel der Klarheit in 
der Definition der Reife des Stars, das Temperament, des Pa¬ 
tienten, die Persönlichkeit des Operateurs u. s. w. Aber trotz 
aller berechtigten Verschiedenheiten, kann man doch Grenzen 
ziehen, ans denen der Operateur nicht weichen soll, und in 
gewissen Punkten fast allgemeine lieberEinstimmung finden. 
Letzteres z. B. für die Operirbarkeit des Altersstarn 
wenn er reif (ganz getrübt) ist: ist er noch unreif, so linltes 
Manche die Operation schon für erlaubt, wenn ’/a der Linse 
getrübt, oder nur anf 0,3 resp. 3 Meter Finger gezählt werden. 
Andere wenn der Patient 50 -60 Jahre alt ist; richtiger ist 
wohl Alf. Graefe’ s Meinung, dass unreife (d. h nicht vollstän¬ 
dig durchsichtige) Stare dann gefahrlos extrahirt werden 
können, wenn sie sehr langsam reifen (meist gelbbraune Kern- 
trübnngen, schalige Trübungen der Corticalis etc.) Bei anderen 
Starformen ist, wenn das Interesse des Kranken die baldige 
Operation erfordert, die künstliche Reifung nothwendig. 


Diese geschieht, durch Massage des Auges nach Iridectomie 
resp. Punction der vorderen Kammer oder durch DisciRsion 
der vorderen Linsenkapsel eventuell mit Massage. 

Fast alle Operateure gebrauchen das Graefe’sche Star¬ 
messer und führen den Schnitt, der etwas grösser als der 
Star sein muss, im Limbus der Cornea und zwar meist im 
oberen Tlieil; wenige im unteren, ihre zahlreichen Operationen 
beweisen aber, dass diese Schuittanlage. bei der die ganze 
Operation leichter ausführbar ist. keine schlechteren Resultate 
giebt. Der eben viel umstrittene Punkt ist die Iridectomie. 
Obgleich nun in letzter Zeit fast nur Stimmen laut geworden 
sind, welche die Staroperation ohne Iridectomie als das Nor¬ 
malverfahren angeseheu wissen wollen, hat die Anfrage das 
interessante Resultat ergeben, dass die weitaus grösste Zahl 
der Augenärzte für gewöhnlich mit Iridectomie operirte, ins¬ 
besondere in allen schwierigen und complicirten oder unsiche¬ 
ren Fällen, während sie die Starextraction ohne Iridectomie 
nnr ausnahmsweise in deu geeigneten Fällen (reifer Star, reiz¬ 
loses Auge, ruhiger Patient etc.) machen. Letztere hat den 
Vorzug der rascheren Ausführung nnd des schönen cosrne- 
tischen Resultats, die sonst gerühmten Vorzüge sind nicht 
anzuerkennen, ebensowenig wie die der Extraction mit Iridec¬ 
tomie falscher Weise gemachten Vorwürfe: grösseres Tranma, 
Hässlichkeit, Blendung, schlechteres Sehresultat. Dagegen be¬ 
steht bei der Extraction ohne Iridectomie in viel höherem 
Grade die Gefahr des Vorfalls und der Einklemmung der Iris 
mit allen schädlichen Folgen (Iridocyclitis, spätere Infection) 
und die Reinigung des Pupillargebietes von den Corticalmassen 
ist eine viel schwierigere, weshalb leich’er Iritis durch nach¬ 
bleibende Reste entstehen kann. Somit giebt die Extraction 
mit Iridectomie grössere Sicherheit für den Erfolg, als die 
ohne; die grösste Sicherheit für den Erfolg bietet aber, nach 
allgemeiner Uebereinstiramung. eine der Extraction etwa secha 
Wochen vorausgehende vorbereitende, Iridectomie, welche 
bei unreifen Staren in Verbindung mit Massage der Cornea 
auch das Reifen befördert- — Die periphere Kapseleröff¬ 
nung ist jetzt fast ganz verlassen, da sie stets Nachoperatio¬ 
nen erfordert; ebenso hat das Verfahren, gleich während des 
Cornealschnittes die Kapsel mit dem Starmessev zu dnreh- 
sehneiden, wenig Anhänger: fast allgemein dagegen ist die 
horizontale, verticale oder dreieckformige Zerreissitng der Kap¬ 
sel mit der Fliete, worauf noch die Entfernung eines Stückes 
der Kapsel mit der gezähnten Pincette folgen kaun. Letztere 
wird auch allein oft mit gutem Erfolg angewandt, wo die 
Kapsel nicht zu starr ist, und bisweilen gelingt es an der ver¬ 
dickten Kapsel den ganzen Star herauszuziehen. — Die Pa¬ 
gen stecher’sc he Extraction in der Kapsel vermittelst der 
Schlinge hat nnr in ganz geeigneten Fällen in Anwendung 
zn kommen. — Sehr wichtig ist die sorgfältige Reinigung der 
Pupille von Corticalmassen, wozn sich ausser der Massage mit 
den Augenlidern das angesammelte Kammerwasser am besten 
verwenden lässt, während den Ausspülungen der Kammer, 
selbst mit nicht reizenden Substanzen, doch ernste Bedenken 
entgegenstehen. — 

Die Nachoperationen nach der Extraction sind ausser 
Iridectomie und Iridotomie, die boi Pnpillarverschluss am 
Platz sind, die Extraction und besonders die Discission 
des Nachstars. Sie werden um so häufiger nothwendig, je 
peripherer die Kapseleröffnung, je unreifer die Corticalmassen 
gewesen und je weniger sorgfältig die letzteren entfernt wer¬ 
den bei der Opern tion. Die hauptsächlich geübte Discission 
wird von Vielen mit Recht mehr gefürchtet, als die Starope¬ 
ration selbst, da sie wohl in Folge der stets dabei statttindeu- 
den Glaskörperverwundung öfter Infection und Verluste giebt. 

Ausgefiihrt wird sie am besten mit dem Knapp sehen Messer¬ 
chen oder zwei Nadeln resp. zwei Häkchen. Jede Zerrung 
des Ciliarkörpers ist sorgfältig zu vermeiden. Findet sich nach 
der Operation ein Glaskörperfaden, der bis in die Wunde der 
Cornea zieht, so ist er mit dem Galvanokauter abzubrennen. 

Die Versuche, das operirte Auge nach der Extraction des 
Stares ohne Verband zu lassen, werden natürlich allgemein 
verurtheilt. Die Art des Verbandes ist eine recht verschiedene, 
doch erreicht wohl jede ihren Zweck: das Auge zu schützen 
nnd in Ruhe zu stellen. Da letzteres bei ambulatorischem Ope- 
riren nicht möglich ist., so ist dasselbe trotz Empfehlung ein¬ 
zelner Aerzte durchaus zu verwerfen. 

Die gegenüber den früheren wesentlich günstigeren Opera¬ 
tion srosul täte des letzten Jahrzehntes sind zum grossen Tlieil 
der allgemein als nothwendig anerkannten Asepsis lind An¬ 
tisepsis zuzuschreiben. Vor Allein muss jeder Gegenstand, 
der mit dem Auge in Berührung kommt, sorgfältig aseptisch 
emacht sein: die Hände des Operateurs durch Waschen mit 
eife, Eintauchen in Alkohol und dann in eine antiseptische 
Lösnng; die Verbandgegenstände und Collyrien durch Sterili- 
sirung im Apparat; die Instrumente durch Einlegen in kochen¬ 
des Wasser oaer besser in antiseptische Lösung, als welche 
neuerdings besonders empfohlen ist einfaches Cyanquecksilber 
1 :100—209zehn Minuten lang, dann 1:1500 bis znr Operation. 
Die Asepsis des Operationsfeldes ist wegen der Sec.retion sei¬ 
tens der Conjunctiva nnd der Verbindung zwischen Nasenhöhle 


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und Conjnnctivalsack besonders aber bei Thränensaekeiterun- 
gen nicht mit Sicherheit zu erreichen, aber stets anznstreben. 
Sie wird am besten erreicht durch wiederholte sorgfältige 
Auswaschungen des Coniunctivalsackes mit schwachen anti- 
septischen Lösungen: Sublimat 1:5000, Quecksilberbijodiir 
1:20000, Cyanquecksilber 1:1500; stärkere Lösungen reizen, 
verstärken die Secretion und erhöhen die Infectionsgefahr. 
Die Wirkung der Auswaschung ist eine chemische und me¬ 
chanische. Besondere Berücksichtigung verdienen die Thränen- 
wege, die mit einer der obigen Lösungen auszuspritzen, bei 
Eiterung vorher sorgfältig zu behandeln sind. Eiuige Aerzte 
pulvern den inneren Augenwinkel nach der Operation stets 
voll Jodoform, andere veröden die Thränenkanälchen mit dem 
Galvanokauter oder durch Anfrischung und Vernäkung. 

Schliesslich ist die allgemeine Sauberkeit und die sorgfäl¬ 
tige Auswahl der Wärter und Wärterinnen von grösster Be¬ 
deutung. 

Bei genauer Beachtung aller dieser neueren Erfahrungen 
bei der Staroperation sind die Gefahren derselben bedeutend 
geringer als früher; die richtige Beurtheilung der Starform, 
die passende Wahl der Operationsmethode und die persönliche 
Geschicklichkeit werden aber stets die Erfolge des einzelnen 
Arztes beeinflussen. Schroeder. 


BUcheranzeigen und Besprechungen. 

C. üordon Brodie: Dissections illustrated. A graphic 
handbook for students of human anatomy. With 
plates drawn and lithographed by Percy Highley. 
Part I. London and New-York, Whittaker et Co. 1892. 

Wenn in England ein neues anatomisches Bilder werk er¬ 
scheint, erwartet man eine vollendete Leistung; ist doch die 
englische Literatur gerade auf diesem Gebiete überreich an 
altberühmten Monumentalwerken. Die uns vorliegende erste 
Abtheilnng des oben genannten anatomischen Atlas braucht 
keinen Vergleich mit andern ähnlichen Ausgaben zu scheuen. 
Sie enthält auf 17 chromolitoographischen Tafeln, die P. 
Highley nach von Brodie augefertigten Präparaten herge¬ 
stellt hat, verschiedene Ansichten der oberen Extremität in 
*/• der natürlichen Grösse. Die dargestellten Musterpräparate 
sollen nach Brodie’s einleitenden Worten den Studenten bei 
Sectionsübungen als Vorlage dienen und ihm später die Erin¬ 
nerung an seine eigenen praktischen Arbeiten auffrischen 
helfen. Bef. glaubt, dass das Werk eben solchen Nutzen allen 
Aerzten bringen wird, die sich zu praktischen Zwecken kürzer 
und anschaulicher als nach Beschreibungen über anatomische 
Fragen orientiren wollen. Bei etwas grösserer Berücksichti¬ 
gung der Oberflächenanatomie und der Fascien würde ein 
aasgezeichneter Atlas der topographischen Anatomie entstan¬ 
den sein; doch lag ja die Herstellung eines solchen nicht in 
der Absicht des Verfassers. Die Präparate Brodie’s sind da¬ 
durch mustergiltig, dass sie mit grösster Deutlichkeit alle 
Gebilde (Muskeln, Gefässe, Nerven) zeigen, ohne sie aus ihrem 
natürlichen Zusammenhang zn lösen. Die Zeichnungen sind 
künstlerisch und durchaus naturgetreu gemacht und lassen durch 
Colorirung (Muskeln röthlich, Arterien rotli, Venen blau, 
Nerven weiss) Alles plastisch hervortreten. Wo dem Zeichner 
ein kleiner lapsus calami passirt ist, wird in dem kurzen be¬ 
gleitenden Text darauf hingewieseu. Die Verlagshandlung hat 
bezüglich der Ausstattung Alles gethan, um auch den streng¬ 
sten Anforderungen zu genügen. Fügen wir noch hinzu, dass 
der Preis des Werkes ein im Verhältniss zum Gebotenen ge¬ 
ringer ist (für den ersten Theil ca. 4'/« BbL), so dürfen wir 
wohl die Erwartung aussprechen, dass das schöne Unterneh¬ 
men grossen Erfolg haben wird. Es ist nur zu wünschen, dass 
die Ausgabe der übrigen 3 Ti teile nicht lange auf sich warten 
lässt. W a n a c h. 

A. Strümpell: Lehrbuch der speciellen Pathologie und 

Therapie der inneren Krankheiten. Siebente Auflage; 

I Band, II Band II Theil. Leipzig F. 0. W. Vogel 1892. 

Es ist bekanntlich nur wenigen Werken beschieden, sielt 
einer so allgemeinen Beliebtheit und Verbreitung zu erfreuen, 
wie dem soeben zum 7. Male in 9 Jahren erschienenen Lehr- I 
buche Strümpell’s. Fast als Luxus möchte es erscheinen, 
wollten wir dasselbe an dieser Stelle noch einmal eingehender 
besprechen, aber wir möchten nicht unterlassen auf einige 
Vorzüge der neuen Auflage aufmerksam zu machen. Sie stellt 
eine sorgfältige und erweiterte Umarbeitung der letzten Aus- j 
gäbe vor; es sind nur wenige Capitel unverändert geblieben, j 
Die Influenza, die Weil'sehe Krankheit, die Behandlung der ' 
Lungentnberculose, die Diagnostik der Magenkrankheiten 
u. v. a. haben eine ausführliche und würdige Behandlung er¬ 
fahren und allenthalben ist Verf. bemüht gewesen daserprobte 
und feststehende an geeigneter Stelle einzufügen, sodass das 
Werk ein treues Spiegelbild unseres heutigen Wissens dar¬ 
stellt. Nach bisherigem Grundsatz ist auch iu der neuen Anf¬ 


lage das Hauptgewicht auf eine «Beleuchtung der Entstehung 
und des Zusammenhanges der einzelnen Krankheitserschei- 
nungen» gelegt worden. Was den äusseren Theil des Werkes 
betrifft, so ist einem fühlbaren Bedürfnisse durch Beifügung 
eines Inhaltsverzeichnisses zum I Bande Abhilfe gethan worden, 
sodass nunmehr jeder Band einen selbstständigen Index besitzt. 
Im Uebrigen ist das Werk prächtig ausgestattet uud lässt 
nichts zu wünschen übrig. Eine besoudere Besprechung des 
schönsten Bandes des Lehrbuches über «Krankheiten des Ner¬ 
vensystems» behalten wir uns für eine der nächsten Num¬ 
mern vor. Kallmeyer. 


Protokolle des Vereins St. Petersburger Aerzte. 

Sitzung am 24. November 1892. 

1. Herr Lunin stellt eine Patientin mit Skieroma laryn¬ 
gis vor: 

Pat. ist 12 Jahre alt, sie stammt ans dem Moskauschen Gou¬ 
vernement und lebt seit 2 Jahren in Petersburg. Krank fühlt 
sich Patientin erst seit einem Jahr. Anfangs wurde die Stimme 
heiser, dann stellte sich Athemnoth ein, die besonders Nachts 
sich bis zu leichten Erstickungsanfällen steigerte. Ein Er- 
sticbungsanfall war so stark, dass Pat. ^anz cyanotisch wurde 
und noch in der Nacht von den Eltern in ein Hospital trans- 
portirt wurde. Dort Hess man die Pat. inhaliren und der An¬ 
fall verging. Pat. hatte sich mit ihrem Leiden in verschiedene 
Hospitäler gewandt. Man veronlnete ihr Inhalationen, der 
Kehlkopf wurde ihr gepinselt, doch fühlte Pat. davon keine 
Erleichterung. Vor etwa 2 Monaten kam sie in die Ambulanz 
des Elisabeth Kinder-Hospitals und dort fand Vortr. bei der 
ersten Besichtigung folgenden Status: 

Die Stimme vollkommen heiser; während der Inspiration 
leichtes Stenosengeränsch liörbai. Der Pharynx, die Epiglottis 
und die Taschenbänder normal. Statt der Stimmritze sieht 
man einen schmalen lanzettförmigen Spalt, dessen Ränder 
von angetrockneten Borken, von bräunlich gelber Farbe, ge¬ 
bildet werden. 

Nachdem die Borken durch Inhalationen von Sodalösung 
entfernt waren, sah man unter den Stimmbändern geschwulst¬ 
artige Wülste hervortreten, die am vorderen Winkel der 
Stimmritze beginnen, sich darauf nach hinten auf die hintere 
Wand des Kehlkopfes ausdehnen und hier auf einander znsam- 
menstossen. Diese Wülste überragen nach innen die Stimm¬ 
bänder und gehen allmählig in den freien Rand derselben 
über. Die Schleimhaut auf diesen Schwellungen ist mit grau- 
weissem Schleim bedeckt, zeigt aber nirgends ein Geschwür. 
Vortragender hält diesen Fall für ein «Skieroma laryngis» 
und giebt einen kurzen Ueberblick über die Lehre von Skle- 
rom der Schleimhäute. 

Behandelt wurde Patientin mit den O’Dwy er’schen Tuben. 
Anfangs wurden ganz kleine eingeführt, dann immer grössere 
und zuletzt eine Tube, die eigentlich für Erwachsene bestimmt 
ist. Unter dem Druck der Tuben begannen diese Schwellungen 
sich zn verkleinern uud sind jetzt zum grössten Theil ge¬ 
schwunden: nur unterhalb der proc. vocates sieht man boidov- 
seits noch Ueberreste dieser Schwellungen. Tiefer im Kehlkopf 
und im Anfangötheil dor Trachea sieht man gleichfalls Borken¬ 
bildung und Vortragender spricht die Vermntiiung aus. der 
Process könne sich auf die Trachea ausdehnen. 

In Anbetracht dessen, dass das Sklerom in Petersburg so 
überaus selten vorkommt und ferner, dass diese Krankheit so 
sehr langsam verläuft, glaubt Vortragender annehmen zu 
dürfen, Pat. sei in der Heimath erkrankt und hier erst habe 
das Uebel solch einen Grad erreicht, dass es zu merkbaren 
Störungen kam. 

Nach dem Vortrage wird Pat. laryngoskopirt und von Herrn 
Lunin intubirt. Der laryngoskopische Befund wird auch durch 
Abbildungen erläutert. 

2. Herr Peters hält einen zum Druck bestimmten Vortrag 
«über die elektrolytische Behandlung der Angiome» 
und stellt zwei so behandelte Fälle vor: 

1. Kind 7 Monate alt; prominentes Augiom hinter dem rech¬ 
ten Ohr; nach 5 maliger Elektrolyse ist dasselbe ganz flach 
geworden. 

2. Kind 2 Jahre und 3 Monate alt; pflaumengrosses promi¬ 
nentes Angiom der linken Wange, nach 6 monatlicher Behand¬ 
lung bis auf unmerkliche Spuren ganz geschwunden. 

Die ursprünglichen Dimensionen der betr. Angiome werden 
durch Gypsabgüsse illustrirt. 

Herr Hagen-Tom glaubt der Elektrolyse, einen gewissen 
Werth für die Diagnose beimessen zu dürfen in den Fällen, 
wo ein Angiom scheinbar unmerklich in ein Sarkom übergeht. 
Er erwähnt besonders der Fälle von itlcerirendem Angiom (An- 
giosarkoiu?) des Rückens. 

Herr Peters hat oberflächliche Ulceration von Angiomen 
an solchen Körpers teilen, die benetzt werden, und in Haut¬ 
falten gesehen. 


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Herr Anders erinnert sich eines solchen Falles von ulceri- 
rendem Angiom des Rückens, wie Ha gen-Tom sie erwähnt. 
Es wäre zu wünschen, dass man auch inoperable Fälle elektro¬ 
lytisch angreifen könnte. 

' Herr Peters hält einen Versuch an inoperablen Fällen mit 
Benutzung entsprechend stärkerer Ströme für angezeigt, da 
selbst Aortenaneurysmen erfolgreich mit der Elektrolyse be¬ 
handelt worden sind. 

3. Herr Hagen-Torn spricht «über die Wirkung des 
Choleragiftes auf den Organismus*. 

(Der Vortrag ist zum Druck bestimmt), 
ln Bezug anf die subcutanen Wasseriujectioneu ergiebt die 
Discussion einen Widerspruch zwischen den Erfahrungen des 
Vortr. und denjenigen der Herren Kernig und Sieni; wäh¬ 
rend Ersterer fand, dass die Resorption des injicirten Wassers 
nur langsam, mit Hilfe von Massage der sich im subcutanen 
Gewebe bildenden Beule, von statten ging, sahen die beiden 
Letzteren bei Benutzung der Spritze sowohl wie des Irrigators 
meist, rapide Aufsaugung grosser Quantitäten ('/a—1 Liter; 
ohne Nachhilfe durch Massage. Secretair E. ß 1 e s s i g. 


Kleinere Mittheilungen und therapeutische Notizen. 

— Simmonds (Prosector am Hamburger-Krankenhausej 
suchte die Frage zu lösen, ob Fliegen das Choleragift über¬ 
tragen können. Zuerst setzte er 9 Fliegen auf einen frischen 
Choleradarm, that dann jede für sich in eine weite Flasche, 
wo sie sich frei bewegen konnte. Nach verschiedenen Zeit¬ 
abschnitten (von 5—45 Minuten) übertrug er dann je eine 
Fliege in ein Röhrchen mit geschmolzener Gelatine, schüttelte 
ut um und goss Platten aus. Nach 48 Stunden waren auf 
en ersten 6 Platten unzählige Kommabacillencolonien ge¬ 
wachsen, auf der 7. 1000, auf der achten 32, auf der 9. wieder 
zahllose Heerde, Bei einem 2. Versuche setzte Simmonds 0 
Fliegen unter eine Glocke, auf deren Boden ein Choleradarm 
ausgebreitet war, darauf brachte er sämmtliche Fliegen in 
einen grossen Kochkolben, wo sie 1 ’/a Stunden durcheiuder 
liefen und flogen, schliesslich übertrug er jede einzelnein Ge- 
latinröhrchen; anf jeder Platte wuchsen unzählige Kolonien 
von Cholerabacillen aus. Aus diesen Versuchen schliesst 
Simmonds, dass lebende Cholerakeime an fliegenden lnsecten 
sich erhalten können, weshalb eine Verschleppung auf grössere 
Entfernung stattflnden kann. Es ist demnach zu empfehlen, 
alle mit Cholera dej ec tionen beschmutzte Gegenstände bis zur 
Desinfection sorgfältig gedeckt zu halten und au infieirten 
Orten auf’s peinlichste zu sorgen, dass Fliegen feuchte und 
flüssige Speisen nicht berühren können. 

(Deutsche medic. Wocheuschr. Nr. 41). 


Vermischtes. 

— Zum Nachfolger des verstorbenen Prof, einer. Dr. llauB- 
surow auf dem Lehrstuhl für Hautkrankheiten und Syphilis 
au der Moskauer Universität ist der bisherige ausseretat- 
miiasiffp. ausserordentliche Professor und Oberarzt des Mjas- 
snizkischen Krankenhauses in Moskau, Dr. A. J. Pospjelow, 
ernannt worden, unter Belassung im Amt de« Oberarztes des 
genannten Krankenhauses. 

— Verstorben: 1) Am 14. December in Peterhof der 
älteste der noch lebenden ehemaligen Jünger der Dorpater 
Universität und wohl auch der älteste Arzt Russlands, Stabs¬ 
arzt wirkt. Staatsrath Dr. Alexander Avenarius, im fast 
vollendeten 94. Lebensjahre. Der Hingeschiedene war am 19. 
December 1798 in 8t. Petersburg geboren und bezog im Jahre 
1816 die Dorpater Universität, um Medicin zu studiren. Seine 
ärztliche Thätigkeit begann A. als Ordinator am Obuehow- 
hospital in 8t. Petersburg und war dann successive Arzt 
beim Grossfürsten Constantin Pawlowitsch in Strelna, 
Hofarzt in Peterhof, Oberarzt am städtischen Kalinkin-Hospital 
in St. Petersburg, zugleich auch Mitglied des Curatoriums des 
Alexander-Marien-lnstitut8 iu Warschau. Im Jahre 1885 wurde 
Dr. Avenarius unter Zuzählung zur Eigenen Kanzelei Sr. 
Majestät für die Anstalten der Kaiserin Maria verabschiedet 
und lebte, bis in sein hohes Alter sich körperlicher und geisti¬ 
ger Frische erfreuend, seit dieser Zeit in St. Petersburg und 
zuletzt in Peterhof. 2) Am 24. November in Jalta Dr. A. 0. 
Ssabsowitsch im 31. Lebensjahre. 3) Der in der Reserve der 
Militär-Medicinalverwaltung stehende Arzt W. Ssojagin. 
4) In Tiflis der dortige Arzt Antonianz. 

— Die als Vertreter der Berliner Universität in Padua an¬ 
wesenden Professoren von llelmholtz und Förster aus 
Berlin wurden unter dem lebhaftesten Jubel, des Professoren - 
collegiums und der Studentenschaft voll dem italienischen 
Unterrichtsminister Martini mit dem Ehrenlorbeer be¬ 
kränzt und zu Ehrenmitgliedern der Universität 
Padua ernannt. 

— Wie verlautet, sollen die sechs grossen medicinischen Ge¬ 
sellschaften Londons unter dem Namen einer «Königlichen 


Academie der Medicin» in eine einzige vereinigt werden, 
(A. m. C.-Ztg.). 

— In Berlin wird vom l. Januar an eine neue Zeitschrift 
unter dem Titel «Medicinische Reform» erscheinen, 
welche speciell den ärztlichen Standesfragen gewidmet sein 
wird. 

— Der Professor der militär-medicinischen Akademie Dr. 
Jul. Tschudnowski ist von der Redaction der hierselbst 
erscheinenden «Botkin’schen Hospital-Zeitung» zurück¬ 
getreten. 

— Dem bekannten russischen Bakteriologen, Prof. J. 

Metschnikow, ist von dem Präsidenten der französischen 
Republik das Officierskreuz der Ehrenlegion ver¬ 
liehen worden. 4 

— Die Moskauer Abtheilung der Gesellschaft zur Wahrung 
der Volksgesundheit und die Gesellschaft der Naturforscher 
und Aerzte in Tomsk haben Louis Pasteur anlässlich seines 
70. Geburtstages zu ihrem Ehrenmitgliede gewählt. Die 
letztgenannte Gesellschaft, sowie die Odessaer Gesellschaft 
der Aerzte und die Odessaaer Naturforscher-Gesellschaft ver¬ 
anstaltete Pasteur zu Ehren an diesem Tage Fest¬ 
sitzungen. 

— Wie die «Russkaja Shisn» erfährt, hat der Minister der 
Volksaufklurung alle Studenten der Universität Tomsk, 
welche au der Bekämpfung der Choleraepidemie theilgenommen 
haben, von der obligatorischen Zahlung zum Besten 
der Universität und der Professoren für die ganze Zeit 
bis zur Absolvirung des Cursus befreit. 

— Die Stadtduma von Cherson hat das Stadtamt beauf¬ 
tragt, den Doctoren Silberstein, Popper und Ssotni- 
tscliewski für die uuentgeltliche Leitung der städtischen 
Cholerabaracken den Dank seitens der Stadt zu über¬ 
mitteln und den acht Aerzten, welche unentgeltlich in den 
Cholerabaracken thätig gewesen sind, Jetons zn über¬ 
reichen. 

— Nach dem Jahresbericht der Dorpater Univer¬ 
sität für das Jahr 1892 betrag die Zahl der Studi- 
reuden und Pharmaceuten zum 1. December dieses Jahres 
1620, von denen der grösste Theil, nämlich 854, der medici¬ 
nischen Facnltät augjhört; es folgen dann die theologische 
Facuitat mit 239, die physiko-mathematiaehe mit 179, die 
juristische mit 126 die historisch-philologische mit 71 Stu- 
deuten, wozu noch 151 Pharmaceuten kommen. Freie Zuhörer 
giebt es 9. Gegen den 1. December 1891 hat sich die Zahl der 
Studirenden und Pharmaceuten um 15 vermindert. 

Zum Lehrpersonal der Universität gehören gegen¬ 
wärtig 81 Personen, und zwar: 1 Professor der orthodoxen 
Theologie, 37 ordentliche und 10 ausserordentliche Profes¬ 
soren, 13 Docenten, 1 stellv. Docent der Baukunst, 1 gelehrter 
Apotheker, 1 Observator, 2 Prosectoren, 8 Privatdocenten, 
3 Lectoren, 2 Lehrer der Künste, l Lehrer der zahnärztlichen 
Technik (ausseretatmässig) und 1 römisch-kathol. Religions¬ 
lehrer. Im Verwaltnngswe8en der Universität sind 51 
Beamte angestellt. 

In der medicinischen Facultät sind sämmtliche Lehr¬ 
stühle besetzt, nachdem an Stelle des Prof. Unverricht, 
welcher nach Magdeburg iibersiedeite, Dr. Stepan Wassi- 
Ijew zum ord. Professor der speciellen Pathologie und The¬ 
rapie ernannt worden ist. 

Betreffs der wissenschaftlichen Institute der medi¬ 
cinischen Facultät ist folgendes hervorzuheben: 

Die Zahl der in den klinischen Anstalten vom 1. Dec. 
1891 bis 1. Dec. 1892 theils stationär, theiis poliklinisch be¬ 
handelten Kranken betrug 15,425, and zwar: in der medici¬ 
nischen Klinik 5570, in der chirurgischen 3224, in der ophthal- 
lnologischen 3312, in der Frauenklinik 1970, in der psychi¬ 
atrischen Klinik 571, in der Universitäts-Abtheilung des Be¬ 
zirks-Hospitals 256, in der Abtheilung der Chirurg. Klinik für 
Zahnkrankheiten 522. — lm pathologischen Institut 
wurden vom 1. Dec. 1891 bis 1. Dec. d. J. 93 Leichen obdn- 
cirt und im gerichtsärztlichen Institut 157 Sectionen 
ausgeführt. 

Betreffs der Robert Heimbürger’schen Stiftung wird 
zur Kenntniss gebracht, dass das Conseil der Universität das 
Reiseslipendium im Betrage von 1024 Rbl. in diesem Jahre 
dem Privatdocenten der Physiologie Dr. Friedrich Krüger 
und die volle Prämie für wissenschaftliche Werke im 
Betrage von 512 Rbl. dem Pastor Dr. A. Bielenstein (in 
Kurland) für sein Werk «Die Grenzen des lettischen Volks¬ 
stammes und der lettischen Sprache in der Gegenwart and 
im 13. Jahrhundert» (St. Petersburg 1892) znerkannt hat. 


Nächste Sitzung des Vereins St. Peters¬ 
burger Aerzte Dienstag den 5. Januar 189a 

Empfang der Mitgliedsbeiträge für das nächste Jahr. 

Nächste Sitzung des deutschen ärztli¬ 
chen Vereins Montag den 11. Januar 1898. 


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RUSSISCHE MEDICINISCHE LITERATUR. 


Beilage zur «St. Petersburger Medicinischen Wochenschrift». 


1892. 


RUSSISCHE MEDICINISCHE ZEITSCHRIFTEN. 


Archiw psichiatrii, neirolqii i ssndebnoj psichopatologn. (Archiv ; 

für Psychiatrie,Neurolgie u. gerichtliche Psychopathologie;. . 
Bolnitschnaja gaseta BotSna. (Botkin’s Hqspitalzeitung). 
Chirurgitcheskij westnik. Chirurgische Zeitschnft). 

Medizina. (Medicin). 

Medizinskoje obosrenje. (Mdicinische Bundschau). , 
Medizinskija pribawlenija Imorskomu sborniku. (Medicinische j 
Beilagen zum Marine-Achiv). 

Meshdunarodnaja klinika. (Iternationale Klinik). 
Praktitscheskaja medizina. Craktische Medicin). 

Russkaja medizina. (Russiscl Medicin). 

Seraskij wratsch. (Der Landet). ___ 


Shnrnal akuscherstwai shenskich bolesnqj. (Journal für Geburts¬ 
hilfe und Frauenkrankheiten). _ , 

Westnik oftalmologii. (Zeitschrift für OphthaimMogie). 
Westnik klinitscheskoj i ssudebnoj psichiatni i neironatologii. 

r;;.. b-Uniafho und aAriehtliche Psychiatrie und 


w (Kri« 

WestSKsdltscSwenno^ gigteny, ssudebnoj i Prakütcheskoj 
mediziny. (Zeitschrift für öffentliche Hygiene, gerichtliche 
und praktische Medicin). . . , 

Wojenno-medizinskij shnrnal. (Militär-medicinisches Journal). 

Wratsch. (Der Arzt). 


Wratsch 189. Ns 38-44. 


J. L. Januschkewitsch: «»,ber einen neuen Apparat zur 
Messung des faradischen S-omes bei therapeutischer Ver- 
werthung desselben». (Inditometer). (Nr. 39). 

Vorläufige Mittheilung. 


späteren Perioden (4-15 Tage nach der °Pf™ ti “H ) m| Sff i “ b n i ‘ 
eine Zunahme der Harnstoffmenge., welche sich allmälig bis 

zur Norm steigern kann. 


W. N. Kotschetkow: <Morphologische Veränderungen des 
‘ ßiutes bei Scarlatina». (Nr. 41). 


W. Belschew: «Zur Frage vc der Wirkung 35° Salzbäder 
auf Schwindsüchtige». (Nr. 1). 

Vorläufige Mittheilung: 


Ssokolow, Tschulkow u. Schmanski: «Ueber die Wir¬ 
kung 35° C. Bäder mit Zusatz on Ol. pini svlvestri aether. 
auf den gesunden Menschen Cr. 40). 

Vorläufige Mittheilung. 


Die in dieser interessanten Studie beobachteten Veränderun¬ 
gen an den Blutkörperchen, in Sonderheit die Alterationen im 
Verhalten einzelner Formen der weissen Blutkörperchen, wur¬ 
den mit solcher Regelmässigkeit constatirt, dass schon im Be- 
e-inne der Erkrankung aus solchen Befunden sichere Schlüsse 
auf den weiteren Verlauf der Krankheit gemacht werden 
können Wir verweisen den Leser auf das Original, da eine 
Wiedergabe der Resultate in gekürzter Form ungeeignet er¬ 
scheint. 


L. 0. Darkschewitsch: «Erklärungen der Gelenke und 
Muskeln bei cerebralen Hemipleien». (NNr. 36, 38, 40). 


W W. Ssutugin: «55 Laparotomk ausgeführt in Moskau». 

(NNr. 37, 38, 40). 

Von 55 Operirten starben 8 = 14,5pCt. Mortalität. Aus der 
Zahl der Todesfälle sind 3 Fälle ausanehmen, in welchen der 
exitns letalis nicht direct durch die beration bedingt wurde; 
es wäre dann eine Mortalität von 9,6 iCt. zu verzeichnen. Da 
viele der Operirten «schwere» Fälle wren, ist nach S. dieser 
Procentsatz als ein massiger zu bezeianen. Details sind im 
Originale nachzusehen. 


K. Schulz: «Luxation der Tibia nach hinten». (Nr. 41). 

Ausführliche Krankheitsgeschichte eines Falles, in welchem 
diese seltene Form der Luxation beobachtet wurde. 


P. K. Gorbatschow und W. A. Iguaowitsch: «Zur Mas- 
senuntersuchung der Sputa auf Tuferkelbacillen beim Mi¬ 
litär». (Nr. 41). 

Die an 142 Untermilitärs des Kopal’süen Komandos ange- 
stellten Untersuchungen ergaben, dass TJA pCt. derselben an 
Tuberculo8e litten. Diese den für die gaze Armee berechne¬ 
ten Procentsatz (0,41) bedeutend übersteigmde Ziffer wird zum 
Theil durch die ungünstigen Bedingungen, unter welchen sich 
das Komando zeitweise befindet, zu erkläret Bein. 


G Jawein: «Zur Frage von der Behandlung der Lnngentu- 
berculose mit tiefen Inspirationen». (Nr. 42). 

Trotz der kurzen Beobachtungsdauer von 16-60 Tagen hat 
T in raehJ als V» der Fälle sowohl eine bedeutende Besserung 
des 1 Allgemeinbefindens, als auch der localen Krankheitsprocesse 
durch methodische tiefe In- und Exspirationsubungen erhalten. 
Von 11 Pat. starben 3. Hieraus zieht Verf. den Schluss, dass 
bei Behandlung der Lungentuberculose tiefe In- und Exspira¬ 
tionen bedeutend häufiger angeordnet werden mussten. 


L S. Dogel: «Die Endigung der Nerv 
sehen Tastkörperchen». (Nr. 42). 


Nerven in den Meissner’- 


W. E. Meister: «Ueber Regeneration der Leber nach Ent¬ 
fernung ganzer Lappen derselben und über Betheiligung 
der Leber bei der Bildung von Harnstoff». (Nr. 41). 

Die Constanz der Ergebnisse der von M. angestellten Expe¬ 
rimente an Thieren veranlasst ihn zu dieser vorläufigen Mit¬ 
theilung, nach welcher 1) das Gewebe der Leber bedeutende 
regenerative Eigenschaften besitzt, und dieses nicht nur bei 
Kaninchen, sondern auch bei Hunden und Ratten. Bei einiger 
Vervollkommnung in der Operationstechnik vertragen Thiere 
ohne besondere Nachtheile die Entfernung der Hälfte oder 
selbst mehr als */« der Leber. 2) Schon 36 Tage nach Entfernung 


M. A. Ponomarew; «Znr Frage von der Behandlung des 

Skorbutes mit Milch. (Kefir)». (Nr. 42). 

Angeregt durch die ausgezeichneten Resultate, welche 
T s c h e i le w mit absoluter Milchdiät bei Skorbut erzielt hat, 
versuchte Verf. in 22 Fällen eine Behandlung mit Kefir. 
Die Versuche wurden mit 2 Tage altem Kefir gemacht und 
wurdet durchschnittlich 8 Flaschen täglich getrunken. Be¬ 
handlungsdauer 2—2V» Wochen. Die Versuche ergaben, dass 

die ahsofute Milchdiät die Ernährung der “inlSt 

Däh Allgemeinbefinden wird vorzüglich, das Zannneiscn reinigi 
sieh unf oberflächliche Suggillationen werden schnell resorbirt. 
Trete des guten Allgemlinbeflndens der Pat werden jedoch 
tiefe? liegen!" grössere Blutextravasate nur sehr langsam re- 
sorbirt,!n solchen Fällen wurden locale heisse Bäder mit 
gutem Erfolge verordnet. 


gleichkommt 


Neubildung 


W W. Listow: «Zur Frage von der relativen N.-Anfnah^ 
' und dem N.-Umsatz in quantitativer nnd qnaUtatner Be¬ 
ziehung bei gesunden, erwachsenen ln^viduen w^rend 

des Gebrauches roher und sterilisirter Milch». (Nr. 43). 
Vorläufige Mittheilung. 


berzellen. Die Gallengänge und Elemente der Blutgefässe ver¬ 
halten sich bei dieser Neubildung nicht passiv. 4) Nach Ent¬ 
fernung von Leberlappen sinkt die Menge des N. im Harn, 
aber nicht in gleichem Verhältnis zum N. des Harnstoffes, so 
dass der N. des Harnstoffes im Verhältnis znr Gesammtraenge 
des N. im Harn abnimmt. 5) Die Menge der Extractivstoffe 
wird vermehrt, in Folge dessen wird der N. der Extractiv¬ 
stoffe im Verhältnis zur Gesammtmenge des N. im Harne er¬ 
höht. 6) Je grösser das entfernte Stück ist, um so bedeuten¬ 
der ist das Sinken der Harnstoffmenge und bei vollständiger 
Entfernung der Leber ist dieses Sinken sehr bedeutend. 7) In 


A. W. Na t an so n: «Spontane Resorption einer senilen Ka¬ 
tarakte». (Nr. 43). 

Beschreibung eines seltenen Falles, m welchem Resorption 

eines Greisenstaares des rechten Auges l t auch 

Bei der Untersuchung wurde ausser einem Kapselstaar aucn 
der nach unten dislocirte Linsenkern constatirt. 


D. P. Nikolski: «Zur Frage von der extragenitalen syphili¬ 
tischen Infection beim Rasiren-. (Nr. 44). 


Ulcus indurat. auf der rechten Wange in der Gegend des- 
U nterkieferwinkels. 


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raarv 







2 


A. D. Abntkow: «Syphilitische Periostitis des harten Gau¬ 
mens». (Nr. 44). 

Verf. macht auf das verhältnissmässig häufige (16 pCt.) Vor¬ 
kommen von Periostitis des harten Gaumens bei Prostituirten 
aufmerksam, weil dasselbe eines der Merkmale sei, nach wel¬ 
chen latente Syphilis im condylomatösen Stadium diagnosticirt 
werden kann. 

W. K. Wyssokowitsch: «Zur Lehre vom Milzbrand». 
(NNr. 43, 44). 

Die Resultate der von \V. angestellten Untersuchungen sind 
in Kürze folgende: 1) Beim Menschen kommen Fälle von Milz¬ 
brand der Haut vor. in welchen wähl end der Periode der All¬ 
gemeinerkrankung die Milzbrandbacillen aus den primären In¬ 
vasionsstellen verchwinden, so dass dieselben an genannten 
Stellen weder mit dem Mikroskop noch durch Culturen nach¬ 
zuweisen sind. 2) In allen nicht sehr frischen Fällen von Milz¬ 
brand kann man auf der Haut an der Grenze des Schorfes 
das Absterben der Bacillen constatiren, ohne dass dabei die 
weissen Blutkörperchen betheiligt wären. 3) Die Verbreitung 
der Milzbrandbacillen von der Infectionsstelle aus in das Blut 
erfolgt bei Kaninchen ausschliesslich auf dem Wege der Lymph- 
bahnen. 4) Die am Ende der Erkrankung in’s Blut gelangten 
Bacillen werden weder durch die Leber noch durch die Milz 
ausgeschieden. 5) Die Ausscheidung virulenter Bacillen erfolgt 
ohne Betheiligung der weissen Blutkörperchen durch bindege¬ 
webige und endotheliale Zellen einiger Organe, Durch Milz- 
brandtoxine nicht vergiftete Organzellen sind im Stande le¬ 
bende Bacillen aufzunehmen, welche Eigenschaft die schon in- 
ficirten nicht mehr besitzen. 6) Im Kampfe, welchen das Thier 
mit der Infection' führt, ist die Ausscheidung der Bakterien 
aus dem Blut in die Organe und die Vertilgung derselben 
durch die Zelln des Bindegewebes nur von nebensächli¬ 
cher Bedeutung. Die Hauptrolle in diesem Kampfe spie¬ 
len die Gewebsflüssigkeiten und das Blut mit ihren bakterien- 
tödtenden Eigenschaften. 7) Beim Auf bewahren der Organe 
an Milzbrand gefallener Thiere vermindert sich die Zahl der 
Bacillen in diesen Organen nach Verlauf von 24 Stunden nicht 
unbedeutend. 

I. W. Lwowr «Zur Lehre von der Aetiologie und Therapie 
penetrirender Rupturen der Scheidengewölbe bei Gebä¬ 
renden. (Kolpoparrhexis Hugenberger’s)». (NNr. 43, 44). 

Dobbert. 


Chirurgitscheskiy westnik 1891 (Octob.—Dec.). 

M. M. Kusnezow. «Ueber trockene Nachbehandlung acuter 
infectiöser Entzündungen der Hant und des Unterhaut¬ 
zellgewebes». 

Verf. empfiehlt zur Nachbehandlung von Phlegmonen, Fu¬ 
runkeln, Carbunkeln und drgl. statt der bisher meist üblichen 
feuchten, häufig zu wechselnde Trockenverbände unter reich¬ 
licher Verwendung von Salol als Streupulver. 

Die Eiterung soll dabei geringer, der Wund verlauf kürzer 
und die Narben meist, weniger ausgedehnt sein. Breite Ein¬ 
schnitte und gründliches Evidement werden vorausgesetzt. 

A. A. Ignatow. «Zur Frage der chirurgischen Behandlung 
der Gallensteine und des Hydrops der Gallenblase.» 

Eine breit angelegte Compilation aus der älteren und neue¬ 
ren Literatur über belegten Gegenstand. 

Die erste Hälfte der Arbeit enthält eine Besprechung der 
Pathologie und Klinik der erwähnten Processe, aer gegen die¬ 
selben indicirten chirurgischen Eingriffe und des jeweiligen 
Standpunktes der neueren Autoren, welche sich über letztere 
geänssert haben. Neues bringt dieselbe nicht. 

Die zweite Hälfte der Arbeit enthält eine umfängliche ta¬ 
bellarische Zusammenstellung von 278 operativ behandelten 
Fällen von Erkrankungen der Gallenwege, sowie die statis¬ 
tische Bearbeitung dieses Materials, aus welcher Verf. fol¬ 
gende Schlusssätze ableitet: 

1) Bei intensiven Schmerzen uud mehr oder weniger deut- 

. liehen Anzeichen von Undurchgängigkeit des Ductus cysticus 

’ oder choledochus ist jedesmal ein operativer Eingriff vorzu¬ 

nehmen. 

2) Als typisch, weil in den weitesten Grenzen anwendbar, 
ist die einzeitige Cholecystotomie anzuBehen. 

3) An und für sich weist die Cholecystotomie normalis die 
kleinste Sterblichkeit auf. Die Ch. idealis und die Chalecyst- 
ektomie Btehen in dieser Hinsicht auf gleichem Niveau mit 
einander. 

4) In allen verschleppten Fällen, bei mehr oder weniger 
intensiv ausgeprägten pathologischen Veränderungen der Gal¬ 
lenblasenwandungen—in Sonderheit bei Cholecystitis ulcerosa 
und Empyem der Gallenblase ist als gefahrloseste Methode 
die Cholecystotomia normalis indicirt. 


5) Die Cholecystektomie kann als radicale Behandlung der 
Gallensteine nicht anerkannt werden und ist daher auf die 
Fälle von maligner Entartung der Gallenblasen wand ungen 
und von endgiltiger Undurchgängigkeit des Dnct. cysticus zu 
beschränken. 

6) Die Cholecystotomia idealis ist indicirt in frischen Fällen 
bei geringfügigen Veränderungen der Gallenblasenwandungen. 
Die dieser Operation zugeschriebene Gefährlichkeit scheint 
übertrieben zu sein. 

7) Die Cholecystoenterostomie ist <ie einzige mögliche und 
in manchen Fällen (bei Abwesenheit maligner Neubildungen) 
auch radicale Methode bei nicht zi beseitigender Undurch¬ 
gängigkeit des Dnct. choledochus. 

N. A. Gerken. «Kurzer Bericht ;ber die chirurgische Thä- 
tigkeit in der Semstwo (Landpftxis). (Nov.-Dec.) 

Weniger interessant in chirurascher, als in hygienischer 
Beziehung durch die GeringfügiJceit der Hilfsquellen, mit 
denen ein verhältnissmässig reiähaltiges und heterogenes 
Material bewältigt werden muss* Ein näheres Eingehen auf 
den Inhalt des Berichtes ersehe» nicht geboten. 

J Grubert. 

-■/— 

Aus russischen me/ic. Gesellschaften: 

Auszug aus den Arbeit« der Gesellschaft russi¬ 
scher Aerzte zu St. Peteiburg. (Jan. - März 1891). 

N. Ssokolow. «Beobachtung über die Behandlung Tuber- 
culöser mittelst Koch’schr Injectionen». (Jan.) 

Vortr. macht diese Beobactungen erst seit 20 Tagen an 12 
Kranken: 1 Pat. mit Lupusi mit Knochencaries, 2 mit tuber- 
culösen Lyraphdrüsen, 9 m| Lungentuberculose. Vortr. con- 
statirte bei allen diesen franken eine bedeutende, sowohl 
subjective, als auch objecti* Besserung: die Athmung wurde 
tiefer und weicher, Rassel Wräusche nahmen an Zahl ab, ver¬ 
änderten auch ihren Chfikter — feuchte gingen in sonore 
über, consonirende — in »ttelblasige, das Sputum nahm einen 
mehr schleimigen Charaktr an, enthält aber noch in grosser 
Zahl Bacillen; der Appe/t besserte sich, das Körpergewicht 
nahm zu oder veränderte sich nicht. Die Kranken reagiren 
noch deutlich auf die Mectiouen, d. h. der tuberculöse Pro- 
cess ist bei ihnen noch seht zum Abschluss gekommen. Zu¬ 
letzt macht Vortr. nocl einige Bemerkungen über die Injec¬ 
tionen selbst, die Dosi^ng derselben, über die beobachteten 
Reactionserscheinuugen«. s. w. 

A. A. Kadjan. Uebe/ die Resultate der Untersuchung des 
St. Petersburger Armenhauses, welche unter Botkin’s 
Leitung im Jahre! 889 ausgeführt wurde. (Jan.). 

Es wurden nnterslcht 408 verpflegte Männer und 2218 
Frauen. Vortr. theil die Resultate dieser Untersuchung mit: 
1) Frauen erreichen im Armenhaus ein höheres Alter als 
Männer. Die SterbMfhkeit der Männer ist grösser als die der 
Frauen. 3) Ein hJes Alter, d. h. über 70 Jahre, erreichen 
öfter Verheirathete,*il8 Ledige; 4) Frauen, welche geboren ha¬ 
ben und besonder» mehrere Mal, haben mehr Chancen für 
langes Leben. 5) Älkoholgenuss hat keinen Einfluss auf die 
Dauer des Lebens. 6) Syphilitiker erreichen selten ein hohes 
Alter. Die Verpflegten von hohem Alter sind vom Vortr. in 
2 Kategorien einfetheilt, in solche mit physiologischer Seni- 
lität und solche <it pathologischer. Beide Kategorien waren 
an Zahl gleich giess. Die Ursachen der pathologischen Seni- 
Ütitt sind der HJnfigkeit nach: 1) Veränderungen im Circu- 
lationssvstein, 2) im Nervensystem, 3) in den Lungen, 4) in 
der Leber, 5) in den Nieren 6) im Magendarmcanal, 7) in den 
Gelenken 8) Neubildungen, 9) Syphilis, Sklerose der Arterien 
fand sich bei 88*/o alter Männer und bei 57°/» alter Frauen. 
Die Häufigkeit der Arteriosklerose steigt regelmässig mit 
dem Alter; bei fetten Leuten ist Arteriosklerose viel seltener 
als bei mageren. Gelenkerkrankungen (Arthrit. deform.) coi'n- 
cidiren selten mit. Gefässalteration. Das speciflsche Gewicht 
des Harns ist bei Greisen ziemlicn niedrig. Symptome von 
Gastrointestinalkatarrh sind sehr selten. Nieren- und Gallen- 
steinkoliken, ebenso Gicht wurden gar nicht gefunden. 

D. P. Kossorotow: «Ueber die Anwendbarkeit der Donder- 
schen Theorie zur Erklärung einiger Erscheinungen bei 
Asphyxie», (cfr. Westnik gigieny, Referat s. S. 29 der 
Beilage 1891). 

A. A. Netschajew: «Einige Bemerkungen in Betreff der 
Mittheilung von N. Ssokolow über die Behandlung der 
Tuberculöse nach der Koch’schen Methode». (Februar- 
März). 

Vortr. theilt die Resultate der Injectionen mit, welche im 
Obuchow’schen Hospital gemacht wurden. Im Ganzen wurden 


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mit Iryectionen behandelt 43 Kranke, unter diesen 25 mit 
chirurgischer und zum Theil Luugentuberculose und 18 aus¬ 
schliesslich mit Lungentuberculose. Bei 2 Kranken mit leich¬ 
ter Tuberculose wurde eine Besserung erzielt, bei einem drit¬ 
ten schwerer Kranken wurde dasselbe erreicht; 2 Fälle verlie¬ 
fen ungünstig, ohne aber dass dies den Injectionen zugeschrie¬ 
ben werden könnte. Ein Pat. Btarb sehr bald. Die übrigen 
Fälle sind entweder noch zu wenig beobachtet oder verlaufen 
unbestimmt. 

Nikolajew meint, es sei sehr schwierig die Lungentuber- 
culösen in Kategorien einzutheilen und darauf hin den Erfolg 
der Injectionen vorherzusagen. Er führt einen Fall an, 
welcher unzweifelhaft zur ersten leichten Form zugezählt wer¬ 
den musste und wo trotzdem der Verlauf sehr ungünstig war. 

Kadjan schliesst aus seinen Injectionsversuchen an Kran¬ 
ken mit chirurgischer Tuberculose, dass die Injectionen nicht 
immer eine locale Eeaction hervorrufen, zuweilen bekommt 
man eine locale Eeaction. aber nicht im afficirten Organ, son¬ 
dern in irgend einem anderen. 

N. Petro w: «Ueber pathologisch-anatomische Veränderungen 
in den Organen von zwei Tuberculösen. bei welchen 
Koch’sche Injectionen gemacht wurden». (Febr.-März). 

Vortr. theilt die Resultate der Untersuchung der Or¬ 
gane von 2 Phthisikern mit. Bei dem ersten Phthisiker mach¬ 
ten sich in der Umgebung der Tuberkel ansgesprochene Ent¬ 
zündungserscheinungen bemerkbar, die Tuberkel selbst waren 
erweicht und mit mehrkernigeu Leucocyten infiltrirt. Bei 
dem zweiten Phthisiker, bei welchem die Injectionen eine län¬ 
gere Zeit vor dem Tode gemacht worden waren, fanden sich 
gar keine Tuberkel, statt dessen aber Höhlen mit mehrkerni¬ 
gen Zellen ausgefüllt. Also zuerst entzündliche Infiltration 
und nachher Zerfall derselben. 

Tuberkelbacillen fanden sich in enormer Menge in den er¬ 
weichten Tuberkeln, stellenweise auch frei in den Alveolar 
wänden. Streptokokken wurden nui in geringer Quantität 
gefunden, so dass die Entzündungserscheinungen kaum ihnen, 
vielmehr aber der Koch’schen Flüssigkeit zugeschrieben wer¬ 
den müssen. Mortification der Tuberkel konnte nicht consta- 
tirt werden. 

W. J. Ssokolow. «Ueber die Wirkung des Chinins auf die 
Bildung von Granulationsgewebe». (Februar und März). 
1891). (cfr. Bolnitschnaja gaseta, Referat S.23 d. Beilage. 

J. Tarchanow: «Ueber die Wirkung des Salzsauren Sper- 
rains auf den thierischen Organismus». (Februar — 
März). 

Vortr. machte seine Versuche mit Pöhl’s Präparaten von 
salzsaurem Spermin und kam zu folgenden Resultaten: 1) Kleine 
Dosen von Spermin (von 0,01 bis 0,04) snbcutaninjicirt haben 
bei Fröschen eine beruhigende und schwach deprimirende , 
Wirkung; bei Säugethieren fand sich keine deprimirende 
Wirkung. 2) Spermin macht keine geschlechtliche Erregung. 

3) Spermin erhöht die Lebensfähigkeit bei Thieren mit durch¬ 
schnittenem Rückenmark. 4) sperminisirte Frösche vertragen 
viel grössere Dosen von Strychnin und Chloroform, 5) die 
Spenuinpräparate von Poe hl sind sehr unbeständig in Bezug 
auf ihre antispasmodische Wirkung, 6) in mittelgrossen und 
grossen Dosen bewirkt Sp. bei Fröschen eine Verlangsamung 
und zugleich Verstärkung der Herzarbeit; bei Hunden ist 
dieser Effect unbeständig. 7) bei sperminisirten neugeborenen 
Hunden und Meerschweinchen sieht man eine grössere Zunahme 
des Körpergewichts im Vergleich zu nichtsnerminisirten von 
demselben Wurf. Die letzten Versuche sind leider noch zu 
wenig zahlreich. 8) in den meisten Fällen konnte Vortr. keine 
schlechte Wirkung des Spermins auf die Gesundheit der 
Thiere constatiren. 

N. Uschinski. «Zur Frage vom Firnissen der Haut. (Febr.- 
März). 

Vortr. machte seine Versuche hauptsächlich an Tauben. 
Die Erscheinungen nach dem Firnissen waren folgende: am 
ersten Tage Sinken der Temperatur und des Körpergewichts, 
Abnahme der ausgeschiedenen CO*, fast gar kein Appetit; in den 
folgenden Tagen normale Temp., Ausscheidung einer grossen 
Menge CO*; die Tauben frassen dabei sehr viel, nach einer 
Woche kehrte Alles zur Norm zurück. Das Hungern vertragen 
lackirte Thiere sehr schlecht. Bei anderen Thieren konnte 
vortr. dasselbe constatiren. Kaninchen frassen nur dann, 
wenn man ihnen Kohle an den Mund brachte. Vortr. meint, 
dass bei anderen Untersuchern die 1 hiere nur darum zu Grunde 
gingen, weil man sie gev/issermaassen nicht zwang zu fressen. 

S. Ostrogorski: «Zur Frage nach den Veränderungen der 
morphologischen Eigenschaften des Blutes während Schwan¬ 
gerschaft, Geburt, Wochenbett». (Febr.-März). 

ln Bezug auf die Eintheilung der farblosen Blutkörperchen 
hielt sich Vortr. an die von Uskow vorgeschlagene Classi¬ 


fication. Thesen: 1) In der zweiten Schwangerschaftshälft, 
wächst die absolute Menge der farblosen Blutkörperchene 
ebenso die absolute und relative Menge der überreifen; die 
Menge der jungen sinkt absolut und relativ; die Menge der 
reifen sinkt nur unbedeutend. 2) In der ersten Sehwanger- 
schaftshälfte ist das Verhältnis zwischen den überreifen und 
jungen weissen Blutkörperchen umgekehrt, wie in der zwei¬ 
ten. 3) Die Grenze zwischen diesen beiden entgegengesetzten 
Zuständen des Blutes ist der 3. Schwangerschaftsmonat, wo 
die Placenta sich ausznbilden beginnt. 4) Während der Ge- 
bnrt steigt die Menge der farblosen Blntkörperchen; nach der 
Geburt ist sie 2 Mal so gross, als vor der Geburt. Dieser 
Ueberschuss wird durch die überreifen gedeckt, da die jungen 
an Zahl abnehmen, 5) Nach der Geburt sinkt die Menge der 
weissen Blutkörperchen, bei Abnahme der überreifen und Zu¬ 
nahme der jungen. 6) Bei stillenden Frauen steigt die Menge 
der eosinophlen Zellen, ebenso die Menge der jungen, während 
die überreifen an Zahl abnehmen. Vortr. glaubt, dass in der 
Schwangerschaft die weissen Blutkörperchen im Uterus auf¬ 
gehalten werden und während der Geburt durch die Wehen 
mechanisch ansgetrieben werden und in die Circulation ein- 

treten - Lurje. 


Sitzungsbericht der Kaiserlichen Kaukasischen me- 
dicinischen Gesellschaft. (April - November 1891). 

Sitzung am 8. April. 

J. Minkewitsch: «Ueber medicinische Volksmittel und 
Volkssitten im Kaukasus: das Verhalten der Chefsuren 
gegen ihre schwangeren Frauen». 

Verf. beschreibt die Sitten und Gebräuche der kaukasischen 
Bergvölker, spec. der Chefsuren und Pschafzen. betreffend die 
Schwangeren und Kreissenden. Jede schwangere Frau sucht 
ihren Zustand so lange, als nur möglich, zu verheimlichen; 
sobald sie die ersten Wehen verspürt, verlässt sie das Haus 
und die Familie; sie begiebt sich nach einem von bekannten 
und verwandten Frauen hergerichteten Zelte, «Sazech» genannt, 
in welchem sie ohne irgend welche Hilfe die Geburt durch¬ 
macht. Ist die Geburt eine recht schwere, hört man im Dorfe 
das Wehklagen der kreissenden Frau, so schleichen sich die 
Männer zu dem Zelte heran und beginnen zu schiessen, in der 
Absicht die Frau zu erschrecken, dadurch die Geburt zu be¬ 
schleunigen und so die Leiden der kreissenden Frau zu verringern. 
Am Tage nach der Geburt wird der Wöchnerin Brod vor dem 
Zelteingange hingelegt. 40 Tage bis einen Monat muss die Frau 
in dem Zelte verweilen; nach Ablauf dieses Termins kommt 
sie bis zur völligen Reinigung in ein anderes, für alle Wöch¬ 
nerinnen gemeinsames Zelt «Samrewlo» genannt. Hier verweilt 
sie mit ihrem Kinde 14 Tage und erst dann darf sie ihre ur¬ 
sprüngliche Wohnung betreten. Die Einzelzelte «Sazechen» 
werden von den Chefsnren verbrannt, damit der böse Geist 
sich nicht dort einsiedele. 

An allgemeinen Festen darf weder die Schwangere noch ihr 
Mann Theil nehmen, weil beide als unrein gelten. Verf. ist der 
Meinung dass diese eben geschilderten Gebräuche bei den Chef¬ 
suren und Pschafzen (es sind christliche Volksstärame) als Ueber- 
reste der assvrobabylonischen Lehren über die Unreinlichkeit der 
Menstrnirenden una Schwangeren anfzufassen sind. Zwar bringen 
aus hygienischen Rücksichten viele kaukasische Völker (z. B. 
die Immeretiner) ihre Schwindsüchtigen in besonderen Zelten 
unter, weil sie von der Infectiosität der Tuberculose überzeugt 
sind: doch ist die rohe Behandlung der Schwangeren bei den 
Chefsuren gewiss nicht als hygienische Massregel aufzufassen. 

A. Montwill «Die Lehre von der Immunität und den Mitteln 
zur künstlichen Erreichung derselben». 

Populär-medic. Vortrag. 

Sitzung am 16. Mai. 

M. Pokrowski: «Ueber Mikroorganismen im Fluss-und Queli- 
wasser der Stadt Tiflis». 

Von Mikrokokken fand der Autor den M. cinnabareus-Flügge. 

M. flavus liquefaciens-Flügge, M.aurantiacus-Cohn und M. agilis: 
ferner constatirte er 10 verschiedene Bakterienarten, von denen 
hie. tji w ahnt seien: B. subtilis. B. violaceus. ferner eine Bacil- 
lencolonie, welche mit der Colonie der Typhusbacillen viel 
Aehnlichkeit hat. 

N. Gorochowzew: «Ueber die Entstehung des Rheumatismus». 

Verf. giebt eine ganz eigenartige Entstehnngsursache für 
den rheumatischen Kraukheitsprocess an: verschiedene Beobach¬ 
tungen, so z. B. die Veränderungen am Auge nach Durch¬ 
schneidung des Augenastes des Trigeminus, ferner die Verän¬ 
derungen an den Lungen nach Durchschneidung des Lungen- 


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vagns, beweisen, dass die normale, physiologische Gewebsfuuctiou 
ein ganz constantes Verhältnis zwischen den reflexauslö- 
senden Reizen und den reflexhemmenden Impulsen der ner¬ 
vösen Centralorgane erfordert. Sobald die reflexhemmenden 
Impnlse schwächer als normal wirken, oder gar völlig Weg¬ 
fällen, erfahren die Reflexe schon durch schwache äussere 
Reize eine krankhafte Verstärkung. Sind umgekehrt die 
reflexhemmenden Impulse durch starke Erregung der betref¬ 
fenden Centra krankhaft gesteigert, so sind schwache äussere 
Reize nicht im Stande Reflexe auszulösen. Wenn man diese 
Thatsacbe auf den rheumatischen Entzündungsprocess über¬ 
trägt, so kann man die Entstehung der Krankneit dadurch 
erklären, dass das oben beschriebene, Verhältnis der reflex- 
auslösenden Reize (Temperatur) zu den reflexhemmenden Im¬ 
pulsen der nervösen Centralorgane ungleichmässig wird. Eine 
solche Ungleichmässigkeit kommt z. B. zu Stande, wenn eine 
niedrige Temperatur einen begrenzten Theil der Körperober¬ 
fläche reizt, gleichzeitig aber nicht im Stande ist eine ent¬ 
sprechende Erregung der nervösen Centralorgane hervorzu¬ 
rufen, oder weun der Organimus nach starker Ueberhitzung 
durch warme Bäder, heisse Getränke etc. einer niedrigen Tem¬ 
peratur ausgesetzt wird; hier wird der Grad der Erregung der 
sympathischen Reflexbahnen dem Grade der Erregung der 
nervösen Centra, welche Erregung infolge langer Einwirkung 
hoher Temperatur stark herabgesetzt ist, nicht entsprechen. 
Die Gewebsfunctionen erleiden dadurch eine krankhafte Ver¬ 
änderung. Seine Anschauung bemüht sich Verf. an vielen 
Beispielen zu demonstriren. 

Die parasitäre Aetiologie wird ganz und gar nicht berück¬ 
sichtigt (Anm. des Ref.) 

Bulgakow: «Eine Diphtheritisepidemie in Kassari» (Gouver¬ 
nement Baku). 


Sitzung am 1. Juni. 

Artemjew: «Demonstration eines osteomalacischen Beckens» 
mit genauen Angaben der Beckenmaasse. 
Beckeneingang: Coiy. vera anatom. — 9 Cm: Conj. vera 
obstetrica—5 Cm; rechte schräge—9,7. linke schräge—9,6 Cm; 
quere—9,4; Dist. sacrocotyl. dextra-3,9; sinistra 4,9. 

Becken weite: der grade Durchmess.—9,5; der schräge—6,9 
Cm; der quere: 8,6. 

Beckenenge: der grade Durchm. 9,2 Cm; schräge—7,7. 

Beckenaasgang: der grade Durchm. 6,8 Cm; der schräge 
6,6 Cm. 

Haudelin: «Ueber die Behandlung der Tubercnlose mitKoch’- 
scher Lymphe». 

Die diagnostische Bedeutung des Tuberculins stellt der Autor 
in Abrede; wohl aber erkennt er an, dass das Mittel eine the¬ 
rapeutische Bedeutung besitzt. 

N. Tschujew: «Ein Fall von Luxation desRadinskopfes nach 
aussen». 

Der Patient war vor 3 Jahren beim Bau eines Hauses herun¬ 
tergefallen und zwar mit ausgestreckter Hohlhand den Boden 
berührend. Die Luxation muss jetzt als eine veraltete bezeichnet 
werden. 

Sseslawin: «Ueber die Bedeutung der klimatischen Stationen 
im Kaukasus für tubercnlose Patienten». 

Es giebt im Kaukasus Winter — und Sommerstationen. Zu 
den ersteren rechnet Sseslawin Ssuchum und Batum. zu den 
letzteren — Kisslowodsk, Abas-Tuman und Borshom. ln Ssuchum 
und Batum ist der Winter und der Herbst recht warm, so dass 
die Patienten den grössten Theil des Tages in freier Luft 
verbringen können. Im Sommer ist aber dort die Hitze zu 
drückend; dagegen sind die oben genannten Stationen für den 
Sommeraufenthalt sehr geeignet, dabei sind die Curorte voll¬ 
ständig geschützt vom Nordwinde durch eine Gebirgskette. 
9 /io aller hierher kommenden Schwindsüchtigen fühlen schon 
in der ersten Zeit eine bedeutende Erleichterung ihres Leidens. 
Auch objectiv nachweisbare Besserung constatirt der Autor 
fast immer. 

Sitzung am 2. September. 

N. Sacharow: «Demonstration eines neuen Filters». 

Er ist aus Infusorienerde bereitet nach den Angaben von 
Nordmeyer-Berkenfeld. Vortrag, zieht diesen Filter dem Pasteur- 
Chamberlin’schen vor, 

Derselbe: «Spirochaeta anserina. Morphologische und biolo¬ 
gische Studien». 

Vortr. hat im Blute kranker Gänse eine Spirochaeta entdeckt, 
die mit der Obermeier’sclien, bei Recurrens gefundenen, viele 
Aehnlichkeit besitzt. Die Krankheit der Gänse trat epidemisch 
auf und äusserte sich in Temperaturerhöhung, Apettitlosigkeit, 


Diarrhoe und, was als charakteristisches Symptom bezeichnet 
werden muss, in starker Schmerzhaftigkeit der Muskeln und 
Gelenke. Bei der Section constatirte der Autor Milzschwellung. 
Verfettung der Leber, des Herzens und der Nieren. Im Blute 
der kranken Gänse fand Sacharow eine Spirochaeta, welche 
wohl von dem Vibrio Metschnikovi zu unterscheiden war. Mit 
diesem Blute impfte Verf. gesunde Gänse und erzeugte regel¬ 
mässig die geschilderte Erkrankung. Die Spirochaeta auserina 
steht der Spirochaeta Typhi recurrentis sehr nahe. Beiden ge¬ 
meinsam sind folgende Eigenschaften: 1. sie kommen nur im 
Blute vor 2. ihre Form erhalten sie constant, sie zerfallen 
nicht in Bacillen. 3. sie bedingen eine Temperaturerhöhung 

4. sie lassen sich nicht auf künstlichem Nährboden cultiviren. 

5. beide inficiren sehr leicht bei Injection in’s Blut von Individuen 
derselben Gattung. 6. sie verschwinden im Verlauf der Krank¬ 
heit recht bald aus dem Blute. Doch ergeben sich auch Unter¬ 
schiede, nam. in den Färbungsmethoden, deshalb darf man 
sie nicht identificiren. Verf. ist der Meinung, dass die von ihm 
beschriebene Krankheit der Gänse auf das unreine Wasser der 
Teiche und Abgüsse zurückzuführen sei. 

Sitzung am 16. September. 

J. Ssolucha: «Ein Fall von Schocktod in Folge Incarceration 
einer inneren Dünndarmhernie». 

Es handelte sich um einen Soldaten, der des Nachts, während 
er auf Wache stand, plötzlich starke Leibschmerzen verspürte. 
Er wurde abgelöst. Am anderen Morgen erhielt er Natron 
sulfuricum; die Schmerzen nahmen aber zu, es trat auch Fr- 
brechen und geringes Fieber ein. Ein verabfolgtes Klysma 
erzeugte eine ziemlich copiöse Entleerung. Am nächsten Tage 
verspürte Patient Stuhldrang; als er nun nach einigen Minuten 
aus dem Abort zurückkam, fiel er plötzlich um und starb. Die 
Section erwies, dass es sich um eine innere Incarceration 
handelte. Den Bruchinhalt bildete eine Ileo- jejunalschlinge 
mit ihrem Mesenterium; den Bruchring bildete einerseits das 
untere Drittel der betreffenden Schlinge andererseits ein Di¬ 
vertikel, welches mit dem einen Ende auf der freien Ober¬ 
fläche des Ileum sass, mit dem anderen Ende auf dem Mesente¬ 
rium. Peritonitis wurde nicht constatirt. Die gerichtliche Ob- 
duction nahm einen Schocktod an — eine reflectorischo Herz- 
Daralyse infolge intensiver Reizung der peripheren sensiblen 
Nervenendigungen der incarcerirten Darmschlinge. 

Sitzung am 2. Oktober. 

Poljakow: «Ein seltener Fall von congenitalem Mangel einer 
Niere». 

22jähriger Soldat. Während des Lebens wurde die Diagnose 
auf Colitis follicularis et Nephritis parench. acuta gestellt. 
Die Section ergab, dass die rechte Niere vollständig fehlte, es 
war nicht einmal eine Fettkapsel vorhanden; a. und v. renalis 
dextra, ureter dexter fehlten. Auch die rechte Samenblase war 
nicht vorhanden. (Leider wurde vergessen nach dem rechten 
Hoden zu sehen). Die linke Niere war 225 Gramm und hatte 
einen Umfang von 210 Cm. Das Gewebe zeigte den Zustand 
der parenchymatösen Erkrankung. 

.Sitzung am 7. Oktober 
(zu Ehren des Ehrenmitgliedes A. Remmert). 

Lunkewitsch: «Demonstration pathologo-anatomischer und 
mikroskopischer Präparate». 

1. Ein Fall vou Echinokokkus des Gehirns. 

In der rechten Hemisphäre, in der Gegend der Insula Rheilii 
fand sich eine grosse fluctuivende Geschwulst, die eine Chitin¬ 
kapsel besass; auf deren inneren Oberfläche fanden sich Brut¬ 
kapseln, in welchen Scolices in grosser Menge vorhanden 
waren. 

2. Ein rundes Duodenalgeschwür. 

Das Geschwür sass auf dem horizontalen Theil des Zwölf¬ 
fingerdarms und bedingte eine Blutung, der der Patient erlag. 

3. Doppelte Pelves renales und Ureteren der linken Niere. 

4. Vollständiger Mangel der Gebärmutter. 

Wurde bei einer 20jährigen, verheiratheten Frau constatirt: 
sie starb an hämorrhagischer Pleuritis. Die rechte Niere und 
der rechte Ureter fehlten auch vollständig. 

Malinin: «Ueber die Herstellung des Spermatius resp. Testi- 
culin’s». 

Verf. berührt in Kürze die Geschichte der Entdeckung der 
Sperminkrystalle und den sich daran Bchliessenden Wettstreit 
der verschiedenen Firmen, Parck, Davis et C., Merck, Schering 
und Poelil. Er selbst ist zur Peberzeugung gelangt, dass in 
den Testikeln, und in der Vorsteherdrüse eine ganze Serie von 
krystallinischen Salzen sich finden, meist phosphorsaure Salze, 


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und dass ihre Darstellung verhältnissmässig leicht sei. Die 
Testikel werden verrieben und mit der gleichen Menge 97'*/o 
Alkohols versetzt. Eine Woche lang bleibt die Mischung stehen. 
Alsdann werden die flüssigen Theile durchgepresst, der Alkohol 
verjagt, dabei schlägt sich eine Menge coagulirten Eiweisses 
nieder; diese wird wieder durchgepresst. Man erhält dann eine 
opalescirende Flüssigkeit, welche in einer flachen Porcellan- 
schale auf dem Wasserbade erhitzt wird, bis eine dicke brei¬ 
artige Masse erhalten wird; diese wird über Schwefelsäure 
getrocknet, dann nach 24 Stunden wieder auf dem Wasserbade 
mit einer geringen Menge 97°/» Alkohols erhitzt. Der alkoho¬ 
lische Extract nimmt allmählich alle kri stallinische Verbin¬ 
dungen auf. 

G. Ter-Grigorjanz: «Das Dermatol in der Geburtshülfe und 
bei gynaekologischen Operationen». 

Der Vortrag besteht aus einem Referat der ausländischen 
Arbeiten ueber dieses Thema. 

Sitzung am 16. October. 

Chlodowski: «Ueber eine epidemische ulceröse Stomatitis». 

Die Epidemie beobachtete der Autor im Kubangebiete und 
zwar namentlich im dort einquartirten Regiment. Vom 30. 
April—1. August erkrankten 89 Soldaten an dieser Krankheit. 
Er schildert ausführlich die im grossen Ganzen bekannten 
Symptome der Stomakace. Häutig wurde auch eine geringe 
Temperaturerhöhung beobachtet. Verf. ist der Meinung, dass 
das anhaltende Regenwetter Schuld an der Ausbreitung der 
Epidemie hat, da die Soldaten gezwungen waren in den Ka¬ 
sernen den ganzen Tag über zu verweilen, infolge dessen dort 
eine feuchte, erdrückende Atmosphaere herrschte. 

J. Twarjauowitsch: «Ein Fall von Typhus abdominalis, 
complicirt mit Thrombose der Aorta abdominalis und Per¬ 
forationsperitonitis». 

Ausführlicher, der Seltenheit wegen sehr interessanter Kran¬ 
kenbericht. Abelmann. 


An die Redaotion eingesandte Büoher und Broohüren. 

Die Gicht und ihre erfolgreiche Behandlung von Dr. Emil Pf eif- 
i'er. 2 Aufl. Wiesbaden, 1891. S. F. Bergmann. Pr. 2 Mrk. 80. 

Der Isar-Winkel. Aerztlich-topographisch geschildert von Dr. M. 
Höfler. München, 1891. Ernst Stahl. 

Die chirurgische Behandlung des Kropfes von Prof. Anton Wölf- 
ler. III Th. Die Behandlungsmethoden des Kropfes. Berlin, 
1891 August Hirschwald. 

Beiträge zur Kenntniss der Tubercnlose, herausg. von Dr Felix 
W o 1 ff. Wiesbaden, 1891. J. F. Bergmann. Pr. 2 Mrk. 8ü. 

Eine neue Behandlungsmethode der Tuberculose besonders der 
chirurgischen Tuberculosen von Prof. Max Schüller. Wiesba¬ 
den, 1891. J. F. Bergmann. 

Ein Beitrag zur perversen Sexualemplindung von Dr. F. C. Mül¬ 
ler. (Sep. Abd.). 

Ergebnisse der Creolinbehaudlung bei 46 Fällen von Rachendiph¬ 
therie. Ing. Diss. von J. G. Sichelt. Breslau, 1891. 

Ueber die Wassercur während der Menstruationsperiode von Dr. 
Grenell, übersetzt von H. Spaerl-Gamma. Erlangen, 1891. 
Fr. Junge. Pr. -- Mrk 50. 

Away with Koch’s lymph! by Prof. Nicholas Jenn. (Sep. 
Abdr.). 

Les autiseptiques par les Drs. J. B. Rottenstein et E. Bour- 
cart. Paris, 1891. Lescronier et Bab6. 

Doctor Gaspar Gordillo Lozano. La metafisica y las ciencias natu¬ 
rales. Madrid, 1891. Enrique Maroto y Ilermano. 

Ueber die Salzsäureproduction des Säuglingsmagens im gesnnden 
und kranken Zustande von Dr. Leopold Wohlmann. (Sep. 
Abdr.). 

Zur Therapie hartnäckiger Retroflexion des Gebärmutter von 
B. S. Schnitze. — Volkmaun’s Sammlung klin. Vortr. neue 
Folge Ni 24. 

Alle Inaugural-Dissertationen der Dorpater Universität vom Sem. 
II. 1890 und Sem. I, 1891, 92 an der Zahl. 

Die Salubritätsziffer.; Ein Beitrag zur Salubritätstaxation der 
Städte überhaupt und PragB insbesondere von Dr. Joseph 
Rychna. Prag, 1891. H. Dominicus. 

Trait4 th^orique et practique du maseage par le Dr. G. Nnr- 
ström. U. edition. Paris, 1891. Lescronier et Babe. 

Die Sehstörungen und Entschädigungsansprüche der Arbeiter von 
Dr. A. Mooren. Düsseldorf, 1891. August Bagel. 

Der Heilmagnetismus. Ein Vortrag von Dr. E. Reich. Berlin. 
1891. Adolf Klein. 

Die Provinzial-Irrenheilaustalt zu Göttingen. Zur Erinnerung 
an ihre Eröffnung. vor 25 Jahieu von Prof. Ludwig Meyer 
Göttingen 1891. Vaudenhock u. Ruprecht. 


Robert Koch’s Heilmittel gegen die Tuberculose. Heft II. Berlin, 
uud Leipzig, 1891. Georg Thieme. 

Wauu dürfen Syphilitische heir&tlien? von Dr. Schuster. 5 Aufl. 

Berlin, 1890. Th. Eusliu. Pr. 1 Mk. 

Die Syphilis, deren Weseu, Verlauf uud Behandlung von Dr. 

Schuster. 3 Aufl. Berlin, 1891. Th. Enslin. 

Cancer of the cervix uteri in the neg’-esr, with pyo-physometra 
by Prof. Howard A. Kelly (Sep. Abdr ). 

The Steps of the cesareau section by Prol. Howard A. Kelly 
(Sep. Abdr.). 

La neurasth6uie-6puisemeat nerveux-par L. Bouveret. 2 edition. 
Paris, 1891. Baillfere et fils. 

Compendium der Arzneiverordnung von Dr. 0. Liebreich und 
Dr. A. Langgaard 3 Aufl. I Hälfte. Berlin, 1891. Fischer'» 
med. Buchhandlung. ' 

Ueber Hypnotismus. Vortrag vou Dr. J. R Minde. München, 
1891. 0. D epolder. Pr. 2 Mrk. 80. 

Bibliographie der klinischen Heeiminthologie. 1 Heft: Echinococ¬ 
cus cysticus. Von Dr. J. Ch. Huber. München, 1891. J. F. 
Lehmann. Pr. I Mrk. 80. 

Compendium der Augenheilkunde von Dr. Friedrich Hersing. 

7 Aufl. Stuttgart, 1891. Ferd. Enke. 

Thomas H. Husley Gruudziige der Physiologie, heransg. von Prof. 
Dr. 8. Rosen thal. 3 Aufl. Hamburg n. Leipzig, 1891. Leop. 
Voss. Pr. 9 Mrk. — 

Gewebtlehre mit bes. Berücksichtigung des menschlichen Körpers 
von P. Schielferdecker u. A. Kossei. 2 Bd. Gewebe des 
menschl. Körpers und ihre mikroskopische Untersuchung. 
Braunschweig 1891. Harld Bruhn. Pr. 12 Mrk. 60. 

Die acuten Luugeneutzüudutigeu als lnfcctionskrankheiten von 
Prof. D. Finkler. Wiesbaden. 1891, J. F. Bergmann. 

Le laboratoire de toxicologie; methodes d’expertises toxicologiques 
par P. Brouardel et J. ügier. Paris, 1891. bailifere et 
fils. 

Die Untersuchung des Auswurfs auf Tuberkelbacillen von Dr. E. 

Czaplewski. Jena, 1891. Gustav Fischer. Pr. 3 Mrk. 
Sectionstechuik für Studirende und Aerzte vou Prof. C. Nau- 
werck. Jena. 1891. Gustav Fischer. Pr. 2 Mrk. 50. 

Die Grundsätze der Medicin von Dr. P. Sastechenko. Wien, 
1891. Koblizek. 

Mitiheilungeu des Vereins der Aerzte in Steiermark pro 1890. 
redigirt von Dr. V. Fossel. Graz, 1891. Leuschuer u. Lu* 
betisky. 

Aresberättelse fran Sabbatsberg» Sjukbus i Stockholm for 1890 
af Dr. F. W. Warfvinge. Stockholm, 1891. lsaac Marcus. 
Nordseebad Norderney. Illustririer Führer. Ausgabe, 1891. 

D. Soltau Pr. 1 Mrk. 

D. K. PojBaeBCKiA. Kt> Bonpocy o pasjoareHiH bt> opraHHSM* h 
o6t> anTHuapeTHHecKOirb x*flcTßiH n&KOTOpbiX'i’ coexiiHemä cajit- 
UHJtoBofl rpynnu. Hießt, 1890. 

ToBeonaTia itast nexHKO (jjHJtoco^cKaH cacieiia fl-pa Ä- K* Poxsa- 
eBCKaro. Kießt, 1891. 

Calculo vesical adbtrcuti por Dr. A. M. Vargas. Madrid 1890. 
Die Behandlung Verunglückter bis zur Ankunft des Arztes von 
Dr. Pistor. Berlin, 1891. Th. Enslin. Pr. 50 Pf. 

Ein Fall von Gilles de la Tourette’scher Krankheit von Dr. L. 
Stembo. (Sep. Abdr.). 

Ueber Hemiatrophia facialis progressiva von Dr. L. Jan kau (Sep. 
Abdr.). 

Das Resorcin als inneres Mittel nach neunjähriger Erfahrung von 
Dr. H. Meuche (Sep. Abdr.) 

Ueber das Stottern, v. Prof. Ssikorski übers, v. V. Hinze. Berlin, 
1891. Aug. Hirschwald. 

Psychiatorische Voiles, v. Magnan. Deutsch v. Möbius. Heft 1. 
Leipzig, 1891. G. Thieme. 

Atlas d. Cystoskopie v. Uurckhard. Basel, 1891. B. Schwabe. 
Patliol. u. Tberap. d. Syphilis von Prof. Kaposi. Stuttgart 1891. 
F. Enke. 

Münchener medicin. Abhandlungen. Heft 4 — 14. München, 1891. 
J. F. Lehmann. 

Bibliographie d. klin. Helminthologie. Heft 2 v. C h. Huber. 
München, 1891. J. F. Lehmann. 

Ueb. d. physiol. Grundl. d. Tuberculinwirknng v. Prof. Hertwig. 
Jena, 1891. G. Fischer. 

D. Protozoen als Krankheitserreger v. L. Pfeiffer. 2 Anfl. Jeua 
1891. G. Fischer. 

Beitr. z. Entwiekeluugsgesch. d. angeb. Aderhaut-Coloboms von 

E. Ricker. J. D. Wiesbaden, 1891. J. F. Bergmann. 

Die Milch m. Berücksicht, d. Hygiene v. H. Scholl tu. Vor¬ 
wort v. F. Hüppe. Wiesbaden, 1891. J. F. Bergmann. 
Medicin. Taschenwörterbuch v. E. Lehfeldt. Berlin. 1891. Boas 
und Hesse. 

Beziehungen zwischen Muskelznckung und Entzündung v. G. 

Schrokamp. Lübeck, 1891. Lübcke u. Hartmann. 

Die Tuberculose i. d. Strafanstalten, v G. Cor net Sep. Abdr. 

aus d. Zeitschr. f. Hygiene. X Bd. 

CoBp€M6Hübi8 B8rjflxi> Ha saaieme KoKitHxift npa 6o.rfe8HHXT> kohsh. 
npoif». A. H. IIocnkJOBa. MocKBa, 1891. ne«taTHn flKoiuena. 
| D. Bedeutung d. Anaerobiose etc. v, E. Braatz Sep. Abdr. a. d. 
I Deutsch, med. W., 1890. M 46a. 



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On the value of tlie inhalatiou of Chlorine Gas etc. by H. Gibbes 
and E. L. Shurly. repr. from the Therap. Gasette. Detroit. 
Mich. G. S. Davis. 

Ueb. a. Nothweudigkeit chirnrg. bacteriol. Institute v. E. Bruatz. 

Sep. Abdr. a. d. Deutsch, med. W. 1891. }i 27. 

Ueb. d. Verhältn. d. klin. Chirurgie z. chirurg. Bacteriol. etc. 

Sep. Abdr. Deutsch, med. W. 1891 u. Central bl. f. Chirurgie. 
Kt. jieHeniio ca<J)njHca BnpbicKUBauiaHH BBB'BmeuuuMT. npenapa-rosn» 
pxyTH JI. T. ToJibjta. 

BocnaaeHia b peTeauioBBUH khctu $&j.ionieBbix’b Tpy 6 i>. K. <I>. 

CjaBHHCKaro (jökuih). C.-IIeTepöyprb, 1891. A. 1'yBopHH-b. 

Zur Diagnose und Behandlung der Gicht von Dr. Carl Nord¬ 
horst. Wiesbaden, 1891. I. F. Bergmann. 

Weitere Mittheilungen über die von Prof. R. Koch vermeintlich 
entdeckten aber nicht bestehenden Tuberkelbacillen etc. von 
Prof. H. W. Middendorp. Groningen, 1891. J. B Wolters. 
IIpoTOKOJihi Bpa«te 6 HbixT> coBfemaHiö bt» ropojtcuott OßyxoBCKofl 
ÖOJbHapl) (Sep. Abdr.). 

Clinique fran^aise. Programme des cours. Paris 1891. 

IIpo(t>- A. Euleuburg. l)po$. M. H. AcaBacbem.. PeajbHa» 
aBQHKJionexifl MexHQHBCRBX'b Bayirb. T. I. C.-IIeTep6ypn>, 1891. 

B. C. STTHBrepr«. 

Versuche über das Diuretin Knoll von Dr. Sigmund Pfeffer. 
(Sep. Abdr.). 

Ueber Schwankungen des Körpergewichts im Verlaufe des Abdo¬ 
minaltyphus vou Dr. M. Zjenetz. (Sep. Abdr.). 

Beitrag zur Kenntniss der Krankheiten des Blutes von F E. Mo- 
ragliano (Sep. Abdr.). 

Künstlich corrigirte oder natürliche Mineralwässer in der Thera¬ 
pie der harnsauren Diathese von Doc. Dr. Fürst (Sep. Abdr.). 
Ein Spiegel zur Besichtigung des Cavum pharyngo-nasale von 
Dr. L. Jankau (Sep. Abdr.). 

The hypnotic- state of hysteria by Dr. W. C. Krauss (Sep. 
Abdr.). , 

An improwed tape measure by Dr. W. C. Krauss (Sep. Addr.). 
A dermoid cyst of left ovary by Dr. W. W. Pott er (Sep. 
Abdr.). 

Annual of the universal medical scienses edited by Dr. Charles 
Sajous Volume I—V. Philadelphia, 1891. F. A. Davis. 
Vorlesungen über Pharmacologie von Dr. Prof. C. Binz. 2te um¬ 
gearbeitete Auflage. Berlin, 1891. Vrgl. v. Aug. Hirschwald. 
Ueber Tubensäcke »eine klinische Studie) von Dr. Leopold 
Landau. (Berlin). Sonderabdr. aus Archiv f. Gynäkologie, Band 
XI, Heft 1. Vrlg. v. Aug Hirschwald. 

Handbuch der allgemeinen Therapie der Kreislaufsstörungen von 
Prof. Hofrath Dr. M. J. Oertel. 4. Um gearbeitet Arbeit mit 
62 Abbildg. Leipzig. Vrlg von Vogel. Pr. 9 Mrk, 

Lehrbuch der orthopädischen Chirurgie bearb. v. Dr. Albert 
Hofla mit 555 Abbild. Stuttgart. Vrlg. v. Ferd. Enke. 1891. 
Pr. 16 Mrk. 

Festschrift Herrn Rud. Virchow zum 70. Geburtstage gewid¬ 
met von Dr. A. Baginsky. Stuttgart. Vrlg. von Ferd. Enke, 
1891. Pr. 8 Mrk. 

Der Idiot und die Imbecille von Paul Sollier, übersetzt von Dr. 
Paul Brie, mit 12 Schrifttafeln. Hamburg uud Leipzig. Vrlg. 
v. Leop. Voss. Pr. 5 Mrk. 

Kurzgefasste Abhandlungen über wichtige Kapitel aus der med. 
Praxis durchgesehen und bearbeitet von Geh. San. Rath Dr. 
Guttmann. (Berlin), Leipzig. Vrlg. v. G. Thieme. 

Die Pflanzennahrung bei den Menschen, v. Dr. Kingsford, über¬ 
setzt v. Dr. A. Aderholdt. 3 vermehrte Auflage. Leipzig. 
Hartung u. Sohn. 1891. Pr. 1,50 Mrk. 

Moderne Chemie. 12 Vorträge von Dr. Lassar-Cohn. Hamburg 
und Leipzig Vrlg. v. Leop. Voss. 1891. Pr. 3,50 Mrk. 

Klinisches Jahrbuch. 3 Band, herauegeg v. Prof. Dr. Guttstadt. 

Berlin. Vrlg. von J. Springer. 1891. Pr. 20 Mrk. 

HaÖJuoxeBia Ba^t x-fetfcTBiein, KoxobckoB jumjpbi. EepreacoBa. 

C. -lleTep6ypn.. Tanorpa^iH XyjeHROBa. 1891. 

Wirkungen des Diuretin, von Dr. Kress. Sep. Abdr. aus der Mün¬ 
chener Medic. Wochenschrift, >6 38, 1891. 

Neue Therapeutische Mittheilungen über Diuretin-Kuoll Knoll. 

Chemische Fabrik. Ludwigshafen. 

Die Privatanstalt zu Ober-Döbling. Bericht über die Leistungen 
der Anstalt, mit 12 Tafeln. Leipzig und Wi n. Fr. Deu- 
tieke. 1891. 

N» 1. Excerpta medica. Kurze monatliche Journalauszüge, v. Dr. 
med. Eng. Graetzer in Sprottau. Basel. Vrlg. C. Sallmann. 
1891. Pr. des Jahrgangs 5,V5 Fr. 

Sep. Abdr. aus Therapeutische Monatshefte herausgeg. v. Dr. Lieb¬ 
reich. 

1) Ueber Europhen bei Nasenkrankheiten von Dr. Löwen- 
stein. 

2) Ueber therap. Erfahrungen mit Europhen, von Dr. med. 
A. Nolda. 

3) Ueber d. Europheu, ein neues Jodproduct, von Dr. 
S i e b e 1. 

Ueber die Behandlung der chronischen Otorrhoe mit einigen neue¬ 
ren Borverbindungen v. Dr. R. Kafemann. Danzig, 1891. 


$08B. iteHS. Cn6.1 4>eBpajfl 1892 r. 


Ueber Chinin und die Malariaamöbe von Prof. C. Bin z. Sonder¬ 
abdr. ans Berliner klin. Wochenschrift. 1891, M 43. 

Handbuch der allgemeinen und speciellen Arzneiverordnungslehre 
bearbeitet von Prof. Dr. C. A. E w a 1 d. 12 vermehrte Auflage. 
Berlin, 1892. Vrlg v. Aug. Hirschwald. 

Ueber Myositis syphilitica diffusa s. interstitialis von Prof. Dr. 

Lew in. Berlin, 1891. Vrlg. von Aug Hirschwald. 
Encyclopädische Jahrbücher d. gesamtsten Heilkunde, herausge¬ 
geben v. Piof. Dr. A. Eulenbürg. T Jahrgang. Wien u. Leip- 
| zig. Urban n. Schwarzenberg. I—X Lieferung. Pr. pro Lief. 
1 Mrk. 50 Pf. 1891. 

! Sonderabdr. ans Pharniaceutiscbe Centralhalle. Ueber d. Verwen¬ 
dung der Cellusewolle u. daraus hergestellten Watte in der 
i Chirurgie von Dr. Ron ne fahrt. 

i Sonderabdr. aus Deutsche Med. Zeitung von Dr. Fürst- Künstlich 
corrigirte od. natürliche Mineralwässer in der Therapie der 
i harn8anren Diathese. 

Kt> Bonpoey o Haxo**eaiH tokchb& bt» irpoBQ juoxeä. ft-pa Kaxt»- 
iieSepa. C.-neT6'>6ypn», 1891. 

| Die Conträre Sexualempfindung v. Dr. med. A. Moll. Berlin. 
| Fischer’s med. Buchhandlung. 1891. 

Ueber Carbolgangrün von Alexander Trau kenburger. Nürn- 
| berg. Pr. 1 Mrk. 

| 3anacKH ypaxbcitaro «ejauBBCKaro oömecTBa bt» ERaTepmiöyprb. 
i 1 ro*T». nepub, 1891. 

{ Lehrluch der Gebartshilfe von Dr. A. Martin mit 119 Holz¬ 
schnitten. Wien u. Leipzig. Urban und Schwarzenberg. 1891. 

| Ueber die Verwendung v. Anilinfarbstoff bei Nasen-. Obren- und 
Halsleiden von Dr. M. B r e s g e n. Wiesbaden. Vrlg. v. E. 
Jnugklaass. 1891. Pr. 1.20. 

Les pierres du poumon, per le Dr. S. A. Marius Poulalion. 

1 Paris. Steinbeil. 1891. 

Dr. Paul Börners Reichs Medicinal Kalender. 1892. 

] Coropendium d. Arzneiverordnung von Dr. Liebreich und Dr. 
I Langgaard. 3 vollständig umgearb. Auflage. II Hälfte. 
Berlin. Fischers Buchhandlung. 

Klinischer Atlas der Laryngologie und Rhiuologie herausgegebeu 
von Dr. Joh Schnitzler. II. Lieferung mit 15 Abb ld. 
Wien, 1891. Wilhelm Braumüller 2 Mrk. 

Klinische Zeit- und Streitfragen: Electrolytische Behandlung der 
Strikturen der Harnröhre; einiger Dermatosen von Prof. Ed. 
Lang. Wien, 1891- Wilhelm Braumüller. l’r. 2 Mrk. 

Klinische Zeit- und Streitfragen. Die Tuberkulose und Kochsches 
Verfahren von Dr. L u d w. Wiek. Wien. Vrlg. v. W. Brau- 
; müller. 1891. Pr. 2 Mrk. 

j Cursus d. laryngoscopischen Technik von Dr. Gr. A v e 11 i s mit 
49 Ab. Berlin. Fischers Buchhandlung. 1891. 

! Handbuch d. spez. Pathologie und Therapie ▼. Prof. Dr. Eich- 
horst. IV. Band mit 105 Holzschnitt. 4 umgearbeitete Anfl. 
I Wien u. Leipzig. Urban und Schwarzenberg. 1891. Vollstän¬ 
dig in 4 Bänden. Pr. pro Band 12 Mrk. 

Krankheits- und Behaudlungslehre der Nasen-, Mund-und Rachen- 
! höhlen etc., etc. von Dr. Maximilian Bresgen mit 166 
Holzschnitten. II umgearbeitete Anfluge. Wien und Leipzig, 
j Urban und Schwarzenberg. 1891. 

I Die Ernährung des gesunden und kranken Menschen von Dr. 

Munk und Dr. Uffelmann. II umgearbeitete Auflage. 

[ II Hälfte. Wien und Leipzig. Urban u. Schwarzenberg, 1891. 
i Lehrbuch der Chirurgie uud Operationslehre von Prof. Dr. E. 

! A 1 b e r t. 4 Band. Die chirurgische Krankheit des Beckens nnd 
der unteren Gliedmasse, mit 267 Holzschnitten, 4 vermehrte 
Auflage. Wien und Leipzig. Urban und Schwarzenberg. 1891. 
Preis 12 Mrk. 

Psychologie der Suggestion vou Dr. phil. Hans Schm*dkunz. 
Stuttgart. Feld. Enke, 1892. 

Med. Taschenkaleuder für praktische Aerzte 1892 vou Dr. För¬ 
ster. IV Jahrgang. Riga. Jonck uud Poliewsky. 1892. 

Atlas der gerichtlichen. Medicin v. Prof. Dr. A. L e s s e r. II Ab¬ 
theilung. 5 Lieferung. 3 color. Tafeln. Breslau. Schlesische 
Buchhandlung. 1891. 

; Der menschliche Fnss, seine Bekleidung und Pflege v. Dr. Beely 
| und Dr- E. Kirchhoff. Vrlg. der Laupp’schen Buchhandlung. 

; Orten» bo IlMBepaTopcRoiiy (J.-neTepöyprcROMj BocnaTaTeibaoMy 

j Äony 8a 1886 —89 roxi». 

; Die Influenza im dem Winter 1889—90 von Dr. J. Ruhemann. 
Leipzig. G. Thieme. 1891. Pr. Mrk. 3. 

Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten bearb. v. Dr. 
J. Boas mit 28 Holzschnitten. 2 bearbeitete Auflage. Leipzig. 
G. Thieme. Preis 8 Mrk. 1891. 

Arbeiten des Pharm. Instituts zu Dorpat herausgeg. von Prof. 
Dr. R. K o b e r t. VII, mit 5 Zinkographien im Text. Stuttgart. 
Ferd. Enke. 

Ueber den Einfluss des Lichtes auf die Haut von Dr. med. Fried r. 

Hammer. Stuttgart. Ferd. Enke. 1891. 

Die Untersuchung des Pulses von Dr. M. v. Frey. Berlin. 
J. Springer. 1892. Preis 7 Mrk. 


Herausgeber: Dr. Th. v. Schröder. Bnchdiuckerei von Wienecke, Katherinenhofer-Pr. J*615. 


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_RUSSISCHE MEDICINIS CHE LIT ERA TUR._ 

N2 2. Beilage zur «St. Petersburger Medicinischen Wochenschrift». 1892. 


Bolnitschnaja gaseta Botkina 1891. Ns 34-52. 

S. M. Afanassjew: «Experimentelle Untersuchungen über 
die Einwirkung mechanischer und thermischer Hautreize 
auf den allgemeinen Blutdruck». (NNr. 34, 35, 37, 38, 40, 
43-52). 

Im Grossen und Ganzen wurde eine Steigerung des Blut¬ 
drucks bemerkt, besonders bei Summirung von Beizen. Die 
näheren Details sind im Originale nachzulesen. 

Der Grund für die Blutdruckveränderungen liegt in den 
Blutgefässen des Abdomen. Bei Ausschluss dieser wurden die ' 
Blutdruckveränderungen nach Hautreizen relativ unbedeutend, j 

G. I. Matschichin: «Der Operationssaal und die Aseptik in 
der Chirurg. Abtheilnng des Marienhospitals». (Nr. 36). 
Kurze Beschreibung und Schilderung des im Titel Genannten. 

A. 0. Jogisches: «Ein Fall von Myelitis lateralis amyothro- 

phica mit nicht ganz gewöhnlichem Verlaufe». (Nr. 36). 

Es fehlten während der ganzen Krankheitsdauer Contractu- 
ren. 

B. M Kallraeyer: «Zur Frage des Nachweises von Toxin im 

Blute an traumatischem Tetanus erkrankter Menschen». 
(Nr. 37). 

In Verfassers Falle war in dem Blutserum kein Toxin, wel¬ 
ches Mäuse tetanisirt hätte, zu linden. 

N. H. Meyer: «Ueber Milzabscesse». (NNr. 38, 39, 41). 

Im Anschlüsse an einen casuistischen Bericht epikritische 
Bemerkungen über Aetiologie, Verlauf, Symptomatologie und 
Therapie der Abscesse. Zum Schlüsse ein kurzer Bericht der 
Literatur über die bisher mit dem Messer, dem Troicart und 
dem combinirten Verfahren operirten Fälle. 

D. D. Popow: «Die pathologisch-anatomischen Veränderungen 

der Fallopiaschen Tuben bei allgemeinen acuten Inrec- 
tionskrankheiten». (NNr. 38, 39). 

Je nach der Intensität der Krankheit auch die Veränderun¬ 
gen in den Tuben. Active und passive Hyperämie, am ausge¬ 
sprochensten in der Mucosa. der subserosa und der ihr be¬ 
nachbarten musculären Schichte, weniger scharf in der circu- 
lären Muskelschichte. 

Die Besnitate sind aus 20 Tubennntersuchungen (10 Frauen: 

7 Becurrens, 1 Abdominaltyphns, 1 Becurrens plus croup. Pneu¬ 
monie, 1 croupöse Pneumonie) gezogen. 

A. A. Kadi an: «Ein Fall von Nierensteinexstirpation». 
(NNr. 39, 40). 

Erfolgreiche Exstirpation der rechten Niere, in Folge lange 
dauernder, nicht versiegender Eiterung nach einer Nephroto¬ 
mie (pyonephritis calculosa) ein halbes Jahr vordem. 

N. I. Kuskow: «Ueber eine Gascvste des Darmes». (NNr. 40, 
41). 

Genaue makro- und mikroskopische pathologisch-anatomische 
Beschreibung einer wahren neugebildeten proliferirenden Gas¬ 
cyste des Darmes, Wie sie nur Bang vordem beschrieben. Mit 
Abbildung. 

E. A. Golowin: «Ueber die Behandlung der Nephrolithiasis». 

(Nr. 42). 

Deutsch in St. Petersb. med. Wochenschr. 1891 (Nr. 48). 

B. W. Werchowski: «Ein Fall von acuter gelber Leberatro¬ 

phie». (Nr. 43). 

A. P. Wojnowitsch: «Das schwefelsaure Atropin bei Hyper- j 
secretion des Magens». (Nr. 44). 

Untersuchungen an einem Falle, in dem das Atrop. snlf. mit 
Erfolg verordnet war, ergaben, dass flypersecretion ohne Hy¬ 
peracidität existiren könne, was früher zu beweisen nicht ge¬ 
lungen war, weiter dass der Fall eine Widerlegung der Mei- i 
nung Beichmann’s abgebe, der selbst in den ersten Stadien j 
der Verdauung keine Milchsäure gefunden habe, endlich dass ; 
wenn das Ulc. rotundum Folge einer Hyperaddität sei, wie 
Siegel, Velden, Korcynski undJaworski lehren, das 
Atropin in Verbindung mit entsprechender Diät eine hervor¬ 
ragende Stelle in der Behandlung dieser Krankheit einnehmen 
müsse. 


N. I. Kuskow: «Pathologisch-anatomische Casuistik des Ma¬ 
rienarmenhospitals zu St. Petersburg». (NNr. 44, 45, 48). 

1. Perforationsperitonitis aus dem Gallengange bei einem Ty¬ 
phösen. 

2. Fall von fehlender linker Niere, complicirt mit Uterus 
didelphus. 

3. Syphilitische Verengerung der Trachea und der grossen 
Bronchen. 

4. Ein Fall von einer teratoiden Geschwulst (in der Bauch¬ 
höhle) mit Abbildungen. 

Genaue Beschreibungen und epikritische Bemerkungen und 
j Erklärungen dieser Raritäten und Unica. 

I. W. Bechtin: «Ueber den Stickstoffwechsel bei Injectionen 
von Koch'scher Flüssigkeit in qualitativer und quantita¬ 
tiver Beziehung». (NNr. 45, 46, 47). 

Untersuchungen an drei Kranken. 6 Tabellen. Das Resultat 
ist: «Die Assimilation der Stickstoffhaltigen Theile der Nah¬ 
rung nimmt ab. Die Quantität des ausgeschiedenen Stick¬ 
stoffes nimmt zu. Die Qualität des Stoffwechsels wird schlech¬ 
ter». 

B. W. Werchowski: «Zur Frage’ der Digitaliswirkung». 
(Nr. 46). 

Wassersucht in Folge von Digitalis. Experimentelle Unter¬ 
suchung. 

A. M. Lewin: «Aus der Hospitalpraxis: Zur Symptomatologie 
des Leberechinococcus». (NNr. 47, 48). 

Anknüpfend an einen Fall von Leberechinococcus, bei dem 
nach Punction mit der Pravaz’schen Spritze Urticaria auftrat, 
Bemerkungen über Urticaria und Intoxication (Debove) nach 
Punction der Hydatidencysten. Verf. ist nicht abgeneigt, als 
diagnostisches Moment die Punction anznwenden und glaubt, 
dass die Gefahr der Dissemination etc. nicht sehr gross sei, 
wobei er jedoch nach Ref. Ansicht auf bedeutenden Wider¬ 
spruch stossen wird. 

N. S. Kisselew: «Ein Fall von Hydropvonephrese, operirt 
von A. A. Trojanow». (Nr. 49). 

Erfolgreiche Nephrektomie. 

N. I. Ssokolow: «Dem Andenken S. P. Botkin's. Festrede 

am 12. Dec. 1891 in der Gesellschaft russischer Aerzte in 
St. Petersburg». (Nr. 50). 

A. Kosinski: «Zur Lehre von der schleimigen Degeneration 
der Krebszellen». (NNr. 51, 52). 

O. W. Petersen: «Ueber Temperaturerhöhungen nach Iiyec- 

tionen von salicylsaurem Quecksilber bei Syphilis». (NNr.51, 

Neumann. 


Chirurgitscheskij westnik 1892 Januar. 

R. W. Butz: «Zur Frage von der Behandlung gangraenöser 
Hernien». 

Ein umfangreiches Collectivreferat über die bekanntlich recht 
zahlreichen Arbeiten der neueren Literatur zu dem in der 
j Ueberschrift erwähnten Thema. Einen Originalbeitrag des 
J Verf. zu demselben enthält die vorliegende erste Hälfte noch 
nicht. 

N. A. Ssokolow: «Zur operativen Behandlung veralteter Ver¬ 
renkungen des Ellenbogengelenkes». (Ans der Chirurg. 
Abth. des Klin. Inst, der Grossfürstin Helena Pawdowna). 

Mittheilung von 4 durch Prof. Tiling mittels des von ihm 
zur Arthrektomie des Ellenbogens angegebenen Schnittes in 
Angriff genommenen veralteten Fällen von Lnxation dieses 
i Gelenkes. In allen wurde, zum Theil unter Zuhilfenahme par¬ 
tieller Resectionen, ein mehr oder weniger befriedigendes 
; Resultat erreicht. Zweimal konnte die Reposition nur durch 
zeitweilige Vernähung des Radiusköpfchens mit der Eminentia 
capituli dauernd erhalten werden. Hierbei wurden die Enden 
der Seidensutur zur Wunde herausgeführt und dienten nach¬ 
her zur Leitung der Scheere behufs Entfernung der Naht 
nach beendeter Wuudheilung. 


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8 


N. Trinkler: «Der solitäre Echinococcus der Milz, seine Dia¬ 
gnostik und operative Behandlung». 


Vorliegend blos einleitende Bemerkungen, zu einer, wie es 
scheint, sehr ausführlich geplanten statistisch-casuistischen 
Bearbeitung des im Titel erwähnten Themas. Grubert 


Westnik oftalmologii. 1891 Nov.-Dec. 

K. M. S sapeshko: «Klinisches Material zur Frage von der 
Schleimhauttransplantation». Fortsetzung und Schluss. 

S. bringt in diesem zweiten Theile der recht umfangreichen 
Arbeit zahlreiche weitere Krankengeschichten und liefert, um 
die Technik der Operation, sowie erzielte Heilerfolge zu demon- 
striren, 7 Lichtdruck tafeln. Ueberpflanzungen von Kanin¬ 
chenschleimhaut misslangen alle, entweder heilte der Lap¬ 
pen nicht an oder es folgte späterhin Atrophie desselben. Hier¬ 
über werden 7 Krankengeschichten mitgetheilt. Affenschleim¬ 
haut heilte ebenfalls nicht an — hierüber 2 Krankengeschichten. 
Transplantation der Scheidenschleimhaut gab stets ein 
gutes Resultat. 3 Fälle wurden mitgetheilt. Schleimhautmate¬ 
rial, welches bei Gelegenheit einer Hasenschartenoperation ge¬ 
wonnen wurde und auf das Lid eines gleichzeitig operirten 
anderen Individuums überpflanzt wurde, heilte ebenfalls gut 
an. Bei plastischen Lidoperationen wie zur Wiederherstellung 
eines Conjunctivalsackes wurde die Schleimhautüberpflanzung 
ebenfalls mit meist günstigem Erfolge angewandt, was in 15 
Fällen genau mittgetheilt wird. 

Ssapeshko zieht aus seiner sehr fleissigen, sorgfältigen 
und reichhaltigen klinischen Studie folgende Schlüsse: die 
menschliche Schleimhaut besitzt hohe Lebensfähigkeit und heilt 
Überpflanzt gut an; thierische Schleimhaut ist zu Zwecken der 
Transplantation unbrauchbar. Das beste Material bietet die 
Lippenschleimhant. Ohne Gefahr für . as Auge, in Sonderheit 
ohne Gefahr für die Hornhaut können sehr ausgedehnte Theile 
des erkrankten Conjunctivalsackes entfernt werden und durch 
überpflanzte Schleimhaut ersetzt werden. Die überpflanzte 
Schleimhaut unterliegt nicht der Trachomerkrankung. 

Germann. 


Westnik obschtschestwennoj gigieny, ssudebnoj i 
praktitscheskoj mediziny. 1891 Juni-üecember. 

M. D. van Pnteren: «Methoden der künstlichen Ernährung 
und Pflege von Säuglingen im Auslande». (Juni). Schluss. 

M. M. Tschelzow: «Die sanitären Verhältnisse auf der «Ka¬ 
rawane» zu Rybinsk». (Jun.). 

Unter «Karawane» versteht man in Rybinsk den ganzen 
Complex von Schiffen, sowohl den grossen, welche die Waaren 
ans dem Süden die Wolga hinaufschaffen, als auch den kleinen, 
deren Aufgabe es ist die Waaren auf den schmaleren Wasser¬ 
strassen weiter zu befördern, dazu die Schiffsbemannnngen und 
die etwa 40000 Mann starke Arbeiterschaar. Vorliegende Ab¬ 
handlung stellt einen Bechenschaftsbericht des Verf. dar, wel¬ 
cher 1890 von der medic. Akademie nach Rybinsk abkomman- 
dirt gewesen ist. 

N. A. Obolenski: «Professionelle Veränderungen an den Hän¬ 

den». (Jun.). 

E. F. Bell in: «Gewaltsamer oder natürlicher Tod, Arsen Ver¬ 
giftung oder Typhus?» Schluss. (Jun.). Casuistisches. 

P. J. Kubassow: «Die geburtshilflichen Zangen, ihre mecha¬ 
nische Theorie und eine Analyse der existirenden Muster». 
(Jun.). 

Fünfte und letzte Vorlesung. 

Idem: «Klinisch-hygienische Mikrobiologie». (Jul.—Oct.). 

IV. Vorlesung: über Typhus abdominalis. 

A. P. Krawkow: «Zur Frage von der Assimilation des Fettes 
der Nahrung bei gesunden Menschen unter dem Einflüsse 
indifferent temperirter Süsswasserbäder». (Jun.—Jul.). 

Verf. hat 5 gesunde junge Männer Bäder von 8°R. nehmen 
lassen und vor, während und nach der Badeperiode den Fett¬ 
gehalt ihrer Nahrung und ihrer Fäces besiimmt. 

Resultat: 1) die Fettassimilation hebt sich, 2) das Körper¬ 
gewicht steigt progressiv, 3) die Körper emperatur bleibt noch 
eine gewisse Zeit nach dem Bade um 0,1°—0,5° C. erhöht, 4) der 
Verlust durch Haut und Lunge steigt nach den Badern. 


A. W. Pogoschew: «Znr Frage von der Sanitätscontrolle 
der Fabriken in Russland». (Jul.—Sept.). 

Darlegung und Kritik der gegenwärtigen Verhältnisse nebst 
Vorschlägen zur Verbesserung der Sanitätscontrolle. 

W. Wyssokowitsch: «Die Wirkung des Ozons auf das 
Wachsthum der Bakterien». (JuL—Aug.). 

Verf. beschreibt mit grosser Ausführlichkeit die Entwicke¬ 
lung und den Gang seiner im Bremer’schen Sanatorium zu 
Görbersdorf ausgeiührten Versuche. Die in mannigfacher Be¬ 
ziehung interessanten Details lassen sich in einem kurzen 
Referate nicht wiedergeben. Das Hauptergebnis der Arbeit 
lässt sich dahin zusammenfassen, dass Oz. das Wachsthum der 
meisten Bakterien beeinträchtigt, ohne jedoch die Virulenz 
pathogener Formen zu schmälern, ferner dass es sich hierbei 
nicht sowohl um eine directe Einwirkung des Oz. auf die 
Zellindividuen handelt, als vielmehr um eine Oxydirung resp. 
Versäuerung des Nährbodens und eine Zerstörung der dann 
enthaltenen Bakteriennahrstoffe. Die Hypothese, dass ein ana¬ 
loger Vorgang auch in den Lungen der Kranken, welche sich 
in Oz.-reicher Luft aufhalten, statt hat — spricht Verf. selbst 
mit grosser Reserve aus. 

W. S. Ssubbotin: «Selbstmord oder Mord?» (Strychninvergif¬ 
tung) und «Mordanfall oder Nothwehr?» (Jul). 

Casuistische Mittheilungen. 

K. K. Dowodtschikow: «Sollen die Rekruten bei der Aus¬ 
hebung gewogen weiden und wie ist das Brustmaass zu 
bestimmen?» (Aug.). 

D. weist auf die Nothwendigkeit der Gewichtsbestimmung 
hin, weil das Gewicht einerseits über den Gesundheitszustand 
des Rekruten Aufschluss giebt, andererseits eine bequeme laug- 
lichkeitsziffer liefert, wenn man es durch die Körperlänge 
dividirt. Ferner empfiehlt er das Brustmaass aufzunehmen, 
während der zu Untersuchende an den Handwurzeln ein wenig 
suspendirt wird. Zu diesem Behuf empfiehlt er einen von ihm 
construirten Apparat. 

W. Th. Demitsch: «Die Pädiatrie im russischen Volke». 
(Aug.—Dec.). 

Vorliegende Arbeit ist nur ein Glied aus einer ganzen Kette 
von Mittneilungen, durch welche sich Verf. um die Kenntniss 
der russischen volksmedicin bereits recht verdient gemacht 
hat. Das reiche, sowohl in medicinischer als ganz besonders in 
ethnographischer Beziehung höchst interessante Material ist 
gewandt verarbeitet und in frischer anziehender Weise dar¬ 
gestellt. Es umfasst folgende Capitel: 

Cap. I- Auf die Kinder bezügliche Sitten, Vorurtheile, Aber¬ 
glauben und dergl. 

Cap. II. Manipulationen am Neugeborenen und Pflege des 
Kindes in den ersten Lebenslagen. 

Cap. III. Medicameute, welche vom Volke zur Behandlung 
von Kinderkrankheiten angewandt werden. 


M. D. Nikiiin: «Das Leben Neugeborener ohne Athmung». 

(Aug.). 

Kritische Bearbeitung der einschlägigen Literatur mit Hin- 
zufügung zahlreicher eigener Beobachtungen. Die Stellung¬ 
nahme des Verf. zu der angeregten Frage findet ihren Aus¬ 
druck in folgenden Thesen: 

1. Die Frage von dem Leben der Neugeborenen ohne Athmen 
besitzt ausser dem theoretischen noch ein praktisches gerichts¬ 
ärztliches Interesse und verdien, die Beachtung nicht nur der 
Gerichtsärzte sondern auch der Geburtshelfer. 

2. Der athemlose Zustand der Neugeborenen in Apnoö und 
Asphyxie hat keine praktische Bedeutung für die forensische 
Medicin. 

3. Das Leben der asphyktischen Neugeborenen währt ohne 
Athmen nicht so lange, als man es gegenwärtig gewöhnt ist 
für möglich zu halten. 

4. Das absolute physiol. Unvermögen Athembewegungen aus¬ 
zuführen ist einem viel jüngeren Entwickelungsstadiura der 
Neugeborenen eigen, als die gerichtliche Medicin gemeiniglich 
an nimmt. 

5. Praktisches forensisches Interesse in Bezug auf Leben 
ohne Athmen kommt nur den lebeudgeborenen unreifen Früch¬ 
ten von 20—22 und nicht mehr als 24 Wochen zu. 

6. Die Thatsache, dass die Luft ausgeathmet habender Lun- 

f en Neugeborener wieder v erschwinden kann, unterliegt keinem 
weifel: zum deutlichen Beweise der Existenz dieser Thatsache 
sind noch weitere Beobachtungen in Gebäranstalten und Kli¬ 
niken erforderlich, jedenfalls aber bietet das Wesen dieser Er¬ 
scheinung für den praktischen Gerichtsarzt nnr ein 
untergeordnetes Interesse. 

7. Bei Abwesenheit von Luft in den Lungen gewinnt das 
positive Resultat der 2. Lebensprobe (Magenaarmpiobe) selbst- 


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9 


ständige, ausschlaggebende Bedeutung für die Frage, ob das 
Kind lebend geboren ist. 

8. Bei der Beurtheilung der Frage von dem Schrei ohne 
Betheilignng des Kehlkopfes darf man nur den wirklichen Schrei 
oder das Wimmern des Neugeborenen berücksichtigen, aber 
nicht etwas diesen Tönen nur Aehnliches. 

M. Goschkewitsch: «Tod in Folge von Verbrennungen?* 
(Aug.). 

Casuistische forensische Mittheilung. 

J. N. Jakimowitsch: «Zur Lehre von der indirecten Zell- 
theilung» (Aug.). 

Gediegene Arbeit. Die Untersuchungen sind ausgeführt an 
Tritonenlarven und zwar an deren Schwanzflosse. 

Im ersten Theil wird die Einwirkung verschiedener Reize 
auf den Theilungsprocess der Zellen studirt. Die Ernährung 
erweist sich, wie zu erwarten, als mächtiger Factor: während 
einer Hungerperiode nimmt die Zahl der Karyokinesen rapid 
ab, um mit erneuter Nahrungszufuhr ebenso zuzunehmen. 
Das Licht begünstigt die Zell Vermehrung, während dieselbe 
im Dunkeln sehr träge verläuft. Von den verschiedenfar¬ 
bigen Lichtstrahlen erwiesen sich die violetten constant 
als die günstigsten für die Theilungsvorgänge, darauf in ab¬ 
steigender Reihenfolge die gelben, grünen, blauen, rothen, 
gemischten. Von dem Einfluss der Temperatur wurde soviel 
constatirt, dass die Larven bei -f 26° R. zwar schnell wuchsen 
und viele Kernüguren zeigten, aber bald erschlafften und zu 
Grunde gingen, während bei 4-2°R. das Wachsthum und die 
Zellvermehrung auf ein Minimum reducirt blieben, die Indivi¬ 
duen sich jedoch viele Wochen lang lebensfähig erhalten liessen. 
Die Farbstoffe zerfallen ihrer Wirkung nach in 2 Gruppen, 
von denen die eine (alle Carminsorten, Hämatoxylin, Indigo, 
Methylenblau, Methylgrün) selbst in ziemlich gesättigten Lö¬ 
sungen das Leben der Larven nicht beeinträchtigen, die anderen 
(Safranin, Bismarckbraun, Methylviolett) dagegen selbst sehr 
verdünnt giftig sind. Besonders beachtenswerth ist das Methy¬ 
lenblau, welches die karyokinetischen Figuren am lebenden 
Thiere färbend die instructivsten Beobachtungen gestattet. Die 
elektrischen Ströme erweisen sich, wenn sie schwach sind, 
als wirkungslos; wenn sie dagegen stark sind, als deletär. 
Indess konnte Verf. nach kurzer Einwirkung mittelstarker 
constanter Ströme rapide Zell theilungsvorgänge beobachten. 
In einem Falle verlier der ganze Process 40 Min., in einem 
anderen Falle bis zur Bildung der Aequatorialplatte in 5—6 Min. 

Aus dem zweiten Theile der Arbeit, welcher z. Th. technische, 
z. Th. theoretische Bemerkungen enthält, sei nur hervorge¬ 
hoben, dass des Verf.’s Beobachtungen an 1000 sich theilenaen 
Zellen annehmen lassen, dass von den Theilungsperioden die 

2. (Mutterstern) und 3. (Aequatorialplatte) am langsamsten 
verlaufen, demnächst die 4. (Tochtersterne), dann die 1. (Knäuel), 
schliesslich am schnellsten die 5., letzte Periode. 

E. F. Bellin: «Gerichtsärztliche Bedeutung der Leichen Ver¬ 
seifung — Bildung von Fettwachs*. (Sept.). 

Ueberblick und Kritik der vorhandenen einschlägigen Lite¬ 
ratur. - Mittheilung von 4 eigenen Fällen. — Experimentelle 
Bearbeitung der Frage durch Versenken von normalen resp. 
pathologisch veränderten laichen und Leichcntheilen in strö¬ 
mendes W'asser von verschiedener Stromgeschwindigkeit. Ob¬ 
wohl die Versuche noch nicht völlig abgeschlossen sind, ist 
Verf. doch schon berechtigt folgende Thesen aufzustellen: 

1. Die schnell und vollständig auslaugende Wirkung des 
strömenden Wassers auf Gewebe, Organe und Leichentheile 
führt gleichzeitig zu einer sehr schleunigen Spaltung, Aus¬ 
laugung und Verseifung der Fette. 

2. Der Verseifnn^sprocess — die Bildung von Fettwachs in 
den Leichen oder einzelnen Theilen derselben — vollzieht sich 
in einer bestimmten Reihenfolge, indem er stets an der Peri¬ 
pherie des betreffenden Körpertheiles oder der Leiche (im Un¬ 
terhautzellgewebe) beginnt. 

3. Die Verseifung der Leiche resp. ihrer Theile in strömen¬ 
dem Wasser geht viel schneller vor sich, als man gemeiniglich 
annimmt; volle Verseifung des ganzen Unterhautfettgewebes 
von Extremitäten theilen einer Leiche kann schon in 3—4 Mo¬ 
naten erfolgen. 

4. Die Verseifung der peripheren Theile des Unterhautfett¬ 
gewebes tritt ein bei nocn völlig erhaltenem Ban der darunter 
liegenden Weichtheile — Muskeln etc. 

5. Vollständige Auslaugung und Verseifung aller Weich¬ 
theile gut ernährter Leichen von Neugeborenen kann schon 
durch 3 monatlichen Aufenthalt in strömendem Wasser erreicht 
werden. 

6. Bei der Auslaugung einzelner Objecte, welche aus Mus¬ 
keln und Fettgewebe bestehen, tritt die Verflüssigung, Auf¬ 
lösung und Entfernung der Fäulnissproducte aus den .* uskel- 
fasern bisweilen früher ein als die Verseifung der Fetttheile. 

7. Die sommerlichen Verhältnisse des strömenden Fluss¬ 


wassers, welche die Fäulniss der Leichen weichtheile und die 
schnelle Entfernung der Zersetzungsproducte begünstigen, sind 
dem Verseifungsprocesse der Fettgewebe nicht hinderlich. 

8. Die Verwandlung der inneren Organe in Fettwachs kommt 
nur unter der Voraussetzung zu Stande, dass die Organe sehr 
fettreich oder fettig degenenrt sind: im ersteren Falle täuscht 
das in Fettwachs verwandeltepräformirte Fett die Verseifung 
des Organes vor, im zweiten Falle verwandelt sich das ganze 
Organ, bisweilen unter Erhaltung der äusseren Form, in eine 
Substanz, welche mit dem Fettwachs des Unterhautfettgewe¬ 
bes vollständig identisch ist. Normale parench. Organe unter¬ 
liegen dem gänzlichen Fäulnisszerfall. 

9. Die Auslaugungsversuche an Leichen, Leichen theilen und 
Organen in Wasser dienen als überzeugender Beleg dafür, dass 
Fettwachs nur aus präexistirendem Fette gebildet wird. 

10. Die Verseifung der Fettgewebe an den Leichen im Was¬ 
ser stellt nicht die Ausnahme dar, sondern die Regel, welche 
in directer Abhängigkeit steht von den Eigentümlichkeiten 
des Zerfalles, der Spaltung neutraler Fette (in lösliches Gly¬ 
cerin und unlösliche Fettsäuren) unter dem Einflüsse der 
Fäulniss. 

K. M. Watraschewski: «Ueber die prophylaktischen Metho¬ 
den der Syphilisbehandlung*. (Sept.). 

Autorreferat des Verfassers über den von ihm auf dem X. in¬ 
ternationalen Congress in Berlin gehaltenen Vortrag. 


N. W. Netschajew: «Zur Frage von der physiologischen 
Wirkung von Salzbädern auf Gesunde*. (Sept.—Oct.). 

Es handelt sich um Bäder in 1 pCt. Kochsalzlösung von 
35° C. und 30 Min. Dauer. Der Kürze halber geben wir die 
Resultate in Tabellenform: 


Hautempfindlich¬ 

keit: 

Pulsfrequenz: 
Blutdruck: 
Athemfrequenz: 
vitale Lungencapa- 
cität: 

Exspirationskraft: 
Muskelkraft: 

Temper, in axilla: 


Süsswasserbäder 

schwankendes Re¬ 
sultat 

immer verlangsamt 
meist erhöht 
verlangsamt 

schwankendes Re¬ 
sultat 

meist verringert 
schwankendes Re¬ 
sultat 

immer herabgesetzt 


Salzbäder 


immer erhöht 
meist verlangsamt 
gesunken 
wechselnde Wir¬ 
kung 

meist herabgesetzt 
meist erhöht 

immer erniedrigt 
meist erhöht. 


Nedswezki: «Echinococcus der Leber. Loslösung der Kapsel 
— Tod in Folge von Verblutung durch den Gallengang*. 
(Sept.). 

Gerichtsärztlicher Fall, weil Trauma als Ursache der Blutung 
vermnthet wurde. Guter und anschaulicher Sectionsbericht. 


M. Arustamow: «Skizzen vom sanitären Zustande derAstra- 
chan’schen Fischereien». (Oct.). 

Die Skizzen sind lebendig und anschaulich entworfen und 

g eben dem Leser einen Begriff sowohl von den grossartigen 
imensionen, in denen die Fischerei besonders am Wolga-Delta 
in den Frühlingsmonaten betrieben wird, als auch von den 

f eradezu grauenerregenden sanitären Zuständen, in denen sich 
ie Fischereistationen dank der Indolenz oder dem Geize der 
Arendatoren befinden. Gleichzeitig treffen wir in der Arbeit 
eine Beschreibung der Conservirungsmethoden, welche für die 
verschiedenen Fischarten verschieden sind. Bezüglich der De¬ 
tails müssen wir auf das Original verweisen. 

A. I. Pospelow: «Einige Daten aus den Beobachtungen über 
Lupusbehandlung mittelst Tuberculinum Kochii». (Oct.). 
Umfangreiche Arbeit. Zusammenstellung fremder und Mit¬ 
theilung eigener Beobachtungen. <1. Das Koch’sche Tnbercu- 
lin kann nicht als diagnostisches Hilfsmittel für Lupus ange¬ 
sehen werden und 2. aas Tuberculin heilt nicht den Lupus». 

S. M. Jerschow: «Einstmalige und gegenwärtige medicini- 
sche Ausbildung*. (Gelegentlich des 100jährigen Jubiläum« 
des Doctorgrades der Medicin in Russland). (Oct.—Dec.). 
Historischer Ueberblick. Hinweis auf die Nothwendigkeifc, 
den Doctortitel in seiner jetzigen Bedeutung abzuschaffen und 
(um ihm seine ursprüngliche Bedeutung, Doctor-Lehrer. wie¬ 
derzugeben) durch Doctoren der einzelnen medicinischen Discip- 
linen zu ersetzen. 

A. W. Jelissejew: «Skizzen des sanitären Zustandes eines 
Answanderertrupps auf dem Wege von Odessa nach Wla¬ 
diwostok*. (Nov.—Dec.). 

P. G. Russanow: «Siatistisches über die Selbstmorde und 
Selbstmordversuche in Moskau in den Jahren 1870—1885*. 
(Nov.). 


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10 


o 


Tn der statistischen Zusammenstellung nimmt Verf. Rück¬ 
sicht auf Geschlecht, Alter, Confession, Stand, Ehestand, Kör¬ 
perbau, Haarfarbe, Bildungsgrad, Jahreszeit, Tageszeit, To- 
aesart. 


cess; e) dafür aber erzeugt das Tuberculin, als Tuberkeltoxin, 
an und für sich degenerative Veränderungen in den Zellen 
des Organismus. . 

Wladimirow. 


N. N. Kijanizyn: tUeber den Einfluss der Temperatur, der 
Feuchtigkeit und des Luftzutrittes auf die Bildung von 
Ptoma'men». (Nov.). 

Sehr umfangreiche experimentelle Arbeit, von deren Resul¬ 
taten hier nur einige hervorgehoben seien: 

In dem faulenden Fleische wurden stets Propeptone oder 
Hemialbumosen nachgewiesen, wenn sich Ptomaine darin ent¬ 
wickelten und umgekehrt ohne Ptomaine keine Hemialbumo¬ 
sen. Das Temperaturoptimum für die Ptomainentwickelung 
liegt zwischen 16—18° R. Sowohl bei Luftzutritt als auch bei 
Luftmangel ist Ptomainentwickelung möglich, aber die Pto¬ 
maine sind in dem ersteren Falle weniger beständig und be¬ 
sitzen meist keine toxischen Eigenschaften, werden jedoch 
schneller und reichlicher gebildet. Bei Luftmangel gestalten 
sich die Verhältnisse gerade umgekehrt. 

A. W. Alexejewski: «Die Mineralwässer des Tambow’schen 
Gouvernements». (Nov.). 

Verf. hat in seiner Eigenschaft als Gonvernements-Medici- 
nalinspector Gelegenheit gehabt auf seinen Rundfahrten einige 
der offenbar zahlreich im Gouvernement Tambow vorhandenen 
Mineralquellen kennen zu lernen. Es handelt sich theils um 
eisen-, tlieils um schwefelhaltige Quellen, welche entweder nur 
mangelhaft oder — und das ist die Regel — gar nicht ge¬ 
pflegt und utilisirt werden. 

I. M. Awdak uschin: «Medicinisch-topographischeSkizze der 
Befestigung Petro-Alexandrowskaja im Amu-Darja-Gebiet». 
(Dec.). 

E. E. Iwanow: «Technik der Percussion und Auscultation an 
Kindern». (Nov.). 

Für die Percussion bei Kindern empfiehlt Verf., wenn man 
kein Plessimeter anwenden will, sich nicht wie gewöhnlich 
der 2. Phalanx des Mittelfingers zu bedienen, sondern der 3. 
Phalanx des Zeigefingers, während die übrigen Finger zur 
* Faust geballt werden. Verf. hat aber auch ein besonderes 
Plessimeter für das Kindesalter construirt. Dasselbe hat die 
Gestalt eines abgestumpften Kegels von 3—4 Cm. Länge. Das 
schmälere Ende ist abgerundet und nur gerade so dick, dass 
es in einen kindlichen Intercostalraum passt; das breitere Ende 
ist plan und dient als Aufschlagefläche. 

Zu anscultatorisehen Zwecken empfiehlt Verf. ein »Stethoskop, 
welches sich äusserlich nicht viel von den üblichen unterschei¬ 
det, nur dass dasselbe solide ohne Lumen gearbeitet ist und 
an Stelle der Aufsatzplatte eine kugelige Anschwellung trägt. 
Dieser Apparat soll mit den Eigenschaften der gewöhnlichen 
Stethoskope noch den Vorzug verbinden, dass er sich an jede 
Stelle des kindlichen Körpers und bei jeder beliebigen Lage 
des Kindes bequem und fest anlegen lässt. 

Idem: «lieber die Dosirung von Medicamenten für Kinder». 
(Dec.). 

Verf. verwirft die Benutzung von empirischen Tabellen und 
theoretischen Formeln, ebenso das Körpergewicht als Maass¬ 
stab für die Höhe der Dosen; «dagegen muss man die anato¬ 
misch-physiologischen Eigenschaften des kindlichen Organis¬ 
mus genauer erforschen; dann kann man, wenn man die phy¬ 
siologische Wirkung der Medicamente kennt, sofort, ohne seine 
Zuflucht zu langen klinischen Experimenten zu nehmen, direcr 
die entsprechende Dosis finden». 

A. I. Wojzechowski: «Traumatische Verletzungen, entstan¬ 
den durch Arbeiten an landwirtschaftlichen Maschinen'. 
‘(Dec.). 

107 Fälle gesammelt und von verschiedenen Gesichtspunk¬ 
ten beleuchtet. Tabellen. 

A. I. Gramatschikow: «lieber die Wirkung des Tuberculi- 
num Kochii auf tnberculöse Kaninchen». (Dec.). 

Experimentelle Arbeit aus dem Laboratorium Prof. Baum- 
arten’s. Als Beobachtungsobject diente die vordere Augen- 
äramer von Kaninchen. Resultate: a) Das Koch'sehe Mittel 
zeigt keinerlei snecitische Wirkung auf tnberculöse Producte. 
b) die Virulenz der erweichten Käsemassen bleibt vollständig 
erhalten, c) Köchin bewirkt keine Immunität und übt gleich¬ 
zeitig d) keine coupirende Wirkung auf den tnbercnlösen Pro- 


Besprechungen. 

D. K. Rodsajewski: «Zur Frage von der Zersetzung einiger 
Verbindungen der Salicylgruppe im Organismus und ihrer 
antipyretischen Wirkung». Moskau 1891. 

In der mit grossem Fleiss gesammelten Literatur über diesen 
Gegenstand giebt Verf. ein anschauliches Bild von den For¬ 
schungen und Ansichten, besonders in physiologischer Hinsicht 
und zwar die Frage betreffend, in welcher Form die SalicYlate 
im Blut circuliren und falls als freie Salicylsäure, welche Stoffe 
es sind, die sie aus ihren Verbindungen abspalten und unter 
welchen Bedingungen. Die An- resp. Abwesenheit der Salicyl¬ 
säure in den Organen basirt Verf. auf der Thatsache, dass 
neutrales salicylsaures Salz weder durch reinen Aether gelöst, 
noch durch Destillation mit Wasserdämpfen in die Vorlage 
übergeführt wird und kommt durch seine zahlreichen Versuche 
zu folgendem Resultat: die SalicylSäurepräparate circuliren im 
Blut und in den Geweben, in ihrer Hauptmasse, im gebunde¬ 
nen Zustande. Normales Blut enthält die Salicylsäure nie frei, 
wohl aber die Gewebe, wo die Abspaltung einestheils durch 
die Anwesenheit freier organischer Säuren, anderenteils auch 
durch diejenige geformter Fermente oder des Eiweisses bedingt 
sein kann. Bei Fieberprocessen ist die Menge der freien Sali¬ 
cylsäure auch in denjenigen Organen am grössten, die unter 
normalen Umständen die Salicvlate zu spalten im Stande sind. 
Ist die Respiration gestört, so'gelingt es auch im Blut freie 
Salicylsäure nachzuweisen, doch erscheint die erhöhte Kohlen¬ 
säuretension nichts Wesentliches zu ihrer Abspaltung bei- 
zutragen. da bei einigen ähnlichen Processen (Septicaemie) die 
Menge der freien Salicylsäure sogar sich vermindert. Salol 
und Salicin werden vorzugsweise durch Fermente und Produkte 
ihrer Thätigkeit gespalten und diese Spaltung endigt bei 
Salicin im Darm mit der Bildung von Saligenin. Das Speci- 
fische der antipyretischen Wirkung der Salicylsäurepräparate, 
liegt nicht in ihrer antiseptischen Eigenschaft, der anomale 
Stoffwechsel wird durch sie nicht aufgehoben, sie beeinflussen 
aber die Wärmeabgabe des Organismus und bringen so durch 
Erhöhung dieses Quotienten die Erniedrigung der Temperatur 
hervor. Der erhöhte Stickstoffumsatz dauert nicht allein wäh¬ 
rend des Gebrauches der Salicylsäurepräparate, sondern auch 
noch mehrere Tage nachher fort, welches letztere F'actum für 
ihre Beeinflussung des Nervensvstems spricht. T _ 

Kresling. 


An die Redaction eingesandte Büoher und Brochüren. 

Vorlesungea über Kinderkrankheiten im Alter der Zahnung von 
Prof. L)r. Max. Kassowitz. Leipzig und Wien. Franz Den« 
ticke. 1892. 

Electricity in Carcinoma by Robert Ne com an. M. D. repriuted. 
from the Times and Register. Philadelphiu, 1891. 

Weitere Mittheilungen über Spermin Prof. Dr. A. Poehl. Son- 
derabdr. aus Berl. klin. Woclienschr. 1891. M 39. 

Lorenz. Taschen-Kalender für Aerzte. 1892. V. Jahrgang. Berlin, 
Vergl. des Berl. Lith. Instituts. 

Oesterreichischer Medicinal-Kalender für 1892 herausgeg. von 
Dr. Theodor Wiethe. Wien. C. Fromme. Preis 3.20 Mrk. 

Jubiläums Katalog von Rud. Mosse’s Annoncen-Expedition 
1867—1892. 

Deutschlands Gesundheitswesen von Prof. Dr. A. Guttstadt. 
II Theil. Leipzig. G. Thieme. 1891. Preis 10 ilrk. 

Dr. Pani Börners Reichs-Medicinal-K&lender für Deutschland auf 
d. Jahr 1892. II Theil. Leipzig. Thieme. 

Osepo HEroxb. MejHKo-Tonorpafpo-xnüHiecBoe HscjkxoBaHie npoep. 
SaxkccKaro ct» 2 JiHTorpa<f). h 8 xeMHrpa<J). pHcyHRaMH. Touem. 
Tnno-JiHTorpa*ifl MnxaöjiOBa, 1892. 

Lehrbuch der Hygiene des Auges von Prof. Dr. Herrn. Cohn, 
mit zahlreichen Holzschnitten. Erste Hälfte. Wien n. Leipzig. 
Urban und Schwarzenberg. 1891. Preis 4 Mrk. 

Die Gelenkwassersucht von Dr. K. Scliuchardt mit 1 lithogr. 
Tafel. Jena. C«. Fischer. 1892. Pr. 2.50 Mrk. 

Grundriss der normalen Histologie des Menscheu für Aerzte und 
Studirende von Prof. Dr. S. L. Schenk. 2 amgearbeitete Aull 
mit 202 Holzschnitten. Wien u. Leipzig. Urban u. Schwarzen¬ 
berg. 1891. 


ßoiB. U6H8. Cu6. 26 <X>eBpaxa 1892 r. 


Herausgeber: Dr. Th. v. Schröder. Buchdiuckerei von Wienecke, Katherinenbofer-Pr. 15. 


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RUSSISCHE MEDICINISCHE LITERATUR. 

NS 3. Beilage zur «St. Petersburger Medicinischen Wochenschrift». 1892. 


Wratsch 1891. fe 45-52. 

A. A. Muratow: «Zur Frage von der radicalen Behandlung 
bedeutender Diastasen der geraden Banchmuskeln nach 
Geburten». (45). 

Ein Fall, in welchem genannte Diastase durch blutige Anfri¬ 
schung und Naht (Seide) geheilt wnrde, giebt Verf. zu dieser 
Veröffentlichung Veranlassung, welche übrigens nicht Neues 
bietet. 

A. P. Golow: «Zur Statistik der Fälle von spontaner Hei¬ 
lung multipler Fibromyome der Gebärmutter». (45), 

Die Fibromyome sassen sumucös und wurden unter wehen¬ 
artigen Schmerzen aus dem Uterus ausgestossen, worauf das 
Befinden der Pat. ein ausgezeichnetes wurde. 

D. D. Popow: «Die Zeit des Auftretens und die allmälige 
Verbreitung niederer Organismen im Verdauungs-Frac- 
tus der Thiere». (Nr. 40—43, 45). 

Nach Untersuchungen Verfs. enthält 1) das Meconiura des 
Foetus unter physiologischen Bedingungen weder aerobe noch 
anaörobe Mikroben; künstlich inficirt giebt es einen guten 
Nährboden zur Entwickelung von Mikroorganismen ab. 2) hängt 
die Zeit des Auftretens und die Verbreitung der Mikroben im 
Darme ab von der Milchaufnahme. 3) ist die Speiseröhre in 
den ersten Stunden des extrauterinen Lebens die einzige 
Eintrittspforte für Mikroben und ihre Sporen. 4) treten in 
mikroskopischen Praeparaten aus frischem Meconium die vege¬ 
tativen Formen der Bakterien erst einen Tag nach der Geburt 
auf. 

A. M. Eorolko: «Ueber die Diagnose verschiedener Mikro¬ 
organismenarten des Sumpffiebers und über die Behand¬ 
lung derselben mit Alaun». (46). 

R. M. Wolfson: «Einige Fälle von Vergiftung mit Samen 
von Ricinus communis L.>. (46). 

In den 5 von der Verf. beobachteten Fällen traten Erschei¬ 
nungen von Seiten des Darmkanales in den Vordergrund. 
V*—3 Stunden nach dem Genuss der Samen stellte sichUebel- 
keit, Erbrechen, Schmerz im Epigastrium, Schwäche, kalte 
Extremitäten, Krämpfe in der Unterschenkelmuskulatur, 
Angstgefühle, Cyanose, kalter Schweiss, kleiner und beschleu¬ 
nigter Puls und bedeutende Herzschwäche ein. 

I. M. Subbotin: «Zur Frage von dem sanitären Zustande 
der Bauernhäuser im Rjasanschen Kreise». (45, 46). 

A. A. Nowizki: «Der gegenwärtige Stand der Kaiserschnitt- 
Frage bei relativen Indicationen». (47). 

W. W. Stroganow: «Ein Fall von Atresia hymenalis». (47). 

N. P. Marjantscliik: «Ein Fall von partieller Verwachsung 
der Placenta mit der Gebärmutter und einige Worte über 
die Therapie solcher Zustände». (47). 

Der Beschreibung eines einschlägigen Falles schliesst sich 
eine oberflächliche kritische Besprechung der therapeutischen 
Massnahmen an, zu deren Schluss VerL die manuelle Entfer¬ 
nung der adhärenien Placenta für das geeigneteste Verfahren 
erklärt. 

G. G. Swjaginzew: «Zur Frage von der diätetischen Be¬ 
deutung der Malzextracte». (48). 

Nach S. besitzen die Malzextracte 1) keinen bemerkens- 
werthen Einfluss auf den Umsatz. 2) keinen Nährwerth, so¬ 
wohl was die sie enthaltenden Eiweissstoffe, als auch was die 
Diastase anbetrifft; einigen Nährwerth besitzen sie in dem 
grossen Gehalte an Kohlehydraten. 3) Die Verordnung von 
Malzextracten in den gebräuchlichen Dosen hat daher gar 
keinen Werth. 4) In Bezug auf ihren Nährwerth entsprechen 
die Extracte durchaus nicht dem hohen Preise und können 
mit grösserem Nutzen durch andere zuckerhalttge Substanzen 
ersetzt werden. 

I. N. Kazaurow: «Zur Therapie der Thränensackfisteln». (48). 

W. N. Bnrlakow: Beobachtungen und Facta aus der land¬ 
ärztlichen Praxis». (48). 

1) Zur Frage von der Leitung der Geburten bei engem 
Becken. (3 File). 


N. A. Jurmann: «Ein Fall von Gelenkkörper im Kniege¬ 
lenk». (49). 

I K. Strshelbizki: «Einige Bemerkungen in Betreff der 
Kopfschmerzen bei Landleuten». (49). 

I. G. Master: «Die iatroleptische (cutane) Methode der Dar¬ 
reichung von Chinin in der Kinderpraxis». (49). 

Weil die auf diese Weise eingeführte Chininmenge nicht 
genau dosirt werden kann und desshalb von schwacher und 
unbeständiger temperaturherabsetzender Wirkung ist, hältM. 
auf Grund seiner Erfahrungen die iatroleptische Methode in 
der Kinderpraxis für wenig geeignet. 

I I. Kriwjatkin: «Velociped und Herzgymnastik». (50). 

A. N. Dmitrijew: «Atropin als Haemostaticnm». (50). 

Nach Erfahrungen D.’s besitzt das Atropin bedeutende blut¬ 
stillende Eigenschaften, welche dadurch zu erklären sind, 
dass das Atropin in geringen Dosen eine Contraction der Ge- 
fässe bewirkt. In seiner Wirkung kommt das Atropin daher 
dem Hydrastin und Hydrastinin nach. 

P. Jasnizki. «Zur Frage von der Assimilirung von Fetten 
und N. bei gemischter Milchdiät unter dem Einflüsse von 
Kalkwasser». (50). 

(Vorläufige Mittheilung). 

M. B. Blumenau: «Zur Frage von den Recidiven des Ab¬ 
dominaltyphus». (49, 50). 

Die Dauer eines Recidives ist nach B.’s Beobachtungen um 
so kürzer, je kürzer die fieberlosen Intervalle sind d. h. je frü¬ 
her das Recidiv auftritt, desto geringer ist durchschnittlich 
die Dauer desselben und umgekehrt. Ferner zeigen die Zahlen 

B. ’s, dass bei längerer Dauer der primären Erkrankung das 
Recidiv verhältnissmässig kürzer ist. 

I. Sawadski: «Zur Frage von der Wirkung tiefer In- und 

Exspirationen auf die Assimilirung und den N-Umsatz bei 
gesunden Menschen». (51). 

(u>ryfcifige Mitteilung). 

A. A. Falkenberg: «Tabak und Bakterien». (51). 

Auf Grund seiner Untersuchungen spricht sich F. dahin 
ans, dass das Rauchen, wie es gewöhnlich geübt wird, durch¬ 
aus keine vorbeugende Wirkung austibt, wobei besonders das 
Nikotin keine Rolle spielt. Länger andauerndes Rauchen 
wirkt ähnlich wie Räuchern, doch wirkt der Tabaksrauch 
nicht intensiver als der Rauch anderer Substanzen. 

J. E. Möhlenfeld: «Die Tetrirmethode zur quantitativen 

Bestimmung des Kalium und Natrium». (51). 

P. M. Satschinski: «Ein Fall vom Atresia hymenalis». (51). 

A. P. Knrenkow: «Der Einfluss frischen Kälberblutes auf 
die Assimilirung und den N-Umsatz bei gesunden Men¬ 
schen». (52). 

(Vorläufige Mittheilung). 

M. B. Blumenau: «Zur Lehre von den abortiven Formen 
des Typhus». (51, 52). 

Auch B. sieht in der Steigerung der Körperwärme ein wich¬ 
tiges Moment im Kampfe des Organismus mit den Infections- 
keimen. Die bedeutenden Temperaturerhöhungen, welche den 
abortiven Formen des Typhus eigen sind, scheinen dennoch 
hemmend auf die Weiterentwickelung der Typhusbacillen ein¬ 
zuwirken und sind mithin als Abortivmittel anzusehen. 

D o b b e r t. 


Medizinskoje obosrenije 1892. Ns 1-3. 

L. Popow: «Ueber den Pulsus differens der Radialis als 
Symptom einer Stenose des linken venösen Ostinm». (Nr. 1). 

Viele Autoren haben sich mit dem Zustandekommen und der 
Ursache des Pulsus differens bei verschiedenen Erkrankungen 
beschäftigt; es finden sich aber in der einschlägigen Literatur 
keine Angaben über das Auftreten eines verschiedenen Radial¬ 
alses bei Herzerkrankungen. Popow hat nun dieses Svmptom 
änfig bei Krankheiten des Herzens im Stadium der Compen- 
sationsstörung seinen Schülern demonstriren können; besonders 


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12 


deutlich war es bei Stenose des linken venösen Ostinm aus¬ 
gesprochen. Man constatirte, dass der Puls in der linken A. 
radialis viel schwächer war, als in der rechten, zuweilen sogar 
nicht fühlbar. In einzelnen Fällen, wo der Puls nicht allzu¬ 
schwach war, gelang es diesen Unterschied sphygmographisch 
zu demon8triren. Die spätere Autopsie ergab, dass keine beson¬ 
deren Ursachen für den verschiedenen Puls Vorgelegen hatten. 
Zur Erklärung dieser Thatsache lässt Popow folgendes Rai- 
sonnement gelten: Bei Stenose des linken venösenOstium und 
Insufficienz der Mitralklappe findet man, namentlich im Sta¬ 
dium der Compensationsstörung eine colossale Dilatation und 
Hypertrophie der linken Vorkammer, dieselbe ist besonders 
vergrössert nach oben, hinten und ausßen d. h. nach der Rich¬ 
tung, wo derjenige Theil des Aortenbogens sich befindet, von 
welchem die Aa. carotis und subclavia ihren Ursprung nehmen; 
namentlich die Subclavia liegt ganz in der Nähe des äusseren 
Theiles des Atrium und des linken Heizohres, das ebenfalls 
stark vergrössert ist. Es ist deshalb leicht möglich, dass die 
Subclavia einen Druck erleidet. Es kommt noch hinzu, dass die 
linke Radialis länger und weiter entfernt ist vom Herzen, als 
die rechte; dass die linke Subclavia unter spitzem Winkel aus 
der Aorta entspringend sich nach unten und aussen wendet, 
während die rechte Subclavia, ans dem Truncus anonyraus her¬ 
vorgehend, einen viel stumpferen Winkel beschreibt; dass der 
Pulsus differens namentlich bei jungen Individuen hervortritt, 
bei welchen das Herz höher liegt, als bei alten. Popow 
schreibt dem von ihm zuerst gewürdigten Symptom eine grosse 
diagnostische Bedeutung zu. 

Koslowski: «Doppelseitige Facialisparalyse und Taubheit 
traumatischen Ursprungs». (Nr. 1). 

Ein Soldat fiel mit einem Balken, den er in der Hand hielt, 
in’s Wasser, wobei er die linke Kopfhälfte mit diesem Balken 
beschädigte. Es wurde constatirt: starke Blutung aus den 
Ohren und der Nase, Blnterbrechen, unklare Stimme, Schmer¬ 
zen in der linken Schläfengegend, wo auch eine Anschwellung 
bestand. Nach einer zweimonatlichen Behandlung waren fol¬ 
gende Symptome nachgeblieben: vollständige Lähmung aller 
mimischen Muskeln des Gesichtes, Lagophthalmus paralyticus, 
Erweiterung der linken Pupille auf das Doppelte im Vergleich 
zur rechten Pupille, schwache Lichtreaction aer linken Pupille, 
Taubheit (links stärker ausgeprägt, als rechts) Erschwerung 
der Augenbewegungen nach oben. Verf. nimmt eine Läsion 
der Nervenstämme an in dem intracraniellen Verlauf derselben 
bis zum Ganglion geniculi d. h. in dem Gebiet, wo die 7. und 
8. Nervenpaare zwischen der Varolsbrücke und dem verlän¬ 
gertem Mark hervortretend, auf der hinteren Fläche der Pyra¬ 
mide des Os temporale zum Porus acusticus sich hinbegeben. 
Als Grundlage für diese Nervenläsion nimmt Verf. eine Fissur 
der Schädelbasis an, welche quer durch die mittlere Grube 
geht und zwar durch die Pyramide des linken Os frontale, 
wobei die Paukenhöhle und das Labyrinth eröffnet wurden. 
Diese Fissur reicht bis zum Os frontale dextrura hinan. 

A. Walk: «Zur Casuistik der Hirnsyphilis». (Nr. 1) Kranken¬ 
bericht. 

M. S tri so wer: «Salicylsaures Natron und Salol bei Gallen¬ 
steinen». (Nr. 1). 

Beide Mittel haben dem Verf. bei Gallensteinen sehr gute 
Dienste geleistet, so dass er die Anwendung des Morphiums 
einschränken konnte. In der Periode der Koliken verordnet 
er 0,6 Antipyrin stündlich (2 mal); sind diese vorüber, so giebt 
Verf. salicylsaures Natron oder Salol 3-4 mal täglich 4 0,6. 
Unter solch’ einer Behandlung wurden die einzelnen Kolikan¬ 
fälle immer seltner und schwanden schliesslich gänzlich. Verf. 
lanbt, dass man mit diesen Mitteln bessere Resultate erzielen 
önne, als mit einer Carlsbader Cur. 

P. Modlinski: «Zur Frage der Behandlung unter feuchtem 
Schorf». (Nr. 2). 

Es war namentlich Schede, der die plastische Fälligkeit 
des Blutes würdigte und das Blut in der Wunde oder in den 
grösseren Defecten beliess in der Absicht, eine schnellere 
Heilung und Ausfüllung der Defecte zu erzielen. Seine Behand¬ 
lungsmethode ist aber ietzt fast gänzlich verlassen worden. 
Verf. räth diese Methode bei grossen Defecten, besonders des 
Knochengewebes, anzuwenden; er erzielte mit ihr sehr gute Re¬ 
sultate, so bei Osteomyelitiden, Knochenabscessen, bei Unter¬ 
schenkelgeschwüren, die das Periost des Knochens bereits 
ergriffen hatten. Es gelang ihm mit Hülfe der Schede’schen 
Methode in 15 — 20 Tagen Knochendefecte zur Heilung zu 
bringen, welche bei Anwendung anderer Methoden eine viel 
längere Zeit in Anspruch nehmen würden. 

A. Walk: «Ein Fall von idiopathischer Gangraeu der unteren 
Extremität». (Nr. 2).. 

Ausführliche Krankengeschichte. 


Derselbe: «Ein Fall einer Darmperinäalfistel traumatischen 
Ursprunges». (Nr. 2). 

Eine 14jährige Bäuerin erlitt beim Baumklettern eine Ver* 
letzung am Damm durch einen spitzen Baumzweig, dabei 
fühlte sie starke Schmerzen im Leibe. Nur mit Mühe gelang 
es die Blutung zu stillen. Am anderen Tage bemerkte sie, 
dass Winde und Faeces durch die Wunde abgingen. Die innere 
Fistelöffnung befand sich im Rectum. Ein chirurgischer Eingriff 
wurde abgelehnt. Sowohl die äussere als auch die innere 
Fistelöffnung heilten in einigen Wochen, und die Patientin 
wurde nach einem Monate vollständig hergestellt. 

H. Sachs: «Ein Fall von Haemelytrometra unilateralis bei 
Uterus duplex separatus». (Nr. 2). 

Bei einer 18jährigen Frau bestand eine Atresia vaginalis 
sinistra, welche eine Haematometra und Haematokolpos bedingt 
hatte. Die genaue Untersuchung ergab einen doppelten Uterus 
und eine doppelte Scheide, von denen die rechte Scheide offen 
war, die linke abgeschlossen. So erklären sich die starken 
Molimina menstrualia, während die Menstruation doch von 
statten ging. Die sich hervorwölbende cystöse Geschwulst — 
die stark erweiterte linke Scheide — wurde incidirt, und es 
floss eine theerartige Masse heraus. Nach einigen * agen wurde 
die Incisionsöffnung erweitert und mit der Schleimhaut der 
rechten und linken Vagina umsäumt. Nach einiger Zeit stellte 
sich die Patientin wieder vor, und Verf. constatirte Gravidität 
des rechten Uterus. Sachs legt besonderes Gewicht auf die von 
ihm angewandte zweizeitige. Methode der Eröffnung des Blut- 
saekes; die Gefahr einer eventuellen Beratung der Tubensäcke 
werde dadurch geringer. 

G. Hellmann: «Ein Fall von Scharlach bei einer Gebä¬ 
renden». (Nr. 2). 

Bei einer 27jährigen Primipara traten einige Tage vor der 
Geburt des Kindes (die übrigens einen Monat vor dem normalen 
Termin eintrat) Kopfschmerzen, Angina und Fieber auf. Die 
Geburt ging normal von Statten, im Puerperium hielt das 
Fieber an. Es stellte sich blutig-grauer stinkender Ausfluss 
aus derNase ein. Die Perinaealwunde bedeckte sich mit festen, 
grauen Membranen, und schliesslich trat das Scharlachexan- 
them auf. Exitus letalis. Verf. glaubt Septicaemie ausschliessen 
zu können und hält den Fall für eine ausgesprochene Scar- 
latina. Doch sind die Beweisgründe durchaus nicht überzeugend, 
vielmehr die Annahme einer Septicaemie eher gerechtfertigt. 
(Ref.). 

L. Darkschewitsch: «Ein Fall von chronischer Poliomy¬ 
elitis». (Nr. 3). 

Verf. beschreibt ausführlich einen Fall von Mnskelatrophie, 
der in der Nervenklinik der Moskauer Universität beobachtet 
wurde und bei der Section das anatomische Bild der Polio¬ 
myelitis chronica aufwies. Solche Fälle mit Sectionsresultat 
sind bisher nur von einzelnen Neurologen veröffentlicht worden. 
Bei dem 48jährigen Patienten wurde constatirt: stark ausge¬ 
sprochene Atrophie der Hals- und Nackenmnskeln, der langen 
Rückenmuskeln, der Cucullares und der Pectorales; vollstän¬ 
diges Fehlen der mm. supra - infraspinatus und deltoidens; 
Atrophie der Vorderarmmuskeln, namentlich auf der Streck¬ 
seite, die kleinen Handmuskeln rechterseits stark atrophisch, 
linkerseits nicht so bedeutend; die Muskeln der unteren Extre¬ 
mität sind schwächer als normal. Die Muskeln der oberen 
Extremität zeigen die partielle Entartungsreaction. Die Reflexe, 
vom m. triceps ausgelöst, fehlen. Der Patellarreflex ist vor¬ 
handen. Fussclonus fehlt, ebenso fehlen die Plantarreflexe. Von 
Seiten der nn. faciales, hypoglossi, trigemini keine Abnormität. 
Die Sensibilität normal. Patient starb in Folge Paralyse des 
Diaphragma. Bei der mikroskopischen Untersuchung desRücken- 
marks constatirte Verf.: eine Verringerung der Zahl undaus¬ 
gesprochene Atrophie der Ganglienzellen der Vorderhörner, 
namentlich im Halstheile des Rückenmarks, in der Grund¬ 
substanz der Vorderhörner war das Netz der Nervenfasern 
atrophisch, die Deiterschen Zellen waren stark ausgewachsen, 
namentlich im Halstheile. Die Capillaren und kleinen arteriellen 
Gefässe in den Vorderhörnern waren mit Forroelementen des 
Blutes gefüllt, in ihrer Umgebung Blutaustritte. In der 
Vorderseitenstrangbahn waren die Nervenfasern atrophisch. 
Die vorderen Wurzeln der Cerebrospinalnerven waren in ihrem 
intraspinalen Verlauf atrophisch, jedoch nicht in hohem Grade, 
die hinteren Wurzeln normal; der N. phrenicus stark atro¬ 
phisch. Eingehender wurden auch die atrophischen Muskeln 
untersucht; hier fanden sich die bekannten Veränderungen 
vor. Die Muskulatur des Diaphragma musste aber als normal 
bezeichnet werden: die contractile Substanz war nicht im 
Geringsten verändert, die Zahl der Muskelkerne war normal, 
die intermusculäre Substanz nicht verstärkt. — Verf. sucht 
seine Meinung zu begründen, dass die chronische Poliomyelitis 
eine einheitliche Krankheit daratelle und mit der amyotro- 
pliischen Lateralsklerose nicht zu identificiren sei. 

Abelraann. 


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13 


Shurnal akuscherstwa i shenskich bolesnej. 
1891. Mai—December (Nr. 5—12). 

K. F. Slawjanski: «Retentionscysten der Tuben» (Hydro- 
salpinx, Pyosaloinx, Haematosalpinx, Cystes tuboovariales). 
(Nr. 3 n. 5). (Fortsetzung des Cyclus von Vorlesungen). 

Sorgfältige Angaben über patholog. Anatomie, Symptome, 
Verlauf, Diagnose und Prognose dieser Erkrankungen so wie 
eingehende Besprechung der Therapie zeichnen diese Vorle¬ 
sungen aus. 

D. Schtschetkin: «Ueber penetrirende Zerreissungen der 
Scheidengewölbe bei Gebärenden». (Nr. 5, 6). 

Zwei beobachtete Fälle, von welchen einer letal, der andere 
mit günstigem Ausgange verlief, geben Verf. Veranlassung 
benannte Vorfälle während der Geburt einer eingehenden Be¬ 
sprechung zu unterziehen. In der Literatur hat S. nur 80 
Fälle von Eolpoparrhexis finden können und zwar ist in 8 Fäl¬ 
len ein vollständiges Abreissen der Gebärmutter verzeichnet, 
in 36 Fällen Ruptur des hinteren, in 24 Fällen eine solche 
des vorderen Scheidengewölbes, in 6 Fällen Ruptur des lin¬ 
ken, in 2 Fällen des rechten Scheidengewölbes. In 4 Fällen 
fehlen genauere Angaben. Von Interesse ist, dass in 51 Fäl¬ 
len die Ruptur vor operativen Fingriffen, in 13 Fällen nach 
Anlegung aer Zange, in 5 Fällen nach Wendungen, in 2 Fäl¬ 
len nach Kephalotripsie und je in einem Falle bei Entwicke¬ 
lung des nachfolgenden Kopfes, bei manueller Entfernung der 
Placenta und bei Anwendung heisser Douchen erfolgte. 

Bei Besprechung der aetiologischen Momente unterzieht 
Verf. die grob anatomischen Veränderungen einer ausführli¬ 
chen Durchmusterung, während die feineren mikroskopischen 
Veränderungen der Gewebe fast mit Stillschweigen übergan¬ 
gen werden. 

Was die Therapie anbetrifft, so schliesst S. dieses Capitel 
mit folgenden Schlusssätzen: 1) Erfolgt während der Geburt 
eine Ruptur des Scheiden ge wölbes und prolabirt die Frucht 
iq die Bauchhöhle, sei es auch nur theilweise, so ist zur La¬ 
parotomie zu schreiten. 2) Zange, Wendung auf den Fuss, 
Kraniotomie etc. sind bei Anwesenheit des Kindes in der 
Bauchhöhle contraindicirt. 3) Ist eine Kolpoparrhexis nach 
der Geburt constatirt, so ist die Laparotomie besser als alle 
anderen Behandlungsmethoden im Stande, die Pat. vor dem 
Tode an innerer Verblutung zu retten. 4) Bei Ruptur des 
Scheidengewölbes mit Abhebung des Bauchfelles ohne Verlet¬ 
zung desselben, ist die Laparotomie nicht indicirt, es sei denn 
dass ganz besondere Indicationen vorhanden sind. Hier ist 
Tamponade und Druckverband anzuwenden. 5) Frauen mit 
engen Becken, welche schon einmal eine Kolpoparrhexis tiber¬ 
standen haben, sind bei folgenden Geburten noch grösseren 
Gefahren ausgesetzt. 

G. A. Holzmann: «Zur Frage von der Dammbildung nach 
der Lappenmethode (Lawson-Tait) (Nr. 5—6). 

Nach einleitenden Worten, in welchen die 3 Haupttypen der 
Perinaeoplastik-Operationen (Meth. von Simon-Hegar, Freund, 
Lappenmethode) einer kritischen Beleuchtung unterzogen 
werden, geht Verf. zur Schilderung der Resultate über, welche 
Himmelfärb in 13 Fällen mit der Lappenmethode erzielte. 
Die Vorzüge der Simon-Hegar’scben und Freund’schen Metho¬ 
den für einige Fälle nicht leugnend, hält doch H. die Lappen¬ 
methode für die einzig richtige, wenn vollständig normale 
Verhältnisse, sowohl in physiologischer als auch anatomischer 
Beziehung erzielt werden sollen. 

M. Mironow: «Veränderungen der Schleimhaut des Corpus uteri 
bei Carcinom der Portio vaginal, der Cervix». (Nr. 5—6). 

Die sehr sorgfältigen, an 45 Praeparaten aus der Leopold¬ 
schen Klinik m Dresden angestellten Untersuchungen haben 
ergeben, dass bei Carcinom der Portio die Cervixschleimhaut 
in der Mehrzahl der Fälle entzündlich verändert ist. Das 
Gewebe der Cervix pflegt verhältnissmässig lange von der 
krebsigen Infiltration frei zu bleiben, obgleich auch solche 
Fälle beobachtet werden, wo die krebsige Infiltration schon 
verhältnissmässig früh den inneren Muttermund ergreift. Was 
die Schleimhaut des Corpus anbetrifft, so scheinen die Ver¬ 
änderungen, welche 'in derselben gefunden werden, nicht in 
directem Zusammenhang mit dem Portiocarcinom zu stehen. 
Ist die krebsige Entartung auf die Portio allein beschränkt, 
so bietet die Corpus-Schleimhaut keine speciflschen Verände¬ 
rungen dar. 

A. L. Ebermann: «Ueber Urethritis beim Weibe». (Nr. 
5-6). 

S. W. Ter-Michaeljanz: «Zur Frage von der Hysteropexiä 
abdominalis anterior» (Nr. 5—fi). 

Beschreibung ahme Falles, in welchem die Operation wegen 


vollständigen Vorfalles der Gebärmutter und Scheide mit gu¬ 
tem Erfolge ausgeführt wurde. 

D. Ott: «FauligerZerfall eines submucösen Fibroms als Indi- 
cation zur vollständigen Entfernung der Gebärmutter». 
(Nr. 7-8). 

Ueber faustgrosses jauchendes Fibrom, beginnende allge¬ 
mein septische Infection, Unmöglichkeit die Geschwulst per 
vaginam zu entfernen. Vollständige Entfernung des Uterus 
durch Laparotomie nach vorhergehender Auslösung des Col¬ 
lum aus seiner seitlichen und vorderen Verbindung von der 
Scheide aus. 

Günstiger Ansgang. 

A. Kra8sowski: «Medicinischer Bericht der St. Petersbur¬ 
ger Gebäranstalt pro 1890». (Nr. 7—8). 

Im Laufe des Jahres 1890 fanden im Ganzen in der Anstalt 
4077 Geburten statt mit einer Mortalität von 0,56 pCt, (an 
Sepsis nur 0,31 pCt.). 

G. Pajurowski: «Ueber Tamponade der Gebärmutter bei 
Blutungen nach der Geburt». (Nr. 7 u. 8). 

Die guten Erfolge, welche P. in 26 Fällen in der Tolotschi- 
now’schen Klinik von der Tamponade bei Gebärrautterblutun- 

f en gesehen, veranlassen ihn zur kurzen Wiedergabe der 
’rankengeschickten dieser Fälle. Nach Verf. ist die Tampo¬ 
nade mit Jodoform oder Salicylmarly das sicherste blutstil¬ 
lende Mittel und hat den Vorzug vor allen bis jetzt zur Stil¬ 
lung von Blutungen nach der Geburt vorgeschlagenen Mitteln, 
. awohl was die Sicherheit und Schnelligkeit der Wirkung, 
als auch die Leichtigkeit der Anwendung anbetrifft. 

I. M. Lwow: «Mola vesiculosa». (Nr. 7—8). 

Angaben aus der Literatur folgt eine genaue Beschreibung 
von 4 Fällen, welche Verf. in 11 Jahren (ca. 6000 Geburten) 
zu beobachten Gelegenheit hatte. 

P. Ssadowski: «Die Lapnenmethode bei Operation der Atre- 
sia ani vestibularia». (Nr. 7—8). 

J. Gurewitsch: «Ein Fall von Chylocystis myxoraatosa 
me8enterii». (Nr. 7—8). 

Casuistischer Beitrag. 

I. M. Lwow: «Ein Fall von angeborener Missbildung des 
Foetus». (Nr. 7—8). 

Ausgetragener, gut entwickelter Knabe, bei welchem bei 
normaler Schädelformation, doppelte Nasen, Mund* und Un¬ 
terkieferbildung beobachtet wurde. 

Das Kind lebte 11 Tage. 

N. W. Jastrebow: «Ueber den conservativen Kaiserschnitt». 
(Nr. 9). 

Bericht über 3 Fälle, in welchen die Operation 2 mal mit 
gtiustigem Ausgang für Mutter und Kind und einmal mit 
ungünstigen Ausgang für die Mutter ausgeführt wurde. 

M. A. Woskressenski: «Ueber Ansammlung von Flüssig¬ 
keit in den Tuben». (Nr. 9). 

Experimentelle Untersuchungen an Thieren bestätigen die 
Ansicht Slawjanski's, dass eine Verwachsung des Ostium 
uterin, tubae allein zn keiner Ansammlung von Flüssigkeit im 
Eileiter führt, während eine Verwachsung der abdominalen 
Oeffnung sogleich eine Stauung des Secretes im äussersten 
Theil der Tube zur Folge hat. Nach den allerdings nicht 
zahlreichen Experimenten ist ferner wahrscheinlich, dass eine 
Infection der Tube mit entzündlichen und Bakterien enthal¬ 
tenden Flüssigkeiten von der Gebärmutter ans nicht so leicht 
erfolgt wie es a priori hätte angenommen werden können. 

N. M. Kukuschkin: «Zur Frage des Geschlechtslebens der 
Frauen in der Stadt Tambow». (Nr. 9). 

I. I. Fedorow: «Ein Fall von conservativem Kaiserschnitt 
bei absoluter Beckenenge. (Nr. 9). 

Kasuistischer Beitrag. 

A. N. Ssolowjew: «Die Erfolge der operativen Behandlung 
der Flimmerpapillarcystome der Eierstöcke» (Nr. 10). 
Nach Wiedergabe der Krankengeschichte eines glücklich 
operirten Falles bespricht S. an aer Hand in der Literatur 
vorhandener Angaben die Entstehung, den anatomischen Bau 
dieser Geschwülste und die Indicationen und Contraindicatio- 
aen zur Entfernung derselben. In Betreff der Therapie macht 
S. folgenden Schluss: falls es unmöglich ist ein Fümmerpa- 
pillarcystom vollständig zu entfernen, muss der Rest in die 
Banch wunde eingenäht werden, wobei eine zu starke Zerrung 
der restirenden Sackwände zu vermeiden ist. 


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14 


A. F. Brandt: «Zur Bakteriologie des Uteruskörpers bei 
Endometritiden». (Nr. 10). 

(Vorläufige Mittheilung). 

A. A. Anufrijew: «Zur Frage von den Blasen-Cervix-Fisteln 
und Beschreibung von 5 Fällen in welchen solche Fisteln 
vollständig geheilt wurden». (Nr. 10). 

N. A. Ssalraanow: «Zur Frage von der vaginalen Totalex¬ 
stirpation der Gebärmutter». (Nr. 10). 

S. giebt kurze Literaturangaben und beschreibt einen Fall 
von vaginaler Totalexstirpation mit günstigem Ausgang. 

A. Th. Chelminski: «Zur Casuistik der Laparotomien bei 
intraligamentären Ovarialcysten». (Nr. 10). 

Beschreibung eines glücklich operirten Falles von rechts 
seitiger Parovarialcyste. (Länge 12,5, Breite 8 Cm. mit 210 
Cub. Cm. serösen Inhaltes). 

A. Krassowski: «7 Hysteromyomotomien». (Nr. 11). 

Die Stielversorgung war in 6 Fällen intraperitoneal (2 To¬ 
desfälle); in 1 Falle extraperitoneal (Heilung). 

A. F. Brandt: «Zur Lehre von dem primären Lymphosar¬ 
kom der Gebärmutterschleimhaut». (Nr. 11). 

Ausführliche Beschreibung der. makro- und mikroskopischen 
Befunde, welche Verf. in einem Falle zu beobachten Gelegen¬ 
heit batte. 

D. Ott: «Ein Instrument zur Fixation des Gumraischlauches». 
(Nr. 11). 

N. M. Kokuschkin: «Drillingsgeburt, complicirt mit Ek¬ 
lampsie». (Nr. 10). 

Casuisticher Beitrag. 

I.Tyschko: «ZurCasuistik der Extrauteringravidität». (Nr.ll). 

Beschreibung eines Falles von rechtsseitiger Tubengravidi¬ 
tät, welche bedeutende intraabdominelle Blutung ohne Bup- 
tur der Tube erzeugt hatte und glücklich durch Laparoto¬ 
mie geheilt wurde. 

S. A. Istomin: «Zur Casuistik der Abreissung des Kopfes 
bei gewaltsamer Extraction der Frucht an den Füssen». 
(Nr.ll). 

P. T. Neustube: «Hyperemesis gravidarum perniciosa und 
ihre Behandlung mit Cocain». (Nr. 12). 

Mit kurzen Worten den physiologischen Vorgang des 
Brechactes und die Theorie Schiff’s berührend, weist Verf. 
darauf hin, wie mangelhaft alle bis jetzt in der Literatur ver¬ 
zeichnten Erklärungen in Bezug auf die ursächlichen Mo¬ 
mente dieser perniciösen Erkrankung sind und geht darauf 
zur Entwickelung seiner Theorie über. 

Die Ursache des Erbrechens im Allgemeinen, mithin auch 
diejenige des unstillbaren, ist in einem Beize des verlängerten 
Markes zu suchen. In ähnlicher Weise wie es bei dem Klein¬ 
hirn constatirt ist (psychische Centra), scheint anch das ver¬ 
längerte Mark bei Frauen sich von demjenigen der Männer 
zu unterscheiden. Die periodischen Schwankungen in der 
Blutcirculation, welchen der weibliche Organismus unterworfen 
ist (Menstruation, Schwangerschaft) mögen sich als Beize 
von dem Beginne der Menstruation bis zur Schwangerschaft 
summirend eine solche Grösse erreichen, dass in Folge dessen 
Erbrechen, und bei reizbareren Individuen unstillbares Er 
brechen hervorgerufen wird. 

Einen Beweis für die Bichtigkeit seiner Theorie, dass wie 
gesagt, die Ursache des unstillbaren Erbrechens in einem all- 
mäligen periodischen Anwachsen von Beizen im Brechcen 
trum des verlängerten Markes zu suchen ist, sucht N. in der 
Therapie dieses Leidens zu liefern. Die verschiedenen ge¬ 
bräuchlichen Mittel ihrer ungenügenden Wirkung wegen 
verwerfend, hält N. das Cocain für das rationellste Fraeparat, 
weil dasselbe auf die Nervencentra im verlängerten Mark 
und auf die sensiblen Nervenendigungen in der Cardia und 
zugleich auch noch auf psychomotorische Centra im Kleinhirn 
einwirkt, welch letztere bei der Hyperemesis gleichfalls eine 
Bolle spielen. 

Es werden einige Fälle angeführt, in welchen das Cocain 
die gewünschte Wirkang hatte. 

I. I. Fedorow. «Ein Fall von Haematoma vaginae polypo- 
sum während der Schwangerschaft». (Nr. 12). 


S. A Istomin «Ein Fall von artiticiellem Abort in der 23. 
Schwangerschaftswoche, ausgeführt in Fol^e von Abster¬ 
ben der Frucht und bedeutender Betroflexion der Gebär¬ 
mutter». (Nr. 12). 

P. A. Dobradin. «Ein Fall von schwieriger Entfernung 
eines Pessar’s aus der Vagina». (Nr. 12). 

D o b b e r t. 


Chirurgitscheskij westnik 1892. (Februar). 

M. M. Kusnezow: «Materialien zur Lehre von der Aseptik 
und der trockenen, aseptischen Operations- und Wundbe¬ 
handlungsmethode». Aus der chir. Facultätsklinik des 
Prof. W.F. Grube in Charkow. 

Ein ausführliches Beferat über die Entwickelung der neuesten 
Wu ndbehandlungsmethoden, welches nur Allbekanntes ent¬ 
hält. Ein Bericht über die mit strenger Arseptik in Charkow 
erreichten Besultate soll folgen. 

N. Trinkler. «Der solitäre Echinococcus der Milz, seine 
Diagnose und operative Behandlung». (Fortsetzung). 

Fortsetzung aus dem Januarheft, die Beschreibung eines 
eigenen und die Zusammenstellung von 69 Fällen aus der 
Literatur enthaltend, auf Grund welchen Materiales das kli¬ 
nische Bild des solitären Milzechinococcns des Breiteren durch¬ 
genommen wird. Grube rt. 


Aus russischen medic. Gesellschaften. 

Auszug aus den Arbeiten der Gesellschaft russi¬ 
scher Aerzte zu St. Petersburg. 089t April - Juni). 

S. Michnow: «Ein Fall von primärem Carcinom der Tuba 
Fallopiae». (April—Mai). 

Ausführlicher Bericht über ein primäres Carcinom der Tuba 
Fallopiae. In der rechten Tuba eine papillomatöse Geschwulst; 
in der linken erlitt die anfänglich papillomatöse Geschwulst 
eine carcinomatöse Entartung. In den Nachbarorganen keine 
carcinomatösen Bildungen. Eis war noch von besonderem Inte¬ 
resse die Combination von epithelialer Neubildung mit Ent¬ 
wickelung von Knorpelgewebe. 

Netschajew: N. P. Wassiljew (Nekrolog). 

D. Popow: «Zur Frage der Bestitution totaler Dammrisse». 
(April-Mai). 

Vortr. beschreibt eine neue Methode der Perinaeoplastik von 
Lebedew. Die Anfrischungsfigur besteht aus 2 Dreiecken, 
welche im oberen Defectwinkel durch einen 1 Cmt. breiten 
Anfriscbungsstreifen verbunden werden; das Septum recto- 
vaginale wird zuerst an dieser Stelle gespalten. Die eingezo- 
enen Enden des durchrissenen Sphinkters werden freigemacht, 
ur Bestitution des Darmrohres werden 2 rectale Lappen ab- 
praeparirt. 

W. Kriwuscha: «Ein Fall von Melanose und multiplen mela- 
notischen Bildungen». (April—Mai). 

Bei der Pat. fand sich unter der Haut am ganzen Körper 
eine Masse beweglicher, indolenter, melanotiscner, erbsen- bis 
ha8elnu88gro8ser Knoten. Der Harn nahm 3 Mal eine schwarze 
Farbe an. Bei der Section wurde gefunden: alveoläres Sarkom 
in der Wurzel der rechten Lunge und in sämmtlichen Bronchi- 
aldrüsen, an verschiedenen Stellen Metastasen desselben; me- 
lanotische Geschwülste in verschiedenen Organen. In sämmtli- 
chenOrganen Pigmentanhäufung in den Bindegewebsinterstitien 
und im Endothel der Perivascularräume. Im Blut gar kein 
Pigment, in der Milz sehr wenig. Vortr. meint, dass das Pig¬ 
ment auf metabolischem Wege aus den gewucherten Zellen des 
lymphatischen Systems entstehe und bezeichnet die melanoti- 
schen Geschwülste als Endotheliome. Die Abwesenheit des Pig¬ 
ments im Blut, die Nichtbetheiligung der Lymplidrüsen spricht 
gegen die metastatische Natur der melanotischen Geschwülste. 
Die Sarkome in der Lunge sind wegen Pigmentmaugel nicht 
als melanotische zu bezeichnen, sina aber vielleicht die Ursache 
der Melanombildung gewesen. 

Praxin: «Zur Operation des Pes varus». (April—Mai). 

Nach einer kurzen Kritik der verschiedenen Operations¬ 
methoden bei Pes varus, kommt Vortr. zum Schluss, dass jede 




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von denselben vom Standpuncte der pathologischen Anatomie 
an gewissen Mängeln leide. Er hat daher in einem Falle eine 
comhinirte Methode angewandt: 1) Entfernung des Tains 2) 
partielle Resection der oberen äusseren Fläche des Calcaneus 
in Form eines horizontalen Keiles mit der Basis nach aussen 
2) Dnrchschneidnng von der Wunde aus sämmtlicher innerer 
Bänder 4) subcutane Tenotomie der Achillessehne. Der Erfolg 
war ein guter, die Verkürzung des Beines betrug 4 Ctm. 

Stepanow: «Anwendung localer Wärme bei Behandlung von 
Geschwüren». (April—Mai). 

Vortr. stellt auf Grund seiner Beobachtungen folg. Thesen 
auf: 1) bei Behandlung localer Hauterkrankungen und Ge¬ 
schwüre soll die Anwendung von Wärme eine wichtige Rolle 
spielen. 2) Die Heilung von Geschwüren geht bei Wärmeap- 
nlication viel rascher vor sich, als bei irgend einer anderen 
Methode. 3) Wärme wirkt sowohl auf syphilitische, als nicht 
syphilitische Geschwüre. 4) Die wohlthätige Wirkung der 
Wärme auf die Geschwürsheilung beruht hauptsächlich auf Regu¬ 
lirung der Circulation und auf Besserung der Ernährung der 
erkrankten Theile. 5) Unter Wärmeeinfluss verschwindet rasch 
die locale Blutstauung. 6) Wärme wirkt schmerzstillend- 
7) Wärme wirkt desto besser, je längere Zeit sie gebraucht wird 
(6—8 Stunden täglich). 8) Die Application von Wärme mittelst 
Kantschnkbentel mit neissem Wasser ist anderen Anwendungs- 
methoden vorzuziehen: Es kommt dabei nicht zur Ekzembildung 
selbst bei längerem Gebrauch. 9) ln pecuniärer Beziehung ist 
diese Methode sehr vorteilhaft: die Kranken verbleiben eine 
kürzere Zeit im Hospital, die medicamentöse Behandlung fällt 
dabei billiger aus. 

Nowizki: «Ulcus rodens portionis vaginalis Uteri». (April- 
Kai). 

Nach einer kurzen Uebersicht der Literatur des Ulcus rodens 
folgt eine ausführliche Beschreibung eines vom Vortr. beobach¬ 
teten Ulcus. Die Symptome waren — sanguinolente Absonde¬ 
rung aus der Scheide und allgemeine Abgeschlagenheit. Die 
Spiegeluntersucbung ergab ein Geschwür mit unterminirten 
Rändern, von der Cervixperipherie beginnend und bis zum 
Fornix reichend, der Fornix intact, der Geschwürsgrund mit 
rosarothen Papillen bedeckt, die Portio nicht hart, der Cer¬ 
vixcanal normal. Die mikroskomsche Untersuchung der exci- 
dirten Portio ergab, dass die Geschwürsoberfläclie mit mehr¬ 
schichtigem Pflasterepithel bedeckt war, das Epithel bildet 
Sprossen in die Tiefe, aber nicht bis zur Muscularis reichend. 

M. Janowski: «Ein Fall von Pleuritis mit grossem eitrigem 
Exsudat, welcher 7 Jahre günstig verläuft, ohne Durch¬ 
bruch des Eiters nach aussen». (Juni). 

Ein seltener Fall von grossem linkseitigem Empyem, wo 
ohne operativen Eingriff der Zustand des Pat. sich auffallend 

f ebessert hat. Das Exsudat hat an Menge abgenommen, ohne 
ass es zum Durchbruch nach aussen gekommen wäre. Die 
erste Probepunction wurde vor 7 Jahren ausgeführt und ergab 
Eiter, auf die zweite Punction geht Pat. nicht ein, so dass 
die Natur des jetzt bestehenden Exsudats unbekannt blieb. 
Vortr. führt triftige Gründe für seine Meinung an. dass eine 
Operation in diesem Falle nur geschadet haben wurde. 

A. Lindström: «Beobachtungen über die therapeutische Wir¬ 
kung des Tuberculins bei Lupus vulgaris, Lepra und 
Lues». (Juni). 

Thesen: 1) Tuberculin hat einen unzweifelhaften Einfluss 
auf Lupus, da es zum Zerfall der Knoten führt. 2) Gleichzeitig 
mit dem Zerfall der alten Knoten bilden sich in der Nachbar¬ 
schaft neue. 3) Auf gleiche Art und Weise wirkt Tuberc.auf 
lupöse Schleimhäute, mit dem Unterschiede, dass hier die Ver¬ 
änderungen sich langsamer ausbilden. 4) Tub. bringt dag junge 
Bindegewebe bei Lupus fibrosus zur Resorption. 5) Die thera- 

£ entfache Wirkung des T. ist gering und ist anderen dabei 
l Anwendung kommenden Mitteln nicht gewachsen. 6) T. 
wirkt auch bei Lepra, indem es eine locale und allgemeine 
Reaction hervorrurt. 7) Die Wirkung des T. auf syphilitische 
Granulome steht ausser Zweifel und ist dem analog, was bei 
Lupus angeführt wurde. 8) T. hat eine diagnostische Bedeutung. 

W. Massen: «Einige experimentelle Beiträge zur Tubercu- 
linfrage». (Juni). 

Vortr. untersuchte Tuberc. vom pharmakologischen Stand¬ 
puncte hauptsächlich in Bezog auf seine Wirkung aufs Herz 
und kam zum Resultate, dass T. ein sehr wenig energisches 
pharmakologisches Mittel sei und auf den Circulationsapparat 
(selbst in grossen Dosen bis 9 Gr.) keinen Einfluss habe, also 
kein Herzgift sei. 

W. Kriwuscha: «Zur pathologischen Anatomie und Patholo¬ 
gie des Skorbuts». (Juni). 


Ausführliche Beschreibung eines seltenen Skorbutfalles, wel¬ 
cher nnter Complication mit Pleuritis und Perikarditis sehr 
rasch zu letalem Ansgang führte. Die Section ergab multiple 
Extravasate in verschiedenen Organen, Veränderungen aer 
Form des Gefässendothels, frische Granulationsbildung in der 
Nähe der Extravasate. Vortr. führt alle diese Veränderungen 
auf Gefässwandalteration zurück; diese letztere ist durch ein 
Miasma bedingt. 

Ratschinski: «Der Curort Hapsal». (Juni). 

Die Heilmittel Hapsals sind Moor- und Seebäder. Die Wir¬ 
kung sämmtlicher Moorbäder ist bedingt durch ihre Tempera¬ 
tur, Masse und ihre chemische Beschaffenheit. Die Temperatur 
der Haps. Bäder schwankt zwischen 27° und 29°, kann also 
die günstige Wirkung der heissen Bäder nicht haben. Die 
Bäder in Hapsal sind flüssiger Consistenz, können also durch 
ihre Masse (durch Druck und Reibung) nur eine schwache 
Wirkung auf die Circulation und insensible Transspiration aus¬ 
üben. Die Bestandtheile der Moorbäder wirken sowohl mecha¬ 
nisch (suspendirte Theilchen) als chemisch reizend auf die 
Hautnerven und regen auf diese Weise den Stoffwechsel an; 
diese letztere Wirkung kömmt den Haps. Moorbädern zu. 
Vortr. stellt daher folgende Indicationen für die Hapsaler Bä¬ 
der: Anaemie, Scrophulose, Rhachitis, rheumatische Schmerzen. 
Wegen ihrer schwachen Wirkung kann Vortr. keine Contra- 
indicationen gegen diese Bäder aufstellen. 

Die Discussion dreht sich hauptsächlich darum, dass ohne 
chemische Untersuchung der Bäder keine Schlüsse auf ihre 
Wirkung gezogen werden können. 

N. Petrow: «Zwei Fälle von Leptothrix des Magens». 

L u r j e. 


An die Redaotion eingesandte Büoher und Broohüren. 

Repetitorium der med. Hilfswissenschaften IV Th. Zoologie 
bearbeitet v. Prof. Dr. Otto Taschenberg mit 117 gedr. 
Abbildungen. Breslau, 1891. Prenss u. Jünger. Pr. 5 Mrk, 
Dermatologische Studien. II Reihe. 6 Heft. Beitrag zur Würdi¬ 
gung der medikamentösen Seifen v. Dr. F. Buzzi. Hamburg 
und Leipzig. Leop. Voss. 1891. 

Real-Encyclopädie der Gesammten Pharmacie. Herausg. v. Prof. 
Dr. E. Geissler n. Prof. Dr. Joseph Möller. Wien u. Leip 
zig. 1890. Urban u. Schwarzenberg. Pr. pro Heft 1 Mrk., pro 
Band 15 Mrk. 136—160 Lief. 

Die Heilerfolge der ioneren Schleimhaut-Massage v. Dr. Carl 
Laker mit 14 Abbild. Graz. Leuschner und Lubenshy. 1892. 
Neue therapeutische Mittheilungen über Diuretin-Knoll. 

Resultate der Tuberculiubehandlung bei 41 Lungenkranken von 
Dr. C. Spengler. Davos. Hugo Richter. 

Sonderabdr. aus Therap. Monatshefte herausg. von Dr. Osk. 
Liebreich. I über d. Einpressen des hochstehenden Kopfes ln 
Becken von Dr. A. Holowko. U über Thilamin v. Dr. Edm. 
Saalfeld. 

The surgical treatment of pyloric Stenosis, by Prof. Senn. 
Thomas v. Huxley: Grundzüge der Physiologie herausg. v. Prof. 
Dr. J. Rosenthal. III. verbesserte Auflage mit 120 Abbild. 
Hamburg u. Leipzig. Leop. Voss. 1891, erscheint in 5 Lief, von 
je 1,50 Mrk. 

Traitd pratiqne de Gyndcologie par le Dr. A. Anvard avee 526 
flgures. Paris. Octave. Doin. 1892. Prix 18 fr. 

De la chloroformisation k doses faibles et contennes par Dr. 

Mazcel Boudouin. II Edition. Paris, 1892. 

Owen HjthhckoB ropojCRoft caHHTapHofi komhccih aa 1890 r. 
Einfluss der Influenza auf die Sterbeziffern 1889/1890. 

I8Q2. 

Die gesundheitsschädliche Tragweite der Prostitution von Dr. O. 

Lassar. Berlin, 1892. Aug. Hirschwald. 

Der Comfort des Kranken von Dr. M. Mendelsohn. 2. Aull. 
Berlin, 1892. Aug. Hirschwald. 

Lehrbach der chemischen Physiologie und Pathologie von Prof. 
Dr. W. D. Halliburton, übersetzt von Dr. K. Kaiser. 1. Ab¬ 
theil. Heidelberg, 1802. Carl Winter. 

Zeitschrift für Naturwissenschaften, herausg. von Prot Dr. O. 

Lüdecke. 64. Bd. Leipzig. C. Pfeffer. 

Das Scheidenseeret nnd seine Bedeutung für das Puerperalfieber 
von Dr. A. Döderlein, mit 5 Tafeln in Lichtdruck. Leipzig, 
1892. Eduard Besold. 

Beobachtungen über die Wirkung des Koch'schen Heilmittels bei 
Tubercnlose innerer Organe von Leo Berthenson. (Sepabdr. 
Deutsch, med. Woch.). 


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Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher u. Aerzte. 
64 Versammlung zu Halle a. S. heransg. v. A. Wangerin u. 
F. Krause. 1: Th. Die allgemeinen Sitzungen. Leipzig, 1891. 
F. C. W. Vogel. Pr. 4 Mrk. 

Beiträge zur prakt. Elektrotherapie in Form einer Casuistik vou 
Dr. C. Müller. Wiesbaden, 1891. Pr. 3 Mrk. 

Einiges über die endarteritischen Veränderungen der Augenge- 
fässe von Dr. R. v. Garnier. (Sepabdr. Oentralbl. f. Augenh.). 
Cxynaf TpaynaTHqecKofl mhbkomu. P. r&pnbe. (Sepabdr. Bpa>n>). 
BayTpeHHia OorbsHH bt> C.-HeTepöyprcROin» HEKOjaeBcxom» booh- 
Bom> rocnBTaxfc bi. 1890 roxa. JL. B. BepTeHcoHa. CII6. 1891 

XyjeKOBT.. 

Kt Bonpocy o peaeaaiH khidrh no noßoxy ea nesposa npH BHyrpeH- 
Hem. yn^emeHin. B. K. MaRCBEOsa. CIlö. 1891. XyxeROBb. 
PyROBOXCTBO RT> ({)apnaueBTHHeCKOä B MexaRO-XHMBteCKOfi X-pa H. 

Hager’a cb npHbaBjeniaMH npo<J). A. B. IleiH. Bwn. 9 h 10. 
(Citrus-Fragaria). CII6. K. M. PHRKep-b. 1891. 

0 BjiiiHiH Gkxaro CBtTa h paaHoqB'feTHMX'b jynefi aa rasooÖMbU'b y 
TeUlOKpOBHUXl. RtHBOTHblX*b. Ä HCC * A & ^ qa - 0116. 1891. 

A. MyiHHEt. 

28 jährige Erfahrung in der Behandlung der Harnröhrenstricturen 
mit Elektrolyse von Dr. Newmann. (New-York). (Sepabdr.). 
Rhus aromatica in the treatment of incontiuence of urine. A 
neuro-topographical bust. Poliomyelitis acuta adultorum. By 
prof. W. 0. Kr au s s (Büffeln). Sepabdr. 
nporpamia BcepocciäcRofi rBrieHHiecRoä BbicTaBRB bi. C.-FIeTep- 
6yprb ycTpaaBaenoä pyccRHUi. oömecTBOM-b oxpaHeHifl HapoxHaro 
sxpaBia. Cnö., 1891. 

Ueber Erkrankungen des Herzmuskels von Dr. P. Hampeln in 
Riga. Stuttgart. Ferd. Enke. 1892. 

€ Lebensbuch». Prag. Verlag von G. Nengebaner. 

Le rfcmede de Koch par Prof. H. W. Middendorp. Paris. Libr. 
Baillifere et fils. 1891. prix 2 fr. 

Nonveiles dtudes concernant les baeilles tuberculeux par. Prof. 
H. W. Middendorp. Paris. Libr. Bailli&re et fils. 1891. prix 
1 fr. 


Offenes Sendschreiben an Prof. Theod. Billroth von Moritz 
Adler. Berlin u. Leipzig. Alfr. Fried. 1892. Pr. 50 Pf. 
Elektrotherapeütische Stadien von Dr. Arth. Sperling. Leipzig. 

Griebens Verlag. (L. Fernau). 1892. Pr. 2 Mrk. 

Klinisches Recepttaschenbuch von Dr. v. Ackeren. Berlin. S. 
Karger. Pr. 2,50 Mrk. 

Gompendium der Augenheilknnde v. Dr. P. Silex mit 27 Fig. 
u. 1 Durchschn. d. Auges. Berlin. Vrlg. v. S. Karger. Pr. 
4,50 Mrk. 

Koeh’s Heilmittel hi bes. Beziehung zur Kehlkopfschwindsucht v. 
Lennox Browne in London, übersetzt v. Dr. med. Laves mit 
50 Abbild. Berlin, 1891. Vrlg. von Karger. Pr. 3 Mrk. 

Th. Husemann. Arzneimittellehre. J. Springer. Berlin, 1892. 3. 
Aufl. Pr. 10 Mrk. 

Wesener. Med. klin. Diagnostik. Vrlg. v. J. Springer in Berlin, 
1892. Pr. 10 Mrk. 

Ligation of the great arteries in eontinuity by Ch. Ballence 
and W. Edmunds. London. Macmillan und Co. 1891. 

Beiträge zur Histiogenese der elastischen Fasern im Netzknorpel 
u. Ligamentum nuchae v. Dr. J. Heller. Sonderabdr. 

Cocainum phenyliticum v. Dr. F. v. Oe feie. Separabdr. 
Apparatus for collecting water for Bacleriolog Examination by 
Sam. Dicon. M. D. Separabdr. 1891. 

Ein neuer Percussionshammer v. Alb. Salz. Sonderabdr. 

Annal address before the state board of healtli of Pennsylvania by 
Prof. S. Dixon. 

Ueber Umgehung der künstl. Frühgeburt durch diätetische Maass¬ 
nahmen während der beiden letzten Sch vangersehaftsmonate. 
Sonderabdr. 

Internationaler Atlas seltener Hautkrankheiteu vom Unna, Mor¬ 
ris, Leloir und Dühring. Lief. V. Hamburg und Leipzig. 
Leopold Voss. 1691. 

Anleitung zu ärztlichen Improvisationsarbeiten; im Aufträge des 
bayr. Kriegsministeriums verf. vou Dr. Julius Port. Stattgart. 
1892. Ferd. Enke. 


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Verlag von Carl Bicker in St. Petersburg, Newsky -Prospect, Jfi 14. 

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3-e pyccNoe NSAaitie cb 126-» pNcymaMN n TOKCTt. 

1891. Preis 9 Rbl. mit Porto 9 Rbl. 90 Cop. 


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Verlag von CARL RICKER in St. Petersburg, Newsky-Prospect, H 14. 


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K. A. ApHniTeüHa. B. M. BexrepeBa, A. 6. TeCepra h A. C. ßorexa — bt, 
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1887—88. Preis 9 Rbl. gebunden 10 Rbl. 50 Cop. für. Porto 1 Rbl. 


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Ta^ma iu Buiicjeiia BpeHen poiosi 

A-pa -ex. H. AEAKWIHHA. 

I(tHa 30 R., a et nepecuixoH) 40 
npoxaeTca (Cnö., HeBCKiff np., H 61) y **• 
Topa h bo BctxT. RHHXHbixb iiara8HH a ai>« 


Aosb. aeHB. Cn6. 28 Mapia 1892 r. Herausgeber: Dr. Th. v. Sciiröder. Buchdiuekerei von Wienecke, Kathorinenbofer-Pr. 15. 


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RUSSISCHE MEDICINISCHE LITERATUR. 


Nfi 4. Beilage zur «St. Petersburger 


Medizinskoje obosrenje Ns 4-6. 

A. Solowjew: «Ueber extrauterine Schwangerschaft». (Nr.4). 
Casuistischer Beitrag. 

U. Werzinski: «Zur differentiellen Diagnose der Tubengra¬ 
vidität nnd der Eileiterentzündung*. (Nr. 4). 

Verf. lenkt die Aufmerksamkeit anf ein sehr charakteristi¬ 
sches Symptom znr Unterscheidung der Tubengravidität von 
der Entzündung der Eileiter und der Ovarien. Dieses Symptom 
ist bereits 1873 von Thomas beschrieben worden, dann aber 
in Vergessenheit gerathen, und erst 1889 von Prof. Lebedew 
in seiner Bedeutung gewürdigt. Es sind nämlich die Schwan¬ 
kungen in der Grösse der Geschwulst für Salpingoophoritis 
sehr charakteristisch. Das eine Mal erreicht, der Tumor die 
(Trosse einer Apfelsine, das andere Mal. oft schon nach einigen 
Tagen, ist er eben noch constatirbar. Diese periodischen 
Grössenzu- und abnahmen stehen in enger Beziehung zur Men¬ 
struation und Ovulation. 

A. Eberlin: «2 Fälle von fehlerhafter Entwickelung der 
weiblichen Geschlechtsorgane». (Nr. 4). 

1. Hypertrophia clitoridis. Stenosis vaginal, incompleta. 

2. Vagina subsepta, operirt. bei einer Kreissenden. 

Sotschawa. «Ein Fall von Luftaustritt aus der Scheide mit 
hörbarem Geräusch). (Nr. 4). 

Bei einer Patientin traten seit einigen Jahren Gase ans der 
Scheide hervor, sobald sie sich in’s Bett legte, oder auf den ame¬ 
rikanischen Schaukelstuhl setzte. Bei näherer Untersuchung 
constatirte der Autor eine mangelhafte Entwickelung der 
grossen und kleinen Schamlippen, die ziemlich rigid waren, 
Prolaps der vorderen Vaginalwand, so dass die Scheide direct 
der äusseren Luft zugänglich war. Die Luft konnte auf diese 
Weise unbehindert in die Vagina hineingelangen und durch 
die Contraction des Oonstrictor cunni dort bleiben; sobald sich 
nun die Vaginalwände zusammenziehen, muss die Lufr hinans- 
getrieben werden; und dabei entsteht das Geräusch. Durch 
eine, energische Behandlung des Scheidenvorfalles wurde 
Patientin von dem äusserst lästigen Zustande befreit, 

Modlinski: «Zur Casuistik der Harnblasentumoren. Partielle 
Eesection der Blase». (Nr. 4). 

Krankenbericht. 

Tipjakow: «Zur Frage des hohen Steinschnittes». (Nr. 4). 

Autor ist ein eifriger Anhänger des hohen Blasenschnittes 
bei Steinoperationen. In 15 Fällen (bei 1—48 Jahre alten 
Patienten) hat diese Methode ihm ausserordentlich gute Resul¬ 
tate geliefert, ohne dass irgend welche unangenehme Zufälle 
bei der Operation zu verzeichnen waren. 

Bechterew: «Ueber die Striae medulläres sive acusticae des 
verlängerten Markes». (Nr. 5). 

Sehr viele Autoren sind der Meinung, dass die sog. Striae 
acnticae in Beziehung zu den Wurzelfasern des Hörnerven 
stehen. Verf. hat bereits früher behauptet, dass diese Anschan- 
nng wenigstens für die Striae medulläres beim Menschen nicht 
zutreffend sei, da dieselben sich viel später entwickeln, als die 
Wurzelfasern des Hörnerven. Die Striae nehmen nach Bech¬ 
terew von der weissen Substanz des Kleinhirns, in nächster 
Nachbarschaft des Floculus, ihren Anfang und dienen als 
Comissurenfasern für die basalen Theile des Kleinhirns. Aus 
der Rinde der Floculuswindung hervor tretend, verlaufen die 
Fasern zunächst an der inneren basalen Fläche des Floculus. 
steigen am Rande der Kleinhirnhemisphäre (dem Rande, welcher 
das Corpus restiforme umgiebt) nach oben, um den Seitenrand 
des Bodens des 4. Ventrikels zu erreichen. 

Iljin: «Ueber die Laryngitis syphilitica und deren Behand¬ 
lung mittels Calomelinsufflation» (Nr. 6). 

Verf. hat im Warschauer Militärhospital 67 Fälle von lueti¬ 
scher Erkrankung des Kehlkopfes beobachtet. Die meisten 
Fälle gehörten dem condylomatösen Stadium an. Gewöhnlich 
waren noch syphilitische Affectionen an anderen Organen zu 
constatiren, so dass die Allgemeinbehandlung eingeleitet wer¬ 
den musste. Zur Behandlung des Kehlkopfes wurden die ver¬ 
schiedensten Mittel angewandt (Tannin, Jod, Höllenstein), je¬ 


Medicinischen Wochenschrift». 1892. 


doch keine vou diesen Substanzen stellte den Verf. zufrieden. 
Er fing dann die Behandlung mit Calomel an, indem er das 
Mittel in den Larynx einstänbte, und binnen kurzer Zeit 
erreichte er glänzende Resultate. Verf. empfiehlt desshalb die 
Calomeleinstäubung auf das Wärmste. 

D. Gorochow: «Zur Behandlung des gummösen Stadiums der 
Syphilis mit Injectionen gelben Quecksilberoxyds» (Nr. 6). 

Das Hydrargyrura oxvdatum flavum erwies sich dem Verf . 
von ausserordentlich guter und prompter Heilwirkung; es 
wurde damit eine Resorption der Gummaknoten in kürzester 
Zeit erzielt. 

N. Korolew: «Ueber die Ernährung tracheotomirter Patien¬ 

ten» (Nr. 6). 

Kinder, die wegen Diphtheritis tracheotomirt worden sind, 
leiden häufig an Dysphagie; die flüssige Nahrung gelangt 
ziemlich häutig, statt in die Schlundröhre, in den Kehlkopf. 
Hierbei sind aber nicht etwa die diphtheritischen Lähmungen 
zu beschuldigen, denn diese treten erst später ein; sondern, 
wie bereits Lissard behauptet hat, ist es die starre Infiltra¬ 
tion der Schlundmu8kulatur und des Kehldeckels, welche den 
Schluckact behindert. Da die Einführung der Schlundsonde 
durch den Mund mit sehr vielen Unbequemlichkeiten verbun¬ 
den ist. versuchte Verf. dieselbe durch die Nasenhöhle in den 
Oesophagus zu leiten. Es gelang sehr leicht die Sonde (Ne- 
laton NNr. 14—18) auf diese Art in den Magen einzuführen. 
Nachdem flüssige Nahrung hineingebracht worden war, wurde 
die äussere Oeftnung der Sonde mittels Korken verschlossen 
und durch Heftpflaster an die Wange befestigt. Diese Art 
und Weise der Ernährung hat dem Verf. recht gute Dienste 
geleistet, 

Michnewitsjch: «Bismuthum salicylicum bei chronischer Di¬ 
arrhoe der Kinder» (Nr. 6). 

Verf. lobt sehr das Mittel bei chronischen Darmkatarrhen; 
es wird theils pur, theils in Verbindung mit Calomel oder 
Opium verabfolgt und zwar in Schüttelraixtnr: Bismutlii sali- 
cylici 1.5 Gummi arabici 4,0, Sacchari albi 6,0 terendo adde 
aq. destillat. 60,0 fiat lac, tum adde Aquae destillat. 120,0 
3- 6 Mal täglich 1—2 Theelöffel. 

O. Kraismann: «Zur Therapie des Keuchhustens» (Nr.6). 

Verf. wendet folgende 3 Mittel an: Resorcin, Antipyrin 
und Naphtalin. Die ersten beiden Substanzen werden zusam¬ 
men verordnet: Antipyrini 3,0 Resoivini 1,0 Aquae distillat. 
100,0 Aquae Menthae *10,0. Das Naphtalin wird in Form 
von Dämpfen znr Inhalation verordnet. Es darf aber nicht 
verbrannt werden, denn die dabei entstehenden, ätzenden 
Dämpfe reizen die Bronchialschleimhaut und bewirken gradezu 
eine Steigerung des Stickhustens. Vielmehr wird die Sub¬ 
stanz (15,0) in einem Teller auf einen mit glühenden Kohlen 
gefüllten gusseisernen Topf gebracht. Das Naphtalin schmilzt 
bei 75,0, dabei entstehen aromatische Dämpfe, welche anf das 
Leiden sehr günstig einwirken. 

W. Tipjakow: «Beobachtungen über die Wirkung des Pyok- 
tanin» (Nr. 6). 

Verf. gelangt auf Grund einer reichen Erfahrung zum Re¬ 
sultate, dass das Pyoktanin seiner antisemitischen Eigenschaft 
wegen alle Processe, welche mit einem Gewebszerfall einher¬ 
gehen. günstig beeinflusst. Bei carcinomatöser Gewebsde- 
struction wirkt es schmerzlindernd und desodorirend. Die 
Neigung krankhafter Gewebe zu Blutungen wird durch Py ok¬ 
tanin hintangehalten, was namentlich Verf. bei hämorrhagi¬ 
scher Endometritis constatirt hat. Gewöhnlich wurde die 
Substanz mittels Overlach’scher Spritze, Lösung 1:500) in 
die kranken Gewebe hineingebracht. 

Strisower: «Atropin bei parenchymatösen Blutungen» 
(Nr. 6). 

Eine 26 Jahre alte Multipara abortirt im 2-ten Monate der 
Schwangerschaft. Es tritt eine colossale Nachblutung ein, die 
durch keins der üblichen Mittel zu stillen ist. Verf. erinnert 
sich dabei der Empfehlung von Tacke (Berlin klin. Wochen- 
schr. 7 Februar 1881) und wendet das Atropin subcutan an. 
O/co Gran). Nach 2 Spritzen stand die Blutung. 

Abel mann. 


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Medizina Ns 1 — 9. 

Popow: «Subcutane Injectionen von Solutio Fowleri» (Nr. 1). 

In Fällen, wo Arsenik indicirt ist, wird derselbe gewöhn¬ 
lich innerlich verordnet; bei vielen Kranken aber, bei welchen 
der Darmtractus nicht ganz in Ordnung ist, wird Arsenik in 
dieser Form sehr schlecht vertragen und reizt den Magen¬ 
darmcanal. Um diese schlechte Wirkung zu umgehen, hat P. 
versucht Arsenik subcutan zu appliciren. Er beschreibt aus¬ 
führlich zwei Fälle von Malaria, wo Chinin seinen Dienst ver¬ 
sagt hatte und wo subcutane Injectionen von Solutio Fowleri 
von glänzenden Resultaten gefolgt waren. 

Wojtow: «Die Fortschritte der Bakteriologie im Jahre 1891» 
(Nr. 1). 

Die Theorie der Phagocytose. 

Die Metschnikow’sche Theorie der Phagocytose basirt 
auf folgenden drei Annahmen: 1) die Leukocyten besitzen die 
Fähigkeit bei Berührung mit irgend welchen Fremdkörpern 
nnd ebenso mit Mikroorganismen dieselben aufzufangen und 
zu absorbiren 2) auf diese Weise werden die Leukocyten zu 
Phagocyten und beginnen nun die aufgefangenen Mikroorga¬ 
nismen zu verdauen; das kann man daraus erschliessen, dass 
die aufgefangenen Mikroorganismen an fixirten mikroskopi¬ 
schen Präparaten eine Veränderung ihrer Form aufweisen; 
3) die Leukocyten kommen in nahe Berührung mit den Mi¬ 
kroorganismen dank der sog. Chemotaxis d. h. die von den 
Bakterien gelieferten Stoffwechselprodncte üben auf die Leu¬ 
kocyten einen Reiz aus, fachen dadurch ihre Locomotionsthä- 
tigkeit an und bewirken auf diese Weise das Zusammentreffen 
der Leukocyten und Bakterien. Die Immunität, welche ein 
einmaliges Erkranken bei vielen Infektionskrankheiten ge¬ 
währt, wird durch die gesteigerte Reizbarkeit der Lenkocyten 
gegen die bakteriellen Stoffwechselprodncte erklärt. 

Die erste Annahme ist nach Wojtow ganz richtig, die 
zweite aber ist gar nicht bewiesen: die veränderte Form der 
von den Leukocyten absorbirten Bakterien beweist erstens 
noch nicht, dass die letzteren von den Leukocyten verdaut 
worden sind, zweitens könnte diese Formveräuderung eben so 
gut von den verschiedenen Manipulationen bei der Präparation 
herrühren. Was endlich die Chemotaxis anbetrifft, so sind 
die Versuche von Massart und Bordet, welche Capillar- 
rührchen mit verschiedenen Bakterienculturen in die Bauch¬ 
höhle von Fröschen einführten und nachher in diesen Röhr¬ 
chen Leukocyten fanden und daraus auf die Attractionskraft 
der bakteriellen Stoffwechselproducte auf die Leukocyten ge¬ 
schlossen haben, durchaus nicht beweisend, da dieselbe W ir¬ 
kung von der physikalischen Capillarkraft der Röhrchen ab- 
liängen könnte. 

Taranow: «Zur Lehre von den centralen Dammrissen». (Vor¬ 
läufige Mittheilung). (Nr. 1—3. 

Vortr. stellt zuer&t den Begriff eines centralen Dammrisses 
fest. Dann folgt eine ausführliche Beschreibung dreier von 
ihm beobachteter Fälle- Zuletzt stellt Vortr. sowohl auf 
Grund seiner eigenen Beobachtungen, als auf Grund des Stu¬ 
diums der in der Literatur beschriebenen Fälle, verschiedene 
Thesen auf, welche die Aetiologie, Prophylaxe und Therapie 
solcher Dammrisse betreffen. 

Filippow: «Verlauf des Scharlachs bei Complication mit In¬ 
fluenza». (Nr. 1). 

F. hatte Gelegenheit, 16 Fälle von Scharlach, welcher 
mit Influenza complicirt war, zu beobachten und schliesst. auf 
Grund seiner Beobachtungen, dass Scharlach in solchen Fäl¬ 
len einen milderen Verlauf annimmt. 

Kowalewski: «Die partielle Epilepsie». (Nr. 2'. 

Ausführliche Beschreibung zweier Fälle von partieller Epi¬ 
lepsie, — in einem Falle befielen die Krämpfe die Zunge, im 
anderen — die linke Hand. 

Trapesnikow: «Die Untersuchung des Blutes auf Gonokok¬ 
ken bei Gonorrhoe». (Nr. 2). 

Auf Grund der Untersuchung des Blutes bei 32 gonorrhoi¬ 
schen Patienten, wobei er in keinem Falle Gonokokken ge¬ 
funden hat. kommt T. zum Schluss, dass, wenn auch das Vor¬ 
kommen von Gonokokken im Blut nicht geleugnet werden 
kann, so kann doch deren Auffinden nur dank einem glückli¬ 
chen Zufall geschehen; jedenfalls ist es nicht, wie Jullien an- 
giebt, ein regelmässiger Befund. Das Erscheinen der Gono¬ 
kokken im Eiter bei Arthritis gonorrhoica könnte ebenso gut 
durch das Eindringen dieser Mikroorganismen auf dem Wege 
der Lyraphbahn erklärt werden. • 

Kracht: «Das Dermatol als Heilmittel bei Ulcus molle». 
(Nr. 3). 


Bei seinen Experimenten mit Dermatol bei Ulcus molle 
konnte K. keine Heilwirkung dieses Mittels constatiren. 

Ebermann: «Ueber die Massage der Prostata». (Nr. 3). 

Schlussfolgerungen: Massage der Prostata kann in folg. 
Fällen empfohlen werden: 1) bei Ausgängen einer acuten pa¬ 
renchymatösen Prostatitis, 2) bei Ausgängen acuter und chro¬ 
nischer Prostatitiden in Abscedirung; 3) bei chronischer pa¬ 
renchymatöser Prostatitis mit Schwellung der Drüse; 4) bei 
weicheren Prostatahypertrophien. Der mittlere Prostatalappen 
wächst bei seiner Hypertrophie in die Harnblase hinein und 
kann daher wegen seiner hohen Lage im Becken nicht massirt 
werden. 

GoDibow: «Ueber die Methoden der Krankenuntersuchung*. 
(Nr. 4). 

Antrittsvorlesung. 

Hagen-Torn: «Ein Fall von Pneumotomie bei einem Lun- 
genabscess». (Nr. 4). 

Bei einem Pat. mit croupöser Pneumonie kam es zu parti¬ 
eller Lungengangrän. Die vorgenommene Pneumotomie war 
in diesem Fall von sehr gutem Erfolge; nach 3 Wochen ver¬ 
schwand der Eiter aus dem Sputum und es blieb nur eine 
chronische Bronchitis nach. 

Paten ko: «Ueber die Reorganisation der gericlitlich-medici- 
nischen Expertise». (Nr. 5—6). 

Die Rolle der medicinischen Experten wird verschieden auf¬ 
gefasst: Einige sehen in einem Experten nur einen gewöhnli¬ 
chen Zeugen, andere betrachten einen Experten ebenfalls als 
einen Zeugen aber von ganz besonderer Art. ln der neueren 
Zeit kommt man immer mehr zur Ansicht, dass ein medici- 
nischer Expert kein Zeuge ist, sondern dass er specielle wissen¬ 
schaftliche Fragen zu benrtheilen hat. P. glaubt, dass die 
letztere Ansicht die richtige sei, da weder die Geschworenen, 
noch die Richter das Urtheil eines Experten wegen Mangels 
an speciellen Kenntnissen zu kritisiren im Stande sind. Das 
Gericht kann das Urtheil des Experten entweder acceptiren 
oder nicht acceptiren, ohne daran irgend welche Kritik ans¬ 
üben zu können. Die Bedeutung eines medicinischen Exper¬ 
ten ist also eine sehr grosse: es muss daher ihm vom Staat 
viel mehr Selbständigkeit zugewiesen werden und zweitens 
soll der Expert selbst der Höhe seiner Aufgabe gewachsen 
sein. Ein gewöhnlicher praktischer Arzt kann unmöglich an 
der Universität die für einen Gerichtsarzt nöthigen speciel¬ 
len Kenntnisse erwerben. Es muss daher bei jedem Bezirksge¬ 
richt ein specieller Expert angestellt sein; ein solcher muss 
sich vorher drei Jahre an einem gerichtlich-medicinischen In¬ 
stitut ausgebildet haben. Er muss einen Gehiilfen für ver¬ 
schiedene Untersuchungen haben, der ebenfalls nicht weniger 
als ein Jahr in einem gerichtlich-medicinischen Institut ge¬ 
arbeitet hat. Für Kreisstädte bleiben die Kreisärzte bestehen, 
sie müssen aber wirklich eipe specielle gericlits-ärztliche Aus¬ 
bildung haben. 

Derselbe: «Ueber die Reorganisation des gerichtlich-medici¬ 
nischen Unterrichts». (Nr. 8—9). 

Die gerichtlich-medicinische Ausbildung, welche Studirende 
an den russischen Universitäten bekommen, ist sehr mangel¬ 
haft. Das rührt hauptsächlich daher, dass das nöthige prak¬ 
tische Material sehr dürftig ist. Wie ein Anatomicum ohne Lei¬ 
chen nicht existiren kann, ebenso ist ein gerichtlich-medicini- 
sches Institut ohne Leichen ein Nonsens. Leider wird die 
Versorgung der gerichtlich-medicinischen Institute mit Lei¬ 
chen von der jetzigen Gesetzgebung sehr wenig begünstigt. 
Es hängt oft nur von dem gutem Willen der Polizei oder des 
betr. Polizeiarztes ab, ob dem betreffendem Institut Leichen 
zugestellt werden oder nicht. In Anbetracht der grossen 
Wichtigkeit einer gerichtlich-medicinischen Ausbildung für 
jeden Arzt, muss die Sache umgemacht werden, und zwar 
müssen alle Leichen, welche einer gerichtlich-medicinischen 
Untersuchung unterliegen, dem betreffenden Prof, der gericht¬ 
lichen Medicrn übergenen werden. Ausserdem müssten dem 
gerichtlich-medicinischen Institute auch alle anderen gerichtl.- 
medicinischen Untersuchungen: chemische, spektroskopische 
u. s. w. überlassen werden. 

Jacobson: «Ueber syphilitische Narbenstenosen des Pharynx». 
(Nr. 5). 

Casuistische Mittheilung über 2 diesbezügliche Fälle. In bei¬ 
den Fällen wurde die operative Erweiterung der Stenose mit 
dem galvanokanstischen Schech’schen Messer von gutem Er¬ 
folg begleitet. 

Lnrje. 


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19 


Russkaja medizina Ns 1—7. 

Snegurski: «Der § 30 Lit. A. der Gesetzsammlung». (Nr. 1). 

Der § 30, Lit. A. unseres Gesetzbuches ist sehr unbestimmt 
und unklar und es muss daher vom Staat eine Aufklärung in 
dieser Hinsicht gegeben werden. Dieser Paragraph lautet 
nämlich: «Herabsetzung der Sehschärfe bis zu 20:40 an bei¬ 
den Augen oder nur an einem Auge, welche von irreparablen 
Alterationen abhängt, befreit vom Dienste». Es ist nämlich 
unklar, was man unter irreparablen Anomalien verstehen muss, 
ob darunter auch einfache ßefractionsanomalien ohne irgend 
welche sichtbare Veränderungen der brechenden Medien oder 
des Augenhintergrundes zu zählen sind. So lange das Bril¬ 
lentragen in der Armee verboten ist, sollten auch einfache 
ßefractionsanomalien, wenn sie die erforderliche Herabsetzung 
der Sehschärfe bedingen, vom Dienste befreien. Jedenfalls 
wäre eine Aufklärung sehr wttnschenswerth. 

Alexejew: «Ein Fall von haemorrhagischer ßetinitiB bei 
progressiver perniciöser Anaemie». (Nr. 1—2). 

Bei dem betreffenden Kranken wurde progressive perniciöse 
Anaemie diagnosticirt. Bei der ophthalmoskopischen Untersu¬ 
chung fanden sich im ganzen Augenhintergrunde zerstreut 
runde, strich- und linienförmige Haemorrhagien; der Augen¬ 
hintergrund von grau-blasser Farbe, die Papillen blass, ihre 
Grenzen undeutlich; die Arterien verengt, stellenweise unter¬ 
brochen. Die Section bestätigte die Diagnose. 


Gatschkowski: «Das elektrische Licht als Heilmittel oder 
die Elektrophototherapie» (Nr. 2—4). 

Zum ersten Mal wurde elektrisches Licht als schmerzstil¬ 
lendes Mittel von v. Stein angewandt. Der Röhrenspiegel, 
welcher das Licht einer elektrischen Lampe reflectirt, wird 
direct auf die schmerzhafte Stelle applicirt. Gatschkowski hat 
den Stein’schen Apparat modificirt, um seine Application 
bequemer zu machen; er hat damit sehr gute Resultate er¬ 
reicht, sowohl bei rheumatischen Muskel- und Gelenkschmer¬ 
zen, als bei Neuralgien, Migraene, Zahnschmerzen u. s. w. 
Was hier eigentlich wirkt —ob die Wärme oder das Licht, — 
übernimmt der Autor nicht zu entscheiden; jedenfalls blieb 
bei den Controllversuchen, wo er bald die Wärme, bald das 
Licht eliminirte, die wohlthätige Wirkung nicht aus. 


erhebt Verf. die Forderung, dass die Behandlung dieser Pro- 
ce8se den Chirurgen zufalle, welcher die Entwickelung derselben 
«mit dem Messer in der Hand zu beobachten habe». — Ueber 
den zweiten Theil der Arbeit behalten wir uns einen ausführ¬ 
licheren Bericht vor. 

R. W. Butz: «Zur Frage der Behandlung gangraenöser Her¬ 
nien». Aus der chirurgischen Abtheilung dee St. Marien- 
Magdalenen-Hospitals m St. Petersburg. — Fortsetzung. 

Fortsetzung aus dem Januarheft, enthaltend eine umfang¬ 
reiche tabellarische Zusammenstellung von 200 mittels Anlage 
eines Anus praeternaturalis und 215 durch Resection behan¬ 
delten Fällen. (Schluss folgt). 

Grubert. 


Chirurgitscheskaja letopisj. 

Bd. I. Heft 1—2. 


Sklifassowski: «Ueber Ektasie der Gallenblase». — 2 Fälle 
von Cholecy8tostomie bei Empyem der Gallenblase. Betrach¬ 
tungen über die Indicationen für operative Eingriffe. 

Djakonow: «Zur Frage der Rhinoplastik bei Sattelnasen». 

Modification des König'schen Verfahrens. Der Schnitt zur 
Mobilisirung der unteren Nasenhälfte wird A förmig von der 
Nasenwurzel abwärts geführt, dieser Hautperiostlappen abprae- 
parirt und der König'sche Stirnlappen zum grössten Theil 
unter ihm befestigt. Mittheilung eines günstigen Falles, in 
welchem ausserdem zur Hebung des einen Nasenflügels der 
Stirnlappen mit einem 1 Ctm. langen horizontalen Hautpe¬ 
riostlappen versehen wurde. 

KakuBchkin: «Castration bei Fibromyomen des Uterus». 

Zusammenstellung von 39 Fällen aus Russland und 5 eigenen, 
im Tambowschen Landhospital operirten. Verkleinerung des 
Tumors in 78,5 pCt. der Fälle. Aufhören der Blutungen und 
Schmerzen in 57,1 pCt. Mortalität 2,6 pCt. 


P oroschin: «Zur Casuistik der Schussverletzungen der Bauch¬ 
organe». (Nr. 3). 

P. beschreibt einen Fall von Schussverletzung, wo die Ku¬ 
gel den Magen und die eine Niere perforirt hatte; der Pat. 
genas. Ob der Darm ebenfalls perforirt war, läsBt P. unent¬ 
schieden. Die Behandlung war expectativ. Auf Grund dieser 
und vieler anderer in der Literatur beschriebener Fälle kommt 
P. zum Schluss, dass Schussverletzungen der Baucheinge¬ 
weide im Allgemeinen expectativ behandelt werden müssen, 
mit Ausnahme der Fälle, wo eine abdominale Blutung eintritt, 
oder beim Austritt von Gasen und Darminhalt aus der Bauch- 
wunde, oder bei beginnender Peritonitis. 

Pantjuchow: «Der Echinococcus und Cysticercus in Tiflis». 
(Nr. 5). 

Casuistische Mittheilungen. 

Zwinew: «Zur Therapie des Ulcus molle». (Nr. 8\ 

Z. hat in 33 Fällen von Ulcus molle das von Petersen 
empfohlene Verfahren eingeschlagen — Ausschaben des Ge¬ 
schwürs mit dem scharfen Löffel, nach vorangegangener Co- 
cainisirung. Die Erfolge waren sehr gut, in keinem einzigen 
Falle trat LymphdrüsenschweUung ein. 

Snegurski: «Psoriasis gyrata». (Nr. 8). 

Casuistische Mittheilung. 

Lurje. 


Chirurgitscheskij westnik. März. 

G. F. Turner: «Zur Anatomie des Blinddarmes und Wurm¬ 
fortsatzes in Hinsicht auf die Pathologie der Perityphlitis*. 

Die vorliegende erste Hälfte der Arbeit enthält noch nichts 
über die eigenen anatomischen Untersuchungen des Verf., 
sondern nur ein sehr ausführliches Referat über die historische 
Entwickelung unserer Anschauungen von der Pathologie der 
Perityphlitis und von der Therapie derselben. Zum Schlüsse 


Michajlow: «Castration bei Hodentuberculose». 

Von 18 Fällen aus der Klinik des Prof. Ssinizyn in Moskau 
würden castrirt 9, davon 3 beiderseits. In einem Falle Ver¬ 
schwinden einer Dämpfung der rechten Lungenspitze; Über¬ 
haupt gute Resultate. 

Lezius: «Osteomata maxillae inferioris» (aus der Klinik des 
Prof. Sklifassowski). 

Fall von multiplen eburnisirten Exostosen bei einem 12jähr. 
Mädchen an beiden Winkeln und aufsteigenden Aesten des 
Unterkiefers, halbwallnussgross; ferner an der rechten Schlä¬ 
fenschuppe und linken Hinterhauptsschuppe: an der Grenze 
des oberen und mittleren Drittels beider Ulnae aussen und 
am linken Radius innen in der Mitte. Mundöffnung auf */* Ctm. 
Sonst gesund; Vater hat multiple Fibrome am Abaomen, keine 
Exostosen. 

Operative Abtragung der Tumoren am Unterkiefer mit 
Meissei und Rychanotrephine mit Erfolg. 

Matwejew: ' «Zur Frage von der äusseren Urethrotomie». 
Bringt nichts Neues. 

Gorjatschew: «Zur Frage von der Akromegalie». 

Vorstellung eines Falles mit Riesenwuchs des Daumens und 
Zeigefingers der linken Hand, welche bei der Geburt die 
gewöhnliche Grösse bei Erwachsenen hatten und bis zum 20. 
Lebensjahr wuchsen. Pat. 39jähr. Banerntochter. Daumen: 
12 Ctm. lang. 29 Ctm. Basisumfang, 15 Ctm. Umfang der 
Spitze; Zeigefinger: 14 Ctm. lang Umfang an der Basis 22, in 
der Mitte 23 und an der Spitze 14 Ctm. Zweiter ob. metacarpi 
8 Ctm. gegen 7 an der anderen Hand. Im Uebrigen nur der 
linke Unterarm in allen seinen Theilen dicker als der rechte. 
Sensibilität, Tast- und Temperaturgefühl normal 
Im Uebrigen enthalten die Hefte kleinere Casuistik. Referate 
und Sitzungsberichte. Bemerkenswerth ist im 2. Hefte 1 Fall 
von tödtlichem Tetanus nach Verletzung der Hornhaut durch 
einen Strohhalm. 

Selenkow. 


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20 


An die Redaotion eingesandte Bücher und Broohüren. 

Die Verhütung der Geisteskrankheiten v. Dr. Paul Berger. 

Berlin. Vrlg. v. H. Steinitz. 1692. Pr. Mrk. 2. 

Die Krankheiten der Nase von Dr. Carl Reiss. Berlin. Vrlg. v. 
Steiuitz. Pr. Mrk 1,50. 

Verwendung der Wiokersheimer-Flüssigkeit für anatom. Präpa¬ 
rate v. J. Wickersheimer, mit 3 Lichtdrnckbild. Berlin. 
Vrlg. von Boas und Hesse. Pr. Mrk. 1,50. 

Ueber die Heilwirkung der Electricität bei Nerven- und Muskel- 
leiden v. Prof. Dr. Fr. Schultze. Wiesbaden. Vrlg. v. Berg¬ 
mann. 1892. Pr, 80 Pf. 

D. Ourettement bei Endometritis puerperalis von Dr. Otto von 
Wei's. Wien. Vrlg. v. M. Perles. Pr. Mrk. 2,40 
Ueber das Eindringen des Wasserdampfes in Desinfectionsobjecte 
v. H. Duncker. III. Aufl. 1892. Leipzig. Vrlg. v. Thieme. 

Die objectiven Zeichen d. Neurasthenie v. Dr. med. Löwenfeld. 
Sep. Abdr. von München, medic. Wochenschr. 1892. 21 Heft. 
VI. Reihe. 8 Heft. München. Vrlg. v. Lehmann. Pr. Mark. 1,60. 
Die Neuralgie v. Dr. R. Weber. II Tausend. Berlin. Vrlg. von 
Steiuitz. Pr. Mrk. 1,50. 

Analytische Methoden zur Nahrungsmittel-Untersuchung von Dr. 

C. Virchow. Berlin, 1891. Vrlg. v. Karger. Pr. Mrk. 3,50* 
Rudolf Virchow, eine biogr. Studie v. W. Becher. Berlin, 1891. 

Vrlg. v. Karger. Pr. Mrk. 2.50. 

Die Bestimmung der Frau v. Prof. Dr. Fehling. Stuttgart. 

Vrlg. v. F. Enke. 1892. Pr. 80 Pf. 

Die Influenza-Epidemie 1889—1892 von Dr. JaVob Wolff. 

Stuttgart. Vrlg. v. Enke. Pr. Mrk. 5. 

Lehrbuch der Chemie für Mediciner v. Dr. B. Fischer mit 46 
Abbild. Stuttgart. Vrlg. v. F. Enke. 1892. Pr. Mrk. 14. 
Gynaekologie v. Dr. A Dührssen. II. Aufl. Berlin. Vrlg. von 
Karger. Pr. Mrk. 4,50. 

Arzneiverordnungen in der Kinderpraxis von Dr."Guttmann. 

Berlin. Vrlg. v. Karger. Pr. Mrk. 2,50. 

P tthologische Anatomie v. Dr. R. Langerhaos. Berlin. Vrlg. 
v". Karger, l’r. Mrk. 9. 

Physiologie v I)r. Oestreich. Berlin. Vrlg. v. Karger. 
Chirurgische Technik v. Prof. v. Esmarch und Dr. Kowalzig 
m t 520 Holzschnitten. Kiel und Leipzig. Lipsius u. Tischner. 
1892. Pr. 12 Mrk. 

Gebnrtshiilfe von Dührssen. III. Aufl. Berlin. Vrlg. v. Karger. 
Pr. Mrk. 4,50. 

70 Arthrektomien des Kniegelenks v. Dr. J. Li ngen felder. 

München, 1892. Vrlg. v. Lehmann. Pr. Mrk. 2 
Synouymeu-Lexicou bearb. von Georg Arends. 1892. Vrlg. 

v. Pfau in Leipzig, d. Werk umfasst 15 Liefer. k Mrk. 1,00. 
Typische Operationen an der Leiche v. Dr. E. Rotter. München, 
1892. Vrlg. v. Lehmann. Pr. Mrk. 8. 

Der 20. schlesische Bädertag v. P. Dengler. Reinorz, 1892. 
Der körnige Zerfall und Querzerfall der. elastischen Fasern nnd 
Platten v. Alex. Eberhardt. Dorpat. Laakmansche Buchdr. 
1892. 

Massage dans les afTections du roi9inage de l'uterus, par le Dr. 

Norström. Paris. Bahd et Cm. 1892 
Die Ernährung des Herzens v. Prot. Zuntz. Leipzig. Vrlg. v. 
Thieme. Pr. 80 Pf. 

Forschungen in der Auatomie des Centralnervensystems v. Prof. 

Dr. Waldeyer. Leipzig. Vrlg. v. Thieme. Pr. Mrk. 1.20. 
Ergebnisse d. tropenhygienischen Fragebogen von Dr. Be low. 

Leipzig. Vrlg. v. Thieme. 1892. Pr. Mrk. 2. % 

Ueber d. Betrieb d. Kochschen Instituts f. Infectionskiankheiten 
Leipzig. Vrlg. v. Thieme. 1892. Pr. Mrk. 1. 

Lehrbuch d. Chemisch. Physiologie und Pathologie v. Dr. Halli¬ 
burton, deutsch v. Dr. K. Kaiser mit 100 Holzschnitten. II. 
Abtheilung. Heidelberg. C. Winters Buchh. 1892. Pr Mrk. 4. 
Behandlung der Tnberculoee mit Tnbercuiocidin v. Prof. Dr. 
Klebs. 5. Auflage. Hamburg u. Leipzig, Vrlg. v. Voss. 1892. 
Pr. Mrk. 1. 


Grundriss d Physik zum Gebrauch f. Mediciner v. Dr. B. Ror- 
chardt mit 52 Abbild. Stuttgart. Vrlg. v. F. Enke. 1892. Pr. 
Mrk. 3. 

Ueber Erkrankungen d. Herzmuskels v. Dr. P. Hampel n. Stutt¬ 
gart. Vrlg. v. Enke. 1892. Pr. Mrk. 1,60. 

Psychopathia sexualis v. Prof. Dr. R. Krafft-Ebing. 7. Auflage. 
Stuttgart. Vrlg. v. F. Enke. 1892. Pr. Mrk. 10. 

Lehrbuch d. Ohrenheilkunde v. Prof. Kuid ßürkner mit 136 
Holzschnitten. Stuttgart. Vrlg. v. Enke. 1892. Pr. Mrk. 9. 

Ta&niga *jr onpexfeieHia ocTporu ap-kaix. ß-pa ßoaöepr-b. Ha*, 
ypaajöa. C.-neTep6ypn», 1892. 

2 Fälle v. Leuchtgas Vergiftung bei Kindern v. Dr. G. Gnant. 
München. Vrlg. v. Lehmann. Pr. Mrk. 1. 

Zur Kenntniss d. diphteritis dien Albuminurie u. Nephritis von 
Dr. J Knck. München. Vrlg. v. Lehmann. Pr. Mrk. 1. 

Ueber Beekenfractnren v. Dr. G. Michaelis. München. Vrlg. 
von Lehmann Pr Mrk. 1. 

Beitrag zur Statistik und Casnistik d. Gehirntuberkel bei Kindern 
v. Dr. A. Seidl. München. Vrlg. v. Lehmann. Pr. Mrk. 1. 

Ueher d. Vorkommen der Tuberkelbacillen ausserhalb des Kör¬ 
pers in Gefängnissen v. Dr. Küster mann. München. Vrlg. 
v. Lehmann. Pr. Mrk. 1. 

Die objectiven Zeichen d. Neurasthenie v. Dr. med. Löwenfeldt. 
Sep. Abdr. aus Münch, med. Wochenschr. 21. Heft. 6. Reihe. 
3. Heft. München. Vrlg. v. Lehmann. Pr. Mrk. 1,60. 

Cursus der topographischen Anatomie v. Prof. Dr. Rüdinger 
mit 51 Abbild. II. Auflage. München. Vrlg. v. Lehmann. 
Pr. Mrk. 9. 

Was ist Eczem? v. Dr. Ernst Kroraayer, Halle. Vrlg. v. Tausch 
und Grosso. 1892. 

Jahresbericht d. Evang Hospitals in St. Petersburg für 1891. 

Neue Untersnehungsmethode f. d. Dillerentialdiagnose v. Laby¬ 
rinth und Mittelohrerkrankungen v. Dr. Ludw. J ankau iu Zü¬ 
rich. Sep. Abdr. aus der deutsch, medic. Wochenschr. 1892, 
M 10. 

Repriuted from the Amer. Journal of Obstotrics. August 1889. 
A. years experience with Apostolis method with xreports of 
cases. by Lapthorn Smith. 

Souderabdr. aus d. Baineolog. Centrnlbl. II. Jabrg. Ni 13. — Be¬ 
trachtungen über Europhen v. Dr. Gilbert. 

Souderabdr. ans der Münchner med. Wochenschr. Ni 14. 1892. 
Ueber die Influeuzabacillen bei Otitis mediav. Dr. A. 
Scheibe. 

Souderabdr. aus Memorabilien XXXVI, Jß 2, 1892. Ueber den 
Nutzen d. Aristol zur Behänd iung venerischer Ge¬ 
schwüre v. Dr. E. Güntz in Dresden. 

Souderabdr. ans Berl. klin. Wochenschr. 1892, N* 13. Einige 
neue Apparate u. Instrumente zur Galvauocaustik n. 
electr. Beleuchtung v. Dr. Jacobsohn. 

Repriuted from the Times and Register. Septemb., Oct 1891 und 
Febr. 1892 Reaction of the Amide-Group upon the 
Wasting Animal Economy by Prof. Samuel Dixon and 
Zuill. 

Ueber Europhen, ein neues Verbandmittel v. 0. W. Petersen. 

14 annnel report of the Presbyterien Eye, Ear and Throad Cho- 
rity Hospital. Baltimore. 

Ueb« r den Gebrauch der Nordseebäder bei Chloiose von Dr 
Kruse (Sep. Abdr.). 

Ueber die therapeutische Wirksamkeit des Dioretiu v. D. Eugen 
Frank (Sep. Abdr.). 

Gastrostomy by N Senn (Sep. Abdr.). 

OT«ierb o rpHiin03H0ft BiiHAeuia bt> pyccROfi apuin bt> 1889 h 1890 
rr. cocTaBHJH BepeRymOB-b, TapaaBCRiR h $n.munoB'b. (Hpiuo 
seHie k*b Boea. Me*. JKypHaiy). 

CöopHHK’b Tpyx0Bi> Bpa«ieR CHE. MaptuacKoR Gojbmmw. Bbin. I 
C. n. CTacfozeBiai». 1892. 

Das Auftreten der Influenza im Winter 1891 u. 1892. Kaiserli¬ 
ches Gesundheitsamt. 


KA/lEHAAPb 6EPEMEHH0CTH 

Taöjina JUfl BUiicjeeia upeuern pojOBi 

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Opx. npo(J>eccopa TexBHHecKoR xbmih npn Hunep. KasaacROMb yHHBepciiTerk. 

Cb 67-H) pHCyBR&MH Bb TCKCTk. 

1891. IJuaa 3 pyö., cb nepec. 3 p. 40 k. 


],obb. ijeB8. Cnö. 23 Mas 1892 r. 


Herausgeber; Dr. Th. v. Schröder. Buchdruckerei von Wienecke, Katharinenhofer-Pr. Jß 15. 


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RÜSSI SCHE MED!CI NISCHE LI TE RATUR. 

Ns 5. Beilage zur «St. Petersburger Medicinischen Wochenschrift». 1692. 


Medizinskoje obosrenje Ns 7-10. 

P. Modlinski: «Ueber Knochenplastik». (Nr. 7). 

Verf. hat mit der Transplantation decalcinirter Knochen 
keine günstigen Besnltate erzielt. Diese Methode ist nach 
Verf. überall da za verwerfen, wo ein Mangel an Haut und 
weichem Gewebe vorhanden ist. Nur bei üefecten der Schä- 
delknochen und bei Spina bifida bringt die Transplantation von 
Knochengewebe grossen Nutzen. 

Snmarokow: «Ueber atypische Besectionen im Fnesgeleuk». 
(Nr. 7). 

Verf. gelangt auf Grund seiner Erfahrungen zu folgenden 
Schlüssen: In Fällen von Tubercnlose des Fussgelenkes bei 
Personen, die bereits das Alter, wo das Knochenwachsthum 
anfhört, erreicht haben, muss recht frühzeitig operirt werden. 
Vorzuziehen ist die atypische snbperiostale Resection. Die 
Wladimirow’sche Operation ist nur in den Fällen indicirt, wo 
eine ausgiebige Zerstörung der Planta vorliegt. In veralteten 
Fällen, wo das Allgemeinbefinden eine möglichst rasch - Hei¬ 
lung der durch die Operation gesetzten Wunde erheischt, oder 
bei starker Atrophie der vorderen Fnsshälfte und Zerstörung 
der betreffenden Knochen ist die Amputation indicirt. 

J. Troizki: «Ueber Blntparasiten bei Intermittens in den 
Wolgagegenden». (Nr. 7). 

Im Ganzen wurden 35 Fälle von Malaria beobachtet und anf 
Mikroorganismen untersucht. In 29 Fällen wurden die Lave- 
ran’schen Blutparasiten gefnnden, dabei handelte es sich in 
6 Fallen um larvirte Intermittens. Die negativen Blutbefunde 
worden bei 6 Personen constatirt, und diese hatten bereits 
eine grosse Menge von Chinin erhalten. Verf. untersuchte 
ferner das Blut bei anderen Krankheiten (Tjphus, Scharlach, 
Dysenterie, Anaemie, Ohylurie) und überzeugte sich, dass die 
Laveran’schen Parasiten nie vorhanden waren. Das Fehlen von 
Pigment in den Plasmodien wurde in den Fällen beobachtet, 
wo nur ein Intermittensanfall gewesen war, während bei Fällen 
mit mehreren Anfällen immer pigmenthaltige Parasiten ent¬ 
deckt wurden. 

M. Schtschegolew: «70 Fälle von Erysiöelas beobachtet im 
Moskauer Gefängi isshospitäl» (vom l.October 1890—lOct. 
1891.) (Nr. 7). 

Die Mortalität betrug 8,5 pCt. Behandlung: Chinin innerlich 
und Jodtinctur zur Pinselung. 

Roshanski: <U«ber den Charakter der Harnabsonderung bei 
physiologischer Albuminurie». (Nr. 7). 

Einige Angaben über Quantität, Absonderungsgeschwindig¬ 
keit und specifisches Gewicht in einem Falle von physiolo¬ 
gischer Albumiuurie. 

Shdanow: «Zur Aetiologie der puerperalen Psychose». (Nr. 8). 

Unter den vsrschiectenen ätiologischen Momenten, die eine 
pnerperale Psychose hervorrufen, nimmt die Infection nach 
den Beobachtungen des Verf. den ersten Platz ein. In 
70 pCt. aller Fälle konnte eine Infection constatirt werden, 
dabei waren in 66 pCt. Uteruserkrankungen, in 4 pCt. Nieren- 
erkrankungen. An zweiter Stelle sind moralische Ursachen 
also Erschütterung-, Aufregung etc. zu beschuldigen. Eine 
hereditäre Disposition erkennt Verf. un. 

Nelkin: «Eir. Fall von Psychose im Prodromalstadium der 
Masern». (Nr. 8). 

J. Nedorodow: «Ein Fall von vollständiger Heilung einer 
Tnbengravicität durch den galvanischen Strom. Nachfol¬ 
gende normale Schwangerschaft». (Nr. 8). 

S. Jakub: «Zur Casuistik der Retroflexio Uteri gravidi». 


Rachmaninow: «Ueber Rhabdomyome». (Nr. 8). 

Verf. beschreibt ausführlich eine Geschwulst, die bei einem 

2V» jährigen Kinde beobachtet wurde. Es handelte sich um 
einen Tumor der linken Niere, welcher sowohl in den ober¬ 
flächlichen, als auch in den tiefen Schichten aus einen uud 
denselben Formelemenlen bestand. Im interstitiellen Stroma 


waren zerstreut Epithelnester, Bündel aus quergestreiften 
Fasern und indifferente Zellen, aus denen sich die Epithel¬ 
nester offenbar bildeten. Eine eingehende literarische Zusam¬ 
menstellung aller bis jetzt beschriebenen Rhabdomyome findet 
sich in dieser Arbeit. 

R. Ssolowjew: «Ueber die Behandlung der Fracturen mit 

Hilfe von Massage». (Nr. 19). 

5 Fälle von Fracturen (Fr. cruris dextr. sinistr. femoris 
dextri, cruris dextr. liumeri) heilten unter Massage* ehandlnng 
sehr rasch. Zunächst wurde für einige Tage ein Gypsverbana 
angelegt; dann aber der Verband entfernt resp. aufgeschnitten 
und Massage ausgeführt. 

W. Tipjakow: «2 günstig verlaufende Fälle von Laparotomie 
bei Bauchfellentzündung». (Nr. 10). 

B. Rosenberg: «Oesophagitis dissecans superficialis». (Nr. 10). 

Unter dem Namen Oesophagitis dissecans beschrieb Birch- 
Hirschfeld einen von ihm beobachteten Fall, bei welchem 
es in Folge von suppu;ativer Entzündung der Submucosa zu 
einer völligen Ablösung der Oesophagealschleimhaut von der 
Muscularis kam. Einen 2., ähnlichen Fall beschrieb Reich mann. 
Verf. fügt diesen beiden einen von ihm beobachteten Fall 
hinzu. Ein junger Engländer litt seit einigen Jahren an 
Dysphagie und Oesophagismus; vor einiger Zeit bekam nun 
der Patient starkes Erbrechen, wobei eine röhrenförmige 
membranö8e Masse zu Tage befördert wurde. Bei mikrosko¬ 
pischer Untersuchung dieser Masse stellte Verf. fest, dass es 
sich um die Epithelschichte der Schleimhautwand handelte, 
die Mucosa war nicht in der Masse vorhanden. Desshalb fügt 
auch der Verf. der Benennung von Bireh-Birschfeld das Wort 
«superficialis» hinzu. 

S. Korzenewski: «2 Fälle von acuter Darmocclusion mit 

günstigem Verlaufe». (Nr. 10). 

Casnistis'.her Beitrag. 

M. Senez: «Subcutane Anwendung von Digitalis bei Hera- 
krankheilen». (Nr. 10). 

(Vorläufige Mittheilnng). 

In einer ganzen Reihe von Fällen wurde Digitalis statt 
innerlich subentan angewandt und zwar in der Form: Infus, 
folior. ex 0,3:10. Die Resultate waren überaus günstig, auch 
in Fällen, wo die Anwendung per os keinen Nutzen schaffen 
konnte. 

S. Schanjawski: «Dermatol bei Eiterungen aus dem Ohr. 
(Nr. 10). 

Die günstigsten Resultate und zwar in relativ sehr kurzer 
Zeit erzielte Verf. bei Anwendung von DermatoL Zunächst 
wurde das Ohr mit einer 3 pCt. Borsäur dösung ausgespritzt 
und dann Dermatol auf Watte hineingelegt. 

A.Mamurowski: «Zur Technik der Spirillenfärbnng». (Nr. 10). 

Verf. schlägt folgende Methode zur Färbung der Recurrens- 
Spirille.! vor. Das Deckgläschen mit dem fixirten Blut kommt 
zunächst in eine Conc. alkoholische Lösung von Eosin auf 
1—12 Stunden; sodann in eine wässrige Methylenblaulösung. 
Diese Lösung .wird erwärmt, und das Präparat bleibt dort 
20—30 Minuten: dann wird es rasch mit Wasser abgesptilt, 

g etrocknet und unter Xylol-Cauadabalsam eingescnlossen. 

•ie Spirillen sind dann intensiv blau gefärbt, während die 
rothen Blutkörperchen eine he'l-rosa Farbe bekommen. 

Abelmaun. 


Shurnal akuscherstwa i shenskich bolesnej. 
Januftr-Mai (Ns 1-5). 

G. J. Himmel färb: «Zur Lehre von den angeborenen Ano¬ 
malien der weiblichen Geschlechtsorgane. Anus praeter¬ 
naturalis vestibularis bei einem 14jährigen Mädchen». 
(Nr. 1). 

Krankengeschichte einer Pat. bei der die Analöffhung sich 
zwischen Frennlnra und Hymen befand. Der sphinkter internus 
functionirte so gut, dass rat. über keinerlei Beschwerden, die 
Entleerung des Mastdarmes betreffend, zu klagen hatte. 


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22 


An die Krankengeschichte knüpft Verf. einige entwickelungs¬ 
geschichtliche Bemerkungen. 

M. M. Mironow: «Zur Frage von den Indicationen zur par¬ 
tiellen Amputation der Cervix bei Carcinom der Vaginal¬ 
portion». (Nr. 1). 

Znm Schluss der längeren Abhandlung, in welcher an der 
Hand von Statistiken verschiedener Kliniken die Resultate der 
Totalexstirpation beleuchtet werden, stellt Verf. folgende 
Thesen auf 1) Die partielle Portioampntation kann heutzutage 
als nicht lebensgefährlich bezeichnet weiden und hat bei Aus¬ 
führung‘mit schneidenden Instrumenten und nachfolgender 
Vereinigung durch die Naht keine schlechten Folgen. 2) Die 
partielle Amputation der Portio muss bei localisirtem Can- 
croid der Portio als radicale Operation bezeichnet werden, 
welche in dieser Beziehung der Totalexstirpation nicht nach¬ 
steht urd ist daher 3) indicirt bei papillären Cancroiden der 
Portio, welche noch nicht auf die Scheidengewölbe überge- 
griffen haben. 

Für alle übrigen Fälle erkennt M. die Berechtigung der 
Totalexstirpation an, möchte sie aber nnr in gut eingerich¬ 
teten Kliniken ausgeführt wissen; für Hospitäler etc. sei die 
hohe Amputation vorzuziehen. 

A. K. Masurkewitsch: «Ein Fall von wiederholtem Kaiser¬ 
schnitt an einer Frau». (Nr. 1). 

D. J. Kirejew: «Die Anwendung der Asepsis in der Chirurgie 
der Bauch- und Beckenhöhle». (Nr. 2). 

Eine Schilderung des aseptischen Verfahrens im Marien - 
hospital in St. Petersburg als Einleitung voranschickend, geht 
Verf. zur Beschreibung der unter solchen Verhältnissen von 
ihm ausgeführten Operationen über. Der Wundverlauf nach 
den 5 angeführten Laparotomien war ein durchweg befriedi- 
ender. Langandauerndes Erbrechen, Meteorismus, kolikartige 
chmerzen traten nicht auf. Die Temperaturen waren bei den 
Operirten normal, nur in einigen Fällen wurden geringe Tem¬ 
peratursteigerungen beobachtet. 

A. K. Masurkewitsch: «Ein Fall von Kaiserschnitt». (Nr. 2). 

29jährige Primipara, allgemeinverengtes Becken, Conjugata 
87* Cm. Wegen sehr protrahirten Geburtsverlaufes und besorg¬ 
nisserregenden Erscheinungen von Seiten der Frucht wurde 
der Kaiserschnitt mit günstigem Ausgang für Mutter und 
Kind ausgeführt. 

G. Kndisch: «Ein Fall von Abort im 5. Monat mit Aus- 
stossung einer lebenden Frucht». (Nr. 2). 

K. F. Slawjanski: «Laparotomia conservativa». (Nr. 3). 

In dieser als Präsident der Gynaekologischen Gesellschaft 
gehaltenen Antrittsrede weist Redner darauf hin, wie man im 
Beginne der operativen Behandlung entzündlicher Processe 
der Uterusadnexen viel zu radical vorgegangen sei, indem eine 
vollständige Entfernung der erkrankten Organe als durchaus 
nothwendig erachtet wurde. 

Die vervollkommneteOperationstechnik berechtige heutzutage 
ein conservatives Verfahren. Bei Entfernung nur der erkrank¬ 
ten Partien der Ovarien, bei der Resection des verschlossenen 
abdominalen Endes der Tube, bei Lösung perimetritischer Ad- 
haesionen der Adnexen des Uterus liefert die Laparotomia con¬ 
servativa glänzende Resultate, da durch dieselbe der Pat. nicht 
nur die Gesundheit wiedergegeben, sondern derselben auch die 
Möglichkeit einer eventuellen Empfängniss nicht geranbt 
wird. 

A. Krassowski: «II Ovariotomien». (Nr. 2, 3). 

Von den Operirten starben 3 =»14,28 pCt. Mortalität. In 2 
Fällen erfolgte der Tod in Folge von Blutungen ans den Stich¬ 
kanälen am Stumpfe. 

A. J. Iwanow: «Beiträge zur Frage von der Extrauterin¬ 
schwangerschaft». (Nr. 2, 3). 

Krankengeschichten mehrerer Fälle ektopischer Schwanger¬ 
schaft und eine sich daran knüpfende Besprechung der Diagnose, 
Prognose und Therapie dieser Anomalie. Neues bietet die 
Abhaudlung nicht. 

J. J. Drushinin: «Zur Casuistik des Uterus didelphus cum 
vagina septa». (Nr. 3). 

Ausser dem Interesse, welches diese Anomalie ihrer Selten¬ 
heit wegen bietet, war der beschriebene Fall noch dadurch 
bemerkenswerth, dass 4 mal Schwangerschaft in der linken 
Gebärmutter beobachtet wurde 1 ; während einer der Schwan¬ 
gerschaften menstrnirtePat. regelmässig, wobei die Blutungen 
aus der nicht geschwängerten rechten Gebärmutter stammten. 


F. F. Pjontkowski: «Uterusduplex separatus seudidelphus». 

(Nr. 3). 

Casuistischer Beitrag. 

G. H. Aue: «Ein Fall von Hernia ovarica bilateralis». (Nr. 3). 

Angeborene irreponible Hernia ovarica bei fehlendem Uterus. 
Operation, Versenkung der Eierstöcke in die Bauchhöhle. 
Heilung. 

W. Th. Maslowski: «Zur Lehre von der Selbstinfection der 
Wöchnerinnen». (Nr. 4). 

Als Einleitung giebt Verf. ein Referat über die jetzigen 
Anschauungen von der Lehre der Pnerperalinfection resp. 
Selbstinfection und geht darauf zur Wiedergabe seiner experi¬ 
mentell-bakteriologischen Studien über. Die Resultate dieser 
Forschungen können in Kürze dahin zusammengefasst werden, 
dass nach M. im Vaginalsecret gesunder, nicht untersuchter 
Schwangerer folgende pathogene Mikroorganismen Vorkommen: 
Staphylococcus albus, citrens, Streptococcus und Bacillus 
foetidus, welche alle virulente Eigenschaften besitzen. Es 
werden somit durch die Arbeit M.’s die Untersuchungen 
Winter’s, Steffeck’s u. A. bestätigt und die in letzter Zeit 
hauptsächlich von Dö der lein behauptete relative Unschäd¬ 
lichkeit des Scheidensecretes Schwangerer in Abrede gestellt. 

P. J. Markowski: «Zur Frage von der Embryotomie». 
(Nr. 4). 

A. A. Anufrijew: «Zur Casuistik der Totalexstirpation der 
Gebärmutter per vaginam». (Nr. 4). 

Die Operation wurde in den 3 beschriebenen Fällen wegen 
Carcinom ausgeführt. In einem Falle ging Pat. an Reciaiv 
zu Grunde, 2 sind bis jetzt (2 und 1 Jahr) recidivfrei. 

K. P. Ulesko-Stroganowa: «Zur Pathologie der Vaginal¬ 
cysten». (Nr. 4). 

D. M. Kirejew: Adeno-papillomatöse Geschwülste der Ute¬ 
rushöhle und ihre zeitgemässe Behandlung». (Nr. 5). 

An der Hand von Angaben aus der Literatur und eigenen 
Beobachtungen schildert Verf. das pathologisch-anatomische 
Bild, den Verlauf und die Therapie genannter Neubildungen. 

J. Tyschko: «Bericht über die Thätigkeit der Gebärabthei¬ 
lung des Landschaftshospitals des Sraolenski’schen Gou¬ 
vernements vom 1. Juli 1890 bis 1. Januar 1892». (Nr. 5). 

M. Mironow: «Ein Fall von Atresia hymenis». (Nr. 5). 
Casuistischer Beitrag. 

D o b b e r t. 


Bolnitschnaja gaseta Botkina Ne 1-10. 

M. A. Schiperowitsch: «Der Einfluss periodischer massiger 
Aderlässe auf das Blut und die acute Anämie». (Nr. lj. 

(Vorläufige Mittheilung) 

A. A. Trojanow: «Ein Fall von Schädeltrepanation» indicirt 
durch einen Abscess, der sich nach einem längst vorher 
geheilten Splitterbruche entwickelt hatte, (Nr. 2, 3). 

Die vorangegangene Schädel Verletzung datirt von Jahre 1867. 
Nach der Heilung bis ca. ein Jahr vor der Operation Euphorie. 
Dann traten nach 3 facher Influenzaattaque die Symptome der 
Eiterung zwischen Dura und Schädeldach auf. 

M. Michajlow: «Ueber den Einfluss der Ureterenunterbindung 
auf Secretion und Zusammensetzung der Galle». (Nr. 1). 

(Vorläufige Mittheilung), cfr. St. Petersburger medicin. 
Wochenschr. Nr. 

Dr. Kissel: «Ueber einige besondere Erscheinungen des acuten 
Rheumatismus bei Kindern». (Nr. 1—4). 

Verf. resumirt seine Arbeit in 6 Thesen: 1) Heredität spielt 
eine Rolle in der Aetiologie des Kinderrhenmatismus. 2) Selten 
tritt er in der acuten infectiösen Form auf, häufiger in der 
subacuten, schwach entwickelten. 3) Bei Kindern bedingt er 
änsserBt häufig Herzklappenfehler mit letalem Ausgange. 4) 
Sehr häufig sind die larvirten, aber um nichts weniger ge¬ 
fährlichen Formen. 5) Es ist zu vermnthen, dass in vielen 
Fällen von Herzfehlern mit dunkler Aetiologie wir es mit 
einer rheumatischen Natur des Leidens zu thun haben. 6) Bei 
Kindern veranlasst der Rh. schon sehr früh Veränderungen iu 
der Blutbildung und bewirkt Anämien. 


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23 


A. J. Wiltschur: «Zur klinischen Diagnostik des Sarkoms 
der innern Organe». (Nr. 1—4). 

Zwei Fälle. 

W. XV. Prawdoljubow: «Zur Behandlung der Varicen der 
unteren Extremität nach der Trendelenburg’schen 
Methode». (Nr. 3). 

(Vorlänfige Mittheilnng). Gute Resultate. 

W. N. Ssirotinin: «Ein Fall von sero-fibrinöser Peritonitis 
in Folge von Influenza». (Nr. 4). 

A. A. Kadjan: «Darmwandbröche*. (Nr. 5—6). 

Ein Fall. 

N. A. Meinhard: «Pachymeningitis externa purulenta, geheilt 
durch Trepanation des Processus mastoideus». (Nr. 5). 

Casuistische Mittheilnng eines Falles. 

A. G. Ischboldin: «Zur Oasuistik der Abdominaltyphns- 
Recidive bei Kindern». (Nr. 6—8). 

6 Beobachtungen. 

\\. M. Woronin: «Zur Frage der diagnostischen Bedeutung 
des Parasiten der Malaria (Plasmodium Malariae). (Nr. 6). 

(Vorläufige Mittheilung). 

P. A. Jappu: «Ein Fall von primärem Krebs der linken 
Lunge». (Nr. 7, 8). 

S. W. Wladislawlew: «Ein Fall von Verletzung des Halses 
mit ausgedehnter Kehlkopfverletzung». (Nr. 9, 10). 

E. F. Kemper: «Zur Frage von der Bedeutung der Behand¬ 
lungsmethoden der Athmungs-Organe». (Nr. 10). 

Neu mann. 


Westnik oftalmologii. Januar-Juni. 

Wagner: «Bericht über ein Tausend Extractionen nach von 
Graefe’s Methode mit dem flachen peripheren Lappen¬ 
schnitte». (Jan.—Febr.). 

Wagner operirte seit 1867 nach obiger Methode und er¬ 
klärt dieselbe für die beste. Am Tage vor der Operation 
Occlusivverband um des Verhaltens der Con’unctiva sicher 
za sein. 5 pCt. Cocainlösung. Sublimatwaschuugen vor und 
nach der Operation mit 1:5000. Instrumente in absolutem 
Alkohol. Fast immer nach oben extrahirfc stets Iridektomie. 
Staar und Cortexmassen werden mit dem Kantschuklöffel bei 
fixirtem Bulbus heransbefördert. Wagner operirte anfangs 
im Serdobol’schen Krankenhause (4 Betten) und im jüdischen 
Krankenhause zu Odessa (12 Betten) — also nicht in Spe¬ 
cialanstalten! Von 155 Extractionen im Serdobol’schen Kran- 
kenhause 9 Verluste — 5,80 pCt., von 259 Extractionen im 
jüdischen Kraukenhause 25 Verluste — 9,65 pCt. In obigen 
Anstalten operirte 474 Extractionen der vorantiseptischen 
Periode 41 Verluste «=■ 8,86 pCt. In denselben Anstalten ope¬ 
rirte 223 Extractionen mit Beobachtung der Antiseptik er¬ 
gaben 13 Verluste — 5,82 pCt. 

Weitere 303 Extractionen in den letzten Jahren im Odessa’- 
schen Augenhospitale — dessen Oberarzt Wagner zur Zeit 
ist — und bei strenger Antiseptik ausgeführt ergaben 8 Ver¬ 
luste = 2,43 pCt. In der Gruppe der 474 Extractionen ohne 
Antiseptik und ohne Cocain (12 Mal Chloroformnarkose) hatte 
Wagner 59 Mal (12,46 pCt.) Glaskörpervorfall und in 49 Fällen 
acute Iritis (10,41 pCt.). In der Gruppe der 223 folgenden 
Extractionen 16 Mal Glaskörpervorfall (7,17 pCt.) und 15 Fälle 
acuter Iritis (6,72 pCt.). Die dritte Gruppe von 303 Extrac¬ 
tionen hatte noch 11 Mal Glaskörpervorfall (3,63 pCt.) und 
4 Fälle acuter Iritis (1,32 pCt.). In dieser letzten Gruppe 
144 Extractionen der Reihe nach ohne einen Verlust. 

Der erste Verbandwechsel fand stets am Nachmittage des 
Operationstages statt. Die ersten 4 Tage beide Augen ver¬ 
bunden. 

Wagner hält die Iridektomie bei der Extraction für nütz¬ 
lich und der entzündlichen Reaction entgegen wirkend. Ver¬ 
lor er ein Auge, so machte er ausnahmslos auf dem anderen 
Staarauge zunächst die vorbereitende Iridektomie. 

E. Adamück: «Zur Frage der Hornhautnaht bei Wunden 
der Cornea». (Jan.—Febr.). 

Bei sehr stark klaffenden und mit Substanzverlusteu ver¬ 
bundenen Hornhautwunden, sowie nach Keratoglobus- nnd Ke- 


ratocomis-Opeiationen will Ä.die Hornhautligatur angewandt 
wissen. (Ich halte die Hornhantnaht für entbehrlich: auch 
bei gedachten Operationen leistet bei geeigneter Schnittführung 
in d-en abzutragenden Theilen ein gut angelegter Druckver- 
baud alles zu Wünschende. Dass die Hornhantnaht die Hei¬ 
lung abkürze ist möglich, aber nicht sicher zu erwarten, da 
die Application der Nähte zu schwierig ist nnd überaus trau¬ 
matisch wirkt. Zudem eitern die Nähte gar zu leicht durch 
Ref.). 

S. L. Ssegal: «Ueber die, beim Sehen durch ein mit Lykopodi- 
um Pulver bestäubtes Glas, um die Lichtquelle erschei¬ 
nenden Farbenringe». (Jan.—Febr.). 

P. A. Gurfinkei: «Pustula maligna der Lider». (Jan.—Febr.). 

Es wird eine Krankengeschichte mitgetheilt. Heilung unter 
beträchtlicher narbiger Schrumpfung der Lider. Ektropium 
des unteren Lides. Lagophthalmns. Mit starker Carbollösung 
(°/ 0 ?) wurden die Geschwüre ausgeätzt, 1 pCt. Carbollösung 
in Form lauer Coinpressen, und 2 pCt. Carbollösung subcu- 
tan gegeben, 2 bis 3 1 /® Pravaz’scue Spritzen, theils in die Um¬ 
gebung des Auges, theils unter die Rückenhaut. 

W\ J. D'lshenkow: «Berichtüber 100. Kataraktextractionen». 
(Jan.—Febr.). 

Unter säramtlichen Patienten 1 pCt. Kataraktkranke: 82 senile 
Staare, 6 weiche, 4 traumatische, 3 in oculo glaukomatoso, 2 
Morgagnianae, 3 arido-siliquatae. Ohne Iridektomie 5 Opera¬ 
tionen — davon in 4 Fällen Irisprolapse welche operirt wer¬ 
den mussten. 3 Vereiterungen. Visus —, ohne Aussicht auf 
Besserung durch Nachoperatiqnen, in 3 Fällen. 

Et. F. Garnier: «Znr Pathologie des Glaukoms und die Be¬ 
deutung der Gefä8sveränderungen». (März, April). 

G. bringt eine genaue makroskopische und mikroskopische 
Beschreibung eines Bulbus der wegen Secundärglaukom nach 
vorausgegangener Verletzung und traumatischem Katarakt 
enncleirt worden war. Die Structurveränderungen an den Ge-, N 
fä«sen, endarteriti8che Veränderungen ohne Entzündungser- 
scheiunngen, entsprechen nach G. genau der «Com pensatori¬ 
schen Endarteriti8> Thoma’s. Betreff der Entstehungsnr- 
sache obiger Veränderungen in den Gefässen schliesst sich G. 
ebenfalls vollkora men der Theorie Thoma’s an: «Dass überall 
da, wo eine mechanische Behinderung des Blutlaufes, oder bei 
Missverhältniss zwischen Gefässlun.en und darin strömendem 
Blutquantum vorhanden sei, es zu compensatorischen endarte- 
ritisenen Veränderungen komme». Die Befunde sowie deren 
Erklärung durch die Thoma’schen Untersuchungen müssen 
im Originale nachgelesen werden. 

A. Kortnew: «Zur Kenntniss der Katarakte nach Ergotis- 
mus». (März—April). 

Im Jahre 1889 und 90 beobachtete der Verf. (Landarzt) 
im Wjatkaschen Gouvernement eine Epidemie an ca. 2000 
Menschen, welche in Folge Genusses von durch Mutterkorn 
verunreinigtem Brod hervorgerufen worden war. Bereits 
im 2. Monate seit Bestehen der Epidemie meldeten sich im 
Ambulatorium zahlreiche Kranke welche zugleich über Seh¬ 
störung klagten. Es Hessen sich scharf zwei Gruppen schei¬ 
den: die Einer klagten über anfallsweise auftretende Sehstö¬ 
rungen von kurzer Dauer, die Anderen klagten über eine 
stetige Abnahme des Sehvermögens. Während der Krampf¬ 
anfälle und des Gliederzitterns traten die Sehstörungen auf 
nnd Hessen mit jenen zugleich auch nach. K. fand die Seh¬ 
schärfe anf jq und weniger herabgesetzt. 

Bei der bleibenden Form der Sehstörung erwies sich als 
Grund eine fortschreitende Trübung der Linse. Die Linsen¬ 
trübung beginnt in der Mitte. Im Aussehen nnd in der Con- 
sistenz (operirte Fälle) unterscheiden sich die Staare garnicht 
von der gewöhnlichen senilen Staarform. Ophthalmoskopisch 
war bei den Kranken, znr Zeit des Anfalles, eine sehr pro- 
noncirte Blässe des Augengrnndes und Gefässverengung zu 
constatiren. Die Staarreifnng konnte in Zeiträumen von 3 
Monaten bis zu einem Jahre beobachtet werden. Bei Kindern 
ging die Trübung der Linse schneller vor sich als bei Er¬ 
wachsenen. K. beobachtete Katarakt bei 6 jährigen bis zu 
54 jährigen. 15 Augen hat K. operirt. In 5 Fällen, an 8 bis 
28 jährigen, machte er die Discission. Die anderen Fälle nach 
von Graefe operirt. Tension war stets normal. Auffallend 
langsam resorbirten sich diediscidirten Katarakten. Bei zweien 
der Discidirten, deren Krankengeschichten gebracht werden, 
trat bald nach der Discission ein epileptiformer Anfall auf. 

Diese Mittheilung ist ihrer Seltenheit wegen und als von 
einem Nichtspecialisten geboten gewiss besonders dankens- 
werth. 


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24 


Debagori-Mokrjewitsch: «Zur Behandlung des Trachoms». 
(Mai—April). 

Vert'. empfiehlt die prominentesten und grössten Follikel 
anzüBchneiaen — nicht anszusrhneiden — und dann hinterher 
eine Lösung von Cuprum sulfuricum in Glycerin einznträu- 
feln. Es muss mehrmals in 2 bis 3 tägigen Pausen wieder¬ 
holt werden. (Scheint mir eine unnütz langsame und quälende 
Methode zu sein — wir haben ja bereits bessere. Bef.). 

J. Günzburg: «Eine Statistik der Augenkrankheiten der 
Stadt Woronesh*. (März—April). 

Vom 1. October 1890 bis 1. October 1891 4061 Patienten. 
Trachom ist relativ selten: 52 Patienten.Senile uncomplicirte 
reife Katarakten — 21, davon 3 operirt. Thränenapparat nnr 
18 Kranke etc. 

Th. Kubli: «Zweiter Bericht über die Ambulanz der Augen- 
kranken am Hospital der «Barmherzigen Schwestern zur 
Krenzerböhung > in St. Petersburgs, für iie Zeit vom 
1. Januar 1887 bis zum 1. Januar 1892, sowie kurze Mit¬ 
theilungen aus der augenärztlichen Praxis*. (März — 
Juni), 

Innerhalb genannten Zeitraumes 20690 Patienten. Lider¬ 
krankungen 11,4 pCt.; Conjunctivalerkranknngen 41.0 pCt.; 
Cornea und Sklera 22,4 pCt.; üvealtractus 2,5 pCt.; Glaukom 
1,0 pCt.; Betina und N. Opticus 0,9 pCt.; Aroblyopiae 1,2 pCt, 
Lens 2.3 pCt.; Befractio et Accotuodatio 7.3 pCt.; Musculi 
et Nervi 2,4 pCt.; Organa lacrymalia 6,4 pCt.; Bulbus et Orbita 
1,0 pCt.; Diversa 0,2 pCt. 

K. geht sein Material gruppenweise durch, zieht Vergleiche 
mit anderen grösseren russischen Angenambolauzen und macht 
zahlreiche klinische und therapeutische Bemerkungen zu seinem 
grossen Materiale. Bietet der Bericht auch nichts besonders 
Neues so ist er doch für jeden praktischen Augenarzt durch¬ 
aus lesenswerth, besonders für unsere Landsleute. Als bestes 
Desinficieos in der oculistischen Praxis empfiehlt Kubli 
Aq. chlori rein oder •* mit Aq. dest. Wo Argentum nitricum zur 
Anwendung kommt, sei es in Lösung oder in Form des 
Stiftes, unterlässt er das Nachsnfilen mit Salzlösnngen. 

Trachom fand sich im Krankenmateriale mit 8,8 pCt. ver¬ 
treten. Zwei Fälle acuten Trachom’s sah Kubli sich entwickeln 
in Folge Eindringens schmutziger erdiger Bestandteile in 
den Conjnnctivalsack. Ob Conjunctivitis follicularis und Tra¬ 
chom verschiedene Krankheiten seien, kann K. nach seinen Er¬ 
fahrungen nicht sagen, verlangt aber je nach der Art des 
Falles eine mildere oder energischere Therapie. Von den me¬ 
chanischen Behandlungsmethoden des Trachoms hat K. nur 
das Ausdrücken der Körner acceptirt. 

Analoge Reizznstände, wie man selbige bei gleichzeitigem 
Gebrauche von Calomel nnd Jod beobachtet, sah K. auftreten: 
ih einem Falle wo eine Atropin-Jodoformsalbe in das An ge 
gestrichen worden and gleichzeitig Sublimatpillen gebraucht 
wurden; und in einem zweiten Falle war Atropin-Jodoform 
salbe io das Auge gestrichen und gleichzeitig eine Schmier¬ 
car gebraucht worden. Jodol hat sich K. nicht bewährt, 
besser ist Dermatol, beides kann jedoch das Jodoform nicht 
ersetzen. 

Beiden verschiedensten geschwürigenHornhauterkrankungen 
hat K. mit bestem Erfolge das Ferrum Candens angewandt. 
Die parenchymatöse Keratitis hält K. für ein veritables 
Symptom erworbener oder hereditärer Lues. Bei letzterer 
Form ist K. für eine Behandlnng ohne Quecksilber! Die 
Schmiercur zio it K. der Injectionscur vor. 

Im Capitel über das Glaukom bestätigt K., dass Eserin 
und Pilocarpin schneller nnd energischer wirken wenn gleich¬ 
zeitig Cocain eingeträufelt wird. Cocain befördert die Resorp¬ 
tion (TruBsewitsch: lieber den Einfluss des Cocain auf die 
Be8orption). Auf die Dauer wird Pilocarpin, auch in starken 
Lösungen, besser vertragen alp Eserin. Letzteres verursacht 
leicht Follicularkatarrh, ersteres niemals. 

Die Erkrankungen des Thränen - Apparates betragen 
6,4 pCt. aller Erkrankungen — eine sehr hohe Ziffer! Es 
leiden Frauen fast 3 Mal so häufig wie Männer. K. Hess 
vom Collegen Sagradin alle 210 Fälle rhinoskopiren und 
pharyngoskopiren und dabei fand sich dass 92.4 pCt. gleichzeitig 
an chronischer Rhinitis et Pharyngitis (aller Arten) litten. 
CoiyunctivitHen und Blepharitiden sind stetfe die Folge des 
Thränensackleidens, nicht aber das primäre Leiden. Nach K.’s 
Beobachtungen entwickelt sich Trachom leichter bei Indivi¬ 
duen mit stenosirten oder erkrankten Thränenwegen. 

K. berücksichtigt auch die Beziehungen der Influenza- 
epidemie von 1889 zu den Angenerkrankungen. Zur Zeit der 
Epidemie stieg die Zahl der Augenkranken nicht. Es wurden 
über 2500 Influenzakranke in derselben Heilanstalt empfangen 
und behandelt. Häufigeres Vorkommen von Neuralgia snpra- 
orbitalis war das Einzige, was auf die Influenza bezogen wei den 
konnte. 

Zum Schluss giebt K. eine Uebersicht über die 10 Jahre 
1882 bis 1892 und vergleicht diese Zahlen mit denen anderer 
hiesiger Anstalten. 


N. A. Gerken: «Zur Trachon.frage». (Mai, Juni). 

Die gesammte Bevölkerung des Dorfes Siohterma im Spasski'- 
sehen Kreise des Kasan’schen Gouvernements wurde durch¬ 
gesehen: 797 Seelen. Nicht gezählt Kinder bis zu einem Jahre. 
Die Bevölkernng bestand aus 98 Russen und 699 Tschuwaschen. 
Von den Russen hätten 5 pCt. «Trachom» nnd 4 pCt. «Follikel»; 
von den Tschuwaschen 56,7 pCt. «Trachom» und 10,8 pCt. 
«Follikel». Weiber erkranken fast doppelt so häufig als 
Männer; von 358 Weibern nur 23,2 pCt. Gesunde! Zwei Drittel 
sämmtlicher Kinder erwiesen sich als trachomkrank. Auf¬ 
fallend gering finden sich Co in plicationen mit Pannus, Tri- 
chiasis. Entropium etc. —12 bis 16 pCt. von allen Trachom¬ 
kranken. Die Ansteckung scheint einzig durch unmittelbare 
Berührung von Person zu Person statt zu finden. Das Auftreten 
der Follikel hält G. für das erste Symptom der erfolgten 
Infection. Ungefahr * '« der Trachomerkrankungen läuft im 
Narbenstadium ab ohne Complication von Seiten der Horn¬ 
haut—ein sehr günstiges Verhftltniss! Die Häufigkeit des Tra¬ 
choms unter der Tschuwaschen — Bevölkernng soll auf deren 
ganz exceptioneller Unsauberkeit beruhen. In einer Fuasnote 
macht die Redaction des «Westnik oftalraologii» darauf auf¬ 
merksam, dass der Autor in seiner gesamroten Untersuchung 
die Uebergangsfalten der Bindehaut garniclit berücksichtigt 
zu haben scheint. 

(Wir müssen jedenfalls die befremdlicheThatsache bestätigen, 
dass in der gesammten Arbeit von diesen Theilen nirgends die 
Rede ist. Ref.). 

J. Raschewski: «Beobachtungen aus der Praxis». (Mai- 
Juni). 

I. Eine eigenthümliche Verletzung der Regenbogenhaut. Peit¬ 
schenschlag: Iris an der Basis abgerissen. Das traumatische 
Kolobom vou dreieckiger Gestalt mit der Spitze etwa 3 Mm. 

centralwärts reichend. Sehschärfe «jq ! Alles wird mit diesem 

Auge allein scharf gesehen, einerlei ob durch das trauma¬ 
tische Kolobom oder durch die Pupille gesehen wird, bei wech¬ 
selseitiger Verdeckung dnreh Papier- 

II. Einfluss des Chinins bei Eiterung der Extractionswunde. 
Die Infection manifestirte sich am 4. Tage, sofort reichliche 
Waschungen und Einträufelungen einer Lösnng von Chiniuum 
sulfuricum (pCt. ?). Stetige Besserung. Nach 20 Tagen Verband 
fortgelassen. Nach 2 Monaten trotjZ randständiger leukomatöser 

Trübnng der Cornea Visus “gÖÖ 

G. Rabinowitsch: «Noch ein Fall von günstiger Wirkung 
der Iridektoraie bei acutem Glaukom, trotzdem bereits die 
Lichtempfindung fehlte». (Mai—Juni). 

Die Iridektomie wurde 10 Tage nach Verlast der Licht- 
emnfindung ansgeführt. Am 2. Tage nach der Operation 
stellte sich Lichtemptindung wiederum ein, und 5 Wochen nach 

18 

der Iridektomie war die Sehschärfe ^ mit -f- 3 D. rechts und 


i8 

200 nk8. 


G ermann. 


Besprechung. 


Aljantschikow: Die Augenkrankheiten und die Blind¬ 
heit unter der Landbevölkerung der Gemeinden 
Prudowo, Knsowino und Dorsk des Kreises Nowo- 
torshok, Goavernement Twer, nach den Ergebnissen 
einer persönlichen Besichtigung. J. D. St. PetersD. 1892. 

Ausführliche Arbeiten über die Augenkrankheiten und Er¬ 
blindungsursachen innerhalb eines bestimmten, wenn auch 
engen, Rayons sind bei uns noch nicht zahlreich- Dies wird 
verständlich, wenn man die Schwierigkeiten erwägt, welche 
solchen Untersuchungen entgegenstehen. Und doch sind solche 
zuverlässige Beiträge zur Statistik der Augenkrankheiten und 
zur Aetiologie der Blindheit in Russland, trotz der relativen 
Kleinheit der Zahlen, von hohem Werthe, weil sie besser als 
alle allgemeinen Erhebungen geeignet sind, ein wahres Bild 
von der Verbreitung and Gefährlichkeit gewisser Augenkrank¬ 
heiten in einer Gegend zu geben und so auch einer rationellen, 
die localen Verhältnisse berücksichtigenden Prophylaxe die rich¬ 
tigen Wege zu weisen. Verf. hat sich der überaus mühsamen 
Arbeit unterzogen, die gemischte, aus Russen und Karelen 
bestehende Bevölkerung dreier Gemeinden (boxocth) des Gou¬ 
vernements Twer in Bezug auf den Znstand der Augen per¬ 
sönlich zu besichtigen und hat das unter den grössten Schwie¬ 
rigkeiten und Mühsalen gesammelte Material statistisch verar¬ 
beitet. Wir machen alle Diejenigen, welche sich für die Frage 
der Verhütung der Blindheit interessiren, — und das Interesse 
für diese Sache scheint ja bei uns zu Lande jetzt in erfreu¬ 
licher Weise rege zu werden, — auf diese Specialarbeit auf¬ 
merksam, welche genauer zu referiren hier nicht der geeignete 
Ort ist. B fe s bi 


ßosa. ueaa. CnÖ. 26 Ixmj 1892 r. 


Herausgeber: Dr. Th. v. Schröder. Buchdruckerei von A. Wienecke, Katharinenhofer-Pr. Ji 15. 


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RUSSISCHE MEDIZIN ISCH E LITERATUR. 

N2 6. Beilage zur «St. Petersburger Medicinischen Wochenschrift». 1892. 


Wrfatsch Nr. 1-15. 

W. M. Bechterew: «lieber Behandlung von Zwangsvorstei 
lungen durch hypnotische Suggestion». (1). 

E. W. Adaraük: «Ueber Behandlung der Affectionen des 
Thränensackes». (1). 

B. S. Greidenberg: «Periodische Neuropsychose auf hystero- 
degenerativer Grundlage». (1). 

P. D. Enko: «Detritus oder Lymphe?» (1). 

Zum Schlosse der Mittheilung über seine Erfahrungen stellt 
Verf. einige Sätze auf, nach welchen eine Sichtung des 
Materials vorgenommen werden müsste, falls diese Frage 
auf statistischem Wege entschieden werden sollte. 

W. W. Tokarenko: «Echinococcus des linkeu Leberlappens. 
Operation nach Sänger. Heilung». (1). 

Casuistischer Beitrag. 

M. M. Krasin: «Rhinoplastik mit goldener Prothese». (2). 

Da bekanntlich osteoplastische Methoden nicht immer gute 

Resultate liefern, hat Verf. eine Prothese ans einer durch¬ 
löcherten Goldplatte bestehend construirt. welche genau nach 
dem Defect im Knochen resp. Knorpel angefertigt ist und 
während der Operation mit Platindrnth an den Hautlappen 
befestigt wird. Die Erfahrungen K.'s beziehen sich auf 19 Fälle 
mit mehr weniger günstigen Resultaten. 

0. W. Petersen: «Das Europhen als Verbandsmittel». (2). 
Conf. St. Petersb. med. Woch. Nr. 14 pag. 131. 

W. A. Petrow: «Kaiserschnitt wegen einer Beckenge¬ 
schwulst». (2). 

I.-Para. Grosser harter Tumor in der Kreuzbeinaushöhlung;, 
den Beckenansgang bis auf 5*'a Cm. verkleinernd. Sectio 
caesarea; lebendes Kind. Tod am 5. Tage unter maniakalischen 
Erscheinungen, bedeutende Pnlsschwankungen bei fast nor¬ 
maler Temperatur. In Folge letztem Umstandes möchte Verf. 
die Erscheinungen nicht unbedingt auf Sepsis beziehen. 

W. A. Petrow: «Ein Fall von Porro-Operation». (2). 

Primipara, sehr protraliirter Geburtsverlauf. Conjugata 
diagonalis 8‘ j C. (rbachitisch (?) verengtes Becken). Operation 
nach Porro. Lebendes Kind, normales Wochenbett und Wund- 
verlanf. 

S. P. Werekundow: «Die Immunität der Einwohner Pe¬ 
tersburgs für Abdominaltyphus». (1, 2). 

Verf. zieht gegen die allgemein verbreitete Ansicht zu Felde, 
dass die in Petersburg geborenen Einwohner verhältniss- 
mässig selten am Typhus erkranken und sucht an der Hand 
von Statistiken nachzuweisen, dass eine bedeutende Anzahl 
der in P. geborenen Kinder schon im jugendlichen Alter (bis 
15 Jahre) den Typhus durchmacht. Da die Mehrzahl der 
Menschen nur einmal einer Typhnslnfection zugänglich ist, 
so sieht Verf. in der bedeutenden Morbilitüt im Kindesalter 
die Ursache einer geringeren Empfänglichkeit der erwach¬ 
senen Stammbewohner Petersburgs für das Typhnsgift. 

N. S. Protopopow: «Zur Frage von dem Einfluss des Cog- 

nac’s auf die Assimilirung des N. und der Fette der Nah¬ 
rung bei gemischter Milchdiät». (3). 

Vorläuiige Mittheilung. 

A. A. Kissel: «Zur Casuist.ik angeborener Herzfehler bei 
Kindern mit besonderer Berücksichtigung der Frage von 
dem Zusammenhang der angeborenen Enge der Lungen- 
arterienöffnung mit dem Lumen im Septum der Ven¬ 
trikel». (3). 

Prof. S. D. Kostjurin: «Ueber den Pneuraococcus, welcher 
während der Grippeepidemie in Charkow. (Herbst 1891 bis 
Winter 1892) gefunden wurde». (4). 

Während der Epidemie wurden häufig Coinplicationen der 
Influenza mit Lungenentzündungen beobachtet. Verf. gelang 
es ans dem Sputum solcher Pat. Reincnlturen eines Diplo- 
coccus darzustellen, welcher einige Aehnlichkeit mit dem 
Fränkel’schen hatte. An weissen Batten und Meerschwein¬ 
chen vorgenommene Impfungen führten zu keinem absolut 
sicheren Resultate, so dass es noch unbestimmt ist, ob diese 
Mikrobien specifisch für Lungenentzündung oder für Grippe 
8ind. 

A. J. Jarozki: «Zur Frage von der Verbreitung der Syphilis 
auf dem Lande». (4). 


J. W. Rybalkin: «Zur Lehre von den motorischen Neurosen 
des Magens*. (4). 

Verf. theilt einen Fall mit, in welchem es sich um eine 
hysterische Paralyse der Magenmuskulatur handelte. Nach 
Ansicht des Verf.’s waren höchstwahrscheinlich nicht alle 
Muskelgruppen gelähmt, weil es zur Erweiterung des Magens 
kam, obgleich die zur peristalischen Fortbewegung dienenden 
Muskelgruppen noch functionirten. 

M. W. Lunkewitsch: «Bemerkungen über die Blutamter- 
suchnngen auf Mikrobien des Snmpffiebers». (5). 

A. J. Merz: «Zur Frage von den Veränderungen des Testikels 
bei Unterleibstyphus». (5). 

In allen untersuchten Fällen fand Verf. die Testikel mehr 
weniger afflcirt. Mit dem Beginne der Erkrankung hört auch 
die Functionsfähigkeit des Organs auf. In der ersten Woche 
der Erkrankung lassen sich noch Samenfäden nach weisen, im 
Laufe der 2. Woche verschwinden dieselben jedoch vollständig. 
Während in der ersten Woche eine Infiltration mit Granula¬ 
tionselementen hauptsächlich nur im interstitiellen Gewebe 
stattfindet, gehen in der 2. Woche schon im Parenchym selbst 
Veränderungen vor sich. Im Allgemeinen kann die Affection 
des Testikels sein 1) eine diffus vom interstitiellen Gewebe 
aus beginnende und in der Folge auf das Parenchym und auf 
die Wandungen der Kanälchen übergehende. 2) kann ausser 
den Erscheinungen, welche dnrch die Allgemeininfection des 
Organismus hervorgerufen werden, noch eine locale Entzündung 
Platz greifen, welche dnrch die producirten Typho-Toxine der 
eingedrnngenen Mikrobien bedingt wird. Zuweilen gehen die 
Entzündungsherde in Eiterung über. Sowohl allgemeine, als 
■ auch locale Erkrankungen des Testikels köunen gleichzeitig 
neben einander bestehen. 

W. W. Potejenko: «Zur Therapie der Syphilis mit Iiyec- 
tiouen in Wasser unlöslicher Hg-Präparate in der land- 
ärztliclien Praxis». (5), 

Vorzüge dieser Behandlungsmethode sollen sein l)dieBillig- 
! keit 2) werden die Pat. nicht von der Arbeit abgehalten und 
! brauchen ihre Lebensweise nicht zu verändern. 

l A. Pawpertow: «Zur Frage von dem Einfluss tiefer In-und 
Exspirationen auf die Assimilirung von Fetten in der Nah¬ 
rung bei gesunden Menschen». (6). 

| Vorläufige Mittheilung. 

i S. D. Kostjnrin: «Polykyraographion». (Beschreibung eines 
I vom Verf. construirten Apparates). 

J. Borowikow: «Ueber Sehnenreflexe beim gesunden Men¬ 
schen». (6). 

W. A. Stolypinski: «Der gegenwärtige Stand der Frage 
von der Technik der Uterus-Totalexstirpation per vagi- 
nam». (6). 

Nachdem Verf. in Kürze die Methoden hervorragender 
; Operateure skizzirt hat, giebt er folgenden Operationsplan an. 
: 1) Die Operation muss unter autiseptischen (aseptischen) Kau- 
| telen ausgeführt werden. 2) Lagerung der Pat. in Steiss- 
| rückenlage. 3) Circulärer Schnitt dnrch die Portioschleimhaut 
! an der Uebergangsstelle derselben in die Scheidenschleimhaut. 
! 4) Eröffhung des hinteren Douglas’schen Raumes. 5) Unter- 
I bindung der unteren Abschnitte der lig. lata und der Uterin¬ 
arterien. 6) Eröffhung des vorderen Douglas (in schweren und 
i zweifelhaften Fällen mit Hilfe des Fenomenow’schen Hakens) 
j 7) Unterbindung der oberen Abschnitte der lig. lata undEnt- 
| fernung des Uterus ohne Umstülpung desselben». 

! W. W. Podwyssozki und J. G. Sarotschenko: «Ueber 
Parasitismus in den Carcinomgeschwülsten in Zusammen¬ 
hang mit der Beschreibung einiger sporenähnlicher Para¬ 
siten in den Krebszellen»• (7). 

Sehr lesenswerthe, zu knrzem Referate nicht geeignete Ab¬ 
handlung. 

J. Potapenko: «Zur Aetiologie der periodischen Angen- 
entztindung oder Mondblindheit der Pferde, (ophthalmia 
periodica; irido-chorioiditis recidiva; fluxion periodique)». (7). 
Vorläufige Mittheilung. 

P. J. Bosenbach: «Zur Lehre von den traumatischen Neu¬ 
rosen». (8). 

j Krankengeschichte eines Pat. mit functioneilen Störungen 
! des Nervensystems, welche durch ein Trauma verursacht waren. 
‘ Den Schluss bilden literarische Notizen. 


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26 


W. P. Rajew: «Ein Fall» von croiipösor Pneumonie mit unre¬ 
gelmässigem Verlauf#. (8). 

M. Abel mann: «Peliosis rhenmatica im Säuglingsalter». (9). 
Conf. St. PeteTsb. med. Wochenschr. Nr. 15. 

A. J. Samschin: «Die Antoinfection vom bakteriologischen 
und experimentellen Gesichtspunkte aus». (8, 9). 

Die Studien welche S. ausschliesslich an Hündinnen gemacht 
hat, bewiesen, dass das Scheidensecret der Tliiere pathogene 
Mikrobien enthält. Es gelang Verf. ferner einen specitischen 
Staphylococcus-ähnlichen Mikroben zu züchten. 

N. K. Eondratkowski: «Die kleinrussischen «klugen Männer 

und Frauen» und ihre Behandlungsmethoden». (9, 10). 
Verf. schildert die Thätigkeit dieser Kurpfuscher haupt¬ 
sächlich auf dem Gebiete der «Besprechungen», Massage und 
Hydrotherapie. 

J. F. Selenow: «Zur Frage von der syphilitischen und Hg- 
Chloro-anaemie». (10). 

Vorläufige Mittheilung. 

J. J. Schendrikowski: «Einige Worte zur Behandlung der 
Gallenkoliken». (10). 

S. empfiehlt gegen heftige Kolikanfälle heisse Kompressen 
oder besser Wannen (28—30° R.) 10 Minuten lang. Diese Me¬ 
thode hat sich in 3 Fällen, wo alle Narcotica ohne Erfolg 
angewandt wurden, glänzend bewährt. 

W. W. Ssutugin: «Beobachtungen über Abdominalschwanger¬ 
schaft». (7—10). 

Nach Beschreibung mehrerer recht interessanter Kranken¬ 
geschichten von Grav. extrauterina abdominalis und Be¬ 
sprechung derselben, stellt Verf. einige Thesen auf, welche in 
Kürze folgenden Inhalt haben. 1) Eine Bauchhöhlenschwanger¬ 
schaft ist ohne Zweifel möglich und gar nicht so selten wie 
Einige annehmen. Dass dieselbe verhältnissmässig selten 
diagnosticirt wird, hängt von der häufigen Unterbrechung der 
Schwangerschaft ab, wodurch ein Haematoui vorgetäuscht wird; 
Eine vollständige Austragung der Frucht ist dessenungeachtet 
möglich. 2) Bei ungehindertem Verlauf wird die Bauchhöh¬ 
lenschwangerschaft häufiger als alle anderen Extrauterin¬ 
schwangerschaften als eine normale Schwangerschaft ange¬ 
sehen. Diese Anomalie bedingt häufiger als andere Formen 
Erscheinungen von Darmocclusion und Abknickung der Ureteren 
sowie bemerkenswerthe Symptome die Harnsecretion betref¬ 
fend. 3) Bei der Diagnose ist zu beachten, dass bei Bauch¬ 
höhlenschwangerschaft der Uterus grösser zu sein pflegt, als 
bei den anderen Formen von Extrauterinschwangerschaft, 
dessgleichen sind die Contonren desselben weniger deutlich 
palpirbar. Eine Entwickelung der Placenta im Douglas bedingt 
Verengerung der Scheide und Hochstand der Gebärmutter. 
Vor allen Dingen muss bei der Diagnose eine Retroflexio Uteri 
gravidi ausgeschlossen werden. 

S. W. Lewaschew: «Ueber den Infectionserreger des Fleck¬ 
typhus». (11). 

Vorläufige Mittheilung. 

L. fand im Blute an Flecktyphus Erkrankter bei 2000—2500 
facher Vergrösserung 1) runde Gebilde, welche er als Kokken 
anspricht (Micrococcus exanthematicus) 2) Spirillen 3) Gebilde 
mit langem fadenförmigem Fortsatze, welche er als Kokkospi- 
rillen oder Spirochaeten bezeichnet. L. hält es für höchst 
wahrscheinlich, dass alle diese Gebilde sich bei weiteren For¬ 
schungen auf eine Form werden zurückführen lassen. 

E. Th. Schuljanski: «Zur Frage von dem Einfluss der Er¬ 
nährung junger Thiere mit tuberculösem Fleisch». (12). 
Vorläufige Mittheilung. 

Eine ausschliessliche Ernährung junger Thiere mit rohem 
oder gekochtem tuberculösem Fleische ruft keine Tuberculose 
hervor, sondern führt zu einer Erkrankung, verbunden mit 
Veränderungen parenchymatöser Organe, wie solche einigen 
Vergiftungen eigen sind. 

J. W. Lewaschew: «Ueber die Resultate der Behandlung 
der Tuberculose der Athmungsorgane mit Cantharidin. 
(10-12). 

Nach L. ist das Cantharidin selbst bei lange fortgesetztem 
und energischem Gebrauch nicht im Stande die Erkrankung 
zu heilen, obgleich es von Zeit zu Zeit mehr weniger bedeu¬ 
tende Schwellungen in den tubercnlös afflcirten Partien der 
Athmungsorgane hervorruft. Ein Auf halten des Krankheits- 

? roces8e8 selbst auf kurze Zeiträume ist von demselben gleich- 
aUs nicht zu erwarten. Verf. schliesst sich daher denjenigen 
Autoren, welche einen therapeutischen Nutzen des Cantharidin 
leugnen, vollkommen an. 

M. M. Nastjukow und M. J. Pewsner: «Ueber die Anwen¬ 
dung von Sublimat-Anilinfarbstofflösungen in der Bakte¬ 
riologie». (13). 


Auf KJOCc. einer wässerigen Sublimat- (1:1000) und Chlor- 
ammoninmlösung (1:2000) nimmt man nach Angabe der Verf. 
10 Cc. einer 10 pCt. alkoholischen Lösung eines Anilinfarb¬ 
stoffes. 

W. P. Obraszew: «Ueber die physikalische Untersuchung der 
Därme». (12, 13). 

W. K. Wyssokowitsc.h: «Ein Fall von Rotz beim Menschen». 
(13, 14). 

P. P. Schipilin: «Zur Frage von dem Einfluss des Schwefel¬ 
äthers auf N-Aufnahme und -Umsatz bei gesunden Men¬ 
schen». (15). 

Vorläufige Mittheilung. 

D.,L. Romauowski: «Zur Diagnose des unregelmässigen und 
| des 4 tägigen Sumpftiebers». (15). 

Vorläufige Mittheilung. 

Auf Grund seiner Studien stellt R. die These auf, dass der 
Mikroorganismus, welcher das unregelmässige Malariafieber 
hervorruft, mit dem Erreger des Fiebers mit 4 tägigem Typus 
identisch seien. 

J. N. Obolenski: «Die Grippe und Lungenentzündung in 
Charkow im Herbst 1891». (13—15). Dobbert. 


Medizinskoje Obosrenje Nr. 11-14. 

I. Selenew: «Zur Casuistik der Erytheme». (Nr. 11), 
Ausführlicher Bericht über 4 Krankheitsfälle: 2 Herpes 
iris (circinatus) 2 Erythema exsudativum multiforme. 

A. Lanz: «Die radicale Entfernung von Haaren mittelst 
Elektrolyse» (Nr. 11). 

Verf. gelangt zu folgenden Resultaten: Die einzige radicale 
Epilationsraethode ist dieElektrolyse. Bei Anwendung schwacher 
Ströme und regelrechter Einführung der Nadel sind die Narben 
infolge der Operation sehr geringfügig. Die Stromstärke muss 
2—4 MA. gewählt werden. Während einer Sitzung sind nicht 
mehr als 20—30 Haare zu entfernen. Schmerzen bei der 
Operation sind sehr geringe. Zur Operation gebraucht Verf. 
dünne Nähnadeln (Nr. 12). 

S. Korschenewki: «Bericht über 100 Fälle von Catarakt- 
operationen (Nr. 11). 

M. Bernstein: «Zur Therapie der Conjunctivitis follicularis 
(Nr. 11). 

Bericht aus der Königsberger Augenklinik. Die Behandlung 
bestand in Massage der Conjunctiva mit einer Sublimatlösnng 
(1:2000) — nach der sog. Keinig’schen Methode. Die Resultate 
waren recht gute. 

G. Ssolowjew: «Ein Fall von unstillbarem Erbrechen», com- 
binirt mit Polyneuritis bei einer Schwängernden (Nr. 11). 

A. Eberlin: «Fälle von fehlerhafter Entwicklung der weib¬ 
lichen Genitalien» (Nr. 11). 

1. Hypoplasia genital, externa et interna. Uterus rudimen- 
tarius. 2. Atresia vaginae completa. Uterus rudimentarius et 
adnexa dextra rudimentaria. 

S. Schanjawski: «Ein Fall von Vagina septa supra simplex 
als Geburtshinderniss» (Nr. 11). 

W. Mnratow: «Ueber die Steigerung der Reflexe bei Poly- 
nenritis» (Nr. 12). 

Verf. gelangt zu folgenden Schlussfolgerungen-. 1. Das 
klinische Bild der aufsteigenden Paralyse muss etwas er¬ 
weitert werden. Aenderungen der elektrischen Erregbarkeit. 
Laesionen im Gebiete der Sphinkteren und der Sensibilität 
sind als wohl mögliche Symptome anfzufassen. 2. Die Polv- 
neuritis kann sich mit spinalen Symptomen compliciren. Diese 
Symptome können entweder auf organischer Laesion beruhen, 
oder aber nur irradiirt sein. 3. Die Laesion der Muskulatur 
braucht nicht immer secundär aufzutreten; die Muskeln können 
auch zu gleicher Zeit mit den Nerven afficirt werden. Diese" 
Form wird dann als Myoneuritis bezeichnet. 

I. Priklonski: «Zwei Fälle von syphilitischer Erkrankung 
der Gelenke» (Nr. 12). 

S. Goldenberg: «Vier Fälle von Heilung der Syphilis durch 
Excision der primären Induration» (Nr. 12). 

Postnikow: «Zur Behandlung der Patella-Fracturen» (Nr. 13). 

An der Hand von 2 Fällen, die Verf. erfolgreich mittelst 
Massage behandelt hat. giebt er eine kurze Üebersicht über 
alle therapeutischen Massnahmen, welche bei Fractur der 
Patella in Anwendung gebracht worden sind. Als beste 
Methode erweist sich die Massage, welche recht frühzeitig an¬ 
gewandt werden muss. 


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P. Radzig: * Mentholisator» (Nr. 13). 

Verf. priebt die Beschreibung eines Apparates zur Insuffla- 
tion von Mentholdämpfen in die Nase. 

N. Fi lato w: «Zur Behandlung der Diphtherie» (Nr. 13). 

Vortrag, gehalten in der pädiatrischen Gesellschaft zu Moskau 
(enthält nichts Neues). 

Studenezki: «Zur Therapie der serösen Exsudate» (Nr. 13). 

Verf. hat sehr gute Resultate erzielt mit dem Antipyrin 
und Antifebrin. Regelmässig konnte er eine Abnahme der 
Exsudate unter dem Einflüsse dieser Mittel beobachten, dabei 
eine starke Zunahme der Dinrese. Gewöhnlich wurde dem 
Antipyrin und Antifebrin Coffein oder Spartein in kleinen 
Dosen zugefügt. Diese Mittel per se gegeben konnten aber 
die Exsudation nicht beeinflussen, sie dienten nur als Tonica. 

P. Pawlow: «Ein Fall von Reiufection mit Syphilis». 

(Nr. 14). 

Die Reinfection trat hier nach 5 Jahren ein, nachdem der 
Patient 1 Jahr vordem von seinem gummösen Stadium geheilt 
worden war. 

A. Lanz: «Zur Casuistik der Arzneiexantheme» (Nr. 14). 

Eine 29jährige Frau, die an heftigem Husten und Brust¬ 
schmerzen laborirte, erhielt DowerVhe Pulver, nach deren 
Einnahme ein diffuses Exanthem am ganzen Körper sich ein¬ 
stellte. Die ganze Haut vom Kopfe bis zu den Füssen war 
diffus geröthet und mit Epiderraisschuppen bedeckt; an einzelnen 
Stellen schälte sich die Epidermis in ganzen Platten ab. die 
Hautentzündung dauerte einige Tage und ging dann all¬ 
mählich wieder zurück. Nach einiger Zeit wurden gegen den 
■ Husten wieder Dowersche Pulver ä 0,3 verordnet. 7 Stunden 
nach Einnahme des ersten Pulvers trat ein heftiger Schüttöl¬ 
frost auf, die Haut wurde wieder roth und geschwellt, die 
Temperatur blieb normal; später stellte sich wieder die starke 
Abschuppung ein. Dieselben Veränderungen constatirte Verf. 
bei der Frau nach Eingabe von .5 Tropfen Opium. Es war 
somit klar, dass es sich um eine Dermatitis medicamentosa 
gehandelt hat. Solche Hautentzündungen wurden auch von 
G. Behrend, Brand, Silbermann und anderen Autoren nach 
Darreichung von Opinmpräparaten beobachtet. 

T. Schabad: «lieber Asthma cardiale» (Nr. i4). 
Krankenbericht. 

1 J . Hausner: «Ein Fall vom Embryokardie bei einem Herz¬ 
klappenfehler» (Nr. 14). 

Der Name Embryokardie ist von Huchard eingeführt 
worden (1888). Dieser Autor versteht darunter eine ganz be¬ 
stimmte Veränderung des Herzrythmns: 1. beschleunigte 
Herzthätigkeit. 2. Gleiche Dauer beider Herzpansen, der 
grossen und der kleinen. 3. Gleicher Timbre beider Herztöne. 
Huchard beobachtete diesen Symptomencomplex bei Patienten 
mit Abdominaltyphns und hielt" ihn für prognostisch schlecht. 
Verf. hat nun diese Embryokardie bei einem Kranken, der 
an Schlussuufähigkeit. der Milralklappe laborirte, im Stadium 
der Compensationsstörung auftreten gesehen; die Herzschwäche 
bedingte nach Verf. den beschleunigten Puls; in Folge der 
verminderten arteriellen Spannung trat eine Verlangsamung 
des 2. Tones und dadurch eine Verlängerung der ersten 
Pause ein. Nach Digitalis schwanden die geschilderten 
Symptome binnen Kurzem. Verf. meint mit Grasset. dass 
der ganze Symptomencomplex durch das Sinken des arteri¬ 
ellen Druckes genügend erklärbar sei. Abelmann 


Chirurgitscheskij westnik. April — Aug. 

R. W. Butz: Zur Frage der Behandlung gangränöser Hernien. 

(Schluss). (April). Cfr. S. 7 u. 19 d. Beilage. 

Verf. berichtet noch über 8 eigene Fälle und unterzieht so¬ 
dann das von ihm zusammengetragene Material (204 Fälle, 
die durch Anlage eines Anns praeternaturalis, und 219 Fälle, 
welche durch primäre Resection behandelt waren) einer sta¬ 
tistischen Untersuchung, aus welcher er folgende Schlüsse 
ableitet. 

In vorgeschrittenen Fällen (Phlegmone der Bauchdecken, 
Gangrän des Bruchsackes und Perforation der Darmschlinge) 
begnüge man sich mit Oeffnung und Desinfection des Koth- 
abscesses. 

Bei Grangrän der Darraschlinge und starkem Collaps durch- 
trenne man den einklemmenden Ring durch Schnitt von 
aussen her, fasse die Schlinge oberhalb der Einschnürung, 
resecire im Gesunden und vernähe beide Lumina mit der 
Haut. Zur _ nachlierigen Beseitigung des Anus praeternatu¬ 
ralis bediene'man sich der älteren Methoden von Dupuytren, 
Bruns u. A. Die Secundärresection hat nnr als ultimum 
refugium, sowie, wo Gefahr im Verzug ist, Berechtigung. 


Statt ihrer kann in gewissen Fällen die Enteroanastomose mit 
Vortheil angewandt werden. 

Die Primärresection ist angezeigt bei fehlendem oder 
massigem Collaps. Bei der Ausführung derselben sind wichtig : 
sorgfältigste Desinfection des Bruchsackes: breite Eröffnung 
des Bruchkanales und vorsichtiges Vorzielien der Schlinge, 
besonders des zuführenden Theiles; Resection im Gesunden. 
Entleerung des Darmes vor Anlegung der Naht; Reposition 
nach derselben; Offenlassen der Bruchpforte. Schon bestehende 
Peritonitis ist keine Gegenindication; doch ist dann die 
Bruchpforte zu drainiren. 

Von den Nahtmethoden sind die von Czerny und Wölfler 
(zweizeitige Naht) die sichersten; das beste Material Seide. 

Besondere Berücksichtigung verdienen die Methoden der 
Amerikaner (Senn, Kolinsen, Ashton, Boldv) wegen der 
Schnelligkeit, mit der sie sich ansführen lassen. Dagegen sind 
die von Hahn und Helferich empfohlenen Methoden un- 
nöthig complicirt. 

G. Z. Turner: Zur Anatomie des Blinddarmes und Wurm¬ 
fortsatzes mit Bezug auf die Pathologie der «Perity¬ 
phlitis». (Fortsetzung und Schluss.) (April—Mai). 

In gleich ausführlicher Weise wie den historisch-klinischen 
Theil (Chir. Westn. 1892. März) behandelt Verf. auch die 
Anatomie und Entwickelnngsgeschichte des Blinddarmes und 
Wurmfortsatzes, sowohl auf Grund eingehender literarischer 
Studien, als auch einer nicht unbedeutenden Anzahl (105) 
eigener Leichenöffnungen. Bei letzteren beobachtete er fol¬ 
gende Lagerungsmöglichkeiten für die genannten Darmab¬ 
schnitte: 

I. Der Wurmfortsatz liegt frei in der Bauchhöhle: 


A. Derselbe hängt in das kleine Becken 

hinab.51 mal. 

B. Er zieht sich quer über d. M. psoas 

nach dem Promontorium .... 20 » 

C. Er liegt frei auf dem M. iliacns oder 

psoas.6 » 

D. Er zieht längst der lateralen Ober¬ 
fläche des Colon asc. nach oben . . 2 » 

E. Er lieg; in der Mittel bau chgegend 

unter Querlagernng des Anfangs- 
theiles des Dickdarms.3 » 

F. Er liegt vor der rechtsgelagerten 

Flexura sigmoilea . . . ._._ . . 1_ > 

Im Ganzen 83 mal. 


II. Der Wurmfortsatz liegt hinter dem Anfangstheil 
des Dickdarms, zwischen diesem und der hinteren 
Bauchwand oder der Fossa iliaca: 


G. Er liegt zusammengerollt hinter der 

Vereinigungstelle von Ileum und 
Coecum. 

H. Er liegt hinter dem Blinddarm in der 
Fossa subcoecalis verborgen . . . 

I. Erzieht intraperitoneal längs der 

hinteren oder postero-raedialen Fläche 
des Dickdarms hinauf. 

K. Desgleichen vollkommen extra¬ 
peritoneal.. 

L. Desgleichen theil weise extra¬ 
peritoneal . 

M. Er liegt hinter dem Grunde des Blind¬ 

darms. welcher seinerseits nach oben 
und hinten gekehrt ist . . . _._. 

Im Ganzen 


4 mal. 

5 » 

6 > 

2 > 

4 » 

1 _ *_ 

22 mal. 


Verf. bespricht nun ausführlich den Einfluss, welchen diese 
Lageruugsvarietäten des Wurmfortsatzes auf den klinischen 
Verlanf der Perityphlitis haben, um dann zum Schluss die 
Resultate seiner Studien in folgenden Sätzen znsammenzn- 
fassen: 

Der Blinddarm bildet nicht einen anatomisch genau abzu- 
grenzenden Dannabschnitt, sondern stellt eben nur das An- 
fangsstück des Dickdarmes dar. Derselbe ist stets auch von 
der Rückseite mit Peritoneum bekleidet. 

Der Wurmfortsatz entspricht vergleichend anatomisch dem 
Blinddarm der Thiere, hat aber beim Menschen keine physio¬ 
logische Bedeutung mehr, unterliegt auch im Laufe des 
Wachsthums einer Reihe von atrophischen Veränderungen, 
deren Resultat besonders im höheren Alter deutlich ist. Die 
anomale-.: Lagerungen desselben lassen sich entwickelungs¬ 
geschichtlich erklären. Als besonders häutige Anomalie ist die 
Lage hinter dem Blinddarm anzusehen. 

Entzündliche Processe in der Umgebung des Blinddarms 
gehen fast immer vom Wurmfortsatz aus. Die höhere Mor- 
bilität im jugendlichen Alter erklärt sich durch die dann 
noch weitere Commnnication der Lumina von Wurmfortsatz 
und Blinddarm. Die Valvtda Gerlachi spielt dabei — wenn 
sie überhaupt existirt — keine irgend bedeutende Rolle. 


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Die sog. «Perityphlitis» stellt meist eine vom Wurmfortsatz 
aasgegangene circumscripte Peritonitis dar. Der dabei pro- 
ducirte Eiter liegt intraperitoneal. 

Die «Paratyplilitis» ist nicht als Complication oder Ausgangs¬ 
form einer gewöhnlichen «Perityphlitis» (Appendicitis) anzn- 
sehen, sondern als schon von Anfang an retroperitoneale 
Phlegmone, entstanden durch Erkrankung (Perforation) des 
extraperitoneal (hinter dem Coecum) gelegenen Proc. ver¬ 
miformis. Auch hier haben also Erkrankungen des Blind¬ 
darmes selbt fast gar keine aetiologische Bedeutung. 

Circumscripte Eiterungen in den inconstanten peritonealen 
'faschen hinter dem Blinddarm können eine Paratvphlitis 
vortaüschen, haben aber nicht von Anbeginn an die Neigung 
sich im Zellgewebe auszubreiten. Andererseits dürfte eine 
bedeutende Anzahl von Zellgewebseiterungen der Lumbal¬ 
gegend (Absc. subphren., Paranephritis) durch Erkrankungen 
des Wurmfortsatzes bedingt sein. 

Für die Diagnose der Perityphlitis ist die Untersuchung 
der Lendengegeud sowohl, als des Mastdarmes unentbehrlich 

Die Probepunction dagegen ist nicht nur gefährlich, son¬ 
dern kann sogar direct irreleiten. 

N. A. Sclitschegolew: Ueber die Aetiologie der acuten 
Eiterungen. Experimentell und klinisch-bakteriologische 
Untersuchungen ans der Klinik des Professors M. S. 
Ssubbotin (Mai—Juli). 

In dem bisher vorliegenden Theile seiner Arbeit giebt Ver¬ 
fasser zunächst eine Uebersicht üler die neuere Entwickelung 
der ihn interessirenden Frage. Sein eigenes Programm, zu 
dem er sodann übergeht, war: sicher festzustellen 1) ob durch 
chemische Agentien Eiterung erzeugt werden kann oder 
nicht; 2) ob die bakterielle Eiterung von Stoffwechsel- oder 
von Zerfallsprodncten der Bakterien herrührt; 3) ob eine 
nicht bakterielle Eiterung eventutell auch allgemeine Lenkocy- 
tose hervorruft oder nicht. Er stellte also zunächst eine 
Reihe von Versuchen an mit Einführung von chemischen 
Reizmitteln in thierische Gewebe, meist nach der Methode 
Conncilman-Scheuerlen, seltener mittelst der Koch¬ 
scheu Spritze. Dabei erhielt er bakterienfreie Eiterung durch 
Terpentin, metallisches Quecksilber und. im Gegensatz zu 
den meisten früheren Experimentatoren, durch Crotonöl. Fünf- 
procentige Höllensteinlösnng erzeugte ein haemorrhagisch- 
eitriges Exsudat. Ti. cantharidnm, 2 pCt. Sublimat- und 10 pCt. 
Chlorzinklösung riefen keine Eiterung, wohl aber letztere 
circumscripte Hautnekro.se hervor. 

Auch die Versuche mit lebenden und mit sterilisirten oder 
filtrirten Bakterienculturen bestätigen im Wesentlichen die 
schon bekannten Thatsachen; d. h. Verf. erhielt Eiterung erst 
durch Einführung rel. grosser Mengen von lebenden und des¬ 
gleichen auch durch entsprechende Quantitäten sterilisirter 
Culturen. Während aber 10 Cbcm. des Filtrates von sterili¬ 
sirten Culturen wohl entzündliche Schwellung, aber noch 
keine Eiterung hervorliefen, genügten dazu bereits 3 Cbcm. 
des sterilisirten. die abgestorbenen Zellen enthaltenden Rück¬ 
standes. Aus diesem Umstande schliesst Verf., dass an der 
Erzeugung der Eiterung in höherem Maasse Producte des 
Zerfalles der Bakterienzelle, als solche ihrer Lebensthätigkeit 
betheiligt sind. 

Auch die Untersuchungen über den Einfluss chemischer 
Irritantien (Terpentin, Quecksilber, Crotonöl), sowie von Rein- 
eulturen des Staphylococcus aurantiacus (lebenden, filtrirten 
und sterilisirten) auf die Körpertemperatur und die allge¬ 
meine Vermehrung der weissen Blutkörperchen bei Hunden 
ergaben, in Uebereinstimrnnng mit den bekannten ältereu Er¬ 
gebnissen, dass Eiterung — bakterielle und nichtbakterielle 
— immer von einer beträchtlichen entzündlichen Leuko- 
eytose begleitet ist, welche stets schon vor der Ausbildung 
des Abscesses im Stadium der entzündlicheu Infiltration con- 
statirt werden kann. Auch hier zeigte sich ferner, dass die 
Leukocytose wesentlich nur durch den Filterrückstand der 
sterilisirten Culturen, fast gar nicht durch das Filtrat her¬ 
vorgerufen werden, dass also die wirksamen Bestandtheile dem 
Zeilenleibe der Mikroben selbst angehören. 

Zum Schlüsse berichtet Verf. noch kurz über die bakterio¬ 
logische Untersuchung einer Anzahl von acuten Abscessen 
beim Menschen, wobei er ausnahmslos die Anwesenheit von 
Mikroorganismen constatirte, und zwar in 67,2 pCt. der Fälle 
nur Staphylokokken, in 23,6 pCt. nur Streptokokken und in 
9,1 pCt. ein Gemisch von beiden. 

N. A. S s ok o 1 o w: Ueber die Blutcvsten am Halse. Aus 
der chir. Abth. des Klinischen Institutes der Grossfürstin 
Helene Pawlowna. (Juni). 

Kurze Zusammenstellung der bisherigen Casuistik (34 Fälle) 
und Beschreibung eines neuen Falles, der durch 3 Punctionen 
geheilt, aber nicht genauer untersucht wurde. Dazu einige 
Angaben über die pathologische Anatomie dieser Blutcysten 
auf Grund literarischer Studien. 


B. N. C h o 1 j z o w: Ueber die Blutstillung bei Verwundung 
grosser Venen und über die Unterbindung der Vena 
femoralis communis im Besonderen. Ans der chir. Abth. 
des Obuchow-Hospitals. (Juni—Aug.). 

Die Arbeit beginnt mit einem Abschnitt über die blut¬ 
stillende Bedeutung der Unterbindung des gleichnamigen 
Arterienstammes bei Verletzung einer grosseu Vene, welche 
Methode auf Grund emsig zusammengetragener literarischer 
Zeugnisse natürlich verworfen wird. 

Der zweite Abschnitt der Arbeit handelt von Gefahren, 
welche durch Verletzung grosser Venenstämme bedingt 
werden (Blutung und Lufteintritt), der dritte von dem Mecha¬ 
nismus der natürlichen Blutstillung und von der künstlichen 
Verwerthung desselben, in specie durch (Jompression und 
Tamponade. Beide Eingriffe (besonders aber die mittelbare 
Compression) will Verf. wegen ihrer Unsicherheit nicht als 
Normalmethoden gelten lassen, um so weniger, als eine Er¬ 
haltung des Venenlnmen dabei doch nur bei ganz kleinen 
Verletzungen der Gefässwandungen denkbar und irgend ein 
Vorzug vor der Ligatur daher nicht vorhanden ist. — Aach 
in diesen Abschnitten ist die Literatur in breitester Weise 
berücksichtigt, eigentlich Neues aber nicht beigebracht. 

Verf. bespricht weiter die jetzt glücklicherweise überwundene 
Gefahr der Thrombose und Pyämie nach der Venenligatur und 
setzt dann auseinander—immer an der Hand der ausschlägigen 
Literatur, — dass die Unterbindung der gleichnamigen Arterie 
die Entwickelung eines Stauungsödems nicht nur nicht ver¬ 
hindert, sondern sogar begünstigt; insofern als durch Herab¬ 
setzung der vis ä tergo die Steigerung des intravenösen 
Druckes nnd damit die Erweiterung der Collateralen beein¬ 
trächtigt wird. Das Stauungsödem ist mit Sicherheit durch 
Hochlagernng bei intacter Arterie zu bekämpfen. Zum Stndium 
der Entwickelung des collateralen Kreislaufes sind nur die 
klinische Beobachtung nnd Leichenversuche zu verwerthen; 
Thierversuche dagegen lassen einen directen Schluss auf die 
Verhältnisse beim .Menschen nicht zu. 

A. F r a t k i n : Zur Frage der Hilfeleistung bei Com- 
lication von Schwangerschaft und Geburt mit Myomen 
er Gebärmutter. Aus der chir. Abtheilung des Kranken¬ 
hauses der Kreuzerhöhnng8- Gemeinschaft Barmherziger 
Schwestern. (Juni). 

Eine im Wesentlichen compilative Arbeit, welche ein ge¬ 
wisses, übrigens mehr geburtshilflich-gynäkologisches, als 
chirurgisches Interesse erhält durch Mittheilung eines von 
Dr. N. A. Weljaminow mit Glück ausgeführten Falles 
der P o r r o ’ sehen Operation. Zum Schluss eine umfangreiche 
Casuistik in Tabellenform. 

M. A. Wassiljew: Ein Fall von Schussverletzung des 
Magens. (Juni). 

Sechs Stunden nach der Verletzung Laparotomie und Ver- 
nähung der 3 Cm, langen Wunde am Magen mit glücklichem 
Ausgang. In der Literatur fand der Verf. ausserdem noch 
Nachweise über 21 in gleicher Weise behandelte Schussver¬ 
letzungen des Magens, von denen 6 genasen. Im Ganzen also 
22 Fälle mit 7 Genesungen. 

B. A. Fratkin: Zur Casuistik der Laparotomie bei extra 

uteriner Schwangerschaft. Aus der chirurgischen Ab¬ 
theilung des Krankenhauses der Kreuzerhöhungs-Geraein. 
schaff Barmherziger Schwestern in St. Petersburg. (Juli), 

Drei Fälle von extrauteriner Schwangerschaft mit heftiger 
innerer Blutung, von denen 2 nach Laparotomie, einer bei 
exspectativem Verhalten mit Genesung endeten. 

A. W. Minin: Einige chirurgische Hilfeleistungen. (Juli). 

Acht Fälle von Trepanation des Proc. mast., sowie noch 
einige andere Knochen- und Gelenkoperationen Ohne allge¬ 
meineres Interesse. 

N. A. Gerken: Zur Frage der proliferirenden Kiefercysten. 

Aus der chirurgischen Klinik des Prof. L. L. Lewschin 
in Kasan. (Aug.). 

Mittheilnng zweier durch Resection geheilter Fälle neüst 
mikroskopischem Befund bei ausführlicher Berücksichtigung 
der einschlägigen Literatur. Dazu eine Tafel guter Ab¬ 
bildungen. 

P. W. Botscharow: Die Ursachen des Chloroformto¬ 
des. Kritische Uebersicht der Lehre vom Chloroform¬ 
tode und Untersuchung der Veränderungen, welche durch 
das Chloroform am Herzen hervorgebracht werden. (Aug.). 

Die augenscheinlich sehr breit angelegte Arbeit soll einen 
historischen und einen experimentellen Theil enthalten. Auf 
den vorliegenden Anfang des ersteren finden wir keine Ver¬ 
anlassung näher einzugehen. Grubert. 


r ”oaß. U6H8. Cn6.10 ORTflöpa 1892 r. Herausgeber: Dr. Rudolf Wauach. Buchdruckerei von A. Wieuecke, Kathorinenhofer-Pr. Ji 15. 


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RUSSISCHE M EDICIN ISCHE LITERATUR. 

N2 7. Beilage zur «St. Petersburger Medicinischen Wochenschrift». 1892« 


Wratsch Nr. 16-28. 

J. S. Wysloncli: «Zur Diagnose des blutigen Erbrechens. 
In Veranlassung eines Falles, in welchem die schwierige 
Diagnosenstellung einiges Interesse darbietet, (aus der 
weiblichen Abtheilung des Kronstädter Marine-Hospitals)*. 
(Nr. 16). 

Bei der tnbercnlösen Pat. W.’s stammte das Blut nicht wie 
za vermuthen war aus den Lungen, sondern wie die Section 
zeigte aus einer varicös erweiterten Partie des Oesophagus, 
welche in Folge von Stauung in der Vena portae bei Leber- 
cirrhose zu Stande gekommen war. 

F. F. Kijanizyn: «Zur Frage von der Todesursache bei 
ausgedehnten Hautverbrennungen». (Nr. 16). 

Vorläufige Mittheilung. Verf. ist es gelungen nach grösse¬ 
ren Verbrennungen im Blute, einigen inneren Organen und 
im Harne der Versuchsthiere einen giftigen Körper nachzu¬ 
weisen. Dieses Ptomain wird am besten nach der Brieger’- 
schen Methode gewonnen; es entwickelt sich im Körper der 
Versuchsthiere und ist kein Product der Behandlung der Or¬ 
gane des Körpers mit chemischen Substanzen. Das Ptomain 
ist ein amorpher Körper von gelblicher oder gelbbräunlidier 
Farbe; es besitzt einen stechenden unangenehmen Geruch und 
ist in Wasser und Alkohol leicht, in Chloroform und Benzin 
schwer - in Aether unlöslich. Wurde eine, massige Lösung 
dieser Substanz Thieren subcutan injicirt, so verfielen sie in 
Apathie und Somnolenz; ferner traten Durchfälle, (zuweilen 
mit Blut) Erbrechen, Temperaturerniedrigungen u. s. w. auf. 

K. glaubt die bedeutenden Temperaturerniedrigungen, die 
Schwäche der Herzaction und des Pulses, Sinken des Blut¬ 
druckes, Durchfälle, Erbrechen etc. durch die Wirkung des 
im Organismus sich bildenden Gifteß erklären zu können, wäh¬ 
rend er AtFeetionen der Nieren und anderer parenchymatöser 
Organe auf Thrombose kleinerer Gefässe und Capillaren durch 
das zerstörte Blut znriickftlhrt, in Folge welcher es bei den 
schlechten Ernährungsverhältnissen zu parenchymatösen und 
degenerativen Veränderungen der Organe kommt. 

S. W. L e w a s c h e w: «Ueber die Infectionserreger des Fleck¬ 
typhus». (Nr. 17). 

Im Anschluss an früher veröffentlichte Untersuchungen 
(Wratsch Nr. 11) veröffentlicht L. jetzt Befunde, welche be¬ 
stätigen, dass für den Flecktyphus specifische Mikroben exi- 
stiren, welche sich von allen bis jetzt bekannten wesentlich 
unterscheiden. Der Micrococcus exanthematicus wird in Cnltu- 
ren unter bestimmten Bedingungen gezüchtet: er bildet ganz I 
charakteristische Colonien und ist häufig mit einem langen 
Epirochaeten-ähnlichen Fortsatze versehen. Details sind im 
Originale nachzusehen. 

J. J. Mollesson: <Landschaft und Landschaftsärzte». 
(Nr. 17). 

L. 0. Darkschewitsch: «Ueber Veränderungen des cen¬ 

tralen Theiles motorischer Nerven bei Läsionen des peri¬ 
pheren Abschnittes». (Nr. 16, 17). 

A. A. Kiesel; «Zur Frage von der verstärkten Ernährung 
typbuskranker Kinder». (Nr. 14, 16, 17). 

Die Schlussfolgerungen Verf.’s sind: 1) Selbst bei verstärkter 
Nahrongsznfuhr hungert ein Typhuskranker, denn sein Kör¬ 
pergewicht nimmt ab; 2) eine verstärkte Ernährung Typhns- 
kranker steigert die Körpertemperatur derselben nicht;’3) die 
verstärkte Nahrnngszufnhr rurt in vielen Fällen keine Stö¬ 
rungen der Verdauung hervor, vorwiegend war Neigung zu 
Verstopfung; 4) die Zahl der Complicationen des Typhus ab¬ 
dominalis wurde nicht vermehrt, desgleichen wurde auch keine 
Zunahme der Dauer des fieberhaften Stadiums bemerkt; 5) das 
ßubjective Befinden des Patienten wird durch verstärkte Er¬ 
nährung nicht schlechter; 6) Kecidive wurden nicht beobachtet; 

7) nur in den ersteR Tagen verweigerten die Kinder die Nah¬ 
rungsaufnahme, späterhin nahmen sie das Essen gerne; 8) nicht ! 
bestimmen lässt es sich, ob die Heilung unter solchen Umstän- i 
den schneller erfolgt, weil keine Controllbeobachtnngen ange- i 
stellt wurden; 9) in vielen Fällen hatte die Krankheitsdauer ! 
bei verstärkter Nahrungszufuhr keinen Einfluss auf die Grösse i 
des täglichen Gewichtsverlustes. ! 


O. W. P e t e r s e n: «Entzündung der Samenbläschen (Sper- 

matocj stitis). Als Complication der Gonorrhoe». (Nr. 18). 

Auf die wenigen in der Literatur vorhandenen Fälle dieser 
Erkrankung hinweisend und die Symptome derselben hervor¬ 
hebend, referirt Verf. über einen von ihm beobachteten ein¬ 
schlägigen Fall. 

L. P. Passower: «Zur Frage von dem Morphinismus und 

dem Einfluss desselben auf die Geschlechtssphäre». (Nr. 18). 

A. L. Trachtenberg: «Salipyrin bei Gelenkrheumatis¬ 
mus». (Nr. 18). 

Ausführliche Krankengeschichte eines Falles von langan- 
danernder rheumatischer Affection, in welcher dieses Mittel 
als ultimnm refugium mit ausgezeichnetem Erfolge angewandt 
wurde; in weiteren 10 Fällen soll das Mittel gleichfalls eine 
gute Wirkung gehabt haben. 

W. W. Tipjakow: «Zur Frage von dem Chloroform und 
der Chloroformnarkose». (Nr. 18). 

Von den verschiedenen Chloroformpräparaten hält T. das 
Chloroformium crystallisatnm P l c t e t für das beste. Im An¬ 
fänge der Narkose soll in die Kappe soviel Choloroform ge¬ 
gossen werden, dass dieselbe vollständig darchtränkt ist; dar¬ 
auf darf nur tropfenweise Chloroform zugefügt werden. Da 
bekanntlich bei Chloroformvergiftungen zuerst die Athmung 
and dann erst das Herz beeinflusst wird, so ist w'ährend der 
Narkose hauptsächlich auf dio Athmung zu achten und muss, 
sobald Störungen derselben yorkowmen, das Chloroform weg¬ 
gelassen w'eraen und Sanerstoffeinathmnng an seine Stelle 
treten. Bei schwachen Patienten wechselt Verf. schon vom 
Anfang an Chloroform- mit Sauerstoffeinatlnuungen ab. Unter 
420 Narkosen erlebte Verf. nur .einmal eine tiefe Asphyxie 
(Scheringsches Präparat). 

VV. W. Tipjakow: «Ein Fall von Laparotomie bei Ver¬ 
letzung der Bauchhöhle und des Darmes». (Nr. 18). 

Penetrirende Bauchwnnde seitlich vom Nabel, Vorfall dunkel- 
roth verfärbter, verunreinigter Darmschlingen. Nach Erwei¬ 
terung der Bauchwunde ergiebt sich, dass eine Dünndarm¬ 
schlinge durchschnitten und die Bauchhöhle durch Kothmassen 
verunreinigt ist. Resection eines Darmstückes, Reinigung und 
Schluss der Bauchhöhle. Reactionsloser Verlauf. 

N. Th. Engeln e: «Zur Frage von der Häufigkeit der Tu- 
berculose bei Brustkindern». (Nr. 18). 

J.G. Ssawtschenko: «WeitereUntersuchungen über spo. 
renähnliche Mikroben in Krebsgeschwülsten». (Nr. 17,18). 

S. hat in den Krebszellen ausser den schon früher beschrie¬ 
benen (Wratsch Nr. 7) Mikroben noch andere gefunden, welche 
sich von ersteren unterscheiden, obgleich sie in einigen Ent¬ 
wickelungsphasen manche Aehnlichkeit mit einander besitzen. 
Verf. hält es noch für unentschieden, ob diese Mikroben Krebs¬ 
geschwülste erzeugen, oder ob sie im Epithel der Geschwülste 
sitzend, durch ihre chemischen Producte die Entwickelung der¬ 
selben mehr weniger beeinflussen. 

M. G. Kurlow: «Ueber die Veränderungen des Blutes ent- 
milzter Meerschweinchen im Verlaufe des 2. Jahres nach 
der Operation». (Nr. 19). 

J. J. Ssudakewitsch: «Zur pathologischen Anatomie de« 
Kropfes». (Nr. 19). 

A. E. Schröder: «Wie inficirt sich dieBevölkernngPeters¬ 
burgs mit Bothriocephalus?» (Nr. 19). 

Bekanntlich hat M. Braun nachgewiesen, dass der Genuss 
nicht gnt durchgekochten Fleisches einiger Fischarten, eine 
Erkrankung an Bothriocephalus bedingen. Verf. hat sich auf 
dem Heumarkt einen Hecht gekauft, welcher im filmischen 
Meerbuseu gefangen war und konnte im Fleische desselben 
Bothriocephalustinnen nachweisen. 

P. A. C hmelewski: «Zur Frage von dem Einflüsse des 

Sonnen- und elektrischen Lichtes anf Fäulnissmikroben*. 
(Nr. 20). Vorläufige Mittheilung. 


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Pie bis jetzt noch nicht beendeten Untersuchungen haben 
unter Anderem ergeben, dass die Schädlichkeit der Fäulniss- 
mikroben dnrch den Einfluss des Lichtes geschwächt wird. 

S. T h. W o j u z k i i «Skorbut Im Wal ui’sehe* Kreise dos Wo- 
ronesh'schen Gouvernements». (Nr. 20). 

M. B. B4W«enau: «Ueber die sog. pseudo-lobäre Lungen¬ 
entzündung». (Nr. 19, 30). 

Als Lipleitung giebt Verf. eine Skizze des Krankheitsbildes 
dieser acuten Lungentnbercnlose (acute, käsige Entzündung) 
welche besonders im Initialstadium viel analoges mit der acuten 
creupösen Pneumonie besitzt. Hieran schllessen sich einige 
Krankengeschichten und epikritische Bemerkungen zu den¬ 
selben. 

A. P. Fawizki: «Ueber den Einfluss der Ausscheidnngs- 
producie einiger pathogener Bakterien und ihres Mikro- 

P roteins anf den tnierischen Organismus». (Nr. 11, 13, 15, 

6 , 20 ). 

Die Untersuchungen, welche Verf. im bakteriologischen La¬ 
boratorium Prof. Emmerichs in München angestellt hat, 
haben ergeben, dass die Ausscbeidungsprodacte der von ihm 
untersuchten Bakterienarten, in der Mehrzahl der Fälle, für 
Thiere nicht indifferente Substanzen, sondern ziemlich starke 
Gifte sind, ln den Organismus in genügender Meuge einge¬ 
führt, dokumentiren sie sehr bald ihre Anwesenheit durch das, 
einer schweren Allgemeinerkrankung ähnliche Krankheits- 
büd, wobei das neuro-musculäre System vorherrschend befallen 
wird: in einigen Fällen traten auch Temperaturerhöhungen 
auf. Details sind im Originale nachznlesen. 


I W. Th. Bu sch ujew: «Zur Frage von den Helminthen als 
Complication acuter Krankheiten». (Nr. 23). 

j R, felprjft über gineu F^ll vpn leichtem Typhus, welcher 
ahfengs nerrasl verfiel?; in der Fojge trjÄen aber ohne nach- 
j •werebftre Orsacne Anfälle auf, welche sich durch Verlust der 
| Besinnung, Cyauose, sinken der Herzaction, Sistiren der Ath- 
mung, unwillkürlichen Harn- und Kotheutleerungen etc. cha- 
rakterisfrten. Wählend eines solchen Anfalles trat der exitus 
letalis ein. Bei der Section wurde im Darm Ascaris lumbti- 
coides constatirt. Nach Meinung Verf.’s lässt sich die Herz¬ 
paralyse am leichtesten durch Beizung des Syrapathicus und 
dessen Verzweigungen im Darm durch die Würmer erklären. 

J. J. Daschewski: «Zur Therapie syphilitisch» Uutcr- 
scheukelgeschwüre». (Nr. 33). 

Z. F. Truskoljawski: «Ein Fall von habitueller Hüftgetenk- 
luxation». (Nr. 23). 

Casuistischer Beitrag. 

E. S. Obraszew: «i Fälle von Tuberculose der Haut «Bd 
der Schleimhaut des harten Gaumens mit Perforation des 
letzteren in einem der Fälle». (Nr. 22, 23). 

N. N. Gurejew: «Zur Frage von der Eiweissaorm in der 
Nahrung der Greise und von dem N. Umsatz bei densel¬ 
ben». (Nr. 24). 

Vorläufige Mittheilung. 

! G. L. Raich: «Ein Fall von Aktinomyces des Unterkiefers». 
(Nr. 24). 


J. Traugott: «Klinische Beobachtungen über die Behand¬ 
lung der Bleichsucht mit heissen Luftbädern». (Nr. 21). 
Vorläufige Mittheilnng. 

A. W. Poehl: «Ueber das Vorhandensein des Spermin in 
verschiedenen Organen des thierlschen Organismus and 
über die chemische Zusammensetzung der firown-86- 
q u a r d ’ sehen Emulsion». (Nr. 21). 

M. K. Senez: «Ueber wirkliche und scheinbare Rückfälle 
des Abdominaltyphus (bearbeitet nach dem Material des 
städtischen Alexander-Barakken-flospitals in S. Peters¬ 
burg für die Jahre 1882—1885»». (Nr. 19—21). 

Ausser einigen theoretischen Erörterungen giebt Verf. die 
Krankengeschichten von 15 Fällen, deren genaue Analyse er- 
iebt, dass bei einem Abdomiualtyphus jeder folgende wirk- 
che oder scheinbare Rückfall meist in ganz bestimmtem or¬ 
ganischem Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Anfalle 
steht, uud dass die Apyrexie nur das Verbindungsglied dar 
Stellt, wobei dieselbe fast immer klinische Anzeichen von dem 
Vorhandensein und der weiteren Wirkung des Typbusgiftes 
darbietet. 

J. J. J a k u b: «Ueber die Retention abgestorbener Früchte 
in der Gebärmutterhöhle». (Nr- 22). 

Verf. theilt 3 Fälle mit, in welchen 4 uud 3 monatliche 
Foetea erst längere Zeit (in 2 Fällen 6 Monate, in 1 Fall 4 Mo¬ 
nate) nach dem Absterben ans dem Uterus ausgestossen 
wurden. 

A. D. Ssokolow: «Die Fehlerquellen bei Bestimmung des 
Sauerstoffes im Wasser nach der M oh rischen von Levy 
moaifleirten Methode». (Nr. 22). 

Um nach Möglichkeit die Fehler dieser sonst sehr bequemen 
Methode zu vermeiden, muse nach Angaben des Verf.’s das 
Wasser, in welchem der 0. bestimmt werden soll, von immer 
gleicher Temperatur sein; ferner soll die Absorption des 0. 
eine beetiramte Zeit (durchaus nicht weniger als 10 Minuten) 
dauern. 

J. S. Kildjuscheweki: «Carbol-Lavements bei Dysen¬ 

terie*. (Nr. 22). 

K. rühmt sehr die Erfolge, welche er von Spülungen mit 
einer CarbolsänrelösnBg |2 Gr. auf 9 Pfd. Wasser pro Klysma) 
bei blutigen Durchfällen gesehen. Im Laufe von 4 Jahren hat 
Verf. von 204 Kranken nur 5 — 2,45 pCt- verloren. 

N. K umberg: «Zur Kenntniss und Symptomatologie des 
Tetanus*. (Nr. 22). 

P. Th. Fedorow: «Gangränöse Processe in Folge von In- 
fection durch kranke Zähne». (Nr. 22). 

K. A. T c h i 8 1 j a k o w : «Ueber Infectlosität der j&veterirten 
condylomatöseu Syphilis». (Nr. 23). 


Casuistischer Beitrag. 

A. N. Dmitrijew: «Vollständige Verwachsung des Herzbeu¬ 
tels und Verengerung des linken venösen Ostiura». (Nr. 34)- 

Bei einem Rekrnten, welcher an Diphtheritis starb, fanden 
sich bei der Section genannte (nicht hänfig vorkommende) 
Veränderungen des Herzens. 

N. E. Kuschew: «Zur Casnjstik der Hemiplegien nach Kohlen- 
oxydvergiftung». (Nr. 24). 

Beschreibung eines Falles von rechtsseitiger Hemiplegie 
nach Kohlenoxydintoxication, welche im Verlaufe eines Mo¬ 
nates in Heilung überging, uebst einigen Bemerkungen über 
derartige Vergiftungen. 

J. J. Ssudakewitsch: «Ueber die Erscheinungen der Me- 
tackrowasie in den Suoren-ähnlichen Gebilden, welche als 
Parasiten in den Krebszellen vorkomm». (Nr. 25). 

W. K li m e n k o: «Der Eiweissgehalt in frischbereitetem Fleisch- 
aufguss und im Fleischsaft, sowie der Gehalt an Ei weis* 
und Pepton in Bouillon-Pepton im Vergleiche mit Milch 
und Eiern»- (Nr. 25). 

Aus den Versuchen K.’s geht hervor, daee Milch und Eier 
wegen der grösseren und leicht aseüttilirbaren Eiwefeemenge, 
dem besseren Geschmaeke and der Billigkeit unbedingt dam 
Fleischsaft, dsm frischeu Fleischaufguss und dem Bouilloa- 
Pepton vorgezogen werden müssen uud 4&ss kein Grund da¬ 
für vorhanden ist, die letztgenannten Kunstproducte als Er* 
nährangsmittel an Steile von Milch und Eiern zu verwenden. 

J. J. Makowejew: «Praktische Beobachtungen angestellt in 
Staraja Russa. Mineralische Bäder während normaler und 
pathologischer Menstruation». (Nr. 24, 25). 

M. kommt zu dem Schlüsse, dass Miner&lbäder zur Zelt der 
Menstruation angewandt, letztere unter keinen Umständen 
verschlimmern, sondern dass die Bäder auf dieselbe eine heil¬ 
same Wirkung ausüben, indem alle Abnormitäten beseitigt 
werden, so dass sich die Menses normal oder annähernd nor¬ 
mal gestalten. Die allgemein verbreitete Ansicht, dass Bäder 
während 4» Menatruatiou schädlich seien, ist eine irrige. M. 
ist der Meinung, dass während einer normalen Menstruation, 
Mineralbäder uack Belieben ordmirt oder auch nicht verordnet 
werden können. Bei anormalen Menses oder Erkrankungen in 
der Geecklechtsspkäre müssen Bäder unbedingt angewandt 
werden, weil dieselben das Allgemeinbefinden bedeutend bes¬ 
sern, profuse Blutungen verringern, spärliche verstärken and 
zugleich die schädlichen Störungen in der Behandlung Weg¬ 
fällen, welche jedes Mal durch die menstruelle Congestion her- 
vorgenifea werden. 

L. Letuik: «Zar Frage von der Abortivbebandlnng der Ba- 
boBM*. (NrT28, S®- 

Verf. hat das Wel-an de rieche Verfahren (subcutane Injek¬ 
tionen von Hg. Präparaten) bei der Behandlung von Bu b o n en 


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*1 


in 140 fortlen angewandt, und iu 89*'? pCt. Vertheil uug der 
Bubonen dadurch erzielt; in den übrigen 18 Fällen trat Ab- 
■cedinrng ein, ao dass dieselben operativ behandelt werden 
mussten. 

L £. Belljarminow: «Die celorimetrische Methode in ihrer 
Anwendung sur Bestimmung der Aufsaugung in der vor¬ 
dere Augenhammer». (Nr. 26). 

Vorläufige Mlttheilnng. 

N. J. Patschinski: «Zur Frage von der Baachnaht nach 
Laparotomien». (Nr. 26). 

Ib dieser Abhandlung berührt Verf. das interessante Thema 
von der Heraienbildung in der Linea alba nach Laparotomien. 
P. unterzieht die verschiedenen jetzt üblichen Methoden der 
Vereinigung der Bauchwunde einer kritischen Beurtheilnng. 
Die meisten Nahtmethoden verwerfend, weil dieselben den ana¬ 
tomischen Verhältnissen nicht genügend Rechnung tragen and 
in Folge dessen leicht an Brüchen Veranlassung geben, hält 
Verf. die Naht der BaHchwunde wie sie von Wylie und Ott 

J elbt wird, für die geeigneteste. (Eine Reihe von Nähten wird 
irch die ganze Dicke der Banchwand hindurch angelegt und 
darauf in den Zwischenräumen zwischen je zwei Nähten noch 
1—2 mnscnlo-aponeurotiscke Suturen angelegt, worauf die 
Bauchhöhle geschlossen wird.) 

M. N. Senez: «lieber die Wechselbeziehungen zwischen dem 
Puls«, der Athmung und dem Wüchse beim Menschen». 
(Nr. 26). 


G Rossoliiuo: «Ueber einen Fall von Hysterie, eineOlioma- 
tose des Rückenmarks simulirend». Nr. 15. 

Bei einem 20jäbrigen hereditär belasteten Mädchen traten 
im Verlanfe von Vit Jahren 6 mal zu gleiclien Zeitperioden 
dieselben nervösen Störungen anf: Parese der Extensoren 
zweier Phalangen, namentlich des 4. und 5. Fingers, Parese 
der interossei, fibrillaere Zuckungen und Neigung»* clonischen 
Krämpfen in der Handmuskulatnr, von Zeit zu Zeit Schwäche 
der Schulter-Ex.tensoren; partielle Anaesthesie (Schmerz und 
Temperaturempfindung) beider Hände, Schmerzen in den Schul¬ 
tergelenken. Der Umstand, dass alle Krankheitserscheinungen 
zu gewisser Zeit schwanden, um nach einer bestimmten Zeit¬ 
periode wiederzukehren, sprach gegen die Glioraatose. 

W. Mlodsejewski: «Ein Fall von vasomotorischer Störung 
auf der Haut einer Hysterischen». Nr. 15. 

A. Muratow: «Ueber intraperitoneale Infusion von physiolo¬ 
gischer Kochsalzlösung bei Laporotomie». Nr. 15—16. 

An der Hand einer ziemlich grossen Beobachtungsreihe 
gelangt Verf. zom Resultate, dass bei intraperitonealer Infu¬ 
sion von Kochsalzlösung während der Laporotomie der Pu}« 
deutlich kräftiger werde, selbst in Fällen von acuter Anaemie 
in Folge complicirter Operation sah Verf. hei Ausführung der 
Infusion nie Sliok auft roten. Bei vaginaler Uterusexstirpatibn 
könnte man die Kochsalziofusion durch die bei der Operation 
gezetzte Oeffnung auaführen. 

A. Oamalei: «Zwei Fälle von Struma-Exstirpation». Nr. 15—16. 


J. A. Stein: «Zur Therapie der Ranula». (Nr. 26). 

Casnistischer Beitrag. 

P. R. Ferchmin: «Ueber rothen Eiter». <Nr. 25, 86). 

F. hatte in 14 Fällen Gelegenheit eine Eiterabsonderung 
von grellrother Farbe zu beobachten. Die angestellten bak¬ 
teriologischen Untersuchungen ergaben, dass die Bacillen des 
rothen Eiters, obgleich sie keine pyogenen Eigenschaften be¬ 
sitzen, und bei Kaninchen ein nur kurze Zeit andauerndes, 
aber hohes Fieber bedingen, welches bei Händen wenige* in¬ 
tensiv und bei Menschen gar nicht beobachtet wird, dessen 
ungeachtet nicht als unschädlich angesehen werden dürfen, 
well sie dennoch giftige Eigenschaften besitzen. Letzteres 
wird dadurch bewiesen, dass nach ihrer Einführung in den 
Blutkreislauf von Kaninchen der Tod nach einigen Tagen bei 
Verlust des Appetites, Durchfällen, allgemeinen Bchwächezn- 
ständen und starkem Fieber erfolgt. 

Dobbert. 


Medizinskoje Obosrenje Nr. 15, 16, 17. 

W. Muratow: «Zur pathologischen Anatomie der combinirten 
Sklerose». Nr. 15—16. 

Bei einem 70iährigen Manne conStatii te Verf. folgenden 
Symptomencomplex: normale Psychische Tbätigkeit. keine 
sphärischen Störungen. Die Sprache mit nasalem Timbre. 
Störung des Schluckactes. Paralyse der rechten unteren uüd 
oberen Extremität. 

Atrophie desThenar, Hypothenar und der Interossei sowohl 
rechts, als auch besonders links, dabei verringerte faradische 
Erregbarkeit. Fusssohlenreflex fehlt, ebenso fehlen alle Seh- 
neireflexe. Normal ftmetionirende Spbinkteren. Tast- und 
Sehmerzempßndnng im Gebiete des n. ulnaris herabgesetzt. 
Dje Autopsie ergab: 1. Sklerose der Goll’schen Stränge. 2. 
Laosion der Kleinhirn-Seitenstrangbahn. 3. ln der Pyratniden- 
Seiteastrangbalin sind die Veränderungen nur sehr schwach 
ausgeprägt^Sklerose ist nicht zu constatfren, nur eine Atrophie 
der Nervenelemente. 4. Starke Sklerose der Pyramiden im 
verlängerten:Mark. 5. Atrophie der aufsteigenden Wurzel und 
dea sensiblen Abschnittes des Trigeminus. Atrophie der auf- 
steigenden Wurzel der X und PXPaäre. 

M. Nikifurow: «Unber pathologo-anatomische Veränderungen 
des Rückenmarks, bedingt durch ein rasches Sinken des 
Barometerdrucken». Nf. 15—16. 

Verf. hatte Gelegenheit das Rückenmark eines Arbeiters, 
dar in Folge m rasche® Hervortretens ans dem Qqaisson au 
Grande ging, zu untersuchen und fand die von Leyden 
bereits beschriebenen Veränderungen, ln der tyeissen Substanz 
«Ina Desorganisation dar Nervenfasern, Zerfall derselben, Va- 
CMdanbsldung, Varieoeit&ten and Anschwellungen der Axency- 
linder, in der grauen Substanz zahlreiche Bnemurrhagjen. 
Erweiterung (in Fein Oed**»*) der perieelJufäjnft Rä»»e; 
körniger Zerfall nid vacneleabUdni« » 


N. Müller: «Ueber die Pneumonien der kleinen Kinder». 

Nr. 15-16. 

An der Hand eines grossen Materials, das aus dem Moskauer 
Findelhause stammt, beschreibt Verf. die verschiedenen Forrafen 
der Lungenentzündung, wie rie bei den Säuglingen beobachtet 
werden, 'h aller Todesfälle im Findelhause »st durch die&e 
Krankheit bedingt; im August werden die meisten Fälle 
registrirt. Die Formen der Lungenentzündung spd sehr 
verschieden; nur ein geringer Theil ist auf Syphilis hewir 
taria und intrauterine septische Infection zuHickznfükren, der 
überwiegend grösste Theil ist in den ersten extrauterinen 
Lebenswochen acquirirt; diese Formen sind entweder primäre 
Erkrankungen, oder aber secundär, als Complication anderer 
Krankheiten. Die secundären sind doppelt so häufig, wie die 

S rimären und treten in lobulärer oder lobnlftr^onnuirettier 
'orm auf, sehr selten in lobärer Ausbreitung. Die primären 
Formen sind dagegen häufig lobär und werden von fibripöttr 
(nie eitriger) Pleuritis begleitet 8ie sind gewöhnlich einseitig, 
und zwar meist rechtere««s; die secundären Entzündungen 
sind sehr selten von Anfang an lobär, gewöhnlich lobulär- 
eonflnirend und erst im weiteren Verlauf nehmen sie den 
lobären Charakter an, ähnlich der katarrhalischen Pneumonie 
Erwachsener; gewöhhlich sind sie doppelseitig, seltener ein¬ 
seitig, dabei wieder rechterseits häufiger. Die erworbenen 
septischen Pneumonien sind häufig interstitielle, doppelseitige 
und mit eitrigen Pleuritiden combinirt. Die sog. cerebrale 
Pneumonie ist bei kleinen Kindern sehr selten, ebenso selten 
tritt auch die haemorrhagische Form der Lungenentzündung 
auf. Als Ausgang der Pneumonie wurden, wenn auch nicht 
häufig, Lungeaabscess. Lungengangraen und chronische Pro- 
cesse mit Cavernenbildung und käsiger Degeneration der 
Broncbialdrüsen, beobachtet. Die miliare Tuberculose wurde 
nur in vereinzelten Fällen constatirt. In aller Fälle 
romplicjrte rieh die Pneumonie mit Pleuritis, und zwar bei 
primär-lobären Pneumonien war die Pleuritis eine fibrinöse, 
bei lobnlären Bronchopneumonien eine eitrige. 

N. Müller: «Zur Diagnostik der Pneumonien bei kleinen 
Kindern». Nr. 15—16. 


! N. Korssakow: «Ueber die experimentelle Rhaehitis und deren 
Beziehung zur Pathogenese der Rhaehitis». Nr. 15—16. 

I In einer ziemlich umfangreichen Monographie bringt Verf. 
! seine experimentellen Studien über Rhaehitis; es sind meist 
i Beobachtungen an Thieren, wie rie von Voit, Roloff, Ba- 
j ginsky, Kassowit* angestellt worden sind. Neu sinddJeEx- 
| perfauente mit den Strontiumsalzen. In Fällen, wo den Hunden 
neben einer an Kalksalzen armen Nahrung Strontium verab¬ 
reicht worden war, traten zu Lebzeiten bei den Thieren Ver¬ 
änderungen auf, wie sie bei Fütterung mit einer kalkarmen 
Nahrung beobachtet werden: Verdickung der Knochenenden, 
Verbiegung der Knochen. Verlust der Bewegung etc. Poch 
fand verf. bei der Untersuchung der Knochen nach dem Tode 
der Thiere auffallende Unterschiede: die Knochen der Hunde, 
denen Strontium verabreicht worden war, waren viel fester, 
als die der nnr m|t einer kalkarme® Nahrung gefütterten 
Thiere; während bei letzteren die Rinde der Dmpnyse porös 
an getroffen wird, war bei ersten» die Rinde fest, beinahe wie 


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32 


b«i normalen Thieren. Der Theil der Diaphyso. welcher für 
gewöhnlich spongiös ist. war fest, von weisser Farbe mit 
röthlichem Colorit. Auch die Epiphysen waren fest. — Das 
Nähere ist im Original nachzulesen.' 

Hel mann: «Ueber die therapeutische Verwendung von Thon 
und namentlich des Chadzibeiskoje’schen Thons». Nr. 16. 

Verf. erinnert an die aus der Botkin’schen Klinik stam¬ 
mende Empfehlung von Thonplatten bei verschiedenen Herz¬ 
neurosen. Diese Thonplatten, als Compresse auf die Herz¬ 
gegend gebracht, wirken in der That sehr beruhigend und 
schmerzstillend. Helmann gebrauchte eine besondere Thonart. 
di® an dem Liman (Odessa) zu finden ist. und erzielte sehr 
gute Resultate bei Angina pectoris. Kardialgie und einigen 
anderen Krankheiten. Linderung der Schmerzen trat gewöhn¬ 
lich bald ein. Von sehr gutem Erfolg war eine wässrige Auf¬ 
schwemmung des Thons bei chronischem Rheumatismus. 

W* Tipjakow: «Ueber die Behandlung der Retroflexio Uteri». 
Nr. 17. 

Sind Verwachsungen nicht vorhanden, so wendet Verf. 
Massage und Pessarien an; sind aber wohl solche zu consta- 
tiren, so müssen dieselben znnächst gelöst werden. Bei sehr 
breiten und festen Verwachsungen des retrofixirten Uterus 
wird laparotomirt; sind die Verwachsungen nicht ausgiebig, 
ist der Uterus noch beweglich, so eröffnet Verf. das hintere 
Scheidengewölbe mittelst eines breiten Querschnittes und sucht 
die ligamen tosen Stränge zu lösen. Auf diese Weise behan¬ 
delte T. 10. Fälle mit gutem Erfolge. 

S. Cholmogorow: «Ein Fall von Milchdrüsengang-Fistel». 


P. Modlinski: «Zur Chirurgie der Ureteren». Nr. 17. 

An der Hand eines Falles von Nephrektomie mit nachfol¬ 
gender künstlicher Dilatation des stricturirten Ureters von 
der Wunde aus gibt Verf. eine sehr ausführliche Beschreibung 
der verschiedenen pathologischen Veränderungen an den Harn¬ 
leitern und deren Therapie. 

Abelmann. 


zu einer gewissen Schwäche der Extremität: 5 mal fehlen 
diesbezügliche Angaben. Unter 5 Fällen von gleichzeitiger 
Unterbindung der Arterie und Vene dagegen blieb nur einer 
ganz ohne Circulationsstörungen. 3) Von 4 isolirten Unter¬ 
bindungen der Vena subclavia Führte keine zu Grangrän, 
1 blos zu leichter Cyanose, 2 zu vorübergehendem Oedem; 
bei einer fehlen nähere Angaben. Nach 2 gleichzeitigen Unter¬ 
bindungen der Arterie und Vene trat Oedem ein, das einmal 
nach 8 Wochen verging, das andere Mal stationär wurde. 
4) Die Vena anonvnia ist von Barden heuer und vou 
H ei n e k e bei Geschwulstexstirpationen isolirt unterbunden 
worden. Gangrän trat nicht ein. Ira Falle des Ersteren fehlen 
Angaben über kleinere Circulationsstörungen. Im Falle Hei- 
n e k e’s bestand bei der Entlassung nach Ablauf eines Monates 
noch Oedem des Armes bei starker Erweiterung der Haut¬ 
venen. 5) Von isolirten Unterbindungen der Vena femoralis 
unterhalb der Vereinigung mit der V. profund, femor. 
kennt Verf. die Fälle von Kümmel (bei Geschwnlstexstirpa- 
tion) und von Despres (nach Schussverletzung). Letzterer 
erwähnt ausdrücklich die Abwesenheit von Circulationsstö- 
rungen, Ersterer übergeht dieses Detail. Gangrän trat auch 
in seinen Fällen nicht ein. Von 52 Fällen gleichzeitiger Un¬ 
terbindung der A. und V. femoral. superficial. (23 bei Ge¬ 
schwulstexstirpationen und 29 nach Verletzungen) führten 15 
(-28,8 pCt.) zu Gangrän der Extremität. 

Ueberall ist also die Prognose der isolirten Venennnterbin- 
dung besser, als die der Unterbindung beider Gefiisse. Auch 
die Unterbindung der Vena cava inF hält Verf., angesichts 
der rel. gelinden Störungen, welche die Thrombose dieses 
Gefässes verursacht, für berechtigt in den Fällen, wo die 
Venennaht nicht angezeigt sein oder nicht gelingen sollte. 

P. W. Botscharow: «Die Ursachen des Chloroformtodes». 
Kritische Uebersicht der Lehre vom Chloroformtode und 
Untersuchung der Veränderungen, welche vom Chloroform 
am Herzen hervorgerufen werden. (Fortsetzung). (Sept.'. 

In dem vorliegenden Abschnitt bespricht Verf. die in der 
Literatur niedergelegten Theorien aer Chloroformasphyxie, 
ohne übrigens den Rahmen eines Referates irgendwie zu über¬ 
schreiten. Ein näheres Eingehen auf diesen Theil der Arbeit 
erscheint daher kaum geboten. 

G r u b e r t. 


Chirurgitscheskij westnik. (August, September). 

N. A. Ssokolow: Zur Casnistik der Echinokokkenkrankheit. 
Aus der chirurgischen Abtheilung des klinischen Institutes 
der Grossfürstin Helene Pawlowna. (August). 


Mittheüung von 5 operativ geheilten Fällen von Echino¬ 
kokkus (2 der Leber, 1 der Milz, 1 der Fossa iliaca, 1 der Ober- 
BChenkeunuskulatur) nebst Bemerkungen über die Vorzüge der 
zweizeitigen Operation bei Leberechinokokkus. 


N. N. Filippow: Ueber die Behandlung der eitrigen Cystitis- 
mit Jodoformemul8ion. (August). 

Verf. bediente sich der von Mose tig-Moor ho f vor ge 
schlagenen Jodoformemulsion in der Weise, dass er in mehr 

Tntftrvallpn A_.*;l_/ 


Ali _ _ 

Flüssigkeit aus der sicii inzwischen das Jodoform" auf die 
bchleimhant niedergeschlagen hatte, wieder abfliessen Hess. 
Jn drei Fällen sah er davon bedeutenden Nutzen und hält 
darum weitere Beobachtungen für wünsehenswerth. Jodo- 
formintoxication kam nicht vor. Von Wichtigkeit sei die 
Ausspülung der Blase vor der Injection. 


B. N. Choljzow: Ueber die Blutstillung bei Verwundung 
grosser Venen und über die Unterbindung der Vena femo¬ 
ralis communis im Besonderen. Aus der chir. Abth. des 
Obuchow-Hospitals. (Fortsetzung). (Sept.). 


Der vorliegende sec liste Abschnitt dieser fleissigen Arbeit 
behandelt statistisch die Prognose der Unterbindung der ein¬ 
zelnen grossen Venenstämme allein, oder zugleich mit den 
zugehörigen Arterien. Verf. findet: ljfnr die Vena jugnlaris 
interna unter 52 Fällen von isolirter Ligatur der Vene (38 
bei Geschwulstexstirpationen und 14 bei traumatischen Ver- 1 
letzungen) 5 mal mehr oder weniger ausgesprochene Circula- 
tionsstörungen von Seiten des Gehirnes mit einem Todesfall 
(■=1,9 pCt.). 16 mal wurde gleichzeitig die Carotis communis 
unterbunden (12 mal bei Geschwulstexstirpationen, 4 mal nach 
Verletzungen), wobei 6 mal Gehirnsymptome auftraten, 2 mal 
( = 12,5 pCt.) mit tödtlichem Ausgang. 2) Unter 20 Fallen von 
isolirter Unterbindung der Vena axillaris kam es 9 mal zu 
gar keinen Circulationsstörungen, 4 mal zu vorübergehenden, 

X mal zu langdauerndem aber vorübergehendem Oedem, l ma _ 


Westnik obschtschestwennoj gigieny, ssudebnoj i 
praktitscheskoj mediziny. Jan.—Juni. 

A. W. Timofejew: «Skizze der französischen Heilanstalten 
für Geisteskranke». (Jan. — Febr.). 

A. I. Fedorow: «Die Prostitution in St. Petersburg und 
die sanitätsärztliche Beaufsichtigung derselben». (Jan.). 

I. Die Gründe, welche zur Prostitution treiben und das Con- 
tingent der Prostituirten. 

II. Die Art und Weise der Unterordnung unter die Sani- 
tätscontrolle. 

III. Die sanitäre Seite der Controlle. Sehr lehrreiche Ab¬ 
handlung aus competenter Feiler. Für ein gedrängtes. Referat 
nicht geeignet. 

G. Fremraert: «Ueber die Morbidität der Arbeiter an Pa¬ 
pierfabriken;. (Jan. — JFebr.). 

Nach einer sehr ausführlichen und kritischen Behandlung 
der einschlägigen Literatur, theilt Verf. seine eigenen Be¬ 
obachtungen mit. Dieselben reichen znrfick bis in das Jahr 
1866, beginnen jedoch in statistischer Form erst 1885 und sind 
bis 1890 fortgeführt. Der Verf. ist dabei in der glücklichen 
Lage ein Material unter den Händen zu haben, welches nicht 
nur über die Morbidität unter den Fabrikarbeitern, sondern 
auch über diejenige der Nachbarbevölkernng ziffermässig Auf¬ 
klärung giebt, und auf diese Weise eine richtige Auffassung 
von den professionellen Erkrankungen der Papierarbeiter er¬ 
möglicht. Die Zahlen sind nach verschiedenen Gesichtspunkten 
geordnet und in zahlreichen Tabellen zusammengestellt. 

Aus den Schlussfolgerungen des Verf.’s seien hier nur einige 
allgemein interessante wiedergegeben: Die speciellen Schädlich¬ 
keiten der Papierfabrication für die Arbeiter, werden meist 
übertrieben. Eine besondere «Lumpenkrankheit» lässt sich nicht 
nachweißen; bis jetzt hat sie sich immer als Anthrax oder ma¬ 
lignes Oedem herausgestellt. Die directe Infection mit Krätze 
und anderen Parasiten durch die Lnmpen ist höchst unwahr¬ 
scheinlich. Ueber die Gefahr, welche für die Respirationsorgane 
aus dem Lnmpenstanbe entsteht, findet man häufig übertrie¬ 
bene Angaben. Dieselbe kann ausserdem durch rationelle Maass- 
nahraen noch bedeutend verringert werden. Bei den übrigen 


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83 


Operationen, welche nichts mit den Lumpen zu thnn haben, | 
Bind die Gefahren für den Arbeiter minim. Höchstens wäre i 
noch zu bemerken, dass in den Abtheilungen, wo das Kochen j 
geschieht, rheumatische Aflfeetionen Vorkommen. Wenn letztere j 
iu der That auch an den Fabrikarbeitern öfter beobachtet 
werden, als in der Landbevölkerung, so ist ihre Häufigkeit^ 
doch geringer als unter den Stadtbewohnern. 

J. W. Bertenson: «R. Virchow als Hygieniker*. (Jan.). 

M. Popow: ».Anwendung der Picrinsäure zum Nachweise von j 
Pnanzenalkalyiden in der Toxikologie». (Jan.). 

P. hat in dem Laboratorinm von Brauardel in Paris nach j 
der von Dragendorff angegebenen Methode eine Reihe von 
Alkaloid-Pieraten dargestellt und ihre Gewinnung und Krv- : 
stallform genau beschrieben. Die betreffenden Alkaloide sind: ; 
Strychnin. Nicotin, Cocain, Brucin, Igasurin, Atropin, Cincho¬ 
nin, Papaverin, Spartein, Codein, Pilocarpin, Morphin, Daturin, 
Hyoscyamin, Thebain. 

J. Tal ko: «Zur Frage von der Optographie in gerichtsärzt¬ 
licher Beziehung». (Jan.). 

«.die Optographie ist für die gerichtsärztliche Expertise 

nichts anderes als ein Traum, der sich nicht verwirklichen 
lässt». 

W. W y ssokowitsch: cüeber die antiseptischen Eigenschaften 
des Calomels». (Jan. — Febr.). 

Höchst interessante Arbeit, deren zahlreiche Einzelversuche 
im Original naclizulesen sind. Hier folgen die Resultate: 

1. Calorael tödtet als feinstes Pulver in Wasser snspendirt, 
im Verhältniss 1:500 alle Anthrax-Sporen binnen 3 Minuten. 

2. Es wurden getödtet: B. Clioler. as. schon bei 1:1250, B. 
Typhi bei 1:660, Stanhylococ- aur. fast vollständig bei 1:900. 

3. Ein Zusatz von NaCl oder Serumeiweiss ist ohne Einfluss i 

auf das Resultat des Versuches. ! 

4. Ein Gehalt der Nährgelatine an Calomel im Verhältniss I 
von 1:16000 oder 1:20000 macht dieselbe unbrauchbar für die ! 
Entwickelung aller untersuchter Bakterien. Ein Gehalt von j 
1:40000 hinderte das Wachsthum von B. anthrac. und Choler. 
as. — aber selbst bei 1:250000 war noch scharf und deutlich 
eine Abnahme der Colonienzahl und eine Verlangsamung ihres 
Wachsthnms zu bemerken. 

5. Calorael wirkt augenscheinlich dann tödtend auf die Bac- 
terien. wenn ihm die Möglichkeit geboten ist, sich in Pnlver- 
form auf dieselben niederzusetzen. 

6. Wenn auch nicht stärker, so doch auch nicht schwächer i 
als das Calomel wirkt das weisse Praecipitat. 

7. Die übrigen unlöslichen Hg-Verbindungen wirken sehr 
schwach, nur bei grossem pCt.-Znsatz u. zw*, indem sie nur 
die Eigenschaften des Nährbodens verändern. 

8. Hunden per os in abführenden Dosen eingeführt, nach¬ 
dem sogar Blut in den Excrementen anftrat, bewirkte das 
Calomel keine sichtliche Abnahme in der Zahl der lebenden 
Bakterien; es ist daher nicht im Stande den Darmtractus zu 
desinflcieren. 

9. Unter die Haut eingeflihrt, zeigt es gar keinen heilsamen j 
Einfluss anf den Verlauf der Tuberculose bei Meerschweinchen, i 

10. Verschiedene in Wasser unlösliche pulverförmige Körper, 
in rel. grosser Menge dem Nährsnbstrat zugefü^t, erweisen gar ' 
keine Wirkung, anf den Bakterienwuchs, wenn sie nicht lösnngs- ! 
fähige schädliche Stoffe enthalten. So wird der Bakterienwuchs j 
nicht verlangsamt, wenn man zum Nährboden hinznfügt: Talk I 
1 nnd 2:100 oder Kohlenstaub 1:100. Andere Körper z. B. i 
Lvcopodium 2:100, Berliner - Blan 1,5—4.5:100, Zinnober ! 
l,o : 100, Russ und Aethiops niercurialis 1 : 100 verlangsamen i 
das Wachsthnm nnd nur Zinnober 2,6—4:100 und^Russ 2:100 i 
verhindern endgiltig die Entwickelung von Anthrax. Staphvloc. | 
aur. und sporenhaltiger saprophyter Bakterien. 

M. W. Ignatjew: «Bericht über die Versorgung der Geistes¬ 
kranken in Russland pro 1889». (Jan. —Febr.). 

Th. Grigorow: «Gebart unter ungewöhnlich seltenen Um- j 
ständen». (Jan). | 

Primipara fühlt (Üe Geburt nahen im Eisenbahnwagen, eilt ! 
zum Abtritt, findet diesen verschlossen, stürzt darauf auf die 
Plattform des Wagens und gebiert im Stehen. Die Nabelschnur 
reisst und das Kind fällt neben den Zug, welcher bald darauf 
in die Station einfährt. Das Kind wird neben dem Bahnkörper 
lebend, kräftig athmend, nur mit unbedeutenden rothen Flecken 
am Rücken aufgefunden (kalter Herbstregen, t° 3° ß). Mord¬ 
absicht lag nicht vor. 

Idem. «Eine Reihe verschiedener Erkrankungen post partum 
in Folge unmittelbarer Uebertragung». (Jan.). 

5 Fälle bei denen ein nnd dieselbe Hebamme gleichzeitig 
thätig war. 


Idem: «Ein Fall von angeborener Missbildung, nach Ver¬ 
letzung der Mutter während der Schwangerschaft*. (Jan.). 

Im 6. Monat der Gravidität zieht sich die Mutter eine Schuitt- 
verletzung der 3 mittleren Finger der rechten Hand za. Bei 
dem Kinde sind dieselben Finger schwächer entwickelt und 
beugen sich bei Greifbewegnngen dorsalwärts. 

S. P. Nekrassow: «2 Fälle von Iufection mit Anthrax*. 
(Jan.). 

N. Krylow: «Herniotomie am 4. Tage nach der Einklem¬ 
mung». (Jan.). Glücklicher Verlauf. 

K. P. Kowalkowski: «Die Grundelemente sanitäts statisti- 
sclier Untersuchungen». (Febr.). 

Die Arbeit stellt im Grunde genommen ein Programm für 
die Thätigkeit des statistischen Coroitü’s ira Weichselgebiet 
vor; enthält dabei aber viele Bemerkungen von allgemeinem 
X n tercssG 

Der Sanitäts-Statistiker braucht zur richtigen Beurtheilung 
der gegebenen Verhältnisse dreierlei Material I. das Zifferraa- 
teiiai der Statist. Erhebungen, II. klimatische und meteoro¬ 
logische Untersuchungen, IIL Angaben (z. B. über die Menge 
der von der Bevölkernng consumirten Nahrungsmittel), welche 
sich zwar Ziffer massig eruiren liessen, aber auf diese Weise 
gewonnen weniger Werth haben würden, als wenn man sie 
durch allgemeine und Massen-Beobachtungen gewönne. 

Wir möchten nur mit einigen Worten auf die Anforderungen 
eingehen, welche Prof. Kowalkowski an das Material der I. 
Kategorie stellt. Vor Allem soll dasselbe durchaus nach dem 
Kartensystem gesammelt werden, weil es nur in dieser Form 
einer passenden Bearbeitung dienen kann. Es soll umfassen: 
die Zusammensetzung der Bevölkerung, die Natilität, Morbidi¬ 
tät. Mortalität, die Wohnungsverhältnisse. K. hält die Sterb- 
tichkeits-Tabellen nur daun für verwendbar zu richtigen sani¬ 
eren Schlussfolgerungen, wenu sie folgende 9 Rubriken ent¬ 
halten: 1. Zeit des Todes, 2. Nationalität, 3. Geschlecht, 4. 
Alter, 5. Confession, 6. Gewerbe, 7. Stand, 8. Begüterung, 9. 
Todesursache. 

Auf die Rathschläge einzugehen, welche K. für die Verar¬ 
beitung des gesammten Materials und für die Mittel zur rich¬ 
tigen Gewinnung desselben ertheilt, gestattet uns der Raum 
nicht näher einzugehen. 

A. J. G rain atschiko w: «Die Wirkung der Koch sehen Lymphe 
auf Blut und Nieren gesunder Thiere». (Febr.). Mit 1 
Tafel. 

Fortsetzung der im vorigen Baude desselben Journals mit- 
getheilten Arbeit, ausgefiihrt unter Prof. Grützner. 

Wirkung des Kochin’s auf frisches Blut extra Corpus: 

1. Die Tnberkeltoxine in Form von Tuberculin wirken ener¬ 
gisch auf die rothen Blutkörperchen, indem sie sie zum Schrum¬ 
pfen bringen. 

2. Durch Kochin wird Oxyhämoglobin in Hämoglobin ver¬ 
wandelt. 

3. Verschiedene Blutarten verhalten sich verschieden zu den 
Tuberkelderivaten: Menschenblut ist am empfindlichsten; dann 
folgt das Blut von Kaninchen und Rind; am unempfindlichsten 
erweist sich Vogel- nnd Froschblut. 

4. Die Tuberkelderivate sind labilen Charakters. 

Wirkung des Kochins auf das Blut nach subcutanen und 
intravenösen Iiyeetionen: 

Verf. lief bei Fröschen und Mäusen durch subentane, bei 
Kaninchen und Katzen durch intravenöse Injectionen von 
Kochin theils acute theils chronische Vergiftung hervor. In 
allen Fällen erwies sich das Kochin (resp. die Tuberkeltoxine) 
•als starkes Gift für die rotheu Blutkörperchen. 

Wirkung des Kochins auf die Nieren: 

Katzen und Kaninchen erhielten 10 pCt. Kochinlösnng in 
die V. jugul, injicirt; dabei erwies sich: 

1. Dass das Tuberculin ein starkes Diureticum ist (die Harn¬ 
menge stieg auf das Doppelte). 

2. Dass stets Eiweiss und rothe Blutkörperchen (bis zur 
Hämaturie mit dem Harne ausgeschieden wurden. 

Grödinger: «Einige Fälle aus dem Gebiet der gerichtärzt¬ 
lichen Psychopathologie*. (Febr.). 

1. Fall. Mania epileptica bei einem 16jährigen Mädchen, 
welches während der Anfälle Brandstiftungen beging. Die 
Krankheit wird auf eine vor 4 Jahren erlittene Kopfverletzung 
zurückgeführt. 

2. Fall. Brandstifter 28 a. n. mit verheilter Schädel Verletzung, 
hereditär belastet. Fehlendes Schnldbewustsein. Verf. hält in 
diesem Falle die moralische Störung für den Vorläufer der 
geistigen, desgleichen in dem folgenden 

3. Fall. Hereditär belasteter 30jähriger Dieb (Recidivist). 
Nachträglich entwickelt sich allmälig Schwachsinn. 


V 


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4. Fall. Moralisch« Störung: In Folg® von Morphinismus 
28 jähriger hereditärfreier Officier, wegen Wechselfälsckung 
verklagt und wider das Gutachten der Aerzte für zurechnungs¬ 
fähig erklärt und vernrtheilt. 

P. A. Troi'zki: «Der sanitäre Zustand der Stadt Warschau 
nach den Erhebungen im März 1891». (März). 

Zum Referat nicht geeignet. 

ß. N. ßnm: «Versuch einer hygienischen Untersuchung der 
verkäuflichen Braut weinarten». (März — Juni). 

1. Ursprung der Brantweine und ihre Bestaudtheile. 

II. Einfluss der verschiedenen in den Brantweiiien enthal¬ 
tenen Beimischungen auf den Organismus. 

III. Resultate der Untersuchungen der verkäuflichen Brant- 
weinarten. Einiges aus dem Resume des Verf.’s: 

Oldehvd findet sich in allen verkäuflichen Brantweinarten, 
selbst in den theuersten. welche sonst völlig frei von allen 
anderen Beimischungen sind. 

2- Pyridin ist in der bedeutenden Majorität der Brantweine 
enthaßen, welchen Ursprungs sie auch sein mögen, 

3. Fuifurol fand sich nur in ßrantweinen einer gewissen 
Provenienz (aus dem Gonv, Tschernigow). 

4- Verf. hat in seinen Probeu mehr Fuselöl gefunden, als 
andere Untersucher. 

6. Unter der Marke gereinigten Brantweines kommen in den 
aac ^ ungereinigte Sorten. 

. J; Einige Arteu sind sogar sicher nur die Rückstände nach 
Abdestilirnng des Alkohols. 

Es folgen Vorschläge zur Behebung der Uebelstände durch 
Regierungsmassnahrnen. 

IV. Darstellung der Untersuchungsmethoden. 

^^Virenlus: «Sanitätsärztl. Controlle der städtischen 
Elementarschulen Moskau’s». (März 1 . 

Würdigung des bisher in dieser Beziehung Geschehenen uud 
V erbesseruugs Vorschläge. 

P. A. Nedswezki: «Ans der forensischen Praxis eines Land¬ 
schaftsarztes (I. Casuistik der Schädel- und Hirnver¬ 
letzungen)». (März - April). 

!• Fall. Penetrirende Schuss Verletzung des Schädels,—Hirn- 
abscess, —• Fehlen aller Krankheitserscheinungen, — plötz¬ 
licher Tod nach 2 Monaten. 

2. Fall. Getrümmerte penetrirende Wände des Schädels und 
Gesichts, — Hirnzertrtimmernng, — volles Bewusstsein and 
Freiheit der Bewegungen, — Tod nach 2 Tagen. 

ui v ' Uolosealer traumatischer Bluterguss zwischen die 
Hirnhäute. -— Der Moment der Entstehung nicht zu constati- 
ren, — Hirndruck, — Freiheit der Bewegungen etc., — Ent- 
zündung der Hirnhäute und des Gehirns, — Tod am 10. Tage. 

4. Fall. Hiebwunde über Kopf und Hals, — Hirnverletzung,— 
Fehlen krankhafter Erscheinungen. — volle Genesung. 

5. Fall. Aeussere Weicbtheilwnnden am Schädel (anbekanntes 
Instrument), — Schädelverletzung. — Bluterguss zwischen die 
Meningen, — ßippeubrüche, - sehr wahrscheinlich schneller 
Tod. 

6. Fall. Knochenzertrümmerung des Schädels, — Sinus- 
ZerreisfiangBii, — colossaler Bluterguss in die Schädelhöhle, — 
Abplattung und Zerstörung des Hirns, — Freiheit der Bewe- 
Fwng'ep» — Automatismus, «= Tod nach 24 Standen. 

o ™ Hiebwunde des Halses. Momentaner Tod. 

8. Fall. Hiebwunde über Kopf und Hals. Momentaner Tod. 

9. Fall. Hiebwunde des Halses, Verletzung des III. Hals¬ 
wirbels und des plexus brachialis, — Tod nach 3 Wochen. 

„ 10. Fall. Hiebwunde über Gesiebt nnd Hals. — Bruch des 
Unterkiefers, — Genesung. 

11. Fall. Multiple Suflhsionen nnd Schrunden, — colossaler 
Bluterguss zwischen nnd unter die Meningen, — Erguss am 
Boden des IV. Ventrikels. — fiippenbrnch. — Lungenruptur, — 
Pneumothorax, — 8klerosiB arteriarnm, — volle Freiheit der 
Bewegungen und der Sprache, — Unsichere Angaben, — Tod 
nach 24 Stunden. 

12. Fall. SchädelflBsur, — Ruptura art. meningeae mediae, — 
Colossaler Blutergnss zwischen Hirnschale und Dora mater,— 
Erguss unter die Piamates. — Freiheit der Bewegungen, — 
einige Sicherheit der Angaben, — gewisse Art von Automa¬ 
tismus, — Tod nach 24 Stunden. 

J. S. Kol hassen ko: «Veränderung der Tuberkelbacillen bei 
Eiterungen im tuberculösen Gewebe». (März — April). 

Hie Untersuchungen sind an Affen und Meerschweinchen 
ausgeffihrt. Bezüglich der Details muss auf das Original ver¬ 
wiesen werden. 

Resume: 1. Eiterung im tuberculösen Gewebe führt zu vollem 
Zerfall der Tuberkelbacillei. 

2. Der Bacterienzerfall bei Eiterung bedingt nicht den Ver- 
lu»t der tpedf. Virulenz der BarilleB: man kann mit dem Eiter 
Tnberculose übartragen. 


3. Sehr wahrscheinlich wird aber die Virulenz der BacHB* 
durch die Eiterung abgeschw cht: An den Stellen der Impf&hg 
mit tubercul. Eiter bilden sich kalte Abscesse; auch die All- 
gemeinerscheinungen der Impftnberculose erscheinen schwächer, 
als nach Impfung mit unveränderten Bacillen. 

4. Der Bacillenzerfall beruht auf der Thätigkeit der ZeU- 
elemente des Eiters — ein- und mehrkemiger Mikrophagea; 
die Bacillen werden besonders energisch von den einkernigen 
lymphoi'den Lymphozyten verschlangen. 

5. Die einkernigen Makrophagen nnd Riesenzellen, welche 
sich an den Wänden der kalten Abscesse (Meerschweinchen) 
bilden, betheiligen sich ebenfalls energisch an der Phagozy¬ 
tose — Verschlingung nnd Verdauung nicht nur der Bacillen, 
sondern anch der Eiterzellen, der ein- und mehrkernigen Ml* 
krophagen. 

6. Man kann an den durch den Eiter veränderten Bacillen 
unter gewissen Umständen Sporenbildnng beobachten« die 
Sporen stellen eigenartige Körner dar, welche über die Gren¬ 
zen der Bacillen nervorragen. 

7. Die dnreh den Eiter veränderten Bacillen besitzen eine 
gequollene, mattglänzeude, nicht färbbare Hülle; welche man 
also direct unter dem Mikroskop beobachten kann. 

A. W. Pogoshew: «Zur Geschichte der sanitären Aufsicht 
über die Fabriken in Russland». (März). 

Die sanitären Besichtigungen der Fabriken in St. Peters¬ 
burg im Jahre 1869. 

S. ßosanow: «Die sanitären Verhältnisse auf dem Jahrmärkte 
zu Nishni-Nowgorod». (April). 

Aus einem Rechenschaftsberichte über die Ergebnisse einer 
Abkommandierung im Jahre 1891. 

W. P. Starkow: «Ueber die Qnarantaine in der Türkei und 
Aegypten, in Verbindung mit der Frage von der bevor¬ 
stehenden Umgestaltung unserer Schwarzmeer-Quaran- 
tainen». (April — Juni). 

Die in der Ueberschrift angegebenen Fragen werden in um¬ 
fassender Weise behandelt. Bezüglich der Einzelheiten muss 
auf das Original verwiesen werden. 

N. P. Fedtschenko: «Ueber die physiologische Wirkung der 
Schwefelbäder von Pjatigorsk». (April — Juni), 

Verf. hat die Wirkung von 4 Quellen untersucht, welche 
alle Seesalze in annähernd gleicher Meuge enthalten, von de¬ 
nen aber nnr eine frei von SH» ist. Als Versuchsobjekte dienten 
meist vollständig gesunde Soldaten. 

Stekvirkiftg 

steigt progressiv nach den 
SH*-freien und den Towi’* 
schen (SH»-haltig aber hoch* 
temperirt 41° R); bei den 
anderen SHs-haltigen sinkt 
es während der Baaepenode, 
um hernach um so höher au 
steigen. 

nach den Bädern der L Ka¬ 
tegorie progressiv Im Stei¬ 
gen; nach den anderen, wäh¬ 
rend der Badeperiode ge¬ 
schwächt, wächst späterhin 
wieder an. 

entweder gar nicht vorhan¬ 
den oder unbedeutende Er¬ 
höhung. 

nach «Ten Bädern der I. Ka¬ 
tegorie progressive Steige¬ 
rung; nach den anderen wech¬ 
selnder Effect, 
nicht zn constatiren gewesen 


nicht vorhanden, 
nicht vorhanden. 


im Allgemeinen tritt Ernie¬ 
drigung ein, sowohl an deh 
Badetagen, als auch noen 
einige Eeit nach denselben. 


i aen - Dauern i 

i sind beide Bfiscte | 
! noch bedeutender. < 


1. Körper¬ 
gewicht 


2. Kraft d. 
Hände 


3. Vitale 
Capacität d. 
Lungen 

4. Kraft d. 
Exspiration 
uJnspiration 

5. Thorax 
excursionen 


6. Körper¬ 
temperatur 

7. Puls u. 
Athemfreqz. 


8. Der ar¬ 
terielle Blut¬ 
druck 


DioitUikn Wirku* 
sinkt nach allen 
Bädern, besonders 
nach den SH» hal¬ 
tigen. 


gegen Ende des Ba¬ 
des nnd unmittelbar 
nachher stets be¬ 
deutend erniedrigt. 


unbedeutend u. auf 
kurze Zeit herab¬ 
gesetzt, 
verringert 


nach allen Bädern 
herabgesetzt, be¬ 
sonders aber nach 
den SH»-haltigen. 
steigt in axilla. 
sinkt in recto. 
bedeut. Verlangsa- 
mung;dieAthmung 
aber in SHa-halti- 
gen Bädern tiefer 
und energischer, 
steigt in dem Bade 
in den ersten Mi¬ 
nuten, darauf sinkt 
er, nach dem Bade 
stets niedriger als 
vnr rtflinfiolhen. In 


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Än. Unkewftsch: «Ein Fall von Platzen des Schädels dnrch 
Kälteeinwirkung». (April). 

Ein etwa 60 jähriger Bauer erhängt sich im Freien bei einer 
Kälte von 30* lind mehr. Nach der vorsichtigen Abnahme der 
Leiche linden sich postmortale Sprünge am Schädel, dessen 
Nähte verwachsen nnd dessen Knochen verdünnt sind. Die 
Sprünge halten sich nicht an die Nähte, sondern verlaufen 
unregelmässig. Nach Verf. war die im Moment des Todes im 
Schädel vorhandene Flüssiekeitsmenge durch den Strang am 
Entweichen verhindert unj sprengte den Schädel beim Ge¬ 
frieren gleich einem Glasgefäss. 

H. WjSaweljew: «Hemeralopie als Folge von Fetthunger». 

Eine sani täte-statistische Untersuchung. 

S. sucht durch statistische Erhebungen über die Ernährungs- 
Verhältnisse der Bevölkerung seine Ansicht zu stützen, dass 
die epidemisch auftretende Haemeralopie auf Mangel an Fett¬ 
zufuhr während der Fastenzeit oder der Hungersnotb zurück¬ 
zuführen ist. Verf. hat bei derartigen Epidemieen mit über¬ 
raschendem Erfolg Fettzufuhr (besonders in Form von Leber- 
thran) zur Heilung angewendet. 

A. W. Elissejew, J. W. Eremejew nnd M. J. Ignatjew 
«Rechenschaftsbericht über die Abkommandierung nach 
Tscheljabinsk zur Bekämpfung der Flecktyphus-Epidemie*. 
(Juni). 

Wladimir off. 


Shureal russkago obschtschestwa ochranenija na- 
rodnago sdrawija. J6 VIII -XII. 1891. 

Koljzow: «Zur Frage von der tnbercnlösen Infection durch 
Beschneidung». (Nr. VIII—IX). 

K. theilt 7 Fälle von tnberculöser Infection in l olge von 
Beschneidung durch einen mit Lungentuberculose behafteten 
Beschneider mit. 

Th. S. Pasternazki: «Zur Frage von der tuberculösen Infec¬ 
tion durch Beschneidung». (Nr. VIII—IX). 

Erwiderung auf die obige Arbeit von Kolzow. Verf. hält 
die Beschuldigung des Beschneiders allein für ungerechtfertigt, 
da bei dem Akte der Beschneidung von Anti- und Asepsis 
keine Rede ist. nnd weist auf die vielen Infectionsmöglich- 
keiten hin, welche sowohl während des Aktes, als auch bei 
der Nachbehandlung vorhanden sind. 

«Bericht der Commission in Sachen der Regulirung des jüdischen 
Beschneidungsritas». (Nr. VIII—IX). 

Die Commission hat ein Regulativ ausgearbeitet, welches in 
Kürze Folgendes besagt: 

1. Die Eltern haben nach dem TaJmnd das Recht, ein Kind 
nnbeschnitten zu lassen, wenn es nach Urtheil des Arztes 
duroh die Beschneidung gefährdet wird (heriditäre Haemophilie, 
Prädisposition zn Tnberculose und dergl.X 

2. Einführung von speciellen Instrumenten, die keinem 
anderen Zwecke dienen dürfen nnd gehörig desinficirt werden 
müssen. 

3. Das Aussaugen der Wnnde soll statt mit dem Munde, mit 
einem Sangapparat erfolgen. Üebrigens ist das Anssangen nach 
dem Ritus nicht obligatorisch. 

4. Die Beschneider haben vor ihrer Anstellung bei einem 
Arzte die schnlgerechte Operation zn erlernen und sich prüfen 
zn lassen. 

5. Es ist wünschenswert^ dass die jüdischen Aerzte selbst 
die Ausführung der Beschneidnngen übernehmen. 

6. Die richtige Anschannng von der Sache ist unter der 
jüdischen Bevölkerung dnrch Wort nnd Schrift zu ver¬ 
breiten. 

7. Es wäre erwünscht, die üblen Folgen einer Beschnei- 
dun^ in jedem Falle in der speciellen jüdischen Presse mitzn- 

Schliesslich hat die Commission statistische Karten ansge¬ 
arbeitet, welche in jedem nicht normal verlanfenden Falle von 
Beschneidong ansznfüllen sind. 

D. Chwolson: «Ueber den Ritus des Aussaugens bei der 
Beschneidung der Juden». (Nr. VIII—JX). 

Das Anssaugen ist nach dem Talmud nicht erforderlich. 

S. 8. Janowitsch-Tschalnski: «DerBeschneide—Ritas bei 
den Mahomedanern und seine Antisepsis». (Nr. VIII—IX). 


Das Kind wird vor der Operation gebadet und in reine 
Wäsche gehüllt. Der Operateur bereitet sich zur Arbeit durch 
ein Gebet, welches seinerseits Waschen des ganzen Körpers 
nnd Anthnn reiner Wäsche voraussetzt. Als Instrument dient 
ein Rasiermesser, welches zu keinem anderen Zwecke benutzt 
werden dArf. Die Nachbehandlung ist reinlich und sorgfältig 
(Bäder). Ueble Folgen bei den Monamedanern nicht bekannt. 

K. N. Pnriz: «Zur Frage von der Regulirung des jüdischen 
Beschneidnngs-Ritus». (Nr. VIII—IX). 

Revue der in Westeuropa angewandten Regelungstnass¬ 
nah raen. 

K. Schidlowski: «Zur Frage von der zeitlichen Veränderung 
der Zusammensetzung der Bevölkerung nach dem Ge¬ 
schlecht». (Nr. X). 

Die Beobachtung, welche Prof. Jansen im Gr oesen gemacht 
hat, nämlich, dass das Uebergewipbt der weiblichen Bevölke¬ 
rung in Abnahme begriffen ist, kann Verf. auch auf Grund 
statistischer Erhebungen in kleinen Grenzen (Landschaftkreise, 
Kirchspiele) bestätigen. 

A. S. Wirenius: «Zur Frage von der Uebermüdnng der 
Lernenden». (Nr. XI). 

Die Angaben nnd Schiassfolgerungen beziehen sich haupt¬ 
sächlich auf die Schulverhältnisse des Auslandes, in’s Besondere 
Deutschlands. Verfasser will zunächst nur die von den Päda¬ 
gogen bisweilen bestrittene Thatsache, dass die Schuljugend 
Übermüdet wird, allgemein anerkannt wissen, am den Boden 
für eine rationelle Reform vorznbereiten. 

K. E. Mercklin: «Einige Mittheilungen über das Mutterkorn 
und über die Mittel zn seiner Bekämpfung». (Nr. XI). 

Prof. emer. Merckli n ist zweimal Mitglied von Commissionen 
zur Bekämpfung des in einigen Gegenden epidemisch auftre¬ 
tenden Ergotismns gewesen. Leider gestattet der Baum es 
nicht, näher anf die wichtigen and interessanten Details der 
Mittheiluug einzugehen. Daher beschränken wir ans auf die 
Wiedergabe derjenigen Mittel, von denen AI. eiqe Besserung 
dir Verhältnisse erwartet: Unter den Bauern, den Haupt- 
sammlern und Prodncenten des Mutterkorns, müssen die 
richtigen Darstellungen über den Schaden nnd Nntzen dieses 
Pilzes verbreitet weiden; es muss ein geregelter Erwerb aus 
dem Sammeln des Mutterkorns gemacht werden, nicht nur unter 
den Bauern sondern auch auf den Gütern und zwar mit Sicher¬ 
stellung des Absatzes; es ist obligatorische und gewissenhafte 
Reinigung des Kornes von SecaL com. in den Landwirt¬ 
schaften erforderlich; schliesslich legt M. noch gross« Gewicht 
auf die Vervollkommnung der Bearbeitung der Ackererde. 

W. M. Karlowitsch: «Plan einesNormal-Landschafts-Hospi- 
tals». (Nr. XI). 

Es seien hier die Interessenten nur anf das Original hin¬ 
gewiesen. Dem Artikel sind gezeichnete Pläne beigefügt. 

G. J. Jawein: «Zar Frage von dem Einilass des doppolkohlen- 
sanren und citronensauren Natrons auf den Stickstoftumsatz 
bei gesunden Menschen». (Nr. XII). 

Resumd: 

1. Die N.-as8imilation verschlechtert sich ein wenig unter 
dem Einfluss grosser Dosen von doppelkohlens. Natron, unter 
dem grosser Dosen von citronens. Natron bleibt sie unver¬ 
ändert. 

2. Grosse Dosen beider Salze verstärken in geringem Grade 
den N.-umsatz. 

3. Die relat. Menge des «neutralen Schwefels* im Ham, 
kann als Indicator für den Eiweissnmsatz dienen. 

4. Unter dem Einfluss grosser Dosen beider Salze steigt die 
Menge des «nentr. S.» im Verhältnis zum «sanren S.» des 
Harnes; diese relat. Zunahme rührt augenscheinlich her von 
einer Abweichung von dem gewöhnlichen Oxydationsprocess 
des Gewebseiweisses: letzteres zerfällt nämlich in gestei¬ 
gertem Maasse nnd die Oxydationsproceese nehmen ab. 

ö. Grosse Dosen beider Salze bedingen unbedeutende Ver¬ 
mehrung der Gährungsprocesse im Darm. 

6. Unter dem Einfluss grosser Dosen beider Salze entstehen 
reichliche, flüssige Ausleerungen, jedoch nach dem citronen- 
sanren in geringerem Grade. Diese Wirkung der Alkalien hält 
noch einige Zeit nach Aufhören der Einnahme derselben an. 

7. Während der Einnahmeperiode beider Salze hebt sich 
das Körpergewicht; in der darauf folgenden Periode sinkt es 
wieder. 

8. Die anfängliche Körpergewichtzunahme beruht auf Waa- 
serretention im Organismus, die nachfolgende Gewichtsabnahme 
anf Ausscheidung des ietinirten Wassers. 


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36 


J. D. Kare jew: «Ueber die Bereitung von Brod aus Roggen¬ 
mehl mit Beimischung von Kartoffel, Erbsen, Hafer und 
Mais». (Nr. XII). 

Referat über die in dieser Frage auf Anordnung des Kriegs¬ 
ministers ausgeführten Versuche. Bezüglich der Resultate muss 
auf das Original verwiesen werden. 

A. A. Kalantar: «Ueber die Mittel, gesunde Milch für die 
Städte zu erhalten». (Nr. XE). 

Die Hauptsache ist, dass die Milch von Hause aus gesund ist, 
dann kommt es nur auf die Sauberkeit beim Transport an und 
jede Sterilisation wird überflüssig. 

Wladimiroff. 


An die Eedaotion eingesandte Bücher und Broohüren. 

Zuckerkandl. Normale u. patli. Anatomie der Nasenhöhle. II. 
Band. Wien u. Leipzig. Braumüller, 189-'. 

F. A. Hoffmann. Vorlesungen über allgem. Therapie. III. Aull. 
Leipzig, Vogel, 1892. 

Transactions of the American pediatric Society edited by Perry 
Watson. Volume III. 1892. 

A. Bum und M. T. Schnirer. Diagnostisches Lexicon für pract. 
Aerzte. I. Band, erste H&lfte, Wien u. Leipzig, Urban u. Schwar¬ 
zenberg, 1892. 

R. Emmerich und J. Tsuboi. Die Natur der Schutz- und Heil¬ 
substanz des Blutes, Wiesbaden, Bergmann, 1892. 

G. Le tzel. Lehrbuch der Geschlechtskrankheiten, Wien u. Leipzig, 
Urban u. Schwarzenberg, 1892. 

E. Peiper. Die Schutzpockenimpfung. II. Aufl. Ibidem. 

E. Pfeitfer. Verhandl. der 9. Vers, der Gesellsch. f, Kinderheilk. 
Wiesbaden, Bergmann, 1892. 

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M. Sänger. Carl Siegmund Franz Credd. Leipzig, Thiene. 

J. Hirschberg. Einführung in die Augenheilkunde, I. Hälfte. 
Ibidem. 

M. J oseph. Lehrbuch der Hautkrankh. Ibidem. 

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Immunisirungsmethoden. Ibidem. 


Helferich. Die antiseptische Wundbehandlung. Stuttgart, Enke'. 
1892. 

Kocher. Chirurg. Operatiouslehre. Jena, Fischer, 1892. 

A. Schäfer. Ueber d. ther. Verwendung des Trionals u. Tetro- 
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CuHuuuHt. 0 (ta> ocobeHHoä BaxBOCTB yxoxa sa nozocThto pra h 
8yöaMH BT. xoiepBOe Bpeua. ncrepö. 1892. 

Cboxt* upnK 080 B'b o irfepaxi. no oxpaseHiio Boten, on xoxepu, 

C.-neTep6yprb. 1892. 

Riedel. Ueber Schussverletzungen in Krieg u. Frieden. Sep. 
Abdr. 

Riedel. Die Fixation der Wanderniere. Sep. Abdr. 

Strümpell. Lehrb. der spec. Patli. u. Ther. VII. Aufl. Leipzig, 
Vogel. 

Sh hut». PaxBRaxbHoe yxaxetrie bojoci. Mockbr, 1892. 

Baraep'b. O noxasaHiHxi» kt> oneparaBuony BybnnTexbCTBy npn 
xeieniH orHecrp'hibBbTX'b paai». nepeB. ilaKCHMOsa. 

Latteux. Richerches bact^riologiques sur les propr. antisept. 'de 
l’ichthyol. 1892. 

Lorenzo. Das Ichthyol bei der Behandlung einiger Hautkraukh. 
Sep. Abdr. 

N. Senn. The mission of the association of the military surgeons 
of the national güarde of the unit. States, Chicago, 1892. 
Byj&TOB'b. Kam, yöepevbCH on. xoxepu? lleTepb. 1892. 
Kramer. Grundriss der Geburtshülfe. Stuttgart, Enke, 1892. 
Verhandl. der Geeellsch. deutscher Naturf. u. Aerzte. 64. Ver- 
samml. in Halle a. S.—Leipzig, Vogel. 

Jürgensen. Mittheilimgen aus der Tübinger Poliklinik. II. Heft. 
Leipzig, Thieme. 

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Lief. Deutsch von Schiff. Hamburg u. Leipzig, Vose. 1892. 
Magnus. Aug-märztl. .Unterrichistalelu. Breslau, Kern, 1892. 
Naunyn. Klinik der Cholelithiasis. Leipzig, Vogel, 1892. 
Gottlieb. Studien über die Wirkung des Pikrotoxins. Habili¬ 
tationsschrift. Leipzig, Hirschfeld. 1892. 

H. Page. Eiseubahnverletzungeu in forensischer ii. kli». Bezie¬ 
hung. Deutsch von Placzek. Berlin. Karger, 1892. 

Rychna. Zur Construction der SalubritätszifTer. Prag, 1892. 
Wirsing. Acute gelbe Leber-Atrophie mit günstigem Ausgang. 
Sep. Abdr. 


Adressen von Krankenpflegerinnen: 1 

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KB. 93. 

Frau Duhtzmann, HemixoBT» nep. x 9 ,kb. 9. 

Frau A. M. Wiander, B. O. 1 i X. 6, 

KB. 6. 

Marie Mohl, B. 0. 1 x. x- 44, kb. 3. 

M. Winkler, Moxobbh yx. x. 29, kb 5, bei 
Frau Ewald. 

A A. myxHHa,' IIoBapcKofl nep., x- 17, 
kb. 6. 

Bipa AHApiesHa CxopaHrana, Hcbck. 
np. 98, kb. 18. 

Melanie Tromberg, Bac. Ocrp., 4 xhh., 

M 19, kb. 6. i 

Frau Hasenfug*, Max. nox^anecK. x. 14, j 
kb. 15. 

Schwester Elise Tennison, Eoxmubh Ca- I ’ 
XdBax, x- 9, kb. 36. 

Paniine Gebhardt, Bac. Ocrp. E. npoen., 

J* 5, KB. 18. 

Sophie Jordan, Bac. Ocrp., IOxbq x- 11, 
kb. 9. 

Antoinette Lücke, HeBcxift np., 32/34, 
kb. 13. 

B. van der Vliet, Exarep. kbh. 166, kb. 25. 

Frau Marie Kubern, Moäsa 84, kb. 19, 
Hanp0TBB7> pediopMarcKOi uepsna. 

Ida Belajew. KasancKBH M 52, kb. 24. 


Verlag von CARL RICKER in St. Petersburg, Newsky-Prospect, Nr. 14. 

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HANDWÖRTERBUCH 


der öffentlichen und privaten 

GESUNDHEITSPFLEGE 

Unter Mitwirkung von 

hervorragenden Aerzten 

herausgegeben von 

D r. 0. Dämmer. 


Für Medieinalbeamte, Aerzte, Apotheker, Chemiker, Verwaltungsbeamte, 
Beamte der Kranken —und Unfallversicherung, Fabrikbesitz3r, Fabrikin¬ 
spectoren, National-Oekonomen, Landwirthe, Ingenieure und Architecten. 

1891. Preis des Werkes 960 S. in Gr. Lex. 8°. 12 Rbl. Porto für 7 ft. 


ßoBB. ue«B. Csö. 28 Hon6pa 1892 r. ' Herausgeher: Dr. Rudolf Wanach. 


Buchdruckerei von A. Wieuecke, Kathariiu uhol'er-Pr. J4 15, 


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36 


J. D. Kare jew: «Ueber die Bereitung: von Brod aus Roggen- I 
mehl mit Beimischung von Kartoffel, Erbsen, Hafer und 
Mais». (Nr. XII). 

Referat über die in dieser Frage auf Anordnung des Kriegs- I 
ministers ansgeführten Versuche. Bezüglich der Resultate muss j 
auf das Original verwiesen werden. 

A. A. Kalantar: «Ueber die Mittel gesunde Milch für die j' 
Städte zu erhalten». (Nr. XII). 

Die Hauptsache ist, dass die Milch von Hause aus gesund ist, 
dann kommt es nur auf die Sauberkeit beim Transport an und 
jede Sterilisation wird überflüssig. 

Wladimiroff. 


An die Redaotion eingesandte Büoher und Brochüren. 

Zuckerkand!. Normale u. path. Anatomie der Nasenhöhle. II. 
Band. Wien u. Leipzig. Braumüller, 189.'. 

F. A. Hoffmann. Vorlesungen über allgem. Therapie. III. Auü. 
Leipzig, Vogel, 1892. 

Transactions of the American pediatric Society edited by Perry 
Watson. Volume III. 1892. 

A. Barn und M. T. Schnirer. Diagnostisches Lexieou für pract. 
Aerzte. I. Band, erste Hälfte, Wien u. Leipzig, Urban u. Schwar¬ 
zenberg, 1892. 

R. Emmerich und J. Tsuboi. Die Natur der Schutz- und Heil- 
snbstanz des Blutes, Wiesbaden, Bergmann, 1892. 

G. Le tze 1. Lehrbuch der Geschlechtskrankheiten, Wien u. Leipzig, : 
Urban u. Schwarzenberg, 1892. 

E. Peiper. Die Schutzpockenimpfung. II. Auü. Ibidem. 

E. Pfeilfer. Verhandl. der 9. Vers, der Gesellsch. f. Kinderheilk. 
Wiesbaden, Bergmann, 1892. 

Kobert. Arbeiten des pharmakolog. Inst, zu Dorpat. .VIII. Stutt¬ 
gart, Enke. 

M. Sänger. Carl Siegmund Franz CredA Leipzig, Thieme. 

J. Hirschberg. Einführung in die Augenheilkunde, I. Hälfte, i 
Ibidem. 

M. Joseph. Lehrbuch der Hautkrankh. Ibidem. 

Behring. Die praktischen Ziele der Blutserumtherapie und die j 
Immunisirungsmethoden. Ibidem. 


Helfer ich. Die antiseptische Wundbehandlung. Stuttgart, Enk». 
1892. 

Kocher. Chirurg. Operationslehre. Jena, Fischer. 1892. 

A. Schäfer. Ueber d. ther. Verwendung des Trionals u. Tetro- 
nals. Sep. Abdr. 

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C-neTep6ypn.. 1892. 

Riedel. Ueber Schnssverletznngen in Krieg n. Frieden. Sep. 
Abdr. 

Riedel. Die Fixation der Wanderuiere. Sep. Abdr. 

Strümpell. Lehrb. der spec. Path. u. Ther. VII. Auü. Leipzig, 
Vogel. 

äh hut». PajHK&ibHoe yxaxeHie boxocT». Mockbb, 1892. 

BarBep*b. 0 noxasaHiHx-b kt. onep&TBBuovy Byfem.TTexbCTBy npn 
levenia orHecTp-feibHbin. pui. IlepeB. MancMKOB». 

Latteux. R«cherr.hes bact^riologiques sur les propr. antisept. 'de 
l’ichthyol. 1892. 

Loreuzo. Das Ichthyol bei der Behandlung einiger Hautkraukh. 
Sep. Abdr. 

N. Senn. The mission of the association of the military surgeons 
of the national guarde of the unit. States, Chicago, 1892. 
ByxaTOBt. Kam. yöepeibCH ott. xoxepu? Herepö. 1892. 
Kramer. Grandriss der Geburtshülfe. Stuttgart, Enke, J892. 
Verhandl. der Gesellsch. deutscher Naturf. n. Aerzte. 64. Ver- 
samml. in Halle a. S.—Leipzig, Vogel. 

Jürgensen. Mittheilungen aus der Tübinger Poliklinik. II. Heft. 
Leipzig, Thieme. 

Leloir und Vidal. Symptomat. u. Histol. der Hautkrankh. II. 

Lief. Deutsch von Schiff. Hamborg u. Leipzig, Voae. 1892. 
Magnus. Auganürztl. Unterrichtstalelu. Breslau, Kern, 1892. 

Nauoyn. Klinik der Cholelithiasis. Leipzig, Vogel, 1892. 
Gottlieb. Studien über die Wirkung des Pikrotoxins. Habili¬ 
tationsschrift. Leipzig, Hirschfeld. 1892. 

H. Page. Eiseubabnverletzungeu in forensischer u. kl in. Bezie¬ 
hung. Deutsch von Placzek. Berlin, Karger, 1892. 
ltjchna. Zur Construction der Salubritätsziffer. Prag, 1892. 
Wirsing. Acute gelbe Leber-Atrophie mit günstigem Ausgang. 
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Adressen von Krankenpflegerinnen: 1 Verlag von CARL KICKER in St. Petersburg, Newsky-Prospect, Nr. 14. 


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Frau Ewald. 

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Melanie Tromberg, Bac. OcTp., 4 xhh., 
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Antoinette Lücke, Hobckü np., 32/34, 
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B. van der Vliet, EKarep. uaB. 166, kb. 25. 

Frau Marie Kubern, HofiKa 84, kb. 19, 
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Für Medicinalbeamte, Aerzte, Apotheker, Chemiker, Verw.iltungebäumte, 
Beamte der Kranken —und Unfallversicherung. Fabrikbesitzer, Fabrikin¬ 
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