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Full text of "Die psychischen Störungen der männlichen Potenz. Ihre Tragweite und ihre Behandlung [3., umgearbeitete Auflage]"

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DIE PSYCHISCHEN 
STÖRUNGEN DER MÄNNLICHEN 

POTENZ 

IHRE TRAGWEITE UND IHRE BEHANDLUNG 

VON 



DR. MAXIM. STEINER 

SPEZIALARZT FÜR SEXUALKRANKHEITEN IN WIEN 



MIT EINEM VORWORT VON PROF. SIGM. FREUD 



DRITTE, UMGEARBEITETE AUFLAGE 



LEIPZIG UND WIEN 
FRANZ DEUTICKE 

1926 



VerUgs-Nr. 3068 



I 




Verlag von Franz Deuticke in Leipzig und Wi3n. 

Der Ablauf des Lebens. 

Grundlegung zur exakten Biologie. 

Von 

Dr. W. Fließ. 

Zweite, neubearbeitete Auflage. (1923.) XVI und 406 Seiten. 
Preis, broschiert Goldmark 10. — , gebunden Goldmark 12.60. 

Die Traumdeutung. 

Von 

Prof. Dr. Sigm. Freud. 

Siebente Auflage. Mit Beiträgen von Dr. Otto fiank (1922.) VIII und 480 Seiten. 
Preis broschiert Goldmark 8.40, gebunden Goldmark 10.40. 



Wandlungen und Symbole der Libido. 

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Denkens. 

Von 
Dozent Dr. C. G. Jung. 

Zweite Auflage. (1925.) IV und 430 Seiten. 
Preis broschiert Goldmark 12.—, gebunden Goldmark 14.60. 

Die Lehre von den Greschlechtsverirrungen 

(Psychopathia sexualis) 
auf psychoanalytischer Grundlage. 

Von 

Dr. J. Sadger 

Nervenarzt in Wien. 
Preis broschiert Goldmark 6.60, gebunden Goldmark 8.80. 







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DIE PSYCHISCHEN 
STÖRUNGEN DER MÄNNLICHEN 

POTENZ 

IHRE TRAGWEITE UND IHRE BEHANDLUNG 

VON 

DR. MAXIM. STEINER 

SPEZIALARZT FÜR SEXUALKRANKHEITEN IN WIEN 



MIT EINEM VORWORT VON PROF. SIGM. FREUD 



DRITTE, UMGEARBEITETE AUFLAGE 



LEIPZIG UND WIEN 
FRANZ DEUTICKE 

1926 



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Verlags-Nr. 3068 



Alle Rechte, besonders das der Übersetzung in 
fremde Sprachen, vorbehalten 




INTERNATIONAL 

PSYCHOANALYTIC 

UNIVERSITY 

DIE PSYCHOANALYTISCHE HOCHSCHULE IN BERLIN 



M»nzsche BuchdrucUerei, Wien IX. 2165 



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Vorwort 

von Prof. Sigm. Freud (Wien). 

Der Autor dieser kleinen Monographie, welche die Patho- 
logie und Therapie der psychischen Impotenz des Mannes 
behandelt, gehört zu jener kleinen Schar von Ärzten, welche 
frühzeitig die Bedeutung der Psychoanalyse für ihr Spezial- 
fach erkannt und seitdem nicht aufgehört haben, sich in deren 
Theorie und Technik zu vervollkommnen. Wir wissen ja, 
daß nur ein kleiner Anteil der neurotischen Leiden — welche 
wir jetzt als Folgen von Störung der Sexualfunktion erkannt 
haben — in der Neuropathologie selbst abgehandelt wird. Der 
größere Teil derselben fällt unter die Erkrankungen des be- 
treffenden Organs, welches von der neurotischen Störung 
heimgesucht wird. Es ist nur zweckmäßig und billig, wenn 
auch die Behandlung dieser Symptome oder Syndrome die 
Sache des Spezialarztes wird, welcher allein die Differential- 
diagnose gegen eine organische Affektion stellen, bei Misch- 
formen den Anteil des organischen Elements von dem des 
neurotischen abgrenzen und im allgemeinen Aufschluß über 
die gegenseitige Förderung von beiderlei Krankheitsfaktoren 
geben kann. Sollen aber die „nervösen" Organkrankheiten 
nicht als ein Anhang zu den materiellen Erkrankungen der- 
selben Organe einer Vernachlässigung anheimfallen, welche 
sie bei ihrer Häufigkeit und praktischen Bedeutsamkeit keines- 
wegs verdienen, so muß der Spezialist, sei er Magen-, Herz- 
oder Urogenitalarzt, außer seinen allgemeinen ärztlichen und 
seinen Spezialkenntnissen auch die Gesichtspunkte, Ein- 
sichten und Techniken des Nervenarztes für sein Gebiet ver- 
werten können. 






IV • Vorwort 

Es wird einen großen therapeutischen Fortschritt be- 
deuten, wenn der Spezialarzt den mit einem nervösen Organ- 
leiden Behafteten nicht mehr mit dem Bescheid entlassen 
wird: „Ihnen fehlt nichts; es ist bloß nervös." Oder mit der 
nicht viel besseren Fortsetzung: „Gehen Sie zum Nerven- 
arzt, er wird Ihnen eine leichte Kaltwasserkur verordnen." 
Man wird gewiß auch eher vom Organspezialisten verlangen 
dürfen, daß er die nervösen Störungen seines Gebietes ver- 
stehe und behandeln könne, als vom Nervenarzt, daß er 
sich zum Universalspezialisten für alle Organe ausbilde, an 
denen die Neurosen Symptome machen. Demnach ist vorauszu- 
sehen, daß nur die Neurosen mit wesentlich psychischen Sym- 
ptomen die Domäne des Nervenarztes bleiben werden. 

Die Zeit ist dann hoffentlich nicht ferne, in welcher die 
Einsicht allgemein wird, daß man keinerlei nervöse Störung 
verstehen und behandeln kann, wenn man nicht die Gesichts- 
punkte, oft auch die Technik der Psychoanalyse zu Hilfe 
nimmt. Diese Behauptung mag heute wie eine anmaßende 
Übertreibung klingen; ich getraue mich vorherzusagen, daß 
sie dazu bestimmt ist, ein Gemeinplatz zu werden. Es wird 
aber ein bleibendes Verdienst des Autors dieser Schrift sein, 
daß er diese Zeit nicht abgewartet hat, um die Psychoanalyse 
in die Therapie der nervösen Leiden seines Spezialgebietes 
einzulassen. 

Wien, im März 1913. 



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Vorwort des Verfassers. 

Man kann nicht gerade behaupten, daß an Werken und 
Abhandlungen über die psychische Impotenz des Mannes 
Mangel wäre. Brauche ich doch nur auf die klassischen 
Arbeiten von Curschmann 1 ), Eulenburg 2 ), Finger 3 ), Für- 
bringer 4 ), Krafft-Ebing 5 ) und anderen hinzuweisen, die 
dieses Thema behandelten. Wenn ich gleichwohl die Nötigung 
empfinde, die funktionelle Impotenz des Mannes, ihre Trag- 
weite und ihre Behandlung zum Gegenstand einer Mono- 
graphie zu machen, so leite ich die Berechtigung hiezu vor- 
nehmlich aus den neuen Gesichtspunkten her, die der Dia- 
gnostik und Therapie neurotischer Erkrankungen seit etwas 
mehr als einem Jahrzehnt durch die bahnbrechenden Arbeiten 
Freuds gewiesen worden sind. Es hat sich infolgedessen 
die Notwendigkeit ergeben, wie die Betrachtungsweise der 



*) „Die funktionellen Störungen der männlichen Genitalien." Ziemssens 
Handbuch, IX, 2. 

2 ) „Neuropathia sexualis virorum." Zülzer-Oberländer, Handbuch der 
Krankheiten der Harn- und Sexualorg., 1894, IV. 

3 ) „Die Störungen der Geschlechtsfunktion des Mannes." Handbuch der 
Urologie von Frisch-Zuckerkandl, III. Bd., 1906. 

4 ) „Störungen der Geschlechtsfunktion des Mannes." Nothnagel, Spez. 
Pathol. und Therapie, XIX. Bd., 2, 1901. 

5 ) „Psychopathia sexualis." Stuttgart 1886. 

„Neuraslhenia sexualis beim Manne." Wr. Med. Presse, 1887. 
„über psychosexuales Zwittertum." Oberländers Zentralbl., 1890. 
„Die Nervosität und neurasthenische Zustände." Nothnagel, Spez. 
Pathol. und Therapie.. XII. Bd., 2, 1900. 






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VI Vorwort des Verfassers. 

Neurosen überhaupt, so auch die meines speziellen Themas 
einer Revision vom Standpunkt der Psychoanalyse zu unter- 
ziehen. Allerdings haben auch schon Psychoanalytiker die 
Impotenz gelegentlich in den Kreis ihrer Betrachtung gezogen 
(siehe die unten in der Reihenfolge ihrer Publikation ange- 
führten Arbeiten 1 ), doch wendeten sich diese Darstellungen 
vorwiegend an den psychoanalytischen oder neurologischen 
Spezialisten, waren also der großen Masse der Praktiker 
weniger zugänglich. Diesem relativen Mangel abzuhelfen, soll 
die Aufgabe meiner zusammenfassenden Behandlung dieses 
Themas sein. Hervorgegangen aus den in der Praxis ge- 
wonnenen Erfahrungen, ist meine Arbeit auch in erster Linie 
für den praktischen Arzt bestimmt und soll ihn gleichzeitig 
mit gewissen elementaren Grundsätzen der Psychoanalyse be- 
kannt machen. In dieser Bestimmung mag man eine Erklärung, 
wenn man will auch eine Rechtfertigung, für die Tatsache 
erblicken, daß ich dem besseren Verständnis des Zusammen- 
hanges zuliebe vieles dem geschulten Psychoanalytiker bereits 
völlig Vertraute nochmals erörtere. Dagegen ist die an die all- 
gemeinen Darlegungen sich anschließende Kasuistik, eine 
Sammlung von Fällen mit teilweise komplizierterem psychi- 
schem Gefüge, vorwiegend für den Fachmann bestimmt. 

Es wäre für mich eine große Genugtuung, wenn es mir 
gelänge, ein weiteres ärztliches Publikum von der Wichtigkeit 
der psychoanalytischen Betrachtungsweise auch in der An- 
wendung auf dieses Gebiet zu überzeugen. 

«■) Dr. Maxim. Steiner, „Die funktionelle Impotenz des Mannes und 
ihre Behandlung." Wr. Med. Presse, 1907, Nr. 42. 

Dr. S. Ferenczi (Budapest), „Analytische Deutung und Behandlung der 
psychosexuellen Impotenz beim Manne." Psych.-Neurol. Woche 1908 Nr 35 
und 36. 

Dr. Wilh. Stekel, „Nervöse Angstzustände und ihre Behandlung." 
Wien-Berlin, 1908, 2. Aufl., 1912. 

Prof. S. Freud, „Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens II. Über die 
allgemeinste Erniedrigung des Liebeslebens." Jahrbuch f. psychoanalyt. u. 
psychopatholog. Forschungen, IV. Bd.. 1912. 




Vorwort des Verfassers. 



VII 



Zum Schlüsse erübrigt es mir noch, all denen zu danken, 
die mich bei dieser Arbeit direkt oder indirekt gefördert haben. 
In erster Reihe Herrn Professor Freud, dann Herrn Dr. Paul 
Federn, Herrn Dr. Otto Rank und den meisten anderen 
Mitgliedern der „Wiener Psychoanalytischen Vereinigung", bei 
deren interessanten Diskussionsabenden mir manche wertvolle 
Anregung zugekommen ist. 

Wien, Ostern 1913. 



Vorwort zur zweiten Auflage. 

Da die erste Auflage dieses Büchleins binnen Jahresfrist, 
vergriffen war, hätte die zweite bereits im Herbst 1914 er- 
scheinen sollen. Doch legte mir der Ausbruch des Weltkrieges 
den Entschluß nahe, die Ausführung meines Planes auf einen 
günstigeren Zeitpunkt, d. h. bis zum Friedensschlüsse, zu 
verschieben. So sind denn mit Harren und Hoffen drei Jahre 
vergangen, und ich habe mich nunmehr entschlossen, nicht 
länger zuzuwarten, da trotz der bewegten Zeitläufte das Inter- 
esse für psychoanalytische Probleme ungeschwächt fortbesteht. 
Die vorliegende zweite Auflage ist bis auf geringfügige sti- 
listische Verbesserungen ein nahezu unveränderter Abdruck 
der ersten, um so mehr, als auch bei Berücksichtigung der 
inzwischen erschienenen einschlägigen Publikationen*) für 
mich kein Anlaß besteht, von meinen seinerzeitigen An- 
schauungen irgendwie abzugehen. 

Die erste Auflage hat bei der berufenen Fachkritik fast 
ausnahmslos eine sehr wohlwollende Aufnahme gefunden. 
Möge der zweiten ein gleiches Schicksal beschieden sein! 

Wien, im Oktober 1917. 

Der Verfasser. 



*) M. Hirschfeld u. E. Burchard. Zur Frage der psychischen Im- 
potenz als Folgeerscheinung sexueller Totalabstinenz beim Manne. (Sexual- 
probleme, IX. Jahrgang, 1913.) 



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Vorwort zur zweiten Auflage. jj£ 

C. Hudovernig. Eine besondere sexuelle Neurasthenie in reiferem 
Alter. (Med. Klinik 1913, Nr. 13.) 

W. Lißmann. Ein seltener Fall von Potenzstörung. (Münchner Medi- 
zinische Wochenschrift 20/13.) 

Dr. Ernst Tobias. Die physikalische Therapie der sexuellen Impotenz. 
(Deutsche Medizinische Wochenschrift 20/13.) 

Vecki Victor G. Psychotherapy in urology. (Calif. State Journ. of 
Med. 12, 1914.) 

Bloch J. Zur Behandlung der sexuellen Insuffizienz. (Med. Klinik 11, 
1915.) 

Maier Hans W. Zur Kasuistik der psychischen Impotenz. (Münchner 
Medizinische Wochenschrift 63, 1916.) 

Sinclair D. A. Sexual dislurbances and funclional Neuroses of the 
Male Genito-urinary apparalus. 

Hirschfeld Magnus. Sexualpathologie. (Bonn 1917.) 

Hirschfeld Magnus. Sexuelle Hypochondrie u. Skrupelsucht. (Zeitschr. 
f. Sexualwissenschaft, Bd. II, p. 121. 

Dr. Abraham Karl. Über ejaculalio praecox. (Internat. Zeitschr. f. 
Psychoanalyse, IV. Jahrg., Heft 4.) 

Dr. Ferenczi S. Pollution ohne orgastischen Traum und Orgasmus im 
Traume ohne Pollution. (Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse, IV. Jahrg.. 
Heft 4.) 



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Vorwort zur dritten Auflage. 






In dem Vorworte, das Prof. Freud dieser Monographie 
bei ihrem ersten Erscheinen mitgab, hat er die Erwartung 
ausgesprochen, daß die Zeit hoffentlich nicht fern sei, da 
man keine nervöse Erkrankung ohne Kenntnis der psycho- 
analytischen Gesichtspunkte und Technik werde behandeln 
können. Diese Prophezeiung ist in einem Ausmaße in Er- 
füllung gegangen, das wohl die kühnsten Hoffnungen über- 
troffen hat. Denn nicht nur auf dem Gebiete der nervösen 
Erkrankungen, auch auf dem Gebiete der übrigen Medizin, 
in den Geisteswissenschaften, in der Pädagogik, in der schönen 
Literatur hat die Psychoanalyse sich durchgesetzt, ja selbst 
in der Sprache der Gebildeten des ganzen Erdenrunds hat 
die psychoanalytische Terminologie Bürgerrecht erlangt. Die 
einschlägige Literatur ist schier unübersehbar geworden, 
Theorie und Technik haben höchst fruchtbare Gesichtspunkte 
gezeitigt. Diese an sich höchst erfreuliche Tatsache wurde 
für mich eine Quelle der Verlegenheit, als ich, da die zweite 
Auflage dieses Büchleins schon lange vergriffen war, mich 
auf Drängen meines Verlegers entschließen mußte, eine neue 
vorzubereiten. Denn da es sich inzwischen herausgestellt hat, 
daß es fast keine neurotische Erkrankung ohne Potenz- 
störung gibt, ist das Studium der psychischen Impotenz 
ein ganz großes Problem geworden, und es ergibt sich die 
merkwürdige Tatsache, daß es viel leichter wäre, im Rahmen 
eines großen Werkes den komplizierten Beziehungen zwischen 
den Störungen des Sexualtriebes und den verschiedenen 
Neurosenformen gerecht zu werden, als das Impotenzthema 
sozusagen aus dem Zusammenhange gerissen in der knappen 



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Vorwort zur dritten Auflage. XI 

und präzisen Form einer für die Bedürfnisse des Praktikers 
angelegten Broschüre zu erörtern. Da ich mirs aber, vor 
allem schon wegen Zeitmangels, derzeit versagen muß, die 
erstere Idee zu verwirklichen, habe ich mich zuletzt doch ent- 
schlossen, die Arbeit in ihrer bisherigen knappen Fassung zu 
belassen, jedoch den Versuch gemacht, sie durch Ände- 
rungen, Zusätze, Fußnoten und Literaturangaben*), die auf 
Vollständigkeit naturgemäß keinen Anspruch erheben können, 
mit den wichtigsten inzwischen gefundenen neuen Gesichts- 
punkten in Übereinstimmung zu bringen. Zu diesem Entschluß 
hat wesentlich die Überlegung beigetragen, daß dieses Büchlein 
nicht die Aufgabe haben soll, dem Leser das Studium der 

*) Ferenczi. Versuch einer Genitaltheorie. Internat. Psychoan. Ver- 
lag 1924. 

Ferenczi. Zur Psychoanalyse von Sexualgewohnheiten. Internat. 
Zeitschr. f. Psychoanalyse, Bd. XI, 1925. 

Freud. Zur Einführung des Narzißmus. Ges. Sehr., Bd. VI. 

Freud. Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Ges. Sehr., 
Bd. VII. 

Freud. Die infantile Genitalorganisation. Ges. Sehr., Bd. V. 

Freud. Totem und Tabu. Ges. Sehr., Bd. X. 

Freud. Das Ich und das Es. Ges. Sehr., Bd. VI. 

Rank. Perversion und Neurose. Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse, 
Bd. VIII, 1922. 

Rank. Zum Verständnis der Libidoentwicklung im Heilungsvorgang. 
Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse, Bd. IX, 1923. 

Reich. Über Spezifität der Onanieformen. Internat. Zeitschr. f. Psycho- 
analyse, Bd. VIII, 1922. 

Reich. Über Genitalität vom Standpunkt der psychoanalytischen Pro- 
gnose und Therapie. Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse, Bd. X, 1924. 

Reich. Weitere Bemerkungen zur therapeutischen Bedeutung der Genital- 
libido. Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse, Bd. XI, 1925. 

Reich. Über die chronische hypochondrische Neurasthenie. Internat. 
Zeitschr. f. Psychoanalyse, Bd. XII, 1926. 

Sadger. Über den Kastrationskomplex. Fortschritte der Medizin, 
XXXIV. Jahrg., 30 u. 31. 

Sadger. Lehre von den Geschlechtsverirrungen. Wien 1921. 



. 












XU Vorwort zur dritten Auflage. 

psychoanalytischen Literatur zu ersparen, sondern ihn viel- 
mehr dazu anzuregen, und weiters der Umstand, daß die 
Arbeit in ihrer bisherigen Form eine recht wohlwollende 
Aufnahme gefunden hat. 

Zum Schlüsse entledige ich mich der angenehmen Pflicht 
zu danken. In erster Reihe Herrn Prof. Freud, sodann Herrn 
Dr. Eduard Hitschmann und Herrn Dr. Wilhelm Reich, 
die mir durch mannigfache Anregungen und sachkundige 
Mithilfe bei Sichtung der Literatur wertvolle Dienste ge- 
leistet haben. 

Wien, im November 1925. 

Der Verfasser. 



Bloch. Die traumatische Impotenz. Zeitschr. f. Sexualwissenschaft, 

1918, Heft. 4. 

Flatau. Sexuelle Neurasthenie. 2. Aufl., Berlin 1923. 

Gaupp. Das Problem der homosexuellen Sexualität. Kl. Wochenschr. 

1922, Heft 21. 

Hirschfeld. Sexualpathologie. Bd. III, Bonn 1920. 

Kronfeld. Sexualpathologie. Deuticke 1923. 

Li p schütz. Die Pubertätsdrüse und ihre Wirkungen. Bern 1919. 

Löwenfeld. Sexualleben und Nervenleiden. Wiesbaden 1922. 

Mathias. Die sexuelle Insuffizienz und ihre Behandlung. München 1919, 

Ny ström. Impotenz bei jüngeren und sexuelle Kraft Lei älteren 
Männern. Zeitschr. f. Sexualwissenschaft, Bd. IX, Heft 7. 

Orlowski. Die Impotenz des Mannes. Leipzig 1922. 

Pick. Über Sexualstörungen im Kriege. Kl. Wochenschr. 1917, Nr. 8. 

Romeis. Geschlechtsleben oder Zwischenzellen. Kl. Wochenschr. 1922, 

Nr. 19 bis 21. 

Stekel. Impotenz des Mannes. Wien 1920. 
Stekel. Kriegsimpotenz. Med. Klinik, 1920, Nr. 30. 



Inhalts-Übersicht. 

Seite 
Einleitung .1 

I. Anamnese und Symptomatologie . . ■ . ■ 4 

a) Organische Symptome 6 

b) Psychische Symptome 8 

II. Ätiologie . . 12 

III. Diagnose 23 

IV. Prognose und Therapie • .... 27 

V. Individuelle und soziale Tragweite der Impotenz 40 

Kasuistik ... 47 



• 



Einleitung. 



Ich habe die Absicht, von jener Abart der Impotenz zu 
sprechen, die jeder organischen Grundlage entbehrt und die 
man gemeinhin die funktionelle nennt. Das Fehlen jeder orga- 
nischen Grundlage ist aber hier nur cum grano salis zu 
nehmen, da die neuesten Forschungen auf dem Gebiete der 
inneren Sekretion lehren, daß auch für diese Art der Impotenz 
organische Grundlagen zu finden sein dürften. Da die verschie- 
densten Zustände unter der Flagge der Impotenz segeln, habe 
ich mir auf Grund eines großen Krankenmaterials und auf 
Grund eigener Beobachtungen die Aufgabe gestellt, sie nach 
ätiologischen Gesichtspunkten in ein System zu 
bringen. 

Nun hat man eigentlich nicht die Berechtigung, von der 
Impotenz als einer selbständigen Krankheitsform zu sprechen, 
denn sie ist stets nur ein Symptom einer Neurose, allerdings 
das wichtigste, ja man kann sagen, das Symptom der Sym- 
ptome 1 ). Die Berechtigung, sie selbständig abzuhandeln, er- 
gibt sich aber nicht nur aus ihrer kolossalen Verbreitung, 
sondern auch aus ihrer Bedeutung für das Individuum und die 
Gesellschaft. Wir werden sehen, daß alle psychischen Äuße- 
rungen des Menschen, das was wir im banalen Leben als 
Temperament und Charakter bezeichnen, in sehr engen, nicht 

!) Eine statistische Untersuchung über die Häufigkeit der Impotenz (und 
Frigidität) am Wiener Psychoanalytischen Ambulatorium hat sogar ergeben, 
daß dieses Symptom eine typische Begleiterscheinung jeder schwereren seeli- 
schen Erkrankung ist. (Vgl. Reich, Weitere Bemerkungen zur therapeutischen 
Bedeutung der Genitallibido. Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse. XI, 1925.) 
Stoiner, Die psychischen Störungen. 8. Aufl. i 



2 



Einleitung. 



allzu schwer nachweisbaren Beziehungen zur Sexualfunktion 
stehen, daß man also mit Fug und Recht im Sinne Freuds 
von einer Vorbildlichkeit des Sexuallebens für alle übrigen 
Lebensäußerungen des Individuums sprechen kann 1 ). Im Hin- 
blick darauf wird uns die schwere Beeinträchtigung an Lei- 
stungs- und Genußfähigkeit beim psychisch Impotenten ver- 
ständlich sein. Die soziale Tragweite der Impotenz gedenke 
ich später in einem eigenen Kapitel auszuführen, doch will ich 
hier schon andeuten, daß dem heutigen Gesellschaftsleben ge- 
wisse charakteristische Eigenschaften anhaften, als da sind: 
Überschätzung des Weibes (Amerika) auf der einen, Sucht, 
die Frau zu entwerten, auf der anderen Seite, auffällige 
Abneigung gegen Eheschließungen, Beschränkung der Kinder- 
zahl, Berufsarbeit der Frau, Ängstlichkeit, Zweifel, Hang zum 
Geheimnisvollen (Mystizismus), Hast nach Erwerb und Ver- 
gnügen usw., Merkmale, die alle mehr oder weniger deut- 
liche Beziehungen zu einer degenerierten Sexualfunktion ver- 
raten. Diesen Gesichtspunkt möchte ich vor allem unter- 
streichen, weil ich mich damit in bewußtem Gegensatz zu 
der Mehrzahl der Autoren und der Argumentation der Patienten 
selbst befinde, die im Gegenteil den sozialen Momenten einen 
ungebührlichen Einfluß auf die Sexualfunktion beimessen. 
So antwortete mir ein Amerikaner, der bis zum 38. Lebens- 
jahr kein Weib berührt hatte, auf meine Frage, wie das bei 
einem sonst gesunden, kräftigen und wohlhabenden Menschen 
möglich sei, er hätte bis jetzt infolge angestrengter Arbeit 
(business) keine Zeit dazu gefunden. Die Antworten, die wir 
von unseren Patienten bekommen, sind nicht immer so kraß 
und leicht als vorgeschobene Motive („,Rationalisation" nach 
Jones) zu durchschauen, wie in diesem Falle, aber wir hören 
von unseren Patienten fast täglich ähnliche Vorwände: zum 
Beispiel Angst vor Infektion oder Konzeption, mangelnden 

*) Ich halte mich hier und im folgenden fast durchgehends an die 
Terminologie Freuds, die ich vornehmlich seinen „Schriften zur Neurosen- 
lehre" sowie den klassischen „Abhandlungen zur Sexualtheorie" des ge- 
nannten Autors entnehme. 



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Einleitung. 

o 

Verkehr in kleinen Städten, Schüchternheit im Umgang mit 
Frauen Enthusiasmus für Abstinenzideen, ethische und reli- 
giöse Skrupel usw. - - Die eingehende Beschäftigung mit den 
Neurosen lehrt uns die Oberflächlichkeit dieser Motivierungen 
erkennen. Ich brauche zu diesem Behufe nur auf die Arbeilen 
r-reuds zu verweisen, in denen gezeigt wird, daß das wich- 
tigste der angeführten Symptome, Angst in jeder Form die 
notwendige Folge jeder Unterdrückung oder nicht genügenden 
Erledigung des Sexualtriebes darstellt. Die Beziehung der Im- 
potenz zu den Kardinalsymptomen aller Neurosen läßt schon 
jetzt ahnen, daß es schwierig sein wird, sie in der Praxis 
rein vorzufinden; stets wird man bei näherem Eingehen auf 
ein Stück Hysterie oder Neurasthenie, möglicherweise auch auf 
eine andere neurotische Erkrankung stoßen. Aus dem Ge- 
sagten ergibt sich auch, wie wichtig es für den Praktiker 
ist, die Diagnose der oft durch verschiedene Krankheits- 
symptome überwucherten Impotenz zu stellen, da durch die 
damit gegebene Möglichkeit einer rechtzeitigen Behandlung 
•sehr oft eine schon schiffbrüchige Existenz dem Leben er- 
halten werden kann. Jedenfalls wird man schon aus den bis- 
herigen Andeutungen erkennen, daß die psychische Impotenz 
in ihrer Tragweite bisher bedeutend unterschätzt wurde, was 
vielleicht dadurch zu erklären ist, daß die traditionelle 
ruderie von jeher die größte Hemmung bei der Erkenntnis 
und Behandlung dieser Zustände gebildet hat. 



1* 



•*:, 



I 






I. 

Anamnese und Symptomatologie. 

Die Klagen der vielen Patienten., die uns wegen Störungen 
der Potenz aufsuchen, sind gar mannigfacher Art. Die einen 
erzählen, sie merkten, daß die Potenz schon seit langer Zeit 

nl7r h n SU* laSSG; «*■*** «anz gut, sei sie all- 
mählich schlechter geworden: die Erektion nicht mehr kräftig 
genug die Ejakulation entweder vorzeitig, seltener auch vor 
zögert. Die anderen bringen uns Klagen mehr spezieller Art- 
Erektion und Ejakulation seien ziemlich normal, doch voll- 
ziehe sich der Koitus ohne Wollustgefühl i). Andere wieder be- 
richten daß der Verkehr mit gewissen Frauen, worunter 
meist die eigenen gemeint sind, wenig genußreich sei, wäh- 
rend er mit anderen Frauen ausgeübt, volle Befriedigung 
gewahre*). Dieser Zustand wird für die Patienten namentlich 
dann zur Veranlassung quälender Gefühle, wenn es sich zeigt 
daß es oft gerade minderwertige Frauen sind, bei denen sie 
am besten reüssieren. Die Dirne bietet ihnen den Genuß der 
ihnen bei der anständigen Frau versagt bleibt. Aber auch das 
Gegenteil ereignet sich. Ein Ehemann verkehrt mit der Gattin 
recht und schlecht, versucht er aber einmal einen Seiten- 
sprung so erlebt er eine peinliche Blamage, selbst wenn ihm 
dieser Gegenstand des Interesses begehrenswerter erscheint ah 
die eigene Frau. Andere wieder fühlen sich sonst potent 
scheiternder bei der Möglichkeit des Verkehres mit einer" 

Potent, V a gl a d o. neUeSten UnterSUChUn S en Reichs «« ^ „orgastische 

») Ferenczi, Zur Psychoanalyse von Sexualgeirohnheiten. Internat 
/eitschr. f. Psychoanalyse, Bd. XI, 1925. 



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I. Anamnese und Symptomatologie. 

o 

unierthrten Jungfrau. Ein nicht seltener Typ ist ,1er M 
der wohl mit jeder Frau anstandslos verkehr , d,' i ' 

st, daß far ,hn nächstens nur wieder eine andere in Belrach 
kommt. Be, der zweiten ergeht es ihm nicht hesser e, 1, 
«* stets nach einem neuen Objekt (Don-Juan-Ä 
bnnem anderen gelingt der Verkehr „„Ämter gewissen Be' 

mgnnge» d,e wieder mannigfachster Art »eiu'fcZ^ Ge 
stall, Haarfarbe, Kleidung, Geruch, Gang usw. spielen dabei 
eme große Rolle. Selbstverständlich kommen auclfc ie psvehb 

chen Einschalten in allen ihren Varianten in Betrac 

Umweg der Perversen s.ch geschlechtlich betätigen können: 

Lw*^ r US ' „ M t° chismus - Exhibitionismus, Fetischismus 
gewährt d,e volle Befragung, die auf dem normalen Wege 

el, r ," g f iStl) ' Ei " er anderen Kale 8°'' ie wo Pa- 
te eu gohngt der Koitus nur mit Benützung von Hilfs- 

vo^tellungen mannigfachster Art. So konnte z. B einer 

2*fa d!''pf , " e " K ° itUS mr dan " aus£ühre ". we ™ er 
zvarTn 7 aS ' e alS Wei " eiBem Weib0 «Wenflbe,, und 

Zu hiL ! ' P f ""a R0 " e Sah ' Andere müsse " sadistische. 
Wa um "' r , • Und ahnliChe Pha ' ÜaSiei1 z « HOfe nehmen, 
forde," ch 1 ? ST"- e ' ne SpeZ " isChe Hilfsvorstelhmg er- 
SS sei i nn ?' W ' r "" aaderer Stelk auseinandersetzen, 
ür L s*t °" J 1 vm "^no mm en, daß die Begründung 
to Ä" en d 'r T?*"** in engem Zusammen" 
Die Zahl de "•! Ualerlebnissen dieser Patienten steht. 

■—MlÄSRSSSi* ^- Abweichen vom „ ormalo „ 
Porvers» zu JLpJe. ^0? "T ''" •** *" *" 



" 






6 I. Anamnese und Symptomatologie. 

jedoch stets in dem Augenblick im Stiche läßt, wenn er sie 
am notwendigsten braucht, nämlich in der Gegenwart des 
Weibes. 

Es wird auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen, 
daß manche der oben angeführten Typen in die Impotenz 
eingereiht wurden, doch muß, in der Theorie wenigstens, 
daran festgehalten werden, daß der gesunde Mann seiner 
Potenz im gegebenen Falle sicher sein muß. Ist doch der 
Koitus eigentlich ein Rückenmarksakt, bei dem die Betätigung 
der Phantasie möglichst ausgeschaltet werden sollte. 

a) Organische Symptome. 

Nicht alle Patienten mit Störungen der Potenz, die uns 
aufsuchen, fallen gleich mit der Tür ins Haus, sondern sie 
bringen uns, teils absichtlich, teils unabsichtlich, anderweitige 
Klagen vor, aus denen der Kenner erst Störungen der Potenz 
erschließen muß. Hieher gehören die Klagen über Schlaflosig- 
keit, über Beschwerden von Seiten des Herzens, über Magen- 
und Darmstörungen, namentlich habituelle Obstipation, mannig- 
fache Harnbeschwerden (Brennen während und nach der 
Miktion, Nachträufeln), verschiedenste periodisch auftretende, 
meist juckende Hautkrankheiten, gelegentlich auch Juckreiz 
ohne sichtbare Dermatosen, Kopf- und Rückenschmerzen, 
Augenflimmern, Ohrensausen; kurz der ganze neurasthenische 
Symptomenkomplex wird vom Patienten abgeleiert. Auffallend 
daran und zugleich ein Hinweis auf die nicht organische 
Veranlassung dieser Beschwerden ist entweder das völlige 
Fehlen von objektiv nachweisbaren Symptomen oder das krasse 
Mißverhältnis zwischen diesen und den subjektiv oft sehr 
bedeutenden Beschwerden. Der Arzt, der sich mit Freuds 
epochemachenden Arbeiten auf dem Gebiet der Neurosenlehre 
vertraut gemacht hat, weiß, daß jede nicht organisch be- 
gründete Beschwerde des Patienten für ihn den strikten An- 
laß bildet, sich mit dessen Sexualfunktion eingehend zu be- 
schäftigen. Wenn in herkömmlicher Weise ein Patient nach 






a) Organische Symptome. 7 

eingehender Untersuchung vom Arzte den Bescheid erhält: 
„Ihnen fehlt ja nichts, alle Ihre Organe sind gesund, Ihre 
Beschwerden sind rein nervös", so ist dem Patienten damit, 
eigentlich nur sehr wenig gedient. Gar mancher sagt darauf 
in der oder jener Form: „Es wäre mir lieber, ich hätte ein 
organisches Leiden und keine Beschwerden, ich wäre besser 
daran als jetzt, da ich angeblich gesund bin und unaufhörlich 
leide." Außerdem hat der Arzt in diesem Falle das be- 
schämende Gefühl, dem Patienten nicht helfen zu können, 
denn er weiß ganz gut, daß alle die vielen Prozeduren, die 
er in solchen Fällen zu verordnen pflegt, von den Medika- 
menten nicht zu sprechen, entweder gar keinen oder nur 
einen vorübergehenden Erfolg haben, meistens nur so lange, 
als die vom Arzte ausgehende suggestive Beeinflussung des 
Patienten dauert. Nach einiger Zeit versagt diese, der ge- 
quälte Kranke geht zu einem anderen Arzt, worauf sich das 
liebliche Spiel mit Grazie wiederholt. Ist der Patient auf 
diese Weise einigemal enttäuscht worden, so kommt er auf 
die Idee, überhaupt, unheilbar zu sein und ein geheimes Leiden 
zu besitzen, da er sich nicht gut vorstellen kann, daß es 
Beschwerden ohne organische Veranlassung gebe. Man be- 
merkt auch stets bei Patienten dieser Art eine gewisse Re- 
signation, die nicht frei ist von einer Geringschätzung des 
Arztes und der gesamten medizinischen Wissenschaft, die 
seiner Ansicht nach seinem Leiden noch nicht gewachsen 
ist. Der Arzt, der sich die Freudsche Auffassung zu eigen 
gemacht hat, ist in einer weit glücklicheren Lage als der- 
jenige, der mit den psychoanalytischen Gesichtspunkten nicht 
vertraut ist. Er geht zielbewußt auf die eigentliche Krankheits- 
ursache los, stellt präzise Fragen nach dem Sexualleben des 
Patienten und kann stets von neuem wieder die Erfahrung 
machen, daß er dabei einen Punkt berührt, an den keiner 
seiner Vorgänger gedacht oder den er höchstens nur kurz ge- 
streift hat. Und wenn er auch nicht stets die Genugtuung er- 
fährt, gleich im ersten Augenblick alles vom Patienten zu er- 
fahren, bei dem ja die üblichen Widerstände eine sofortige. 






8 I. Anamnese und Symptomatologie. 

freie Aussprache nicht zulassen, so erkennt er doch an dem 
Benehmen des Patienten, daß er den Nagel auf dem Kopf ge- 
troffen hat. Der Patient hinwiederum, der schon nahe am 
Verzweifeln war, gewinnt neue Zuversicht, da er den gefühls- 
mäßigen Eindruck hat, daß eine nach solchen ganz neuen Ge- 
sichtspunkten geleitete Behandlung ihm endlich Heil und Ge- 
nesung bringen werde. 

Hat der Arzt einmal das Vertrauen des Patienten ge- 
wonnen, so bringt dieser bereitwillig immer neues Material 
als Stütze für eine sexuelle Ätiologie seiner Krankheils- 
symptome. Das ist auch sehr notwendig, denn der Patient 
ist beim besten Willen nicht in der Lage, bei einer kurzen 
erstmaligen Besprechung sich an alles zu erinnern, was in 
dieser Hinsicht von Belang ist. Gar viele Ärzte, die von der 
neuen Wissenschaft etwas läuten gehört haben und auch 
modern sein wollen, erhalten auf die schüchtern gestellte 
Frage, ob in sexueller Hinsicht alles in Ordnung sei, häufig 
beruhigende Auskünfte und registrieren gewissenhaft: „In 
sexualibus nicht abnorm", schalten also bei dem betreffenden 
Falle die sexuelle Ätiologie aus. Daß bei dieser oberflächlichen 
Methode Fehldiagnosen auf der Tagesordnung stehen, braucht 
nicht erst bewiesen zu werden. Nur dem mit der Methode 
und Technik der Psychoanalyse Vertrauten wird es gelingen, 
des erforderlichen Materials habhaft zu werden und die nicht 
immer einfachen Zusammenhänge aufzudecken. 

b) Psychische Symptome. 

Die soeben besprochenen organischen Masken weisen 
immerhin noch Merkmale auf, die den Zusammenhang mit 
Störungen der Sexualfunktion auch dem minder Geübten ver- 
raten können. Anders steht es mit den psychischen Ver- 
kleidungen, unter denen diese Störungen aufzutreten pflegen. 
Allerdings wird der erfahrene psychoanalytisch geschulte 
Arzt, schon wenn er die Tür zu seinem Wartezimmer öffnet, 
in dem Gesichtsausdruck der draußen Harrenden lesen können. 






^- 



^ 



b) Psychische Symptome. y 

Er wird Schüchternheit, Kleinmut, Zerfahrenheit, Zweifel, 
Angst, Melancholie in allen ihren Schattierungen vorfinden. 
Die Unzulänglichkeit der Sexualfunktion tritt eben je nach 
dem Temperament des Menschen in den verschiedensten 
psychischen Formen zutage. Aber allen Patienten gemein- 
sam ist das Gefühl der Minderwertigkeit, allen gemein- 
sam auch das Gefühl, mit ihrer Krankheit vereinzelt zu sein. 
Der Grund hiefür ist, daß alle, die sich so minderwertig 
fühlen, ihren Zustand streng geheimhalten, so daß einer 
vom anderen nichts erfährt. Wie erstaunt und zugleich einiger- 
maßen beruhigt sind diese Unglücklichen schon, wenn man 
ihnen allen Ernstes versichert, daß sie sehr viele Genossen 
ihres Leidens haben. Allen gemeinsam ist die Neigung zur 
Hypochondrie, da sie sich aus ihren vielseitigen Sym- 
ptomen die mannigfachsten Leiden konstruieren. Patienten 
dieser Art halten sich stets für schwer krank, meist für 
rückenmarkleidend, und viele von ihnen sind sicher, einer 
Psychose zu verfallen. Zu den inneren Motiven dieser Er- 
scheinung tritt als äußere Veranlassung die allenthalben leicht 
zugängliche pseudowissenschaftliche Literatur, die die Folgen 
sexueller Ausschweifungen in den schwärzesten Farben schil- 
dert. Jeder ist sich im geheimen dieser Ursache seines Leidens 
wenigstens teilweise bewußt und glaubt nun, einem traurigen 
Schicksal entgegenzugehen. Der Patient ist ja überzeugt, daß 
sein ganzes Leiden die Folge der vielen eingebildeten Sünden 
ist, die er seit frühester Jugend begangen hat. Er weiß nicht, 
daß er sich damit in einer großen Gesellschaft befindet und 
daß ihn nicht das „Vergehen" an sich krank gemacht hat, 
sondern die besondere Wirkung, die es auf ihn übte. Wir 
werden in den folgenden Kapiteln sehen, daß dieses „Ver- 
gehen" bei weitem nicht die Bedeutung besitzt, die ihm von 
den Patienten und leider auch noch immer von vielen Ärzten 
zugeschrieben wird. Gleichwohl wird es nicht unangebracht 
sein, das Onanieproblem an dieser Stelle zu erörtern 1 ). 

i) Vgl. „Die Onanie". 14 Beiträge zu einer Diskussion der Wiener 
Psychoanalylischen Vereinigung (Bergmann, Wiesbaden 1912). 






lü I. Anamnese und Symptomatologie. 

Die Onanie tritt eigentlich als eine physiologische Sexual- 
betätigung von der frühesten Kindheit bis etwa zum fünften 
Lebensjahre in Erscheinung und setzt in der Pubertätszeit 
neuerlich ein. In der Zeit vom fünften Lebensjahre bis zur 
Pubertät („Latenzzeit") wird sie normalerweise nicht geübt. 
Von der infantilen Onanie und ihrer Bedeutung für die indi- 
viduelle Sexualentwicklung wird später die Rede sein. Hier 
soll nur vorweggenommen und ausdrücklich betont werden, 
daß trotz der häufigen gegenteiligen Einstellung der Eltern 
und Pädagogen die Onanie an sich weit weniger Schaden 
stiften kann, als ihre gewaltsame Unterdrückung. Als relativ 
unschädlich! kann man jene Onanie bezeichnen, die nach der 
Art ihrer Betätigung den normalen Geschlechtsakt, imitiert 
und zum Inhalt ihrer Phantasien das normale Sexualziel hat. 

Als schädlich kann man folgende Abweichungen vom 
geschilderten Typus ansehen: 

1. Ungewöhnlich lange Dauer der Onanie. In diesem Falle 
wird sie auch während der Latenzzeit nicht unterbrochen, oft 
auch durchs ganze übrige Leben für sich allein oder neben 
der normalen geschlechtlichen Betätigung fortgesetzt. 

2. Onanie an einer Stelle, die nicht der normalen „Leit- 
zone" entspricht, also nicht an der Eichel oder am Schaft 
des Gliedes erfolgt, sondern an der Peniswurzel, am Hoden- 
sack, durch Quetschen des Gliedes zwischen den Ober- 
schenkeln usw. 

3. Ersatz der die Onanie begleitenden Koitusphantasien 
durch masochistische, anale, urethrale und andere nicht geni- 
tale Phantasien. 

4. Onanie, deren Betätigung mit starkem Schuldgefühl 
einhergeht, dessen Herkunft später besprochen werden soll. 

Onanisten vom zuletzt geschilderten Typ leiden unter 
allerhand quälenden Vorstellungen, so ist z. B. oft die bei 
vielen Patienten vorhandene Meinung, durch fortgesetzten Miß- 
brauch eine Verkleinerung der Genitalien herbeigeführt zu 
haben, eine Quelle des sexuellen und allgemeinen Minder- 
wertigkeitsgefühles. Das Bewußtsein, ein geheimes Laster zu 






_ 



b) Psychische Symptome. 



11 



treiben, das einem jeder leicht von den Augen ablesen könne, 
ist eine der häufigsten Ursachen der Schüchternheit und 
Menschenscheu. Um nicht entlarvt zu werden, gelangen 
sie schließlich dahin, den Menschen überhaupt auszuweichen, 
wobei als kleiner Nebengewinn die weitere ungestörte Aus- 
übung ihres Lasters resultiert. Ferner- wird der ewige Kampf 
gegen die eingewurzelte Übung durch seine Aussichtslosigkeit 
zur Quelle von Unsicherheit und Energielosigkeit. Ander- 
seits wird gelegentlich der mit übermenschlicher Kraft er- 
zielte Bruch mit der alten lieben Gewohnheit zur Veran- 
lassung der Angst. Ist der Patient durch soziale Umstände 
genötigt, sich selbst zu überwinden und den Verkehr mit 
der Umwelt aufrechtzuerhalten, so gerät er durch Über- 
kompensation leicht in den Anschein, einen Trotz und ein 
Selbstbewußtsein zu besitzen, die ihm innerlich vollkommen 
fremd sind. Es ist klar, daß er auch diese schwierige Rolle 
nur mit seelischen Schädigungen durchführen kann. Eine Zeit- 
lang mag dies gelingen; er wird die nur ihm bekannten Mängel 
durch übertriebene Pedanterie, Ordnungsliebe, Rechtlichkeit, 
und ethische Betätigung wettzumachen suchen. Auf die Dauer 
aber vermag auch die größte Selbstbeherrschung den schließ- 
lichen Zusammenbruch nicht aufzuhalten. Diese wenigen Bei- 
spiele mögen zeigen, wie mannigfaltig die Masken sind, unter 
denen die gestörte Sexualität ihr wahres Gesicht verhüllen kann. 






II 



Ätiologie. 

Es scheint auf den ersten Blick nicht sehr aussichtsvoll, 
die unter dem Namen der psychischen Impotenz zusammen- 
gefaßten Zustände ätiologisch zu differenzieren. Wir werden 
als vorläufige Ätiologie, um uns möglichst allgemein auszu 
drucken, die mit unserem Kulturlehen zusammenhängenden 
Schädlichkeiten hinstellen müssen, die von Jugend auf die 
sexuelle Entwicklung beeinflussen. Da wir nun wissen, daß 
— wenigstens eine Zeitlang — fast alle Menschen diesen 
Schädlichkeiten in größerem Maße unterworfen sind, ernst- 
liche Schädigungen der Potenz aber nur bei einem Teile vor- 
kommen, so bleibt nichts übrig, als eine besondere Dispo- 
sition bei diesem Teile der Menschheit anzunehmen. 

Wenn wir nun unsere Patienten auf diese Disposition 
hin ansehen, können wir sie zwanglos in drei Kategorien 
gruppieren: je nachdem, ob die Disposition 1. angeboren, 
2. in der frühesten Kindheit oder 3. erst im Verlauf 
des späteren Lebens erworben wurde. Die erste Gruppe 
unserer Patienten ist gewiß schon von Geburt an minderwertig. 
Inwiefern dabei die Heredität mitspielt, ist nicht leicht fest- 
zustellen, doch war ich in einer größeren Zahl von Fällen in 
der Lage, Syphilis der Eltern entweder nachzuweisen oder 
aus Folgekrankheiten zu erschließen. Die Minderwertigkeit 
zeigt sich im gesamten Habitus (Schwächlichkeit, Neigung 
zu Rhachitis, adenoiden Vegetationen im Nasen-Rachenraum, 
habitueller Obstipation, einer ungewöhnlich langen Dauer der 



^m 



II. Ätiologie. 



13 



Enuresis noct. usw. 1 ). Späterhin sind die Knaben schwächlich, 
zeigen bei sonst gut entwickelter Intelligenz nicht die gewöhn- 
liche Lebhaftigkeit ihrer Altersgenossen, meiden die wilden 
Spiele derselben., zeigen mit einem Worte Charakterzüge, die 
sich dem weiblichen Typus nähern. Merkwürdigerweise ver- 
raten diese in so mancher Hinsicht zurückgebliebenen Menschen 
deutliche Symptome von sexueller Frühreife. Was dar- 
unter zu verstehen ist, läßt sich schwer wissenschaftlich aus- 
drücken, doch müssen wir uns nach dem heutigen Stande, 
der Wissenschaft vorstellen, daß diese Frühreife in Störungen 
der innersekretorischen Verhältnisse ihre Begründung findet 2 ). 
Diese Störungen regen die noch unentwickelten Genitalorgane 
zu einer vorzeitigen Funktion an, die im Mißverhältnis zu 
ihrer anatomischen Entwicklung steht. Sie allein können uns 
eine befriedigende Erklärung für den Typus des kindlichen 
Sexualneurasthenikers geben, der vom normalen Kinde 
so verschieden ist. Es ist weiterhin klar, daß die durch vor- 
zeitige innere und auch äußere Reize erschlafften Keimdrüsen 
des Neurasthenikers auch in der Pubertät ein von der Norm 
abweichendes Verhalten aufweisen. Tritt der normale Orga- 
nismus in die Pubertät ein, so vollzieht sich eine fast plötz- 
liche Hypertrophie eines bis dahin nahezu rudimentären 
Organs; beim Neuras theniker erfolgt die Entwicklung mehr 
verlangsamt, während wir den normalen Menschen fast über 
Wacht reif werden sehen. Der Neurastheniker war nie ein 
Kind, er wird auch nie ein Mann. Die Pubertät ist bei ihm 
gewissermaßen protrahiert (verlangsamtes Wachstum der 
Scham- und Barthaare, verlangsamtes Mutieren usw.), die 
Flegeljahre dauern bei ihm länger, er ist empfindlich und reiz- 
bar, ein Kind mit den Allüren, Begierden und Neigungen 
eines Mannes. Die chronisch hyperämisierten Genitaldrüsen 
des Neurasthenikers versagen auch in der Pubertätsperiode so- 
wohl in b ezug auf die Funktion, als auch in bezug auf die 

!) Vgl. Alfred Adler, „Studie über die Minderwertigkeit von Organen" 
(Urban & Schwarzenberg, Wien-BerUn 1907). 
2 ) Biedl, „Innere Sekretion", 1910. 



14 U. Ätiologie. 

Hormonenbildung. Es ist nach diesen Voraussetzungen ohne- 
weiters klar, daß in solchen Fällen Schädlichkeiten früher auf- 
treten und auch eine größere Wirkung haben müssen als 
in normalen 1 ). 

Bei der zweiten Kategorie von Patienten sind die Be- 
dingungen, die zur Impotenz führen, in frühester Kind- 
heit, bei den Patienten der dritten Kategorie erst nach Ein- 
tritt der Pubertät erworben. Zwischen diesen beiden 
Kategorien besteht aber kein prinzipieller Unterschied, dem) 
die beiden Formen differieren nur ätiologisch, nicht aber 
klinisch. Wir sind tatsächlich berechtigt, die erste Kindheit 
— wir verstehen darunter das Alter bis zum 5. bzw. 6. Lebens- 
jahr — als eine besondere Epoche in sexueller Hinsicht zu 
betrachten, wie die Untersuchungen in Freuds „Abhandlungen 
zur Sexualtheorie" beweisen. Die Eindrücke aus dieser Zeit 
sind ja, wenn sie auch späterhin in unserem bewußten Denken, 
eine auffallend geringe Rolle spielen, ausschlaggebend für 
unsere ganze fernere Entwicklung und ganz besonders in 
sexueller Hinsicht. Jedenfalls bekommt der Geschlechtstrieb 
der meisten Menschen in dieser Epoche Form und Rich- 
tung. 

Da wäre zunächst der autoerotischen Betätigungen des 
Säuglings zu gedenken, der nicht nur aus den der Nahrungs- 
aufnahme und den Ausscheidungsvorgängen dienenden, son- 
dern auch aus allerhand aktiven und passiven Muskelaktionen 

*) Psychoanalytische Untersuchungen von Freud, Abraham, Sadger 
und vielen anderen haben ergeben, daß ein gewisser Teil dieser Erscheinungen 
auf frühinfantile Erlebnisse und spezielle Bedingungen der Sexualentwick- 
lung zurückzuführen ist. So wird z. B. die dispositionell gegebene Enuresis 
noctura gesteigert und festgehalten, wenn sie sich in den Dienst gewisser 
infantiler Wünsche stellt. Ferner haben die neuesten Untersuchungen Freuds 
über die Entwicklung des Charakters ergeben, daß die weibliche Haltung von 
Knaben durch fehlerhafte psychische Identifizierung entstehen kann. (Vgl. 
Aus der Geschichte einer infantilen Neurose, Ges. Sehr., Bd. VIII, 
und Das Ich und das Es, Ges. Sehr., Bd. VI.) Man wird also daran denken 
müssen, daß auch die vererbte Disposition Anhaltspunkte in der individuellen 
Entwicklung braucht, um sich entfallen zu können. 



IL Ätiologie. -je 

(Lutschen, wiegenden Bewegungen des Kopfes, rhythmischem 
Zusammenpressen der Beine, Schaukeln der Wiege usw.) und 
aus den mit der Pflege zusammenhängenden Manipulationen 
(Bädern, Irrigationen, Reinigung nach Harn- und Stuhl- 
entleerung) einen Lustgewinn zu ziehen weiß. Diese prä- 
genitalen Lustakte sind, wemi das Kind sich ungestört 
entwickelt, das Vorspiel zur infantilen genitalen Onanie, eine 
notwendige Etappe der kindlichen Sexualentwicklung und von 
großer Wichtigkeit für die Etablierung des „Primats der 
Genitalzone" 1 ), das ums 1 bis 5. Lebensjahr, nicht, wie 
ursprünglich angenommen, erst in der Pubertät zustandekommt. 
Dieser normale, gesetzmäßige Ablauf der kindlichen Geni- 
talitäl kann unter gewissen Umständen eine Hemmimg im 
Sinne einer Fixierung auf der prä genitalen Stufe er- 
fahren, z. B. durch übermäßige Beachtung der analen und 
urethralen Funktionen des Kindes, durch allzu intensive Pflege- 
und therapeutische Maßnahmen, durch Zärtlichkeitsbezeigun- 
gen, die den betreffenden Körperteilen oft nur allzu liebreich 
zugedacht werden, endlich aber auch durch rohe Behandlung 
des Kindes wegen urethraler und analer Vergehen. Es ist 
wohl ohneweiters klar, daß die gewaltsame Unterdrückung 
dieser beim Kinde lustbetonten Funktionen in ihrer Trag- 
weite der gewaltsamen Unterdrückung der genitalen Onanie 
gleichzusetzen ist. Solche auf prägenitaler Stufe in ihrer 
Sexualentwicklung gehemmten Kinder gehören, wenn sie bei 
entsprechender Disposition impotent werden, zu jenem ganz 
bestimmten schweren Typ von Neurotikern analen, femininen, 
masochistischen Charakters 2), die, wie wir später sehen 
werden, auch bei sorgfältiger Behandlung schlechte Chancen 

i) Freud, Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, 5. Aufl., 1922 (Verlag 
F. Deuticke) und 
Ferenczi, Versuch einer Genitaltheorie. Int. Psychoan. Verlag 1924. 

2) Vgl. Abraham, Ejaculatio praecox. Internat. Zeitschr. f. Psycho- 
analyse, IV, 1917, und 

Reich, Über die chronische hypochondrische Neurasthenie. Internat. 
Zeitschr. f. Psychoanalyse, Bd. XII, 1926. 



Iß IL Ätiologie. 

haben, geheilt zu werden. Denn sie haben, wenn es auch 
durch die Analyse gelingt, ihre libidinösen Strebungen frei- 
zumachen, keine Aussicht, sie zu realisieren. 

Wir wollen uns nun mit den weiteren Schicksalen be- 
schäftigen, die der Libido des Kindes durch die Beziehungen 
zu seiner Umgebimg (Eltern, Geschwistern, Erziehern) er- 
wachsen können, und sind damit bei dem wichtigsten Motiv, 
sozusagen dem Motiv par excellence, der psychischen Im- 
potenz angelangt, nämlich bei dem Inzestmotiv. Wir ver- 
stehen darunter die Fixierung der kindlichen Libido an Eltern, 
Geschwistern und anderen Personen der Umgebung, die dem 
Kinde als Stellvertreter blutsverwandter Personen imponieren 
können. Das Kind kennt nämlich keinen Unterschied bei seinen 
Sympathiebezeigungen, es vermag zwischen den zwei Formen 
von Liebe, die sich beim Erwachsenen als Sexualgefühl einer- 
seits, als ideale Liebe anderseits differenzieren, noch nicht zu 
unterscheiden. Das Kind kennt nur einen Wunsch, das ge- 
liebte Objekt zu besitzen, ob es sich nun um eine Sache oder 
eine Person handelt, und es betrachtet demgemäß alles, was 
sich diesem Bestreben entgegenstellt, als einen schweren Ein- 
griff in seine Rechte. Es ist daher sowohl seine Neigung zum 
geliebten Objekt als die Abneigung gegen den Störer seines 
Liebesglückes mit schweren Affekten besetzt. Das erste Objekt 
der Liebe ist notwendigerweise für jeden Knaben zunächst, 
die Mutter, die ihn mit großer Zärtlichkeit nährt, pflegt und 
schützt, und demgemäß gehört auch ihr seine ganze Neigung. 
Er will sie voll und ganz für sich haben. Tritt da zunächst 
der Vater als Nebenbuhler um die Liebe der Mutter auf den 
Plan — und die instinktive Eifersucht des Kindes sieht in ihm 
bald den begünstigten Nebenbuhler — , so ist die nächste Folge 
eine starke affektive Abneigung gegen den vermeintlichen 
Störer seines Glückes, die sich bis zum Vaterhaß steigern 
kann. Diese Konstellation erinnert an das Motiv der Ödipus- 
sage, in welcher bekanntlich der Sohn den Vater tötet und 
die Mutter heiratet. Auf einer späteren Altersstufe gelangt das 
Kind durch Kultur- und Erziehungseinflüsse zur Erkenntnis, 



IL Ätiologie. 17 

daß seine bisherige Einstellung zu den Eltern eine unrichtige 
gewesen sei, und hebt die ursprüngliche, ausgesprochen sinn- 
liche Neigung zur Mutter auf das höhere Niveau der konven- 
tionellen Kindesliebe. Seine sinnlichen Gefühle lernt er in 
Hinkunft anderen Objekten zuwenden, bei denen er mit den 
herrschenden Moralgesetzen nicht in Kollision gerät. Dies 
ist der normale Vorgang. Andere Individuen aber bringen das. 
nicht ohneweiters zustande. Wenn der Moment gekommen 
ist, ihre sinnliche Neigung von der Mutter abzulösen, 
so bringen sie das nur in der Weise zustande, daß sie 
ihre gesamte Liebesfähigkeit zugleich mit aufgeben 
müssen und sozusagen das Kind mit dem Bade ausschütten. 
Sie haben wohl die erotische Neigung zur Mutter verdrängt, 
aber zugleich auch ihre ganze Sexualität 1 ). Dies ist das ge- 
wöhnliche Paradigma für die Entstehung der psychischen 
Impotenz auf Grund infantiler Sexualeindrücke. Was von der 
Mutter gilt, muß man natürlich mutatis mutandis auf die 
Schwester anwenden; allerdings ist sehr oft die Neigung 
zur Schwester schon etwas Sekundäres und bedeutet eigent- 
lich einen Ersatz des anstößigen Inzests durch einen weniger 
anstößigen. Anderseits ereignet sich auch der Fall, daß das 
gänzliche Fehlen der Schwester oder ein großer Altersunter- 
schied, der praktisch so ziemlich dasselbe bedeutet, für den 
Knaben späterhin zum Verhängnis werden kann. Denn dieser 
Mangel scheint mir oft die Veranlassung dafür abzugeben, daß 
die Patienten auch im späteren Leben nicht das richtige Ver- 
hältnis zum Weibe finden. Das Weib wird für sie schon in 
jungen Jahren zum Mysterium. Sie gelangen demnach nie- 
mals zu seiner richtigen Einschätzung, sondern stets zur 
Über- oder Unterschätzung des anderen Geschlechtes. Für 
sie ist das Weib entweder eine Heilige oder eine Dirne. 

!) Manche Patienten gehen nicht so weit, sondern wenden sich bloß 
von dem Weibe ab und dem Manne zu. Als unbewußtes Motiv dieser 
Flucht in die Homosexualität findet sich in der Analyse gewöhnlich 
eine schwere Enttäuschung, die in früher Kindheit an der Mutter erlitten 
wurde (Freud, Sadger). 

Steiner, Die psychischen Störungen. 3. Aufl. 2 



lg IL Ätiologie. 

Bei der Entstehung der Impotenz durch inzestuöse 
Fixierung kommt noch ein zweites Motiv in Betracht, dem 
Freud und seine Schule die gleiche ätiologische Bedeutung 
für die Entstehung der Neurose überhaupt beimessen wie dem 
Inzestmotiv. Der Knabe, der die Mutter begehrt und den Vater 
als Nebenbuhler haßt, produziert Phantasien mit dem Inhalt, 
ihn zu beseitigen 1 ). Aus diesen beiden Strebungen, dem Inzest- 
wunsch, der sich auf die Mutter, und dem Todeswunsch, 
der sich gegen den Vater richtet, resultiert die Angst, dafür 
bestraft zu werden. Das Organ, an dem die Strafe vollzogen 
werden soll, ist das Genitale. Die Analysen von Neurotikern 
zeigen, warum die Angst sich gerade auf dieses Organ kon- 
zentriert. Das Kind macht nämlich, wie schon früher erwähnt, 
im kritischen Alter zwischen dem 3. und 5. Lebensjahre eine 
Phase genitaler Masturbation durch. Diese entspringt lokalen, 
physiologischen Reizen, wird aber vorwiegend durch die Inzest- 
phantasien, die sie begleiten, fixiert. Mit der genitalen Onanie 
verbindet sich das Schuldgefühl aus dem Inzestkomplex. 
Dieses in Verbindung mit dem Verhalten unvernünftiger Eltern, 
die dem Kinde, wenn sie es bei der Onanie ertappen, mit Ab- 
schneiden des Gliedes, Abhacken der Hände oder anderen 
Gewaltmaßnahmen drohen, legt zunächst den Grund zu der 
so folgenschweren Kastrationsangst. Dadurch, daß die 
Kastrationsdrohung vom mächtigen und gefürchteten Vater 
ausgeht und auf ein bereits vorhandenes Schuldgefühl stößt, 
verstärkt sich die Angst um den Verlust des Gliedes noch ganz 
besonders. Behalten solche Knaben die Fixierung an die 
Mutter noch über die Pubertät hinaus, so werden sie auch 
die Kastrationsangst nicht los. Als Impotente zeigen sie dann 
charakteristische Haltungen. Sie begehren verheiratete Frauen, 
schrecken aber, wenn sie Entgegenkommen finden, davor 
zurück, die letzte Konsequenz zu ziehen. Dagegen sind sie 
gelegentlich imstande, ihre Sinnlichkeit bei der Dirne zu be- 
friedigen, weil hier die Inzestscheu nicht in Betracht kommt * J ). 

i) Vgl. hiezu Freud, Totem und Tabu. Ges. Sehr., Bd. X. 

s ) Freud konnte jedoch zeigen, daß unter gewissen Bedingungen auch 




i* 



IL Ätiologie. 



19 



Als Abkömmlinge der Kastrationsangst, finden sich ferner 
nicht selten bei später impotent Gewordenen Ekel und Ab- 
scheu vor dem Koitus überhaupt, übertriebene Angst vor In- 
fektionen (Syphilidophobie), religiöse und moralische Hem- 
mungen u. a. m. 

Kastrationsangst kann nach Freud auch ohne vorange- 
gangene Kastrationsdrohung Zustandekommen, und zwar auf 
folgende Weise: Der Knabe schreibt, ehe er an Schwestern 
oder Gespielinnen den Geschlechtsunterschied wahrgenommen 
hat, gewöhnlich auch dem weiblichen Geschlecht den Besitz 
eines Penis zu, und erschrickt über den vermeintlichen Defekt, 
wenn er das weibliche Genitale zum erstenmal erblickt. Sehr 
häufig entsteht dadurch bei ihm die Ansicht, daß dem Mädchen 
das Glied weggeschnitten worden sei, weil es „schlimm" war, 
d. h. ebenso mit dem Gliede gespielt habe wie er. Charakte- 
ristische Haltungen mancher Impotenter entsprechen diesen 
frühinfantilen Eindrücken. Sie empfinden auf Grund ihrer 
unbewußten Vorstellungen 1 ) beim Anblick der weiblichen Ge- 
schlechtsteile Unlust, Abscheu wie vor einer offenen Wunde, 
aber auch eine unerklärliche Angst, die sie von einer An- 
näherung abhält, wie wenn in der weiblichen Scheide etwas 
Gefahrbringendes sei, das etwa nach dem Gliede schnappe. 
Die Angst vor dem weiblichen Genitale kulminiert gelegent- 
lich in der Vorstellung einer „vagina dentata", die das Glied 
abbeißen könnte 9 ). 

Inzestscheu und Kastrationsangst sind somit die 
wesentlichsten Motive der Impotenz. Gelegentlich sind sie 

bei der Dirne die Inzestscheu ihre hemmende Wirkung entfalten kann. Vgl. 
Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens II. Ges. Sehr., Bd. V. 

i) Die Idee, daß die Frau kastriert sei, wird in manchen Fällen durch 
ein unbewußtes Festhalten an der Überzeugung, daß sie doch ein Glied habe, 
wettgemacht. Diese Vorstellung, die sich gelegentlich auch im Traume durch- 
setzt, erweist sich natürlich auch als Hemmung beim Verkehre. 

2 ) Als Pendant hiezu findet sich bei frigiden Frauen der unbewußte 
Wunsch, das Glied des Mannes bei sich zu behalten, ein Wunsch, der im 
Vaginismus körperlich in Erscheinung tritt. 

2* 



20 



II. Ätiologie. 



aber nicht direkt als Hemmung wirksam, sondern machen sich 
in der Weise geltend, daß durch sie Triebkräfte geweckt werden, 
die mit der genitalen Strebung erfolgreich konkurrieren. So 
fungieren als Hemmungen auch verdrängte homosexuelle 
Regungen, koprophile Neigungen usw., in der frühesten Kind- 
heit erlebte Attentate, deren Opfer der Patient geworden ist, 
selbst Attentate, die in Wirklichkeit nie stattgefunden haben, 
sondern erst unter dem Einflüsse von während der Pubertät 
empfangenen Eindrücken in die Kindheit projiziert worden sind. 

Die Patienten selbst sind sich dieses Mechanismus 
nicht bewußt; im Gegenteil schieben sie gerne aktu- 
elle Momente in den Vordergrund und wollen diesen 
die ganze Schuld an ihrem Leiden beimessen. Hieher 
gehört die große Armee derjenigen, die aus Furcht vor In- 
fektion, aus Mangel an Gelegenheit, aus falsch verstandener 
Ethik zu den abenteuerlichsten Surrogaten des normalen Koitus 
getrieben werden. Hieher gehören die Verlobten, die lange Zeil 
abstinent sind, dagegen sich allen frustranen Erregungen 
hingeben, die Ehemänner, die aus Angst vor Nachkommen- 
schaft dem Coitus interruptus huldigen, ferner die Opfer allzu 
anspruchsvoller Gattinnen ebenso gut wie die, die das Malheur 
haben, auf eine natura frigida zu stoßen; viele junge Leute 
der guten Gesellschaft, die aufregende Verhältnisse mit Demi- 
viergen unterhalten, endlich die Opfer der modernen Abstinenz- 
bewegung: kurz alle diejenigen, die der Natur in weitem 
Bogen aus dem Wege gehen. Doch muß man nochmals be- 
tonen, daß die angeführten Motive nur scheinbar als letzte 
Ursachen der eingetretenen Potenzstörung anzusehen sind. Ein 
genaues Eingehen auf den Fall wird stets zeigen, daß auch 
bei den scheinbar aus nur aktuellen Anlässen Erkrankten 
Zusammenhänge mit den früher erwähnten infantilen Kom- 
plexen unschwer nachzuweisen sind. 

Wie kommt es nun, daß anscheinend normale Lebens- 
bedingungen, die ja in der Entwicklung jedes Menschen vor- 
zufinden sind, bei manchen zur Entstehung der psychischen 
Impotenz führen, während die meisten Menschen trotz alle- 






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II. Ätiologie. 



21 



dem von diesen Schädlichkeiten unberührt bleiben und im 
entsprechenden Moment auch ihr normales Sexualziel er- 
reichen? — Wir müssen ja annehmen, daß die große Masse 
derer, die da leben und lieben, ohne jemals ärztlichen Bei- 
stand aufzusuchen, aus allen Schäden der Kinderzeit — auch 
aus dem Inzestkomplex — , auch aus allen Schäden der 
Pubertät heil hervorgegangen sind. Bei den Patienten, die 
wir in die erste Kategorie eingereiht haben, also bei den 
von Geburt an Minderwertigen, ist es ohne weiteres klar, 
daß sie den Anforderungen auch des normalen Sexual- 
lebens nicht gewachsen sind. Sie vertragen nicht die von 
den Normalen anstandslos geübte Masturbation, sie vertragen 
ebensowenig den normalen Sexualakt. Die weiblichen Patien- 
ten dieser Kategorie vertragen nicht die physiologische Men- 
struation, auch nicht die Strapazen der Schwangerschaft. 
Während der Sexualakt das normale Individuum befriedigt, 
ja sogar erfrischt, werden die erwähnten Patienten davon in 
mehr weniger hohem Grade alteriert und brauchen Stunden, 
oft Tage, bis sie wieder körperlich und seelisch ins Gleich- 
gewicht kommen. Bis dahin machen sie einen Zustand durch, 
den man nicht anders als neurasthenisch bezeichnen kann 
und für den Ferenczi mit Recht den glücklichen Namen 
„Einlagsneurasthenie" geprägt hat. 

Nicht ohne weiteres aber ist es klar, warum die Patienten 
der zweiten und dritten Kategorie., anscheinend normal 
veranlagte Menschen, durch Einflüsse der Erziehung oder 
stärkere Beanspruchungen sexueller Natur, die ja auch 
anderen Menschenkindern nicht erspart bleiben, insuffizient 
werden. Wir werden eben nicht umhin können, auch für diese 
beiden Kategorien von Patienten eine gewisse Disposition an- 
zunehmen. Nicht so stark allerdings, wie bei den Patienten 
der ersten Kategorie, die schon von Geburt an die Stigmen 
der Minderwertigkeit aufweisen, doch immerhin ausreichend 
genug, um früher oder später die Erkrankung herbeizuführen. 
Allerdings könnte man behaupten: Wären diesen Patienten, bei 
denen wir eine sozusagen leichtere Disposition annehmen, 









22 



II. Ätiologie. 



Schädigungen der genannten Art in der Kindheit erspart wor- 
den, hätten kluge Eltern mit psychologischem Blick nicht durch 
übergroße Zärtlichkeit, gelegentlich auch durch übermäßige 
Strenge, Anlaß geboten, hätten einsichtige Erzieher sich diesen 
meist verschlossenen Naturen liebevoller gewidmet, so wären 
sie sicherlich unversehrt bis an die Pforten der Pubertät ge- 
langt. Leichter wäre es schon gewesen, sie durch die Ge- 
fahren der Pubertät hindurchzubringen, da in dieser Zeit der 
Mensch bereits selbst Verständnis genug hat, um mit einiger 
Nachhilfe aktuellen Schäden auszuweichen. In den Fällen der 
ersten Kategorie bringt die Disposition unter Mithilfe nur ge- 
ringfügiger individueller Erlebnisse das zustande, was in den 
übrigen Fallen den verschiedenen psychischen und physischen 
1 räumen der Kindheit bei nur geringer Disposition gelingt. 
Man wird also Fälle unterscheiden müssen, bei denen der 
Disposition die bestimmende Rolle, den Erlebnissen nur die 
Rolle von Gelegenheitsursachen zuzuschreiben ist, und andere, 
bei denen die frühinfantilen Erlebnisse mit Hilfe einer relativ 
geringen Disposition die Erkrankung verursachen, während die 
Erlebnisse nach der Pubertät bloß als Gelegenheitsursachen zu 
werten sind. So wird man, um eine Analogie aus dem Gebiete 
der organischen Erkrankungen heranzuziehen, bei der Tuber- 
kulose in dem einen Falle dem asthenischen Habitus, in 
anderen Fällen der Infektionsgelegenheit und den sozialen 
Verhältnissen die bestimmende Rolle beim Zustandekommen 
der Krankheit zuschreiben. 









III. 
Diagnose. 

Die Diagnose der psychischen Impotenz an sich unterliegt 
kaum je irgend einer Schwierigkeit. Die Angabe einer mangel- 
haften oder fehlenden Erektion, einer vorzeitigen, verzögerten 
oder ausbleibenden Ejakulation, einer fehlenden orgastischen 
Befriedigung, oder die Angabe des Vorhandenseins von sonst 
kräftigen, aber in der Gegenwart des Weibes versagenden 
fcreküone.i, das absolute Fehlen irgend einer anatomischen 
Anomalie reichen hm, um die Diagnose zu sichern. Sehr 
häufig findet sich als einziges objektives Symptom eine mit 
der Knopfsonde nachweisbare Hyperästhesie des prostatischen 
Teiles der Harnröhre, ohne daß bei der endoskopischen Unter- 
suchung auch nur ein Katarrh dieser Stelle nachzuweisen 
wäre. Es ist ganz gut denkbar, daß diese Hyperästhesie in 
vielen Fallen als rein psychisches Symptom aufzufassen ist, 
als Analogen zur hochgradigen Empfindlichkeit gegen taktile 
Reize, die wir als „Kitzlichkeit" bezeichnen und die ja be- 
kanntermaßen an den verschiedensten Haut- und Schleimhaut- 
l)art,en auftreten kann. Die psychischen Symptome, die uns 
das diagnostische Bild vervollständigen helfen, oft für sich 
allem auf die Spur des Leidens führen, sind Legion Wie 
wir bereits in dem der Anamnese gewidmeten Kapitel dargelegt 
haben, bringen uns die Patienten die Diagnose nicht gerade 
immer auf dem Präsentierteller dar. Sie leiden an allem Mög- 
lichen: an Schlaflosigkeit, Vergeßlichkeit, Zerstreutheit und 
ähnlichen Störungen, die sich bis zur Arbeitsunfähigkeit 
steigern können. Sie erzählen von Kopfdruck, hartnäckiger 
Obstipation, quälendem Harndrang, gehäuften Pollutionen, 



24 



III. Diagnose. 



Parästhesien in Armen und Beinen, Kreuzschmerzen, Augen- 
flimmern, Ohrensausen; sie schildern uns detailliert ihre 
Magen- und Darmbeschwerden (Zungenbelag, Aufstoßen, Blä- 
hungen, Appetitlosigkeit, Schmerzen, die nicht selten eine 
Appendizitis vortäuschen), die man ohne weiteres versucht 
wäre, als selbständige Krankheit aufzufassen, würde nicht bei 
eingehendster objektiver Untersuchung — auch mit Röntgen- 
strahlen — ein absolut negativer Befund resultieren. Man 
untersucht sie nach allen Regeln der Kunst, macht Funk- 
tionsbestimmungen, chemische Untersuchungen des Magen- 
saftes, auch die Rektoskopie wird herangezogen, und man 
muß zum Schluß gestehen, daß man für die Schmerzen, das 
Erbrechen, das „Nichtvertragen" aller möglichen Speisen, so 
gut wie gar keinen Anhaltspunkt findet. Andere Patienten 
wissen von Herzbeschwerden zu erzählen, von Herzklopfen, 
Arhythmie, Schmerzen in der Herzgegend, Beklemmungs- 
gefühlen und stenokardi sehen Anfällen: ein schweres Krank- 
heitsbild, bei dem die eingehende Untersuchung gleichfalls zu 
keinem Ergebnis führt. Es wäre zu weitläufig, alle die Er- 
scheinungen aufzuzählen, die ich in einem früheren Kapitel 
als Masken der Impotenz bezeichnet habe. Allen diesen Zu- 
ständen ist nur das eine gemeinsam, daß die Schwere der 
subjektiven Erscheinungen in einem grellen Mißverhältnis zum 
objektiven Befund steht. In allen diesen Fällen wird man kaum 
je fehl gehen, wenn man mehr weniger schwere Schädigungen 
der Potenz annehmen wird. Allerdings darf man sich nicht 
bei einer oberflächlichen Frage nach der Sexualfunktion, noch 
weniger bei der Antwort des Patienten beruhigen, daß alles in 
Ordnung sei. Die anamnestischen Angaben der Patienten, die 
ja auch sonst nicht immer ganz verläßlich sind, erweisen sich 
in diesem Punkte fast stets als lückenhaft oder entstellt. 
Manchmal mit Absicht, manchmal auch unabsichtlich. Alle 
Beschwerden vertraut der Patient rückhaltlos seinem Arzte 
an, nicht aber die sexuellen. Auch weniger feinfühlige Naturen 
gehen nicht gern auf dieses peinliche Thema ein, da außer 
der konventionellen Prüderie ein instinktives Unbehagen sie 






• 



III. Diagnose. 



25 



davon abhält. Sache des Arztes ist es nun, das Vertrauen 
des Patienten zu gewinnen, ihm entgegenzukommen, sozusagen 
goldene Brücken zu bauen, ihm mit einem Worte das Geständ- 
nis aller dieser peinlichen Dinge leicht zu machen. Er wird 
nicht etwa mit sittlichem Pathos nach sexuellen Verfehlungen 
inquirieren; — die brüske Frage nach der Masturbation z. B. 
wird bekanntlich stets mit einem ebenso brüsken Nein be- 
antwortet. — Er wird im Gegenteil durch ein diplomatisches 
Vorgehen — naturalia non sunt turpia — die Zunge des 
Patienten lösen, sein Herz erleichtern und von ihm in wenigen 
Minuten das erfahren, was dem rücksichtslosen Draufgänger 
nimmer zuteil werden wird. Noch besser ist es, wenn der 
erfahrene Praktiker, ohne eine Frage an den Patienten zu 
stellen und ohne ihn viel reden zu lassen, in wenigen Worten 
das mutmaßliche Krankheitsbild selbst skizziert — auf die 
Gefahr hin, daß das eine oder andere Detail nicht zutrifft. 
Der Patient wird stets aus dem Gesagten etwas herausfinden, 
das bei ihm zutrifft, das Fehlende bereitwillig ergänzen. Man 
merkt an dem Aufleuchten der Augen, daß der Patient glück- 
lich ist, jemand gefunden zu haben, der ihn so gut versteht, 
als ob er ihn schon lange kennte. Er ist auch glücklich, 
jemand gefunden zu haben, mit dem er über die Dinge 
sprechen kann, die er vor allen verbergen mußte und die er 
sich selbst nicht einzugestehen wagte. Er ist kein Ausge- 
stoßener mehr, kein Verbrecher, der das Licht des Tages zu 
scheuen braucht. Das Material strömt dann oft so reichlich, 
wie der Eiter aus einem schon überreifen Abszeß; die Erleich- 
terung tritt in gleicher Weise ein. Hat man auf diese Weise 
einiges über die aktuellen Schäden erfahren, deren sich der 
Patient bewußt ist, so darf man sich freilich auch damit 
noch nicht begnügen. Es ist zwar viel, aber es ist doch erst 
der Anfang. Man wird erstaunt sein, wenn man schon nach 
der ersten Ordination alles zu wissen glaubte, bei jeder fol- 
genden noch weit mehr zu erfahren. Gerade die Fälle, in 
denen der Patient so viel und so bereitwillig erzählt, sind 
offenbar die leichteren. Man darf daher nicht den Fehler 



I 



26 



III. Diagnose. 



begehen, aus dem Umstand, daß nur Weniges und dies wider- 
willig vorgebracht wird, auf einen nicht schweren Fall zu 
schließen. Man kann im Gegenteil erwarten, daß dort, wo 
die größten Widerstände zutage treten, auch schwere psy- 
chische Konflikte zu finden sein werden. Das sind die Fälle,, 
in denen man mit Erfolg nach weit zurückliegenden, bis in 
die allererste Kindheit reichenden Veranlassungen suchen 
wird. 



■ 



--i-;* 



IV. 

Prognose und Therapie. 

Die Prognose richtet sich ganz präzise nach der Ätiologie, 
die wir im voranstehenden aufgestellt haben. Die ungün- 
stigste geben die Fälle der ersten Kategorie, bei denen 
angeborene Umstände als verursachende Momente anzu- 
sprechen sind. Patienten dieser Gattung werden kaum je eine 
absolute Potenz gewinnen, außer wenn sie die Chance haben, 
auf ein Wesen zu stoßen, das durch seine Veranlagung sozu- 
sagen auf sie geeicht ist. Steht ein solcher Patient vor der 
Ehe, so werden wir uns nicht leicht entschließen können, sie 
ihm anzuempfehlen, da wir nicht wissen, ob seine Erwählte 
ihm adäquat ist. Oft genug werden solche Menschen in der 
Ehe erst recht unglücklich. Ich erinnere mich lebhaft an 
einen Herrn, der ein junges hübsches Mädchen, allerdings 
ohne Neigung, heiratete und diesem gegenüber völlig impotent 
war. Gleichzeitig war er aber vollkommen potent seiner Köchin 
gegenüber, von der ich nur weiß, daß sie von geringer Intelli- 
genz, dagegen von energischem Charakter war. Der Patient 
kam in größter Seelenpein zu mir, da die ihm aufgezwungene 
Unaufrichtigkeit gegen seine Frau sowie das Gefühl, sein 
eigenes Haus zu beschmutzen, für ihn höchst deprimierend 
war. Er war sonst völlig gesund, dagegen hereditär belastet, 
ein Bruder von ihm hatte durch Selbstmord geendet. Ich 
konnte ihm keinen besseren Rat geben, als das Verhältnis 
fortzusetzen, jedoch außer Hause, um so wenigstens einen 
Teil der Hemmung zu eliminieren. Indem also die Therapie 
sein Vergehen sanktionierte, beruhigte sich sein Gewissen. 
Seine Stimmung schlug der Frau gegenüber in Mitleid um, 









28 IV. Prognose und Therapie. 

das sie ihm einigermaßen sympathisch, ihn seihst ihr gegen- 
über wenigstens ah und zu potent machte. Da in diese Kate- 
gorie von Patienten unter anderen auch alle Fälle von psycho- 
sexuellem Zwittertum (Krafft-Ebing) gehören, wird auch bei 
diesen die Prognose nur bedingungsweise günstig sein, wenn es 
nämlich gelingt, durch aufmerksame Analyse des Patienten 
seine jeweilige Liebesbedingung zu eruieren und die ent- 
sprechenden Ratschläge zu geben. 

Die Prognose der zweiten Kategorie ist unter Um- 
ständen eine günstige. Jedoch nur dann, wenn es gelingt, 
die im Unbewußten schlummernde, das Sexualleben 
beherrschende Vorstellung in die bewußte Empfin- 
dung zu rufen. Das ist mitunter leicht, sehr oft aber äußerst 
schwierig und nur vom gewiegten Psychoanalytiker bei hin- 
gehendster Arbeit erreichbar. Es läßt sich nach den neuesten 
Untersuchungen 1 ) ganz allgemein sagen, daß jene Fälle die 
günstigsten sind, die in der Kindheit die genitale Stufe der 
Libidoentwicklung (Freud) erreicht haben, dagegen jene eine 
zweifelhafte oder ungünstige Prognose geben, die, wie im 
Kapitel „Ätiologie" besprochen wurde, diese Stufe der kind- 
lichen Genitalität durch irgend eine Hemmung unvollständig 
oder gar nicht erreicht haben. Die Patienten der dritten 
Kategorie, die ihre Impotenz scheinbar nur einer in späteren 
Lebensepochen eingetretenen Schädlichkeit verdanken, geben 
eine fast ausnahmslos günstige Prognose. Es handelt 
sich da um Patienten, bei denen die Konstitution relativ gut 
war und bei denen Schäden in der Kindheit nicht in Er- 
scheinung getreten oder ohne Folgen geblieben sind. Erst das 
Hinzukommen von allerhand Schädlichkeiten während und 
nach der Pubertätsepoche hat die Krankheit manifest werden 
lassen. Das sind die Fälle, in denen auch der psychoanalytisch 
weniger Geschulte wird Erfolge aufweisen können, da die 
Beseitigung der aktuellen Schädlichkeiten oft hinreichen wird, 
die Sympt ome zum Schwinden zu bringen. Aber selbst bei 

*) Reich, Über Genitalität vom Standpunkte der psychoanalytischen 
Prognose und Therapie. Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse, Bd. X, 1924. 



± 






IV. Prognose und Therapie. 29 

den schwereren Fällen dieser Kategorie wird es der Analyse 
leicht gelingen, durch Bewnßtmachung der Hemmungen die 
genitalen Strebungen wieder den realen Objekten zuzuführen. 
Es ist nach dem vorher Gesagten ohne weiteres klar, daß die 
Therapie bei der ersten Kategorie nicht allzuviel leisten kann, 
aus dem Grunde, weil sie gegen konstitutionelle Momente 
schwerlich anzukämpfen vermag. Bei der dritten Kategorie 
wird die Behandlung nicht allzuviel leisten müssen, da sie 
eigentlich eine mehr suggestive sein wird. Die Domäne der 
psychischen Behandlung dagegen sind die Fälle der zweiten 
Kategorie, welche allerdings auch die weitaus häufigsten sind. 
Es wäre zu weitläufig, wollte ich an dieser Stelle die ganze 
Methode und Technik der Psychoanalyse erörtern. Ich ver- 
weise diejenigen, die sich auf diesem Gebiet gründlich infor- 
mieren wollen, auf die Arbeiten Freuds, die dieses Thema 
behandeln. Doch soviel muß, um einer weitverbreiteten irr- 
tümlichen Auffassung dieser Methode zu begegnen, hier gesagt 
werden, daß die Behandlungsmethode keineswegs auf Sugges- 
tion beruht. Der Arzt hat dabei dem Patienten nichts ein- 
und nichts auszureden. Es handelt sich im wesentlichen 
darum, den Patienten zum Reden zu bringen. Er soll 
durch geeignete Mittel in die Lage versetzt werden, über sich 
zu sprechen, alles zu sagen, selbst wenn es ihm „Schimpf 
und Schande" bringen könnte, die Dinge auszusprechen, die 
er sich eben denkt, auch wenn sie banal sind und in einem 
anderen Falle der unerbittlichen „Zensur" zum Opfer fielen. 
Außerdem muß er für alle wichtigen, aber auch scheinbar 
minder wichtigen Vorfälle seines Lebens ein sehr gutes Ge- 
dächtnis haben. Er muß sich an viele nichtige Begebenheiten 
seiner Jugend und seiner Kindheit erinnern; nichts ist unbe- 
deutend, mag es noch so belanglos scheinen. Es zeigt sich 
häufig, daß gerade die vom Patienten als unwesentlich be- 
zeichneten Einfälle sich bei näherer Betrachtung als äußerst 
wertvoll erweisen. Denn von diesen scheinbar bedeutungslosen 
Erinnerungen führen assoziative Brücken zu anderen, die ver- 
möge des an ihnen haftenden Affektes sehr wohl die 









m§ 



30 IV. Prognose und Therapie. 

Veranlassung schwerer psychischer Hemmungen wer- 
den konnten. Außerdem muß in Betracht gezogen weiden, 
daß Begebenheiten, die dem Erwachsenen nichtig scheinen, 
zur Zeit, als das Kind sie erlebte, einen ganz beträchtlichen 
Affektwert besaßen. Uns allen ist ja geläufig, daß die Ein- 
drücke der Kinderzeit weit lebhafter und nachhaltiger sind 
als die jeder folgenden Lebensperiode. Es darf uns somit 
nicht wundernehmen, daß uns das Erforschen der unbe- 
wußten, verdrängten Regungen stets, wenn auch auf Um- 
wegen, in die erste Kindheit führt. Auf Umwegen deshalb, 
weil wir zunächst oft auf Begebenheiten einer relativ nicht 
weit zurückliegenden Epoche stoßen, die im ersten Augen- 
blick eine ätiologische Wichtigkeit zu haben scheinen. Diese 
Begebenheiten erweisen sich aber fast stets als die Kulisse, 
hinter der sich der Blick auf Bedeutsameres eröffnet. Wir 
bezeichnen Erinnerungen solcher Art als Deckerinnerungen. 
Nach Hinwegräumung all des Erinnerungsschuttes, den die 
vielen Jahre aufgehäuft haben, kommt man stets auf das solide 
Fundament, auf den eigentlichen Kern der Neurose, der uns 
die Triebe in ihrer primitiven Form zeigt, gleichsam wie sich 
in der Chemie die kompliziertesten Verbindungen bei fort- 
schreitender Analyse stets auf einfachste Elemente zurück- 
führen lassen. 

Die Zugänge zum Unbewußten der Seele sind gar man- 
nigfacher Art. Neben den bereits erwähnten Einfällen des 
Patienten kommen als Quellen noch Träume und Symptom- 
handlungen 1 ) in Betracht. Über die Bedeutung des Traumes 
braucht an dieser Stelle nichts gesagt zu werden. Das Thema 
ist ja seit Freuds grundlegenden Forschungen so gut wie 
abgeschlossen 2 ). Es soll davon hier nur so weit die Rede 
sein, als die speziellen Verhältnisse der psychischen Impotenz 
es erfordern. Das Grundmotiv der Träume aller psychisch 
Impotenten ist die Unzulänglichkeit, die in der oder jener 

J ) Siehe Freud, „Zur Psychopathologie des Alltagslebens". 4. Aufl 
Berlin 1912. 

2 ) Freud, „Die Traumdeutung", 7. Aufl., 1922 (Verlag F. Deuticke). 



••*=c 



IV. Prognose und Therapie. 31 

Form, mehr oder weniger maskiert, stets zum Ausdruck kommt. 
Allerdings muß man sich die Grundprinzipien der wissenschaft- 
lichen Traumdeutung so weit zu eigen gemacht haben, daß man 
hinter dem scheinbar absurden (manifesten) Trauminhalt 
mittels der Deutungstechnik das treibende (latente) Motiv 
aufzudecken vermag. Es gibt eine Unzahl von typischen 
Traumbildern, hinter denen sich die oben erwähnte Un- 
zulänglichkeit verbirgt. Hieher gehören die Prüfungsträume, 
die Flug- und Fall träume, verschiedenste Formen des 
Angsttraumes (Angst vor Mördern, Einbrechern, Unmög- 
lichkeit zu schreien oder sich zu bewegen, mißglückte Ver- 
suche, sich mit oder ohne Waffe zur Wehre zu setzen, Un- 
möglichkeit irgend ein Objekt zu erreichen usw.). Neben diesen 
Träumen, die noch eine relativ nahe Beziehung zur Unzuläng- 
lichkeit verraten, gibt es eine ganze Reihe anderer, die ihren 
Inhalt nur nach schwerer Deutungsarbeit offenbaren. Wesent- 
liche Unterstützung dabei gewährt uns die Kenntnis gewisser 
mit typischer Bedeutung wiederkehrender Traumelemente, die 
wir als Symbole bezeichnen. Diese sind jedem geläufig, der 
sich einigermaßen mit Traumdeutung beschäftigt hat und sind 
in großer Zahl von den Erforschern dieses Gebietes, allen 
voran Freud, dann aber auch Stekel, Riklin, Abraham, 
Jung, Rank u. a. in unermüdlicher Arbeit festgestellt worden. 
Doch ist das Thema nicht abgeschlossen und namentlich noch 
von Seite der Mythologen und Folkloristen einer Ergänzung 
zugänglich 1 ). Es sind meist Symbole, die irgend eine Bezie- 
hung zum männlichen oder weiblichen Genitale oder deren 
Funktionen haben. Es ist nun interessant zu sehen, wie sich 
gerade in den Träumen, die die Patienten mit maliziösem 
Lächeln als vollkommen asexuell ausgeben, das peinliche 
Thema oft am schönsten durchzusetzen weiß. Ich hatte, wie 
schon öfters, Gelegenheit, in einer kleinen Gesellschaft über 
die Freudsche Traumdeutung zu diskutieren, wobei sich 

*) Eine experimentelle Bestätigung der Symbolik erbrachte kürzlich 
Dr. Karl Schrot ter (Wien), worüber er im Zentralbl. f. Psychoanalyse, 
II. Jahrg., S. 638 ff., berichtet hat. 



32 IV. Prognose und Therapie. 

Anhänger und Gegner die Wage hielten. Unter den letztge- 
nannten replizierte einer besonders scharf: „Ach was, das 
Ganze ist ja Unsinn! Ich habe seit Jahren von Zeit zu Zeit 
immer wieder denselben Traum, an dem ich die Unrichtigkeit 
der Theorie beweisen kann. Wie erklären Sie es, daß mir 
immer träumt, ich werde aus Religion geprüft und bekomme 
die Note Nichtgenügend, während ich in Wirklichkeit aus 
diesem Gegenstand stets die Note Vorzüglich hatte?" Es war 
nicht schwer, dem unvorsichtigen Frager unter vier Augen 
nachzuweisen, daß die Angst vor der Impotenz beim Zustande- 
kommen dieses Traumes die Hauptrolle gespielt hatte. Ich 
konnte dies mit um so größerer Sicherheit tun, als die Be- 
mäntelung der sexuellen Unzulänglichkeit mit religiösen, ethi- 
schen und ähnlichen Motiven ja auch dem Nichtanalytiker 
sehr geläufig ist. Jedes zweite Wort des Impotenten lautet: 
Ich bin viel zu anständig, ein Mädchen oder eine Frau zu 
verführen usw. — Ein anderer Bekämpfer der Freudschen 
Wunscherfüllungstheorie gab folgenden Traum zum besten: 
„Mir träumt stets, ich steige mit einer Leiter auf Dächern 
herum, was mir in Wirklichkeit doch nie eingefallen ist!" 
Genaue Kenner der persönlichen Verhältnisse dieses Herrn 
konnten ein Lächeln schwer unterdrücken, als sie sich dessen 
erinnerten, daß der in Betracht kommende Herr von kleiner 
Statur war, dagegen eine Gattin hatte, die ihn an Größe 
beträchtlich überragte. Für Impotenz sprechen auch manche 
Träume von schlechten Erwerbs- und Geschäftsverhältnissen, 
um so beweisender, wenn hiezu der aktuelle Anlaß fehlt. Oft 
wird das sexuelle Symbol aus dem Berufskomplex genommen : 
So können Ingenieure vom Versagen komplizierter Maschinen, 
Beamte von Anständen im Dienste beim Verkehr mit Vor- 
gesetzten, Schauspieler vom Steckenbleiben, andere von Bla- 
magen ähnlicher Art träumen. Häufig bringen die Träume 
erregte Kampf- und Streitszenen, die leicht als Abweisung 
oder Umkehrung von Selbstvorwürfen zu deuten sind, die 
sich solche Patienten stets über die Veranlassung ihrer 
sexuellen Unzulänglichkeit au machen pflegen. Der Tenor 



IV. Prognose und Therapie. 33 

solcher Träume ist stets ungefähr der: Hättest du dich nicht 
so vielen Ausschweifungen und Perversionen ergeben, so 
stünde es heute um deine Potenz besser. Hieher gehören 
auch Träume, die in mehr weniger verhüllter Symbolik die 
Kastrationsangst 1 ) der Patienten zum Ausdruck bringen. 
Solche Träume führen in die früheste Kindheit und beleuchten 
das Verhältnis zu Vater und Mutter als letzte Veranlassung 
der heutigen Leiden. Nur erscheint der Vater einmal als 
Kaiser, ein anderesmal als Bürgermeister, Direktor, Lehrer, 
kurz unter der Maske irgend einer Respektperson; ähnlich 
die Mutter in irgend einer nicht schwer zu deutenden Ver- 
kleidung. Auch der Arzt hat nicht selten die Genugtuung, 
im Traume des Patienten zu erscheinen, meistens als Lehrer 
oder Professor, ein Zeichen, wie lebhaft der Gedanke an die 
Kur sich auch im Unbewußten durchsetzt, ein Zeichen aber 
auch dafür, daß der Patient bei der Bestrebung, sich von alten 
Idealen abzulösen, seine Neigung vorübergehend an den Arzt 
fixiert, der ihm einerseits die Respektperson verkörpert und 
ihm anderseits als Mitwisser seiner intimsten Geheimnisse zum 
zärtlich geliebten Freunde geworden ist („Übertragung") So 
wünschenswert dies auch ist - ist es doch die Vorbedingung 
des Gelingens der Kur - so ist es oft auch die Hemmung, an 
der der Fortgang der Behandlung scheitern kann, da der unbe- 
wußte Wunsch des Patienten, den vertrauten Freund nicht zu 
verlieren, ihn länger als nötig aufhalten kann. Doch wird sich 
unter entsprechender Führung des Arztes der Patient dieser 
Hemmung stets bewußt und erreicht, nachdem er auch dieses 
letzte Hindernis genommen hat, zum Schluß doch stets das 
gewünschte Sexualziel: Denn das muß betont werden: die 
Fälle von psychischer Impotenz sind glücklicherweise 
fast immer dankbare Objekte für die psychoanaly- 
tische Behandlung, wobei als begünstigende Momente für 

*) Diese kann auch als Todesangst, als allgemeine Katastrophenangst 
oder als hypochondrische Angst zum Vorschein kommen (Freud, Das Ich 
und das Es, a. a. 0.). 

Steiner, Die psychischen Störungen. 3. Aufl. o 






34 



IV. Prognose und Therapie. 



möglichst raschen Erfolg der Kur Jugend und Intelligenz des 
Patienten in Betracht kommen. 

Die Behandlung der psychischen Impotenz wäre unvoll- 
kommen, wenn man sich nicht dessen bewußt würde, daß in 
vielen Fällen auch organische Symptome vorhanden sind, 
deren Behandlung mit der psychischen Hand in Hand gehen 
muß. In diesen Fällen handelt es sich bestimmt um ein so- 
genanntes körperliches Entgegenkommen. Bei den Fällen der 
ersten Kategorie haben wir ja angenommen, daß die Minder- 
wertigkeit der Anlage im Zusammenhang mit sexueller Früh- 
reife zu einer vorzeitigen Funktion und relativen Erschöpfung 
der Keimdrüsen führen müsse. Bei den Fällen der zweiten 
Kategorie, wo schädliche Beeinflussungen der Kinderzeit vor- 
liegen, werden sicherlich gleichfalls die Genitalien allzu früh 
und über Gebühr beansprucht. Bei den Fällen der dritten 
Kategorie endlich kommt es infolge des unnatürlichen oder 
abnormen Ablaufs der Sexual Vorgänge zu einer oft durch 
Jahre wiederholten übermäßigen Irritation der Sexualorgane, 
mit anderen Worten die lange fortgesetzte Onanie, Coitus 
interruptus und frustrane Erregungen führen infolge der 
steten Wiederholung zu einer allzu häufigen Hyperämisie- 
rung, namentlich der Prostata und des prostatischen Teiles der 
Harnröhre, welche die Funktion ganz bedeutend beeinträchtigen 
können. So wird z. B. die Ejaculatio praecox sehr oft durch die 
Überempfindlichkeit (Hyperästhesie) des genannten Teiles der 
Harnröhre verursacht. 

Wir können mit Recht annehmen, daß die organische 
Behandlung unter allen Umständen eine Besserung der 
Situation des psychisch Impotenten herbeiführen wird. Sie 
wird aber nur in ganz bestimmten Fällen das erwünschte 
Resultat ergeben. Nämlich in denen, wo erst unter dem An- 
sturm der aktuellen Schädlichkeiten die Krankheit manifest 
geworden ist, also bei den Fällen der dritten Kategorie. Bei 
diesen kann es gelingen, die entstandenen körperlichen Verände- 
rungen zu heilen und den Patienten im Falle der Vermeidung 
der genannten Schädlichkeiten in Hinkunft vor einem neuer- 



IV. Prognose und Therapie. 35 

liehen Rezidive seines Leidens zu bewahren. Das wirksamste 
Mittel zur Beseitigung der Hyperästhesie der pars prostatica 
urethrae sind dicke Sonden, auch Kühlsonden und andere 
hydrotherapeutische Maßnahmen 1 ). Schon nach kurzer 
Anwendung dieser Behelfe hören die lange dauernden und 
quälenden, aber dabei völlig unzureichenden Erektionen auf, 
über die Patienten dieser Art stets im ungeeigneten Moment 
verfügen, sowie auch etwa bis dahin bestandene Pollutionen. 
Es tritt eine gewisse Beruhigung ein, ein Zustand scheinbarer 
Asexualität, der minder intelligente Patienten in große Be- 
sorgnis versetzt, da sie nunmehr überhaupt „fertig" zu sein 
glauben. Daher tut man gut, schon vor Beginn der Behand- 
lung dieses Stadium vorauszusagen. Ist man so weit, dann 
tritt die Elektrizität in ihre Rechte, und zwar in Form des 
faradischen Stromes, eine Elektrode ins Rektum, die andere 
auf den mons veneris. Die nunmehr auftretenden Erektionen 
sind viel ausgiebiger, treten zu passender Gelegenheit auf 
und werden nicht mehr als unangenehm empfunden. Bis zu 
diesem Zeitpunkt wird selbstverständlich strenge Abstinenz 
verordnet, nicht nur vom Koitus, sondern auch so weit als 
möglich von jeder geschlechtlichen Aufregung, Lektüre von 
auch nicht lasziven Büchern, da die erhitzte Phantasie unserer 
Patienten zwischen den Zeilen zu lesen versteht. Außerdem 
wird die Lebensweise geregelt: Zeitiges Aufstehen, Zimmer- 
gymnastik am Morgen, viel Aufenthalt in frischer Luft, aller- 
lei Sport, Mäßigkeit im Essen und Trinken, namentlich des 
Abends, sorgfältige Regelung des Stuhles sind notwendige 
Voraussetzungen der Behandlung. Namentlich das letztere ist 
von Wichtigkeit, denn es ist unleugbar, daß die bei sexuellen 
Störungen meistens vorhandene Obstipation einen großen Teil 
der Beschwerden veranlaßt. Während der ganzen Zeit muß 
der Arzt seinen Einfluß aufbieten, um den Patienten von der 

*) Siehe Winternitz, „Die Hydrotherapie auf physiologischer und 
klinischer Grundlage". 1879. — Ferner Paul Groag, „Über nervöse Funktions- 
störungen der männlichen .Sexualorgane' - . Zeitschr. f. physik. u. diälet. 
Therapie, Bd. XVI, 1912. 






36 IV. Prognose und Therapie. 

Ungefährlichkeit und der guten Prognose des Leidens zu 
überzeugen und ihm das Vertrauen zu sich selbst wieder- 
zugeben. Wichtig ist auch die Voraussage, daß die ersten 
Koitus in der Regel nicht glänzend ausfallen, ja sogar ein 
kompletter Mißerfolg nicht ausgeschlossen ist. Gelingt der erste 
Koitus, so sollen die weiteren Versuche in nicht zu kleinen 
Intervallen gestattet werden; inzwischen wird die Behand- 
lung, allerdings in immer größeren Intervallen, fortgesetzt. 
Der Patient emanzipiert sich vom Arzt auf diese Art nach 
und nach, bis er mit dem Eintritt des vollen Erfolges endlich 
ganz ausbleibt. Solange der Kranke sich nicht ganz sicher 
fühlt, halte ich ihn an, seine Versuche stets bei derselben 
Person zu wiederholen, da bei größerer Intimität und nach 
längerer Bekanntschaft gewiß viele Hemmungen entfallen. 
Manche Patienten reüssieren schwer, weil sie mit kleinen 
Ungeschicklichkeiten zu kämpfen haben, namentlich versagt 
bei manchen die schon kräftige Erektion in dem Moment, da 
sie sich aus der Rücken- oder Seitenlage in die für den Koitus 
erforderliche Position zu begeben beabsichtigen, namentlich 
aber wenn sie im Begriffe sind, in die Vulva einzudringen. 
Ich empfehle derartigen Patienten, sich nicht des zweifellosen 
Vorteils zu begeben, der in der weisen Führung von selten 
des Weibes liegt. Es mag vielleicht sein, daß die Berührung 
mit der Hand den Patienten, die ja bis dahin der Onanie oder 
gleichwertigen Erregungen ergeben waren, den Übergang zur 
normalen Geschlechtsbetätigung erleichtert. Anders steht die 
Sache, wenn wiederholte Versuche mißlingen. In diesem Falle 
kann man sicher sein, daß nunmehr, da die organischen 
Schäden behoben wurden, eine psychische Hemmung vorliegt. 
Von diesem Moment an ist auf die psychische Behandlung das 
Hauptgewicht zu legen. Es ist nun sehr interessant zu sehen, 
daß der Mißerfolg auch sein Gutes hat, indem der Patient durch 
ihn veranlaßt wird, die Bestrebungen des Arztes von nun an 
kräftiger zu unterstützen, d. h. in unserem Falle, sich zu 
bemühen, psychisches Material in größerer Fülle herbeizu- 
schaffen. Die Verzweiflung verleiht ihm offenbar Kräfte, über 



IV. Prognose und Therapie. 37 

die er für gewöhnlich nicht verfügt. Es ist erstaunlich zu 
sehen, daß Patienten, die bis, zu diesem Augenblick spärlich 
Einfälle und Träume gebracht hatten, sich nun mit einem 
Schlage ändern. Es vergeht kein Tag, ohne daß sie eine 
wichtige Kindheitserinnerung oder einen interessanten Traum 
brächten. Es zeigt sich jetzt erst in vielen Fällen, daß die 
aktuellen Schädlichkeiten, die der Patient als die Quelle seines 
Übels aufzufassen geneigt war, eine verschwindend geringe 
Rolle spielen in Vergleich zu den tiefer liegenden Ursachen, 
die sich ihm nun entschleiern. Der nächste Versuch ist unter 
solchen Umständen oft von Erfolg gekrönt. Bleibt er aber aus, 
so kann man sicher sein, daß noch psychisches Material unge- 
hoben ist, das der Erschließung harrt. Anderseits ist es ver- 
blüffend zu sehen, wie nach Eintreten des vollen Erfolges wie 
mit einem Schlage die Einfälle, insbesondere die Träume, auf- 
hören, wie die bis zu diesem Zeitpunkt so reich fließende 
Quelle versiegt. Der Patient hat keinen Anlaß mehr, zu träumen 
und zu phantasieren, denn die Wirklichkeit bietet ihm volle 
Befriedigung. Wie denn überhaupt sich die Wahngebilde des 
Neurotikers nur als unvollkommener Ersatz für das darstellen, 
was die Wirklichkeit dem Individuum nicht bietet. Ferner zeigt 
sich noch folgendes merkwürdige Verhalten des Patienten, 
wenn er den sexuellen Erfolg erzielt hat. Während er bis dahin 
sein Leiden für mehr weniger unheilbar, einen Erfolg so gut 
wie für ausgeschlossen hielt, tritt mit dem Moment, da dieser 
erzielt ist, ein völliger Stimmungsumschwung ein. Er findet 
den geglückten Koitus so selbstverständlich, wie ihm früher 
das Gegenteil war. Er ist überhaupt geneigt, im Lichte der 
Vergangenheit verklärt, die verflossene Krankheit als ein 
leichtes Leiden zu bezeichnen, dem er eigentlich nie beson- 
dere Bedeutung beigemessen habe. Es sei nur eine „kleine 
Nervosität" gewesen, die sich mit der Zeit wahrscheinlich 
von selber gegeben hätte und ähnliches mehr. Tritt schon 
die Eigenschaft der Kranken, überstandene Leiden zu baga- 
tellisieren, bei organischen Erkrankungen hervor, so daß der 
Arzt mit Recht von einer physiologischen Undankbarkeit des 



38 



IV. Prognose und Therapie. 



Patienten sprechen darf, so zeigt sich diese Neigung bei den 
von psychischer Impotenz Geheilten, wie überhaupt bei allen 
geheilten Neurotikern, in verstärktem Maße. Ist der Psycho- 
analyse bei sachkundigster und zielbewußter Technik kein 
voller Erfolg beschieden, so kann man überzeugt sein, daß 
man an konstitutionellen Momenten scheitert, denen schwer 
beizukommen ist. Es ist vielleicht zu hoffen, daß bei weiterem 
Ausbau der Lehre von der inneren Sekretion und der auf sie 
gestützten Therapie auch auf diesem Gebiete einiges zu er- 
reichen sein wird. Es wird selbst unter den heutigen Um 
standen bei solchen Fällen ein organotherapeutischer Ver- 
such nicht ganz aussichtslos sein. Die Erfolge der Behandlung 
mit Spermin, Testogan, Testosan, Neosex und vielen anderen 
ähnlichen Präparaten in manchen Fällen von neuras thenischen 
Krankheitsformen sind ja sicherlich nicht zu bezweifeln. 

An dieser Stelle muß auch der Steinachschen Operation 
gedacht werden. Da sie noch Gegenstand einer regen wissen- 
schaftlichen Diskussion ist, die von Anhängern und Gegnern 
mit großer Leidenschaftlichkeit geführt wird, ist ein ab- 
schließendes Urteil über sie derzeit nicht möglich. Ihre Wir- 
kung im Sinne einer nachhaltigen Beeinflussung des hormo- 
nalen Stoffwechsels ist nicht zu bezweifeln. So weit meine 
eigene Erfahrung reicht, habe ich fast in allen Fällen, in 
denen ich sie Männern der verschiedensten Altersstufen 
empfohlen habe, eine günstige Wirkung sowohl in Bezug auf 
den Allgemeinzustand als auf die Sexualfunktion konstatieren 
können. Ich glaube auch nicht berechtigt zu sein, sie jenen 
Patienten zu verweigern, die nach Fehlschlagen der gewissen- 
haftesten therapeutischen Bemühungen in ihr die letzte 
Heilungsmöglichkeit erblicken. 

Zusammenfassend ließe sich meine diagnostisch-thera- 
peutische Methode folgendermaßen formulieren: Sind wir in 
einem Falle von psychischer Impotenz im Zweifel, in 
welche Kategorie er einzureihen sei, so befassen wir 
uns vorerst mit den etwa vorhandenen organischen 
Störungen. Gelingt es schon dadurch einen Erfolg her- 









J 



m 



IV. Prognose und Therapie. 39 

beizuführen, so handelt es sich sicherlich um einen 
Fall der dritten Kategorie (mit geringer psychischer 
Beteiligung). Tritt der Erfolg erst nach Zuhilfenahme 
der psychoanalytischen Behandlungsmethode ein, so 
dürfen wir den Patienten als zur zweiten Kategorie 
unseres Systems gehörig betrachten. Bleibt der Erfolg 
auch nach psychischer Behandlung aus oder tritt er 
nur unvollkommen eiiij so werden wir nicht fehlgehen, 
den Kranken in die erste Kategorie einzureihen, bei 
der es sich vorwiegend um angeborene konstitutio- 
nelle Momente handelt. Es ist selbstverständlich, daß die 
hier aufgestellten Typen in der Praxis nicht immer rein vor- 
kommen und daß viele Krankheitsbilder der einen und der 
anderen, mitunter sogar allen drei Kategorien angehören. In 
diesem Falle wird uns die Erwägung des Vorwiegens der 
einen oder der anderen Ätiologie zweifellos wertvolle Anhalts- 
punkte bieten. 






v. 

Individuelle und soziale Tragweite 
der Impotenz. 

Im voranstehenden haben wir uns bemüht, das Wesen 
der Impotenz zu kennzeichnen, ihre Entstehung, ihre Sym- 
ptomatik und Behandlung zu skizzieren. Es erübrigt nun 
noch, die Bedeutung der Impotenz für das einzelne Indi- 
viduum sowohl als für die ganze menschliche Gesellschaft 
festzustellen, anzudeuten, welch ungeahnte Tragweite der Stö- 
rung des normalen Ablaufs der Sexualfunktion zukommt. 
Es ist ja ganz allgemein bekannt, daß Störungen der Potenz 
des Mannes für ihn eine weit größere Bedeutung haben, als 
irgend welche andere Störungen seines Wohlbefindens; daß 
Krankheiten der Sexualorgane weit schwerer ertragen werden 
als andere Krankheiten, daß sie sich weit mehr bemerkbar 
machen, als nach dem anatomischen Befund zu erwarten 
wäre, daß mit einem Worte ein krasses Mißverhältnis zwischen 
dem klinischen Symptom und dem von ihm verursachten 
Allgemeinzustand des Patienten besteht. Selbst körperliche 
Schädigungen, durch Verletzungen, Infektionen, Neubildungen 
hervorgerufen, können sich in dieser Hinsicht mit der Im- 
potenz nicht messen, bei der oft gar keine oder nur eine 
unbedeutende anatomische Läsion vorliegt. Es machen sich 
körperliche und seelische Folgezustände bemerkbar. Zu den 
organischen Veränderungen gehören chronisch entzünd- 
liche und degenerative Vorgänge sowohl in den peripheren 
Genitalorganen als auch in weiterer Folge in den zu ihnen 
gehörigen Nervenbahnen und höher gelegenen Zentren. Zu 
ihnen gehören weiters Störungen der inneren Sekretion und 



— -^_. 






V. Individuelle, uiid soziale Tragweite der Impotenz. 41 

infolgedessen im ganzen großen Gebiete des sympathischen 
Nervensystems. Auch schwere Stoffwechselstörungen, wie zum 
Beispiel der nervöse Diabetes, der, gerade im Einklang mit den 
neuen Forschungsergebnissen, eher die Folge als die Veran- 
lassung von sexuellen Störungen zu sein scheint. In diesem 
wie in so manchen anderen Fällen kann man sich des Ein- 
druckes nicht erwehren, daß der Körper, dessen Sexual- 
funktion erlahmt, seines wirksamsten Schutzes beraubt ist: 
er wird zum steuerlosen Wrack. Die Sexualfunktion hat sich, 
solange sie unversehrt war, als vorzüglicher Regulator im 
somatischen und psychischen Haushalt bewährt; mit ihrem 
Versagen kommt es in diesem zur völligen Anarchie. Allgemein 
bekannt sind ja die schweren Störungen, die sich im männ- 
lichen und weiblichen Klimakterium ergeben. Besonders auf- 
fällig sind sie, wenn es beim Manne oder beim Weibe zum 
vorzeitigen Klimakterium kommt. In diesem Falle sieht man 
oft über Nacht bei noch relativ jungen Individuen Zeichen des 
Verfalls auftreten. Es ist gewiß kein Zufall, daß eine Reihe der 
schwersten Erkrankungen, z. B. bösartige Neubildungen, mit. 
dem Verlust der Geschlechtsfunktion zeitlich zusammenfallen, 
des weiteren kein Zufall, daß die Individuen, bei denen solche 
Erkrankungen in relativ jungen Jahren eintreten, auch gewöhn- 
lich ein vorzeitiges Klimakterium aufweisen. Zu den orga- 
nischen Veränderungen dieser Art zählen auch Veränderungen 
an der Haut (Runzeln und Welken), das Auftreten einer Reihe 
namentlich juckender Dermatosen, Veränderungen im Unter- 
hautzellgewebe, Auftreten eines starken Fettansatzes, vor- 
zeitiges Ergrauen der Haare und Haarausfall u. a. m. Hieher 
gehören auch die relativ häufig auftretenden arteriosklero- 
tischen Veränderungen an den Gefäßen und am Herzen. 

Ebenso zahlreich sind die psychischen Veränderun- 
gen, die mit den Störungen der Sexualfunktion verknüpft 
sind. Es ist ja sicher nicht allein im Sprachgebrauch be- 
gründet, daß wir im übertragenen Sinne die Fähigkeit, Tüchtig- 
keit, die Energieentfaltung, kurz all das, was das Wesen des 
Mannes ausmacht, zusammenfassend als „Potenz" bezeichnen. 



42 V. Individuelle und soziale Tragweite der Impotenz. 

Es ist daher ebenso erklärlich, daß alle die genannten Eigen- 
schaften dort, wo wir von einer Schwächung der Potenz 
sprechen, eine bedeutende Einbuße erleiden werden. An die 
Stelle des Mutes, der Energie, der Schaffensfreude treten Ver- 
zagtheit, Willensschwäche und Ängstlichkeit. Die große Zähig- 
keit, die den normalen geschlechtskräftigen Mann über Hinder- 
nisse aller Art triumphieren läßt, die ihn alles Ungemach ver- 
gessen heißt, die ihn veranlaßt, trotz wiederholter Mißerfolge 
sich nicht entmutigen zu lassen, die ihn mit einem Wort be- 
fähigt, sich im Kampfe ums Dasein durchzusetzen, weicht 
dem Kleinmut und der Resignation. Der Impotente wird ja 
wohl gelegentlich einen geistigen Aufschwung nehmen, er wird 
vielleicht noch ein oder das andere Mal den Mut der Ver- 
zweiflung finden, aber nach einem Mißerfolg unweigerlich in 
die tiefste Depression verfallen. Er wird zwischen den beiden 
Polen, „himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt", umher- 
pendeln. Es ist ein Schwanken an die Stelle der früheren 
Stetigkeit getreten, Unsicherheit und Zweifel sind die Merk- 
male seiner geistigen Verfassung. Er gleicht dem Spekulanten, 
dessen Schicksal durch unberechenbare Zufälle bestimmt wird. 
Er verzehrt sich in innerer Unruhe, die er vergebens durcb 
äußerliche Vielgeschäftigkeit zu übertäuben sucht. Diese Un- 
rast äußert sich in einem gesteigerten Spiel-, Reise- und 
Beschäftigungstrieb überhaupt, dem aber das Maß einer ge- 
ordneten Tätigkeit fehlt. Er schafft sich stets neue Sensa- 
tionen, um sich von den inneren Konflikten abzulenken. Es 
darf uns daher nicht wundernehmen, wenn gelegentlich solch 
ein Unglücklicher in seiner Verzweiflung seine letzte Energie 
zusammenrafft, um sich weiterem Ungemach zu entziehen. 
Selbstmord aus diesem Anlaß ist ein keineswegs seltenes 
Vorkommnis, wenn auch das eigentliche Motiv nicht immer 
einbekannt wird. 

Schwer genug sind die genannten seelischen Störungen 
schon dann, wenn sie das Individuum selbst betreffen, folgen- 
schwerer werden sie noch, wenn der impotent Gewordene 
in der Ehe seine Genossin indirekt schädigt. Es unterliegt 



V. Individuelle und soziale Tragweite der Impotenz. 



43 



wohl keinem Zweifel, daß nicht nur das Fehlen, sondern auch 
die Herabsetzung der männlichen Potenz beim Weibe weit- 
gehende Folgen nach sich zieht, sei es, daß von vornherein die 
normale Geschlechtsempfindlichkeit des Weibes nicht zur Ent- 
wicklung gelangt, sei es, daß durch vorzeitiges Aufhören der 
Potenz die geschlechtliche Befriedigung des Weibes ausbleibt 
und es dadurch zur Entwicklung der verschiedenartigsten 
Anomalien kommt. Wir wollen hier nur von jener Form der 
Anästhesie des Weibes sprechen, die als direkte Folge der 
mangelhaften Potenz des Mannes auftritt und die wir als 
relative Anästhesie bezeichnen. Es überschritte den Rahmen 
dieser Schrift, alle die Folgeerscheinungen aufzuzählen, die 
mit der weiblichen Unempfindlichkeit verknüpft ist, doch ist 
es klar, daß sie mit Sicherheit den Zusammenbruch des ehe- 
lichen Glückes herbeiführen. Da die Voraussetzungen, unter 
denen die Ehe begründet wurde, sich als trügerisch erwiesen 
haben, ist sie völlig haltlos geworden. Es schwindet zwischen 
den ans gleiche Joch geschmiedeten Genossen jegliche Har- 
monie, jegliches Vertrauen, es stellt sich sehr oft zwischen 
ihnen unverhohlene Feindschaft ein, die von feiner empfinden- 
den Naturen lange bemäntelt und unterdrückt wird, aber gleich- 
wohl in gewissen unbewachten Momenten in kleinen Symptom- 
handlungen, in Träumen (Todeswünsche) und anderen Äuße- 
rungen des Unbewußten für den Kundigen deutlich zum Vor- 
schein kommt. Oft ist selbst das Vorhandensein von Kindern 
kein ausreichendes Bindeglied für die auseinanderstrebenden 
Gefährten. Gelingt es hochkultivierten Eltern, ihre Triebe auf 
ein höheres Niveau zu sublimieren, all das, was vom starken 
Sexualtrieb übrig blieb, in edle Vater- oder Mutterliebe um- 
zuwandeln, so gereicht es doch den davon betroffenen Kindern 
nicht zum Vorteil. Es ist eine Elternliebe, die von Übertreibung 
und Angst, dem Negativ alles gehemmten Trieblebens, nicht 
frei ist und für das Kind statt zur Wohltat zur Plage wird. 
Handelt es sich noch, wie in solchen Fällen sehr wahrschein- 
lich, um einzige Kinder, so ist der nachteilige Einfluß auf 
das Schicksal des Kindes ohneweiters einleuchtend. 



44 V; Individuelle und soziale Tragweite der Impotenz. 

Treffen die geschilderten Umstände, wie es heutzutage der 
Fall ist, bei einer großen Zahl von einzelnen Individuen zu, 
so werden die mit ihnen verbundenen Folgen sich in Erschei- 
nungen äußern, die besonders charakteristisch sind und dem 
Zeitalter gewissermaßen ihren Stempel aufprägen. Es wird 
dem denkenden Beobachter nicht entgehen, daß unserer Zeit, 
mehr als jeder früheren, gewisse Eigentümlichkeiten anhaften, 
als da sind : ein über das Maß gesteigerter Erwerbs- und Genuß- 
trieb, Hang zur Spekulation, d. h. zur Erzielung müheloser 
Gewinne in kurzer Zeit, ein allgemein gesteigertes Luxus- 
bedürfnis, grenzenloser Egoismus, hypochondrische Angst 
vor Erkrankungen aller Art, die oft in Bazillenfurcht ausartet, 
Beschränkung der Kinderzahl, die meist fälschlich mit der 
Rücksicht auf die Sprößlinge motiviert wird, infolgedessen 
eine übermäßige Verzärtelung und unsinnige Überschätzung 
der vorhandenen Kinder. Ist es nicht merkwürdig, wie eine 
Epoche, die sich mit Stolz das Jahrhundert des Kindes nennt, 
die Kinder gar nicht zur Welt kommen läßt! Darin zeigt 
sich vor allem die Unaufrichtigkeit dieser Devise und die Be- 
mäntelung tiefer liegender uneingestandener Ursachen. Nebst 
der unrichtigen Einschätzung des Kindes tritt auch deutlich 
eine unrichtige Einschätzung des Weibes in Erschei- 
nung. Sie ist ein so auffälliges Zeichen unserer Zeit, daß 
es wohl der Mühe wert ist, ihr einige Worte zu widmen. In 
Europa, aber noch mehr in Amerika, zeigt es sich, daß die 
Frau, der die normale Befriedigung entweder gänzlich versagt 
oder nur verkümmert geboten wird, gewisse Charakterzüge an- 
nimmt, die ihr eigentlich von Natur aus fremd sind. All das, 
was ihr der Mann an den Werten dieser Welt bietet, hat für 
sie keinen Reiz, gemessen an dem, was er ihr vorenthält. 
Sie hat das Gefühl des Bettlers, dem man statt Brot Steine 
bietet. Ihre dadurch hervorgerufene Mißstimmung kommt in 
Arroganz, Launenhaftigkeit, „Nervosität" und einer Gering- 
schätzung des Mannes zum Ausdruck. Dieser wiederum hat 
es schon verlernt, die wahren Beweggründe des Weibes zu 
erkennen, trachtet den Unmut durch verdoppeltes Entgegen- 



V. Individuelle und soziale Tragweite der Impotenz. 45 

kommen zu beschwören und erreicht damit nur das gerade 
Gegenteil. Die Verhimmelung des Weibes ist besonders für 
amerikanische Verhältnisse charakteristisch. Der Amerikaner 
hat das Weib, das so gern nichts anderes sein möchte, zur 
Göttin erhoben. Sie muß wohl oder übel eine Rolle spielen, 
die ihr von vornherein nicht zugedacht war, in die sie sich 
aber nolens volens hineinfindet. Sie schiebt alle unterdrückten 
Triebe sozusagen auf ein Nebengeleise, wird zur Meisterin 
in all den Dingen, die nur durch Äußerlichkeiten ihren Ur- 
sprung verraten: Sie frönt der Putzsucht, dem Luxus, sie 
bringt es zur Vollendung im Flirt, diesem mißratenen Ab- 
kömmling des echten Liebesspiels, und straft durch raffinierte 
Koketterie den Urheber der ganzen Komödie. Aber all die 
Geschäftigkeit, die sie veranlaßt, Betätigungen zu suchen, 
die ihr ursprünglich fern liegen (Studium, politische und so- 
ziale Wirksamkeit usw;), in nervöser Hast die halbe Welt 
zu bereisen und allen Genüssen nachzujagen, ist ihr kein voller 
Ersatz. Der Mann hinwiederum findet nicht mehr den Zugang 
zu diesem so hochstehenden W r eib. Er flüchtet mit den Resten 
seiner Sexualität, deren er sich schämt, zur feilen Dirne, auf 
die er alle seine Verachtung lädt. Die doppelte Moral, die 
er sich auf diese Weise zurechtgelegt hat, ist eine der Säulen 
der nicht nur jenseits des Ozeans herrschenden Prüderie und 
Heuchelei, eines der Hauptcharakteristika unserer Zeit. Es 
ist unschwer nachzuweisen, daß auch viele andere Erschei- 
nungen, die unsere heutige Gesellschaftskultur kennzeichnen, 
als da sind: der Hang zur schwülen Erotik im gesellschaft- 
lichen Leben, in Kunst und Literatur, das Bedürfnis nach 
immer neuen Sensationen und allerhand Nervenkitzel, nur un- 
vollkommene Surrogate für unterdrückte gesunde Sinnlichkeit 
sind. Auch in anderen Ekstasen, allerlei mystischen und aber- 
gläubischen Kulten, die mitunter in wissenschaftlichem, mit- 
unter auch in politischem Gewände auftreten (Spiritismus, 
Okkultismus, Anarchismus usw.), äußert sich der mißhandelte 
und irregeleitete Eros. 

Es ist ein wahres Glück, daß jede Versündigung gegen 



\ 






46 V. Individuelle und soziale Tragweite der Impotenz. 

die Natur, wenn auch auf Umwegen, aus sich selbst heraus 
Abhilfe schafft. Auf dem Wege über das Komplizierte gelangt, 
man oft zum Primitiven, und so ist z. B. in unserer Zeil im 
Sport, der ursprünglich nervöser Betätigungssucht entsprang, 
ein Gegengewicht gegen die allzu weitgehende Überkultur 
erstanden. So ist denn zu hoffen, daß diese Rückkehr zur 
Natur nicht nur der jetzigen, sondern auch den kommenden 
Generationen zum Heile gereichen wird. 



Kasuistik. 



Im nachfolgenden sollen einige Krankengeschichten vor- 
geführt werden, die namentlich auf das psychische Verhalten 
der Patienten ein Licht werfen. Selbst diese Kasuistik, die 
sich nur auf wenige Fälle erstreckt, die interessanteren, die 
ich meiner reichhaltigen Sammlung entnehme, wird zeigen, 
welch mächtigen Einfluß die sexuellen Vorgänge auf die 
Psyche nehmen. Aber bei aller Verschiedenheit der psychi- 
schen Äußerungen findet der Praktiker bei den in Betracht 
kommenden Patienten gewisse gemeinsame Merkmale aus- 
geprägt. Das auffallendste Stigma ist das Fehlen der für den 
Normalen so charakteristischen Aggression. Der Impotente 
geht am Weib vorbei, anstatt auf sie loszugehen. Es fehlt 
diesen Patienten meistens nicht an Gelegenheit zum Verkehr 
mit dem anderen Geschlecht, nur lassen sie sie unbenutzt, 
und Begegnungen, die für den normalen Mann zum Ausgangs- 
punkt von Abenteuern würden, bleiben bei ihnen ohne weitere 
Konsequenzen. Es sind lauter Bomane, die im ersten Kapitel 
abbrechen 1 ). Manchmal werden sie trotzdem weitergeführt, 
um vor dem entscheidenden Punkte ein jähes Ende zu finden. 
Sie haben es in der Kunst, der Entscheidung auszuweichen, 
geradezu zur Meisterschaft gebracht. Freilich stellen die Pa- 
tienten die Sache meist so dar, als ob der andere Teil im 
kritischen Augenblick die Flucht ergriffen hätte. Es ist klar, 
daß Männer, die dem Weibe gegenüber ein so maßvolles 
Verhalten an den Tag legen, von diesem eine Zeitlang mehr 



J ) Es ist nicht uninteressant, daß psychisch impotente Männer sich sehr 
häufig gerade zu anästhelischen Frauen hingezogen fühlen. 



48 Kasuistik. 

geschätzt werden und durch ihre scheinbare Frigidität beim 
anderen Teile sexuelle Erregung hervorrufen. So erklärt es 
sich, daß gerade die psychisch Impotenten bei den Frauen 
die meisten Chancen haben. Freilich wird ihnen der Segen 
zum Fluch, wie weiland König Midas. 

Fall 1. Offizier. Unvollständige Analyse infolge äußerer 
Hindernisse. Impotenz infolge verdrängter Wutregungen gegen 
seine Frau, von der er sich nicht mit Unrecht verachtet und 
betrogen glaubt, ohne es sich aber einzugestehen, da er sie 
aus Opposition gegen sein Elternhaus, seine Erziehung und 
seine ganze Vergangenheit geheiratet hat. 

Fall 2. Student mit Onaniezwang, der ihn nicht zum 
Weibe kommen läßt. Begründung der Onanie durch Trotz 
gegen die Eltern, von denen er sich immer zurückgesetzt 
glaubt. Er gibt die Onanie nicht auf, weil sie ihn von den 
Eltern unabhängiger macht, denen er das zur Befriedigung 
seines sexuellen Bedürfnisses nötige Geld nicht abbetteln 
will. Große Beschämung in den Pubertätsjahren wegen der 
Entdeckung eines sexuellen Attentats auf eine etwas jüngere 
Verwandte. Bei den ersten Koitusversuchen erweist er sich 
impotent, doch kommt er schließlich im Laufe der Behand- 
lung zu einer normalen Potenz. 

Fall 3. Philosoph. Besondere Intelligenz und sexuelle 
Frühreife. Stark perverse Betätigung in früher Kindheit, be- 
sonders Analerotik. Bei Beginn der Behandlung gehäufte Pol- 
lutionen, volle Arbeitsunfähigkeit, Klage über Mangel an Be- 
ziehung zur Außenwelt, absolute Impotenz trotz ungewöhn- 
lich günstiger Verkehrsgelegenheiten. Die Impotenz ist bedingt 
durch Fixation an die Mutter, die in besonderer Intimität 
mit ihm gelebt hatte. Er wird durch Phantasien beherrscht, 
welche an die Entkleidungen der Mutter anknüpfen (Kleider- 
fetischismus). Die Libido ging späterhin auf seine um zwei 
Jahre jüngere Schwester über. Im Laufe der Behandlung 
überwand er bei großer Besserung des Allgemeinbefindens 
die Impotenz und brachte es bei mehreren Frauen zu Lei- 
stungen, durch welche sich diese höchlich befriedigt: zeigten, 



Kasuistik. 



49 



während er selbst in gewissem Grade anästhetisch blieb. Im 
Beisammensein mit der Mutter, nach Abbruch der Behand- 
lung, traten die Pollutionen wieder auf. 

Fall 4. Großindustrieller. Allmähliche Verschlechterung 
einer normal einsetzenden Potenz, bis zum endlichen Ver- 
sagen. Fixierung an die Mutter, deren einziges Kind er ist, 
Gegnerschaft gegen den Vater. Unzufriedenheit mit der Aus- 
sicht, in das Geschäft des Vaters einzutreten. Er gewinnt in 
der Kur die volle Potenz wieder und findet sich mit der Not- 
wendigkeit ab, die Stelle des Vaters im Geschäft einzunehmen. 

Fall 5. Kaufmann, gutmütiger tüchtiger Mann, der mit 
34 Jahren geheiratet und bis dahin keinen Koitus versucht 
hatte. Volle Impotenz, die durch keinerlei somatische Be- 
handlung beeinflußt werden konnte. Kräftige Erektionen stellten 
sich während der vierjährigen Ehe nur ein, wenn die Frau 
die Periode hatte, und zur Zeit, als ihr wegen einer gynäko- 
logischen Operation der Verkehr untersagt wurde. Seine 
sexuelle Befriedigung erzielte er bis zur Heirat durch Mastur- 
bation, geknüpft an eine Phantasie, in welcher er sich unter 
allerlei Zeremoniell von Frauen abschlachten ließ 1 ). Die Ent- 
wicklung dieser masochistischen Phantasie reicht bis in die 
Vorpubertät zurück; sie stellt eine Reaktion auf frühzeitige 
sadistische Regungen dar. Dazwischen läuft eine Geburts- 
phantasie, in der er das Weib (die Mutter) darstellt. Er war 
schon als kleiner Knabe an die Mutter fixiert und von dem 
strengen Vater übermäßig eingeschüchtert. Seit der Heirat hat 
er die Onanie aufgegeben. Zum Versuch mit anderen Frauen 
ist er nicht bereit. 

Fall 6. Advokat. Begabter, aber sehr zerfahrener Mann, 
mit bewegtem, an bunten Abenteuern reichem Vorleben. 
Wiederholte Gonorrhöe, außerordentliche Phantasietätigkeit, 
unmäßige Onanie, die durch sexuellen Verkehr nicht gehemmt 

i) Für die prognostische Beurteilung des einzelnen Falles ist der 
Charakter der Onanier-Phantasie von großer Bedeutung. Sind es, wie im vor- 
liegenden Falle, masochistische Phantasien komplizierterer Art, so ist 
wegen ihrer schweren Realisierbarkeit die Prognose meist ungünstig. 
Steiner, Die psychischen Störungen. 3. Aufl. 4 







50 Kasuistik. 

wird. Allmähliche Abnahme der Potenz, häufiges Versagen 
und sehr verfrühte Ejakulation, allmähliche Entwicklung von 
Herzangst, Eisenbahnangst, Klaustrophobie und anderen Angst- 
zuständen, die seine Existenz sehr erschweren. Er gewinnt 
in der Behandlung bei weitgehender Herstellung von seinen 
Beschwerden seine gute Potenz, entsagt der Onanie und tritt 
in befriedigende Liebesbeziehungen ein. 

Fall 7. Junger Amerikaner, dessen Sexualleben eine 
normale Entwicklung einschlug, der aber im 23. Jahre den 
Sexualverkehr plötzlich aufgab und durch 14 Jahre ohne 
Schaden abstinierte. Nach dem Tode seines Vaters versuchte 
er im 37. Lebensjahr wieder zu koitieren, fand sich aber 
völlig impotent und wurde nach erfolgter örtlicher Behand- 
lung nach Wien geschickt. Seine Potenz kehrte hier schon 
während der Lokalbehandlung wieder und gestaltete sich 
während der Psychoanalyse zu einer in jeder Hinsicht nor- 
malen. Seine Libido war an die Mutter fixiert, er hatte den 
sexuellen Verkehr aufgegeben, als er von einem galanten 
Abenteuer des Vaters Kenntnis erhielt, und getraute sich 
erst nach dessen Ableben den Verkehr wieder aufzunehmen. 
Er heiratete nach der Rückkehr in seine Heimat ein junges 
Mädchen. 

Fall 8. Junger Mann in angeblich glücklichster Ehe 
(Liebesheirat, schöne Frau, ein Kind von wenigen Monaten), 
der nach seiner ersten Untreue auf der Reise von einer 
schweren Depression befallen wird, seiner Frau eine Beichte 
ablegt, aber trotzdem in hypochondrischer Verstimmung ver- 
bleibt. Fixation der Libido an eine jüngere Schwester, die, 
selbst an ihn gebunden, seine Heirat mit einer Hysterie be- 
antwortet und seine Frau mit Feindseligkeit verfolgt. — 
Heilung der Depression. 

Fall 9. Gendarm. Hat bis zum 40. Jahr keinen Koitus- 
versuch unternommen, dagegen viel onaniert. Er geht im 
40. Lebensjahr eine Vernunftehe mit einer älteren reizlosen 
Frau ein und erweist sich als vollkommen impotent. Die 
Lokalbehandlung bleibt zunächst ohne Erfolg. Die Analyse 



* 






. 



Kasuistik. 



51 



des sehr intelligenten Patienten, der eine Unmasse von Träu- 
men von dem charakteristischen Unzulänglichkeitstypus pro- 
duziert, ergibt eine Fixierung an die Mutter und stark aus- 
geprägten Vaterhaß. Der anfängliche Erfolg wird nach einem 
kurzen Besuch bei der noch lebenden, aber an einem anderen 
Orte wohnenden Mutter durch neuerliche Mißerfolge abge- 
löst. Die Fortsetzung der Analyse fördert abermals neues 
Material zutage. Patient reist in seinen Dienstort ab und es 
gelingt ihm zunächst, mehrmals den Koitus — allerdings 
nicht bei der eigenen Frau — auszuführen. Da Patient nicht 
mehr in der Lage ist, neuerdings nach Wien zu kommen, 
gebe ich ihm den Rat, die Analyse, soweit es geht, selbständig 
fortzusetzen, seine Träume aufzuzeichnen und mir einzu- 
senden. Ich sende sie ihm zurück mit der Aufforderung, auch 
seine Deutungsversuche beizufügen. Zugleich mit diesen be- 
komme ich einige Tage später auch die Nachricht von dem 
ersten bei der eigenen Frau vollzogenen Koitus. 

(Weit häufiger, als man erwarten sollte, hatte ich Ge- 
legenheit, bei unseren Gendarmen Fälle von psychischer Im- 
potenz zu beobachten. Es handelt sich stets um körperlich 
und geistig wohlentwickelte Menschen mit relativ großer In- 
telligenz. Vielleicht liegt schon in der Berufswahl dieser Leute 
ein Hinweis auf den verdrängten unbewußten Komplex [auf- 
rührerische Einstellung gegen den Vater und ihre Über- 
kompensation durch bewußte Hingabe an Loyalität und Ge- 
setzesachtung]. Sicher ist, daß auf die Frage nach der mut- 
maßlichen Ursache des Krankheitszustandes diese Patienten 
stets die stereotype Antwort geben, der Beruf sei daran schuld, 
denn er erfordere ein sehr reserviertes Benehmen; sie dürf- 
ten, um nicht die Achtung der Bevölkerung zu verscherzen, 
sich nicht in Heimlichkeiten und Liebesverhältnisse einlassen, 
lebten unter steter Kontrolle der Behörden und der Bevölke- 
rung, überdies biete ihnen der anstrengende Dienst und der 
damit verbundene Ortswechsel kaum Gelegenheit, sich irgend- 
wo zu engagieren.) 

Fall 10. Junger Fabrikant. Sucht mich wegen Magen- und 

4* 



52 Kasuistik. 



Darmbeschwerden, namentlich einer hartnäckigen Obstipation, 
auf, obwohl ihm genau bekannt ist, daß ich kein Spezialist 
für die erwähnten Krankheiten bin. Er ist sehr nervös, leidet 
an Pollutionen. Onanie wird anfangs geleugnet, aber später 
spontan eingestanden. Objektive Untersuchung ergibt bei dem 
jungen Mann, der nie eine Geschlechtskrankheit hatte, chro- 
nische Prostatitis und Überempfindlichkeit der pars prostatica 
urethrae. Nach Beseitigung der genannten Zustände durch 
lokale Behandlung tritt eine auffallende Besserung der Magen- 
Darm-Beschwerden ein, die offenbar auf Sexualneurasthenie 
hinweisen.. Um dieser abzuhelfen, verordne ich regelmäßigen 
Koitus, der bei der Dirne auch anstandslos gelingt, ohne 
aber Vergnügen zu bereiten, im Gegenteil wieder die ursprüng- 
lichen Beschwerden hervorruft. Patient hat selbst die Emp- 
findung, daß ihm der Koitus mit einer gleichwertigen Person 
nottut. Auch er sieht darin die Lösung seines Problems 
Doch kann er sich nicht entschließen, eine Beziehung anzu- 
knüpfen, da ihm der Mut fehlt, die Initiative bei einem an- 
ständigen Weibe zu. ergreifen. Der Zustand verschlechtert sich 
zusehends, eine abermalige lokale Behandlung beseitigt die 
Verdauungsbesckwerden. Um nicht neuerdings zu Prosti- 
tuierten gehen zu müssen, nimmt er die Onanie wieder auf 
die aber ebenfalls schlecht vertragen wird und die alten Be- 
schwerden verursacht. Zwei durch einen gefälligen Freund 
vermittelte Verhältnisse mit besseren Mädchen löst er nach 
kurzer Zeit, ohne daß es zu einem Koitus gekommen wäre- 
er gibt an, daß ihn diese Beziehungen noch nervöser gemacht 
hatten. Patient war das jüngste Kind betagter Eltern, die Mutter 
war gestorben, kurz bevor er in meine Behandlung trat. Der 
alte Vater hing zwar am Sohn mit großer Zärtlichkeit, doch 
hielt er ihn sehr knapp und ließ ihm wenig Freiheit. Das 
ist auch nach Ansicht des Patienten der Grund, warum er zu 
keinem richtigen Sexualverkehr kommen könne, da die stete 
Kontrolle ihn irritiere. Kurz nachdem der Vater gestorben 
war, ging er ein neues Verhältnis ein, das zwar abermals 
durch Vermittlung zustande kam, in dem Patient aber sofort 







__ 







Kasuistik. k« 



eine normale Potenz zeigte und bis heute derselben Person 
gegenüber behalten hat. In den Verdauungsbeschwerden sind 
nur gelegentlich leichte, bald vorübergehende Rückfälle vorge- 
kommen. - Bei diesem Falle, der bis zum endgültigen Er- 
folg nahezu drei Jahre in meiner Behandlung stand, habe 
ich keine eigentliche Analyse vorgenommen. Nichtsdesto- 
weniger kann der lange intime Verkehr, während dessen es 
mir gelang, das Vertrauen des Patienten völlig zu erwerben 
imd dieser Gelegenheit hatte, sich über alles mir gegenüber 
ruckhaltlos auszusprechen, wohl als Surrogat einer richtigen 
Analyse gelten. - l n konstitutioneller Hinsicht wäre zu be- 
merken, daß die Mutter des Patienten an einer schweren Herz- 
neurose litt, eine Schwester leidet an einer Psychose, ein 
verstorbener Bruder des Patienten soll gleichfalls hochgradig 
nervös gewesen sein. 

Fal1 11. Kaufmann aus der Provinz, in kleinlichen Ver- 
haltnissen aufgewachsen, entstammt einer neuropathischen 
Familie, deren meiste Mitglieder, sowie der Patient selbst, 
stark kurzsichtig sind. In der Kindheit mannigfache Ver- 
fuhrungsszenen, passiv und aktiv. Die letzteren beziehen sich 
vorwiegend auf die jüngere Schwester, die angeblich gleich- 
falls nervös geworden ist, geheiratet hat und in der Ehe 
anasthetisch sein soll. Aus einer Reihe von schönen Träu- 
men des Patienten ergibt sich die Mutter als ursprüngliches 
Objekt der Libido. Die Schwester bedeutet bereits eine Ver- 
schiebung. Bei der Loslösung von der Schwester fixiert sieb 
der Patient an eine Cousine, die schließlich durch eine Fremde 
ersetzt wird, die aber in nahen Beziehungen zur Familie 
steht und „zufälligerweise", obgleich keine Verwandte, den 
gleichen Familiennamen führt. Bei dieser werden auch die 
ersten Koitusversuche unternommen, die aber mißlingen Die 
Analyse geht in diesem Falle nach Überwindung der ersten 
Widerstände glatt von statten und führt zu einem nur zu voll- 
ständigen Erfolg, d. h. zur Schwängerung des Mädchens. 
Dieser unerwünschte Erfolg verursacht zeitweiliges Aufgeben 
des Verhältnisses und Versuch eines Koitus mit anderen 



54 Kasuistik. 

Mädchen, der aber mißlingt. Patient entschließt sich, das 
Mädchen, bei dem er reüssiert hatte, zu heiraten. 

Fall 12. Junger Fabrikant, der seit der Pubertät anstands- 
los koitiert hat, erweist sich von dem Augenblick, da er 
sich zur Heilung eines nervösen Magen-Darmleidens in ein 
Sanatorium begeben hat, als völlig impotent. Als zunächst» 
liegende Ursache ergibt sich der Umstand, daß Patient im 
Sanatorium sich in eine junge Dame verliebt hat und seit- 
dem jedes andere Sexualobjekt ablehnt. Die Analyse ergibt 
reichlich Inzestmotive auf Grund von Träumen, in denen 
wiederholt von einem Rivalen die Rede ist 1 ) (offenbarer 
Hinweis auf den Vater), der auch aktuell ist, da außer ihm 
noch jemand um die Gunst des Mädchens warb. Es gelingt 
ihm, den Rivalen aus dem Felde zu schlagen und das Mäd- 
chen heimzuführen, bei dem er eine befriedigende Potenz 
gewinnt. 

Fall 13. Arzt, Mitte der Dreißigerjahre, hat noch nie- 
mals bei einem Weibe reüssiert, stets organisch gesund ge- 
wesen, ja sogar ausgesprochen robust, wird aber von Phan- 
tasien beherrscht, die in bunter Reihenfolge und mannig- 
faltigster Verschränkung sadistische, masochistische, exhibitio- 
nistische, fetischistische Szenen zum Inhalt haben. Als Fetisch 
dienen ihm weibliche Dessous, die bei allen von ihm in der 
Phantasie durchgeführten Entkleidungsszenen eine große 
Rolle spielen. Ganz besonders interessant ist in diesem Falle 
das absolute Unvermögen des Patienten, sich ein weibliches 
Genitale vorzustellen, um so verwunderlicher, als Patient Arzt 
ist und in seiner Praxis täglich oft mehrmals Gelegenheit hat, 
den weiblichen Geschlechtsteil zu sehen 2 ). Die organische 



*) In einem dieser Träume spricht Patient von einem Gutsnachbarn, mit 
dem er um ein Grundstück in Streit geraten sei. Rivalitätsträume sind 
überhaupt bei Neurotikern nicht selten und decken affektbetonte Beziehungen 
zum Vater, eventuell zu den Geschwistern. 

*) Diesen Zug weisen sehr viele psychisch Impotente auf; Männer, die 
oft in beschränkten Verhältnissen mit Geschwistern ungefähr gleichen Alters 
aufgewachsen sind, geben, wenn sie späterhin neurotisch geworden sind, oft 



• 



Kasuistik. 



55 



Behandlung der ausgesprochen prostatischen Hyperästhesie 
hat gar keinen Erfolg. Erst nach Durchführung der Analyse, 
die ein reiches Material im oben angeführten Sinne liefert, 
stellt sich der volle Erfolg ein. 

Fall 14. Russischer Schriftsteller von starker Begabung, 
der einen Teil seiner schwülen Erotik in sehr feinen lyrischen 
Dichtungen sublimiert hat. Während und nach der Durch- 
führung der lokalen Behandlung arbeitet der sehr intelligente 
Patient, der über die Freudsche Theorie hinreichend infor- 
miert ist, an einer Selbstanalyse, die den gewünschten Er- 
folg herbeiführt. Interessant ist, daß von diesem Moment an 
sich ein deutlicher Wechsel in der Form der Produktion zeigt, 
indem er von da an ein äußerst erfolgreicher Dramatiker wird. 
Seine Arbeiten haben vollen künstlerischen Wert und zugleich 
starke theatralische Wirkung, während die im Anfang erwähnte 
lyrische Periode Schöpfungen mehr sublimer und ätherischer 
Art aufgewiesen hatte. 

Fall 15. Privatgelehrter von abschreckender Häßlichkeit, 
mit merkwürdig sinnlichen Augen. Seine bis dahin ganz 
leidliche Potenz erlischt in dem Augenblick, da er die Ab- 
sicht hat, eine Konventionsehe zu schließen. Die Phantasie des 
Mannes, der sein Leben anscheinend nur reinsten wissen- 
schaftlichen Zielen geweiht hat, ist erfüllt von wüsten Orgien, 
in denen sadistische Vorstellungen vorherrschen, aber auch 
andere Perversionen reichlich vertreten sind. Speziell Figuren 
der antiken Mythologie werden in seinen Phantasiestücken 
verarbeitet, in denen er jede mögliche Rolle spielt. Die 
Analyse deckt intensiv verdrängte Inzestwünsche auf. Nach- 
dem er seine volle Potenz erlangt hat, heiratet er eine arme 
Cousine, in die er schon lange verliebt war. 

Fall 16. Junger Offizier, etwas infantil aussehend, mit 



an, keine Kenntnis vom weiblichen Genitale zu haben. Natürlich liegt gerade 
in dieser Dissimulation ein deutlicher Hinweis auf die im Unbewußten 
schlummernden, die Neurose veranlassenden Motive (inzestuöse Fixierung an 
Mutter oder Schwestern). Solche Patienten benehmen sich wie der Mörder, der 
9ein Opfer überhaupt nicht gekannt haben will. 



56 Kasuistik. 

für seinen Beruf nicht zureichender äußerer Erscheinung (ge- 
ringe Muskelentwicklung). Auffallend geringe Sexualität bis 
zum 14. Lebensjahr, dann mäßige Onanie mit masochistischen 
Vorstellungen. Seit dem 20. Lebensjahr mutuelle Onanie mit. 
Dirnen bei Unfähigkeit zur immissio penis. Erektionen auch 
auf die gewöhnlichen sexuellen Reize, Ejakulation nur bei 
masochistischen Phantasien. Unvereinbarkeit von sexuellen 
und Liebesempfindungen. Infolge leidenschaftlicher Neigung 
zu einem in den Patienten stark verliebten Mädchen wurde 
der Wunsch nach normalem Verkehr intensiv und führte ihn 
in Behandlung, da er bei dem Mädchen sich als vollkommen 
impotent erwies. Er mußte deshalb seine Hypothese aufgeben, 
daß nur mangelnde Liebe an der Dauer seiner Impotenz 
schuld sei. Als Ursache der Impotenz zeigte sich bis in die 
frühe Kindheit zurückgehende masochistische Fixierung an 
Dienstmädchen. Durch die Behandlung wurde Patient be- 
fähigt, mit nicht geliebten Personen zu verkehren, und war 
imstande, sich gegenüber dem Sexualobjekt aktiv einzustellen. 
Fall 17. Hoher Beamter in den Vierzigerjahren, stammt 
von gutmütigem Vater und brutaler Mutter (vier Brüder). 
Die im 11. Lebensjahr aufgenommene Onanie bleibt durch 
sein ganzes Leben als einzige Sexualbefriedigung bestehen, 
und zwar mit sadistisch-heterosexuellen Phantasien ver- 
knüpft. Der kulturell und ethisch sehr hochstehende Mann 
war sein ganzes Leben hindurch vom Kampfe mit den ihm 
selbst unwürdig erscheinenden perversen Gelüsten und den 
daraus resultierenden Vorwürfen gequält und entschloß sich 
bei einer Steigerung dieser Zustände zur Behandlung. Patient 
hatte nie einen Versuch zum Koitus gemacht infolge man- 
gelnden Mutes gegenüber begehrenswerten Frauen und Ab- 
scheues gegen käufliche Objekte. Als Ursache stellte sich 
lange dauernde homosexuelle Einstellung auf Verwandte und 
Freunde heraus, welche Beziehungen gleichfalls infolge der 
damit verbundenen sadistischen Gelüste zu keinerlei Betäti- 
gung geführt hatten. Der Sadismus des Patienten hing innig 
mit dem Mutterkomplex zusammen. Als Resultat der Behand- 



ar" 



Kasuistik. 57 

hing ergab sich eine Aussöhnung des Patienten mit seinem 
liebelosen Leben; die sadistischen Phantasien traten nur mehr 
in geringer Intensität und ganz selten auf. Patient versöhnte 
sich mit den Resten seiner infantilen Sexualeindrücke, die 
ihre quälende Wirkung verloren. Dadurch gewann er gesell- 
schaftlich wie auch persönlich eine nie gekannte Lebens- 
freude und Arbeitsenergie. 

Fall 18. Jurist, impotenter Angsthysteriker, mitAbsenzen, 
Ohnmachtsanfällen und Platzangst; Zwangslachen, Schweiß- 
ausbrüche, Zwangserröten. Erinnert nie onaniert zu haben. 
Vom 2. bis 6. Lebensjahr werden sexuelle Aggressionen gegen- 
über der Mutter und Dienstmädchen erinnert, später kommen 
inzestuöse Betätigungen an kleinen Geschwistern hinzu. Im 
11. Lebensjahr setzte die Neurose mit Anfällen von Kopf- 
schmerz und Angstzuständen ein. Dann asexuelle Zeit bis 
zum 14. Lebensjahr. Von da an sehr häufig nächtliche Pol- 
lutionen bis zum 18. Lebensjahr. Die begleitenden Pollutions- 
träume enthielten in der Kindheit erlebte Entblößungsszenen 
von Mädchen, wobei regelmäßig zu Beginn des Traumes die. 
Mutter anwesend war und durch „Lenkung" des Traumes 
entfernt wurde. Im Tagesleben war die Sexualität, im Zu- 
sammenhang mit der Angsthysterie, vollkommen gehemmt, 
wozu die masochistische Einstellung gegenüber dem Vater 
und den älteren männlichen Verwandten die Hauptveran- 
lassung war. Es gelang der Analyse, die mannigfaltigen Wider- 
stände gegen die Sexualität aufzulösen und sie von der 
Fixierung zu befreien. Aber auch jetzt war der Koitus immer 
noch unmöglich, da sich eine Reihe von fetischistischen Be- 
dingungen in bezug auf Gestalt, Kleidung, Brustform, Alter, 
Haarfarbe usw. herausstellten. In wie frühe Jahre die 
sexuellen Störungen zurückgehen mußten, ergibt sich daraus, 
daß der Knabe im 12. Lebensjahr wegen eines Sphinkter- 
krampfes mit Sonden behandelt wurde, ohne nachweisbare 
organische Veranlassung. Es gelang der kombinierten psychi- 
schen und organischen Behandlung, die sehr starke latente 
Potenz vollkommen herzustellen. 



~* 



58 Kasuistik. 

Fall 19. Junger Sänger, der es gegen den Willen seiner 
Eltern geworden ist, die ihn für das väterliche Geschäft be- 
stimmt hatten. Trotz großer Fähigkeit im Beruf ausge- 
sprochene Schüchternheit, die sich namentlich als Lampen- 
fieber vor öffentlichem Auftreten äußert. Der Koitus gelingt 
bei Dirnen, ohne Vergnügen zu gewähren. Bei anständigen 
Mädchen, auch wenn sie ihm die größten Avancen machen, 
reüssiert er nur teilweise, d. h. mit ejaculatio praecox. Die 
lokale Behandlung bessert diesen Befund für einige Zeit. Bei 
der neuerlichen Rezidive stellt sich Patient mit der Angabe 
vor, daß er an Herzklopfen, Beklemmungen und Schlaflosig- 
keit leide. Patient wünscht eine Psychoanalyse durchzu- 
machen, von der er durch Bekannte erfahren hat. Die Analyse 
ergibt eine starke Erotik in den Vorpubertätsjahren; Patient 
wurde ertappt bei einem Attentatsversuch auf ein kleines 
Mädchen, die er als Nachbarin häufig zu sehen Gelegenheit 
hatte. Die Träume zeigen deutlich Inzestphantasien mit stark 
betonter Eifersucht, die auf jüngere Brüder gerichtet ist. Die 
organischen Beschwerden sind noch im Laufe der Behand- 
lung zurückgegangen. Die Analyse selbst wurde aus äußeren 
Gründen nicht zu Ende geführt. 

Fall 20. Kaufmann, Mitte der Dreißiger jähre, von hervor- 
ragender Intelligenz, kräftig männliche Erscheinung, gegen 
die ein ängstliches, unsicheres Auftreten kontrastiert, welches 
den Patienten in seinem Beruf und im geselligen Leben schwer 
störte. Namentlich aber war er nicht imstande, geschäftliche 
oder menschliche Beziehungen durch länger als höchstens zwei 
Jahre zu unterhalten, weil das Gefühl, „gekannt zu sein", 
ihn hinderte, mit den Menschen weiter zu verkehren. Er war 
in seinem geschäftlichen Verhalten durch schwere Skrupel 
gestört, so daß er Transaktionen nur mit größter Willens- 
anstrengung durchführen konnte, aus Angst, dabei Geld zu 
verdienen. Aber diese neurotischen Scharten kompensierte 
er durch ungewöhnliche Tüchtigkeit. Im geselligen Verkehr 
störte Zwangslachen, Erröten und Errötungsangst, Stammeln 
und Verlegenheit. Die Ursache lag in schweren sexuellen 



Kasuistik. 59 

Schuldgefühlen, hervorgerufen durch perverse zoerastische Be- 
ziehungen in der Kindheit. Die ganze Entwicklung des Pa- 
tienten war durch den harten, übermäßig moralischen Vater 
derart beeinflußt, daß jede normale Sexualerregung mit Scham- 
gefühl und Angst vor Verrat einherging, so daß immer nur 
unter der stärksten Steigerung des unbefriedigten Triebes 
Sexualbefriedigung bei Individuen gesucht wurde, von denen 
kein Verrat zu befürchten war. So war es in der Kindheit 
und Pubertätszeit bei den Tieren und später bei Individuen, 
die der Patient nicht zur menschlichen Gesellschaft rechnete, 
also nur bei Prostituierten niedriger Sorte, wobei er auch nie 
den Verkehr mit demselben Mädchen wiederholte. Dabei führt 
der Patient ein Doppelleben, indem er mit vornehmen und 
anständigen Frauen, die in sein Leben eingetreten waren, ein 
höchst verfeinertes psychisches Verhältnis unterhielt, das sich 
durch eingehende und fördernde Teilnahme an ihrem Schick- 
sal, feines Verständnis für das geistige Leben des anderen 
und das Bedürfnis, sich selbst mitzuteilen, auszeichnete. Bei 
diesen platonischen Verhältnissen hatte der Patient nie eine 
sexuelle Erregung gehabt, er gehörte also auch zu den 
Menschen, bei denen Wertschätzung und Lüsternheit der- 
selben Person gegenüber einander ausschließen. Dieses Ver- 
halten war bewußt bedingt dadurch, daß er selbst sich so 
niedrig einschätzte und sich eines reinen Wesens nicht für 
würdig hielt; im Unbewußten lag eine infantile Fixierung 
an seine Mutter zugrunde, die in den ersten Kinderjahren 
durch normale Zärtlichkeit das Kind an sich gefesselt hatte, 
und später in idealer Art das Schicksal des gequälten Jungen 
begleitet hat. Sie starb, als der Knabe 16 Jahre alt war, der 
nach diesem Termin die Perversion aufgab und in der patho- 
logischen Trauer um sein tiefstes Liebesobjekt perseverierte. 
Der Erfolg der psychischen Behandlung war eine vollkommene 
Herstellung von seiner Arbeits- und Berufsstörung, Befreiung 
von den Depressionen und Wiederherstellung der sexuellen 
Gefühle gegenüber geschätzten Frauen. 



Verlag von Franz Deuticke in Leipzig und Wien. 



Bleuler, Prot Dr. E., Die Psychoanalyse Freuds. Verteidigung und kritische Be- 
merkungen. Preis Goldmark 1.80. 

Braun, Prof. Dr. L., Herz und Psyche in ihren 'Wirkungen aufeinander. Preis 
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Breuer, Dr. J. und Freud, Prof. Dr. Sigm., Studien über Hysterie. Vierte, 
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Fortschritte der Sexualwissenschaft und Psychanalyse. Herausgegeben von 
Dr. Wilhelm S t e k e 1. I. Band. Preis geh. Goldmark 11.60. geb. Goldmark 13.80. 
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XV. Heft. Aus dem Seelenleben des Kindes. Von Dr. H. Hng-Hellmuth t. Zweite Auflage. 
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XVI. Heft. Über Nachtwandeln und Mondsucht. Eine mediz.-Iiter. Studie. Von Dr. J. Sadger, 
Nervenarzt in Wien. Preis Goldmark 4.—. 

\XVII. Heft. Jakob Boebme. Ein pathogr. Beitrag zur Psychologie der Mystik. Von Doktor 
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XVIII. Heft. Friedrich Hebbel. Ein psychoanalytischer Vorsunh. Von Dr. J. Sadger, Nerven- 
■ .» .«rzt in Wien. Preis Goldmark 6.—. 

XIX. Heft. Scboponhauor und der Animismus. Eine psychoanalytische Studie. Von Leo Kaplan. 
Preis Goldmark 6.—. 

XX. Heft. Robert Mayer und die Entdeckung des Energiegesetzes. Von Dr. H. Timerding. 
Preis Goldmark *.—. 

V Heft H, HI, IV, IX, X, vergriffen. Neue Auflagen in Vorbereitung. 

Manzsche Buchdruckercl, Wien IX. 2165 



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