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Full text of "Sueddeutsche Musik-Zeitung 15 Jg 1866"

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15. Jahrgang. 



iTe- i. 



1. Januar 1866. 



X. . M 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



p~~ ~ . 

DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
t lungen. 



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von 



PREIS: 



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B. 



U.2. 42 kr. od.Th.l.MSg. 
■■ \ für den Jahrgang. 

SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ, j d«* & *« ta«. : > 



Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



* 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal, j 



INHALT: Fürstlich Tburn und Taxische Hofmusikcapelle. — Correspondenzen : Mainz. Schweiz. Züricb. — Nachrichten. 



Fürstlich Thurn und Taxische Hofmusikcapelle. 

(Aus Dr. Mettenleiter's „Musikgeschichte Regensburgs," Verlag 
von BÖsenecker in Regensburg. 



Die erste Nachricht von dem Besteben einer solchen fand ich 
in der Chronik von Bad Schwalbach. Dort heisst es zum 
Jahr 1684: „Die Fürsten von Thurn und Taxis, von Nassau-Weil- 
burg brachten stets ihre aus 60 Mann bestehende Musikcapellen, 
sowie ihre Opernbanden mit und vereinigten an ihren gastlichen 
Tafeln alltäglich 60 bis 80 Personen, und dies thaten sie fort bis 
in's 18. Jahrhundert." Leider haben alle Bemühungen , detaillirte 
Notizen über die Zahl und Namen der Hofmusiker oder über ihr 
Repertoir zu ermitteln, weder in Schwalbach noch an. Ort und Stelle 
ein Resultat gehabt. Es muss sich der Leser sonach schon gefallen 
lassen, dass ich ihn in einem Salto mortale gleich über ein ganzes 
Jahrhundert hinwegsetze, zum Jahre 1741. In diesem Jahre fand 
ich nämlich erst wieder eine Spur. (Siehe Beilage I des Werkes.) 
So ausführlich nun auch dieses Actenstück des Fürsten, des Gross- 
vaters des gegenwärtigen, der damals in Frankfurt residirte, ist, so 
gibt es doch auch keine näheren Aufschlüsse. Es constatirt eben 
auch blos den Bestand der MuBikcapelle , ohne sieh über Zahl etc. 
der Mitglieder zu verbreiten. Der darin genannte Musikdirector, 
Freiherr von Zedwitz ist mir eine persona incognita geblieben 
trotz all meiner Nachforschungen. Alles was ich über diese Familie 
fand, beschränkt sich auf eine Dame, die übrigens der Neuzeit an- 
gehört. Ernestine Gräfin von Zedwitz lebt seit dem Tode ihres 
Gemahls (1838), des Grafen zu Asch (Schönbacher Linie), ganz der 
Kunst, und namentlich der Musik im strengen Jätyle , jedoch mit 
Vorliebe für Chopin , welche sie wie fast alle anderen guten 
Tonwerke mit Kraft und Ausdruck auswendig vorträgt; sie steht 
seit 1841 mit Frau Clara Wie k- Schumann in engster Beziehung. 
(Schilling, Supplbd.) Der Name des ebenfalls genannten Hofmusikers 
Schiavonetti begegnete mir weder in früheren noch späteren Acten, 
noch auch in den aufbewahrten Musikpiecen oder im Verzeichnisse 
der Hofmusiker von 1755. Er scheint demnach um jene Zeit ge- 
storben oder entlassen worden zu sein. Ich benutze diese Lücke 
zur Erwähnung der als musikalisch bekannten Persönlichkeiten des 
Fürstenhauses. 

Die nach dieser Seite hin berühmteste Persönlichkeit ist der 
Conte, welchen der berühmte Musikschriftsteller B u r n e y in 
seinem „Tagebucbe einer musikalischen Reise" wiederholt rühmend 
erwähnt. Da wo er von dem berühmten Geiger* und Componisten 
der „Teufelssonate," T a r t i n i spricht, bemerkt er : „Sr. Excellenz 
dem Grafen von Tburn und Taxis in Venedig, seinem Scholaren 
und Gönner, vermachte er seine geschriebenen Musikalien". Wieder 
bemerkt er zum 1*2. August 1770: „Ich genoss die Ebre, mit dem 
Conte Torre Taxis, der hier eine Person von grossem Ansehen 
ist, eine lange Unterredung zu haben. Er ist deutscher und vene- 
tianischer GeneralpoBtmeister und war ein grosser Freund von 



Tartini, von dessen Compositionen er mir eine Menge zeigte. Er 
hat seinen Freund in einer kleinen Schrift gegen einige Anmerkungen 
über seinen Trattato di Musica vertheidigt, die Rousseau in dem 
Dictionaire de musique gemacht hat. Dieser Herr, so jung er ist, 
scheint grosse musikalische Gelehrsamkeit zu besitzen und aus dem 
Umgange und dem Briefwechsel mit Tartini viel gelernt zu haben, 
sowie er überhaupt für alle Künste Enthusiast ist. Diese Unter- 
redung mit ihm, worin ich ihm meinen Plan einer „Geschichte der 
Musik" mittheilte, machte mir viel Vergnügen und seine Mittheilungen 
waren mir so angenehm als unterrichtend." 

Zum 1 7. August bemerkt er dann wieder : „Diesen Morgen hatte 
ich die Ehre einer zweiten Unterredung mit dem Grafen von Thurn 
und Taxis, wobei ich das Vergnügen genoss, Se. Excellenz auf dem 
Ciavier, worauf er sehr geschickt ist, spielen zu hören. Er phan- 
tasirte lauge und zeigte viele Einsicht in der Modulation, und ich 
fand, dass er eine Stelle unter Tartini's Schülern vom ersten Range 
verdient. Er zeigte mir eine grosse Anzahl von Messen, Motetten 
und Oratorien von seiner Composition, denn ob er gleich noch jung 
ist, so hat er doch schon sehr viel geschrieben. Auch zeigte er 
mir ein Instrument, ein auf besondere Art eingerichtetes Ciavier, 
welches nach Angabe des Königs von Freussen verfertigt ist. Es 
hat das Ansehen eines grossen Clavichords, verschiedene Auszüge, 
und ist bald eine Harfe, ein Flügel, eine Laute oder ein Fortepiano; 
doch das Merkwürdigste an diesem Instrument besteht darin, dass 
man das Ciavier herausziehen und die Tangenten unter andere Saiten 
bringen kann , wodurch ein Stück nach Belieben um einen halben 
oder ganzen Ton, oder auch um eine kleine Terz niedriger kann 
transponirt werden, ohne dass man verschiedene Noten und Schlüssel 
entweder wirklich oder in Gedanken nöthig hat." 

Wie man aus diesen Mittheilungen ersieht, war der Graf von 
Thurn und Taxis Compositeur und Musikschriftsteller. Das bezüg- 
liche Werk konnte ich nicht erfragen , von seinen Compositionen 
dagegen habe ich in der fürstlichen Musiksammlung eine Sinfonie 
aufgefunden, wenigstens sprechen alle äusseren Gründe dafür, dass 
sie von ihm stammt. Der Conte starb erst im zweiten Decennium 
dieses Jahrhunderts. Ein nicht minder gründlicher Musiker und 
Compositeur ist dann der am 13. November 1805 verstorbene Fürst 
Carl Alexander gewesen. Er spielte das Ciavier und die Orgel 
meisterhaft, kannte den Generalbass und den Contrapunkt genau 
und phantasirte sehr schön und gediegen. Vorzüglich zog ihn die 
Kirchenmusik an. Concerte besuchte er selbst, das Theater aber 
nur sehr selten. Bedeutende Künstler schützte und schätzte er, wie 
denn auch die Catalani, Händel-Schütz, Bürger u. A. 
zu Vorträgen von ihm eingeladen wurden. Jährlich begleitete er in 
der Schottenkirche an den drei letzten Tagen der Charwoche die 
Lamentationen auf der Orgel. Als er einmal zu den Worten des 
Requiem auf der Orgel phantasirte, sagte er zu seinem tiefergriffenen 
Diener: „Ich spiele meinen künftigen Grabgesang". Der Verfasser 
dieses hat in jüngster Zeit ein Orgelclavier in Besitz bekommen, 
welches dem Fürsten zum Gebrauch gedient und das er später einer 
Gesellschaft zum Geschenk gemacht hatte; ebenso ein Kinder-Clavier, 



_ 2 — 



das zugleich als Nähtisch dienen konnte. Der' verstorbene Prina 
Fritz hat darauf das Ciavierspiel gelernt. 

Wenn ich blos diese Persönlichkeiten bezeichne und nichts von 
der Gegenwart sage , so geschieht dies einzig aus achtungsvoller 
Zurückhaltung. Die Musik ist im fürstlichen Hause mit eine unter 
den dort gepflegten Musen 

Naeh dieser kurzen Digression fahre ich wieder fort in der 
Darlegung der Geschichte der Musikcapelle. Das nächste Document, 
welches ich auffand, datirt aus 1755 ; es ist der Etat de la Musique 
nnd enthält die, Namen aller angestellten Musiker mit Angabe ihres 
Gehaltes. Unte* denselben befand sich Denn er, wahrscheinlich ein 
Nachkomme, vielleicht ein Sohn des zu Nürnberg 1770 gestorbenen 
Erfinders der Clarinette und der Stock- oder Raketen - Fagotte , des 
Verbesserers des Chalumeau (Schalmei), einer der ausgezeichnetsten 
Waldhornisten und Lehrer der zwei berühmten Waldhornisten 
Ignaz und Anton Bock aus Stadtamhof, welche ganz Europa 
mit einem fast nicht dagewesenen Erfolge durchreist haben und als 
churfürstliche Hofmusiker in München am Ende des vorigen Jahr- 
hunderts starben. 

Auch ist hervorzuheben Joh. Jakob Paul Küffner, geb. zu 
Nürnberg 1713 und gest. zu Regensburg am 12. Juli 1786. Er lebte 
Anfangs als Organist in der Walpurgiskirche zu Nürnberg, wurde 
aber 1750 als Hofcembalist bei dem fürstl. Taxischen Hause ange- 
stellt. Schubart sagt in seinen „Ideen zur Aesthetik" pag. 190 von 
ihm: „Kiefer (Küffner), ein ungemein gründlicher Ciavierspieler, 
ist im leichten und starken Vortrag, in der Kunst zu lesen und zu 
begleiten gewiss Meister. Er ist der Schöpfer des Ciaviergeschmacks, 
der gegenwärtig (1784) am Taxischen Hofe herrscht. An ihm wird 
nämlich das Ciavier ausnehmend geschätzt und cultivirt. Da es das 
Lieblingsinstrument aller Prinzessinnen ist, so kann man leicht er- 
achten, dass es nicht an Virtuosen fehlen wird, die das herrliche 
Instrument mit Feuer treiben." 



CORRBSPONDENZEN, 
Aus 91 a i n sb. 

28. Do/ember. 

Ein seit Jahren schon projectirtss Unternehmen hat endlich 
diesen Winter seine Verwirklichung gefunden , indem das hiesige 
Theaterorchester unter Leitung seines Capellmeisters Hrn. Dumont 
vier grosse Sinfonieconcerte angekündigt hat, deren erstes bereits 
gestern Abend im Saale des Frankfurter Hofes stattfand. Das Pro- 
gramm bestand aus der Sinfonia eroica von Beethoven und Men- 
delssohn^ Musik zu Shakespeare'« „Sommernachtstraum u mit ver- 
bindendem Gedicht, gesprochen von Hrn. Theaterdirector Wenzel. 
Die Gesangpartien hattenFrau Barnay- Kreuzer und Frau S k a 1 1 a- 
Borzaga vom hiesigen Theater übernommen. 

Das Unternehmen des Theaterorchesters ist unstreitig ein sehr 
verdienstvolles, allein die zu lösende Aufgabe ist eine sehr schwie- 
rige. Diese besteht nämlich darin, das hiesige Publikum durch 
regelmässige Vorführung grösserer classischer Orchesterwerke dem 
Verständnisse dieser Werke näher zu bringen, indem durch die Auf- 
führung solcher Werke die Theilnahme der Concertbesucher geweckt 
und befestigt und auf diese Weise der musikalische Geschmack im 
Allgemeinen geläutert und verfeinert werden soll. Dass unserem 
Publikum der Sinn für derartige feinere Genüsse nicht fremd ist 
(wenn auch im Allgemeinen eine gewisse Oberflächlichkeit der Ge- 
schmacksrichtung sich bisher geltend gemacht hat), das bewies das 
sichtbare Interesse, womit die im gestrigen 'Concerte anwesenden 
Zuhörer die Aufführung der genannten Werke verfolgten, und die 
lebhaften Beifallszeichen, die sehr häufig und wohl angebracht ge- 
spendet wurden. An der BildungsfähigkeitJ des Publikums dürfte 
also kaum zu zweifeln sein, und ebenso wenig an der wünschens- 
werten Steigerung der Theilnahme desselben an dem neuen Unter- 
nehmen, denn die bisherige Anzahl der Abonnenten bat noch lange 
nicht jene Höhe erreicht, die dem so oft gerühmten Kunstsinne der 
Mainzer entspräche und auch den Unternehmern eine einigermassen 
entsprechende Entschädigung für ihr« Opfer an Zeit und Mühe ge- 
währleisten könnte. Andererseits werden aber auch die Unternehmer 
selbst sich nicht verhehlen können , dass erst durch ein längeres 



consequentes Verfolgen ihres schönen Zieles, durch ausdauerndes und 
opferfreudiges Zusammenwirken ihre Leistungen denjenigen Grad 
der Vollkommenheit werden erreichen können, der der Grösse ihrer 
Aufgabe entsprechend und geeignet ist, ihre Concerte wirklich als 
ein Mittel zur Hebung des Geschmackes und zur Verbreitung eines 
tieferen Verständnisses unserer classischen Musikwerke zu qualificiren. 
Was in dem gestrigen Concerte geleistet wurde, verdient in Berück- 
sichtigung der bisher unserem Orchester so selten gebotenen Gelegen- 
heit zur Aufführung grösserer Instrumentalwerke, alle Anerkennung, 
wenn auch die Kritik noch manches auszusetzen finden wird. So 
würde z.B. der erste Satz der Sinfonie durch ein etwas massigeres 
Tempo bedeutend an Klarheit sowie an characteristischem Ausdruck 
gewonnen haben, während der Marcia funebre im Ganzen, beson- 
ders im Anfange zu langsam und schleppend ging und die Nüanci- 
rung im Allgemeinen nicht bestimmt genug erschien. Am 
Gelungensten waren das Scherzo und das Finale, besonders letz- 
teres, welches nicht nur sehr sauber, sondern auch mit recht schönem 
Schwung durchgeführt wurde. Die Aufführung der Mendelssohn'schen 
Musik zum „Sommernachtstraum" war im Ganzen genommen eine 
sehr gelungeue, doch beeinträchtigte besonders in der Ouvertüre die 
unreine Stimmung der Blasinstrumente die Totalwirkung in sehr er- 
heblichem Grade. Die beiden genannten Damen und Hr. Director 
Wenzel entledigten sich ihrer Aufgaben in anerkennenswerther Weise. 
Mögen die Betreffenden unsere wohlmeinenden Winke als ein Be- 
weis des Interesse's betrachten, das wir ihrem schönen Unternehmen 
widmen , und mögen sie eifrig bestrebt sein , unter der tüchtigen 
Leitung ihres Capellmeisters dem Ziele immer grösserer Vollkommen- 
heit ihrer Leistungen sich mehr und mehr zu nähern. 

Ein vom Theaterorchester in voriger Woche zu einem milden 
Zwecke gegebenes Concert, dem wir nicht beiwohnen konnten, war 
sehr zahlreich besucht, und soll vielen Beifall gefunden haben. Be- 
sonders wird einer von Capellmeister Dumont componirten und zur 
Aufführung gebrachten Ouvertüre zu ,, König Lear" in hiesigen 
Blättern sehr rühmend Erwähnung gethan. E. F. 



Aus der Schweiz. 

Monat November. 

In'Basel veranstaltete der Orchesterverein zum Besten seines 
Unterstützungsfonds ein Concert, worin Beethovens C-moll-Sinfonie 
und die Suite für Orchester Op. 100 von J. Raff zur Aufführung 
gelangten. Die Liedertafel unterstützte dasselbe, indem sie zwei 
Chöre von Kreutzer und Hauptmann sang. Am 19. fand ein von 
Hrn. B r a h m s gegebenes Concert statt , worin der daselbst noch 
wenig bekannte Künstler als Pianist, wie mehrfach als Componist 
auftrat. In erstorer Beziehung fand er ungetheilten , in letzterer 
giossen Beifall. Er trug im Verein mit den tüchtigen Baseler Quar- 
tettisten sein Quartett aus A-dur, sodann die Variationen von Beet- 
hoven Op. 36 und eine Fantasie von R. Schumann Op. 17 vor. 
Ferner dirigirte er drei Volkslieder und einen Gesaug für Frauen- 
chor mit Harfe, eigene Compositionen. Die angekündigte chroma- 
tische Fantasie von Bach dagegen blieb weg, weil sich beim Pub- 
likum einige Ermüdung bemerkbar machte. 

In der sechsten Soiree gelangten das Quartett aus B - moll 
Op. 16 mit Piano von Beethoven, das Quintett aus C-dur von Mozart 
und das Trio aus G-moll von R. Schumann zur Aufführung, in wel- 
chem letzterem Hr. Stockbausen als Gast mitwirkte. 

In Bern fanden die zwei ersten Abounementconcerte statt. Es 
wurden darin aufgeführt: die A-dur -Sinfonie von Beethoven, die 
Ouvertüre zur „Fingalshöhle" von Mendelssohn und (man liebt nnn 
einmal in Bern auch das „Kurzweilige") zur „Stummen von Portici", 
endlich eine Fantasie für Orchester in drei Sätzen aus G-dur, eine 
Jugendarbeit des Directors der Concerte , des Hrn. Professor Dr. 
Franck. Ferner gastirte das eine Mal Hr. N o s s e k, Violinvirtuos, 
und gab eine Fantasie von Wieniawsky und ein Mendelssohn'sches 
Concert zum Besten , das andere Mal Frl. Liebe von Strassburg, 
Tochter des dort bestens bekannten Musikdirector Liebe, welche 
eine Fantasie von Vieuxtemps u. A. spielte. Sologesänge erfolgten 
durch Frl. S t r a u s s , und ausserdem kamen Chöre aus Mozart's 
„Idomeneo" und zwei Lieder für gemischten Chor von Mendelssohn 
cur Aufführung. 



3 - 



Aus Genf haben wir nur von der Oper zu berichten. Zwei 
Debüts, das eines ersten Basses , Hrn. T i s s o t , und einer zweiten 
Sängerin, Frl. Scart, waren, weil sehr mittelmässige Leistungen, 
ohne Erfolg. Dagegen ärndtete reichen Beifall die Sängerin Mme. 
Frezzolini, die sich , auf steten Kunst - Rundreisen begriffen, 
Primadonna der italienischen Oper in Paris und allen Städten 
Europa's (sie f) titulirt. Sie trat im Theätre des Varietes auf, 
und gab ausserdem ein Concert ; ihre Hauptvorträge bestanden aus 
Arien von Bellini, Donizetti und Verdi. Die Lokalkritik rühmt „den 
aussergewöhnlichen Umfang ihrer Stimme , die wundervolle Vollen- 
dung ihres anmuthigen Vortrags und das tiefe Erfassen der Inten- 
tionen der Meister." — Das Repertoir der Oper des grossen Theaters 
enthielt ausser Wiederholungen : „Lucia von Lammermoor," „Trou- 
badour," „Favoritin," „die Musketiere der Königin" und Gounod's 
„Faust". Letztere Oper wird als besonders gelungen gerühmt und 
hat ungleich mehr angesprochen als in der früheren Saison. Gleich- 
wohl rügt man die grossen, oft ermüdenden Längen und Breiten 
des Werkes. 

Aus Zürich, 

Monat N«vember. 

In der Oper gelangten zur Aufführung : „Don Juan" und „Zau- 
berflöte," „die Stumme von Portici," „das Nachtlager von Granada," 
„die Regimentstochter" und „Orpheus in der Unterwelt". In Hrn. 
Otto, Baryton, hat die Direction eine bessere Acquisition gemacht 
als in der Person seines Vorgängers, doch kommen wir später auf 
diesen Sänger zurück. Zu rügen ist, dass die sehr partienreiche 
Sängerin Frl. Leon off, als Soubrette engagirt, bald zu Coloratur- 
bald zu lyrischen Partien gezwungen wird, die ihre zwei Colleginnen, 
Frau Titzenthaler und Frl. Schmidt nicht singen mögen, 
beziehungsweise können. 

In den Räumen des Theaters gab der neu organisirte gemischte 
Chor der Stadt Zürich, etwa 120 Mitglieder stark, eine grössere 
Aufführung. Derselbe stand früher unter Hrn. Heim's, sodann 
unter Hrn. Munzinger's Leitung , ohne zu besonderer Blüthe 
tbu gelangen. Allein jetzt scheint er, Dank den eifrigen Bemühungen 
seines neuen Dirigenten, des Hrn. He gar, sowie des vieljährigen 
Präsidenten der „Harmonie," Hrn. C. K e 1 1 e r, lebhafter aufblühen 
zu wollen. Das längst vorhandene Bedürfniss eines solchen Mittels, 
auch grössere und gediegenere Werke im Cantatenstyle dem Publi- 
kum vorzuführen, ist nun endlich damit befriedigt. 

Dieses erste Concert nun bestand aus Mendelssohn's „Walpur- 
gisnacht" und einer Cantate für Männerchor, „der Rütlischwur" von 
Hrn. C. Munzinger, dem früheren Dirigenten des Vereins. Die 
Aufführung jenes prächtigen Tonbildes , eines der frischesten 
Schöpfungen des Meisters, voll genialer Gedankenblitze und ebenso 
frei und dramatisch gehalten als Beethoven'« „Christus am Oelberg", 
gelang fast vollkommen. Auch das hierzu verstärkte Orchester hielt 
sich recht brav, und der Eindruck beim Publikum war ein gewal- 
tiger, der Beifall ein ausserordentlicher. Das Gegentheil muss von 
der zweiten Composition gesagt werden. Wie in einer anderen 
desselben Componisten, „Helgi und Kara " welche früher auch hier 
zur Besprechung kam , zeigt sich in ihr wenig Erfindung und eine 
für grosse Vorwurfe nicht ausreichende, noch glückliche und lebhafte 
Fantasie. Holperige und langweilige Verse — der Dichter ist der 
<ies früher besprochenen Werkes — unpoetische , oft undeutsche 
Dictiou, monotones, schwerfälliges Metrum bilden den unergiebigen 
Text. Der bessere musikalische Theil sind einzelne Chöre, denen 
nicht der äussere Schimmer und eine wirksame Wucht, wohl aber 
auch Tiefe und Neuheit fehlt. 

Die Abonnementconcerte werden dieses Jahr unter der Leitung 
des Hrn. He gar gegeben werden, nachdem Hr. Kirchner von 
der Direction zurückgetreten. Hr. Hegar ist Ihren Lesern schon 
als tüchtiger und virtuoser Violinist bekannt, derselbe ist aber auch 
sonst ein vielseitig gebildeter Musiker von feinem Geschmack und 
grosser Regsamkeit. Er leitet jetzt also auch noch den gemischten 
Chor und die Quartette. — Das erste Concert ward mit Cherubini's 
„Medea" - Ouvertüre eröffnet, mit der zu „Euryanthe" geschlossen. 
Beide wurden trefflich ausgeführt. Die Haupterscheinung des Abends 
aber war das Auftreten des Hrn. Joh. Brahms. Derselbe trug 
«rtt bekannter meisterlicher Vollendung das A-moll- Concert von 



R. Schumann und die chromatische Fantasie von Bach vor. Sodana 
dirigirto er seine Serenade aus D-dur für grosses Orchester, ein 
schönes, ziemlich durchsichtiges Werk, das aussergewöhnlichen Bei» 
fall fand. Frl. Schmidt von der Oper sang Lieder von Schubert 
und Beethoven und wagte sich sogar an eine Arie aus „Titus," die 
gänzlich verunglückte. 

Hr. Brahms veranstaltete noch ein eigenes Concert, in welchem 
der geniale Künstler sein Quartett aus G-moll für Piano und Streich- 
instrumente vortrug, ferner eigene Variationen, Toccata und Fuge 
von Bach und eine Fantasie von R. Schumann. 

Die Quartettsoireen werden zum Theil von neuen Spielern ge- 
geben : geblieben sind von letzter Saison her nur Hr. Hegar 
(erste Violine) und Hr. Nordmann (zweite Violine). Die Viola 
ist mit Hrn. Kahl, das Cello war abwechselnd mit den Herren 
Kriebel und T hier rot, beide vom Theaterorchester, besetzt. Der 
Letztere bewährte sich auch als treulicher Solist. In den zwei ab- 
gehaltenen Sitzungen wurden vorgetragen : die Streichquartette von 
Beetboven aus E-moll Op. 59 und aus Es-dur Op. 127, das Quintett 
aus B-dur von Mendelssohn, in dem Hr. Bauer mitwirkte. Ferner 
spielten die HH. Brahms, Hegar und Gläss ein Trio des Ersteren 
aus Es-dur für Piano, Violine und Hörn, Hr. Brahms eigene Varia- 
tionen nebst Fuge, und Hr. K. Eschmann von Schaffhausen eine 
Pianoforte-Sonate von Gade. 



Nachrichten 



Leipzig. Das 10. Gewandhaus-Concert brachte von Orchester- 
werken: Mozart's Es-dur-Concert und eine neue Composition in vier 
Sätzen (Allegro , Sicilienne , Menuett und Epilog) von Theodor 
G o u v y (von dem Componisten persönlich dirigirt). Den gesang- 
lichen Theil hatte Frl. Julie Rothenberg ausCöln übernommen 
und trug vor: die Arie „Inflammatus et accensus" aus Rossini'« 
„Stabat mater" Recitativ und Arie „Endlich naht sich die Stunde" 
aus Mozart's „Figaro" und die Lieder „Wonne der Wehmuth" von 
Beethoven und „Sie sagen, es wäre die Liebe" von Theod. Kirchner, 
und fand wohlverdienten Beifall. Mit wahrem Enthusiasmus aber 
wurden die Solovorträge des Violinisten Concertmeister A u e r aus 
Düsseldorf aufgenommen, welcher Spohr's Concert in D-moll (Nr. 9), 
„Abendlied" von Schumann instrumentirt von Joachim und Fantasie 
über ungarische Lieder von Ernst spielte und nach stürmischem 
Hervorruf noch einen Satz aus der Vionlin - Sonate in E-dur von 
Seb. Bach zum Besten gab. 

— Am 11. Dezbr. gelangte im Stadttheater die Oper „Loreley" 
von MaxBruch zur erstmaligen Aufführung, hatte aber nicht den 
entschiedenen Erfolg, der ihr anderwärts, wie in Mannheim, Cöln etc. 
zu Theil geworden ist. Die Aufführung war im Ganzen eine ge- 
lungene, obwohl die Träger der Hauptrollen noch nicht ganz im 
Klaren mit ihrer Aufgabe zu sein schienen, und die Ausstattung in 
co8tümlicher wie decorativer Beziehung ist als eine ebenso geschmack- 
volle wie glänzende zu bezeichnen. 

Hamburg. Am 7. Dezbr. fand in der grossen Miehaeliskirche 
unter der Leitung des Hrn. Ludwig Deppe und in Anwesenheit 
von mindestens dritthalb Tausend Zuhörern eine wahrhaft glänzende 
Aufführung des herrlichen Oratoriums „Judas Maccabäus" von Händel 
statt. Auf dem Orchester waren etwa 200 Sänger und Instrumen- 
talisten thäthig, Hr. Osterholdt hatte die Orgelpartie übernom- 
men und die Solopartien waren in den Händen der Frl. Tietjena 
und Schreck und der HH. Otto und Schulze. Hr. Concert- 
meister John Bole stand an der Spitze der Geiger. Die ganze 
Aufführung war von wahrhaft ergreifender Wirkung, und nur die 
Heiligkeit des Ortes verhinderte das Publikum, sein Entzücken in 
stürmischem Beifall kund zu geben. Frl. Tietjens, welche die ganze 
Partie der Israelitin unverkürzt wiedergab, legte auch noch die 
Trompeten- Arie aus „Samson — „Kommt all' ihr Seraphin" — ein, 
worin ihr Hr. N ü s s würdig zur Seite stand. Sie löste ihre schwie- 
rige und umfangreiche Aufgabe mit wahrer Begeisterung und künst- 
lerischer Vollendung. Auch die übrigen kuustbewährten Solisten, 
Frl. Schreck aus Bonn , Hr. Otto vom Berliner Domchor und Hr. 
Ad. Schulz von hier brachten ihre Partien in vorzüglicher Weis* 
zur Geltung. Besonderes Lob verdient die Leistung d*r Sing-Aka> 



- 4 - 



demie im Chor und des Hrn. Osterboldt, auf der Orgel. Hr. Deppe 
hat durch den unermüdlichen Eifer nnd dnreh die grosse Umsicht, 
mit welcher er die Vorbereitungen zu dieser schönen Aufführung 
getroffen, sowie durch die unerschütterliche Sicherheit, durch den 
feurigen Schwung und wieder das schöne Masshalten bei der Lei- 
tung der Aufführung selbst Bich ein schönes Denkmal in dem Ge- 
dächtnisse des Publikums gesetzt, das ihm für den bereiteten hohen 
Genuas zu dauerndem Dank verpflichtet ist. 

St. Petersburg. Am 31. Dezember beginnen im Conservatorium 
die öffentlichen Prüfungen, die dieses Jahr von besonderem Inte- 
resse sein werden, da zum ersten Male eine Anzahl von Schülern 
ihren Corsus beendigen und das Diplom des „freien Künstlers" 
erhalten. In Bussland ist bekanntlich Alles in Classen eingetheilt, 
jedes einzelne Mitglied hat einen gewissen Rang , gehört einem 
grossen Stande an und geniesst dessen Freiheiten und Rechte; nur 
der Künstler, speciell der Musiker, war bisher davon ausgeschlos- 
sen , ,d. b. er gehörte zu gar keinem Stande. Das Conservatorium 
ist nun von der Regierung ermächtigt worden, demjenigen, der ein 
bestimmtes Examen besteht, das Diplom eines „freien Künst- 
lers" zuzutheilen, welches ihn in einen bestimmten Stand erhebt, 
dessen Rechte denen eines Ehrenbürgers ziemlich gleich kommen. 

*** Concertmeister Lauterbach aus Dresden spielte in 
Stralsund im zweiten Abonnementconcert von A. Bratfisch 
und gab am folgenden Tage ein eigenes Concert. Der ihm voraus- 
gegangene Ruf als einer der poesiereichsten Violinspieler der Ge- 
genwart bewährte sich in seinen Vorträgen eigener, Spohr'scher und 
Beethoven'scher Compositionen als vollkommen begründet, und der 
vortreffliche Künstler hat sich bei dem dortigen Publikum ein dauern- 
des und ehrenvolles Andenken gegründet. 

***DieWiener „Blätter für Theater, Kunst und Musik" schreiben: 
„Bekanntlich war der verstorbene Hofrath Witteczek, ein per- 
sönlicher Freund Schubert's, ein eifriger Sammler aller auf diesen 
Tonsetzer bezüglichen Nachrichten und Notizen. In seinem Besitze 
war auch die vollständigste, d. i. reichhaltigste Sammlung der Com- 
positionen' Schubert's, und zwar dürfte ein gutes Drittheil 
«der in derselben vorkommenden Werke noch ungedruckt sein. 
Durch Vermächtniss kam diese so interessante und werthvolle Samm- 
lung in den Besitz des Hofrathes von Spann; auch dieser ist vor 
wenigen Wochen mit Tod abgegangen ; wie wir hören, dürften nun 
-die bezeichneten Schubertiana in den Besitz der „Gesellschaft der 
Musikfreunde" kommen, und dort den Schubertfreuuden zugänglicher 
gemacht werden als bisher, was wir nur herzlich wünschen können. 

*** Die bisher bei Breitkopf & Härtel in Leipzig er- 
schienene „Allgemeine musikalische Zeitung" wird von Januar 1866 
an im Verlag, von Rieter-Biedermann in Leipzig erscheinen. 

***.Am 13. Dezember feierte in Wien der Capellmeister des 
Theaters an der Wien, AdolfMüller, sein vierzigjähriges Künstler- 
Jubiläum durch Aufführung seiner neuen Operette: „Heinrich IV." 

*** Frau JennyLind-Goldschmidt ist sehr leidend und 
bat Ems verlassen, um den Winter in Nizza zuzubringen. 

*** Das erste Concert des Mozarteums in Salzburg brachte eine 
Sinfonie in D-dur von J. Haydn, den Chor der Gefangenen aus 
Beethoven'» „Fidelio," die C-moll-Fantasie von Mozart, instrumen- 
tirt.von Seyfried, zwei Chöre von M.Hauptmann und die Kirmess- 
Qpene aus Gounod's „Faust." 

• *** Als. ein Curio8um erscheint es, dass man in Frankreich in 
neuester Zeit sich auf die Coraposition der „Fabeln" von Lafon- 
taine verlegt. Die Zeitschrift „La Musique populatre" brachte 
unlängst die Fabel vom „Fuchs und Rabe" für 4 Männerstimmen 
von Gou.nod, und in ihrer letzten Nummer die ebenso bekannte 
Fabel : „der Wolf, und das Lamm" von Paul Goutier, ebenfalls 
für Männerquartett,, componirt. 

?** Hans von Bülow trat in Schwerin in drei Concerten 
auf und brachte auch seine „Ballade für grosses Orchester" nach 
IJhland's „des Sängers Fluch" aur Aufführung. In Stettin gab er 
ein Concert gemeinschaftlich mit. dem Concertmeister Lauterbach 
aus Dresden. Bülow wird in nächster Zeit in München zurück- 
erwartet , , wo er im Laufe des Winters wieder drei Ciaviersoireen 
geben wi?d. 

_*** Die Pianistin Frl. Auguste, Kolar gab in Wien ein 
Concert vor einem zahlreichen Publikum» das. ihre Leistungen mit 
lebhaftem Beifall aufnahm. 



*„* Am Berliner Operntheater isjfc man mit den Vorbereitungen 
für die Oper „Wanda" von Doppler beschäftigt. 

*** Hans von Bülow hat in Hannover zwei interessante 
Soirees für ältere und neuere Ciaviermusik gegeben. 

%* Frl. T i e t j e n s hat von dem Vorstände der „philharmoni- 
schen Gesellschaft" in Hamburg ein goldeneB Armband zum Ge- 
schenk erhalten. 

%* In Berlin ist ein vortreffliches Porträt des jüngst verstor- 
benen Sängers Schnorr von Carolsfeld, gemalt vom Professor 
Gönne, ausgestellt, und erregt grosses Aufsehen. 

*** In Cassel starb nach schweren Leiden Hoforganist Carl 
Schupper t, Componist des auf dem Dresdener Sängerfest preis- 
gekrönten Chores: „Das deutsche Schwert". 

*** Frau Rhaden-Lucca, die Darstellerin der Hauptrolle 
in der „Afrikanerin" zu Berlin, hat von der Wittwe Meyerbeer's als 
Hochzeitsgeschenk ein kostbares Porzellan - Service und von Frl. 
Meyerbeer ein Armband mit dem Porträt des verewigten Tondich- 
ters erhalten. 

*** In der Nacht auf den 6. v. M. ist das Theater in Angers 
vollständig abgebrannt, und es konnte nichts als die Costüme ge- 
rettet werden ; alles übrige wurde ein Raub der Flammen. 

*** Der Redacteur der „Blätter für Theater, Kunst und Musik", 
Hr. J. A. Zellner in Wien, wurde zu Hof nach Schönbrunn be- 
rufen, um vor dem Kaiser und der Kaiserin Vorträge auf dem Har- 
monium zu halten. Der Künstler, der eine Reihe ausgewählter 
Compositionen von Schubert, Schumann und Mendelssohn vortrug, 
wusste Bein hohes Auditorium in solchem Maasse zu interessiren, 
dass er auf ausdrücklichen Wunsch Ihrer Majestät der Kaiserin noch 
einige Stücke zugeben musste. Bekanntlich ist die Kaiserin selbst 
eine höchst geschmackvolle Harmoniumspielerin. 

*** In Petersburg ist eine neue Oper von Seroff, betitelt: 
„Rogneda" mit grossem Erfolge aufgeführt worden. Der Kaiser 
Alexander wohnte der ersten Aufführung bei, liess den Componisten 
in seine Loge kommen, bezeugte ihm sein Wohlgefallen und machte 
ihm einen werthvollen Ring zum Geschenke. 

*** Die Liedertafel in Salzburg veranstaltete nnter Schlager*» 
Leitung eine so gelungene Aufführung von David's „Wüste," dass 
das Werk im nächsten Mozarteum- Concert wiederholt werden musste. 

*** Die von N o h 1 herausgegebenen Briefe Mozart's sind von 
Lady W a 1 1 a c e in's Englische übersetzt bei Longmann in 
London erschienen. 

*** In Dresden kam am 9. Dezbr. Boieldieu's „Rothkäppchen" 
neu einstudirt mit gutem Erfolg zur Aufführung. 

*** Hr. F e t i s fand sich durch den ihm gemachten Vorwurf, 
nicht dargethan zu haben, welche Eingriffe er sich in die Original- 
partitur der „Afrikanerin" erlaubt habe, bewogen, einen sogenannten 
zweiten Theil der Oper erscheinen zu lassen, welcher 22 Nummern 
im Clavierauszuge enthält, die entweder im ersten Theile wegge- 
blieben oder, wie die erste Romanze der Ines und das Schlummer- 
lied, zweimal componirt sind. Der ganze Band ist mit der lange 
erwarteten Vorrede von Fetis versehen. 

*** Die „Wiener Recensionen,'* Mittheilungen über Theater und 
Musik, haben nach 12jähriger Existenz mit Ende vergangenen Jahres 
zu erscheinen aufgehört , was bei der Gediegenheit dieses Blattes 
sehr zu beklagen ist. 

%* Frau Schnorr von Carolsfeld wird , dem letzten 
Willen ihres verstorbenen Gatten folgend, am 1. Januar als Gesang- 
lehrerin am Conservatorium in München eintreten. 

*** In Paris ist am 25. Novbr. der Militärmusikdirector des 
Regiments der Guiden , Hr. J. N. Mohr, ein als Mensch wie als 
Musiker allgemein geachteter Mann, im 63. Lebensjahr gestorben. 

*** Der in den weitesten Kreisen Süddeutschlands bekannte, 
wegen seines ehrenhaften Characters, seiner Anspruchslosigkeit und 
seines guten Humors allgemein beliebte Schauspieldirector Martin 
Jakob Winter ist dieser Tage in einem Alter von nahezu 82 
Jahren gestorben. Am. 26. Februar 1862 feierte er in Heilbronn 
Bein ÖOjäbriges Jubiläum als Schauspieldirector und betrat bei dieser 
Gelegenheit zum letzten Male die Bühne. 

Verantw. Red. Ed. Föckercr. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



JV* 9. 



8. Januar 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 






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lungen. 



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B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

\ 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: Fürstlich Thurn und Taxisches Theater. — Correspondenzen : Frankfurt. München. Paris. — Nachrichten. 



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«Pomtemenfe -Jmfaomig. 



Mit dem 1. Januar 1866 begann der 15te 
Jahrgang der Süddeutschen Musik-Zeitung. 

Ihrer bisherigen Haltung getreu, wird sie auch künftig ein 
unparteiischer Berichterstatter aller bedeutendenVorkomm- 
nisse im musikalischen Leben sein, wichtige Fragen in 
eigenen Artikeln erörtern und den Lesern durch biogra- 
phische und musikgeschichtliche Aufsätze eine ebenso an- 
genehme wie belehrende Unterhaltung bieten. 

Wir bitten um rechtmässige Bestellung; alle Post- 
anstalten, Buch- und Musikhandlungen nehmen solche an. 
Preis: fl. 2. 42 kr. oder Thlr. 1. 18 Sgr. per Jahr. 
Wöchentlich eine Nummer. 

jfope&ifion ba Juobettffdjen 'gÄttltö-Jetfattfl. 
Fürstlieh Thurn und Taxisches Theater« 

(Aus Dr. Mettenleiter's „Musikgeschichte Regensburgs," Verlag 
von Bösenecker in Regensburg. 



Mit der Erhebung des Fürsten Alexander Ferdinand 
von Thurn und Taxis zum kaiserlichen Prinzipal-Commissär), 1742, 
und mit seiner 1748 erfolgten Niederlassung dahier im ehmaligen 
alten Freisingerhof datirt für Regensburg selbst uud für das Theater 
daselbst eine neue Periode. Das fürstliche Haus zog eine Menge 
Fremder hieher und vermehrte durch den Glanz , den es um sich 
verbreitete, das Ansehen der Stadt, ganz abgesehen von den grossen 
Vortheilen, welche den Einwohnern selbst aus den Bedürfnissen des 
prächtigen Hofes erwuchsen. Unter den Veranstaltungen für das 
„Amüsement" der Adeligen u. s. w., welche sich um den fürstlichen 
Hof geschaart hatten, war die Beschaffung eines guten Theaters mit 
eine der ersten Sorgen des damaligen Chefs des uralten, für Regens- 
burg so überaus wohlthätigen Fürstenhauses. Schon gleich im Jahre 
seines Einzuges unterstützte der Fürst nicht nur die unter der Di- 
rection eines gewissen Nuth aus Prag nach Regensburg gekom- 
menen Schauspiel- und die Operngesellschaft eines gewissen De nzi, 
sondern erwirkte ihnen auch vom Magistrate die Bewilligung des 
Ballhauses bei St. Egidi mit der Bedingung, dass darin nichts eigen- 
mächtig geändert oder Nachtheiliges getrieben werde. Einen ungleich 
grossmüthigeren Schritt für Herstellung einer guten Bühne that der 
Fürst im nachfolgenden Jahre. Er berief auf eigene Kosten „eine 
Bande von Comödianten," theils zu der selbsteigenen wie auch der 
Reichstagsgesandten Unterhaltung, theils aber, und hauptsächlich, zu 
dem Ende, dass „bei vorfallenden Allerhöchsten Geschäften dieselben 
mit diesem oder jenem Gesandten des Erfordernisses nach mit we- 
nigem Aufsehen die benöthigte Unterredung pflegen könnten." Es 



war dies die unter der Direction eines Franz S c h u c h stehende 
Gesellschaft. 

Dieser Entschluss wurde dem Magistrate durch den fürstlichen 
Marschall Baron von Reichlin angezeigt mit dem Bemerken, die 
Mitglieder der Gesellschaft ständen unter dem Schutze seines Für- 
sten. Dagegen setzte sich aber der Magistrat. Es war nämlich die 
unerwartete Nachricht eingegangen, „dass selber ohne die geringste 
an den Herrn Fürsten vorhergegangene Anzeige denen daselbstigen 
Bürgern die Gehung in die von diesei Bande veranstalteten Comö- 
dien nebst Druckung der zu dem Ende erforderlichen Zetteln 
nicht nur verbotten, sondern was noch mehr ist, sich auch nicht 
einmal gescheut, sogar diese Zetteln herunter zu reissen , und sich 
demnächst an den Kaiserl. Commissär zu wenden , obgleich die 
dabei ausdrücklich mit angedruckten Worte : Unter gnädigstem 
Schutze des Fürsten etc. alleinig mehr denn hinlänglich 
ijewesen wären, den Magistrat von seiner darunter ausübenden Un- 
gebühr vollkommen zu überzeugen." Ein Memoria stellte nun dem 
Rathe vor, welch grosse Beleidigung dies Vorgehen sei, da der Herr 
Fürst die Person des Kaisers vorstelle, zugleich mit der Andeutung, 
welche traurige Folgen dies für die Stadt haben könne. Darauf 
replicirte dann der Magistrat am 27. November: „Am 22. Nov. hat 
sich vor dem amtirenden Stadt-Kammerer gemeldet Franz Schuch, 
Prinzipal einer teutschen Gomödien-Bande , und sich zur protection 
recommandirt mit der Anzeige, dass er nächstkünftigen Montag seine 
Schaubühne allhier im goldenen Kreuze eröffnen und hoffen 
wolle, dazu Erlaubniss zu haben. Er wurde auf Montag beschieden 
zur Antwort; er entgegnete aber, es würde ihm bei solchem Auf- 
schub zu spät werden, seine Zetteln auszutheilen. Darauf wurde 
ihm bedeutet, die Austheilung der Zettel so lange anstehen zu lassen, 
bis er die obrigkeitliche Bewilligung habe. Schuch fand sich Mon- 
tags einjagte im Voraus, er kenne die hiesige Jurisdiction nicht 
an, noch verstehe er sich zu einer Abgabe, indem er lediglich unter 
dem fürst 1. Hofmarschall stehe. Daraufhin wurde ihm versagt, noch 
dazu in einem bürgerlichen Hause zu spielen. Er aber gab die 
Zettel heraus und schickte in seiner Impertinenz sogar einen Haufen 
solcher Zettel in die Rathsstube, die man aber zurückgab. Das 
fürstl. Marschallamt hat kein Recht zur Erlaubnissertheilung , denn 
schon ein Vertrag 1614, kayserlich bestättigt, sagt uns (Magistrat) 
die Jurisdiction zu über die zur Reichsversammlung kommenden 
Fechter, Spieler uud Spielleute etc., worunter unstreitig alle und 
jede mit öffentlichen Belustigungen und Aufführungen beschäftigten 
Leute , mithin progenio nostri saeculi zuvörderst die Comödianten 
gehören . . . zudem insonderheit die heilige Adventzeit sei und 
auf Seiten der meisten hochansehnlichen Gesandschaften in solchen 
Stille und Andacht gewidmeten Wochen ohnehin sonst bemerkten 
Enthaltung von publiques divertissements die Aufführung öffent- 
licher Schauspiele niemals gestattet werde . . . ," 

Der Fürst antwortete von Wien aus : „Wahr ist, dass, wann der 
Schuch für die Gesandschaft lediglich Comödien spielet, er des 
Magistrats Wohlwollen oder Protection nicht nöthig habe. Es ist 
aber auch wahr, dass der Magistrat seinen Bürgern den Eingang in 



_ 6 — 



die Com'ödien verbieten, mithin dem Schueh viel Verdruss machen 
kann. Der Füret erkenne vollkommen die Jurisdiction des Hagistrate 
über Schuck an; der Magistrat solle aber auch den Scbuch nicht 
hindern; dieser solle die nöthigen Freibillets hergeben an den Ma- 
gistrat, sonst könne dieser den Bürgern die Comödie verbieten, was 
jedenfalls grösseren Schaden machen würde, als die Gestattung we- 
niger Freibillets, die ihm zudem der Fürst vergüten werde. 41 

Die erste Vorstellung fand nun am 22. November statt; aber 
neue Differenzen hatten sich auch schon wieder ergeben. Baron 
Reichlin schrieb darüber am 27. Novbr. an den Fürsten nach Wien: 
„Die erste Comödie hat statt gehabt; gestern aber verbot der Ma- 
gistrat seinen Bürgern bei 4 Thlrn. Strafe, die Schuch'sche Comödie 
zu besuchen. Auch hat er die Zettel, weil nicht „unter obrigkeit- 
licher Erlaubniss" darauf stand, vom Militär abnehmen und zugleich 
den Buchdruckern verbieten lassen, andere Zettel zu drucken. Da- 
durch ist das Comödienspielen gar. Herr von Bahn hat unterdess 
schon 2mal ein gebethenes Spiel gegeben, jedermänniglich dazu 
gebethen ; also gestern nicht 10 Personen in der Comödie waren, 
derowegen dass sich bis dato niemand als Herr von Menshang op- 
ponirt hat . . . ." Darauf erfolgte der fürstliche Bescheid: „Der 
Magistrat soll den Schueh nicht weiter hindern, es sei ihm sonst 
leicht von Kays. Maj. eine scharfe Ahndung zu erlangen." Da aber 
der Magistrat fest blieb, so unterwarf sich Schueh endlich im De- 
zember der Jurisdiction des Magistrats und suchte um die Erlaubniss, 
spielen zu dürfen, nach. Die Sache war damit erledigt. Die Schuch'- 
sche Gesellschaft spielte den Winter hindurch, verliess aber dann 
Regensburg, um nach Leipzig und von da nach Cassel zu gehen. 

Im September wurde im „goldenen Kreuz" ein Operntheater 
errichtet; welche Gesellschaft aber der Fürst dafür berufen, davon 
fand ich in den sonst sehr reichhaltigen Theateracten des fürstl. 
Archivs nicht die mindeste Andeutung. Eine briefliche Abfertigung 
des vorgenannten Schueh: „Er habe mündlich versprochen, bis Oc- 
tober, längstens November in Regensburg zu sein, habe es aber nicht 
gehalten, desshalb werde ihn auch der Fürst überall als Mann von 
schlechter Parole bezeichnen," — lässt vermuthen, dass Schueh 
wieder berufen war. Wahrscheinlich sind deutsehe Troupes an 
seine Stelle gekommen ; das besagt wenigstens der Entschuldigungs- 
brief des Schueh. Erst mit dem Jahre 1760 finde ich wieder festen 
Boden. Da wurde trotz heftiger Proteste des Pflegers des deut- 
schen Hauses gegen die Umwandlung des BallhauseB auf dem 
Gilgenplatze in ein Comödienhaus, contraetlich dies sogenannte Ball- 
haus auf 15 Jahre, bis 1775, um die Location von 150 fl. „zum 
Nutzen des „französischen" Spectacle" dem Fürsten überlassen und 
die Feuergefahr hochfürstlicherseits übernommen. Am 11. Mai wurde 
es dann dem Robert Crispel übergeben. Baron Reichlin zeich- 
nete den Contract. Die Worte des Acteustückes : „Sie bedungen 
sich von dem ehemaligen Entrepreneur Herrn von May er monatlich 
60 fl. und haben selbe bis 1769 theils von selbem, theils vom fürstl. 
Hofe bezogen", lassen vermuthen, dass dieser Mayer in der Zwischen- 
zeit bis 1760 die Comödie geleitet habe. (Nach dem Wortlaute des 
Contractes ging der obenerwähnte Contract mit 1750 zu Ende, wurde 
aber, um das gleich jetzt zu sagen, dann wieder um vier Jahre ver- 
längert. Der Magistrat trat für diese vier Jahre dem Fürsten das 
Ballhaus wieder ab gegen jährlichen Zins. Der Fürst hielt also das 
„thedtre aussi longtemps que son Altesse continuera d'avoir le 
speetacle a ses frais et sur leur comptes")- Damit hatte denn 
die vom Fürsten an die Stelle der deutschen berufene franzö- 
sische Comödie für lange festen Halt gewonnen, (Forts, folgt.) 



COHRESPOKDEKZEN. 



Aus Frankfurt a/M. 



Im ersten Concert des Museums wurde aufgeführt: die Helden- 
Sinfonie von Beethoven, ein Concert von Mozart und die Ouvertüre 
zur Oper „Elise" von Cherubini , dazwischen Gesänge der Frau 
Rosa Csillag aus Wien und Clavierspiel des Hrn. Saint-Saens 
aus Paris. Beethoven's Helden - Sinfonie kam seit Jahresfrist zum 
zweiten Mal. Ueber ihren idealen Gehalt habe ich neulich meine 
Ansicht ausgesprochen. Hr. Müller hat die Sinfonie auch jetzt 



nicht anders aufgefasst als im vorigen Jahr ; dagegen technisch war 
sie besser dargestellt. Obgleich Hr. Müller angeblich nach der 
Kritik nichts fragt, so hat er sich doch ganz entschieden der Dar- 
stellungsweise genähert, wie wir sie voriges Jahr als richtig bezeich- 
neten. Die schnellen Hauptstücke wurden in massigerer Bewegung 
und wuchtiger dargestellt; das war ganz auffallend im dritten Haupt- 
stück , wo die Hörner sonst niemals mitkamen ; diesmal war's an- 
nähernd gut. Immer aber müssen wir den Herren, die auf ästheti- 
sches Räsonnement nichts geben , zurufen : Beethoven hat keinem 
Instrument Unmögliches zugemuthet, zu seiner Zeit haben aber die 
Hornisten nicht besser gespielt als heute. Das ist keine Forderung 
des Gefühls, sondern ein ganz grober, handgreiflicher, materialisti- 
scher Grund ! 

Das Concert von Mozart spielte Hr. Canaille Saint-Saens 
aus Paris. Er hat eine brillante Fertigkeit, aber, wenn man nicht 
ungerecht sein will, kann man nur sagen : er ist ein Franzose und 
dafür ist er zu loben, dass er sich so in Mozart hineingearbeitet 
hat. Man muss den Hector Berlioz hören , wie der auf die 
Unwissenheit und Geschmacklosigkeit der Pariser Künstler schimpft, 
um solche Bestrebungen zu würdigen. — Er spielte auch noch eine 
„Gavotte" von Bach. Dass er diesen nicht versteht, ist ihm fast 
nicht übel zu nehmen ; denn den wird schwerlich ein Nicht-Germane 
jemals verstehen lernen. Dagegen Gounod war sein Mann ; bei dem 
Faustwalzer war er in seinem Esse. 

Im zweiten Concert gab's: Haydn's Es - dur - Sinfonie, Mendels- 
sohns Violinconcert und die Chorgesänge: Beethoven's „Elegischen 
Gesang," seine „Meeresstille und glückliche Fahrt" und Schumann's 
„Zigeuner-Leben". Die Sinfonie von Haydn stammt aus dem Anfang 
der Neunziger Jahre, wo Haydn in London lebte. Von dem idealen 
Gehalte lässt sich, wie überhaupt bei Haydn's Instrumental- Werken, 
nicht viel sagen. Trotzdem durch Lessing schon das musikalische 
Bewusstsein geweckt war , und Haydn , wie seine Oratorien zeigen, 
mit vieler Absichtlichkeit componirte, spricht doch mehr Spiel- und 
Sangeslust aus seinen Instrumental-Werken als eine bestimmte Vor- 
stellung. Die ist erst mit Beethoven, und zwar mit der Helden-Sin- 
fonie in die Musik gekommen. Technisch ist aber jenes Werk in- 
teressant. Drei Bruchstücke des Werkes, das 1., 2. und 3., sind 
aus demselben Ur-Theil (Motiv) entwickelt und dieser Ur-Theil ist 
auch fast der einzige, aus dem jedes Hauptstück aufgebaut ist. Die 
Einleitung (Largo, *U Takt) zeichnet den Ur-Theil einfach hin: 



m 



t=t 



* 



X 



öEt^: 



t=t= 



Im ersten Hauptstück (Allegro assai, '/J kommt er in schnellerer 
Bewegung wieder: 




rTT --r 



IE ♦ 4- 



Die Stufen 1-2/3 sind hier nur eine Terz höher genommen, die 
Pause ist ausgefüllt ; die aufsteigende Hälfte des Ur-Theils ist drei- 
mal verlängert, erst im 7. und 8. Takt kommt die absteigende. Da- 
gegen machen Bratschen und Bässe die umgekehrte Bewegung; sie 
verlängeren die absteigende Linie dreimal und bringen im 7. und 8. 
Takt erst die aufsteigende. 




I3# 



ÖE^ 



^^^f 



f 



Im dritten Hauptstück (Minuetto, un poco Allegretto, V4 Takt) 
kommt das Ur-Theil ganz getreulich wieder mit einer vorgesetzten 
Note (s. g. Auftakt). 

-R — P-T- "*" 



m 



X 



t 



^m 



Im vierten Hauptstück (Vivace, */*) tritt er versteckter auf: 



_ 7 - 




Die zweite Violine zeichnet aber den Vordersatz in den zwei ersten 
Takten genau hin: es — es, f — g; der Kachsatz bringt die erste 
Violine. Auch in der ersten Violine ist der Vordersatz für ein har- 
monisches Ohr zu erkennen; der Auftakt (b) aus dem Menuett ist 
in den Haupttakt genommen , die Töne — — es , f — g sind 
Variation enartig umschrieben. 

Wer staunte nicht über diese Einfachheit in der Erfindung, und 
welch grossartiger Aufbau! Erinnert das nicht an die gothischen 
Dome, die von ihrer Säulenhalle, Thür 1 und Fenstern bis zu den 
Pyramidchen der Thurmspitze dasselbe Motiv, den Spitzbogen mit 
einer crystallinischen Regelmässigkeit wiederholen ! Das erste und 
vierte Hauptstück haben ausser der Verarbeitung dieses Ur-Theils 
fast gar nichts anderes. Im ersten wird die erste Melodie in zwei 
Abschnitten, Es und B-dur durchgeführt und im dritten beginnt sie 
nochmals, um dann in eine zweite Weise in Des-dur (Parallele von 
B) zu gehen : 




to^s^ 



± 



3e; 



Diese wird dreimal , in Des , Es und F-dur modulirt ; sie hat aber 
in ihrem ganzen Wesen (sie umschreibt eigentlich nur den Ton as 
in der Modulation b und c) wie der kurzen Behandlung nach (sie 
kommt im zweiten Theil ausser in der Wiederholung nur einmal 
vorübergehend in dem s. g. Phantasiestück vor) mehr den Character 
eines beruhigenden Anhangs als den eines selbstständigen, berech- 
tigten Satzes. — Aehnlich ist es im vierten Hauptstück. 

Während Haydn so den ersten Hauptgedanken zweimal, in dem 
Grundton und der fünften , bringt (wie im Volkstanz) und erst am 
Schluss einen Gegen - Satz bildet , der an das Trio im Volkstanz 
erinnert, bringt Mozart diesen Gegen-Satz in die Mitte, und am Ende 
einen dem ersten entsprechenden Satz : nach der Aufregung die Buhe 
und dann wieder die Aufregung, um zu sagen : Quod erat demon- 
strandum! Beethoven hält dann noch eine grosse Nachrede, wie 
der Volksredner, der, wann er Alles zur Begründung seiner Idee 
gesagt, nochmals eine grosse Apostrophe an die Nation richtet, bei 
Allem, was sie beschliesst und thut, das Eine nicht zu vergessen — 
die Würde, die Hoheit des Vaterlandes! — 

Sie müssen mir diese weitläufige technische Auseinandersetzung 
zu Gut halten ; aber ich möchte bis zum nacktesten mathematischen 
Beweis gehen , um die Einheit , das Planvolle , mit strenger Logik 
Durchgeführte in unseren grossen Kunstwerken zu zeigen und das 
alberne Vorurtheil von instinctiven , phantastischen Einfällen zu 
widerlegen. Auch für die Darstellung wäre das strenge Bewusstsein 
dieser inneren Einheit vom grössten Vortheil: der Streit über zu 
schnell oder zu langsam hätte ein Ende, Willkühr in den einzelnen 
Hauptstücken könnte nicht vorkommen. Bei der hiesigen Auffüh- 
rung der Sinfonie wurden die drei ersten Hauptstücke ziemlich ge- 
treu in Haydn's Art vorgetragen, das letzte aber so schnell genom- 
men, dass von obiger Zeichnung auch keine Spur zu erkennen war. 
Aesthetik hin, Aesthetik her — hier ist ein Fehler in der Perspec- 
tive, der lässt sich nicht mit Ueberschwänglichkeit rechtfertigen! 

Das Concert von Mendelssohn spielte Joachim. Ich hörte 
ihn zum ersten Mal. — Für Mendelssohn, das habe ich Ihnen schon 
oft gesagt, danke ich auch dem besten Künstler nicht. Ein Lied 
am Ciavier, ein Quartett, wenn ein Liederzweig sich am Sonntag 
Mittag im Wald lagert, das kann mich noch interessiren. Aber 
eine halbe Stunde ihn zu hören, das kann ich so wenig — man 
verzeihe mir die Sünde! — wie einen rationalistischen Kanzelredner! 
Joachim spielte dann noch ein Stück aus einem Spohr'schen Concert 
und ein Abendlied von Schumann. Das Letztere war mir allein 
interessant; das spielte er denn auch mit der hehren Weihe die 
mir die Erinnerung wieder hervorrief, wie ich als Knabe am Thor 
gestanden , der Sonne nachgeschaut und mit der Dämmerung in 
Träumerei versank, aus der mich mit fröstelndem Schauer die 
Abendglocke weckte. In dem kleinen Stück war der Künstler wirk- 



lich bedeutend; ich wollte nur, ich hätte ihn in einem grösseren 
gehört. *) 

Die Chorgesänge führte der Cäcilien -Verein auf. Beethoven'« 
(Gothe's) „Meeresstille und glückliche Fahrt" ist ein wunderbare! 
Werk. „Beethoven hat dem grossartigen Gedicht einen mächtigen 
Ausdruck gegeben. In tiefer Lage beginnen die Singstimmen (D-dur), 
von leise schwirrenden Saiten - Instrumenten getragen, den Gesang. 
Wie ein Hauch über die regungslose Fläche, so zieht der Gesang 
in lang getragenen Tönen dahin. Und wie ein Seethier nur leicht 
an die Oberfläche tippt, so erstirbt gleich jedes Wort unter der 
fürchterlichen Todesstille. Ein Schrei des Entsetzens bricht aus 
der Brust des geängstigten Schiffers, denn fern vom Gestade ist er, 
allein in der Ungeheuern Weite, dem Tod des Verschmachtens preis- 
gegeben. Denn immer noch ohne Regung ruht das endlose Meer. 
— Doch plötzlich , da zieht ein leiser Lufthauch herauf. Wie tief 
aus dem Meere steigen die Bässe herauf und verkünden die wach- 
sende Freude. Es regt sich und rührt sich, es schwillt und wächst ; 
mit Jubel bricht der Gesang hervor: Frohlocken, Frohlocken, die 
Gefahr ist vorüber ; geschwinde, geschwinde, es theilt sich die Welle ; 
es naht die Erlösung, dort winkt uns das Land ! 

Die Musik hat keine Spur von äusserlicher Malerei; Alles ist 
nur Ausdruck der Empfindung. Selbst ohne Text wäre diese Musik 
völlig verständlich. Die Gegensätze von Regungslosigkeit und 
frischem Leben sind so scharf gezeichnet, dass wir unwillkührlich 
auf den Gedanken kommen müssten : es ist wie vor und nach 
einem Gewitter." — Für den Chor ist die Darteilung schwierig; 
es hätte desshalb öfterer Proben bedurft, als hier*gemacht zu sein 
schienen. In dem ersten Theile schienen sich die Leute so sehr 
vor der „ungeheuren Weite" des weit gespannten A - dur - Accordes 
zu fürchten, dass sie in keine rechte Stimmung kamen. Der Accord 
misslang dann zweimal ; das zerstörte den ganzen feierlichen Ein- 
druck. Im Allegro (glückliche Fahrt) ging's dann besser. Das Werk 
machte aber nicht den Eindruck, den wir erwartet hatten. Auch 
dem „Elegischen Gesang" fehlte die Weihe, obgleich er formell gut 
gesungen war. 

Bei Schumann 's (Geibel's) „Zigeuner - Leben" kamen sie mehr 
in's Zeug. Die Darstellung war zwar eher dem „Poeten für con- 
firmirte Mädchen höherer Töchterschulen," als dem tiefinnersten, 
dämonisch wilden Musiker entsprechend. Die Frankfurter kennen 
die Zigeuner nur vom Hörensagen. Weh der Bande, welche das 
freistädtische Gebiet beträte ! Die Deportation, oder wie man's hier 
deutscher sagt, der Schub mit Schimpf und Schande wäre ihr Loos. 
Unter Zigeuner-Leben versteht der Frankfurter so eine Art „Feld- 
berg-Partie," d. h. mit der Eisenbahn nach Ober-Ursel fahren, und 
dann in der „hohen Mark" bivouakiren, vielmehr Picknick halten. 
Geibel ist nun hier in der That urwüchsiger gewesen wie bei seinem 
Savoyarden-Buben im Norden; indessen hat er nicht, wie Lenau, 
mit ihnen „das Leben verraucht, verträumt, vergeigt und es dreimal 
verachtet." Schumann aber hat zu diesem Gedicht eine Musik ge- 
schrieben , wie sie Lenau's „Steppen -Wanderer" verlangten. Wir 
haben sie neulich besprochen. 

Das Werk machte beim Publikum einen bedeutenden Eindruck. 
Der Chor musste es wiederholen , und jetzt begriffen sie erst die 
Macht des Gesanges ; jetzt kamen sie wirklich in's Feuer, das vor- 
her nur versteckt geglommen hatte. H. B. 



Aus München. 

29. Dezember. 

Die HH. Josef Walter, Ad. Closner, Ant. Thoms und 
Hippolyt Müller, sämmtlich Mitglieder des Münchener Hoforchesters, 
veranstalteten während des Advents im Museumssaale drei Quartett- 
Soireen und spielten in diesen : von Jos. Haydn Quartett in G-dur 
Op. 77 Nr. 81, dann Quartett in G-dur Op. 64 Nr. 66, von Mozart 
Quartett in D - moll Op. 10 Nr. 2 , dann Quintett in D - dur für 2 
Violinen (2. Violine Hofmusikus Brückner), 2 Violen und Violon- 
cello , von Beethoven Quartett in Cis-moll Op. 131, dann Quintett 
in F-dur Op. 59 Nr. 7, endlich Trio in G-dur für Violine, Viola und 



*) Wir geben die Ansicht unseres geehrten Correspondenten wieder, 
wenn wir derselben auch in diesem Falle nicht beistimmen 
können. Die Red. 



_ 8 — 



Yioloncell Op. 9, von Cherubini Quartett in Es-dur, und von Franz 
Schubert Quartett in A-moll. 

Das Interesse der Zuhörer, deren grösster Theil aus geschulten 
Musikern besteht, gipfelte sich in dem finstern, düsterfarbigen Quar- 
tett in Cis-moll von Beethoven, wo an das Auffassungsvermögen der 
Spielenden wie des Auditoriums grosse Forderungen gestellt werden. 
Im Concertsaale herrschte Kirchenstille. Die Ausführung war äusserst 
brillant und besonders in dem schwierigen , ungemein delikaten 
Scherzo, wo eine Menge Kleinigkeiten die angestrengteste Aufmerk- 
samkeit und Sicherheit im Spiele nöthig macht , zeigten sich die 
grossartigen Vorzüge der aufführenden Künstler. Der wuchtige, 
Beethoven'sche Quartette characterisirende Ton wurde überraschend 
getroffen. 

H, Walter ist ein trefflicher Geiger, dessen Ton voll Adel, 
Wärme und Intensivität, dessen Bogenführung langathmig und ele- 
gant und dessen Cantilene von blühender Schönheit ist. Er hat von 
einem reichen Musikfreund eine echte Amati von hohem Werthe 
lehenweise erhalten, und diese singt unter seinen Fingern, dass es 
eine wahre Freude ist. Seine gründliche musikalische Bildung be- 
fähigt ihn, bei dem Einstudiren der Quartette das erste Wort zu 
sprechen und vorzugsweise unter seinem Einfluss gestalten sich die 
Aufführungen. Aber er besitzt nicht die unkünstlerische Eitelkeit, 
sich auf Kosten der anderen Stimmen in den Vordergrund zu drängen 
und stets finden wir die erste Violine im rechten Verbältniss zu den 
übrigen Instrumenten. 

Ein seltner Schatz für ein Quartett ist Hr. Closner, der die 
zweite Violine spielt; er weiss sich anzuschmiegen und nachzugeben, 
und sein ganzer Ehrgeiz geht in dem Bestreben auf, der ersten 
Violine eine treue, sichere Begleitung zu schaffen. Die HH. Thoms 
und Müller (Viola und Violoncell) sind ebenso vorzügliche Solisten 
als tactfeste und geschmackvolle Quartettgeiger. Dass bei dem 
Zusammenwirken so bewährter Kräfte etwas Gutes geleistet werden 
muss, zumal da es diese Künstler an den nöthigen Proben nicht 
fehlen lassen, liegt auf der Hand, und in der That brachten ihre 
Concerte eine reizende Fülle der seltensten Genüsse. 

Hr. Walter gab für sich noch ein Concert, das mit dem Schu- 
mann'schen Quintett in Es-dur eröffnet wurde. Die reichgestaltige 
Poesie, welche den Compositionen Schumaun's nie abgesprochen 
werden kann, hat hier eine klare Form, eine übersichtliche , schön 
gegliederte Gruppirung der Motive gefunden, und desswegen schon 
siehe ich dieses allen seinen Werken im Gebiete der Kammermusik 
vor. Die Ausführung war entschieden unglücklich : die Tempi waren, 
ausser im ersten Satz, überall zu schleppend, das Ciavier zu laut, 
und das Bild, welches die Auffuhrung gab, hatte etwas Unfertiges, 
Unsicheres , was wir um so mehr bedauern , als sich dieses Werk 
selten auf dem Programm öffentlicher Concerte findet. — Eine Frau 
von W. sang hierauf eine Concertarie in Es-dur von Mozart, eine 
veraltete, durch ihre Form ungeniessbar gewordene Compositum, 
dann „Trockne Blumen" von Schubert und endlich „Ich bin geliebt" 
von Emil Büchner; Stimme und Vortrag waren ganz ausserordent- 
lich — „ich hab's ertragen — doch fragt nicht wie." — Hr. Tombo 
dagegen entzückte durch den reizenden Vortrag der Oberthür'schen 
Elfenlegende für Harfe. — Der Concertgeber trat mit zwei Nummern, 
Concert für Violine in G-dur von G. Spohr und der Othello -Fan- 
tasie von Ernst vor das Publikum , und legte den ganzen Schatz 
seiner Kunst aus. Die süsse Romantik eines Spohr'schen Adagio 
klang unter seinen Fingern so poesievoll und duftig , in so anmu- 
thiger Eleganz, dass wir immer wieder seine Meisterschaft in der 
Behandlung des Gesanges rühmen müssen. Um dem Ernst'schen 
Concertstück Genüge leisten zu wollen , wird eine ausserordentlich 
glückliche und ausgebildete Technik verlangt: Hr. Walter zeigte, 
dass er es auch bierin den wandernden Virtuosen nachmachen könnte, 
wenn er nur wollte. 

Das Concert, welches Hr. Walter im dritten Abonnementconcert 
spielte, war von Viotti, was ich bitte, in meinem letzten Berichte 
nachträglich zu ergänzen. (Schluss folgt.) 



Aus Paris. 

30. Der, einher. 

Das Ballet „Le Rot d'Yvetot" von Philipp Massa und 
Theodor Labarre ist Donnerstag in der grossen Oper endlich 



zur Darstellung gekommen, hat aber nicht angesprochen. Das Werk 
wird schwerlich die ersten Monate des kommenden Jahres erleben. 
Verdi's Oper: ,,Z« forza del destino* wird in der grossen Oper 
nicht zur Aufführung kommen, hingegen will der Maestro, der, wie 
sie wissen, seit einiger Zeit hier weilt, einen von Delocle und 
Mery nach Schiller's „Don Carlos" bearbeiteten Text in Musik 
setzen. Dieses Werk soll nächsten Spätherbst in Scene gehen. Die 
grosse Oper geht auch damit um, Mozart's „Don Juan" zur Dar- 
stellung zu bringen. 

Das „Thedtre lyrique" hat mit „Martha" einen entschieden 
glücklichen Wurf gethan. Flotow's Oper wird vor überfülltem Hause 
und unter dem stürmischsten Beifall gegeben. Die Vorstellung lässt 
kaum etwas zu wünschen übrig. Martha wird gewiss nicht sobald 
von dem Repertoir des Thedtre lyrique verschwinden. Heute 
findet dort die erste Aufführung von ,,/a Fiance'e d'Abydos" statt. 

In den Fantaisies Parisiennes, dem vor Kurzem eröffneten 
Theater auf dem Boulevard des Italiens, ist vorgestern eine Ope- 
rette von Jules Jonas, „Les deux Arlequins ," mit wohlver- 
dientem Beifall aufgeführt worden. 

I a c h r i e h t e n. 



Mannheim, 2. Jan. Herr Musikalienverleger Karl Hecket 
wurde von S. K. H. dem Herrn Herzoge Maximilian von Bayern 
durch die Verleihung der grossen goldenen Ehrenmedaille ausge- 
zeichnet für die dem kunstsinnigen Fürsten entgegengebrachte 
Widmung des Mannheimer Zither-Journals. Die werthvolle Medaille 
ist ausgezeichnet geprägt. 

Berlin. Frl. v. Edelsberg, welche am 21. Dezember zum 
erstenmale als Fides im „Prophet" auf der k. Opernbühne erschien 
und in dieser Rolle ausserordentlichen Beifall erndtete, ist bereits 
von der k. Intendanz an die Stelle des verstorbenen Frl. De Ah na 
engagirt worden. 

Paris. Das Programm des 9. populären Concertes des Hrn. 
Pasdeloup war folgendes : „Jubelouvertüre" von Weber ; Sinfonia 
eroica vonBeethoen ; Hymne von Haydn, von sämmtlichen Streich- 
instrumenten ausgeführt ; das 8. Violinconcert von Rode , vorgetr. 
von Hrn. Montardon, erstem Preisträger des Conservatoriums, 
und Ouvertüre zu „Ruy Blas" von Mendelssohn. 

Das 10. dieser Concerte brachte : Ouvertüre zu „Struensee" von 
Meyerbeer ; Sinfonie Nr. 51 von Haydn ; Adagio aus dem Quintett 
Op. 108 von Mozart, die Clarinette gespielt von Hrn. Grisez; 
Musik zu „Egmont" von Beethoven, die verbindenden Worte ge- 
sprochen von Hrn. G u i c h a r d vom Thedtre francais. 

— Philipp Karl Herz, der Bruder des berühmten Pianoforte- 
Fabrikanten Henry Herz, ist dahier gestorben. 

*** Die Münchener „N. N." vom 1. Januar enthalten folgende 
Einladung: „Um dem berühmten Componisten Rieh. Wagner 
bei seiner Rückkehr nach München einen würdigen Empfang zu 
bereiten , lade ich hiermit alle Freunde und Verehrer desselben au 
einer Besprechung bei mir ein, und zwar an irgend einem der Tage 
vom 2-ibis 5. Januar incl. in den Mittagsstunden von 12 bis 2 Uhr. 

Dr. G. C. Wittstein, Wiesenstrasse Nr. 3. 

*** In P a s s a u fand jüngst eine Demonstration zu Gunsten 
R. Wagner's statt. Als nämlich in einem dort stattgefundenen grossen 
Concerte die zweite Abtbeilung beginnen sollte, welehe aus lauter 
Wagner'schen Werken bestand, brachte das ganze Publikum dem 
Componisten ein stürmisches Lebehoch aus, und jeder Nummer des 
Programms folgten enthusiastische Beifallsbezeugungen. 

*** Album für 1866 von Anton Wa Herst ein. 
(Mainz, bei B. Seh ott's Söhnen.) Auch dieser neue Jahrgang 
bringt uns Melodien von reizender Frische, und man sollte in Wahr- 
heit glauben, der Componist schöpfe solche aus immer neu sprudeln- 
der Quelle. Dieselben erscheinen so anmuthig und einschmeichelnd, 
als stammten sie aus der ersten Jugendzeit. Als besonders an- 
sprechend möchten wir die „Contessa Redowa," die „Abschieds- 
klänge" und die „Marien -Varsoviana" hervorheben. Die Verlags- 
handlung hat auch diesen Jahrgang in höchst eleganter Weise 
ausgestattet. Dr - Nacbr " 



Verantw. Red. Ed. Föckerer, Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



jt*a. 



15. Janmr 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



r $ 

DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Bachhand- 



B. 



hingen. 



-4 



von : fl, 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. j 

•■ ,— für den Jahrgang. j 

S C H T T's SÖHNEN in MAINZ, p«* «u. p« bezogen 

< 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. I 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. JU 



INHALT: Fürstlich Thurn und TaxischeB Theater. — Correspondenzen : München. Magdeburg. Cassel. Paris. — Nachrichten. 



Fiirstl ich Thurn und Taxisches Theater. 

(Aus Dr. Mette nleiter's „Musikgeschichte Regensburgs," Verlag 
von BÖsenecker in Regensburg. 



(Fortsetzung.) 

Aus der Geschichte der französischen Comödie hebe ich folgendes 
aus: Im Jahre 1765 suchte die Truppe um freie ärztliche Behand- 
lung an, die ihr gewährt -wurde. 1767 bot einUrist seine Dienste 
an und ebenso seine Frau und Tochter, „ welche letztere auch singt." 
Sie hätten, schrieben sie dem Fürsten, mit Beifall gespielt in Stutt- 
gart, Paris, Baireutb, Brüssel u. s. w. Sie wurden angenommen. 
1771 besagt ein Brief, dass Bai lleux die Direction des franzosischen 
spcctacle inne hatte. Ein gewisser Bauld sollte sie ebenfalls be- 
kommen ; er setzte aber die Bedingung, dass die Unterhaltungskosten 
der Truppe, welche 17,000 fl. betragen, augmentirt werden. Das 
ging der Fürst zuerst nicht ein — ..mais abandonner un spectacle, 
qui faxt la seule ressource de la ville Ratisbonne et le seid agre- 
ment du Maitre, c'est ce qui agite a present Vesprit de son 
Messe" Der Fürst gab wirklich 2000 fl. Später kommt ein ge- 
wisser Darivals als Director vor. Im nämlichen Jahre bewarb 
sich auch ein Dupuis um die Direction und scheint auch längere 
Zeit gespielt zu haben. Auch eine Mine. B a i 1 1 i und eine Berberich 
werden als Directricen aufgeführt. In einem der Berufschreiben ist 
der Grund angegeben, warum eine französische Truppe berufen 
wurde. ,.Je sais, que la comedie allemande est peu propre ä 
contenter le gout de Son Altesse; je sais , que ce spectacle ne 
satisfait ni le coeur ni Vesprit . . ." Ein Clavel, pere avec sa 
fifle, wurden entlassen, obwohl die Tochter anfangs sehr gehätschelt 
worden war. Beide waren 18 Jahre früher in Mannheim. 

Im Jahre 1772 weigerten sich einmal mehrere Mitglieder der 
Gesellschaft zu spielen. Vom Fürsten zur Verantwortung gezogen, 
erklärten sie, r sie hätten dies nur gethan, um dein Director Bailli 
zu imponiren wegen Gageuerhöhung." Der Fürst zahlte übrigens 
quartaliter an die Comödiauteu 2250 fl. , die Fürstin 450 fl. Eine 
Gagen - Rechnung führte einen Gesammtbetrag von 29 800 fl. an. 
Das Orchester, dessen Director (maitre de musique) Oye cadet, 
1772, mit 900 fl. Gehalt war, kostete 1600 fl. Auch bestand damals 
schon eine Bibliothek „et des musiques appartenantes ä la cour" 9 
weil Bailli zur Rechenschaft und zur Zurückgabe aufgefordert wurde. 
Dafür hatte der Fürst ausser dem Abonnement - auch* noch ein 
,. Abonnement suspendu par tnois , auquel il prendra vingt cinq 
billeis du I. place , de meme S, A. en prendra} cinquante ä 
chaque Bai du Carneval" Alljährlich musate die Truppe mit in's 
Bad Schwalb ach, wo die fürstliche Familie schon 1618 Theater 
halten Hess. 

Am 5. Mai 1772 sebloss der Fürst mit Dupuis undValvilla 

als Directoren ab. Er zahlte monatlich 1000 fl. und verlaugte, „dass 

die Acteurs müssen taugen für die Comedie aussi bien que pour 

. V Opera comique" Der Fürst behielt sieh auch tot, Acteurs, die 



ihm nicht gefielen, zurückzuweisen. Der Vertrag wurde 1773 er- 
neuert für die aus mehreren Mitgliedern bestehende Direction. 

In demselben Jahre starb am 17. Mai der Fürst Alexander 
Ferdinand von Thurn und Taxis ; sein Leichenbegängniss fand auf 
das Feierlichste statt, denn er war ja der WohlthKter der Stadt ge- 
wesen. Voran zog das Militär, daun kamen die JeBuiten-Studenten 
mit Floren, dann die ganze Clerisei mit brennenden Lichtern, dann 
die fürstl. Pauken und Trompeter, die Posaunisten und Todtensänger 
nebst den Patres von St. Emmeran und dem Fürst -Abte u. s. w. 
Alexanders Nachfolger, Carl Ans e Im, welcher nun seinen Einzug 
als Prinzipal-Commissär hielt, beschränkte zwar die bisherige Frei- 
gebigkeit bezüglich des Theaters , war aber gleichwohl wieder der 
grösste Beschützer desselben. Indessen hatte doch die Stunde der 
französischen Comödie geschlagen. Zwar findet sich 1775 noch ein 
C. Bauld, acteur pensionaire de S. M. le Roi de Prusse als 
Director, aber schon im nächsten Jahre hatte sie aufgehört zu sein. 
Der indessen zum Intendanten des Theaters und der Musik avaneirta 
Baron Theodor von Schacht erhielt den Auftrag, den Operisten, 
„welche nur auf ein halbes Jahr aecordmässig bedungen sind, auf- 
zukündigen, da wir fest entschlossen sind, uns ein anderes Spectacle 
zu uuserem Divertissement auszuwählen. Die frühere Ope ristin 
Houdiere wird entlassen, weil sie unseni Erwartungen nicht ent- 
sprach, ebenso die ohnehin nur auf Probe aufgenommene Laub er in. 
Die erste soll iu Ansehen der Verdienste ihres Vaters den Titel 
„Kammervirtuosin" führen, dagegen von der Mitwirkung in Concerten 
dispensirt sein und nur in unvermeidlichen Roles verwendet werden. 
Der zweiten soll man zu erkenuen geben, dass ihre Stimme für das 
Theater allzuschwach, und dass es nöthig sei, den dritten Platz mit 
einer anderen Donna zu besetzen. Mit den Virtuosen (Hofmueikern) 
soll der Vertrag erneuert werden." 

Die italienische Oper trat nun an die Stelle des abge- 
schafften französischen Spectacle. Die nicht genannte erste italie- 
nische Truppe traf im Herbst 1775 ein; sie versprach Opern zu 
geben , des meilleurs Professeurs et Maitres en Musique.*" Am 1. 
Januar wurde von ihr zur Vermählungs - Feier der Taxiseben Prin- 
zessin Sophie mit dem Fürsten von Radziwille grosse Oper 
gegeben. Ein mit Marchand abgeschlossener dreijähriger Vertrag 
zur Uebernahme des Theaters wird gelöst, weil Carl Theodor 
von Gottes Gnaden Pfalzgraf bei Rhein etc. den Fürsten gebeten 
hatte, ihm denselbeu abzutreten. Der Fürst tbat es, „ob er gleich 
giosses Vergnügen von Marchand gehofft, der mit mehr Verlässigkeit 
als andere Schauspieler sich anzulassen scheint." Die Kosten des 
Theaters beliefen sich um diese Zeit auf jährlich 13,000 fl. Als 
Einnahme ergab sich im Abonuement durchschnittlich für eine Vor- 
stellung 60 fl., 40 fl., manchmal auch 100 — 150 fl. Die Preise der 
Plätze waren 36 kr., 24 kr. und 8 kr. Interessant ist eine Reihe 
Briefe, welche zwischen dem Intendanten von Schacht und der 
Sängerin Allegranti gewechselt wurden. Diese war eine sehr 
eigensinnige, hochmüthige Person gewesen. Oft weigerte sie sich 
aus Caprice und Intrigue zu singen, so z. B. in den „Zwei Gräfinnen." 
Schacht ruft ihr bei dieser Gelegenheit in*s Gedächtniss, was er für 



10 — 



sie gethan : „Lei sapra, che con piu flemma che ogni altro Cavag- 
liere Direttore l'avreble sofferto, jo sopportai un giorne il suo 
parlar arrogante sul theatro di Ratisbona per VAria de /sola 
d'amore. Stimnndo , che una Donna par sua non e capace 
d'offender . . ." Der Fürst machte aber wenig Federlesens mit ihr ; 
nach einem solchen unartigen Intermezzo entliess er die freche 
Sängerin augenblicklich: „Es muss ein Beispiel des Gehorsams ge- 
geben werden," hiess es. Doch wurde sie auf ihr demiithiges Bitten 
und auf das gefällige Zeugniss eines galanten Arztes , dass sie da- 
mals wirklich nicht habe singen können, noch einmal indulgirt. 

(Schluss folgt.) 



CORRSSPONDENZEH. 



Aus München. 

29. Dezember. 
(Schluss.) 

Das vierte Abonneraentconcert zu besuchen war Ihr Referent 
leider verhindert, und ich erlaube mir desswegen, nur das Programm 
desselben hier beizufügen: Mozart' s D-dur-Sinfouie, Marche religieuse 
von Cherubini, Entreact zu „Rosamnnde" von Fr. Schubert, Clari- 
nette-Concert von Bärmann, Phantasiestück für Altsolo und Orches- 
ter: „An die Nacht" von Volkmann, Tenor -Arie aus „Euryanthe", 
Beethoven 1 s „Adelaide," und endlich eine Concert - Onvertüre von 
Rubinstein. 

Das Concert am 'Weihnachtstage brachte ein ernstes, inhalts- 
schweres Programm. Fr. Lachner's 150. Psalm für Mäunerchor und 
Solostimmen wurde von einem Sängerchor, den etwa 400 Mann 
bildeten, zum ersten Male aufgeführt, und dazu erklang, von Meister 
Bheinberger gespielt, ebenfalls zum ersten Male, die auf Kosten 
der musikalischen Akademie im grossen Odeonsaale aufgestellte, von 
Frosch sen. gebaute Orgel. Das war eine Tonfülle voll Kraft 
und Steigerung, voll Freudigkeit und Begeisterung, voll Würde und 
Andacht. Wieder wurde das Publikum entzückt durch die Frische 
der Gedanken , durch die Schönheit der Modulationen , die Pracht 
der Harmonien , den effectvollen Aufbau der Gruppen , und schön- 
berechnete Contraste brachten Leben und Farbe in das grossartige 
Tongemälde. Wir freuen uns, auch diese Lachner'sche Composition 
als ein höchst bedeutendes Werk rühmen zu können. 

Die zweite Nummer des Programms war eine Cantate von 
J.S.Bach: „Ich gehe und suche mit Verlangen," die hier ebenfalls 
eine Novität war. Wer den Text zum ersten Male liest, kann sich 
wegen seiner pietistischen Naivetät entweder des Aergers oder des 
Lachens nicht enthalten, denn das Verhältniss zwischen Jesus und 
der ihn liebenden Seele ist da in einer so realistischen Weise ge- 
schildert, die aneckelt oder lächerlich wirkt. — Das Vorspiel der 
Orgel bringt in allen möglichen Veränderungen, in den geistreichsten 
Combinationen, deren Schönheit nur durch ihre lange Dauer beein- 
trächtigt wird , die Hauptmotive der Cantate , und die künstlichen 
Harmonien, welche der Laie kaum als solche betrachtet, bauen sich, 
nur dem Kenner vernehmbar, einfach und erhaben in wunderbarer 
Architectonik auf. Die Singstimme hat eine schwere Aufgabe zu 
lösen, und der Sänger, welcher sie übernimmt, muss vor Allem ein 
guter Treffer sein, wenn er ihr genügen will; denn die schwierigen 
Ititerwallen , die sich hier in ungewohnter Folge aneinanderreihen 
und nur selten eine Melodie gestalten helfen, sind sehr leicht ver- 
fehlt, zumal da der Sänger in der ihn begleitenden Harmonie schier 
keine oder doch nur sehr flüchtige, oft kaum bemerkte Unterstützung 
findet. Hr. Bausewein war nicht ganz glücklich in seiner Leistung^ 
seine Einsätze waren unrein, und sein Gesang fortwährend schwan- 
kend. Besseres — aber nicht Untadelhaftes — leistete Frau Diez; 
.auch sie kämpfte hörbar mit der Schwierigkeit der gestellten Auf- 
gabe. Vollkommenen Genuss gewann das Ohr erst dort, wo der 
vierstimmige Choral anhebt, und dort steigt die Andacht auf den 
Fittigen der Harmonie nieder, und beiliges Schweigen breitet sich 
geheimnissvoll über die ganze Zuhörerschaft. 

Kein würdigerer Scblusssteiu konnte für die in der ganzen mu- 
sikalischen Welt berühmten Concerte der musikalischen Akademie 
zu München gefunden werden als Beethoven's C-moll-Sinfonie. Wie 
sie, als die fünfte, in der Mitte der neuu Sinfonien steht und so den 



Mittelpunkt dieser grössten aller Instrumentalcompositionen bildet, 
ebenso scheint es mir auch, als ob Beethoveu sich hier allein in 
seiner ganzen Grösse und Majestät, in der riesigsten Gestaltungskraft 
seines Geistes, in der vollen Glorie seiner Verklärung gezeigt habe : 
diese Gewalt, diese Würde und Erhabenheit fand selbst Beethoven 
nur einmal — in der fünften Sinfonie. Und diese kolossale Ton- 
dichtuug wurde von unserem Orchester unter Lachner's unvergleich- 
licher Leitung in seltener Begeisterung und vollendetem Zusammen- 
spiel aufgeführt; der letzte Satz nur hätte vielleicht gegen den 
Schluss zu ein noch lebhafteres Tempo zugelassen. 

Und wenn wir einen Rückblick auf die fünf Odeons - Concerte 
werfen, so finden wir, dass die musikalische Akademie — gegen 
ihre frühere Gewohnheit — diesmal ihren Programmen eine grosse 
Menge Novitäten todter und noch lebender Componisten einverleibte; 
so befestigte sie in ihren Concerten nicht bloss den Geschmack an 
anerkannt guten älteren Tondichtungen, sondern sie erweiterte durch 
die meist untadelhafte Vorführung neuer Compositionen auch die 
Literatur ihres Auditoriums und bildete dessen Kritik. Und das war 
der Zweck, den sie erreichen wollte. Z. 



Aus Magdeburg. 



Eine am 17. Dezember von dem „Gesangverein für classische 
Kirchenmusik" unter der Leitung des Dom-Organisten Ritter in 
der hiesigen Domkirche veranstaltete Musik - Aufführung befriedigte 
in dem, was sie bot, nicht weniger als in der Ausführung des Dar- 
gebotenen selbst. Einige Chöre und Soli aus Händel's „Saul," ein 
Choral („Meine Hebe Seel, was betrübst du dich?") von Melchior 
Franck, ferner die prachtvolle böhmische Melodie: „Heilig und zart 
ist Christi Menschheit" mit entsprechendem Tonsatze von Ritter 
bildeten die vocale Parthie des Programms, welche von den Chor- 
und Solosängern in hohem Maasse befriedigend ausgeführt, von dem 
Hrn. Organisten Brandt der Mehrzahl der Nummern nach (die 
beiden Choräle wurden ohne Begleitung gesungen) auf der Orgel 
discret begleitet wurde. Die soeben erwähnten beiden Choräle sind 
als Nro. 1 und 2 in einer bei He inriehsho fen in Magdeburg 
erschienenen Sammlung (,,Siona u ) aufgenommen; wir müssen sie 
allen Gesangvereinen, die sich mit ernster Musik beschäftigen, auf 
das Wärmste empfehlen. 

Von Interesse war eines der neuen von Liszt herausgegebenen 
Orgelwerke: .,Evocation ä la chapelle sixline^ bezüglich dessen 
sich die meisten von uns gehörten Stimmen freilich ablehnend ver- 
hielten. — Eine Improvisation auf der Orgel, von Ritter gespielt, 
schloss die Aufführung, indem sie den Zuhörern vielseitige Gelegen- 
heit bot, das prachtvolle, von den Herren Reubke in Haus-Nein- 
dorf bei Quedlinburg erbaute Orgelwerk und seineu eminenten Reich- 
thum an schönen Klangfarben zu bewundern. -\ — j- 



* oe oi 



Aus Cassel. 



Zum Jahreswechsel sende ich Ihnen wieder einen Beitrag für 
die „Südd. Mus.-Ztg." über das Musiktreiben in unserer Residenz- 
stadt und beginne , wie gewöhnlich , mit den Abonnementconcerten 
des kurfürstl. Orchesters, von denen bis jetzt zwei stattgefunden 
haben. Das Programm des ersten derselben war folgendes: I. Theil: 
Ouvertüre zu „Atbalia" vou Mendelssohn (zum 1. Male); Clavier- 
concert in C-moll von Beethoven, vorgetr. von Frl. Anna Mehlig 
aus Stuttgart; Arie des Pylades aus Gluck's „Iphigenie in Tauris," 
ges. von Hrn. Bachmann; Violinconcert Nro. 4 in H-moll vou 
L. Spohr, vorgetr. von Hrn. Concertmeister Wippliuger; Arie 
aus Marschner's „Vampyr," ges. von Hrn. Bachmann; Solostücke 
für Pianoforte: a) „Scherzo" in B-moll von Chopin, b) „La Cam- 
panella" von Liszt, vorgetr. von Frl. Mehlig. II. Theil: Sinfonie 
Nro. 1 (B-dur) von Rob. Schumann. 

Das zweite Concert brachte : I. Theil: Ouvertüre zu „Lodoiska" 
von Cherubini : Violinconcert in D-moll von Molique, vorgetr. von 
Hrn. Concertmeister Edmund Singer aus Stuttgart ; Arie aus 
der Oper „Julius Cäsar" von Händel (zum 1. Male) , ges. von Frl. 
Aurelie Wlczek ans Mannheim ; „Furientanz und Reigen seliger 
Geister'* aus Gluck's „Orpheus und Enridice" für Orchester (zum 



- 11 - 



1. Male) j „Teufelssonate" für die Violine von Tartim, vorgetr. von 
Hrn. Singer; Lieder mit Clavierbegleitung : a) „Der Müller und 
<der Bach" von Fr. Schubert, b) „Volksliedchen" von R. Schumann, 
<c) „Ständchen" von Oounod , ges. von Frl. Wlczek. II. Theil : 
Sinfonie in C-dur von Ernst Herzogenrath (zum 1. Male). 

Was zunächst die Leistungen der Solisten in diesen beiden 
Concerten betrifft, so müssen wir ihnen das unbedingteste Lob 
spenden, — Frl. Mehlig ist eine Pianistin von tadelloser Technik, 
«nit welcher sie Kraft und musikalisches Verständniss vereint. Hätten 
-wir auch in dem Vortrag des Beethoven'schen Concertes etwas mehr 
Schwung und auch grössere Wärme gewünscht, so verdient die 
Wiedergabe der betreffenden Solostücke, namentlich aber der Liszt'- 
schen „Campanella" unsere vollste Bewunderung, da die noch sehr 
junge Künstlerin die grössten technischen Schwierigkeiten spielend 
überwindet und ihre Nüancirung niemals in Affeetation ausartet. 
Ihr Erfolg war daher auch ein durchschlagender , und wurde Frl. 
Mehlig wiederholt und stürmisch gerufen. — Hr. Concertmeister 
Wipplinger zeigte uns in dem Spobr'schen Concerte wieder alle die 
trefflichen Eigenschaften, welche wir an seinem Spiele längst schätzen 
gelernt. Solide Technik, verbunden mit einer gesunden Auffassungs- 
weise, werden dem tüchtigen Künstler stets einen ehrenvollen Er- 
folg sichern. 

Herr Concertmeister Singer hatte in dem etwas trockenen 
Molique'schen Concerte keine ganz glückliche Wahl getroffen ; um 
so rühmlicher erachten wir daher den grossen Erfolg, den sich 
der ausgezeichnete Künstler bei seinem ersten Auftreten in unserer 
Stadt zu erringen wusste. Durch seine eminente und unfehlbare 
Technik, sowie seinen grossen und edlen Ton errang sich Hr. Singer 
sofort die ungetheilteste Sympathie des dichtbesetzten Hauses. Hätten 
wir eine Ausstellung an seinem Spiele zu machen, so wäre es die, 
-dass wir, namentlich in der Cantilene , die eigentliche Seele des 
Vortrags einigermaassen vermissten, weleher Mangel durch alle tech- 
nischen Vorzüge des berühmten Virtuosen nicht verdeckt wurde. 
Es ist das allerdings unser subjeetives Urtheil und stimmen wir 
nichtsdestoweniger in die dem Künstler gewordenen warmen Ova- 
tionen, welche sich in wiederholtem Hervorrufe äusserten, mit Freu- 
den ein. — Die Gesangsvorträge waren an demselben Concertabende 
durch ein junges, ungewöhnliches Talent, Frl. Aurelie Wlczek aus 
Mannheim, welche nach einem äusserst erfolgreichen Gastspiele für 
•die kurfürstl. Oper als Coloratursängerin gewonnen wurde, vertreten. 
Frl. W. machte namentlich durch den sinnigen, wahrhaft poetischen 
Vortrag obengenannter Lieder Furore , so dass sie sich , wie Hr. 
Singer, nach wiederholtem Hervorruf bewogen fand, das Publikum 
durch eine Zugabe zu erfreuen. Die Stimme der noch sehr jugend- 
lichen Sängerin, ist zwar keine grosse, in der Mittelbtge sogar etwas 
schwache, doch von solch' sympatischem Klange, ihre Vortrags- und 
<3esangsweise ferner eine ro durch und durch geschmack- und seelen- 
volle, dabei die Technik, besonders was das Staccato betrifft, eine 
solch' erstaunliche , dass dem jungen Talente sofort alle Herzen 
zuflogen. (Schluss folgt.) 

Ali § Pari». 

6- Januar. 

Das The'ätre lyrique hat mit der Oper des Laureaten Barthe, 
„La Fiance'e d'Abydos" eben keinen glücklichen Wurf gethan. 
Es fehlt dem nach Byron's gleichnamiger Dichtung bearbeiteten 
Text an spannender Handlung, und was die Musik betrifft, so ver- 
Täth sie keine besondere Inspiration. Es heisst , das genannte 
Theater beabsichtige, gegen Ende der Saison Richard Wagner's 
„Lohengrin/ zur Aufführung zu bringen. Mehrere Blätter versichern 
sogar, Wagner sei bereits hier angekommen, um über diese Auffüh- 
rung mit Hrn. Carvalho persönlich zu unterhandeln. 

Offenbach hat sich abermals von der Direction der Bovffes 
Parisiens zurückgezogen. Er hat übrigens in diesem Augenblick 
alle Hände voll zu thun, da er an zwei dreiactigen Opern arbeitet, 
von denen die eine für die Opera comique , die andere für das 
Palais - Royal • Theater bestimmt ist. 

F 6 1 i c i e n David geht nächste Woche nach Russland, wo 
<r eine Reihe von Concerten geben und seine Opern zur Darstellung 
bringen will. Vorgestern gab ihm zu Ehren der Cercle des Beaux- 
■Arts ein Diner, nach welchem eine Soiree musicale stattfand. Das 



Programm derselben war fast ausschliesslich aus David'scheo Com- 
positionen zusammengesetzt. 

Gestern hat der Cyclus der ausserordentlichen Conservatoriums- 
Concerte begonnen. Der neu und sehr geschmackvoll verzierte Saal 
war gedrängt voll. 

Nächsten Donnerstag tritt Adelina Patti zum erstenmal« 
in dieser Saison hier auf. Die Verehrer der Diva haben bereits 
starkes Herzklopfen. 

NTaclirlchten. 



Cöln, 23. Dezember. Unser Orchester hat eines seiner tüchtig- 
sten Mitglieder, Hrn. Friedrich Heise durch den Tod verloren. 
Seine Freunde und Berufsgenossen haben ihn heute zur letzten 
Ruhestätte geleitet. Der Verstorbene, auch durch seinen liebens- 
würdigen Privat- Character ausgezeichnet, war ein Virtuose auf der 
Oboe und hatte dieses Instrument seit einer Reihe von Jahren in 
unseren Concerten und auf allen niederrheinischen Musikfesten in 
erster Linie zu vertreten. 

In der letzten Sitzung der musikalischen Gesellschaft hörten wir 
eine Composition des jungen Leonhard Wolff, Zögling des hie- 
sigen Conservatoriums , Sohnes des Hrn. Musik -Directors Wolff in 
Crefeld, eine Sonate für Pianoforte und Violine in vier Sätzen, vor- 
getragen von Hrn. Capellmeister Hill er und dem Componisten, 
welche allgemein ansprach, und das mit vollem Rechte, da sie ein 
höchst bedeutendes Talent verräth, welches zu den schönsten Hoff- 
nungen berechtigt, die Hr. L. Wolff, da er als Stipendiat der Frank- 
furter Mozart-Stiftung aufgenommen worden ist und unter der treff- 
lichen Anleitung F. Hiller's noch einige Jahre seine Studien fortsetzen 
kann, gewiss vollständig erfüllen wird. (N.-R. M.-Z.) 

Leipzig. Das 11. Gewandhausconcert am 1. Januar brachte: 
Sinfonie in B-dur von Beethoven ; „Pfingsten," Chor von F. Hiller 
(zum 1. Male); Musik zu Byron's „Manfred" von Rob. Schumann 
mit verbindendem Text von R. Pohl, gesprochen von dem grossh. 
Hofschauspieler Otto Devrient aus Carlsruhe. Die Soli wurden 
gesungen von Frl. Scheuerlein, Frau Pögner und dem königl. 
Hofopernsänger Hrn. Scharfe aus Dresden. 

München. Niemann wird demnächst auf den ausdrücklichen 
Wunsch des Königs als „Tannhäuser" und „Lohengrin" dahier 
gastiren. Ferner hat der König durch Hrn. Oberapellrath Lutz 
Hrn. Dr. Hans von Bülow den Auftrag ertheilt, sich bezüglich 
der in München zu begründenden Kunst- und Musikschule nochmals 
mit dem Cultusministeriura in's Vernehmen zu setzen, um hoffentlich 
zu einer abschliessenden Verständigung über diese Angelegenheit zu 
gelangen. 

Carlsrnhe. Das 1. und 2. Concert des „Cäcilien-Vereins" haben 
am 13. Nov. und 11. Dez. v. J. stattgefunden und boten viel des 
Schönen und gut Ausgeführten. Das 1. Concert brachte : „Serenade" 
(Octett für Blasinstrumente) von Mozart ; „Opferlied" für Sopran und 
Chor von Beethoven ; „des Tages Weihe ," Hymne für Tenorsolo 
und Chor mit Begleitung von Violine und Violoncell von Franz 
Schubert; den 117. Psalm: „Laudate dominum" für Sopran mit 
Chor von Mozart , und das „Lauda Sion" für Soli und Chor von 
Mendelssohn. — Im 2. Concerte kam das Oratorium: „die letzten 
Dinge" von L. Spohr zur Aufführung. 

Auch das 1. Abonnementconcert der grossh. Hofkirchenmusik 
war wieder in ebenso reichhaltiger als interessanter Weise ausge- 
stattet. Orgelcompositionen und Gesangswerke von Joh. Seb. Bach, 
Pergolese, Marcello , Händel, Eccard, Joh. Christoph Bach, Bort- 
niansky, Perti, Schubert, Fesca und Mendelssolm zierten das Pro- 
gramm, und Hess deren Ausführung wieder ebenso den Eifer der 
Mitwirkenden wie das tiefe Verständuiss und die sichere Führung 
des Leiters dieser Concerte, des Hrn. Hofkirchenmusik« Directors 
G i e h n e bewundern. 

Bozen. Am 14. November fand unter der Leitung des Hrn. 
Nagiller und unter freundlicher Mitwirkung der Liedertafel und 
mehrerer Studirenden ein grosses Concert des städtischen Musik- 
vereins statt, in welchem eine Ouvertüre von Nagiller, Concertarie 
von Mendelssohn und „Erlkönigs Tochter," Ballade für Solo, Chor 
und Orchester von Niels W. Gade zur Aufführung kamen. Di« 
Ouvertüre von Nagiller, eil) frisches uad mit anerkenneuswerthem 



- 12 - 



Geschick io der Orchesterbehandlung geschriebenes Werk, fand leb- 
haften Beifall. Ebenso -wurde der Vortrag der Mendelssobn'schen 
■Arie durch eine geschätzte Dilettantin sehr beifällig aufgenommen. 

'Die Aufführung der Ballade von Gade gehört unstreitig zu den ge- 
lungensten Leistungen des Vereins und sowohl die Solisten, auch 
Chor und Orchester, im Ganzen etwa 140 Mitwirkende, trugen zu 

.dem schönen Gelingen des trefflichen Werkes das ihrige redlich bei, 
sowie auch Hrn. Nagiller für seine ebenso geschmackrolle als sichere 
Leitung die vollste Anerkennung verdient. 

*** Die Schubert - Sammlung des kürzlich verstorbenen Hof- 
rathes Spann, die dieser vom Hofrath Witeczek geerbt hatte, 
gelangt nun, einem Wunsche des ersten Eigenthümers derselben 
gemäss , in den Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde. Die 
Sammlung soll sehr reichhaltig sein, und viele noch ganz unbekannte 
Werke, besonders Lieder des grossen Componisten enthalten. Wir 
hoffen, die Gesellschaft wird mit diesen Schätzen nicht so engherzig 
verfahren wie die „alten Freunde" Schuberts. Wir haben diese Art 
der Freundschaft und Pietät einem grossen Tondichter gegenüber 
nie verstanden, die darin besteht, wie ein Geizhals seine Schätze 
unter Schloss und Riegel zu bewahren und sie der Mit' und Nach- 
welt eigenmächtig vorzuenthalten, eine Art der Pietät, die, nebenbei 
bemerkt, nicht verhindert hat, dass bei Hrn. Hüttenbrenner, 
auch einem „alten Freund", die Oefen mit Opern - Manuscripten 
Schubert's geheizt wurden. Zwei junge Männer, die, als Schubert 
starb , kaum geboren waren , Hellmesberger und H e r b e c k, 
haben für den Ruhm des Meisters mehr gethan, als alle seine „alten 
Freunde". Wir hoffen, dass die Direction der Gesellschaft der Musik- 
freunde in richtiger Erfassung ihrer Aufgabe für die Verbreitung 
der noch unbekannten Schubert'schen Werke in möglichst liberaler 
Weise sorgen werde. (Wiener Recens.) 

*** Hr. Geheimer Commerzienrath Abraham Oppenheim 
hat dem Oberbürgermeister von Cöln als Schenkung für die Stadt 
Cöln zehntausend Thaler iu 4 1 /» procentigen Prioritäts-Obligationen 
der Rheinischen Eisenbahn - Geseslschaft nebst Zinscoupons vom 1. 
October v. J. zu dem Zwecke übergeben, dass die jährlichen Zinsen 
in der Höhe von 450 Thlrn. vom kommenden Jahre ab und für alle 
Zukunft als eine besondere Zulage zum budgetmässigen Gehalte des 
städtischen Capellmeisters verwendet werden sollen. — Der Betrag 
der Zinscoupons vom 31. Oct. bis 31. Dez. v. J. ist mit 112 Thlrn. 
15 Sgr. als Beitrag zum städtischen Orchesterfonds bestimmt. 

*** Am 4. Januar gab Hr. Prof. Pauer aus London in Mann- 
heim zum Besten deB dortigen Hoftheater- Orchesters ein grosses 
historisches Concert, in welchem Vocal- und Instrumentalwerke, letz- 
tere zum grösseren Theil aus Ciavier -Vorträgen des Hrn. Pauer 
bestehend, aus der Periode von 1685 bis auf die neueste Zeit zur 
Aufführung kamen. 

*#* Die Gebrüder Müller haben in Holland bereits 25 Con- 
certe mit dem ausgezeichnetsten Erfolge gegeben. 

%* Abbe Liszt wird im Mai nach London kommen, um seine 
Messe aufzuführen , die er für die Einweihung der neuen Kirche 
von Kensington geschrieben hat. 

*** Der spanische Lieder- und Romanzen-Compouist Yradier 
ist in Vittoria gestorben. Seine Lieder waren sehr beliebt und 
sind von den meisten grossen Sängern und Sängerinnen, Artöt, 
Viardot und Roger, mit Vorliebe gesungen worden ; sie waren frisch 
und origineller als die gewöhnlichen Erzeugnisse dieser Gattung. 
Auch die Persönlichkeit Yradier's gehörte zu den angenehmsten. 

*** Die ersten sieben Gastspiele des Frl. Tietjens in Ham- 
burg haben eine Einnahme von 30,000 Mark ergeben. — Adelina 
Patti nahm in Florenz in den ersten fünf Vorstellungen 61,000 
Franken ein. 

*** Der Pianist Bernard Böckelmann aus Utrecht hält 
sieh seit Kurzem in Mexiko auf, wo er wiederholt Einladungen 
Seitens des Hofes erhielt. Er beabsichtigt, die dortigen Kunstzu- 
stände zu heben, bat zur Vereinigung der musikalischen Welt da- 
selbst einen grösseren Salon eröffnet, und fügt seinen Programmen 
stets belehrende Erklärungen der vorzutragenden Stücke bei. 

*** Frl. A r t 6 1 gastirt mit glänzendem Erfolg in Bremen. 

*** Die von Frl. Auguste Götze, grossh. weimariscbe Kam- 
mersängerin , in ihrer zu Dresden gegebenen musikalischen Soiree 
' mit so vielem Beifall gesungene Ballade von Heine : „Mir träumte 
"von einem Königskind," componirt von L. Hartmann ist alt «ine 



poesievolle, durch richtige Declamation und schönen Ausdruck sieb 
auszeichnende Composttion Sängern mit tieferer Stimmlage besten» 
zu empfehlen. 

*** Der rühmlichst bekannte Pianist Mortier de Fontaine» 
gab am 29. Dezember in Weimar ein grosses historisches Concert» 
in welchem er Olavier - Compositionen von den ältesten bis auf die 
neuesten Meister, anfangend mit William Bird, geb. 1634 und 
Bchliessend mit Josef Rheinberge r, geb. 1839 (bisher Pro- 
fessor des Orgelspiels am Münchener Conservatorium) vortrug. Daa 
Programm enthielt 30 Nummern, und erläuternde Notizen über die 
älteren Componisten und deren Werke waren demselben in dankens- 
werter Weise beigegeben. 

*** Das Journal „L'Art Musical^ wird von Havre aus ge- 
schrieben: „Der Musikverein, der mit soviel Eifer, Talent und Ge- 
wissenhaftigkeit von Hrn. A. Oechsner geleitet wird, hat eine 
herrliche Soire'e gegeben, welche sich des ausgezeichnetsten Erfolges 
zu erfreuen hatte. Das Programm des Concertes, welches nach zwei 
Tagen wiederholt werdeu musste , um dem Zudrange der hörbe- 
gierigen Musikfreunde zu genügen, enthielt Weber's poesiereiche 
Musik zu „Preciosa" und den 2. Act von Spontini's „Vestalin". 
Die beiden Meisterwerke wurden von Chor und Orchester unter der 
trefflichen Leitung ihres Dirigenten mit grosser Präcision ausgeführt 
und das Lied der Preciosa, sowie die grosse Scene der Vestalin von 
einer Dilettantin mit reiner und klangvoller Stimme vorgetragen. 
Schade , dass eine so schone Stimme für die Bühne verloren ist ! 
Einen anderen Genuss gewährte mir die Aufführung der schönen 
Streichquartette von Fr. Schubert auf kostbaren Instrumenten und 
in vorzüglicher Weise. Ich kannte bisher wenig von Schubert'» 
Kammermusik, und wundere mich nun, dass die Pariser Quartettisten 
dieselbe noch nicht bei uns bekannt gemacht haben." 

*#* Nach einem „Eingesandt" der „Signale" wurde dem Com- 
ponisten Julius Otto in Dresden in Folge wiederholter sehr ge- 
lungener Dilettanten- Aufführungen seiner Operette „Die Mordgrund- 
bruck" in der Harmoniegesellschaft zu Minden ein westphälisches 
Frühstück als Weihnachtsgeschenk zugesandt, bestehend aus 12: 
Flaschen feiner Weine, 2 Flaschen Liqueure, 1 geräucherten Schin- 
ken, 1 Mettwurst (trichinenfrei) und 1 Pumpernickel (westphälisches 
Schwarzbrod). 

*** Der Grossherzog von Hessen-Darmstadt hat dem bekannten 
Liedercomponisten Hofcapellroeister A b t in Braunschweig die gol- 
dene Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft verliehen. 

*** In Paris ist der Musikverleger Eduard Meissonnier, 
44 Jahre alt, gestorben. 

*** Uli mann hat in Wien mit seinen 13 P a 1 1 i - Concertea 
40,000 fl eingenommen. Schliesslich trat seine Künstlergesellschaft 
noch in einigen Wohltbätigkeits-Concerten auf. 

*** In Barmen wurde am 30. Dezember Schumann's „Paradies 
und Peri" uuter der Leitung des Musikdirectors Hrn. A. Krause 
autgeführt. 

* % * Am 6. Januar fand in Dresden das erste der beiden Patti- 
Coucerte statt, in welchem ausser Carlotta Patti die Künstler 
Roger, Brassin und Vieuxtemps und in einem Beethoven'- 
schen Trio auch der dortige Violoncellist Grützmacher mitwirkten. 

*** Nachdem Adelina Patti in Florenz reichliche Spenden 
an die Armen gegeben, trat sie am 22. Dezember v. J. in Turin 
zum erstenmale auf und erregte bei dem dermassen gefüllten Hause, 
dass die Einnahme 22,000 Frs. betrug , ungeheuren Enthusiasmus. 
Der König hat ihren Schwager und Lehrer Maurice Strakoscb 
zum Ritter des heiligen Lazarus ernannnt. Gegenwärtig ist Frl. 
Patti wieder bei der italienischen Oper in Paris engagirt. 

*** Hr. Gustav Nottebohm, der vor einiger Zeit zum 
Archivar der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ernannt wurde, 
bat seine Stelle wegen Meinungsverschiedenheiten mit einem Direc- 
tiousmitgliede niedergelegt, und soll an dessen Stelle der Pianist 
Hr. Carl PrÖnitz getreten sein. 

*** In Bologna ist Meyerbeer*s „Afrikanerin" anerst in 
Italien gegeben worden und macht so volle Häuser, dass alle 
Bühnen Italiens die Hand nach der rettenden Partitur ausstrecken. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck *. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



if* d . 



22. Januar 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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INHALT! Fürstlich Thurn und Taxisches Theateqfe — Correspondenzen : Cassel. Stuttgart. Wien. — Nachrichten. 



Furstlicli Tliurn und Taxisehes Theater» 

(Aus Dr. Mettenleite r's „Musikgeschichte Regensburgs," Verlag 
von BÖsenecker in Regensburg. 



(S c h 1 u s s.) 

Solche und andere Unliebsamkeiten scheinen den Fürsten Carl 
Anselm bewogen zu haben, nach so kurzer Zeit der italienischen 
Oper wieder den Abschied zu geben. Ein Schreiben besagt: „Wir 
haben bei der mit dem 31. Januar 1778 zu Ende gehenden Contracts* 
Verbindlichkeit mit dem Italiänischen Theater eine anderweitige 
Einrichtung mit demDirector der Teutschen Schaubühne, Andreas 
Schopf, getroffen und selbem die Schadloshaltung von seinen Aus- 
gaben zugesprochen." Der Vertrag galt zunächst nur auf ein Jahr, 
bis 1779 (1. März bis 1. März) ; die Gesellschaft stand unter der Juris- 
diction des Magistrats, der Fürst zahlte 13,000 fl. Der Director 
hatte alle Rechnungen, Einnahmen ete. vorzulegen. Die Oarderobe 
gab theilweise der Fürst. Die Musik erhielt für dreimaliges Spielen 
in der Woche ä 5 fl. anf 52 Wochen, in Summa 780 fl. Auch ein 
Ballet war Schopf zu halten verpflichtet; dafür wurden 3 Oboisten 
bestellt mit je 3 fl. 12 kr.; ebenso wurden Extra- Trompeter und 
Pauker bezahlt. Für Abschreiben von Musik erhielt* ein Copist in 
unbestimmten Zeiträumen immer 2 fl. 48 kr. An das Umgeldamt 
der Stadt hatte Schopf von 30 Vorstellungen (vom März bis Ende 
Juni 1778) je 30 kr. = 15 fl. au entrichten. Der Graf Seeau, In- 
tendant in M ü n c h e n, wurde um einige Probebekleidungen für die 
Oper und Ballet» ersucht. Seine eigenhändige Antwort besagt: „Der 
Churfürst sei sehr erfreut, dem Fürsten ein Vergnügen mit seinem 
Magazin machen zu können." Die Oberdirection der Sckopf'schen 
Comödie hatte der Fürst dem H. von Berberich, „welcher die 
Bühne mit verschiedenen französischen Uebersetzungen und Theater- 
reden bereichert," übergeben. 

Im Jahre 1781 besuchte Kaiser Joseph II. das Regensburger 
Theater. Obgleich das grösste Incognito anbefohlen war, so liess 
sich der Kaiser doch im Schauspiele sämmtliche Gesandtschaften 
vorstellen und spendete sehr reiche Geschenke. Als 1782 viele 
fürstliche Personen bei Taxis zu Besuch waren, wurde am 16. Januar 
„Schauspiel und Ballet und darnach Illumination mit Chören von 
Trompeten und Pauken und blasenden Instrumenten und Feldmusik," 
am anderen Tage grosses Concert, Hatze u. dgl. gebalten. Am 21. 
Januar gab der französische Gesandte auf einer eigens dazu von 
Holz erbauten Bühne eine theatralische Vorstellung eiuer „Jagdparthie 
König Heinrichs IV.", welche von Liebhabern aufgeführt wurde, 
ebenso ein Divertissement mit Musik , in welchem der Festgeber 
selbst mitspielte. Aehnliche Festlichkeiten hatten 1783 statt, bei der 
Vermählung des Fürsten Johann Aloys von Oettingen- 
Spielberg mit der Taxischen Prinzessin Henriette, Besonders 
zeichnete sich dabei eine türkische Garnisonsmusik aus. Auch wurde 
eine Freicomödie gehalten. 

Mit 1783 erhielt das Theater ein« neue Gestaltung. Der Fürst 



hatte der deutschen Truppe Valet gesagt und wieder eine italiänische 
Operngesellschaft engagirt. Schacht hatte die Oberleitung; zu seiner 
Erleichterung war ihm ein Maiire de Chapelle beigegeben worden 
mit einem Gehalte von 1500 fl. Im früheren welschen Theater be- 
zahlte man Entree: „die heurige italienische Oper gehe ganz allein 
auf Unsere Kosten," befahl der Fürst. Für die erste Classe wurden 
deshalb gar keine Billets mehr ausgetheilt; die 2. Gallerie wurde 
für die Kaufleute, Bürger und honnetten Leute bestimmt. 

Man gab Opern von verschiedenen Autoren, darunter auch von 
dem Capellmeister Peter Winter in München. Ein Brief von 
Babo aus München besagt: „Die Musik zu ,, Reinhold und Armida" 
kann ich Ihrer Excellenz (v. Schacht) nur auf 8 Tage zum Copiren 
geben, denn Capellmeister Winter hält diese seine Arbeit ausseror- 
dentlich theuer, so dass ein Ankauf bis jetzt gescheitert ist." Vor 
1783 schrieb ein Theodor de Salzmann an den Fürsten, „er 
möge die italiänische Oper unterlassen und dafür das deutsche 
Schauspiel behalten; das Publikum wolle die italiänische Oper nicht, 
die wenigsten verständen italiänisch, oder auch nur die Musik. Wer 
Musik wolle, der habe sie ja in den Do nners tag- Co ncerten des 
Fürsten." Darauf replicirte ihm der Fürst, „es habe ihn Salzmann's 
Auftreten im Namen des Publikums gewundert; übrigens ändere er 
seinen Plan nicht. Den Unzufriedenen sei es übrigens unbenommen, 
auf eigene Kosten ein deutsches Theater in Regensburg zu errichten ; 
es habe aber das Regensburger Publikum wenig Interesse dafür, 
einKartenspiel beim Bier sei ihm lieber als das 
beste Spectacle !'' In ähnlicher Weise agitirten die früheren 
deutseben Theatermitglieder selbst. Sie sagten in einer Collectiv- 
eingabe an den Fürsten: „Nicht nur, dass Sie wie Joseph II. die 
Schauspielkunst, die in vaterländischer Tracht verwaist einherging, 
beschirmten etc. etc." Der Operist Moutrose bat um Gastspiel 
in der Oper, ebenso ein Sänger Mayr um Engagement. ^[Der Etat 
dieser Oper findet sich in der 2. Beilage des Buches angegeben.) 
Die Allegranti wurde wieder engagirt; sie schien sich aber sehr 
kostbar machen zu wollen. Auf wiederholte Anfragen antwortete 
sie gar nicht, so dass Schacht dem drängenden Fürsten schrieb: 
„e//e est ä 1a verili ennemie des Correspondances.' (Die Beilage III 
enthält zwei sehr interessante darauf bezügliche Briefe an den 
Fürsten.) 

Die italiänische Oper konnte sich aber gleichwohl nicht be- 
haupten, denn schon am 19. Juni 1786 beschloss der Fürst, sie noch 
vor Ende der Accordzeit und zwar sogleich zu verabschieden, aber 
zugleich auch fortan keine Schauspielergesellschaft mehr zu halten. 
Veranlassung zu dem letzten Schritte mag der allerdings ungeheuere 
Kostenaufwand gegeben haben. Das Memoria, welches Schacht über 
die Reduciruug des Theaters dem Fürsten eingereicht hatte, wies 
grosse Summen *aus. (Siehe Beilage IV ; auch enthält die Beilage V 
einen hieher bezüglichen interessanten Briefwechsel des Fürsten.) 

Eine Aufschreibnng des magistratisch Angestellten Kar besagt, 
dass ein Verzeichlnss der seit Anfang der fürstl. Taxischen Bühne 
bis 1784 aufgeführten Werke, Opern, Ballete etc., sowie des Theater- 
personals in 1 V» Bogen in 8* gedruckt, erschienen sei, doch konnte 



14 - 



der Verfasser dasselbe nicht auffinden. Er befindet sich aber im 
Besitze vieler Theaterzettel, Operntexte, Bullete etc. aus jener Zeit. 
Die Taxis'sche Musikbibliothek schliesst ausser sämmtlichen Com- 
positionen aller fürstl. Hofmusiker etc. einen grossen Reich thum von 
Singspielen, Opern, Ballets etc. (italiänisch, deutsch und französisch) 
aller Zeiten bis herauf zu Mozart in sich, als einzige Reliquien des 
einst so prächtigen fürstlichen Theaters. Leider ist von der auch 
au Schätzen mittelalterlicher Musik reichen Bibliothek kein Catalog 
vorhanden, sowie auch das Local, in dem sie aufbewahrt wird, weder 
der Conservirung , noch weniger aber der Benützung an Ort und 
Stelle dienlich ist. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus C a s s e I. 



(S c h 1 u s s.) 

Ueber die Ausführung der Orchesterwerke beider Abende 
können wir uns insofern kurz fassen, als wir dieselbe eine wür- 
dige , theilweise , besonders in Beziehung auf die Scburaann'sche 
Sinfonie und die Ouvertüren von Mendelssohn und Cherubini eine 
ausgezeichnete nennen. 

Die Sinfonie von Herzogenrath, einem Mitgliede des Hof- 
orchesters hatte sich in allen Sätzen des entschiedensten Beifalls zu 
erfreuen und wurde dem jungen, talentvollen Componisten die wohl- 
verdiente Ehre eines Hervorrufs zu Theil. Mag das interessante 
Werk Mendelssohn'schen, Schumann'schen und auch Beethoven'schen 
Einflüssen, denen sich wohl kein angehender Componist gänzlich 
zu verschliessen vermag , nicht ganz fremd Bein , so zeugt es doch 
von gediegenem Wissen, ernstem Streben und soviel wirklicher Er- 
findungsgabe seines Schöpfers , dass wir dessen weiteren Versuchen 
auf diesem Gebiete mit aufrichtiger Theilnahme entgegensehen. 

Ausser diesen beiden Abonnement -Concerten des Hoforchesters 
fand noch eines vom „Casseler Gesangverein" unter Leitung des 
Hofcapellmeisters Carl Reiss und unter Mitwirkung des trefflichen 
Violinisten HugoHeermann und dessen Schwester, der jugend- 
lichen Harfenistin Helene Heermauu, sowie eines von unserem 
geschätzten Oratoriensänger Herrn D e n n e r unter der Mitwirkung 
des Ihnen wohlbekannten trefflichen Bassisten Carl Hill aus 
Frankfurt statt. Beide Concerte boten in instrumentaler wie vocaler 
Hinsicht so viel des Genussreichen, dass es mich für heute zu weit 
führen würde, aller einzelner Leistungen zu gedenken. 

Um nun noch der Leistungen unserer Oper zu gedenken, so 
muss ich leider, wie dies bei uns fast alljährlich der Fall ist, wie- 
derum einen bedeutenden Personalwechsel registriren. Die Herren 
Garsö und Po lenz haben nämlich die Hofbühne verlassen, und 
sind an deren Stelle Hr. Brunn er von Hamburg als lyrischer Tenor 
und Hr. Hoffmeister als TenorbuflFo getreten. Für das längere 
Zeit verwaiste Fach des Heldentenors ist Hr. Bach mann von Prag 
gewonnen, und darf sich unsere Hofbühne zu dem Eintritte dieses 
Heldentenors par excellence gratuliren. — Von den Damen haben 
uns Frl. Langlois und Frl. Höfl verlassen. An Stelle der Ersten 
wurde trotz erfolglosen Gastspiels eine Fil. Römer aus Ulm enga- 
girt, wolche sich im Verlauf der letzten Monate als so total unfähig 
erwies, dass man , zur Freude aller Theaterbesucher, ihr zur Seite 
nunmehr Frl. W I c z e k für das Fach der ersten Coloratursängerin 
engagirt hat Eine neue Soubrette, welche ihre Vorgängerin gleich- 
falls übertrifft, ist der Oper in Frl. Winkler gewonnen. Von den 
älteren beliebten Mitgliedern nennen wir unsere wackere Primadonna 
Frl. Bauer, die talentvolle jugendliche Sängerin Frl. Grün, den 
Barytonisten Hrn. Schulze, sowie endlich die wesentlichste Stütze 
unserer Oper, den als Sänger wie Darsteller gleich ausgezeichneten 
Bassisten Lindemann. 

Seit August d. J. kamen etwa 30 verschiedene Opern zur Auf- 
führung, worunter der der Vergessenheit entrissene Spohr'sche „Faust" 
und M6hul's „Joseph". Von irgendwelcher Novität dieser Saison 
vermag ich jedoch leider noch Nichts zu berichten. 

Soviel für diesmal ; später werde ich Ihnen über den weiteren 
Verlauf der Wintersaison berichten. 



Aus Stuttgart. 

Ende Da/ember 

Das vierte Abonnement-Concert war etwas umfangreicher ; denn 
am Weihnachtstage „ras't der See und will ein Opfer haben," d. h. 
dem Geschmacke der da gewöhnlich herbeiströmenden grossen Masse 
muss einige Rücksicht getragen werden. Doch geschah das diesmal 
nicht auf Unkosten der Feinschmecker; im Gegentheil wurden gerade 
diese durch die „Anakreon"-Ouvertüre und das von C. M. Singer 
mit Bravour vorgetragene Molique'sche Violinconcert in D-moll be- 
sonders erfreut. Durch einen eigenthümlichen Zufall traf diese, üb- 
rigens vortrefflich gearbeitete Compositum, in deren Finale derRythmus 

J « # l J jj 3 J vorwiegt , am gleichen Abend mit der siebenten 

Beethoven'schen Sinfonie zusammen, deren erster Satz denselben 
Rythmus enthält. Beim letzten Satze derselben machte uns übrigens 
die Virtuosität unseres Orchesters bald bange; sie streifte bereits an 
jene vornehme Nonchalence , mit der manche renommirte Pianisten 
wohl eine frühere Beethoven'sche Sonate abspielen ; auch im Andante 
vermissten wir jene liebevolle Pietät, welche namentlich dieser 
unsterbliche Satz verdient. — Statt der abermals ausfallenden Men- 
delssohn'schen Concert-Arie hörten wir wieder die Bass-Arie aus 
„Ezio," womit Hr. Wallenreiter diesmal glücklicher war ; er 
wurde sogar, wie Hr. Singer, mit einem Hervorruf beehrt, der ihm 
wahrlich nicht zu missgönnen ist. — Das grösste Interesse concent- 
rirte sich auf das Vorspiel zu „Tristan und Isolde," welches mit 
vollendeter Meisterschaft ausgeführt wurde und den wärmsten Beifall 
fand; selbst die entschiedensten Gegner Waguer's mussten wenigstens 
die blendende Farbenpracht dieses wundersamen Satzes zugestehen, 
und wenn es sich bestätigt, dass nicht nur Bülow, den wir im 
Januar mit Freuden erwarten, sondern später auch Wagner selbst 
auf einige Zeit hierher kommt, so wird er für seine Richtung bereits 
eine günstige Atmosphäre finden ; besonders hat der „Holländer" 
tüchtig vorgearbeitet , und gibt es hier zumal unter den jüngeren 
Künstlern viele eifrige Wagnerianer. Sogar eine „Wagner-Strasse" 
hat Stuttgart, während München eine solche erst mit schwerem Geld 
hätte erhalten sollen ; freilich wird die hiesige wohl dem orientali- 
schen Geschmacke ihres Pathen noch nicht vollkommen entsprechen. 

— Anfangs Januar. Auch die vierte Soiree für Kammermusik 
erfreute sich eines sehr reichhaltigen Programme». Zum erstenmale 
spielten die HH. Speidel uud Krumbholz die Sonate für Cia- 
vier und Cello Op. 102 von Beethoven, ein in seinen beiden ersten 
Sätzen trotz knappester Haltung doch gar gedankenvolles, und viel- 
leicht gerade desshalb um so tieferes Product des vereinsamten 
Meisters. Hrn. Speidel's klares, ausdrucksvolles Spiel fand hier, wie 
in den später folgeuden Solonummern (Mozart's C-moll- Fantasie, 
Chopin's Andante spianato und Es-dur-Polonaise) und im Schubert'- 
schen Es-dur-Trio den lebhaftesten Beifall, ebenso der Vortrag eine» 
Molique'schen Adagio's und einer, übrigens unbedeutenden Popper'- 
schen Componsition (Ballscene) durch Hrn. Krumbholz. An dem 
Trio betheiligten sich diesmal die HH. Goltermann und ßene- 
witz; Letzterer spielte noch vorher mit C. M. Singer das Spohr'- 
sche D-dur-Duo, welches unter solchen Händen mit einer fabelhaften 
Reinhoit zu Gehör kam und begeisterten Applaus hervorrief. Auch 
die von Singer mit bewährter Virtuosität gespielte sogenannte „Teu- 
felssonate" hatte glänzenden Erfolg, uud so war das wieder ein 
Abend, voll der edelsten Genüsse. 

Die nächste Soiree wird bringon: Quartett von Haydn, Ciavier- 
quartett von L. Stark (neu), Streichtrio in D-dur von Beethoven, 
Quartett von Cherubiui. T. 



Aus Wie ii. 

8. Januar. 

Am Sylvesterabende wurden die Operufreunde durch eine Auf- 
führung der „Lucia" überrascht, in welcher Frl. von Murska, die 
beliebte Coloratursängerin, nach zweimonatlicher Pause, zum ersten- 
male wieder auftrat. Die Utberraschung war um so angenehmer» 
als man sich überzeugen konnte, dass die verschiedenartigen Gerüchte, 
welche sich über den Gesundheitszustand des Frl. von Murska ver- 
breitet und selbst dahin geführt hatten, dass ein Berliner Blatt be- 
reits deren Tod meldete, vollständig unbegründet seien. Die Leis- 



- 15 



tung der Sängerin als Lucia stand ganz auf derselben Höhe wie 
früher, eine Abnahme ihrer Stimmmittel war nicht zn bemerken, und 
das Publikum gab seinem Lieblinge durch enthusiastischen Empfang 
und lebhaften Beifall im Verlaufe der Vorstellung seine Freude da- 
rüber deutlich zu erkennen. 

Ausser diesem Wiedererscheinen des Frl. von Murska ist von 
den Leistungen des Hofoperntheaters nichts bemerkenswerthes Neues 
zu melden. Die Direction scheint die ganze Kraft des Instituts auf 
das Studium der in wenigen Wochen zu erwartenden „Afrikanerin" 
zu concentriren. Die Hauptparthien dieser Oper befinden sich jetzt 
definitiv in dem Besitze der Damen Bettelheim und Murska 
und der HH. Walter, Beck und S c b m i d. 

Am ersten Januar fand das Leichenbegängniss des gefeierten 
Schauspielers Hei n rieh An schütz statt, zu welchem alle Künste 
Wiens ihre Vertreter gesendet hatten. Anschütz war im Jahre 1785 
geboren, erreichte also ein Alter von 80 Jahren. Der Männergesang- 
verein, dessen Ehrenmitglied der Verewigte war, gab seine Theil- 
nahme durch einige ergreifende Chöre zu erkennen. Sämmtlicbe 
Mitglieder des Burgtheaters , mit dem Oberstkämmerer , Fürsten 
Auersperg und Director Laub e an der Spitze, waren anwesend; 
zahlreiche Mitglieder der übrigen Theater, der Gesellschaft der Musik- 
freunde und anderer der Kunst gewidmeter Vereine hatten sich ein- 
gefunden, so dass die Kirche die Anzahl der leidtragenden Verehrer 
des Hingeschiedenen nicht zu fassen vermochte. 

Der Verein, welcher, den Namen „Ilaydu" führend, die Ver- 
sorgung der Wittwen und Waisen hiesiger Tonkünstler zum Zwecke 
hat, brachte zu Weihnachten die „Schöpfung" zur Aufführung. Dieser 
Verein, welcher, im Jahre 1771 gegründet, in nicht ferner Zeit sein 
lOOjähriges Bestehen wird feiern können , besitzt das Privilegium, 
seine Concerte im ßurgtheater veranstalten zu dürfen ; wenn diese 
Begünstigung auch in akustischer Beziehung ihre Nachtheile bringt, 
ao sind damit doch wohl auch Vortheile verbunden, welche den 
Verein veranlassen, das seit vielen Jahren innehabende Concertlocal 
zu behaupten. Im Uebrigon ist der Verein seit seiner vor einigen 
Jahren erfolgten Reorganisirung bestrebt, auch in musikalischer Be- 
ziehung den Fortschritten der Zeit Rechnung zu tragen, und dass 
dies Bestreben von günstigem Erfolge gekrönt ist, bewies die letzte 
Aufführung auf das Deutlichste. Die Leistung dos Orchesters und 
des Chors Hess nichts zu wünschen übrig. Die Sopransoloparthie 
hatte Frl. Rabatinsky von Pesth , eine jugendliche , mit sehr 
schöner, klangvoller Stimme begabte Sängerin, übernommen, die 
nur durch das ihr ungewohnte Genre des Oratoriengesauges und eine 
desshalb sehr natürliche Befangenheit in ihrem Wirken gehemmt 
wurde. Die Tenor- uud Bassparthien fanden in den IUI. Walter 
und Schmid höchst ausgezeichnete Vertreter. Namentlich zeigte 
der Letztere, dessen Stimme an Wohlklang und Kraft Nichts zu 
wünschen übrig lässt, dass er auch in dieser Gattung des Vortrags, 
wo Declamation und Characterisirung höhere Ansprüche an den 
Opernsänger stellten, seiner Aufgabe gewachsen war. 

Im vierten philharmonischen Concerte kam das neue Werk 
eines hiesigen Componisten , eine Ouvertüre zu „Sakuntala" vou 
Gold mark, zur ersten Aufführung. Der überaus strebsame Com- 
ponist, welcher dem H eil m esb er ger'schen Quartette schon meh- 
rere interessante Novitäten geliefert hatte, bekuudetc durch dieses 
Orchesterwerk einen bedeutenden Fortschritt. Während man an 
seinen bisherigen Arbeiten ein allzugrosscs Streben nach übermässig 
complicirten und dadurch manchmal gesucht erscheinenden harmo- 
nischen Wendungen auszusetzen fand, zeigte sich in dieser Ouver- 
türe eine im Vergleiche mit seinen früheren Werken wohlhthuende 
Klarheit der Intentionen, Bestimmtheit der Motive und eine vortreff- 
liche Instrumentirung. Sind wir auch der Ansicht, dass sich in 
dieser Ouvertüre, so wenig wie in seinen früheren Arbeiten, eine 
geniale Erfindungskraft offenbart, so gibt es doch Zeugniss für ein 
hochachtbares Streben, geläutertes Wissen uud eine künstlerische 
Ueberzeugung, der wir unsere Anerkennung nicht versagen sollen. 
Das Publikum schien mit der musikalischen Richtung dos Compo- 
nisten, welche sich der Schumann'schen nähert, nicht ganz einver- 
standen, denn unter den der Ouvertüre gespendeten Beifall mischten 
sich auch einige Zeichen der Opposition. 

Zur Vervollständigung des Berichtes haben wir noch die Cou- 
certe der HH. Lotto und Smietansky anzuführen. Ersterer 
zeigte sich als einen in Beziehung der Technik ganz ausgezeich- 



neten Violinvirtuosen , Letzterer als einen vortrefflichen Pianisten, 
der bei vollständiger Beherrschung seines Instrumentes sein gesund 
musikalisches Wesen freigehalten hat von jener krankhaften Senti- 
mentalität, dureh deren Vorherrschen uns so oft der reine Genusa 
feuriger und kräftiger Tonwerke verkümmert wird. 



I ae !i richte 



ii. 



Mainz. Die talentvolle kleine Violinspielerin Therese Liebe 
aus Strassburg, welche im vorigen Jahre hier so vielen Beifall fand, 
cencertirt gegenwärtig mit vielem Glück in der französischrn Schweiz 
und wird sich nach ihrer Rückkunft von dort nach Paris begeben, 
um bei dem bekannten Meister A 1 a r d ihre Ausbildung zu vollen- 
den und sich nebenbei in verschiedenen Cirkeln hören zu lassen. 
Von Paris wird die jugendliche Künstlerin, einer Einladung folgend, 
nach London gehen. Sie hat in letzterer Zeit unter der Leitung 
ihrer Pathin Therese Milanollo ausserordentliche Fortschritte 
gemacht. 

CÖln. Im 6. Gürzenich- Concerte am 16. Januar kam Spohr's 
Concertante für zwei Violinen durch die HH. von Königslöw 
und Japha zur Ausführung; ferner Beethoven's Sinfonie Nro. 8 in 
F-dur, und Max Bruch'8 „Scenen aus der Frithjof-Sage" (Sopransolo 
Frl. R e m p e 1 , Baryton-Solo Hr. S t ä g e m a n n), die Chöre vom 
Cölner „Männergesangverein" und dem Cölner „Sängerbunde" 
gesungen. 

Stattgart. Die Nummer 307 des Stuttgarter „Staatsanzeigers" 
bringt ein Musikreferat, worin über das Vorspiel zu „Tristan und 
Isolde" ein grösstentheils unrichtig motivirtes Verdaminuugsurtheil 
gesprochen wird ; vielleicht hilft dasselbe dem betreffenden Autor 
zu einor Art von herostratischer Berühmtheit; jedenfalls wäre ihm 
zuzurufen: ,,&* taeuisses, philosophus fuisses /" 

Dresden. Im 4. Abonnements -Concert der k. musik. Capelle 
kamen unter der Leitung des Hofcapellmeisters Krebs folgende 
Werke zur Aufführung: Sinfonie (nachgelassenes Werk) von Norbert 
Burgmüller, gestorben 1836; Sinfonie No. 8 in F-dur von Beethoven, 
und die Ouvertüren zu Weber's „Beherrscher der Geister" und 
Mozart 1 s „Zauberflöto". 

Leipzig. Das 12. Gewandhausconcert brachte: Sinfonie vou 
Haydn; Concert für Violoncell von Molique, erster Satz, vorgetr. 
von Hrn. de Swort aus Düsseldorf; Ouvertüre zu Kleist's „Her- 
manusschlacht" von G. Vierling (neu, unter Direction des Com- 
ponisten); Lied ohne Worte, Mazurka, für Violoncell comp, und 
vorgetr. von nrn. de Swort; Sinfonie Nro. 1 in B-dur von Rob. 
Schumann. 

Brüssel. Hr. Samuel, dessen populäre Concerte den günstig- 
sten Fortgang nehmen, berücksichtigt in anerkennenswerther Weise 
auch die Werke der bedeutenderen jetzt lebenden Componisten 
Deutschlands. Dass sein Publikum damit einverstanden ist, beweist 
neuerdings die günstige Aufnahme, welche im Concert vom 14. d. M. 
das Adagietto und Scherzo aus der Orchestersuite von Joachim 
Raff gefunden haben; das Scherzo musste sogar auf stürmisches 
Verlangen wiederholt werden. 

Das am 24. Dez. stattgefundene Concert hatte den Saal bis in 
alle Winkel gefüllt und das Programm brachte die Orcbesterwerke : 
Mendelssohn^ sogenannte „Schottische Sinfonie 11 (Nro. 3), Andante 
commoto und Menuetto aus der 2. Orchestersuite von Fr. Lachner 
(mit grossem Beifall aufgenommen), und die Leonoren- Ouvertüre 
von Beethoven. Ausserdem wurde das zur Thronbesteigung des 
Königs Leopold II. von Fetis componirte „Saloum fac Regem" 
aufgeführt und spielte Hr. D u h e m ein Solo für Cornet ä Piston, 
eine Production, die ungeachtet der virtuosen Ausführung durch den 
genannten Künstler , doch in dem Programm eines „Concertes für 
classische Musik" übel angebracht war. 

Paris. Der Sänger Ponchard, früher der komischen Oper 
angehörig, der erste Darsteller des George Brown, ist gestorben. 
Von der Bühne schon seit einer Reihe von Jahren zurückgetreten, 
hat er jedoch seine Stelle als Gesanglehrer am Conservatorium , in 
der er eine grosse Anzahl vortrefflicher Schüler heranbildete, bis an 
sein Ende versehen. Die jetzt an der grossen Oper thätigen Sänger 
Dabadie, Obin, Faure u. A. sind aus seiner Schule horror- 



— 16 — 



gegangen. Foncbard war am 12. August 1787 in Paris geboren und 
hat demnach ein Alter von 79 Jahren erreicht. 

— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc, in Paris betrugen 
im Monat Dezember 1,891,040 Frs. 

— Das 12. populäre Goncert des Hrn. Pasdeloup brachte : 
Ouvertüre zu „Fidelio" (E-dur) von Beethoven ; vierte Sinfonie von 
Haydn; Adagio aus dem Quintett in G-moll von Mozart, ausgeführt 
von sämmtlicheu Streichinstrumenten ; Clavierconcert in G-dur von 
Beethoven, vorgetr. von Frau Wilhelmine Clauss-Szarvady; 
Ouvertüre zu „Wilhelm Teil" von Rossini. 

— Eine alte Oper: „Leonora" von Mercadante ist in der ita- 
lienischen Oper mit schwachem Erfolge wieder aufgeführt worden. 

*** In München wurden in den beiden königl. Theatern im 
vergangenen Jahre 294 Vorstellungen gegeben, und zwar 244 im 
Hof- und Nationaltheater und 50 im Residenztheater: davon gehören 
185 dem Schauspiele, 125 der Oper und 24 dem Ballete an. Unter 
den Componisten ist Mozart 15 Mal, Lortzing 12 Mal und Meyer- 
beer 11 Mal vertreten. 

*** Eine eclatvolle Scene ereignete sich Donnerstag den 28. 
Dezbr. Abends im Speisesaale des „Hotel zum Tiger" in Pesth. Man 
schreibt der „Debatte" darüber: „Die Localität war aussergewöhn- 
lieh stark besucht; unter den Anwesenden befanden sich auch einige 
Damen vom Theater. Gegen 11 Uhr erhob sich die Gesellschaft, 
um nach Hause zu gehen; dieser Gesellschaft gehörte auch eine 
sehr begabte, interessante Künstlerin an, welche hier eben ein Gast- 
spiel beendete, und demnächst Mitglied des Harmonie -Theaters in 
Wien sein wird. Im Fortgehen bleibt die junge Dame neben einem 
Tische stehen und fragte den an demselben sitzenden Sohn eines 
hiesigen Hotelbesitzers erregt, ob es wahr sei, dass er sich damit 
gebrüstet, schon vor Jahren mit ihr in intimen Beziehungen gestan- 
den zu haben. Der Dame war nämlich dieses Gerücht mitgetheilt 
worden , und da sie , wie verlautet , hier zu heirathen beabsichtigt, 
konnten ihr solche Aeusserungen natürlich nicht angenehm sein. 
Der Angeredete schwieg; das erzürnte Fräulein wiederholte die Frage 
mit der Aufforderung , der junge Mann solle entweder öffentlich 
widerrufen , oder seine Aeusserung beweisen. Man kann sich die 
peinliche Verlegenheit des also Interpellirten denken. Er schwieg 
beharrlich. Nochmals fragte die Künstlerin mit vor Erregung stei- 
gender Stimme , und als auch jetzt eine Antwort nicht erfolgte, 
schallte es mit einem Male durch den Saal, so dass auch die der 
Scene entfernter Sitzenden kaum darüber in Zweifel sein konnten, 
wodurch das Geräusch entstanden. Die energische Dsme verliess 
hierauf den Saal. Die Scene hatte selbstverständlich grosses Auf« 
sehen hervorgerufen. 

*** Dem Director des Cölner Stadttheaters, Hrn. Ernst, ist 
von der Stadt eine jährliche Subvention von 2000 Thlr. bewilligt 
worden. 

*** D>© Sängerin Frl. San t er wird ihre bisherige Stellung au 
der k. Oper in Berlin aufgeben, da man ihre, wie man sagt, sehr 
hoch gespannten Ansprüche nicht befriedigen will. 

V* Das erste Concert der Frau Clara Schumann in Wien 
wird am 27. Januar stattfinden. Das zweite Concert des Pianisten 
Smetansky daselbst ist auf den 3. Februar festgesetzt. 

*** Die Direction des Salzburger Theaters ist dem bisherigen 
Director, Hrn. Kotzky, neuerdings auf sechs Jahre verliehen worden. 

V Frl. von Edelsberg hat ihr Debüt an der Berliner Oper 
als Angelika in Auber's „schwarzer Domino" und als Orpheus in 
Gluch's gleichnamiger Oper fortgesetzt und besonders in letzter 
Rolle ungetheilten Beifall errungen. Das Publikum folgte der vor- 
trefflichen Leistung mit stets wachsender Theilnahme und lohnte 
dieselbe durch wiederholte Hervorrufe. 

%* Der Kaiser von Oesterreich hatderWittwe des ungarischen 
Componisten Csassar eine Jahrespension von 300 fl. bewilligt. 

*** Der Gesanglehrer und zweite Dirigent des Domchors in Berlin, 
Hr. Kotzolt hat das Prädicat „Musäkdirector" verliehen erhalten. 

*** Mau hat in den Archiven der belgischen Provinz Brabant, 
in einem Register der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts den Namen 
eines Walter Beethoven gefunden. Vor einigen Jahren wurde 
die Spur der directen Vorfahren Ludwigs in einem Dorfe in der 
Nähe von Löwen entdeckt, wo im Anfange des 17. Jahrhunderts 
die Familie gelebt hat. 

%* Kammermusikus F ü r a t e n a u in Dresden hat für seine 



historischen Arbeiten vom Kaiser von Oesterreich eine goldene Me- 
daille mit dem kaiserlichen Bildnisse erhalten. 

%* In Hannover ist „Hans Helling" neueinstudirt , mit Hrn. 
Stägeraann in der Titelrolle mit bestem Erfolge gegeben worden. 

*** Am 14. Januar ist die „Afrikanerin" in Mannheim zum 
erstenmale gegeben worden und zwar in einer so tadellosen Weise, 
wie sie kaum irgendwo wieder bei der ersten Vorführung zu Stande 
kommen dürfte. Die äussere Ausstattung war glänzend und ge- 
schmackvoll, der Erfolg ein bedeutender. 

*** Das Vermögen des Wiener Vereins für dürftige Tonkünstler 
hat sich durch ein Vermächtniss auf das Doppelte erhöht und be- 
trägt jetzt über 50,000 fl. 

*** Der Tenorist G a r s 6 , früher in Cassel engagirt , macht 
gegenwärtig viel Glück in Riga. 

*** A b b 6 Liszt geht nächsten März nach Paris, um längere 
Zeit dort zu verweilen. Während seines Aufenthaltes daselbst sollen 
die Graner Messe und mehrere sinfonische Corapositionen des Meisters 
unter seiner eigenen Leitung zur Aufführung kommen. 

*** Die in diesen Blättern schon mehrfach rühmlichst erwähnte 
jugendliche Pianistin Frl. Mehlig aus Stuttgart hat jüngst auch 
in Dresden in einer von ihr veranstalteten Soiree musicale den ihr 
vorausgegangenen Ruf vollständig gerechtfertigt. 

*** Dr. Hans von Bülow ist nach München abgereist. 

*** Bei V. von Zabern in Mainz erscheint: „Das Tonreicb 
und seine physikalischen Gesetze, eine Darstellung der Musikappa- 
rate und Tonsysteme aller Völker der alten und neuen Welt," von 
Heinrich Welcker, grossh. hessischem Hofpianoforte verfertiger, 
in 10 Lieferungen ä 1 Thlr., nebst einem Atlas von 514 Abbildungen. 

*** In Berlin kam im 6. Sinfonieconcert Vincenz Lach- 
ner 's „Demetrius"- Ouvertüre mit entschiedenem Erfolge zur Auf- 
führung. 

*** Der junge Carl Patti, Bruder der beiden Sängerinnen, 
welcher während einiger Zeit in Brüssel bei dem berühmten Pro- 
fessor Leonard Violinunterricht genommen hat, ist jetzt in Paris 
und will sich dort hören lassen. 

*** Es soll die Idee aufgetaucht sein , aus den abgestrichenen 
Nummern der „Afrikanerin ," deren Zahl etwa 40 betragen mag, 
eine neue Oper zureebt zu stutzen, und hätte sich bereits ein Dich- 
ter zur Verfertigung eines passenden Libretto's erboten. 

*** Frau Lemraens-Sherington ist für die italienische 
Oper in Madrid engagirt worden. 

*** 1« Brüssel hat der Opernchor wegen zu geringer Bezahlung 
Strike gemacht und ist aus der Vorstellung der „Afrikanerin" weg- 
gelaufen, so dass man mit Mühe noch aus benachbarten Gastwirth- 
schaften etwa 10— 12 Choristen zusammenholte und zur weiteren 
Thätigkeit beredete, um wenigstens die Vorstellung zu Ende führen 
au können. 

*** Die vor Jahresfrist abgebrannten Theater in London (Surrey- 
Theater) und in Edinburg sind bereits wieder aufgebaut und eröffnet. 

*** Von Franz Liszt sind zwei neue Corapositionen für 
Ciavier allein erschienen , unter der seltsamen Betitlung : „Franz 
von Assisi's Vogelpredigt" und „Franz von Paula auf den Wogen 
schreitend." 

*** G o u n o d's Oper „Mireille" ist am 28. December in Mar- 
seille aufgeführt worden unter grossem Andrang des Publikums, doch 
ist der Erfolg lange nicht mit dem des „Faust" zu vergleichen. 

*** Frl. Baraldi dell' Ära vom Scalatheater in Mailand 
hat in Dresden eine musikalische Soiree gegeben , in welcher sie 
mehrere Arien aus italienischen Opern vortrug, ohne sich jedoch 
eines grossen Erfolges zu erfreuen. 

*** Die bekannte Concertsängerin Frl. von Tiefensee hat 
am Teatro Ristori in Verona, wie man uns schreibt und mit Zei- 
tungsstimmen belegt, ein erfolgreiches Engagement gefunden. Die 
Veroneser sind namentlich über ihre Leistung als Vestalin in der 
gleichnamigen Oper von Mercadante entzückt. Bis Mitte Dezember 
war sie vierzehnmal in dieser Rolle aufgetreten. Im zweiten und 
dritten Acte pflegt sie dann und wann die Variationen von Rode 
einzulegen. 

V Der Pariser Sänger F a u r e hat vom Sultan den Medschidje- 
Orden erhalten. 



Vertmtw. Red. Ed. Fächer er. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



jw* &. 



29. Januar 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
} lungen. 



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* 



von 



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1*1.2. 42kr.,0d.Th.UI8Sg. 
»■ I für den Jahrgang. 

B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. j im u. Post b^g» : 

^ 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. jU~~™~ ^ 



INHALT: Die Wahl der Tonart. — Correspondenzen : Mainz. Frankfurt. Mannheim. — Nachrichten. 



Hie Wahl der Tonart. *) 



Obgleich durch die Einführung der gleichschwebenden Tempe- 
ratur die tonalen Unterschiede der einzelnen Tonarten unter sich 
ausgeglichen sind, ist die Wahl der Tonart für die Ausführung be- 
stimmter Tonstücke doch noch nicht gleichgiltig geworden. Zunächst 
wird diese Wahl durch die besonderen Organe bedingt, welche das 
betreffende Tonstück ausführen sollen. Der Umfang der einzelnen 
Singstimmen ist ziemlich genau begrenzt und innerhalb desselben 
sind wieder die wirksameren Register von den unwirksameren ziem- 
lich bestimmt geschieden, Auch die bestgeschulten Sänger werden 
über die Töne der bequemen Register ihrer Stimme mit grösserer 
Leichtigkeit verfügen als über die von Natur weniger bequemen. 
Hiernach muss sich natürlich auch die Wahl der Tonart richten. 
Es müssen diejenigen gewählt werden, welche der Stimme den wei- 
testen Gebrauch der ihr bequemsten Töne gewähren. Dem Bass 
werden beispielsweise die Tonarten B — ff — C — Cis- und D-dur 
und moll bequemer in authentischer Führung, von Tonica zu Tonica 
sein ; die anderen dagegen in plagalischer, von Dominant zu Domi- 
nant. Dasselbe gilt im Allgemeinen auch vom Alt, und bei dem 
Tenor und dem Sopran dürfte das Verhältniss umgekehrt sein. Dass 
einzelne Blasinstrumente sich gewisser Tonarten ganz enthalten 
müssen, darf ebenfalls als bekannt vorausgesetzt werden. Aus dieser 
eigentümlichen Stellung der einzelnen ausführenden Organe schon 
geht folgerecht auch eine gewisse Characteristik der ein- 
zelnen Tonarten hervor. Diese ist in weiterem Umfange, obwohl 
durch die Praxis hinlänglich bewiesen, doch von der Theorie häufig 
abgeläugnet worden. Seit Einführung des modernen Tonsystems 
und der sogenannten gleichschwebenden Temperatur hält man eben 
alle Unterschiede der einzelnen Tonarten bis auf die, welche durch 
die ausführenden Organe erzeugt werden , für verwischt. Dass die 
letztern nicht so gering sind , ergibt die einfachste Untersuchung. 
Die nachstehend verzeichneten , ganz gleichmässig construirten und 
bis auf die letzten beiden auch gleichmässig an den Singstimmmen 
vertheilten Accorde machen," nicht nur in Beziehung zu einander 
gebracht, Bondern für sich betrachtet, eine verschiedene Wirkung: 




Tenor. »c\-^_ 
Bass. I 5/t — 



Es bedarf keines weiteren Nachweises, wie durch die eigenthümliche 
Lage der beiden Männerstimmen namentlich die ganz gleich con- 
struirten Dreiklänge a, b c, d in der Wirkung unterschieden sein 
müssen und dass, weil wie unter e und f dargethan ist, in einzelnen 
Tonarten die weite Harmonie vorherrschend sein muss, auch diese 

*) Der „Neuen Berliner Musikzeitung" wegen des allgemeinen In- 
teresses dieses vielbesprochenen Thema's entnommen. D. Red. 



Tonarten ein von den anderen wesentlich verschiedenes Klanggepräge 
gewinnen müssen. Dieser mehr relative Gharacter der Tonarten 
wird auch von den Gegnern nicht ganz abgeläugnet, wohl aber der 
absolute , und wir meinen , mit Unrecht. Es ist aber nicht nur 
Rücksicht auf die ausübenden Organe, welche die F-dur-Tonart bei 
den Contrapunktisten des sechszehnten Jahrhunderts zur vorwiegend 
gepflegten Lieblingstonart machte, oder welche Beethoven bestimmte, 
die Eroica in Es-dur, die Pastorale in A-dur zu schreiben und die 
ihn für seine neunte Sinfonie, oder die Mozart für sein Requiem 
und für die erschütterndste Scene im „Don Juan" die D-moll-Tonart 
wählen Hessen. Vor allem aber liefert die moderne Clavierliteratur 
den schlagendenslen Beweis dafür, dass in den Tondichtern ein Ge- 
fühl für die feinste Characteristik der Tonarten lebt. Aus den 
Werken der sogenannten Romantiker scheinen die einfachen, näher 
auf die Normaltonleiter bezogenen Tonarten (G — F- und D-dur 
E- und A-moll), wie die Normaltonart selbst, fast verdrängt; min- 
destens finden wir jene entfernteren, auf die Halbtöne cis des, es, 
fis und ffes, as und b begründeten Dur- und Moll - Tonarten weit 
häufiger angewendet als jene, und dies bei einem „wohltemperirteu" 
Instrumente. Wie schwer der wissenschaftliche Nachweis für diese 
Erscheinung zu führen ist, wird hinlänglich dadurch bewiesen, dass 
selbst die Physiologie uud Akustik, welche die Tonemp findung 
zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung machen, jene Frage 
noch als eine offeue behandeln. Um so mehr scheint es geboten, 
dieselbe immer wieder neu aufzuwerfen, und die Möglichkeit der 
Beantwortung zu versuchen oder doch zu fördern. Uns erscheint 
es zuuächst ganz unzweifelhaft, dass die verschiedene Tonhöhe 
der Tonleitern und der Accorde bei sonst gleicher Construction, auch 
für sich betrachtet, eine erkennbare wie künstlerisch durchaus ver- 
wendbare Verschiedenheit der Wirkung erzeugt. Für unser Empfin- 
den hat der D-dur- Dreiklang und die durch ihn bedingte Tonart 
ein weit helleres Gepräge als der tiefere C-dur-Dreiklang; und ein 
Tonstück in D-dur ausgeführt, muss im Klange sich von der Aus- 
führung in C-dur, bei ganz unveränderten inneren Verhältnissen, 
ebenso unterscheiden , wie der einzelne Ton c von dem Tone d. 
Die Versetzung eines Toustückes um eine Stufe höher muss not- 
wendig auch die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen, wie die 
Versetzung nach einer tieferen Stufe. Dass aber dieser Steigerungs- 
oder Abschwäcbungsprozess nicht in dieser Weise gleichmässig fort- 
geht, hat unserer Ansicht nach seinen Grund in der nähern oder 
weitern Beziehung der Töne der Normaltonart uuter sich , wie zur 
chromatischen Tonleiter. Die Töne der Tonleiter sind unter sich 
durchaus nicht indifferent, sondern sie treten in nähere oder weitere 
Beziehung zu einander, und diese muss sich bei ganz gleicher Con- 
struction auch auf die über ihnen erbauten Tonleitern erstrecken, 
so dass, wie die Terz e dem Grundton c näher verwandt ist als die 
Secunde d, auch die auf jener erbaute E-dur-Tonart der C-dur-Ton- 
art im Klange näher verwandt ist als die D-dur- Tonart, obgleich 
jene wiederum höher ist als diese. Dem entsprechend gewinnen wir 
in der, in der Tonleiter folgenden F-dur-Tonart sogar eine Vertiefung 
der Grundatimmung. Wir müssen immer wiederholen, dass wir die 



18 — 



ganz gleiche Construction voraussetzen. Denn die E-dur-Tonart in 
den tieferen Lagen verwendet, gewinnt natürlich ein viel weicheres 
Colorit als die C-dur-Tonart in den höheren Lagen ausgeprägt, und 
die F- dur -Tonart wird in ihren höheren Lagen festlicher klingen 
als die drei erwähnten Tonarten in ihren unteren Regionen. Die 
weitere Characteristik der Tonarten, wie die G-dur- Tonart den 
hellen, aber mild plagalischen Character der Dominant gewinnt, der 
sich in der A-dur-Tonart so steigert, wie der Character der C-dur- 
Tonart in der D-dur-Tonart und wie endlich die H-dur-Tonart ein, 
wir möchten sagen, spitzes Colorit des Leittons gewinnt, ist nach 
alledem leicht ersichtlich. Wie uns ferner die chromatischen Halb- 
töne als Trübungen oder auch als Steigerungen der diatonischen 
Töne erscheinen, so empfinden wir die Des-dur-Tonart wie die Es- 
und Ges- und As - dur - Tonart in ihrem Klange getrübt, gegen die 
erwähnten Normaltonarten. Die Des-dur-Tonart erscheint uns ver- 
hüllter als die D-dur-Tonart; die Es-dur-Tonart nicht schreiend und 
schwankend wie die E-dur-Tonart, sondern mehr energisch festlich, 
und Ges- und As-dur wiederum verhüllter im Klange als die G- und 
A-dur-Tonart. Wie die chromatischen Töne zwischen den diatoni- 
schen liegen, so die auf auf ihnen erbauten Tonarten ihrer Klang- 
farbe nach. Für die Ausprägung des specifischen Characters wird, 
-wie erwähnt, die besondere Behandlung der Tonart wesentlich be- 
stimmend und so erscheint es allerdings thöricht, diese Characte- 
ristik anders als in allgemeinster Weise zu fassen. Sie bestimmt 
in Worte zu bringen, wie das eine Reibe Theoretiker bis auf Marx 
versucht haben , erscheint durchaus unzulässig. Aber dem Compo- 
nisten erwachsen in ihr nicht zu unterschätzende Darstellungsmittel, 
namentlich auch dadurch, dass einzelne Tonarten zu ihrer reicheren 
Ausstattung gern entferntere, andere dagegen gern näher verwandte 
aufnehmen. Die unterscheidende Wirkung der Moll -Tonarten von 
den Dur-Tonarten ist hinlänglich bekannt. Im Uebrigen entspricht 
die Characteristik der Moll -Tonarten unter sich dem bei den Dur- 
Tonarten Erörterten. Nur kommt hierbei auch noch neben der 
jedesmaligen Stellung innerhalb der Tonleiter der Character der 
parallelen Dur-Tonart in Betracht. A. Reissmann, 



CO^RESPONDENZEN. 



Aus Main k» 

25. Jinnar. 

Gestern Abend fand im hiesigen Stadttheater ein Concert der 
Ullmann'schen Künstlergesellschaft, bestehend aus Frl. C a r 1 o £t a 
Patti und den HH. Roger, L.Brassin (Pianist) und J. Des wert 
(Violoncellist) statt. Das Haus war in allen Räumen gefüllt, ob- 
gleich an demselben Abend ein Ball im grossen Casino zum Guten- 
berg und überdiess eines der hier so beliebten Concerte der öster- 
reichischen Militärmusik im Narrhallasaal stattfanden, und Ulimann 
mit Frl. Patti nun bereits zum drittenmale hier concertirte. Das 
früher angekündigte Programm dieses Concertes enthielt auch den 
Namen des treulichen Vieu xtemps, und es ist uns nicht bekannt 
geworden, aus welchen Gründen wir auf den Genuss ihn wieder 
einmal zu hören verzichten mussten. Sollte er das einförmige, auf 
die Dauer wohl gar geistlähmeude Nomadenleben unter Ullmann's 
Führuag müde geworden sein ? Zu verwundern wäre dies gewiss 
nicht. Trotz alledem muss man dem rührigen Impresario die Ge- 
rechtigkeit widerfahren lassen, dass er es versteht, sein Künstler- 
contingent stets in interessanter Weise neu zu recrutiren und somit 
auch seinem wiederholten Erscheinen in ein und derselben Stadt 
mit der in ihrer Art unvergleichlichen Carlotta Patti immer wieder 
neuen Reiz und unverminderte Zugkraft zu verleihen. 

Eine ganz neue und zwar eine recht erfreuliche Erscheinung 
war Hr. Des wert, ein Violoncellist mit ungewöhnlichen Vorzügen 
ausgestattet , als da sind : ein schöner, edler, und wenn auch nicht 
auffallend starker, doch saftiger und markvoller Ton, eiue vollendete 
Technik (er besitzt besonders ein ausgezeichnetes Staccato), tadel- 
lose Reinheit der Intonation und ein geschmackvoller Vortrag. Von 
letzterem gab gleich zu Anfang des Concertes die Ausführung der 
Beethoven'schen A- dur -Sonate für Pianoforte und Violoncell mit 
Hrn. Brassin Zeugniss. Die beiden Künstler brachten das interes- 



sante Werk in einer Weise zu Gehör, wie wir es noch selten vor» 
tragen hörten, und hatten gleichen Anspruch auf den ihrer schönen 
Leistung gespendeten reichlichen Beifall. Hr. Deswert spielte ausser- 
dem noch ein Andante und Rondo von Molique und hatte dabei 
Gelegenheit, im Cantabile wie in Ueberwinduug der grössten tech- 
nischen Schwierigkeiten sich als Meister zu bewähren. 

Roger sang den „Erlkönig" von Schubert, „Grüss euch, liebe 
Vögelein" von Gumbert und die Soldatenarie des George Brown aus 
der „weissen Dame". Ja, Roger! Das ist nun wieder so ein 
kitzlicher Fall, wo die grimmige Pflicht des Recensenten in argen 
Conflict kommt mit seinem an und für sich guten Herzen. Nicht 
als ob Roger nicht mehr derselbe liebenswürdige Sänger wäre , als 
welcher er so viele Jahre lang die Welt entzückte durch die unver- 
gleichliche Grazie seines Vortrags, durch seine vollendete Gesangs- 
bildung und durch seine meisterhafte Auffassungsgabe , — dies 
Alles besitzt er noch wie früher, aber — ultra posse kann eben 
Keiner hinaus, und das posse hat doch sehr stark abgenommen, 
wenn auch das Wissen und das Wollen noch immer dasselbe ge- 
blieben ist. Trotz der nur zu merklichen Abnahme seiner natür- 
lichen Mittel hat aber Roger, und das muss constatirt werden, den- 
noch vom Publikum , das ihn schon bei seinem ersten Erscheinen 
lebhaft begrüsste, die rauschendsten Beifallsbezeugungen und mehr- 
fach wiederholten Hervorruf geerndtet. Dass man den Meistersänger 
zur Wiederholung der Soldatenarie zwang , erschien uns geradezu 
grausam, und dass Roger wirklich wenigstens die zweite Hälfte der 
Arie wiederholte , war ein seltener Beweis eines liebenswürdigen 
Entgegenkommens. 

Ueber Hrn. Brassin haben wir schon bei Gelegenheit seines 
Auftretens dahier (ebenfalls in Gesellschaft der Frl. Patti) unsere 
vollkommen günstige Meinung ausgesprochen, die wir nach seinen 
diesmaligen Leistungen sowohl im Vortrage der Beethoven'schen 
Sonate, wie seiner eigenen Compositionen , hiermit neuerdings be- 
stätigen wollen. Auch über Frl. Patti bleibt uns nichts übrig, 
als auf uuser schon zweimal in diesen Blättern über sie abgegebenes 
Urtheil zu verweisen und hinzuzufügen , dass sie diesmal mit der 
ihr einzig eigenen Virtuosität eine Arie aus Verdi's „Traviata," ein 
für sie eigens componirtes Lied, „die Nachtigall" von Muzio und 
Bravour- Variationen Von Proch vortrug, dass sie lebhaft empfangen, 
nach jedem Auftreten mehrmals gerufen wurde und am Schlüsse 
noch das von ihr mit so hinreissender Meisterschaft gesungene 
„Lachlied" zum Besten gab. E. F. 



Aus Frankfurt a/M. 



Im dritten Concert des Museums wurden aufgeführt: Bruchstücke 
aus Fr. Schubert's Sinfonien; das Es - dur - Concert von Beethoven; 
Ouvertüre zu „Cansemire" vonFesca; dazwischen Ciavierstücke von 
Frau Schumann und Gesänge von Hrn. Haus er aus Carlsruhe. 
Die Zusammenstellung der Schubert'schen Bruchstücke rührt 
von einem Wiener Concert -Unternehmer her, der glaubte, seinen 
Landsleuten auf diese Art Schubert geniessbarer zu machen. In 
wenig ingeniöser Weise hat er das Fremdartigste zusammengestellt: 
nicht blos Stücke von verschiedenen Tonarten, sondern auch von 
gänzlich verschiedenem Character. Es waren die zwei ersten Haupt- 
stücke aus der fünften, der tragischen Sinfonie (C-moll, comp. 1816), 
das dritte Hauptstück (Scherzo) aus der sechsten (C-dur, comp. 1818) 
und das Schlussstück aus der vierten (D-dur, comp. 1815). Die zwei 
ersten und das dritte Stück würden, weil in gleicher Tonart (C-moll 
und C-dur, noch zu einander passen ; das vierte beeinträchtigt schon 
durch die ganz fremde Tonart (D-dur) die Grundstimmung, als Schluss 
eines heiteren Werkes zerstört es aber den ganzen Eindruck, wel- 
chen der Beginn einer tragischen Sinfonie hervorrufen musste. 

Genau dieses Wiener Programm hat das Frankfurter Museum 
bei seiner Aufführung copirt. Die beiden ersten Stücke erinnern an 
ihre Vorbilder, die Es-dur- und die C-moll-Sinfonie von Beethoven. 
Das Andante stellt ähnliche Empfindungen dar, wie in dem Trauer- 
marsch der Helden-Sinfonie. Auch das dritte Hauptstück (Scherzo) 
lässt in seinem elastischen Schwung und dem drastischen, kecken 
Humor den Nachfolger Beethoven's erkennen, während das vierte 
in seiner Beweglichkeit und Flüssigkeit mehr an Mozart's Weise 



- 19 - 



gemahnt. Sieht man von dem idealen Zusammenhang ab, so muss 
man sagen, die Stücke waren in ihrer Art characteristisch und tech- 
nisch tadellos ausgeführt. Die Zuhörer nahmen sie mit grösserem 
oder geringerem Beifall auf; am meisten schien das zweite und 
vierte Stück zu gefallen. 

Von dem übrigen Theile des Concertes erwähne ich nur das 
Zusammenspiel von Frau Schumann und Hrn. Hauser aus Carlsruhe. 
Hr. Hauser sang die „Frühlingsnacht" von R. Schumann , jenes 
wunderbare Lied voll blühender Pracht; Frau Schumann spielte die 
Clavierstimme. Sie führten es mit übei massiger Schnelligkeit auf; 
es war aber ein Erguss der innigsten, edelsten Hingebung. 

Im vierten Concert kamen die 7. Sinfonie (A-dur) von Beethoven, 
ein Concert von Rubinstein und die Ouvertüre zur „Fingalshöhle" 
von Mendelssohn zur Aufführung. Die A-dur-Sinfönie von Beethoven 
ist eine seiner populärsten ; sie ist am leichtesten darstellbar und 
am verständlichsten. Das zweite und dritte Hauptstück werden hier 
immer gegen die Beethoven'scbe Vorschrift gespielt. Das zweite hat 
Beethoven „Allegretto" überschrieben, und hier spielt man's wie 
einen Trauermarsch, Das dritte ist bezeichnet „Presto ,'* und im 
Trio „Presto meno assai iC . Presto heisst nichts anderes als „ ge- 
drängt, hastig," meno presto also „weniger hastig". Hier spielt 
man das presto immer citissime und das meno presto in sehr be- 
haglicher Langsamkeit. Das ist gegen den Buchstaben wie gegen 
den Geist. Denn wenn nach der Raserei auch eine völlige Ruhe 
gerechtfertigt wäre, — aus der Ruhe dann (bei der Wiederholung) 
wieder in die Raserei verfallen , das könnte nur ein Rasender ! 
Beethoven hat aber nichts weniger als einen solchen darstellen wollen. 
Das Stück ist weiter nichts als ein Bauerntanz; das Trio ist eine 
Art feierlichen Aufzug, wie ihn die Bauern sehr häufig zwischen dem 
Tanz machen. Der Walzer-Tact geht fast in derselben Schnelligkeit 
fort; die Accente bezeichnen die Schritte, in denen die Tanzenden 
halb wiegend und tanzend einherziehen. Die Prüderie, die sich vor 
einem Bauerntanz scheut, sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht! 

Das Concertstück von Rubinstein ist ein formloses Werk. Da 
ist keine Spur von Melodie , d. h. der einen singenden Menschen 
•characterisirenden Weise, keine Durchführung einer solchen Melodie- 
artigen Form, keine Gruppirung von Sätzen, kurz gar nichts, was 
nur äusserlich an ein Kunstwerk erinnerte. Dass man solche Sachen 
-aufführt, beweist, wie planlos man bei der Auswahl der Stücke zu 
Werke geht. Hr. Cossmann aus Weimar spielte das Concert ; 
dass er nicht völlig damit durchfiel , verdankt er dem guten Ruf, 
den er hier geniesst. 

Im fünften Concert wurde gebracht: die 1. Sinfonie (Op. 38, 
B-dur) von Schumann ; das G-dur-Concert von Beethoven , und die 
Ouvertüre zu „Waldmeisters Brautfahrt" von Goltermann. Die Sin- 
fonie stammt aus Schumann's glücklichster Zeit; er schrieb sie 1841, 
ein Jahr nach der Vermählung mit der trefflichen Frau, die wir in 
ihrer ewigen Jugendfrische stets bewundern. Alles Liebesglück, 
was er in seinen Liedern aus damaliger Zeit („Frauenliebe und Lehen," 
„Myrthen," Liederkreis von Eichendorf u. A.) ausgesprochen, das 
jubelt aus dieser Sinfonie. Das braust und sprudelt, strömt und 
quillt; das kann nicht mehr sprechen, das kann nicht mehr singen, 
hervor muss es auf Einmal. Ueberglücklich , dass ist der Sinn des 
ersten Hauptstücks. Im zweiten kommt die innige, schwärmerische 
Ruhe; eine ahnungsvolle Freude, wie in der „Fremde," in der „Mond- 
nacht" und verwandten Liedern durchzieht das Stück. Aus der 
Ruhe drängt's wieder hinaus (drittes Hauptstück); als wäre das Leben 
nur zur Freude da, so geht's in wildem Taumel fort und fort. — 
Im Schluss erst, tritt der reflectirende Künstler hervor, der nicht 
seine Freuden, seine Schmerzen, sondern das Schicksal der Anderen 
an sich vorüberziehen lässt. 

Technisch betrachtet, ist sie ein ausserordentlicher Fortschritt 
gegen seine früheren Instrumental-Werke. Die Melodie ist einfacher 
gebildet, die lang gewundenen oder barock abgebrochenen Phrasen 
sind vermieden, die Harmonie ist natürlicher, die Satztheile und 
Gruppen ebenmässiger geordnet. Was noch fehlt, ist das höhere 
Kunstbewusstsein über Melodie-Bildung, Modulation und Gruppirung, 
das wir bei Beethoven finden. Die Haupt-Melodie des ersten Haupt- 
stückes tritt in zwei Hälften auf, einer auf- und einer absteigenden. 
Jene kommt mit dem ganzen Chor, diese nur von den Geigen; jene 
geht in breiten Stufen, diese in trippelndem Schritt. Das sind schon 
Gegensätze , die ans Komische streifen. Humor läge darin , wenn 



die Weisen nur selten aufträten; aber die erste v^rd zum Ermüden 
gehetzt, die zweite kommt nur spärlich dazwischen, sie kann dem 
Colossalen gegenüber gar nicht mehr wirken. Die Modulationen in 
anderen Harmonien sind immer richtig ; aber nach der dritten Ton- 
art kommt er wieder auf die erste zurück, anstatt immer weiter zu 
entwickeln. Im ersten Theil sind die drei Sätze ebenmässig, im 
zweiten aber nicht. In der Einleitung fehlt der Mittelsatz, der die 
Ruhe von der fortwährenden Aufregung brächte, gänzlich; der ganze 
zweite Theil geht desshalb in ewiger Rastlosigkeit mit ermüdender 
Wirkung an uns vorüber. Theilweise neue und schöne Erfindungen 
hat Schumann im Rythmus gemacht, besonders in verschiedenen Arten 
von Syncopen. Darin wetteifert er selbst mit Beethoven, Das Werk 
tritt nach seiner ganzen Erscheinung, nach Idee und Form als ein 
äusserst interessantes auf. Kunstfreunden ist es zum Studium ange- 
legentlichst zu empfehlen. 

Das G - dur - Concert von Beethoven spielte Frau Szarvady. 
Im dritten Concert wollte sie schon auftreten, da wurde sie unwohl, 
und Frau Schumann trat für sie ein. Die Einen bedauerten, die 
Anderen begrüssten den Tausch. Man muss die Künstlerinnen in 
ihrer Eigenart erfassen , dann wird man für beide Interesse finden. 
Frau Schumann ist in ihrem Spiel grossartig, voll tiefer Leidenschaft, 
ein ernster , männlicher Zug geht durch jede Darstellung. Frau 
Szarvady ist fein, zierlich; nicht die Macht der Leidenschaft, aber 
das Anmuthige, Liebliche ist's, was an ihr Spiel fesselt. Das Es- 
dur-Concert passt desshalb mehr für Frau Schumann, das in G-dur 
mehr für Frau Szarvady. — Hr. Bachmann aus Cassel sang zwei 
Arien, aus „Joseph" von Mehul und aus Gluck's „Iphigenia in Tauris.* 
Er hat eine prächtige Stimme, nur Schade, dass er durch eine un- 
glückliche Lehrweise oder Ueberanstrengung die hohe Lage schon 
beschädigt bat. Goltermann' s Ouvertüre zu „Waldmeisters 
Brautfahrt" ist ein anmuthiges Werk, das leicht fliessend an uns 
vorüberzieht. 

Im sechsten Concert kam eine Suite (F-dur) von H. Esser, das 
IX. Violinconcert von Spohr, die Ouvertüre zu „Coriolan" von Beet- 
hoven u. A. zur Aufführung. Die Suite von Esser ist dessen 70. Werk. 
Sie besteht aus fünf Hauptstücken. Das erste, Introduction (F-dur), 
iBt für eine blosse Einleitung zu lang, für das Hauptstück eines 
sinfonischen Werkes fehlen ihm aber die charakteristischen Weisen, 
wie die Gegensätze. Dagegen das zweite Hauptstück , Andante 
pensieroso, ist klar und bestimmt gezeichnet, die Gegensätze in 
D-moll und F-dur klar von einander gestellt. Das dritte Hauptstück, 
Scherzo (D-moll), bringt dieselbe Weise wie im vorhergehenden 
Stück in veränderter Bewegung. Hier ist der Componist durchaus 
correct; überall ebenmässige Gegen-Bewegung der Stimmen (Contra- 
puukt), wohlthuender Wechsel im Rythmus und richtige Folge der 
Tonarten. Kur die enge Form der Weisen unterscheidet dieses von 
den Werken unserer grossen Meister. In lieblicher, anmuthiger Weise 
geht das vierte Hauptstück, Allegretto grazioso (A-dur). Fein 
zierlich , wie im vorhergehenden , Bind auch hier die Formen zuge- 
schnitten. Ganz unerwartet pathetisch beginnt dann das Schlussstück 
(F-dur), erst Tempo dt Menuetto, dann Allegro vivace. Wegen 
seines Aufschwungs im Anfang, im Gegensatz zu den kleinere For- 
men im Vorhergehenden, macht es den bedeutendsten Eindruck. — 
Die Aufführung im Museum war durchaus gut; Hr. Müller hat 
für die feine, zierliche Arbeit mehr Sinn als für das Grosse, Pathe- 
tische. Das Werk macht einen sehr guten Eindruck; die Zuhörer 
nahmen es mit lebhaftem Beifall auf. 

Hr. Grün aus Pesth spielte die Violin-Stücke. Er spielt fein, 
zart und eifert sichtlich Joachim nach, Diesem kommt er auch 
sehr nahe, bis auf den Punkt, wo es gilt, eine grosse Inspiration 
des Augenblickes zu zeigen — da zeigt sich der Unterschied. — 
Frl. Eggeling aus Braunschweig sang eine Arie und ein paar 
Lieder. Grossen Beifall fand sie in den kleinen humoristischen 
Liedern von Rheinthaler und Abt. 

Wie ein Donnerwetter schlug in dieses idyllische Getreibe die 
„Coriolan"-Ouvertüre. Sie ist aus dem gröbsten Granit gehauen, 
den Beethoven je verarbeitete. Sie stammt aus dem Wiuter 1806 — 7, 
ward dann als 62. Werk herausgegeben. Beethoven schrieb sie zu 
dem Trauerspiel von Kollin. Marx nennt sie eine Schilderung 
des Zornes; eine Darstellung des starrsinnigen Aristokraten, der 
allein der allgemeinen Empörung Trotz zu bieten wagt und darum, 
sich selbst vernichtend, untergeht. So oft das Werk vorgeführt wirct 



- 20 - 



macht es einen ungeheuren Eindruck; awei Stunden voll musikali- 
scher Quälerei kann man bei den ersten Schlägen vergessen. 

Heinrich Becker. 



n » d » 



Ans Mannheim« 



Während der nun verflossenen ersten Hälfte der diesjährigen 
Wintersaison hat, durch die verschiedenenCorporationen herbeigeführt, 
eine Reihe von Concert- Aufführungen stattgefunden, welche vieles 
Interessante, theilweise hier noch nicht Gehörtes enthielten. In der 
ersten Academie des Hoftheaterorchesters kamen folgende Musik- 
stücke vor : Vierte Sinfonie (B-dur) von Niels Gade (zum erstenmal) ; 
Gesangsvorträge des damals zum Gastspiel in der Oper hier anwe- 
senden Frl. von Edelsberg: Arie (E-dur) aus „Cosi fan tutfe,' 
„der Wanderer" und „Erlkönig" von F. Schubert; Ciaviervorträge 
von Hrn. E. Mertke: Grosse Fantasie für Ciavier von Fr. Schu- 
bert, instrumentirt von Liszt, Präludium von S. Bach, „1a Gondola" 
von Henselt und „Etüde" von Rubinsteiu; zum Schluss die Ouver- 
türe zur Oper „Cantemire" von Fesca. Die Sinfonie von N. Gade 
machte durch ihren freundlichen Character und ihre frischen, mit 
Ungezwungenheit durchgeführten Motive, sowie durch geschmackvolle 
Instrumentirung einen äusserst freundlichen Eindruck, und erwarb 
sich die allgemeinste Anerkennung. — Frl. von Edelsberg, welche 
schon durch ihre Gastdarstellungen in der Oper , als Rosine im 
„Barbier" und als Margarete in Gounod's „Faust", Bich auf's Vor- 
theilhafteste bekannt gemacht hatte , entfaltete in ihren Vorträgen 
ihre grandiosen Stimmmittel aufs Glänzendste, wozu die von ihr 
gewählten Gesangsstücke die reichste Gelegenheit boten. Nament- 
lich erfreute uns bei ihrem Vortrag des „Erlkönig" die von ihr be- 
obachtete Mässigung im Dramatisiren , welche von manchen Sänge- 
rinnen grössten Renommees eben nicht zu rühmen ist. - Hr. E. Mertke, 
welcher hier zum erstenmale auftrat , zeigte sich als Clavierspieler 
von eminenter Technik, welche ganz besonders durch seinen Vortrag 
der Etüde von Rubinstein, wohl einem der interessantesten Ciavier- 
werke des Coniponisten, aufs vollkommenste gewürdigt wurde. Die 
Von Liszt der Schubert'schen Fantasie oktroyirten höchst schwierigen 
Fassagen litten an Unklarheit, deren Urheber jedoch offenbar der 
Verfasser selbst ist ; auch trägt die von demselben unternommene 
Instrumentirung nicht wenig zur Erschwerung der Aufführung bei. 

Das Programm der zweiten Academie bestand aus folgenden 
Nummern: Ouvertüre zu „Melusine" von Mendelssohn ; Violinconcert 
in D-moll von David , gespielt von Hrn. Concertmeister K o n i n g ; 
Madrigale englischer Composition aus dem 16. und 17. Jahihundert; 
Adagio für die Violine von Tartini, gespielt von Hrn. Koning; zwei 
Weihnachtslieder für 6stimmigen Chor von Job. Herbeck, und zum 
Schluss Beethoven's A-dur- Sinfonie. Die schwungvolle, fein nüan- 
cirte Aufführung der letzteren übte , wie gewöhnlich , ihre electrisi- 
rende Wirkung auf die gespannt lauschenden Zuhörer aus. Das 
Clavierconcert von David wurde von Hrn. Koning mit vollendeter 
Meisterschaft und unter freudigster Anerkennung des Publikums vor- 
getragen. Eine interessante und für unsere Concerte neue Erschei- 
nung waren die von mehreren Mitgliedern der hiesigen Oper vorge- 
tragenen Madrigale, deren erstes von John Ward (1608). das zweite 
von Th. Morley (1595) und das dritte von Tb. Weelkes (1600) war. 
Während das erste derselben wegen seiner etwas zu häufigen Imiti- 
rung einzelner Motive ziemlich monoton erschien, fanden die beiden 
andern durch frischere Erfindung und freundlichere Haltung um so 
grösseren Anklang, und wir erachten es als ein Verdienst von Seiten 
des Hrn. Hofcapellmeisters V. Lachner, solche Probeu einer in 
früherer Zeit zu so grosser Bedeutung und Beliebtheit gelangten 
Compositions- Gattung dein Concert- Publikum vorgeführt zu haben. 
Die beiden Weihnachtslieder von Herbeck, welche in ährer einfachen 
Structur den freundlichsten Eindruck machten, sind jedem Gesang- 
vereine sehr zu empfehlen. 

Kurz nach der soeben besprochenen Academie erfreute uns Hr. 
Prof E. Pauer aus London, ein Liebling unseres musikalischen 
Publikums, durch die Veranstaltung eines grösseren historischen 
Concertes zum Vortheile des hiesigen Hoftheater-Orchesters, dessen 
wohlgewähltes Programm uns Musikstücke aus dem Zeitraum vou 
1685 bis auf unsere neueste Zeit vorführte, und zwar in angemesse- 
ner Abwechslung von Gesang- und Instrumentalstückeu. Wir zählen 



nach Vorgang des Programmes dieselben in chronologischer Ordnung 
auf, und führen später die Namen der Ausführenden bei. Erste 
Abtheilung: Ouvertüre von Händel (Messias); Solo -Concert für 
Pianoforte („nach italienischem Gusto") von S. Bach; „Qual ane> 
lante" (Anfang des Psalm: „Wie der Hirsch schreit nach frischem 
Wasser"), Duett für zwei Soprane von Benedetto Marcello ; Fuge in 
F-dur von Job. Ludw. Krebs (Lieblings -Schüler von J. S. Bach); 
Andante und Presto von Ph. Em. Bach ; Allegro von J. Ph. Kirn- 
berger (diese 3 Stücke für Ciavier) ; 1. Satz aus dem Violinconcert 
Nro. 22 von Viotti. — Zweite Abtheilung: Ouvertüre aus „Cosi fan 
tutte" von Mozart ; Sonate Op. 54 von Beethoven ; Arie aus Haydn*s 
„Stabat mater"', Nocturne pastorale von John Field ; Rondo 
brillant, Es-dur, von C. M. v. Weber; „Erstarrung," „Ungeduld," 
Lieder von Fr. Schubert ; „Gruss," zweistimmiges Lied von Mendels- 
sohn; „Widmung," „Sonntags am Rhein," Lieder von R. Schumann ; 
„Hexameron" grosse Concert -Variationen über ein Thema von 
Bellini, componirt von Liszt (und zwar von diesem: Einleitung 
nebst Thema, 2. Variation und Finale), Thalberg (1. Variation), 
Pixis (3. Var.), Herz (4. Var.), Czerny (5. Var.) und Chopin 
(Intermezzo). 

Es dürfte kaum zu bemerken sein, dass Hr. Pauer sämmtliche 
Ciaviervorträge übernommen hatte; derselbe zeigte sich hierbei in 
einer staunenswerthen Vielseitigkeit, vermöge welcher er dem Cha- 
racter jedes der einzelnen Stücke vollkommen gerecht zu werden 
wusste; es ist dies eine Frucht langjährigen Studiums, mit welchem 
die genauesten historischen Forschungen Hand in Hand gingen. — 
-Was nun die übrigen Vorträge betrifft, so waren ausser dem Or- 
chester in den beiden Ouvertüren und dem Violinconcert, sowie 
bei Begleitung einiger Gesangs nummern , folgende Persönlichkeiten 
betheiligt: Frl. Hentz und Frau Wlczek sangen das Duett von 
Marcello und Mendelssohn's zweistimmiges Lied ; die Arie von Haydn, 
sowie die Lieder von Schubert und Schumann Hr. Drach aus Carls- 
ruhe , ein Dilettant von seltener musikalischen Begabung und im 
Besitz einer sonoren und biegsamen Barytonstimme. Das Violin- 
concert von Viotti spielte Hr. Koning, nebst der von David. dazu 
eingelegten Cadenz ganz im Geiste des Componisten , was um so 
verdienstlicher erscheint, da Viotti einer der älteren Violincomponisten 
ist, die dem Gesichtskreis (wenn man so sagen darf) der Violinvir- 
tuosen jetziger Zeit ziemlich oder gänzlich fernliegen. Hrn. Pauer 
aber, dem Veranstalter eines so seltenen Concerts, wurde mit den 
lebhaftesten Beifalhbezeugungen zugleich auch der gebührende Dank 
von allen Seiten dargebracht, (Schluss folgt.) 



]f a e li r i e h t e ii. 



Wien. Das am 27. d.M. stattfindende Concert der Frau Clara 
Schumann bringt folgendes Programm : Sonata appassionata 
(F-moll) von Beethoven ; Präludium aus den „sechs Präludien und 
Fugen für Orgel" von S.Bach; Fantasie Op. 17 von R.Schumann; 
Caprice (E-dur, Op. 33) und „Lied ohne Worte" (C-dur) von 
Mendelssohn. 

*** Dr. Ludwig Nohl beabsichtigt noch weitere Briefe von 
musikalischen Notabilitäten herauszugeben , und fordert diejenigen, 
welche im Besitze derartiger Schriftstücke sind, auf, ihm dieselben 
gefälligst mittheilen zu wollen. 

*** Der Hofcapell - und Theater - Intendant Frhr. Gustav von 
Meyern in Coburg ist zum General -Intendanten des herzogl. 
Hoftheaters und der Hofcapelle ernannt worden. 

*** Am Neujahrstag fand in Paris die 90. Aufführung der „Afri- 
kanerin" statt mit einer Einnahme von 11,000 Frs. 

Berichtigung. In Nro. 2, Correspondenz aus Frankfurt sind 
unter den Noten-Beispielen einige Versetzungen übersehen worden. 
Der Le«er wolle nur die Notenköpfe umkehren, so dass die Striche 
nach oben kommen, dann wird es recht. Also im 2. Beispiel, S. 6 
heisst die Cello-Stimme t es | d c b_\ as | £ £ es\. Dann^ 

im 4. Beispiel S. 7 ist im 2. Tact die dritte Note der Violin-Stimme 
gleichfalls umzukehren, so dass ein b daraus wird. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



N± «. 



5. Februar 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



Diese Zeitung erscheint j eden 

MONTAG. 
Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
| hingen. 



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B. 



PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg 
für den Jahrgang. 

SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. I d«* a ie M b.*. , 



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Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



50 kr. od. 15 Sgr. perQuartal. 



INHALT: Literatur. — Correspondenzen : Mannheim. Paris. — Nachrichten. 



Literatur, 



„König Salomo"; dramatisches Oratorium nach Worten 
der heiligen Schrift von Ludwig Meinardus. 
Op. 25. Ciavier- Auszug. Bremen, bei Aug. Fr. 
C r a n z. % 

Die genannte Verlagshandlung kündigt die Herausgabe von 
drei grossen Oratorien desselben Componisten an ; von „König Salomo" 
liegt uns der Ciavierauszug vor , die beiden anderen Oratorien : 
„Gideon," Op. 24, und „Simon Petrus," Op. 23, sollen demnächst, 
und zwar vorläufig ebenfalls nur im Clavierauszuge erscheinen, in- 
dem die Verlagshandlung die betreffenden Partituren auf Subscription 
herausgeben will und zur Theilnahme mittelst Circulars einladet. 

Das Urtheil über ein Werk wie das vorliegende kann selbst- 
verständlich ohne Einsicht in die Partitur kein vollständiges , den 
ganzen Werth der Composition nach ihrer vollen Wirkung würdi- 
gendes sein. Doch ist im Ciavierauszug häufig die Instrumentation 
angedeutet, und es lässt sich immerhin über den eigentlichen musi- 
kalischen Inhalt dieses Oratoriums nach Anlage und Durchführung 
sprechen, was wir denn hiermit um so lieber thun wollen, als das- 
selbe uns als ein durchaus gediegenes, in jeder Beziehung hervor- 
ragendes Werk erscheint, das die allgemeinste Beachtung verdient 
und seinem Urheber allenthalben zur Ehre gereichen wird. 

Das Oratorium „König Salomo* besteht aus drei Theilen, wel- 
che wieder in fünf Handlungen zerfallen, nämlich: die Tempel- 
weihe, Sulamith, Moloch, Zeruja, und die Weissagung, 
welcher das Finale folgt. Vierzig Musikuummern enthält das ganze 
umfangreiche Werk, die aber in mannigfaltigster Abwechslung der 
dramatischen Situation und des characteristischen Ausdrucks vorüber- 
ziehen, so dass eine Uebermüdung des Zuhörers bei dem stets gleich- 
massig gespannten Interesse kaum befürchtet werden darf. Der Styl 
des Componisten ist breit und grossartig, die Künste des Contra- 
punktes hat er vollständig in seiner Gewalt, seine Erfindungsgabe 
ist eine reichliche und den verschiedenartigsten Situationen und Ge- 
fühlen sich anpassende, denn er schildert mit aller Glut die Liebe 
Salomos und der schönen Sulamith, sowie er auch die düsteren 
Gräuel des Molochdienstes und die erhebende Feier des einen, 
wahren Gottes mit gleicher, wirkungsvoller Wahrheit musikalisch 
auszudrücken versteht. Die harmonische Behandlung ist reich an 
Abwechslung und schönen Effecten und liefert den Beweis, dass der 
Verfasser dem musikalischen Fortschritt, im guten Sinne des Wortes, 
huldigt. Es liegt nicht in unserer Absicht, das interessante Werk 
in allen seinen Details zu besprechen, da der Baum dieser Blätter 
dies nicht gestattet, sondern wir wollen nur einzelne Kummern an- 
heben, welche uns ihrer Erfindung und Durcharbeitung nach als be- 
sonders beachtenswerth und einer durchschlagenden Wirkung sicher 
erscheinen. 

Der erste Chor beginnt mit einem einfach klaren und würde- 
vollen Chor des Volkes (F-dur, 4/4) „Kommt herzu, lasst uns froh- 
locken dem Hort unseres Heils!" Nach einem Recitativ des Nathan 



(Bass) folgt wieder ein Volkschor: «Herr mache dich auf zu deiner 
Ruhe" im fugirten Style. Besonders hervorzuheben ist in diesem 
Theile das „Weihegebet* des Salomo (Tenor) mit Chor: „Herr Gott 
Israels!", die liebliche Arie der Zeruja (B-dur, 6/4), der Chor des 
Volks (Nro.9): „Siehe! Finsterniss senkt sich herab" (D-raoll, 4/4), 
die „Stimme aus der Wolke" (Nro. 10) für Bassstimme mit Beglei- 
tung von drei Posaunen, und der originelle und interessant gearbei- 
tete Schlusschor : „Denn Gottes Wort ist lebendig und kräftig" (C-dur, 
2/4). Besonders gelungen erscheint uns der II. Theil , enthaltend 
die 2. Handlung: „Sulamith" und die 3. Handlung: „Moloch," die 
in ihrem schroffen Gegensatze dem Componisten Gelegenheit boten, 
seine Vielseitigkeit in Bezug auf Erfindung und Ausdrucksweise in 
glänzender Weise zu bewähren. Die zarten, duftigen, liebeathmenden 
Weisen der ersten Hälfte dieses Theils, sowohl in den dreistimmigen 
Frauenchören, sowie in den Arien der Sulamith und des Salomo 
müssen von ausserordentlich schöner Wirkung sein, ohne dass in 
denselben oder in dem schwärmerischen Liebesduett zwischen Sula- 
mith und Salomo (Nro. 21, A-dur, 4/4) die Würde des Oratorien- 
styles ausser Acht gelassen wäre. Im „Moloch 2 dagegen steigt der 
Coroponist in die Tiefen der wild aufgeregten Leidenschaften hinab 
und malt uns die Verblendung des Königs, der sich, taub gegen die 
Bitten seines Volkes und gegen die Beschwörungen des weisen und 
gottgläubigen Nathan im rasenden Sinnentaumel zum Opfer für den 
Götzen Moloch hinreissen lässt. — Im III. Theil (4. Handlung: 
„Zeruja") geht die Handlung in immer spannenderer Steigerung 
fort, die Klagen Zeruja's um ihren geopferten Sohn, die Ermahnungen 
Nathan's, die einschmeichelnde Verführungskunst der Sulamith lösen 
sich in fesselnder Weise ab und sind vom Componisten mit Meister- 
schaft behandelt, bis endlich die Beschwörung König Davids durch 
Salomo erfolgt. Eine vortreffliche Arbeit ist unter Anderem das 
Ensemblestück Nro. 34 zwischen Sulamith, Salomo, Nathan, Korah, 
dem Chor der Molochdiener und dem Chor des Volkes , welches in 
seiner polyphonen Behandlung und in seiner dramatischen Wahrheit des 
Ausdrucks als eine der schönsten Perlen des ganzen Werkes erscheint. 
Im weiteren Verlaufe sehen wir die Beue des zum wahren Gotte 
zurückgekehrten Salomo. Er hört die Prophezeiung aus Nathans 
Mund (in Nro. 37, F-moll, 4/4), der gemäss das Beich den Händen 
seines Sohnes entrissen werden soll. Zu den schönsten Nummern 
zählen wir hier den Chor: „0 Gott! sehr hoch ist deine Gerechtig- 
keit" (Nro. 38, B-dur, 6/4) und die Arie Salomo's mit Violinsolo: 
„Der du hörst das Rufen der Elenden" (Nro. 39, G»moll, 4/4, schlies- 
send in G-dur, 3/4). Hierauf folgt das Finale, das nach vorher- 
gehenden Sologesängen der Sulamith, des Salomo und Nathan und 
einem fugirten Chorsatze (in F-dur, 3/2) zu der eigentlichen, pracht- 
vollen Schlussfuge (F-dur, 2/2) führt. — Noch manche andere der 
einzelnen Chor- oder Solonummern hätte eine besondere Erwähnung 
verdient, allein wir lassen es bei dem bereits Angedeuteten bewen- 
den und hoffen, dass dieses hinreichen werde, die Aufmerksamkeit 
in weiteren Kreisen auf das Werk eines so begabten Componisten 
zu lenken und ihm auch von anderer Seite die verdiente Berück- 
sichtigung und Anerkennung zuzuwenden. B. F. 



— 22 — 



COHRBSPONDENZEN. 



Aus Mannheim. 



(S C h 1 U 8 8.) 

Schon zu Anfang des Wintert hatte der Yioliu -Virtuose Hr. 
Jean Becker im Verein mit Hrn. Theodor Kirchner und dem 
Violoncellisten Hrn. F. Hilpert ein Concert im grossen Saale des 
Theaters veranstaltet, welches aber schwach besucht war, was um 
so weniger zu erklären ist, als Hr. Becker schon als geborener 
Mannheimer, hauptsächlich aber als bedeutender Künstler sich sehr 
vieler Freunde und Verehrer hier zu rühmen hatte. Zusammen 
spielten die Genannten Beethovens grosses Trio in Es, und zwar« 
wie zu erwarten war, mit feinem Verständniss des geistvollen Wer- 
kes, sodann B. Sehumann's Trio in D-moll, in welchem jedoch, wie 
nicht selten bei derartigen Werken dieses Componisten das Ciavier 
zu sehr dominirte. Von Solo -Vorträgen des Hrn. Becker verhiess 
uns das Programm „Violinstücke" von dessen Composition und 
S. Bach's „Chaconne"; er spielte nur die Letztere, und zwar weni- 
ger gut, als wir sie früher von ihm selbst gehört hatten; die 
„Violinstücke" blieben aus, warum, wurde uns nicht bekannt; was 
wir daran verloren — wir wissen es nicht. Hr. Kirchnei spielte 
einige kleine Ciavierstücke seiner Composition, die wir uns im 
Privat-Salon gefallen lassen mögen — - für ein Concert hatten sie zu 
wenig Bedeutung, sowohl ihrem Inhalte als ihrer Form nach. Hr. 
Hilpert spielte eine lange, gar zu oft schon gehörte Fantasie von 
Servais; — wir hätten uns mit seiner Betheiligung an den beiden 
Trio's begnügt. 

Die erste Quartettaufführung der HH. Konin g, Heidt, Mayer 
und Xündinger brachte ein ungewöhnliches Programm , indem 
nur ein Streichquartett, A-molI von Fr. Schubert, vorkam, nach 
welchem Hr. Johannes Brahms die Fantasie Op. 17 von R. 
Schumann, und dann ein Quartett seiner Composition für Ciavier, 
Violine und Violoncell spielte. Hr. Brahms verbindet mit einer 
höchst sicheren Technik eine ganz eminente Kraft, welch' Letztere 
anzuwenden allerdings durch die Fantasie von Schumann bedingt 
war; da er dieselbe auswendig spielte, zeigte er eine ebenso bedeu- 
tende Gedächtnisskraft, denn es dürfte wenigen gelingen, dieses har- 
monisch und rythmisch häufig so complicirte, wir möchten fast sagen 
verschrobene Werk von sehr grossem Umfange aus dem Gedächlniss 
zu spielen. Dem allgemeinen Urtheile nach , dem wir beistimmen! 
kann man sich für dieses Werk iuteressiren , liebgewinnen werden 
es nur diejenigen können, denen Schumann über Alles geht. Weit 
verständlicher, obwohl gross und breit angelegt, ist das Quartett von 
Brahms , die Ideen desselben sind ansprechend und meist mit 
Klarheit durchgeführt. Die Präponderanz des Claviers , die die 
Streichinstrumente zu sehr in den Hintergrund drängte , erzeugte 
jedoch auch hier wieder das Gefühl der Unbehaglichkeit. Wir hatten 
das Werk schon früher gehört, wobei der Ciavierspieler grössere 
Mässigung bewies, und dasselbe einen besseren und klareren Ein- 
druck machte. 

In einem vom Musikverein veranstalteten Concert wurde zum 
erstenmale ein Octett von Franz Schubert für 2 Violinen, Viola, Con- 
trabass, Clannette, Fagott und Hörn durch Mitglieder des hiesigen 
Orchesters zur Aufführung gebracht ; es besteht aus 4 Sätzen, wovon 
uns der 2. und 3. am meisten behagte, im Ganzen aber dürfte man 
es zu den schwächeren Werken Schuberts zählen. Die Ausführung 
war jedoch eine sehr sorgfältige. Im weiteren enthielt das Programm 
ein „Et incarnatus est"" für gemischten 4stimmigen Chor von B. 
Marcello; Hymne: „O weint um sie" für Chor und Sopransolo von 
F. Hiller, und drei Lieder für gemischten Chor von B. Schumann: 
„Das Hochland-Mädchen, " „Mich zieht es nach dem Dörfchen hin" 
und „Die gute alte Zeit". Der erstgenannte Chor gehört unstreitig 
dem Bedeutendsten an, was B. Marcello geschaffen; durch das Ganze 
zieht ein tiefes religiöses Gefühl, und bei der kunstvollen Verarbei- 
tung der Motive ist vollkommene Klarheit zu rühmen. Auch Hiller's 
tiefgedachte Composition gewährte uns das lebhafteste Interesse. Die 
Ausführung sämmtlicher Chorstücke, namentlich auch der trefflichen 
Lieder von Schumann, zeigte von sorgfältigem Studium, und nur 
selten zeigte sich in einer einzelnen Stimme eine Abweichung von 
der Intonation. 



Der im Dezember stattgehabten musikalischen Aufführung des 
„Sängerbundes" war Bef. verhindert beizuwohnen; das Programm 
derselben enthielt Chöre von Lachner: „Waldpsalm der Mönche von 
Santh"« Ton Kiels Gade: „die Rose", von F. Schubert : „Nachtgesang 
im Walde*' mit 4 Hörnern; von Konin g: „Zwiegesang ," und von 
A. Müller: „komische Serenade**; ausser diesen noch einzelne Ge- 
sang- und Ciavier - Vorträge und Beethoven's Serenade für Flöte, 
Violine und Viola. 

Die „Liedertafel" zeigte in ihrer zu Ende des vorigen Jahres 
gegebenen Abendunterhaltung einen bedeutenden Zuwachs an jünge- 
ren , kräftigen Stimmen , und in ihren Leistungen überhaupt eine 
Sicherheit im Allgemeinen , sowie im Einzelnen eine Präcision des 
Ausdrucks, dass die Anerkennung der zahlreichen Zuhörer eine un- 
getheilte war. Wir beschränken uns auf die Angabe der im Chor 
gesungenen Nummern: „Im Walde" von Abt; „Abendlied" von 
Zimmermann , bei dem 1. österreichischen Sängerfest in Linz mit 
dem Preis gekrönt, eine höchst ansprechende, tiefes Gefühl athroende 
Composition; „auf dem Rhein" von Kücken; „Waldnacht," Chor mit 
Sopransolo von Möbring; „die deutsche Eisenbahn," humoristisches 
Lied von Genee, und Hymne „Herr, wer kann recht erkennen deines 
Namens Ruhm" von B. Klein. 

Wir wohnten kürzlich einer musikalischen Aufführung der Vor- 
bereitungs-Abtheilung des „Dilettanten- Vereins" bei, in welcher sich 
Knaben von 8 bis etwa 15 Jahren , meistens Streichinstrumente 
spielend, mit einer vom Dirigenten des Vereins, Hrn. F. Langer, 
nach der 4händigen D- dur - Sonate von Mozart arrangirten Sinfonie 
producirten, womit sie von ihrem fieissigen Studium sowohl, als von 
0em ausdauernden erfolgreichen Eifer ihres Dirigenten den erfreu- 
lichsten Beweis lieferten ; ebenso waren auch Einzelnvorträge sehr 
lobenswerth. In einem andern vom gesammten „Dilettanten- Verein" 
gegebenen Concert hörten wir eine Sinfonie, D-dur von Haydn mit 
dem Largo Capriccio in der Mitte ebenfalls in befriedigender Aus- 
führung, sowie einen Festmarsch von V. Lachner und ein Quartett 
für 4 Violinen, mit mehrfacher Besetzung, von F. Langer. 

Im Theater kam am 14. Januar Meyerbeer's „Afrikanerin" zum 
Erstenmale zur Aufführung, und zwar in Betreff der musikalischen 
Ausführung zur grössten Befriedigung der zahlreichen Zuhörer; für 
die scenische Ausstattung waren reichliche Mittel verwendet worden, 
und so werden auch die nachfolgenden Aufführungen, deren zunächst 
je zwei in einer Woche stattfinden sollen, sich der Gnnst des hör- 
und schaulustigen Publikums zu erfreuen haben. 

Für die nächste Woche steht ein Concert von Carlotta Patti 
in Aussicht, wofür bereits die riesigen Anschlagszettel an den Strassen- 
Ecken prangen. 

Die nächste Akademie des Orchesters wird uns Bruch's „Scenen 
aus der Frithjofssage" bringen. 



— •»•! 



A ii s Paris. 

20. Januar. 

Das musikalische Ereigniss dieser Woche war das Wiederauftreten 
der A d e 1 i n a Patti in der italienischen Oper, und zwar in der 
Titelrolle der »Linda di Chamounix". Trotz der bedeutenden Er- 
höhung der Eintrittspreise war das Haus überfüllt. Die Diva wurde 
mit stürmischem Beifall begrüsst und mit Blumensträussen überhäuft. 
Adelina Patti bildet übrigens trotz aller Uebertreibung ihres Talentes, 
trotz aller gewaltigen Posaunenstösse ihres Schwagers Strakosch 
doch mit Becht den lebhaftesten, wo nicht gar den einzigen Anzie- 
hungspunkt der hiesigen italienischen Oper, deren Glanz längst 
erblichen. 

Die grosse Oper führt immer noch die „Afrikanerin" mit be- 
deutendem Erfolg auf und wird vorläufig nichts Neues zur Auffüh- 
rung bringen. Was die Opdra comique betrifft, so macht sie mit 
der „Reise nach China" vortreffliche Geschäfte. Einen ebenso glück- 
lichen Wurf hat das Theatre lyrique mit Flotow's „Martha" ge- 
than. Dieselbe erzielt ungeheure Einnahmen. Dessenungeachtet 
wird die Direction der genannten Bühne nächstens Gluck'g „Armida" 
zur Darstellung bringen. Die Hauptrolle ist der Mme. D e m e u r- 
C h a r t o n anvertraut , welche dieselbe unter B e r 1 i o z ' Leitung 
bereits einstudirt. Das The'dtre lyrique wird auch Mozart's „Don 
Juan" aufführen und hat au diesem Zweck das frühere Mitglied da? 



- 23 — 



Optra twmque, B ataille engagirt, der die Bolle des "Leporello 
übernommen. Da nun die grosse Oper sowie das italienische Thea- 
ter ebenfalls Mosart's Heisterwerk demnächst in Scene gehen lassen, 
so wird dem Publikum eine seltene Gelegenheit zum Vergleichen 
geboten werden. 

Offenbach, der, wie ich Ihnen bereits gemeldet, sich von der 
Leitung der Bouffes Parisiens zurückgezogen, geht bald nach Wien, 
um dort die Proben seiner ,J$ergcrs u zu überwachen. Sein ,.Barbe 
bleue" kommt in den ersten Tagen des Februar im FartV/e«-Theater 
zur Aufführung. 



W » c li r i c li t e n. 



Leipiig' Das 13. Gewandhauscoacert war eine Art von histo- 
rischem Concerte , wie deren dem Vernehmen nach noch mehrere 
folgen sollen. Es brachte von Vocalsachen : Cantate von Seb. Bach 
für Doppelchor: „Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich*'; 
Arie aus „Semele" und einige Chöre aus „Israel" von Händel; 
„Savinia a Turno" Cantate für Sopran von Carl Heinrich Graun, 
find ein „Weihnachtslied" a capella von Leonhard Schröter (lebte 
um 1580 in Magdeburg). Von Instrumentalcompositionen kamen zur 
Aufführung: Concert für Ciavier von Händel ; Fuge von Joh. Ludw. 
Krebs, Schüler Seb. Bach's, und Sonate von Baldassaro Galuppi, 
sämmtliche Ciavierstücke von Hrn. Ernst Pauer aus London mit 
bekannter Meisterschaft vorgetragen ; Sonate in G-moll von Tartim, 
von Hrn. Concertm. Ferd. David vorzüglich vorgetragen, und 
Sinfonie in D - dur von Philipp Emanuel Bach. Die Sologesänge 
wurden von Frau Hermine Budersdorff aus London mit der 
ihr eigenen vollendeten Gesangskunst vorgetragen. 

— Das 14. Concert, abermals ein historisches, brachte von Or- 
chesterwerken : Ein Ballo aus der Oper „Paris und Helena" von 
Gluck ; die „Abschiedssinfonie" von Haydn, und die Ouvertüren zu 
„Figrane" von Righini und zu „Samori" von Abbe Vogler ; von 
Solosachen: ein Capriccio für Ciavier von Friedemann Bach, dem 
ältesten Sohne Seb. Bach's, und eine Ciaviersonate von des Letz- 
teren jüngstem Sohne, Joh. Christian Bach, beide Stücke vorgetr. 
von Hrn. Capellmeister Bei necke. Die Gesangsprodactionea be- 
standen aus einer Cantate für eine Singstimme und Orchester von 
Pergolese , einer Bravour-Arie aus einer Oper von Joh. Christian 
Bach und einer Ariette aus einer Cantate von G. A. Hasse, sämmt* 
lieh vorgetr. von Frau Budersdorff. 

Dresden. Am 27. Januar veranstaltete das hier bestehende 
Conservatorium für Musik zur Feier seines 10jährigen Bestehens 
ein Concert im „Hotel de Saxe" ; die gebotenen Productionen gaben 
«in erfreuliches Zeugniss von dem gedeihlichen Zustande dieser An- 
stalt, aus welcher bereits viele vortreffliche Künstler und Künstle- 
rinnen hervorgegangen sind. Die artistische Leitung des Conserva- 
toriums befindet sich gegenwärtig in den Händen des Hrn. Hof- 
capellmeisters Dr. B i e t z. 

— Am 30. Januar findet im k. Hoftheater die 100. Vorstellung 
der Meyerbeer'schen Oper „Der Prophet" statt, mit welcher eine 
Gedächtnissfeier für den verewigten Meister verbunden werden soll. 

— Von Seiten des königl. Cabinets in München ist vor einiger 
Zeit an Prof. Fr. Gönne die Aufforderung ergangen, das von ihm 
gemalte Porträt des Sängers Schnorr von Carolsfeld nach 
München zur Ausstellung zu senden. Nachdem Hr. Prof. Gönne 
dieser Aufforderung entsprochen, ist, wie wir hören, in diesen Tagen 
dem genannten Künstler durch das k. bayerische Cabinetssecretariat 
eröffnet worden , dass S. Maj. der König Ludwig II. das Bildnisg 
des von ihm hochgeehrten Sängers mit grösster Befriedigung gesehen 
und dasselbe gekauft hat. 

Prag. Das böhmische Theater brachte eine neue Oper: „Die 
Brandenburger in Böhmen" von S m e t a n a zur Aufführung. Der 
Erfolg war ein sehr günstiger und der Componist wurde nach jedem 
Acte gerufen. 

BrttM. Frl. Marek hat auf unserer Bühne als Gilda im 
»Rigoletto" den Versuch gemacht, als Sängerin für das Coloratur- 
and Spielfach auf der Bühne aufzutreten und hat einen vollständigen 
Success erreicht. 

Brüssel Das 3. Concert des Couservatoriums wird su den her- 
vorragendsten Leistungen dieser Saison gezahlt werden müsse«. Bai 



Orchester zeichnete sich aus durch den tadellosen Vertrag da« An- 
dante der 87. Sinfonie von Haydn und der Jupiter -Sinfonie voa 
Mozart. Weniger glücklich war die Ausführung der Hebriden-Ouver- 
türe von Mendelssohn, da man das Tempo zu schleppend genommen 
hatte. Als eine äusserst interessante Erscheinung bezeichnen wir 
das Auftreten der Frau Clauss-Szarvady, welche in diesem 
Concerte zum erstenmale vor dem Brüsseler Publikum erschien, ob- 
wohl ihr längst ein ausgezeichneter Euf vorhergegangen war. Frau 
Szarvady besitzt alle Eigenschaften einer grossen Künstlerin, und 
ihr Spiel zeichnet sich noch insbesondere durch seine Einfachheit 
aus. Es ist z. B. unmöglich, das Adagio des Beethoven'schea 
G-moll-Concertes in vollkommenerer Weise vorzutragen. Auch spielte 
sie einige Sachen von Chopin mit unendlich reizendem Ausdruck. 
Viermaliger Hervorruf ward ihr einstimmig zu Theil und mag der 
Künstlerin als Beweis dienen , wie sehr ihr Talent anerkannt und 
gewürdigt wurde. Mlle. Weusten zeichnete sich durch den sehr 
gelungenen Vortrag der Arie der Gräfin in „Figaro's Hochzeit" aus. 
Frau Szarvady ist auch im ersten Concerte der Casino-Gesellschaft 
in Gent mit grossem Erfolg aufgetreten. 

Paris. Im ersten ausserordentlichen Concert des Conservatoriums 
kam zur Aufführung: A-dur-Sinfonie von Beethoven; Jldieux aux 
jeunes maries, Doppelchor ohne Begleitung von Meyerbeer ; Ilebri- 
den-Ouvertüre von Mendelssohn ; Jäger- und Winzerchor aus Haydn's 
„Jahreszeiten," und Ouvertüre zum „Freischütz" von Weber. Das 
zweite ausserordentliche Concert wird am 18. Februar stattfinden. 

— Es hat sich hier ein Damen-Streichquartett gebildet, welches 
dieser Tage im Saale Herz zum Erstenmale auftreten wird. Die 
erste Violine spielt Frl. Lebonge, die zweite Frl. Jenny 
Clauss, die Viola Frl. Fanny Clauss und das Violoneell FrL 
de Ca t o w. 

— Das Programm des 13. populären Concertes des Hrn. P a s- 
d e 1 o u p war folgendes : Ouvertüre zur „Zauber flöte" von Mezart ; 
Sinfonie in B-dur von Beethoven; Ouvertüre zum „Prophet" voa 
Meyerbeer (wiederholt); Andante und Menuett aus der Sinfonie in 
Es - dur von Mozart (auf Verlangen) ; Ouvertüre zum „Freischütz" 
von Weber. 

— Das Programm des 14. populären Concertes war folgendes: 
Jupiter- Sinfonie von Mozart; Andante und Intermezzo aus der 2. Suite 
von Fr. Lachner (zum 1. Male); Hebriden-Ouvertiire von Mendels- 
sohn, und das Septuor von Beethoven. 

— Die erste der populären Kammermusik - Unterhaltungen der 
HH. Lamoureux, Colblain, Adam und E. Rignault hat 
am 28. Januar im Saale Herz stattgefunden. 

— Charles Adolphe G a n d , Geigenmacher der kaiserlichen 
Musik und des Conservatoriums , ein in seinem Fache aasgezeich- 
neter Mann, ist, 53 Jahre alt, gestorben. 

— Das berühmte Quartett der Gebrüder Müller aus Meiningen 
ist hier eingetroffen. Sie werden ihr erstes Concert am 6. Februar 
unter Mitwirkung der Frau Clauss-Szarvady geben. 

Florenz. Im Saale Niccolai hat das erste Concert der HH. 
Scholz und B a z z i n i stattgefunden. Sie spielten mit dem Violon- 
cellisten Sbolci das B-dur -Trio von Schubert; dann trug Hr. 
Scholz die E-dur- Variationen für Ciavier von Händel und eine Fuge 
von Bach vor. Hr. Bazzini spielte seine Elegie mit ausserordent- 
lichem Beifall und auf das Verlangen der Wiederholung statt deren 
noch ein anderes Stück. Das Concert schloss in glänzender Weise 
mit der von den HH. Scholz und Bazziui meisterhaft vorgetragenen 
Sonate in C-rooll für Piano und Violine von Beethoven, welche den 
lebhaftesten Beifall hervorrief. 

Petersburg. Die schon mehrmals verschobene erste Aufführung 
der „Afrikanerin" fand endlich am 18. Januar statt, mit Tarn bee- 
il c k als Vasco, Mme. Bsrbot als Selika und Graziaui als 
Nelusko. 

K6W-York. Die Gebrüder F o r m e s sind von Havanna hiebst 
zurückgekehrt, nachdem sie sich kaum vier Tage in der Stadt, „we 
die Cigarren blüh'n" aufgehalten haben. Sie konnten kein Concert- 
local finden, und das Tacon - Theater konnten sie nicht benutzen, 
weil sie weder Chor noch Orchester hatten. Das Esperimentiren 
dürfte den Herren ziemlich viel Geldanlagen verursachen , und m 
Ist sn heften, dass sie sneh mit einem gewandten Agenten iu Ver- 
Isndttsg setzen werden, «m nooh «in Mal ihr Glück am versuch««. 

— Der Ertrag des Concertes für die Familie des versW ifreuSa 



24 — 



Componisten William Vincent Wallace ist nach Abzug aller 
Kosten ungefähr 2000 Dollars. Die Wittwe des Verstorbenen wird 
mit ihren Kindern nächstens hier ankommen und bei ihrem Bruder, 
dem Musikdirigenten und Componisten Hrn. Robert S 1 8 p e 1 wohnen. 

*** Münchener Blätter zeigen das Erscheinen folgender Bro- 
schüre) in Commission bei Jenisch & Stage in Augsburg an: 
„Richard Wagner als König. Schonungslose Ent- 
hüllung der geheimen Verschwörung zur Ausführung 
seines unglaublich verwegenen Planes, aufgedeckt 
von -j — | — }-, emer. Pfarrer. Diese Broschüre zeichnet in ihrer 
grellen Nacktheit die List und Tücke, welche dieser Mann benützt, 
um das Entfernteste und Höchste zu erreichen." Es ist kein Zweifel, 
dass dieser würdige Pfarrer mehr zu Gunsten Wagner's wirkt als 
die Freunde des Letzteren , welche in unzeitigem Eifer über die 
Feierlichkeiten bei seinem Wiedereinzuge sich berathen. 

*** Wie die „Constitutionelle Zeitung" berichtet, ist die Gattin 
Rieh. Wagner's in Dresden in der Nacht zum 25. Januar an 
einem Herzschlag verschieden. 

%* Der Herzog von Anhalt hat dem Componisten und Violin- 
virtuosen Wilhelm Langhaus in Paris für die Widmung seines 
bei der Tonkünstlerversammlung in Dessau aufgeführten Streich- 
quartetts an S. Hoheit den Erbprinzen, die zum herzog]. Hausorden 
gehörige goldene Medaille verliehen. 

*** A u b e r hat die ihm angebotene Senatorwürde ausgeschla- | 
gen, weil er vom Directorium des Conservatoriums hätte zurücktreten 
müssen. 

*** Das baierische Ministerium hat ein Rescript erlassen, kraft 
welchem alle aus classischen Werken verarbeiteten Märsche ausser 
Gebrauch gesetzt werden müssen. 

*** Der „akademische Gesangverein" in München hat R. Wagner's 
„Liebesmahl der Apostel" zur Aufführung gebracht. 

*** Am Wiener Conservatorium bildet sich ein Frl. Hermine 
van Beethoven, Tochter des bekannten Neffen, unter der Lei- 
tung des Prof. Dachs zur Pianistin aus. 

*** Frl. Ar tot beginnt dieser Tage in Berlin ein bis Ende 
April dauerndes Gastspiel. Wachtel ist für den kommenden 
Winter wieder daselbst engagirt. 

*** Die Wittwe Meyerbeer's wird nach Wien kommen, um 
den Generalproben und der Aufführung der „Afrikanerin" beizuwohnen. 

*** Der italienische Operncapellmeister Orsini vermählt sich 
mit der Berliner Solotänzerin Frl. Casati. 

*** Frl. Ubrich ist vom König von Hannover zur Kammer- 
sängerin ernannt worden , wird die Bühne verlassen und sich aus- 
schliesslich dem Concertgesange widmen. 

*** Wie die „Neue Berliner Musikzeitung" schreibt, ist dem 
durch seine Transcription der „Afrikanerin" für Flöte und Piano 
bekannten Virtuosen C. Giardi vom Schach von Persien der Sonnen- 
orden verliehen worden. 

*** In Schweinfurt ist der Stadtcantor und Musikdirector 
Schneider gestorben. Der Zug der Trauernden, die den geliebten 
Mann zu seiner letzten Ruhestätte geleiteten , war unübersehbar, 
alle Läden in den Strassen zur Kirche und zum Kirchhof waren 
geschlossen. 

*** Der berühmte Posaunist Nabich, dessen Virtuosität und 
schöne Vortragsweise nicht nur in ganz Deutschland, sondern 
auch in Paris und London die höchste Anerkennung fand, wird noch 
im Laufe dieses Winters in Wien concertiren, 

*** Ein junger Musiker in Brüssel, der zugleich ein Anhänger 
des Spiritismus ist, behauptet, mit den Geistern aller verstorbenen 
grossen Componisten in Rapport zu stehen. Zum Beweise dessen 
werde er nächstens eine Soiree veranstalten und seine Geister zwingen, 
ihre neuesten Inspirationen erklingen zu lassen. Das würden veri- 
table posthume Werke sein. Gott gebe, dass dem jungen Verbes- 
serer Davenport's das Experiment gelinge , und seine Geister bei 
•guter Laune sind. So ein paar Dutzend neuer Compositionen von 
Beethoven, Schumann, Mozart, Mendelssohn, Weber u. s. w. könnten 
uns nicht schaden. 

*** Der in Deutschland bereits bestens aecreditirte Violinvir- 
tuose L.Aue r hat kürzlich im zweiten Concerte des „musikalischen 
Xünstlervereins*' in Brüssel das 9. Concert von Spohr, „Abendlied'' 
Ton Schumann und die Airs hongrois von Ernst vorgetragen und 
shircb seine Leitungen sich auch dort die vollste Anerkennung errungen. 



*** Die letzten Nummern der „Neuen Berliner Musikzeitung" 
bringen von Dr. Faust-Pachler in W ien äusserst interessante 
Mittheilungen über das Leben seiner Mutter, Frau Marie Pachler* 
Kose hak und über das Verhältniss, in welchem sie zu Beet- 
hoven stand. 

*** Zu der am 23. Dezember im Altonaer Stadttbeater ange- 
kündigten Vorstellung hatten sich sieben Personen eingefunden. 
Man gab diesen ihr Eintrittsgeld zurück, und da der Besuch schon 
seit einiger Zeit ein sehr schlechter gewesen war, so hat der Di- 
rector das Theater geschlossen. 

*** Der thätige und geschickte Chormeister Hr. R.Wein wurm 
hat es sich zur Aufgabe gemacht, die in der Auflösung begriffen 
gewesene „Singakademie" auf neuer Grundlage zu constituiren. 
Seine bisherigen Bemühungen sind insofern vom Erfolge gekrönt, 
als sich bis zur Stunde an sechzig ausübende Mitglieder (Herren 
und Damen) zum Eintritte gemeldet haben. Weitere Anmeldungen 
werden gewärtigt und sind erwünscht. Möchte der Aufruf des Un ; 
ternehmers zum Beitritte, welchem Aufruf wir hiermit Ausdruck 
geben , vom gewünschten Erfolge begleitet sein , damit die Lücke 
in der Pflege eines speciellen Musikzweiges, wohin vornehmlich die 
ältere Vocalmusik gehört, durch die baldige Wiederfunctionirung 
dieses sistirteu Vereins im Wiener Kunstleben ausgefüllt werde. 

Bl. f. Th., K. u. M. 

*** Das Hellmesberge r'sche Quartett feierte in Pesth gross- 
artige Triumphe. Alle Blätter stimmen in dem Bekenntniss überein, 
dass eine solche Vollendung in der Auffassung und dem Vortrage 
alles Dagewesene, ja die kühnsten Erwartungen übertroffen habe. 

*** Der König von Portugal hat aus Anlass seiner jüngsten 
Anwesenheit in Paris an Rossini und Verdi das Grossoffiziers-, 
an die Schriftsteller Merimee und Longp£rier das Commandeur- 
und an Octave Lacroiz das Ritterkreuz vom Orden des Schwert- 
kreuzes verliehen. 

*** Der Kaiser bat Hrn. Seroff, dem Componisten der russi- 
schen Oper „Rogn6da" ausser der Anweisung eines lebenslänglichen 
Jahresgehaltes von 1200 Rubel ein Geschenk von 2000 Rubel gemacht. 

*** Ueber Ernst Pauer schreibt Hanslick in der „Neuen 
freien Presse" aus Wien: ,,Eine erfreuliche Ueberraschung war das 
Auftreten unseres Landsmannes Ernst Pauer. Das ist zur Abwechs- 
lung einmal ein Virtuose, der keine Concerte gibt. Von London 
reiste er nach Frankfurt, Mannheim, Darmstadt, spielte daselbst für 
die Mozart-Stiftung und den Pensionsverein der Tonkünstler, wirkte 
dann in Wien aus CollegialitSt im philharmonischen Concert und 
in Hellmesberger's Quartett-Soiree mit und fuhr, ohne irgendwo an 
ein eigenes Concert zu denken, wieder heimwärts. Wir hörten von 
Pauer Beethoven's C-moll-Concert (mit der Beethoven'sehen Original- 
Cadeuz) und das D-dur-Trio (Op. 70) desselben Meisters. Beide 
Vorträge erfreuten sich nach Verdienst der ehrenvollsten Anerken- 
nung. Wir haben Pauer's durchsichtig klare, solide, mitunter etwas 
protestantisch-verständige Spielweise, seine meisterhaft ausgebildete 
und stets dem Kunstwerk sich bescheiden unterordnende Technik 
oft genug besprochen, haben somit diesmal nur zu constatiren, dass 
er sich vollständig treu geblieben ist : jeder Zoll ein Musiker und 
sechs Fuss liebenswürdiger Mensch. Pauer wird aus der warmen 
Begrüssung bei seinem Erscheinen und dem wiederholten Hervorruf 
entnommen haben, wie sehr unser Publikum ihn hochgeschätzt und 
wie ungern es ihn so bald wieder scheiden sieht. 

*** Frl. Ti et jens legte, einer besonders ehrenvollen Einladung 
folgend, am 13. Jan. in Liverpool den Grundstein zu einem , 1800 
Personen fassenden Opern- und Schauspielhause, welches bereits im 
October eröffnet werden soll. 

***Hr. Kral, Solist bei der Wiener Hofcapelle, hat bei Spina 
in Wien eine Anleitung zum Spielen der Viole d'amour veröffent- 
licht, welche im Interesse dieses mit Unrecht vernachlässigten schönen 
Instrumentes Beachtung verdient. 

*** Da» Breslauer Stadtverordneten-Collegium hat dem Theater- 
Actienverein ein unverzinsliches Darleben von 100,000 Thlr. bewilligt. 

*** Der Tenorist Steger ist, nachdem er in Madrid denVasco 
in der „Afrikanerin" mit ausserordentlichem Beifall gesungen, nun 
auch im Scalatheater in Mailand als Eleazar in der „Jüdin" mit 
glänzendem Erfolg aufgetreten. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer, Druck t>. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



jf* 9. 



12. Februar 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
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Brüssel bei Gebr. Schott London bei Sehott & Co. 



PBEIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

för den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. perQuartal. 









IRHALT: Capitaine Henriot. — Correspondenz : Mains. — Nachrichten. 



Capitain Henriot« 

Komische Oper in drei Acten von Victor Sardon und 9. Y&ez, 

deutsch von Ernst Pasqne, Musik von A. Gevaert. 
Verlag von B. Schott's Söhnen.*) 

Vom Standpunkt einer deutschen Aufführung besprochen. 

Seit langer Zeit hat das Bepertoir der kaiserlichen komischen 
Oper zu Paris kein Werk von gleicher Bedeutung gebracht wie das 
vorliegende. Eine höchst interessante , bunte und spannende Hand- 
lung — ein reizendes Lustspiel , Intriguenstück , wie sie S a r d o u 
so vortrefflich zu erfinden weiss , das schon allein im Stande wäre 
den Zuschauer ohne Beigabe der Musik zu unterhalten — verbun- 
den mit einer Partitur voll origineller und gediegener Melodien, 
prächtiger und charakteristischer Instrumentation, haben der Oper 
in Paris und Frankreich (wie jetzt auch in Belgien) die grössten 
Erfolge verschafft. Gleiches dürfte auch in Deutschland der Fall 
sein, wenn es unsern Bühnen gelingen sollte das Werk in genü- 
gender Darstellung wiederzugeben. Hierin liegt die Haupt- 
schwierigkeit , doch auch zugleich der vollständigste Erfolg. Willige 
und nur einigermassen genügende Kräfte , eine tüchtige Regie , die 
ihre Aufgabe mit Lust und Verständniss erfüllt und das auf den 
ersten Blick sehr schwierig Scheinende wird sich verwirklichen. 
Die Handlung führt uns in spannender Verwicklung vier verschie- 
dene Liebesintriguen vor, zwischen denen noch ein fünfter Lieb- 
haber gleich einem Schmetterling umherflattert und von allen Blu- 
men zu naschen versucht. An der Spitze der handelnden Personen 
steht Heinrich IV., der Bearner (Capitain Henriot), Bariton 
und die bedeutendste Spielpartie der Oper. In Paris wurde diese 
Bolle von Couderc dargestellt und gesungen. Conderc ist kein 
junger Sänger mehr; vor etwa zwanzig Jahren begleitete er in der 
damals königlichen komischen Oper das Fach eines ersten Tenors; 
manche neue Rolle wurde von ihm „creirt" und war er ein eben 
so vortrefflicher und gracieuser Sänger als gewandter Darsteller. 
Die Stimme nahm ab mit den Jahren, doch die Gabe der Dar- 
stellung blieb und so zeigt sich Couderc denn jetzt nur noch in 
Partien, welche bedeutendes Spiel und — nicht allzuviel Stimme 
verlangen. Demgemäss ist denn auch der gesangliche Theil der 
Rolle Heinrich IV. leicht auszuführen. Dem „Bariton" zuge- 
wiesen bewegt sich die Partie in der Es-Octave und versteigt sich 
nur einigemal , als Variante , bis zum F. Ein prächtiges , frisches 
und pikantes Würfel-Terzett (Hei nrich , Mauläon , Belle- 
garde), mehrere hübsch pointirte Solostellen, und vor allen 
Dingen ein charmantes Lied in einer höchst originellen , wirkung«- 



*) Partitur und Ciavierauszug dieser Oper mit deutschem Text, 
Orchesterstimmen , Buch , Mise en acene , photographischen 
Co8tüm-Portraits etc. , sind dnreh obige Verlagshaudlung, 
Eigenthümerin des Werkes für Deutschland, zu beziehen. 



vollen Situation *), eine der schönsten der Oper , bilden die Haupt- 
stellen der Bolle. Dahingegen muss der Darsteller derselben sich 
gewandt bewegen und reden können. Voll Lebens- und Liebeslust 
stürzt sich der heissblütige Bearner in die gewagtesten Abenteuer, 
die er jedoch stets zu seinem Vortheil zu wenden weiss und die» 
damit enden, dass er Paris einnimmt. Die zweite Partie ist Grai 
Mauleon, Freund des Königs, der eigentliche Tenor und Sänger 
der Oper. Obgleich auch diese Bolle eine gewandte Darstellung 
verlangt, so liegt ihr Schwerpunkt doch hauptsächlich in dem ge- 
sanglichen Theile. Jeder Act gibt Gelegenheit zu einer effectvollen 
Romanze oder Cavatine , während ein grosses Duett mit Sopran 
(Blanche) ein wirklicher Glanzpunkt der Oper ist. Uebermässige 
Anforderungen stellt auch diese Partie nicht an ihren Sänger , doch 
erfordert sie Stimme und Geschmack im Vortrag , um zur vollen 
Geltung gebracht zu werden. Neben Mauleon steht als dritter 
kn Bunde der junge Herzog von Bellegarde, ebenfalls ein« 
Tenorpartie, gesanglich von geringer Bedeutung, doch dafür fast 
eben so wichtig in der Darstellung als die des Königs. Belle- 
garde ist ein geistreicher Rou6 , der seine witzigen Schlagwörter 
mit derselben Keckheit und Ruhe vorbringt, mit der er die tollsten 
Streiche ausführt , ein flatterhafter Liebhaber , allen Damen , selbst 
der hübscheu Markedenterin Fleurette huldigend , doch dabei 
durch und durch Cavalier und tapferer Officier. Diese Partie muss, 
mit nur einigem Verständniss wiedergegeben , von köstlichster Wir- 
kung sein. Eine schwungvolle patriotische Hymne mit Chor (im 
dritten Act) , wohl eine Concession der Rolle gemacht , ist die be- 
deutendste Gesangsnummer dieses „zweiten Tenors". Diesen drei 
lebenslustigen Cavalieren gegenüber steht Don Francesco, 
ein spanischer Abenteurer , Capitain im Solde der Ligue und An- 



*) Der Bearner bat sich heimlich in das von ihm belagerte 
Paris eingeschlichen und sitzt als Capitain Henriot mit zwei 
Damen (Blanche und Valentine) bei einem Souper, 
das er durch List errungen. Ein Lied würzt das heitere 
Mahl , dessen Refrain lautet : 

„ Wer da im Ueberflusse lebt , 

Uebe Liebe stets und Erbarmen. 

Von eurem Reichthum gerne gebt, 

Und denket milde auch der Armen ! u 
Nachdem Heinrich in der ersten Strophe diese Moral 
auf die Freuden der Tafel angewendet , benutzt er sie in der 
zweiten, um den Damen darzuthuu, dass sie ihm Küsse ge- 
statten müssen. Während der dritten Strophe hört man plötz- 
lich auf der Gasse das in Hungersnoth schmachtende Volk 
der Pariser: „Gebt uns ßrod ! - Brod!" tönt es mit schnei- 
dendem Ton in den lustigen Gesang Da erhebt sich Hein- 
rich — der König , der da gewollt , dass jedem Bauer Sonn- 
tags ein Huhn im Topfe brate! — und beginnt Brod und 
Speisen zum Fenster hinaus und unter die Hungernden zu 
werfen, zugleich mit aller Kraft den Refrain — »Genies- 
send denket auch der Armen 1" — wiederholend. 
Alle Anwesenden stimmen enthusiastisch mit ein und unter- 
stützen ihn in seinem Thun. — Dass diese Scene von ganz 
bedeutender Wirkung sein muss , bedarf wohl keines weitern 
Wortes , auch hat sie solche bei den pariser Aufführungen 
im höchsten Maasse erzielt. 



- 26 



beter Blanche's, der Geliebten MauUon's. Diese Bolle wurde 
in Paris von Crosti,, dem eigentlichen Gesangsbariton der komi- 
schen Oper gesungen. In der nun vorliegenden Partitur wird sie 
indessen dem hohen Bass Eugewiessen und findet sich tt. A. ein 
höchst originelles Reiterlied um einen Ton tiefer transponirt, 
Alles in Hinblick auf die bereits erfolgte Verwendung des Baritons 
in der Rolle Heinrichs IV. Hieraus erhellt zur Genüge, dass 
der Umfang der Partie ein kein aussergewöhnlicher ist. Don 
Francesco ist sowohl als Gesangs- wie als Spielpartie bedeutend, 
doch wird er leicht von den Vertretern des Faches dem er ange- 
hört wiederzugeben sein. Die fünfte Männerrolle ist Pastorel, 
ein Diener Blanche 's, der einen immerwährenden Appetit ver- 
spürt , was besonders für den , in dem ausgehungerten Paris leben- 
den , sehr unangenehm ist. Noch versucht der Arme seiner Frau, 
der Markedenterin Fleurette zu entfliehen, welche ihn indessen 
mit einer Beharrlichkeit und einem Aufwand von Liebenswürdigkeit, 
werth einer bessern Sache, verfolgt. Die Besetzung dieser Rolle — 
Bas8-Buffo — wird keinerlei Schwierigkeiten bieten. Die drei 
Damenpartien der Oper dürften auch nicht allzuschwer zu besetzen 
sein. Da ist vor allem Blanche von Etianges, die Geliebte 
des Mauläon , ein Mezzo-Sopran mit einiger Colloratur. Geschrieben 
wurde diese Rolle für das Talent der Frau Galli-Marie*, dersel- 
ben Künstlerin, welche den Kaled in Maillarts „Lara" so vor- 
trefflich dargestellt. Bühnengewandtheit und leichtes Prosa-Reden 
ist indessen auch zu dieser Rolle erforderlich. Neben ihr bewegt 
sich Valentine von R i e u 1 1 e s , eine junge hübsche Wittwe, 
der Heinrich IV. als Capitata Henriot in leichter galanter Weise 
den Hof macht. Gesanglich ist diese Partie von untergeordneter 
Bedeutung. Die dritte Frauenrolle ist Fleurette, die Marke- 
denterin und verlassene Gattin Pastoreis. Diese Partie , der Ge- 
sangs-Soubrette gehörend, ist besonders in gesanglicher Hin- 
sicht allerliebst und wird gewiss von jeder nur einigermaassen ge- 
wandten Darstellerin in dem hübschen Marketender-Costüme der Zeit 
der Ligue , mit Erfolg wiedergegeben werden. Die Chöre sind nicht 
unbedeutend, doch keinerlei Schwierigkeiten bietend , dessgleichen 
ist die Mise en scene ohne bedeutende Neu - Anschaffungen zu be- 
streiten. Drei Decorationen erfordert die Oper : Ein Lager mit der 
Aussicht auf Paris, ein Saal im Renaissance-Styl mit Balcon und 
Gabinets und der Vorhof des Hotels Etianges, Lagerleben, eine 
Rückkehr von der Jagd , die Erstürmung eines mit Spaniern und 
Liguisten gefüllten Saales und der beginnende Einzug des Königs 
in Paris , sind die zu lösenden grössern scenischen Aufgaben , welche 
allerdings mancherlei Ausstattung — sogar die Vorführung einer 
Meute — ' zulassen, jedoch auch mit gewöhnlichen, allerwärts 
wohl vorhandenen Mitteln wiedergegeben werden können. Die 
Hauptaufgabe aber ist und bleibt ein frisches und rasches 
Zusammenspiel und das ist zu erreichen durch eine tüchtige 
Regie , guten Willen, einiges Verständniss und — keine Scheu 
vor einer Reihe Prosa-Proben. Werden deutsche Bühnen- 
Vorstände Gevaerts Oper in diesem Sinne zur Aufführung bringen, 
so dürfte ihr Bemühen Erfolg und gewiss einen schönen Lohn fin- 
den , denn seit der Glanzepoche der französischen komischen Oper, 
den besten Werken S er ibe 1 s , Anber's, B o i e ldi eu's (Fra 
Diavolo, Maurer, Weisse Dame etc.) , ist keine der- 
artige Oper erschienen, welche eine so interessante und spannende 
textliche Grundlage aufzuweisen hat als Capitain Henriot, wäh- 
rend zugleich die Musik sich den besten jener Partituren zur Seite 
stellen darf. 

Möchten die deutschen Directionen , die gegebenen Winke be- 
herzigend , zu dem neuen Werke greifen und das Repertoire ihrer 
Bühnen wird gewiss um einen Erfolg reicher werden ! e. 



CORUESPONDENZEN, 



Aus 91 a I ii je» 



Während in andern Städten jetzt die Concertsaison auf ihrem 
Höhepunkte angelangt ist und die Productionen der wandernden 
Virtuosen mit den von einheimischen Künstler- und Dilettantenver- 
einen in reichem Wechsel sich ablösen , liegt unser goldenes Mainz 



vollständig in den freilich rosigen Fesseln des Carnevals und et 
wird daher fast ausschliesslich nur getanzt, sowohl in den verschie- 
denen Civil- und Militär-Casinos , wie in den Salons der Geld« und 
sonstigen Aristokratie — ja selbst die vielen Carnevalsvereine , an 
deren Spitze die Narrhatla, begnügen sieh nicht mit den aus* 
schliesslich für die männlichen Narren bestimmten eigentlichen 
Carnevalssitzungen , sondern sie ziehen auch, zum Theil um die 
nöthige Nachsicht der werthen Ehehälften für die fast all zu viele 
Nachtschwärmerei auf diesem Wege zu gewinnen, das schöne Ge- 
schlecht mit in ihr närrisches Treiben hinein , indem sie sogenannte 
Ca ffee visiten, d. h. Zusammenkünfte der Narren und Närrinnen 
zum Zwecke humoristischer Unterhaltung mit darauffolgendem Tanz- 
vergnügen veranstalten, die sich in der Regel eines sehr zahl- 
reichen Zuspruches zu erfreuen haben. 

Mit Concerten ist also gegenwärtig hier nichts zu machen, was 
wir hiermit der ganzen Virtuosenwelt zur geeigneten Berücksich- 
tigung angedeutet haben wollen , und wenn auch Ulimann mit 
seinen Patticoncerten trotz der vorerwähnten wenig günstigen Ver- 
bältnisse dennoch ein volles Haus erzielte, so ist diess eben Herr 
U 1 1 m a n n gewesen und nun gehe ein Anderer hin und probire, 
ob er es zu einem gleichen Resultate bringt. Die Liedertafel 
und der Damengesangverein studiren eifrig an Schnei- 
de r * s „Weltgericht" , mit dem sie gleich nach Beginn der Fasten- 
zeit über die gottlosen Mainzer herzufallen gedenken; auch das 
Theaterorchester hält mit seinen Sinfonieconcerten zurück , bis die 
Menschen etwas ernster und nüchterner und ihre erschöpften Geld- 
beutel etwas straffer geworden sind. Nur der Kunstverein 
fährt fort , seine Mitglieder mit musikalischen Quodlibets zu aniü- 
siren , welche das Besondere an sich haben , dass immer etwas An- 
deres aufgeführt wird, wodurch sich natürlich eine reichliche Quelle 
von Ueberraschung für das Auditorium ergibt. 

Es bleibt also von eigentlichen musikalischen Productionen nichts 
übrig, als die Militärmusik-Concerte. Seit Neujahr spielt nämlich 
die Musik des österreichischen Infanterieregiments „Baron Wern- 
hardt" unter Leitung ihres trefflichen Capellmeisters Hopf fast in 
jeder Woche einmal im Saale des Casino's „zum Frankfurter Hof" 
und einmal im Local der Narrhai la in der Fruchthalle. Diese Con-. 
certe , welche von 7 bis 11 Uhr Abends dauern und materiellere 
Genüsse nicht ausschliessen , sind bei der hiesigen Bevölkerung 
ausserordentlich beliebt , da deren Programme dem Geschmacke des 
grossen Publikums , vielleicht mit zu grosser Zuvorkommenheit, an- 
gepasst werden und die Ausführung der verschiedenartigen Musik- 
stücke stets eine sehr schwungvolle und präcise ist. Wir wollen 
auch gar nichts gegen die flotten Tänze einwenden , von denen die 
dortigen Zuhörer electrisirt zu werden pflegen, und möchten nur 
jene musikalischen Ungethüme , die sogenannten Potpourri's , die 
mit Locomotivengeschnaube, Ocbsengebrüll , Hahnengeschrei und 
andern Absurditäten so reichlich gespickt sind , möglichst selten in 
die Programme dieser Concerte aufgenommen sehen , wenn auch ein 
gewisser Theil des Auditoriums gerade bei jenen widerwärtigen 
Auswüchsen eines schlechten Geschmacks von Vergnügen ganz aus- 
ser sich geräth*und selbst mit zu brüllen anfängt. Sollte man denn 
nicht auch hei derartigen Productionen versuchen , das Publikum 
zu sich heraufzuziehen, statt zu dessen tiefsten Geschmacksver- 
irrungen sich nachgiebig herabzulassen? Der Beifall, den die bes- 
sern Musikwerke stets so reichlich finden , lässt über die Bildungs- 
fähigkeit des nämlichen Publikums keinen Zweifel übrig. Doch 
gilt dies nicht etwa nur der österreichischen Militärmusik, sondern 
auch den preussischen Musik chören , welche jeden Sonntag im Hotel 
Barth und in den Räumen der „neuen Anlage" vor einem zahlrei- 
chen Publikum sich mit grossem Beifall produciren , denn auch 
diese , obwohl sie im Ganzen häufiger gute Musik spielen , meinen 
es ginge nicht ohne jene scheusslichen Potpourri's. Wir haben uns 
längst vorgenommen , diese kleine Rüge auszusprechen , obwohl 
diese Art von Concerten sich einer strengeren Kritik in Bezug 
auf Geschmacksrichtung wegen ihres mehr populären Charak- 
ters zu entziehen scheinen , und nun ob geschehen ist , hoffen wir, 
dass die Lenker jener Concerte , deren Tüchtigkeit wir von ganzem 
Herzen anerkennen , unsere wohlmeinende Absicht nicht verkennen 
werden. r E. F. 



— 27 - 



lachrlehten. 



Aachen. Hr. Musikdirector Breunung verdient den wärmsten 
Dank de« Publikums durch die Aufführung des Oratoriums „Samson" 
Ton Händel, welche als eine in jeder Beziehung äusserst gelungene 
zu bezeichnen ist, sowohl was die Chore und das Orchester, sowie 
auch was die Solisten betrifft. Von Letzteren heben wir vorzugs- 
weise die Leistungen der Frl. Rempel aus Cöln und der Frau 
Pottho f-Diehl von hier, sowie des trefflichen Karl Hill aus 
Frankfurt hervor. Auch Hr. Göbbels (Samson) leistete recht 
Verdienstliches. 

Leipzig. Das 15. Gewandhausconcert am 1. Februar ist wie- 
derum als ein historisches zu bezeichnen. Von Instrumentalwerken 
kamen zur Aufführung : die Ouvertüre zu „Anakreon" und ein Entre- 
act aus „Medea" von Cherubini ; Serenade in B-dur für Blasinstru- 
mente und Contrabass, sowie ein Oboe-Concert (vorgetr. von Hrn. 
Kammermusikus Lund aus Stockholm) von Mozart, und die Ouver- 
türe zu „Joseph" von Mehul. Der Gesang war durch Hrn. Mar- 
chesi vertreten, der eine Arie aus „Figaro" von Mozart, ferner 
eine Arie aus „Mattimonio segreto" von Ciniarosa und Lieder von 
Joh. Friedr. Reichardt vortrug. 

Dresden. Das 5. Abonnementconcert der k. musikalischen Ca- 
pelle fand am 1. Februar statt und brachte als Novität die Sinfonie 
„Columbus" von J. J. Abert, welche vorzüglich executirt und mit 
grossem Beifall aufgenommen wurde. Ausserdem kamen zur Auf- 
fuhrung: die Jagd-Ouvertüre von Mehul und die grosse Leonoren- 
Ouvertüre von Beethoven, sowie eine der weniger bekannten Sin- 
fonien von J. Haydn in B-dur. Alle diese Werke fanden unter der 
vorzüglichen Leitung des Hrn. Hofcapellmeisters Dr. Rietz eine 
an Feinheit, Schwung und Correctheit nichts zu wünschen lassende 
Wiedergabe. 

Berlin. In den Gemächern IL MM. fand am 18. Januar ein 
Hofconcert unter Direction des Hrn. Hofcapellmeisters T a u b e r t 
statt, worin Frl. O r gen i eine Arie aus „Ernani" und eine Romanze 
von dem Frhr. von Rothschild vortrug; Frl. y. Pöllnitz sang 
„Auf Grusiens Hügeln" von Fr. Viardöt- Garcia und ein Terzett 
rt Vien al mar" mit den HH. Woworsky und S a 1 o m o n. 
Tausig trug eine Caprice über die „Ruinen von Athen" eigener 
Composition vor. 

Brüssel. Der Director der hiesigen italienischen Oper hat sich 
plötzlich zurückgezogen und seine Mitglieder im Stich gelassen; 
um diese nicht sehr achtenswerthe Handlung einigermaassen zu 
entschuldigen, hat er eine Erklärung veröffentlicht, die manche wahr- 
haft interessante Data enthält: Eine grosse Dame, die eine Oper 
componirt hatte und dieselbe auf die Bühne bringen wollte, hatte 
sich an ihn gewendet, damit er eine Gesellschaft von Künstlern 
engagire , um mit derselben ihr Werk aufzuführen ; sie versprach 
ihm eine Summe zu leihen, und der Director ging auf ihre Vor- 
schläge ein und berief Sänger und Sängerinnen, Choristen, miethete 
das Theater etc. Als nun alles so weit geordnet war, dass nunmehr 
der Anfang gemacht werden sollte, ward die Dame plötzlich von 
Furcht bewegt (für ihre Oper oder für ihr Geld, das kann Niemand 
wissen) , sprach davon , dasB man ihr Werk nicht genug probiren 
und daher nicht gut aufführen würde, und zog sich von aller Ver- 
bindlichkeit zurück. Der Director, welcher den für einen Geschäfts- 
mann unglaublich thörichten Streich begangen hatte, war nun ge- 
zwungen, das ganze Unternehmen aufzugeben, wird aber gegen die 
Dame einen Prozess anhängig machen ; die Gesellschaft spielt einst- 
weilen auf ihre eigene Faust und dürfte, von der Sympathie des 
Publikums unterstützt, bald der drückendsten Verlegenheit entrissen 
sein. (Die grosse Dame ist eine Madama Tarbe des Sablons, 
die schon vor mehreren Jahren eine Oper, „Les Bataves" auf die 
Bretter brachte ; dieselbe erlebte eine Vorstellung.) 

Paris. Die Einnahmen der Concerte, Theater, Bälle und öffent- 
lichen Schaustellungen in Paris betrugen im Jahre 1865 die Summe 
▼on 19,168,409 Frs., gegenüber von 16,748,975 Frs. des Jahres 1864. 

— Das Programm des 2. Abonnement -Concertes im Conserva- 
torium war folgendes : Sinfonie in A - moll von Mendelssohn ; Chor 
aus dem Oratorium „Das Weltgericht" von Fr. Schneider ; Fragmente 
aus dem Ballet „Prometheus" von Beethoven ; Chor aus der „Wal- 
purgisnacht", und Sinfonie Nr. 53 von Haydn. 

— Das 15. Concert des Hrn. Pasdeloup brachte: Suite für 



Orchester von J.S.Bach; Pastoral-Sinfonie von Beethoven; Ouver- 
türe zu „Athalia" von Mendelssohn ; Bruchstücke aus dem Quintett 
Op. 34 für Clarinette und Streichquartett; Ouvertüre zum „Garne* 
val von Rom" von Hector Berlioz. 

— Die Bouffes Parisiens haben Offenbachs „Orpheus in der 
Unterwelt" in glänzender Weise wieder auf die Scene gebracht. 

Florenz. Der berühmte Geiger Jean Becker hat zur Freude 
seiner zahlreichen Verehrer ein Abonnnment auf drei Concerte er- 
öffnet, in welchen er mit den HH. Masi, Chiostri und Hilpert 
vorzugsweise einige der schwierigeren Quartette von Beethoven zur 
Aufführung bringen wird. 

— Der König von Portugal hat für das in unserer Stadt zu 
errichtende Cherubini-Monument einen Beitrag von 200 Frs. gespendet. 

Petersburg. Im 6. Concerte der russischen musikalischen Ge- 
sellschaft wurden Schumann's „Manfred"-Musik, der 48. Psalm von 
Mendelssohn und die C-moll-Sinfonie von Gade aufgeführt. In dem- 
selben Concerte trat auch Ferdinand Laub mit dem Concert 
von Beethoven zum ersten Male vor das Petersburger Publikum. 
Er wurde von diesem wie vom Orchester lebhaft begrüsst und ein 
endloser Beifallsjubel folgte seiner eminenten Leistung. 

*** Die ersten 15 Vorstellungen von Flotow's „Martha" in 
Paris haben eine Einnahme von 84,000 Frcs. ergeben. 



* * 



* Ein Theil der Pariser italienischen Operngesellschaft wird 
demnächst im k. Theater zu Brüssel einen Cyclus von Vorstellun- 
gen eröffnen. Ebenso wird auch de Hartog's Oper : Le Mariaffe 
de Don Lope zur Aufführung kommen. 

*** Das städtische Museum in Braunschweig erhielt einen be- 
merkenswerthen Zuwachs durch die Häusler'sche „Sammlung von 
Theaterzetteln von allen Bühnen der Erde", die für die Geschichte 
des Theaters ein unschätzbares Quellenmaterial enthält, wie es sich 
vielleicht nirgends weiter findet , und deren Werth noch bedeutend 
erhöht wird durch die beigefügten Porträts und Costumebilder etc., 
reiches biographisches und literar-historisches Material , sowie auch, 
zumal für die Geschichte der Musik, durch die dabei befindlichen 
Concert-Programme und eiue ausserordentlich reiche Sammlung von 
Operntexten. 

*** Der Pianist Gustav Satter soll vom König von Han- 
nover den Capellmeistertitel erhalten und unter seiner Leitung im 
nächsten Sommer ein dreitägiges Musikfest im dortigen Hoftheater 
stattfinden. 

* m * In Bordeaux hatte eine tragische Oper „DerGiaur* vom 
dortigen Capellmeister Hermann sehr guten Erfolg, obgleich der 
erste Tenor heiser wurde , sich nicht entschuldigen Hess und tumul- 
tuöse Scenen hervorrief. 

*** Der Fürst Galizien hat in Moskau grosse Volkscon- 
certe nach dem Muster der Pasdeloup'schen in Paris organisirt, 
welche gegen ein sehr geringes Eintrittsgeld in der 8000 Zuhörer 
fassenden kais. Reitbahn stattfinden. Der Chor besteht aus 500 
Personen. 

%.* Der bekannte Walzer - Componist Musard hat, wie aus 
Paris geschrieben wird, die am Corner -See gelegene Villa Pizzo, 
die bisher dem Erzherzog Rainer angehörte , für die Summe von 
400,000 Frcs. angekauft. 

*** Hr. Schulz, Lehrer am Stern'schen Conservatorium in 
Berlin, ist vom Grossherzog von Mecklenburg - Schwerin zum Hof- 
pianisten ernannt worden. 

%* Aus Lüttich wird gesehrieben : Der berühmte Geiger Vieux- 
temps hat ein nationales Oratorium (oder vielmehr eine Cantate) 
geschrieben, die bald veröffentlicht werden soll ; sie behandelt einen 
eigentümlichen Stoff: die Entwicklung Belgiens seit 1833, und ist 
ganz auf Programmmusik eingerichtet. 

*** Am 26. Januar ging die „Afrikanerin a< auch in Carlsruhe 
in glänzender Ausstattung zum ersten Male in Scene und fand 
enthusiastische Aufnahme. Die Aufführung selbst, unter der Direc- 
tion des Hrn. Hofcapellmeister L e vi, war eine vorzüglich gelungene. 
*** In Heidelberg kam die neunte Sinfonie von Beethoven in 
recht anerkennenswerther Weise zur Aufführung, und wurde der Di- 
rigent, Musikdirector B o c h am Schlüsse lebhaft gerufen. 

*„* Frl. S a u t e r in Berlin hat am Freitage den Contract 
ihres künftigen Engagements am Hoftheater zu Dresden unter- 
zeichnet. Sie tritt nach dem Abgange der Frau Bürde-Ney, 
die nach einem Cyklus von zehn Abschiedsvorstellungen für immer 



— 28 — 



die Bühne verläset, an die Stelle derselben mit einer Jahresgage 
Ton 5000 Thlr. inel. Spielhonorar. Frl. Sanier ist verlobt mit dem 
Gesanglehrer und Componisten Alfred Blnme in Dresden. 

*** Capellmeister P e r d. H i 1 1 e r ist kürzlich in der ersten 
Abendauterbaltung für Kammermusik zu Leipzig als Componist und 
Clavierspieler aufgetreten, indem er mehrere seiner neueren Com- 
positionen, nämlich: eine Concert - Sonate für Clavier und Violine 
(mit Hrn. David) und dann Gavotte, Sarabande und Corrente 
für Clavier allein vortrug. Die letzteren, reizend componirten und 
vorgetragenen Stücke wurden besonders beifällig aufgenommen. 

*** Beauquier*s unlängst erschienene und höchst beachtens- 
werte „Philosophie de la Musique" wird in deutscher Uebersetzung 
von E. Bernsdorf erscheinen. 

*** Der Pianist A. Deprosse hat Frankfort a. M. verlassen 
und ist als Lehrer an dem von Hrn. P r a n z in Coburg eröffneten 
Conservatorium eingetreten. 

*** An die Stelle des Hofpianisten Hrn. Ratzenberger in 
Sondershausen ist Hr. Alfred Volkland aus Braunschweig 
getreten. 

*** Der König von Preussen hat bei dem diesjährigen Krönungs- 
und Ordensfeste nachstehenden Personen Ordeu und Ehrenzeichen 
verliehen : den rothen Adlerorden 4. Klasse : dem k. Kammermusiker 
C. Böhmer, dem pens. Kammermusiker Hörne; den Kronorden 
4. Klasse: dem Hof-Pianofortefabrikanten Carl Bechstein, dem 
Director derMilitärmasik Wi e p r e cht ; das allgemeine Ehrenzeichen 
dem Stabstrompeter Decker und dem Militärmusikmeister Rode. 

*** Man beabsichtigt in New-York ein Conservatorium der 
Musik nach dem Muster des Pariser Conservatorinms zu errichten, 
und ist bereits ein Theil der hiezu nöthigen Summe von 2,500,000 
Frcs. gedeckt. 

*** Der Tenorist Ferenczy in Wien soll in einer, namentlich 
bei Tenoristen unerhörten Selbsterkenntniss bei der Direction der 
Hofoper darauf angetragen haben, seine Gage von 10,000 fl. auf 
6000 fl. herabzusetzen. 

*** Frau Krebs-Michalesi sang am 20. Januar bei der 
100. Aufführung des „Propheten" die Fides zum 96., Tichatschek 
den Johann ungefähr zum 90. Male unter dem wärmsten Beifalle, 
und besonders Erstere mit noch ebenso ungeschwächter Kraft wie 
vor sechszehn Jahren. 

*** Am 12. Februar soll Joachim wieder in London in 
einem der populären Montagsconcerte auftreten. 

*** Dem „Nürnberger Corresp." wird von München aus ge- 
schrieben, dass König Ludwig II. darauf beharre, ein Theater im 
Sinne des von R. Wagner aufgestellten Programms zu errichten. 1 
Das Theater solle 8 — 10,000 Personen fassen , der Zutritt frei sein, 
und auf demselben vorzugsweise Wagner'sche Opern zur Aufführung, 
kommen. Demselben Blatte wird gleichzeitig versichert , dass an 
eine Wiedereröffnung des Musikcouservatoriums in seiner früheren 
Organisation nicht zu denken sei. 

*** In Frankfurt a. M. ist der 110. Geburtstag Mozart's 
(27. Januar) durch die Aufführung der Oper „Zaida", einer Jugend- 
Schöpfung des unsterblichen Meisters, gefeiert worden. 

*** In Valenzia ist eine Oper: „Gli Amanti di TereuP* von 
Avelino de Aguirra mit Enthusiasmus aufgenommen worden. 
Der Componist und die Dichterin, Rosa Zapater, wurden un- 
zählige Mal hervorgerufen. 

*** In Barcelona erscheint seit Neujahr im Verlag der Musik- 
handlung von D. Andres Vidal eine Musikzeitung unter dem 
Titel: „La Espagna musical". 

V Der Flötenvirtuose De Vroye aus Paris erhielt vom Her- 
zog zu Sachsen-Altenburg die Verdienstmedaille des herzogl. sächs. 
Ernestinischen Hausordens. 

*** In der Villa, welche Rieb. Wagner bewohnte, brach 
kurz nach seiner Abreise nach dem südlichen Frankreich, wo er 
gegenwärtig verweilt, Feuer aus, bei welcher Veranlassung beinahe 
seine Partitur zu den „Meistersängern" verbrannt wäre. 

*** Im neuen Harmonie - Theater in Wien kam eine Operette 
von Bachrich: „Des Heerdes und der Liebe Flammen" zur Auf- 
führung. Die Musik machte wenig Glück, da sie, auffallend den 
Wagnerischen Styl nachahmend, sich schlecht mit dem leichten Genre 
der Operette verträgt. 



V Die Sängerin Frl. Grün vom Hoftheater in Cassel ist 
auf drei Jahre bei der k. Oper in Berlin engagirt worden. Sie 
erhält in den zwei ersten Jahren 3000 Thlr. und im dritten Jahr« 
3500 Thlr. Gage nebst 10 Thlr. Spielhonorar. 



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Neue Musikalien. 

Im Verlage von Fr. Kistner in Leipzig erschien 
soeben mit Eigenthumsrecht : 

Appel, Carl. Op. 28. Salonstücke für die Violine mit Beglei- 
tung des Pianoforte. 20 Ngr. 

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„Schlaf sanft mein Lieb") für vier Männerstimmen, 
(Solo und Chor.) Part, und Stimmen 22 V, Ngr. 

Brambaeh , C. «log, Op. 10. „Trost in Tönen ," für ge- 
mischten Chor mit Orchesterbegleitung. 
Partitur 20 Ngr, 
Orchesterstimmen 16 Ngr. 
Chorstimmen 10 Ngr. 
Ciavierauszug 15 Ngr. 
Brunner, ©. T. Op. 446. Kleine Melodien für Anfänger des 
Ciavierspiels in leichtester Weise und fortschreitender 
Stufenfolge zu vier Händen — als Beigabe zu 
jeder Ciavierschule, H. 1-3 a 15 Ngr. 
Davidoll*, Clir. Op. 14. 2me Concerto pour le Violoncello 
avec aecompagnement d'Orchestre ou de Piano. 
Pr. avec Orch. Thlr. 4. 10 Ngr. 
Dreyaeliock, Alex. Op. 139. Nocturne (la jeune captive) 
pour le Piano. 10 Ngr. 

— Op. 140. Chanson sans paroles (la Bergeronette) pour 
le Piano. 10 Ngr. 

Henrlon, Paul. „A bride Abattue" Fantaisie-Galop pour 

Piano. 15 Ngr. 
Horn, August. Op. 23. Frühlingslied - Gedicht von Fr. 

Bodenstedt — für eine Singstimme mit Begleitung 

des Pianoforte. 17Vj Ngr. 
Huiltze, C. Op. 113. Drei Quartette — Nr. 1. Liebesfrühling, 

von Marie Ihring. Nr. 2. Der Kuss, von Th. Drobisch. 

Nr. 3. Wie hab ich dich bo lieb, von C. W. Müller — 

für Männerstimmen. Part. u. Stimmen. 22 V, Ngr. 
LOw, Josef. Op, 3. „Dans la Solitude," RSverie pour Piano. 

10 Ngr. 

— Op. 4. Zwei melodiöse Ciavierstücke. — Nr. 1. Zu- 
versicht. Nr. 2. Sorglosigkeit. Nr. 1 u. 2 a 10 Ngr. 

— Op. 6. Novellette pour Piano. 10 Ngr. 

IiUft, JF* II* Op. 20. Nocturne pour l'Hautbois avec aecom- 
pagnement de Piano. 25 Ngr. 

MetllfeSfSel, Alb. Op. 156. „Wann, o wann" (Dichtung von 
Em. Geibel) für vierstimmigen Männergesang (Chor 
und Solo). Part, und Stimmen. 17 1 /» Ngr. 

Norman, Ij. Op. 12. Drei Ciavierstücke im Scherzcharacter. 
25 Ngr. 

Paiier, Ernst. Op. 60. Studie (Variationen im ernsten Style) 
über ein Thema aus G. F. Händel's „Samsou" für das 
Pianoforte. Thlr. 1. 

Raff, Joachim. Op. 118. Valse favorire pour Piano. 15 Ngr. 

— Op. 119. Phantasie für Pianoforte. 15 Ngr. 

— Op. 120. Spanische Rhapsodie für Pianoforte. 15 Ngr. 
Vogflp CJhr. Op. 287. Transcriptions Italiennes. Nr. 4. Scene 

et Air d'Egberto de l'Opera „Aroldo" de Verdi, pour 
Piano. 16 Ngr. 

— Nr. 5. Scene et Duo d'Amelia et Gabriele de POpeVa 
„Simon Boccanegra" de Verdi, pour Piano. 15 Ngr. 

— Nr. 6. Scene et Duo de Lina et Stankar de l'Opera 
„Stiffelio" de Verdi, pour Piano. 15 Ngr. 

Walkerllris , Rieh. Op. 2. Zwei Stücke für das Piano- 
forte. 15 Ngr. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck *. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



&*&• 



19. Februar 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 






DieseZeitung erscheint jeden 

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Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



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IKHALT: Künstlerische Beurtheilung der Musik des K. Pr. 34. Infant.-Reg. — Correspondenzen : München. Paris. — Nachrichten. 



Künstlerische Beurtheilung 

der Musik des KÖnigl, Preuss. 34. Infanterie-Regimentes. 

Von J. Weber.*) 

(Aus dem Journale „Le Temps," 15. November.) 

Ich übergebe die erste Hälfte dieser Kritik, welche besonders 
die Ausführung der Musikstücke, deren Auffassung und Arrangement 
betrifft, und beginne mit dem Theile, auf welchen zu antworten ich 
mir zur Pflicht machte. Diese Antwort ist in den Journalen ,,la 
France chorale'* von Paris (Nro. vom 5. Dezember) und in dem 
„Niederrheinischen Kurier" von Strassburg (Nro. vom 8. und 9. De- 
zember) erschienen; das Journal „le Temps" hat mir durch das 
Organ des Herrn J. Weber deren Veröffentlichung verweigert. 

A. E. Schäfer. 

„Nachdem ich zwei Concerten beigewohnt, suchte ich mir ver- 
gebens Rechenschaft zu geben über die Zusammenstellung dieses, 
aus 60 Executanten bestehenden Musikchors , während eine gute 
französische Militärmusik von 40 Mitgliedern bessere Resultate er- 
zielt. Ich ging also in ein drittes Concert und suchte mich so zu 
placiren, dass ich auf's Beste die verschiedenen Instrumente unter- 
scheiden konnte. Ich habe die Lösung des Räthsels gefunden. 
Dieses Orchester, welches bei der Anhörung von unseren Militär- 
musiken ganz verschieden scheint, ist nichts weiter als eine mangel- 
hafte Nachahmung der in Frankreich durch ein ministerielles Dekret 
vom Jahre 1845 eingeführten Organisation. Die Thatsache ist zu 
seltsam, um nicht eine genaue Darstellung zu verdienen *, ich muss 
demnach die Zusammenstellung der preussischen Musik umständlich 
schildern. Uebrigens könnte ich zum Belege dessen, was ich hier 
sagen werde, mich auf die Zeugnisse der Universal -Ausstellungen 
berufen und auf andere ebenso wenig bestreitbare Dokumente. 

Die Fabrikation der Holzblasinstrumente ist in Deutschland 
gänzlich stehen geblieben. Die Verbesserungen , welche wir den 
Verbindungen und Ringen des Systems B o e h m, das allgemein in 
Frankreich angenommen ist, verdanken , sind bei unsern Nachbarn 
nicht zu Gunsten gekommen. Die Hoboen des Hrn. Parlow sind 
primitiv und erinnern au diejenigen der italienischen . pifferari" ; 
die Flöten und Clarinetten können nur mittelmässig sein. Der un- 
wissendste Zuhörer kann leicht die schlechten Töne der Mittellage 



*) Wir geben dem Ersuchen, die Beurtheilung der preussischen 
Militärmusik von J. Weber und die berichtigende Erwiderung 
von A. E. Schäfer auf dieselbe in unser Blatt aufzunehmen, 
gerne Folge , da sich in der Weber'schen Kritik nichts weiter 
als eine mit acht französischer Selbstüberschätzung geschriebene 
Reclame für die Instrumente des Hrn Öax kund gibt, und wir 
mit Hrn. Schäfer der Ansicht Bind, dass die gemischten Klang- 
farben der preussischen und andeien deutschen Militärmusiken 
jedenfalls eiue bessere Wirkung machen müssen als dies bei 
einem ausschliesslich aus Sax'schen Instrumenten zusammenge- 
setzten Orchester der Fall sein kann. Auch der Zurückweisung 
der anmassenden Geringschätzung, mit welcher Weber die deutsche 
Instrumenten • Fabrikation behandelt, geben wir gerne weitere 
Verbreitung. Die Red. 



bei den Clarinetten unterscheiden; die oberen Töne sind hart und 
schreiend, und die Clarinettisten sind sehr häufig genöthigt die Noten 
abzustossen , auch wenn dies nicht erforderlich wäre. * Die kleine 
Flöte ist nur ausnahmsweise angewendet. Die zwei Fagotte und 
der Contrafagott machen sich an einem Abende ein- oder zweimal 
durch einen besonderen Effect bemerklich ; für den Rest sind sie so 
gut als abwesend. In Frankreich sind sie aus der Militärmusik aus- 
geschlossen. Dagegen haben wir die Saxophone s, von denen ein 
Doppelquartett für die Infanteriemusiken vorgeschrieben ist; die 
Schönheit ihres Tones uud die Art, wie sie sich sowohl mit den 
Holzinstrumenten wie mit den Blechinstrumenten verbinden, ist eine 
ebenso kostbare als neue Hülfsquelle. — Die vier Hörner haben ihr 
Dasein in der Ouvertüre aus „Freischütz" beurkundet, im Uebrigen 
steht es mit denselben wie mit den Fagotten. Das einfache Hörn 
ist ein armes, das gewöhnliche Ventilhorn ein schlechtes Instrument. 
Wir haben dieselben durch die Saxotromba's ersetzt, welche 
sich zwischen die Flügelhömer und Trompeten einschalten. Wurden 
Sie glauben, dass ich vergeblich in dem Orchester des Hrn. Parlow 
die in den Harmoniemusiken so nützlichen Cornets ä pislons ge- 
sucht habe ? Das preussische Instrument, welches sich durch seine 
Form dem Cornet zu nähern scheint, ist ein Sopran* Flügelhorn, 
welches für diejenigen Tonlagen bestimmt ist, die das Flügelhorn 
in B nicht erreichen kann. Ferner sind vier Trompeten vorhanden 
und vier Posaunen, worunter eine Bassposaune. Alle diese Instru- 
mente sind mit Ventilen versehen; die Zugposaune ist demnach aus- 
geschlossen, und dies mit Recht. Unnöthig, mich mit der Kritik 
dieser Instrumente zu befassen : bei Anhörung hatte ich kaum das 
Vorhandensein der Hälfte vermuthet 

Für den Schiusa habe ich noch etwa zwanzig Instru- 
mente aufgespart, welche nichts anderes sind als die Familie der 
FlügelhÖrner, in Frankreich Saxhorns genannt, nach dem Namen 
des berühmten Instrumenten- Fabrikanten, welcher an demselben be- 
deutende Verbesserungen angebracht hat. Es ist zu bemerken, dass 
vor dem Jahre 1845, und sogar noch eiuige Jahre später, die Deut- 
schen von dieser Instrumenteuklasse nur das Flügelhorn in B und 
ein grosses Instrument kannten, welches sie Tuba nannten. Nach 
dem Beispiele des Hrn. Sax haben sie die Tuba's durch Bom- 
bardons (in C und B) ersetzt, und .die Mittelgattungen dieser 
Familie zugefügt. 

Die Preusseu haben diesen Fortschritt den Oestreichern entlehnt; 
sie bedienen sich der von Letzteren verfertigten Instrumente oder 
ahmen dieselben nach. Wenn diese Instrumente noch von guter 
Qualität wären, so würden sie in den deutschen Musiken eine solide, 
homogene und characterisirte Harmonie- Grundlage bilden, wie dies 
bei den französischen Musiken der Fall ist Unglücklicherweise 
haben aber die Deutschen die Hauptsache vergessen. Wenn sie die 
Erörterungen befolgt hätten, zu welchen die neuen Erfindungen des 
Hm. Sax Anlass gegebeu, bo würden sie gesehen haben, dass dieser 
Instrumeutenmacher zuerst die Wichtigkeit der Gesetze, des Verhält- 
nisses der Röhre bei den Blasinstrumenten erkannt und bewiesen 
hat. Die vollkommene Kenutuiss dieser Gesetze ist sein Haltpunkt ; 



— 30 



mit derselben bat er die ganze Instrumeaten-Fabrikation umgestossen, 
indem er nämlich neue Instrumente schuf, die älteren verbesserte 
und sämmtlich zu Familien heranbildete. 

Die Deutschen sind dagegen noch so tief im Inrthum befangen, 
dass sie nicht einmal begreifen , dass eine übermassige Weite der 
Röhre, welche bei den Klappen-Flfigelhörnern einen gewissen Grund 
hatte, bei den Ventilinstrumenten ein Unsinn ist; der Ton ist matt, 
dumpf und spricht weniger gut an als bei einem Instrumente mit 
vernünftigen Proportionen. Die tiefen Flügelhörner haben denselben 
Fehler; da die Deutschen die richtigen Proportionen eines Instru- 
mentes dieser Familie nicht ausfindig machen konnten, so mussten 
sie sich notwendigerweise bei allen anderen irren ; daher dann die 
weiche, dumpfe Klangfarbe ihrer sämmtlichen Flügelhörner und der 
Mangel an Einheit ihrer Instrumente, ohne der Mangelhaftigkeit ihrer 
Ventile zu gedenken. Die Bässe und Contrabässe, in Masse vereinigt 
und von den Posaunen unterstützt, entwickeln zwar eine ziemlich 
respectable Kraft, aber wenn man dagegen nur die Hälfte der An- 
zahl guter Saxhorns hörte, so würde man sich wohl von dem Unter- 
schied in der Qualität dieser Instrumente überwiesen finden. Ach! 
hätten wir nur an demselben Abende einmal nach der preusaischen 
Musik diejenige der Guides oder der Garde de Paris gehört, oder 
auch nur das zwölfstimmige Orchester mit den neuen Instrumenten 
den Hrn. Sax , von welchem ich Ihnen neulich gesprochen habe 1 
Hr. Parlow wohnte übrigens einer von Hrn. Sax veranstalteten Pro- 
duction bei, und dies mit einer Bereitwilligkeit, einer Offenherzig- 
keit und einer Begierde sich zu belehren, welche ihm zur grossen 
Ehre gereicht. Er bezeugte seine Bewunderung für die schöne 
Klangfarbe der Saxophones, für die neue Hilfsquelle der Saxhorns, 
der Trompeten uud Posaunen mit sechs unabhängigen Ventilen, 
sowie für das neue C o r - S a x. Er wird erstaunt gewesen sein, 
Posaunisten und Bassisten zu hören, welche mit zehnmal mehr Styl 
und Ausdruck und mit viermal mehr Fertigkeit blasen als der beste 
Clarinettist des preussischen Orchesters. (?) 

Der Schluss, den wir aus allem diesem ziehen, ist folgender: 
Wenn die Deutschen vor mehr als 20 Jahren die besten Militär- 
musiken besassen, so würden sie sich doch gewaltig irren, wenn sie 
•ich dies heute noch einbildeten. Sie haben Frankreich Ehre ge- 
macht, indem sie die 1645 decretirte und 1854 und 1860 modificirte 
neue Organisation nachgeahmt haben; aber durch die Ungeschick- 
lichkeit, mit welcher sie einen Theil unserer Instramente nachgeahmt 
während sie mit den anderen stehen geblieben, haben sie uns ein- 
mal mehr bewiesen, wie weit wir sie überflügelt haben. 

J. Weber. 



COBRESPOVDEKZCH. 
Aluh München. 

#. Febnar. 

Es gibt nur Weniges, worüber ich Ihnen heute berichten kann: 
die ganze Musik scheint jetzt in den schleifenden Dreivierteltact 
des Walzers oder in den zappltchen Dreiachteltact einer Polka auf- 
gegangen zu seiu, und ein Berichterstatter kann nun zu neuer Ar- 
beit gemächlich ausruhen, eine Annehmlichkeit, für welche nur der 
die volle Empfindung hat, der sich ex officio an jede Tafel setzen 
muss, wo Kunstgenüsse aufgetischt werden. 

Ein Spätling in der Saison war das Concert der Frl. Am alle 
Schönchen, einem Mitglied« einer in München best-renommirten 
musikalischen Familie. Sie ist Sängerin und besitzt eine nicht grosse, 
vom Zahn der Zeit schon angenagte, aber sympathische Stimme von 
breitem Ton und edler Klangfarbe; in der Auswahl und dem Vor- 
trag der Gesangspiecen, welche sie auf das Programm gesetzt hatte, 
bewies sie Geschmack und gründliche musikalische Bildung. Da in 
dem Concerte die ersten Kräfte unseres Hoforchesters, wie B ärmann, 
8 trau s s, Müller, Vitzthum u. 0. w. mitwirkten, läset sich 
denken, dass die einzelnen Nummern des Programms zur besten 
Wirkung gelangten. 

In der Oper trat Hr. Grill als „Jobann von Paris" wieder 
auf; lange Zeit hatte ihn ein Halsleiden, das er sich durch Ueber- 
anstrengung auf Gastspielen zugezogen, von der Bühne entfernt ge- 
halten; der lange Uuterricht aber, den er bei dem Gesangslehrer 



Schmidt, der «ich auf derartige Cur en (man denke an Frau B ü r!d e- 
N « y) verstehen will , genommen hatte , wies keine Früchte oder 
doch nur ganz unansehnliche auf: die Stimme klang wie vorher, 
n att und krank und verschleiert, und das Theaterpublikum bedauert» 
dass dieser Heldentenor, der bei ihm sonst gut angeschrieben war, 
nun nur mehr zu ganz kleinen Episoden zu gebrauchen ist. 

Die Oper bietet keinen Reiz; in dem ewig gleichen Kreise 
spielt sich das magere Repertoir ab, und von Novitäten oder Neu« 
einstndirungen interessanter Opern dürfen wir uns in München vor- 
läufig nichts träumen lassen. Für die zweite Hälfte des Jahres — 
allerdings eine ungenügende Entschädigung — ist die „Afrikanerin" 
in Aussicht genommen; ob's dazu kommt, ist abzuwarten. 

Das Actientheater brachte ein Volksstück von Hermann 
S c h m i d, welches sich „der Tatzelwurm" betitelt, zur Aufführung. 
Capellmeister Krempelsetzer hat dazu ungefähr sechszehn oder 
achtzchnNummern componirt, die sich sämmtlich durch frische, anspre- 
chende Melodien und saubere, solide Arbeit auszeichnen. Mir gefiel 
vorzüglich ein ganz characteristischer Rekrutenmarsch, dessen lustige, 
acht volksthümliche Weise das Piccolo bläst, welches vom Fagott, 
der Flöte und der kleinen Trommel begleitet wird , nicht minder 
ein Gebet im dritten Akt, eine innig empfundene Composition, die 
dazu reizend instrumentirt ist. 

Die Hofcapelle veröffentlicht nun immer jede Woche ihr Pro- 
gramm, das sie an Sonn- und Feiertagen während des Gottesdienstes 
in der Allerheiligen-Hofkirche, meist unter Capellmeister W ü 1 1 n e r's 
Leitung zur Aufführung bringt; dadurch haben diese Kircheneoncerte 
unter dem Publikum erneutes Interesse gefunden, und die Kirche 
kann die Zuhörer kaum fassen, welche Sonntags dem Gottesdienste 
und den Vorträgen der Hofcapelle beiwohnen wollen. Z. 

A ii 8 Pari». 

f). Febraar. 

Die soeben verflossene Woche hat uns zwei neue Opern ge- 
bracht: „Fior d'dfiza" von Victor Masse und „Barbe Bleue'* 
von JacquesOffenbach. „ Fior d ' Aliza" die vorigen Montag 
in der Opera comique zum erstenmale in Scene ging , hat sich, 
wenn auch keiner glänzenden, doch einer sehr freundlichen Aufnahme 
zu erfreuen. Das Werk ist reich an musikalischen Schönheiten, 
der Text aber ist zu breit ausgesponnen. Der Rahmen ist zu weit 
für die dürftige Handlung, was den Erfolg des Compositeurs sehr 
beeinträchtigt. Was „Barbe Bleue" betrifft, so bieten die Verfasser 
des Textbuches, die HH. Henri Meilhac und Ltidovic Halevy, 
in demselben mehr Witz und weniger Anstössigkeiten als in der 
„Belle Helene". Die Musik Offenbach's ist frisch und lebhaft, und 
so wird sich diese Opera buffa gewiss lange auf dem Repertoir 
des Varie'te's- Theaters erhalten. 

In der italienischen Oper ist AdelinaPatti vorigen Do uners- 
tag als Rosine im „Barbier von Sevilla" aufgetreten. Ungeheurer 
Applaus und Blumenregen. Ohne diese Nachtigall könnte das ge- 
nannte Theater gar nicht bestehen. 

Im The'dtre lyrique wechselt „Martha" mit Gounod's „Faust" 
ab. Beide Opern machen volle Häuser; indessen wird dort doch 
schon Mozart's ,,Don Juan" fleissig einstudirt. 

Die Partitur der Graner Messe von Liszt befindet sich bereits 
in den Händen des Barons Taylor und wird bo bald als möglich 
zur Aufführung kommen. 

Der Cyclus der Concerte, welche Mme. Szarvady unter Mit- 
wirkung der Gebrüder Müller aus Moiningen im Saale Pleyel 
gibt, hat vorigen Dienstag begonnen und zwar vor einem diclitge- 
diängten Publikum, welches den Leistungen der Pianistin und des 
berühmten Streichquartetts den lebhaftesten Beifall zollte. 

Felicien David ist io Petersburg eingetroffen, wo er 
während der Fasten drei musikalische Soireen geben und in den- 
selben seine gelungensten sinfonischen Werke zur Aufführung 

bringen wird. 

^< * i n » — 

W tt e Ii r I <* Ii < e ii 

Cöln. Das Programm des 7. Gesellschaftsconcertes im Gürzenich 
enthielt : Ouvertüre zu „Athalia" von Mendelssohn ; Arie aus 



- 31 - 



„Figaro's Hochseit", ges. von Hrn. Marchesi; „die Nixe," aus 
dem Russischen des Lermontoff übersetzt von L. Sprato, für Altsolo, 
Frauenchor und Orchester von A. Bubiostein (Altsolo: Frau Mar- 
en e s i) ; Claviereoncert von C. Reinecke, vorgetr. vom Com- 
ponisten ; Duett aus der „Olympia" von Sacehini (Hr. und Frau 
Marchesi); Credo aus der Krönungsmesse von Cherubini; Pastoral- 
Sinfonie von Beethoven. 

CoblenZ. Am 16. Januar, dem Vorabende von Mozart'« Ge- 
burtstag fand das sechste Abonnement» - Concert unter Leitung von 
Max Bruch statt und kamen bei dieser Gelegenheit nur Mozart*- 
sche Compositiouen zur Aufführung, und zwar: Sinfonie in C-dur 
mit der Schlussfuge; Arie aus „Figaro's Hochzeit" (Hr. Marchesi); 
Claviereoncert in C-moll (Hr. Fr. G e r n t> h e i m) ; Mauerische Trauer- 
musik ; Arie aus „Don Juan 4 ' (Hr. Marchesi) ; Ave verum ; Andante 
und Rondo aus der Sonate in O-dur für zwei Claviere (die HH. 
Gernsheim und Bruch) ; Ouvertüre zur „Zauberflöte". 

München. Der gegenwärtig hier verweilende Grossherzog von 
Hessen -Daimstadt besucht in Begleitung des Prinzen Adalbert von 
Baiern regelmässig das Volkstheater und hat dieser Tage den Vor- 
stand und Secretär des Verwaltungsrathes, die HH.' Riede rer und 
Bayer, sowie den artistischen Director des Volkstheaters, Hrn. 
Engelken, mit dem Ritterkreuz des Verdienstordens Philipp des 
Grossniüthigen eigenhändig decorirt. 

Leipzig. Am 8. Februar fand das herkömmliche Concert zum 
Besten der Armen im Gewandhaussaale statt. Zur Aufführung 
kamen die Ouvertüren zu „Leonore" von Beethoven und zu „Geno- 
vefa" von R. Schumann, eiu Violiucoucert von Lito!ff, vorgetr. von 
Concertmeister Dreyschock, und das Beethoveu'scbe Clavier- 
eoncert in C-moll, vorgetr. von dem hannoverschen Hofpianisten 
Labor. Die k. Kammersängerin Frl. Üb rieh von Hannover sang 
die Arie : „Auf starkem Fittig" aus Haydu's „Schöpfung," eiue Arie 
aus Russin i's „Semiramis'* uud Lieder von Mendelssohn, Taubert 
uud Schumann. 

Dresden. Am 10. Februar fand die erste Soiree für Kammer- 
musik (2. Cyclus) der HH. Cuncertm. L auter bach, Hü 11 weck, 
Görin g und Grützmacher statt. Als Novität wurde das Quar- 
tett iu C-moll (Op. 17) von A. Rubin stein vorgeführt, ein in 
jeder Beziehung interessantes Werk. Ausserdem hörten wir das 
A-dur-Quartett von Mozait UDd das Quintett in C-dur (Op. 29) von 
Beethoven, bei welchem das Capellmitglied Hr. M e h 1 h o s e mit- 
wirkte. Sämmtliche Werke wurde mit der den genannten Künstlern 
eigenen Meisterschaft iu Auflassung und Ausführung wiedergegeben. 

BreS'aU. Der bisherige Director des Stadttheaters, Hr. Gundy, 
hat seine Concession gegeu eiue bedeutende Entschädigungssumme 
an Hrn. Stein abgebeten. 

BrttSSel. Grosses Aufsehen in der Brüsseler musikalischen Welt 
macht die Neuigkeit, dass die HH. Servais und Leonard be- 
schlossen haben, ihre Stellung am hiesigen Conservatorium aufzugeben 
und sich in Paris niederzulassen. 

Paris. Die von deu Pariser Theatern im Jahre 1864 ausbezahlten 
Autorenantheile beliefeu sieh auf die Summe von 1,295,188 Frcs. 

— Das dritte Abonneinentconcert im Conservatorium brachte : 
C-moll-Sinfonie von Beethoven ; Scene und Chor aus „Idomeneus" 
von Mozart; Andante uud Finale aus dem 38. Quartett von Haydn, 
vorgetr. vou säuimtlichen Streichinstrumenten; Tenor-Arie aus „Ar- 
mida" vou Gluck ; Schlusschor aus „Christus am Oelberg" von Beet- 
hoven; Ouvertüre zu „Euryanthe* von Weber. 

— Das Programm des 16. populären Concertes des Hrn. Pas- 
deloup war folgendes: Sinfonie iu C-moll von Haydn (zum 1. 
Male>; Vorspiel zu „Lohengrin* von Rieh. Wagner (zum 1. Male); 
Ouvertüre zu den „lustigen Weibern von Windsor" von Nicolai; 
„Rigodon" von Rameau; C-moll-Sinfouie von Beethoven. 

— Der Pianist A. Jaell wird nächster Tage hier auftreten. 
London. Der Director Mapleson hält mit seiner Truppe 

einen wahren Triumphzug durch die Provinzen Englands. Neulich 
war Edinburg der Schauplatz des enthusiastischen Beifalls, womit 
namentlich der Sänger Mario und die Violinspielerin Arditi 
überhäuft wurden. 

. Florenz. Die Quartett -Gesellschaft des Hrn. Jean Becker 
nnd der HH. Enrico Masi, Luigi Chiostri und Federigo 
Hilpert hat nun die angekündigten, vorzugsweise Beethoven'schen 
Werken gewidmeten drei Mattiueen bereits gegeben uud sich den 



Dank und die unbedingte, freudige Anerkennung aller Freunde unü 
Kenner classischer Musik sowohl durch die Auswahl der betreffenden 
Werke, wie durch die vollendet künstlerische Ausführung derselben 
erworben. In der ersten dieser Mattineen hörten wir die Serenade 
in D-dur, Op. 8, für Violiue, Viola und Violoncell, und die Quartette 
Op. 74 in Es-dur und Op. 134 in Cis-moll von Beethoven. Die 
zweite Mattinee brachte die Quartette Op. 69 in C-dur und Op. 127 
iu E-dur, sowie die Sonate Op. 47 in A-dur für Piano und Violine 
von Beethoven, von den HH. Je r vis und Becker meisterhaft vor- 
getragen. Das dritte und letzte dieser interessanten Morgenconcerte 
endlieh Hess uns Beethoven'* Quartett in G-dur, Op. 18, und dessen 
Riesensonate in As-dur, Op. 110, für Pianofurte, vorgetr. von Hrn. 
Scholz, bewundern. Dazwischen spielte Becker ein Concertstück 
eigener Composition über Thema's von Bellini mit ausserordentlichem 
Beifall , und den Schluss machten Scherzo und Adagio aus dem 
Quintett Op. 87 von Mendelssohn. Die Leistungen der genannten 
Quartettisten waren durchaus von seltener Vollendung und dem 
grossen Rufe, den sich dieselben bei uns erworben haben, vollkom- 
men entsprechend. Das Mendelssoho'sche Adagio musste auf allge- 
meines Verlangen wiederholt werden. — Wir vernehmen aus sicherer 
Quelle, dass das Quartett des Hrn. Becker im nächsten Monate nach 
Deutschland kommen und dort Concerte geben wird« 

New-Tork. Am 20. Januar ist die grosse Orgelfabrik der HH. 
Mason & Hamlin in Cambridgeport, Mass. abgebrannt. 

— Frau Parepa, die treffliche Sängerin, hat sich bewegen 
lassen, ihre vier oder fünf Mal angedrohte Abreise nach Europa an 
verzögern und hat am Samstag ihr allerletztes Concert in der Irving- 
Hall gegeben. Wann sie ihr unwiderruflich letztes Concert geben 
wird, ist noch nicht festgestellt, jedoch glauben wir, dais eine so 
tüchtige Sängerin wie Frau Parepa durchaus nicht der wiederholten 
Schreckschüsse bedurft hätte, um ein zahlreiches Publikum herbei- 
zuziehen. 

* m * Tn Berlin ist die Photographie des Hundes der Sängerin 
Frau Lucca in allen dortigen Kunsthandlungen zu haben. 

*** Dem Director des deutschen Theaters in Pesth, Hrn. Land- 
vogt wurde auch die Leitung des Ofener Theaters übertragen. 

%* Die Strike des Brüsseler Chorpersonals hat seine Wirkung 
gethan, indem sämmtliche Gagen desselben erhöht wurden. 

*** Dor verstorbene Generalmusikdirector Meyerbeer hat in 
seinem Testament ein Capital von 10,000 Thlr. ausgesetzt, um dafür 
eine „Meyerbeer'sche Stiftung für Tonkünstler" zu begründen. Auf 
Grund des Testaments hat das Curatorium der Stiftung, bestehend 
aus den HH. Ed. Däge, Baron v. Kor ff und Dr. J. Schulze, 
ein Statut entworfen, das auch bereits von dem preussischen Cultus- 
ministerium bestätigt worden ist. Danach soll alle zwei Jahre die 
Summe von 1000 Thlr. (die Zinsen) zu einem Concurrenzpreise für 
Studirende der musikalischen Composition verwandt werden ; die 
erste Coneurrenz findet 1867 statt. Jeder Bewerber muss ein Deut- 
scher, in Deutschland geboren und erzogen, auch nicht älter als 28 
Jahre sein; Religion und Stand ist gUichgiltig. Er muss seine 
Studien in einem der öffentlichen Kunstinstitute Berlins oder in dem 
Conservatorium für Musik in Cöln gemacht haben. Von jedem Be- 
werber ist zu verlangen eine achtstimmige Vocalfuge für 2 Chore, 
eine Ouvertüre für ein grosses Orchester und eiue dreistimmige 
dramatische Cantate für Gesang und Orchester. 

*** Der bekannte Operncomponist Adam hatte einstmals den 
Auftrag erhalten, für das kaiserliche Theater in St Petersburg eine 
Balletmusik zu schreiben, und ging, nachdem er dieselbe vollendet 
hatte, selbst nach Russland, um die Proben zu leiten. Als er auf 
seiuer Reise nach Berlin kam, Hess der König von Preussen eine 
Oper bei ihm bestellen, welche bei seiner Rückkehr aus Russland 
aufgeführt werden sollte. Adam, der auf eine solche Auszeichnung 
nicht gefasst war, beeilte sich gleichwohl, den Auftrag anzunehmen, 
empfing das Libretto und reiste damit nach Petersburg, wo er sein 
Ballet zur Aufführung brachte und mit der fertigen Oper nach Berlin 
zurückkehrte, wo er dieselbe sogleich dem Regisseur der Oper über- 
gab. „Sehr gut, sagte dieser, ich werde sogleich die Rollen aus- 
schreiben lassen und dann eine Leseprobe ansetzen." 

Nach vierzehn Tagen ungeduldiger Erwartung erhielt Adam 
endlich eine Einladung zur Leseprobe, wo er sämmtliche Mitwirke» da 
mit ihren Rollen versammelt fand. Der Compositeur setzt sieh an** 



32 - 



Ciavier, man liest die Oper durch , worauf der Regisseur ruft : „Es 
ist gut für heute, in acht Tagen die zweite Probe." 

Adam sprang auf: „Was sagen Sie da ? K fragt er deu Regisseur. 

„Ich sage, dass in acht Tagen wieder Probe ist.* 

„Aber in Frankreich probirt man jeden Tag." 

„In Berlin ist dies nicht Üblich.« 

Ganz betroffen ging Adam nach Hause mit der Aussicht auf 
eine Verlängerung seines Aufenthaltes von ganz unabsehbarer Dauer. 
Er rüstete sich jedoch mit Geduld, und als er nach acht Tagen zur 
zweiten Probe kam, fand er zu seiner freudigen Ueberraschung, dass 
sämmtliche Mitwirkende ihre Rollen bereits auswendig wussten; so 
war es nämlich in Berlin eingeführt. Das Werk ging nun rasch in 
Scene, und Adam verliess Berlin mit dem Wunsche, dass der Berliner 
Usus auch in Frankreich eingeführt sein möchte, und noch in spä- 
terer Zeit, als er eine neue Oper in Paris einstudirte, sagte er zu 
einem seiner Freunde, der ihn über den Fortgang derselben befragte: 
„Ich komme nicht vorwärts; ich habe noch wenigstens zwei Monate 
damit zu thun. Wäre ich in Berlin, so hätte das Publikum schon 
sein Urtheil über mein Werk gesprochen. Die Franzosen behaupten, 
sie wären Hasen und die Deutschen dagegen Schildkröten in Bezug 
auf Schnelligkeit. Mag es so sein , aber Lafontaine hat doch 
Recht gehabt mit seiner Fabel; die Schildkröte kommt zuerst ant w 

*** In der ersten Hälfte des März wird am deutschen Opern- 
theater in Rotterdam zur Aufführung kommen eine romantische Oper 
in 3 Acten: „Aleida von Holland," Text von Ernst Pasque in 
Darmstadt, Musik von dem holländischen Componisten W. F. T h o o f t. 
Der Componist ist ein Schüler der Leipziger Musikdirectoren M. 
Hauptmann und E. F. Richter. 

%* In Paris machen gegenwärtig zwei musikalische Phänomene 
Aufsehen, nämlich ein junger Amerikaner, welcher die Flöte spielt 
und sich selbst auf dem Ciavier dazu begleitet, und eine junge Dame 
aus Mailand , Frl. M e 1 1 a , die eine wunderschöne Tenorstimme 
*besitzt. 

V Die Mutter des Abb6 Fr. Liszt ist am 6. Februar in 
Paris gestorben. 

*** Der Ciavierfabrikant Ludwig Bösendorfer in Wien ist 
vom Kaiser von Mexiko zum mexikanischen Hof-Pianofortefabrikanten 
ernannt worden. 

*** Am 18. d. M. findet im Theater an der Wien die erste 
Aufführung von Offenbach's Burlesk -Oper „die Schäfer* unter per- 
sönlicher Leitung des Componisten statt. 

*** In Brüssel* starb am 2. Februar der rühmlich bekannte 
Violoncellist Montigny im Alter von 89 Jahren. 

*** Am 29. Januar wurde die „Afrikaner™" in Weimar 'zum 
Erste n male aufgeführt. Die Oper war von dem Generalintendanten 
von Dingelstedt glänzend in Scene gesetzt, und die Aufführung 
selbst war eine vorzügliche. Generalmusikdirector Fr. Lach n er 
war von München gekommen, um derselben beizuwohnen. 

*** 1» Ulm kam vor einem gedrängt vollen Hause die Oper 
„der Schneider von UIm rf von G. P r e s s e 1 mit günstigem Erfolg 
zur Aufführung. 

*** Ein alter Capellmeister und eifriger Bibliomane hat in einem 
kleinen, alten Büchergeschäfte, das an einer Brustwehr des Quai 
Voltaire, also auf offener Strasse etablirt ist, einen kostbaren Fund 
gemacht, nämlich ein Mauuscript von Pergolese mit der Jahres- 
zahl 1731. Dasselbe enthält ein Dutzend bisher ganz unbekannter 
Arien und Tänze und einige Varianten der Arie ^Ah Serpina" aus 
der „Serva Padrone". Das Manuscript soll nächstens durch den 
Druck zu weiterer Kenntniss gebracht werden. 

*„* George Sand soll einst eine kleine Schwäche für einen 
jungen deutschen Componisten gefühlt haben. Um ihn in Paris zu 
poussiren, schrieb sie für ihren Schützling einen Operntext, der denn 
auch gleich in Arbeit genommen wurde. Der junge Mann zeigte 
jedoch mehr Eifer als Verständniss der französischen Sprache und 
glaubte in seiner Pietät, jedes Wort des Libretto in Musik setzen 
zu müssen. So componirte er denn auch folgende, am Schlüsse einer 
Scene gestandenen Worte als Chor: „// sort par la porte du fond* 
George Sand erfasste gelindes Entsetzen und sie nahm Bich vor, nie 
wieder mit einem deutschen Componisten zu thun zu haben. 

*** In Basel starb am 2. Februar die Gattin des dortigen Mu- 
sikdirvctors August Walter, eine geborene Fastlingei 1 aus 
München, in Weimar, Leipzig und München als dramatische Sän- 



gerin bekannt und wegen ihres vortrefflichen Characters allgemein 
beliebt und geachtet. 

*** Der rühmlichst bekannte belgische Musikschriftsteller Van* 
derstraeten bespricht in der Zeitschrift „L'Echo du Parlement* 
die Orchestersuiten von Fr. Lachner, insbesondere auf die Analysi* 
rung der dritten derselben eingehend, in äusserst günstiger Weis» 
und empfiehlt dieselben zur allgemeinsten Verbreitung. 

%* Hr. Concertmeister Lauterbach aus Dresden hat in 
Bremen im dortigen Abonnementconcert das Violinconcert von Beet* 
hoven und das neu erschienene Mozart'eche Concert unter enthu- 
siastischem Beifall vorgetragen. 

*** Bei Gelegenheit des in diesem Jahre stattfindenden 50jäh* 
rigen Jubiläum des Conservatoriums in Wien wird der Director 
desselben, Professor H ellmesberger unter Mitwirkung bedeuten- 
der Kunstnotabilitäten eine ausserordentliche Festakademie veran- 
stalten, deren Ertrag dem bei dieser Gelegenheit zu creirenden Pen- 
sionsfond für das Lehrerpersonal des Institutes zufliessen soll. 

*** Frl. P i c h 1 e r , eine Tochter des trefflichen Barytonisten 
Pichler in Frankfurt a. M., hat in Augsburg in „Robert," »Huge- 
notten" und „Freischütz" mit vielem Glücke debütirt. Die junge 
Künstlerin besitzt eine sehr schone Stimme und ist mit einem sehr 
vortheilhaften Aeusseren ausgestattet. 

*** lo Dresden wird die Oper „Wanda" von Doppler zur 
Aufführung vorbereitet. 

*** Der Generalmusikdirector Franz Lachner in München 
hat vom Kaiser von Mexiko das Commandeurkreuz des Guadaloupe- 
Ordens erhalten. 

*** In Dresden führte Hr. Armin Früh im Saale des „Hotel 
de Saxe" seine vieractige Oper „Clotilde von Lusignan" unter Mit- 
wirkung mehrerer kunstgeübten Gesangsdilettanten und des verstärk- 
ten Str ausstehen Orchesters auf und erzielte mit seinem Werke, 
trotzdem die dramatische Handlung fehlte, dennoch einen sehr ehren- 
vollen Erfolg. — Im dortigen Hoftheater führte man am Fastnacht- 
Dienstag das alte Singspiel „die Jagd', Text von C. F. Weisse, 
Musik von»J. Ad. Hill er, neueinstudirt in sehr gelungener und 
ansprechender Weise wieder vor. 

*** Wallner, der Eigenthümer und Director des Wallner- 
theaters in Berlin , hat im verflossenen Jahre eine Einnahme von 
174,000 Thlr. gemacht, und es dürfte ihm, trotz der hohen Gagen, 
die er bezahlt, doch ein Reingewinn von etwa 30,000 Thlrn. 
übrig bleiben. 

*** Am Samstag den 17. d. M. wird Hans vonBülow in 
München die erste seiner drei , zum Voitheile der Abgebrannten in 
Parteuberg angekündigten Soiieen für ältere und neuere Ciavier- 
musik im grossen Museumssaale geben. 

**.* Mermet's „Roland in Ronceval" ist in Marseille sehr kalt 
aufgenommen worden ; die Gegenwart des Componisten vermochte 
dem Fiasco seines Werkes nicht Einhalt zu thun. 

*#* Hr. F. F6tis hat in Brüssel eine interessante Vorlesung 
gehalten, welche die Jugendjahre Mozart's zum Gegenstand hatte. 

*** Die Sängerin Frl. Teil heim vom Wiener Hofoperntheater 
hat einen Eugagementsantrag von der Königlichen Oper in Berlin 
erhalten. 

Berichtigung. In der vorigen Nummer dieses Blattes 
bitten wir die geehrten Leser Seite 26, Spalte 2, Zeile 30 v. u. 
nach den Worten : „aufgeführt wird" einzuschalten : „als im Pro- 
gramme steht." 

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Man wünscht für die Bäder in Niederbronn 

(Elsass) 

auf vier Monate, vom 10. Mai bis 10. September, folgende Künstler 
zu engagiren: Ein VioUll-SoIO, einen guten Flötisten, ein Comet £ 

piston Solo, einen Contrabassisten und einen Trombonnisten. Sich 
franco zu wenden an Hrn. Rändelet, Director der Bäder, MünBter- 
Platz Nro. 2 in Strassburg (Elsass). 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz, 



15. Jahrgang. 



jv*o. 



26. Februar 1866. 



SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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INHALT: Die Militärmusiken und der Instrumentenbau in Deutschland und Frankreich. — Correspondenz : Stuttgart. — Nachrichten. 



Die Militärmusiken und der Instrumentenbau 
in Deutschland und Frankreich.*) 

Münster (Elsass), den 15. November 1866. 

»Geehrtester Herr! 

„Die Kritik über die Musik des 34. preuss. Lin. -Inf. -Regiments, 
welche Sie im Journal „Le Temps" vom 15. November veröffent- 
lichten, hat mir verschiedene Bemerkungen aufgedrängt, die ich mir 
hiermit erlaube, Ihrem wohlwollenden Gutachten zu unterwerfen. 
Als Musikdirector und Musiklehrer befasse ich mich ganz besonders 
mit den verschiedenen Instrumenten-Gattungen, und da ich überdies 
Gelegenheit gefunden, die Organisation sowohl der deutschen als 
der französischen Militärmusiken kennen zu lernen, so dürfte meine 
Erfahrung vielleicht die Freiheit meines Schrittes entschuldigen. 
Die grossentheils persönlichen Ansichten , die ich die Ehre haben 
«verde Ihrem U<theile zu unterlegen , sind nicht nur das Ergebniss 
reiflichen Nachdenkens, sondern auch das Resultat vielfältiger Ver- 
suche, zu welchen mich meine Stellung gezwungen, und über deren 
Werth ich gar gerne die Meinung competenter Personen, und ganz 
besonders die Ihrige, geehrtester Herr, hören möchte. 

„Da ich den Concerten im Cirque de Vimpe'ratrice nicht bei- 
gewohnt, kann ich natürlich nicht in eine Erörterung über die Art 
und Weise, wie die Musiker des Hrn. Parlow ihre Stücke ausge- 
führt, einlassen ; Sie lassen denselben übrigens Gerechtigkeit wider* 
fahren hinsichtlich des Ensembles, mit Vorbehalt jedoch auf Instru- 
mentation und Zusammensetzung des Orchesters. Was Ihnen be- 
sonders missfallen, ist, wenn ich nicht irre, die preussische Musik- 
organisation und der dort übliche Instrumentenbau, und meine Bemer- 
kungen haben gerade ganz besouders Bezug auf diese beiden Punkte. 

„Nach Ihrer Ansicht ist die Zusammenstellung des preussischen 
Militär-Orchesters nichts weiter als eine fehlerhafte Nachbildung der 
Organisation, welche durch einen Beschluss des Eriegsministers vom 
Jahre 1845 in Frankreich eingeführt wurde. Diese Behauptung ist 
ein Irrthutn, geehrtester Herr, und wenn Sie es wünschten, könnte 
ich es Ihnen durch authentische Urkunden beweisen. Meine Erinne- 
rungen allein waren schon hinreichend , um mich zu überzeugen! 
dass Sie sich getäuscht haben; um meiner Sache aber ganz sicher 
zu sein, habe ich die nöthigen officiellen Quellen nachgesucht und 
mich dadurch fest überzeugt, dass Sie, gewiss unwillkürlich, zwei 
Dinge miteinander verwechselt, die im Grunde nicht die geringste 
Aehnlichkbit haben können. 

„Wenn ich die Zusammensetzung des vormaligen französischen 
Militär-Orchesters mit dem ehemaligen preussischen vergleiche, finde 
ich so auffallende Abweichungen , dass der Gedanke einer etwaigen 
Nachbildung gar nicht annehmbar ist. Ich will für den Augenblick 

*) Dies die Erwiderung auf die in unserer vorigen Nummer ent- 
haltene „Künstlerische Beurtheilung" etc. von J.Weber, welche 
der elaässische Musikdirector A. E. Schaefer in „La France 
Choral* und im „Niederrheinischen Courier* von Strassburg 
Veröffentlichte. 



nicht in eine umständliche Vergleichung eingehen, so interessant 
auch das Unternehmen ausfallen dürfte, und werde mich darauf be- 
schränken,, hier eine Uebersichtstabelle der französischen Organisa- 
tion vom Jahre 1845 und die Zusammensetzung der preussischen 
Gardemusik (nach dem Vorschlage des Hrn. Wiepr echt vom Jahre 1846, 
wenn ich nicht irre) einzuschalten: 



Franzosische Musik, 
Picolo .... 
Es-Clarinette . 
B-Clarinetten . 
Sazhorns in C (zum Ersätze 

der Fagotte . 
Saxhorns in As / zum Eratz 
Saxhorns in Es ) der Hörner 
Saxhorns in B (hoch) . 
Pistons .... 
Saxotromba's . 
Saxhorns basses in B 
Saxhorns Contrebasses 

(Bombardons in Es) 
Posaunen 
Schlaginstrumente. 



Musik der preussischen Garde. 
1 Flöten (grosse und kleine) 2 

1 Clarinetten in As u. G . 2 
12 „ in Es u. D . 4 

„ in JB u. A . 8 

2 Hoboen .... 2 
2 Fagotten .... 2 
2 Bathyphons ... 2 
2 Basshorn .... 2 
2 Cornett's in B u. A . . 2 
2 „ in Es u. D . S 
4 Tenorhorn in B u. A . 2 

Tenorbass .... 1 
2 Trompeten in Es u. D . 4 
4 Posaunen in B u. A . 2 

„ in F u, E . 2 

Basstuba .... 2 
Schlaginstrumente. 
„Aus dem einfachen Anblicke dieser Tabellen erhellt, dass zu 
jener Zeit schon die Preussen sich verschiedener Instrumente be- 
dienten, welche wir nicht kennen. Für andere ist das Verhältniss 
ganz verschieden; so hatten die Preussen schon 6 kleine Clarinetten 
in As und Es etc., während in Frankreich nur eine Es-Clarinette 
üblich war, welche überdies meistens in den Händen des Musik- 
meisters figurirte und desshalb nur eine sehr beschränkte Rolle in 
den Ensemblesätzen spielen konnte. Die grosse Flöte in den ver- 
schiedenen Stimmungen, die Hoboen, Fagotte, die Batbyphon's und 
das Basshorn, sowie auch die Bassposaune in F fehlten uns gänzlich. 
Die ganze Aehnlichkeit findet sich in den Cornett's in B und Es, 
welche bei den Preussen die Hörner ersetzten, während sich die 
Franzosen zu diesem Zwecke der sogenannten Saxhorn's in As und 
Es bedienten. Folglich wäre durchaus kein Plagiat hier zu suchen; 
später werden wir sehen, ob die Musik des 34. Infanterieregiments 
ihrerseits eine Copie genannt zu werden verdient. 

„ „Die Fabrikation der Holzblasinstrumente ist in Deutschland 
gänzlich still stehen geblieben, 4 sagten Sie weiter unten; „die Ver- 
besserungen des SystenTs B o e h m (aus München, folglich ein Deut- 
scher) sind bei unseren Nachbarn nicht zu Gunsten gekommen." 
.Dieses ist vollkommen richtig. Ohne die Vorzüge, welche diese 
Instrumente haben können, bestreiten zu wollen, glauben die Mili- 
tärmusiken jenseits des Rheines dennoch nicht, dieselben einführen 
zu dürfen, und dieses aus ganz triftigen Gründen. Die Instrumente 
dieses Künstlers stehen erstens in einem zu hohen Einkaufspreis 
(200 bis 300 Frcs.), ferner unterwirft sie ihre complicirte Mechanik 
zahlreichen und kostspieligen Reparaturen ; sie sind daher für den 



— 34 



Militärdienst nicht practisch, im Felde hauptsächlich. — Anderseits 
hat man Unrecht ein allzu grosses Gewicht auf die Vervollkomm- 
nung dieser Instrumente zu legen ; dem Iastrumentisten muss am 
Ende doch die Hauptroll« eingeräumt werden , während das Werk- 
zeug, dessen er «ich bedient, in den Hintergrund tritt. — Verdankt 
unier berühmter darinettist Wuille vielleichtjüiesem oder jenem 
Instrumentenmacher seine glänzenden Erfolge, oder hängt die Repu- 
tation unseres ausgezeichneten Flötisten Rucquoi etwa an einer 
grösseren oder kleineren Anzahl von Hülfsklappen? Und was halten 
Sie, geehrtester Herr, von den Flöten eines Tulou, den Hautbois 
eines Tri^b er t und den Clarinetten eines Gu&ne und einer Masse 
anderer berühmter Instrumentenmacher? Wäre dem System Boehm 
nicht ein ausschliessliches Privilegium eingeräumt, so würden gewiss 
die Instrumente dieser Fabrikanten noch eine ehrenvolle Stellung 
in den Militärmusiken einnehmen, wie dies in den Theaterorchestern 
noch bis jetzt der Fall ist. Jedoch kommen wir auf unsere Sache 
zurück. — Wenn die Deutschen in der Fabrikation der Holzblas- 
instrumente so sehr zurück sind, woher kommt es denn, dass man 
jenseits des Rheines seit mehr als 25 Jahren Clarinetten in As, G, 
F, E, Es und D besitzt, während man in Frankreich in Betreff der 
kleinen Clarinetten nur die in Es kennt? Dieselbe Bemerkung er- 
streckt sich auf die Bassethörner (eine tiefere Clarinetten -Gattung), 
welche in Mozart's „Titas* einen so herrlichen Effect machen, auf 
die fiathyphones und Contrafagotte. Was die Flöten betrifft, woher 
kommt es denn, dass vor einigen Jahren noch man sich umsonst an 
unsere Instrumentenfabrikanten wendete, um eine Des-Flöte zu be- 
kommen, und dass bis auf die heutige Stunde das Es-Picolo (ältere 
Benennung F) noch nicht in Frankreich angenommen ist? 

„Die Fagotte sind bei uns durch Saxophones (ein, der Clarinette 
nachgebildetes Blechinstrument) ersetzt worden; bedingt diese Er- 
setzung aber einen wirklichen Fortschritt? Kann man den Fagott, 
welcher einen Umfang von mehr als drei Octaven hat, durch ein 
Instrument ersetzen, dessen ganze Familie (Sopran, Alto, Tenor und 
Baryten) zusammengenommen nur vier Octaven hervorzubringen im 
Stande ist? In theoretischer Hinsicht scheinen sehr viele Ideen 
£anz richtig zu sein, aber bei der Anwendung stellen sich oft die- 
selben hIs ganz unausführbar dar. Versuchen wir z. B. durch Saxo- 
phones das erste Andante der Ouvertüre aus „Wilhelm Teil" auszu- 
führen; bedürfen wir nicht dazu die Beihülfe von dreien dieser In- 
strumente, um die erste Vi oloneellparthie zu ersetzen? Ersetzen wir 
■dagegen dieses letztere Instrument durch eine Bassclarinette , und 
alle Schwierigkeiten werden augenblicklich gehoben sein. Gleiche 
Uebelstände würden sich in einer Masse von Musikstücken, die ich 
anführen könnte, vorfinden. Ich bin gewiss ein eifriger Verehrer des 
unbestreitbaren und unbestrittenen Talentes des Hrn. Sax, aher hat 
ihn seine Sucht nach neuen Entdeckungen nicht vielleicht über die 
Schranken hinausgeführt, die vernunftgemässe Verbesserungen zulassen? 
Ich möchte es fast glauben. Wenn es ihm gelungen wäre, seine 
Idee bis zu Ende zu verfolgen, so hätten wir heute (nach der Me- 
thede von Rockens, bei Meissonnier in Paris erschienen) sieben 
verschiedene Arten dieser Instrumente mit ebenso viel Unterarten, 
welches 14 verschiedene Grössen darstellen würden. Nach Berech- 
nung besagter Instrumente finden wir, dass das Saxophone soprano, 
welches mit Inbegriff des Kopfes eine L&nge von 29 rheinisch. Zoll 
hat, das fünfte Instrument der Grösse nach gewesen wäre ; dann wäre 
gtfolgt das Saxophone in hoch Es, welches nach dem gegebenen 
Maassstabe 19 Zoll gehabt haben würde; das Saxophone in B, eine 
Ootave höher liegend als das soprano, 9 Zoll, und endlich das in C, 
7 Zoll! Man bedenke nun einmal, welche Miniatuffinger das Spiel 
solcher Instrumente erheischen würde , und welche Qualität Ton 
dieselben hervorzubringen im Stande sein dürften! Die Preussen, 
welche sich schon seit 18 Jahren der Es - Clarinette bedienen , er- 
scheinen mir viel praktischer; diese Instrumente haben zwar nur 
«ine Länge vou 10 Zoll, sind aber dessenungeachtet ganz spielbar, 
in Folge ihrer» cylindrischen Bauart. 

„ „Das einfache Hörn ist ein armes, das Ventilhorn ein schlechtes 
Instrument " Ist dieses unbedingt wahr? Das einfache Hörn in der 
Haüd eines wahren Künstlers hat, meiner Ansicht nach, von den 
Verbesserungen der Zeit nichts zu erwarten; als Soloinstrument ist 
4s vollkommen und unnachahmbar in der Hand eines Vi vi er, und 
tn dem Orchester wird man es durch kein anderes Instrument vor- 
theilhaft ersetzen können. Wenn in den Milttärmasiken das Horu 



nicht immer den erwünschten Effect machte, so kommt dies einzig 
und allein daher, dass man es nicht immer zweckmässig anzuwenden 
wusste. Die Mensur des Hornes ist für den Ton F berechnet; bis 
bisher aber transponirte man dasselbe durch eine ganze Octave, von 
hoch bis tief B. Hieraus entstand noth wendigerweise ein Missver- 
hältniss der Bohre, welche für die höhern Tonlagen zu weit und für 
die tieferen zu eng wurde; die höheren brachten daher nur grelle, 
schreiende, die tieferen dagegen nur dumpfe und unbestimmte Töne 
hervor. Wer erinnert sich nicht der hohen B- und As-Hörner, wel- 
che zu gleicher Zeit eine Geduldprobe für den Musikmeister, für 
den Bläser und das Publikum waren ! Diesem Uebelstände wäre 
sehr leicht abzuhelfen; ich würde z. B. ein Hörn von kleinerer 
Mensur für die hohen Tonlagen bauen, für die Töne F, E, Es, D 
und sogar Des, die jetzige Form beibehalten und für die tieferen 
Lagen C, B etc. würde ich eine grössere Form annehmen. Auf 
diese Weise könnte man eine Hornfamilie erzielen, welche mit ver- 
schiedenen Grössen die ursprüngliche Klangfarbe beibehalten würde. 
Der Bläser spielt auch hier wieder, sowie bei den Clarinetten und 
Flöten, die Hauptrolle, und es genügt, um im Elsass zu bleiben, 
anzudeuten, was ein Lieh tle und ein Stennebruggen auf dem 
einfachen Hörn zu leisten vermögen. Was das Ventilhorn betrifft, 
so Würde ich es von dem 3. Ventile befreien; dadurch würde der 
Ton mehr Fülle bekommen, ohne im Geringsten die Leichtigkeit des 
Spiels zu beeinträchtigen. Wäre es übrigens nicht möglich bei dem 
Hörn einen Zug anzubringen, wie dies bei der Posaune der Fall ist? 
Ich habe es immer geglaubt, und gewinne ich diese Idee mit jedem 
Tage lieber. (Fortsetzung folgt.) 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Stuttgart. 

Monat Februar. 

Das fünfte Abonnements - Concert der kgl. Hofcapelle hatte ein 
gar herzerfreuendes Programm: Bach's Orchestersuite in D, eine 
Sinfonie in Es von Haydn, As-dur-Duett ans „Jessonda" (Frau Ben e- 
w i t z und Hr. A. Jäger), dann Introduction un<! Brautchor aus 
„Lohengrin* ; letztere Nummer wurde auf stürmisches Verlangen 
wiederholt. C. M. Goltermann spielte das edel gehaltene, aber 
vielleicht gerade desshalb etwas undankbare Celloconcert von Volk- 
mann mit vollendeter Technik und ergreifender Wärme. Beethoven's 
unvergleichliches G-dur-Concert ward uns durch Hrn. W. Speidel 
mit feinem Geschmaek und Verständniss vorgeführt; besonders zeigte 
derselbe in den Bülow'sehen Cadenzen grosse Kraft nnd Fertigkeit. 

Im sechsten Concert, das durch Schumann's B-dur-Sinfonie er- 
öffnet wurde , spielte Hr. K ü c h 1 e r , der seiner Zeit in unserem 
Conservatorium ausgebildet worden war, das Fis-moll- Concert von 
Vieuxtemps mit schönem Ton und bedeutender Bravour. Wärmsten 
Dank verdient die Wiederholung des wundersamen Vorspiels zu 
„Tristan". Weniger befriedigend fielMendelssohn*s „Walpurgisnacht* 
aus ; besonders in den Chören war Präcision und Wohlklang zu 
vermissen; wahrscheinlich mangelte es an Zeit zu gründlicher Ein- 
stndierung. Auch die Aufführung von HändeVs „Samson" durch den 
„ Verein für classische Kirchenmusik" war nicht so gelungen , wie 
man es durch F a i s s t 1 s sorgfältige Leitung an den sonstigen Pro* 
duettonen dieses Instituts gewohnt ist; zwar sangen namentlich Frau 
Benewitz und Hr. ßchüttky ihre Partien untadelhaft, aber sei 
es nun, dass die langen Zwischensprüche alttestamentarischer Figuren 
doch nicht für Alle das hinreichende Interesse haben, welche im 
Concertsaal es verschmähen , nach Art unserer frommen Nachbarn 
jenseits des Canals nur gewissenhaft die hehren Textworte nachzu- 
lesen, oder fehlte es auch einem grossen Theile der Mitwirkenden 
an der rechten Sympathie, kurz, das ,.habent sua fata iibelli'* fiel 
uns an diesem Abend lebhaft ein: auch Concerte haben oft ihr un- 
verschuldetes Verhftngniss. 

Welch' günstige Luft wehte dagegen einige Wochen vorher, als 
Wilhelmj von Wiesbaden auftrat, und noch dazu in dem, sonst für 
ziemlich ungünstig geltenden Zwischenräume zweier Theaterstücke t 
Da war gleich nach den ersten Solotacten jene flüsternde Sensation 
zu bemerken» welche wie schwüle Gewitterstille den Beifallsdonner 
verkündet Allerdings verfügt Wilhelmj» begnadet mit seltenem 



- 86 - 



Talent, bereits über alle Eigenschaften einet berufenen Geigers in 
hofaem Grade; zumal entzückte er in dem „Air* von J. 8. Bach 
durch ein hinreissendes Cantabile; die männliche Reife wird das 
Iferige tbuu, um «eine KÜnstlerschaft zu einer so durchgebildeten au 
saftigen, wie wir sie in der letzten Woche bei Hans von Biilow 
kennen lernten. Dieser geistreichste aller Pianisten — ein Vorzug, 
den ihm Kritiker jeder Richtung zuerkennen — feierte in unserer 
Btadt, wo man doch durch die mannigfachen trefflichen Clavierleis- 
tungen schon ziemlich verwöhnt werden konnte, einen Triumph, nach 
dessen materieller Seite, z. B. dem Vergriffensein aller Billets u. dgl. 
allein schon mancher Impresario vergeblich schmachten dürfte, wäh- 
rend die ideale Bedeutung desselben sowohl für den Künstler als 
für das Publikum gar nicht zu schätzen ist. Seine beiden Programme 
umfassten so ziemlich das ganze Gebiet der Ciaviermusik; die So- 
nate war vertreten durch Schubert (A-dur, posthume), Weber (D-moIl 
in Henselt's Bearbeitung) und Beethoven (Op. 81 und 110), die Fuge 
durch Häudel, Bach und Mendelssohn, das moderne Characterstück 
(„Salonstück" will uns diesmal gar nicht in die Feder) durch 
Chopin, dessen G-dur-Nocturne Biilow zu einem förmlich ecstatischen 
Wonnetraum zu verklären wusste, sowie durch Franz Liszt, dessen 
bedeutende Schöpfungen durchweg zündeten; neben dessen „spani- 
scher Rhapsodie" waren es besonders seine für die Lebert-Stark'sche 
Ciavierschule geschriebenen Etüden: „Waldweben" und „Gnomen- 
reigen", deren poetischer Zauber das Publikum enthusiasmirte. 
Eineu prächtigen Scbluss bildeten Schumann's Variationen für zwei 
Claviere, worin sich unser Pruckner neben Bülow als würdiger 
Kunstgenosse bewährte ; stürmischer Hervorruf ehrte das edle Freun- 
despaar. Auch das Conservatorium erfreute sich von Seiten unseres 
Gastes grosser Aufmerksamkeit und Sympathie; es ward ihm zu 
Ehren ein kleiner Musikabend veranstaltet, den Bülow selbst mit 
einer Meisterspende besohloss; Liszt's B-A-C-H-Fuge und „Ri- 
•eordanza" waren in diesen Räumen noch nicht gehört worden. — 
Wir haben die Hoffnung, den gefeierten Künstler am 13. März im 
Abonnementsconcert wiederzusehen, wo er ein Liszt'sches Clavier- 
coneert vorgetragen wird. 

Als Opernnovität hatten wir Verdi's „Traviata" unter dem Titel 
„Violetta", worin Frl. K lettner, Hr.Sontheim und Hr. Schütt- 
le y ganz Vortreffliches leisteten. Das Sujet fand natürlich bei der 
affectirten Prüderie einer gewissen Gesellschaftsschichte ebenso wenig 
Gnade, wie die Musik bei jenen Ciassicitätsheuchlern, welchen Verdi's 
bekannte, auch hier nicht mangelnde Schwächen eine willkommene 
und wohlfeile Gelegenheit bieten, auf Kosten der neueren Italiener 
ihren musikalischen Purismus glänzen zu lassen. Aber diese Oper 
enthält viele hübsche Motive, manchen geistreichen Einfall , ja so- 
gar etliche in Zeichnung und Colorit sehr gelungene Sätze, und 
versetzt ein unbefangenes Gemüth in eine gewisseSRührung , was 
ich auf die Gefahr hin eingestehe, Diesem oder Jenem in dieser 
«der jener Beziehung verdächtig zu werden. T. 



Sf a c li r 1 c hl e n. 



Hains. Am 23. d. M. fand im Saale des „Frankfurter Hofes" 
•ein Coucert zum Besten eines in traurigen Verhältnissen lebenden, 
halberblindeten Musikers statt, bei welchem sich die k. k. österr. 
Militärcapelle unter Leitung ihres Capellmeisters Hrn. Hopf und 
andere wohlaccreditirte Kräfte betheiligten. Die weiten Räume des 
genannten Saales waren, wie wir hören, vollständig gefüllt, und die 
gebotenen Leistungen fanden grossen Beifall, so dass also einerseits 
4er wohlthätige Zweck vollständig erfüllt, und den Mitwirkenden 
■der wohlverdiente Lohn für ihre menschenfreundliche Bereitwillig- 
keit zu Theil wurde. 

Am Sonntag den 28. d. M. eröffnet Frau Dustmann-Meyer 
vom k. k. Hofoperntheater in Wien auf hiesiger Bühne als Valen- 
tine in den „Hugenotten" ein Gastspiel, über das wir Näheres be* 
•richten werden. 

IftathtB. Am Aschermittwoch gab die „Münchener Säugerge- 
«etseusnhaft" unter der Leitung ihres Dirigenten MaxZengerira 
k. Odeon ein Concert zum Besten der Abgebrannten in Parteakirchen, 
welches in jeder Beziehung vom besten Erfolge begleitet war. Ausser 
den vortrefflichen Leistungen des Männerchores und dem vom „Ora- 



torienverein" mit ausserordentlichem Beifall vorgetragenen Sefctantmer- 
lied aus „Blanche de Provence" von Cherubini evregten besonder* 
die Vorträge des Frl. Bertha Ehnn vom Nürnberger Theater 
ungewöhnliches Aufsehen, indem nicht nur ihre herrliche Stimme» 
sondern auch ihre treffliche Auffassung und ihr feuriger Vortrag sunt 
enthusiastischen Beifall hinrissen. 

WUll. In dem sechsten philharmonischen Concerte kam ein« 
neue vieraätzige Suite von Heinrich Esser zur Aufführung, welche 
sich, unter des Componisten Leitung, eines ungewöhnlich lebhaften 
Beifalles zu erfreuen hatte. Nach dem dritten Satze (Variationen) 
wurde von Seiten des Publikums dermassen gestürmt, dass er wie- 
derholt werden mnsste. Hr. Esser, den man bei seinem Auftreten 
empfing , wurde nach dem Schluss der Suite wiederholt gerufen» 
kurz, er feierte als Autor und Dirigent einen wahren Triumph. 
Nach dieser Nummer trug Hr. G u n z den Liederkreis : „An dia 
ferne Geliebte" von Beethoven mit schönem Erfolge vor. Zum 
Schluss kam Mozart* s Sinfonie in G-moll zur Aufführung. 

— Am Hofoperntheater ist neben den drei bereits vorhandenen 
Capellmeistern Proch, Esser und Dessoff ein vierter in der 
Person des Hrn. Carl Maria Ritter von Savenau angestellt worden. 
Derselbe ist ein Sohn des Sectionschefs von Savenau im Finanz- 
ministerium. 

Leipzig. Am 12. d. M. ging die „Afrikanerin" zum ersten Main 
über die Bretter unseres Stadttheaters. Der Erfolg war ein durch- 
aus günstiger, und es fehlte nicht an zahlreichen Beifallsbezeuguugeit 
und Hervorrufen für Alle, die sich wesentlich an dem Gelingen 
des Ganzen betheiligt hatten. Die Aufführung selbst war sehr sorg- 
fältig vorbereitet und verdient alles Lob. Die Hauptparthien be- 
finden sich in den Händen der Damen Frau Beetz (Selika) und 
Frl. Suvanny (Ines) und der HH. Gross (Vasco) und Thelen 
(Nelusko). Chor und Orchester leisteten Vortreffliches. Die sceni- 
sche Ausstattung, welche grösstenteils dem Hrn. Mühldörfer in 
Coburg übertragen war, übertrifft alles bis jetzt dahier Gesehene. 
Die Mühldörfer'schen Maschinerien sind meisterhaft, ebenso wie dia 
Decorationen, deren eine von Hrn. Wornecke in Dessau gemalt 
ist, und die Costüme sind ebenfalls reich und geschmackvoll. Be- 
sondere Anerkennung gebührt auch dem Capellm. Hrn. Gustav 
Schmidt für das mühevolle Einüben der Oper und für die sichern 
und energische Leitung der Aufführung. 

— Im 16. Gewandhau8Concert hörten wir wieder die vor zwei 
Jahren zum ersten Male vorgeführte , geschmackvoll gearbeitete 
Sinfonie in A - dur von Carl Reinecke und die Ouvertüre zu „De- 
metrius" von Vincenz Lachner. Ferner spielte der treffliehe Pianist 
Adolf Blassmann aus Dresden ein Concertstück von Robert 
Volkmann, Allemande, Sarabande und Courante von Seb. Bach, und 
„Barcarolle" von A. Rubinstein. Frl. Üb rieh von Hannover hatte 
abermals den gesanglichen Theil des Coneertes übernommen und 
sang die Romanze „Sombre foret" aus Rossini's „Teil ," die Arie 
mit obligater Violine aus dem „Zweikampf" von Herold und Lieder 
ven Rubinstein und Mendelssohn. 

Dresden. Am Aschermittwoch gab die k. musikalische Capelle 
das herkömmliche grosse Concert zum Besten des Unterstützungsfonds 
für ihre Wittwen und Waisen , und führte „die Jahreszeiten" von 
Haydn auf, unter Mitwirkung der Frau Jauner-Krnll, der HH. 
Rudolph und Mitterwtirzer, sowie der Singakademie und 
des k. Hoftheaterchors. Das ewig junge Werk ging unter der Lei- 
tung des Hrn. Capellmeisters Krebs vortrefflich von Statten, und 
die Wirkung war demnach eine durchaus günstige. 

Brfissel. Am Sonntag den 15. d. M. fand das 5. populäre Con- 
cert unter der Direction des Hrn. Samuel unter demselben Zulauf 
und von gleichem Beifall wie die verhergehenden Cencerie begleitet 
statt. Man gab die Pastoral- Sinfonie von Beethoven, eine Ouvertüre 
von Niels Gade, den „Carneval von Rom" von Berlioz und Hr. Pro- 
fessor DupuiB vom Conservatorium in Lüttich spielte dasMendels- 
soha'sche Violinconcert mit Anmuth und Verständnis. 

PtriS. Während der Fastenzeit sollen in den Tuillerien von 
acht zu acht Tagen drei grosse Concerte stattfinden. Die Künstler 
der grossen Oper, des italienischen Theaters, der komischen Oper 
und des lyrischen Theaters sind berufen, hei diesen Concerten mit- 
suwirken nnter der Direction des greisen Meisters Auber, Mitglied 
der Academie und Director der kaiserl. Capelle. 

— :. Am 18. d. M. fand des 2. ausserordentliche Coneert im Cee> 



- 36 - 



aervaterium mit folgendem Programm statt: Sinfonie in C-moll von 
Beethoven ; Seene lind Chor aus „Idomeneus" von Mozart ; Andante 
und „Finale 11 ans dem 38. Quartett von Haydn, von sämmtlichen 
Streichinstrumenten ausgeführt; Fragmente aus „Armida" von Gluck; 
Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber ; Schlusschor aus „Christus 
am Oelberg" von Beethoven. 

— Das 17. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup brachte: 
Sinfonie in F-dur (Nr. 8) von Beethoven; Adagio und Scherzo aus 
der Sinfonie „Ozean" von A. Rubinstein; Sinfonie in G-moll von 
Mozart; „Canzonetta" aus dem Quartett Op. 12 von Mendelssohn; 
Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber. 

— Die Einnahmen sämmtlicher Theater, Concerte, Bälle etc. 
in Paris betrugen im Monat Januar die Summe von 2,277,644 Frs. 

LondOD. Hr. Mapleson, der Director von Her Majestys 
TAeatre, beabsichtigt Max Bruch's „Loreley" aufzuführen. Der- 
selbe hat den ausgezeichneten Tenoristen Mongini auf die ganze 
Saison mit 600 Pf. Sterling monatlich engagirt. 

*♦* Die „Augsb. All gem. Ztg." brachte kürzlich nachstehendes 
Inserat: Wette Und Prämie I (Allerletzter Versuch.) Eine 
beliebige Wette wird demjenigen Hrn. Bassisten, welcher das 
II. Contra A schiedsrichterlich vernehmlich anzutönen vermag, und 
gleicherweise einem Herrn Tenoristen, welcher das III. gestri- 
chene G mit mit kräftiger Falsettstimme auszutönen im Stande ist, 
angeboten. Wer aber beides (6 Octaven mit voller Kraft) als sel- 
tenes Wunder der Natur in einer Brust vereinigt und somit 
dem Einsender nur gleichkommt , erhält eine Prämie von 10 
Louisd'or, und sogar scalirend und je nach den Leistungen 
bis zu 600 Louisd*or. Näheres , diese reine Wahrheit be- 
kräftigend,, mündlich und von heute ab nur drei Tage gültig, bei 
Hrn. Ph. Grossmann, Domorganist in Frankfurt a. M. Avance, 
ftfi vive/ 

*** Von Hrn. Isidor Seiss, Professor am Conservatorium 
in Cöln , kam auf dem dortigen Stadttheater eine Operette : „Der 
vierjährige Posten" von Th. Körner zur Aufführung und fand eine 
«ehr beifällige Aufnahme. 

*** Gounod hat eine Einladung erhalten, sein in London in 
St. JameB-Hall zur Aufführung kommendes Oratorium „Tobias" selbst 
zu dirigiren. Er ist jedoch verhindert, dieser ehrenvollen Einladung 
zu folgen. 

*** Abbe L i s z t , welcher 20,000 Gulden zum Peterspfennig 
beigesteuert, hat vom Cardinal Antonelli folgendes Schreiben im 
Auftrag des Papstes erhalten : „Ihrem Verlangen gemäss habe ich 
die grossherzige Spende, die Sie in Anbetracht der traurigen Um- 
stände, welche in diesem Augenblicke den Staat drücken, uns freund- 
schaftlich übersendet haben , zu den Füssen des heiligen Vaters 
niedergelegt. Der heilige Vater war tief gerührt über die Gefühle 
der Verehrung und Liebe, die Sie für ihn, als für die höchste und 
erhabenste Stütze unseres Glaubens, empfinden, und hat ihre Spende 
als ein Zeichen Ihrer Ergebenheit für den heiligen Stuhl mit ge- 
wohnter Herzensgüte anzunehmen geruht. Demzufolge ertheilt er 
Ihnen seinen Segen." 

*** In Paris erhielten im vorigen Jahre fünf Theater eine 
Subvention vom Staate, und zwar: die grosse Oper 820,000 Frcs., 
das The'dtre francnis und die komische Oper je 240,000 Frs., das 
Ode'on und das The'dtre lyrique je 100,000 Frs. Das Conservato- 
rium erhielt 220,000 Frs. und 15,000 Frs. Zulagen für die Ange- 
stellten. 

%* Der Comunalrath von Turin hat die Vergebung des kgl. 
Theaters für den Winter 1866/67 ausgeschrieben und legt den Be- 
werbern unter Anderem die Bedingung auf, dass sie ihren Offerten 
auch das Verzeichnis» ihrer engagirten Mitglieder beizulegen haben. 
Dass ein Theaterdirector sein Personal engagiren soll, noch ehe er 
die gesuchte Concession erhalten hat, ist gewiss eine neue, wenn 
auch sonderbare Idee. 



• .* 



** Ein sehr eifriger, gebildeter und reicher Musikdilettant in 
London, Hr. J. S a 1 o m o n s ist am 2. Februar im 69. Lebensjahr 
gestorben. Er war ein vortrefflicher Contrabassist und Schüler des 
berühmten Venetianers Dragonetti, dem er einst seinen ausge- 
zeichneten Contrabass für 1000 Pfd. Sterling abkaufen wollte. Allein 
Dragonetti ging auf dies Anerbieten nicht ein , sondern schenkte 
sein Instrument einer Kirche in Venedijr , von welcher er dasselbe 
beim Antritt seiner ersten Kunstreise erhalten hatte. 



*** Eine neue Oper von Maestro Estella, „Katbarina Howard," 
wurde am 8. d. M. in Born aufgeführt und sehr beifällig aufgenommen* 

*** Zum Gedächtniss des verstorbenen Felix Mendelssohn- 
Bartholdy haben dessen Bruder und Kinder beim Stadtrathe zu 
Leipzig ein Capital von 1500 Thlrn. verzinslich angelegt, dessen 
aufkommende Zinsen alljährlich an einen von dem Directorium des 
Leipziger ConservatoriumB zu wählenden Schüler oder Schülerin 
dieser Anstalt am 3. Februar, als dem Geburtstage Felix Mendels- 
sohn - Barth oldy's , zur freien Verfügung überwiesen werden sollen» 
Dieses Stipendium ist der Stiftungsurkunde entsprechend dem Schüler 
des Conservatoriums Hrn. Th. Heinrich M a r t e n s aus Hamburg 
unter 165 Competenten ertheilt worden. 

*** Der Pianist Deprosse ist nicht, wie wir nach anderen 
Blättern gemeldet, bei Pranz in Coburg, sondern im Institut von 
Frl. Alix Humbert in Gotha an Stelle von B rassln als Lehrer 
eingetreten. 

*#* Max Bruch's Oper : „Loreley" erfreut sich in Gotha 
fortwährend der Gunst des Publikums. Dieselbe soll auch in Maina 
noch in dieser Saison in Scene gesetzt werden. 

*#* Am 11. d. M. starb in Salzburg der pensionirte Orchester- 
director und Lehrer am Mozarteum Hr. Jos. Stummer, geb. 1815 
zu Prossnitz in Mähren. 

*** Die Aufführung des Vorspiels zu „Lohengrin" im letzten 
populären Concert des Hrn. Pasdeloup in Paris erregte einen 
wahren Beifallssturm und das Verlangen nach der Wiederholung 
dieses Stückes gab sich so allgemein und stürmisch kund, dass dem- 
selben Folge gegeben werden musste. 

*** Der König von Baiern hat den Auftrag gegeben, eine Auf- 
führung von R. Wagner's „Lohengrin" vorzubereiten mit folgender 
Besetzung: Frl. D e i n e t aus München die Elsa, Frau Schnorr 
von Carolsfeld die Ortrud, Hr. Nie mann aus Hannover den 
Lohengrin und Hr. Beck aus Wien den Telramund. Die Direction 
ist Hrn. von B ü l o w anvertraut. 

*** Der Generalintendant der k. Schauspiele in Berlin , Hr. 
von Hülsen, hat die Stelle eines Präsidenten des Bübnencartell- 
vereins niedergelegt, und es wird demnächst eine Generalversamm- 
lung zum Zwecke einer Neuwahl stattfinden. 

*** Boger hat am 15. d. M. auf dem Stadttheater in Cöln 
als George Brown ein Gastspiel begonnen. Das gut besetzte Haus 
ehrte den Meister in der Gesangskunst wie im Spiele durch leb- 
haften Applaus und mehrmaligen Hervorruf. 

*** Frl. Wild aus Würzburg, eine junge Sängerin, die mit 
einem sehr vortheilhaften Aensseren eine schöne , klangvolle und 
umfangreiche Stimme verbindet, hat diesen Winter in Ulm zum ersten 
Male die Bühne betreten und gleich nach ihrem ersten Debüt, als 
Agathe im „Freischütz ," den lebhaftesten Beifall von Seiten des 
Publikums und die ehrendste Anerkennung von Seiten der Kritik 
gefunden. Die weiteren Versuche der jungen Künstlerin, als Gräfin 
im „Figaro", Romeo, Pamina etc. etc. dienten nur dazu, die gute 
Meinung, die man von ihrer Begabung und ihrem Eifer bereits ge- 
fasst hatte , zu bestärken , und es ist kein Zweifel , dass dieselbe 
bei fortgesetztem Streben nach Vervollkommnung ihrer schönen Mittel 
einer hoffnungsvollen Zukunft entgegengeht. 

*** Frl. Frieb, eine Tochter der Frau Frieb-Blumauer 
eine junge Sängerin mit schönen Mitteln, gastirte in Stettin in zwei 
Rollen , als Zerline in „Fra Diavolo" und als Page in „Figaro's 
Hochzeit," und hat sich sofort die volle Gunst des Publikums 
erworben. 

**• Der König von Baiern hatte vor einiger Zeit mehrere« 
Münchener Künstlern den Auftrag gegeben , ihm zu jenen Sagen, 
welche die Sujets zu R. Wagner's Opern bilden , Zeichnungen «» 
liefern. Diese Arbeiten sind nun vollendet, und es betheiligten sich 
die HH. 1 1 1 e, S p i e s s, S e i t z u. A. daran ; die benützten The- 
maten gehören den Sagen von „Tristan und Isolde," „Lohengrin," 
„Tannhäuser" und „fliegenden Holländer" an. 

*** Im Pariser Gaite-Theater wird ein Spectakelstück, be- 
titelt: „Der amerikanische Krieg" vorbereitet, in welchem ein Kampf 
zwischen Panzerschiffen vorkommt und 200 Neger auf der Bühne 
erscheinen werden. 



Verantw. Red, Ed, Föckerer, Druck v* Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



N* tO. 



5. März. 4866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Diese Zeitung erscheint jeden J 

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ämtern, Musik- & Buchhand- 
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Viril s 



Ton 






PBEIS: 



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Ä-n*- 



w-4 



INHALT: Die Militärmusiken und der Instrumentenbau in Deutschland und Frankreich. — Das Streichquartett im Orchester. — Correspon- 

denzen: Mainz. Prag. Paris. — Nachrichten. 



Die Militärmusiken und der Instrumentenbau 
in Deutschland und Frankreich. 



(Fortsetzung.) 

„Das Cornet ä pistons fehlt in der preussischen und österrei- 
chischen Musik" (was wiederum beweisen dürfte, dass das Plagiat 
nicht anzunehmen ist). Was mag wohl der Grund dieser Aus- 
schliessung sein (welche ich übrigens nicht billige, da dieses In- 
strument kostbare Dienste in der Militärmusik leistet). Es kann 
nur einer vorhanden sein, nämlich dass dieses Instrument in den 
deutschen Theaterorchestern, Ton welchen unsere Nachbarn so wenig 
als möglich abzuweichen suchen , nicht eingeführt ist , und diese 
Tendenz ist gewiss keineswegs tadelnswerth. Ich bin durchaus jeder 
Ausschliessungssucht abhold, und mein Grundsatz ist der folgende: 
Beibehaltung und Verbesserung der älteren Instrumente mit Beifügung 
der neueren Erfindungen ; aber dies in einem vernunftgemässen Ver- 
hältnisse, damit die einen nicht die anderen übertönen, sondern sich 
gegenseitigen Beistand leisten, zum grossen Vortheile des hervorzu- 
bringenden Effects. 

„Die Zugposaune ist ausgeschlossen, und dies nicht mit 
Unrecht/ Auch hierin kann ich nicht mit Ihnen übereinstimmen und 
billige keineswegs deren Ersetzung durch die Ventilposaune. Wo 
finden Sie einen kräftigeren und imposanteren Ton, eine reinere und 
weichere Klangfarbe? Ist die Ventilposaune je im Stande, den Platz 
würdig auszufüllen, welchen sie ihrer ausgeschlossenen Schwester 
wegnahm , und wird sie je im Stande sein, dieselbe in Vergessenheit 
zu bringen? Dieser Austausch hat übrigens auch in Frankreich 
stattgefunden, und dies wundert mich weit mehr. Hatten wir nicht 
Hunderte von guten Posaunisten? warum denn diese unnnöthige 
Verstümmlung? Ich bin und werde stets ein erklärter Verehrer der 
Zugposaune bleiben; um jedoch ihr Spiel zu erleichtern, würde ich 
die Form des jetzigen Zuges etwas abändern. Im Jahre 1817 ver- 
fertigte man, wenn ich mich recht entsinne, die sogenannten Doppel- 
posaunen, eine Erfindung des bekannten Theoretikers Gottfried 
Weber. Dieselben kamen zwar bald wieder ausser Gebrauch, ich 
möchte dieselben aber wieder an's Tageslicht bringen, überzeugt, 
dass in den Händen unserer geschickten Instrumentenmacher die 
weiteren Versuche mit sicherem Erfolge würden gekrönt werden. 
Ich würde sogar noch einen weiteren Schritt in die Vergangenheit 
zurückthun, und den alten Bass- und Alt-Posaunen ein Auferstehungs- 
fest bereiten, und so die Familie der Posaunen wiederherstellen. 

Kommen nun die Flügel hörn er, in Frankreich Saxhorns 
genannt. Sie behaupten, geehrtester Herr, dass die Deutschen vor 
dem Jahre 1845, und sogar noch mehrere Jahre später, von dieser 
Instrumenten - Classe nur das hoch B-Flügelhorn kannten und ein 
grosses Instrument, welches sie Tuba nannten, und dass, nach dem 
Beispiele des Herrn Sax, sie dieses letztere durch eibeu fiugle- 
Contrebass (Bombardon in tief G oder B) ersetzt haben. Auch 
hierin sind Sie wieder im Irrthnm. Schon im Jahre 1888 bedienten 
lieh die Oetterreicher in ihren Militärmusiken der Flügelhörner, 



Tenorhörner, Ventil - Trompeten , -Hörner und -Posaunen. In den 
darauffolgenden Jahren 1840 , 1841 und 1842 entstand in den ver- 
schiedenen Staaten der Conföderation eine wahre Ventilomanie 
und fragliche Instrumente wurden unter den verschiedenartigsten 
Formen und Benennungen verfertigt, sowie auch ganze Familien vott 
Trompeten, vorzugsweise für die Cavaleriemusiken bestimmt. Was 
die Bombardons inC undB betrifft, welche in Frankreich zuerst 
durch die Organisation von 1854 eingeführt wurden, so bediente 
man Bich derselben in Deutschland schon in den Jahren 1845 und 
1856. Es wäre ebenso unrichtig zu behaupten, dass die Deutschen 
die familienweise Classificirung der Instrumente vernachlässigen j 
wir haben gesehen, dass sie ganze Reihen von Oarinetten besitzen ; 
sie haben eine Familie in den Hoboen und Fagotten , die ganze 
Folge der Flügelhörner und der Trompeten sowie der Hörner, ohne 
der Reihe von Posaunen zu gedenken. Uebrigens. bildeten ja die 
früheren in Frankreich üblichen und durch Hrn. Sax transformirten 
Klappenhörner mit den Ophicleiden in den verschiedenen Stimmungen 
ebenfalls eine Familie. 

Hier folgt nun die Instrumentirung der Musik des 34. preussi- 
schen Lin.-lnf.-Reg., welche mir Hr. Parlow mit äusserster Gefällig- 
keit zukommen liess, wofür ich demselben hiermit öffentlich meinen 
herzlichen Dank abstatte: 



Flöten (grosse u. kleine) . 2 

Clarinette in As u. G . 1 

„ „ F u. Es • 3 

„ n C u. B . . 10 

Hoboen .... 2 

Fagotte .... 2 

Tritonikon, Contrafagott . 1 

Hörner .... 4 

Flügelhörner in B . . 4 

Altflügelhörner iu Es . 2 



Bassflügelhörner in B 
Euphonion's 
Bombardons in F 

» » C u. B 

Piston in hoch Es . 
Trompeten in F u. Es 
Basstrompeten in B . 
Posaunen . 
Spiel .... 



4 
2 
4 
3 
1 
4 
2 
4 
5 



60 



Ich schalte hier auch die Organisation der Musik der Guides t 
Gendarmerie de la Garde und Garde de Paris ein : 



Flöten (grosse u. kleine) • 2 

Es-Clariuetten ... 4 

B-Clarinetten ... 8 

Hoboen .... 2 

Saxophones sop. . • 2 

„ altos . • 2 

„ Tenors . . 2 

„ Barytons 2 

Cornets a pistons . • 2 

Trompettes & pistons . 4 



Trombones 
Saxhorns in hoch Es 

n 1» i. B • 

Saxotrombe in Es 
Saxhorns barvtons in B 

„ basses in B 

Contrebasses in Es 



n 
Spiel . 



4 
2 
2 
3 
2 
4 
2 

in tief B 2 
. 5 



58 



Kann eine solche Zusammenstellung einen befriedigenden Effect 
machen? Ich erkläre mich ohne Zweifel für die Bejahung, obgleich 
Sie finden, geehrtester Herr, dass darin Mangel an Gleichheit und 
dumpfe Sonorität herrscht. Ich gebe ganz gerne zu, dass die fran- 
zösischen Chöre mit den Instrumenten des Hrn. Sax mehr Kraft 
entwickeln , es geht ihnen aber die Verschiedenheit der Tonfarben 
ab, aus dem Grunde, dass eben diese Instrumente, von dem Cornet 



38 



a piston an bis zu dem tiefsten Bass , alle in einer zn nahen Ver- 
wandtschaft stehen und deren Klangfarbe eben daher fast identisch 
ist. Hieraus entsteht eine Einförmigkeit, welche ich fast Eintönig- 
keit nennen möchte, Hauptfehler, welchem die preussische Musik 
entgeht durch die Mischung und Verschiedenheit ihrer Klangwerk- 
zeuge, welche sich vereinigend und sich verschmelzend ein ebenso 
farbenreiches als dem Ohr angenehmes, harmonisches Ganze bilden. 
Wenn , wie Sie den Wunsch äusserten , an einem und demselben 
Abende nach dem preussischen Chor die Musik der Guides oder 
jedes andere Regiment gespielt hätte, so würde die Bemerkung in 
Betreff der Honorität jedermann erstaunt haben , und Ihr eigenes 
Urtheil, geehrtester Herr, würde gewiss anders ausgefallen sein. Es 
ist übrigens zu bemerken, dass in Deutschland die Organisation der 
Militärmusiken nicht so unbedingt reglementirt ist wie bei uns ; der 
Musikmeister ist darin weniger gebunden und es entsteht hieraus 
eine Verschiedenheit von Zusammenstellungen, welche ihr Gutes haben 
dürfte, indem sie zu einem gewissen Wetteifer Anlass gibt und so 
kräftig auf den Fortschritt einwirkt. 

Wenn es sich um die Ausführung der für die französischen 
Chöre speciell von ihren tüchtigen Capellmeistern componirten Mu- 
sikstücke handelt, lässt die französische Instrumentirung nichts zu 
wünschen übrig, sie ist hier in ihrer Sphäre und ihr Effect ist tadel- 
los. Aber ist dem ebenso bei Ausführung der Meisterwerke, welche 
Sie angeben, geehrtester Herr? Ich glaube es nicht und behaupte, 
dass in dieser Hinsicht die preussische Instrumentirung der franzö- 
sischen weit überlegen ist. Wie würden Sie z. B. mit unseren ver- 
besserten Instrumenten die Ouvertüre zum „Freischütz" darstellen ? 
Wo bliebe die Verschiedenheit der Tonfarben? Würden die Saxo- 
tromba's in Ersetzung der Hörner den von dem Componisten ge- 
wünschten Effect erzielen? Das Violoncell - Solo würde, von dem 
Saxophone-Tenor ausgeführt, gewiss von sehr guter Wirkung sein ; 
aber der Mangel an Umfang des Instrumentes fiele bei dem ersten 
Takte des Allegro's in die Augen, indem sogar das Saxophon-Baryton 
den ersten Ton nicht zu erreichen im Stande wäre. Und um im 
Vorbeigehen auf eine Frage zurückzukommen, die wir schon berührt 
haben, glauben Sie wohl, dass am Schlusssatze der genannten Ouver- 
türe (in C-dur) unsere Musiker mit ihren Böhm'schen Clarinetten 
und Flöten die mit Kreuzen beladenen Passagen ebenso leicht aus- 
geführt hätten, als die Preussen mit ihren der Tonart angemessenen 
Instrumenten, deren sie sich abwechslungsweise bedienen? Ich kann 
mich nicht enthalten , hier noch eine Bemerkung zu machen , die 
sich auf den Instrumentenbau bezieht. Die Ueberlegenheit der 
französischen Instrumente ist durch das Urtheil ausgezeichneter 
Männer, die als Schiedsrichter in der Universalausstellung angestellt 
waren, beurkundet worden, und es ist hinlänglich dargethan, was 
die Form und die Proportionen der Röhre betrifft; allein ich suche 
mir vergebens von der Ursache Rechenschaft- zu geben, welche Hrn. 
Sax bewegen konnte, die Haltung in seinem Instrumentensysteme 
zu verändern. Die Haltung auf der linken Seite scheint mir für 
den Musiker gar unbequem, denn derselbe muss den rechten Arm 
beständig in der Höhe halten und den Kopf vorwärts beugen. 
Andrerseits stösst beim Marschiren das Säbelgefäss beständig gegen 
das Instrument und beschädigt dasselbe. Die Deutschen haben mit 
Recht die ursprüngliche Position beibehalten, die mir viel vernünf- 
tiger vorkommt; ist sie doch diejenige des Fagott's und des 
Ophicleides und zugleich diejenige des Soldaten in der Stellung: 
„Fällt s' Bajonnett!" (Scbluss folgt.) 

Dag Streichquartett im Orchester. 

Das Journal „La France musicale'* berichtet in seiner letzten 
Kummer, dass in der grossen Oper wie im The'ätre lyrique mit 
allem Eifer an der Einstudirung des „Don Juan" gearbeitet werde, 
dass aber die zuletzt genannte Bühne wohl zuerst mit der Auffüh- 
rung des unvergleichlichen Meisterwerkes hervortreten werde, indem 
man dort bereits Bühnenproben halte. Der Berichterstatter des ge- 
nannten Blattes macht über das Verfahren beim Einstudiren der 
genannten Oper am lyrischen Theater folgende Bemerkungen, die 
wir ihres allgemeinen Interesses wegen hier mittheilen wollen; er 
sagt nämlich: „Die Administration legt bei dem Einstudiren Proben 
«iner künstlerischen Einsicht ab, die so bemerkenswert!! sind, dass 



ich nicht umhin kann, dieselben zu erwähnen, um so mehr als mir 
dies Gelegenheit gibt, einen leider nur zu allgemein verbreiteten 
Mangel in den Aufführungen zu rügen. Das Orchester des lyrischen 
Theaters wird, wie man mir sagte, Stimme für Stimme, dann das 
ganze Quartett, und dann die Harmonie und die Blechinstrumente 
vor der allgemeinen Probe eingeübt werden. Der Dirigent Delof f re 
will, dass die sämmtlichen Geiger seines Streichquartettes denselben 
Bogenstrich anwenden, um eine vollständige Gleichheit des Tones 
und eine gänzliche Gleichartigkeit der Klangfarbe zu erzielen. Es 
ist dies eine ausserordentlich weise Massregel und von wesentlichem 
Nutzen, und zwar in diesem Falle noch mehr als bei irgend einem 
andern Werke, indem die Instrumentirung Mozart's vorzugsweise auf 
das Streichquartett basirt ist." 

„Keinem Musiker, der irgendwie vertraut ist mit der Familie 
der Streichinstrumente, wird es unbekannt sein, welche verschiedene 
Wirkung irgend eine Stelle macht, je nach der Art und Weise, wie 
der Bogen die Saiten erklingen macht. Ich spreche hier nicht vom 
Staccato in einem Bogenstrich, welches nur beim Solospiel an- 
gewendet wird; aber gewiss ist, dass der Auf- und Abstrich, die 
Verbindung zweier oder mehrerer Noten und die tausend verschie- 
denen Arten von Bogenstrich, jeder eine besondere Physiognomie 
für sich haben, welche die Geiger auch in Acht nehmen sollen, denn 
ein und dieselbe Passage wird ganz verändert erscheinen, je nach- 
dem man diese oder jene Streichart, oder auch selbst diese oder 
jene Position anwendet. Es ist dies einer der unvergleichlichen 
Vorzüge der Streichinstrumente, und doch legen leider die meisten 
Orchester so wenig Werth darauf." 

„H ab a neck hatte es bei seinen berühmten Quartetten im Con- 
servatorium , die er von sämmtlichen Streichinstrumenten zugleich 
spielen Hess , zuerst dahin gebracht , dass seine Geiger dieselbe 
Strichart, dieselbe Position und folglich denselben Fingersatz an- 
wendeten. Man erinnert sich noch der ausserordentlichen Wirkung, 
welche diese bewundernswerthen Productionen hervorbrachten." 

„Es ist unangenehm, in wohlbesetzten Orchestern die willkür- 
lichen Bewegungen der Bogen mit anzusehen, die sich förmlich zu 
verfolgen und mit einander zu raufen scheinen. Das Auge wird 
ordentlich müde, wenn es ihren verworrenen Gang verfolgen will. 
Wenn übrigens nur das Auge dadurch beleidigt würde, dann möchte 
es noch hingehen ; allein die allgemeine Klangbarkeit wird dadurch 
in empfindlicher Weise beeinträchtigt. Da nun demnach das Bei- 
spiel des Hm. Deloffre ein ausserordentlich heilsames ist, so hielt 
ich es nur für billig, dasselbe unseren Lesern vorzuhalten. Möchte 
diese so wahre und richtige Idee bei den Orchesterdirigenten all- 
gemein Eingang finden ; die ausgezeichnetsten Aufführungen würden 
das Resultat davon sein," 



COERESPONDENZEN. 



Aus M a i ii m* 

l. M&r/.. 

Das Interesse des Theaterpublikums ist gegenwärtig in hohem 
Grade in Anspruch genommen durch das Gastspiel der k. k. Kam- 
mersängerin Frau Dustmann-Meyer aus Wien, welches die hoch- 
begabte Künstlerin am Sonntag den 25. Febr. als Valentine in den 
„Hugenotten" begann und am Mittwoch den 27. als Fidelio in der 
gleichnamigen Oper fortsetzte. Die Erinnerung an die schönen 
Leistungen dieser Künstlerin bei dem im Jahre 1860 dahier statt- 
gefundenen IV. Mittelrheinischen Musikfeste und der bedeutende 
Ruf, den Frau Dustmann als dramatische Sängerin in ganz Deutsch- 
land geniesst, machte es gar wohl erklärlich, dass bei beiden Vor- 
stellungen trotz der erhöhten Eintrittspreise das Haus ausverkauft 
war, und die vielfachen Beifallssalven, Blumenspenden und Hervor- 
rufe, welche dem geehrten Gaste zu Theil wurden, gaben hinläng- 
lich Zeugniss, dass man auch hier sich dem allgemeinen Urtheile 
anschliesst, welches Frau Dustmann für eine der ausgezeichnetsten 
dramatischen Sängerinnen unserer Zeit erklärt. Wir vernehmen 
mit Freuden , dass Frau Dustmann noch zwei Mal , und zwar als 
Margare the in Gounod's „Faust" und als Donna Anna im „Don Juan' 
auftreten wird. Letztere Parthie zählt zu ihren vorzüglichsten 
Leistungen und wir sind der Direction des Theaters zu Dank ver- 



— 39 - 



pflichtet, dass sie dem Publikum den seltenen Genuas, Frau Dust 
mann in dieser Rolle zu sehen und zu hören, rerschaffen will. 

Neben dem gefeierten Gaste haben wir noch der vorzüglichen- 
Gesangsleistung der Frau SkaUa-Borzaga als Königin in den 
„Hugenotten 14 mit gebührender Anerkennung zu gedenken, und haben 
wir mit Vergnügen wieder bemerkt, dass Hr. Bohl ig mit grossem 
Eifer und sichtbarem Erfolge an der Vervollkommnung seiner Ge- 
sangskunst und an der Entwicklung seiner schönen Stimmmittel 
fortarbeitet. Sein Baoul war ein recht erfreulicher Beleg dafür, 
denn obwohl er am Anfang mit einer merklichen Indisposition zu 
kämpfen hatte, so wurde er doch im Verlauf der Oper nach und 
nach vollständig Herr seiner Mittel und ärndtete im dritten und 
vierten Acte reichlichen und auch verdienten Beifall. Die Auffüh- 
rung des „Fidelio" betreffend , können wir von den Solisten nur 
Hrn. Bussel als Rokko lobend erwähnen , der seine Partie in 
Spiel und Gesang recht wacker durchführte. Das Ensemble, Chöre 
und Orchester waren in beiden Opern sehr gut, und verdient be- 
sonders noch die schwuugvolle Executirung der beiden Beethoven'- 
schen Ouvertüren (die in Es-dur und die grosse Leonorenouvertüre 
in C - dur) unter der Leitung des Capellmeisters Hrn. D u m o n t 
die vollste Anerkennung. 

Nächsten Montag wird das zweite Sinfonieconcert des Theater- 
orchesters unter Direction des Capellmeisters Dumont stattfinden. 

E. F. 

Aus Prag. 



Es freut uns, berichten zu können, dass das Opernrepertoir des 
National theaters unter der trefflichen Direction des umsicbtsvollen 
Directors Hrn. Fr. Thome an Mannifaltigkeit und Reichhaltigkeit 
ungemein gewonnen hat. Nach der Original -Oper „Die Templer" 
von Karl Sebor, die mit dem grössten Beifall aufgenommen 
wurde, kam wieder eine neue Original -Oper: „Die Brandenburger 
in Böhmen" von Friedrich Smetana zur Aufführung. Die Musik, 
in neuerer Richtung gehalten, verräth ein durch Studien geläutertes 
Talent, dem mehr Melodienreichthum zu wünschen wäre. Der erste 
Act dieser Oper ist sehr gelungen, und namentlich ist die Volks- 
scene trefflich zu nennen. Doch die zwei letzten Acte (Musik und 
Text) sind schwächer. Es herrscht darin mehr musikalischer Ver- 
stand als Fantasie, mehr Reflexion als poetischer Schwung, mehr 
gemachte als gefühlte Musik. Es ist daher einleuchtend , dass die 
letzten Acte keine zündende Wirkung hervorbringen. 

Unter anderen Opern sahen wir Auber's „Krondiamanten" und 
,ydie Falschmünzer," Lortzing's „Waffenschmied," von denen die 
letztere Oper ungemein ansprach. Die nächsten Novitäten sind : 
Gluck's „Orpheus" und ,,Armida," Smetana's Original-Operette 
„Die verkaufte Braut ," Skraup's Original - Oper „ Vineta" und 
Zvonar's Original-Oper „Zaboj". Hr. Director Thom6, der zu- 
gleich die Opernregie führt , verdient in jeder Beziehung die voll- 
kommene Anerkennung des Publikums für sein Streben, das stets 
I dahin zielt, das Kunstinstitut auf die höchste Stufe zu bringen. 
Der neue Tenorist, Hr. Ernst Grund, verspricht bei fortgesetzten 
Studien eine Stütze des böhmischen Theaters zu werden. Seine 
Stimme gewinnt immer mehr an Kraft , reiner Intonation und an 
Geschmeidigkeit. 

Eine Fluth von Concerten hat sich über Prag ergossen; leider 
sind es nur Wohlthätigkeits-Concerte, bei denen es weniger auf die 
Kunst als auf andere Zwecke abgesehen ist, und desshalb fühle ich 
mich nicht bewogen, darüber zu referiren. 



• »» Ol 



Aus Paris. 

». Febraar. 

Ich habe Ihnen bereits gemeldet, dass Verdi, der seit einiger 
Zeit hier weilt, emsig an einer neuen fünfactigen Oper, „Don Carlos* 
Arbeitet. Der Text ist nach Schiller'* gleichnamigem dramatischen 
Gedicht bearbeitet. Zwei Acte der Oper sind bereits vollendet. 
Das ganze Werk wird der Direction der grossen Oper am 15. Juli 
eingereicht werden und soll gegen Ende dieses Jahres zur Darstel- 
lung kommen. Die erste lyrische Bühne Frankreichs bereitet auch 
eifrigst die Aufführung des „Don Juan" vor. Es hiess, „Hamlet* 
*<m Ambroise Thomas würde ebenfalls in Bälde das Repertoir 



der genannte Bühne bereichern. Diese Nachricht hat sich indessen 
als ungegründet erwiesen. 

Die Ope'ra comique wird dem Publikum nächstens zwei neue 
Werke vorführen, ,,Gilda" von Flotow und „La Colombe" von 
Gounod. „Gilda* ist bereits unter der Direction Perrin's ein- 
gereicht worden und hat seitdem in den bestaubten Carton's ge- 
schlummert, und was Gounod's Werk betrifft, so ist dasselbe vor 
einigen Jahren in Baden-Baden zur Darstellung gekommen und soll 
dort beifällig aufgenommen worden sein. 

Das Italienische Theater hat mit dem neuen Ballet »Gli Cle- 
ment? 1 ebenso wie mit den bisher versuchten Ballets entschiedenes 
Fiasco gemacht. Graziani ist soeben hier eingetroffen. Er wird 
bis gegen Ende künftigen Monats hier bleiben und in einigen seiner 
besten Rollen auftreten. Graziani ist ein vortrefflicher Künstler, der 
die Gunst des Publikums vollkommen verdient. 

Im The'ätre lyrique hat vorigen Dienstag die zweihundertste 
Vorstellung des „Faust" von Gounod stattgefunden; trotzdem aber 
ist der Erfolg dieses Werkes noch lange nicht erschöpft. 

Ich brauche wohl nicht erst zu sagen, dass in diesem Augen- 
blick hier viel concertirt wird. Das Publikum drängt sich aber zu 
den wenigsten Concerten herbei. Uebermorgen findet das dritte 
Concert der Gebrüder Müller unter Mitwirkung der Madame 
Szarvady statt. Das deutsche Streichquartett erfreut sich hier 
einer freundlichen Aufnahme, und die hiesigen Blätter sprechen sich 
über dessen Leistungen sehr wohlwollend aus. 



I a c h r i c Ii t e 



ii. 



CÖln. Am 20. Februar fand das 8. Gesellschafts - Concert im 
Gürzenich mit folgendem Programme statt: I. Theil, Sinfonie von 
J. Haydn; Arie aus „Hans Heiling" von Marschner, ges. von Frl. 
Friedrike Grün vom Hoftheater in Cassel; Violinconcert in 
D-moll von Spohr, vorgetr. von Hrn. Concertmeister Au er aus 
Düsseldorf; Kyrie und Gloria aus der grossen Messe in Es-dur von 
Fr. Schubert (zum 1. Male). II. Theil. Ouvertüre zu „Sakontala" 
von Carl Goldmark (z. 1. Male) ; Arie aus „Carlo Broschi," ges. von 
Frl. Grün ; „Trost in Thränen" für 4stimmigen Chor von Jos. Bram- 
bach (zum l.Male); Ouvertüre zu „Leonore" Nr. 3 von Beethoven. 

Leipzig. Im 17. Gewandbausconcerle kam zur Aufführung : 
Kyrie für Chor und Orchester aus der Es-dur~Messe von Fr. Schubert; 
Ouvertüre, Introduction und erstes Duett aus „Jessonda" von Spohr ; 
Ouvertüre , Ariette der Fatime und Quartett aus „Oberon" von 
Weber; Ouvertüre zu „Alfonso und Estrella" von Fr. Schubert; 
Ouvertüre zu „Coriolan", Quartett (Canon) aus „Fidelio" und Cla- 
vier-Fantasie mit Chor und Orchester von Beethoven, vorgetr. von 
Frl. Louise Hauffe. Die Gesangsparthien hatten Frl. Suvanny 
und Frau Marchesi-Graumann, sowie die HH. Rebling 
und Marchesi übernommen. 

Dresden. Am 23. Februar fand die letzte Soiree für Kammer- 
musik (2. Cyklus) statt. Man brachte zur Aufführung: Beethoven's 
G-moll-Quartett ; Quartett in Es-dur (Nro. 62) von J. Haydn, und 
Quartett Nr. 3 in D-moll von Cherubini. Die HH. Concertmeister 
Lauterbach, Hüllweck, Göring und G r üt zm a ch e r 
haben wieder die volle Meisterschaft ihrer Auffassungs- und Vortrags- 
weise bewährt, und bei allen Zuhörern, deren dankbare Anerkennung 
ihren genussreichen Abenden folgt, den lebhaften Wunsch, ja die 
sichere Erwartung geweckt, dass auch die nächste Saison die treff- 
lichen Künstler wieder auf diesem Felde thätig sehen werde. 

Am vorhergehenden Tage hatte die jugendliche (nunmehr 14- 
jährige) Claviervirtuosin Frl. Mary Krebs ein Concert im Saale 
des „Hotel de Saxe" gegeben. Sie spielte darin ein Trio concertant 
für Pianoforte, Violine und Violoncell von Spohr (Op. 48) mit den 
HH. Lauterbach und Grützmacher; die Sonata appassionata 
(Op. 57) von Beethoven ; eine Fantasie für die linke Hand allein 
von Willem Coenen; die Polonaise in As-dur (Op. 53) von Chopin, 
und eine Paraphrase über Thema's aus „Lucia von Lammermoor" 
von Liszt. Die Concertgeberin beurkundete wieder, dass sie, in 
jeder Beziehung auf dem Wege des Seht künstlerischen Fortschrittes 
begriffen, die in der letzteren Zeit wieder in Deutschland und Eng- 
land ihr au Theil gewordenen Lorbeeren vollkommen verdient habe, 
und au einer der ersten Grössen ihres Faches heranwachse. Sie 



— 40 



■wurde in liebenswürdiger Weise unterstützt, ausser den beiden ge- 
nannten Herren, von Frau Jauner-Krall, Frl. Langenhann 
nnd den HH. Rudolph, Scharfe, Eichberger und Freny. 

Am 28. Februar fand das sechste und letzte Abonnementconeert 
der k. musikalischen- Capelle unter Leitung des Hrn. Capellmeisters 
Rietz statt, und kamen Genovefa- Ouvertüre von R. Schumann, 
die Hebriden-Ouvertüre von Mendelssohn, die D-dur-Sinfonie (ohne 
Menuett) von Mozart und die C-moll-Sinfonie von Beethoven in vor- 
züglicher Weise zur Aufführung. 

Paris. Pasdeloup brachte in seinem 18. populären Concerte 
zur Aufführung : Ouvertüre zu „Promotheus" von Beethoven ; Sin- 
fonie in A-dur von Mendelssohn; Andante und Menuett aus der 
„Serenade" von Mozart; Clavierconcert in C-moll von Beethoven, 
▼orgetr. von Hrn. Theodor Ritter; „Jagdouvertüre" von Mekul. 

— Das jüngste Abonnementconeert im Conservatorium fand mit 
folgendem Programme statt: Sinfonie in A-dur von Mendelssohn; 
„Alla Trinita" Chor; Adagio aus dem Septuor von Beethoven; 
Credo aus einer Messe von Cherubini ; Ouvertüre zu „Oberon" 
von Weber. 

— Verdi wird , wie es scheint, die Rollen seines neuen, für 
die grosse Oper bestimmten Werkes: „Pon Carlos" den betreffenden 
Künstlern auf den Leib schreiben , wie man zu sagen pflegt , da 
bereits die Persönlichkeiten für die Hauptrollen bestimmt sein sollen. 
Es wären dies : für den Don Carlos ein noch nicht genannter Tenor, 
für den Posa F a u r e, für Philipp II. O b i n , für den Grossinqui- 
sitor B e 1 v a 1 , für die Elisabeth Frl. S a x e und für die Eboli 
Frl. Bloch. 

London. Schumann's Werke finden immer mehr Eingang 
und auch immer mehr Verehrer. So werden jetzt im ersten phil- 
harmonischen Concerte sein „Paradies and Peri", und im zweiten 
Crystallpalastconcert seine B-dur-Sinfonie zur Aufführung kommen. 

— Joachim ist, nachdem er im philharmonischen Concerte 
in Edinburg mit immensem Erfolg aufgetreten, wieder nach London 
zurückgekehrt, um in den populären Montags-Concerten zu spielen 
und dann nach Paris zu gehen. 

— Die italienische Oper des Hrn. Map leson in Her Majestys 
Theatre wird auch Meyerbeer's „Dinorah" mit Frl. von M u r s k a 
zur Aufführung bringen. 

*** Der englische Barytonist S a n 1 1 e y gastirte mit [ausser- 
ordentlichem Erfolge im Scalatheater zu Mailand. Schon sein 
erstes Auftreten als Graf Luna im „Trovatore" gewann ihm die 
allgemeine Sympathie. 

*** Der Regisseur Lavallade hat wieder einen statistischen 
Ueberblick der im k. Opernbause im Jahre 1865 stattgefundenen 
Vorstellungen veröffentlicht, dem wir folgendes entnehmen: Es wurden 
im Ganzen 171 Opern, 54 Ballete, und 35 gemischte Vorstellungen 
gegeben. Es kamen 49 verschiedene Opern und 20 Ballets und 
Divertissements zur Aufführung. Novitäten waren die „Afrikanerin" 
und das Ballet „Sardanapal," und neu einstudirt wurden : „Catbarina 
Cornaro," „So machen es alle," „Rienzi," „Alessandro Stradella," 
„Die weise Dame," „Der Postillon von Lonjumeau" und „Violetta". 
Vorstellungen classischer Oper fanden statt: von Mozart 29, von 
Beethoven 7, von Weber 16, von Mehul 1, von Spontini 4, von 
Cherubini 3. 

*** Die Schwestern Franziska und Ottilie Friese haben 
im Laufe der gegenwärtigen Saison in den bedeutenderen Städten 
des Niederrheins concertirt und durch ihre Leistungen auf dem 
Claviere und der Violine allenthalben die unbestrittene Anerkennung 
der Hörer gefunden. 

*** In Nürnberg hielt Lina Ramann Ende Januars ihren 
zehnten musikgeschichtlichen Vortrag für Damen über die Kunst 
des Violin- und Ciavierspiels während des 17. und 18. Jahrhunderts 
und trug in demselben mit Frl. Volkmann Ciavierstücke von 
Frescobaldi, Lully, Scarlatti, Porpora, Galuppi, Martini und Para- 
disi vor. 

*** Hr. von Bronsart soll gesonnen sein, seine Stellung in 
Berlin aufzugeben. 

*** In Brüssel starb der ausgezeichnete Violoncellist, Professor 
Montigny und in Hamburg der rühmlichst bekannte Geigen* 
macher Georg Spars. 

*** Die „Afrikanerin" ist in Cincinnati mit glänzendem Erfolge 
gegeben worden. 



*** Frau Maria-Vollmer hat in Frankfurt a. M. eine Ge- 
sangschule etablirt. 

*** Am 26. Febr. fand die Generalprobe und am 27. Febr. 
die erste Aufführung der ,, Afrikanerin' 1 im k. Hofoperntheater zu 
Wien statt. 

*** Herr und Frau M a r c h e s i aus Cöln haben in Frank* 
fürt a. M. zwei historische Concerte gegeben, in welchen Instru- 
mental- und Gesangscompositionen vom 15. Jahrhundert bis auf 
unsere Zeit zur Aufführung kamen. — Ebendaselbst wird die treff- 
liche Pianistin Frl. Wilhelmine Marstrand unter Mitwirkung 
des von einer Kunstreise in den Niederlanden zurückgekehrten Hrn. 
Carl Hill ein Concert veranstalten. 

*** Dem Vernehmen nach hat der Herzog Ernst von Coburg 
die Absicht, gegen Mitte Mai d. J. in Coburg ein grossartiges Musik- 
fest zu feiern, zu dessen Aufführung Künstler von Ruf, wie Hans 
v. Bülow, Fr. Liszt, Henry Litolff, Joachim Raff 
und R. Wagner erwartet werden. 

*** In dem am 4. März im Redoutensaale stattfindenden Con- 
certe der Gesellschaft der Musikfreunde werden unter Herbeck's 
Direction zur Aufführung gelangen: Schuberts C - dur - Marsch , in- 
strumentirt von Liszt ; Mendelssohn^ 43. Psalm ; zwei Schumann 1 - 
sche Vocalchöre („der Traum* und „Schön Rothraut"); 4. Suite 
für Orchester von Franz Lachner, unter persönlicher Leitung 
des Componisten. 

%* Im Circus R e n z in Wien werden an den Sonntagen der 
Fastenzeit Nachmittags 4 Uhr grosse Monstre - Concerte veranstaltet. 
In Paris im Cirque Napoleon und in Brüssel im Cirque National 
erfreuen sich derartige Concerte, namentlich jene unter Leitung des 
Hrn. Pasdeloup, bereits seit einer Reihe von Jahren des nach- 
haltigsten Erfolges und es steht zu erwarten, dass auch in Wien die 
allgemeinste Theilnahme dem Untei nehmen entgegenkommen wird; 
das Orchester besteht aus 150 Musikern unter Direction des Capell- 
meisters G. Carlberg, welcher durch die Einführung der Sinfonie- 
Concerte in Wien und Berlin noch in gutem Andenken steht; auch 
für die Mitwirkung bedeutender Solisten wurde Sorge getragen. 
Das erste Concert findet am 4. März statt. 

*** Dem Vernehmen nach wird Roger im September am 
Friedrich-Wilhelmstädter Theater in Berlin gastiren. 

%* In München wurde am 24. Februar das Oratorium : „die 
Legende der hl. Elisabeth" von Fr. Liszt unter Direction des 
Hrn. Hans v. Bülow zur Aufführung gebracht und namentlich 
in den beiden letzten Theilen mit warmem Beifall aufgenommen. 
Eine Wiederholung dieser Aufführung findet am 1. März statt. *) 

*** Frau Lucca von der k. Oper in Berlin wird im April 
acht Mal an der italienischen Oper in Madrid singen und dafür ein 
Honorar von 20,000 Frcs. und freie Station für sich und zwei Per- 
sonen ihrer Begleitung erhalten. 

%* In Bremen kam unter Mitwirkung der Singakademie V i er- 
lin g's „Hero und Leander a mit entschiedenem Erfolg zur Aufführung. 

*** Hr. Fetis hat die seit langer Zeit inne gehabte Stelle als 
Director des Brüsseler Conservatoriums definitiv niedergelegt. 



*) Wir dürfen wohl einem Berieht über diese Aufführung von unserem, 
dortigen Hrn. Mitarbeiter baldigst entgegensehen? Die Red» 



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5«r ^orfraub tat l^ttlißfättfc. 



Verantw. Red. Ed. Fächeret. Druck v. Carl Wallau, Main*. 



15. Jahrgang. 



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12. März. 1866. 



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INHALT: Die Militärmusiken und der Instrumentenbau in Deutschland und Frankreich. Correspondenzen : Mainz. München. Nachrichten. 



Die Militärmusiken und der Instrumentenbau 
in Deutschland und Frankreich. 



(S c h 1 u s s.) 

Es bietet uns aber die Frage, die uns bis jetzt beschäftigt, noch 
eine andere Seite dar, und ich bin überzeugt, dass, was diese be- 
trifft, Sie vollkommen mit mir übereinstimmen werden. Ich will 
einerseits von dem ästhetischen Einflasse sprechen , welchen die 
Militärmusiken auf die Bevölkerung des Landes ausüben sollen, und 
anderseits von den Vortheilen , welche jeder Musiker durch gründ- 
liche Kenntnisse seines Instrumentes, auch ausser dem Bereiche des 
Regimentes, zu finden berechtigt ist. Wenn das Militärorchester 
vernunftgemässer zusammengesetzt wäre und sich inniger an das 
Civilorchester anschlösse, so würde dasselbe erstlich' viel geeigneter 
sein, die Meisterwerke unserer grossen Componisten auszuführen, was 
gewiss ein Punkt ist, der gehörig betrachtet zu werden verdient; 
allein es würde auch noch ein zweiter Vortheil daraus entspringen: 
die Beabschiedung oder Pensionirung der Militärmusiker würde 
jährlich eine beträchtliche Anzahl tüchtiger Männer in die verschie- 
denen Provinzen des Landes vertheilen, die für die Theaterorchester 
und Musikgesellschaften ein gar kostbares Personal abgeben würden; 
auch als Musiklehrer würden sie treuliche Dienste leisten, und unter 
ihrer Leitung würde ein zahlreicher Nachwuchs guter Zöglinge für 
die Orchester und die Militärmusiken gedeihn. Einerseits würden 
also diese vom Militärdienste befreiten Musiker kräftig zur Verbrei- 
tung der Kunst einwirken und anderseits sich selbst ein ebenso 
ehrenhaftes als reichliches Unterkommen sichern. Ein guter Hornist, 
ein tüchtiger Fagottist oder Hoboist wird immer gesucht und bat 
überall freie Wahl zum Eintritt, während ein Saxophon- oder Sax- 
horn-Bläser, wäre er auch ausgezeichnet, sehr selten eine gute An- 
stellung ausser dem Militärdienste finden dürfte. Was ist nun aus 
der bisherigen Gestaltung der Dinge erfolgt? Seitdem die neueren 
Instrumente die älteren verdrängt, findet man keine Musiker mehr, 
um die Orchester zu besetzen, und manche Städte haben sich in die 
Notwendigkeit versetzt gasehen, mit grossen Kosten Musikschulen 
zu errichten, und, was gewiss traurig ist, gestehen zu müssen, um 
Professoren zu finden, müsste man sich an das Ausland wenden! 
So stehen die Dinge im Elsass wenigstens; wie es sich in den 
übrigen Provinzen verhält, weiss ich nicht. Eines aber steht fest 
und wird durch alle diejenigen bestätigt, die da hell sehen und sich 
nicht durch das leere Geschwätz oberflächlicher oder beeinflusster 
Personen verblenden lassen, nämlich dass die künstlerische Ausfüh- 
rung guter, classischer Musik eher ab- als zugenommen hat. Will 
man heute ein Werk von einiger Bedeutung hören, so muss man 
seine Schritte nach Paris oder irgend einer Residenzstadt lenken; 
wäre hingegen die Besetzung des Militärorchesters nicht so beschränkt 
und ausschliesslich aufgefasst, so würden auch Städte zweiten und 
dritten Banges, ja selbst noch kleinere Orte, künstlerische Hülfs- 
quellen darbieten , die jedes billige Bedürfniss befriedigen könnten. 
Anstatt immer und immer neue Instrumente erfinden zu wollen, 



würde man nicht viel besser daran thun, die alten, längst eingeführten 
zu vervollkommnen und dieselben zu Familien heranzubilden? Wie 
wäre es, wenn man z. B. in den Militärmusiken eine vollständige 
Familie von Clarinetten einführte ? Erstens eine Clarinette, die eine 
Octave tiefer läge als die Es-Clarinette ; eine zweite, die eine Octave 
tiefer klänge als die B-Clarinette, und endlich eine Co ntrabass- Cla- 
rinette, die zwei Octaven tiefer spielte als die Es-Clarinette. Diese 
Instrumente sind übrigens schon vorhanden : man braucht sich nur 
.an die „Hugenotten" zu erinnern , wo die Bassclarinette einen so 
imposanten Effect bewirkt. 

Die glänzenden Fortschritte der französischen Militärmusiken 
seit 1854 beruhen übrigens gar nicht auf der erzielten Vervollkomm- 
nung der Instrumente, wie es manche Leute gar irrig glauben; der 
Grund dieses Fortschritts ist einzig und allein in der grossen Ver- 
besserung der den Musikern eingeräumten Stellung zu suchen. Der 
v kaiserlichen Regierung kömmt die Ehre zu, vor allen andern be- 
griffen zu haben , dass die durch die Militärmusiken geleisteten 
Dienste bisher nicht gehörig gewürdigt worden, und dass man tüch- 
tige Künstler nur dann erhalten kann , wenn man denselben ein 
gehöriges Auskommen sichert und eine sorgenfreie Zukunft bereitet. 
Durch sein Decret vom 16. August 1354 (dessen Jahrestag in jeder 
Militärmusik gefeiert werden sollte) bat der Kaiser eine musikalische 
Revolution bewerkstelligt, die unberechenbare Folgen nach sich 
ziehen wird, und durch einen einzigen Federstrich hat derselbe mehr 
gethan als alle Erfindungen und alle Instrumentennmcher von ganz 
Europa je bewirken könnten: er hat Musiker geschaffen, und dies 
ist gewiss weit wichtiger und weit schwieriger als Instrumente zu 
bauen! Dank dem obengenannten Decret ist die französische Mili- 
tärmusik ein wahrer Sammelplatz nicht nur tüchtiger Instrumentisten, 
sondern auch ausgezeichneter Künstler geworden; man denke an 
Mohr, Klose, P aul us , Magnier, Sellenick , Rie d e 1, 
Tille u. s. w., die unter der Uniform eine ebenso ehrenvolle als 
vorteilhafte Stellung gefunden. Wir wünschen von ganzem Herzen 
unseren Nachbaren über'm Rhein einige uneigennützige Männer und 
eifrige Freunde der Militärmusik, wie die Herren Generäle Riban 
nnd Meilin et, wie die Herren Kastner, Pilliard, Perrin, 
Roth u. A., damit auch ihre Musiker endlich aus der untergeord- 
neten Stellung, in der sie leider nur schon zu lange verharren, ge- 
zogen und dieselben in Ausübung der Kunst Ehre und Vortheil finden 
mögen, wie ihre glücklichen Collegen in Frankreich ! Es ist natür- 
lich nichts Leichtes eine solche Reform in einem so getheilten Lande 
wie Deutschland auszuführen , und die Geldfrage wird allerdings 
schwer in der Wagschale liegen; allein wenn es sich um solch ge- 
wichtige Interessen handelt, wird man doch hoffentlich nicht an 
materiellen Hindernissen Anstoss nehmen und sich durch einige 
Opfer abschrecken lassen! Jedenfalls gebührt Frankreich die Ehre, 
den Militärmusikern zuerst eine ihrer selbst würdige Stellung ge- 
sichert zu haben , und der Kaiser , der diese Reform auf eine so 
schöne und grossmüthige Weise durchgeführt, hat sich um die Kunst 
ein grosses Verdienst erworben. 

Aber es ist Zeit, geehrtester Herr, diesen für Ihre Geduld gewiss 



- 42 _ 



viel zu langen Brief zu schliessen, obgleich derselbe in Betracht der 
wichtigen Frage, welche er behandelt, und der zahlreichen Ideen, 
welche er flüchtig berührt, viel zu kurz ist. Ich habe mir vorge- 
nommen, bei Zeit und Muse einst eine weniger unvollkommene Ar- 
beit über den fraglichen Gegenstand auszufertigen, wenn die An- 
sichten nämlich, die ich hier flüchtig niedergeschrieben, den geehr- 
ten Lesern als interessant genug erscheinen. Ich möchte nur noch 
Ihr Urtheil über einen Funkt einholen, der mir sehr oft aufgefallen 
ist; ich will von der sonderbaren Notirung gewisser Instrumente 
sprechen. Könnte man diesen veralteten Gebrauch nicht endlich 
abschaffen uud eine vernunftgemässere , gleichförmigere Schreibart 
einführen? Die Musik ist bis jetzt die einzige Universal - Sprache, 
welche die arme und in so vieler Hinsicht getheilte Menschheit bis 
jetzt auzfustellen vermochte : die Noten werden von allen civilisirten 
Völkern gelesen und verstanden; allein es bestehen noch hier und 
da sonderbare Abweichungen , die es Zeit wäre den Antiquitäten- 
sammlern zu überlassen. Ist es in der That nicht seltsam, dass, 
während für die Orchester ohne Ausnahme die nämliche Schreibart 
angenommen und ein gleichförmiges System befolgt wird, die Mili- 
tärmusiken der verschiedenen Länder auf der Mode beharren , sich 
verschiedener Schlüssel zu bedienen und mit einem wahrhaft hart- 
näckigen Aberglauben an Kleinigkeiten halten, die im Grunde weder 
Sinn noch Werth haben ! Um eine befriedigende Lösung zu finden, 
wären Sie nicht der Meinung , einen Congress von Musikmeistern 
zu berufen, der aus Abgeordneten aus allen Nationen Europa's be- 
stünde? Dieser Congress würde sich z. B. in Paris versammeln, 
und sich, ausser dem berührten Funkte, mit allen den Fragen be- 
schäftigen, die in seine Competenz einschlagen, als: musikalische 
Schreibart, Instrumentenbau, Stellung der Musiker, nationale und 
internationale Musik-Concourse etc. etc. ; es würde dadurch den Ver- 
handlungen ein ebenso interessantes als nützliches Feld eröffnet. 

Erlauben Sie mir nun noch schliesslich hier eine Tabelle eines 

nach meiner Idee entworfenen Militär-Orchesters einzuschalten : 

Flöten (grosse und kleine) 2 Saxophone Soprano . . 1 

Clarinette in As . . 1 „ AHo . . 1 

„ in Es ... 3 „ Tenor . . 1 

„ in B. . . 6 „ Baryton . . 1 

„ Tenor in Es 6 Hörner .... 4 

Bass-Clarinetten in B . 4 Flügelhorn in Es .1 

Contrabass-Clarinetten in Es 2 „ in B . ,2 

Hoboen .... 4 Altflügelhorn in Es . . 2 

Fagotte .... 2 Barytonflügelhorn in B . 2 

Contrafagott ... 1 Basse und Contrabässe . 6 

Pistons .... 2 Posaunen .... 4 

Trompeten. ... 2 Spiel .... 5 

~6CT 
Aus dieser Tabelle entspringt , dass weder die Besetzung der 
französischen, noch diejenige der deutschen Militärmusiken voll- 
kommen dem Ideal entspricht, das ich mir entworfen und das ich 
für kunstgerecht halte, weil es sich auf die Zusammenstellung des 
eigentlichen Orchesters gründet. — Die Clarinette ist die Königin 
der Holzblasinstrumente; dieselbe muss folglich die Grundlage des 
Militärorchesters bilden, wie die Geigen die Basis des Civilorchesters 
abgeben. Darum räume ich auch diesen Instrumenten den ersten 
Platz ein, denjenigen des Streich-Quartetts in dem Orchestei. Mit 
einer solchen Combination wäre es möglich, die Meisterwerke unserer 
grossen Componisten fast buchstäblich auszuführen. In dieser Ab" 
sieht habe ich auch die alten, ausser Gebrauch gekommenen Instru- 
mente beibehalten, ohne jedoch die neuen Erfindungen auszuschliessen, 
die in obiger Tabelle noch einen anständigen Platz einnehmen. Es 
ist möglich, dass meine Auffassung der Kritik Blossen bietet, allein 
ich gebe dasselbe freimüthig und ohne Rückhalt dem Gutachten der 
Kenner preis, und bin bereit, dankbar jeden triftigen Einwurf anzu- 
hören und mich jeder auf festen Grundsätzen beruhenden und den 
Fortschritt befördernden Aenderung zu unterwerfen. 

Aus dem Zusammenstoss gewissenhafter und freimüthig ausge- 
sprochener Meinungen ersteht das Licht, auf dem Boden der Kunst 
wie auf dem Gebiete der Wissenschaft ; darum habe ich mir erlaubt, 
meine schwache Stimme in diesen interessanten Debatten zu erbeben. 
Ich würde mich glücklich schätzen, wenn meine leider allzu unvoll- 
kommene Arbeit die Beachtung sachkundiger Männer verdienen und 
etwas zur endlichen Lösung eines Problems beitragen könnte, wel- 



ches gewichtige Stimmen heute noch als Streitfrage betrachten, un- 
erachtet aller bis jetzt verwirklichten Fortschritte. 

Genehmigen Sie, geehrtester Herr, den Aasdruck der ausge- 
zeichnetsten Hochachtung Ihres gehorsamen Dieners 

A. E. Schaefer, 
Musikdirector des Hauses Hartmann & Söhne. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Mainz. 

I. Mir/.. 

Frau Dust mann- Meyer trat noch in Gounod's „Faust" und 
zum Schluss ihres Gastspiels als Donna Anna im „Don Juan" auf. 
Man sah ihrer Darstellung der Margarethe mit einigem Zweifel ent- 
gegen, ob diese Bolle dem gefeierten Gaste auch ebenso wie die 
bisher gegebenen zusagen werde. Allein Frau Dustmann hob durch 
die Vortrefflichkeit ihres Spiels und Gesangs das Publikum über 
jeden derartigen Zweifel siegreich hinweg, und wenn auch manche 
Scene der ersten Acte durch ihre Naivetät der Künstlerin in ihrer 
Persönlichkeit einige Schwierigkeiten zu bereiten schienen , so 
wusste sie diese doch durch ihr meisterhaftes Spiel und ihre vollen- 
dete Gesangskunst zu überwinden. Besonders grossartig war ihre 
dramatische Leistung in der Scene mit dem sterbenden Valentin 
und inf der Kirchenscene. — Die Donna Anna gehört zu den Partien, 
die den Ruf der Frau Dustmann als eine der ersten dramatischen 
Sängerinnen der Gegenwart begründet haben, und wahrhaft gross 
war sie auch diesmal in der Wiedergabe dieser herrlichen Rolle. 
Der Beifall des Publikums, das sich jedesmal zahlreich eingefunden 
hatte, wuchs von Vorstellung zu Vorstellung, und mit aufrichtigem 
Bedauern sah man Frau Dustmann von unserer Bühne scheiden, um 
ein Gastspiel in Cöln zu eröffnen. 

Im „Faust" sah sich der gefeierte Gast durch die HH. B o h 1 i g 
(Faust) , S c h m i d (Mephisto) und G r ü n w a 1 d (Valentin) recht 
wacker unterstützt, und auch Chor und Orchester waren sehr lobens- 
wert!). Weniger Erfreuliches leistete die Umgebung der Frau Dust- 
mann im „Don Juan," mit Ausnahme der Frau Skalla -Borzaga^ 
welche die Elvira vortrefflich sang, und des Hrn. Bohlig (Octavio), 
der seine erste Arie sehr hübsch vortrug, die zweite aber leider 
wegliess. Chor %und Orchester Hessen auch bei dieser Vorstellung 
nichts zu wünschen übrig. 

Am vergangenen Montag fand endlich das zweite Sinfonieconcert 
des Tbeaterorchesters im Saale des Frankfurter Hofes statt. Leider 
waren wir durch Unwohlsein verbindert, demselben beizuwohnen, 
doch wird uns von competenter Seite mitgetheilt, dass die Auffüh- 
rung der Mozart'schen G-moll-Sinfonie, sowie der Oberon-Ouvertüre 
eine vortreffliche, von dem diesmal zahlreicher versammelten Pub- 
likum mit freudigem Applause belohnte gewesen sei. Weniger ge- 
lungen war die Ouvertüre zu „Jessonda". Auch die Gesangs vortrage 
der Frau Zademak wurden sehr beifällig aufgenommen. E. F. 



Aus Mönchen. 

4. Marx. 

Zu einem wohlthätigen Zwecke veranstaltete am Aschermittwoch 
unter der Direction von Max Z enger und unter Mitwirkung des 
Oratorienvereins und des Hoftheaterorchesters die Münchener Sänger- 
genossensehaft ein Concert im Odeon, dessen Programm mit der 
Ouvertüre zu „Ruy Blas" von Mendelssohn eröffnet wurde. Von 
Chören wurde gesungen: Chor aus der „Zauberflöte : „O Isis und 
Isiris*, „Morgenlied" von Rietz, „Sturmesmythe" von Franz Lachner, 
Schumann's „Zigeunerleben" (welche Composition Zenger recht pi- 
kant instrumenta hat) und der Chor „Aber mit seinem Volke" aus 
„Israel in Aegypten" von Händel. Wir können nicht sagen, dass 
wir mit der Ausführung des Programmes vollkommen zufrieden waren; 
noch manche Stelle hätte der Probe bedurft, und manchem Sänger, 
der nun da oben auf dem Podium stand und stolz darauf war, vor 
dem reichen Damenflor sich als mitwirkender Sänger ausstellen zu 
können, wäre der Besuch der Proben amurathen gewesen, was die 
Freuden der Saison, die letzten, verhallenden Klänge des Carnevals 



— 43 - 



über nicht zugelassen hatten. Was Wunder, dass bei der Betheili- 
gung solcher Leute ab und zu die Gefahr des Umwerfens nahe stand, 
und nur der geschickten, energischen Direction Zenger's war es zu 
verdanken, dass das Programm wenigstens anständig vorgeführt wurde. 
— Die Damen des Oratorienvereins traten mit einer ungemein zar- 
ten Composition von Cherubini für Frauenchor, Schlummerlied aus 
4er Gelegenheitsoper „Blanche de Provence", auf und ernteten für 
den gelungenen Vortrag stürmischen Beifall. 

Frl. E h n n vom Nürnberger Stadttheater sang zwei von Max 
Zenger componirte Gesänge aus G'öthe's „Faust" mit Leidenschaft 
und dramatischem Leben, und Lieder von Schubert, Mendelssohn 
und Abt mit feiner Empfindung und zierlichem Ausdruck. Obgleich 
«las Fräulein noch sehr jung ist, nimmt sie doch schon eine Weile 
den schwierigen Posten einer Primadonna ein, und erst jüngst ern- 
tete sie als Afrikanerin die wohlverdientesten Lorbeeren. In der 
Höhe und iu der Tiefe ist die Stimme schön und edel, schade, dass 
die Mittellage, aus deren Tönen sich die meisten Melodien aufbauen, 
im Verhältniss zu den beiden Endpunkten der Stimme weniger sym- 
pathisch und ansprechend klingt. Ebenso beeinträchtigt ein ewiges 
Tremoliren die Schönheit des Organs. Im Uebrigen hat das Fräu- 
lein Geschmack und Verständnis» und wenn sie noch im Stande 
wäre, diese Fehler, die auch auf die Stimmbildung rückwirken, ab- 
zulegen, müsste sie bald den ersten dramatischen Sängerinnen Deutsch- 
lands zugezählt werden. — 

Das Hauptereigniss in unserer musikalischen Welt bildet die 
zweimalige, auf Befehl des Königs erfolgte Aufführung des Oratoriums 
„Elisabeth" von Franz Liszt, Dichtung von Otto Eoquette 
(zum ersten Male aufgeführt am 15. August 1865 bei Gelegenheit 
der 25jährigen Jubelfeier des Pesth-Ofener Mnsik-Conservatoriums). 
Die Veranlassung, zu welcher das Oratorium geschrieben wurde, 
wirkte jedenfalls bestimmend auf die Wahl des Stoffes : die religiös- 
romantische Natur Liszt's aber griff mit Vergnügen nach der Ge- 
schichte der Landgräfin Elisabeth, der Heiligen von der Wartburg, 
weil sich in der Composition dieses Sujet's seine innerste Anschau- 
ung aussprechen konnte. In sechs Bildern , die sämmtlich in der 
Stimmung verschieden sind und deren Text — oft sogar mit Ver- 
nachlässigung der Schönheit der dichterischen Form — nur den einen 
Zweck erfüllt, der Composition passende Situationen zu unterbreiten, 
zieht die Lebensgeschichte Elisabeths an uns vorbei ; wir sind Zeugen 
ihrer frühen Verlobung mit dem Landgrafen Ludwig , des Rosen- 
wunders, des Abschieds von ihrem Gemahl, der in den heiligen Krieg 
zieht, von ihrer Verstossung durch ihre herrschsüchtige Schwieger- 
mutter, von ihrem Tod und Elend und von ihrer feierlichen Be- 
stattung. 

Es ist der neueren Musikrichtung noch nicht gelungen, in den 
Sologesängen die Wirkung hervorzubringen, deren Bich ein Gluck, 
Haydn, Mozart, Beethoven, Weber rühmen können; in der neuen 
Aera, wo die Musik nur den durch den Sinn des Textes bedungenen 
Modificationen des Sprechens sklavisch folgt, ohne sich zur Melodie 
zu gestalten, ist der Gesang meist derart, dass er statt zu erfrischen, 
•ermüdet, statt zu erfreuen, langweilt. Aehnliche Gefühle stellten 
«ich uns auch bei Anhörung dieses Oratoriums ein ; ausser dem Ge- 
sänge der Elisabeth im fünften Bilde (jedenfalls dem schönsten 
Satze der ganzen Composition) wüssten wir keine Partie zu be- 
zeichnen, bei der wir nicht Sehnsucht getragen hätten, sie möglichst 
bald beendet zu hören. Das „Jagdlied" des Grafen ist nicht viel 
mehr als ein Conglomerat von Phrasen und hat von einem Bilde 
keine Spur ; der Gesang der Landgräfin Sophie, dem kein Original- 
motiv zu Grunde liegt, ist ein immerwährendes, langweiliges Beci- 
tativ, wie nur je eines geschrieben wurde. 

Wenn wir uns aber mit den Einzelngesängen im Ganzen nicht 
befreunden konnten, um so entschiedeneres Lob haben wir für die 
Chöre. Da finden wir einen Beichthum der Melodie, eine Schönheit 
in der Stimmführung, eine Feinheit der Construction, eine Klarheit 
der Form, die wir — ist uns ein aufrichtiges Wort gegönnt — Hrn. 
Liszt gar nicht einmal zugetraut hätten; nun aber hat er uns auf- 
richtig bekehrt. Das klingt alles so frisch, so innig, das ist echter, 
menschlicher Gesang , voll Freud und Leid , voll Stimmung und 
Wirkung. Gleich am Anfang schon nimmt der fröhliche Chor, mit 
welchem die einziehende kleine Braut begrüsst wird) unser Wohl- 
wollen gefangen, und dann folgt, begleitet von einer äusserst inte- 
ressanten Instrumentation, der zierliche, muntere Kinderchor, welcher 



der kleinen Braut die umfänglichste Unterhaltung in Flur und Wald 
verspricht; das ist Alles so lieblich und anmuthig, so freudig und 
voll Leben, — wie die selige Jugendzeit selber. 

Die kräftigste und populärste Nummer der ganzen Composition 
ist der Kreuzfahrerchor. Er beginnt mit einem breiten, leichtfass- 
lichen Motiv und baut sich so einfach und leicht darstellbar auf, 
dass wir diesen Marsch wohl öfter in den Concerten guter Musik- 
gesellschaften , denen wir ihn eindringlichst empfehlen möchten, 
hören werden ; aus ihm klingt hohe Begeisterung, glühender Kampfes- 
muth. — Erklären wir diesen für die leicbtestverständliche Nummer, 
so nennen wir den Armenchor die schönste ; hier lebt eine so fromme 
Empfindung, eine so heilige Stimmung, dass es uns wie Andacht 
anwandelt, und wer könnte die Stelle : 

„Und wen geküsst des Todesengels Mund, 
Den legtest fromm Du in geweihten Grund" 
hören, ohne im Tiefsten gerührt zu sein ? Wahrlich, hier hat B ü I o w 
Becht, wenn er sagt, diese Composition sei eine Allianz von Reli- 
gion und Musik; ja, hier finden wir frommen Glauben und echte 
Kunst verschwistert, das Ohr hängt verlangend an diesem innigen 
Gesänge, und wie ein mahnend Glaubenswort umweht es uns. Bis 
hinauf zu dem sich jetzt anreihenden Engelchor hat sich die Com- 
position in Stimmung und Ausdruck gesteigert, und nun stehen wir 
vor der letzten Nummer, vor dem Epilog; die wenigsten Oratorien 
können sich dieses Vorzugs rühmen. (Schluss folgt.) 



■ *oo » i 



Naclirichte 



Stuttgart. In dem am 24. Februar in den Gemächern Sr. 
Majestät des Königs stattgefundenen Hofconcerte wurde durch die 
HH. Pruckner, Singer, Debuysere und Krumb holz ein 
Quartett für Pianoforte, Violine, Viola und Violoncell von Ludwig 
Stark in vortrefflicher Weise zur Ausführung gebracht. Der erste 
und dritte Satz desselben zeichnen sich durch den Schwung und die 
Frische der Motive sowie die interessante Durchführung aus ; im 
Scherzo und Finale zeigt uns der Componist, dass er auf dem Felde 
des Contrapunktes wie Wenige zu Hause ist. Das höchst achtbare 
Werk errang sich verdienten Beifall. 

Unser trefflicher Pianist Dionys Pruckner, welcher vor 
noch nicht so langer Zeit zum Hofpianisten ernannt wurde, ist vom 
König neuerdings durch Verleihung der grossen goldenen Medaille 
für Kunst und Wissenschaft am Bande des Kronordens ausgezeich- 
net worden. 

München. Am 3. d. M. wohnte der König, nur von seinem 
Adjutanten, dem Fürsten Taxis begleitet, einer Production des 
Musikcorps des 1. Inf.-Begiments im Besidenz-Theater bei, wo nur 
Wagnerische Compositionen zur Aufführung kamen. Verschiedene 
Blätter melden, dass Wagner's baldige Bückkehr hieher bevorstehe ; 
allein wenn auch der König, der mit seinem Schützling in bestän- 
digem brieflichem Verkehr steht, diese Bückkehr wohl wünschen 
mag, so dürfte doch Wagner selbst wenig geneigt sein, wieder nach 
München zu kommen, so lange die Verhältnisse dahier noch immer 
dieselben bleiben, die seine Entfernung herbeigeführt haben. 

— Die Oper „Gil Blaze" von Max Zenger, der vor einigen 
Jahren seine erste Oper: „Die Foscari" mit Beifall zur Aufführung 
brachte, wird in nächster Zeit am Hoftheater in Scene gehen. Frl. 
Stehle und Hr. Kindermann werden die Hauptrollen singen. 

— Hr. v. B ü 1 o w erhielt nach seinem ersten Concerte vom 
König eine schwere goldene Kette zugesandt. 

Leipzig. Am 27. Februar veranstaltete die „Euterpe" und die 
„Singakademie" gemeinschaftlich ein grosses Concert im Saale der 
Centralhalle, welches sowohl seiner Grossartigkeit, als auch der treff- 
lichen Durchführung wegen als hervorragend in der diesjährigen 
Saison bezeichnet werden darf, denn es ist kein Zweifel, dass diesem 
gelungenen Versuche, Concerte in grösserem Maassstabe durch Ver- 
einigung verschiedener musikalischen Gesellschaften zu ermöglichen, 
in Zukunft mehrere und wohl auch immer gelungenere Unterneh- 
mungen ähnlicher Art folgen werden. 400 Sänger und Instrnmen- 
talisten wirkten bei dem in Bede stehenden Concerte mit, und die 
Gesangsoli waren vertreten durch die Damen Frl. S a n t e r von der 
Berliner Oper, Frl. Wild und Frau P ö g n e r von hier und die 
Herren Ganz von Hannover und Freny von Dresden. Das 



_ 44 ■ — 



Programm enthielt: „Frühlingsbotschaft ," Concertstück für Chor 
und Orchester von N. Gade ; Arie : „Dies Bildniss ist bezaubernd 
schön" aus der „Zauberflöte" ; Schlussscene des 3. Actes aus der 
„Armida" von Gluck, und das Stabat maier von Bossini, welches 
letztere Werk bei dieser Gelegenheit hier zum erste Male vollständig 
aufgeführt wurde. 

Dresden. Am 2. d. M. fand in der Kreuzkirche eine geistliche 
Musikaufführung statt, welche Hr. C. M. Höppner veranstaltet 
hatte und in welcher neben Compositionen von Bach und Schumann 
und einer Orgelfuge des Concertgebers , auch Rossini's „Stabat 
mater" zur Aufführung kam. 

— Am 3. d. M. gab der Violinvirtuose Hr. v. Wasielewski 
im „Hotel de Saxe" eine Soire'e musicale, in welcher unter Mit- 
wirkung des Hrn. Capellmeisters Reinecke von Leipzig und des 
Cellovirtuosen Grützmacher nur gediegene Musik, und zwar in 
vorzüglicher Ausführung geboten wurde. Das Programm enthielt 
eine Sonate für Violine von dem fast verschollenen Nebenbuhler 
Tartini's, V e r a c i n i ; sodann Variationen über ein Händel'sches 
Thema von C. Reinecke, Sonate von Mozart für Ciavier und Violine 
(B-dur) und das Trio in B-dur (Op. 97) von Beethoven. 

Wien. Die durch Fr. Lachner in einer dem Geschmacke 
und den musikalischen Mitteln der Neuzeit entsprechenden Weise 
wieder eingeführte Orchestersuite scheint bei dem musikliebenden 
Publikum immer mehr Anklang zu finden, und es ist dies um so 
erklärlicher, als die bis jetzt mit derartigen Werken hervorgetretenen 
Componisten (nämlich ausser Fr. Lachner noch Esser, Raff und 
Grimm) auch Meisterhaftes geschaffen haben. Noch selten hat in 
Wien ein neues Werk einen so durchschlagenden Erfolg erzielt, wie 
dies kürzlich bei der ersten Aufführung der zweiten Suite von 
H. Esser der Fall war. Nicht nur das Publikum zeichnete den 
Componisten durch stürmischen Applaus und wiederholte Hervorrufe 
aus, sondern auch die gesammte Presse ist einstimmig des höchsten 
Lobes voll über das Werk eines Künstlers, der so lange schon unter 
uns lebt und wirkt, und dessen schöpferisches Talent vielleicht nur 
durch seine seltene Bescheidenheit übertroffen wird , welche bis 
jetzt seine Verdienste lange nicht zur entsprechenden Geltung 
kommen Hess. Um so erfreulicher ist es, dass die verdiente Aner- 
kennung jetzt endlich zum Durchbruch gelangte, und man nun ein- 
zusehen scheint, was wir in Esser eigentlich besitzen. 

Im jüngsten Concerte der Gesellschaft der Musikfreunde wurde 
ebenfalls eine neue Suite, und zwar die vierte von Fr. Lachner 
geschriebene und der Gesellschaft der Musikfreunde gewidmete, 
unter des Componisten persönlicher Leitung aufgeführt. Lachner 
wurde bei seinem Erscheinen äusserst lebhaft empfangen und nach 
der Aufführung stürmisch gerufen. Die schöpferische Kraft dieses 
mit allen Künsten des Contrapunktes so innig vertrauten, in der 
Behandlung des Orchesters so unvergleichlich gewandten Meisters 
scheint sich in der von ihm wieder eingeführten Suitenform förmlich 
verjüngt zu haben , denn es ist eine wahrhaft bewundernswerthe 
Thatsache, dass Lachner in so schneller Aufeinanderfolge nun bereits 
vier grosse Suiten geschrieben hat, von denen immer eine wieder 
interessanter und effectvoller als die andere ist. Der Erfolg der 
Lachner'schen Suiten ist kein blos localer, etwa nur auf hier und 
München, oder auf Deutschland beschränkter, sondern sowie fast in 
allen bedeutenderen Städten Deutschlands wenigstens das eine oder 
«ndere dieser Werke mit entschiedenem Beifall aufgeführt wurde, 
so hat auch das Pariser Publikum und die dortige Kritik sich 
wiederholt zu Gunsten dieser originellen und anziehenden Schöpfungen 
ausgesprochen, und noch kürzlich wurde die dritte Suite von Fr. 
Lacbner in Brüssel mit vollständigem Erfolg aufgeführt und von der 
Kritik in eine für den Componisten höchst schmeichelhaften und 
ehrenvollen Weise besprochen. 

— Roger ist bereits hier angekommen und wird sein Gastspiel 
im Harmonie-Theater als George Brown eröffnen. Sein zweites Auf- 
treten wird im „Johann von Paris" stattfinden. 

— Frl. Krauss und Hr. Mayerhofer sind nun soweit in 
der Reconvalescenz vorgeschritten, dass ihrem demnächstigen Wieder- 
auftreten im Operntheater entgegengesehen werden kann. 

— Der Capellmeister Carlberg beabsichtigte imCircusRenz 
grosse populäre Concerte, ähnlich den Pa>deloup'schen in Paris 
vu geben. Das erste derselben sollte am Sonntag den 4. d. M. 



stattfinden, scheiterte aber, trotzdem ein zahlreiches Publikum bereit» 
versammelt war, an unliebsamen Hindernissen. Hr. Carlberg erklärt« 
mit von Thränen erstickter Stimme, er sei nicht Schuld an diesem 
fatalen Ereignisse. 

Hamburg. Julius Stockhausen ist in diesen Tagen nach 
Petersburg abgereist, wo er zu zwei Concerten der philharmonischen» 
Gesellschaft engagirt ist und auch ein eigenes Concert geben wird; 
Die von ihm hier in Hamburg errichtete Gesangsschule ist in voller 
Blüthe, und die Leitung der Sing-Akademie hat während der Zeit 
seiner Abwesenheit, die jedoch nur bis Mitte März dauern wird>> 
Hr. Musikdirector Grädener übernommen. 

Posen. Seit lange hat keine Sängerin auf unserer Bühne sieb 
die allgemeinste Sympathie in so hohem Grade zu erringen ver- 
standen, wie dies der trefflichen Künstlerin Frl. Tipka in kurzer 
Zeit gelungen ist. Ihre Leistungen in den Rollen der Elvira in 
„Ernani," der Leonore im „Troubadour," der Zerline im „Don Juan'* 
und der Lucia in der gleichnamigen Oper waren von seltener 
Vollendung , sowohl in Bezug auf Coloratur wie auf künstlerisch» 
Auffassung und Wärme des Vortrags, und vielfach wiederholter, stür- 
mischer Beifall ward ihr in jeder dieser Partien zu Theil. Nicht 
minder allgemeine Anerkennung und wohlverdienter Beifall ward 
Frl. Tipka im Concert des Hrn. Franz Bendel zu Theil , in 
welchem sie Scene und Arie der Agathe aus dem „Freischütz," ei» 
Lied von Reichhardt, ,,Invita alla danza" von Stigelli und ei» 
ungarisches Nationallied sang ; die beiden letzteren Nummern gaben 
ihr Gelegenheit, ihre staunenswertbe Kehlenfertigkeit im glänzend» 
sten Lichte zu zeigen. 

Lüttich, 25. Februar. Gestern veranstaltete die Socie'te libre 
<V Emulation ihr erstes grosses Concert. Alfred Ja eil spielte 
Beethoven's Es-dur- Concert und in der zweiten Abtheilung das Con» 
certstück von F. Hiller, das ihm vom Componisten gewidmet worden 
ist und bei Cranz in Hamburg erscheint, beide mit enthusiastischem 
Beifalle. Nach dem Vortrage seiner Paraphrase de VAfricaine und' 
des beliebten Sweet Home und dem Hervorrufe gab er noch seinen 
Faust -Walzer hinzu, der ebenfalls sehr durchschlug. Er ist von 
hier nach Marseille zu Concerten gereist und wird am 25. März in 
Paris inPasdeloup's Concerts populaires spielen. VonOrchestersachen 
hörten wir einen Festmarsch von Lassen (Manuscript) und zwei 
Sätze aus J. Raff's Suite für Orchester. 

Paris. Das 19. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup hatte- 
folgendes Programm : Sinfonie Nr. 46 von Haydn ; Melusinen-Ouver- 
türe von Mendelssohn ; Bourre'e von Seb. Bach ; die drei ersten 
Sätze der neunten Sinfonie von Beethoven ; „Türkischer Marsch" 
von Mozart, instrumentirt von Prosper Pascal. Das von Hrn. Pas- 
deloup in Rouen zum Besten der Armen gegebene grosse populäre 
Concert hat 15,000 Frcs. eingetragen. 

— Der Nestor der französischen Componisten , Leopold 
Aymon, ist im 87. Lebensjahr dahier gestorben, und fanden die 
Exequien für ihn in der Kirche St. Sulpice in Gegenwart einer 
zahlreichen Versammlung von Freunden und Verehrern statt. Trauer- 
zeuge war sein Neffe, der berühmte und in der musikalischen Welt 
geschätzte Arzt Dr. R i c o r d. 

V Am 3., 4. und 5. Juni d. J. findet in Güstrow das vierto 
Mecklenburgische Musikfest statt. Das Programm desselben ist 
folgendes: I. Tag: „Paulus" von Mendelssohn. IL Tag: Sinfonie 
in B-dur (Nr. 1) von Rob. Schumann; „die Nacht" Hymne von 
Moritz Hartmann, für Solo, Chor und Orchester von Ferd. Hiller; 
Ouvertüre Nro. 3 in C-dur zu „Leonore" von Beethoven ; der dritte 
Theil der „Schöpfung" von J. Haydn. III. Tag: Künstlerconcert* 

%* Ueber das diesjährige Niederrheinische Musikfest, welches 
in Düsseldorf in der dort neu erbauten städtischen Tonhalle 
abgehalten wird, verlautet vorläufig nur, dass Frau Jenny Lind- 
Goldschmidt und die HH. Golds chmidt, Stock hausen 
und G u n z mitwirken sollen. 

*** Joachim wird im April in den populären Concerten des 
Hrn. Pasdeloup auftreten. 

Berichtigung. In der Anzeige am Schlüsse unserer Nr. $ 
(Engagement von Musikern für Niederbronn betreffend) muss ea 
heissen : „auf drei Monate, vom 10. Juni bis 10. September." ' 

I I ' i. I >( ! 

Verantw. Red» Ed. Fächer er. Brück ». Carl Wallau, Mainzk 



15. Jahrgang. 



JWf M&. 



19. März. 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
lungen. 



«h-v 



? © IT 1 8) g 






Ton 



■ PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

Ö? für den Jahrgang. 
HNEN in MAINZ, j D»«h die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co. JL. 



INHALT: Literatur. — Correspondenzen : Stuttgart. München. Wien. Paris. — Nachrichten. 



Literatur. 



Lehrbuch der musikalischen Composition, 
verfasst von August Reissmann. I. Band: Die 
Elementarformen. Verlag von J. Guttentag 
in Berlin, gross Octav, 374 Seiten mit einem Vor- 
wort, Register, 640 in den Text eingedruckten Noten- 
beispielen und 17 Seiten Musikbeilagen. 

Der Verfasser genannten Lehrbuches hat durch seine früheren 
Werke, wie seine „Allgemeine Musiklehre," „Allgemeine Geschichte 
der Musik" etc. etc. sich bereits einen bedeutenden Ruf und eine 
hervorragende Stellung unter den musikalischen Schriftstellern unserer 
Zeit errungen , und sein Lehrbuch der musikalischen Composition 
dürfte vielleicht am meisten geeignet sein, eine recht allgemeine 
Verbreitung zu finden und den Namen des Autors Jedem, der sich 
für Musik, beziehungsweise für das Technische der Compositions- 
kunst interessirt, nicht nur bekannt, sopdern auch lieb und werth 
zu machen. Es ißt wahrlich kein Mangel an theoretischen Werken 
über Harmonielehre, Contrapunkt etc. etc., aber unter allen derartigen 
Büchern , die uns bekannt geworden sind , behandelt keines seine 
Aufgabe, den Compositionsschüler stufenweise, in möglichst logischer 
Fortschreitung und in durchaus klarer, Jedem verständlicher Weise 
in die Geheimnisse des Contrapunktes und der Harmonielehre ein* 
zuführen, in so gelungener, leicht fasslicher, auch zum Selbstunter- 
richt geeigneter Weise , wie dies Reissmann gethan hat. Er sagt 
selbst in seinem Vorworte : „Die Kunstlehre hat keine andere Auf- 
gabe, als dem Kunstjünger die Erkenntniss der innersten Natur des 
Materials, in dem er formen und bilden will, zu erscbliessen ; sie 
hat ihm die Gesetze darzulegen, nach denen es sich zu künstlerischen 
Formen zusammenfügt, will nicht als todte Regeln und Formeln, 
die, aus dem einzelnen Kunstwerke abstrahirt , nur den Schema- 
tismus erfassen, nicht den Organismus, sondern als die, das ganze 
künstlerische Schaffen leitenden Prinzipien , wie sie sich zu- 
nächst aus dem Darstellungsmaterial selber er- 
geben und dann am Kunstwerk ihre specielle Anwendung finden. 
Die Kunstlehre kann nicht eigentlich unterweisen im Schaffen, 
sondern nur im Formen; dies aber ist die nothwendige, unerläss- 
liche Vorbedingung für jenes." Diesen Grundsätzen entspricht der 
Plan seines Lehrbuches, und er zeigt mit grosser Klarheit und Ver- 
ständlichkeit im I. Buche („Melodisch-rythmische Gestaltung," 1. Ca- 
pitel: „Die einstimmige Composition"), wie aus der diatonischen Ton- 
leiter sich bereits Melodie undRythmus entwickeln lassen und 
in naturgemässer Weise tu den Formen des Liedes, des Marsches 
und des Tanzes führen. Das 2. Capitel handelt vom „Zweistimmigen 
Satz", und das 3. Capitel vom „Zweistimmigen künstlichen Contra- 
punkt", und zwar, wie schon erwähnt, in einer so fasslichen Weise 
und von so vielen Notenbeispielen begleitet, dass das, was in dieser 
Besiehung zu erlernen ist, jedem nur irgend mit musikalischem 
Talente Begabten verhältnissmassig leichter gemacht wird, als dies 
in anderen Lehrbüchern der Fall ist. 



Das IL Buch behandelt die Harmonik und ist in 6 Capitel 
abgetheilt. 1. Capitel: „Die Lehre von den Accorden"; 2. Capitel: 
„Der dreistimmige Satz" ; 3. Cap. : „Der dreistimmige künstliche 
Contrapunkt"; 4. Cap.: „Der vierstimmige Satz"; 5. Cap.: „Der 
vierstimmige künstliche Contrapunkt"; 6. Cap.: „Der fünf- und 
mehrstimmige Satz". Man sieht, dass auch hier wieder von Stufe 
zu Stufe vorgeschritten wird, und zwar geschieht dies mit derselben, 
wir möchten sagen populären Klarheit und Fasslichkeit wie im 
I. Buche. — Der noch zu erwartende II. Band wird in seinem 
I. Buche die Vocalformen, im IL Buche die Instrumentalformen 
und im III. Bache die dramatischen Formen behandeln. Wir em- 
pfehlen den vorliegenden ersten Band Lehrern und Schülern aus 
bester Ueberzeugung zur verdienten Berücksichtigung bei ihren ein- 
schlägigen Studien. 



im tmmt 



Canons. Zum Schulgebrauch und als Anhang 
zu jeder Chorgesangschule. Gesammelt von 
H. M. Schletterer, Capellmeister in Augsburg. 
Nördlingen,C.H.Bec k'sche Verlagshandlung, 1866. 

Der durch sein interessantes Buch über das deutsche Sing- 
spiel und durch seine Biographie des Componisten Joh. Fried r. 
Reichardt in weiteren Kreisen bekannte Herausgeber der in 
Rede stehenden Sammlung hat durch die Veröffentlichung dieser 
Canons, 59 an der Zahl, seiner Absicht gemäss einen wirklich schätz- 
baren Beitrag zum Unterrichtsmaterial für Chorschulen geliefert, 
abgesehen davon, dass diese Canons jedem Musiker durch die Mannig- 
faltigkeit und Gediegenheit ihrer Auswahl Vergnügen machen werden. 
Schletterer beginnt mit ganz einfachen , leicht zu treffenden zwei- 
stimmigen Canons und lässt allmählig mehrstimmige (bis zu sieben 
Stimmen) und complicirtere nachfolgen, welche in dea verschieden- 
sten Rythmen und Tonarten geschrieben sind. Schletterer selbst hat 
mehrere derselben geliefert, ausserdem enthält dieSammlungCanons von 
Haydn, Mozart, Beethoven, Seyfried, Karrow, Mühling, Kunzen, 
Rink, Bertalotti, Bierey und eine Anzahl von unbekannten Antoren 
herrührend. Auch die Texte bieten eine erfreuliche Abwechslung 
von Ernstem und Heiterem. Wir wünschen diesem Canoa-Büchlein 
ein recht grosse Verbreitung, namentlich in den Gesangschulen, wo 
es treffliche Dienste leisten wird. 

Dreiundvierzig Kinderlieder von Hoffmann 
von Fallersleben. Nach Original- und Volks- 
weisen mit Clavierbegleitung, herausgegeben von 
Hans Michel Schletterer, Capellmeister in 
Augsburg. Cassel, Verlag von Aug. Freyschmidt. 

Diese Sammlung enthält zehn zweistimmige, ein dreistimmiges 
und 82 einstimmige Kinderlieder mit Clavierbegleitung. Sie haben 
alle einfache, ansprechende und der kindlichen Fassungskraft ent- 
sprechende Melodien, bieten in den Gedichten eine reiche Abwechs- 
lung dar, und lassen dem heiteren wie dem ernsteren, beschaulicheren 



— 46 — 



Elemente gleichmässig sein Recht widerfahren. Die Klavierbegleitung 
ist durchweg leicht spielbar und den Singweisen glücklich angepasst, 
so dass dies Liederbuch recht eigentlich ein Familienbuch zu 
werden verdient, um den musikalischen Sinn der Kinder zu wecken 
und zu kräftigen und zugleich den Eltern wie den Kindern Freude 
zu machen. Zu rühmen ist auch der vorzüglich schöne und deut- 
liche Typendruek und die Wohlfeilheit des Heftes, welches, 62 Seiten 
im Queerformat stark, nicht mehr als 15 Silbergroschen kostet, und 
daher auch den minder bemittelten Familien zugänglich ist. E.F. 



UdO ' 



CORRESPONDBNZEN. 



Aus Stuttf^art« 

Anfangs Mär« 

Obwohl es schien, als hätte Bülow's Glanzgestirn auf lange 
hinaus jede anderweitige Clavierleistung in Schatten gestellt, so 
gelang es doch in voriger Woche einer Pianistin, in ihrem Concerte 
ein zahlreiches Auditorium anzuziehen und zu befriedigen. Es war 
dies Frl. Wilhelmine Marstrand, vor wenigen Jahren noch 
Elevin unseres Conservatoriums , jetzt sesshaft in Hannover, wo sie 
sich durch ihre musikalische Thätigkeit eine angesehene Stellung 
errungen hat. Den günstigen Ruf, der ihr von dort aus , wie von 
Frankfurt, Carlsruhe und anderen Schauplätzen ihres bisherigen 
Auftretens vorausging, rechtfertigte sie auch hier aufs Vollkommenste ; 
im classischen Styl weiss sie besonders durch klare Stimmführung 
und verständige Schattirung zu fesseln, wovon das Bach'sche A-dur- 
Concert und die mit unserem treulichen Benewitz hinreisend 
ausgeführte C-raoll-Sonate von Beethoven Zeugniss gaben ; wie sehr 
ihr für das moderne Genre Geist, Geschmack, sichere Technik und 
Beherrschung der Klangeffecte zur Verfügung stehen, bewies sie in 
einer „Humoreska" von Heller und der Polka de la Reine von 
Raff, ferner in Chopin's As - dur - Ballade und dem Phantasiestück 
„Aufschwung" von Schumann, welche beiden Nummern sie mit glän- 
zendem Erfolge in dem 19. Concerte des „Singvereins" spielte. — 
Letztgenannte Aufführung, die noch gelungener war als viele bis- 
herigen, brachte u. A. auch „Erlkönigs Tochter" von Gade, eine 
gar poetische und wirksame Tonschöpfung, dann vier schöne Num- 
mern aus „Idomeneo," und zwei von L. Attinger's (bei Rieter- 
Biedermann erschienenen) neuen Chorliedern , welche sich durch 
Empfindung und Sangbarkeit vortheilbaft auszeichnen. 

In der Oper hatten wir als Novität Lortzing's „Undine," eine 
etwas veraltete, musikalisch auch schwächere Schöpfung des sonst 
hochschätzbaren Meisters, welche man indessen für das Geburtsfest 
des Königs wohl nur darum gewählt hatte, weil sie Gelegenheit zu 
verschiedenen Decorations- und Maschinerie-Effecten bietet; und in 
der That ist darin hier Bewundernswerthes geleistet worden ; desto 
dürftiger stechen gegen solche Pracht die kleinen, an Vaudeville 
gemahnenden Motive und die trockene Instrumentation ab. Am wirk- 
samsten zeigten sich die komischen Partien, wo Lortzing wieder in 
seinem rechten Elemente schwimmt, und die von Vincenz Lachner 
zu der Oper geschriebenen meisterhaften Einlagen. Die Damen 
Klettner und Benewitz, dann die HH. A. und F. Jäger, 
Schüttky, Gerstel und Robicek thaten ihr Bestes, um das 
minder Gelungene zur Geltung zu bringen. Rühmlich erwähnen 
müssen wir bei dieser Gelegenheit die treffliche Musik unseres zweiten 
Capellmeisters C. D o p p 1 e r, welche derselbe zu Calderon's unlängst 
hier aufgeführtem „wundertätigen Magus" geschrieben hat; nament- 
lich ist der letzte Zwischenact ganz prächtig. 

Die sechste Kammermusik - Soiree brachte Beethoven's D-dur- 
Trio, welches die HH. Singer und Krumbholz, und Rnbinstein's 
A-moll-Sonate, welche Hr. Benewitz mit Hrn. Pruckner spielte. 
Dieses Werk zeichnet sich durch glänzende Factur und Melodien- 
reichthum aus ; besonders lieblich sind immer die Seitensätze, sehr 
stimmungsvoll auch das Larghetto. Nicht minder freundlich wurden 
zwei Cellostücke aufgenommen, Compositionen unseres Capellmit- 
gliedes J. Huber, welche Hr. Goltermann meisterhaft vortrug. 
Grossen Beifall erwarben sich die HH. Krüger und Singer mit 
zwei Sätzen einer Spohr'schen Sonate für Harfe und Violine, sowie 
Letzterer allein mit der Bach'schen Chaconne. Die glänzende Ova- 
tion des Publikums endlich, welche Pruckner nach seinen Clavier- 



vorträgen (H-dur- Nocturne von Chopin und E - dur - Polonaise von 
Liszt) überraschte, mochte demselben ein Beweis der Theilnahme 
für die verdiente Auszeichnung sein, die ihm unlängst durch Ver- 
leihung der kgl. Medaille „für Kunst und Wissenschaft* erwiesen 
wurde. t. 

Aus München. 

4. Man. 

(Schluss.) 

Auch auf die Orchesterstücke werfen wir einen kurzen Blick ; 
dass Liszt im Orchestersatze Meister ist, brauchen wir nicht erst des 
Weiteren auszuführen, selbst mit den Quintenfolgen in dem Zwischen- 
spiel vom 5. zum 6. Satz befreundet man sich besser bei öfterem 
Anhöien. Ob der Sturm, der nach dem 4. Satze losbricht, wirklich 
ein so grosses Meisterstück ist, wie er gepriesen wird, bezweifeln 
wir; uns ist er zu roh, zuwenig musikalisch, zu viel Natur, zuwenig 
Kunst: Liszt ist hier mehr Theatermaschinist als Tondichter. 

In der Ouvertüre hören wir gleich zum Anfange die Kirchen- 
melodie erklingen , welche so oft eintritt , als die Heiligkeit der 
Heldin im Oratorium bezeichnet werden soll; dieses Motiv ist aus- 
nehmend weich und anmuthig und erscheint je nach Bedarf der 
Situation immer in neuer harmonischen und rythmischen Behandlung. 
Dann begegnen wir einem alten ungarischen Kirchenlied, das durch 
seinen markirten Rythmus und seine düstere Melodie auffällt. Es 
bildet das Motiv zu dem schönen Armenchor und klingt dort wieder, 
da der Leichnam der Heiligen in die Gruft versenkt wird. Um die 
Nationalität der Elisabeth zu bezeichnen und wohl auch um seinen 
eigenen Landsleuten ein kleines schmeichelhaftes Zugeständniss zu 
machen , verarbeitete Liszt in seinem Oratorium eine ungarische 
Volksmelodie von festlichem Character, so oft des Heimathlandes 
Ungarn gedacht wird. In den Kreuzfahrerchor ist ein uraltes deut- 
sches Pilgerlied, mit den Worten beginnend: „Schöpfer, Herr Jesu, 
Schöpfer aller Dinge," verwoben ; es klingt in überraschender Kraft 
und steigert sich bis zur gluthvollsten Begeisterung. Endlich hören 
wir schon bei der Erfüllung des Rosenwunders den Gregorianischen 
Gesang, „ein tonisches Symbol des Kreuzes". Dort soll es andeuten, 
wie sich in der Brust des Landgrafen Ludwig in dem Augenblicke 
des Rosenwunders der Vorsatz zur Betheiligung an dem Kreuzzuge 
festsetzt; er erklingt dann mächtig in den Worten: „Gott will es!" 
und der ganze Chor ruft es und die Instrumente schmettern d'rein: 
„Gott will es! u In den meisten Stellen ist die Instrumentation 
characteristisch, originell und von blühender Schönheit: als bezeich- 
nendes Beispiel erwähnen wir des überraschenden Hervortretens der 
beiden Harfen in der Scene des Rosenwunders; das klingt so fein 
und duftig und wunderbar wie ein frommes Märchen. Nur einmal 
haben wir Grund, gegen die Instrumentation zu eifern, dort nämlich, 
wo Liszt Wagner copirt: da tremoliren die Geigen in der höchsten 
Scala gerade so, es entsteht dieselbe Klangfarbe wie bei der wunder- 
baren Erscheinung des Schwanes im Lohengrin : dieser Instrumental- 
effect ist so ausgesprochenes Eigenthum Wagner's, dass wir es nicht 
für räthlich halteu ihn zu wiederholen. 

Die Aufführung, welche Hr. v. B ü 1 o w mit gleicher Liebe wie 
Geschicklichkeit leitete, war eine sehr präcise und verständige. Die 
ebenso schwierige als undankbare Partie der Elisabeth war den 
kunstgeübten Händen der Frau Diez anvertraut und sie sang die- 
selbe auch in einer Weise , welche unsere grosse Achtung vor der 
Künstlerin noch erhöhte. Auch Frl. D e i n e t verdient durch die 
gelungene Lösung ihrer Aufgabe — sie sang die Sophie — unsere 
freundlichste Anerkennung. Und wieder zeigte es Bich, wie Recht 
diejenigen haben, welche behaupten, dass es in Deutschland noch 
Sängerinnen gibt, die sich eine gediegene musikalische Bildung an- 
geeignet haben, dass aber die Sänger, welche Geschmack und Schule 
besitzen, schier ausgestorben sind. Die HH. Simons, Fischer 
und Hartmann, welche die anderen Solopartien sangen, gaben 
von der Wahrheit dieser Behauptung ein sprechendes Zeugniss. 

Und fragen Sie uns nun um unser resumirendes Urtheil über 
das Oratorium, so müssen wir gestehen, dass wir trotz der vielen 
Schönheiten, welche die Composition zu einem der interessantesten 
Werke der Neuzeit machen, doch keinen grossartigen Totaleindruck 
gewannen; wir wissen nicht, liegt dieses darin begründet, dass Liszt 
es vorsieht, seine Instrumente mehr in der Höhe und in der Tiefe 



- 47 - 



sa fuhren als in den Mittellagen, wo allein inoponirende Massen- 
wirkungen erzielt werden , oder wird der Eindruck immer wieder 
durch die unbefriedigenden Soli zerrissen, — wir wiederholen es, trotz 
allen Lobes, das wir für Einzelnheiten ungeschmälert aussprechen, 
kann es die Composition zu einem erhabenen, nachhaltigen, allge- 
nügenden Totaleindruck nicht bringen. Aber wir sind darum nicht 
undankbar und freuen uns von Herzen über das in jeder Beziehung 
höchst beachtenswerthe Werk. z - 



Aus Wien. 

10. Mir/. 

Meyerbeer's „Afrikanerin* gelangte am 27. Februar im kais. 
Hofoperntheater zur ersten Aufführung und errang, wie es sich er- 
warten Hess, einen brillanten Erfolg. War von Seite der Direction 
Alles geschehen, um eine vortreffliche Aufführung in musikalischer 
and scenischer Beziehung zu Stande zu bringen, so war auch nichts 
versäumt worden, um dem Werke und dessen Ausführung eine gute 
Aufnahme zu sichern. — Ueber die prachtvolle Ausstattung, die 
Bewegungen des Schiffes im dritten, die glänzenden Costüme und 
Aufzüge im vierten Acte, die geschmackvolle Decoration des Man- 
zanillabaumes wird man keine Beschreibung von einem musikalischen 
Correspondenten erwarten, der der naiven Ansicht huldigt, dass eine 
Oper ihre Wirkung nicht durch äussere Mittel, sondern durch inneren 
Werth erzielen soll. — Die musikalische Aufführung können wir als 
eine vollkommen gelungene bezeichnen. Frl. Bettelheim war im 
Besitze der Hauptrolle und zeichnete sich sowohl durch ihren Ge- 
sang als ihre Darstellung aus. Nur die eine Wahrnehmung , dass 
Frl. Bettelheim durch Ausführung solcher ihrer Stimmlage nicht 
entsprechenden Partien , wie die Selica eine ist , ihre schöne Alt- 
fitimme überanstrenge , konnte ihre Leistung beeinträchtigen. Die 
übrigen Mitwirkenden, Frl. Murska als Inez, die HH. Walter, 
Beck, Draxler, Schmid, Rokitansky, sowie Chöre und 
Orchester waren vortrefflich und brachten das neue Werk zur vollen 
Geltung. 

Sollen wir nun über das Werk selbst einige Worte sagen , so 
lässt sieh nicht läugnen, dass es, trotz der ausserordentlich beifälligen 
Aufnahme, welche es gefunden, in musikalischer Beziehung den ge- 
hegten Erwartungen nicht entsprochen hat. Zwar enthält es mehrere 
recht wirksame Nummern ; in den Chören des ersten und vierten 
Actes, einigen Ensembles, dem Duette im vierten Acte erkennen wir 
den erfahrenen und bedeutenden Componisten wieder — allein man 
vermisst doch das Ursprüngliche in der Erfindung und findet, dass 
namentlich die Characterisirung nicht auf der Höhe der früheren 
Werke des Componisten steht. — Ueber die Zeit, in welcher das 
zuletzt veröffentlichte Werk Meyerbeer's entstanden ist, sind die 
Meinungen verschieden. Wir schliessen uns der Ansicht derjenigen 
an, welche glauben, dass es zwischen „Hugenotten" und „Prophet" 
begonnen wurde. Sollten diejenigen Recht haben, welche es wirk- 
lich für das letzte Werk Meyerbeer's halten, so müsste man anneh- 
men , dass der Componist damit den Versuch machen wollte , zu 
«einem früheren, einfacheren Style zurückzukehren — ein Tersuch, 
welcher unserer Meinung nach nicht glücken konnte, da die Erfin- 
dungskraft, welche ihm bei seinen ersten Werken zu Gebote stand, 
erschöpft war und dies gerade ihn zu einer complicirtereu und, wenn 
man will, gesuchteren Schreibart, wie sie im „Prophet" und „Nord- 
stern" zu finden ist, gedrängt hatte. Wir schliessen uns der Ansicht 
derjenigen an, welche die „Afrikanerin" für das schwächste Werk 
Meyerbeer's halten, und den Haupterfolg dieser Oper der brillanten 
Ausstattung und dem Namen des gefeierten Componisten zuschreiben. 
In den Monaten April und Mai werden im Hofoperntheater ab- 
wechselnd mit den deutschen, auch italienische Opernvorstellungen 
stattfinden, letztere unter Mitwirkung des Frl. A r 1 6 t , der Herren 
Everardi, Calzolari und Zuchini, also einer Gesellschaft, 
welche sich vorzugsweise für die Rossini'sche Opern befähigt er- 
wiesen hat. Da den Wienern in Folge dieser Einrichtung die mo- 
derne Verdi sehe Oper entzogen bleibt, so ist sie vom musikalischen 
Standpunkte nur zu loben. 

Wie im vorigen Jahre, so kamen auch in diesem neue Suiten 
▼on Franz Lachner und Esser unter der Leitung der Com- 
ponisten kurz nacheinander zur Aufführung. Sie haben Ihren Lesern 



bereits über diese Aufführungen Bericht erstattet, weshalb 'ich es 
unterlasse, Ihnen etwas Weiteres darüber mitzutheilen , als die Be- 
stätigung, dass beide erwähnte Werke vom Publikum mit grossem 
Beifall aufgenommen worden sind. 

Frau Clara Schumann hat hier eine Reihe von sechs 
Concerten mit ganz ausserordentlichem Beifalle gegeben und sich 
neuerdings als die vollendete Meisterin bewährt, als welche sie von 
den Wienern schon lange gekannt und geschätzt ist. 



Aus Paris. 

11. Marx. 

Die „Afrikanerin" hat Freitag die hundertste Vorstellung erlebt. 
Hundert Vorstellungen innerhalb zehn Monaten ! Eines solchen Er - 
folges hat sich bis jetzt noch kein Tonwerk an der grossen Oper 
erfreut. Selbst die „Hugenotten" erlebten erst nach drei Jahren 
die gleiche Anzahl von Vorstellungen. Meyerbeer's posthumes Werk 
hat bis jetzt eine Einnahme von mehr als einer Million erzielt. 
Die Büste des Compositeurs wurde Freitag im Foyer der Oper, der 
Büste HalSvy's gegenüber, aufgestellt. 

Gegen Ende dieses Monats wird „Don Juan" zur Aufführung 
kommen und hoffentlich den Kunstfreunden eine grössere Befriedi- 
gung gewähren als die Aufführung dieses Meisterwerkes in der 
Italienischen Oper, wo dasselbe auf eine wahrhaft empörende Weise 
verballhornt wird. Ich habe in Deutschland den „Don Juan" auf 
Bühnen dritten und vierten Ranges gesehen ; aber einer solchen 
elenden Darstellung habe ich niemals beigewohnt. Adeline Patti 
ist die einzige, die Nichts verdirbt. Sie singt und spielt die Rolle 
der Zerline recht gut, wenn sie auch etwas zu stark aufträgt. Das 
übrige Personal singt und spielt so, dass dem Publikum Hören und 
Sehen vergeht. Man verspricht sich sehr viel von der Aufführung 
des genannten Werkes im The'ätre lyrique. 

Es heisst, Hr. Perrin, der Director der grossen Oper, werde 
nächstens diese Anstalt verlassen und die Leitung des Thtätre 
francais übernehmen. Sein Nachfolger wird noch nicht genannt. 

Nächsten Donnerstag findet die Aufführung der Graner Messe 
von Liszt in der St. Eustache- Kirche statt. Nach Allem, was 
man bis jetzt hört, wird der Zudrang ausserordentlich sein. 

L i t o 1 f f hat vor einigen Tagen in einer Soiree eine Sinfonie 
aufführen lassen , die den sonderbaren Titel : „Robespierre" führt. 
Die Composition hat viel Beifall gefunden. 

B a 1 f e ist in diesem Augenblick in Paris, um wegen der Auf- 
führung seiner „Zigeunerin" mit dem Director des Thdätre lyrique 
zu unterhandeln. Er hat soeben eine neue Oper, „der Talisman," 
vollendet. Der Text ist nach dem bekannten Romane Walter 
S c o t t's bearbeitet. 

Ihr Landsmann Andre Oechsner ist soeben hier einge* 
troffen. Er wird künftigen Monat im Solle Pleyel ein Concert 
geben und in demselben seine neuesten Compositionen hören lassen. 



ST n c h r i c li t e ii. 



Colli, 8. März. Gestern hielt Hr. Capellmeister F. Hill er die 
erste von den drei Vorlesungen über die Geschichte der Musik, 
deren Ankündigung grosse Theilnahme gefunden hat. Der Vortra- 
gende hob in seiner geistreichen Weise die bedeutendsten Namen 
und Momente, an die sich die Entwicklung der Tonkunst bis in*s 
sechszehnte Jahrhundert knüpft, hervor und erhöhte den Reiz des 
Vortrags durch Mittheilung von Proben der alten Weisen französi- 
scher Minstrels und deutscher Meistersänger. Die nächste Vorlesung, 
Mittwoch den 14. d. Mts., wird das Zeitalter der Herrschaft der 
Italiener schildern. (N.-Rh. M.-Z.) 

— Das neunte Gesellschaftsconcert im Gürzenich brachte unter 
Ferd. Hiller's Leitung folgendes Programm: I. Theil. Sinfonie in 
G-moll (Nr. 6) von Niels Gade; „des Staubes eitle Sorgen," Motett 
von J. Haydn; Concert in D-moll (Nr. 2) für Pianoforte von Men- 
delssohn, vorgetr. von Hrn. Isidor Seiss; „der Gesang der Geister 
über den Wassern" für Chor und Orchester von Ferd. Hiller; Ouver- 
türe zu „Euryanthe" von Weber. IL Theil. Sinfonie in C-moll 
von Beethoven. 



- 48 



Win. Am 7. d.M. eröffnet© Frau Dustmann-Meyer, k. k. 
Kammersängerin ans Wien, ihr Gastspiel im Stadttheater mit der 
Bolle des Fidelio und stellte eine so vollendete Leistung hin, wie 
sie in dieser schwierigen Partie seit vielen Jahren uns niebt mehr 
geboten wurde. Leider nimmt die hochverehrte Künstlerin schon 
am 9. Marx in Gluck's „Iphigenie auf Tauris" wieder Abschied von 
uns, da unabweisliche Hindernisse eine weitere Ausdehnung des so 
hochinteressanten Gastspiels im Wege stehen. Möge Frau Dust- 
mann uns recht bald wiederkehren und stets derselben enthusiasti- 
schen Aufnahme gewiss sein, welche ihr, wie früher, so auch dies- 
mal dahier zu Theil geworden ist. 

Leipzig. Das 18. Gewandhausconcert fand am 8. März statt 
und bildete eine Fortsetzung der vorhergegangenen historischen 
Concerte, indem es die neuere Zeit in Werken von Mendelssohn, 
Schumann, Meyerbeer, Chopin, Friedrich Schneider, Marschner und 
Conradin Kreutzer repräsentirte. Von Instrumentalwerken wurden 
vorgeführt: Sinfonie in Es-dur (Nr. 3) von Schumann; Ouvertüre 
au „Struensee" von Meyerbeer ; Ouvertüre zum „Vampyr" von 
Marschner; zweiter und letzter Satz aus dem E-moll-Concert von 
Chopin, vorgetr. von Hrn. Carlysle Petersilea, ehemaligem 
Zögling des hiesigen Conservatoriums. Der Gesang war durch den 
Paulinen - Chor vertreten, welcher die Chöre: „Strahl des Helios" 
und „Vielnamiger" aus „Antigone" von Mendelssohn und die Lieder : 
„Woher nur das linde Säuseln" von Kreutzer und „Mag die Liebe 
weinen" von Fr. Schneider zu Gehör brachte. 

Paris. Der frühere Director des Lyoner Theater , Haphael 
Felix, wird in dem Grand Cafe' XIX. siede am Boulevard de 
Strassbourg ein neues Theater errichten. 

— In der Ope'ra comique wird zur Freude aller Musikfreunde 
Gevaert's „Capitaine Henriot" wiederaufgenommen und darf wohl 
einer Fortsetzung seines früheren ausserordentlich glücklichen Er- 
folges entgegensehen. 

— Der Musikalienverleger S. Bichault ist im Alter von 
86 Jahren dahier gestorben. 

— Es scheint, dass der Minister des kaiserl. Hauses und der 
schönen Künste den Anforderungen der Orchestermitglieder an der 
grossen Oper bis zu einem gewissen Grade gerecht werden will, 
indem er eine Summe im Allgemeinen für die Erhöhung der Gehalte 
bewilligt hat, mit deren Yertheilung auf die einzelnen Mitglieder 
man noch beschäftigt ist. 

— Im The'ätre lyrique werden, nachdem der „Don Juan" in 
Scene gegangen sein wird, die „lustigen Weiber von Windsor" von 
Nicolai mit französischem Texte von Jules Barbier zur Auf- 
führung gebracht werden. 

— Das Programm des 20. Concertes des Hrn. Pasdeloup 
ist folgendes: Ouvertüre zu „Coriolan" von Beethoven ; zweite Suite 
für grosses Orchester (Op. 115) von Fr. Lachner; Adagio aus dem 
Quartett Nro. 36 von Haydn ; Sinfonie in A - dur von Beethoven. 
Das Conservatoriuni gab in seinem 5. Abonnementconeert ebenfalls 
die A-dur- Sinfonie von Beethoven; Einleitung zum t. Act von 
„Psyche" von A. Thomas; Clavierconcert in A-dur von Beethoven, 
vorgetr. von Frau Szarvady; Doppelchor von S. Bach , und 
Ouvertüre zu „Ruy Blas" von Mendelssohn. 

— Am 9. März fand die 100. Aufführung der „Afrikanerin" 
statt. (1. Aufführung am 28. April 1865.) 

Brüssel. Im 6. populären Concerte des Hrn. Samuel kamen 
folgende Werke zur Aufführung : „Columbus," Sinfonie von J. J. Abert 
(zum ersten Male in Brüssel) ; eine Concertouvertüre von Huberti, 
und Mendelssohn's Musik zum „Sommernachtstraum," von welcher 
mehrere Nummern dem Brüsseler Publikum bis jetzt noch gänzlich 
unbekannt waren. Die Abert'sche Sinfonie wurde mit grosser Prä- 
cision aufgeführt und von der grossen Zuhörermenge mit dem ent- 
schiedensten Beifalle aufgenommen. Auch die Kritik bespricht das 
interessante Werk in der ehrendsten Weise und Abert's Name wird 
von nun an bei uns stets einen guten Klang haben. 

Im 4. Conservatoriums'Concert wurden u. A. das Adagio und 
Intermezzo aus der 1. Sinfonie von Fetis mit einem wahrhaft 
colossalen Erfolge aufgeführt und der greise Componist wurde 
jubelnd hervorgerufen. 

— Servais hat mit seinem Sohne Joseph, der ebenfalls ein 
vortrefflicher Cellist ist, eiue Kunstreise nach Russland unternommen 
und bereits auf seiner ersten Station, in Warschau, die glänzendsten 



Erfolge erzielt. Nach einer aus St. Petersburg eingelaufenen telegra- 
phischenDepeschehat am8.März dortimgrossenTheater, dessenRäum» 
mit etwa 4000 Zuhörern gefüllt waren, daB erste Concert der beiden 
Künstler mit dem ausserordentlichsten Erfolg stattgefunden. Stür- 
mische Beifallsbezeugungen, eine reichliche Einnahme (Entree 4 
Silberrubel) und eine Menge mitunter sehr kostbarer Geschenke» 
mit denen namentlich der junge Servais überhäuft wurde, waren 
das Ergebniss dieses ersten Concertes. Ein zweites, aber sicherlich 
nicht das letzte, ist bereits angekündigt. 

*** Bei dem Gesangfest in Dresden hatte der Sängerverein aus 
Waidhof en an der Ybbs in Niederösterreich das Malheur, ein 
wer th voll es und in seiner Richtung hin unersetzliches Emblem im 
allgemeinen Menschengedräng zu verlieren. Die Finderin war ein. 
Frl. Anna Friedrich aus Grünhain und durch Vermittelung der 
Behörde empfiug der Gesangverein sein Kleinod zurück. Kürzlich- 
gelangte von jenem Verein ein schönes goldenes Armband im Werthe» 
von 25 fl. mit der Inschrift: „Der Waidhofener Sänger Dank" an 
die Finderin nach Grünhain, womit noch die Bitte verbunden war* 
gefälligst das photographische Porträt einzusenden. 

*** Rein ecke 's Oratorium „Belsazar" wurde im 4. Abonne- 
mentconeert in Barmen unter persönlicher Leitung des Componisten. 
in sehr gelungener Weise zur Aufführung gebracht. Die Soli waren 
durch die HH. Jos. Schild (Tenor) aus Leipzig und Carl Hill 
(Bass) aus Frankfurt a. M. in vorzüglicher Weise vertreten. Hr. 
Reinecke trug ausserdem auf dem Claviere seine Händel-Variationen 
und drei Stücke aus seinen „Mädchenliedern", Op. 88, vor, sowie 
Hr. Hill durch den Vortrag der Ballade „Oluf" von Löwe erfreute,, 
und Hr. Schild die Bildnissarie aus der „Zauberflöte" und Lieder 
von Schubert und Schumann mit vielem Beifall sang. 

*** In Weimar wird zum Geburtstag der Frau Grossherzogin 
eine neue Oper, „die Corsen" von dem dortigen Orchestermitglied 
Carl Götze zur Aufführung kommen. 

*** Der Hofopernsänger Gustav Walter in Wien ist zum 
k. k. Kammersänger ernannt worden. 

*** Die drei Soirees, die Hans von Bülow in München im 
grossen Museumssaale zum Besten der Abgebrannten in Partenkirchen 
gab , haben einen Reinertrag von 641 fl. ergeben , der auch dem 
Hülfscomite' alsbald zugesandt wurde. 

*** Benedict' s Choral Society in London hat ein Orato- 
rium „Tobias" von G o u n o d mit massigem Erfolg zur Aufführung 
gebracht. 

*** Hr. Ferdinand Pohl siedelt von London nach Wien 
Über, wo er die von Nottebohm niedergelegte Stelle eines Biblio- 
thekars der „Gesellschaft der Musikfreunde" übernehmen wird. 

*** Der Musikverein in Darmstadt bereitet eine Aufführung der 
Bach'schen „Matthäuspassion" vor. 

*** Der König von Baiern hat Niemann in einem eigenhän- 
digen, in den schmeichelhaftesten Ausdrücken abgefassten Schreiben 
zu den im kommenden Sommer in München stattfindenden Muster- 
vorstellungen Wagner'scher Opern eingeladen. 

*** In Italien ist ein neuer Tenorist, Pietro Viturini auf- 
getaucht, der als ein wahres Stimmwunder geschildert wird, gegen- 
wärtig in der Pergolla in Florenz mit ausserordentlichem Beifall 
singt und für die nächste Stagione für S. Carlo in Neapel engagirt ist. 

*** Der bekannte Bass-Buffo H ö 1 z e 1, gegenwärtig in Nürnberg, 
ist am neuen Harmonietheater in Wien engagirt worden. 

*** In Mailand ist der Cavaliere Noseda, ein warmer Musik- 
freund , der auf eigene Kosten grosse Concerte veranstaltete , in 
denen manche Werke deutscher Meister zum ersten Male aufge- 
führt wurden, gestorben. 

V In Berlin starb der einst berühmte Heldentenor Julius 
P fister, eine ehemalige Zierde des Berliner Operntheaters, von 
dem er Anfangs der fünfziger Jahre schied. Er war nur 48 Jahre 
alt geworden. 

*** In Petersburg ist der frühere General -Intendant der kais, 
Theater, Graf S a b u r o w gestorben. 

%* Am 21. Febr. starb zu Bonn auf Öffentlicher Strasse der 
ehemalige Schauspieldirector Claudius Pos tal; wie man erzählt,, 
ist er, ein schon bejahrter Mann, dem Hungertode erlegen. 

*** InBraunschweig starb der stimmbegabteTenorist S ch m e 1 z e r. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau> Mainz. 



15. Jahrgang. 



m ia. 



26. März 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG-. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- j 
hingen. j 

j^ — __, 4 



? « p C a g 



X* 



von 



B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ, 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 
, für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 
\ 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 



INHALT*. Literatur. — Frankfurter Oratorien-Concerte. — Correspondenzen : Stuttgart. Magdeburg. — Nachrichten. 



Literatur, 



Cap itain Henriot, komische Oper in drei Acten von 
Victor Sardou und G. Vaez, deutsch von Ernst 
Pasque, Musik von A. Gevaert. Clavieranszug 
mit deutschem und französischem Text und vorge- 
drucktem vollsländigem Libretto. Verlag von B. 
Schott's Söhnen in Mainz.*) 

Es ist diese höchst beachtenswerte Erscheinung im Bereiche 
der Opernmusik, welche in Paris sich eines ausserordentlich gün- 
stigen Erfolges zu erfreuen hatte, in der Nummer 7 dieser Blätter 
vom 12. Februar d. J. vom Standpunkte einerf deutschen Aufführung 
ausführlich besprochen und dort auseinandergesetzt worden, dass die 
einzige,, Schwierigkeit, eine solche Aufführung mit Erfolg in'« Werk 
asu setzen, darin bestehe, dass man in Deutschland sehr häufig bei 
dem Einüben und Insceniren solcher Spielopern nicht die entspre- 
chende Sorgfalt auf den Dialog und das abgerundete Zusammenspiel 
verwende und es an den nöthigen Proben für die Prosa], fehlen lasse. 
Was den musikalischen Theil der Gevaert'schen Oper betrifft, so 
wird, wie aus dem nun vorliegenden Clavierauszuge sich Jedermann 
überzeugen kann, sowohl in Beziehung auf Rollenbesetzung wie auf 
gesangliche Leistung jede einigermaassen vollständig organisirte 
Operngesellschaft den Anforderungen dieses Werkes sicherlich ge- 
recht werden können. 

Der Character der MuBik im Allgemeinen ist ein heiterer und 
gefälliger, aber von jeder Trivialität einerseits und von krankhafter 
Sentimentalität andererseits gleichweit entfernter. Gevaert steht 
nicht nur ein reicher Quell frischer, origineller und nobler Melodien 
zu Gebot , sondern er besitzt auch natürliches Gefühl , feinen Ge- 
schmack und ein recht gründliches Wissen und Können, sowohl in 
Bezug auf Orchester- wie auf Stimmbehandlung. Wie aus der Par- 
titur zu ersehen ist, ist er auch mit allen Feinheiten der Instru- 
mentation vertraut und beschränkt sich nicht allein auf das Nach- 
ahmen mustergültiger Meister, sondern weiss auch hier seine Origi- 
nalität zu wahren. Die Ensemblestücke und Chöre sind nicht mit 
der leider nur zu häufig vorkommenden Nonchalance gewisser 
Operncomponisten, sondern mit der ganzen Sorgfalt eines routinirten 
Meisters geschrieben und müssen unfehlbar die beste Wirkung 
machen. Wir verweisen beispielsweise auf das Männerterzett mit 
Jagdchor Nro. 6, auf den ausnehmend reizenden Schluss des ersten 
Finale, auf das Sextett Nro. 10 im 2. Act und auf das Finale des 
3. Actes, welches äusserst effectvoll mit einer Siegeshymne schliesst, 
die schon im Anfang und am Ende der frischen, auf hübsche Mo- 
tive gebauten und fein gearbeiteten Ouvertüre vorkommt. 

Beizende Gesangstücke sind ausserdem: das Duett zwischen 
B 1 a u c h e und Va 1 e n t i n e (Nr. 3) „Mit den Lüften, süsses Düften," 

*) Durch dieselbe Verlagshandlung sind auch Partitur und Orchester- 
Stimmen, Buch, Mise en seine, photopraphische Costüm- Por- 
träts etc. zu beziehen. 



die Couplets: „Für seine Liebe" (Nr. 4) und die Cavatine : „Aus 
lichten Höh'n" des M a u 1 6 o n , die Serenade des Bellegarde 
mit Chor (Nr. 9): „Die Liebe naht". Von origineller Wirkung ist 
auch das Reiterlied des Don Francesco: „Frank und frei durch 
die Welt," und das Trinklied des Capitain Henriot im zweiten 
Acte (Nr. 10): „So ganz allein schlürfen den Wein". Eine sehr 
dankbare Partie ist die der Marketenderin Fleurette, welche am 
Anfang des ersten Acts das Königslied : „Wer ist der Erste, der im 
Kampfe ," das im Finale des 2. Actes sehr effectvoll wiederkehrt, 
und ein sehr hübsches komisches Duettino mit Pastorel; „Ach, 
welch 1 ein Glück, wie sie sich schlagen" (Nr. 4) zu singen hat. 

Wir sind der Ansicht, dass seit Auber's Oper : „Des Teufels 
Antheil" keine französische Spieloper mehr die deutsche Grenze 
überschritten hat, welche gerechtere Ansprüche auf vollständigen 
Erfolg auch auf der deutschen Bühne mit sich gebracht hätte als 
Gevaert's „Capitain Henriot", und wir befürchten keinen Augenblick, 
dass diese" unsere Ansicht sich nicht glänzend bewähren würde, 
sobald man dem in seiner Art vortrefflichen Werke von Seite der 
Bühnendirectionen die erforderliche Sorgfalt bei dessen Einübung 
und Inscenirung schenken wird. 



Die Frankfurter Oratorien-Concerte* 



Unsere beiden Oratorien -Vereine führen jährlich drei Concerte 
auf; je zwei derselben sind erledigt , das dritte wird vorbereitet. 
Der „Cäcilien-Verein" brachte in seinem ersten: Mendelssohn^ 
114. Psalm „Da Israel aus Aegypten zog"; J. S. Bach's Motette 
„Jesu meine Freude," und Cherubini 's „Requiem" 1 . Im zweiten: 
„Die Zerstörung Jerusalems" von F. Hill er. Der „Rühl'sche 
Verein" in seinem ersten Concert: eine Todten-Messe von B. Scholz, 
und Mendelssohn^ „Athalia". Im zweiten: eine Cantate von 
J. S. Bach: „Liebster Gott, wann werd' ich sterben?" und die 
erste Messe (C-dur) von Beethoven. Für das dritte Concert wird 
von Ersterem Bach's „Passions-Musik" nach dem Evangelium de« 
Mathäus, von Letzterem die „Johannis-Passion" vorbereitet. 

Der 114. Psalm von Mendelssohn ist in ähnlichem Geist com* 
ponirt wie der „Lobgesang," die „Athalia" u. A. Die Umschreibung 
biblischer Texte, wie sie Anfangs der Vierziger Jahre von rationalisti- 
schen Kanzelrednern üblich war, finden wir getreu in Musik gesetzt. Ge- 
rade wie jene Reden gegen die der orthodoxen Geistlichkeit durch eine 
grössere Klarheit und Verständlichkeit sich auszeichneten, so trat 
Mendelssohn gegen seine auf kirchlichem Gebiet schaffenden Zeit- 
genossen hervor. Der Vorzug war aber nur ein relativer; das Be- 
mühen um verstandesmässige Aufklärung hat sich in vieles klein- 
liche Detail verloren ; eine ganze, volle, neue Ueberzeugung wurde 
aber nicht gegeben. Wenn wir uns gegen die ofte Wiederholung 
Mendelssohn'scher Werke wehren, so ist es kein Vorwurf gegen die 
Werke selber, sondern nur die Ueberzeugung, dass damit nichts 
genützt wird; weder die alte, strenge Anschauung Bach's und 
Handel's wird gewonnen, noch eine neue; dafür fehlte Mendels- 



- 50 _ 



söhn der reformatorische Ernst, der von Grand aufräumt und dann 
aufbaut. 

Für viel wichtiger hielten wir die Aufführung von Bach's 
Motette „Jesu meine Freude". Denn hier ist volle religiöse Ueber- 
zeugung und knappe , aber vollendete , künstlerische Form. Die 
sechs Verse des Liedes sind schon in der Dichtung (Johannes 
Franck, 1618 — 77) blosse Variationen desselben Gedanken» t „Jesu 
meine Freude". Im ersten Vers ist Jesus seine Freude (sein Ideal) ; 
im zweiten unter allen Stürmen Jesus sein Schutz ; im dritten Jesus 
seine Macht; im vierten Jesus sein Hoffnungsanker; im fünften 
seine Bettung aus der sündigen Welt; im sechsten ruft er trium- 
phirend: „Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, 
Jesus tritt herein." — • Genau in derselben Weise umschreibt Bach 
in jeder Strophe die ursprüngliche Choral - Melodie , indem er sie 
bald der einen, bald der anderen Stimme gibt, die übrigen aber 
Veränderungen dazu singen lässt. Dazwischen bringt er andere, 
über Bibelstellen, die zum Gedichte Bezug haben, componirte Chor* 
und Solo-Sätze ; einmal zur Bekräftigung der Worte des Gedichtes, 
dann zum Wechsel vom Oratorischen und Lyrischen. Hier ist Geist 
und Form so bedeutend, dass der Kunstfreund nach jeder Seite sich 
bereichert. Dass der alte Bach aber nicht immer mit Verständniss 
vorgeführt -wird, bewies jene Aufführung. Denn einmal führte man 
im Textbuch den dritten Vers, der nur eine Umschreibung des 
Chorals ist, als blossen (eingeschobenen) Chor auf; der Dirigent 
erkannte also die Choral -Eigenschaft gar nicht. Dann Hess man 
auch die vier letzten Nummern des Werks weg und zerstörte damit 
den Triumph, den Bach gerade am Schluss mit dem Ausruf gab: 
„Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus tritt 
herein!" Die Aufführung war sonst, in Anbetracht der Schwierig- 
keit des Vortrags ohne Begleitung, ziemlich gelungen. Für den 
Cäcilien - Verein war dies der erste Versuch , auf freien Füssen zu 
stehen. Freilich haben wir von anderen Vereinen, die noch keine 
40 Jahre des Ruhmes hinter sich haben, auch solche Versuche 
schon besser gehört. 

Cherubini's „Requiem" ist ein Werk von grossartiger Erhaben- 
heit. Das „Dies irae" das Weltgericht, in dem das Werk 
seinen Gipfelpunkt hat , ist eine plastische Darstellung der Idee, 
welche die Menschen seit Jahrtausenden von einem wirklichen Ge- 
richt nach dem Weltuntergang hatten. Wir schauen in eine unge- 
heure Wüste, in ein unendliches Chaos, in das die Erde und Alles, 
was wir Welt nennen, aufgelöst ist. Wie das Geheul aus der Hölle, 
oder das Gebrüll der Riesen aus Ginnungagap (der germanschen 
Unterwelt) so braust und tost es in nebelhaften Gestalten herauf. 
Es saust durch alle Lüfte und umBchwirrt uns von allen Enden; 
so kündigt sich das furchtbare Gericht an. Wie bei ihren Feier- 
zügen auf der Erde, so kommen die Schaaren gezogen ; ihre Gesänge 
brausen , wie der Sturmwind , immer dieselbe Weise. „Tag des 
Gerichts," so schallt's vom ersten Chor; „Welch ein Schrecken," 
ruft der zweite; „Die Fosanne erschallt," der dritte. „Der Tod 
erschrickt, es bebt die Welt," denn von allen Enden erheben sich 
die Todten, ihrem Richter Antwort zu stehen. Nun erscheint der 
Zug des Gerichts ; voran die Träger des heiligen Buches, nach dem 
das Recht gesprochen wird ; dann die Schaar der Heiligen und der 
Richter der Menschheit. Zu Boden fällt alle Creatur vor dem 
König in seiner schrecklichen Majestät : Gnade, Gnade, Barmherzig- 
keit, wir sind allzumal Sünder! Gedenke dass du auch Mensch 
warst! Erkenne nur das Eine, dass wir in dem Glauben an dich, 
in der Hoffnung an deine Verzeihung lebten und starben! -— Der 
Richter kann nicht strafen , denn das Versprechen der Gnade , der 
Verheissung bindet ihn: Gehet ein zur ewigen Ruhe! So schliesst 
das Gericht. Heilig, heilig ist der Herr; alle Welt verkündet 
Dein Lob! 

Einfach, wie es dieser furchtbaren Erhabenheit entspricht, ist 
die Form dieser Gesänge. Das Weltgericht beginnt in einfacher 
Weise in der Tonart C-moll. Der ganze erste Vers („Tag des Ge- 
richts"), den wir als Gesang eines Zugs bezeichneten, ertönt in dem 
einzigen Accord C-moll. Der andere („Welch 1 ein Schrecken") er- 
scheint mit derselben Weise in G-dur ; und zum dritten Male kommt 
die Weise („die Posaun' erschallt") fast wieder in der alten Form 
in höherer Lage von C-moll. Nach dem Zwischenstück „Tod und 
Welt erschrecken" bringt der Zug des Gerichts („Das heilige Buch 
wird vorgetragen") die erste Weise genau in der Parallel -Tonart 



(Es-duO-^dann ebenfalls mit passender Veränderung in dreifacher 
Steigerung. Hier liegt einmal ein gewaltiger Ausdruck ; eine Weise 
von 12 Tacten im selben Accord, dann wieder 12 im zweiten und 
ebenso im dritten. Man oiuss im Dom solchen Gesang hören, M 
wird man das Ungeheure begreifen. Dann aber gibt es eine Eben- 
massigkeit im künstlerischen Theil, die an sich schon hohe Befrie- 
digung gewährt. 

Das Einfache darzustellen ist am schwierigsten; denn es erfor- 
dert einen sittlichen Ernst, der auf allen Prunk verzichtet. Der 
wird selbst bei jedem Einzelnen erst durch jahrelange geistige 
Arbeit errungen; bei einer grösseren Gemeine verlangt er noch 
grössere Anstrengung. An der Aufführung des „Requiem" mochte 
man erkennen, dass hier Mendelssohn und andere, weniger ernste 
Componisten viel mehr gepflegt werden als der strenge Cherubini. 
Das Weltgericht kündigt sich mit Posaunen an und einem Tamtam- 
Schlag, mit dem alle Gräber aufspringen müssen. Erzittern muss 
der ganze Saal bei diesen Stössen , wenn das Bild ein Grausen er- 
wecken soll. Es zitterte Niemand und grauste Keinem , — denn 
schon der Tamtam - Schläger hatte sich gefürchtet. Die eintönige 
Melodie im „Dies irae. u die durch die Gruppirung zu einem gross- 
artigen Bild der Einöde, der chaotischen Wüste wird, erschien in 
den Modulationen immer mit derselben Klangfarbe ; die Einöde wird 
einförmig, ohne grossartig zu sein. Die sanfteren Partien des Werks, 
bei denen die Empfindsamkeit der einzelnen Sänger sich mehr 
geltend machen konnte, waren recht gelungen. Der Gesammt-Ein- 
druck bleibt aber ein schwächerer, wenn die Spitze des Werkes 
abgebrochen ist. (Schluss folgt.) 



■ »MO » 



CORRESPONDENZEN. 
Aus Stuttgart« 

Anfangs Hin. 

Das 7. Abonnementconcert der kgl. Hofcapelle ward mitBaff^ 
neuer, dem König von Würtemberg gewidmeter Ouvertüre in A-dur 
eröffnet. Dieselbe ist gross angelegt, sehr wirksam instrumentirt, 
und enthält ein Behr schönes Andante -Motiv und einen anregenden 
Seirensatz, dessen Anfang indessen auffallende Aehnlichkeit mit dem 
ersten Seitensatze in Rubinstein's A-moll-Sonate hat. Die Aufnahme 
war kühl , wie denn unser Publikum manchmal gar spröde thufe 
Doch erntete Hr. Ferling mit dem Molique'schen Oboe-Concert 
reichlichen Beifall, ebenso die beiden übrigen Orchesternummern 
(Bach's P-dur- Toccata, von Esser instrumentirt, und Beethoven's 
C-moll-Sinfonie) , welche musterhaft ausgeführt wurden. Eine köst- 
liche Nummer wäre auch der Schubert'sche „Nachtgesang im Walde* 
gewesen, wenn nicht die numerische Schwäche und stimmliche In- 
disposition der Herren Choristen ungünstig gewirkt hätten. 

Dem Concerte unseres volkstümlichen Componisten Presset, 
welcher unter Mitwirkung der Frau Gräser und der HH. Schütt- 
ky, Fr. Jäger und Speidel, sowie einiger Chorsänger des Hof- 
theaters mehrere Nummern aus seinen Opern: „die Johannisnacht" 
und „der Schneider von Ulm," freilich nur mit Clavierbegleitung, 
vorführte, waren wir durch das gleichzeitige Concert des „Orchester- 
vereins" beizuwohnen verhindert, worin Haydn's Es -dur- Sinfonie 
(*/ 4 Tact) sehr sauber ausgeführt wurde , und die HH. v. B e s e 1 e 
und Cabisius sich mit Instrumentalvorträgen auszeichneten. Stür- 
mischen Beifall und oftmaligen Hervorruf errang eine Schülerin 
unseres Conservatoriums , Frl. Marie Wagner mit dem „Ave 
Maria" von Cherubini und der B-dur-Arie aus „Titas," wobei die 
obligaten Instrumente , dort Bassethorn , hier Clarinette , in Hrn. 
Meyer 's bewährter Hand waren. Die Stimme der genannten 
Sängerin ist sehr klangvoll und umfangreich, Coloratur und sonstige 
Technik in hohem Grade ausgebildet. 

Frl. Anna Mehlig, ebenfalls eine frühere Schülerin des 
hiesigen Conservatoriums, welche diesen Winter in den bedeutend- 
sten Städten Mittel- und Norddeutschlands mit glänzendem Erfolge 
concertirt hat, ist zur grossherzogl. weimar'schen Hofpianistin er- 
nannt worden. 

Die siebente Kammermusik -Soiree war weniger zahlreich be- 
sucht als die bisherigen, woran vielleicht das Programm einige 
Schuld trug, das der Mehrzahl nicht anziehend genug vorkommen 



— 51 - 



mochte. Es enthielt nämlich ausser dem D-moll- Quartett von 
Schubert , das allerdings jedesmal dureh neue Schönheiten entzückt 
und von den HH. Singer, Krumbholz, Barnbeck und Huhn 
meisterhaft gespielt wurde , noch ein Quartett von Dittersdorf und 
und das neue Ciavierquartett von Rubinstein. Letzteres Werk fand 
nun eine auffallend kühle Aufnahme, obschon die Executirung durch 
die HH. Hinger, H uh n , Goltermann undSpeidel eine 
höchst sorgfältige war. Aber den grossen Erwartungen gegenüber, 
welche einige enthusiastische Kritiken dieses Werkes erregt hatten, 
war die Aufgabe der Ausführenden eine ziemlich ungünstige, und 
das Eesultat war das Gegentheil des gehofften Effectes. Zwar hätte 
sich unser persönlicher Geschmack, der seit lange mit allem Rubin- 
stein'schen von vornherein sympathisirt , alsbald mit den auch in 
diesem Werk immerhin vorhandenen bedeutenden Intentionen gar 
bald befreundet; aber der strenge Kunstrichter darf nur das gut- 
heissen , was als ein Fertiges , plastisch Abgeschlossenes an die 
Oeffentlichkeit tritt, und dieses Quartett erschöpft sich leider in 
fruchtlosem Suchen und Ringen. — Viele Freude gewährte dagegen 
das Quartettchen von Dittersdorf in Es - dur, wozu man ein G - dur- 
Andante aus einem anderen Opus dieses alten Herrn gefügt hatte ; 
es tänzelt gar graziös einher, wenn auch im Nacken ein allerliebstes 
Zöpfchen bimmelt. Das Ganze, gehalten und gehoben durch den 
markigen, beseelten Strich unseres Beuewitz, schloss den Abend 
mit gefälligstem Eindrucke ab. T. 



Aus Magdeburg« 



Die diesjährigen Leistungen unserer Bühne im ' musikalischen 
Fache kann ich bis jetzt nur aus zwei Opernvorstellungen , denen 
ich beiwohnte, beurtheilen. „Der Prophet," wie die Ankündigungen 
besagten: „neu einstudirt" (oder: „in Scene gesetzt," ich erinnere 
mich nicht mehr genau) blieb in jeder, äusserer wie innerer Bezie- 
hung hinter allen, auch den bescheidensten Erwartungen zurück. 
Die Sänger zeigten sich, aller Mühe ungeachtet, die sie sich augen- 
scheinlich gaben, der Aufgabe nicht gewachsen, und die äussere 
Ausstattung, auf welche bekanntlich bei Meyerbeer's Musik viel 
ankommt, war derartig, dass sie zu verschiedenen Malen Heiteikeit 
und ironischen Beifall des ziemlich gefüllten Hauses erregte. Wie 
man mir gesagt, ich kann es aber nicht verbürgen, wurde bei einer 
kurz darauf erfolgten Wiederholung der Oper der Krönungsmarsch 
bei geschlossener Scene gespielt , was ich zwar bei so bewandter 
Sachlage billigen, aber doch nicht anderen Bühnen zur Nachfolge 
empfehlen will. 

Viel günstiger darf man sich über die Darstellung der für uns 
aenen Oper „Perdita" von Barbieri aussprechen. Die äussere 
Ausstattung war hier sehr anständig, die Anordnung geschickt und 1 
mit Geschmack getroffen, die Anforderungen, welche an Sänger und 
Orchester gemacht werden, zeigten sich als mit deren Leistungs- 
fähigkeit in günstigem Verhältnisse stehend ; so gewährte das Ganze, 
verbunden mit der ansprechenden, wenn auch nicht tiefgehenden 
Musik einen erfreulichen Eindruck. Was im Schluss-Acte sich 
Mangelhaftes zeigte, wird in den späteren Wiederholungen, deren 
die Oper verschiedene erlebte, mit der zunehmenden Vertrautheit 
des darstellenden Personales wohl von selbst verschwunden sein. 

In der zweiten Hälfte des März trifft Frau Sophie Förster 
zu einigen Gastspielen hier ein. Die gefeierte Sängerin wird zu- 
nächst als Margaretha, Valentine und Fidelio auftreten. 

Was andere hiesige musikalische Ereignisse betrifft, so habe 
ich ausser den stehenden, in gewohnter tüchtiger Weise unter 
Mühling's Directum ausgeführten Gesellschafts-Concerten noch zu 
erwähnen: ein Orchester- Concert mit Schumann's „Manfred" unter 
Rebling's, Händel's „Saul* unter Ritte r's Leitung. Auch veran- 
stalteten die HH. Finkenhagen und Palme mit ihren Gesang- 
vereinen einige recht gelungene musikalische Auffuhrungen. Näher 
auf alle diese mit verdienter Theilnahme gehörten, von der Tüch- 
tigkeit der Veranstalter und der von ihnen benutzten Kräfte rühm- 
liches Zeugniss ablegende Concerte einzugehen, verbietet der Raum 
dieses Blattes. + + + 



lachrichte 



Mainz. Eine äusserst interessante Novität ist im Verlag von 
B. Schott's Söhnen dahier erschienen, nämlich die Partitur 
des Vorspiels zur Oper „Die Meistersinger von Nürnberg'* von E. 
Wagner. Der Componist entwickelt in diesem Instrumentalwerke 
den ganzen Beichthum seiner originellen Erfindungsgabe und der 
ihm in so unvergleichlichem Grade zu Gebote stehenden Vielseitig- 
keit in Behandlung der Instrumente. Wagner hat dies Vorspiel 
bekanntlich in Weimar, Carlsruhe, Wien und München mit grossem 
Erfolg zur Aufführung gebracht, und es dürften daher Concertdirec- 
toren ihrem Publikum kaum eine anziehendere Neuigkeit im Instru- 
mentalfache bieten können. 

(riesseil. Die von dem Universitäts - Musikdirector M i c k l e r 
schon während des ganzen Winters sorgfältig vorbereitete Aufführung 
der Bach'schen Matthäus - Passion hat nun am 14. d. M. in sehr 
gelungener Weise stattgefunden. Die Chöre sowie das durch aus- 
wärtige Künstler verstärkte Orchester hielten sich vortrefflich, und 
die Solopartien waren in den besten Händen , da Frl. Rothen- 
berger aus Cöln, Frl. As mann aus Barmen und Hr. Domsänger 
Otto aus Berlin dieselben übernommen hatten. Der Zudrang des 
Publikums war ein ausserordentlicher, da auch viele auswärtige 
Musikfreunde herbeigekommen waren, um das unvergleichliche Werk 
zu hören. 

Dresden. An dem am 17. d. M. stattgefundenen Productions- 
abende des „Tonkünstler - Vereins'* wurden ein noch Unbekanntes 
Instrumentalwerk von Pergolese, ein Concerto ä chiesa für 
4 Violinen, Viola, Violoncell und Bass, ferner ein ebenfalls noch nicht 
gehörtes Quintett für Ciavier und Streichinstrumente (Op. 107) von 
J. Raff, und eine Serenade für 2 Flöten, Oboen, Clarinetten, Fa- 
gotte, Waldhörner, Violoncell und Bass von Adolph Reiche! iii" 
vorzüglich gelungener Weise aufgeführt. 

Leipzig. Am 14. März fand das 19. Gewandhausconcert mit 
folgendem Programm statt: Ouvertüre zu „Gabrielle d'Estre'es" von 
Mehul; Violinconcert von Beethoven, vorgetr. von Hrn. Hofcapell- 
meister Carl Bargheer aus Detmold ; Arie aus „Iphigenie in 
Tauris" von Gluck, „Erster Verlust" von Mendelssohn und „Ogni 
Sabato" von Gordigiani , ges. von Frl. Emma Borchard vom 
grossherzogl. Hoftheater in Weimar, und im 2. Theile die C-molI- 
Sinfonie von Beethoven. 

Paris. Das grosse Ereigniss des Tages bildet die Aufführung 
der Graner Messe von Abbe' Liszt in der Kirche von St. Eustache, 
welche am 15. d. M. vor einer ungeheuren Masse von Zuhörern, 
darunter Alles , was Paris an Celebritäten irgend einer Art aufzu- 
weisen hat, stattfand. Der Eindruck war im Ganzen ein gemischter, 
und wir werden darauf zurückkommen. Die Einnahme betrug die 
enorme Summe von 50,000 Frs., und man spricht schon von einer 
zweiten Aufführung, die aber in einem anderen Lokale stattfinden 
würde und bei welcher demnach auch Frauenstimmen mitwirken 
könnten. 

*** Ein interessanter Prozess wurde am 8. Februar vor dem 
Court of Queen's Bench in London abgewickelt. Es hatte näm- 
lich ein gewisser Desmond Ryan, der, ohne selbst Musiker zu 
sein, in verschiedene Journale musikalische Kritiken geschrieben 
und sich auf Grund der Abhängigkeit von seinem Urtheile, in wel- 
chem er wohl die Künstler befindlich glaubte , das Bene gethan, 
Concerte zu veranstalten, bei welchen die ausgezeichnetsten Künstler 
und Künstlerinnen , die sonst in ähnlichen Fällen Honorare von 
15 bis 30 Guineen in Anspruch nahmen, gratis, oder wie sie sich 
ausdrückten „aus Freundschaft" für den Concertgeber mitwirkten. 
In dem Journal „Orchestra" war nun diese Art von Brandschatzung 
oder Erpressung beim rechten Namen genannt und das Unstatthafte 
solcher Concerte, wie sie auch ein anderer Kritiker, Henry Glover, 
schon veranstaltet hat, in's wahre Licht gestellt. Ryan trat nun 
klagbar gegen George Wood, den Herausgeber der „Orchestra" 
auf, und da die sämmtlichen Zeugen, nämlich der Tenorist S i m 8 
Ree ves, dieSängerinnenS ainton-Dolby undFlorenceLancia, 
der Bassist Weiss, der Componist und Capellmeister J. Benedict 
u. A., welche in ihren Aussagen äusserst vorsichtig zu Werke gingen, 
im Allgemeinen]darauf bestanden, dass sie aus „persönlicher Freund- 
schaft" für Ryan in dessen Concerten mitgewirkt, so wurde der 
Beklagte in eine Geldstrafe von 250 Pfd. Sterl. und' tragung der 



— 52 



»rlich nicht unbedeutenden Kosten verurtheilt. Gleichwohl kann 
den Beklagten, George Wood, als den Sieger betrachten, da 
die ganze öffentliche Meinung ihm zur Seite steht und es ihm auf- 
richtig dankt, dass er einen so faulen Flecken in unserem Kunst- 
leben unnachsichtig aufgedeckt und einen grossen Theil des Publi- 
kums über den wahren Werth gewisser lobhudelnder Kritiken auf- 
geklärt hat. Wood hat eine Seihe von anerkennenden Zuschriften 
erhalten, die ihm der richterlichen Verurtheilung gegenüber den 
Dank für seine Freimütbigkeit aussprechen, und die nun in der 
„Orcheslra" zu lesen sind. Aeusserst komisch wirkte das von 
Ryan auf verschiedene Kreuzfragen erfolgte naive Geständniss, dass 
er einmal eine Opernaufführung recensirt habe, die gar nicht statt- 
gefunden hatte. 

*** Wir haben bereits mitgetheilt , dass die Aufführung von 
Abert's Sinfonie: „Columbus" in dem letzten populären Concerte 
des Hrn. Samuel in Brüssel von einem ganz ausserordentlichen 
Erfolg begleitet war. Der in Brüssel erscheinende „Guide musi- 
cal' i bringt nun eine in unserem Blatte vom 4. April 1859 mitge- 
teilte kurze biographische Skizze, welche wir dahin ergänzen, dass 
Abert nach seiner Oper: „Anna von Landskron"J eine zweite, 
„Enzio" betitelt, geschrieben hat, welche ausser Stuttgart auch in 
Mannheim mit sehr günstigem Erfolge zur Aufführung kam, so dass 
also seine neueste Oper: „Astorga" die dritte ist, die wir der Feder 
dieses ebenso talentvollen als gründlich gebildeten Componisten zu 
verdanken haben und wir hoffen, dass diese neueste Gabe seines 
Talentes von den deutschen Bühnen eine allgemeinere Berücksich- 
tigung finden wird, als dies bei seinen ersten Opern der Fall war. 
*** Fr. Lachner's „Catharina Cornaro" wurde in Würzburg 
mit glänzender Ausstattung und grossem Erfolg zur Aufführung 
gebracht. 

*** Die englische Oper in London ist am 17. Februar plötzlich, 
wenn auch nicht unerwartet, geschlossen worden, da die finanziellen 
Verhältnisse des Unternehmens ein Weiterbestehen desselben unmög- 
lich machten. Vom April anfangend, will nun Benedict wieder 
eine englische Oper im Drury-Lane- Theater eröffnen. Möge er 
glücklicher sein als sein Vorgänger! 

VI» Wien ist unlängst ein Abkömmling des „Freischütz" 
gestorben in der Gestalt eines Schusterjungen , Namens Franz 
Bar tos eh. Der Urahne seiner Familie war der berühmte Jäger, 
welcher zu Ende des 16. Jahrhunderts sich in Diensten eines Hrn. 
Mezericki von Lomnitz befand. Er war so berühmt durch seine 
ausserordentliche Kunst im Schiessen, dass man ihm nachsagte, er 
habe einen Vertrag mit dem Teufel geschlossen und von diesem 
eigens für ihn gegossene Kugeln erbalten; doch fügt die Chronik 
bei, dass er mit Hülfe der weisen Ratbschläge eines Mönchs seine 
Seele vor den Krallen des Teufels gerettet habe. Bartosch zog nach 
Oesterreich und wurde dort als Jäger ansässig. Er ist es, der An- 
lass zu zahlreichen in Deutschland verbreiteten Sagen gegeben hat, 
insbesondere auch zu jener vom „Freischütz," nach welcher Weber 
sein Meisterwerk schuf. 

\* Graf P 1 a t e n in Hannover ist auf sein Ansuchen von der 
seit zwölf Jahren von ihm versehenen Stelle eines Hoftheater-Inten- 
danten entlassen worden. 

*** Der Sohn des Componisten Herold" wird demnächst den 
umfangreichen Briefwechsel seines Vaters herausgeben. 

V* Der Musikalienverleger Choudensin Paris hat die Par- 
titur der Oper : „Romeo und Julie" von G o u n o d um 50,000 Frs. 
angekauft. 

*** Der ausgezeichnete Pianist Ehrlich aus Berlin gab in 
Königsberg zwei Concerte mit glänzendem Erfolg. Die dortige 
Kritik spricht sich begeistert über seine verständnissvolle Vortrags- 
weise aus. 

* m * Die diesjährige Tonkünstler- Versammlung findet vom 14. bis 
incl. 17. Juni in Coburg statt. Es werden vier Concerte veran- 
staltet werden, nämlich ein Concert in derjMoriz - Kirche durch den 
Salzunger Kirchenchor, zwei Concerte mit Orchester im 
berzogl. Hoftheater und ein Kammermusik - Concert. 

*** Der König von Baiern hat die Aufführung der „Faust-Sin- 
fonie," der „Hungaria," des „Tasso" und des „Mephisto -Walzers" 
▼on Liszt befohlen, sowie die der 9. Sinfonie, der JSroica und der 
9 Coriolan"-Ouvertüre von Beethoven, Es werden nun diese Werke 
im nächsten Monat unter Bülow's Leitung in drei grossen, theils 



im Hof- theils im Residenz - Theater stattfindenden Concerten zur 
Aufführung kommen, und wird das Programm jedesmal vom Könige 
selbst bestimmt werden. 

*** Felioien David's Oper: „Herculanum" hat in Petersburg 
mehr Glück gemacht als seinerzeit in Paris. Die dortige Aufführung 
unter der persönlichen Leitung des Componisten war vom vollstän* 
digsten Erfolg begleitet. 

*** Die ersten 15 Aufführungen der „Afrikanerin" in Darm- 
stadt haben über 24,000 fl. eingetragen. 

*** Im Theater de la Monnaie in Brüssel wird nun endlich 
auch die Pariser Stimmung eingeführt werden. 

V* Die vor Kurzem in der „Neuen Berliner Musikzeitung" 
veröffentlichten Mittheilungen über das Verhältniss Beethoven' s 
zu Frau Maria Pachler-Koschak von dem Sohne der Letzteren,. 
Dr. Faust Pachter, sind nun in einer Brochüre in der Behr'- 
schen Buchhandlung in Berlin erschienen, worauf wir unsere Leser 
hiermit aufmerksam machen. 

*** Der „Berliner Tonkünstlerverein" hat dem dortigen Pia- 
nisten Ehrlich für dessen in der Bock 'sehen Musikzeitung er- 
schienenen Artikel: „Vom Handwerk der Kunst und der Kunst des 
Handwerks" ein Schreiben übersandt, in welchem der Verein dem, 
Verfasser „den wärmsten Dank und die innigsten Sympathien für 
seine wahren und kräftigen Worte" ausspricht und denselben „den 
stärksten Wiederhall in der ganzen Künstlerwelt" wünscht. 

*** In Crefeld fand am 22. Februar das erste öffentliche 
Concert der Liedertafel unter Leitung des neuen Dirigenten, Hrn. 
Alex. Dorn, Sohn des Capellmeisters Dorn in Berlin, statt. Hr* 
Dorn spielte das Beethoven'sche Clavierconcert in C-moll mit grosser 
Virtuosität und schönem Verständniss und bewährte sich auch als 
tüchtiger Componist durch seine Cantate „Gruss an die Nacht"* 
Ausserdem wurde noch „Velleda" von Brambach und die Ouver- 
türe zu „Egmont" aufgeführt. Chöre und Orchester Hessen nichta 
zu wünschen übrig. 

*#* Am 24. v. M. kam in Breslau die romantische Oper s 
„Claudia von Villa Bella", der Text nach dem Göthe'schen Sing- 
spiele von M. Karte bearbeitet , Musik von dem Grafen Hoch- 
berg-Fürstenstein zur Aufführung. Die Arbeit des Compo-» 
nisten , eines noch sehr jungen Mannes , gibt Zeugniss von den 
ernsten und eifrigen Studien desselben und verdient darum die auf- 
richtigste Anerkennung, wenn auch nicht verhehlt werden darf, dasS 
es dem jungen Künstler namentlich in Bezug auf die Behandlung 
der Stimmen noch an der nöthigen Routine fehlt. Immerhin ist es 
erfreulich, einen jungen Mann aus der hohen Aristokratie sich in so 
ernster und gediegener Weise der Kunst widmen zu sehen. 

*** Der Pianist T a u s i g hat vom König von Preussen das 
Prädicat eines k. Hofpianisten erhalten. 

*** Professor E. Man ti us in Berlin hielt kürzlich im dortigen 
Tonkünstlerverein einen sehr interessanten Vortrag über das Tre- 
moliren der Sänger, welcher in der Bock'schen Musikzeitung 
abgedruckt ist. 

*** Das Theater in B r e s t ist vollständig abgebrannt. Die Ur- 
sache der Entstehung dieses Brandes ist noch unbekannt. 



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C0NCERT-VI0LINEN. 

Ein bekannter Concertmeister wünscht in Folge vorgerückten 
Alters die nachstehend verzeichneten dreiConcert-Violinen zu 
Veräussern und hat dem Unterzeichneten deren Verkauf übertragen: 

1) eine Straduario (1673), 

2) eine Cremona (Quamerio 1712), 

3) eine Stainer (1617), 

alle drei von vorzüglichstem Tone, womit sich namentlich die erst- 
genannte durch ihren grossartigen Bau sowohl, wie durch die Kraft 
und Schönheit des Tones auszeichnet. 
Gefälligen Angeboten sieht entgegen 

Fedor Pohl, 
Buchhändler in Amberg. 



Verantw. Red. Ed. Fächer er, Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



JW* Id. 



2. April 1860. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Diese Zeitung erscheint jeden 
MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
; , lungen. 



? @ (Tilg 



{ PREIS: 

▼on | fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

Ö> für den Jahrgang. 
HNEN in MAINZ, »«* «ue M bezog» = 

[50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 

Brüssel bei Gebr. Schott* London bei Schott & Co. 



INHALT: Aleida von Holland. — Frankfurter Oratorien-Concerte. — • Correspondenzen : Mainz. Paris. — Kachrichten. 



Aleida von Holland* 

Romantische Oper in 3 Acten von Ernst FasquÖ, 
Musik von W. F. Thooft. 



Rotterdam, März 1866. 

Am 10., 14. und 20. März fanden am hiesigen deutschen Opern- 
theater die drei ersten Aufführungen einer neuen Oper statt, und 
zwar mit solch' einem glücklichen Erfolge, dass eine allgemeine und 
freudige Sensation darüber herrscht, einen holländischen Componisten 
mit einer deutschen Oper sich so entschieden Bahn brechen zu sehen. 
Thooft hatte bereits durch mehrere grosse Instrumental -Werke, Sin- 
fonien und Ouvertüren, worunter auch eine Preis-Sinfonie mit Chor, 
welche in den vornehmsten Concerten Hollands und auch in einigen 
Städten Deutschlands aufgeführt wurde , sich einen guten Ruf er- 
worben; auch hatten, sobald die „ Aleida* in Angriff genommen war, 
Capellmeister, Chordirector, wie auch die anderen Mitglieder unserer 
Oper viel günstiges über das Werk verlauten lassen, und man er- 
wartete deswegen allgemein eine gute musikalische Arbeit, wenn 
auch Niemand einen so durchschlagenden Erfolg zu hoffen wagte. 
Abgesehen von einigen Mängeln von untergeordneterem Range, wel- 
che selbst in den Erstlings -Werken der berühmtesten Opern -Com- 
ponisten zu finden sind, dürfte es für die Kritik sehr schwierig sein, 
beim Anhören der „Aleida" an einen ersten dramatischen Versuch 
zu denken. Der besagte Mangel (gewisse Längen) beschränkt sich 
auch blos auf einen Theil des ersten Actes, wo die Dichtung Ver- 
anlassung dazu gibt, und der Componist obendrein durch das wir- 
kungsvolle Ensemble den Zuhörer reichlich entschädigt. 

Was das Textbuch betrifft, so hat der Componist eine glückliche 
Wahl getroffen, was bei dem offenbaren Mangel an guten Opern- 
dichtungen schon viel sagen will. Der Verfasser, Herr Ernst 
Pasque in Darmstadt, hat sich in den letzten Jahren als Bühnen- 
dichter einen guten Ruf erworben. Der Inhalt ist ganz einfach 
folgender: Der Ritter Dietrich von Brederode, Verlobter der 
Aleida, Tochter des Grafen Wilhelm I. von Holland zieht 
mit diesem und den übrigen Holländern und Friedriche Edeln zur 
Kreuzfahrt. Vor der Abfahrt bekommt Dietrich von seiner Braut 
eine Schärpe zum Andenken und muss dabei versprechen, wo mög- 
lich im Falle eines unglücklichen Laufes der Dinge die Schärpe 
durch vertraute Hände an seine Braut zurückzusenden. Diese Zu- 
röcksendung soll ihr ein Zeichen seines Todes sein, und Aleida 
▼erspricht ihrerseits, in diesem Falle den Schleier zu nehmen. Der 
Ritter und Minnesänger BodovonFeilingen, Freund Brederode's, 
i«t ebenfalls leidenschaftlich verliebt in Aleida, und durch seine 
Leidenschaft bethört, macht er Missbrauch von dem Vertrauen seines 
Freundes. In einem Gefecht auf den Mauern Jerusalems raubt er 
Brederoden die Schärpe, und weil er Gelegenheit hat, früher zum 
Vaterlande zurückzukehren, verbreitet er dort die falsche Nachricht, 
Brederode sei tödtlich verwundet und gestorben. Aleida bekommt 
»na den Händen Bodo's die Schärpe zurück und nimmt sich vor 
in'« Kloster zu gehen. Am Tage, no sie den Schleier annehmen 



soll , kehrt glücklicherweise Brederode noch zeitig in's Vaterland 
zurück, entdeckt den Verrath Bodo's und wird mit seiner geliebten 
Aleida wieder vereinigt. 

Die Handlung ist einfach, aber vom Dichter mit vielem Ge- 
schicke entworfen und dargestellt. Neben den Hauptpersonen: 
Aleida , Dietrich und Bodo , kommen noch zwei sehr interessante 
Nebenfiguren in der Oper vor , nämlich F r y a , eine friesische 
Wahrsagerin , und der Abt vonEgmond. Frya, von Bodo be- 
stochen , die einigermassen abergläubige Aleida auf den vermeint- 
lichen Tod Dietrich's vorzubereiten, macht sich auf den Weg, und 
im gräflichen Schlosse bei Aleida zugelassen, lässt sie durch Zau- 
berei Erscheinungen entstehen, wobei man den ganzen angeblichen 
Vorfall 'auf den Mauern Jerusalems (die tödtliche Verwundung 
Dietrich's) erblickt. Diese ganze Scene , wie auch das Lied der 
Wahrsagerin und das Duett von Aleida und Frya ist reizend und 
vom Componisten so üefllieh benutzt , dasa dieselbe sowohl vom 
dramatischen als vom musikalischen Standpunkt aus einen Glanz- 
punkt der ganzen Oper bildet. Der Abt von Egmond (Bass) segnet 
im Finale des 1. Actes die Waffen der Kreuzritter (Scene in der 
Schlosscapelle) und im 3. Act entdeckt er Dietrich den Verrath Bodo** 
und spielt nachher die VermittlungBrolle zwischen Dietrich und Bodo. 
Der Componist hat in seiner Oper den Minnesänger Bodo, als 
den Intriguant, zum Helden-Tenor, dagegen den Liebhaber Dietrich 
zum Baryton gemacht. Diese Eintheilung der Parthien, obgleich 
abweichenden der Opern-Tradition, ist sehr passend und in Ueber- 
einstimmung mit dem Texte; dieselbe gibt auch dem Ohre einen 
gewissen Reiz der Neuheit. Auch ist Thooft darin von der Gewohn- 
heit der modernen Operncomponisten abgewichen , dass er seiner 
Oper keine kurze Instrumental-Einleitung, sondern eine grosse Ouver- 
türe vorausgehen lässt, in welcher aber keine Hauptmotive aus der 
Oper vorkommen, sondern sie stellt vielmehr ein freies Characterbild 
der drei 1 Hauptpersonen aus der Oper dar. Die Ouvertüre macht 
durch die glückliche Instrumentation eine gute Wirkung. 

Die Einleitung des 1. Actes zeichnet sich aus durch schöne 
Männerchöre. Die dazwischen vorkommende Romanze des Tenor 
(Bodo) dürfte bald allgemeine Beliebtheit erlangen. Dann folgen 
eine Arie Bodo's, eine Arie Aleida's und ein Duett für Aleida und 
Dietrich (Sopran und Baryton). Von hoher Bedeutung ist das Fi- 
nale (die Kirchen - Scene , Einsegnung der Waffen der Kreuzfahrer)» 
ein vostreffliches Ensemble mit Soli, Chor und Orchester. Was den 
Chor betrifft, so hat der Componist sich hier an die Gränzen dessen 
gewagt, was ein Opernchor zu leisten vermag. Die tüchtigen Chor- 
kräfte unserer Oper haben aber ihre Aufgabe vortrefflich durchge- 
führt, und bei solcher Ausführung ist die Wirkung eine mächtige. 
Die Bassparthie des Abtes ist schon, liegt aber an einigen Stellen 
etwas hoch, und es wäre dem Componisten zu rathen, gewisse 
Stellen passend zu ändern. 

Der 2. Act bildet vom dramatischen und musikalischen Stand- 
punkte den Glanzpunkt der ganzen Oper. Der Dichter hat hier eine 
Reihe von schönen Situationen dargestellt, welche vom Componisten 
mit einem bedeutendem dramatischen Talent behandelt sind. Die 



54 — 



Erfindungsgabe des Componisten tritt hier im schönsten Lichte auf. 
Das Lied der Wahrsagerin und das Duett der Aleida and Frya sind 
bereits erwähnt. Nach einer Arie Aleida's folgt dann eine grosse 
ErȊbiung Bodo's, wobei Bodo die falsche Nachrioht von dem Tode 
Dietrich's fiberbringt und Aleida das Liebespfand , die Sch&rpe 
fiberreicht. Hier Ist die Dichtung wirklich schon zu nennen, and 
der Gomponist ist nicht zurückgeblieben; die Compositum ist denn 
auch voll Feuer und Gluth. Der erste Theil beschreibt die Gefühle 
der Kreuzfahrer beim Annähern Jerusalems (andante quasi alla 
Marcia) und ist im lyrisch - romantischen Style componirt. Ein 
kürzerer Satz (Piu agitato quasi Allegro) beschreibt den Sturm 
der Wälle Jerusalems und das Aufpflanzen der Kreuzfahne durch 
Dietrich. Nachher wird die Verwundung Dietrichs in einem Reci- 
tativ erzählt, und die Erzählung geschlossen mit einem Andante 
sostenuto, */* Tact, in welchem Bodo die vermeinten Abschieds* 
worte Dietrichs an Aleida erzählt. 

Am Schluss der Erzählung sinkt Aleida mit einem Schrei zu_ 
sammen; der Graf, der Abt und der Chor eilen herbei, und es folgt 
nun das Finale , welches in Bezug auf musikalische Schönheit zu 
den erhabensten Theilen der Oper gehört. Sehr bedeutend für den 
Erfolg dieser Oper ist der Umstand, dass der 3. Act an Wirkung 
nicht beiden vorigen zurücksteht und neue Anziehungskraft besitzet. 
Während im 2. Act Aleida , Frya und Bodo die Hauptgruppe der 
handelnden Personen bilden, so ist dagegen im 3. Act der in's Vater- 
land zurückgekehrte Dietrich von Brederode die Hauptperson, da- 
neben stehen der Abt und Bodo, während Aleida erst im Finale er- 
scheint. Dadurch hatte der Componist Gelegenheit mit neuer Frische 
zu arbeiten. Gleich schon die erste Nummer , 'eine Romanze für 
Baryton, wurde vom Publikum mit Enthusiasmus aufgenommen und 
auf Verlangen wiederholt. Hernach folgt ein lieblicher Frauenchor 
und dann ein sehr wirksames Duett für Bass und Baryton. Eben- 
falls vortrefflich gelungen ist die folgende Scene und Terzett (Tenor, 
Baryton und Bass) , und endlich das Finale (Abschied der Aleida 
von ihren Freundinnen, bevor sie die Klosterweihe empfangen soll, 
und die unerwartete Wiedervereinigung mit Dietrich). Dieses Finale 
bildet einen würdigen Schluss der Oper. Die Partie der Aleida 
und die betreffende Begleitung des Orchesters ist vom Componisten 
mit dem feinsten Gefühl und Wahrheit behandelt, und das prachtvoll 
componirte und instrumentirte Ensemble mit Chor („O Gottl dich 
preisen und loben wirl") ist von wahrlich grossartiger Wirkung. 

Hiermit können wir unser Referat über die Oper enden. Es 
ist uns eine wahre Freude, dem jungen Componisten zu dem gross- 
artigen Resultat seiner Oper von Herzen Glück wünschen zu können. 
Thooft hat einen Sieg erfochten, nicht allein durch sein bedeutendes 
Compositions - Talent , sondern vornehmlich auch durch die Selbst- 
ständigkeit und Unabhängigkeit, womit er dasteht, und welche unter 
den Componisten der Gegenwart leider eine sehr seltene Erscheinung 
geworden ist. Allerdings bemerkt man hier fleissiges Studium der 
Partituren von Deutschlands grossen Meistern, nirgends aber verfällt 
der Componist in sklavische Nachahmung. Bei der Instrumentation, 
welche sehr wirkungsvoll und schön ist, scheinen Weber und Ros- 
sini (Teil) dem Componisten zum Vorbilde gedient zu haben. Uebri- 
gens ist die Aufgabe des Orchesters eine sehr dankbare und inte- 
ressante. 

Die Theilnahme des Publikums war so lebhaft, wie ein Com- 
ponist sie nur wünschen kann. Drei Vorstellungen fanden schon 
bei gedrängt vollem Hause statt, und wurde der Componist nach 
jedem Act gerufen, wobei es an Orchester-Tuschen, Lorbeerkränzen 
u. s. w. nicht fehlte. Weitere Vorstellungen werden noch nachfolgen. 

(Schluss folgt.) 



iOOO< 



llie Frankfurter Oratorien - Coneerte. 



(Schluss.) 

Im zweiten Concert brachte der „Cäcilien - Verein" die „Zer- 
störung Jerusalems" von Ferdinand Hiller. Das Werk stammt 
aus dem Jahre 1837 oder 38. Wie wir hören, wurde es um jene 
Zeit, als Hiller den Cäcilien- Verein vorübergehend leitete, in Frank- 
furt zum Erstenmale aufgeführt. Die Dichtung ist von Dr. Stein- 



heim, die Geschichte ist in dem II. Buch der Könige, 23 — 25. Haupt- 
stück, dem II. Buch der Chronik, 36. Hauptstück, und dem Buch 
Jeremias, u. a. dem 37—39. Hauptstück erzählt. 

IHe A^ilhruitg im „Cäcilien -Verein" war, in Anbetracht der 
vielen ermüdenden Stellen, im Ganzen gut zu nennen. Dass der 
Chor häufig erlahmen musste, lag an den einzelnen Stücken selber; 
wo aber etwas Frisches ,' Anregendes in der Musik war, da brachte 
er es mit aller Kraft zur Darstellung. So besonders die Chöre in 
der Königsburg im I. Theil, dann den Chor auf der Mauer, den 
Chor der Verwüstung, den Siegesgesang der Babylonier u. A. Die 
Rolle des Jeremias (Bass) sang Hr. Carl Hill, gross und würde- 
voll, dem biblischen Helden ganz entsprechend. Den König Zedekia 
(Tenor) stellte Hr. A. D e n n e r aus Cassel dar , in feiner , edler 
Weise. Die Rolle der Chamital (Sopran) ward von einer Dame aus 
dem Verein , Frl. Lutz, gesungen. Die Sängerin ist mehr für 
lyrische Musik befähigt als für dramatische ; eine Rolle voll unge- 
heurer Leidenschaft, wie die der Chamital, hätte auch eine ältere 
Dame mit festerem, härterem Ton verlangt. In Anbetracht des zu 
viel Zugemutbeten gab die Künstlerin die Rolle möglichst getreu. 
Hanna und die Israelitin wurden von Frl. Schreck aus Bonn und 
Frau Peters-Schenk (von ihrer Bühnenthätigkeit hier noch in 
gutem Andenken stehend) gesungen, beide in edler, würdiger Weise. 

Heinrich Becher. 



CORRBSPONDENZEN. 



Aus Mainz. 



Am Freitag den 23. März fand das dritte Vereinsconcert der 
„Liedertafel* und des „Damengesangvereins" im grossen Saale des 
Casino statt, der nebst den anstossenden Nebenzimmern von Zu- 
hörern dicht gefüllt war. Es kam unter Leitung des Vereinsdirec- 
tors Hrn. Friedrich Lux „Das Weltgericht," grosses Oratorium 
von Friedrich Schneider, Dichtung von August Apel zur 
Aufführung. Das Werk selbst, das schon im Jahre 1819 componirt 
wurde , dürfen wir wohl als unseren Lesern bekannt voraussetzen, 
so dass wir nur über die in Rede stehende Aufführung zu referiren 
haben. Wir wissen nicht, ob dieses Oratorium in früheren Zeiten 
etwa schon hier gehört worden ist, wohl aber haben wir eine Auf- 
führung desselben in der hiesigen Fruchthalle zum Besten der 
Hinterlassenen des Componisten (im August 1854) erlebt, von wel- 
cher sich aber, obschon sie mit viel grösserer Prätension in Scene 
gesetzt war, und selbst auswärtige Gesangvereine mitwirkten, den- 
noch nicht viel Gutes sagen Hess , als dass glücklicherweise der 
pekuniäre Zweck erreicht wurde, während die Aufführung von vori- 
ger Woche als eine äusserst schwungvolle und in jeder Beziehung 
gelungene zu bezeichnen ist. 

Da der Liedertafelvorstand und der engere Ausschuss des Actien- 
theater- Comite's wegen Ueberlassung des Theaterorchesters für diese 
Production und die nöthigen Proben in Folge der Repertoirverhält- 
nisse im Theater sich in zuverlässiger Weise nicht zu einigen 
vermocht hatten, so wurde das Hoftheaterorchester in Wiesbaden 
engagirt, welches denn auch seine Aufgabe mit einer einzigen Probe 
in vortrefflicher Weise löste und sowohl in Bezug auf reine Stim- 

Imung wie auf feurige und sichere Ausführung nichts zu wünschen 
übrig liess. Ein einziger Uebelstand machte sich darin bemerkbar, 
dass dem stark beschäftigten Bläserchor gegenüber, namentlich in 
gewissen Kraftstellen, die Violinen etwas schwach erschienen, wozu 
wohl auch der Umstand beitrug, dass die Geiger etwas tief, gerade 
hinter dem Damenchor placirt waren, dessen Kleider und Crinolinen 
sicherlieh einen guten Theil der Klangstärke absorbirten. Die Chöre 
gingen vorzüglich gut und selbst in den mitunter sehr schwierigen 
Fugen war niemals eine Schwankung oder Unsicherheit zu bemerken, 
f and so waren denn auch dieselben häufig von wahrhaft hinreissender 
Wirkung. Wir erwähnen beispielsweise den Chor der Erstandenen 
Nro. 14 „Heil uns, Heil!" mit der Fuge »Ewig schallen Jubellieder,* 
den Schlusschor des 2. Theiles und den des 3. Theils u. A. Aber 
auch die sanfteren Chöre wurden in schönster Weise zur Geltung 
gebracht; so 8.B. der Chor der Engel Nro. 12 „Triumph! Triumph! 



- m - 



«ie erstehen l* den wahrhaft reizenden Chor derüütter und Kind« 
j»it dem Solo der Eva »Mit unserm achwaohen Lallen" (Nro. 23, 
JL Theil), der Chor der Seligen „Was sind die Leiden (Nro. 35), 
der Chor der Engel mit den» Quartett der Erzengel „Maria , du 
.milde, du süsse" (Nro. 29, III. Theil). 

Besonderen Beifall fanden die Sätze a capella der vier Era- 
jengel , welche, mit untadeliger Reinheit , schöner Nüancirung und 
vollkommenster Verschmelzung der einzelnen Stimmen vorgetragen, 
«inen ergreifenden Eindruck machten. Sämmtliche Sopransoli fanden 
in Frau Skalla-Borzaga vom hiesigen Stadttheater eine vorzüg- 
liche Vertreterin, sowie denn auch die Partien der Erzengel und des 
Satanas durch Hrn. Ruff (Tenor) und durch die Vereinsmitglieder 
Frau G., Hrn. W. und Hrn. Dr. R. vortreffliche Interpreten fanden. 
Die Leitung des Ganzen durch Hrn. Lux Hess an Energie, Umsicht 
und Sicherheit nichts zu wünschen übrig, und die beiden Vereine 
haben durch diese Aufführung ein neues Reis in den seit ihrem 
langjährigen Bestehen so oft verdienten Lorbeerkranz geflochten. 

Ueber das Gastspiel der Frau Jauner-Krall vom k. Hof- 
theater in Dresden, welches diese renommirte Künstlerin gestern als 
Margaretbe in Gounod's „Faust" mit ausserordentlichem Erfolg be- 
gonnen hat, werden wir in unserer nächsten Nummer ausführlich 
berichten. E. F. 

Aus Paris. 

25. März. 

Sie werden schon gehört haben, dass vom 15. April ab die 
grosse Oper aufhört unter dem Minister des Kaiserlichen Hauses zu 
stehen. Diese Anstalt wird dann von Privatunternehmern ausge- 
beutet werden. Es fehlt, wie Sie sich leicht denken können, nicht 
an Bewerbern , die sich an das gefährliche Unternehmen wagen 
wollen; bis jetzt nennt man aber nur Berufene und keinen Auser- 
wählten. Es heisst, der bisherige Director, Emil Per r in, wolle 
auf eigene Rechnung die Leitung fortsetzen ; allein derselbe erfreut 
«ich keiner sonderlichen Popularität, und das Publikum würde ihn 
nicht gern an der Spitze der ersten lyrischen Bühne Frankreichs 
sehen. — „Don Juan" wird dort am Ostermontag zur Aufführung 
kommen. Mit dem choreographischen Theil ist St. L6on betraut 
worden, der sich seiner Aufgabe bereits entledigt hat. 

Die komische Oper studirt das neue Werk Plotow's mit 
grossem Eifer ein. Der Compositeur kommt diese Woche nach 
Paris, um die letzten Proben zu überwachen. Seine „Martha" wird 
im Theätre lyrique fortwährend mit grossem Beifall gegeben, und 
wurde auch im italienischen Theater, wo sie vor einigen Tagen 
wieder zur Aufführung gelangte , sehr beifällig aufgenommen. 
Fraschini als Lyonel ist ganz vorzüglich und wurde bei der 
ersten Darstellung zu wiederholten Malen gerufen. 

Vorigen Montag hat das Concert Andre Oechsner's vor 
einem ebenso zahlreichen als ausgewählten Publikum im Saal 
Pleyel stattgefunden. Seine beiden neuen Quartette in F-dur und 
D-dur erfreuten sich eines glänzenden Successes, ebenso die Romanze 
und Saltereile für Violoncell und Piano , die von N o r b 1 i n und 
Lavignac trefflich vorgetragen wurden. Oechsner's schönes und 
ernstes Talent findet immer mehr Anerkennung und die Presse 
spricht sich über seine Productionen sehr wohlwollend aus. 

Verdi ist vor einigen Tagen nach Italien zurückgekehrt, wo 
er seine fünfactige Oper : „Don Carlos" vollenden wird. Gegen An- 
fang Juli trifft er wieder in Paris ein, um die Proben seines neuen 
Werkes zu leiten. 

Durch den unerwarteten Tod Clapisson' s ist ein Sessel im 
Iustitut frei. Die meiste Aussicht auf die Nachfolgerschaft in die 
Akademie haben wohl Gounod und Felicien David. 



Nachrichten. 

Dannstadt. Am 20. März fand als Benefiz - Vorstellung des 
Hrn. Hofcapellmeisters Neswadba eine Aufführung des „Don 
Juan" statt, welche daB allgemeine und lebhafte Interesse, das ihr 
von dem musik- und theaterliebenden Theile hiesiger Einwohner- 
echaft entgegengetragen wurde, im hohen Grade rechtfertigte und 
lohnte. Sämmtliche Träger der Hauptpartien, Frl. Jage r aus Cöln 



(Anna), Frau Peschka (Elvira), Frl. Lamara <Zerline), Hr. 
Becker (Don Juan), Hr. Greger (Leporello) und Hr. Nachbaut* 
(Octavio) wetteiferten mit Chor und Orchester, um das grösste Werk 
des grössten Meisters in würdiger Weise zu Gehör zu bringen. 
Hr. Leuthner aus Würzburg als Gouverneur und Hr. Leib als 
Masetto leisteten Anständiges. Hr. Capellm. Neswadba, dessen Ver- 
dienste um unsere Oper allgemein anerkannt werden, fand seinen 
Dirigentenpult mit Blumen und Kränzen geschmückt und mag in 
dem so zahlreichen Erscheinen des Publikums an seinem Benefiz- 
abende einen Beweis jener Anerkennung erblicken. 

Das 3. Concert der grossh. Hofmusik bot besonderes Interesse 
durch die erstmalige Aufführung der 1. Suite für Orchester (D-moll) 
von Fr. Lachner. Dieses schöne Werk , das bereits mit dem 
glücklichsten Erfolge in ganz Deutschland wie im Ausland aufge- 
führt worden ist, wurden hier in vortrefflich gelungener, sehwung- 
und geistvoller Weise zu Gehör gebracht und mit lebhaftem Beifall 
aufgenommen. Auch die Hebriden-Ouvertüre von Mendelssohn und 
die Ouvertüre zu Gluck's „Iphigenie in Aulis" wurden sehr gelungen 
vorgeführt, und Hr. Capellm, Neswadba hat mit diesen Werken 
wieder sein Directionstalent glänzend bewährt. Mit vielem Beifall 
wurden auch die Leistungen des Violinisten Friemann aus Paria 
aufgenommen, welcher das Mendelssohn'sche Concert in sehr lobens- 
werther .Weise vortrug. Frl. Marie Emmerling, eine äusserst 
begabte Dilettantin, erfreute das Publikum mit dem Vortrag eines 
Duetts aus „Belisar" mit Hrn. Becker uud einer Arie aus „Paulus'' 
von Mendelssohn. 

Mannheim. Frl. Stehle vom Hoftheater in München gastirte 
während der letztverflossenen zwei Wochen auf unserer Bühne in 
den Opern : „Das Glöckchen des Eremiten ," „die Afrikanerin," 
„Tannhäuser" und „Faust" von Gounod , und erntete durch ihre 
herrlichen Stimmmittel, sowie ihre Vollendung in Gesang und Spiel 
reichen Beifall , der sich in der Oper „Faust" zu wahrem Jubel 
gestaltete. Auch in der Rolle der Selika (Afrikanerin), in der sie 
anderwärts noch nicht aufgetreten war, bewies sie in jeder Bezie- 
hung dieselbe Sicherheit und künstlerische Durchdringung wie in 
ihren übrigen Bollen. 

Leipzig. Am Palmsonntag fand das übliche Concert zum Besten 
des Unterstützungsfonds für die Wittwen und Waisen der k. Capelle 
statt, in welchem unter der Leitung des Hrn. Hofcapellmeisters 
R i e t z die Eroica von Beethoven und das Oratorium „Samson" 
von Händel mit Unterstützung der Dreissig'schen Singacademie zur 
Aufführung kamen. Die Soli wurden von Frau Bürde-Ney, Fran 
Krebs-Michalesi und den HH. Rudolph und Mitter- 
wurzer gesungen, und war die ganze Durchführung in Bezug auf 
Chor, Orchester und Soli eine ganz vorzügliche. 

Paris. Louis Clapisson, Componist, Professor am Con- 
servatorium und Mitglied der Academie der schönen Künste, ist 
ganz unerwartet in Folge einer Indigestion gestorben und am Mitt- 
woch den 21. d. M. mit aller Feierlichkeit begraben worden. 
Gatteaux, Director der Academie der schönen Künste, A u b e r, 
Director deB Conservatorinms, Camille Doucet, Mitglied der 
Academie nnd General Mellinet, Senator und Commandant der 
Pariser Nationalgarde, trugen die Enden des Bahrtuchs. Clapisson 
war geboren am 15. September 1808. Seine Familie diente am 
Hofe des Königs Murat und kehrte nach den Ereignissen von 1815 
nach Frankreich zurück. Im Jahre 1830 wurde der junge Clapisson 
im Conservatorium aufgenommen , wo er Unterricht im Violinspiel 
von Hab an eck und in der Composition vonReicha erhielt, und 
im Jahre 1833 wurde er Mitglied des Orchesters der grossen Oper. 
Er machte bald sein Compositionstalent durch eine Menge beliebt 
gewordener Lieder , Chansons , Duetten etc. geltend , brachte 1838 
seine erste Oper, „fa Figurante" in der komischen Oper zur Auf- 
führung, welcher noch eine bedeutende Anzahl ähnlicher Composi- 
tionen für die komische Oper und das lyrische Theater folgten. 
Für die grosse Oper schrieb er »Jeanne la Folie" welche 1848 
zur Aufführung kam, aber nur einen Succes destime erlangte, was 
in den Zeit- und anderen Verhältnissen seinen Grund hatte. Seit 
mehreren Jahren hatte Clapisson nichts mehr auf die Bühne gebracht, 
indem er den passenden Zeitpunkt abwartete, mit einer bereits voll- 
endeten Oper mit dem Titel „le Baron de Trenfc' wieder hervor- 
zutreten. Im Jahre 1848 wurde er Ritter der Ehrenlegion, und nach 
dem Tode Halevy's nahm er dessen Sitz in der Academie ein, und 



— 56 — 



wnrde zum beständigen Secretär der Section der schönen Künste 
erwählt Später -wurde ihm eine Harmonieciasse im Conservatorium 
übertragen, welchem er sein interessantes Museum alter, merkwür- 
diger Instrumente abtrat und dafür zum Conservator desselben mit 
Verköstigung und Wohnung im Conservatorium ernannt wurde. 
Ebendaselbst ist er auch in Mitte seiner trostlosen Familie so plöta- 
lich dahingerafft worden. 

— Programm des 6. Concertes im Conservatorium: Pastoral- 
Sinfonie von Beethoven; v O FiltiS* Doppelchor von Leisring; He- 
briden-Ouvertüre von Mendelssohn ; Jägerchor aus „Euryanthe" von 
Weber; Marsch aus „Tannhäuser" von B. Wagner. (Letzteres ein 
merkwürdiger Fortschritt in den stabilitätsfreundlichen Programmen 
der Conservatoriums-Concerte.) 

— Das 21. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup hatte fol- 
gendes Programm : Pastoral-Sinfonie von Beethoven ; Clavier-Coneert 
in A-molI von Hummel, vorgetr. von Hrn. Th. Kitt er; Vorspiel 
su „Lohengrin" von R. Wagner, und einzelne Nummern ans Men- 
delssohn^ Musik zum „Sommernachtstraum". 

— Pasdeloup brachte in seinem 22. populären Concerte zur 
Aufführung: Sinfonie in C-dur (Op. 34) von Mozart; Allegretto un 
pocco agitato (Op. 68) von Mendelssohn; Romanze in F-dur für 
Violine von Beethoven, vorgetr. Von Hrn. Alard; Ouvertüre zur 
„Flucht nach Aegypten" von Berlioz; Fragmente aus dem Septuor 
von Beethoven. 

— Der Nestor der Musikverleger, Hr. P a c i n i, ist im 88. Le- 
bensjahre, umgeben von seinen neun Kindern, dahier gestorben und 
hinterlässt den Ruf eines äusserst thätigeu und in jeder Beziehung 
achtungswerthen Ehrenmannes. 

— Durch ein kaiserliches Decret vom 22. März wird die Füh- 
rung des Instituts der grossen Oper vom 15. April d. J. ab einem 
Director-Entrepreneur auf seine eigenen Kosten und Gefahr über- 
geben werden. Derselbe hat eine Cantion von 500,000 Frcs. zu 
stellen und wird ausser der bisherigen Subvention aus Staatsmitteln 
jährlich noch weitere 100,000 Frs. aus der Civilliste erhalten, welche 
aber in den ersten 5 Jahren als Verstärkung seiner Caution deponift 
und erst im 6. Jahre zur freien Verfügung gestellt werden. Noch 
ist die Wahl eines Directors nicht getroffen. Diese höchst über- 
raschend gekommene Maassregel soll darin begründet sein, dass der 
Minister des kais. Hauses und der schonen Künste , welcher den 
Orchestermitgliedern eine Vermehrung ihrer Gebalte im Gesammt- 
betrage von 16,000 Frs. bewilligt hat, in Folge der von denselben 
abgegebenen Erklärung , dass ihre gerechten Ansprüche damit in 
keiner Weise befriedigt seien und sie sich weitere Schritte vorbe- 
hielten, dem Kaiser den Vorschlag machte, die Führung der grossen 
Oper der Speculation freizugeben, worauf Napoleon auch einging 
und um den Schein zu vermeiden , als geschähe dies nur aus öko- 
nomischen Gründen, obenerwähnten Subventionsbetrag von 100,000 
Frs. jährlich bewilligte. 

— Die Pianistin Frl. Trautmann wird am 9. April im 
Saale Herz ein Concert geben , worin sie eine neue Fantasie von 
H. Herz über die „Afrikanerin" und ein Duo für zwei Claviere 
mit A. J a e 1 1 vortragen wird. 

%* In Wien wurde kürzlich ein Miniaturporträt Beethoven^ 
aufgefunden, das den Meister im Alter von ungefähr 20 Jahren darstellt. 

%* Im Haag wurde eine Compositum von Schiller's „Glocke" 
Ton dem dortigen Conservatoriums - Director Nicolai mit vielem 
Beifall zur Aufführung gebracht. 

*** Capellmeister D u m o n t vom Stadttheater in Mainz wird 
nach Leipzig übersiedeln, sich dort mit Frl. Suvanny, welche er 
snr Sängerin ausgebildet hat, vermähleu und sich dem Gesangs- 
unterricht widmen. 

*** Die Oper „Johanna von Neapel" wird in Berlin und 
Braunschweig zur Aufführung vorbereitet. 

*** F£tis hat einen Supplement-Band zur „Afrikanerin" heraus- 
gegeben, welcher im Ciavierauszug mit Text 22 Nummern enthält, 
die von Fetis bei der Einrichtung der Oper für die Bühne ganz 
gestrichen oder gekürzt wurden oder von Meyerbeer zweimal com- 
ponirt worden sind. Der 190 Seiten lange Supplement ist mit einer 
Vorrede von Fetis versehen. 

*** In London ist eine Subscriptiou im Gange, um den Heraus- 
geber des Journals ,. Orchestra" für die Kosten, die ihm durch den 



von dem Kritiker Ryan angestrengten Prozess wegen Ehrenkränkung 
erwachsen sind, schadlos zu halten. Die ganze öffentliche Meinung; 
-ist für den Verurtheilten , Hrn. Wood, dem von allen Seiten die 
Anerkennung der furchtlosen Freimüthigkeit ausgesprochen wird, 
mit der er einen Krebsschaden im hiesigen Künstlerleben aufdeckt» 
und rücksichtslos gegen die Schamlosigkeit der Concerte - gebenden 
Kritiker los£og. Hrn. Wood's Verurtheilung war auch nur möglich 
gewesen in Folge der zurückhaltenden Aussagen der als Zeugen 
berufenen Künstler, die den gefürchteten Recensenten offenbar 
schonen wollten. 

*** Der König von Hannover hat die dem Dr. G. Satter ver- 
liehene Ernennung zum Capellmeister zurückgenommen, und derselbe 
wird nach einem verunglückten Concerte, in welchem er seine eige- 
nen Compositionen zur Aufführung brachte, Hannover verlassen. Das 
beabsichtigte Musikfest in Hannover wird nun vom Hof capellmeister 
Fischer dirigirt worden. 

*** In München machte Frl. Bär mann, eine Tochter des be- 
rühmten Clarinettisten, als Fatime im „Oberon" ihren ersten theatra- 
lischen Versuch. Sie besitzt eine schöne Altstimme , und es steht 
zu hoffen, dass der freundliche Beifall, der ihr gespendet wurde, sie 
zur weiteren Vollendung ihrer künstlerischen Ausbildung anspornen 
wird. 

*** Nach der ersten Aufführung der „Afrikanerin" in Wien 
fragte ein Herr den andern: „Was hat Ihnen denn besser gefallen, 
das Schiff oder der Baum? 

*** Die Singacademie des Hrn. Ludwig Deppe in Hamburg; 
wird am 5. April Händel's „Judas Makkabäus" unter Mitwirkung; 
von Frl. Tietjens zur Aufführung bringen. 

*** Die Tochter des Componisten Carl Löwe schreibt eine 
Biographie ihres Vaters und bittet die Verleger seiner zahlreichen 
Compositionen, ein Exemplar davon an Herrn Carl Hauer jun*. 
in Berlin gelangen zu lassen, da dieser die Abfassung des kritischen 
Theils übernommen hat. 

*** Der Musikverein in Lübeck wird im Juni d. J. ein grosses 
Musikfest, ähnlich dem vom Jahre 1839, veranstalten. Bereits ist 
zu diesem Zwecke ein Comite erwählt, an dessen Spitze Dr. Kul en- 
kamp und Dr. K 1 ü g m a n n stehen. 

*** Ed. Hanslick und Otto Jahn haben in Frankfurt a. M.. 
in der Museumsgesellschaft Vorlesungen über musikalische Stoffe 
gehalten. 

*#* Der Kaiser von Oesterreich hat dem in London lebenden 
Professor der k. grossbritannischen Academie der Musik , Ernst 
Pauer den Titel eines k. k. Kammervirtuosen verliehen. 

*** Dresden, 12. März. Der Tanz, welcher nächstens zwischen 
Oestreich undPreussen losgehen soll, wird nicht von Wallen- 
stein , wie einige Blätter irrthümlich behaupteten , sondern von 
A. Waller stein componirt. Letzterer sammelte bereits dazu in 
Wien Noten und befindet sich jetzt zu gleichem Zwecke in Berlin» 

(Glasbrenner's Montags-Ztg.) 

*** Am 22. März sarb in Wien der in den weitesten Kreisen 
bekannte Gesanglehrer Giovanni Gentiluomo, geboren 
ebendaselbst am 9. Juni 1809. 

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Ein bekannter Concertmeister wünscht in Folge vorgerückten 
Alters die nachstehend verzeichneten dreiConcert-Violinen zu 
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2) eine Cremona (Quamerio 1712), 

3) eine Stainer (1617), 

alle drei von vorzüglichstem Tone, womit sich namentlich die erst- 
genannte durch ihren grossartigen Bau sowohl, wie durch die Kraft 
und Schönheit des Tones auszeichnet. 
Gefälligen Augeboten sieht entgegen 

Fedor Pohl, 
Buchhändler in Amberg. 

Verantw* Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz» 



15. Jahrgang. 



JV*M&. 



9. April 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Bachhand- 
lungen. 



-4 



Vertag 



V 



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B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott* London bei Schott & Co. 



PBEIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 



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INHALT: Aleida von Holland. — Cörrespondenzen : Mainz. Darmstadt. München. — Nachrichten. 



JJetda von Holland* 

Romantische Oper in 3 Acten von Ernst Pasque, 
Musik von W. F. Thooffc. 



'* ( S c h 1 u s s. ) 

Die Aufführung war eine sehr lobenswerthe, und die tüchtigen 
Kräfte der Rotterdamer Oper erschienen in der „Aleida von Holland" 
im schönsten Licht. Vor Allen verdient hier ehrenvolle Erwähnung 
der Capellmeister Louis Saar, der bei der ausserordentlichen 
Mühe, welche die Aufführung einer ganz neuen Oper nothwendig 
mit sich bringt, dem Componisten mit unermüdetem Fleisse zur Seite 
gestanden und sowohl die Proben als die Aufführungen mit grossem 
Geschick geleitet hat. Ebenfalls Anerkennung verdient der Musik- 
direetor Starke für das treffliche Einstudiren der Chöre. Wie schon 
erwähnt, hat der Chor eine höchst bedeutende Aufgabe, und es ge- 
hören tüchtige Chorkräfte dazu, um dieselbe zur Geltung zu bringen. 
Dieser Theil der Aufführung hat aber Nichts zu wünschen übrig 
gelassen. 

Die Besetzung der Hauptpartien war im Allgemeinen eine glück- 
liche. Die Parthie der Aleida gehört dem dramatischen Fache anj 
da aber am Anfang der Saison die engagirte dramatische Sopranistin 
ganz durchfiel, daher die Direction die ganze Saison mit Gästen sich 
zu behelfen gezwungen, und an ein Einstudiren einer ganz neuen 
Oper mit einer gastirenden Sängerin gar nicht zu denken war, so 
hatte unsere vortreffliche Coloratursängerin Frl. Josephine Wey- 
ringer nach Verständigung mit dem Componisten die Partie über- 
nommen. Es war gewissermassen ein Wagestück, aber Frl. Wey- 
ringer hat sich vortrefflich aus der Affaire gezogen und alle Erwar- 
tungen übertroffen. Nur an einzelnen Stellen vermisste man die 
klangvolle Stimme im dramatischen Sopran, sonst brachte sie überall 
die Partie zur vollen Geltung. Diese Leistung liefert einen merk- 
würdigen Beweis davon, wie sehr eine tüchtige Schule und eine 
feine Ausbildung der Stimme den natürlichen Mitteln zu Hülfe 
kommen kann. Jedoch auch dem Componisten kommt ein Theil 
der Ehre zu, denn diese Partie ist sehr dankbar und melodiös und 
dabei in einfachem, edlem Style und mit feinem Verständniss der 
Gesangsmittel geschrieben. In Bezug auf die Darstellung leistete 
Frl. Weyringer Lobenswerthes, namentlich im 2. Acte. 

Die kleine aber sehr interessante Partie der Frya ist vom 
Componisten für eine Mezzo-Hopranstimme geschrieben. Vermittelst 
einiger kleinen Umänderungen wurde die Partie der eben nicht stark 
aber schön klingenden und fein ausgebildeten Alt -Stimme des Frl. 
Hermine Otto angepasst. Möchte auch allerdings eine stärkere 
Mezzo-Sopraostimme die Partie wirkungsvoller zur Geltung bringen, 
kaum würde man dagegen in Bezug auf die Darstellung eine präch- 
tigere Wahrsagerin finden als Frl. Otto. 

Hr. Hardtmuth (Dietrich von Brederode) gehört zu den Bass- 
Barytons, welche einen so bestimmten Bass - Character angenommen 
haben, dass die höhere Stimmlage nicht mehr so sehr anspricht, wie 
«s von einem ßaryton verlangt wird. Vermittelst Transposition ver- 



mochte aber Hr. Hardtmuth die schöne Romanze im 3. Act zur vollen 
Geltung zu bringen, was vom Publikum bei jeder Vorstellung durch 
glänzenden Beifall und Da Capo-Ruf anerkannt wurde. Auch im 
folgenden Duett und Terzett war der Gesang und vornehmlich die 
Darstellung des Hrn. Hardtmuth sehr lobenswerth. 

Hr. Ellinger (Bodo von Feilingen) war in dem lyrischen 
Theil seiner Partie im ersten Act nicht sehr glücklich, nahm aber 
eine glänzende Revange im 2. und 3. Act. Die grosse Erzählung 
im 2. Act wurde von ihm vortrefflich gesungen. 

Hr. Dulle Aste (Abt von Egmond) ward leider kurz vor der 
ersten Aufführung von einer Heiserkeit überfallen , welche ihm bei 
der ersten Vorstellung sehr hinderlich war, sang aber trotzdem seine 
Partie theilweise recht schön. — Die Leistung des Chors haben 
wir bereits erwähnt. Das Orchester war bei der ersten Aufführung 
in einer nervösen Stimmung, wirkte aber bei der zweiten Vorstel- 
lung vortrefflich. 

Hr. Director de Vries und Hr. Regisseur Ellmenreich 
haben sich wegen brillanter Inscenirung und Ausstattung schon sehr 
verdient gemacht. Ohne eine sogenannte kostspielige Decorations* 
Oper zu sein , gibt die „Aleida von Holland" dem Regisseur und 
Decorateur hinreichende Gelegenheit, Beweise ihres Talentes zu 
geben. Der Ort der Handlung in der reizenden Umgebung der Stadt 
Harlem (Haupt-Decoration im 1. und 3. Act), der prächtige Aufzug 
der Kreuzritter im Finale des 1. Actes , die Scene in der Schloss- 
capelle , und vornehmlich die brillante Scene der Erscheinungen 
(Tableaux vivants), dabei die glänzenden Ritter-Costüme sind für 
den Zuschauer sehr anziehend. 

Nach all* dem Gesagten bezweifeln wir nicht, dass die Oper 
des Holländischen Componisten bald ihren Weg nach Deutschland 
finden , und bei dem offenbaren Mangel an Novitäten für alle Hof- 
bühnen und grosse Stadttheater, welche über hinreichende Kräfte 
zu verfügen haben, eine willkommene Erscheinung sein wird. Denn 
trotz der kleinen Mängel, welche daran auch auszusetzen sein mögen, 
besitzen das Pasque'sche Buch und die Thooft'sche Musik eine Ori- 
ginalität und angenehme Frische , welche nicht verfehlen werden, 
überall eine wohlthuende Wirkung hervorzubringen. 



CÖRRESPONDENZEN. 



Aus Mainz, 

5. April. 

Frau Jauner-Krall vom k. Hoftheater in Dresden hat, wie 
wir bereits in der letzten Nummer dieses Blattes angedeutet, ihr 
Gastspiel am hiesigen Stadttheater als Margarethe in Gounod's 
„Faust" begonnen und durch ihre ausserordentlich schöne Leistung 
in Gesang und Spiel einen vollständigen und glänzenden Erfolg er- 
rungen. In der That lässt sich aber auch nichts Vollendeteres 
denken als die so fein gefühlte, echt weibliche und poesievolle Auf- 
fassung und in jeder Beziehung virtuose Durchführung der genannten 



- 58 



Bolle durch Frau Jänner- Krall , deren Intentionen überdies durch 
eine sehr einnehmende Persönlichkeit, durch eine metallreiche, sym- 
pathische Stimme und einen seltenen Orad technischer Ausbildung 
unterstütst werden. Beben ihr erstes Auftreten und Begegnen mit 
Faust war tob überraschend schöner Wirkung und rief stürmischen 
Beifall hervor, der Ihr auch nach |eder ihrer Sceuen wiederholt und 
in gesteigertem Maesse au Theil wurde, nebst vielfachen Hervorrufe» 
und retchen Blumenspenden. 

Hr. Franosch vom Theater in Prag sang den Mephistopheles 
ebenfalls als Gast. Er besitzt eine ziemlich starke Bassstimme, doch 
Ist der Timbre derselben keineswegs edel zu nennen , und auch in 
Gesangs- und Spielweise vermissten wir den Typus feinerer künst- 
lerischer Bildung. Zudem wird das Ohr durch ein gewisses Herab- 
sinken, oder vielmehr mühsames Hinaufziehen des Tons in die rich- 
tige Stimmung beständig in dem Gefühle erhalten, als sollte der 
Sänger jeden Augenblick zu tief singen, was denn häufig auch wirk- 
lich der Fall war. Wir haben dieselbe Bemerkung aueh bei der 
zweiten Gastrolle des Hrn. Franosch , als Pietro in der „Stummen 
von Portici," wenn auch nicht in demselben Grade gemacht, und 
fühlen uns um so mehr verpflichtet dieser Bemerkung Ausdruck zu 
geben, als Hr. Franosch auf Engagement für den nächsten Whtter 
singt, und der erwähnte Fehler zu denen gehört, die auf die Dauer 
geradezu unerträglich für die Zuhörer werden. — Hr. B o h 1 i g als 
Faust leistete besonders in gesanglicher Beziehung wieder recht 
Erfreuliches und befestigt sich immer mehr in der Gunst des Pub* 
likums. Wir hören mit Vergnügen, dass dieser strebsame junge 
Künstler auch für künftige Saison wieder eqgagirt ist. — Chöre 
und Orchester waren sehr gut und darf die ganze Aufführung als 
eine gelungene bezeichnet werden. 

Die zweite Gastrolle der Frau Janner war die Marie in der 
„TJegiraentstochter ," und man kann sich nichts reizenderes denken 
als die unübertreffliche Weise, in der sie auch diese Partie in Ge- 
sang und Spiel durchführte und eine in Deutschland sehr selten 
gewordene Begabung für die eigentliche Spieloper documentirte. 
Wir constatiren in Berücksichtigung des beschränkten Baumes für 
unseren Bericht, dass auch diese Leistung des verehrten Gastes von 
Seiten des zahlreichen Publikums wieder die lebhaftesten Beweise 
freudiger Anerkennung hervorrief, obgleich die Gesammtauffübrung 
unter der Leitung des Chordirectors an Sicherheit )und Abrundung 
gar viel zu wünschen übrig Hess. Hr. Bohlig war leider nicht dis- 
ponirt und konnte nicht frei über seine schönen Mittel verfügen. 

In der „Stummen von Portici" debütirte Hr. G ö 1 1 e von 
Zürich als Masaniello und machte, im Besitze einer wohlklingenden, 
frischen Tenorstimme und auerkennenswerthen Routine in Gesang 
und Spiel sowie einer stattlichen, einnehmenden Persönlichkeit im 
Ganzen einen recht günstigen Eindruck. Da er auf Engagement 
singt, wollen wir ein entscheidendes Urtheil aufschieben, bis wir 
mehr von ihm gehört haben. Der Leistung des Hrn. Franosch als 
Pietro ist bereits Erwähnung geschehen. Die Aufführung im Ganzen 
genommen war eine recht gute, nur können wir uns mit der häu- 
figen Uebereilung der Tempi nicht einverstanden erklären, wie z. B. 
in der Barcarole im Finale des 2. Actes, welche, eine der charac- 
teristfschsten Nummern der Oper, in dem bei dieser Aufführung be- 
liebten Tempo von dem athemlosen Chor gänzlich reizlos und ver- 
wischt abgeleiert wurde. E. F. 



Aus Darmstadt. 



Die schon mehrmals in Braunschweig mit Beifall gegebene zwei- 
aetige Oper: „Donna Maria, Infantin von Spanien von dem Grafen 
Beiset (franz. Gesandter in Hannover) und G. Banger (Mitglied 
der grossh. Hofmusik) wurde am 12. Mars aueh hier zum Ersten- 
mal zur Aufführung gebracht und fand bei dem zahlreich versam- 
melten Publikum eine sehr günstige Aufnahme. Schon vor mehreren 
Jahren wurde hier von denselben Verfassern eine Operette: „Die 
Müllerin von Marly" mit Beifall aufgeführt. War hier mehr das 
heitere Element vertreten, und erfreute man sich an den natürlich 
und frisch erfundenen Melodien und deren geschickter Behandlung, 
so war bei dem mehr romantischen Character der neuen Oper Ge- 
legenheit gegeben, sowohl nach Seiten der Erfindung als der Bear- 
beitung des Stoffes höhere Gesichtspunkte in's Auge zu fassen, und 



kann man nicht anders sagen, als dass die Verfasser ihre Aufgabe 
mit Talent und Geschick gelöst haben. 

Was bei dieser Oper besonders wohlthuend wirkt, ist die An- 
«fH-uchaUeigkeit, mit der eie «mftritft. Nirgends ist das Bestreben 
bemerkbar, durch gesuchte Originalität impouiren zu wollen oder 
durch Anwendung anspruchsvoller äusserer Mittel das Publikum mit 
Gewalt wim Beifall aufzufordern. Wir bemerken im Gegenthefl in 
der äusseren Behandlung eine gewisse Zurückhaltung, die der Wir- 
kung nicht allein keinen Abbruch thut, sondern dem einfachen dra- 
matischen Stoffe gegenüber ganz am Platze ist. 

Wie in der „Müllerin von Marly, B so begegnen wir auch in der 
„Donna Maria" einer Reihe schöner, ausdrucksvoller Melodien, wel- 
che mit unverkennbarem Wohlgefallen von Seiten des Publikums 
aufgenommen wurde. Hr. Graf Beiset besitzt jedenfalls ein sehr 
beachtungtwerthes musikalisches Talent, das sich in sehr liebens- 
würdiger Weise in den beiden bis jetzt von ihm bekannt gewor- 
denen -Opern ausspricht. Er kann sieh dabei gratuliren , in Hrn. 
Banger einen Mann gefunden zu haben, der es versteht, auf seine 
Intentionen einzugeben und seinen Ideen eine äussere Gestaltung zu 
geben , welche ebenso sehr für seinen Geschmack wie für seine 
musikalische Begabung zeugt. 

Ohne auf eine spezielle Besprechung der ganzen Oper einzu- 
gehen, wollen wir nur die Nummern bezeichnen, welche vom Pub- 
likum besonders durch Beifall ausgezeichnet wurden. Wir nennen 
hier zuerst die ausdrucksvolle, von Hrn. Nach ba ur gesungene 
Tenor-Arie des 1. Actes , in welcher unser trefflicher Tenor nicht 
allein Gelegenheit fand, den ganzen Schmelz seiner schönen Stimme 
zu entfalten, sondern es auch verstand, das wohl zu den wirkungs- 
vollsten Nummern der Oper gehörende Musikstück zur vollen Gel- 
tung zu bringen. Ferner erwähnen wir die sich durch Frische und 
Lebendigkeit auszeichnende Arie des Hrn. Greger und die ge- 
fällige, figurenreiche Arie der Frau J a i d e (?). Beide Gesangskräfte 
lösten ihre Aufgabe mit nicht zu verkennender Vorliebe und erndteten 
wohlverdienten Beifall. Unsere beliebte Sängerin Frau Pescbka- 
Leutner hatte die Titelrolle übernommen, und wenn ihr auch im 
ersten Acte weniger Gelegenheit gegeben war, die Aufmerksamkeit 
auf sich zu ziehen, so erwarb sie sich dagegen im zweiten Act in 
ihrer Arie und Romanze und in dem Duett mit Hrn. Nachbaur all- 
gemeinen Beifall. Auch die hier bezeichneten Musikstücke zeichnen 
sich durch melodischen Fluss aus und erwiesen sich als dankbare 
Aufgaben für die Säuger. Unter den Duetten und grösseren Ensemble- 
stücken erwähnen wir noch das schöne und lebendige Duett mit 
Chor (Frl. L a m a r a und Hr. Greger), ferner das wirkungsvolle 
Quintett im zweiten Act. In den Chören herrscht meistens ein 
heiterer frischbewegter Ton und nur der schöne, den Marsch unter- 
brechende Chorsatz ist ernster und breiter angelegt. — Wenn auch 
die Oper noch manches Musikstück enthält, was verdient erwähnt 
zu werden, so möge doch das hier Gesagte genügen, um die Auf- 
merksamkeit auf diese anziehende Novität zu lenken. 

Die Aufführung am hiesigen Platze war eine in allen Theilen 
sehr gelungene, und Hessen Ausstattung und Inscenesetzung nichts 
zu wünschen übrig. Das in die Oper eingefiochtene Ballet dürfte 
vielleicht etwas kürzer gehalten sein, und würde dann gewiss, bei 
den dem hiesigen Theater zu Gebote stehenden bedeutenden Kräften 
noch Wirkungsroller sein. 

Den beiden Verfassern wünschen wir aber, dass es ihnen ge- 
lingen möge, ihr Werk noch an anderen Bühnen zur Darstellung 
zu bringen, da es durchaus keine grossartigen Mittel in Anspruch 
nimmt und auch kleineren Bühnen eine willkommene Gabe sein 
dürfte. 

Aus Muuclien. 

Oftmonattf 18M. 

Dr. Hans von Bülow veranstaltete zu einem wohlthätigen 
Zwecke drei Clavierconcerte. Er ganz allein führte die Aufgabe 
durch, sein Auditorium zu beschäftigen, und dieses folgte mit uner- 
müdlichem Eifer, mit steigender Bewunderung seiner staunenerre- 
genden Kunst. Alle Forderungen , welche die vorgeschrittenste 
moderne Technik an einen Pianisten ersten Ranges stellt, erfüllt 
BÜlow mit spielender Leichtigkeit, mit einuehmender Eleganz, und 
der Zuhörer, der keinerlei Anstrengung merkt, geniesst mit unge- 



- 69 - 



stortem Vergnügen die musikalischen Fantasiegebilde dar Tondichter, 
€xe ihm in virtuoser, meist tadelloser Weise vorgeführt werden» 
Ein colossales Gedächtniss, wie man es kaum für menschenmöglich 
Mit, gestattet unserem Künstler, alle Nummern seiner Coneerl» aus- 
wendig au .spielen, und das thut er mit einer Sauberkeit und Ge- 
wissenhaftigkeit, dass in dem Vortrag keine Note fehlt oder zu viel 
ist. Dabei versteht er et* , ganz aus sieh selbst heraus zu gehen 
und sein virtuoses Spiel nur für die möglichst fertige Interpretation 
der Tondichtung in Anwendung zu bringen ; er characterisirt mit 
einer Strenge und Bestimmtheit, die ihm als reproducirenden Künst- 
ler die höchste Ehre macht. In allen den Nummern, die er spielte, 
aeigte er ebenso viel Geschmack als Verständniss , der tief- ernste 
Geist Beethoven's, wie Liszt's virtuose Ausdrucksweise, Sohumanu's 
ruhelose Poesie, wie Chopio's süsse Mondschein -Schwärmerei kam 
in gleich trefflicher Darstellung zu Gehör. Ein zahlreiches Publi- 
kum hatte sich stets zu seinen Concerten eingefunden und selten 
können sich Concerte im Museumssaale eines so vielköpfigen und 
so aaimirten Auditoriums rühmen ; es hat sich da aber auch schwer- 
lich ein besserer Ciavierspieler je hören lassen. 

Ein anderes Virtuosen-Concert war jenes, das der Cellist B ennat 
veranstaltet hatte. Wie es bei jungen Leuten öfter vorkommt, 
»einte auch dieser talentirte Kunstjünger, wenn er einige Wochen 
in der Fremde war (Bennat war bei Servais in Brüssel), so hätte 
ihn das weiter gebracht, als wenn er zu Hause, wo er eine trefflich* 
Schule erhalten hatte, andauernde Studien unter bewährter Führung 
eines einheimischen Lehrers gemacht hätte. Als er zurückkehrte, 
hatte er nichts Eiligeres zu thun als in einem Concerte dem Pub- 
likum zu zeigen, was er für ein Seiltänzer auf seinem Instrument 
geworden. Mich widerte diese französische Virtuosenmanier, dieses 
ewige Quetschen und Kokettiren mit Gefühlen an, Alles war unecht, 
unnatürlich. Schon das unkünstlerische Programm, das nur Gaukel- 
ttücke vorführte und dem eine einzige bessere Nummer eine gewisse 
Schminke geben sollte, bewies, wie es dem Concertgeber nur darum 
zu thun war, seine Kunststückchen zu zeigen. Während uns seine 
Cantilene nicht im Mindesten befriedigte , entwickelte er in den 
Passagen allerdings eine Fertigkeit, die Staunen erregte ; hier Stack 
«eine Virtuosität, die er in der Fremde gelernt hat. 

Ein Trio von Bheinberger für Ciavier, Violine und Violon- 
oell inD-moll, gespielt von Bheinberger, Benno Walter und 
dem Concertgeber, stand als erste Nummer auf dem Programm. Die 
Ciavierpartie setet eine virtuose Technik voraus , und man sah es 
dieser Stimme sehen von Weitem an, dass sich der Compouist, der 
nebenbei ein vortrefflicher Ciavierspieler ist, beim Componiren so 
ganz hat gehen lassen, und nur auf die Grenzen seines eigenen 
virtuosen Spieles Bücksicht nahm. Die vier Sätze der Composition 
(Allegro, Adagio, Scherzo und Finale [all ongaresej) zeichnen 
sieh durch deu Adel und die Klarheit der Form, die reizende Fülle 
des Inhaltes aus, und die vielen Feinheiten im polyphonen Satze 
bewiesen uns auf's Neue den geschmackvollen Tondichter, den be- 
währten Contrapunktisten. Mir gefiel vorzüglich das Adagio, wel- 
ches ebenso tief empfundene als schön gesetzte Melodien in über- 
raschenden Wendungen und anmuthigen Verarbeitungen brachte» 
Unerwartet wird es durch ein Intermezzo von kräftigerem Colorit 
und bewegterem Tempo unterbrochen , in welchem der ungarische 
Tanz, der den Inhalt des vierten Satzes bildet, angedeutet; auf diese 
Weise wird der zweite Satz ungemein farbig und lebendig. — Im 
Scherzo hören wir ein Pastorale von reizender Klangwirkung. 
Wir empfehlen dieses Trio allen guten Concertprogrammen auf's 
Nachdrücklichste als eine ebenso schöne als effectvolle Nummer 
und fugen, wenn auch mit Widerstreben, den Rath bei, das Scherzo 
wegzulassen, wenn dem gatteen Trio nicht genug Zeit eingeräumt 
werden kann. 

Eine hübsche Nummer führte unser trefflicher HomUt^ßt raus a 
vor — eine von ihm selbst componirte Boroanae für Hörn. Strauss 
bat keine absonderliche Höhe mehr, aber die anderen Töne sind von 
seltener Fülle und Weichheit und diese verwerthete er auch auf's 
Glücklichste in der mit vielem Geschick vorgetragenen Compositum. 

— In dem Concert militeäre für Violine von Baasini zeigte Hr. 
Benno Walter, ein Bruder unseres ersten Violinisten, eine energische 
Bogenführung, ziemlich grossen Ton und weit vorgerückte Fettigkeit. 

— Als Sängerin trat Frau D. Stör auf — eine Stimme, welche noch 
deutliche Spuren einer guten Schule an sich trägt. (Schluss folgt.) 



WaelificHteii. 



W* Musikschule W Frankfurt «. M. Es liegt uns der jüngste 
Jahresbericht dieser Anstalt vor, dem wir entnehmen, dass der Senat 
«ad die gesetzgebende Versammlung derselben in Anerkennung ihrer 
bisherigen erfolgreichen Wirksamkeit eine Subvention auf drei Jahre 
bewilligt bat, welche es den Vorstehern derselben ermöglicht, für 
ein Schullokal zu sorgen. — Der Bericht widmet dem am 17. Sept. 
v. J. verstorbenen Mitgründer der Anstalt, Hermann Hil liger, 
einen warmen, ehrenden Nachruf und meldet, dass an dessen Stelle 
Hr. Wilhelm Lutz in die Zahl der Lehrer und in den Vorstand 1 
eingetreten ist. Ausgetreten aus dem Lehrpersonal ist Frau K o- 
newka, welche Frankfurt verlassen hat. Ebenso sind Ostern 1805 
und am Ende des Schuljahres 9 Sehüler und Schülerinnen ausge- 
treten. Am Schlüsse des 2. Semesters traten 6 Zöglinge aus der 
Anstalt, welche in derselben Zeitperiode von 41 Zöglingen besucht 
war. Die Prüfuagsooncerte haben am 27. März Vormittags und 
Nachmittags stattgefunden und nach den Berichten der Frankfurter 
Blätter ein sehr erfreuliches Besultat geliefert. 

Carlsruhe. Am 27. Februar fand in der grossh. Schlosskirche 
das zweite Abonnementconcert der grossh. Hofkirchenmusik statt) 
in welchem ausser einer Passionsmotette von Kücken, dem 23. Psalm 
für Frauenchor mit Orgel von Schubert und dem 43. Psalm für 
achtstimmigen Chor von Mendelssohn verschiedene Compositionen 
älterer Meister aus dem 17. und 18. Jahrhundert für ein- und mehr- 
stimmigen Gesang, sowie Präludium und Fuge von Seb. Bach für 
die Orgel und Fantasie für die Orgel zu 4 Händen von Mozart, 
vorgetr. von den HH. Hoforganist B a r n e r und Director G i e h n e 
in gewohnter vorzüglicher Weise zur Aufführung kamen. 

Der „Cäcilien -Verein" gab am 7. März sein drittes Concert. 
Man brachte zu Gehör: 1) Litanei vom allerheiligsten Altarsacra- 
ment für Soli, Chor und Orchester von Mozart, die Sopransoli ge* 
sangen von Frl. Fuhr. 2) Sopran- Arie aus „Elias" von Mendels- 
sohn, ges. von der Hofopernsängerin Frau Braunbofer. 3) Alt- 
Arie aus „Messias" von Händel, gesungen von Frl. M. B ü r k 1 i n. 
4) „Comala", dramatisches Gedicht nachOssian, für Soli, Chor und 
Orchester componirt von Niels W. Gade. Die Solopartien sangen 
Frau Braunhofer und mehrere Vereinsmitglieder. 

In einem am 19. März stattgefundenen Concerte des „Lieder- 
kranzes" hörten wir: Motette für Chor von Moritz Hauptmann ; 
„Das Mühlrad," Lied von Konr. Kreutzer für Baryton mit Hornbe - 
gleitung ; 4händiges ConcertstÜck für Ciavier von Weber ; vier 
Männerchöre von Schubert, Mendelssohn, Dürrner und Gade; „Zi- 
geunerleben" für Chor und Solostimmen von Bob. Schumann (mit 
Ciavierbegleitung von Herbeck); Geisterchor aus „Rosamunde" von 
Fr. Schubert für Männerchor mit Begleitung von Hörnern und Po- 
saunen ; Lied mit Hornbegleitung aus dem „Erbvertrag" von L. 
Spohr; Ciavierquintett von Mozart, und „Abschiedstafel" für Chor 
von Mendelssohn. 

Leipzig. Das 20. und letzte Gewandhausconcert am 22. Marx 
brachte : Sinfonie in B-dur von Haydn ; Loreley-Finale von Mendels* 
söhn und die 9. Sinfonie von Beethoven. 

Mtt&cben. Am Ostersonntag findet auf Befehl des Königs und für 
denselben im Besidenztheater ein Concert unter Hans von B ü 1 o w's 
Leitung statt, in welchem einige Liszt'sche Compositionen („Faust- 
Sinfonie," (.Mephisto-Walzer" und „Tasso") zur Aufführung kommen 
werden. Eine Wiederholung dieses Concertes für das Publikum 
wird im Hoftheater stattfinden. 

FuYis. Die ersten 100 Vorstellungen der „Afrikaneriu" haben 
eine Einnahme von 1,060,000 Frs. ergeben. Davon fielen als Tan- 
tieme für den Dichter und Compositeur 25,000 Frs. und auf die 
Armensteuer die enorme Summe von 96,364 Frs. 

— Mlle. Ther£sa, die berüchtigte Cancan-Sängerin, steigert 
ihre Ansprüche bis zur Höhe der ersten Knnstgrössen. Es wurde 
ihr für ein Gastspiel in Marseille von dem Director des Alcazar 
folgender Antraf gemacht: „20,000 Frs. für einen Monat, und falls 
sie nur 15 Mal singen sollte , 1000 Frs. per Abend ; glänzende 
Appartements im ersten Hotel von Marseille zu ihrer Verfügung, 
ebenso während ihres Aufenthaltes daselbst eine zweispännige Equi- 
page mit Livree; am Abend ihrer Ankunft Beleuchtung des Hotels, 
Fackelserenade von dem dortigen Orchester, offizieller Empfang an 



— .60 — 



der Eisenbahn und im Hotel durch die Directum des Älcazar\ Ein- 
sug in die Stadt in einer vierspännigen Equipage a la Daumont. 
Die Ankauft der Mlle. Theresa wird durch besondere Anschläge 
bekannt gemacht; am Tage nach ihrer Ankunft grosses Galadiner 
im Hotel. Während ihrer Vorstellungen werden die Bäume des 
Alcaxar glänzend beleuchtet sein; 200 Fauteuils sind für die Elite 
der Gesellschaft reservirt. Kurz, nichts wird versäumt werden, um 
den Aufenthalt der Mlle. Theresa in unserer Phoköer- Stadt mit all 
dem Glanz und der Rücksicht zu umgeben , die der Ruf einer s o 
berühmtenKünstlerin verlangt." So schreibt ihr derDirector 
des Alcazar durch einen Agenten, und — Mlle. Theresa nimmt 
sieht an. Was will Bie denn noch mehr ? Eine Eanonensalve 
su ihrem Empfang, die Nationalgarde in Spalier aufgestellt und die 
Schlüssel der Stadt auf einem silbernen Präsentirteller ? Sie darf 
es nur sagen ! 

— Das Oonservatorium hat abermals einen Verlust erlitten durch 
den Tod der ausgezeichneten Lehrerin Mme. C o c h e. 

*** Frau Wilt vom Theater in Graz bat am Berliner Opern- 
theater als Donna Anna im „Don Juan" mit sehr günstigem Erfolge 
ihr Gastspiel auf Engagement an die Stelle des Frl. Sant er begonnen. 

*** Der „Sängerverein" in Königsberg hat Max Bruch'» 
„Scenen aus der Fritbjofsage" unter Direction des Hrn. H a m m e 
zweimal mit grossem Beifall aufgeführt. In Bremen kam dieses 
interessante Werk dreimal zur Aufführung. 

*** Der Violoncellist, Concertraeister Julius Goltermann 
in Stuttgart 'hat vom Herzog von Meiningen die goldene Verdienst- 
medaille erhalten. 

*#* Die Gebrüder Müller haben ihre Concerte in Paris be- 
endigt und werden jetzt in Basel concertiren. 

%* Frl. Bettelheim vom Hofoperntheater in Wien i&t bei 
der italienischen Oper in Her Majestys Theater in London enga- 
girt und wird nächstens dahin abreisen. 

*** In Wien hat L. A. Z e 1 1 n e r unlängst sein erstes histo- 
risches Concert in dieser Saison veranstaltet. Es kamen in dem- 
selben ausschliesslich nur Compositionen aus der Bach'schen Familie 
zur Aufführung. — Das Programm des zweiten und letzten dieser 
Concerte , welches am Ostermontag stattfand , enthielt Vocal - und 
Instrumentalsachen vom 15. Jahrhundert bis auf die neueste Zeit. 

*** Frau Clara Schumann concertirt in Pesth mit ebenso 
glänzendem Erfolg wie vorher in Wien. 

*** In Linz kam Waguer's „Lohengrin" unter dem lebhaftesten 
Beifall des Publikums zur Aufführung. Besonders wurden Frl. 
König und Frl. W i e r e r ausgezeichnet. 

*** Die Bach'sche „Matthäuspassion" kam am Palmsonntag im 
letzten Abonnementconcerte im Gürzenich zu C ö 1 n, am Gharfreitag 
in Frankfurt a. M. und in Leipzig zur Aufführung. 

*#* Bei einer jüngst stattgefuudenen Aufführung des „Robert" 
in der Pariser grossen Oper ereignete es sich, dass Frl. Mauduit, 
welche die Alice sang , in der Scene , wo diese und Bertram um 
Robert streiten , die Schrift , welche sie dem Letzteren von seiner 
Mutter zu überreichen hatte , nicht bei sich trug , und in dieser 
Verlegenheit den Robert immer näher zum Souffleur hinzog, dem 
sie dann zuflüsterte: „Die Schrift, ich habe die Schrift nicht!" Der 
Ruf ging von Mund zu Mund durch die unterirdischen Räume bis 
nach oben , und ebenso die verhängnissvolle Schrift wieder von 
Hand zu Hand zurück zum Souffleur, der sie dann der Sängerin 
aus seinem Kasten überreichte. Welche Ueberraschung aber für 
Frl. Mauduit, als sie dieselbe entfaltete und in demselben das Do- 
kument ihres Wiederengagements erblickte, welches der Secretär 
der Oper kurz vorher vom Director erhalten hatte uud nun der 
Sängerin bei dieser Gelegenheit zukommen Hess. 

V H. v. Bülow gab am 18. März im Hotel Disch zu Cöln 
eine Soiree, in welcher er die grosse Suite in D-moll in vier Sätzen 
(Op. 91) von Joachim Raff, Präludium und Fuge für Orgel von 
Seb. Bach, für Glavier übertragen von Liszt, die zwei neuen kirch- 
lichen Legenden für Ciavier („Die Vogelpredigt des hl. Franciscus 
von Assisi" und „Der hl. Franz von Paola auf den Wogen schreitend") 
von Liszt und endlich die 33 Variationen von Beethoven, Op. 120, 
über einen Walzer von Diabelli vortrug, und sowohl durch sein 
fabelhaftes Gedächtniss (er spielt nur auswendig) wie durch seine 
unvergleichliche Technik Alles in Erstauen setzte. 

*** In Düsseldorf wurde am 20. März das Vorspiel zur grossen 



Oper „Theodor Körner" von dem dortigen Capellmeister Weiss- 
heim e r zur Aufführung gebracht und fand beifällige Aufnahme.' 
Weissheimer ist bekanntlich einer der entschiedensten Anhänger 
der Richtung R. Wagner's. 

*** Frl. T i e t j e n s gastirt unter enthusiastischem Beifall in Cöln. 

V* Der Componist Ferd. Paer war bekanntlich einige Zeit 
Director des Tke'dtre Feydeau in Paris, und Napoleon I. hatte eine 
besondere Vorliebe für seine Musik. Als Paer sich einstmals in 
Toulon aufhielt, wohin er sich begeben hatte um eine seiner Opern 
aufzuführen, brachte man ihm drei junge Leute mit wunderschönen 
Stimmen, so dass er ganz entzückt davon war. Es waren dies drei 
Galeerensträflinge, denen man für diesen Abend auszugehen erlaubt 
hatte. Besonders einer von ihnen brachte den Maestro in wahre 
Aufregung. „Wollen Sie mit mir nach Paris gehen , Sie werden 
dort Ihr Glück machen 1" sagte er zu ihm. „Ich möchte wohl gern, 
aber ich glaube nicht, dass man mir Erlaubniss dazu geben wird/' 
erwiderte traurig der junge Mann. — ,,0, durch meinen Einfluss 
werde ich die Erlaubniss dazu erhalten." — „Aber mein Herr» 
glauben Sie denn, dass die dortigen Künstler mich unter sich dulden 
würden, wenn sie wüssten , was ich auf der Schulter trage?" — 
„Was denn?" fragte Paer, der in seinem Eifer ganz vergessen hatte, 
dass er mit einem Galeerensträfling sprach. — „Sehen Sie hiert" 
sagte der Unglückliche , indem er seine Schulter entblösste , auf 
welcher die fatalen Buchstaben T. F. (Travaux forces) eingebrannt 
waren. — „T. F. !" rief Paer, immer seinen Gedanken verfolgend» 
„das ist ja herrlich ; T. F. , das bedeutet Tke'dtre Feydeau ; die 
anderen Sänger werden sich dasselbe Zeichen aufprägen lassen, 
das ist Alles !" 

*** Frl. T e 1 1 h e i m ist am Hofoperntheater in Wien neuerdings 
auf fünf Jahre engagirt worden. 

*** Frau Jenny Lind-Goldschmidt wird Ende Mai nach 
Hamburg kommen, und dort in einem geistlichen und einem welt- 
lichen Concerte mitzuwirken. 

* # * Bei dem diesjährigen Niederrheinischen Musikfest in 
Düsseldorf wird am ersten Tage Beethoven's Ouvertüre Op. 124 
und Händel's „Messias" zur Aufführung kommen. Das Programm 
der folgenden Tage ist noch nicht festgesetzt. Die Solopartien 
werden durch Frau Jenny Lind-Goldschmidt, Frl. Parepa, 
Frl. v. Edelsberg und die HH. Dr. Gunz und Stockhausen 
vertreten sein. Am dritten Tag wird auch Frau Clara Schumann 
sich hören lassen. Die Direction des ganzen Festes ist firn, Otto 
Goldschmidt Übertragen. 

*** Am Ostermontag hat in der grossen Oper in Paris die 
erste Aufführung des „Don Juan" stattgefunden ; der Erfolg entsprach 
aber nicht den gehegten Erwartungen. Die Handlung wurde von 
den französischen Bearbeitern des Libretto in fünf Acte vertheilt, 
und vor dem Schlüsse des 2. Actes (wahrscheinlich vor dem Finale 
des 1. Actes der Originalpartitur) hatte man das unvermeidliche 
Ballet angebracht und dazu Bruchstücke aus Sinfonien, Quartetten, 
den türkischen Marsch (als Polka) u. A. von Mozart benützt! 
Ueberhaupt scheinen den Berichten nach die dortigen Sänger die 
classische Einfachheit und Wahrheit der Mozart'schen Musik nicht 
nach ihrem Geschmack gefunden und den Mangel an Knall effecten 
durch outrirte Vortragsweise ausgeglichen zu haben; da mag der 
arme Mozart freilich mitunter schlimm weggekommen sein. Kurz, 
auch hier, wie in der italienischen Oper, war kein Heil für „Don 
Juan". Nun bleibt noch zu erwarten, was das Tke'dtre lyrique aus 
dieser Perle der deutschen Opernmusik machen wird. 

*** Der Violinvirtuose F e r d. L a u b ist zum Professor am 
Oonservatorium in Moskau ernannt worden und hat diese Stelle auch 
angenommen. 

*** Von den Seitens des Grafen H a r r a c h für czechische 
Opern ausgeschriebenen Prämien wurden 600 fl. dem Compositeur 
Smetana für dessen Oper: „Die Brandenburger in Böhmen" und 
100 fl. dem Libretto- Verfasser der Oper „Drahomie," Hrn. Frans 
S i x zugesprochen. 

*** Das Breslauer Theater ist Hrn. Rieger übertragen worden» 

*** In Elberfeld ist die Directorstelle der dortigen Lieder- 
tafel erledigt. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck t>. Carl Wall au, Mainz* ' 



15. Jahrgang. 



jv* to. 



16. April 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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INHALT: Beethoven'« Missa solemnis. — Correspondenzen : Mainz. München. Regensburg. Paris, — Nachrichten. 



Beethoven's Missa solemnis. 

Aufgeführt durch den Ried einsehen Verein in Leipzig 

am 2. März 1866. 



Ein wichtiges Ereigniss in unserem Kunstleben war die am 2. 
/ März in der Thomaskirche stattgehabte Aufführung der Missa 
solemnis von Beethoven durch den Ried ergeben Verein, sagen 
wir ein Ereigniss von geradezu epochemachender Bedeutung, wenn 
anders man einer jeden das Verständniss des grossen Tonschöpfers 
fördernden That eine solche beizumessen gewillt ist. Dass Beet- 
hoven noch lange nicht ganz in das künstlerische Bewusstsein der 
Gegenwart übergegangen und geistiges Gemeingut geworden ist, 
-wer möchte das leugnen ? Wird dies nicht durch jede erneute 
Vorführung seiner grösseren Werke bestätigt, in denen wir immer 
neue uns bisher verborgene Schönheiten und Züge entdecken? 
Ganz besonders gilt aber das Gesagte von seinen letzten Werken, 
von denen der weitaus grösste Theil der Musiker unserer Zeit immer 
noch wie vor einem ungelösten Räthsel steht — vor Werken , in 
denen nach unserer Ansicht Beethovens wahrhafte Künstlermission 
als solche, in ihrer epochemachenden, in die Zukunft hinüberrei- 
chenden Bedeutung erst zur eigentlichen Erfüllung gelangt. Vor- 
eilig genug hat man die eigenthümlich fremdartige Haltung der 
letzten Werke Beethovens als Folge einer mit der zunehmenden 
Gehörlosigkeit und unter dem Eindruck bitterer Erfahrungen sich 
einstellender geistigen Störung erklärt. Wir versichern, dass Beet- 
hoven auch ohne Einwirkung dieser äusseren Einflüsse die Rich- 
tung in seinem Schaffen eingeschlagen haben würde, deren Gepräge 
die fraglichen Werke an sich tragen, und gestehen nur das zu, dass 
jene Umstände diese neue Richtung beförderten. Die Abschliessung 
von der Aussenwelt, die Versenkung in das eigene Innere bewirkte 
mehr und mehr eine künstlerische Concentration , eine Zusammen- 
fassung seiner Individualität; sie Hess den Genius zum Selbstbe- 
wnsstsein kommen. Beethovens Aeusserung, dass die D-dur-Messe 
aein bestes Werk sei, beweist Übrigens am besten, dass er darin 
Beinen künstlerischen Beruf erfüllt fand. 

Das Charakteristische der letzten Beethoven'schen Werke ist 
einerseits eine grössere Verinnerlichnng , eine Steigerung des indi- 
viduellen Gefühlslebens, andererseits spricht sich das Streben ans, 
dasselbe in Einklang zu versetzen mit der objectiven Welt. Der 
ewte großartige Versuch einer solchen Versöhnung tritt uns, noch 
in Form eines bewussten, entschiedenen Kampfes der beiden Ele- 
mente, in der 9, Sinfonie entgegen. In dem ersten Satze derselben 
bietet sich uns das Schauspiel des heldenhaften Ringens einer mit 
der Welt zerfallenen Individualität, des Ringens nach verlornem 
Glück, sowie einer ichliesslichen heroischen Resignation. Weder 
das athemlose Jagen nach dem flüchtigen Genuas des Augenblicks 
(Scherzo), noch das Absterben für die äussere und die beschauliche 
Versenkung in die innere Welt , so verführerisch sie ist und dem 
resignirenden Gemüthe ansagt (Adagio), kann nicht zum Ziele füh- 



ren, und die ersehnte Befriedigung gewähren. Alleinige Rettung 
und Heil ist nur in dem entschiedenen Heraustreten aus der Ver- 
einzelung und in der Hingabe an die Gesammtheit zu finden (Hymne 
an die Freude) *). 

Noch bedeutungsvoller für jene Tendenz ist der Schritt, den 
Beethoven mit der Messe that. Hier tritt dem Tonsetzer ein Stoff 
entgegen, der einer Geltendmachung der Subjectivität am allerwe- 
nigsten günstig erscheint. Der Messtext mit seinen lediglich ein 
objectiveB Gesammtbewusstsein aussprechenden , oder sich an das- 
selbe wendenden Glaubenssätzen, weist von vornherein jedes Her- 
eintragen snbjectiver Bezüge und Gefühle als seinem innersten Wesen 
widersprechend zurück. Es fragt sich: Wie stellt sich ihm Beet- 
hoven's Tonschöpfung gegenüber ? Augenscheinlich repräsentirt sie 
den Standpunkt, auf dem die Versöhnung der Individualität mit 
der objectiven Welt vollzogen ist und beide Elemente sich durch- 
drungen haben. 

Um die ganze Vollkraft dieses Bewusstseins der schwer er- 
rungenen Innern 'Harmonie zu künstlerischem Ausdruck zu bringen, 
dazu bot sich ihm die Messe, dieses Weltdrama, in welchem die 
Leiden und der Jubel des einzelnen Subjects sowohl wie der ge- 
sammten Menschheit sich spiegeln, allerdings als der geeignetste 
Stoff. Unter dieser Voraussetzung kann nun freilich auch von einem 
specifisch katholisch-kirchlichen Character der Beet- 
hoven'scben Messe nicht mehr die Rede sein. 

Der Begriff der Kirche, der Confession hat sich erweitert 
in den der Me nsch h e i t — ohne dass indess damit der re- 
ligiöse Charakter in Wegfall zu kommen braucht, — der Inhalt 
des Textes konnte nunmehr nicht gefasst werden als Dogma der 
Kirche, sondern als weltgeschichtliche Thatsache von allgemein 
menschlicher Bedeutung , als Urbild alieb menschheitlichen 
Ringens Strebens und Fühlens. Wie sehr dies mit den religiösen 
Bestrebungen unserer Zeit im Einklänge steht, deren positiver idea- 
ler Gehalt offenbar der ist , das Christenthum mit Ausschluss alles 
müssigen verwirrenden Beiwerks, namentlich alles beschränkt und 
einseitig Confessionellen , auf seine allgemein menschliche Bedeu- 
tung zurückzuführen, dies bedarf wohl keiner weiteren Auseinan- 
dersetzung. Aus diesem Standpunkte erklären sich die Anfeindun- 
gen, welche Beethoven'» Messe Seitens der katholischen Orthodoxie 
erfahren hat und die hauptsächlich gegen deren „Pantheismus und 
„Weltlichkeit" gerichtet wurden. Aus dem von uns Gesagten dürfte 
hervorgehen, welche Auffassungsweise in letzter Instanz die höhere 
Berechtigung hat. Die Anforderungen , welche der Kafholicismus 
in der Gegenwart noch an die Kirchenmusik stellt, sind ein spre- 
chendes Abbild dogmatischer Starrheit einerseits und unnatürlichen 
Raffinements andrerseits. Jede individuelle Regung ist verpönt; 
statt dessen wird der Zuhörer in ein Meer verschwimmender Accorde 
versenkt, die wohl im geeigneten Augenblick Andacht und Zer- 
knirschung herbeizuführen vermögen; sobald indess der Mensch- 



*) Vergl. das erklärende Programm von Wagner. 



62 — 



wieder in das Leben zurückkehrt, ist der auf Schrauben gestellte 
,,Effekt" vollständig verloren und der moralische Mensch um Nichts 
gebessert. (Forts, folgt.) 



CORRESPONDENZEK. 



Aus Mainz. 

12. April. 

Am Samstag den 7. d. M. fand im Stadttheater die erste Auf- 
führung der grossen romantischen Oper „Die Loreley", Dichtung 
von Emanuel Geibel, Musik von Max Bruch, statt. Der 
rühmlichst bekannte Decorationen- und Maschinenfabrikant Mühl- 
dörfer in Coburg hatte vier sehr schöne neue Decorationen ge- 
liefert und das ganze Maschinenwesen bei dieser ersten Aufführung 
persönlich geleitet. Wir dürfen wohl die Geibel'sche Dichtung als 
allgemein bekannt voraussetzen, und können daher sogleich auf die 
Art und Weise zu sprechen kommen, in der man das Libretto für 
die hiesige Bühne zurecht gestutzt hat, und mit der wir uns durch- 
aus nicht einverstanden erklären können, da wohl ein Kürzen ge- 
wisser Scenen und Musikstücke räthlich erschienen sein mag, dies 
aber gewiss nicht in einer Weise geschehen durfte, die den ganzen 
innern Zusammenhang der Handlung zerstört und das Gebaren der 
handelnden Personen als unmotivirt, ja unverständlich erscheinen 
lässt. So tritt z. B. der Erzbischof bei dem Hochzeitsfeste des 
Pfalzgrafen im Festsaale der Barg in dem Augenblicke auf, da 
Letzterer, von den Verderben bringenden Beizen Leonorens bezau- 
bert, seine Braut verstössf und mit den Bittern zu kämpfen begin- 
nen will. Der Erzbischof vermuthet sogleich Zauberei und singt: 

Das Unkraut werd' im Keime vernichtet! 
Nur rasche That bringt hier .Gewinn. 
Die Schuld ist klar, sie sei gerichtet. 
Ihr Knechte, greift die Zauberin! 

Hier begann nun der Rothstift sein Werk in einer eben so 

umfangreichen als unverantwortlichen Weise. Von den angeführten 

Worten des Erzbischofs an ist der ganze weitere Verlauf und Schluss 

der Scene , Ergreifung der Leonore durch den B.ischof, Chor der 

Bitter und Priester (letztere waren gar nicht vorhanden, sondern 

Hessen den Erzbischof allein im vollen Ornate auftreten und amti- 

ren), ferner die Scene und Arie der Gräfin Bertha in der Kapelle 

der Schlosskirche, die Scene zwischen Bertha und dem Minnesänger 

Reinald , und endlich die ganze Scene des geistlichen Gerichts in 

der Kirche bis dahin gestrichen, wo Leonore singt : 

Kennt ihr ein Herz, das Falschheit brach? 

Es stürat in Sünde, Fluch und Schmach, 

Und willig sterb ich drum. 

Ich hab meine Liebe verschworen, 

Ich habe mich selbst verloren, 

Und Einer weiss, warum. 

Worauf der Erzbischof: 

Wer will verdammen, üben Huld und Zier 

Ihr angebornes Recht der Minne ! 

Ich finde keine Schuld an ihr, — 
«o daas er also sozusagen in einem Athem Leonoren als Zauberin 
anklagt und wieder freispricht, ohne dass dem Zuschauer, der zu- 
fällig die gestrichenen Scenen nicht nachgelesen hat, dies Räthsel 
irgendwie erklärt würde. Eben so unbefriedigend wirkt der Schluss 
des ersten Actes , da man den Pfalzgrafen , sowie ihn die seine 
Braut begrüssende Leonore als ihren Geliebten erkennt und vernich- 
tet in die Arme ihres Vaters sinkt, ganz burschikos : 

Wir müssen fort. Auf , lasst die Hörner schallen 1 
Zum Schlosse, zum Fest, wo der Reigen beginnt, 

rufen und als einen unempfindlichen Bösewicht erscheinen lässti 

während ihm doch der Dichter in dem gestrichenen Ensemblesatse 

Worte der Reue und Beschämung in den Mund legt: 

O unglückselig Wiedersehen ! 

Ich möcht 1 in Schmerz und Scham vergehen. 

Erschüttert hör* ich und verzagt, 

Wie mich mein eigen Herz verklagt. 

Das Angeführte wird wohl genügen, um den in dieser Richtung 

ausgesprochenen Tadel zu rechtfertigen. Man sagt uns zwar, man 

habe sich genau nach der Leipziger Einrichtung dieser Oper 

gerichtet, allein wenn man wirklich in Leipzig diese barbarische 



Verstümmelung des Werkes zuerst sich erlaubt hat, so sehen wir 
doch darin keinen Grund , dieselbe auf unserer Bühne zu wieder- 
holen, Uebrigens ist man der Theaterverwaltung immerhin -Dank 
Behuldig für die Vorführung dieses Werkes eines unserer begab- 
testen jüngeren deutschen Tondichter, gegenüber der Thatsache, 
das* gerade die vaterländischen Componisten im Allgemeinen viel 
sti wenig Beachtung und Aufmunterung von Seite der deutschen 
Bühnendirectionen finden. 

Für die decorative Ausstattung ist, wie schon erwähnt, Ausser- 
ordentliches aufgeboten worden. In Bezug auf Comparserie und 
Chor hätten wir gewünscht, dass erstens der Erzbischof von seinen 
untergeordneten Standesgenossen nicht ganz im Stiche gelassen 
worden wäre, und ferner, dass man den Chor der Wassergeister 
nicht gar so ärmlich und ohne alle eharacteristische Ausstaffirung 
hatte erscheinen lassen. Und nun zur Musik. 

„Es fehlt ihr an Melodie", sagen viele Leute, und schreiben 
auch die Theaterrecensenten in den Localblättern. Einer meint so- 
gar, die Musik wäre nicht blos nicht melodiös, sondern sie habe 
auch keine Melodien ! Ja freilich , an Tschintatera und D i- 
deldumdei leidet die Bruch'sche Musik recht bedenklichen Man- 
gel , allein an recht warmem Gefühlsausdrucke , an Innigkeit und 
Wahrheit, an Originalität der Erfindung, an wirklich edlen und 
schönen Melodien, sowie an gewandter und sicherer Behandlung der 
Singstimmen und des Orchesters fehlt es dieser Oper wahrlich 
nicht. Wir führen beispielsweise nur an: das erste Lied der Leo- 
nore und ihr darauf folgendes Duett mit Otto , das „Ave Maria," 
Lied und Chor der Winzerinnen , die Arie der Bertha in der Ka- 
pelle, das treffliche Lied des alten Hubert : „Des Tags beim Werk 
zur Nacht beim Wein," im Finale des dritten Actes Leonoren*s 
Gesang „Siehst du ihn glüh'n im Brautpokal ?" sowie deren Lied 
auf dem Fels im letzten Acte: „Ich hab mein Herz verloren" eto* 
Der 2. Act, welcher aus dem auch von Mendelssohn componirten 
Finale des 1. Acts besteht, enthält der Schönheiten viele und zählt 
zu dem Besten, was die Oper enthält. Was man dem Componisten 
vorwerfen kann , das ist allenfalls eine zu üppige Instrumentation 
und das zu häufige Moduliren , welches mitunter eine gewisse Un- 
ruhe mit sich bringt , die wenigstens beim ersten Anhören störend 
wirkt. Allein wir sind überzeugt, dass das Publikum nach wieder- 
holten Aufführungen, die es vielleicht vorderhand hauptsächlich der 
Decorationen wegen besuchen wird, nach und nach auch die Schön- 
heiten der Musik herausfinden und dem Componisten noch eben so 
gerecht werden wird, wie dem Decorationsmaler. Was die Auffüh- 
rung betrifft, so war dieselbe freilich im Ganzen noch ziemlich 
schwankend , was bei den Schwierigkeiten , welche dies Werk ent- 
hält, wohl zu entschuldigen sein dürfte. Frau Zademak-D oria 
eignet sich ihrer Persönlichkeit nach wohl wenig für die Rolle der 
Syrene Loreley ; allein in gesanglicher Beziehung leistete sie , ab- 
gesehen von dem gar zu häufigen Tremoliren und dem Detoniren 
in ihrem ersten Liede , recht Verdienstliches. Herr B o h 1 i g als 
. Pfalzgraf Otto sang seine Rolle recht gut, muss aber im Spiel noch 
bedeutend mehr Lebendigkeit und Ausdruck entwickeln. Auch die 
Herren Grünewald (Reinold) und Bussel (Hubert) leisteten in 
ihren untergeordneten Rollen recht Anerkennenswerthes. Frau 
Skala-Borzaga sang als Gräfin Bertha wie immer vortrefflich. 
Dem Chor hätten wir hier und da etwas reinere Intonation ge- 
wünscht und das Orchester löste seine schwierige Aufgabe, kleine 
Schnitzer abgerechnet , recht gut. Bei der durchweg sehr reichen 
Instrumentation dürfte auch hier und da etwas mehr Discretiott 
im Accompagnement zu wünschen sein. Uebrigens war das ganze 
Werk von Herrn Kapellmeister Dumont sehr sorgfältig einsttf- 
dirt und umsichtig geleitet. Der zweiten Aufführung am Sonntag 
den 8. d. M. konnten wir leider nicht beiwohnen, haben aber ver- 
nommen, dass dieselbe schon viel sicherer und präciser als die 
erste von statten gegangen sei. 

Am Montag den 9. d. M. fand im Saale des Frankfurter Hofe 
das 3. Sinfonieconcert des Theaterorchesters unter der Leitung des 
Herrn Dumont statt. Zur Aufführung kamen folgende Werket 
Sinfonie militaire von Jos. Haydn, die Hebriden-Ouvertüre von 
Mendelssohn und die erste Suite für grosses Orchester (D-moll) 
von Fr. Lachner. Die Haydn'sche Sinfonie wurde sehr präci* 
und fein nüancirt gegeben, und fand lebhaften Beifall, in den wir 
gerne einstimmten , nur war das Tempo des 2. Satzes , Allegrett* 



- «3 - 



moderato , (Alla Breve) bu langsam gegriffen , was der Wirkung 
dieses reizenden originellen Stückes Eintrag that. Die Hebriden- 
Ouvertüre dagegen Hess in Bezog anf Auffassung und Durchführung 
nichts bu wünschen übrig, als dass hie und da die Blasinstrumente 
reiner gestimmt hätten , ein Missstand , der auch in der Lachner*- 
«chen Suite sich mitunter bemerklich machte. Doch constatiren wir 
mit Vergnügen, dass auch dieses bedeutende, an Schwierigkeiten wie 
an Schönheiten reiche Werk im Ganzen eine äusserst würdige, dem 
Orchester und seinem Dirigenten zur hohen Ehre gereichenden 
Weise wiedergegeben wurde. Das ziemlich zahlreiche Publikum 
folgte der ganzen Aufführung mit gespannter Aufmerksamkeit und 
spendete nach jedem Satze lebhaften Beifall, der auch Hrn. Con- 
certmeister P 8 p p e r 1 für den schönen Vortrag des Violin - und 
Bratschen-Solos in den Variationen reichlich nnd wohlverdient zu 
Theil wurde. Es war dies ein genussreicher Abend für die Freunde 
guter Musik , und wir wünschen dem Orchester und seinem tüch- 
tigen Dirigenten zu den bisherigen Resultaten dieser Concerte von 
ganzem Herzen Glück. E * F - 



Ans München. 

Ostersonntag 186t. 



(S chluss.) 

Im ersten Abonnementconcert der musikalischen Akademie hör- 
ten wir eine Novität, eine Ouvertüre von Scholz, die den Titel 
trägt: ,,Im Freien" ; der Componist wohnte der Aufführung bei. 
Schon vor einigen Jahren führte uns die musikalische Akademie 
eine Concertouvertüre von demselben Tondichter vor, welche ihn 
als ein entschiedenes Talent kennzeichnete. Ich glaube nun nicht, 
dass die jüngste Novität mit jener Concertouvertüre sich an Reich- 
thum und Originalität der Gedanken messen kann ; es kam mir vor, 
als ob dem Componisten die Energie der Gestaltungskraft, welche 
etwas Grosses macht, ganz fehle: Alles ist recht artig, recht klar 
auseinander gesetzt, aber nichts ist anregend, gross, packend, ich 
vermisse jenen unwiderstehlichen Zug, der hinreisst und Eindruck 
macht. Und wenn ich auch zugestehe , dass das Publikum durch 
die vorausgegangene achte Sinfonie von Beethoven einigermassen 
unempfänglich gegen kleinere orchestrale Compositionen geworden 
war und dass die Ouvertüre nicht mit der Liebe und der Virtuosi- 
tät gespielt wurde, wie sie von unserm Orchester verlangt werden 
kann , so setze ich doch immer die Hauptursache des schwachen 
Erfolgs auf die Composition selbst, der es an eigentlichem Inhalt 
fehlt. 

Ein Quartett von S ch u b e r t für vier Solostimmen , Text von 
de la Motte Fouque, „Du Urquell aller Güte" bewährte wiederholt 
den berechtigten Vorwurf, Kchucert wisse nie zu enden. Eine poe- 
tische duftige Stimmung ist der Composition nirgends abzusprechen, 
aber das säuselt so lange , wiederholt sich so oft und duftet dabei 
so süss, dass es schliesslich einem gesunden Manne ganz jämmer- 
lich zu Muthe wird. 

In der „Elegie* für das Vi olon cell, welche Romberg auf den 
Tod seines Freundes geschrieben, und die gerade um drei Sätze zu 
lang ist , zeigte Herr Hippolyt Müller seine bekannte grosse 
Meisterschaft in Behandlung dieses Instrumentes wieder : das Audi- 
ditorium applaudirte mit Recht dem geschmack- und gemüthvollen 
Spiele des bescheidenen Künstlers. 

Das Frauenduett aus dem ersten Act der „Euryantbe" mit sei- 
nem auf- und niedertauchenden Schlangenmotiv wurde von den 
Damen Diez und De inet mit möglichstem Erfolge gesungen; 
übrigens zeigte es sich, dass eine derartige hochdramatische Nummer 
'Verliert und verkümmert, wenn sie von Damen im modernen Spitzen- 
kleide, die Noten in den Händen, die in Glacehandschuhen stecken, 
im Concertsaal gesungen wird. 

Das zweite Concert der musikalischen Akademie wurde mit einer 
Suite von Joachim Raff, einer Composition von entschiedenem 
Werthe , eröffnet ; sie reiset zwar nicht zur Begeisterung hin , aber 
«ie lässt sofort den strengen Meister der Form wie das edle, poe- 
tisch schaffende Gemüth des Componisten erkennen. Den reichsten 
Beifall gewannen der 1. (Introduction und Fuge) nnd der 8. Satz 
(Adagietto). Die Suite gehört jedenfalls den hervorragenderen Wer- 



ken der Neuzeit an« Daran reihte sich Men d eis son n*s süse> 
liehe Orgelsonate Nr. 1, F-moII, ein mehr auf die grosse Menge be- 
rechnetes und bei ihr wirkendes Musikstück, das Herr Rheinber- 
ge r ungemein sauber und stimmungsvoll spielte. — Grossen Beifall 
gewann auch der von Fr. L i s z t mit grosser Umsicht instrumentirte 
Trauesmarsch von Sehubert, an den sich als würdiger Schluss 
die Festouvertüre „Weihe des Hauses Op. 124, D-dur, von Beet- 
hoven in wahrhaft tadelloser Weise schloss. Dieses Concert hatte 
keine einzige Gesangnummer in sein Programm aufgenommen. 

Da sich der beabsichtigten Aufführung des Oratoriums „Israel 
in Aegypten" unüberwindliche Hindernisse (z. B. hatte die Orgel 
Pariser Stimmung und die Instrumente nicht, dann war der Chor 
durch Kirchendienste allseitigst in Anspruch genommen) entgegen* 
gestellt hatten, hörten wir am Palmsonntag Mozart's „Jupiter* 
Sinfonie." Wer die Regeln des polyphonen Satzes in ihrem gross» 
ten Glänze, wer das Geheimniss eines musikalischen, grossartig wir» 
kenden Organismus erlernen, wer dem süssen Räthsel eines wirk> 
lieh sphärenhaften Wohlklanges nachsinnen will , der studiere den 
letzten Satz dieses was Klangwirkung und künstlerischen Bau be- 
trifft unerreichten, ja unerreichbaren Orchesterwerkes. Das Tempo 
im ersten Satz war bei dieser Aufführung zu rasch genommen undi 
im zweiten Satz machte sich wiederholt Unsicherheit bemerklich ; 
nur der vierte Satz ging brillant. 

Um dem Character der Zeit Rechnung zu tragen, wurden Bruch* 
stücke aus dem Rossini'schen „Stabat Mater" vorgeführt. Wenn 
wir Deutsche in diesen Arien und Cadenzen, die uns viel zu seht 
an die Bühne und ihre Effecte erinnern , auch keinerlei kirchlich« 
Stimmung herausfinden, da wir düstre, finstere Musik brauchen, um 
unsre Andacht auszusprechen, so können wir mit dem heiteren Ita- 
liener nicht rechten , dass er schon bei solchen Melodien andächtig 
sein kann : sein Gotteshaus , seine Erde , sein Himmel, Alles ist bei 
ihm heller, fröhlicher, farbiger als bei uns, warum nicht auch sein« 
Andacht? Zudem verleugnet Rossini auch in dieser Composition 
seine Genialität nirgends, und alle Augenblicke zeigt eine feine 
Wendung, eine kunstvolle Ausweichung, ein überraschender Instru- 
mentaleffect den bewährten Maestro. Der Hanptreiz dieser Com- 
position liegt in der wunderbaren Klangwirkung, und wir bedauer- 
ten es desshalb doppelt, dass die bekannte As-dur-Arie nach (J 
transponirt wurde , um sie unserm Tenoristen Vogel mundgerecht 
zn machen. 

Wie ein schlanker gothischer Altar trat uns die Passacaglia in 
C-moll von S. B a ch, instrumentirt von Esser, entgegen. Dieselbe 
einfache und entschiedene Melodie mit ihren acht Takten bildet den 
Inhalt der Composition; bald tritt sie in den Bässen, bald in den 
Rohrinstrumenten, bald offen, bald figurirt in anmuthiger Abwechs* 
lung, immer ernst-milde , echt deutsch auf. Die virtuos gespielte 
Ouvertüre zu „Euryanthe* bildete den Schluss des in der Eile ein- 
geübten Concertes. Z. 



Aus Regensbiirg. 

Eftde Min 

Ist hier Ostern angekommen, so ist damit aueh die eigentliche 
Cöncert-Zeit beschlossen ; was noch nachkommt, hat keine rechte 
Zugkraft mehr: der Frühling lockt in*s Freie, man ist froh, die 
dumpfe Stubenluft wieder einmal in recht langen Zügen draussen 
in der aufgrünenden Natur ausathmen zu können. Das spürt am 
empfindlichsten die Theaterdirection, Ich gönne derselben und der 
Gesellschaft das Prosperiren des unendlich kostspieligen Unterneh- 
mens in den eigentlichen Wintermonaten um so aufrichtiger und 
um so lieber, als ich aus verschiedenen Tbatsachen vermuthen zu 
dürfen glaube, dass trotz allen gegentheiligen Behauptungen von 
enormen Vortheilen — auch selbst in guter Zeit der pekuniäre 
Gewinn kein grosser sein dürfte. Anderswo, wie z. B. in dem doch 
viel grösseren und reicheren Augsburg, schliesst man deshalb schon 
um Ostern in Anbetracht der Verhältnisse ; und es wäre dies viel- 
leicht auch für unsere Stadt mit 26000 Einwohnern, deren bei wei- 
tem allergeringster Theil Zeit, Lust und Geld für das Theater hat, 
zweckmässig. Aber wohin verirre ich mich ? was unterfange ich 
mich? Gegenwärtig, wo ein neues, merkwürdig entstandenes und 
noch merkwürdiger zusammengesetztes Theatercomite tagt (ich hätte 



64 



T»ald gesagt im Dunkeln wirkt) solch ein Wort zu sagen! Nun, ei 
wird ja einem ehrlichen Deutschen erlaubt sein, wenigstens noch zu 
reden; dass er nichts thun darf, das ist nicht unbekannt. So warte 
ich denn demüthig der grossen Dinge, welche da kommen werden! 
Meine Spannung ist aber auch gerechtfertigt. Bereits ist eine That 
dieses finstern Schaffens laut geworden ; der Fürst von Thurn und 
Taxis, der Wohlthäter Regensburg's und Kunstmäzen, ohne den die 
Stadt zur vollen Austrägal-Colonie herabsinken würde, hat seinen 
jährlichen Zuschuss zum Theater mit mehreren Tausend Gulden zu- 
rückgezogen; man brauche das Geld nicht, man sei dann um so 
9> freier" brüstete man sich. Sehen die noch nachfolgenden Thaten 
dieser ersten gleich, so dürfen die also von Wenigen gemassregelten 
Bewohner eine Dankadresse an die treibenden Personen K. P. R. 
(so unterschrieben sie sich in einem die allgemeine Indignation er- 
regenden Schmähartikel gegen den verdienten und seit 9 Jahren 
hier thätigen Theaterdirector Wihrler in der Leipziger Theaterzei- 
tung) votiren. Was aber auch geschehe, und sollte, wie gewiss nur 
schlecht Unterrichtete sagen, selbst die Oper cassirt werden (mit den 
nicht einmal sichern 3000 fl. des Magistrats nnd erhöhten Preisen 
allein wird eine so gute Oper, wie wir sie fast seit 9 Jahren hatten* 
freilich eine harte Nuss sein, das Schauspiel etc. natürlich dazu ge- 
rechnet) , so geschieht es Regensburg Recht ; warum lässt es sich 
von einer leidenschaftlichen, noch dazu sehr geringen Minorität be- 
herrschen ? 

Nach dieser von der Liebe zur Kunst dictirten Excursion über 
die leichtfertig herauf beschworne Tbeaterfrage zu dem Concertwesen. 
Auch über diesen Gegenstand habe ich nichts Erquickliches zu 
melden! Eine klassische Soiree von Beer, der stets bemüht ist» 
Gutes vorzuführen, aber leider dabei fast ganz vereinzelt steht, und 
was noch niederdrückender für einen strebsamen Künstler ist, ziem- 
lich ununterstützt bleibt ; ferner eine recht gelungene Production 
des neu entstandenen , ebenso freudig begrüssten , als unfreundlich 
angefochtenen „Oratorien- Vereins", — das Weihnachts - Concert des 
Orchestervereins, der aber auf seiner früheren Höhe sich nicht mehr 
zu halten wusste, — die Musikvereins-Concerte , die sehr viel Geld 
kosten und wenig Kunstgenuss gewähren (die Carnevals-Production 
nicht zu vergessen) ; ein Concert des Violincello-Spielers B e n n a t 
von München, in welchem die gesanglichen Leistungen der Frau 
Dr. Stör, das Mendelssohn'sche Trio durch Hrn. Ditrich, Beno 
Walter und Ben na t der Glanzpunkt waren ; ein Militärconcert, 
ssu welchem das Offiziercorps den Adel, Clerus u. s. w. geladen 
hatte; endlich eine Aufführung des von Jos. Hanisch tüchtig ge- 
leiteten S chneid er'schen Oratoriums „Absalon", das nach den 
Hindernissen und Intriguen , die ihm entgegen gestellt wurden , zu 
jschliessen , auch keine vielen Nachfolger haben dürfte , — das ist 
Alles, was in dieser Richtung zu erwähnen ist. Es ist wenig, und 
dass selbst dies Wenige nicht erfreulich genug ist, muss den Kunst- 
freund, vor dessen Auge Regensburg's glänzende musikalische Ver- 
gangenheit steht, mit unendlichem Schmerz erfüllen, um so mehr, 
als gegenwärtig keine Aussicht ist , die Sache zu bessern , da jetzt, 
statt mit ruhigen Erörterungen, in leidensshaftlicher , rein persön- 
licher, gehässiger, grober Weise (vergleiche die jüngste Zeitungs- 
polemik hier) debattirt wird ; als Beleg für die beliebte Kampfweise 
nur dies : Ein mir ganz unbekannter Referent , welcher es getadelt 
hatte, dass in der ganzen Saison , ja seit Weihnachten 1864 , keine 
.Sinfonie mehr aufgeführt worden sei, wird in einem jüngst erschie- 
nenen Artikel angewiesen, sich eine halbe Stunde südwärts von Re- 
gensburg einen Sinfonie-Verein zu gründen, dort liegt aber die — 
Irren-Anstalt ! Wir sind weit gekommen in der Kunst ! — 



Aus Paris. 

8. April.. 

Das wichtigste musikalische Ereigniss der soeben verflossenen 
Woche ist die Aufführung des „Don Juan" in der grossen Oper. 
Diese Aufführung ist im Ganzen eine gelungene. Faure singt die 
Titelrolle ganz vortrefflich. Sein Spiel freilich lässt manches zu 
wünschen übrig. Es fehlt diesem an dem Feuer der Leidenschaft, 
ohne welches man sich nicht gut einen Don Juan vorstellen kann. 
O b i n zeigt als Leporello nicht die leichte Beweglichkeit und die 
Verschmitztheit, die das Wesen seines Charakters bilden. Naudin 



singt den Don Oetavio so so. M a r i e S a x ist in der Rolle der 
Donna Anna vortrefflich und Marie Battu als Zerline ganz leid« 
lieh. Wie gesagt, die Vorstellung, ohne gerade vollkommen zu sein* 
ist doch sehr anerkennenswerth. Die Inscenesetzung ist äusserst 
glänzend. Leider werden am Ende dieses Monats die Vorstellungen 
des genannten Meisterwerks unterbrochen werden , da Faure und 
Naudin dann nach London gehen und erst im August wieder zu- 
rück kehren. 

Perrin ist bereits von der Direction der grossen Oper zurück- 
getreten. Sein Nachfolger ist Nestor Roqueplan. Der scheidende 
Director lässt, wie es heisst, ein bedeutendes Deficit zurück, das 
bei den Ungeheuern Einnahmen , welche die hundert Vorstellungen 
der Afrikanerin erzielt haben , und bei der jährlichen Subvention 
von achttnalhunderttausend Franken gerechte Verwunderung erregt* 

Im Theatre lyrique wird „Don Juan" bald in Scene gehen 
und nach allem, was man hört, scheut die Direction keine Kosten, 
um die Aufführung in jeder Beziehung so glänzend wie möglich zu 
machen. Madame Charton-Demeur ist eigens für die Rolle 
der Donna Anna engagirt worden. 

F 1 o t o w ist vorgestern hier eingetroffen. Er wird die letzten 
Proben seiner komischen Oper Z i 1 d a leiten , die gegen Ende d. 
M. zur Darstellung gelangen soll. 



Nachrichten. 



CÖlü. Am Palmsonntag fand das 10. Gesellschaftsconcert im 
Gürzenich unter Ferd. Hiller*s Leitung statt und es wurde dem 
die weiten Räume des Saale bis in alle Winkel füllenden Publikum 
eine Aufführung der „Matthäus-Passion" von Seb. Bach geboten, 
die in ihrer allseitigen Vollendung jedem Zuhörer einen unaus- 
löschlichen Eindruck zurücklassen musste. Solisten, Chor, Orchester 
und Organist wirkten unter Hiller's meisterhafter Führung in einer 
Weise zusammen, die das erhabene Werk nach jeder Richtung hin 
zur vollsten Geltung brachte. Die Solisten waren : Frl. Emilie 
Wagner, Concertsängerin aus Garlsruhe (Sopran) ; Frl. Franciska 
S ch r e ck aus Bonn (Alt) ; Hr. Dr. G u n z aus Hannover (Tenor); 
Herr Carl Hill aus Frankfurt a. M. und Herr Michael Du Mont 
aus Cöln (Bass). Nicht nur die beiden Damen sangen mit richtigem 
Verständnis, einfach-edlem Vortrage und tadelloser Sicherheit ihre 
schwierigen Partien, sondern auch die Herren Gunz und Hill wett- 
eiferten um den Preis der vollendeten Meisterschaft in einer Weise, 
die keine andere Wahl übrig lässt , als beide zugleich auf den 
Schild zu erheben, während Herr Du Mont, ein talent- und stimm- 
begabter Dilettant, die kleineren Basssoli in lobenswerthester Weise 
zur Geltung. 

*,* Von Bach's „Mathäuspassion" ist ein vierhändiger Ciavier- 
auszug von Aug. Hörn mit Beifügung der Textworte bei Barthold 
S e n f f in Leipzig erschienen. 

*** Frl. Stehle, vom Hoftheater in München, gastirt gegen- 
wärtig am k. k. Opern theater in Wien. 

*** Am 19., 20. und 21. August wird in Kempten das zweite 
Sängerfest des sebwäbisch-baierischen Sängerbundes stattfinden. 

*** Die Bach' sehe „Matthäuspassion" kam in der Charwoche 
auch in Aachen unter Leitung des städtischen Musikdirectors 
F. Breunung und unter Mitwirkung der Damen Frl. Emilie 
Wagner aus Carlsruhe und Fr. Potthof f-Diehl, sowie der Hrn. 
L. Schneider aus Rotterdam und C. Hill aus Frankfurt mit 
glänzendem Erfolg zut Aufführung. 

V In Halle kam am 19. v. M. eine neue dreiactige Oper: 
„Die Bettlerin" von H.iJ. Vincent zur Aufführung und fand sehr 
freundliche Aufnahme. Der Componist, welcher zugleich die Tenor- 
parthie in der Oper vertrat, wurde am Schlüsse der Oper gerufen 
und vom Orchester durch einen Tusch geehrt 

*** Der Organist Enkhausen In Hannover erhielt hei 
Gelegenheit seines 50jährigen Dienstjubiläums vom Könige die gol- 
dene Verdienstmedaille. 

%* Am 16. d. beginnt in Paris die Versteigerung der reich* 
haltigen und viele seltene Werke enthaltenden musikalischen Bib- 
liothek des verstorbenen Professors und Musikverlegers Farrene. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz» 



15. Jahrgang. 



jf* M9. 



23. April 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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-v-f 



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4 



B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schutt. London bei Schott & Co. 



PBBIS: 

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INHALT: Beethoveo's Misset solemnis. — Literatur. — Correspondenz: Mainz, Stuttgart. — Nachrichten. 



Beethoven's Miss» solemnis. 

Aufgeführt durch den Bied ersehen Verein in l»eipzig 

am 2. März 1866. 



(Schluss.) 

Kommen wir nun, nach Bezeichnung des Standpunktes der 
Beethoven'schen Messe, den man als den ächten und wahren „Ka~ 
tholicismus" hinstellen könnte, zum musikalischen Theile, so cha- 
racterisirt sich derselbe.im Gegensatz zu den hierhergehörigea Werken 
anderer Meister, einmal durch eine flammende, durch Nichts einge- 
engte, förmlich rücksichtslose Begeisterung, die alle äusseren Schran- 
ken überspringt, da sie sich gewissermassen ihrem hohen Stoffe 
ebenbürtig fühlt. Sie wurzelt eben in jenem die ganze Welt und 
Menschheit umspannenden, sich als Qlied und Vertreter derselben 
fühlenden Bewusstsein , in welchem alle confessionellen Gegensätze 
aufgehoben sind. Deshalb ist es auch eine Begeisterung, welche 
nicht zerknirscht, kleinmüthig und in ascetischer Selbstverleugnung 
der Gottheit gegenüber steht, sondern freudig und in zuversicht- 
licher Erhebung, und dabei doch voll andächtiger Schauer und an- 
betender Niedergeworfenheit , im Gefühl irdischer Unzulänglichkeit 
und voll tiefster Sehnsucht nach Welterlösung. Vermöge jenes 
universal und in Folge dessen zugleich typisch aufgefassten Cha- 
racters des Empfindungsgehaltes der Messe sondern sich die ein- 
zelnen Stimmungsgegensätze auch schärfer von einander ab. Hier- 
durch ist nun zugleich die Form der Beethoven'schen Messe bedingt. 
Indem die durch den Text gebotenen verschiedenen Stimmungen 
einander etwas schroff und scharf contrastirend gegenüber treten, 
gewinnt die Messe für den oberflächlichen Beobachter leicht ein 
zerrissenes, zerklüftetes Aussehen. Nehmen wir sogleich als Bei- 
spiel das Gloria, wo sich diese Bemerkung in bald höherem, ,bald 
geringerem Grade aufdrängt. Während andere Tonsetzer die darin 
enthaltenen Gegensätze, wie: Gloria in excelsis deo — pax ho- 
minibus — glorificamus te — gratias agitnus tibi — miserere nobis 
u. s. w. mehr als vorübergehende Momente theils nicht besonders 
berücksichtigten, theils nur leicht und obenhin behandelten, gestal- 
tet Beethoven aus ihnen — sei es durch Anwendung äusserlicher 
Contraste oder eines verschiedenen Bhytmus, Taktes oder verschie- 
dener Melodik — mehr oder weniger musikalisch selbstständige 
Sätze, wenn dieselben zusammen auch einen unzertrennlichen Or- 
ganismus bilden. *) 

Es kann nicht unsere Aufgabe sein, bei dieser Gelegenheit die 
ganze Messe nun zu analysiren. Dies würde Aufgabe einer voll- 
ständigen Abhandlung sein müssen. Nur auf Einzelnes sei uns ver- 
stattet aufmerksam zu machen. 



*) Neben der Grundverschiedenheit der Beethoven'schen Auffassung 
von der katholischen ist freilich zu bemerken , dass sich manche 
Beminiscenzen an den katholischen Kitas vorfinden, namentlich einige 
psalmodirende Stellen, doch sind das eben nur Aeusserlichkeiten 
ohne Belang und ohne Einfluss auf die Auffassung selbst. 



Die Sätze, welche in der Regel sofort auf empfänglichen Bo- 
den fallen und eine unmittelbare Wirkung üben, sind das Kyrie 
und Benedictes, beide die musikalisch-formell und dem ausserlicben 
Eindrucke nach abgerundetsten und einheitlichsten Sätze. Ersteres 
zerfällt in zwei Theile, in das eigentliche Kyrie und das Christe, 
beide von einander charactnristisch gesondert. Im Kyrie wendet 
sich der Mensch an die allmächtige, hoch über allem Irdischen 
thronende Gottheit ; daher das Vorwalten der demüthigen, ehrfurcht- 
voll in den Staub sinkenden Stimmung. Das Christe richtet sich 
an den versöhnenden Mittler; hier wird das Gebet dringlicher, be- 
redter, kindlich aufwallender. Das Kyrie wird hierauf wiederholt, 
erhebt sich ein paar Mal zu noch stärkerem Ausdruck als im An- 
fang, sinkt aber sodann wieder in die ergebungsvolle Stimmung 
zurück, die endlich unter der Macht der Andachtschauer in einem 
flehenden Lallen «ausklingt. 

Wir bemerkten bereits oben Einiges über das Gloria bezüg- 
lich seiner Form. Die Hauptsache ist, dass man den Stimmungs- 
kern festhält. Wir übergehen die einzelnen Zwischensätze und ver- 
folgen desto genauer das Erstere. Wenn schon der Anfang dieses 
Satzes ein erschöpfender Ausdruck der Gloria - Stimmung zu sein 
scheint, so hat es Beethoven doch verstanden, in der letzten Hälfte 
eine den Anfang noch weit überbietende Steigerung herzubringen. 
Die Homophonie genügt ihm nicht; nachdem er die Worte in gloria 
dei patris auf diese Weise dargestellt hat, greift er zur Fuge. Man 
sieht, dass Beethoven sich dieser Form nicht als einer Schablone 
bediente ; dieselbe hat hier vielmehr ihre volle innere Berechtigung. 
Das nach einem erschöpfenden Ausdruck ringende Gemüth sammelt 
sich hier noch einmal, nimmt einen neuen Anlauf, um dann sein 
Vollgefühl in ganzer Breite ausströmen zu lassen. Doch noch nicht 
genug. Nach Beendigung der Fuge gestaltet sich die thematische 
Arbeit immer mannigfaltiger, complicirter und dramatisch lebendi- 
ger, immer mehr Stimmen mischen sich in das Halleluja. Endlich 
auf dem Höhepunkte ergreifen Stimmen und Instrumente, eines nach 
dem andern wieder das Anfangsmotiv , aber in rascherer , freudig 
aufgeregterer Bewegung und rufen es in überschwenglichem Jnbel 
einander zu , so dass das ganze Weltall von dem Freudenbymnus 
wiederzuhallen scheint. Der Satz bricht kurz ab im Momente der 
höchsten Begeisterung; — jede Steigerung ist unmöglich. Im Aus- 
druck unbegrenzter Freude überbietet dieser Satz selbst die neunte 
Sinfonie. 

Die Auffassung des Credo unterscheidet sich von der üblichen 
durch die zuversichtlich „pochende" Gewissheit des Glaubens. Von 
Einzelnheiten heben wir besonders hervor das eigenthümlich malende 
Ante omnia saecula, das in glaubensfesten Schritten einherschrei- 
tende consubstantialem , das erst leis schwebende , dann plötzlich 
in voller göttlicher Glorie anftretende descendit; ferner das alter« 
thümlich gehaltene et incarnatus est, daB schmerzvolle crucifixus 
und passus , das einschlummernde et sepultus est. Heroldmässig 
und in sieghaftem Aufschwung erscheint das resurrexit und af* 
cendit t markdurchbebend wirkt das judicare-, die Fuge endlich zu 
den Worten et vitam vtnturi saeculi, der Schluss- und Eckstein 



66 — 



dea Glaubensbekenntnisses, gibt dem Ganzen einen grossartigen 
Abschluss. Aus dem 4. Satz machen wir das schon erwähnte Be- 
nedictes mit Vorspiel namhaft. Das Letztere schildert den auf der 
Menschheit lastenden dumpfen Druck vor der Ankunft des Erlösers. 
Mit einem Male scheint sich der Himmel in der Höhe zu öffnen, 
ein Violinsolo, von zwei Flöten getragen, versinnlicht die Verkün- 
digung der heiligen Botschaft. Der ganze nun folgende Satz ist 
neben seinem majestätisch feierlichen Charakter (Posaunen) von un- 
gemeiner Lieblichkeit, ein wahres Bild des „Friedensfürsten." 

In der ersten Hälfte des letzten Satzes kommt die Sehnsucht 
nach innerem Frieden , ein „Weltschmerz" in des Wortes edelster 
Bedeutung, zu wirkungsvollem Ausdruck. Von wunderbar ergrei- 
fendem Eindruck ist die stete Wiederholung eines melodischen Mo- 
tives mit dem kleinen Nonenaccord , welches den ewig sich neuge- 
bärenden Sündenschmerz in eindringlichen Zügen schildert. Plötzlich 
fällt in das von Wehmuth erfüllte Herz ein freundlicher Lichtstrahl 
(Blasinstrumente) und in mild versöhnender Weise beginnt das dona 
nobis pacem in einer überaus lieblichen Melodie, die nach und nach 
von allen vier Stimmen aufgenommen wird und dann in einen vier- 
taktigen, sich im weitern Verlauf immer refrainartig wiederholenden 
Gesammtruf ausmündet. Da plötzlich erschallt die Kriegsdrommete ; 
einzelne Stimmen stossen angstvolle Wehrufe aus, in welche hinein 
der Chor einen lauten Aufschrei ertönen lässt. Die drohende Wolke 
der Gefahr lichtet sich jedoch; der Chor lenkt allmählich wieder 
in die erste heitere , glückselige Stimmung ein. Doch nur für den 
Augenblick war die Gefahr verschwunden ; sie kehrt zum zweiten 
Mal wieder. Ein plötzlich einfallender Instrumentalsatz malt die 
Unruhe und ängstliche Verwirrung , wie sie den Schrecken des 
Krieges vorgeht , bis diese mit einem Male selbst hereinbrechen, 
begleitet von einem Angstrufe des Chores. Da zum letzten Male 
zertheilen sich die Nebel, und die friedlich heitere, harmonisch be- 
friedigte Stimmung gewinnt bis zum Schluss die Oberhand. 

Der Schluss der Messe ist bekanntlich am meisten angefochten 
worden wegen Einführung einer Kriegsscene in eine Kirchenmusik. 
Indess lässt sich dies durch den allgemeinen Standpunkt der Messe 
wohl rechtfertigen ; sodann hat die Bitte um äusseren Frieden min- 

m 

destens dieselbe Berechtigung wie die Bitte „Gib uns unser täglich 
Brod" im Vaterunser; ob nun speciell der Krieg blosse Vorstellung 
und unausgesprochen bleibt, oder ob ihn der Componist wirklich 
zur sinnlichen Darstellung bringt, dies dürfte schliesslich doch auf 
eins hinauslaufen. 

Gehen wir nun endlich zur Besprechung der Aufführung selbst 
über, so können wir derselben wohl kein grösseres Lob ertheilen, 
als indem wir sagen : sie entsprach der Bedeutung des Werkes. 
Erwägt man die Ungeheuern Schwierigkeiten, die in solchem Grade 
fast kein anderes Werk bietet, so muss man erstaunen, dass eine 
solche Volleudung in der Wiedergabe überhaupt zu erreichen war. 
Der Ried ersehe Verein, an dessen Spitze ein intelligenter, ver- 
ständnissvoller, feinfühliger, aber auch für die Kunst aufopferungs- 
fähiger Dirigent steht, hat es indess von jeher als seine Aufgabe 
betrachtet, die grossen Werke der Meister, die bisher eben wegen 
ihrer Schwierigkeiten ein ungehobener oder wenigstens noch nicht 
hinlänglich ausgebeuteter Schatz waren, dem musikalischen Publi- 
kum zu vermitteln. Von welcher Bedeutung und wie folgenreich 
seine Leistungen sind, beweist sein längst über Leipzig hinaus ver- 
breiteter Ruf. Mit der diesmaligen Aufführung des Werkes — der 
vierten durch den Rie'del'sehen Verein — hat sich derselbe alle 
wahrhaft gebildeten Musiker zu grossem Danke verpflichtet. Die 
Chöre waren vortrefflich einstudirt und kamen in bewunderungs- 
würdiger Sicherheit, Correctheit, und in gleichmässiger Nüancirung 
zu Gehör. An einigen Detonationen des Soprans in der Höhe kön- 
nen Billigdenkende keinen besonderen Anstoss nehmen. Das Solo- 
quartott fand eine ausgezeichnete Vertretung in den Damen Jauner- 
Krall und K r e b s-M i ch a 1 e s i aus Dresden, und in den Herren 
J. Schild von Leipzig und S ch u I z e aus Hamburg und bot 
abgesehen von anderen künstlerischen Erfordernissen , ein vortreff- 
liches Ensemble schon in rein klanglicher Beziehung. Die Stimme 
der Fr. J a u n e r-K r a 1 1 hat einen glänzenden Timbre, ohne jedoch 
wohllautender Fülle zu entbehren , während der Ton der Frau 
Krebs- Mi chalesi mehr sonore Stärke und grosses Volumen 
zeigt. Das Eigenthümliche bei Hrn. Schild ist sympathische 
Weichheit und Schmelz. Herrn Schulze's Organ endlich charak- 



terisirt sich durch einen gewissen machtvollen Adel , ganz seinem 
künstlerisch-weihevollen Vortrag entsprechend. 

Die Orchesterbegleitung wurde vom Gewandhaus-Orchester in 
einer seines Rufes würdigen Weise ausgeführt. Concertmeister 
David trug das Violinsolo im Benedictes mit Zartheit, Innigkeit 
und Adel in Ton und Auffassung vor. — Das zahlreich anwesende 
Publikum , unter dem sich auch viele auswärtige Künstler und 
Kunstfreunde befanden, folgte — ganz gegen seine Gewohnheit — 
bis zum Schlüsse dem Werke mit ungetheilter Aufmerksamkeit. 

Die Aufführung wird von der Leipziger Kritik als die gross- 
artigste und gelungenste musikalische Production der verflossenen 
Saison bezeichnet. 

Wir können schliesslich nur noch den Wunsch einer baldigen 
Wiederholung des Werkes aussprechen, um sowohl den Musik- 
freunden einen seltener gebotenen Genuss zu verschaffen, als auch 
den Tonschöpfer dem grösseren Publikum gegenüber in seine Rechte 
einzusetzen, welche ihm Engherzigkeit und Beschränktheit in künst- 
lerischen und andern massgebenden Kreisen so lange vorenthalten 
haben. 



Literatur. 



Essai historique sur la musique et les musiciens 
dans les Pays-bas par E. Gregoir. A la Haye chez 
Belinfente. 1861. 8. 

Vorliegendes Werk zerfällt in 12 Abschnitte. Der erste ent- 
hält biographische Notizen über niederländische Künstler, welche 
seit den letzten 30 Jahren in der Kultur der Musik und ihrer Hilfs- 
mittel sich einen Namen gemacht haben. Unter den Compositeuren 
und Virtuosen dieser Periode glänzen besonders: Batta, Ganz, 
Verhülst und Kotta. Der zweite Abschnitt liefert einige Aufschlüsse 
über die Wirksamkeit der Gesellschaft, welche im Jahre 1829 von 
Vermeulen zu Rotterdam zur Hebung der Musik in all ihren For- 
men gegründet wurde. Im dritten Abschuitte wird ein Verzeichnis« 
gegeben vou den correspondirenden und Ehrenmitgliedern der ge- 
nannten Gesellschaft; und im vierten Abschnitte ein Verzeichniss 
der Corapositionen , die von der erwähnten Gesellschaft zur Preis- 
bewerbung ausgeschrieben wurden. Der fünfte Abschnitt zählt die 
musikalischen Feste und die Preis-Productionen für Gesang und 
Orchester auf. Im sechsten Abschnitte finden sich treffliche Bemer- 
kungen über den Volksgesang. Es wird hier, was sonst von Aus- 
ländern selten geschieht, dem deutschen Volke bezüglich seiner 
musikalischen Leistungen ein Lob gesprochen. Im siebenten Ab- 
schnitte wird die Geschichte der Oper überhaupt in allgemeinen 
und kurzen Zügen vorgeführt. Von niederländischen Meistern ist 
in diesem Betreffe wenig zu berichten. Desto mehr leisteten und 
leisten dieselben für die Militärmusik, von welcher der achte Ab- 
schnitt handelt. Hierin zeichnen sich namentlich aus der Holländer 
Adolph Saxe, welcher mehrere Instrumente für Militärmusik theils 
erfunden, theils verbessert und der Musikmeister Dunkler zu Haag, 
welcher mit seiner Militärkapelle einen europäischen Ruf sich er- 
worben hat. 

Im neunten Abschnitte sind einige Gedichte in holländischer 
Sprache verzeichnet, welche in Musik gesetzt wurden. Im zehnten 
Abschnitte redet der Verfasser von den Vorzügen, welche die Orgel 
vor anderen Musikinstrumenten hat; zählt dann die vorzüglichsten 
Orgeln in den Niederlanden auf und verzeichnet die in verschiede- 
nen Städten desselben Landes aufgeführten Orgelconcerte mit An- 
gabe des betr. Programmes und des Concertgebers. Der eilfte Ab- 
schnitt bringt das Namensverzeichniss der Musikvereine in Holland 
mit Beifügung des Namens des jeweiligen Vorstandes und Directors 
jedes einzelnen Vereins , und der zwölfte Abschnitt schliesst mit 
einigen Ergänzungen zu deu biographischen Notizen des ersten 
Abschnittes. Dr. M. 



^i «» < 



- 67 - 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Mainz* 

18. April. 
Unser Publikum ist in grosser Aufregung durch das Gastspiel 
des Baritonisten Betz von der k. Oper in Berlin, der, ein ge- 
borener Mainzer, schon im Voraus das allgemeine Interesse für sich 
in Anspruch nahm, und auch die Erwartungen, welche durch den 
ihm vorausgegangenen Ruf ziemlich hoch gespannt waren, nicht 
nur erfüllte , sondern wohl auch noch übertraf. Sein erstes Auftre- 
ten als Graf Luna im „Troubadur" gestaltete sich zu einem wahren 
Triumphe für den trefflichen Sänger, der mit einer herrlichen, me- 
tallreichen und äusserst sympathischen Stimme auch einen hohen 
Grad gesanglicher Ausbildung, richtiges Verständniss , klaren deut- 
lichen Vortrag und ein gewandtes, nobles Spiel verbindet. Vorzüg- 
lich ist die Deutlichkeit seiner Aussprache zu loben, wogegen ihm 
ein sorgfältigeres Portamento, eine glattere Verbindung der Töne 
zu wünschen wäre , indem Herr Betz sich durch das Bestreben, 
recht deutlich auseinander zu setzen , mitunter zu einem förmlichen 
Zerstückeln der Phrase, ja manchmal sogar des einzelnen Wortes 
hinreissen lässt. Doch ist der Totaleindrack seiner Leistung ein 
durchaus günstiger, und Herr Betz kann mit der Aufnahme, die er 
in seiner Vaterstadt gefunden, auch seinerseits wohl zufrieden sein. 
Als eine durchweg gebildete Sängerin mit klarer, angenehmer Stimme, 
vorzüglicher Aussprache und verständigem Spiel bewährte sich Frl. 
Müller aus Zürich als Leonore, welche schon in der letzten Wie- 
derholung der Bruch'schen „Loreley" statt Frau Skalla-Borzaga die 
Bolle der „Bertha" sang und gleich die allgemeine Sympathie für 
«ich gewann. Der ebenfalls gastirende Tenorist Hr. Hallermayer 
besitzt eine hübsche Stimme , jedoch wenig Schule. Uebrigens 
schien seine Leistung durch einige Befangenheit beeinträchtigt zu 
sein und kann ein entscheidendes Urtheil erst nach weiterem Auf- 
treten desselben erfolgen. E. F. 



Aus Stuttgart. 

S. April.. 

Aus den Programmen der beiden jüngst stattgehabten Kammer* 
tnusiksoireen erwähnen wir ein Trio von H a y d n in G und das 
-erste von Beethoven in Es-dur (Piano beide Mal Hr. Speidel), 
die Wiederholung der Beethoven'schen Trio-Serenade (die Herren 
Singer, Bonewitz und Goltermann), woran sich abermals 
•ein Stück in D, nämlich Hummels Septuor (Hr. Pruckner Piano) 
schloss, endlich Aberts interessant gearbeitetes, bedeutende In- 
tentionen aussprechendes Streichquartett in A-dur. Das 8. Abonne- 
ments-Concert brachte G o 1 d m a r k's Ouvertüre zu „Sakontala," die 
nur einen getheilten Erfolg hatte , Beethoveu's Clavierconcert in 
Es-dur , von Frl. Mehlig mit glänzender Wirkung vorgeführt, 
Introduction und Brautchor aus „Lohengrin", auf Verlangen wieder- 
holt, und die Musik zum ,;Sommernachtstraum." Im 9. Abonne- 
ments-Concert wurde die hier oft und gern gehörte , .Schöpfung" 
gegeben , diesmal mit Frl. H e n t z von Mannheim als ,, Gabriel," 
die ihre Aufgabe mit günstigstem Success durchführte. Der Verein 
für classische Kirchenmusik hatte As t o r g a's Stabat mater und 
einen Theil der Bach 'sehen „Johannespassiou" am Charfreitag in 
der Stiftskirche zu Gehör gebracht. Einige andere Aufführungen 
von untergeordneter oder nur lokaler Bedeutung übergehend, wen- 
den wir uns noch zu den beiden Prüf u ngs-Concerten des Co n- 
servatoriums, welche am 9. und 10. April in der Liederhalle 
stattfanden, und wozu sich das hiesige kunstliebende Publikum fast 
▼ollständig eingefunden hatte. In den Programmen waren vertre- 
ten Ciavier (Concertsätze von Bach , Mozart , Hummel , Beethoven, 
Moscheies und Schumann, Sonatensätze von Mozart und Beethoven, 
Impromptu's von Schubert und Chopin), Violine (Concertstücke von 
Mayseder und Beriot) und Gesang (Arien von Mozart , Ballade 
-„Schön Rothtraut" von Scherzer, Chor aus „Maccabäus" von Händel 
und zwei von Schülern gearbeitete mehrstimmige Compositionen, 
•welche nebst zwei vorgeführten Triosätzen zugleich von den pro- 
duktiven Resultaten dieser Schule Probe ablegten. Unter den Hei- 
mathsorten waren auf dem Programm nicht nur Namen aus Wür- 
temberg und seinen Nachbarländern Bayern, Baden, Hessen und der 



Schweiz zu lesen, sondern auch aus Mähren und Chili, sowie mehr- 
fach London, das überhaupt jährlich kein unbedeutendes Contingent 
von Schülern liefert. Auch aus andern Ländern ist die Frequenz 
zahlreich und noch stets in erfreulichem Zuwachs begriffen. Oh- 
schon diese Prüfungsconcerte heuer wegen verschiedener Rücksich- 
ten schon am Nachmittage stattfanden und dadurch des festlicheren 
Glanzes entbehrten, den alle Abendproductionen für sich voraus 
haben, zeigte sich doch das Auditorium sehr animirt und befriedigt, 
und bewies seine Sympathie für dieses , nun bald zehn Janre be- 
stehende Institut in herzlichster Weise. 

Die nächsten Tage werden uns noch Haydn's ,,Jabreszeiten te 
bringen, womit der Cyklus unserer Abonnements-Concerte schliessen 
wird; auch die zehnte und damit letzte Kammermusik-Soiree steht 
nahe bevor , und so dürfte , einige Spätlinge abgerechnet , die heu- 
rige Saison so ziemlich ihr Ende erreicht haben. 



Nachrichten. 



Düsseldorf. Mit dem am 20., 21. und 22. Mai d. J. dahier 
stattfindenden 43. Niederrheinischen Musikfeste soll der neu erbaute 
Festsaal eingeweiht werden. Man hatte die Absicht, diejenigen 
Künstler, welche das letzte hiesige Musikfest (1863) durch ihre 
Mitwirkung verherrlichten, auch diesmal wieder zu vereinigen. Es 
werden deshalb die Herren Musikdirectoren Otto Goldschmidt 
ans London und Julius Tausch von hier sich wieder in die 
Direction der Concerte theilen, und wie im Jahre 1863 sind wieder 
die Damen Frau Jenny L i n d-G ol d seh m i dt aus London und 
Frl. von Edelsberg aus Berlin , sowie die Herren Dr. Gans 
aus Hannover und Stockhausen aus Hamburg für die Ausfüh- 
rung der Soloparthieen gewonnen. Am ersten Tage kommen zur 
Aufführung: Ouvertüre „Zur Weihe des Hauses" Op. 124 von Beet- 
hoven und das Oratorium „Messias" von Händel. Am 2. und 
3. Tage: Scenen aus „Armida" von Gluck, Sinfonie Eroica von 
Beethoven; Cantate für Doppelchor und Orgelbegleitung von 
J. S. Bach; Musik zu „Athalia" von Mendelssohn; A-moIt- 
Concert für Pianoforte und Orchester von R. Schumann ; „Pfing- 
sten," Vocalwerk von Ferd. Hill er; Ouvertüren von J. Rietz 
und J. Tausch ; Solovorträge. Somit sind alle Coroponisten vertre- 
ten , welche auf die Entwicklung des musikalischen Lebens in 
Düsseldorf Einfluss gehabt haben. Es werden sich bei den Fest- 
aufführungen ferner betheiligen : Frl. P a r e p a aus London 
(Sopran), Frau Clara Schumann (Pianoforte), Hr. Musikdirector 
Weber aus Cb'ln und Hr. van E y k e n aus Barmen (Orgel), sowie 
die Herren Concertmeister A u e r (Violine) und De S w e r t (Violon- 
cell). Die grosse Orgel in dem neuen Saale hat 53 klingende 
Stimmen (2064 Pfeifen) und ist aus der Fabrik von Joh, Friedr. 
S ch u l z e's Söhnen in Paulinzelle. 

Dresden. Am 3. April eröffnete N i e m a n n sein erstes Gast- 
spiel auf unserer Hofbühne als „Tannhäuser* mit ausserordentlichem 
Erfolg. Die ganze Aufführung war überhaupt eine höchst gelungene 
und Frau Bürde-Ney (Elisabeth) sowie Herr Mitterwurzer 
(Wolfram) theilten sich mit dem verehrten Gaste in den reichlichst 
gespendeten Beifall. — Am 4. April trat Hr. N i e m a n n als Joseph 
in M e h u Ts Oper „Jakob und seine Söhne in Egypten" auf und 
riss durch seine schöne Auffassung und künstlerische Durchführung; 
dieser Partie das Publikum zu enthusiastischem Beifall hin. 

Brüssel. Das letzte populäre Concert des Hrn. Samuel hatte 
folgendes Programm: 1. Theil: Ouvertüre zur „Genovefa" von R. 
Schumann (zum 1. Male hier aufgeführt) ; Scherzo aus der ersten 
Sinfonie von Ferd. H i 1 1 e r (1. Aufführung) ; Concerto sympfionique 
für Ciavier und Orchester von Pierre Benoit, vorgetragen von 
Mlle. Dumon, und Andante mit Variationen aus dem 5. Quartett 
von Beethoven, vorgetragen von sämmtlichen Streichinstrumen- 
ten. (Auf Verlangen wiederholt). 2. Theil : Beethoven'« Musik 
zu „Egmont", mit verbindendem Text von Q u e 1 u s. 

Paris. Pasdeloup gab sein 24. und letztes populäres Concert 
am 15. d. M. mit folgendem Programm: A-moll-Sinfonie von Men- 
delssohn; Adagio und Menuetto aus dem Quintett Op. 34 von 
Weber; C-moll-Siofonie von Beethoven; Violinconcert ven 
Paganiui, vorgetragen von Hrn. Sivori und Ouvertüre su. 
„Tannhäuser" von R. Wagner. 



- 68 - 



fftrif . Dm dritte ausserordentliche Concert des Conservatoriums 
»na 8. April bracht« : A-dur-Sinfonie von Mendelssohn; O filii, 
Doppelchor von Leisring; Leonoren-Oavertüre von Beethoven; 
Jägerchor ans „Euryaothe" von Weber und Einzugsmarsch aus 
„Tannhäuser" von R. Wagner. Dieser letztere wurde mit En- 
thusiasmus aufgenommen und musste auf stürmisches Verlangen 
wiederholt werden. — Am seihen Tage fand das 23. Concert des 
Hrn. Fasdeloup statt, mit folgendem Programm: B-dur-Sinfonie 
von Beethoven; Adagio und Scherzo aus der Sinfonie : „Es 
muss doch Frühling werden" von Ferd. H i 1 1 e r ; Clavierconcert in 
A-moll von R. Schumann, vorgetr. von A. J a e 1 1 ; Bruchstück 
aus der Musik zu „Prometheus" von Beethoven und Ouvertüre 
su „Roy Blas" von Mendelssohn. 

— Das 4. ausserordentliche Concert. des Cooservatoriums 
brachte: die 21. Sinfonie von Haydn; Doppelchor von Bach; 
Fragmente aus „Prometheus" von Beethoven; „Alleluja" von 
Händel; Musik zum Sommernachtstraum" von Mendelssohn. 

— Der Kaiser hat Adelina Patti zu ihrem Geburtstage, an 
welchem sie in den Tuilerien sang, prachtvolle Ohrgehänge, mit 
Perlen, Bubinen und Diamanten geschmückt, zum Geschenk gemacht. 

— Das Conservatorium und die Oper haben wieder einen Verlust 
erlitten durch den Tod des Herrn Aime* Leborne, Compositions- 
lehrer am Conservatorium , Bibliothekar der grossen Oper und der 
kaiserlichen Capelle und Bitter der Ehrenlegion. 

— Am Conservatorium haben folgende Personalveränderungen 
stattgefunden: Victor Mass 6 wurde zum Professor der Composition 
an die Stelle des verstorbenen Leborne, August S a v a r d zum 
Professor der Harmonie an Cl a p is s on's Stelle und Duprato 
zum Hülfslehrer der Harmonie ernannt. Die Stelle der Madame 
C o ch e bleibt unbesetzt. Hector B e r 1 i o z , bisher Bibliothekar 
des Conservatoriums , ist zum Conservator der Bibliothek und des 
von Clapisson gebildeten Instrumental-Museums ernannt worden. 
Die Wittwe Clapisson's wird die jährlichen 2000 Frs., welche ihr 
▼erstorbener Gatte für Abtretung seiner Instruwenten-Sammlung an 
das Conservatorium erhielt, auch ferner fortbeziehen und ihre bis- 
herige Wohnung im Conservatorium beibehalten. 

— Der vortreffliche Bassist C a z a u z verlässt die grosse Oper 
und hat ein Engagement am The'ätre lyrique angenommen. 

— Fei, David ist von Moskau wieder in Paris eingetroffen. 

— Die grosse Oper hat im Jahre 1865 mit einem Deficit von 
250,000 Frs. abgeschlossen, bei einer Einnahme von 1,541,000 Frs. 

— Im Jahre 1847 gab es in Paris 197 Ciavierfabriken mit un- 
gefähr 3000 Arbeitern, welche jährlich für 12 Millionen Instrumente 
lieferten , von denen für 1 Million ins Ausland expOrtirt wurden, 
1865 betrug der Werth der ausgeführten Instrumente 8,000,000 Frs. 

London. Die beiden italienischen Opernunternehmungen, die 
des Herrn Gye im Coventgarden und die des Herrn Mapleson 
im Königin-Theater veröffentlichen ihr Künstlerpersonal für die 
kommende Saison. Hr. Mapleson zählt unter seinen Gesangskräften 
ein gutes Contingent von Deutschen, nämlich die Damen Titjens, 
Lichtmay, Harrier s-Wipp ern, Murska und Bettelheim 
sowie die Herren Dr. G u n z und Rokitansky, während in 
Coventgarden nur zwei deutsche Namen, nämlich Frl. Lucca und 
der Wiener Bassist Hr. Dr. S ch m i d figuriren. Mapleson ver- 
«pricht die „Iphigenie in Tauris", die „Vestalin", die „Entführung 
aus dem Serail", „Donna del Lago" und „Dinorah". 

*** Aus dem Schreiben Rossini's, welches er den im Mozart- 
Festconcerte am 15. April zur Aufführung kommenden zwei Com- 
positionen, bei deren Uebersendung an das Wiener Comite, zur Be- 
gleitung mitgab, entnehmen wir folgende höchst interessante Stellen. 

„Ich erkläre mich stolz und glücklich, eine kleine Huldigung 
sollen zu können dem Gedächtnisse des wahren Titanen der Musik — 
Mozart — welchen ich zu bewundern anfing* im Jünglingsalter, 
und der noch heute mein Abgott und mein Muster geblieben ist! 
Mögen die Wiener (die mir während meines Aufenthaltes im Jahre 
1822 so überaus freundlich gewesen sind) genehmigend den Beweis 
höchster Bewunderung empfangen, welchen ich ihrem unsterblichen 
Mitbürger darbringe und noch einmal Nachsicht üben an meinen 
beiden bescheidenen Schöpfungen, die nur das Verdienst haben, von 
einem Greise zu kommen, welcher stets ein Anbeter Mozart's ge- 
wesen ist. Als feste Bestimmung wolle ^betrachtet werden, dass 



nach dem Stattfinden des Concertes meine Compositionen — Parti- 
tur und Einzelparte — dem Autor nach Paris mittelst des öster- 
reichischen Consulats zurückzusenden sind und dass die Abnahme 
irgend einer Copie — unter Strafe eines Proeesses — 
verboten bleibt , weil dem Autor das ausschliessliche Eigentums- 
recht vorbehalten ist. R o 8 s i n i m. p. 

*** Die jugendliche Claviervirtuosin Frl. Mary Krebs ift 
Dresden hat vom Könige von Sachsen das Prädicat als k. Kammer* 
virtuosin erhalten. 

*** Im Berliner Opernhause fand zum Besten der Hinter- 
lassenen des verstorbenen Tenoristen Pf ister eine musikalische 
Matinee statt, welche eine Einnahme von 2000 Thlr. ergab. 



**.* 



** Der abgetretene Intendant des k. Theaters in Hannover* 
Graf von PI a t e n wird vorläufig durch den Vice-Intendanten, 
Oberstlieutenant v. Meyer ersetzt. 

*** Fr. Lachner's t. Suite in D-moll kam im dritten Con- 
certe der Grossh. Hofmusik in Darmstadt in sehr gelungener 
Weise und mit grossem Beifall zur Aufführung. 

*** Der Tenorist Braun-Brini vom Stadttheater in Nürn- 
berg gastirte als Arnold in Rossini's „Teil" in Dresden, ver~ 
mochte aber nicht, einen günstigen Erfolg zu erringen. 

*** Der herzogl. nassauische Regiments-Kapellmeister und Di- 
rigent der Kursaal-Concerte in Wiesbaden, Herr Keler-Bela, 
gab in letzter Zeit drei Concerte in der Tonhalle in Berlin, worin 
er seine neuesten Compositionen, insbesondere ein Tongemälde, be- 
titelt „Eine Nacht in Venedig" u. A. mit grossem Beifall aufführte. 

%* Der Kaiser von Oesterreich hat für Benutzung der Hoflogen 
in P e s t h während seines jüngsten Aufenthaltes daselbst jedem 
Theater fl. 1000 übersandt 

*** In Berlin starben der Concertmeister und Violinvirtuos 
Rudersdorff und der unter dem Namen „Flötenritter" bekannte 
Virtuos Ritter. 

*** Die Oper „Enzio" von J. J. Abert ist in Carlsruhe 
mit günstigem Erfolge in Scene gegangen. 

*** Der erste Vorsänger an der Synagoge in Wien, Salomon 
S u 1 z e r, feierte am 22. März sein fünfzigjähriges Jubiläum 
als Cantor. Sulzer ist geboren 1804 zu Hohenems, wo er auch 
schon in seinem 12. Jahre den Kaiser Franz durch seinen Gesang 
entzückte und als Cantor in seiner Vaterstadt angestellt wurde. 
Noch heute singt der- Jubilar mit hinreissender Schönheit der Stimme 
und des Vortrags und könnte gar manchem Sänger als Muster 
dienen. 

*** Der Pianist Alfred Jaell hat vom Könige von Italien 
für die Dedication seiner neuen Composition »Aux bords de VArno" 
eine kostbare Brillantnadel erhalten. Der vortreffliche Künstler 
befindet sich gegenwärtig in Paris, wo er mit Sivori Concerte 
geben und auch im Cirque Napoleon spielen wird. 

*** Der Componist Thomas Löwe in Wien bat sich mit 
der Hofopernsängerin Frl. D e s t i n n vermählt. 

%* Die Oper „Zc Mariage de Don Lope" von de Hartog 
wurde in Brüssel mit schwachem Erfolg aufgeführt. 

*#* Herr Bischoffsheim, ein reicher Banquier in Paris, 
lässt dort einen grossen Concertsaal erbauen, der seiner Vollendung 
nahe ist und in welchem von dem Orchester der grossen Oper unter 
H a i n d Ts Direction grosse Concerte bei massigen Eintrittspreisen 
gegeben werden sollen. 

*** Die Deutschen in Nizza und die dortigen Freunde des 
Violinvirtuosen Ernst lassen ihm eine Gruft mit Denkmal errichten. 

*** Der bekannte Flötenvirtuose Hr. Johann Sedlaczeck, fürstl. 
Esterhazy'scher Kammervirtuose und Mitglied mehrerer philharmo- 
nischen Gesellschaften, ist am 11. April in einem Alter von 77 
Jahren einem langwierigen Leiden erlegen. 

V Frl - Adeline Patti hat am 9. April ihren 23. Geburtstag 
gefeiert. Hr. Gye hat aus diesem Anlasse Hrn. Strakosch einen 
Bon von 400 Pfd. Sterling übersendet, um dafür ein Geschenk für 
die Sängerin zu kaufen. 

*** Frl. Anna M a r e k ist nunmehr vollständig aus dem Ver- 
bände des Wiener Carltheaters getreten. Die Künstlerin wird die 
Bahn als Opernsängerin betreten und hat vom September d. J. an 
einer grösseren deutschen Hofbühne ein Engagement angenommen. 

Verantw. Med. Ed. Föckercr. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



J¥* 1 8. 



30. April 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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ämtern, Musik- & Buchhand- 
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Verlig 



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von 



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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

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i 



INHALT: Anton Stradivari. — Frankfurter Oratorien-Concerte. — Correspondenz : München. — Nachrichten. 



Anton Stradivari« 

Biographische Skizze von F. J. Fe'tis. 



Anton Stradivari oder Stradiva r i us, der berühmteste 
der alten italienischen Geigenmacher, war in Cremona geboren. 
Der' rühmlichst bekannte Pariser Oeigenmacher Vuilliaume, 
welcher mehrere Reisen nach Italien unternommen hat, um authen- 
tische Nachrichten über den geschickten Künstler zu sammeln und 
weder Mühe noch Kosten scheute, um seinen Zweck zu erreichen, 
konnte das Datum seiner Geburt nicht ausfindig machen, indem 
nach dem Eingehen mehrerer Kirchen in Cremuna die Archive der- 
selben zerstreut, verborgen oder auch wohl vernichtet worden sind. 
Glücklicherweise existirt noch ein Zeugniss, welches jeden Zweifel 
über das Geburtsjahr des berühmten Geigenmachers aufhebt. Unter 
den Notizen des Bankiers Carlo Carli in Mailand fand sich ein 
Inventar der dem Grafen Salabue gehörigen Instrumente, weiche 
sich bei jenem Bankier in Verwahrung befanden. Es befand sich 
darunter eine Violine von Stradivarius , die in ihrem Innern ei- 
nen Zettel enthält, auf welchem von der Hand des Verfertigers 
selbst sein Name , sein Alter (92 Jahre) und die Jahreszahl 1736 
geschrieben stehen. Stradivarius war also 1644 geboren. Ein Schü- 
ler des Nicolaus Amati, verfertigte er vom Jahre 1667 an, also 
23 Jahre alt, mehrere Geigen , die jedoch nur eine genaue Nach- 
ahmung der Formen seines Meisters waren und in welche er auch 
den Namen des Nicolaus einschrieb. Erst im Jahre 1670 fing er 
an, seine Instrumente mit seinem eigenen Namen zu bezeichnen. 
In den darauffolgenden 20 Jahren bis 1690 schuf er nur wenig. 
Man möchte fast glauben , der Künstler habe sich in jener Zeit 
mehr mit Versuchen und mit Forschungen über seine Kunst be- 
schäftigt, als mit Arbeiten, die auf den Handel abzielten. Das 
Jahr 1690 bezeichnet eine Uebergangsepoche in den Arbeiten des 
Anton Stradivarius. Von da an begann er seinen Modellen eine 
grössere Fülle zu geben, die Wölbung zu vervollkommnen und die 
Dicke des Holzes mit grösserer Strenge festzustellen. Sein Lack 
hat eine lebhaftere Farbe, mit einem Worte, seine Arbeiten bekom- 
men ein ganz anderes Ansehen ; jedoch findet man immer noch die 
Traditionen der Schule des Nicolaus Amatt heraus. Die Geigen- 
macher bezeichnen ihn als den amatisirten Stradivarius. 

Im Jahre 1700 hat der Künstler sein 66. Lebensjahr erreicht. 
Zu dieser Zeit steht sein Talent in seiner ganzen Kraft da und von 
da an bis 1725 tragen alle Instrumente, die aus seiner Hand kom- 
men, den Stempel der Vollkommenheit. Er versucht nicht mehr, 
er ist seiner Sache gewiss und weiss den geringsten Details die 
höchste Vollkommenheit zu verleihen. Sein Modell besitzt die er- 
wünschte Grösse ; er zeichnet die Umrisse desselben mit einem Ge- 
schmack, mit einer Sicherheit, die seit anderthalb Jahrhunderten 
die Bewunderung der Kenner erregen. Das Hotz, mit dem feinsten 
Kennerblick ausgesucht, vereint mit dem Reichtbum der Nuancen 
alle Bedingungen der Sonorität. Für den Boden , wie für die Zar- 
gen verändert ]er die Dispositionen ; die Wölbungen seiner Instru- 



mente, ohne sehr erhaben zu sein, fallen in sanften und regelmäs- 
sigen Windungen ab, welche ihnen die volle nöthige Biegsamkeit 
belassen. Die Schalllöcher , mit Meisterhand geschnitten , werden 
zu Modellen für alle seine Nachfolger. Die Schnecke, die eines 
strengeren Character angenommen hat, ist meisterhaft geschnitzt« 
Der schöne warme Ton des Lacks der Stradivari-Geigen datirt von 
dieser Epoche; der Lack selbst ist fein und von grosser Geschmei* 
digkeit. Auch im Innern des Instrumentes zeugt die Arbeit des 
Künstlers von nicht minderer Vollkommenheit ; Alles ist da mit der 
grössten Sorgfalt ausgeführt. Die Dicke des Holzes ist auf eine 
rationelle Weise festgestellt und zeichnet Bich durch eine Bestimmt- 
heit aus , die nur durch lange Studien erworben werden konnte. 
Der Boden, die Decke und alle Bestandtheile des Instrumentes ste- 
hen in der vollkommensten harmonischen Uebereinstimmung. Ge- 
wiss haben 'ihn auch nur wiederholte Versuche und anhaltende 
Beobachtungen veranlasst, während dieser ganzen productiven Periode 
zur Bereifung und den Zargen Weidenhob zu verwenden, weil die- 
ses an specifischer Leichtigkeit alle andern Holzarten übertrifft; 
kurz an seinen bewundernswerthen Instrumenten war alles voraus- 
gesehen, berechnet und mit sicherem Blick beschlossen. Nur der 
Steg ist zu schwach, in Folge des seit dem Anfange des 18. Jahr- 
hunderts fortwährenden Steigens der Stimmung, wodurch eine be- 
trächtliche Steigerung der Spannung und ein ungleich grösserer 
Druck auf die Decke unvermeidlich wurde. Es ist deshalb nöthig 
geworden, alle alten Geigen und Cello's mit neuen Stegen zu versehen. 
Während derselben Zeitepoche, da Stradivari auf den erwähnten 
Gipfel der Vollkommenheit gekommen war und mit der Sicherheit 
der Ueberzeugung arbeitete, entfernte er sich gleichwohl mitunter 
von seinem entschiedenen Typus, um der Laune irgend eines Künst- 
lers oder Dillettanten zu entsprechen. So hat er z. B. Geigen mit 
einem etwas längeren Patron gemacht; sie sehen zwar nicht so 
hübsch aus , allein sie sind mit derselben Sorgfalt ausgearbeitet, 
Alles ist der veränderten Form aogepasst, um das Gleichgewicht 
in den Tonschwingungen zu bewahren. Bei diesen Instrumenten» 
wie bei den andern, welche in dieser Periode aus der Hand de« 
Künstlers hervorgegangen sind, finden wir denselben noblen, glän- 
zenden Ton, welcher den Ruf der Instrumente des Stradivarius 
überall begründet hat. Auch die Instrumente, die er von 1725 bis 
1730 gebaut hat, sind noch recht gut, wenn sie auch nicht mehr 
dieselbe Vollkommenheit besitzen. Die Wölbung ist etwas stärker, 
was der Klarheit des Tons Eintrag thut ; die Feinheit und Delica- 
tesse der Arbeit ist nicht mehr dieselbe ; der Lack ist brauner. 
Auch die Fabrication scheint abzunehmen, denn aus dieser Periode 
findet man verhältnissmässig viel weniger Instrumente als aus der 
vorhergehenden. Von 1730 und selbst noch etwas früher verschwin- 
det das Gepräge des Meitsters beinahe vollständig. Ein geübtes 
Auge erkennt, dass die Instrumente von weniger geschickter Hand 
gemacht sind. Er selbst bezeichnet mehrere derselben als nur un- 
ter seiner Aufsicht gemacht: iy sub disciplina StradivariiP Bei 
anderen erkennt man die Hand des Carl Bergonzi und der 
Söhne des Stradivari, Omobono und Francesco. Nach dem 



- 70 - 



Tode des berühmten Meisten fanden eich in seinem Atelier viele 
unfertige Instrumente vor ; sie wurden von seinen Söhnen vollendet. 
Die meisten davon enthalten in der gedruckten Etikette seinen Na- 
men; daher kommt die Unsicherheit nnd die Verwirrung in Beeng 
auf die Producta ans seiner letzten Zeit (Schluss f.) 



Die Frankfurter Oratorien -Concerte. 



ii. 

Der Rühl'sche Verein führte in seinem 1. Concert auf: eine 
Todten-Messe („Requiem*') von Bernhard Scholz und die „Atha- 
lia* von Mendelssohn. Das Werk von Scholz kam hier zum 
ersten Mal zur Aufführung. Dass sich bei der Einführung neuer 
Werke immer eine Schaar von Altgläubigen und Kunstheuchlern 
widersetzt, sind allbekannte Dinge. Ein Verein hat deshalb seine 
Noth, ein solches Werk zur Geltung zu bringen. Dem Rühl'schen 
Verein aber ist es gelungen, vermöge der grossen , bedeutungsvoll 
auftretenden Idee des Werks und der characteristischen Darstel- 
lung. Das ., Requiem" ist das 16. Werk von Scholz. Es zeugt 
von hoher Begabung des Künstlers, von einer sittlichen Strenge, 
von Ernst und Würde , wie wir sie nur bei unsern edelsten Ton- 
dichtern finden. Durch das ganze Stück zieht eine wahre, tief- 
ernste Trauer; es ist, als ob der Künstler den Schmerz über den 
Verlust eines geliebten Freundes zu einer Klage über das mensch- 
liche Schicksal gestaltet. 

In musikalischer Hinsicht zeigt das Werk, dass der Künstler 
die besten Vorbilder vor Augen hatte, nach denen er frei gestaltet. 
Der hohen Idee entsprechend, ist er überall gross nnd bedeutungs- 
voll. Breit, gewichtig ist das ,. Requiem" kraftvoll, wuchtig das 
„Diesirae" erschütternd und rührend „Lacrimosa dies,'* erhebend 
das „Sanctus" und voll milden Friedens das „Benedictes" und 
„Agnus Dei*. Die Gesangsmelodie ist einfach, ungeziert; die In- 
etrumentirung characteristisch , der jedesmaligen Situation entspre- 
chend. Die Harmonisirung ist meist ungezwungen; hier und da 
wären vielleicht einfachere Gänge wirkungsvoller gewesen. Das 
Werk trat als ein völlig in sich abgeschlossenes , fertiges vor uns 
hin; die durchgehende Stimmung beherrschte den Hörer vollkom- 
men von Anfang bis zum Ende. 

Der Rührsche Verein hatte das Werk in seiner ganzen Bedeu- 
tung erfasat ; der durchaus ernste, meist düstere Character des Werks, 
die sittliche Streuge des Componisten , leuchteten aus jedem Ton. 
Am meisten Eindruck machte das „Requiem," das „Benedictus" 
und das „Agnus Dei, u das sind die sanfteren Stücke. Die heftige- 
ren Ausbrüche im „Dies irae." „Rex tremendae majestatis" und 
n Sanctus tl gefielen weniger. Der Grund ist, weil sie an einer ge- 
wissen Starrheit leiden. Der Künstler verstand es nicht, die Mas- 
sen in ihrer Erregung so zu gliedern und zu gruppiren, wie in der 
Buhe. Die grosse Stimmung , welche durch jene hinzieht, die Be- 
herrschung bei ruhigerer Bewegung weisen aber auf ein achtes 
Künstlerthum, in dem die Keime einer grossen Zukunft liegen. 

Die Solo-Gesänge wurden von Fräulein Oppenheimer (vom 
Theater), Fräulein Schreck aus Bonn, den Herren Baumann 
und Karl Hill von hier vorgetragen. Sie waren dem Geist des 
ganzen Werks entsprechend, ernst und würdevoll. 

Den 2. Theil des Concertes bildete Mendelssohn 's „Athalia". 
Die Geschichte von der „Athalia" ist eine Schilderung der Greuel- 
thaten , wie sie bei den Juden nach dem Untergang der Volks- 
herrschaft in dem Streit zwischen Königs- und Priestergewalt viel- 
fach vorkamen. Sie wird erzählt im 2. Buch der Könige, 1 1. Haupt- 
stück, und im 2. Buch der Chronik, 22. u. 23. Hauptstück. Nach 
den ersten Königen hatten sich die Stämme getheilt in das Reich 
Israel und Juda. Nach einer Reihe von Kämpfen mit den Nach- 
barn und gegenseitigen Befehdungen erschlug Jehu die beiden Kö- 
nige von Israel und Juda und warf sich zum König über beide 
Reiche auf. Doch nur in Israel konnte er sich behaupten ; in Juda 
errang die schlaue Athalia, die Mutter des erschlagenen Königs 
A Uns i a , die Herrschaft. 

Diese, um ihre Herrschaft zu sichern, tödtete alle Verwandten 
des königlichen Hauses, selbst die Kinder ihres Sohnes Ahasia. 
Nur eines von ihnen ward durch Ahasias Schwester, Joseba, geret- 
tet ; es war das jüngste, der Säugling Jos«, Im Einverständnis« 



mit den Priestern versteckte eie ihn im Tempel sechs Jahre lang. 
Im siebenten gelang es dem Oberpriester Jojada eine Verschwö- 
rung gegen die tyrannische Athalia anzuregen ; Athalia ward über- 
fallen und getödtet, der siebenjährige Joas zum König ausgerufen. 
Mit dem unmündigen Königskind ward die Priesterherrschaft 
wieder befestigt Denn es heisst: „Der Priester Jojada machte 
einen Bund zwischen ihm und allem Volk und dem König, dass 
sie des Herrn Volk sein sollten.'* Dann „bestellte er die Aemter 
im Hause des Herrn unter den Priestern und Leviten"; nachdem 
nahm er die Obersten über Hundert und die Mächtigen nnd 
Herren im Volk und alles Landvolk und führte den König hinab 
in sein Haus und Hess den König sich auf den königlichen Stuhl 
setzen." Joas regierte 40 Jahre; er that, „was dem Herrn wohl 
gefiel, so lange der Priester Jojada lebte." Auch gab ihm der 
Priester seine Frauen. Auf des Priesters Geheiss musste das Volk 
die Altäre Baals [abbrechen und Joas Hess das Haus des Herrn 
erneuern und erweitern. 

Das Ergebnis« des Kampfs war ein Sieg der Priesterherrschaft; 
aber doch wars ein Fortschritt in der Cultur. Denn die Priester 
Jehovas vertrieben die Baalspfaffen und goldnen Kälber und mahn- 
ten an den nationalen Gott, d. i. in unserem Sinne gesprochen, an 
die nationale Selbstständigkeit. Nach der alten morgen- 
ländischen Anschauung war diese nicht anders denkbar , als durch 
die energische Führung von König- oder Priesterthum. Ob R a- 
eine, der aus dieser Geschichte eine Tragödie fertigte, sie in 
diesem Sinne genommen, möchten wir bezweifeln. Er dachte mehr 
an das tragische Geschick der Königin , als an die der Geschichte 
zu Grund liegende Tendenz. Von Mendelssohn dagegen ist 
anzunehmen, dass er sie mit einer gewissen Absicht gewählt hat. 
Ob zur blossen Vervollständigung seiner jüdischen Geschichte, die 
er in „Elias 1 * und „Paulus" begonnen, oder mit einer weiteren po- 
litischen oder religiösen Tendenz, wollen wir unentschieden lassen. 
Bedeutungsvoll ist wenigstens, dass diese Kämpfe des Priesterthums 
mit den gleichzeitigen Kämpfen des Deutsch-Katholicismus , des 
Protestantismus und den Emancipations-Versuchen der Juden zusam- 
mentreffen. 

Die Bearbeitung der Racine'schen Tragödie zu dieser oratori- 
schen Cantate geschah durch Eduard Devrient. Obgleich die- 
ser geistvolle Schriftsteller die Bedingungen eines Kunstwerkes ken- 
nen mochte, — in diesem Werk hat er sie nicht erfüllt, weil er 
die Geschichte, statt einfach erzählend oder dramatisch , nach Art 
der damaligen Literar-Historiker behandelte. Ueber die Vorgänge 
in der Geschichte wird stets wie von allbekannten Dingen geredet; 
Ausrufe der Verwunderung, der Freude, des Schreckens sprechen 
die Anschauung des Dichters aus; dem nicht Eingeweihten sind 
das aber vollständig rätbselhafte Dinge. Statt der wirklichen Hand- 
lung sehen wir stets nur Anklänge an eine solche vorüberziehen. 
Wenn dann der Rhapsode ein Stück Geschichte vorüberrauschen 
Hess, kommt der Chor mit neuen Gefühlsausbrüchen, die eigentlich 
nur das Gesprochene im Gesang wiederholen. Diese Chöre sind 
schon in der Dichtung sehr breit angelegt; durch die musikalische 
Ausbreitung werden sie noch verlängert , ohne eine Spur von Ver- 
tiefung zu zeigen. Mendelssohn lässt zwar einen grossen Theil der 
Gesänge bloss recitativisch vorüber ziehen ; dadurch werden sie aber 
nur der gesprochenen Rede ähnlicher und vermehren die Eintönig- 
keit. Nur einzelne Momente bekunden einen höhern Gefühls-Aus- 
druck, das sind die in der Katastrophe, wo sich die Geschichte 
dramatisch gestaltet. Der Kriegsmarsch und der folgende Chor, 
die Aufmunterung znr Schlacht und Anderes enthalten Züge gros- 
ser Begeisterung und lebendiger Wahrheit. 

Mendelssohn's Sprechweise ist hier so in Fleisch und Blut ein- 
gedrungen, dass seine Werke meist gut dargestellt werden. Die 
Freude der Mitsingenden und ihrer [Angehörigen ist's auch meist, 
die selbst diese schwächern Werke Mendelssohns bewundern lässt. 
Die Darstellung durch den Rühl'schen Verein war deshalb wohl 
gelungen und trotz der vielen Einöden ward das Werk mit Beifall 
aufgenommen. (Fortsetzung folgt. 



71 — 



CORBESPONDENZEN. 



Aus München. 

92. April. 

Die HH. Joseph Walter, Ad. Closner, Thoms u. Hippolyt 
Müller, diese wackern Quartettspieler, veranstalteten auch in der 
eben abgelaufenen Saison drei Soireen, in welchen sie, meist unter 
grösstem Beifall, folgende Compositionen zur Aufführung brachten: 
Quartett in Es-dur von Joseph H a y d n , Op. 64, Nr. 64 ; Quartett 
inF-dur, Nr. 8, und Quartett inA-dur von Mozart, Op. 10, Nr. 5; 
Quartett in C-moll, Op. 18, Nr. 4, Quartett in Es-dur, Nr. 74, und 
Serenade in D-dur für Violine, Viola und Violoncell, Op. 8, von 
Beethoven; Quartett in H-moll, Op. 75, von Franz Lachner; 
Octett in Es-dur, Op. 20, von Mendelssohn (bei dessen Auffüh- 
rung sie von den Hofmusikern Brückner, Benno Walter, Paul Moralt 
und Franz Bennat unterstützt wurden) und endlich Quartett in C-moll, 
Op. 17, Nr. 2, von Bub inst ein. Mit Vergnügen wurden wir ge- 
wahr, dass es sich die Arrangeurs dieser Sohlen angelegen sein 
lassen, ihr Publikum auch mit den Werken neuerer Tondichter be- 
kannt zu machen. 

Seit Franz W ü 1 1 n e r die Directum der Münchner Hofcapelle 
führt, macht sich dort nicht nur in dem festeren Einstudiren und 
präciseren Vortrag, sondern auch in einem interessanteren, abwechs- 
lungsreichen Programm, das bisher durch seine hartnäckige Stag- 
nation aufgefallen war, ein entschiedener Fortschritt aufs Ange- 
nehmste bemerkbar. Diese Bemerkung fanden wir vorzüglich in der 
Passionswoche bestätigt. Die an drei Nachmittagen in diesem Jahre 
zum ersten Male zur Aufführung gekommenen Responsorien vonPa- 
lestrina stammen aus des Componisten bester Zeit und gehören zum 
Schönsten und Stimmungsvollsten, was er je geschrieben hat. — Das 
Programm beim Hochamt am Gründonnerstag war in allen Stücken 
genau dasjenige der Sixtina in Rom. — Das „Miserere" von Leo, 
das am Gharfreitag zur Aufführung kam, nimmt neben. dem Alle- 
g r i'schen und einigen L a s s o'schen den bedeutendsten Platz unter 
allen Miserere's ein; Leo übertrifft aber den Allegri an Hcichthum 
der Erfindung und den Lasso an Popularität der Wirkung; sein 
Miserere ist seit vielen Jahren eine der berühmtesten Schöpfungen 
italienischer Kirchenmusik, wurde aber hier schon seit langer Zeit 
nicht mehr aufgeführt. — Als Componisten des „Stabat matär" 
nannte uns das Programm A s t o r g a (siehe darüber R i e h l's mu- 
sikalische Characterköpfe I.) : es ist ein sehr berühmtes Werk und 
um so interessanter, weil wir von Astorga sehr wenig besitzen. — 
Die am Ostermontag zur Aufführung gekommene Messe von Palestrina 
gehört zu seinen allerbesten Compositionen und ist die erste doppel- 
chörige, welche hier (Allerheiligenkirche) zu Gehör gebracht wurde. 

Sie sehen, wie reichhaltig und interessant das Programm war 
und die Aufführung entsprach den Forderungen, die man an eine 
Hofcapelle stellen konnte. 

Von Concerten der musikalischen Academie habe ich 
noch das vierte zu besprechen, das an der Spitze seines Programms 
die zwölfte Sinfonie (B-dur) von H a y d n trug. Dieser Meister hat 
wohl wenige Compositionen geschrieben, die so ganz modern klingen, 
wie diese; bei einem sprudelnden Gedankenreichthum erregt vor- 
züglich die feine duftige Instrumentation unsere vollste Bewunderung. 

Als zweite Nummer des Programms hörten wir drei ausländische 
Volkslieder (Schottisch in F. Dänisch in C, wobei vorzüglich der 
Refrain von wunderbarer Schönheit war und Böhmisch in As), die 
der Musikkonservator an der hiesigen Hofbibliothek, Dr. Julius 
Mayer, mit feinem Schönheitsgerahle harmonisirt hatte. - Nachher 
trat ein junger blinder Ciavierspieler auf, ein Baron Carl von der 
Tann aus Schweinfurt, der den Unterricht Bülow's geniesst. Er 
spielte den ersten Satz aus dem Schumann'scben A-moll - Concert 
und errang sich schon sein Unglück allgemeine Theilnahme, so er- 
regte seine Kunst, die Sauberkeit und Correctheit seines Spieles die 
Verwunderung des ganzen Auditoriums: der junge unglückliche Künst- 
ler wurde aufs Lebhafteste applaudirt. 

Die zweite Abtheilung des Concertes bildete Abert's „Colum- 
bus," ein seelenvolles, phantasie- und poesiereiches Tongemälde voll 
überraschender Einzelheiten , von schöner Arbeit und klarem Or- 
ganismus, 

Am 16. April veranstaltete die musikalische Academie ein ausser- 



ordentliches Concert und begann dasselbe mit der Ouvertüre zu 
Schillert „Demetrius" von Vincenz Lachner. Wenn wir auch 
die knappe Form und den Fluss der Melodie anerkennen, so konnte 
die Composition doch nicht erwärmen, sie entbehrt eines kräftigen» 
den Demetrius characterisirenden Gedankens. 

In der Beethoven'schen Concertarie „Ah! perfido" entwickelte 
Frau D i e z in Vortrag und Stimme so grosse Vorzüge , dass hun- 
dertfacher Beifall geweckt wurde. — Vor und nach ihr trat der 
Lippe-Detmold'sche Capellmeister und Violinvirtuose Bargheer als 
Concertant mit zwei Piecen (Concert für die Violine A-moll von 
Viotti und n Le trille du diabh? Sonate für die Violine von T ar- 
tin i) vor das Münchner Publikum. Den Teufelstriller haben wir 
nur einmal in der Art gehört, dass uns der Vortrag vollständig be- 
friedigte, von Joachim; dort klang es gerade so, als ob zwei freie 
Geigen neben einander gespielt würden, so vernehmlich, so selbst- 
ständig trat neben dem Triller die Melodie' heraus. Herr Bargheer 
ist übrigens ein feinfühlender, geschmackvoller Geiger mit einer 
grossen Technik. Schade, dass wir für seinen Ton nicht ein gleiches 
Lob haben. In dem Concerte fiel es auf, dass das Quartett gegen 
die Bläser viel zu tief war, wodurch das Ohr manchmal empfindlich 
beleidigt wurde. — Hr. Frank, einer der jüngsten unserer Kunst* 
priester dahier, machte sein erstes Debüt vor dem Concertpublikum 
mit dem Vortrage eines Chorals, Präludium und Fuge (A-moll) für 
die Orgel von J. S. Bach, einer Composition, zu deren vollkommen 
exaetem, an Schwierigkeiten reichem Spiel allerdings geübtere Kräfte 
Wünschenswerther gewesen wären. Doch der Debütant fand Gnade 
in den Augen des Publikums und er wurde gerufen. 

An diese Nummern schloss sich Felicien David's „Wüste" 
(Declamation Hr. Dahn, Tenorsolo Hr. Heinrich). Es mögen 
etwa zwanzig Jahre her sein , als der damals junge Componist in 
dem nämlichen Saale gerade auf dieser Stelle, wo heute Lachner 
die Battuta schwang, stand und die erste Aufführung seiner „Wüste" 
dirigirte. Diese Composition war es, die ihm einen Ruf verschaffte 
und keines seiner späteren Werke, selbst „Lalla Rookh" nicht, über- 
bietet dieses an Originalität und Poesie. Und wenn auch gewisse 
Instrumentaleffecte , wie der häufige Orgelpunkt auf der Dominante, 
unangenehm oft wiederkehren und Liedertafel - Compositionen (z. B. 
die Stelle „nur Muth und Alles geht gut") nicht fehlen , so finden 
wir dagegen in der feinen Organisation des Tonwerkes, in der eigen- 
thümlichen den Orient veranschaulichenden Klangwirkung, in den 
fremdartigen Melodien einen solchen Reiz, dass diese Sinfonie immer 
wieder gerne gehört wird, besonders wenn sie so tadellos zur Auf- 
führung kömmt, wie es jüngst unter Lachner's Direction geschah. 

Das letzte Concert der Saison war jenes , das unser berühmter 
Clarinettist Carl B ä r m a n n veranstaltete. Es wurde mit B e e t- 
hoven'8 grossem Septett in Es-dur eröffnet; die Composition fand 
eine wahrhaft virtuose Darstellung. Die Tochter des Concertgebers, 
Frl. Marie Bärmann, sang hierauf die etwas zopfige Arie des 
Sextus aus Mozart's Titus: „Ach nur einmal noch im Leben," in 
deren Vortrag sie eine hübsche , metallreiche Stimme zeigte , die 
jedoch der Schulung noch sehr bedarf. Die darauffolgenden höchst 
anmuthigen Variationen für Clarinette, zwei Violinen, Viola und 
Cello vonSpohr wurden von denHH. Bärmann, Walter, Clos- 
ner, Thoms und Müller mit gewohnter Meisterschaft vorgetra- 
gen, namentlich zeichnete sich der Concertgeber dabei aus. Ein 
junger Harfenvirtuose, Hr. Heinrich Vizthum, ein Schüler unseres 
Tombo , trug hierauf eine ziemlich inhaltslose grosse Fantasie über 
Motive aus Rossini's „Moses" von Parish Alvars mit staunens- 
werther Technik vor, die ihm lebhaften Beifall gewann. Auch Frl. 
Laufer fand mit der Schlummerarie aus der „Afrikanerin," die sie 
mit bedeutender Stimme, jedoch ohne Geschmack und Verständnisa 
sang, ziemlichen Applaus. Nach einem vom Concertgeber compo- 
nirten und vorgetragenen Fantasiestück für Clarinette, welches im 
vollsten Masse Gelegenheit bot, die schon oft bewährte Meisterschaft 
Bärmann's in ihrem vollsten Glänze bewundern zu können, sangen 
Frl. Bärmann und Frl. Laufer zwei von den bekannten Duetten für 
Frauenstimmen von Mendelssohn, jedoch nur in unzureichender Weise. 
Versöhnend wirkte der Schluss des Concertes , ein Duo von Men- 
delssohn für Clarinette und Bassethorn, das einst der Componist 
eigens für seinen Freund Bärmann geschrieben. DieBes reizende 
Tonstück wurde von den HH. Venzl und Bär mann tadellos vor- 
getragen und vom Publikum mit dem reichsten Beifall aufgenommen 



- 72 — 



Die Oper bietet keine erquickliche Veranlassung , sich über 
dieselbe zu verbreiten. Frl. Stehle gastirt in Wien, Hr. Kinder- 
mann in Bremen und über ein Frl. Storck, einen Herrn Norbert 
und Simons u. dgl. lässt sich nichts Erfreuliches mittheilen. 

Im Actien-Yolkstheater gefiel ein Singspiel: „Ein schüchterner 
Versuch" von dem dortigen Capellmeister Konradin, das wir wegen 
seines hübschen Stoffes und seiner leichten, gefälligen Musik überall 
hin empfehlen möchten. Z. 

Maclirlcltten. 



Mainz, 26. April. Hr. Betz sang noch den! Wolfram* im'„Tann- 
häuser" und den König in „Ernani". Wir können uns in Betreff 
seiner Leistung wiederholt auf unser nach seinem ersten Auftreten 
abgegebenes Urtbeil bezieben und stimmen im Ganzen gerne mit in 
den Beifall ein, der ihm von dem Publikum so häufig als lebhaft 
dargebracht wurde. Möge Hr. Betz seine Vaterstadt in nächster 
Saison, und zwar in einer für den Theaterbesuch günstigeren Jahres- 
zeit wieder mit seinem Besuche erfreuen, und er wird mit derselben 
Wärme wie diesmal empfangen werden. Hr. Götte, der sich im 
«Waffenschmied" von Lortzing als ein auch in der Spieloper mit 
Glück und Geschick sich bewegender Künstler erwies , führte die 
Partie des Tanohäuser in recht anerkennenswerther Weise durch, 
uud wir können uns nur freuen, wenn sein Gastspiel bereits wirklich 
su seinem Engagement für die nächste Saison geführt hat, wie wir 
aus guter Quelle vernahmen. 

Max Bruck's „Loreley" ist bereit3 viermal gegeben worden, 
übt aber unbegreiflicher Weise nicht die erwartete Zugkraft auf das 
Publikum aus, die dieses Werk an mehreren Orten schon bewährt 
hat. — Nächster Tage soll der erste Bassist der Wiener Hofoper, 
Herr Dr. S c h m i d dahier als Bertram und als Cardinal in der 
„Jüdiu" auftreten ; gegenwärtig gastirt derselbe mit enormem Erfolge 
in Frankfurt a. M. 

Am Mittwoch den 24. d. M. fand das vierte und letzte Sinfonie- 
concert des Theaterorchesters unter Capellm. Dumont's Leitung 
statt. Man gab die Sinfonie „Columbus" von Abert, eine Ouvertüre 
su „König Lear" von Dumont und Beethoven's C-moll -Sinfonie. 
Abert's schönes, poesievolles Werk wurde hier zum ersten Male 
gehört, und obwohl die Aufführung an Glätte manches zu wünschen 
übrig Hess, doch mit vielem Beifall aufgenommen. Auch die C-moll- 
Sinfonie verfehlte nicht, in ihrer unwiderstehlichen Weise zu fesseln. 
Die Ouvertüre Dumont's ist sehr effectvoll und fand vielen Beifall. 
Möge das Orchester das unter Dumont's Leitung so rühmlich be- 
gonnene Unternehmen mit Ausdauer und Consequenz fortführen, und 
die guten Folgen für die Unternehmer wie für das hiesige Kunst- 
leben werden nicht ausbleiben. E. F. 

Wien. Das unter Herbeck's Leitung im Redoutensaale statt- 
gefundene Concert für Errichtung eines Mozart-Monumentes auf dem 
Mozartplatze (Wieden) hat, im grossartigen Style angelegt und aus- 
geführt, auch einen grossartigen Erfolg erzielt. Das Orchester be- 
stand aus 120 Streichinstrumenten und doppelt besetzter Harmonie, 
und die Egraont- Ouvertüre sowie Mozart' s Jupiter-Sinfonie machten, 
von diesen Massen geist- und schwungvoll ausgeführt, einen unbe- 
schreiblichen Eindruck. Die gemischten und Männerchöre wurden 
vom Singverein und Männergesangverein mit herkömmlicher Meister- 
schaft vorgetragen, und die Gesangssoli waren vertreten durch die 
Damen Stehle, Artdt und Le eder und die HH. Calzolari 
Everardi, Rokitansky, Hrabanek, Panzer und Lirn- 
berger. Von besonderem Interesse waren die von Rossini nur 
für die Aufführung in diesem Concerte (siehe unsere vorige Nummer) 
eingesendeten beiden Compositionen, „Weihnachtsgesang" für Bass- 
solo und gemischten Chor mit Clavierbegleituug, und „Gesang der 
Titanen" von vier Bassstimmen im Unisono mit Orchesterbegleitung 
vorgetragen. Beide Stücke machten eine sehr günstige Wirkung 
«od wurden mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Sogleich nach 
Beendigung des Coneertes wurde an Rossini nachstehendes Telegramm 
abgesendet: 

Alf illustrissimo Maestro Rossini! (rue de la chausse'e Nr. 2 
a Paris). Le concert monstre, arrange ä Vhonneur de no/re 
immortel Mozart, avait un succe's enorme. Vers 6000 personnes, 
la creme de la Noblesse et des artistes assistaient avec une 



Sympathie touchante ä ccttefete extraordinaire. Les deux bijoux, 
que votre genie a voue' au souvenir de feu votre frere en Apolle, 
brillaient comme des veritables diamants dans la couronne de 
chef d'oeuvres dont on a fourni cette fite solenne. 
Les details suivront si tot que possiblel 

Antoine Burg, 
chef de la communautä Wieden. 

— J. Fürst hat die Direction des Josephstädter Theasers 
niedergelegt und zieht wieder in den Prater, den er auch nie hätte 
verlasseil sollen. 

Brüssel. Am 8. April fand das 8. und letzte der populären 
Concerte des Hrn. Samuel statt. Man gab Fragmente aus Beet- 
hoven's Musik zu „Proniotheus - , Andante und Scherzo aus einer 
Sinfonie von Samuel, Ouvertüren von Joachim Raff und Alex. Stadt- 
feld, und Hr. Colyns spielte ein Violinconcert von Spohr. 

Paris. Am 22. April fand das 5. und letzte der ausserordent- 
lichen Conservatorien - Concerte statt und zwar mit folgendem Pro- 
gramme : Pastoral-Sinfonie von Beethoven ; Finale aus „Euryantbe" 
von Weber; Hymne von Haydn, von sämmtlichen Streichinstrumenten 
ausgeführt; Recitativ und Arie aus „Idomeneus" von Mozart, ges. 
von Mme. Van denheu vel-Duprez; Ouvertüre zu „Oberon* 
und zum Schluss der 98. Psalm für Doppelchor von Mendelssohn. 

— Einem im „Moniteur" erschienenen Deeret zufolge ist dem 
bisherigen Director der grossen Oper, Hrn. Emil Perrin, dieses 
Institut vom 15. April an auf eigene Rechnung und Gefahr als 
Privatunternehmer überlassen worden. Schon einmal , und zwar 
nach der Revolution von 1830 war die grosse Oper als Privatunter- 
nehmen und zwar anVeron überlassen worden mit einer Subvention 
von 810,000 Frcs. Veron zog sich 1835 mit einem Gewinn von 
900,000 Frcs. zurück. Nachdem Duponchel, Leon Pillet und 
Roqueplan die Anstalt mijfc mehr oder minder Glück geleitet 
hatten, kam 1854 dieselbe wieder unter das Ministerium des kaiserl. 
Hauses zu stehen , und die seither angestellten Directoren waren 
C r o 8 n i e r, Alphonse Royer und Perrin. Das Budget der 
grossen Oper, welches sich vor der Revolution von 1789 auf einige 
100,000 Frs. belief, beansprucht heutzutage drei bis vier Millionen. 

* m * Der Violoncellvirtuose Feri Kietze r, der bereits als Ver- 
schollener beklagt wurde, ist jetzt von seiner Concertweltreise glück- 
lich zurückgekehrt und befindet sich eben in Dresden. Musikfreunden 
wird erinnerlich sein, dass er vor drei Jahren seine musikalische 
Weltfahrt von Frankreich aus mit dem Plansten Wehle begann, 
und Letzterer kehrte schon vor zwei Jahren zurück nach einem 
gemeinschaftlichen Aufenthalte in Indien. Kletzer war erkrankt und 
musste in Java über ein halbes Jahr verweilen. Er besuchte dann 
noch China , Japan , wandte sich dann nach der Insel Mauritius, 
endlich nach der Capstadt — auf welcher Fahrt ihm noch die Er- 
fahrung eines Schiffbruchs bestimmt war — und kehrte dann über 
England nach Deutschland zurück. Möge der kühne musikalische 
Wanderer hier allseitig wieder einen wohlwollenden, warmen Em- 
pfang finden. 

*** Da Rieh. Wagner die Villa, welche er gegenwärtig in 
der Nähe von Genf bewohnt, auf weitere sechs Monate gemiethet 
hat, so dürfte seine Rückkehr nach München wohl kaum vor dem 
nächsten Winter erfolgen. 

*** Bei dem Mitte Juni in Hannover stattfindenden Musikfeste 
werden die „Jahreszeiten" von Haydu, „Cäeilienode" und „Halle- 
lujah" von Händel, die 9. Sinfonie von Beethoven und noch andere 
Vocal- und Instrumentalstücke zur Aufführung kommen. 

*** In Pasdeloup's vorletztem populären Concerte in Paris 
wurde das Adagio und Scherzo aus Hiller's Sinfonie: „Es muss 
doch Frühling werden mit grossem Beifall aufgenommen, und eben- 
so das dort zum erstenmale vor einem grösseren Publikum aufge- 
führte , von J a e 1 1 gespielte Clavierconcert von Schumann. Jaell 
wurde enthusiastisch applaudirt und hervorgerufen. 

V 6 Abbe Liszt wird bei seiner Tochter, der Gattin Hans 
von Bülow's in München zum Besuch erwartet. 

%* Vieuxtemps concertirte mit seinerTochter, welche Sängerin 
ist, in einigen Städten Belgiens und befindet sich nun in Paris. 

*** Molique beabsichtigt, England für immer zu verlassen 
und sich in der Nähe von München der Ruhe hinzugeben. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck t>. Carl Wallatb Mainz. 



15. Jahrgang. 



JW* MO. 



7. Mai 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



■ Diese Zeitung erscheint j eden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
lungen. 



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fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. \vJ£ ££%£*■. 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. jU™ _ _ _ ™™™_o4 



INHALT: Anton Stradivari. — Correspondenzen : Paris. New- York. — Nachrichten. 



Anton Stradivari. 

Biographische Skizze von F. J. Fetis. 



( S ch luss.) 

Stradivari hat nur eine kleine Anzahl von Bratschen gemacht ; 
sie sind alle von grossem Format. Die Qualität des Tones ist durch- 
dringend, edel, sympathisch, kurz von grösster Schönheit. Violon- 
cellos sind in grösserer Anzahl aus seinen Händen hervorgegangen; 
man bemerkt an ihnen denselben zunehmenden Fortschritt in der 
Vollkommenheit der Arbeit und der köstlichen Vollendung, wie bei 
den Violinen. Diese Instrumente sind von zwei verschiedenen For- 
maten ; das eine gross , welches man früher B a s s nannte , das 
andere kleiner, das eigentliche Violoncell. Zur ersten Cathegorie 
gehört das Instrument des berühmten Violoncellvirtuosen Servais 
in Brüssel. Die Sonorität dieses schönen Instrumentes ist von ausser- 
ordentlicher Macht, vereinigt mit weichem Silberklang. Das Violon- 
cell des ausgezeichneten Virtuosen Franchomme in Paris ist von 
der kleineren Patrone und gehörte früher Duport; es ist ein In- 
strument von hohem Wertb. Heutzutage zieht man dieses Format 
vor, da die Dimensionen desselben bequemer sind für die Ausführung 
von Schwierigkeiten. Es bedarf der Hand eines Servais für einen 
so grossen Bass wie der seinige. Die Violoncellos von Stradivari 
übertreffen weitaus alle andere Instrumente dieser Gattung ; ihre 
mächtige Stimme besitzt eine Grossartigkeit, eine Vorzüglichkeit der 
Klangfarbe und eine Brillanz ohne Gleichen. Diese kostbaren Eigen- 
schaften rühren einestheils von der Wahl des Holzes, andererseits 
von dem Grade der verschiedenen Dicke, und endlich von der ge- 
nauen Uebereinstimmung aller Theile des Instrumentes her, welche 
in der Art ins Gleichgewicht gestellt sind, dass die Schwingungen 
frei, energisch und anhaltend werden. Was diesen Instrumenten über- 
haupt ihre Ueberlegenheit verschafft, das ist, wie bei den Violinen, 
die beständige Beobachtung der Gesetze der Akustik. 

Zu Stradivari's Zeiten waren noch alle Arten von Violen im 
Orchester gebräuchlich; er selbst verfertigte deren viele von ver- 
schiedener Form und Grösse, mit sechs und sieben Saiten, sowie 
auch Guitarren, Lauten und Mandoren. Eines dieser letzteren In- 
strumente, von Stradivari gebaut, ist das Eigenthum des berühmten 
Geigenmachers Vuillaume in Paris. Die Feinheit der Arbeit und 
die Schönheit des Lackes sind bewundernswürdig; der Schnitt des 
Kopfes ist von seltener Zartheit , und in seinem Ganzen wie im 
Einzelnen vereinigt dieses hübsche Instrument jede Art von Voll- 
kommenheit. 

Zwei Dinge sind besonders bemerkenswerth bei den Arbeiten 
des Anton Stradivari, nämlich die Vortrefflichkeit seiner Instrumente 
und die fast unendliche Menge derselben. Freilich erklärt sich diese 
Fruchtbarkeit durch das hohe Alter, welches der Meister erreichte, 
und durch die anhaltende Thätigkeit, der er sich bis in seine letzten 
Tage hingab. Stradivari gehörte zu jener geringen Anzahl auser- 
wählter Menschen, welche sich die Vollkommenheit zum Ziele ge- 
steckt haben, soweit diese überhaupt menschlich erreichbar ist, und 



sich dann niemals von der Bahn, die dahin führt, entfernen, welche 
nichts zerstreut, nichts von ihrer Aufgabe abwendig macht, welche 
durch Täuschungen nicht entmuthigt werden und, erfüllt von dem 
Glauben an den Werth ihrer Aufgabe sowie von ihrer Befähigung für 
die Lösung derselben, das was sie gut gemacht haben immer wieder 
von Neuem beginnen, um zur möglichsten Vollkommenheit zu ge- 
langen. Für Stradivari war die Geigenmacherkunst die ganze Welt 
und in ihr concentrirte sich seine ganze Personalität. So erklimmt 
man den Gipfel des Strebens , wenn die Fähigkeit dem Wunsche 
entspricht. Sein ganzes langes Leben brachte er in seinem Atelier 
zu , vor seinem Arbeitstische , den Zirkel oder sein Werkzeug in 
der Hand. 

Es wurde früher schon angedeutet , dass Anton Stradivari im 
Alter von 92 Jahren, im Jahre 1736, eine Geige vollendete. Er 
war schon seit Jahren auf den Tod vorbereitet, denn er hatte schon 
1729 seine Ruhestätte bereiten lassen. Die auf dem von ihm selbst 
bestellten Grabsteine angebrachte Jahreszahl 1729 führte zu dem 
Irrthume, als sei Stradivari in diesem Jahre gestorben; allein die 
Auffindung der Violine von 1736, in welche er selbst sein Alter von 
92 Jahren eingeschrieben hatte, vernichtete diese Tradition. Neue 
sorgfältige Nachforschungen sahen sich endlich mit Erfolg gekrönt 
und führten zu dem richtigen Datum des Todes des berühmten 
Künstlers. In einem authentischen Auszuge aus den Registern der 
Cathedrale von Cremona, welcher Hrn. Vuillaume, unterzeichnet voa 
Hrn. Fusetti, Vicar dieser Kirche, ausgefertigt wurde, findet maa 
den Beweis, dass Anton Stradivari am 19. December 1737 beerdigt 
wurde, und dass er folglich am 17. oder 18. desselben Monats im 
Alter von 92. Jahren gestorben ist. Allein sonderbarerweise wurden 
weder seine eigenen, noch die Ueberreste seiner Kinder in der Gruft 
beigesetzt , die er selbst hatte errichten lassen , denn der obener- 
wähnte Auszug aus dem Todtenregister enthält folgendes: „In dem 
Buche, betitelt: Libro de morti in der Kirche von St. Dominik, 
welches in dem Archive dieser Pfarrei aufbewahrt wird, findet mau 
folgenden Passus: „Vom 17. December 1737. Begraben der ver- 
lebte Herr Anton Stradivari und beigesetzt in die Gruft des Herrn 
Franz Vitani, in der Rosenkranz-Capelle, Pfarrei St. Mathias". Von 
der Cathedrale von Cremona, am 19. September 1855. Beglaubigt 
und unterzeichnet von Fusetti (Julius), Vicar." 

Anton Stradivari war verheirathet und hatte drei Söhne und 
eine Tochter. Die Söhne hiessen Francesco, Omobono undL 
Paolo. Diebeiden ersteren arbeiteten in dem Atelier ihres Vaters» 
Paolo widmete sich dem Kaufmannsstande. Das Leben des Anton 
Stradivari war ruhig und friedlich wie sein Gewerbe. Nur das Jahr 
1702 störte seine Ruhe beträchtlich, indem während des Erbfolge- 
krieges die Stadt Cremona vom Marschall vonVilleroy den Kaiser- 
lichen entrissen, vom Prinz Eugen wiedererobert und endlich zum 
drittenmale von den Franzosen eingenommen wurde ; allein nach 
dieser Epoche erfreute sich Italien einer langen Ruhe, in welcher 
das Alter unseres Künstlers dahinfloss. Man weiss wenig über seine 
von allen Ereignissen freie Existenz. Folledro, ehemals erster 
Violinist und königlicher Capellmeister in Turin, welcher 1822 hoch- 



74 



bejahrt gestorben ist, erzählte, dass sein Lehrer den Meister Stra* 
divari in seinen letzten Jahren gekannt habe und gerne von ihm 
sprach. Dieser war , erzählte er , von hohem Wuchs und mager. 
Gewöhnlich trug er im Winter eine Mütze von weisser Leinwand 
und im Sommer von Baumwolle und zog einen Schurz von weissem 
Leder Über seine Kleider, wenn er arbeitete; da er aber immer ar- 
beitete, 80 veränderte sich sein Costüm nicht oft. Durch seinen 
Fleiss und seine Sparsamkeit war er mehr als wohlhabend geworden, 
denn die Bewohner Cremona's pflegten zu sagen: „Reich wie Stra- 
divari," obwohl er den Preis seiner Violinen nur auf vier Louisd'or 
festgesetzt hatte. Zur Zeit, da er lebte, konnte man auch unter 
diesen Bedingungen Reichtbum erwerben. B e r g o n z i, ein Enkel 
des Carl Bergonzi (des besten Schülers Stradivari's nach Guarne- 
r i u s), der im Alter von 80 Jahren starb, bezeichnete das Haus Nr. 1239 
auf dem St. Dominik- Platze als dasjenige, in welchem sich da« 
Atelier des Stradivari befand. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Paris. 

2f . April. 

Ferdinand Hiller, der sich seit mehreren Wochen hier 
aufhält, hat Torigen Montag im Saale Erard vor einem ebenso ge- 
wählten als zahlreichen Publikum eine musikalische Soiree gegeben, 
in welcher er eine Reihe seiner Compositionen boren Hess. Der 
Erfolg dieser Soiree war ein äusserst glänzender, und mehrere Stücke 
tnussten auf stürmisches Verlangen wiederholt werden, wie z. B. der 
Ghasel in der Serenade für Piano, Violine und Violoncell, und eine 
Gavotte. Den Schluss des reichen Programms bildete eine aus zwölf 
Stücken bestehende Operette ohne Worte, welche von dem Concert- 
geber und der Frau Szarvady mit grosser Meisterschaft gespielt 
wurde. Das Publikum bewunderte in Hiller nicht nur den phantasie- 
reichen, durchgebildeten Compositeur, sondern auch den vortrefflichen 
Pianisten , der sich von dem paukenden und polternden Virtuosen- 
thum fern hält, und dessen ruhiges, geschmackvolles Spiel wahrhaft 
wohlthuend wirkt. Ich darf nicht vergessen zu erwähnen, dass ausser 
Madame Szarvady auch noch Alard und Franchomme mitwirk- 
ten. Hiller's musikalische Soiree war eine der interessantesten, die 
hier seit Jahren stattgefunden. 

Die grosse Oper macht mit „Don Juan" vortreffliche Geschäfte. 
Trotz der bereits eingetretenen hohen Temperatur drängt sich das 
Publikum herbei, um Mozart's Meisterwerk zu hören. Dasselbe wird 
nächsten Donnerstag im Thdätre lyrique zum erstenmale aufgeführt 
werden, und ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu sagen, dass man 
auf diese Darstellung allgemein gespannt ist. In dem ebengenannten 
Theater wurde vorigen Dienstag „Martha", wie es heisst zum letz- 
tenmal in dieser Saison, bei überfülltem Hause gegeben. Was die 
neue Oper von Flotow, „Zilda" betrifft, so werden im Laufe dieser 
Woche die Orchesterproben beginnen. Mme. C a b e 1 ist mit der 
Hauptrolle betraut. 

In der italienischen Oper hat Mittwoch Adelina Patti ihre 
Benefizvorstellung gegeben. Die Diva sang die Bollen der Norma, 
der Lucia und Violetta, und wie es sich leicht denken lässt, unter 
enthusiastischem Beifall ihrer Verehrer. Die Einnahme betrug fast 
zwanzigtausend Franken. 

Felicien David liegt in St. Germain, wo er auf Besuch bei 
einem Freunde ist, krank darnieder. Der Aufenthalt in Russland 
hat sehr nachtheilig auf seinen Gesundheitszustand gewirkt. 



*>8 0» 



Aus Wew-lTork. 

Monat H8rz 

Den zahlreichen Lesern Ihres Battes wird es nicht uninteressant 
sein, etwas über amerikanische musikalische Zustände zu erfahren 
und nähere Aufklärung über unsere künstlerische nBestrebungen zu 
erhalten. Sie werden sich über die Programme unserer Concerte 
freuen und staunen, welchen Standpunkt wir hier erreicht. Um aber 
eine klare Uebersicht zu erlangen, und das Streben und den Fort- 
schritt unserer mnsikalischen Kreise zu würdigen und anzuerkennen, 



muss man nicht blos das schon Erreichte in Betracht ziehen oder 
diese Errungenschaften absolut mit denen der alten Welt vergleichen. 
Man darf nicht vergessen, dass dieses Land noch immer mit den 
gröbsten materiellen Interessen zu kämpfen hat. Und bei ganzen 
Völkern, sowie bei Individuen, müssen erst die noth wendigsten Be- 
dürfnisse befriedigt, ein gewisser Wohlstand und Muse geschaffen 
werden, ehe man sich den veredelnden Einflüssen der schönen Künste 
widmen kann. Ausser in einigen grossen Städten des Ostens wurde 
Musik vor einigen 20 Jahren nur wenig gepflegt, kaum gekannt. 
Eine Geige, ein altes Ciavier im Besitze weniger europäischer Ein- 
wanderer war ein Ereigniss, das Staunen und Entzücken in kleineren 
westlichen Städten erregte. 

Um diese Zeit wurde die philharmonische Gesellsch aft 
in New-York gegründet, die als erster Pfeiler im Tempel der 
Musen dasteht. Sie zählte die fähigsten Musiker zu ihren Mitglie- 
dern , und diese sind ausschliesslich Deutsche. Jetzt fingen auch 
mitunter ziemlich gute, zum grössten Theile aber erbärmliche Opern- 
truppen an ihr Glück in Amerika zu versuchen. Strakosch und 
Maretzek waren unter den ersten, die eine permanente Oper zu 
gründen suchten. Manche hatten die Kühnheit und den Unterneh- 
mungsgeist, mit Sängern, die man im Osten veilacht, ohne Orches- 
ter Streifzüge nach dem Westen zu machen. So wurde „Don Juan" 
einst mit Ciavierbegleitung und ohne Chor aufgeführt. Die Ver- 
breitung und die Fortschritte der Musik waren bis jetzt noch nicht 
bedeutend, aber doch das Interesse für die Kunst rege geworden. 
Da kam das Jahr 1848 mit seiner geistesfrischen, thätigen deutschen 
Einwanderung. Sie durchdrang alle Theile der Union und war 
überall der unermüdliche Pionier deutscher Civilisation und deutschen 
Fortschrittes. Das amerikanische Volk, für jede neue Idee leicht 
empfänglich, fühlte bald den Einfluss dieser neuen Bevölkerung in 
jedem Pulsschlage. Die schönen Künste, besonders Musik, nahmen 
einen schönen Aufschwung. In jedem Städtchen wurde Musik ge- 
trieben, sie drang in alle Kreise, überall entstanden neue Ciavier- 
fabriken, bis das Ciavier ein so unentbehrliches Möbel eines 
amerikanisches Parlors war , wie das Sofa. Mit der vielen Musik 
und dem deutschen Einflüsse kam auch ein verfeinerter und ver- 
edelter Geschmack. Die Compositionen unserer grössten Meister 
werden in amerikanischen Kreisen schon gewürdigt und vortrefflich 
vorgetragen. 

Wenn wir bedenken , wieviel hier in so kurzer Zeit geleistet 
worden, wie schnell und mächtig sich das amerikanische Volk in 
jeder Beziehung entwickelt, können wir wohl stolz sein auf unsere 
Errungenschaften und voll Hoffnung in die Zukunft blicken! Und 
um auf die Gegenwart zurückzukommen, kann sich nicht New-York 
mit den meisten europäischen Städten messen? Eine kurze Auf- 
führung der vorzüglichsten musikalischen Leistungen dieser Saison 
wird Ihnen dies klar machen. 

Die „Philharmonische Gesellschaft" brachte in ihren bisherigen 
fünf Concerten folgende Werke, nebst kleineren Sachen und Solo's, 
zur Aufführung: I. Concert. Sinfonie N° 4 in D-moll von B. Scha- 
mann; sinfonische Dichtung „Mazeppa" von Liszt (zum 1. Male); 
Ouvertüre zu Leonore N° 3 von Beethoven. II. Concert. Sinfonie 
N* 8 in F - dur von Beethoven ; Ouvertüre zu „Prometheus" von 
Bargiel (zum I.Male); die ganze Musik zum „Sommernachtstraum tt 
von Mendelssohn. III. Concert. Sinfonie N° 1 in D von Mozart 
(zum 1. Male); Ouvertüre zu „Melusine" von Mendelssohn; fantas- 
tische Sinfonie: „Ein Künstlerleben" von Berlioz (zum 1. Male). 
IV. Concert. Sinfonie N° 3 in Es-dur von R^ Schumann; Introdue- 
tion zu „Tristan und Isolde" von R. Wagner (zum 1. Male); Ouver- 
türe zu „Euryanthe" von C. M. v. Weber. V. Concert. Sinfonie N* 7 
in A-dur von Beethoven; eine „Faust a -Ouvertüre von R. Wagner; 
Ouvertüre zu den „Vehmrichtern" von Berlioz. Herr Carl Berg- 
mann, der diese Concerte dirigirt, kann in Präcision und Genialität 
der Auffassung sich mit den grössten Capellmeistern messen. Er 
neigt sich entschieden der Zukunftsmusik zu , und wir verdanken 
seiner Energie die Aufführung vieler neuer Compositionen. 

Die HH. Mason (Pianist) und Theodor Thomas, Mosen- 
thal, Matzka und Bergner (Streichquartett) liefern uns jeden 
Winter sechs Concerte classischer Kammermusik: I. Soiree. Streich- 
Quartett inG-dur, N° 1 von Mozart; Clavier-Trio in D-dur, Op. 70, 
N° 2 von Beethoven; Streich- Sextett in B-dur, Op. 18 von Brahms. 
II. Soir6e. Streich - Sextett in C-dur, Op. 140 von Spohr; Ciavier- 



— 75 — 



Trio in G-moll, Op. 110 von Schumann ; Streich-Quartett in Es-dur, 
Op. 74 von Beethoven. III. Soiree. Str.-Quartett in G-dur, Op. 84 
von Haydn; Cl.-Trio in A-dur, Op. 26 vonBrahms; Str.-Quartett in 
C-dur Op- 59, N° 3 von Beethoven. IV, Soiree. Str.-Quartett in 
A-dur, Op. 18, N* 6 von Beethoven; Cl.-Trio in F-dur, Op. 6 von 
Bargiel; Str.-Quartett in C, Op. 163 von Schubert. V. Soiree, 
^tr. - Quartett in C-dur, N° 6 von Mozart; Cl.- Quartett in Es-dur, 
Op. 47 von Schumann ; Str.-Quartett in F-dur, Op. 136 von Beethoven. 
VI. Soiree. Str.-Quartett in F, Op. 41, N° 2 von Schumann; Cl.- 
Trio in B-dur, Op. 99 von Schubert ; Str.Quartett in Es-dur, Op. 127 
von Beethoven. — Diese Künstler verdienen und geniessen auch 
-allgemeine Achtung für die uneigennützigen Bestrebungen und die 
Ausdauer, mit welcher sie seit 1855 diese Concerte aufführen, um 
das amerikanische Publikum durch classische Compositionen zu bilden. 
Herr Thomas bat seit 2 Jahren , unterstätzt von den ange- 
sehensten Bürgern, die Leitung von Orchesterconcerten übernommen, 
die denen der philharmonischen Gesellschaft sehr ähnlich sind, und 
die einem stark gefühlten Bedürfnisse abhelfen ; da diese Gesellschaft 
nur 5 Coucerte gibt, und deren Programm nicht so reichhaltig sein 
kann, so hat Hr. Thomas einen Cyclus von 5 Concerten begonnen, 
in denen er versucht, theils die Werke der neuesten Componisten, 
theils die unserer ältesten classischen Meister dem Publikum vorzu- 
führen, und dabei die glänzendsten Erfolge erzielt. Seine Programme 
sind: 1. Sinfonie-Soiree. I. Theil. Sinfonie in B-dur, N° 4 Op. 60, 
von Beethoven; Gesang; Allegro de Concert Op. 46 von Chopin 
{William Mason). II. Theil. „Mazeppa", sinfonische Dichtung von 
Liszt; Gesang; „Einladung zum Tanze" von Weber, instrumentirt 
von Berlioz. 2. Soiree. I. Theil. Sinfonie in B-dur, Op. 38, N° 1 
von Schumann; Gesang. IL Theil. Concert für Piano in Es-dur 
von Liszt (S. B, Mills); Gesang; Scherzo (B-moll, Op. 20 von 
Chopin; Leonoren- Ouvertüre N° 3 von Beethoven. 3. Soiree. I. Theil. 
Sinfonie in C-dur von Bargiel. II. Theil. Ouvertüre zu „Melusine" 
Op. 32 von Mendelssohn ; Fantasie in F-moll, Op. 49 von Chopin ; 
Oesang; Fantasie für Piano, Chor und Orchester von Beethoven 
{Carl Wolfsohn, Chor und Orchester). 4. Soiree. I. Theil. Ouver- 
türe zu „Manfred" Op. 115 von Schumann; Gesang; Concert für 
swei Pianos in E-dur von Mozart (Mrs. Mills, Mason und Or- 
chester); Gesang; Introduction zu „Tristan und Isolde" von Wagner. 
IL Theil. Sinfonie in C-moll, Op. 55, N° 5 von Beethoven. 5. Soiree. 
I. Theil. Ouvertüre: „Weihe des Hauses" von Beethoven; Gesang; 
Ouvertüre , Scherzo und Finale Op. 52 von Schumann ; Gesang. 
IL Theil. Sinfonie „Harold in Italien" Op. 16 von Berlioz. 

Diese zwei Arten Concerte bieten nun ein gerundetes Ganze, 
wodurch wir die besten Werke aller Zeiten geniessen können. Hr. 
Thomas ist ein sehr strebsamer junger Mann und verspricht ein 
bedeutender Dirigent zu werden. 

Es ist heute nicht möglich, in alle Einzelnheiten dieser und 
vieler anderer Concerte einzugehen und sie weiter zu zergliedern. 
Ich bebalte mir vor, in meinem nächsten Briefe dies zu thun. Mein 
Zweck war vor der Hand Ihren werthen Lesern eine allgemeine 
Uehersicht unserer musikalischen Zustände zu geben. 

Dr. S. Oettinger. 



Nachrichten 



Darmstädt, 24. April. Das gestrige letzte philharmonische 
Concert in dieser Saison bot uns wieder ein recht interessantes 
Programm, und sämmtliche Piecen wurden präcis und exact ausge- 
führt, wie wir solches in diesen Concerten stets gewohnt waren. In 
der ersten Abtheilung ward die Sinfonie in F-dur Nr. 8 von Beet- 
hoven von unseren wackeren Hofcapelle in allen vier Sätzen meister- 
haft executirt, und die zweite Abtheilung eröffnete Hr. Pabst von 
Königsberg (wie wir hören ein Schüler von Eubinstein und 
Hans v. Bülow) mit dem Mendelssohn'schen Capricio , H-moll, 
worin sich der Künstler bemühte, durch soliden Vortrag den Inten- 
tionen des Componisten gerecht zu werden, wenn derselbe auch weit 
mehr in seinen beiden folgenden Piecen reüssirte, — in der ersten 
{Norwegisches Nationallied „Flieg 1 Vogel, flieg" von Rudolph Will- 
mers) durch zarten Vortrag und feinen Anschlag, sowie auch haupt- 
sächlich durch die Ausdauer des Trillers ; in der zweiten (Fantasie 
über Motive aus „Lucrezia Borgia" von Liszt) durch Kraft und 



Virtuosität in den Octavengriffen der linken Hand. Frl. Lamara, 
welche für die plötzlich unpässlich gewordene Frau Jaide rasch. 
einsprang und den vokalen Theil des Concerts übernahm, sang eine 
Arie von Nikolai mit Orchesterbegleitung und zwei Lieder unter 
dem verdienten allgemeinen Beifall des auch diesmal wieder sehr 
auserwählten Publikums. Neu war die Ouvertüre zu „Fierrabras" 
von Franz Schubert und das Vorspiel zu den „Meistersingern von 
Nürnberg" von Richard Wagner. Auch diese beiden Musikstücke 
wurden ausgezeichnet durchgeführt, und können wir uns bei diesem 
Schlussberichte der Saison nicht versagen, dem Leiter der betreffen- 
den Concerte, Hrn. Hofcapellmeister Nesvadba, die Anerkennung 
der Kritik und den Dank aller Freunde classischer Musik hier öffent- 
lich auszusprechen. Möge er und sein wackeres Orchester das 
nächste Jahre in gleicher Leistungsfähigkeit auf der künstlerischen 
Arena erscheinen. 

München, den 3. Mai. Am Samstag den 28. April fand im Re- 
sidenztheater wieder eine Aufführung W a g n e r'scher Compositionen 
durch ein Militärmusikcorps unter Leitung des Musikmeisters S i e- 
b e n k ä s statt ; dieser Production, welche bis Mitternacht dauerte, 
wohnte nur der König in Begleitung von zwei Adjutanten bei. Die 
stark in Anspruch genommenen Musiker wurden reichlich mit gutem 
Hofbräuhausbier tractirt. 

— Frl. Stehle, welche von ihren an Lorbeeren reichen Gast- 
spielen in Mannheim , Frankfurt , Darmstadt und Wien wieder zu- 
rückgekehrt ist, wird am Sonntag den 6. d. M. in.„Lalla Roukh" 
zum ersten Male wieder hier auftreten. 

— Die „Bürgersängerzunft " veranstaltete am vergangenen Montag 
unter der bewährten Leitung von Max Zenger in der Westend- 
halle eine Production, deren Programm ebenso reichhaltig war, als 
es trefflich durchgeführt wurde. Ein Chor von Zenger, „Es ist ein 
Schnee gefallen", und ein solcher von Schumann , ferner Mendels- 
sohns „türkisches Schenklied" wurden auf allgemeinen Wunsch 
wiederholt. 

— Der durch seine Compositionen auch in weiteren Kreisen 
rühmlich bekannte Capellmeister XaverPentenrinder ist wahn- 
sinnig geworden und befindet sich nun in der hiesigen Irrenanstalt» 

Berlin. Die vortreffliche Solotänzerin Frl. Marie Taglioni 
hat in einer brillanten Beneüzvorstelluug vom Publikum Abschied 
genommen und erhielt die unzweifelhaftesten Beweise, wie ungern 
man sie von der Bühne scheiden sieht. Bei einer einzigen Blumen- 
frau waren für diesen Abend für 400 Thlr. Bouquets bestellt worden, 
und ein wahrer Blumen- und Goldregen fiel zu den Füssen der Ge- 
feierten nieder, während sich in den Zuschauerraum eine Fülle von 
Gedichten ergoss. Nach Beendigung der Vorstellung hielt der 
Generalintendant von Hülsen auf der Bühne in Gegenwart des 
gesammten Balletpersonals eine warme Abschiedsrede au die Schei- 
dende und schloss mit einem Lebehoch auf dieselbe. Die Solisten 
des Ballets überreichten ihr hierauf eine kostbare Pendule, das 
Balletcorps zwei Porzellan - Vasen. Von den Majestäten erhielt sie 
ein kostbares Halsband mit sieben Medaillons, vom Kronprinz und 
dem Prinzen Carl werthvolle Armbänder. Der 88jährige Grossvater 
der Taglioni war aus Italien angekommen, um der Abschieds - Vor- 
stellung seiner Enkelin beizuwohnen. 

Paris. A. J a e 1 1 und S i v o r i haben im Saale Erard ein ge- 
meinscbaftiches Concert gegeben, welches das allgemeinste Interesse 
in Anspruch nahm und von ausserordentlichem Erfolg begleitet war. 

— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris betrugen 
im Monat März die Summe von 1,931,726 Frs. 

London. Für die italienische Oper des Hrn. G y e in Covent- 
garden sind engagirt die Damen: Adel i na und Carl otta Patti, 
Pauline Lucca, Desire'e Artdt, Aglaja Orgeni, Marie 
Wilt, Philippine v. Edelsberg, Marietta Biancolini, 
Lemmens-Sherrington, Antonia Fricci, Fanny 
Deconai, Vestri u. s. w., sowie die Tenöre Mario, Brignoli 
Naudin, Fancelli, Nicolini und die Barytonisten und Bassisten 
Faure, Graziani, Ronconi, Artri, Ciampi, Schtnid 
(von Wien) u. s. w. Dirigent des Orchesters ist wieder Costa. 
In 40 Vorstellungen sollen 35 Opern von Meyerbeer, Mozart, Ros- 
sini, Donizetti, Bellini, Verdi, Flotow, Herold, Auber, Mercadante, 
Beethoven, Gluck, Gounod zur Aufführung kommen. Carlotta Patti 
wird dort zum ersten Male auf der Bühne erscheinen, und zwar als 
Königin in den „Hugenotten" und als Isabella in „Robert der Teufel". 



- 76 - 



In der italienischen Oper des Hrn. M * p 1 e s o n in Her Ma- 
Jesty's Theatre werden auftreten: die Damen Therese Titjens, 
Grisi, Louise Lichtmay, Harriers-Wipper n, Ilma v. 
Murska, Bettelheim, Trebelli, Demeric-Lablache; 
die Tenöre Mongini, Dr. Gunz, Arvin, Gardoni, Tasca 
u. s. w. , sowie die Bary tonisten und Bassisten S a n 1 1 e y, Roki- 
tansky, Scalesi, Verger, Junca, Anodio u. s. w. Or- 
chesterdirigent iat A r d i t i. Man gibt dort ausser den herkömm- 
lichen italienischen Opern eine bedeutende Anzahl gediegener Werke 
von Gluck, Mozart, Cherubini, Spontini, Weber und Meyerbeer. 

In Coventgarden haben bereits Frl. Orgeni als Violetta in 
„Traviata" und Frl. von Edelsberg als Fides im „Prophet" mit 
bestem Erfolg bebütirt, während im Königin-Theater Frl. Titjens 
als Agathe im „Freischütz" eine ausserordentlich günstige Auf- 
nahme fand. 

%* Dem Hofopernsänger Dr. Carl Schmid in Wien ist der 
Titel eines k. k. Kammersängers verliehen worden. 

*** Wir lesen in auswärtigen Blättern, dass die in Deutschland 
allgemein so beliebten Tanzcompositionen von A. Wallerstein 
auch in Frankreich, Belgien und Holland die günstigste Aufnahme 
finden ; als einige der beliebtesten dieser Tänze aus dem vergangenen 
Garneval wurden genannt: Le jour de Van, La Passione'e, La 
Belle de Bruges, Vn jour de fete t La lune de miel, Souvenir de 
Cannstadt, — welche sämmtlich in sehr eleganter Ausstattung bei 
B. Schott's Söhnen in Mainz erschienen sind. 

*** Das neue Pariser Opernhaus, an dessen Vollendung 
mit Macht gearbeitet wird, übertrifft an Flächenraum bedeutend alle 
bestehenden Theater. Es nimmt einen Flächenraum von 15,000 
flMeter ein. Das näcbstgrösste ist das königl. Orient- Theater in 
Madrid mit 7950 [^Meter. Das Carlo-Felice-Theater in Neapel hat 
4750 und das Scala-Theater in Mailand 3720 QMeter. Doch steht 
die Grösse des Zuschauerraumes und der Bühme nicht in demselben 
Verhältniss zu dem Gesammt-Umfange der Gebäude. 

*#* In Frankfurt a. M. ist der ehemalige Tenorist Eppich 
im 43. Lebensjahre gestorben. Mit einer schönen Stimme begabt, 
hatte es ihm aber an Gelegenheit zu einer vollendeten künstlerischen 
Ausbildung gefehlt; gleichwohl Hess ihn seine natürliche Begabung 
Bollen wie Joseph, Tamino, Titus mit grosser Wahrheit und schöner 
Wirkung durchführen, wogegen die eigentlichen Heldentenor-Partieen 
ihm weniger gelangen. Er war in Brunn, Lemberg, Hamburg und 
zuletzt, von 1856 an, in Frankfurt engagirt, musste aber schon 1859 
in Folge eines hartnäckigen, sich immer verschlimmernden Halsübels 
der Bühne entsagen und, um sich und seine Familie zu ernähren, 
eine Kramerei betreiben. Bald starb seine Frau und eines seiner 
Kinder ; er verbrachte eine traurige Zeit , bis ihn ein Herzschlag 
von allen Sorgen und Leiden erlöste. 

*** In Cincinnati ist das Pike'sche Opernhaus, das älteste im 
amerikanischen Westen und eines der grossartigsten Gebäude dieser 
Art, in der Nacht vom 23. zum 24. März, nachdem die Zuschauer 
etwa eine halbe Stunde das Haus verlassen hatte , ein Raub der 
Flammen geworden. 

*** Der König von Baiern hat dem Abbe* Franz Liszt das 
Grosskreuz des Verdienstordens vom hl. Michael verliehen, 

*** Der König von Italien hat Eich. Wagner das Offiziers- 
kreuz des Ordens des hl. Mauritius und Lazarus übersenden lassen. 

*#* Die Einnahmen der beiden kgl. Theater in Berlin be- 
trugen im Monat März fast 50,000 Thlr. 

V Das Theater der Porte St. Martin in Paris lässt 16 
ägyptische Tänzerinnen (Almeen) kommen, welche in einem 
neuen Spectakeistücke auftreten sollen. 

*** Der Tenorist Wachtel erhielt vom König von Preussen 
eine goldene Dose mit Brillanten. 

*** Zum Director des P r a g e r Conservatoriums ist in der 
jüngsten Generalversammlung der mit der provisorischen Leitung 
des Instituts betraute Professor Hr. Joseph Krejci gewählt 
worden. 

* m * Liszt's „Legende von der hl. Elisabeth" ist nun auch in 
Prag von dem czechischen Künstlerverein aufgeführt und vom Pub- 
likum beifällig aufgenommen worden. 

*** Heinrich Urban in B erlin hat eine grosse dreiactige 
Oper, „Conradin" vollendet. 



*** Jenny Lind hat in Cannes (Süd-Frankreich), wo sie 
den Winter zur Herstellung ihrer Gesundheit zubrachte, ein Concert 
zum Besten des dortigen Hospitals mit ausserordentlichem Beifall 
gegeben. 

*** Wallenreiter hat in Stuttgart den Cyclus der Schu- 
bert'schen „Müllerlieder" vollständig und in sehr gelungener Weis» 
vorgetragen. 



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Cantate, für das Pianoforte zu 4 Händen eingerichtet 

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CllOpin, Fred. Op. 11. Grand Concerto (Mi Mineur) pour 

Pianoforte avec accompagnement d'Orchestre. 

Partition Thlr. 7. 15 Ngr. 

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Pauline Viardöt. 15 Ngr. 

Cltwatal, F. TL, Op. 196. Fünf Fantasie-Stücke über beliebt» 
Motive , für das Pianoforte. Nro. 1. „Es geht sa 
Mancher dir vorbei" von Kücken. 10 Ngr. 

— Op. 204. La Blondine, Mazourka gracieuse pour Piano. 
10 Ngr. 

Cramer, Heinr. Op. 164. L'Africaine, de Meyerbeer. Fan- 
taisie dramatique pour Piano. 20 Ngr. 

Galle, Niels IV. Op. 44. Sextett für 2 Violinen, 2 Bratschen 
und 2 Violoncelles. Arrangement für das Pianoforte) 
zu 4 Händen von Aug. Hörn. Thlr. 2. 15 Ngr. 

Herzogenberg, Hell. Op. 5. 6 kleine Ciavierstücke. 15 Ngr« 

— Op. 6. Romanze für das Pianoforte. 15 Ngr. 
Jensen^ Ad. Op. 31. Trois Valses-Caprices pour le Piano. 

Nro. 1. L'Attraetion. 20 Ngr. 
„ 2. L'Inquietude. 15 „ 
„ 3. L'Ingenuite. 15 „ 

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Heft I und II a 25 Ngr. 

fiftcken, Fr. Op. 79. Waldleben, Concert- Ouvertüre für grosses 
Orchester. Arrangement für das Pianoforte zu vier 
Händen. Thlr. 1. 10 Ngr. 

IiUboniirsIti, Casimir. La fille du banni, Romance pour 
Piano. 10 Ngr. 

— Uno dei due, Sonetto del Conte Gustavo Oilizar pour 
Piano. 10 Ngr. 

nlayfleder, JOS. Op. 65. Grand Quintetto Nro. 4 pour 2 Violons,. 

2 Altos et Violoncelle. Arrangement pour Piano ä, 

4 mains par Aug. Hörn. Thlr. 2. 
Paucr, Ernst. Op. 63. Nr. 1. Andantino piacevole pour 

Piano. 15 Ngr. 

— Nr. 2. Valse melodieuse pour Piano. 12 Vi Ngr. 

— „ 3. Tarantelle pour Piano. 17 V» Ngr. 

— „ 4. Chanson du Savoyard pour Piano. 12 V» Ngr. 
Stiehl, Hell. Op. 48. Zwei Giessbach-Lieder (Gedichte von E. 

Mautner) für eine Singstimme mit Begleitung dea 
Pianoforte. 15 Ngr. 
Wllm, Nicolas. Op. 1. Sechs Präludien für das Pianoforte. 
Heft I und H a 16 Ngr. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



N* SO. 



14. Mai 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



Diese Zeitung erscheint jeden 

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— 1r« 



INHALT: Haydn's, Mozart's u. Beethoven's Kirchenmusik. — Frankfurter Oratorien- Concerte. — Correspondenzen : Stuttgart. — Nachrichten 



Haydn's, Mozart's und Beethoven's Kirchenmusik 

und 

ihre katholischen und protestantischen Gegner. 

Unter diesem Titel erschien im Verlage von P. E. C. Leuckart 
(C. Sander) in Breslau eine Broschüre von Dr. Franz Lorenz, 
welche sich die Aufgabe gestellt hat, die figurirte Kirchenmusik, 
namentlich die kirchlichen (Kompositionen der oben genannten drei 
grossen Meister, welche der fanatische Clerus wegen ihrer angeb- 
lichen Unheiligkeit aus den Kirchen zu verdrängen sucht, an 
vielen Orten bereits verdrängt hat, ihre Berechtigung im Allgemeinen 
zu vindiciren und insbesondere das Unstichhaltige der Einwürfe 
gegen die österreichische Kirchenmusik, worunter der Verfasser 
vorzugsweise die von Haydn, Mozart und Beethoven geschaffenen 
Werke dieser Gattung versteht, darzulegen. 

In seinem Vorworte sagt der Verfasser: »Wie im Verlaufe der 
Zeiten wiederholt Bilders tu rmerei stattgefunden, wie eine von 
Overbeck ausgegangene, unter dem Namen „Nazarener" bekannte 
nicht sowohl frommer als frömmelnder Maler und Kritiker glaubte, 
um in der Kunst vorwärts zu kommen , bis auf Giotto und selbst 
Cimabue zurückgehen und in trauriger Consequenz alles als un- 
christlich verwerfen zu müssen, was Raphael, Michelangelo, Da Vinci, 
Dürer, Holbein, Murillo geschaffen, so gehe gegenwärtig auch ganz 
Aehnliches auf dem Gebiete der Kirchenmusik vor, indem sich eine 
förmliche, immer mehr anschwellende Coalition gegen die öster- 
reichische Kirchenmusik gewendet habe ; die Feinde der Kirchen- 
musik seien zwar über ihre Endziele selbst noch uneins, indem die 
Einen in Bach und Palestrina die Vorbilder ächten Kirchenstyles 
erblicken, während die Consequenteren dagegen auch diese Beiden 
über Bord werfen, und die Kirchenmusik, und wohl nicht diese 
allein, bis in die Mönchszeiten Gregor des Grossen zurückdrängen 
möchten, in dem Verdammungsurtheil über die Kirchenwerke unserer 
drei grossen Tonheroen alle einig seien." 

Der Verfasser ist sich ferner bewusst , stets nach möglichster 
Objectivität gestrebt und den Gegenstand immer von beiden Seiten 
betrachtet zu haben, was ihm auch billigerweise zugestanden werden 
muss. „Wenn übrigens trotz der besten Vorsätze hie und da sich 
einige Gereiztheit bemerklich mache, so möge man bedenken, wel- 
chen Prüfungen der Geduld derjenige sich ausgesetzt gesehen habe, 
der sich der peinlichen Leetüre aller gegen die österreichische 
Kirchenmusik und ihre Hauptrepräsentanten geschleuderten Diatrihen 
behufs der Wiederlegung derselben unterziehen musste; es halte 
schwer den Gleichmuth zu wahren, wenn Einer das freche Wort 
niederzuschreiben gewagt: „Seit Jos. Haydn ist die österreichische 
Kirchenmusik gottlos in der Wortes scharfer Bedeutung" etc. 
Die Gegner der heutigen Kirchenmusik, gegen die Dr. Lorenz sich 
vorzugsweise wendet, sind der Pfarrer zur heil. Ursula in Cöln, 
Albert Gerhard Stein, resp. dessen im Jahre 1864 erschienene 
Broschüre: „Die katholische Kirchenmusik nach ihrer Bestimmung 
und in ihrer dermaligen Beschaffenheit dargestellt" *) (Cöln ist auch 

*} Siehe Nro. 20 des IS, Jahrgangs dieser Blätter. 



einer von jenen Bischofssitzen, wo die Kirchenmusik radikal aus den 
Kirchen verbannt ist, gerade wie bei uns in Mainz) und Thibaut 
in seinem Buche: „Die Reinheit der Tonkunst". 

Nach Vorausschickung einiger Betrachtungen über die Kunst 
überhaupt und deren Entwickelung , namentlich der christlichen 
Kunst, kommt der Verfasser auf die österreichische Kirchenmusik 
speciell zu sprechen , indem er die derselben entgegengestellten 
Vorwürfe zu entkräftigen und zu widerlegen sucht, was ihm auch 
der Hauptsache nach immer gelingt, indem er an den hervorragend- 
sten Musterwerken der betreffenden Gattung selbst die Berechtigung 
der von den Meistern adoptirten Anschauungsweise und die einsei- 
tige, beschränkte Auffassung der Gegner klar darlegt. 

Der Verfasser gewährt ferner einen Einblick in den von We- 
nigen gekannten Reichthum der Literatur dieser Gattung, soweit 
dieselbe von österreichischen Componisten herrührt. „Wir kennen, 
sagt der Verfasser, selbst in Oesterreich, viele dieser -Meister kaum 
dem Namen, sowie den Umfang ihrer oft enormen Leistungen sicher- 
lich nicht der Zahl nach ; bei dem regen Antheil, den in der Blüthe- 
zeit jeder einigermassen gebildete Chorregent, worunter oft die be- 
deutendsten aber über ihren Wohnsitz hinaus kaum dem Namen 
nach bekannten Talente, an der Sache durch eigene Compositionen 
zu nehmen pflegte , sowie bei dem Umstände , dass diese Werke, 
selbst jene der Grossmeister, nur in Abschriften circulirten, sind ge- 
wiss dereinst noch wichtige Entdeckungen auf diesem Gebiete zu 
gewärtigen, während schon das bereits Vorhandene und Bekannte 
über die Regsamkeit, die in diesem Fache geherrscht, und die Menge 
vortrefflicher Schöpfungen, die sie ans Licht gebracht, gerechtes Er- 
staunen hervorzurufen geeignet sind. 

„Eine ungefähre Berechnung führt gleich in die Hunderte und 
Tausende. Michael Haydn's und Albrechtsberger's Kirchenwerke 
allein schon ergeben ein halb Tausend Nummern. Jedes grosse 
Kirchenmusik- Archiv besitzt, wie sich der Verfasser durch theilweise 
Vergleichung selbst überzeugt hat, ein anderes Inventar. So bewahrt 
beispielsweise von Michael Haydn's Messen das Stift St. Peter zu 
Salzburg 26 Nummern, die Hofcapelle in Wien 11, St. Stephan 12, 
Stift Göttweig 31, Kremsmünster 26, Lilienfeld 28, das fürstliche 
Musikarchiv zu Eisenstadt 29 ; hinwieder von den Gradualien und 
Offertorien, deren früher erwähnte Cataloge 188 namentlich anführen, 
das Stift St. Peter 249, Hofcapelle 82, St. Stephan 141, Göttweig 163, 
Lilienfeld, 94, Kremsmünster 153, Eisenstadt 119, welch 1 letzteres 
Archiv von M. Haydn's Kirchencompositionen 40 in autographischer 
Handschrift des Meisters besitzt." (Fortsetzung folgt.) 



* > o o * 



Die Frankfurter Oratorien «Concerte. 



ii. 

(Fortsetzung.) 

In seinem 2. Concert führte der „Rühl'sche Verein" Bach's 
Cantate „Liebster Gott, wann werd' ich sterben ?" und die 1. Messe 
von Beethoven (C-dur, Op. 86) auf. Das Bach'sche Werk enthält 



78 - 



•inen jener grossen Züge des Meisters: die Worte sprechen Ton 
ernster Traner, und die Musik geht in heller Fröhlichkeit. Der 
Chor klagt über das armselige Menschenloos, dass wir „eine kleine 
Weil' auf Erden arm und elend sind und dann selber Erde werden," 
und mitten in den Gesang tonen die heiteren Klänge der Oboe und 
Clarinette. Der Leib wird Erde, und was irdisch ist, klagt darüber ; 
»ber die Seele wird frei von der Last des Körpers, drum schwinge 
dich empor mein Geist zu Jubelweisen! Das ist der Sinn dieser 
merkwürdigen GegensStze. Dieselben wurden gut ausgeführt Der 
Chor begann in den ernsten Weisen, und lebendig bewegt erklangen 
Oboe und Clarinette. Dann sang Hr. Borchers aus Wiesbaden 
die Tenorpartie, Hr. Hill das Bass-Solo; Oboe und Flöte coneer- 
tirten mit Tenor und Bass. Mit erhöhter Kraft machte dann der 
Chor den Schluss. 

Beethoven's erste Messe stammt aus dem Jahr 1808. Der Fürst 
Esterhazy hatte den Anlass zu diesem Werk gegeben; in Eisen- 
sadt, dem Sommer -Aufenthalt des Fürsten, ward sie auch zuerst 
aufgeführt. Das Werk scheint nicht besonders gefallen zu haben; 
man staunte es aus Respect vor Beethoven an, ohne die Begeisterung 
des Meisters mitzufühlen. Beethoven schrieb dia Messe nicht, um 
sich auch in dieser Kunstgattung zu versuchen, sondern aus wirk- 
lichem innerem Drang. Es war sein Glaubensbekenntniss , das er 
glaubte niederschreiben zu müssen. Er that es nur noch einmal, 
vierzehn Jahre später (1822) in seiner zweiten Messe. Sehr fälsch- 
lich glaubt man, Beethoven habe der Kirche so fern gestanden, dass 
er nur durch ästhetische Reflexion sich in ihr Leben vertiefen konnte. 
Die äussere Form, den Cultus, pflegte er zwar nicht; aber die 
grosse Wahrheit, die Vorstellung von einer Weltordnung, aus 
der die Kirche hervorgegangen, erkannte er. 

Die Messe war für Beethoven selbst keine blosse Festtagsarbeit ; 
er schrieb deren nur zwei; aus jeder spricht sein Glaubensbekennt- 
niss , seine Weltanschauung. In der ersten tritt er uns entgegen 
mit gefasster Kraft, als der mitten im Leben stehende, kämpfende, 
ringende Mann (er war damals 38 Jahre alt). In der zweiten hat 
er ein weiteres halbes Menschenalter voll reicher Erfahrungen hinter 
eich (er schrieb dieselbe im Alter von 52 Jahren); der Kampf ist 
beendet, hier ist alles geklärt, vergeistigt, keine Spur mehr von 
Leidenschaft, hier ist alles nur edles Wollen. Seine C-moll- Sinfonie 
und die Pastorale, zwischen denen die erste Messe entstanden, sind 
die ergänzenden Seitenstücke zu diesem Werk ; das Seitenstück zur 
zweiten Messe ist die kurz nach derselben beendete neunte Sinfonie 
(1824). Dort die Gegensätze von politischem Kampf, von nationalen 
Bestrebungen und dem friedfertigen Stillleben des kaum sich der 
Nationalität bewussten Naturkindes ; und zwischen beiden die Messe, 
welche die Gegensätze der von Menschen gesetzten Idee und der 
unwillkürlich schaffenden Natur vereinigt. In der neunten Sinfonie 
das Aufhören des politischen Kampfes , das Aufgehen der Nationa- 
lität in das all' umfassende Weltbürgerthum , und daneben in der 
zweiten Messe das von der allliebenden Natur umfasste, der natio- 
nalen Unterscheidung gar nicht mehr bewusste Menschenthum. Es 
bedarf keiner gesuchten Abstraction , keiner Ausscheidung der na- 
tionalen, ländlichen, kirchlichen Umhüllung; wer überall nur das 
Wesen, den Geist sucht, der muss denselben Hauch in allen Werken 
finden. Das friedliebende Naturvolk, das Volk der Hirten, wenn es 
seiner Rechte beraubt wird, greift zum Schwert und erringt sich 
«eine Freiheit; wenn es das Recht wieder errungen, dann hat es 
Zeugniss gegeben von der allmächtigen, unüberwindlichen sittlichen 
Idee« Wo solche Einheit der Ueberzeugung, da kann keine Lücke 
«ein. Bei Beethoven wäre diese Lücke ; man müsste das Dankgebet 
der Hirten nach dem Gewitter für erkünstelt halten, wir müssten 
nicht von dem Triumphgesang der C-moll-Sinfonie hingerissen wer- 
den, wenn er nicht zugleich in der Messe seine hohe sittliche An- 
schauung hätte bethätigen können! 

Wir sehen also in der Messe überhaupt die concrete Darstellung 
der abstracten Begriffe von der Weltanschauung und erkennen 
hieraus die Notwendigkeit für Beethoven, ein solches Werk zu 
schreiben , weil er berufen war, die Begriffe seiner Zeit von dieser 
Weltordnung auszusprechen. Betrachten wir das Werk in seinen 
einzelnen Theilen, dann finden wir überall diese Ansicht bestätigt. 
Ueberall glauben wir, einen grossartigen Lobgesang zu hören, 
von Engeln gesungen, d. b. von abstracten Menschen, zur 4 Verherr- 
lichung des Gottes, d. h. für den Inbegriff der ganzen Menschheits- 



Idee. Es zieht an uns vorüber in drei Hauptstücken, dem Kyrie, 
dem Credo und Sanctus, d. h. dem Anruf, dem Bekenntnis« 
und dem Dank. 

Betrachten wir das Werk in seiner musikalischen Form, se>, 
finden wir auch hierin für Beethoven die notwendige Ergänzung 
zu seinem übrigen Kunstschaffen. In der Breitkopf 'sehen Ausgabe 
ist das Werk betitelt: »Drei Hymnen*; das bezeichnet ganz sein 
Wesen. Die Hymne steht dem Choral gegenüber, wie der durch- 
componirte Sologesang dem Strophenlied. Das Strophenlied gibt nur 
eine allgemeine Stimmung der Freude, des Schmerzes, der Trauer ; 
£n jeder Strophe spricht sich mit anderen Worten dasselbe Gefühl 
aus. Hierin liegt seine Vieldeutigkeit und die Möglichkeit, von 
Vielen zugleich gesungen zu werden. Der Choral, der ein gemein- 
samer Ausdruck von der religiösen Stimmung der ganzen Gemeine 
sein soll, kann nur als Strophenlied erscheinen. Der durchcompo- 
nirte Gesang tritt schon in seiner zweiten Strophe aus seiner All- 
gemeinheit heraus ; er schreitet zur dramatischen Entwicklung einer 
bestimmten Situation: das passt nur für den Einzelnen. Der Hym- 
nus ist der zur dramatischen Entwicklung schreitende religiöse Ge- 
fühlsausdruck Vieler, — nicht der ganzen Gemeine, sondern nur 
derer, die auf gleicher Stufe der Lebensanschauung und dadurch 
bedingten gleichen Stimmung sind. Wie das durcheemponirte Lied, 
So verlangt deshalb der Hymnus ein Hineinleben in des Künstlers 
Stimmung und ein genaues Fügen in seine Anordnung. Das kann 
nicht die ganze Gemeine, sondern vermögen nur Einzelne. Wie das 
durcheomponirte Lied, so kann der Hymnus nur von einem Kunst- 
ebur vorgetragen werden. Damit schreitet er eigentlich aus der 
Gemeine aus. Indem aber die einzelnen Sänger typische Repräsen- 
tanten aus der Gemeine sind, findet sich doch die Gemeine in ihnen 
wieder, nur bestimmter, deutlicher, bewusster wie in dem Choral, 
den sie selbst mitsingt. Ein Beispiel möge dies verdeutlichen. In 
Bach's „Passionsmusik" stehen die Elemente noch getrennt: die 
durch den Gesang dargestellte (erzählte) Handlung (das wirklich 
Dramatische); der reflectirende Kunstchor (der die specielle Hand- 
lung mit der allgemeinen Anschauung der Gemeine vermittelt), und 
die wirkliche Gemeine. Die Handlung finden wir dargestellt in dem 
Recitativ; die zuschauende Gemeine in dem die allgemeine 
Stimmung ausdrückenden Choral; dazwischen den vermittelnden, 
halb dramatisirten , halb liedermässigen Chor der reflectirenden, 
vermittelnden Künstler. In Beethoven's Messe ist das Recitativ, 
die concrete Handlung, verdrängt und damit muss der Choral fallen, 
sollte er nicht in nebelhafter Unbestimmtheit fort vegetiren. Die 
hier ausgesprochene Stimmung setzt die Existenz einer Handlung 
voraus, die wir nicht sehen, eines Gottes, der eine Welt erschuf, 
eines Gott- Menschen, der für die Menschheit wirkte — wir hören 
blos die Ausbrüche des Künstlerchors, die begeisterten Schilderungen 
und Lobgesänge, die für uns unverständlich wären, fühlten wir nicht 
überall die grossen menschlichen Züge heraus : die unbedingte Wahr- 
heit und Naturtreue. 

Wie das Strophenlied zur bestimmten Schilderung in dem durch- 
componirten Gesang schritt und dadurch immer schärfere Characte- 
ristik gab, so musste der Choral zum Hymnus sich entwickeln, 
sollte der in seiner einsamen Majestät thronende, von der Mensch- 
heit fast vergessene Gott — die sittliche Idee — nicht im Dogma 
verkümmern. Für das Dogma passt nur der Choral. Der drama- 
tischen Entwicklung unseres Lebens entsprechend, musste aber der 
Gott gleichsam dramatisirt, d. h. Menschen-ähnlich in verschiedenen 
Situationen dargestellt Werden. Von dem Gott selber sind nur we- 
nige Handlungen darzustellen, desshalb fällt der Schwerpunkt auf 
die Schilderung der Thaten und Leiden Christi. Damit nähert sich 
der Hymnus aber der s. g. weltlichen Musik Beethoven's. Er ist 
die Feier der abstracten Idee, die er concret im „Fidelio," „Egmont" 
und den oben genannten Sinfonien dargestellt hat. 

Der Dramatisirung des Chorals entsprechend , musste auch die 
Melodie wesentlich umgestaltet werden. Die Bach'sche, Händel'sche 
Melodie zeigt noch die Spuren ihres Ursprungs, das nüchterne, ver- 
standesmässige Recitativ und den starr eonventionell gewordenen 
Choral. Eine freie Tonspracbe war es noch nicht , die wurde erst 
durch Mozart's Opern geschaffen und durch Beethoven sowohl wissen- 
schaftlich begründet, wie künstlerisch fertig ausgebildet. Hier ist 
die verstandesmässige Betonung, und die musikalische Ebenmässig- 
keit erst vereinigt. Ausser seinem „FideUo* bieten die Lieder aus 



_ 79 — 



-Egmont", die Lieder der Mignon, „An die entfernte Geliebte", 
Geliert's geistliche Lieder u. a. für alle Zeiten gültige Master. Diese 
Tonsprache finden wir in der Messe zu einer idealen Vollendung 
gebracht. Hier finden wir Weisen, die, was künstlerische Vollkom- 
menheit anlangt, ausser in der 2. Messe nicht wieder ihres Gleichen 
baben. 

Für den stndirenden Künstler bietet dies Werk eine Schatz- 
Jratnmer von Beispielen, gültig für alle nur denkbaren Fälle. Wir 
wollen aber, am nicht über Gebühr ausführlich zu werden, nur noch 
äer Instrumentation gedenken. Der Melodie entsprechend , musste 
auch diese anders gestaltet werden. Für den stereotypen Choral 
War eigentlich die Orgel geschaffen; bei Bach und Händel sehen 
wir schon das Orchester ebenbürtig der Orgel zur Seite gesetzt. 
Aber nicht allein ist es nur dürftig gegenüber dem für jeden Seelen- 
ausdruck fähigen Beethoven'sohen Orchester ; es spielt auch grossen- 
theils noch in der starren, unbiegsamen Weise der Orgel. Mozart 
und nach ihm Beethoven haben das Orchester von diesem Bann 
entfesselt; in den Beethoven'achen Sinfonien zeigt es eine Allfähig- 
keit, dass wir nicht blos Menschenstimmen reden, sondern selbst die 
leisesten Regungen des menschlichen Herzens, blosse Ahnungen in 
deutlichem Ausdruck zu vernehmen glauben. Diese sinfonische 
'Fähigkeit hat Beethoven auch auf die Messe übertragen und gerade 
für diese, die doch nur geahnte, unbestimmt empfundene, in ge- 
weihten Stunden erst zur Offenbarung kommende Gefühle ausspricht, 
war diese Verbindung von der allerhöchsten Wichtigkeit. Nicht 
blos sprach der Mensch in einer all unseren Verstandes- und gefühls- 
mässigen Forderungen entsprechender Weise, sondern diese Werke 
wurden noch durch einen so reichen Hintergrund gehoben und 
schattirt, dass wir glauben, die ganze menschliche Seele vor uns 
offen liegen zu sehen. 

So tritt das Werk als ein in der Idee grossartiges, erhabenes 
uns gegenüber , in der Form als vollendet und mustergültig für 
alle Zeiten; kein Wunder, dass es auf Darsteller und Hörer einen 
Überwältigenden Eindruck macht! Der „Rühl'sche Verein" hatte 
es schon früher, unter Ruh 1 's Leitung aufgeführt; jetzt, unter 
Friedriche Leitung, wurde es wiederholt durcbstudirt. Nur eine 
öftere Wiederholung kann es in einer der idealen Vollkommenheit 
annähernden Weise zur Darstellung bringen und das Verständniss 
bei den Hörern fördern. Die jetzige Darstellung war in Anbetracht 
der Schwierigkeiten als eine gelungene zu bezeichnen. Die Chöre 
sangen mit Hingebung und Sorgfalt; die Soli wurden in gleich 
edler Weise vorgetragen von Frl. Jenny Hentz, Opernsängerin 
aus Mannheim, Frl. Julie Marschalk, Opernsängerin aus Stutt- 
gart und dieHH. Bodo Borchers aus Wiesbaden und Carl Hill 
von hier. Die Zuhörer nahmen es mit freudigem Ernst auf; eine 
sittliche Erhebung muss die Folge sein. Heinrich Becher. 



HO ! » 



C0RRESP05DENZEK. 
Aus Stuttgart. 

Anfang! Mal. 

Nachdem das 10. Abonnementsconcert, worin die „Jahreszeiten" 
aufgeführt werden sollten, wegen Mangel an einer gerade für die 
Partie der Hanne geeigenschafteten Sängerin mehrmals verschoben 
wurde, konnte man endlich am 24. April das ersehnte Oratorium 
geben, indem es gelungen war, für genannte Partie Frau Peschka- 
Leuthner vom grossh. Hoftheater in Darmstadt zu gewinnen. 
Ihre prachtvolle Stimme, welche besonders in den Recitativen von 
imposanter Wirkung war, erregte alsbald die lebhafteste Sympathie, 
und wenn wir auch im Ganzen die Aussprache etwas deutlicher, 
sowie manches im Character etwas einfacher, kindlicher, sozusagen 
idyllischer gewünscht hätten, so stimmten wir doch in den begeis- 
terten Beifall von Herzen ein. Auch die HH. Schüttky und 
Alb. Jäger fanden für ihre tüchtigen Leistungen die verdiente 
Anerkennung, sowie Orchester und Chor, der durch den „Verein 
ftr classische Kirchenmusik" ansehnlich verstärkt war. Da der 
Nachwuchs des letzteren sich eigentlich fast durchweg aus den 
wohlgeschulten Gesangszöglingen unseres Conservatoriums rekrutirt, 
denen auch schnellere Passagen geläufig sind, so trat die Stimm- 
führung in den Fugen u. dgL deutlicher hervor, als die theilweise 



etwas übertriebenen Tempi erwarten Hessen; die Wirkung einiger 
sehr wichtigen Tempowechsel ging durch letztere leider verloren» 
Doch fallen solche Einzelnheiten nicht so sehr ins Gewicht, gegen- 
über dem wohlthuenden, herzstärkenden Eindruck, den diese frische, 
kerngesunde Musik auch diesmal wieder hervorbrachte. 

Einer unserer jüngerer Tonkünstler, Hr. Egmont Fröhlich, 
Dirigent des Orchestervereins, führte anter Mitwirkung desselben 
eine Mozart'sche Sinfonie, dann ein recht hübsches Quartett 
eigener Composition vor, und spielte Weber's As-dur-Sonate, sowie 
zwei ebenfalls selbst componirte Salonstücke mit verdientem Beifall. 
Frl. Wagner, deren Erfolge als Sängerin wir erst kürzlich er- 
wähnten, sang die Kirchenarie von Stradella und die Cavatine aas 
„Semiramis", 

Auch einer anderen Elevin unseres Conservatoriums, Fräulein 
HeleneWichmann, welche in dem bald darauffolgenden 4. Con- 
certe des „ Orchesterverein* auftrat, müssen wir rühmlich gedenken,; 
sie erntete mit einer Mozart'schen Arie und zwei Liedern von Men- 
delssohn und Mozart lebhaften Beifall, der sowohl ihrer klangvollen, 
umfangreichen, trefflich ausgeglichenen Stimme, als ihrem warmen, 
fiiessenden, unwillkürlich mitreissenden Vortrage galt. Die junge 
Dame hat ihre Studien dahier beendigt und gebt einer schönen 
Laufbahn entgegen ; sie nimmt von hier die besten Glückwünsche 
mit. Unter den übrigen Nummern des Programmes nennen wir noch* 
die Mozart'sche Sinfonie in Es, welche sich einer sehr sorgfältigen 
Aufführung erfreute. 

Das Programm der 10. und letzten Soiree für Kammermusik 
enthält ein Streichquartett von Mendelssohn, ein Ciaviertrio von 
Hummel und das Septuor von Beethoven , — jenes des nächsten 
Singvereins - Concertes einen neuen Frühlings - Chor von G. Linder, 
den Liedercyklus : „der fahrende Schüler" von Marschner, ein neues, 
von Moritz Hartmann gedichtetes, von L. Stark componirtes Inter- 
mezzo: „Zerbino's Ständchen* für kleinen Chor und Soli, und 
schliesslich „des Sängers Fluch," Ballade nach Unland von Rieb. 
Pohl, componirt von Rob. Schumann. 

Der „Verein für classische Kirchenmusik" bereitet die „letzten 
Dinge" von Spohr zu demnächstiger Aufführung vor. T. 



f mm 



Nachrichten. 



ffaillZ. Am Mittwoch den 9. d. M. begann Hr. Dr, Schmid, 
k. k. Kammersänger von Wien sein Gastspiel, dem man mit grosser 
Spannung entgegengesehen hat, da der ausgezeichnete Ruf, der 
diesem Sänger voranging, und die enormen Erfolge desselben, über 
die zuletzt aus der Nachbarstadt Frankfurt berichtet worden, einen 
seltenen Genuas erwarten Hessen. Hr. Schmid trat als Marcell in 
den „Hugenotten 11 auf, und die freundliche Begrüsaung mit der der 
berühmte Gast bei seinem Erscheinen empfangen wurde, verwandelte 
sich schon nach den ersten Tonen seiner unvergleichlich schönen, 
umfang- und metallreichen Stimme in einen wahren Beifallssturm, 
der, immer wachsend, die eminente Leistung des treulichen Künst- 
lers bis sum Ende der Vorstellung begleitete. Auch war der En- 
thusiasmus, den die freudig erregten Zuhörer bekundeten, ein voll- 
kommen gerechtfertigter, denn Hr. Schmid besitzt nicht nur eine 
Stimme von seltener Kraft und Schönheit, sondern er ist auch ein 
tüchtiger Sänger, der seine Mittel vollständig zu verwerthen und 
jede Nuance, die dem Componisten vorgeschwebt, aufzufinden und 
zur Geltung zu bringen weiss. Seit Staudigl ist wohl Schmid 
der erste aller Bassisten, der mit Erfolg gegen die Erinnerung an 
jenen unvergleichlichen Meister anzukämpfen vermag. Wir müssen 
für heute uns auf das wenige soeben Gesagte beschränken , indem 
wir im weiteren Verlaufe von Schmid 1 * Gastspiel ausführlicher auf 
seine Leistungen zurückzukommen gedenken. Neben ihm gastirten 
Frl. Hülgerth von Dessau als Valentine und Frl. Hysel von 
Stettin als Page mit sehr günstigem Erfolge , doch sind hier, be- 
sonders da beide Damen auf Engagement gastiren , noch ferner« 
Leistungen abzuwarten, bevor wir ein entscheidendes Urtheil ab- 
geben können. 

Die romantische Zauberoper „Undine" vonLortzing ist, neu 
einstudirt und mit prachtvollen Decorationen von Mühldorfer 
versehen, in sehr gelungener Weise bereits zweimal mit grossem Beifall 
gegeben worden. Näheres in nächster Nummer. E. F. 



- 80 - 



HeapeT, 15. April. Am 7. April ist in San Carlo M er cadante's 
<Oper „ Virginia* mit beispiellosem Erfolge nnd Kundgebungen des 
Beifalls, wie sie nur in Italien möglich sind, zum ersten Male ge- 
geben worden. Zum Beweise diene die Thatsacbe, dass die Dar- 
steller einzeln und zusammen dreiundfünfzig Mal gerufen wur- 
den. Der Componist, der ebenfalls stürmisch gerufen wurde, war 
nicht anwesend, da er durch sein Alter und Unwohlsein ans Zimmer 
gefesselt war; man zog nach seiner Wohnung und brachte ihm dort 
Glückwünsche und Serenaden. Der Dichter des Libretto, Camma- 
rano, ist schon vor neun Jahren gestorben ; er hat Alfieri's Tragödie 
gleichen Namens zum Muster genommen. Die Oper hat drei Acte, 
die Hauptrollen sind ein Sopran, zwei Tenöre und ein Bariton. 
Sowohl die Arien als die Ensemblestücke , Duette , Terzette und 
Sextette, erregten rsuschenden Aplaus, ebenso ein Doppelchor im 
«raten Acte, eine Orgie der Decemviren und ihrer Anhänger, und 
dazu im Gegensatze ein Chor des Volkes, das den Tod des Den- 
latus beklagt. 

Mercadante ist 1797 in der Provinz Bari geboren und kam schon 
in seinem zwölften Jahre nach Neapel ; er ist also in seinem sieben- 
zigaten Lebensjahre. Von der grossen Anzahl seiner Opern haben 
„Elisa e Claudio," „// Giuramento" und „Le Duc illustri Rival?' 
den giössten Erfolg gehabt. Schon in seinen vierziger Jahren litt 
er an einem gefährlichen Augenübel, wodurch er das eine Auge ver- 
lor, so dass er seine Musik am Ciavier in die Feder dictirte. Im 
Jahre 1840 wurde er zum Director des Conservatoriums in Neapel 
ernannt, welche Stelle er noch bekleidet; seit 1862 ist er aber lei- 
der gänzlich erblindet. 

%* Der Wittwen- und Waisen - TJnterstützungsverein der Ton- 
künstler Wiens „H a y d n" veröffentlicht soeben den Rechnungsab- 
schluss für das 95. Vereinsjahr 1865. Nach demselben ergaben die 
beiden Academien zu Ostern und Weihnachten ein Erträgniss von 
2479 fl. 24 kr. und nach Abzug aller Auslagen ein reines Einkommen 
von 2357 fl. 77 kr. in Baarem , 608,405 fl. an Obligationen. An 
Pensionen wurden 16,630 fl. 25 kr., an Unterstützungen 235 fl. 75 kr. 
verabfolgt. Die Anzahl der Mitglieder beläuft sich auf 88. Pen- 
sionen wurden an 35 Wittwen und Waisen gezahlt. Nach einem 
Beschlüsse der Generalversammlung -werden die Pensionen von 
460 fl. auf 480 fl. erhöht. Die Wirthschaft ist daher eine gedeih- 
liche. Protector des Vereines ist Graf Kuefstein, Vorstand Hr. 
Esser, Stellvertreter Hellmesberger, Secretär Joseph 
Lebitschn i g g, 

%* An die Stelle des in Buhestand versetzten und aus diesem 
Anlasse mit dem Bitterkreuze des Franz Josephordens ausgezeich- 
neten Hofcapellmeisters Hrn. Bernhard Bandhartinger wurde 
der bisher überzählige Vicehofcapellmeister Hr. Johann Herbeck 
zum ersten wirklichen Hofcapellmeister ernannt. Beide Fälle, näm- 
lich sowohl die Pensionirung, wie die Präterirung des seit Langem 
dienenden Vicehofcapellmeisters Preyer, machen, als in der Ge- 
schichte der k. k. Hofcapelle ohne Präcedens dastehehende Vorfälle, 
in den musikalischen Kreisen nicht geringes Aufsehen. Hr. Herbeck, 
dessen glänzende Carriere übrigens durch seine künstlerischen Ver- 
dienste vollkommen gerechtfertigt erscheint, bezieht in seiner neuen 
Stellung an Gehalt und Nebengebühren ungefähr 2000 fl. per Jahr. 
(Hr. Herbeck soll übrigens einen Wink erhalten haben , dass sich 
die Direction des Männergesanges mit seiner neuen Würde nicht 
gut vertrage.) 

*** Hr. Bandhartinger hat bereits von der k. k. Hofcapelle 
herzlichen Abschied genommen, sowie Hr. Herb eck von dem ihm 
so lieb gewordenen Männergesangverein, der ihn in voller Versamm- 
lung zu seinem Ehrenmitgliede ernannte. Unter den zahlreichen 
Candidaten für die Chormeisterstelle des genannten Vereins stehen 
die HH. Wein wurm, Chormeister des academischen Gesangvereins 
und Mai r, Chormeister das Vereins „Schubert-Bund" in erster Beihe. 

*** Der Tenorist U c k o ist in Folge seines Gastspiels in 
Dresden am dortigen Hoftheater auf drei Jahre engagirt worden 
und erhält im ersten Jahre 4000 , im zweiten 5000 und im dritten 
6000 Thlr. Gage. 

*** Frau ClaraSchumann hat nach ihren ausserordentlichen 
Triumphen in Wien und Pesth in letzterer Zeit auch in Graz und 
Leibach concertirt und die Bewohner dieser Städte durch ihre emi- 
nenten Kunstleistungen im höchsten Grade erfreut und entzückt. 



V Hr. Beer* Tenorist am Coburg- Gothaer Hoftheater, feiert« 
am 21. April sein 25jähriges Dienstjubiläum , bei welcher Veran- 
lassung ihm die unzweifelhaftesten Beweise freundlicher Theilnahme> 
von allen Seiten entgegengebracht wurden. 

*** Im Münchener Kunstverein ist der silberne Lorbeerkran» 
ausgestellt, welchen die dortigen Freunde und Verehrer Richard 
Wagner's für denselben durch den Goldarbeiter Quell bor st 
fertigen Hessen; das Geschenk geht dieser Tage an seine Adresse. 

*** J o a c h i m gab mit dem Pianisten T a u s i g ein Concert 
in Hannover. Er fand beim Auftreten seinen Notenpult und difr 
Estraden mit Blumen und vergoldeten Kränzen geschmückt. Auch 
auf Tausig's Flügel prangte ein Bouquet. 

*** Das Oratorium „Die letzten Dinge" von Spohr wurde in 
B o t z e n unter N a g i 1 1 e r ' s Leitung in recht gelungener Weise 
aufgeführt. 

*** Der vortreflliche Violoncellist Cossmann in Weimar geht 
auf ein Jahr als Lehrer an das Conservatorium in Moskau , ohne> 
jedoch seine Stellung in Weimar aufzugeben. 

*** Die mit so grossem Eclat von der Berliner Hofbühne ge- 
schiedene Solotänzerin M a r i e Taglioni wird sich demnächst 
mit einem Sohne des Feldmarschalls Fürst von Windischgrätz ver- 
heirathen und mit ihm in Berlin ihren bleibenden Aufenthalt nehmen. 
Man sagt, Frl. Taglioni werde vor ihrer Vermählung noch in den* 
Adelstand erhoben werden. 

*** Am 26. April starb in Pardubitz in Böhmen die früher in; 
Darmstadt engagirte und dort äusserst beliebt gewesene Sängeria 
Frl. Emilie Schmidt. Sie war eine mit schonen natürliche» 
Mitteln und feiner, künstlerischer Durchbildung ausgestattete Künst- 
lerin und wusste sich auch im Privatleben die allgemeinste Achtung* 
und Verehrung zu gewinnen. Die Verblichene war die erste Re- 
präsentantin der Gounod'schen „Margarethe" in Deutschland und 
wird ihre Leistung gerade in dieser Partie stets unvergessen» 
bleiben. 

*** Capellmeister J. J. B o 1 1 in Hannover hat das Decret 
seiner lebenslänglichen Anstellung erhalten, und wurde bei dieser 
Veranlassung von seinem Orchester in der Probe mit einem Tuscb 
empfangen. 

*** Offenbach's „schöne Helene" wurde dieser Tage zum 
ersten Male in Antwerpen gegeben und ausgepfiffen; es hatte sich 
ein zahlreiches Auditorium eingefunden , welches im ersten Acte 
lachte, im zweiten zischelte und im dritten endlich in lautes tische» 
und Pochen ausbrach. 

*»* Zwei in London noch neue Sängerinnen, Frl. Marie Wilt 
(Signora Wilda) und Frl. Louise Lichtraay haben dort mit 
günstigem Erfolg debütirt, und zwar Erstere in Coventgarden ala 
Norma , Letztere in Her Majesty's Theatre als Leonore im 
„Trovatore". 

*** Herr J. A. Z e 1 1 n e r , Eedacteur und Eigenthümer der 
Wiener „Blätter für Theater, Musik und bildende Kunst" hat vom 
Kaiser von Oesterreich in Anerkennung seiner Leistungen auf dem 
Gebiete der Kunst die grosse goldene Verdienstmedaille für Kunst 
und Wissenschaft erhalten. 

*** Dem Director des grossh. Hoftheaters in Carlsruhe, Hrn. 
Eduard Devrient ist die Leitung des königl. Theaters in Han- 
nover angeboten worden. Hr. Devrient hat den Antrag abgelehnt 
und wird in Carlsruhe bleiben. 

*** In Havre macht ein junger Mann Aufsehen, der mit dem 
Munde mit ausserordentlicher Geschicklichkeit pfeift und durch eine 
eigentümliche Anwendung der hohlen Hand dem Tone einen der 
Flöte täuschend ähnlichen Character zu geben weiss. 

*** In Pesth erregte eine Baronin Ambrozy durch ihren 
Gesang enormen Enthusiasmus. 

*** Der Violinvirtuose J. Lotto, der auf einer Kunstreis» 
nach Schweden begriffen, auch in Copenhagen mit vielem Beifall 
concertirte, hat vom Könige von Dänemark den Danebrog - Orden 
erhalten. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



m*i. 



21. Mai 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



DieseZeitung erscheint jeden 
MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
* lungen. j 



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| fl. 2. 42 kr. od. Tb. 1. 18 Sg. 
\ für den Jahrgang. 

SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ, j d«a ai. ***»«■ . 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co. 






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INHALT: Haydn's, Mozart's u. Beethoven 1 » Kirchenmusik. — Correspondenzen : Mannheim. Cassel. Magdeburg. Paris. — Nachrichten. 



Haydn's, Mozarfs und Beethoven's Kirchenmusik 

und 

ihre katholischen und protestantischen Gegner. 



(Fortsetzung.) 

Dr. Lorenz analysirt den lateinischen Text der katholischen 
Messe und legt die Schwierigkeiten dar, welche derselbe dem Com- 
ponisten entgegenstellt, sowie die Art und Weise, in welcher Mozart, 
Haydn und Beethoven bei ihrer Auffassung des Textes, diese Schwie- 
rigkeiten erkennend, beim Componiren verfahren sind. Auch über 
andere, minder bekannte 'österreichische Kirchencomponisten und 
ihre Werke gibt der Verfasser interessante Mittheilungen, und sagt 
dann am Schlüsse des Capitels „über die österreichische Kirchen- 
musik" (Seite 46 u. ff.): „Fürwahr, es. war eine herrliche, grosse, 
für Oesterreich wohl nie mehr wiederkehrende Zeit, die Periode von 
jenem kaiserlichen Capellmeister F u x bis zu den eben genannten 
Heroen herauf! Eines jener goldnen Zeitalter der Kunst, wie es 
dem MeosdWtageschlechte so äusserst selten, nur in ungeheuren 
Zeitdistanzen, vom Geschicke gegönnt wird. Die Tonkunst war kein 
Naschwerk für blasirte übersättigte Mägen, sie war bei Hohen und 
Niederen zu einem Bedürfniss des Herzens, fast zu einer Art reli- 
giösen Cultus geworden. Kaiser musicirten und componirten, Prinzen 
und Prinzessinnen wirkten bei Musikprodnctionen in der Hofburg — 
Fürsten und Grafen, wie Rasumovsky, Lamberg, Fuchs bei jenem 
des Fürsten Esterhazy in Eisenstadt persönlich mit, in Klöstern und 
Städten fand die Kirchenmusik ihre eifrigsten Pfleger, ja häufig 
selbst in unscheinbaren Marktflecken und Dörfern würdige Vertreter 
— wir erinnern beispielshalber nur an den bekannten , trefflichen 
Kirchencomponisten R i e d e r , simplen Schulmeister im Markte 
Berchtoldsdorf bei Wien — in der Residenz aber selbst bildeten sich 
mitten unter einer im Ganzen ziemlich cruden Bevölkerung zahlreiche 
Oasen ächter, ungeschminkter Humanität und Cultur, jener edlen, 
von Jahn mit sichtlicher Liebe geschilderten Kreise, die die Fami- 
lien Thun, Jacquin, Greiner, Martinez, Kress, Spielmann etc. um sich 
versammelte und wo alles, was gut und schön, vor allem aber die 
Tonkunst die reinste, begeistertste Verehrung gefunden. Hervorge- 
gangen aus dieser Zeitströmung und getragen und gehoben von ihr, 
wirkten und schufen unsere grossen Meister. Wo ist ein Fach ihrer 
Kunst : Oratorium, Oper, Sinfonie, Concert, Quartett etc. bis zur So- 
nate und dem Liede herab, in dem nicht von ihnen Musterwerke 
für alle Zeiten geschaffen worden? Wo ist aber auch auf kirchlichem 
Gebiete ein Fach, das nicht von diesen Koryphäen und anderen 
Meistern, von denen wir oben nur die kleinste Anzahl namhaft ge- 
macht, mit Werken von fast unübersehbarer Menge, und den bewun- 
derungswürdigsten darunter, geschmückt worden wäre? 

Ja, diese Werke, wie die Aussprüche selbst, die diese grossen 
Meister und zugleich Kenner, wie keine anderen, Über ihre Leistungen 
gegenseitig gethan, bezeugen es int jeden, der nicht um Parteizwecke 
willen Augen und Ohren verschliesst, dass auch auf kirchlichem 



Gebiete hier die Tonkunst im schönen Style, wie einst unter Palä- 
strina im erhabenen, ihre Vollendung gefeiert; eine Vollendung, wie 
sie in dieser Art erst jetzt, durch das merkwürdige auch in andern 
Zweigen beobachtete Zusammentreffen der gr Össten Genies mit der 
ihrer Culmination sich nähernden, all ihrer reichen Mittel endlich 
bewusst gewordenen Kunst, möglich gewesen ; es bezeugen es unter 
Andern auch zwei Autoritäten, deren Verdict dem deutschen Pub- 
likum wohl mehr als jenes des Verfassers, eines unbekannten, auf 
publicistiscbem Felde weder berühmten noch berüchtigten Mannes 
iroponiren dürfte. 

Vischer sagt in seiner Aesthetik vom schönen Styl: 
„Der schöne Styl ist der freie, Anmuth, Reiz und Effect nie ein* 
aeitig erstrebende, auf Ausdruck bedachte, aber ihn von einseitigem, 
gefühligem Sichvordrängen zurückhaltende, gemüthreiche aber nicht 
sentimentalisirende, das Characteristische, Individuelle, Naturalistische , 
mit dem reinen'.Duft gehobener Idealität umgebende, auch die stren- 
gen Formen mit Abstreifung ihrer abstracten Regelmässigkeit frei 
in sich verarbeitende Styl, der nichts, was die Musik an Formen 
und Mitteln bietet, verschmäht, ebenso aber auch alles zu in sich 
abgerundeter, klarer Einheit zusammenfasse Er befriedigt zwar für 
sich allein nicht alle Anforderungen, da man das Hohe und Ideale 
nicht blos als Element, sondern in eigener, selbständiger Ausprägung 
vernehmen will, aber er ist der Gipfel des musikalischen Styls 
durch seine Universalität, durch seine allseitige Vollendung". 

Helmholtz hxirt in seinem neuen Werke: „Ueber Tonempfin- 
dungen" den Werth der neuern Musik auf folgende Weise: „In der 
That, die Art, wie das Tonmaterial der Musik jetzt für den künst- 
lerischen Gebrauch zurecht gemacht, ist an sich schon ein be- 
wunderungswürdiges Kunstwerk , an welchen die Erfahrung , der 
Scharfsinn und der künstlerische Geschmack der europäischen Na- 
tionen seit Terpander und Pythagoras nun dritthalb Jahrtausende 
gearbeitet haben. Mit diesem Tonsysteme, welches grossen Reich- 
thum von Formen bei festgeschlossener künstlerischer Consequenz 
zuliesb, ist es nun möglich geworden, Kunstwerke zu schaffen, viel 
grösser an Umfang, viel reicher in Formen und Stimmen, viel ener- 
gischer im Ausdruck, als es irgend eine vorausgegangene Zeit pro» 
duciren konnte, und wir sind daher gar nicht geneigt, mit den mo- 
dernen Musikern zu rechten, wenn sie es für das vorzüglichste 
von Allen erklären ; nur dürfen sie nicht vergessen, dass neben diesem 
Systeme und vor ihm andere aus anderen Principien entwickelt 
worden sind, in deren jedem gewisse beschränkte Aufgaben der Kunst 
so gelöst worden sind, dass auch der höchste Grad künstlerischer 
Schönheit entwickelt wurde." 

Sollte es also wirklich dahin kommen, wozu man leider in eini- 
gen Erzdiöcesen am Rhein, in Schlesien und Böhmen bereits den 
Anfang gemacht, dass die katholische Hierarchie diesen ganzen ed- 
len Zweig mit dem Iftterdict belegt, auf das Geschrei vieler katho- 
lischen und protestantischen Idioten und Schreihälse lieber horchend 
als auf üas Urtheil weniger, aber grosser Künstler und gründlicher 
.Forscher, von welch* letzteren wir soeben zwei namhaft gemacht, 
dann fürwahr wäre die Braut Christi, mit pflichtschuldigster Auf- 



— 82 — 



richtigkeit sei's gesagt, unter den sieben thörichten Jungfrauen die 
thörichste an nennen, indem sie einen herrlichen Schmuck voll der 
kostbarsten Juwelen , den ihr die trefflichsten Heister aufs Haupt 
gesetat, von sieb und in den Koth warf, weil ein oder der andere 
Stein nicht ganz die gehörige Fassung, vielleicht auch hie und' da 
einen kleinen Flecken hatte! (Schluss folgt.) 



CORBBSPOVDEKZEN. 



Ans Mannheim. 



Im weiteren Yerlauf der nun zu Ende gekommenen musikali- 
schen Saison, deren früherer Theil vor einiger Zeit in diesen Blättern 
besprochen wurde, sind es hauptsächlich einige grössere Concerte, 
die das Interesse unserer Musikfreunde in Anspruch nahmen, näm- 
lich die beiden letzten Acaderoien des Hoftheater -Orchesters. Es 
kamen in der 3. Academie folgende Werke zur Auffuhrung: I. Ab- 
theilung: Sinfonie in Es (mit dem Paukensolo am Anfang) von J. 
Haydn. II. Abtheilung: Ciavier- Vorträge des Hrn. Dionys F ruck- 
ner aus Stuttgart: A-moll-Concert von Schumann, Impromptu von 
Chopin, Polonaise von Liszt; ferner von Gesängen: zwei Duettinen 
für Sopran und Bass, „Abschied" und „Mailied" von F. Hiller» ge- 
sungen von Frl. H e n t z und einem Dilettanten , sowie von Letz- 
terem der Vortrag zweier Lieder, „Normann's Sang" von F. Schu- 
bert und „der letzte Grass" von Herrn. Levi: endlich Concertino 
für die Flöte von Langer, vorgetr. von Hrn. Neuhof er. III. Ab- 
theilung: „Requiem" von Cberubini. Hr. Pruckner, der hier zum 
erstenmale spielte, fand die vollständigste Anerkennung und Bewun- 
derung seiner allerdings eminenten Leistungen, vermöge welcher 
es ihm auch gelang, das früher von einem andern Ciavierspieler hier 
vorgetragene Concert von Schumann , an dem man damals wenig 
Geschmack finden wollte, zu besserem Verständnies und gerechterer 
Würdigung zu bringen. Die Duettinen von Hiller boten namentlich 
dem oben angeführten Dilettanten (einer der geachtetsten hiesigen 
Familien angehörig) weniger Gelegenheit, die Vorzüge seiner schönen 
Stimme sowohl, als seines durchaus ungezwungenen und sinnigen 
Vortrags geltend zu machen, als nachher in den beiden Liedern von 
Schubert und Levi geschehen konnte. — In dem Flötenconcert, das 
von Hrn. Neuhofer ungeachtet seiner eigentümlichen Schwierigkeiten 
trefflich vorgetragen wurde, bekundete der Componist ein nicht un- 
bedeutendes Talent sowohl in Behandlung der Haupstimme als der 
mit Sorgfalt ausgearbeiteten Orchesterpartie; allerdings nahm das- 
selbe, bei der freundlichsten Anerkennung der Leistungenjdes Com- 
ponisten sowie des Virtuosen von Seiten der Zuhörer, die Geduld 
der Letzteren bei dem sehr reichhaltigen Programm etwas zu lange 
in Anspruch. — Die Aufführung des „Requiem" von Cherubini, bei 
dem sich die Mitglieder des Musikvereins und der Theater-Singchor 
betheiligt hatten, war eine ganz treffliche, schwunghafte und erfreute 
sich der lebhaftesten Anerkennung der Musikfreunde von gediegenerer 
Richtung. 

Die vierte und letzte Academie hatte folgendes Programm: 
Ouvertüre zu „Coriolan" von Beethoven. Hr. Concertmeister Singer 
aus Stuttgart: Violinconcert von Mendelssohn, Cavatine von Raff, 
Barcarole und Scherzo von Spohr. Hr. C. Hill aus Frankfurt : 
„Flutheiireicher Ebro" von Schumann, und „Olinde* von Schubert. 
2um Schluss: „Sceuen aus der Frithjofssage" für ß^>li, Männerchor 
und Orchester von Max Bruch (Ingeborg Frl. Hentz, Fritbjof Hr # 
C. H i 1 1). Hr. Concertmeister Singer, als einer der ausgezeichnet, 
sten Violinisten allgemein bekannt, bewährte auch hier durch seine 
trefflichen Vorträge seinen woblbegründeten Ruf, und erntete den 
reichlichsten Beifall. Nicht minder gewann sich Hr. 0. Hill, den 
zu hören man hier schon lange gewünscht hatte, schon durch seine 
Liedervorträge, ganz besonders aber in den Frithjofs - Scenen die 
freudigste und allgemeinste Anerkennung; Hr. Hill ist in den wei- 
testen musikalischen Kreisen durch die Vorzüge seiner Stimme und Ge- 
sangsweise, hauptsächlich im Oratorium und diätem verwandter Gattung 
gekannt und geschätzt, als dass wir veranlasstem könnten, uns darüber 
noch ausführlicher auszusprechen. An der Aufführung der Samen aus 
der Frithjofssage hatten sich die Männergesangvereine „Liedertafel," 
„Sängerbund" und „Liederkranz" nebst dem männlichen Theil des 



Theater-Singchors betheiligt. Von allen uns bisher bekannt gewor- 
denen Compositionen von M. Bruch , auch dessen Oper „Loreley" 
nicht ausgenommen, möchten wir der in Rede stehenden hei Weitem 
den Vorzug geben, da sie in allen Theilen, im melodischen, decla- 
matorischeu, harmonischen, rhythmischen, sowie in vorteilhafter 
Behandlung der Stimme und des Orchesters selbst strengen Anfor- 
derungen Genüge leistet. Vor allem aber ist es der elgenthflmHcho 
Geist der Dichtung, den der Componist in seine Musik überzutragen 
verstand, mit Verschmähung einer bei derartigen Werken unserer 
Zeit so häufig vorkommenden, erkältend wirkenden Reflexion, eine 
aus tiefstem Gefühl , jedoch mit der , wahrer Kunst angemessenen 
Mässigung, herausarbeitend. Die Gesammtleistung war eine völlig 
abgerundete und höchst befriedigende; die Chöre wurden, je nach 
Erforderniss der Composition, mit Innigkeit und feurigem Schwünge 
ausgeführt. 

Die bedeutendste Leistung des Musikvereins in der letzten Zeit 
war die Aufführung von Mendelssohns „Paulus" unter Leitung des 
Hrn. Concertmeisters Koning und unter Mitwirkung des Theater- 
orchesters. In die Soli tbeilten sich einige Mitglieder des Vereins 
und des Theaters. Nicht unerwähnt möge bleiben, dass der Verein 
noch eine zweite Aufführung dieses Oratoriums kurz nach der ersten 
zum Besten der Witt wen- und Waisenkasse des Hoftheaterorchesters 
veranstaltete. 

In der zweiten und dritten Quartett- Aufführung hörten wir zwei 
Quartette von Haydn: Nr. 70, D-dur und Nr. 33, G-moll, Quartett 
von Mendelssohn, F-moll, aus dessen Nachlass, von Schumann Nr. 2, 
F-dur, von Beethoven Nr. 6, B-dur, Nr. 13, B-dur. Das Mendels- 
sohn'sche Quartett zeigte eine in Gedanken und Ausführung etwas 
fremde Färbung, so dass es uus nicht eigentlich Mendelssohnisch 
erschien, vielmehr uns bedünken wollte, der Meister hätte versucht, 
einen von seinem sonst gewohnten verschiedenen Weg einzuschlagen. 
Wegen längerer Krankheit des Hrn. Koning konnte die letzte Quar- 
tettunterhaltung noch nicht stattfinden. 

Der „Dilettanten -Verein," der nach stetem Fortstritt strebt, 
brachte in seiner letzten Aufführung neben kleineren Stücken ver- 
schiedener Art die erste Sinfonie von Beethoven in sehr anerkennens- 
werther W^ise zu Gehör. 

In der Oper trat naclPdenr in diesen Blättern bereits gemelde- 
ten Gastspiel des Frl. Stehle aus München Frau Jauner-Krall 
aus Dresden als Gast auf, und zwar in den Opern: „Barbier von 
Sevilla" als Rosine, „Regimentstochter" als Marie unjd.,Figaro , s 
Hochzeit" als Susanne. Von diesen drei Rollen fand die zweite die 
allgemeinste*Anerkennung , während in Betreff der übrigen die An- 
sichtenjdes Publikums sich theil ten. 

Von Novitäten in der Oper ist bis jetzt nichts mitzutheilen ; 
Meyerbeer's „Afrikanerin" wird öfters wiederholt ohne eben Begeis- 
terung zu erwecken. Meudelssohu's Finale aus „Loreley" wurdo 
kürzlich neu einstudirt nach längerer Zeit wieder gegeben, i 



Aus C f» s s e 1. 



Der Wonnemonat ist schon hereingebrochen, und noch immer 
bin ich im Rückstande mit meinem Berichte über die musikalischen 
Ereignisse in Cassel seit dem 1. Januar d. J. Ich will nunmehr 
das Versäunhe möglichst nachzuholen suchen und theüe Ihnen zu- 
nächst nachstehend die Programme unserer vier letzten Abonnements- 
Concerte mit: Am 9. Januar 3. Abonnement -Concert des Kurfürstl. 
Hoforchesters. I. Theil. „Michel Angelo", Concert-Ouvertüre von Niels 
W. Gade (zum 1. Male); Arie aus der Oper „Pietro von Albano" 
von Spohr, ges. von Hrn. Lindemann; ConcertstUck für Pianoforte 
mit Orchesterbegl. von Weber, vorgetr. von Frl. Mary Krebs aus 
Dresden; Lieder mit Pianofortebegl. vorgetr. von Frl. Grün; Fuge 
von Händel und Fantasie von C. Krebs für Pianoforte, vorgetr. von 
Frl. Krebs; Männerchöre mit Orchesterbegl.: a) „Lied der Städte" 
von Max Bruch; b) „Das deutsche Schwert" von Carl Schuppert, 
gesungen von sämmtlicben Solisten und Choristen der Oper und den 
Mitgliedern der Liedertafel. II. Theil. Sinfonie Nr. 2 (D-dur) von 
Beethoven. 

Am 6. Februar 4. Abonnement-Concert. I. Theil. Ouvertüre zu 
„ßlympia" von Spontini ; Violoncellconccrt von Bob. Volkmann, vor- 



- 88: - 



*etr. von dem FUntl. Hohenzollern'solien Kammervirtuosen Hm. D. 
Popper aus Löwenberg («am 1. Male); Septett aus der Oper „Les 
voilures versdes" von Boieldieu (zum l. Male), ges. von den Damen 
Wiczek, Wiokler und Podesta und den HH. Bachmann, 
Baume r, Hoffmeister und Schule e; Solostücke für die 
Barfe: a) „Elfenmährchen" von Oberihür; b) Romance varie'e von 
Gersteaberger, vorgetr. von Hrn. Gerstenberger; „Frühlings- 
Heder" für 2 Sopranstimmen mit Pianofortebegl., ges. von den Damen 
Wiczek und Winkler; Andante aus dem Violoncelleoncert von Mo- 
lique, vorgetr. von Hrn. Popper. II. Theil. Sinfonie Nr. 3 (C-moll) 

von L. Spohr. 

Den 6. März 6. Abon.-Conc. I. Theil. Vorspiel zu „Tristan 
und Isolde" von E. Wagner (cum 1. Male); Finale des 1. Actes der 
unvollendeten Oper „Loreley** von Mendelssohn, ges. von Frl. Bauer 
und dem Hoftheaterchor ; Violinconcert von Beethoven, vorgetr. von 
Hrn. Concertm. Lauterbach aus Dresden; FrauerchÖre mit Piano- 
fortebegl. von B. Herapel, vorgetr. von den Damen Wiczek, Winkler 
und Podesta und mehreren Damen des Hoftheaterchors ; Gesangs- 
scene für die Violine von Spohr , vorgetr. von Hrn. Lauterbach ; 
Lieder : a) „Das Veilchen" von Mozart, b) „Widmung" von Schumann, 
ges. von Frl. Bauer. II. Theil. Suite Nro. 1 (F-dur) für grosses 
Orchester von H. Esser (zum 1. Male). 

Am t. Mai 6. Abon.-Conc. I. Theil. Festouvertüre Op. 124 von 
Beethoven; Scene und Arie aus der Oper „Iphigenie auf Tauris" 
von Gluck, ges. von Frl. v. Pöllnitz vom Hoftheater in Berlin; 
Violinconcert Nr. 9 (D-moll) von Spohr, vorgetr. von Hrn. Concert- 
director Jos. Joachim aus Hannover ; Lieder von Schubert und 
Brahms, ges. von Frl. Wiczek; Romanze in F-dur von Beethoven, 
und „Abendlied" von Schumann für die Vieline, vorgetr. von Hrn. 
Joachim. II. Theil. Sinfonie Nr. 4 (A-dur) von Mendelssohn. 

Was zunächst die Theilnahme des Publikums für die Abonne- 
ment-Concerte des Hoforohesters betrifft, so hat sich dieselbe von 
Jahr zu Jahr fortwährend gesteigert, und vermochte in dieser Saison 
dos Haus die Menge der auf ein bescheidenes Plätzchen reflectiren- 
den Musikfreunde zu wiederholten Malen nicht zu fassen, so das« 
«in Theil des Bühnenraumes dem Publikum zur Verfügung gestellt 
wurde. Unter der dermaligen Musikdirection hat sich die Jahres- 
einnahme der Concerte um das dreifache gegen frühere Jahre ge- 
steigert, welches Resultat um so erfreulicher ist, indem die Einnahme 
dem Wittwen - Unterstützungsfond des kurfürstl. Hoforchesters zu- 
fliessen, derselbe aber sich einer anderweitigen Subvention leider 
nicht erfreut. 

Wenn wir nunmehr die künstlerische Seite und Bedeutung dieser 
Concerte ins Auge fassen, so dürfen wir mit Befriedigung registriren, 
dass die Orchester werke stets mit äusserster Sorgfalt und Feinheit 
einstudirt waren und auch entsprechend wiedergegeben wurden. 
Begrüsste das Publikum die oben bezeichneten Werke von Beethoven, 
Spohr, Mendelssohn als alte liebe Bekannte, so errang Esser's erste 
Suite einen höchst ehrenvollen Erfolg , den wir mit um so aufrieb" 
tigerer Freude hiermit coostatireu, als das fragliche Werk hinsicht- 
lich der nobeln Erfindung sowie der treffliehen Factur zu den besten 
Erzeugnissen der Neuzeit zählt, sich vor Allem aber den durch ihre 
Form verwandten Werken Franz Lachner's würdig anreiht Die 
Wiedergabe der Esser'schen Suite von Seite unserer trefflichen Ca- 
pelle war eine glänzende und die Aufnahme von Seite des Publikums, 
namentlich in den letzten Sätzen, eine sehr warme. Nicht eines gleich 
günstigen Erfolges erfreute sich das Vorspiel zu „Tristan und Isolde," 
dessen dissonirende Accordfolgen das Publikum seltsam anzumuthen 
schienen. Gude's Michel Angelo-Ouvertüre vermochte ebenfalls keinen 
nachhaltigen Eindruck zu erzielen. (Schluss folgt.) 



' ■! ! »< 



Aus Magdeburg« 

Das von uns in vorigem Berichte erwähnte Gastspiel der Frau 
Sophie Förster hat einen glänzenden Verlauf genommen. Die 
Stimme der hiesigen, jetzt in sachkundiger Hand liegenden Kritik 
vereinigt sich mit der des Publikums und der Leute von Fach in 
«em Lobe der ausgezeichneten Künstlerin. In der That bat sich 
Frau Förster als solche in den verschiedensten von ihr dargestellten 
Bollen in so hohem Masse bewährt, dass wir sie unbedenklich in 
*ie erste Selbe unserer dramatischen Sängerinnen stellen. Gesang 



und Darstellung erregten unsere Bewunderung in gleiche» Weiss. 
In dem kurzen Zeiträume von wenig mehr als viersehn Tags« sang 
Frau Förster die Margarethe, die Valentine, die Gräfin im „Figaro* 
je einmal, Norme, Agathe und Fidelio je zweimal. Ergibt sieh aas 
dieser verhältnissmässig grossen Rollenzahl eine Ausdauer, zu wel- 
cher nur eine gute Natur in Verbindung mit einer bis auf das 
Kleinste gebenden künstlerischen Ausbildung befähigt (wir fanden 
die Stimme nur zu Anfange zweier Vorstellungen 1 und zwar nur 
kurze Zeit etwas umschleiert) , so zeigte auf der anderen Seite das 
mit einer einzigen Ausnahme stets ausverkaufte Haus die unge- 
schwächte Theilnahme des Publikums, um so mehr, als sämmtliche 
Vorstellungen theils vor, theils in die Charwoche fielen. Frau Förster 
geht von hier nach Leipzig und Königsberg. -f* 



HM» 



Aus Paris. 

IS. Mal. 

Vorigen Dienstag ist „Don Juan" zum ersten Mole im TMAtr* 
lyrique znr Aufführung gelangt. Dieselbe hat zwar den etwas über- 
triebenen Erwartungen nicht völlig entsprochen, war aber im Ganzen. 
doch eine gelungene. Frl. Nielson in der Bolle der Donna Elvira 
ist vortrefflich; Mme. Charton-Dem eur als Donna Anna verdient 
ebenfalls den Beifall des Publikums, und was Mme. Miolan-Car- 
valho als Zerline betrifft, so singt sie zwar als ächte Künstlerin» 
es fehlt ihr jedoch an der Heiterkeit, welche das Wesen dieser Su- 
muthigen Rolle bildet. Don Juan wird von dem Debütanten BarrA 
leidlich gesungen doch sehr mittelmässig gespielt , während T r o j 
als Leporello leidlich spielt und mittelmässig singt. M t c h o t als 
Don Ottavio ist genügend, aber auch nicht mehr. Es ist anzunehmen, 
dass die Vorstellungen sich nach und nach abrunden werden, und 
man darf wohl voraussagen, dass Mozarts Meisterwerk sich lang« 
auf dem Repertoire des The'ätre lyrique erhalten werde. 

Die grosse Oper hat das Ballet „Gisella" von Adolph Adam 
wieder auf die Scene gebracht, und zwar für das Debüt der deut- 
schen Tänzerin Granzow, der ein wahrhaft stürmischer Beifallfzu 
Theil wurde. Dasselbe Theater bereitet die Reprise des w Prö-* 
"pheten" vor. 

Nächste Woche findet in der Opera comique die erste Auffüh- 
rung von Flotow's „Zilda" statt. Unmittelbar darauf soll Gounod's 
bereits in Baden-Baden aufgeführtes Werk „La Colombe" zur Dar- 
stellung kommen. 

Gestern hat im Satte Erard das Concert des Hornisten 
Vjivier vor einem dicht gedrängten Publikum aus der aristokra- 
tischen Schichten der Gesellschaft stattgefunden. Vivier wurde zu 
wiederholten Malen stürmisch gerufen. 

Neben G o u n o d und Felicien David tritt jetzt auch 
A. E 1 w a r t , Professor der Harmonielehre am Conservatorium als 
Candidat für den durch Clapisson's Tod erledigten Sessel im In- 
stitut auf. Elwart hat als Compositeur und als musikalischer Schrift- 
steller mannigfache Verdienste; dieselben werden ihm aber diesmal 
schwerlich zum Siege verhelfen. Wie es heisst, habe Gounod die 
meisten Aussichten auf den Sitz unter der Kuppel des Instituts. 



1 tt c li r 1 c Ii t e ii. 



Mainz. Herr Dr. S c h m i d von Wien hat sein Gastspiel als 
Cardinal in der „Jüdin" fortgesetzt und die Vorzüge seiner herrlichen 
Stimme sowie seiner Gesangskunst fast in noch höherem Grade 
geltend gemacht als bei seinem ersten Auftreten. Das Publikum 
ward zu wiederholten Malen zu enthusiastischen Beifallsbezeugungen 
hingerissen, und wir haben nur zu beklagen, dass seine musterhafte 
Leistung von den übrigen Mitwirkenden , mit Ausnahme der FrL 
Müller als Prinzessin so wenig unterstützt wurde. Frl.Hülgerth 
(Recha) gab diese Rolle in einer Weise wieder, dass wir uns zn 
dem Urtheile berechtigt glauben, es dürfte ihr wohl schwerlich ge- 
lingen, die dauernde Sympathie unseres Publikums zu gewinnen; 
dazu fehlt ihr die innere Wärme des Vortrags, während ausserdem 
ihre höhere Stimmlage an einer unerquicklichen Schärfe des Tones 
leidet. Doch wollen wir gerne constatiren, dass ihre Darstellung 
einzelne recht gelungene Momente hatte. Von dem Eleazar des Hrn. 
S t i e g e 1 e ist es am besten zu schweigen , indem diese Leistung 



- 84 - 



unseres Heldentenors nur zu sehr geeignet war, uns über seinen 
Abschied von unserer Bühne zu trösten. — Wir vergossen zu un- 
serem Bedauern in unserem letzten Theaterberichte der aasgezeich- 
neten Weise zu erwähnen) in welcher Frl. Müller die Partie der 
Königin in den „Hugenotten" durchführte. — Am Dienstag sollte 
Hr. Dr. Sehmid den Bertram im „Robert" singen, doch musste lei- 
der die Vorstellung wegen Heiserkeit des gefeierten Gastes abge- 
sagt werden. E. F. 

Wien. Am Sonntag wmde in der k. k. Hofcapelle eine neue 
Hesse vom Hofcapellmeister Hrn. Herbeck zur ersten Aufführung 
gebracht. Das in grossen Dimensionen angelegte Werk hat nicht 
verfehlt, einen tiefen Eindruck auszuüben. Dasselbe nimmt seinen 
Ausgangspunkt von der Beethoven'schen Misset solennis und be- 
kundet somit in jeder Beziehung einen entschiedenen Bruch mit dem 
sogenannten Wiener Kirchenstyle. — In der am 11. d. M. stattge- 
habten ausserordentlichen Generalversammlung des „Wiener Männer- 
gesangvereins" wurde an die Stelle des nunmehrigen Hofcapell- 
meisters Herbeck zum Chormeister des Vereins Hr. We i n w u r m, 
bisher Chormeister des academischen Gesangvereins gewählt. Von 
den 127 Anwesenden gaben 114 dem Hrn. Weinwurm ihre Stimme. 

Paris. Der Graf von Bacciochi, Generalintendant der kais. 
Theater ist zum Senator ernannt worden. 

— Das Journal „VArt musicale' 1 bringt einen interessanten 
Artikel über die Opernsänger und deren heutige Anforderungen, in 
welchem es einen ausführlichen Gagenetat der königlichen Oper im 
Jahre 1713 anführt, welcher Alles in Allem, Solisten, Chor, Orchester 
und Capellmeister eingerechnet, die Summe von 67,050 Frcs., also 
gerade 22,900 Frs. weniger beträgt als der Barytonist Faure von 
der grossen Oper allein bezieht. 

Barcelona. Am 3. Mai gab die italienische Oper zum ersten 
Male die „Afrikanerin" mit prachtvoller Ausstattung und enormem 
Erfolg. Mme. Kapp-Young gab die Ines , Mme. Buggero 
die Selika, M o r i n i den Vasco de Gama und Boccolini den Ne- 
lusko. Die Aufführung war durchweg eine vortreffliche. Der En- 
thusiasmus steigerte sich noch bei der am Ö. Mai stattgehabten 
Wiederholung der Oper. 

*„* (Beethoven's Ciavier.) Das Ciavier des berühmten 
Componisten Beethoven befindet sich in Clausenburg (Siebenbürgen). 
Dasselbe ist circa 70 Jahre alt, im Stimmstock befindet sich das 
meisterhaft gearbeitete Wappen und deutlich erkennbare Forträt aus 
der Jugendzeit des Componisten. Der um das Porträt geschlungene 
Name „Louis v. Beethoven" lässt vermuthen, dass dies Ciavier ent- 
weder als Geschenk für ihn oder aber auf eigene Bestellung des- 
selben durch den damaligen Ciaviermacher S. A. Vogel in Festh 
angefertigt wurde. Das Ciavier wurde laut Aussage noch lebender 
Zeugen durch Beethoven in Wien einem seiner Schüler zum An- 
denken hinterlassen, welcher später in der Eigenschaft als Musiklehrer 
nach Ungarn zu Frl. Elise Eallai — nachmalige Gattin des Dich- 
ters Jozsika Mi kl os — kam, welcher auch der Musiklehrer das 
Ciavier aus Dankbarbeit als theure Reliquie zum Präsente machte. 
Von hier gelangte das Ciavier nach langem Gebrauche in den Be- 
sitz der Familie Pataki Daniel in Dees, von da nach Klausen- 
burg zu Pataki Mihaly, später zum Kaufmann Akoncz und 
«ndlich zum Einsender dieser Zeilen, welcher nun den dunklen Nebel, 
der dies interessante Andenken des Meisters umgab, endlich lichtete. 
Ueberzeugt, dem gebildeten Publikum mit dieser Nachricht gedient 
zu haben, hat der Besitzer des Claviers es für entsprechend gehalten, 
Vorstehendes zur allgemeinen Kenntniss zu bringen ; gleichzeitig er- 
klärt derselbe, das Ciavier irgend einer Sammlung bereitwilligst zu 
überlassen, wo dasselbe zum ewigen Andenken an Beethoven einen 
bleibenden Platz angewiesen erhielte, damit diese werth volle Reli- 
quie nicht Gefahr laufe, in dem Besitze einer Privatperson vielleicht 
in das Meer der Vergessenheit zu gerathen. Hierauf Reflectirende 
«rfahren Näheres zu Klausenburg bei Samuel Gyulai, Belsö- 
JFarkas-ütsxa Nr. 81, allwo auch das Ciavier in Augenschein ge- 
nommen werden kann. (Zellner's Bl. f. Th. etc.) 

*** Der Violinvirtuose Ferd. Laub ist am Conservatorium 
zu Moskau mit einem Gehalte von 5000 Silberrubel und fünfmonat- 
lichem Urlaub angestellt worden. Ebenso hat Wieniawsky in 
Petersburg als Solist Sr. Majestät des Kaisers 1000 Silberrubel Zu- 
lage und Verlängerung seines Urlaubs auf fünf Monate erhalten. 

V Die Theaterfrage in Regensburg ist noch immer nicht 



entschieden. Mit sehr geringer Ausnahme von etlichen Kaufleuten etc. 
verlangt die allgemeine Meinung energisch, dass das Theater wieder 
dem bisherigen , seit neun Jahren dort thätigen , verdienstvollen, 
durchaus reellen und ehrenvollen Director W i h r 1 e r übergeben werde» 

*** Der Bankier Hr. Jacques hat der k. Bibliothek in Berlin 
Mozart's Originalpartitur der „Zauberfiote" die er für zwei bis drei- 
tausend Thaler gekauft haben soll, zum Geschenke gemacht und 
dafür vom König den rothen Adlerorden 4. Classe erhalten. 

*** Dieser Tage wird in Stuttgart die neue Oper „Astorga* 
von J. J. Abert zur Aufführung gelangen. 

V Der Tenorist Wachtel gastirt mit ausserordentlichem 
Beifall in Dresden. 

*** L i s z t hat sich von Paris nach Amsterdam begeben , wo 
seine „Graner Messe" unter seiner persönlichen Leitung aufgeführt 
wurde. Von dort kehrte er nach Paris zurück. Er brachte aus 
Holland eine silberne Lorbeerkrone mit. * 

*** Gevaert, der Componist des „Capitain Henriot" ist mit 
der Vollendung einer neuen Oper, betitelt: „Roger de Flor" be- 
schäftigt. 

*** Vieuxtemps wird Frankfurt a. M. verlassen und seinen 
bleibenden Aufunthalt in Paris nehmen. 

*** Der Pianist Eugen Ketterer, dessen zahlreiche Compo- 
sitionen auch in Deutschland sehr beliebt sind , hat vom Bey von 
Tunis die Decoration des Nischan-Ordens erhalten. 

*** Capellmeister Fr. Wüllner in München ist eingeladen 
worden , bei dem Gesangsfest zu dirigiren , welches der Aachener 
M.-G.-V. „Orfea" zur Feier seines 25jährigen Bestehens unter Mit- 
wirkung von 3-— 400 Sängern veranstaltet. Dort wird auch Wüll- 
ner's grosse Cantate „Heinrich der Finkler" aufgeführt, ein Werk,. 
welches bekanntlich vor l 1 /* Jahren in Folge Preisausschreibens der 
Aachener Liedertafel unter vielen Concurrenten den ersten Preis er» 
hielt. Ferner erhielt Wüllner den ehrenvollen Ruf, bei dem grossen 
baltischen Sängerfeste, das in Reval in der russischen Ostseeprovins 
von mehr als 900 Sängern gefeiert wird, zu dirigiren« Dort kommt 
Wüllner's 98. Psalm für Männerchor, Soli und Orchester zur Aufführung. 

*„* Mme. Grisi, welche nun schon seit 14 Jahren vom Pub» 
likum Abschied nimmt, ist gleichwohl auch in dieser Saison wieder 
in Her Majesty's Theater als „Lucrezia Borgia" aufgetreten ; sie 
wurde bei ihrem Erscheinen leibhaft empfangen, sah aber das Pub- 
likum von Scene zu Scene kälter werden , und gab am folgenden 
Tage ihr Engagement auf. Es ist um so weniger zu begreifen, 
warum diese einst mit Recht so hoch gefeierte Künstlerin die trau- 
rigen Reste ihrer Stimme noch immer zu verwerthen bemüht ist, da 
dieselbe Bich in glänzenden finanziellen Verhältnissen befindet und 
nicht nöthig hat, wie manche andere verblasste Kunstgrösse noch 
immer um das liebe Brod zu singen. 

*#* Die von mehreren Blättern gebrachte Nachricht, dass der 
Violinvirtuose 1 e Bull in Quebeck gestorben sei, hat sich nicht 
bestätigt. 

*#* Das Oratorium „Paulus" von Mendelssohn kam in Boston 
unter Leitung des Hrn. Lang in gelungener Weise zur Aufführung. 

*** Hr. Eugen Degele vom Dresdener Hoftheater hat mit 
ausserordentlichem Erfolge in Königsberg gastirt. Seine Benefiz- 
vorstellung „Hans Helling" war sehr stark besucht und brachte dem 
Säuger nicht nur den lebhaftesten Beifall sondern auch zwei Lor- 
beerkränze, die man, nach der allgemeinen Zustimmung zu urtheilen, 
als von dem gesammten Publikum gespendet betrachten darf. 

*#* In Strassburg ist schon wieder ein neuer Tenorist entdeckt 
worden. Derselbe heisst Bayer und soll zu grossen Erwartungen 
berechtigen. Wenn das „Nomen, omen il sich hier bestätigen, und 
der angehende Sänger seinem in München verstorbenen Namensvetter, 
der viele Jahre die Zierde der dortigen Oper war, dereinst gleich- 
kommen sollte, dann wäre allerdings sein Erscheinen in der Opern- 
welt von Bedeutung. 

*** Richard GeneVs Operette „Der Musikfeind" wird dem- 
nächst im Harmonietheater in Wien zur Aufführung kommen. 

*** Die Pianistin Frl. Mehlig aus Stuttgart ist in London im 
philharmonischen Concert mit grossem Beifall aufgetreten, 

*** In Zürich ist der Director des dortigen Stadttheaters, Hr. 
G. Meisinger gestorben. 



Verantw. Red. Ed. FSckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz» 



15. Jahrgang. 



iv± *s. 



28. Mai 1866. 



SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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INHALT: Haydn's, Mozart's u. Beethoven's Kirchenmusik. — Correspondenzen : Cassel. — Nachrichten. 



Haydn's, Mozart's und Beethoven's Kirchenmusik 

und 

ihre katholischen und protestantischen Gegner. 



(S c h 1 u s s.) 

Der Verfasser macht zunächst den Gegnern der österreichischen 
Kirchenmusik den Vorwurf, dass Bio nicht die hinreichende Kennt- 
niss der Meisterwerke in diesem Fache besessen, ja sogar die Talente 
zweiten und dritten Banges, deren Leistungen doch für die Beur- 
theilung dieser ganzen grossen Schule auch von Wichtigkeit seien, 
kaum dem Namen nach gekannt hätten. So bemerkt er über Thi- 
b aut: „Um sich zu überzeugen, auf welche musikalische Documente 
und Urkunden gestützt, der Rechtslehrer von Heidelberg ein ebenso 
entschiedenes wie ungünstiges Urtheil über unsere österreichische 
Kirchenmusik fällen zu müssen -geglaubt, hatte sich der Verfasser 
den gedruckten Catalog der grossen, an 700 Nummern enthaltenden 
Musikaliensammlung Thibaut's, die nun in München aufbewahrt wird, 
zu verschaffen gesucht und traute seinen Augen kaum, als er, den- 
selben durchmusternd, den dürftigen Bettel gewahrte, der an der 
Seite einer wirklich herrlichen Collection von den grossen italieni- 
schen und niederländischen Componisten sowie von Bach's und 
Händers kirchlichen Werken unsre österreichische Schule repräsen- 
tiren sollte. Von den älteren Meistern , wie Hoffmann , Gassmann, 
Albrechtsberger, Abbe* Stadtler etc. keine Spur, daher natürlich auch 
von den neueren nicht ; selbst von Fux nur ein einzelnes Kyrie aus 
dessen Gradus ad Parnassum ; von J. Haydn keine einzige Messe, 
so wenig wie von seinem Bruder, der nur durch sein Requiem und 
einige Offertorien vertreten war ; von Mozart gleichfalls nur das Re- 
quiem, Misericordias, Ave verum und ein paar zu Cantaten verball- 
hornte Fragmente seiner Messen, — in Allem also in der aus 700 
Kirchencompositionen bestehenden Sammlung kaum ein Dntzend 
österreichische Werke vorhanden.* 

Das Auftreten protestantischer Stimmen gegen die neuere katho- 
lische Kirchenmusik wird erwähnt, sowie die Begierde, mit welcher 
die Ultramontanen dieselben für ihre eigenen Zwecke aufgriffen, 
und Thibaut unter den protestantischen, sowie Pfarrer Stein zu 
Cöln unter den katholischen Stimmführern besonders hervorgehoben. 
Ersterer stelle sich den Zweck der Kirchenmusik gleichsam als eine 
Art Einleitung und Vorbereitung auf die Predigt vor, während Letz- 
terer mit dürren Worten ausspreche: „Auf diesem Gebiete habe die 
Kirche und der Clerns allein zu befehlen, der Künstler nur zu ge- 
horchen." Die Kampfweise dieser Gegner der katholischen Kirchen- 
musik wird vom Verfasser in das gehörige Licht gestellt, und deren 
Vorwürfen und Einwänden geziemend begegnet. Vortrefflich ist, was 
über Mozart und Raphael gesagt wird. Auch was jene beiden Geg- 
ner der österreichischen Kirchenmusik gegen deren heiteren Charac- 
ter einzuwenden haben, findet die entsprechende Entgegnung. Dem 
Vorwurfe, dass jene Kirchenmusik nicht einfach genug, dass sie so 
rauschend und lärmend sei, hält der Verfasser den fast sinnver- 
wirrenden Pomp entgegen, mit dem sich der katholische Cultus bei 



Gelegenheit umgibt und sagt am Ende seiner Betrachtungen darüber: 
„Am Schlüsse des Gegenwärtigen angekommen, glaubt der Verfasser 
die Hoffnung aussprechen zu dürfen, der Leser werde, noch einmal 
auf das Ganze zurückblickend, jedenfalls die Ueberzeugung gewonnen 
haben, dass die österreichische Kirchenmusik in Bezug auf ihre an- 
geblichen Gebrechen und Verbrechen wenigstens Mitschuldige, und 
die ausgezeichnetsten darunter, an allen Ecken und Enden der Kunst- 
gebiete, ja am Ende als Hauptmitschuldigen die Hierarchie selbst, 
die den Cultus mit so vielem ceremoniösen Pomp und sinnlichen 
Reizen umgeben, „unter welchen ohnehin," wie Einer im Unmuth 
sich ausgedrückt, „die Kirchenmusik noch als das einzige Vernünf- 
tige, menschlicherweise Geniessbare erscheint". * 

Hierher passt auch, was im Schlusscapitel ; „Ueber dieVmogliche 
und unmögliche Reform der Kirchenmusik" gesagt wird : „£f an denke 
sich, um die Sache durch ein recht auffälliges Beispiel zu erläutern, 
dass bei der 300jährigen Feier des Ooncils zu Trient im Juni 1866 
während des Pontificalamtes keine jener „gottlosen Trompeten- und 
Paukenmessen" J. Haydn's, sondern, was wohl glaublich, nur Gre- 
gorianischer Gesang, wie ihn die Lithurgie für die stehenden und 
wechselnden Gesänge des Hochamtes vorschreibt, celebrirt worden, 
und vergleiche dann damit den übrigen luxuriösen Pomp des Festes, 
wie ihn Brunner's Kirchenzeitung beschreibt: 

„Kanonendonner verkündete am 29. Juni 1863 den Anbruch des 
Festes; die Musikbande in glänzender Uniformirung durchzog musi« 
cirend die Stadt. Um 9 Uhr begannen die gottesdienstlichen Func- 
tionen im reichgeschmückten, mit blauen, weissen und rothen Dra- 
perien, mit Gold- und Silberfransen decorirten Dome. Wie zu allen 
feierlichen Functionen zogen die Bischöfe nebst dem Pontificanten 
in solenner Prozession, in vollen Pontifical-Kleidern , mit der gold- 
strahlenden und mit edlen Steinen geschmückten Mitra auf dem 
Haupte von der Sacristei aus zum Hochaltar. Das berühmte Cruzifix, 
ein Meisterwerk der Sculptur, war auf dem Hochaltare aufgestellt, 
welchen sechs hohe silberne Leuchter und vier silberne Blumenvasen 
schmückten. Zur Evangelienseite des Altares stand unter einem reich 
mit rothem Sammt und Seide drapirten Thronhimmel das Faldisto- 
rium für den Pontificanten j der Cardinal Schwarzenberg nahm unter 
eiuem ähnlichen Thronhimmel Platz, der auf der Epistelseite de« 
Altares errichtet war. Die Stühle der Bischöfe umgaben im Halb* 
kreise den Altar." 

Dass auf das Festamt ein Festessen gefolgt, ist, obgleich der 
Berichterstatter darüber schweigt, nicht minder glaublich, als dass 
bei demselben nicht lediglich, wie bei jenen armen Mönchen der 
Gregorianischen Tage, Gemüse mit ein Bischen Fisch und Käeej 
servirt worden sei; nicht minder glaublich ist es aber auch, das« 
sich die Spötter ins Ohr geflüstert : Fürwahr, wenn nicht den bessern 
doch sicher den bequemern Theil haben sich unsere Oberhirten aus 
jener an Geiseln, Fasten und Nachtwachen im Gebet gesegneten 
Zeit in die Gegenwart herüber geholt, in der Kirchenmusik wenig* 
atens sind sie wieder strenge Asceten geworden!" 

Im weiteren Verlaufe dieses Schlusscapitels macht der Verfasser 
darauf aufmerksam, dass nach Verdrängung der bisherigen Kirchen* 



- 86 - 



musik nicht Gregor'«, nicht Palestrina's Geist, sondern der Geist der 
Neuzeit in Gestalt der Männergesangvereine seinen Einzug 
in die Tempel halten werde, wozu bereits ein recht hübscher Anfang 
gemacht sei. Am Schlüsse seiner Broschüre sagt der Verfasser ; 
„An warnenden Summen, selbst aus clericalem Lager hat es min- 
destens nicht gefehlt. Als der milde Greis, der vor kaum einem 
Deoennium noch den erzbischöflichen Stuhl zu Wien gezieret, cum 
Sterben sich anschickte, bestellte er sein Haus, legirte armen Seel- 
sorgern und Scbullehrern seine Habe,' der Hierarchie aber testamen- 
tarisch den Rath: 

„Die Kirche möge sich vor ih r e n allzugroBsen 
Freunden in Acht nehmen, ihre Feinde habe sie 
nicht zu fürchten. 

Der Eath ist nicht neu, fürwahr, aber der sterbende Weise 
mochte wohl , Zeit und Zeitgenossen erwägend , sehr triftige 
Gründe gehabt haben, ihn seinen hohen Amtsbrüdern 
wieder ins Gedächtniss zu rufen." 

Wir selbst schliessen unsere Besprechung der in Bede stehenden 
Schrift, indem wir dieselbe allen Freunden der Eirehencompositionen 
unserer Altmeister zur Kenntnissnahme bestens empfehlen. F. F. 



Das 48. Älederrltelnisclic Musikfest 

ist in diesen Pfingattagen in Düsseldorf gefeiert worden. Die 
ausserordentlich -grosse Betheiligung des Publikums selbst unter den 
gegenwärtigen ungünstigen Zeitverhältnissen zeugt von dem lebhaften 
Interesse, welches am Niederrhein für die musikalische Kunst lebt. 
Für Düsseldorf hatte das Fest noch eine besondere Bedeutung: es 
sollte die neue städtische Tonhalle, ein herrlicher, geräumiger Con- 
certsaal mit einer stattlichen Orgel, die rechte Weihe erhalten. 

Das Programm des Musikfestes bestand im Wesentlichen aus 
HändeTs „Messias," Scenen aus „Armida" von Gluck, der Fest- 
ouvertüre und der „Eroica" von Beethoven, einer Cantate von 
Bach und aus einer Reihe von Gompositionen derjenigen Künstler, 
welche Düsseldorf so glücklich war, eine Zeit lang die seinigen 
pennen zu können: „Athalia" von Mendelssohn, Ouvertüre von 
B i e t z , „Pfingsten," Chor von H i 1 1 e r , ein Theil aus „Paradies 
und Peri," sowie das Clavierconcert von Schumann, und Fest- 
ouvertüre von Tausch. Die Direction des Festes war den Herren 
Otto Gold Schmidt und Tausch, die Vocalsoli den Damen 
Jenny Lind und Edelsberg, den HH. Dr. Gunz und Julius 
Stockhausen übertragen. Für die Parepa, welche ebenfalls 
eugagirt aber ausgeblieben war, traten Frl. Bothenberg aus Cöln 
und Frau Flinsch-d'Orville aus Leipzig mit liebenswürdiger 
Bereitwilligkeit ein. Die Instrumentalsoli waren in den Händen der 
Frau Clara Schumann und der Düsseldorfer Concertmeister 
A u e r und D e S w e r t. 

Die Aufführung des „Messias" war leider nicht so befriedigend, 
als man erwarten durfte. Dem Männerchor war allerdings durch 
Einberufung der Landwehr eine beträchtliche Anzahl von Stimmen, 
und gerade die jüngeren, frischeren, entzogen worden, aber auch 
abgesehen von der geringeren Schönheit des Klanges Hess die Leist- 
ung des Chores als solche, verglichen mit anderen Festen, Manches 
zu wünschen übrig. War die Vorbereitung mangelhaft gewesen, oder 
verstand es der Dirigent nicht, die Massen fest zusammenzuhalten, 
da anzufeuern, dort zu massigen und Licht und Schatten gehörig zu 
vertbeilen? — Soviel ist sicher, von der Gesangsfreudigkeit, von dem 
feurigen Schwung, der sonst unsern rheinischen Chor auszeichnet, 
war diesmal nichts zu verspüren. 

Wenden wir uns zu den Soli, so tritt uns da zuerst eine Per- 
sönlichkeit entgegen, welche einst durch den Zauber ihres Liedes 
ganz Europa gefangen nahm. Wer jemals Jenny Lind gehört 
hatte, dessen Züge verklären sich bei- der Erinnerung an den Klang 
ihrer Töne ; ihr Andenken lebte wie das an ein süsses Glück im 
Herzen all Derer, die ihr einst gelauscht hatten, — warum kommt 
sie nun uns zu zeigen, dass auch dieser Zauber vergänglich ist? — 
Was Frl. von Edelaberg betrifft, so ist sie trotz ihrer herrlichen 
Mittel nicht die beste Dolmetscherin für Händel, und auch Gunz, 
der treuliche Tenor, sang gleichgültiger und kälter als sonst. Nur 
Stockhausen war ganz auf der Höhe der ihm gestellten Aufgabe ; 
der Vortrag seiner Ariel „Das Volk, das im Dunkeln wandelt" war 



eine künstlerische Leistung in höchster Vollendung und entschädigt« 
reichlich für Alles, was sonst zu wünschen übrig war. — ■ Sehr stö- 
rend wirkte der Gebrauch des Dirigenten, nach jeder Nummer eine 
längere Pause zu machen, wodurch das Oratorium in lauter klein« 
Stücke zerfiel und durchaus nicht in Zug und Fluss kommen wollte» 
Sollte das vielleicht usus in England sein, so wollen wir es doch 
in Deutschland beim Alten bewenden lassen und jeden Theil eine» 
Oratoriums als ein zusammengehöriges Ganze behandeln. 

In „Athalia" und der „Peri a sang der Chor befriedigender, sehr 
mangelhaft hingegen in Bach's Cantate, bei weitem am besten in 
Hiller's Chor, der unter dessen eigner Leitung schwungvoll ge- 
sungen wurde. 

Das Orchester war vortrefflich und spielte namentlich die Ouver- 
türen von Rietz und Tausch unter des Letzteren Direction sehr brav ; 
dagegen wurde leider die Sinfonie von Beethoven recht unerfreulich 
wiedergegeben ; es fehlte im Ganzen wie im Einzelnen an Würde 
und Grösse, an Kraft wie an Zartheit, 

Unter den Instrumentalsoli gebührt die Palme Frau Clara 
Schumann, welche das Concert ihres Gatten auf's Herrlichste 
vortrug und dafür vom Publikum wahrhaft bejubelt wurde. — Hr. 
Au er spielte das Spohr'sche D-moll-Concert vortiefflich; er macht 
seinem Meister, Joachim, die grösste Ehre. Möge er nur, seinem 
Vorbilde getreu, kleine Koketterien und Süsslichkeiten, die er «ich 
hier und da gestattet, noch ganz abstreifen , dann werden wir ohne 
Rückhalt in den wohlverdienten reichen Beifall des Publikums ein- 
stimmen. — Hr. DeSwert zeigte in einem Concertfragment von 
Molique einen sehr markigen, gesangvollen Ton und brillante Tech- 
nik ; er darf indessen noch recht fleissig streben, den tüchtigen Vir- 
tuosen zu einem tüchtigen Musiker zu erheben. 

Die Einzelnvorträge der Sänger bestanden in einer Arie aus 
dem »Allegro e Pensieroso" von Händel mit obligater Flöte, in 
welcher Frau Jenny Lind noch einmal alle die glänzenden Eigen- 
schaften ihrer Gesangskunst zeigte: ein Legato, ein Portament, ein 
Piano, einen Triller und dabei eine Präzision im Rythmus, wie wir 
sie leider bei keiner der jungen Primadonnen finden. Frl. v. Edels- 
berg gab ein abscheuliches Stück von Benedict zum Besten, wenn 
man so sagen darf. Gunz sang die zweite Arie des Belmonte recht 
brav. Eine äusserst liebenswürdige Bekanntschaft machten wir an 
Frau Flinsch-d'Orville, welche in „Paradies und Peri" das Solo der 
Jungfrau aus Gefälligkeit übernommen hatte und diese sowie „das 
Veilchen" von Mozart und „Widmung" von Schumann auf's Bei- 
zendste vortrug. Stockhausen erschütterte durch den Vortrag der 
„Löwenbraut" von Schumann das ganze Auditorium auf's Tiefste, 
wie er es auch wieder im Verein mit Gunz in den „Marinari" von 
Bossini zu heller Freude und Da-Capo-Ruf hinzureissen wusste. 

Im Ganzen bot auch das diesjährige Musikfest des Guten und 
Schönen sehr viel, und das Comite* verdient den Dank aller Musik- 
freunde, dass es selbst in schlimmen Tagen den Muth an dem Ge- 
lingen des Festes aufrecht erhielt und dass es dieses wirklich erfolg- 
reich zu Stande gebracht hat; möge man nur bei den künftigen 
Festen darauf bedacht sein, dass die Leistungen des Chors mehr 
als das Wesentliche betrachtet werden und als solche sich beson- 
ders auszeichnen! N. N. 



CORRESPONDGNZEN, 



Aus' € a s s e 1. 



(Schluss.) 

In Bezug auf die Instrumental-Solo vor träge in sämmtlichen Con- 
eerten freuen wir uns aufrichtig, den durchgängigen Erfolg derselben 
constatiren zu können. Frl. Mary Krebs rechtfertigte den ihr. 
vorausgegangenen bedeutenden Buf auf das glänzendste. Kraft und 
Bravour sind bei der jugendlichen Pianistin in einem so hohen Grada 
vereinigt, wie wir sie bei einer Dame, zumal in solch zartem Alter, 
kaum erwarten durften. Wir erinnern uns nicht, Weber's Concert- 
Stück jemals hinreissender als von dieber genialen Kunstnovizin ge- 
hört zu habeu, welche, wenn erst einmal mit den Jahren auch die* 
künstlerische Reife gewonnen, unter den Pianistinnen der Gegenwart 
sicher keine Rivalin zu scheuen haben dürfte. — Hr. D. P o p p e r 



- 8T - 



führte sich ebenfalls auf das Ehrenvollste hier ein*, Ton und Tech- 
nik dieses nech sehr jungen Künstlers erwarben demselben sofort 
die allgemeinsten Sympathien. Wir sind Hrn. Popper ausserdem für 
die erstmalige Vorführung des Volkmann'schen Violoncell-Concertes, 
eines zwar sehr düsteren, aber interessanten und stimmungSTollen 
Werkes, zu besonderem Dank verpflichtet, zumal die heutige Vio- 
loncell-Literatur nur sehr wenige Werke von nachhaltigem Werthe 

aufzuweisen hat. 

Das 5. Abonnementconcert brachte uns in Hrn. Goncertmeister 
Lauterbach einen lieben alten Bekannten, dessen Wiedersehen 
vom Publikum mit aufrichtigster Freude begrüsst wurde, und dessen 
Vorträge wieder von durchschlagendstem Erfolge begleitet waren ; 
wir entsinnen uns nicht, Spohr's Gesangsscene jemals vollendeter und 
inniger, ohne dabei in falsche Sentimentalität zu gerathen, vortragen 
gehört zu haben, als gerade von Hrn. Lauterbach. 

Das 6. Abon. - Concert figurirt in diesem Jahr als Nachzügler, 
tta es bereits in den Wonnemonat fällt. Veranlassung dieser Ver- 
zögerung war die liebenswürdige Zusage Joa chi m's, dasselbe durch 
«eine Mitwirkung verherrlichen zu wollen. Die Kunde, dass der 
„König der Violinisten" Cassel zum ersten Male durch seinen 
Besuch beehren werde, erregte die freudigste Aufregung unter den 
hiesigen Musikfreunden, und so konnte es denn auch nicht fehlen, 
dass der Empfang sowie die Beifallsbezeugungen, welche diesem 
Meister zu Theil wurden, ebenso einstimmig als enthusiastisch waren. 
Ueber Joachim's Spiel noch etwas sagen zu wollen, hiesse wirklich 
Eulen nach Athen tragen, und somit registriren wir für heute nur, 
dass er Aller Erwartungen bei Weitem übertroffen, dass der Jubel 
ein endloser war und sieb in der Spendung eines Lorbeerkranzes 
von Seiten der Capelle gipfelte. 

Von den Gesangsvorträgen in den verschiedenen Abonnement- 
Concerten fanden am meisten Anerkennung: die trefflich ausgeführten 
Männerchöre von Bruch und Schnppert, das Loreley- Finale von 
Mendelssohn und die Frauenchöre von Hempel. Auch Fräulein von 
PÖllnitz, welche in der Oper mit nur zweifelhaftem Erfolge 
gastirte, erwarb sich im letzten Concerte durch den gediegenen 
Yortrag der Gluck'schen Arie recht warme Anerkennung. — Dem 
Leiter der Abonnementconcerte, Hrn. Hofcepellmeister Reis s, wurde 
aach Beendigung des letzten Goncertes die Auszeichnug eines stür- 
mischen Hervorrufs zu Theil, und es war dies eine wohlverdiente 
Auszeichnung. 

Wie alljährlich fand auch dieses Jahr am Gharfreitag ein geist- 
liches Goncert der Hofcapelle unter Mitwirkung der hiesigen Gesang- 
vereine und unter der Leitung des Hrn. Hofcapellmeisters R e i s s, 
und zwar in der lutherischen Kirche statt. Das Oratorium „Elias 11 
von Mendelssohn war nach achtjähriger Ruhe zur Aufführung ge- 
wählt. Die Chöre gingen ebenso frisch, fein nüancirt als präcis, 
und von den Solisten müssen wir in erster Linie Hrn. D e n n e r 
(Tenor), Frl. Win kl er (Sopran), in zweiter Linie Hrn. Schulze 
(Elias) , und Frl. Bushenne (AU) unsere Anerkennung spenden. 
Um die Ensemblestücke, welche mit grosser Reinheit und Delica- 
tesse gesungen wurden , machten sich die Damen W 1 c z e k und 
Podesta, sowie die vorhergenannten Solisten besonders verdient. 
Die Kirche war buchstäblich überfüllt, und die Befriedigung eine 
allgemeine. 

Von kleineren Concerten oder Abendunterhaltungen erwähnen 
wir vor Allem einer von Hrn. D e n n e r veranstalteten Soiree, welche 
uns die lange ersehnte Gelegenheit bot, den trefflichen Concertsänger 
Hrn. Carl Hill aus Frankfurt in einigen Vorträgen zu bewundern. 
Unsere Oper in ihrem dermaligen Bestände würde wenig zu 
wünschen übrig lassen, wenn derselben durch den Abgang ihrer 
tüchtigsten Mitglieder nicht abermals ein sehr empfindlicher Verlust 
drohte. Die Damen Bauer und Grün werden uns nämlich zum 
Herbst verlassen, erstere um ihrem zukünftigen Gatten an das Hof- 
theater in Braunschweig zu folgen, letztere um einem Rufe an die 
Berliner Hofbühne, wo sie bereits mit durchgreifendem Erfolge gas- 
tirt hat, zu folgen. Die Hauptstütze besitzt unsere Oper namentlich 
in dem wackeren Bassisten Lindemann und dem Heldentenor 
Bachmann. Einer grossen Beliebtheit erfreut sich ferner die noch 
jugendliche Coloratur-Sängerin Frl. Wlczek und die Soubrette Frl. 
W i a k 1 e r, sowie auch der Bary touist Hr. S c h u 1 z e eine wesentliche 
Stütze des Repertoire ist. (Der dermalige, recht verdienstvolle ly- 
rische Tenor Hr. Brunn er wird uns, wie wir boren, gleichfalls 



wieder verlassen.) Bereits haben zur Wiederbesetzung der erledigten 
Fächer verschiedene Gastspiele stattgefunden ; alle waren jedoch bis . 
jetzt erfolglos, woraus unsere Intendanz die Lehre schöpfen sollte, 
im Interesse eines guten Ensembles die alten tüchtigen Kräfte fest- 
zuhalten. — Die Proben zur „Afrikanerin," welche zum Geburtstag 
des Ghurfürsten, am 20. August, in Scene gehen soll, haben bereits, 
begonnen, und soll die Ausstattung eine brillante werden. 



Aus Leipzig. 

Am 10. d. M. veranstaltete der Ried ersehe Verein in der 
Thomaskirche eine geistliche Aufführung, in welcher in der Haupt- 
sache Chorgesangsnummern a capella zum Vortrage kamen. Wie 
immer war auch diesmal die Zusammenstellung des Programms eine 
musterhafte. Dasselbe enthielt Werke von Componisten aus der 
niederländischen, italienischen und deutschen Schule. Die Reihen- 
folge derselben und ihre Vermittelung zeugte von feinem Tact, und 
vermochte das Interesse bis zum Schlüsse zu steigern. In engem 
Rahmen erhielten wir ein übersichtliches Bild über die Entwicklung 
der Kirchenmusik, welches seinen Zweck weniger durch Zusammen- 
häufung möglichst vieler Namen , als durch eine die characteris- 
tischsten Hauptmomente der Kirchenmusikgeschichte heraushebende 
discrete Auswahl zu erreichen suchte. Wir hörten demnach von- 
Gesangswerken: Ave Maria von Arcadelt (1540), „Improperien" , 
(„Sage, mein.Volk") von Palestrina (1560), Kirchenarie („Angstvolle . 
Seufzer") von A. Stradella (?), Et incarnatus est und Crucifixus 
von Marcello, „Ach Gott, wem soll ich klagen?" von Gesius (1605), 
„Eine feste Burg ist unser Gott," vierstimmig von Seth. Calvisius* 
(1597), „In den Armen dein" von Melchior Frank (1628), „Pfingsi-. 
lied" von Johann Wolfgang Frank, und Bach's achtstimmige Motette 
„Singet dem Herrn ein neues Lied". Die Soli waren in den Händen 
von Frl. Emilie Wiegand, Frl. Clara Martini und der Herren 
S c h iJl d und Richter von hier. 

Das Ave Maria von Arcadelt ist von äusserst lieblichem Cha- 
racter und besitzt einschmeichelnde Melodik, sogar mit einem An- 
fluge von Grazie. Von eigentümlich contrastirender Wirkung und 
Bichtlich ergreifendem Eindruck waren die Improperien Palestrina's, 
obschon wir nicht anstehen zu behaupten, dass ein grosser Theil 
ersterer wohl weniger auf Rechnung des absoluten Kunstwerthes zu 
setzen, als dem sinnlichen Klangeffect zuzuschreiben ist. Die Ver- 
bannung jeder rein menschlichen Regung, wie Bie in dem Rythmus, 
und in der Melodie , den Factoren der musikalischen Darstellung, 
ihren individuellen Ausdruck erhält , verleiht dem Ganzen etwas 
überwältigend Ahnungsvolles und Uebersinnliches. Die Kunst als 
solche hingegen soll der Ausdruck des rein Menschlichen sein. Das 
Werk fand unter Mitwirkung obiger Solisten, welche dem Chol 
gegenüber in einiger Entfernung aufgestellt waren (sämmtlich aus 
der ausgezeichneten Schule des Prof. Götze hier), eine ganz vOr<* 
treffliche Ausführung. — Reine Menschlichkeit lebt trotz religiöser. 
Zerknirschung in der Kirchenarie von Stradella. Ganz besonder» 
characteristisch in derselben ist die Orgelbegleitung, welche in den. 
malerischen Bässen den wühlenden Seelenschmerz auf ergreifende 
Weise versinnlicht. Hr. Organist Thomas wusste durch geschickte 
Registriruug den Intentionen des Werkes gerecht zu werden j Frl. 
Wiegand trug dasselbe mit technischer Sicherheil und geistigem 
Verstäudniss vor. — Das Incarnatus von Marcello schloss die italie- 
nische Schule ab und bildete zugleich einen passenden Uebergang 
zur deutschen, der sie sich hinsichtlich der Gefühlstiefe und cbarac*. 
teristischen Darstellung des Details nähert, ohne jedoch die italie- 
nische Formenplastik und das Gepräge der speeifiseheu Schönheit 
zu verleugnen. (Sohlus* folgt.) 



Mac U richten. 



Leipzig. Am 12. Mai wurde von der Gesellschaft „Klapperkasten* 
in den Räumen des Schützenhauses das Geburtsfest des Professors» 
Moscheies festlich begangen *, es waren an 1000 Herren ubd; 
Damen anwesend, und die Feier bot in buntem Wechsel des Ernsten,, 
Rührenden und Humoristischen so Vieles und Schönes, dass dieselbe 
gewiss jedem Theilnehmer unvergesslich bleiben wird. 



— 88 — 



Brüssel. Unser unvergleichlicher Violoncellist Servais ist von 
seiner dreimonatlichen Kunstreise in Bassland mit seinem Sohne, 
welcher der Schüler und Nebenbuhler seines Vaters ist, mit Lorbeern 
und Rubeln reich beladen wieder hier eingetroffen. 

Paris. Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. betragen im 
Monat April die Summe von 2,029,937 Frcs. 

— Vor ihrer Abreise nach London hat sich Adelina Fatti 
mit Hrn. B a g i e r über ein Engagement für die ganze Dauer der 
nächsten Saison verständigt. 

— In der Ope'ra comique wird Anfangs nächsten Winters efne 
neue Oper von Ambroise Thomas, „Mignon" betitelt, zur Auf- 
führung kommen. Das Sujet , von Michel C a r r 4> und Jules 
Barbier bearbeitet, ist aus „Wilhelm Meister's Lehrjahre" von 
GÖthe entnommen, und die Bollen des dreiactigen Stückes sollen 
folgenden Künstlern bestimmt sein : Wilhelm Meister, L6onAchard; 
Iraertes, Couderc; Lothario, Battaille; Mignon, Mme. Galli- 
Marie, und Fhilene, Mme, Marie Cabel. 

— Die Wahl eines Nachfolgers des verstorbenen Clapisson 
auf seinen Stuhl in der Academie der schönen Künste ist auf C b. 
G o u n o d gefallen. Es wurden ihm von 36 Stimmen 19 zu Theil ; 
F4L David erhielt 16 Stimmen, und eine wurde Victor Masse" 
gegeben. 

London. Der ausgezeichnete Harfenvirtuos Charles Ober- 
thür hat am 1. Mai eine musikalische Matinäe in seinem Salon 
gegeben, welcher ein auserwähltes Publikum beiwohnte und mit leb- 
hafter Theilnahme die gebotenen Kunstgenüsse entgegennahm. Die 
Froductionen wurden durch das herrliche Trio in C-dur für Harfe, 
Violine und Violoncell von Oberthür eröffnet, von welchem ausser- 
dem noch sein brillantes Duo über Motive aus dem „Freischütz" 
für Harfe und Concertino (letzteres gespielt von dem trefflichen 
Begondi), ein Duo aus „Trovatore" für Harfe und Ciavier (Miss 
Hynn) und einige Solostücke für die Harfe, darunter eine neue 
Fantasie über die „Afrikanerin" mit grösstem Beifall zur Aufführung 
kamen. Mme. Elvira Behrens sang die Arie ,,^A, perßdot" 
von Beethoven und ein sehr hübsches Lied von Oberthür mit reiner, 
klarer Stimme und schönem Vortrag. — Wie beliebt übrigens Ober- 
thür bei uns ist, beweist am Besten die grosse Anzahl von Concerten, 
su welchen seine Mitwirkung gesucht wird. So spielte er am 8. Mai 
In einem Concerte des Violinspielers P a 1 1 i ; sein „Bonnie Scott- 
fand" musste er in einem Concerte des Sängers Champion wieder- 
holen. Ebenso ist derselbe für vier verschiedene Concerte im Laufe 
des Monats Juni zur Mitwirkung engagirt. 

%* Der König der Geiger ist wieder der Geiger des 
Königs geworden, oder mit andern Worten, Hr. Joachim ist in 
seine frühere Stellung nach Hannover zurückgekehrt. 

%* Am 17. Mai starb in Berlin nach langen Leiden der 
Professor an der dortigen Universität Dr. Adolf Bernhard Marx. 
Durch seine musikalischen Werke, durch seine Lebensbeschreibungen 
Gluck's und Beethoven's , neuerdings auch durch die Darstellung 
seiner eigenen Erlebnisse in den weitesten Kreisen gekannt, geschätzt 
und geachtet, ist er seinen zahlreichen Freunden und Bekannten 
durch die Liebenswürdigkeit seines Wesens, die Lauterkeit seines 
Lebens und die Tapferkeit seiner Gesinnung lieb und werth gewesen. 

*** Die projectirte diesjährige Tonkünstlerversamm- 
lung in Coburg ist laut Bekanntmachung des Geschäftführers 
des „Allgemeinen deutschen Musikvereins" in Anbetracht der wenig 
günstigen Zeitverhältnisse vertagt worden. 

*** Der Violoncellvirtuos Feri Kletzer hat trotz der vorge- 
schrittenen Saison noch in Weimar, Sondershausen und Detmold 
in Hofconcerten und Soireen mit grossem Erfolge gespielt. 

*** Die italienische Oper in Paris hat ihre Saison mit der 
Oper „// Casino di Campagna" von Mela, dem Vater des weib- 
lichen Tenoristen, geschlossen, Das Besultat war ein ziemlicher 
Fiasco. 

*** Tichatschek gastirt mit grossem Erfolge in Stockholm. 

*** Dr. Faist in Stuttgart hat den Preis des schlesischen 
Sängerbundes für Composition von Schillers „Macht des Gesanges" 
erhalten und haben die Preisrichter die besondere Erklärung abge- 
geben, dass dieses Stück eine wahre Bereicherung der Männerge- 
sangliteratur sei. 

*** Die schon erwähnten Aufführungen des „Tannhäuser" nnd 
»Lohengrin" in München unter Bülow's Direction werden näch- 



stens und zwar die erste des „Lohengrin* am 10. Juni, die erste des 
„Tannhäuser" am 24. Juni stattfinden. Jede dieser Opern wird nur 
zweimal und zwar in unverkürzter Gestalt gegeben werden. Die* 
Besetzung ist folgende: Nie mann von Hannover (die beiden Titel- ' 
rollen), Dr. Schmid aus Wien (Landgraf und König Heinrich), 
B e tz aus Berlin!(Wolfram und Telramund), Frl. Stehle (Elisabeth), 
Frau Schnorr v. Carolsfeld (Ortrud), Frl. Harry aus Ham- 
burg (Elsa), Frau Mick-Bennewitz aus Stuttgart (Venus). 

*** Iu Königsberg führte die Singacademie als 100. Con- 
cert unter Laudien's Leitung den „Judas Msccabäus* auf. 

*** Capellmeister Zwicker von Ausburg wurde in Dussel* 
dorf engagirt. 

*** Frl. Lehmann vom Bremer Stadttheater gastirt in 
Leipzig auf Engagement und ist bereits als Norma und Donna 
Anna mit ziemlichen Glück aufgetreten« 

*** Ueber den Flötisten ohne Flöte schreibt man aus Havre: 
Don Augusto Ferreyra gebraucht statt des Instrumentes nur 
seine Hände und seinen Schlund. Die linke Hand legt er auf den 
Mund, den Daumen und Zeigefinger ausstreckend, um seinen Tönen 
freie Passage zu gestatten. Die rechte Hand legt er auf die linke 
und bewegt die Finger, um die nötbigen Schwingungen behufs ver- 
schiedener Töne und Stärke hervorzubringen. Herr Ferreyra be- 
gnügt sich aber nicht mit einzelnen Melodieen, er bläst grosse Mu- 
sikstücke; die Nachtwandlerin, den Carneval von Venedig, die Tra- 
viata sind Kleinigkeiten für ihn. Dabei treibt er die Nachahmung 
der Flöte zu einer solchen Vollendung, dass das geübteste Ohr sich 
darüber täuschen könnte, besonders wunderbar sollen die ernsteren, 
getragenen Noten sein. Kürzlich gab Herr Ferreyra in London ein 
Concert; kaum hatte er sein Präludium begonnen, als der ganze 
Saal, ausser sich vor Erstaunen über seine Geschicklichkeit, ausrief* 
Das ist unmöglich! das ist Betrug ! Sofort stieg der Künstler von der 
Estrade herab und nahm der Beihe nach die Hände der Anwesen- 
den, führte sie an den Mund und entlockte der Faust des Lord 
B. ein C, den zierlichen Händchen der Miss N. ein D, und so die 
Tonleiter durch. Stürmischer Beifall folgte natürlich diesem 
Kunststück. 

*** Der Hofopernsänger und Regisseur Hr. S i g 1 am Hoftheater 
in München feierte am 9. Mai sein dreissigjähriges Jubiläum als 
Mitglied der dortigen Hofbühne. 

%* Der König von Baiern ist im strengsten Incognito, von 
einem einzigen Diener begleitet, in Lindau angekommen und hat 
sich von dort zu einer schon länger verabredeten Zusammenkunft 
mit Bich. Wagner nach der Schweiz begeben. (Das sieht recht 
neutral aus.) 

*** Offenbach arbeitet gegenwärtig an folgenden Opern: 
„Robinson Crusoe," komische Oper in drei Acten von Cormon und 
Crämieux ; „Le Jockey ," Oper in zwei Acten von Nuitter und 
Trefeu ; „La vie Parisienne;" Oper in vier Acten von Mailhac und 
Halevy. Die Letztere ist für die Saison in Ems bestimmt. 

%* Am zweiten griechischen Ostertage ist in Belgrad während 
der Vorstellung die Schaubühne eingestürzt, wobei mehrere Schau- 
spieler schwere Verletzungen erlitten. 

*** Der gegenwärtige Inhaber der Schlesinger'schen Verlags- 
handlung in Berlin, Hr. B. Linau, hat für die Dedication der von 
ihm herausgegebenen Partitur der „Euryanthe" vom Kaiser von 
O Österreich die grosse goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft 
erhalten. 

%* Der Organist T o d t in Stettin veranstaltete unter Mit- 
wirkung' des Gymnasial chors und der Sängerinnen Wittenhagen 
(Sopran) und Hamann (Alt) zu wohlthätigem Zweck ein Kirchen- 
concert, in welchem er besonders sich selbst als tüchtiger Orgel- 
virtuose bewährte. 

*** Der Violinist Wieniawski hat sich nach London begeben; 
ebenso der Violoncellist D. Popper aus Löwenberg. 

\* Im Brüsseler Conservatoriumsconcert wurde ein Quintett 
für fünf Posaunen von F e t i s aufgeführt. 



Briefkasten. Werden wir wohl bald wieder einen Bericht 
unseres Hrn. Correspondenten in München erhalten ? D. Bed« 

N i ' ' i i ■ 

Verantw. Red. Ed. Föckerer, Druck v. Carl Wallau, Main** 



15. Jahrgang. 



]¥* &a. 



4. Juni 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



1 Diese Zeitung erscheint j eden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
< lungen. 



von 



B. 



i 



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SCHOTTE SÖHNEN in MAINZ. | Durch die Post bezogen : 

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IHHALT: Astorga. — Die Zauberflöte. — Correspondenzen : Leipzig. Paris. — Nachrichten. 



Jk s t o r g a. 

Romantische Oper in drei Acten von Ernst Pasque. 
Musik von J. J. Abert. 



Es ist eine oft ausgesprochene Klage, dass die deutsche Oper 
seit einer Reihe von Jahren kein Product mehr aufzuweisen hat, 
welches zu einer allgemeineren Verbreitung, zu einer in weiteren 
Kreisen anerkannten Geltung gelangt wäre, und doch ist die Zahl 
der Opern, die alljährlich in unserem Gesammtvaterlande das Licht 
der Welt erblicken, eine nicht unbedeutende ; leider bringen es aber 
die meisten derselben über einen Succes d'&time in ihrem Geburts- 
orte nicht hinaus und werden, nachdem sie mit Hülfe guter Freunde 
mit mehr oder minder Geräusch vor dem Lichte der Lampen er- 
schienen, in aller Stille wider in die Gruft der betreffenden Theater- 
archive zur ewigen Ruhe beigesetzt. Wir hegen die Ueberzeugung, 
dass nicht immer absoluter Unwerth der Hauptgrund dieses traurigen 
Schicksals so vieler Erstgeburten mancher talentbegabten Opern- 
componisten ist. Häufig ist die Wahl des Librettos eine unglück- 
liche, und die vielleicht von wirklichem Beruf zeugende Schöpfung 
des Componisten wird von der Ungeniessbarkeit des Sujets zu Grunde 
gerichtet. Ein anderer Fehler, der sich an vielen neuen Opern- 
werken bemerklich macht und den Effect einer an und für sich 
recht gelungenen Arbeit bedeutend abschwächt, ist der Mangel an 
Bühnenkenntniss, an der richtigen Vertheilung von Licht und Schatten, 
indem der Neuling in diesem Fache entweder mit ängstlicher Schüch- 
ternheit an den Anforderungen eines falschverstandenen Classicismus 
sich festklammert und dadurch die lebhaftere Wirkung auf das 
grössere, nicht musikalisch gebildete Publikum verfehlt, oder ent- 
gegengesetzt die reichen Mittel , welche die grössere Freiheit der 
modernen Schule und die unendlich vervollkommnete Instrumenta- 
tionskunst ihm darbieten, in einem Maasse anwendet oder vielmehr 
missbraucht, dass wieder jeder Musiker, sowie jeder mit einigem 
Geschmack begabte Laie sich von solcher Ueberschwenglichkeit 
unbefriedigt abwendet. Auch manche wirkliche Perle, die zum Ge- 
meingut der deutschen Kunstwelt zu werden verdiente, mag unter 
der bedeutenden Anzahl neuer deutscher Opern sich befinden, die 
aber durch die Bescheidenheit und den Mangel an Practik des 
Componisten oder durch andere ungünstige Verhältnisse der allge- 
meineren Verbreitung entzogen und der ewigen Vergessenheit ge- 
weiht wurde. 

Wir freuen uns desshalb umsomehr, von einer neuen Erscheinung 
im Opernfache berichten zu können, welche unter so günstigen 
Anspielen in die Welt getreten ist und in so hohem Grade den ge- 
rechten Ansprüchen des Publikums wie der Kritik entspricht (was 
in gewissem Grade auch ohne das Prädicat unbedingter Vollkommen- 
heit möglich ist), dass wir derselben das günstigste Prognostikon 
in Betreff ihrer weiteren Verbreitung auf den deutschen Bühnen 
«teilen zu dürfen glauben, vorausgesetzt dass letztere ihre Aufgabe, 
•inheimische Talente nach Kräften zu unterstützen, auch erkennen 
«od zn erfüllen bereit sind. 



Wir sprechen nämlich von der Oper „Astorga" von Ernst 
Pasqu6, componirt von J. J. Abert, welche am Sonntag, den 20* 
Mai in Stuttgart zum ersten Male zur Aufführung kam. Abert, ein 
Schüler des Prager Conservatoriums und Mitglied der k, Hofcapeila 
in Stuttgart, ist kein Neuling mehr im Opernfache. Er hat schon 
früher zwei Opern geschrieben, nämlich „Anna von Landskron" und 
„König Enzio ," welche beide ausser Stuttgart auch in Mannheim 
und Carlsruhe gegeben wurden. Die zuletzt genannte Oper hat sich 
an diesen Bühnen auch auf dem Repertoir erhalten und hat nament- 
lich in Carlsruhe schon mehr als zwanzig Vorstellungen erlebt. In 
seinem neuesten Werke hat Abert ohne Zweifel einen bedeutenden 
Fortschritt beurkundet und er bewegt sich bereits mit einer Sicher- 
heit und Umsicht auf diesem Felde, die von seiner ferneren Thätig- 
keit auf demselben nur das Allerbeste erwarten lassen. 

Was zuvörderst das Sujet betrifft, so hat Hr. Pasque den für 
den C omp o ulstcn äusserst dankbaren Stoff fei recht gewandter Welse 
bearbeitet, und lassen wir zur Einführung des Lesers in denselben 
die dem Textbuch vorgedruckten Notizen hier folgen. Es heisst 
dort: „Eraanuel Astorga, der berühmte Componist des Stabat 
mmter, wurde im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts in Sizilien 
geboren. Sein Vater, einer der vornehmsten Adeligen, lehnte sich 
gegen die spanischen Unterdrücker der Insel auf. Er erlag und 
wurde zum Tode verurtheilt. Seine Gattin und sein Sohn mussten 
der Hinrichtung beiwohnen, also wollte es das Urtheil. Die Mutter 
tödtete der furchtbare Anblick ; sie starb am Fusse des Hochgerichts, 
während der Sohn einem Zustande dumpfer Verzweiflung anheimfiel, 
der an Wahnsinn gränzte. Die Prinzessin Ursini, die allmächtige 
Oberhofmeisterin der Königin von Spanien, gerührt von dem Schick- 
sal des jungen Mannes, liess ihn nach einem Kloster in der Stadt 
Astorga im spanischen Königreich Leon bringen. Dort erlangte 
Emanuel seine Gesundheit wieder und bildete sich zum Sänger und 
Tonsetzer aus. Als er dann auf's Neue in die Welt trat, nannnte 
er sich und für immer nach diesem Kloster „Astorga". Nun finden 
wir ihn am Hofe des Herzogs von Parma und alldort in einem 
Verhältnisse , ähnlich dem Tasso's zu Leonore von Este. Dieses 
veranlasste jedoch seine Entfernung von Parma, und nun zog Astorga 
nach Wien, an den Hof des kunstliebenden Kaisers Leopold I. Von 
dort besuchte er alle Höfe Europas als Sänger und Componist, glän- 
zend und Bewunderung erntend, bis er endlich in Böhmen, in Prag, 
den Augen der Welt entschwand. — Also erzählt Fr. Rochlitz 
(„Für Freunde der Tonkunst," 1825. Bd. H) des Meisters Leben, 
ohne die Quellen anzugeben aus denen er geschöpft. Gerber und 
H a w k i n s („Neues Lexikon der Tonkünstler ," 1812 , Bd. I , und 
History of Musik, 1776, Bd. V) wissen nichts von diesen roman- 
tischen Schicksalen Astorga's, während dieselben nach Rochlitz all- 
gemein so dargestellt wurden und noch in neuerer Zeit durch R ie h l's 
vortreffliche Characteristik des Meisters und seines Hauptwerks, detr 
„Stabat mater" („Musikalische Characterköpfe ," 1858), eine be- 
deutende Ergänzung und Bereicherung erhalten haben. — Die Ge- 
schichte selbst schweigt Über die früheren Verhältnisse Astorga's; 
nur folgende Data fand ich: Die grosse „Histoire de Steile** tov 



90 - 



Burigny erzählt, dass in den ersten Jahren des vorigen Jahrhun- 
derts unter dem Vicekönig Marquis (Hersog) Carlos Philipp 
Spinola Ton Los Barbases ein Aufstand in Sicilien stattge* 
fanden, nach dessen Bewältigung Balbazes einen der Haupträdels- 
führer, den Prinzen „de Paligonie" habe hinrichten lassen. — Diese 
historische Thatsacbe, verbunden mit den von Rochlitz erzählten 
Lebensumständen des Meisters, liegen in freier, selbständiger Be* 
nutzung der nachfolgenden Opernhandlang zu Grunde. 

Soweit der Dichter des Libretto's, und wir müssen ihm zuge- 
stehen, dass er im Oanzen genommen seinen Stoff mit vieler Ge- 
wandtheit und Bühnenkenntnisa behandelt und dem Componisten 
entsprechende Situationen und Gelegenheit zum Ausdruck der ver- 
schiedensten Affecte geboten habe, wenn auch vielleicht eine 
grossere Gedrungenheit an einzelnen Stellen wie im Ganzen wün- 
schenswerth gewesen wäre. 

Der Dichter hat auch dem Componisten insofern seine Aufgabe 
erleichtert, als er die erforderliche Steigerung in den Verlauf der 
Handlung zu bringen wusste, so dass von einer Abnahme des In-, 
teresses für den Zuhörer , woran so viele Opern leiden , ja selbst 
untergehen, hier keine Spur zu finden ist, sondern im Gegentheil 
die allgemeine Theilnahme bis ans Ende des Stückes ungeschwächt 
fortdauert. Abert hat es aber auch verstanden, die Vortheile, wel- 
che sein Libretto ihm bot, in vollstem Maasse zu benützen, und so 
entstand denn ein Ganzes, welches den Anforderungen der Kunst 
und eines geläuterten Geschmackes nach jeder Richtung hin fast 
überall entspricht. 

Abert's Musik zeichnet sich durch poesiereiche , originelle Er- 
findung, durch feine, geschmackvolle Auffassung des Textes, Gefühls- 
tiefe und Noblesse aus. In letzterer Beziehung lassen nur ein paar 
Nummern etwas mehr Tiefe und Gefühlswärme wünschen, so nament- 
lich das Lied des Astorga in der ersten Scene: „Wenn, Herrliche, 
du in stiller Nacht" (nach Tasso), welches uns, wenn auch sehr 
lieblich und melodiös, doch dem Texte und «der Situation gemäss 
etwas zu leicht, zu gewöhnlich erscheint und durch eine Ueberar- 
beitung in ernsterem Style bedeutend gewinnen und den Eindruck 
der ganzen Scene sicherlich noch erhöhen würde. Im übrigen ist 
diese ganze erste Scene vortrefflich gearbeitet und nimmt schon von 
vornherein den Hörer zu Gunsten des Componisten ein. Die ein- 
zelnen Nummern dieser und der zweiten Scene, insbesondere die 
beiden Ensemblesätze am Schlüsse der letzteren , riefen lebhaften 
Applaus hervor. Ein wahrhaft reizendes Stück ist die darauffolgende 
Arie der Angioletta, welche sich in dem rythmisch und melodisch 
ausnehmend lieblichen Schlussatze: „Ja, freudig will ich ihm dienen 
(G-dur, '/* Tact) gipfelt und mit stürmischem Beifall aufgenommen 
wurde. Das Ballet in der 5. Scene gab dem Componisten Gelegen- 
heit, eine Fülle lieblicher Melodien und reizender Instrumentation 
zu entwickeln und sein entschiedenes Talent auch für diesen Genre 
zu beurkunden. Von vortrefflicher Wirkung ist das darauffolgende 
Hochzeitslied der Angioletta : „Wie bist du gross, o Liebe", welches 
mit einfach melodischer Weise die tiefsten Gefühlssaiten sympathisch 
berührt und äusserst geschickt mit der Ansprache des Herzogs und 
den freudigen Kundgebungen des Chors verwebt ist, um dann auf 
einmal mit dem wilden Aufschrei Astorga's, der in dem vorgeführten 
Bräutigam der von ihm geliebten Prinzessin den Mörder seines 
Vaters erkannt hat , plötzlich abzubrechen , worauf nach kurzer 
Zwischenrede Astorga's dessen tief ergreifende Erzählung seiner 
Schicksale folgt. Letztere ist eine der schönsten und wirksamsten 
Nummern der ganzen Oper, welche mit ihrem hochdramatischen 
Schwünge dem Darsteller des Astorga Gelegenheit gibt, sein Licht 
als Sänger wie als Schauspieler leuchten zu lassen. Das Quintett 
mit Chor, welches das Finale des 1. Actes bildet, kann in Bezug 
auf geschickte Factur, effectvolle Behandlung und schöne Steigerung 
dem Schönsten an die Seite gestellt werden, was die neuere Opern- 
literatur in diesem Genre aufzuweisen hat. 

Die hervorragenden Nummern des 2. Actes sind : die Scene des 
Astorga am Anfang desselben, wo er sein Stabat mater componirt, 
das Lied der Angioletta: „Wenn hart das Leben mich bedroht," 
die Arie der Prinzessin Eleonore, und insbesondere aber die Impro- 
visation der Angioletta: „Vom Himmel Verstössen, sog der Schmerz 
zur Erde," welche besonders in ihrem ersten Theile von überraschen- 
der Originalität in Gesang und Begleitung und dabei von einer so 
schönen Wahrheit des Ausdrucks durchdrungen ist, dass der Schluss 



derselben, der In einem ziemlich gewöhnlichen Coloraturenspiel 
verläuft, den ersten Eindruck mehr beeinträchtigt als erhöht. 
Ausserordentlich wirksam sind die beiden Ensemblesätze im Finale 
dieses Actes : „0 Vater, mein Vater" und „Ich schätze ihn in seinem 
Leide, sowie die schöne Cantilene der Angioletta; „Leb wohl da 
Aermster nun, ich scheidet" Die Wirkung steigert sich noch in dent 
Schluss der Scene, im Abschiede der Angioletta von Astorga. Auch 
die Ensembles für Männerstimmen sind recht melodiös und dankbar, 
dürften aber doch, wenn möglich, etwas gekürzt werden. 

Im 3. Acte fällt uns zuerst ein, wenn auch nicht bedeutendes, 
doch recht ansprechendes Duett zwischen Angioletta und Eleonore 
auf, sodann die viel inhaltsvollere, von einer wunderschönen Be- 
gleitung der Violoncello und Bässe getragene Scene Astorga's: „Da 
nahst du mir wieder, du bleiches Angesicht!" Ferner das Duett 
zwischen Astorga und Eleonore und endlich das höchst effectvolle 
Finale mit dem Schlusschor: „Er ist gerettet, Dank dem Herr!" 

Nachdem wir nun in Kürze die einzelnen Vorzüge des Werkes 
hervorgehoben haben, bleibt uns nur noch übrig, über die Auffüh- 
rung desselben zu referiren. Vor Allem gebührt die Krone des Abends 
Hrn. Sontheim, der die Titelrolle, eine der bedeutendsten und 
anstrengendsten Tenorpartien, die wir kennen, mit einer bewunderns- 
werten Kraft und Ausdauer, mit tiefem Verständniss und mit hin- 
reissendem Feuer sang und spielte und an dem Erfolg der ganzen 
Aufführung unstreitig einen bedeutenden Antheil in Anspruch nehmen 
darf. Nächst ihm zeichneten sich Frau Leisinger als Eleonore 
und Frl. Klettner als Angioletta aus, welch' letztere namentlich 
ihre an und für sich dankbare Bolle mit einer so liebenswürdigen 
Natürlichkeit auffasste und wiedergab, dass man sich in Bezug auf 
Gesang, Darstellung und persönliche Erscheinung kaum eine bessere 
Repräsentantin der Angioletta wünschen könnte. Auch Hr. Schüt- 
k y leistete Vortreffliches als Barbazes , sowie auch die Herren 
Wallenreiterals Herzog und R o b i c e c k als Graf Lauristan ihren 
Platz würdig ausfüllten. Die ganze Aufführung ging unter des Com- 
ponisten persönlicher Leitung vortrefflich von statten , und wenn 
auch die Intendanz mit der Ausstattung der Oper sich sicherlich 
nicht ruinirt hat, so wusste doch der Regisseur Hr. Dr. Hall wachs 
die disponiblen Mittel mit feinem Geschmack zu einem recht schönen 
Ganzen zu gestalten. Die Aufnahme der Oper von Seite des Pub- 
likums war eine wahrhaft enthusiastische. Beständige Beifallssalven, 
vielfache Hervorrufe der Darsteller und des Componisten und Blumen 
und Kränze in Hülle und Fülle mochten sämmtliche Betheiligte 
überzeugen , dass ihre Leistungen die verdiente Anerkennung im 
vollsten Maasse gefunden hatten. 

Mögen nun die übrigen deutschen Bühnen nicht zögern, Abert's 
schönes Werk auch|ihrerseits dem Publikum vorzuführen und damit 
einem entschiedenen^Talente in diesem Fache für die Zukunft die 
Wege zu ebnen. — Noch sei erwähnt, dass der König von Würtem- 
berg, welcher der Vorstellung der Oper vom Anfang bis zum Ende 
mit sichtbarem Interesse beigewohnt hatte , den Componisten , der 
bekanntlich Mitglied der Stuttgarter Hofcapelle ist, am Morgen nach 
der Aufführung zu sich rufen liess, und ihm persönlich seine Er* 
nennung zum königl. Musikdirector mittheilte. E. F. 



»••4M 



Die ZauberJUHe. 

Texterlauterungen fttr alle Verehrer Mozarts. 



Unter diesem Titel ist in Leipzig (Verlag von Theodor 
Lissner) eine anonyme Broschüre erschienen, welche eine nahe 
und ausdrückliche Beziehung der „Zauberflöte" zur Freimaurerei 
darzuthun bemüht ist, gegenüber der Anschauung, welche in jenem 
Texte nichts als eine Kundgebung der barmlosen Naivetät der 
Scbikaneder'scben Muse finden will. Der vollständige Text der Oper, 
aber ohne Dialog, ist dem Büchlein beigegeben j von der Musik ist 
wenig die Rede. Das Ganze ist nicht uninteressant, und die aufge- 
stellte Ansicht mit Geschick durchgeführt, wie aus folgendem Frag- 
ment ersehen werden mag: 

„Die Königin mit ihren Damen dringt in den Tempel ein, vom 
Mohr Monostatos geführt, um die Priester zu überfallen und sie von 
der Erde zu vertilgen. Wer dächte nun bei der Königin der Nacht 
nicht an die Kaiserin Maria Theresia? Bereits am 7. März 174$ 



- 91 - 



hatte die Kaiserin eine Versammlung der ersten Wiener Loge „Zu 
den drei Kanonen* (gestiftet den 17. Sept. 1742), welcher auch ihr 
Gemahl Frans I. angehörte, durch mehrere Hundert Mann Grenadiere 
and Curassiere überfallen und aufheben lassen. Gegen 18 Freimaurer 
wurden festgenommen und in Haft gebracht. Dem Verhör wohnten 
der Cardinal und Erzbischof von Wien und der päpstliche Nuncius 
bei. Franz 1. soll, wie die Sage berichtet, in der Loge gegenwärtig 
gewesen und nur mit Mühe den Verfolgungen der Soldaten auf einer 
Hintertreppe entgangen sein. Unter den ältesten Bewohnern Wiens 
hat sich aus jenen Tagen noch die traditionelle Sage bis heute er- 
balten : Maria Theresia soll eines Tages, um Gewissheit über diesen 
Funkt zu erhalten, in Gesellschaft einer vertrauten Dame in männ- 
licher Kleidung ihrem Gatten in die Versammlung der Loge gefolgt 
«ein, habe aber dieselbe alsbald verlassen, als sie Niemanden vom 
weiblichen Geschlechte daselbst gesehen hätte. Endlich erschien 1764 
im Namen der Kaiserin eine Verordnung, durch welche die Frei- 
maurerei in allen österreichischen Staaten aufgehoben wurde. 

„Werden wir durch die Königin der Nacht an die Kaiserin 
Maria Theresia erinnert, so liegt die Deutung des Mohren Monos- 
tatos (d. h. des Alleinstehenden) nicht fern: es ist die päpstliche 
Clerisei und deren Anhang, das Mönchsthum. Dem Mohren, der 
«eine „ Wachsamkeit* rühmt, von Paminen aber Liebe verlangt hatte, 
verordnet Sarastro 77 Sohlenstreiche. Solche Streiche hatte Born 
{Sarastro) allerdings ausgetheilt in seinem „Specimem monachologiae 
methodo Linaeno" (Wien, 1793), deutsch unter dem Titel „Ignaz 
Loyola Kuttenpeitscher" (München, 1784). 

„Unter dem Prinzen Taraino darf wohl an Joseph IL gedacht 
werden. War derselbe auch nicht wie sein Vater ein Mitglied des 
Bundes, so war er doch von demselben erzogen und huldigte den- 
selben Grundsätzen, welche Born innerhalb und ausserhalb der Loge 
vertrat. Er war ein Freimaurer ohne Schurz; daher gewährte er 
der Freimaurerei öffentlichen Schutz in seinen Landen, wovon auch 
das von ihm eigenhändig geschriebene Cabinetschreiben vom 12. De- 
zember 1785 zeugt, in welchem er verfügt, dass alle Landesregie- 
rungen den Freimaurern vollkommene Freiheit und Schutz zu ge- 
währen hätten. 

„Haben wir in der Königin der Nacht die Kaiserin zu erkennen, 
*o ist auch die Deutung für Pamina, die Tochter der Landesmutter, 
gefunden: es ist das österreichische Volk in seinem innersten und 
edelsten Kern, während Papageno und Papagena dessen harmlos 
heitere und genusssüchtige Seite darstellen. Pamina ist durch Sa- 
rastro und dessen Priester der Leitung der Mutter entrissen worden. 
Der Aufklärung einer neuen Zeit war das Österreichische Volk zu- 
geführt worden, ein sittlich - edler und sittlich-freier Geist war ein- 
gedrungen. 

„Das österreichische Volk (Pamina) vermählt sich mit Joseph II. 
(Tamino) und ist trotz des Verbotes der Freimaurerei bis auf den 
heutigen Tag noch voll Sehnsucht nach den Zeiten, in welchen die 
Freimaurerei in Oesterreich unter Joseph IL erlaubt und beschützt war. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Leipzig. 



(Schluss.) 

Als ein ganz vortreffliches Werk, so klein es auch dem Umfange 
»ach ist, erscheint der Chor von Gesius, höchst eindringlich im Aus- 
druck und dabei sich eng an die Textworte anschmiegend. — Die 
Bearbeitung des Luther'schen Chorals von Calvisius interessirt durch 
lebendige und energische Rythmik und machtvolle Harmonik. — 
Von schöner Wirkung ist der Chor von M. Frank mit seiner Wort- 
malerei und mystischen Gefühlsseligkeit und Schwelgerei. — Demuth 
und innige Andacht characterisiren das Frank'sche Pfingstlied. Frl. 
"Wieg and trug dasselbe ebenfalls ganz vortrefflich vor. 

An der Baeh'schen Motette mag wohl mancher Zuhörer Anstoss 
gefunden haben. Für das erstmalige Hören ist der Eindruck der- 
selben mit ihrer reichen Polyphonie allerdings geradezu erdrückend 
und kann die Annahme begünstigen, dass der Meister hier wohl all 
«eine gelehrte Kunst aufgeboten habe, aber das Gemüth des Hörers 
dabei leer aasginge. Demzufolge ist auf Bach'e eigentümliche 



Stellung in der Kunstgeschichte aufmerksam m machen. Bach ist 
nichts weniger als trockener Gelehrter; ihm ist nur die Polyphon!» 
gewissermassen so zur zweiten Natur geworden, dass sie ihm form* 
lieh zum alleinigen Darstellungsmittel geworden ist. Alles was er 
musikalisch darstellen will, setzt sich in seiner Fantasie sofort in" 
diese Form um. Bei der Meisterschaft in der Beherrschung derselben 
erscheint sein Schaffen nunmehr nicht als kalte Verstandesoperation, ' 
als „Rechenexempel ," sondern als unmittelbare Art und Weise des 
Erfindens, als ureigner Styl. Es leuchtet ein, dass der wahr«' 
und vollständige Genuss seiner Werke somit einen idealen Stand-' 
punkt des Zuhörers voraussetzt, dass ihm diese Ausdrucksform ge- 
läufig und in Fleisch und Blut übergegangen sein soll , worauf die 
Auffassung des eigentlichen Empfindungsgehaltes erst ermöglicht wird* 
Ist demnach scheinbar Veranlassung gegeben zu der Annahme, als ob 
Bach nie populär sein könne, so ist zu bemerken, dass durch die 
Meisterschaft, mit welcher er die Polyphonie handhabt, jeder An- 
strich abstruser contrapunktischer Grübelei ferngehalten wird, und 
die Ursprünglichkeit und Frische der Erfindung und Empfindung, 
die Anschaulichkeit der Darstellung nicht im Mindesten benach- 
theiligt erscheint. Daher sind seine Werke trotz ihrer Complicirtheit 
immer klar in Anlage , Aufbau und Durchführung und bieten für 
das Verständniss hinreichende Höhepunkte, von welchen aus alles 
Uebrige sich leicht übersehen lässt. Freilich ist doch immer ein- 
dringendes Studium erforderlich, um derartige Werke in ihrer Tota- 
lität vollständig auf sich wirken lassen zu können. 

Die Vorführung sämmtlicher Nummern war ganz ausgezeichnet 
und, von einer kleinen Schwankung am Anfang der Motette abge» 
sehen, correct und sicher, geistig belebt, die Nüancirungen in allen 
Stimmen gleichmässig durchgeführt und die Intonation durchgängige- 
rem. Das Concert eröffnete Hr. Thomas mit einer Passacaglia 
von Frescobaldi , den zweiten Theil desselben mit einer Toccata 
(D-moll) von Bach, und bewährte sich als vortrefflicher Orgelvirtuos« 



Aus Paris. 

27. Mal. 

Freitag kamen Nicolai 's „lustige Weiber von Windsor" im 
The'ätre lyrique zur Aufführung. Dieselben fanden zwar keinen, 
stürmischen Beifall, doch eine freundliche Aufnahme. Die Oper, 
ward übrigens nur mittelmässig gegeben, da die vorzüglichsten 
Kräfte dieser Bühne vom „Don Juan" in Anspruch genommen sind.*. 
I s m a e 1 giebt die Rolle des Falstaff leidlich ; die Uebrigen ziehen 
sich kaum glimpflich aus der Affaire. 

Morgen findet in der Ope'ra comique die erste Darstellung der 
„Zilda" von Flotow statt. Nach der Generalprobe zu urtheilen, wir dl 
sich Flotow's Werk gewiss eines lebhaften Beifalls erfreuen. Das 
ebengenannte Theater studirt gegenwärtig ein neues Werk von Jules 
Cohen ein. Gegen Anfang der nächsten Saison wird dort auch 
die dreiactige Oper „Mignon" von Ambroise Thomas in SceneV 
gehen. Der Text ist von C a r r 6 und Barbier nach GötheV 
„Wilhelm Meister" bearbeitet. 

G e v a e r t arbeitet an einer komischen Oper, „ Venise" ; das 
Libretto hat den unermüdlichen Victorien Sardou zum Verfasser. 

Verdi befindet sich in seiner Villa in Italien, wo er die letzte 
Hand an seinen „Don Carlos" legt. Wie ich Ihnen schon berichtet» 
ist dieses Werk für die grosse Oper bestimmt und es helsst, die Direction 
treffe bereits Vorbereitungen zu einer sehr glänzenden Aufführung? 
desselben. 

G o u n o d ist mit einer Majorität von blos einer Stimme zum 
Mitglied des Instituts (Academie des Bemtx-Arts) ernannt worden.* 
Er hatte nur neunzehn Stimmen. Eine sehr bedeutende Minorität, 
sechszehn Mitglieder stimmten für Felicien David, der also sicher- 
darauf rechnen darf, bei der nächsten Gelegenheit in den Hchooss 
der Academie aufgenommen zu werden. David ist älter als Gounod; 
und ist Offizier der Ehrenlegion, während dieser nur ein simpler 
Bitter ist; David's Freunde sind daher sehr aufgebracht, dass ihm 
die Academie Gounod vorgezogen. 

■ I M« 



— 92 — 



Mac 1t richten. 



HaiDZ. Unsere Opernsaison ist am 20. Mai geschlossen worden, 
und »war mit der Oper t Fra Diavolo," in welcher Hr. Götte, der 
nun wirklich für die nächste Saison dahier engagirt ist, durch Ge- 
sang und Spiel wieder allgemeinen, wohlverdienten Beifall gewann. 
Der Versuch, die Theatersaison auch noch auf den Monat Mai zu 
erstrecken, hat kein günstiges Resultat geliefert, indem das Haus 
trotz aller angewendeten Zugmittel stets leer blieb. Nun haben wir 
■ur möglichsten Befriedigung unseres Theaterbedürfhisses zwei 
Sommertheater, das eine in Castel unter Leitung des Hrn. Max t. 
Hessling, das andere hier im Dofflein'schen Garten vor dem 
Mnnsterthore, dessen Director der bisherige Schauspielregisseur des 
Stadttheaters, Hr. Pittmann ist. Beide künden täglich amüsante 
und rührende Stücke mit vorhergehendem Concerte und gutem Bier 
an, doch dürfte der Besuch bei dem bisherigen unfreundlichen Wetter 
-wohl kaum den Erwartungen der Directoren entsprochen haben; ja 
die Leute sind boshaft genug, den Sommertheatern geradezu vorzu- 
werfen , dass sie das Wetter, besonders an Sonn- und Feiertagen 
durch ihre Theaterannoncen regelmässig verderben. So ungerecht 
sind wir nun nicht, sondern wünschen den beiden Unternehmungen 
am rechten und linken Bheinufer, dass der Himmel seine Sonne 
möge scheinen lassen über ihre luftigen Musentempel und dass es 
ihnen gelinge, die tiefen Falten, welche der drohende Krieg und die 
leidigen Papiere auf jegliche Stirne gegraben haben, wenigstens für 
ein paar Stunden zu glätten. £. F. 

Garlsrahe. Im 4. Concert des Cäcilien- Vereins kam Beethovens 
herrliches Septett in Es -dar durch Mitglieder der Hofcapelle und 
ausserdem ein- und mehrstimmige Gesangsstücke von Händel, Men- 
delssohn, Hiller, Spohr, Schubert, Gretrv, Esser, Dessauer und 
Schumann zur Aufführung. Die Alt-Soli wurden von Frl. Bürklin, 
die übrigen von Vereinsmitgliedern vorgetragen. — Das 5. Vereins- 
concert brachte den 137. Psalm für Tenorsolo, Chor und Orchester 
Ton Georg Vierling, das Tenorsolo gesungen von Hrn. Hofopern- 
Bänger Brandes (unter des Componisten persönlicher Leitung), und 
Mendelssohn^ Musik zur „Athalia" von Racine, mit verbindendem 
Text von Ed. Devrient. Die Soli wurden von Frau Braun- 
hofer, Frl. Bürklin und einem Vereinsmitgliede, der verbindende 
Text von Hrn. Hofschauspieler Lange vorgetragen. 

Das 3. Abonnementconcert der Grossh. Kirchenmusik unter der 
Leitung desDirectors derselben, Hrn. Giehne gab in einem reich- 
haltigen und mannigfaltigen Programm des Interessanten und Schönen 
wieder gar vieles. Wir hörten Compositionen für die Orgel von Seb. 
Bach und Hob. Schumann und Vocalwerke verschiedener Art von 
Palestrina, Corsi, Graun, Mendelssohn, Hauptmann, Hay.dn, Leonhard 
Leo, Cherubini und Rob. Schumann. 

Paris. Es hat Jemand die Geduld gehabt, die sämmtlichen 
Concerte, welche vergangenen Winter in Paris gegeben wurden, zu 
registrieren. Es ergibt sich die schöne Ansahl von 269 Concerten, 
davon 37 im Conservatorium und im Cirque Napoleon, 72 im Saale 
Herz, 85 im Saale Pleyel, 51 im Saale Erard und die übrigen 
in Localitäten zweiten Ranges. 

— Folgende Zöglinge des Conservatoriums sind von der dazu 
bestellten Jury zur Concurrenz für den Römer -Preis zugelassen 
worden: H.Ketten, Schüler des verstorbenen Halevy undReber's; 
D uco t, Schüler Carafa's ; G odar d, Schüler Reber's ; Hess, Schüler 
des Ambroise Thomas, und Pessard, Schüler Carafa's. Diese fünf 
Concurrenten werden die Clausur zur Ausarbeitung ihrer Preisaufgabe 
am 29. Mai betreten und am 23. Juni verlassen. 

*** Hofsecretär Dr. Hirsch in Wien hat einen Clavier-Noten- 
pult construiren lassen, welches allen bisherigen Uebelständen ab- 
Mlft. Die besseren Instrumentenmacher in Wien haben dasselbe 
sogleich adoptirt. 

%* In Madrid ist das Theater Nueva Infanted am 6. Mai ein 
Raub der Flammen geworden. Es war ein schönes Haus, in wel- 
chem namentlich Nationaltänze in ihrer Echtheit producirt wurden. 

*** Carlotta Patti ist in Italien ernstlich erkrankt und kann 
ihr Engagement in London nicht antreten. 

V Hr. Salvatore Marchesi erhielt von der Grossherzogin 
Ton Weimar für sechs ihr gewidmete sicilianische Melodien eine 
prachtvolle Brillantnadel. 



*** Bei der ersten Aufführung der »lustigen Weiber von Wind- 
sor" im The'dtre lyrique ereignete sich der komische Unfall, das» 
dem Darsteller des Falstaff im 2. Acte während des Duettes mit 
Mlle. Demay die Hosenträger brachen und er in äusserste Gefahr 
kam, seine Inexpressibles zu verlieren. Man Hess den Vorhang fallen, 
und nach einigen Minuten, während welcher Fallstaff seine Toilette 
wieder in Ordnung gebracht hatte, wurde die Vorstellung unter all- 
gemeiner Heiterkeit, welche Ismael durch einige drollige An- 
spielungen auf seinen Unfall noch zu erhöhen wusste , wieder fort- 
gesetzt. 

%* Die philharmonische Gesellschaft in Wien veranstaltet am 
1. Juni im Hofoperntheater ein ausserordentliches Concert, dessen 
ganzer Reinertrag patriotischen Zwecken gewidmet ist. Das Pro- 
gramm enthält: Ouvertüre und Scherzo aus Mendelssohn^ Musik 
zum „Sommernachtstraum", die grosse „Leonoren" - Ouvertüre und 
die „Eroica" von Beethoven, sowie zwei Sopran -Arien von Gluck 
und Spohr. 

*** Münchener Blätter melden , dass die im Monat Juni beab- 
sichtigten Aufführungen der Opern „Tannhäuser" und „Lohengrin* 
mit vorzüglicher Besetzung und glänzender Ausstattung vorderhand 
nicht stattfinden werden, indem auf königlichen Befehl Angesichts 
der drohenden Verhältnisse, durch welche die Mittel für ernste Zwecke 
in Anspruch genommen sind , alle Vorbereitungen zu jenen Vor- 
stellungen vollständig eingestellt wurden. 

*** I>ie Baronin Vivier (Sophie Cruvelli) rivalisirte mit 
der Tenoristin Mela, indem sie in einem Pariser Wohlthätigkeits- 
concerte die Tenor- und Sopranpartie des Verdi'schen Miserere 
(Troubadour) sang. 

*** Der von J. Grimm geleitete Musikverein zu Münster gab 
diesen Winter 14 Vereins- und 3 besondere Concerte zu Wohlthätig- 
keitsz wecken. In denselben wurden von grösseren Werken aufge- 
führt : die Oratorien „Israel in Egypten" und „Athalia" von Händel, 
Beethoven's 9. Sinfonie, Scenen aus „Faust," „Paradies und Peri," 
„der Rose Pilgerfahrt" von Schumann, Frühlingsbotschaft von Gade, 
„O weint um sie" von Hiller, Romberg's „Glocke", Sinfonien von 
Beethoven, Mozart, Haydn, Mendelssohn, Gade, Suiten von Lachner 
und Grimm; Violinconcerte von Beethoven, Viotti, Spohr und Men- 
delssohn, Clavierconcerte von Beethoven und Schumann ; Beethoven'» 
Septett; Quintette, Quartette, Sonaten von Mozart und Beethoven, 
eine grosse Anzahl von Ouvertüren etc. In den erstgenannten Chor- 
werken wurden nach alter Sitte die sämmtlichen Solopartien von 
Dilettanten übernommen, nur zum Cäcilienfeste (9. Sinfonie, Faust) 
waren dieHH. Stockhausen von Hamburg und Pirk von Han- 
nover engagirt. Ehre diesem aus sich wirkenden, kunsteifrigen und 
gemeinsinnigen Streben 1 

*** Generalintendant von Hülsen ist von seiner Reise nach 
Italien nach Berlin zurückgekehrt, und soll dort eine ausgezeichnete 
Tänzerin für die k. Oper gewonnen haben. 

*** In London soll auf Staatskosten ein Conservatorium für 
Musik errichtet werden. Im Falle des Zustandekommens sind die 
Herren Sternda'Ie-Bennet und Otto Goldschmidt (Gemahl 
Jenny Lind's) als Directoren in Aussicht genommen. 

*** Von Brendel's „Grundeüge der Musik," welches Werk 
schon früher ins Holländische und Schwedische übersetzt wurde, ist 
soeben eine polnische Uebersetzung der 5. Auflage erschienen. 

*** Otto Prechtler hat zwei Operntexte, und zwar einen 
romantischen in drei und einen biblisch historischen in vier Acten 
vollendet und ist geneigt, dieselben Componisten unter billigen Be- 
dingungen zu überlassen. Nähere Auskunft ertheilt Hr. v. Turn« 
retscher, Beamter im k. k. Handelsministerium in Wien. 

*** Die „Afrikanerin" ist am 2. Mai in Turin zur erstmaligen 
Aufführung gelangt. 

*** Die Kaiserin von Oesterreich hat für das Mozartmonument 
bei Gelegenheit des betreffenden Concertes 200 fl. beigesteuert. 

%• Der Männergesangverein „Orfea" in Aachen feiert dieser 
Tage sein 25jähriges Jubiläum. 

\* Das in Lübeck vertagte Musikfest soll nun in Hamburg 
a bgehalten werden. 

*** Rieh. Wagner's „Rienzi" wird am Hofoperntheater in 
Wien einstudirt. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



NT* 94. 



11. Job! 1866. 



SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Diese Zeitung erscheint jeden 
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INHALT: Gluck und Piccini. — Correspondenzen : München. — Nachrichten. 



Gluck und Piccini. 



i. 

Das in Paris erscheinende Journal ,,£e Me'nestrel" brachte in 
ihren letzten Nummern fortlaufende Artikel über die ersten Zeiten 
der französischen Oper aus der Feder des Hrn. Leon M£nau, 
-welchen wir in freier Bearbeitung folgendes über die beiden Rivalen 
Gluck und Piccini entnehmen, hoffend, dass wir unsern Lesern, 
wenn auch wohl nicht viel Neues, so doch in der Auffassungsweise 
des französischen Musikhistorikers manches Interessante bieten können. 
Wie bei dem Auftreten Rameau's in Paris sich das Publikum in 
Lullisten undRamisten theilte, so bildeten sich auch alsbald bei 
dem Erscheinen G 1 u c k's in der französischen Hauptstadt, wo da- 
mals Piccini die Opernbühne beherrschte, abermals zwei Parteien, 
die Gluckisten und die Piccinisten, welche nicht minder hart- 
näckig einander entgegen traten als jene Gegner der vorhergehenden 
Periode. Wir lassen nun folgen, was Menau über Gluck vor seinem 
Auftreten in Paris mittheilt, und zwar hauptsächlich nach der Bio- 
graphie des grossen Meisters von Anton Schmid. 

Die Zeit und der Ort der Geburt des Componisten Christoph 
Willibald Gluck war lange Zeit zweifelhaft, bis es den eifrigen 
Forschungen seines Biographen Anton Schmid gelang festzu- 
stellen , dass der grosse Meister am 2. Juli 1714 in dem Städtchen 
Weidenwang bei Neumarkt in der bairischen Oberpfalz geboren 
wurde. Sein Vater, Alexander Gluck, war Forstwart des Fürsten 
von Lobkowitz, dessen Familie sich von jeher durch eifrige Pro- 
tection der Künste und namentlich der Musik ausgezeichnet hatte. 
Christoph und sein Bruder Anton liefen barfuss durch die Wälder 
ufid trugen ihrem Vater das Gewehr nach. Christoph zeigte schon 
in frühester Jugend bedeutende Anlage für die Musik. Er spielte 
recht wacker Violine und Contrabass. Zu gleicher Zeit lernte er 
so rasch lesen, dass sein Vater sich bemühte, ihm einige Erziehung 
angedeihen zu lassen. Es gelang ihm, ihn in einem Jesuitencolle- 
gium unterzubringen ," wo er sechs Jahre lang, von 1726 bis 1732, 
verblieb. Dort empfing er den ersten Unterricht im Ciavier- und 
Orgelspiel. Während der Ferien zog er von Dorf zu Dorf, spielte 
in den Kirchen und gab Unterricht in den Schlössern. Häufig be- 
kam er statt des Honorars Eier, die er dann wieder verkaufte, wenn 
er eine gewisse Anzahl gesammelt hatte. 

Der Fürst Lobkowitz, welcher sich freute, bei dem Sohne eines 
seiner Forstwarte ein so ausgezeichnetes Musiktalent wahrzunehmen, 
beschloss ihn ernstlich unterrichten zu lassen und schickte ihn nach 
Wien, wo er ihn an seine hohen Freunde empfahl, die ihn dann 
den Meistern Antonio Caldara und Joseph Fux zuführten, 
welche damals als ausgezeichnete Musiker den Hof Carls VI. zierten. 
Unter diesen Meistern studirte er den Contrapunkt. Der Fürst 
Melzi, welcher sich damals am Wiener Hofe aufhielt, nahm ihn 
als seinen Capellmeister zu sich und brachte ihn 1736 nach Mailand, 
wo er noch von Samm artini Anleitung erhielt. Im Jahre 1741 
schrieb er für das Hoftheater seine Oper „Artaserse" nach dem 
Gedichte Metastasio's. 



Obgleich er damals mit seinen Relormationsideen noch nieht 
im Klaren war, so bette er doch in seiner Partitur die hergebracht« 
italienische Schreibweise bedeutend modificirt, mit Ausnahme einer 
einzigen Arie , in welcher er sein persönliches Gefühl denr italieni» 
| sehen Geschmacke unterordnete. In der Generalprobe fand man 
'. seine Musik barok, mit Ausnahme der erwähnten Arie, welche man 
aber allgemein für eine Arbeit Sammartini's hielt. Gluck Hess die 
Gegner seines Systems reden und schwieg auch zu dem Vorwurfe 
der Einschmuggelung fremder Arbeit. Am Tage der Aufführung aber 
wurde sein „Artaserse" enthusiastisch aufgenommen, mit Ausnahme 
jener Arie, welche man Sammartini zugeschrieben hatte. Von da 
an schritt Gluck kühn auf der Bahn .voran, die ihm sein Genie 
vorgezeichnet hatte. 

Im darauffolgenden Jahre Hess er in Venedig „Ipermne&tre" 
und „Demetrio" und in Mailand „Demofoonte" aufführen; 174$ 
„Artmnene" in Crenjoaa, „Sifacce" in Mailand und „Parro" in 
Turin; im Jahre 1744 wurde in Turin „Alessandro nelV Indie ie 
und in Mailand ^Fedra^ aufgeführt. 

Nun erhielt Gluck einen Ruf nach London , wo er die Oper 
„Caduta dei Giganti" („der Sturz der Riesen") schrieb. Der Titel 
scheint dem Werke Unglück gebracht zu haben, denn es fiel am 
7. Januar 1746 total durch. Freilich hatte Händel das Werk für 
schlecht erklärt und die Engländer hatten schon damals, wie noch 
heutzutage die Gewohnheit, in ihrem Kunsturtheil sich vom Ausland 
bestimmen zu lassen. Gluck machte sodann ein zusammengestop- 
peltes Werk aus den besten Nummern seiner italienischen Opern, 
unter dem Titel: „Pvrame e Tisbe* welches ebenfalls durchfiel 
und zwar, wie der Componist zugestand, mit Recht, denn er sah 
ein, dass die Stücke, welche mit ihrem ursprünglichen Texte ganz 
gute Wirkung machten, durchaus effectlos wurden, sowie sie einem 
andern Stoff angepasst waren. Dies bestärkte ihn in seinem Ent- 
schlüsse, niemals von dem Grundsatze abzuweichen, den Ausdruck 
der Gefühle in dem Gedichte selbst zu suchen und demselben die 
Musik anzupassen. 

Dies ist der grosse Unterschied zwischen der von Gluck ge- 
schaffenen dramatischen Schule, welcher sich mehr oder weniger 
Mozart, Weber, Meyerbeer etc. angeschlossen haben und welche man 
die deutsche nennt, und der italienischen Schule, welcher Piccini, 
angehörte, dessen Vorgänger Leo, Scarlatti, Porpora, Durante etc. 
und dessen Nachfolger Cimarosa, Paesiello und Rossini waren. 
Gluck war der Ansicht, die Musik müsse der Dichtung das verleihen, 
was einer correcten und gut componirten Zeichnung durch die Le- 
bendigkeit der Farben und die glückliche Uebereinstimmung von 
Licht und Schatten verliehen wird, welche dazu dienen, die Figuren 
zu beleben, ohne die Conturen zu verändern. So spricht er sich 
selbst in seinem Vorworte zur „Alceste" aus. Die Aufgabe des 
Componisten ist also nach seiner Ansicht, den Gedanken des Dich- 
ters ganz genau zu übertragen, indem er ihn dramatisirt und ihn 
dadurch um so geeigneter macht, Eindruck auf den Hörer zu üben. 
Zur Zeit, als „Artaserse" erschien, hatten es die italienischen 
Componisten so weit gebracht, dass sie fast nur den Umriss ihrer 



- 94 - 



Opera niederschrieben, denn wenn sie Alles, was sie singen hören 
wollten, wirklich hingeschrieben hätten, so würden die Castraten, 
welche die volle Gunst des Publikums besassen, sie genöthigt haben, 
Alles wieder abzuändern und ihrer Stimme anzupassen. Diese Sänger 
kümmerten sich nicht im Geringsten um die dramatische Handlung 
und sangen eine Oper wie heutzutage ein Instrumentist eine Varia- 
tion spielt. In den traurigsten wie in den heitersten Situationen 
gurgelten die ersten Sänger und Sängerinnen ihre Triller und Rou- 
laden im Uebermaass hervor. 

Die französische Bühne hatte diesem sonderbaren Missbrauche 
widerstanden; daher waren auch die Sänger derselben der Spott 
aller Nationen und das Urlo francese (französisches Geheul) war 
sprüchwörtlich geworden. J. J. Rousseau, der sich für einen sehr 
guten Musiker hielt und das Geschick hatte, dies ein halbes Jahr- 
hundert lang glauben zu machen, sagt durch den Mund von Juliens 
Geliebten, der Gesang der französischen Künstler gleiche dem Ge- 
schrei eines Eolikkranken, und noch heute glauben viele Leute, man 
singe in der italienischen Oper besser als in der grossen Oper, ob- 
wohl man sich täglich überzeugen kann, dass grossentheils dieselben 
Personen abwechselnd bald hier und bald dort auftreten. 

Als Gluck auf der Rückkehr von London nach seinem Vater- 
lande durch Paris kam, fand er das Urlo francese sehr nach seinem 
Geschmacke und beschloss sogleich, dereinst wieder einmal dahin 
zurückzukehren. Unterdessen Hess er sich in Wien nieder (1746); 
dort studirte er französisch und die Literatur seines Vaterlandes, 
von der er nur wenig kannte, da seine Erziehung sich nur auf die 
Anfangsgründe beschränkt hatte. Damals versuchte er es auch, 
Sinfonien zu schreiben, doch gelang ihm diese Gattung nicht, welche 
die schwierigste von allen ist; er bedurfte, um seine Muse zu be- 
geistern, durchaus grosser Leidenschaften , die er dramatisiren , tra- 
gischer Situationen, die er mit seinem Pinsel coloriren sollte. Daher 
kommt es auch, dass ihm der leichtere Genre nur sehr mittelmässig 
gelang; er hat einige komische Opern geschrieben, welche aber 
keinen Erfolg hatten. 

In Wien componirte er die »Semiramide riconusciata" von 
Metastasio. In dieser Oper liess er zuerst die Blasinstrumente ganz 
unabhängig vom Streichquartett auftreten, was bis dahin noch nicht 
geschehen war. Die Blasinstrumente, oder was man in des Instru- 
mentation die Harmonie nennt, hatten keine andere Aufgabe, als 
von Zeit zu Zeit die Streichinstrumente zu verstärken ; Gluck hatte nun 
begonnen , ihnen eine viel wichtigere Rolle anzuweisen , und sein 
Beispiel war von nun an massgebend. 

Während dieses Aufenthaltes in Wien machte Gluck die Be- 
kanntschaft der Tochter eines sehr reichen Kaufmannes, Marie Anna 
P e r g i n. Die beiden jungen Leute liebten sich , aber der Vater 
wollte , wie man sich wohl denken kann , seine Tochter keinem 
^Künstler" geben. Gluck, von dieser Zurückweisung lebhaft ergriffen, 
floh als Capuziner verkleidet nach Rom, da ihn noch Verpflichtungen 
an den österreichischen Hof banden. Er schrieb in der ewigen Stadt 
einige italienische Opern, welche den gewohnten Erfolg hatten; da 
aber inzwischen der gute Bürger Pergin gestorben war, so eilte 
Gluck nach Wien zurück , wo er sich am 15. September 1750 mit 
seiner Geliebten vermählte. Von jener Zeit an befand er sich häu- 
fig auf dem Wege zwischen Wien und Rom. In letzterer Stadt 
schrieb er denn auch nach seiner Verheirathung „La Clemenza di 
Ttto a , in welcher sich die berühmt gewordene Arie befindet: „Se 
mori senti spirarte sul volto* Gewisse Kritiker hatten behauptet, 
diese Arie sei nicht regelrecht geschrieben; der alte Durante, den 
man darüber befragte , antwortete : „Ich weiss nicht, ob das Stück 
regelrecht ist oder nicht, aber jeder Musiker, und ich vor Allen, 
würde stolz darauf sein dasselbe erfunden und geschrieben zu haben." 
Gluck kehrte 1751 nach Wien zurück und führte dort eine komische 
Oper auf. Wieder nach Rom berufen, ertheilte ihm der Pabst nach 
neuen Triumphen den Titel und die Decoration eines Ritters vom 
goldenen Sporn - Orden. Er ging dann abermals nach Wien, wo er 
für das kaiserliche Theater in Laxenburg „L'Innocenza giuslificata* 
und „// Re pastore" schrieb ; allein alle diese Stücke trugen schon 
durch die Art ihres Zuschnittes immer etwas vom italienischen Ge- 
schmack an sich, und Gluck, der das Joch der Tradition vollständig 
abschütteln wollte , sagte sich nun von Metastasios Gedichten los, 
und da er mehr einen Dramaturgen als einen Poeten nöthig hatte, 
so wandte er sich an Rani er o di Calzabigi, der sich voll« 



kommen darauf verstand, ein Opernsujet zu bearbeiten. Dieser 
schrieb für ihn das Libretto zu „Orfeo ed Eurydice". Der Erfolg 
dieser neuen Oper war ein so grossartiger, dass seine Feinde, welche 
das Werk selbst nicht anzugreifen wagten, die Behauptung aufetellten» 
es sei nicht alles von ihm, und so z. B. die Arie »Che färb senza 
Eurydice /" von dem Sopranisten G u a d a g n i gemacht. 

Sei es nun , um sich von der Tyrannei dieses Guadagni und 
anderer Sänger seines Gleichen vollkommen zu befreien, sei es aus 
Liebe zur künstlerischen Wahrheit, kurz, Gluck beschloss, von nun 
an seine Männerrollen nur mehr wirklichen Männern anzuvertrauen. 
In seiner Oper „Alceste? welche am 16. December 1767 zum ersten 
Male in Wien aufgeführt wurde , brachte er diese Umwälzung zu 
Stande. Calzabigi hatte den Euripides fast wörtlich übersetzt. Die 
Aufführung machte grosses Aufsehen. Ein Zeitgenosse , Sonnen- 
feld, schrieb darüber: „Ich befinde mich in dem Lande der 
Wunder; eine seriöse Oper ohne Castraten, eine Musik ohne Gur- 
geleien, ein italienisches Gedicht ohne Buffonaden, das ist das drei- 
fache Wunder, mit welchem das Hoftheater eröffnet wurde.'* 

Gluck war damals nahe an 60 Jahre alt und betrachtete sich 
demnach als am Ende seiner Laufbahn ; er musste noch in Paris 
sich geltend machen und beschloss daher alsbald den Versuch 
zu wagen. (Fortsetzung folgt.) 

»er Verein der Tonkiinstler (arti&tes 
muteten*) in Paris. 

Vor kurzer Zeit ist von mehreren hochgestellten Männern der 
Kunst, der Gesellschaft und der Finanzen ein Aufruf ergangen zur 
Bildung eines „Vereines Berliner Musiker zur Unterstützueg seiner 
hülfsbedürftigen Mitglieder und deren Hinterbliebenen". Wir werden 
noch öfters auf diesen Aufruf zurückkommen, und erwarten nur eine 
ruhigere Zeit, um für das Unternehmen mit allem Nachdruck zu 
wirken. Heute wollen wir nur eine kleine Skizze von der letzten 
Stizung des Vereines der Pariser Tonkünstler geben, die am 24. Mai 
stattgefunden hat; die Berliner Tonkünstler werden daraus besser 
als aus allen möglichen Betrachtungen entnehmen können, was ein 
solcher Verein bedeutet, wenn er eben einig ist. 

Ein wahrer Freund der Kunst und der Menschheit, Baron 
Taylor, der noch jetzt im hohen Alter an der Spitze aller künst- 
lerischen gemeinnützigen Unternehmen steht, hat den Verein ge- 
gründet; dieser wird durch Beiträge, durch Aufführungen etc. er- 
halten, und seine Einkünfte betrugen im Jahre 1864 88,228 Frcs. 
im verflossenen Jahre 89,195, also fast 24,000 Thaler an Beiträgen, 
worunter 32,500 Frs. feste Renten. Dafür haben auch Gounod, 
A. Thomas, Savard u. A. ihre Messen zum Besten des Vereins auf- 
führen lassen; ein Gesellschaft für classischen Gesang, von Herrn 
Be aul i e u gegründet, widmet den Ertrag ihrer Concerte dem Verein, 
und alljährlich finden grosse Musikaufführungen zum Besten desselben 
statt — überall findet er Unterstützung bei den Musikern selbst; 
der Verein zählt jetzt 4614 Mitglieder. 

Wir wiederholen : diese Skizze, diese Ziffern sprechen deutlicher 
als alle Reflexionen. (N. ßerl. M.-Z.) 

CORRESPONDENZEN. 



Ans München. 

I. Juni. 

Sie wünschen wieder einige Notizen aus dem musikalischen 
Leben Münchens, aber die Musik ist bei uns so in den Hintergrund 
getreten, dass es mich wegen Mangel an Stoff Mühe kostet, Ihrem 
Wunsche zu willfahren ; denn Aller Augen sind auf den bevorstehen- 
den Krieg gerichtet, und wir hören den ganzen Tag nur Militär- 
musik. Ja selbst die Lieblingsidee des Königs litt an der schweren 
Zeit Schiffbruch: die Mustervorstellungen Wagnerischer Opern 
(Lohengrin und Tannhäuser), für welche colossale Decorationen ge- 
malt wurden und die Damen Stehle aus München, Harry aus 
Hamburg, Schnorr aus Dresden und die HH. Betz aus Berlin, 
Dr. Schmid aus Wien und Nie mann aus Hannover engagirt 
waren, wurden desshalb abgesagt und vertagt, weil das dafür nöthige 
Geld jetzt zu anderen Zwecken verwendet werden könne. 



— 95 



Ein einziges Concert hat seit meinem letzten Berichte stattge- 
funden; der Oratorienverein führte im grossen Museumssaale Men- 
delssohns „Elias* auf. Professor Rheinberge r, der Dirigent des 
Vereins, hatte sich viele Mühe gegeben, die Composition dem Ver- 
eine einzustudiren, doch der Chor war au schwach, und die Trom- 
peten und HÖrner brauchten sich nicht sonderlich anzustrengen, den 
Gesang vollständig auzudecken; auch vermissten wir im Vortrag 
(vorzüglich in dem schönen Schlusschor der ersten Abtheilung) jene 
Begeisterung, die aus dem Herzen der Sänger strömend den Zuhörer 
ergreift und selbst mittelmässige Stellen verschönert; die Damen 
schienen anzunehmen, dass sie blos ihre Stimmraaschine dem Con- 
certe zur Verfügung zu stellen brauchten, Geist und Kopf Hessen 
sie unbenutzt; die Composition übte daher nur den Eindruck einer 
Hauptprobe. 

Uebrigens hat dieser „Elias," einst als ein vollendetes Werk 
verschrien, so viele langweilige, an Erfindung arme, an dramatischer 
Kraft unzureichende, an falschem Pathos überfliessende Stellen, dass 
wir die Hälfte der Schuld, die wir aus dem lauen Vortrage ableiteten, 
der Composition zuschieben. Mendelssohn, der Interrex im Orato- 
rium , wie ihn B ü 1 o w mit liebenswürdiger Bescheidenheit nennt 
(d. h. Interrex zwischen Beethoven und Hansens Schwiegervater 
Liszt), stand, da er den „Elias" schrieb, nur selten auf der Höhe 
seiner musikalischen Gestaltungskraft. Doch sind wir dem Vereine 
und seinem wackeren Dirigenten schon desshalb zu Dank verpflichtet, 
weil uns durch sie ein Capitel aus der Geschichte der Musik, das 
lange Zeit als ein gelungenes, ja nahezu mustergiltiges gegolten 
hat, vorgeführt wurde ; da haben wir doch wieder so recht klar 
eingesehen , dass die Compositionen der Mode (und dazu rechnen 
wir auch den vielfach überschätzten Elias) an ihrem allgemeinen 
Werth sehr bald einbüssen und dass die rücksichtsloseste Kriti- 
kerin, die Zeit, ihnen nach wenigen Jahren schon den gleissenden 
Firniss wegreisst und ihre übertünchten Blossen mit unerbittlicher 
Strenge der über die Wandlung des eigenen Geschmackes staunen- 
den Menge zeigt. — (? ?) 

Die Soli waren durch die Damen Hofcapellsängerihnen Hag 
und von Mangstl (geb. Hetzenecker) und die Herren Heinrich 
und Fischer von der Hofoper vertreten. Das Werk und seine 
Darstellung fand in dem erweiterten Familienkreise, in dem es auf- 
geführt wurde, vielen Beifall. 

Im Hoftheater hat sich ein Frl. T h o m a , ehemalige Schü- 
lerin des hiesigen Conservatoriums, mit überraschender Schnelligkeit 
in die Gunst des Publikums festgesetzt. Sie besitzt neben einer 
gründlichen musikalischen Bildung, einer ja nicht zu unterschätzenden 
Eigenschaft, auf deren möglichste und allseitigste Ausbildung in 
dem hiesigen Conservatorium von je mit Recht grosse Sorgfalt ver- 
wendet wurde, eine ausserordentliche starke, markige, über zwei 
Octaven umfassende Stimme, deren Metall nur in den obersten Re- 
gister etwas verliert. Ihr Ton ist nicht so sympatisch , so seelen- 
voll wie jener des Frl. Stehle , aber er ist gesunder, klangreicher, 
ausgiebiger und mit souveräner Kraft beherrscht er das Ensemble. 
Dazu erfreut sich die Sängerin neben einem riesigen Fleisse eines 
seltenen musikalischen Gedächnisses, das sie ziemlich umfangreiche 
Partien in kürzester Zeit einstudiren lässt. Dass bei solchen Vor- 
aussetzungen aus der jugendlichen Sängerin noch eine bedeutende 
Künstlerin werden wird, ist nicht schwer zu glauben. 

Ein Heldentenor Herr Hacker aus Dessau mit einer umfang- 
reichen aber keineswegs volltönenden Stimme , ein musikalischer 
Routinier, hat als George Brown, Masaniello und Eleazar dahier 
gastirt und trotz seiner vielen Unarten gefallen. Sonst hätte man 
in München einen solchen Provinzsänger nicht vertragen, jetzt aber 
heisst es , um sein Engagement , das , wie wir hören, auf drei Mo- 
nate festgestellt wurde, au rechtfertigen, er singt doch correct und 
hat ein Repertoir ; so tief sind wir gesunken , dass wir um solche 
Tenoristen froh sein müssen, bloss deswegen weil sie den Dirigen- 
ten nicht jeden Augenblick in Verlegenheit bringen , wie er das 
durch sie gefährdete Ensemble noch retten kann und weil sie ein 
Repertoir von wenigstens zebn Partien aufzuweisen im Stande sind. 
Unser bisheriger Heldentenor findet sich nur im Besitze von höch- 
stens vier Partien, von denen aber drei so unsicher sind, dass sie 
nur in der höchten Noth anf das Repertoir gesetzt werden dürfen, 
Das sind traurige Verhältnisse ! Z. 



Nachrichten. 



Pftris. Im Jahre 1847 existirten hier 197 Ciavierfabrikanten 
mit 2889 Arbeitern , von denen jeder durchschnittlich fast 1 Thlr. 
10 Sgr. täglich erwarb. Die Produktion stellte eine Summe von 
fast 12 Millionen Franken dar, davon kamen nur 950,000 Fr. auf 
die Ausfuhr ; im Jahre 1860, dem letzten , aus dem noch sichere 
statistische Angaben datiren, existirten nur 179 Fabrikanten hier 
mit 2000 Arbeitern, dagegen erhielten diese durchschnittlich 6 Fran- 
ken (1 Thlr. 20 Sgr.) täglich, was freilich zu der immensen Ver- 
teuerung der Lebensmittel noch in gar keinem Verhältnisse steht 
— auch die Produktion hatte abgenommen um etwa 20,000 Thlr. 
Werth — dagegen war der Export von 950,000 Franken im Jahre 
1847 auf 4 7a Millionen Franken gestiegen, im Jahre 1865 hat die 
Ausfuhr der Instrumente aller Art eine Summe von 8 Millionen 
eingetragen. 

— Die Theater der Stadt Paris haben vom 1. April 1865 bis 
zum 30. April 1866, also in 13 Monaten die Summe von 14,457,825 Frs. 
die Theater ausserhalb der Bannmeile dagegen 720,267 „ 

im Ganzen also 15,178,094 Frs. 

eingenommen. Es gibt diese Summe ein Mehr von 503,684 Frs* 
gegen die vorhergegangenen 13 Monate. 

An Autorenrechten, Tantiemen etc. wurden bezahlt: 

in Paris 1,499,428 Frs. 

in den Departements . . 507,209 „ 
ausserhalb der Bannmeile . 61,734 „ 

vom Auslände .... 19,641 „ 

im Ganzen . . . . 2,088,609 Frs. 
was wiederum ein Mehr gegen das Vorjahr ergibt von 16,907 Frs. 

— Zu Ehren der Anwesenheit der Grossfürstin Marie von 
Russland veranstaltet das Conservatorium ein ausserordentliches Con- 
cert mit folgenden Programm: Pastoral -Sinfonie von Beethoven; 
Adieu aux jeunes mart'es, Doppelchor ohne Begleitung von Meyer- 
beer; Bruchstücke aus dem Septett von Beethoven; O Filii, Chor 
von Leisring; Ouvertüre zu „Oberon" von Weber, und Chor aus 
„Judas Maccabäus" von Händel. 

— Der Virtuose auf dem Holz- und Strohinstrument, S a n k s o n 
Jakubowski, der in London ausserordentliches Furore machte, 
wird nun auch hieherkommen, um Concerte zu geben. 

*„* Die Concertsaison in London gestaltet sich in trostloser 
Weise, da alle Geschäfte stocken und das Publikum keinen Sinn 
für Concertbesuch hat. 

%* Der Bau zur Vergrösserung des Theaters in Salzburg 
wurde bereits mit aller Energie in Angriff genommen. Das Theater 
wird zwei Logenreihen und eine Gallerie erhalten. Das ganze 
Theater wird neu decorirt und ausgestattet. 

*** Die jugendliche Sängerin Frl. Ehnn ist für das Stutt- 
garter Hoftheater mit 4500 fl. engagirt worden. 

*** In Florenz sind das Pergolo- und Pagliano-Theater wegen 
Mangel an Besuch geschlossen worden. 

*,* Flotow's neue Oper „Zilda" ist in der Pariser komi- 
schen Oper mit bestem Erfolg in Scene gegangen. Das Sujet bietet 
viele erheiternde Situationen und die Musik ist voll lebendiger und 
reizender Melodien. So verkünden wenigstens die Pariser Musik- 
zeitungen. Die bereits mit gleichem Beifall aufgenommeneu Wie- 
derholungen der Oper scheinen auch das günstige Urtheil über die- 
selbe genügend zu bestätigen. 

*** Der gegenwärtige Inhaber der Schlesinger'schen Verlags- 
handlung in Berlin Hr. Lienau hat für die Dedication der von 
ihm herausgegebenen Partitur der „Euryanthe" vom Kaiser von 
Oesterreich die grosse goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft 

erhalten. 

*** Der Violinist Wieniawsky hat sich nach London be- 
geben; ebenso der Violoncellist D. Popper aus Löwenberg. 

*** Am 29. Mai trat Frl. Santer zum letzten Male im Ber- 
liner Opernhause als „Fidelio" auf. Sie wird sich dann, wie wir 
schon früher mittheilten, mit dem Componisten Blume verheirathen, 
welcher als Landwehrlieutenant zur preussischen Armee abgeht, 
während seine junge Frau ihr Engagement am Dresdener Hoftheater 

antritt. 

*** Das Hamburger Musikfest hat nun unter der Leitung; 



- 96 - 



der Herren Otto Goldschmidt und Julias Stockhausen 
in sehr gelungener Weise stattgefunden. Zur Aufführung kam: 
Bänders »Messias" und »Cäcilienode, Beethovens 9. Sinfonie, der 
«weite Theil von Schumanns „Paradies und Peri" u. s. w. unter 
Mitwirkung der Damen Jenny Lind, Therese Schneider, Frl. 
Bettelheim und derHerrenDr. Gunz, Stockhausen, Stä- 
gemann, Joachim, v. König slow, und Musikdirictor We- 
ber aus Coln (Orgel). 

*** Die Ferien der Hofoper in Wien erstrecken sich vom 
30. Mai bis 30. Juni. Zur Wiedereröffnung soll Wagner's „Bienzi" 
zum ersten Male zur Aufführung kommen, mit Hrn. Ferenczy in 
der Titelrolle. Auch Boieldieu's reizende Operette „das Bothkäpp- 
chen" wird nach langjähriger Buhe wieder neu in Scene gesetzt 
werden. 

*** Hofcapellmeister Esser in Wien ist vom Tonkünstler- 
verein „Haydn" auf weitere drei Jahre zum Vorstand gewählt 
worden. 

*** In Darmstadt feierte der Hofopernregissenr Herr Ora- 
molini am 17. Mai das Fest seines vor 25 Jahren erfolgten Ein- 
tritts in den Künstlerverband des Hoftheaters. Herr Cramolini, der 
eine rühmliche, fast 42jährige Theaterwirksamkeit hinter sich hat, 
gehörte nach einer kurzen Anfängerschaft in Gratz und Pressburg 
eine Reihe von Jahren der Wiener Hofoper an , wo er mit Wild, 
Binder, Breiting, Staudigl, Forti und mit den Damen Wilhelmine 
Schröder, Schechner, Fischer-Achten, Sophie Löwe, Sabine und 
Clara Heinefetter zusammenwirkte, dort überaus beliebt war und 
auf Gastspielreisen in ganz Deutschland sich Buf und Anerkennung 
erwarb. Von Wien begab sich Herr Cramolini nach Braunschweig, 
wo er mehrere Jahre lang wirkte und von wo er nach einer zweiten 
grösseren Gastspielrundreise nach Darmstadt kam. Cramolini war 
einer der elegantesten Tenore seiner Zeit, mit einer gewissen Nob- 
lesse des Tones , dazu der gewandteste Darsteller , und wie seine 
gefällige Bewegung auf der Bühne erwarb ihm gleichzeitig sein 
liebenswürdiges Benehmen im Leben viele Freunde. Der Jubilar 
wurde von seinen Collegen am Vorabend durch ein Gesangsständ- 
chen, am Festtage seist durch XJeberreichung eines schönen silber- 
nen Ehrenbechers gefeiert. 

*#* Im 10. Baude des Wagner'schen „Staats- und Gesellschafts- 
Lexikon" findet sich unter dem Artikel „Judenthum" folgendes Ur. 
theil über Felix Mendelssohn-Bartholdy: „Wie soll ein 
Wesen, welches, ohne Selbstgefühl, also auch ohne Hingebung und 
Sympathie für seine Umgebung, sich nur zwischen seinen besonderen 
und profanen Zwecken und Aufklärungsphrasen hin- und herbewegt, 
unsere deutsche, unsere christliche Welt in Kunstwerken, zu denen 
doch vor Allem Originalität gehört , wiederspiegeln und verklären 
können ! Man beobachte z. B. die Angst , mit der Mendelsohn in 
seiner A-moll-Symphonie das Muster, welches er vor Augen hat, 
Beethoven's A-dur-Symphonie, zu verbergen und die Absichtlichkeit, 
mit der er in seiner Travestie, obwohl vergeblich, etwas Neues hervor- 
zubringen sucht, und man wird über die Armuth eines solchen Pro- 
ducenten erschrecken. Dass derselbe Comp, mit seinen Psalmodien 
den Beifall der christlichen Gesellschaft gewonnen hat, können wir 
nur aus der Gutinüthigkeit derselben und ihrer Theilnahme für den 
Stoff erklären. Aber das Entzücken derselben Gesellschaft über das 
leere und fade Elfengeschwirr im „Sommernachtstraum" desselben 
Comp, bewies am peinlichsten, wie schnell sie ein so naheliegendes 
Original, wie das Weber'sche, welches doch wenigstens noch Ton 
und Haltung hatte, vergessen konnte." — Im 13. Bande aber heisst 
es unter dem Artikel „Felix Mendelssohn-Bartholdy" ; „Mendelssohn 
ist gewiss eine merkwürdige Erscheinung unter den neuen Ton- 
künstlern und jedenfalls ein bedeutender Musiker 1827 er- 
schien seine erste Compositum und schon war man überzeugt, in 
ihm einen zweiten Mozart zu besitzen .... In dieser Zeit (1834) 
componirte er auch das Oratorium „Paulus", welches am 23. Mai 
1836 das erste Mal in Düsseldorf mit allgemeinem Beifall aufge- 
führt wurde. Dieses Werk belebte gleichsam die bisher vernach- 
lässigte Gattung des Oratoriums aufs Neue .... In dem kunst- 
sinnigen Leipzig genoss Mendelsohn allgemeine Verehrung und sein 
Ruhm stieg so hoch, dass der für alles Hohe immer begeisterte Ko- 
nig Friedrich Wilhelm IV. von Preussen bedauerte, den Künstler 
nicht in seiner Residenz zu besitzen .... Von den Compositionen 
dieses Meisters wollen wir hier nur kurz die wichtigsten angeben 



. . . von seinen übrigen 18 geistlichen Musiken, die er besonders: 
während seines Aufenthaltes in Born componirte, besitzen wir noch 
mehrere Psalmen, Motetten und Hymnen, Zeugnisse seines kirch- 
lichen Sinnes. Schliesslich ist zu bemerken, dass das lebhafte In- 
teresse, welches Mendelssohn bei allen Gelegenheiten an kirchlicher 
Musik an den Tag legte, davon zeugt, dass er nicht blos äusserlicb 
(er war schon als Kind, wie alle seine Geschwister, durch die Taufe 
zum Christen geweiht), sondern durchdrungen vom christlichem 
Sinne war. 

%* Aus London kömmt uns das Echo der Erfolge der Mlle* 
Therese Liebe, der jungen und bemerkenswerthen Violinistin zu« 
Kaum in der grossen Hauptstadt angekommen, ist Mlle. Liebe schon 
der Gegenstand der schmeichelhaftesten Kundgebungen. Letzten 
Freitag spielte sie in einem Concert im Palast des Prinzen von» 
Wales. Der Dailly Telegraph, der diese Nachricht enthält, gibt 
ein Verzeichniss der Prinzen, Prinzessinnen, Herzoge und Herzo- 
ginnen, welche dieser Versammlung der vornehmen Welt beiwohn- 
ten. Auf dem mit Wappen geschmückten Programm figurirte unter 
den Künstlern ersten Ranges Mlle. Therese Liebe, welche die Fan- 
tasie über „die Stumme" von Alard so gut vorgetragen hat , das» 
die hohe Versammlung ihr einstimmigen Beifall zollte und ein zwei- 
tes Stück von ihr verlangte. Sie spielte hierauf das God save the 
queen, welches Hr. Liebe für sie zu einem Concertstück arrangirt 
hatte und dessen zweite Strophe in Flageolet-Tönen, besonders, wie 
es scheint, allgemein gefallen hat. 

Dieser bedeutende Erfolg verspricht der Mlle. Therese Liebe 
noch andere, denn nächstens soll sie im Krystallpalast und hierauf 
im Theater von Covent- Garden spielen. (N.-Bhein. Courier.) 

*** Der Harfenist der Stuttgarter Hofcapelle, Hr. Krüger, 
hat vom König den Titel eines Kammervirtuosen erhalten. 

*** Der Componist A. Gevaert hat aus Anlass des betrüben- 
den Verlustes , den er vor wenigen Tagen durch den Tod seines 
Vaters erlitt, vom Könige und von der Königin von Belgien ein 
Condolenzschreiben empfangen. 

*** Abbe Liszt hat vom Kaiser von Mexiko das Commandeur- 
kreuz des Guadeloupe- Ordens erhalten. 

*** Rossini, der bekanntlich zu dem Concerte für das Mozart- 
denkmal in Wien zwei seiner neuesten Compositionen zur einmaligen 
Aufführung geliehen hatte, wurde nun auch von der dortigen Ge- 
sellschaft „Haydn" angegangen, zu Gunsten eines Denkmals für den 
verehrten Tonmeister, dessen Name die Gesellschaft trägt, gleichfall» 
etwas von seiner Hand zu liefern. Allein Bossini Hess sich durch 
seine Frau entschuldigen, dass er unwohl, und desshalb auch nicht 
selbst zu antworten, noch etwas des schönen Zweckes Würdiges zu 
schreiben im Augenblick im Stande sei. Privatim soll aber der alte 
Herr sich über die Wiener lustig machen, welche mit seinen Wer- 
ken ein Denkmal für Haydn errichten wollen. 

*** Bossini soll sich mit einer ausführlichen Vorstellung an 
den Papst gewandt haben, um Se. Heiligkeit zur Aufbebung des 
Decrets zu bestimmen, welches der Mitwirkung weiblicher Gesangs- 
kräfte auf den Chören der meisten römischen Kirchen entgegensteht. 
*** Der Pianist B r a s s i n ist zum Professor am k. Conserva- 
torium in Berlin ernannt worden. 

*** Liszt ist wieder nach Rom zurückgekehrt. 
Via Amsterdam ist das deutsche Theater der Cholera 
wegen geschlossen worden. 

*** Wir machen unsere geneigten Leser auf einen im Aprilhefte 
der „Westermann'schen Monathefte" enthaltenen interessanten Artikel 
von Bernhard Scholz, betitelt: „Was ist Musik?" und auf die 
sehr empfehlenswerthe Brochüre „Ueber die Stellung des Musik- 
unterrichts auf dem Gymnasium" von Carl Bogler, welche in 
Wiesbaden erschienen ist, besonders aufmerksam. 

*** In Dresden wurde Gluck's „Iphigenie in Tauris" bei massig 
gesuchtem Hause aber in recht gelungener Weise neueinstudirt unter 
der Leitung des Hrn. Capellmeisters Krebs gegeben. Besondeis 
verdient machten sich um diese Aufführung Frau Bürde-Ney und 
die HH. D e g e 1 e und Mitterwurzer. 

*** Das von H. von Bülow beim König von Baiern einge- 
reichte Entlassnngsgesuch wurde angenommen, und ist derselbe mit 
seiner Frau bereits nach Berlin abgereist. 



Verantw. Red* Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang« 



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18. Juni 1866. 



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SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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Man abonnirt bei allen Post- 
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PREIS: 
fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 
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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ, jnn.hdi.pwi»>.«: 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. jt/w 



^ 



INHALT: Gluck und Piccini. — Correspondenzen : Rotterdam. Paris. — Nachrichten. 



Gluck und Piccinl.*) 



ii. 

Gluck hatte in Wien den Baron du Rollet kennen 
gelernt, welcher damals bei der französischen Gesandtschaft in Wien 
attachirt war. Dieser war ein Mann von Geist, der sich viel mit 
dem Theater beschäftigt hatte. Gluck erzählte ihm im Vertrauen, 
dass er seit langer Zeit den sehnlichen Wunsch hege, etwas von 
seiner Compositum auf der französischen Bahne aufzuführen; die 
französischen Operndichter schienen seinem für die Wahrheit einge- 
nommenen Geiste mehr zuzusagen als die italienischen. Du Rollet 
machte ihm aus der „Iphigenie" von Racine ein Opernbuch zurecht, 
welches er ohne Weiteres in Musik setzte. Eine Probeaufführung, 
-welche in Wien 1772 stattfand, Hess bedeutenden Erfolg hoffen, und 
du Rollet schrieb an Dauvergne, den damaligen Director der 
grossen Oper, um ihm die Annahme dieses Werkes zu empfehlen. 
In diesem Briefe war Gluck's System mit grosser Klarheit ausein- 
andergesetzt; er erschien später, im October 1774, im „Mercure de 
France" und bildete den Ausgangspunkt des Streites der Gluckisten 
und Piccinisten. 

Dauvergne antwortete, dass man die „Iphigenie" aufführen wolle, 
wenn sich Gluck verbindlich machen würde, sechs Opern hinter- 
einander für die grosse Oper zu schreiben ; ausserdem müsste man 
darauf Verzicht leisten, denn ein solches Werk würde das ganze 
damals herkömmliche Repertoir unmöglich machen. Was der Di- 
rector der Oper in diesem Briefe aufstellte, war nur zu begründet. 
Die Partitur der „Iphigenie" war so ausserordentlich verschieden 
von den Werken Rameau's und seiner Zeitgenossen, dass zu be- 
fürchten war, das Publikum möchte, nachdem es die neueren Ge- 
richte gekostet haben würde , keinen Geschmack mehr an seiner 
bisherigen faden Nahrung finden. Ueberdies hatte seit der Auffüh- 
rung von „Gastor und PoIIux" nur eine einzige Oper Erfolg ge- 
habt, und diese Oper war ,,/e Devin du Village", zum ersten Male 
dargestellt im Jahre 1752. Dieses Werk verdankte die besondere 
Gunst, die ihm von der ersten Aufführung an zu Theil wurde, und 
welche 60 Jahre lang anhielt, wahrscheinlich der Berühmtheit sei- 
nes Autors, J. J. Rousseau. Heutzutage kann man nur schwer 
begreifen , wie dieses schale Schäferspiel die Wonne des Hofes 
Ludwig XV. ausmachen konnte. Berlioz will es gar nicht als eine 
Partitur gelten lassen. Fetis erkennt zwar an, dass einige hübsche 
Melodien darin enthalten sind, muss aber doch zugestehen, dass der 
Satz nichts taugt, dass die Harmonie viel zu wünschen übrig lässt 
und dass an verschiedenen Stellen falsche Bässe angewendet sind. 
Freilich betrachtete Rousseau die Harmonie als eine Erfindung der 
Barbaren. Wenn man Adolph Adam glauben darf, so erschien diese 
Oper erst nach zahlreichen Umarbeitungen durch den Orchesterdi- 
rector und den Balletmeister vor dem Publikum. Der Componist 
hatte für gut befunden, statt einer Begleitung unausgesetzt den Ge- 



*) Berichtigung. In der vorigen Nummer (24) lese man in der 
er8tenSpaHe,Zeilell ) statt B Piccini a — „der italienischeGesehmaek." 



sang durch die Violinen und Violen im Einklang zu verstärken, 
und es musste Alles überarbeitet werden, um es aufführbar zu 
machen. 

Diese Oper erhielt sich bis zum Jahre 1812, um welche Zeit 
eine von unbarmherziger Hand auf die Bühne geschleuderte Perrücke 
dieselbe von der Bühne verschwinden machte. Man hat in neuester 
Zeit den Versuch gemacht, dieselbe auf dem Vaudeville - Theater 
wieder aufzuführen, jedoch, wie natürlich ohne Erfolg. Lassen wir 
also ihre Asche ruhen und kehren wir zur Geschichte der ersten Auf- 
führung der „Iphigenie" zurück, jenes Werkes, welches von so hoher 
Bedeutung in der Kunstgeschichte ist. 

Um alle Schwierigkeizen zu beseitigen, wendete man sich an 
die Dauphine MarieAntoinette, welcher Gluck früher Unterricht 
gegeben hatte; sie unterstützte mit allem Eifer die Bestrebungen 
ihres Lehrers, und Dank diesem mächtigen Beistande konnten end- 
lich die Proben beginnen. Da thürmten sich neue Hindernisse auf 
von fast unübersteiglicher Grösse: die Musiker jener Zeit waren ' 
nicht fähig, eine so schwierige Musik auszuführen. Endlich jedoch, 
nach langem Studiren, fand am 19. April 1774 die erste Aufführung 
statt. Sophie Arnould gab die Rolle der Iphigenie, der Tenorist 
Legros den Achilles und Larriv6e den Agamemnon. Am ersten 
Tage wurde^das Werk mit Kälte aufgenommen. Der Meister, der 
seine schönsten Hoffnungen getäuscht sah, wollte seine Partitur zu- 
rückziehen ; man machte ihm aber bemerklich, dass es gar nicht zu 
verwundern sei, wenn das Publikum, welches niemals ähnliche Mu- 
sik gehört hatte, anfangs mehr überrascht als hingerissen sei, und 
dass man hoffen dürfe, weil dasselbe kein Zeichen des Missfallens 
gegeben habe, so würde das Werk nach und nach Beifall finden. 
Man hatte ja das Beispiel Rameau's vor sich , dessen Werke auch 
nicht mit einem Male gefielen und sich dann doch auf der Bühne 
einbürgerten. 

Jene günstigen Voraussetzungen verwirklichten sich und am 
20. Tage war der Erfolg ein so grosser , dass man Gluck während 
einer ganzen halben Stunde hervorrief; doch wollte dieser nicht 
auf der Bühne erscheinen. 

Von ,nun an arbeitete er nur für die französische Bühne. Der 
Baron" 1 du Rollet übersetzte seinen „Orpheus und Eurydice" und 
seine „Alceste." Letztere machte eine grössere Wirkung als die 
erstere, an der man sehr Vieles verändern musste, wobei das Werk 
nicht eben gewann. Die Rolle des Orpheus z. B. war für Contra- 
alt geschrieben, und da diese Gattung von Stimme noch niemals 
auf einer französichen Bühne dagewesen war, so musste der Com- 
ponist den Orpheus für den hohen Bariton Legros transponiren. 
Bei dieser Oper gestattete man zum ersten Male dem Publikum, 
den Generalproben beizuwohnen. Der Zulauf war ein ungeheurer 
und man drängte sich herbei, nicht nur um die Musik Glucks au 
hören , sondern um ihn selbst zu sehen. (Er hatte die Gewohnheit, 
vor jeder Probe seine Perrücke und seinen Reck abzulegen und 
eine baumwollene Mütze aufzusetzen.) Man amüsirte sich viel über 
seine Zornausbrüche, seine sonderbaren Einfälle und schlechten 
Complimente, die er an alle Welt austheilte : an Sänger, Musiker 



und Tänzer. Er wollte sich um keinen Preis der Tyrannei irgend 
eines Künstlers fügen und nahm gar oft einem Sänger eine Bolle 
wieder ab, wenn dieser nicht vollkommen auf seine Ansichten ein- 
ging. Er hielt die Arnould durch die Levasseur im Zaume; 
er zwang sogar den berühmten Ves tri s zu tanzen wie er es haben 
wollte, und zwar gegen alle Regeln der damaligen Choreographie. 

Nachdem Gluck auf der Höhe des Ruhmes angelangt war, be- 
gann die Kritik ihn heftig anzugreifen; die ausschliesslichen Ver- 
ehrer der alten französischen Musik, die ergebenen Anhänger des 
Herkömmlichen, deren es zu allen Zeiten gibt und die mit grosser 
Sicherheit von dem sprechen, was sie nicht verstehen, warfen der 
Partitur der „Alceste* vor, dass sie zu italienisch sei. Dieser ab- 
geschmackte Vorwurf kam von der Majorität; diejenigen dagegen, 
welche die italienische Schule besser kannten , tadelten an Gluck, 
dass er gänzlich mit der Tradition gebrochen habe und dass seine 
Werke in keiner Beziehung mehr stünden zu denen eines Scarlatti, 
Jomelli, Porpora, Durante. Er behielt nur noch Bewunderer unter 
der geringen Anzahl einsichtsvoller Männer, welche sich dem tiefen 
Eindrucke dieser erhabenen Musik rücksichtslos hingaben. Gleich- 
wohl machten Gluck's Opern, wie dies Dauvergne voi ausgesehen 
hatte, die Aufführung der früheren Repertoir-Opern fast unmöglich. 
Die Verehrer der italienischen Schule kamen nun auf die Idee, einen 
der berühmtesten Nachfolger Leo's und Jomelli's, nämlich den Nea- 
politaner P i c c i n i nach Paris kommen zu lassen. 

Nicolo Piccini war 1728 zu Bari im Königreich Neapel 
geboren. Sein Vater bestimmte ihn für den geistlichen Stand, un- 
geachtet er schon frühzeitig ungewöhnliche Anlagen zur Musik zeigte. 
Bei dem Bischof von Bari eingeführt, sah der Knabe ein Ciavier, 
und indem er einen Augenblick benützte, wo man ihn allein Hess, 
setzte er sich an dasselbe um zu spielen. Zuerst Hess er einige 
schüchterne Accorde erklingen, dann überHess er sich aber allmäh Hg 
seiner Inspiration und vergass seine ganze Umgebung. Als er im 
eifrigsten Spielen begriffen war, hielt er plötzlich inne, denn sein 
Blick war auf den Bischof gefallen, der schon einige Zeit unbemerkt 
neben ihm stand und ihm aufmerksam zuhörte. Dieser war entzückt 
von dem was er hörte, und da er sogleich ahnte, was aus Nicolo 
werden könne, so rieth er seinem Vater, ihn anstatt ins Seminarium 
in das Conservatorium von San Onoffrio zu bringen, welches unter 
der Leitung des berühmten Leo stand. 

Ficcini war damals 14 Jahre alt ; er bekam einen alten Pedan- 
ten als Lehrer, dessen trockener und strenger Unterricht ihm das 
Studium verleidete ; er fing für sich an , Psalmen , Arien , Motetten 
und endlich eine Messe zu schreiben, welche Leo zu Gesicht bekam 
und unter Leitung des jungen Componisten aufführen Hess. Nach- 
dem er das Werk angehört hatte, wusch er Nicola gehörig den Kopf 
wegen der Fehler, von denen seine Partitur wimmelte und stellte 
ihm vor, dass mau, wenn man solche Anlagen besitze, wie er in 
seiner Messe bewiesen habe, strafwürdig sei, wenn man die Gabe 
der Natur nicht durch eifriges Studium ausbilde. Der Knabe be- 
klagte sich dagegen über seinen Lehrer und über die Trockenheit 
seines Unterrichtes, und Leo erklärte, dass er von nun au selbst 
sein Lehrer werden wolle. 

Einige Zeit darauf starb Leo, und Durante, der schon früher 
einmal Director des Conservatoriums von San Onoffrio gewesen war, 
übernahm wieder die Leitung desselben. Er war der Lehrer von 
Pergolese und Jomelli gewesen, und erkannte das grosse Talent 
Piccini's, für den er eine solche Zuneigung fasste, dass er, wenn 
er von seinen Schülern sprach, sagte: „Die Andern sind meine 
Schüler, aber Nicolo ist mein Sohn." 

Im Jahre 1754 verliess Piccini das Conservatorium und schrieb 
drei Monate nach seinem Austritte eine Oper: „Le Donne dis- 
pettose*. Es war nicht so schwer ein Buch zu finden, als eine 
Oper auf die Bühne zu bringen. Das Theater bei den Florentinern 
in Neapel war damals von dem Componisten Logroscino be- 
herrscht, welcher sich der allgemeinen Gunst des Publikums so sehr 
bemächtigt hatte, dass man gar keine andere Musik mehr hören 
wollte, als die seine. Dessenungeachtet gelang es der Vermittlung 
des Fürsten Ventimille, welcher Piccini protegirte und bei dem Im* 
presario 8000 Frs. hinterlegte als Entschädigung für den Fall, dass 
die Oper Piccini's keinen Erfolg haben sollte, dass die erste Auf- 
führung zu Stande kam ; allein es geschah dies unter den ungünstig- 
sten Verhältnissen. Das Publikum ging hin mit der Absicht, den 



Verwegenen auszupfeifen, der es wagte sich neben Logroscino zu 
stellen, und dennoch wurde die Gehässigkeit der Zuhörer gleich mit 
dem Beginne der Oper besiegt durch die Melodien des Neapolitaners, 
und dieser erlangte einen ungehofften Erfolg. 

Zur selben Zeit verheirathete sich Piccini mit einer seiner Ge- 
sangschülerinnen, Namens VincenzaSibilla. Nach Rom berufen, 
liess er dort 1756 zuerst seinen ^Allesaandro nette IneUe" auffüh- 
ren, der einen succes de'stime hatte, und 1760 Ja Cecchina," eine 
Buffo-Oper, welche Furore machte. In ganz Italien sprach man da- 
mals von nichts Anderem als von dieser Oper; die Aushängschilder 
der Läden, die Moden, Alles war a la Cecchina, und die Strassen- 
jungen sangen nichts Anderes mehr. 

Eine der Hauptnrsachen des grossen Erfolges dieser Oper war 
die Einfuhrung der Finali mit Chor, deren ein heutiger Operncom- 
ponist wohl nicht mehr entbehren könnte, und welche zum ersten 
Male in unvollkommener Weise von Logroscino angebracht worden 
waren. Diesem gebührt daher die Ehre der Erfindung der Finali. 
Jomelli, eine der grössten musikalischen Celebritäten jener Zeit, dem 
der Erfolg der ,Cechina"' nicht behagte, sagte zu denen, welche 
ihn beredeten dieselbe zu hören: „Es wird wohl eine Jugendsünde 
irgend eines Wunderkindes sein." Doch gab er dem Drängen seiner 
Freunde nach, die ihn fast mit Gewalt in's Theater schleppten, und 
verliess dasselbe ganz entzückt, indem er, um seine Meinung Ober 
den Componisten befragt, zur Antwort gab: „Das ist ein Erfinder!* 1 

Von dieser Zeit gewann der Ruf Piccini's eine unbegränzte 
Ausdehnung und man spielte seine Opern auf allen Bühnen Italiens. 

(Fortsetzung folgt.) 



Die Pariser grosse Oper und ihre Honorare. 

Der erste Director war der Abbe P e r r i n und der Componist 
Cambert, in Verbindung mit dem Marquis Sourdeac, der aus 
Liebhaberei — Maschinist war. Nach einem Jahre, in welchem die 
Directoren 120,000 Free. Gewinn erzielten, wurde ihnen das Privi- 
legium genommen und dem Director Ludwigs XIV., Lulli, über- 
tragen; der Italiener machte ebenso gute Geschäfte wie sein Vor- 
gänger: er erwarb ein Vermögen von 800,000 Frcs. in fünfzehn 
Jahren. Ihm folgte sein Schwiegersohn Francine; dieser über- 
Hess das Unternehmen mehreren Capitalisten , denen er es später 
wieder abnahm; im Jahre 1698 wurde ihm auf Befehl des Königs 
der Hofstallmeister des Kronprinzen (Dauphin) beigesellt; dieser 
ruinirte seinen Compaguon, das Unternehmen ging wieder in die 
Baude von Capitalisten über, wurde dann neuerdings von Francine 
übernommen, kam dann an einen Steuereinnehmer, der dabei zu 
Grunde ging, und wiederholt an Francine, der es wieder nicht be- 
halten konnte. Der König, der bisher selbst der Oberleiter seiner 
Muaikacadeinie war, war von diesen immer wiederkehrenden Ver- 
änderungen so wenig erbaut, dass er dem Minister des Hauses die 
Autsicht übertrug; damit beganuen die Verwirrungen erst recht. 
Der Herzog von Antin (Bruder der Marquise de Montespan) 
wurde zum Regisseur ernannt , gab aber sein Amt auch bald ab. 
1728 kam ein Componist, Destouches, an die Direction und ver- 
kaufte die Stelle für 300,000 Frcs. an einen Monsieur Gruer; 
dieser erhielt ein Privilegium auf 30 Jahre , wurde desselben aber 
wieder durch einen Machtspruch des Staatsrathes beraubt, und seine 
bisherigen Gesellschafter, Graf Sai nt-Gilles und Präsident L e b e u f 
wurden seine Nachfolger; nach 10 Mouaten wurden sie in die Ver- 
bannung geschickt. 1731 war Prinz Cavignon königlicher Ober- 
iuspector; 1733 erhielt der Capitäu von Thuret das Ptivilegium 
Gruer's; nach 11 Jahren war sein Vermögen und seine Gesundheit 
ruinirt, 1744 kam Berg er daran uud mit demselben Loose. Dann 
ein Mr. Trefontaine, der nach 16 Monaten seine Directorswohnung 
mit der Bastille vertauschte. Auf Befehl übernahm die Stadt die 
Administration des Theaters — neue Plagen. Im Jahre 1778 er- 
hielt die grosse Oper zum ersten Male eine Subvention von 80,000 
Frcs., eine für jene Zeit enorme Summe; dennoch wollte der Direc- 
tor de V i 8 m e s nach einem Jahre der Probe sein Privilegium nicht 
weiter bebalten. 1780 erneute König Ludwig XVI. der Stadt das 
Privilegium der Theaterverpachtung — der Componist B e r t o n 
wurde Director. 1790 übernimmt die Stadt wieder die Last, und 



- 99 . — 



1792 erhält Francoeur ein Privilegium auf 30 Jahre, wird aber 
schon 1793 abgesetzt, und an seine Stelle tritt ein Comit6, aas den 
exaltirtesten Sansculotten zusammengesetzt. In den Coulissen, wo 
«inst die eleganten Cavaliere hero mach wärmten, bewegten sich jetzt 
tanton, Hebert, Henrion etc. Eines Abends, als der Säuger 
L a i n e z eine patriotische Ode gesangen hatte, trat ein Mann auf 
ihn zu, der schon in der Gesellschaft jener Häupter der Revolution 
auf der Bühne gewesen war, und sagte wohlmeinend : „Citoyen, deine 
Ode taugt nichts; ich weiss, du hast sie nicht gemacht, aber ich 
rathe dir für die Zukunft, bevor du der Nation solche Dummheiten 
bietest, lasse sie mich sehen, ich will sie censiren." »Ja," meinte 
einer der anwesenden Choristen, „und unser wohlmeinender Censor 
versteht die Schnitte zu machen." — Laenez erfuhr erst später, dass 
eein Recensent der Henker von Paris war, der seine Mussestunden 
in der Oper verbrachte. Nach der Schreckensherrschaft wurde wieder 
ein Director angestellt. Unter dem Consulat kam die grosse Oper 
unter die Oberaufsicht des Präfecten — des Palastes. 1807 war der 
Oberstkämmerer Chef der Theater — und P i c a r d Director, der 
auch unter dem König Ludwig XVIII. auf seiner Stelle blieb. 1821 
war Habeneck Director unter dem Oberintendanten und Minister 
des königlichen Hauses, Grafen v. Blacas. Nach der Julirevolu- 
tion 1830 wurde die Oper ein Privatunternehmen, und Mr. V e r o n 
wurde Director, 1835 cedirte er seinen Platz an Hrn. Duponchel 
und zog sich als Millionär zurück. (Unter ihm kamen „Robert der 
Teufel" und die „Hugenotten" auf die Bühne.) Nach Duponchel 
kam Leon Pillet 1840, der nach 7 Jahren 513,000 Frs. Schulden 
hatte. — Duponchel übernahm die Oper wieder mit Hrn. Nestor 
Roqueplan — dieser blieb allein nach den Ereignissen von 1848. 
Bei der Errichtung des Kaiserreichs kam das Institut wieder unter das 
Ministerium des Hauses. Die letzten drei „kaiserlichen" Directoren 
waren: 1854 Mr. Grosnier, 1856 Mr. Alphonse Royer, 1862 
Mr. P e r r i n, der nunmehr der erste Privatdirector ist. 

Vor 1789 betrug der Gehalt der ersten Sänger 9000 Frs. (etwas 
über 2000 Thlr.), das der Tänzer 7000; während der Revolution 
stieg es auf 20- und 15,000 und einige Subventionen. Eine Figu- 
rautin bekam vor 1789 700 Frcs. , unter dem Consulat 1300 Frcs.; 
das Orchester kostete unter Ludwig XVI. 46,000 Frs., unter Napo- 
leon I. 132,000 Frs. Heutzutage kosten die ersten Sänger je 60-, 
80-, 120- bis 150,000 Frs. jährlich, die anderen Kosten, die vor 
1789 einige hunderttausende Francs, während die des ersten Kaiser- 
reiches anderthalb Millionen betrugen, sind jetzt auf vier Millionen 
gestiegen. (B. R.) 

CORRESPONDENZEN. 
Aus Rotterdam. 



Die diesjährige Saison unserer deutschen Oper, deren Anfang 
sich durch eine Catastrophe characterisirte (das Durchfallen der 
ersten dramatischen Sängerin), welche ihren nachtheiligen Einfluss 
während des grössten Theils der Saison fortfühlen Hess, ist dennoch 
in brillanter Weise geendet. Häupter eigniss der letzten Wochen 
war die Aufführung der Oper „Ateida von Holland" von unserem 
holländischen Componisten W. F. Thooft. Der grossartige Erfolg 
dieser Oper, welchen wir bereits meldeten, ist durch eine Reihe von 
sieben Aufführungen in allen Hinsichten bestätigt, und der junge 
Componist hat sowohl durch den Enthusiasmus des Publikums, als 
durch die lebhafte Anerkennung von Seiten der Musiker und Musik- 
kenner und die sich steigernde Begeisterung der Sänger für sein 
Werk einen seltenen Triumph gefeiert. Nach dem, was wir in 
unserem vorigen Bericht über das Werk sagten, braueben wir wenig 
mehr beizufügen. Was wir damals besonders hervorhoben, hat sich 
in jeder Weise bestätigt, und es freut uns noch hinzufügen zu können, 
dass auch unter den Theilen der Oper, welche wir mehr oberflächlich 
erwähnten, mancher ist, der sich durch Schönheit auszeichnet. Ob- 
gleich über einzelne Details dieser Oper sehr verschiedene Meinung 
herrschen, hat die holländische Kritik sich im Ganzen sehr schmeichel- 
haft über das Werk ausgesprochen und einstimmig den Wunsch geäus- 
sert, Thooft möge bald eine zweite Oper schreiben, indem die Bühne 
von dem dramatischen Compositionstalent unseres Componisten das 
Beste zu erwarten habe. 



Die letzte ebenfalls ganz neu einstudirte Qper der Saison war 
die „Medea" von Cherubini. Die Musik dieser Oper ist wahrhaft 
classisch und von grossartigem Character. Schade, dass die Wirkung 
vornehmlich in den Ensembles öfters getrübt wurde durch die An- 
forderungen, welche Cherubini der hohen Stimmlage gemaeht hat 
und welche bei der gegenwärtigen Orchesterstimmung nicht mehr 
zu befriedigen sind. (Ueberhaupt wird vornehmlich bei den Auf- 
führungen älterer Werke immer mehr das Bedürfuiss fühlbar, auch 
hier die tiefere Normalstimmung einzuführen.) Uebrigens war die 
Aufführung eine recht gelungene, und weil die erste Aufführung der 
„Medea" zum Benefiz des Capell meiste rs Hrn. Louis Saar statt- 
fand, so wurde diese Gelegenheit von einigen Kunstfreunden benutzt, 
diesem fleissigen Künstler , dessen Wirksamkeit wir zwölf Auffüh- 
rungen von neuen Opern innerhalb zwei Saisons zu verdanken haben, 
ein Ehrengeschenk zu machen. 

Dem Vernehmen nach haben mehrere Mitglieder unserer Opern- 
gesellschaft uns verlassen, um nicht wieder zurückzukehren. Hoffen 
wir, dass es der Direction durch glückliche Engagements gelingen 
möge, den seit Kurzem erworbenen Ruf der Rotterdamer Oper in 
der nächsten Saison wieder mit Glanz aufrecht halten zu können. 



Ans Paris. 

10. Juni. 

Die heisse Witterung hat sich endlich eingestellt, und das Pa- 
riser Publikum drängt sich weniger den Theatern zu ; diese werden 
aber sehr zahlreich von den hier anwesenden Fremden besucht. Die 
grosse Oper hat wieder den „Prophet* zur Aufführung gebracht; 
dieselbe ist jedoch keineswegs befriedigend. Die Rolle der Fides 
wird venMme. Gueymard gegeben, die aber weder die Viardot, 
welche diese Rolle schuf, noch die A I b o n i und die T e d e s c o 
vergessen lässt. Mme. Gueymard hat eine Sopranstimme, sie muss 
daher als Fides, welche für Altstimme geschrieben, ihre Stimmmittel 
forciren. Bei der ersten Vorstellung der Reprise äusserte sich der 
Unwille des Publikums gegen die Claque auf die unzweideutigste 
Weise. Als nämlich nach dem dritten Acte Gueymard, der als 
,Jean sehr mittelmässig ist, von der Claque applaudirt und gerufen 
wurde, protestirte das Publikum durch Zischen und Pfeifen. Es ist 
unerklärlich, dass in einer von dem Staate so reichlich sutfventio- 
nirten Kunstanstalt, wie die grosse Oper, die Claque, trotz der öffent- 
lichen Meinung, die sich gegen dieselbe schon so lange entschieden 
ausspricht, noch immer geduldet wird. 

Vorigen Donnerstag ist in der komischen Oper Gounod's 
„Colambe" zum Erstenmale in Scene gegangen. Dieses zweiactige 
Werk wurde bekanntlich vor sechs Jahren in Baden-Baden gegeben. 
Gounod hat dasselbe für die Darbteilung in der Opdra comique nur 
wenig verändert oder vermehrt. Die „Colombe" hat angesprochen, 
wird aber schwerlich eine Lieblingsoper des Publikums werden. 
Sie wird jetzt zugleich mit Flotow's „Zilda" aufgeführt, die eben 
auch nicht den gehegten Erwartungen entspricht. 

Die Tänzerin Adele Granzow erndtet hier viel Beifall. Die 
grosse Oper bereitet für sie ein Ballet: ,.La Source" vor. Dasselbe 
spielt im Orient und wird der Künstlerin Gelegenheit geben, ihr 
Talent aufs reichste zu entfalten. 

Das Thddtre lyrique schliesst am 30. Juni und wird erst am 
ersten September seine Vorstellungen wieder beginnen. 

Die Pianistin Teresita Carreno, die, wenn i- h nicht irre, 
vor einigen Wochen in Vi vi er 's Concert sich zum erstenmale in 
Paris producirte, fängt hier an einiges Aufsehen zu erregen. Teresita 
Carreno ist noch sehr jung — einige behaupten sogar, sie habe kaum 
das vierzehnte Jahr zurückgelegt — sie ist sehr schön, und da sie 
in der That ein bedeutendes Talent besitzt, so wird sich ihr Name 
hier bald einer grossen Popularität erfreuen. 

Nachrichten. 



Dresden. Am 6. Juni fand hier die erste Aufführung der drei- 
actigen romantischen Oper „Wanda" von O. Prechtler, Musik 
von Franz Doppler, unter, der Leitung des Herrn Hofcapell- 
meisters J. R i e t z statt. C. B a n ek schreibt darüber im „Dres* 



100 — 



dener Journal": „Die Aufnahme des Werkes hat schon so sehr 
durch die Ungunst der Zeit zu leiden, dasB es nicht rathsam scheint 
durch Ersählang des Sujets noch die Theilnahme an der Handlung 
eu schmälern. Diese ist sehr einfach, und hinsichtlich des drama- 
tischen Interesses etwas zu plan und karg behandelt , so daBS das 
lyrische ausschmückende Beiwerk überwiegt. Die Musik zeigt einen 
musikalisch tüchtig gebildeten, gewandten und in der Instrumen- 
tation geschickten Componisten, der weniger beansprucht, durch be- 
deutende und poesiereiche Erfindung, geistvolle Factor, dramatische 
Charakteristik und Tiefe zu wirken, als durch populäre, frische 
Melodik , belebte Rhytmik , einfache und wohlklingend gestaltete 
Behandlung. Am entschiedensten tritt sein Talent dafür in den 
Chören hervor, überhaupt in den lyrischen Stellen. Die Solisätze 
bilden grösstentheile eine Schwäche der Oper, sie sind ohne indi- 
viduelle und dramatische Charakteristik, ergeben in ihrer zerfliessen- 
den Ariosohaltung keine geschlossene , sicher geführte Form , und 
sind ungenügend in Wahrheit und höchster Steigerung der Empfin- 
dung und des Affe cts. In überraschender Weise aber, auch in Be- 
zug hierauf und in seiner Gesammtfassung hebt sich der zweite 
Act. Das Eingangsgebet des Derwisches mit dem Chor der Tür- 
ken ist originell und von schöner Tonwirkung. Auch die folgen- 
den Chorsätze sind kräftig und lebendig. Timur's Arie ist aller- 
dings nicht getungen , aber umsomehr das grosse Duett zwischen 
Wanda und Timur ; es hat eigentümliche , reizende , melodische 
Motive , auch Wanda's eingeschalteter Sologesang , und Wärme der 
Empfindung, Steigerung des Ausdrucks, der Situation und musika- 
lisch interessante Ausführung fesseln uns. Dieser Act ist auch frei 
Ton bekannten , in den andern beiden Acten im Allgemeinen und 
im Besondern hervortretenden Anklängen. Die nationalen Tonwei- 
sen, die der Componist bisweilen anschlägt , machen sich nicht ori- 
ginell und pikant genug geltend, um solche Eindrücke erinnerungs- 
Toller Phrasen und Formen zu verwischen. 

Der dritte Act ist nur geeignet, uns noch ausschliesslicher in 
nnsrer aufrichtigen Anerkennung für den zweiten Act zu erwärmen; 
die Wiederkehr des bestürmenden Liebesduetts zwischen Timur und 
Wanda in gleicher Situation kann nicht mehr wirken, und die sonst 
noch dramatisch nutzbaren Momente sind, wie im Text, so auch in 
der Musik, flüchtig übergangen. Hinsichtlich der speciellen Auf- 
fassung in der Declamation des Textes ist zu bedenken, dass hier 
die TJebersetzung aus dem ungarischen Original vorliegt und zu 
keinen kritischen Bemerkungen berechtigt. 

Die Oper wurde recht günstig aufgenommen, und das kurz und 
einfach gehaltene, populäre, melodiös ansprechende und dem allge- 
meinen Verständniss leicht zugängliche Werk sei der Theilnahme 
des Publikums um so mehr empfohlen, da es vortrefflich einstudirt 
und inscenirt ist und die Gesammtproduction eine äusserst treffliche 
war. Namentlich zeichnete sich in der Titelrolle Frau Jauner- 
Krall aus ; weniger gelang es Herrn Richard, den Timur schwung- 
haft und mit lebhaftem Ausdruck in Gesang und Spiel zu gestal- 
ten. Sehr gut sang Herr D e g e 1 e die weniger dankbare Partie 
des Hyppolit ; die Herren Scaria und Freny leisteten Befriedi- 
gendes, namentlich aber sang Herr Rudolph den Derwisch höchst 
lobenswerth. Vorzüglich war die Ausführung der Kapelle und der 
Chöre. 

— Am 10. Juni gastirte im k. Hoftheater Herr Gustave 
Roger als Edgar in Donizetti's „Lucia von Lammermoor.'' Lei- 
der haben seine Stimmmittel in dem Grade abgenommen , dass es 
dem trefflichen Gesangskünstler häufig nicht mehr möglich ist, seine 
geist- und poesievollen Intentionen zur vollen Geltung zu bringen 
und das sichtliche Forciren der Stimme wirkt manchmal geradezu 
Unbehagen erregend ; gleichwohl ist es zu bewundern , wie Roger 
mit Hülfe seiner vollendeten Gesangskunst die Schwierigkeiten, 
-welche die erwähnten Mängel ihm bereiten, bis zu einem gewissen 
Grade zu überwinden und durch seine feinsinnige Auffassung sowie 
durch die Noblesse seines Vortrags , unterstützt von einem ausge- 
zeichneten Spiele, noch immer hinzureissen vermag. 

*** In Wien ist vor Kurzem der Componist des allbekann- 
ten „Mailüfterl", Jos. K r e i p e 1 , früher längere Zeit beliebter Te- 
norist am Linzer Theater, im 61. Jahre gestorben. 

*** Nach dem Jahresberichte des ersten deutschen Gesang- 
vereins in New-York, des „Liederkranzes," zählt derselbe nahe an 
900 Mitglieder und besitzt ein Vermögen von 20,000 Dollars. 



V Der Componist Jules Benediet in London hat von» 
Könige von Hannover den Ernst-August-Orden erhalten. 

*** Der unermüdliche Impresario Uli mann wird mit Car- 
lo 1 1 a Patti, welche von ihrem Unwohlsein wieder vollkommen; 
hergestellt ist und sich gegenwärtig in Paris befindet, eine Reihe 
von Concerten in den Provinzialstädten Frankreichs veranstalten 
und dabei von einigen der ausgezeichnetsten Virtuosen unterstützt 
werden. Die Reise soll mit Anfang October beginnen und etwa 
dreissig Städte umfassen. 

*** Die grossen Concerte der Kurhausverwaltung in Wies* 
baden werden diesen Sommer nicht stattfinden , da die Saison 
keineswegs eine glänzende zu werden verspricht. 

*** Die jugendliche Claviervirtuosin Frl. Mary Krebs aus 
Dresden ist in London in mehreren Concerten mit grossem Bei* 
fall aufgetreten. 

*** Die Primadonna des Wiener Operntheaters, Frau Kainz- 
Prause, hat von der Direction der grossen Oper in Paris einen 
äusserst vorteilhaften Engagementantrag auf drei Jahre erhalten. 
Man offerirt der Künstlerin mit Inbegriff eines dreimonatlichen Ur- 
laubs für das erste Jahr 45,000 Frcs. , für das zweite 50,000 Frcs» 
und für das dritte Jahr 60,000 Frcs. 

* m * Der Kapellmeister und Componist Adolph L'Arronge 
hat sich kürzlich mit der Schauspielerin Frl. Selma Rottmeyer 
vermählt. 

*** Seit 1842 sind in Italien 889 neue Opern und Balletmu- 
siken componirt worden , wovon Donizetti allein mehr als 70) 
geschrieben hat. 

*** Der Componist Emil Hasse in Berlin erhielt vom 
Kaiser von Russland für Widmung einer Ouvertüre eine werthvolle 
Nadel nebst Anerkennungsschreiben. 

\* Der Violinvirtuos August Wilhelm ij in Wiesbaden 
hat sich mit Frl. Sophie v. Liphardt aus Dorpat vermählt. 

*** Mme. F e" t i s , die Gattin des als Musikschriftsteller und 
Componist bekannten Directors des Brüsseler Conservatoriums , ist 
in Boisfort bei Brüssel gestorben, ein schwerer Schlag für den noch 
immer rüstigen und thätigen , obwohl hochbejahrten Greis. 

*** In New-York ist das grosse Opernhaus vollständig abge- 
brannt. 

*„* Die jüngste Tochter des verewigten Meyerbeer, Frl. 
Cornelie, hat bich mit dem ausgezeichneten Maler Professor G.. 
Richter verlobt. 

*** Frl. Bettelheim vom Hofoperntheater in Wien hat in 
Frankfurt a. M. ein Gastspiel als Orsini in „Lucrezia Borgia" mit. 
enthusiastischem Beifall eröffuet. 

*„* Der Er für t er Musikverein beschloss seine diesjährige 
Concertsaison am 12. Mai mit der Aufführung des v Josua" von Händel 
in glänzender Weise. Die Chöre, unter Leitung des Musik directors 
Ketschau höchBt sorgfältig einstudirt, wirkten auch diesmal in ge- 
wohnter Weise. Das Chorpersonal mag aus 100—120 Mitgliedern 
bestanden haben. An Stelle der erkrankten Frau v. Milde hatte 
jn wenigen Tagen Frau Telchow, geb. Anschütz, die Partie 
der Aehsa einstudirt und leistete , was man von einer routinirten, 
gebildeten Sängerin erwarten durfte. Othniel (Alt) war von Frl. 
Winkler, einer jungen Sängerin mit wohlklingender Stimme, gut 
vertreten. Hr. Musikdirector John aus Halle und Hr. v. Milde 
aus Weimar sangen die Partien des Josua und Kaleb mit bewährter 
Meisterschaft. 

V Hofcapellmeister Fischer in Hannover soll vom Könige 
beauftragt werden sein, sich mit Joachim hinsichtlich des Solo- 
spiels beim Musikfeste zu Verständigen. Joachim soll aber nach den 
„H. A. u abgelehnt haben. (Denkt man denn überhaupt jetzt in 
Hannover noch an ein Musikfest ?) 

V* Fürst Paul Est er ha zy ist in Regensburg in ziemlich 
dürftigen Umständen gestorben. Er besass einst ein jährliches Ein- 
kommen von 5 — 6 Millionen und war der letzte Esterhazy, der, unter 
H u m m e 1 ' s Direction , eine Hauscapelle hielt , während H a y d n 
bei seinem Vater Capellme ister gewesen war. 

V In Leipzig ist am 30. Mai Frl. Elisabeth Kistner, die 
Besitzerin der Musikalienhandlung „Friedrich Kistner unerwartet 
und tief betrauert gestorben. 

■ i n i ' ■ i.i ■ ■ ■ 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



nr* 90. 



25. Juni 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



K; 



DieseZeitung erscheint jeden 
MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post 

ä intern, Musik- & Buchhand 

hingen. 



V 






von 



4 



B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: Gluek und Piccini. — Brand der Acadetnie of Musik in New-York. — Correspondenz : Strassburg. — Nachrichten. — Abfertigung. 



Gluck und Piccini. 



in. 

Es stand aber geschrieben, dass Piccini, welcher von Natur aus 
den sanftesten und schüchternsten Cbaracter besass und die Freuden 
des häuslichen Heerdes weit höher schätzte als die berauschendsten 
Erfolge, sein ganzes Leben lang gegen furchtbare Rivalen zu kämpfen 
haben sollte. Die Römer, eifersüchtig auf den Ruhm des Neapoli- 
taners, setzten ihm einen andern Componisten, ihren Landsmann 
Anfossi, entgegen. Durch verschiedene Cabalen brachten sie es 
dahin, dass eine neue Oper des Autors der ,*G§cckina i durchfiel, 
während eine andere von Anfossi in den Himmel gehoben wurde. 
Piccini wurde vor Verdruss krank und schwor, nichts mehr für Rom 
zu schreiben. Er zog sich auch wirklich nach Neapel zurück und 
coxnponirte dort mehrere Werke , die von grossem Erfolg begleitet 
waren. 

In Neapel war es nun, wo der Marquis von Caraccioli, nea- 
politanischer Gesandter in Paris , ihm nach dem Wunsche Marie 
Antoinettens Anträge machte. Man bot ihm im Namen des Königs 
einen Gehalt von 6000 Livres, die Umzugskosten und freie Wohnung 
bei dem neapolitanischen Gesandten. Piccini , von diesen Aner- 
bietungen verlockt, verliess den schönen Himmel seines Vaterlandes 
mitten in dem strengen Winter des Jahres 1776. Der grelle Tem- 
peraturwechsel war die erste Unannehmlichkeit für ihn in dem 
fremden Lande ; sodann sah er sich in Bezug auf seine Wohnung 
bitter enttäuscht; statt des ihm versprochenen Appartements im Ge> 
sandtschaftshotel wählte man für ihn eine enge und unbequeme 
Wohnung in einem Privathause, gegenüber dem Hause M a r m o n t el's, 
welcher sein eifrigster Anhänger werden sollte. Er begann damit, 
dass er Piccini mit den Regeln der französischen Prosodie bekannt 
machte, und machte für ihn die Tragödien zurecht, welche Quinault 
für die Musik Lulü's geschrieben hatte. 

Die erste, welche er für ihn einrichtete, war „Roland," welchen 
er aus fünf Acten in drei zusammenzog. Unglücklicherweise schrieb 
Gluck zur nämlichen Zeit ebenfalls eine Oper mit diesem Titel. 
Als dieser erfuhr, dass ein Italiener ihm auf diese Weise in sein 
Gehäge komme, eilte er wüthend nach Paris. Seine Anhäager, der 
Abbe A r n a u d an deren Spitze trösteten ihn, indem sie ihm den 
Sieg über seinen Nebenbuhler in sichere Aussicht stellten. 

Die Generalprobe war so stürmisch, dass Piccini seine Oper 
gänzlich für verloren hielt. Als er sich des andern Tags in die 
Vorstellung begab, war er mehr todt als lebendig; seine Familie 
begleitete ihn, in Thränen aufgelöst, als ob er auf das Schaffot ge- 
führt würde ; er selbst tröstete seine Frau und seine Kinder mit der 
ruhigen Resignation eines Verurtheilten, der sich unschuldig weiss. 
Koch am selben Morgen war Vestris zu ihm gekommen um ein 
neues Balletstück zu verlangen. Gluck hätte den Tänzer mit Grob- 
heiten fortgejagt, Piccini schrieb sogleich in seiner Gegenwart auf 
der Ecke seines Kamins eine Gavotte, welche viel Glück gemacht hat. 

Die Aufführung des „Roland 4 hatte einen so vollständigen Er- 
lolg, wie sich ihn der Componist nicht erwartet hatte, und da» Stück 



wurde sehr lebhaft applaudirt; es war dies vielleicht die Wirkung 
einer antigluckistischen Cabale, denn „Roland" zählt bei Weitem 
nicht zu den besseren Werken Piccini's. Dem neapolitanischen 
Maestro standen verschiedene gewandte Federn zu Gebote, unter 
Anderen Marmontel, La Harpe und d'Alembert; Gluck zählte zu 
seiner Partei den Abb£ Arnaud und den Academiker Suard, welcher 
unter dem Pseudonym „der Anonymus von Vaugirard" mehrere geist- 
reiche und boshafte Artikel gegen Piccini veröffentlichte. 

Es gab zu jener Zeit keinen Salon, in dem man sich nicht mit 
den beiden Componisten beschäftigt hätte. Man beschuldigte Gluck, 
dass es ihm an Melodie fehle. Dieser banale Vorwurf wird auch 
heute den Nachkommen Gluck 1 * noch häufig gemacht. Die Gluck' - 
sche Schule hat fast immer Sujets von ernstem und melancholischem 
Character behandelt, und ihre Absicht ist, die Composition dem ge- 
gebenen Sujet anzupassen, grossartige und im erhabenen Style ge- 
schaffene Motive zu bringen, welche freilich der bequemen Auf- 
fassungskraft nicht passen, welche in der dramatischen Musik nur 
ein Geräusch verlangen, welches das Ohr angenehm berührt, ohne 
die Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. 

Die witzigen Köpfe aus der letzten Zeit des vorigen Jahrhun- 
derts ergingen sich in der verschiedensten Weise über die beiden 
musikalischen Vorkämpfer, und man erlaubte sich allerlei Sehers 
über dieselben. So sagte man z. B. Gluck wohne in der Rue e&t 
Grand- ff urleur, Piccini in der Rue des Petits-Champs und Mar- 
montel, sein Secundant, in der Rue des Mauvaises-Paroles. 

Inmitten alles dieses Geräusches um sich her lebte Piccini als 
guter Bürger, und während der deutsche Componist beständig auf- 
geregt war und ihm zu schaden suchte, bekümmerte sich der Italiener 
dagegen gar nicht um seinen Nebenbuhler. Der Componist Berton 
suchte, nachdem er Director der grossen Oper geworden war, die 
beiden Gegner zu versöhnen; die Versöhnung fand auch wirklich 
statt mit dem Glase in der Hand, allein sie dauerte nicht lange, da 
die beiden Parteien sich alle Mühe gaben, den Frieden zu brechen. 

Die Auhänger der französischen Musik hatten die Gewohnheit, 
ihren Platz im Theater auf der Seite der Königsloge zu nehmen, 
während die Vertheidiger der italienischen Musik sich an der Seit« 
der Loge der Königin placirten. Sie hatten also ihre Plätze zur 
Rechten und zur Linken, wie heutzutage die Mitglieder eines Ab- 
geordnetenhauses. Diese Stellung im Theater hatten die beiden 
Parteien schon zwanzig Jahre vor der Ankunft Piccini's in Paria 
eingenommen und man benannte sie je nach der Seite, die sie ge- 
wählt hatten, le coin du roi und le coin de la reine. Bei Gelegen- 
heit der Aufführung des „Roland" erhob sich natürlich ein lebhaftes 
Streit. Gluck, so sehr er ein Deutscher war, konnte doch streng 
genommen als der Nachfolger Lulli's und Rameau's gelten, denn 
sein Styl bot viel Analoges mit dem dieser beiden Componisten. 
Um sich übrigens der Sympathie der Lullisten mehr als je zu ver- 
sichern, kam er auf den Einfall, die „Armida" von Quinault und 
Lulli wieder zu componiren, und als dieselbe 1777 aufgeführt wurde, 
fand man mit Erstaunen, dass Gluck seine Schreibart gewissermassen 
modificirt habe. Man hatte eine Musik erwartet, wie bisher, breit 



— 102 — 



und streng bis zur Härte, und man horte nun eine Compositum, in 
welcher dem Anmuthigen eine bedeutende Stelle eingeräumt war 
und in welcher sich hie und da Arietten nach Lulli's Weise befanden. 
Der erste Empfang, der dem Werke zu Theil wurde, war ein ziem- 
lich kalter, aber nach und nach wuchsen der Erfolg und die Be- 
liebtheit desselben immer mehr. Es war dies von Wichtigkeit für 
den „Winkel des Königs," denn gerade diese Oper hatte gegen den 
„Roland* des Piccini zu kämpfen. 

Dieser „Roland" konnte sich bei Weitem nicht mit dem „Ales- 
sandro nelle Indie" und mit der „Olympia 1 '' des italienischen Meisters 
messen ; dennoch wurde er mit grossem Beifall aufgenommen und 
Piccini ward im Triumph nach Hause geleitet. Dieser Erfolg fand 
statt, ungeachtet Mlle. Levasseur, welche die Rolle der Angelica 
gab, beständig zu tief sang, und man lieber Mlle. Laguerre an 
deren Platz gesehen hätte. Auch für die Basspartie hätte man den 
Sänger Chasse, welcher gewöhnlich in den Gluck'schen Opern 
sang, seinem Collegen Larrivee vorgezogen. Da im „Roland" 
keine Chöre vorkommen, circulirte folgendes Calembourg: Roland 
est un guerrier sans coeur, il sera bon quand nous aurons 
Laguerre, il serait excellent si Larrive'e etait Chasse'. — 
Die Anhänger beider Parteien rechneten sogar die Einnahmen nach, 
um die Ueberlegenheit ihrer betreffenden Günstlinge zu beweisen, 
und fanden richtig heraus, dass die ersten zwölf Vorstellungen des 
„Roland" um 87 Livres mehr eingetragen hatten als die ersten zwölf 
Aufführungen der „Iphigenie in Aulis ," wogegen die Gluckisteu 
darlegten, dass nach vierzehn Vorstellungen die „Iphigenie" wieder 
im Vortheil war. (Scbluss folgt.) 

Der Brand der „Academie of Musik" (Opernhaus) 

In New-York. 

(Aus dem „New - York Weekly Review" vom 26. Mai) 

Nie hatte die r Akademie der Musik" eine grössere Anziehungs- 
kraft ausgeübt als während der letzten Woche, vielleicht weil ihr 
Character eines Vergnügungsortes sich in den einer Stätte des 
Jammers verwandelt hatte. Das Gebäude, in welchem während der 
letzten zwölf Jahre eine Anzahl von wenigstens zwanzig Impresarios 
ungeheure Geldsummen zum Opfer gebracht hatten, brannte am 
letzten Montag bis auf den Grund nieder. Es sei in Kürze gesagt, 
dass das Haus von Brandstiftern an verschiedenen Enden angesteckt 
und vollständig vom Feuer verzehrt wurde. Der Schändliche , der 
das Feuer anlegte , kannte offenbar jeden Winkel desselben , da 
es ihm gelang, in den Raum unter das Parquet zu dringen, wo ver- 
schiedene Maschinerien aufbewahrt lagen, welche seit dem letzten 
Opernball, also seit 7 Wochen nicht mehr gebraucht worden waren. 
Der Weg zu diesem Räume ist ein ziemlich beschwerlicher und kann 
nur von Jemand gefunden werden , der mit den labyrinthischen 
Gängen eines Opernhauses vertraut ist. Es ist ausser allen Zweifel 
gestellt, dass das Feuer schon während der letzten Vorstellung, wel- 
ches die „Jüdin" war, gebrannt hat. Doch drang dasselbe nicht 
aufwärts , bevor die Aufführung zu Ende war. Mme. Gazaniga 
und Sgr. Milleri waren die einzigen Sänger, welche das Haus 
noch nicht verlasseu hatten, und mit Ausnahme der in ihren Zimmern 
brennenden Lichtern war das ganze Gebäude in Dunkel gehüllt. 
Der Unteraufseher des Hauses glaubte , als er die Runde im Zu- 
schauerraum machte, Staub zu sehen, als er aber seine Laterne er- 
hob, wurde er gewahr, dass dies Rauch sei, und indem er nun das 
Feuer zu unterdrücken suchte, sah er bald, dass dasselbe bereits 
eine zu grosse Ausdehnung genommen hatte , um das Haus noch 
retten zu können. In der That hatte das Publikum, welches zusah, 
wie die arme Recha verbrannt wurde , während des letzten Actes 
über einem Vulcan gesessen. Die Familie des Mr. Emil Rull ma nn, 
des ehrlichsten und gewissenhaftesten Hausaufsehers , hatte kaum 
Zeit, aus ihren Betten zu entkommen. Mme. Gazaniga wurde noch 
in der letzten Minute durch Jemand gewarnt, der an ihre Thüre 
klopfte und sie zur Eile aufforderte, indem das Haus in Flammen 
stehe. Sgr. Milleri entkam auf dieselbe Weise, und vollendete seine 
Toilette auf offener Strasse. Das Feuer verbreitete sich mit grosser 
Schnelligkeit, und ein prächtigeres Schauspiel ward seit dem Brande 
des Berliner Opernhauses nicht mehr gesehen. Der Himmel war so 
hell beleuchtet, dass die Helle selbst die Bewohner des benachbarten 



New -Jersey beschien, und auf ziemliche Entfernung konnte man 
* Gedrucktes so bequem lesen wie zur Tageszeit. Die Strassen waren 
von einer Volksmenge gefüllt, welche sich an dem Schauspiel in 
ungewöhnlichem Grade zu ergötzen schien, und welcher dasselbe 
Ereigniss Unterhaltung gewährte , welches den Unternehmern , die 
im Hause Vorstellungen gegeben hatten, den Ruin brachte. Es 
waren dies die HH. Maretzek und Grau, welche somit Unglücks- 
gefährteü wurden , obgleich sie wenige Tage vorher noch sich 
als Gegner im Geschäftsbetriebe gegenüber gestanden waren. Hr. 
Grau hatte etwa 48 Kisten mit Garderobe und die Musik zu 8 oder 
9 Opern im Hause liegen , was alles mit verbrannte. Der Verlust 
Maretzek's ist noch grösser, da er 3000 Anzüge und die Musik zu 
78 Opern verlor und nur gering assecurirt war. 

Die Directoren der Actiengesellschaft versammelten sich am 
Donnerstag und beschlossen zur Stelle, das Gebäude wieder aufzu- 
führen. So können wir also mit Sicherheit auf die Entstehung einer 
neuen Akademie rechnen, bei welcher man ohne Zweifel die bis- 
herigen Mängel vermeiden wird. Das Haus wird, so erwartet man, 
bis zum letzten October wieder vollendet dastehen. 

Die Verluste bei diesem Brande sind, was Musikalien betrifft* 
sehr bedeutend. Maretzek verlor , was bereits angegeben wurde ; 
auch Grau litt grossen Schaden, doch der härteste Streich traf den 
Oberaufseher Rullmann, welcher sein ganzes Eigenthum und eine 
beträchtliche Summe Geldes verlor, welches er in der Verwirrung 
nach dem Ausbruche des Feuers nicht mehr zu retten vermochte. 
Leider war er gar nicht versichert. Auch dieHH. Palmer&Gosche" 
verloren eine grosse Anzahl von Textbücher, welche dort aufbewahrt 
wurden, und mehrere Musiker ihre Instrumente, welche zum Theil 
von erheblichem Werthe waren. 



COERESPOKDENZEK, 



JLn» Strassburs:. 



Das von unserem berühmten Landsmanne Jean Becker im 
Laufe des vergangenen Winters in Florenz gegründete Streichquar- 
tett, welches den Musikfreunden der italienischen Hauptstadt eine 
Reihe von auserlesenen Kunstgenüssen durch die Vorführung der 
Meisterwerke deutscher Componisten (deren viele dort noch gänzlich 
unbekannt waren) bereitete, hat nun auch in uuserer Stadt, im Saale 
des Hotel d 'Angleterre, welcher leider zu klein war, um die grosse 
Anzahl der Verehrer classischer Kammermusik zu fassen, zwei Abend- 
unterhaltungen gegeben, welche sowohl was die Auswahl und die 
Executiruug der vorgetragenen Stücke betrifft, so a.uch hinwieder 
für die ausführenden Künstler in Bezug auf lebhafte Theilnahme 
und reichlich gespendeteu Beifall von Seite der Zuhörerschaft nichts 
zu wünschen übrig Hessen. Ein schöneres, vollendeteres Ensemble 
und eine feinere, geschmackvollere Auffassung als die der Herren 
Jean Becker, Eniico Masi, Luidgi Chiostro und Fr. 
Hilpert lässt sich kaum noch denken. 

Die vorgetragenen Werke waren im ersten Concerte : das Quar- 
tett Nro. 10 in Es-dur, Op. 74 (Harfen -Quartett) von Beethoven; 
Quartett in E-nioll von Mendelssohn, und „Serenade" für Streich* 
quartett von Haydn. Dazwischen spielte J. Becker seine „Souve» 
nirs de Bellini'' und L. Chiostri die „Elegie" von Vieuxtemps für 
Viola mit dem vollen Aufwände von Geschmack und technischer 
Vollendung , welcher den beiden Künstlern zu Gebote steht. Das 
zweite Concert brachte : das F-dur-Quartett Op. 59 von Beethoven 
und auf allgemeines Verlangen die Wiederholung der „Serenade" 
von Haydn, welche im ersten Concerte ganz ausserordentlichen Bei- 
fall gefunden hatte. Von besonderem Interesse waren auch diesmal 
die Solovorträge zwischen den beiden Quartetten. Hilpert spielte 
eine Fantasie von Servais: „Le De'sir*' mit vollendeter Meister- 
schaft. J. Becker erfreute das Publikum durch den Vortrag einer 
Romanze von Saserno und eines Duo für zwei Violinen von seiner 
Composition mit seinem höchst talentvollen jungen Secuodarius, 
E. Masi. 

Man sagt, dass die gefeierten Künstler durch die glänzende 
Aufnahme, welche ihre schönen Leistungen gefunden haben, sich 
veranlasst finden werden, ein drittes Concert zu veranstalten, in. 



- 108 - 



-welchem anter Anderem das grossartige Quartett Op. 132 von Beet- 
hoven aar Aufführung kommen soll. 



I » c h r i e li t e n. 



München. S. M. der König hat unterm 11. Juni Hrn. v. Bülo w's 
Entlassungsgesuch mit nachfolgendem eigenhändigen Schreiben er- 
wiedert: „Mein lieber Herr von Bülow! Nachdem ich vor nunmehr 
anderthalb Jahren durch den Wunsch, Sie in München an der Seite 
des Meisters Richard Wagner zur Verwirklichung von dessen 
■edlen, den deutschen Geist hoch ehrenden Knnstzwecken mitthätig 
zu wissen, vermocht habe, Ihre Stellung in Berlin gegen nur geringe 
Vortheile, die ich für das Nächste Ihnen bieten konnte, aufzugeben, 
kann mir nichts schmerzlicher sein als zu erfahren, dass ich durch 
meine auch auf Sie gegründeten Hoffnungen Ihnen bereits früher, 
am Wiederwärtigsten aber in letztvergangener Zeit, Seitens einiger 
öffentlicher Blätter Münchens Anfeidungen, endlich Schmähungen und 
Beschimpfungen Ihrer Ehre zugezogen habe, von denen ich wohl 
begreifen muss, dass Sie dadurch auf das Aeusserste gebracht sind. 
Da mir Ihr uneigennützigstes, ehrenwerthestes Verhalten, ebenso 
-wie dem musikalischen Publikum Münchens Ihre unvergleichlichen 
künstlerischen Leistungen bekannt geworden ; da ich ferner die ge- 
naueste Kenntniss des edlen und hochherzigen Characters Ihrer ge- 
ehrten Gemahlin , welche dem Freunde ihres Vaters , dem Vorbilde 
ihres Gatten mit theilnahmsvollster Sorge tröstend zur Seite stand, 
mir verschaffen konnte , so bleibt mir das Unerklärliche jener ver- 
brecherischen öffentlichen Verunglimpfungen au erforschen übrig, um, 
zur klaren Einsicht des schmachvollen Treibens gelangt, mit scho- 
nungsloser Strenge gegen die Uebelthäter Gerechtigkeit üben zu lassen. 

Sollte diese Versicherung nicht genügend sein , das Erlittene 
Sie, wenn nicht vergessen, doch aus Rücksicht auf höhere Zwecke 
mit einiger Milde ertragen zu lassen, und sollte ich dennoch nicht, 
wie es mein herzlicher Wunsch ist, Sie zum Ausharren, zur vorläu- 
figen Beibehaltung Ihrer Stelle bewegen können, so bliebe mir leider 
nur übrig, ausser der vorbehaltenen Gerechtigkeit auch diejenige 
Anerkennung gegen Sie besonders auszuüben, von der ich für heute 
durch dieses Schreiben und den innigsten Ausdruck meiner wahrhaften 
Hochachtung für Sie und ihre geehrte Gemahlin ein Zeugniss ge- 
geben zu haben wünsche. Ihr sehr geneigter Ludwig." 

Dresden. Roger hat sein Gastspiel als George Brown in der 
■„weissen Dame" beschlossen und in dieser Rolle , in der er früher 
in unübertrefflicher Weise sang und spielte, noch immer soviel des fein 
Gedachten und auch in der Ausführung vortrefflich Gelungenen ge- 
boten, dass man jene Momente, in welchen ihm die erforderliche 
Kraft und das Metall der Stimme fehlte, gerne übersah, um sich an 
dem zu erfreuen, was noch immer Musterhaftes in seiner Auffassung 
■und Durchführung liegt. 

Paris. Man spricht hier viel von einer neuen Oper, welche 
Perrin, der Director der grossen Oper, in aller Stille zur Auffüh- 
rung vorbereite, und mit welcher er der ganzen musikalischen Welt 
eine freudige Ueberraschüng zu bereiten hoffe, da dieses Werk eines 
bisher unbekannten Componisten das unzweifelhafteste Genie seines 
Autors beurkunde. Die Oper soll vier Acte haben, „Petrarque* 
betitelt sein, und der Componist derselben, der auch das Libretto selbst 
gedichtet, Hippolyte Duprat heissen und ein junger Chirurg 
bei der französischen Marine sein. 

London besitzt gegenwärtig 23 Theater. Die beiden grössten 
derselben, das Drury-Lane- und Covent- Garden- Theater fassen 
jedes 2500 Zuschauer. Das Kleinste derselben, New-Royality \ fasst 
300 Personen; sämmtliche Theater haben Raum für 35,800 Zuschauer. 
Die musikalischen Cafes, 41 an der Zahl, repräsentiren in Bezug auf 
die Kosten ihrer Herstellung und Decorirung ein Capital von 
1,667,000 Pfund Sterling und können 179,300 Gäste aufnehmen. 
Dabei sind die Etablissements zweiten und dritten Ranges nicht mit 
inbegriffen. Es gibt dort Music Halls, wie z. B. die Alhambra 
Company, wo man Ballets, Dramen und Pantomimen aufführt, in 
welchen mitunter 600 Personen auf der Bühne erscheinen. — Die 
Directoren der Theater haben sich schon an die Gerichte und an 
■das Unterhaus gewendet und bieten alles auf, um die Music Halls 
in die bescheidenen Gränzen der musikalischen Cafes zurückzudrängen, 



allein sie werden kaum durchdringen, und London wird bald die 
letzten Spuren des Privilegiums verschwinden sehen. 

*•* (Aeusserungen Dr. M. Luther 's über M u s i k.) 
Ich halte, wenn David jetzund auferstünde von den Todten, so würde 
er sich verwundern,. wie doch die Leute so hoch wären gekommen, 
mit der Musika ; sie ist nie höher gekommen als jetzt. Wenn David 
wird auf der Harfe geschlagen haben, so wirds gangen sein, als das 
Magniflcat anima mea Dominum im achten Ton: denn David hat 
schlecht ein Dekachardum gehabt. 

Wer die Musikam verachtet, wie denn alle Schwärmer thun, 
mit dem bin ich nicht zufrieden. Denn die Musik ist eine Gabe) 
und Geschenk Gottes, nicht ein Menschengeschenk ; so vertreibet sie 
auch den Teufel und macht die Leute fröhlich ; man vergisst dabei 
alles Zorns , Unkeuschheit , Hoffart und andere Laster. Ich gebe 
nach der Theologia der Musika den nächsten locum und die höch- 
ste Ehre. 

Diese zwei Uebungen und Kurzweil gefallen mir am allerbesten, 
nämlich die Musika und Ritterspiel, mit Fechten, Bingen u. s. w. 
Unter welchen das erste die Sorgen des Herzens und melancholische 
Gedanken vertreibet, das andere macht feine, geschickte Gliedmassen 
am Leibe und erhält ihn bei Gesundheit. Die endliche Ursache ist 
auch, dass man nicht auf Zechen, Unzucht, Spielen und Doppeln 
gerathe , wie man jetzt leider siehet an Höfen und Städten ; da ist 
nichts mehr, denn es gilt dir Saufaus, danach spielet man um etliche 
100 oder mehr Gulden. Also gehts, wenn man solche ehrbare Uebung 
und Ritterspiel verachtet und nachlasset. 

Musikam habe ich allezeit lieb gehabt ; wer diese Kunst kann, 
der ist guter Art, zu Allem geschickt. Man muss Musikam von Nota 
wegen in den Schulen behalten. Ein Schulmeister muss singen 
können, sonst sehe ich ihn nicht an. 

Die Musika ist eine schöne, herrliche Gabe Gottes und nahe 
der Theologia; ich wollt mich meiner geringen Musika nicht um 
was Grosses verzeihen. (Leipz. Allg. M.-Z.) 

*** Von Hrn. A. W. T h a y e r in Triest erhielt die Leipziger 
allg. musikalische Zeitung folgende Zuschrift: „Ich höre eben, dass 
kürzlich ein neues lithographirtes Porträt Beethoven's von Krieh über 
nach einem im Besitze der Familie Beethovens befindlichen Oelbilde 
«bei Artaria in Wien erschienen ist. Das Original ist jenes Kniestück, 
von dem Schindler schreibt (1. Band, Seite 287, 1. Ausgabe), ohne 
jedoch etwas über den Ursprung zu wissen. Da ich so glücklich 
war, mit dem Maler einige Wochen vor seinem Tode bekannt zn 
werden, und da ich mit ihm über den Gegenstand gesprochen habe, 
so bin ich im Stande, einige Details mitzutheilen. Der verstorbene 
Secretär Mähler, aus Coblenz gebürtig, kam im Herbste 1803 nach 
Wien und wurde bei Beethoven als Rheinländer durch Stephan von 
Breuning eingeführt. Der junge Mähler war in seinen Mussestunden 
Poet, Musiker, Componist und Maler, von ihm rühren die Originale 
vieler Porträts von Wiener Componisten her, die im Besitze der 
Gesellschaft der Musikfreunde daselbst Bind. Das erwähnte Porträt 
wurde nicht früher als 1805 und nicht später als 1807 gemalt. Das 
bestimmte Datum konnte Mähler nach so langer Zeit nicht mehr 
angeben. Ich besitze mehrere Copien von Briefen Beethoven's an 
diesen Mähler; in einem derselben wird dieses Porträts erwähnt« 
Von demselben Herrn wurde Beethoven noch einmal 1817 gemalt; 
dieses Bild wurde nach Mähler's Tode von Prof. Karajan in Wien 
angekauft und befindet sich noch in dessen Besitz. 

*** Im Theater an der Wien ist nun endlich das Spectakelstück 
„Prinzessin Hirschkuh" (La Biche au bois) in ausserordentlich 
reicher Ausstattung und mit den überraschendsten Effecten in Bezug 
auf Decorationen, Maschinerien, Beleuchtung und Costüme in Scene 
gegangen und hat eine den Opfern des unternehmenden Directors 
Strampfer entsprechende Aufnahme gefunden. Das, freilich nur 
auf die Schaulust berechnete, jedoch in dieser Beziehung auch un- 
übertreffliche Stück, wird wohl seine Anziehungskraft noch lange 
bewähren, doch werden bedeutende Kürzungen stattfinden müssen, 
indem eine fünfstündige Dauer für ein derartiges Stüek nach deut- 
schem Geschmacke doch eine gar zu lange ist. 

*** Der Brand, welcher das erste Opernhaus in New-York 
zerstörte, legte auch die medicinische Academie mit ihren äusserst 
werthvollen Sammlungen, eine Pianofabrik, eine Kirche und andere 
Gebäude in Asche, so dass der Schaden wenigstens 1,000,000 Dollar» 
I beträgt 



- 104 



*** Am Sonntag den 24. Juni findet in Stuttgart die leiste 
Aufführung von A b e r t*e „Astorga* für diese Saison statt, welcher 
die Directoren $ a 1 v i von Wien nnd T e s c h e r von Darmstadt 
beiwohnen werden. In Carlsrahe wird diese Oper bald nach Wie- 
dereröffnung der dortigen Bühne, welche auf den 16« August festge- 
setzt ist, zur Aufführung gelangen. 

*** Der Tenorist Ellin ger ist nach einem erfolgreichen Gast- 
spiele am ungarischen Theater in Festh auf drei Jahre mit 6000 fl. 
Gage und zweimonatlichem Urlaub engagirt worden. 

*** Der ausgezeichnete Bassist Dr. S c h m i d vom Hofopern- 
tbeater in Wien gastirt mit ungewöhnlichem Erfolg in München. 

*** Hr. Emil He gar, als vortrefflicher Violoncellist bekannt, 
wurde in Leipzig für das Gewandhausorchester und als Lehrer am 
Conservatorium angestellt. 

*** In Spaa ist der Vater des Violoncellisten Servals, früher 
ein tüchtiger Violinspieler, 80 Jahre alt, gestorben. 

*** Der Componist Otto Bach hat das Bitterkreuz erster 
Classe mit der Krone des sicilianischen Francesco-Orden erhalten. 

*** Die rühmlichst bekannte Sängerin Mme. L a g r u a hat in 
Neapel einen unglücklichen Fall gethan und ein Bein gebrochen. 

*** Frl. Ger icke, früher Mitglied der k. Oper in Berlin, hat 
sieh am 28. Mai mit dem dortigen Möbelhändler Trunk vermählt. 

*** Die General - Intendanz der Berliner Hofbühne hat für 
die im ersten Quartal dieses Jahres aufgeführten Stücke und Opern 
4382 Thlr. Tantiemen bezahlt. 

%* In Pest starb der beliebte ungarische Componist Gustav 
F a y im besten Mannesalter. 

*** Unter den w er th vollen Instrumenten, welche Clapisson 
in Paris ausser der von ihm dem Conservatorium überlassenen Samm- 
lung noch als Privateigentum besass, befindet sich ein Spinett, 
welches vonAnnibale de Bossi (1577) herrührt und ausgezeich- 
net gearbeitet, sowie verschwenderisch mit Edelsteinen und Schnitz- 
werk ausgestattet ist. 

*** Eine bei Eduard Hoenes in Trier erschienene neue 
„Zither schule" von A. Darr ist den Freunden dieses Instrumentes 
bestens zu empfehlen, da dieselbe sich durch solide Gründlichkeit 
sowie durch eine reiche Auswahl von hübschen und instructiven 
Uebungs- und Unterhaltungsstücken für die neu construirte Zither 
mit fünf Stahlseiten auf das Vorth eilhafteste vor vielen ähn- 
lichen Werken auszeichnet. 

*** Hr. und Frau Bertram haben Wiesbaden verlassen und 
gastiren in Stuttgart, wo ersterer, ein sehr achtungswerther Barito- 
nist bereits ein Engagement erhalten haben soll. Sie werden in 
Wiesbaden ersetzt durch Frl. Lichtmay und Hrn. Philipp i, 
letzterer vom Stadttheater in Nürnberg. 

*** Die Ferien der k. Oper in Berlin dauern vom 18. Juni 
bis zum 1. August, die des Schauspiels dagegen bis 15. August. 

*** Der berühmte französische Hornvirtuose V i v i e r hat kürz- 
lich im Theater de la Monnaie zu Brüssel concertirt, wird aber 
von den Berichterstattern ziemlich unsanft mitgenommen und mehr 
oder minder verblümt als Charlatan bezeichnet. 

*** Das im Freihaus auf der Wieden in Wien noch 
stehende Gartenhäuschen des Tonheros Mozart wird aufAnordnug 
des Besitzers des Freihauses, des Fürsten Staremberg, renovirt. 
Das Häuschen steht am Ende eines einst dem Theaterdirector 
Sehikaneder gehörigen Hausgartens und ist einfach aus Holz 
gebaut. Im Innern mit Tapeten ausgelegt, beherbergt es einen 
Schreibtisch, einen Bücherschrank und mehrere Stühle, sämmtliche 
Gegenstände von Mozart herrührend. Hier war es, wo der Tondichter, 
das letzte und vollendetste seiner Meisterwerke : „Die Zauberflöte" 
componirte und die letzten Tage seines Glückes sah. 

V* (Eine Ueberraschung.) Im Sommer 1791 gebrauchte 
der junge Lieutenant von Malfetti in Baden bei Wien die Cur, 
um sich von den Wunden des letzten Türkenkrieges völlig auszu- 
heilen, und da er lahmte, war er genöthigt, den grössten Theil des 
Tages in seinem Parterrezimmer zuzubringen. Da sass er denn am 
Fenster und las und schielte dabei oft genug über das Buch weg 
au der schlanken, schwarzlockigen junges Frau, die gegenüber par- 
terre ebenfalls ein Fremdenlogis bewohnte. Eines Tages, es war 
gegen Abend, sieht er einen kleinen, leidlich jungen Mann an jenes 



Haas hinanschleichen, sich behutsam nach allen Seiten umschauen« 
und dann Miene machen, in das Fenster der Dame einzusteigen« 
Schnell humpelte der Herr Lieutenant zum Schutze seines hübschen 
vis-a-vis herbei und fasste den kleinen Mann an der Schulter : „Was 
will der Herr da? Da ist nicht die Thür." — „Nun, ich werde doch 
zu meiner Frau hineinsteigen dürfen," lautete die Antwort. Es war 
— Mozart, der wohl unerwartet von Wien herübergekommen 
war, um sein „Stanzerl" zu besuchen und sie nun nach seiner Weise 
doppelt überraschen wollte, wenn er Abends, wo sie vom Curspazier- 
gang nach Hause kam, schon in ihrem Zimmer sass, ohne dass Je- 
mand von ihm wusste. (Sign.) 

*** In Grata wurde am 30. Mai für den dort verstorbenen 
Componisten N e t z e r ein Grabdenkmal aufgestellt, und der Gratzer 
Mänergesangverein erhöhte die Feier durch den Vortrag einiger 
Chöre. 

V In Turin ging die „Afrikanerin" im Teatro Vtttorio Erna- 
nuele mit aussergewöhnlichem Beifalle in Scene. Die ehemalige 
Violinspielerin Carolina Ferni sang die Selica. 

*** Dr. F a i s s t in Stuttgart hat den Preis des schlesischen 
Sängerbundes für Composition von Schiller's „Macht des Gesanges" 
erhalten, und haben die Preisrichter die besondere Erklärung abge- 
geben , dass dieses Stück eine wahre Bereicherung der Männerge- 
sang-Literatur sei. 

Abfertigung. 



Unter dem Postzeichen „Speyer" ist uns eine anonyme Epistel 
eines „Lesers der Südd. Mus. -Ztg.* zugekommen, der sich durch 
den in den letzten Nummern unseres Blattes enthaltenen Bericht 
über eine Aufführung der Beethoven'schen D-dur-Messe in Leipzig und 
über die Besprechung der Brochüre von Dr. Lorenz über „Haydn's, 
Mozart's und Beethoven'« Kirchenmusik und ihre katholischen unct 
protestantischen Gegner" in seinen strengkatholischen Gefühlen höchst 
unangenehm berührt und darum veranlasst fühlt, uns wegen der 
Aufnahme der benannten Aufsätze, resp. unseres Gutheissens der- 
selben den Text zu lesen. Wir bedauern, dass der Raum unseres 
Blattes nicht gestattet, durch die Mittheilung der ganzen Philippika 
unsere Leser in dieser sorgenschweren Zeit zu erheitern, wollen aber 
doch, da wir bei dem gegenwärtigen Stillstand in der musikalischen 
Welt gerade Muse dazu haben, dem Briefschreiber ungeachtet seiner 
Anonymität in Kürze Folgendes erwidern: 

Fürs Erste ist unser Blatt kein exclusiv katholisches oder gar 
ultramontanes, welches nur dem frommen Eifer jener Zeloten dient, 
die uns auch sogar in Bezug auf die Kirchenmusik wo möglich noch 
hinter das Mittelalter zurückversetzen möchten ; dann sind wir auch 
gewohnt, unseren Mitarbeitern die freie Kundgebung ihrer indivi- 
duellen Ansicht zu gestatten, selbst wenn wir persönlich nicht voll- 
kommen mit derselben einverstanden sein sollten. Ferner sind wir 
aber in den fraglichen Fällen mit den betreffenden Autoren wirklich 
einverstanden. Dass der Herr Anonymus sich den Schein gibt, als 
hielte er uns für nicht katholisch , halten wir unsererseits für eine 
Finte, deren er sich nur bedient, um sein Incognito zu bewahren, 
denn derselbe weiss, wenn wir uns nicht sehr irren, recht gut, dass 
wir der katholischen Kirche angehören, wenn auch nicht gerade mit 
demselben blinden Eifer wie er selbst. Was aber unser von dem 
Hrn. Anonymus in so drastischer Weise angezogenes Verhältniss zur 
„Braut Christi" betrifft, so bekennen wir biemit vor aller Welt, dass 
wir seine, nämlich des Hrn. Anonymus und auch seiner Gesinnungs- 
genossen, nähere Ansprüche an genannte Braut vollkommen respec- 
tiren und uns bescheiden in den Hintergrund begeben, und dass wir 
nicht nur weit entfernt sind, derselben, wie wir in dem betreffenden 
Schreiben beschuldigt werden, ihr sämmtliche Juwelen abreissen 
oder sie selbst ganz verschwinden machen zu wollen, sondern viel- 
mehr von Herzen wünschen, dass sie nicht gerade durch ihre gar 
au eifrigen Anhänger zum Falle komme. 

Dies unsere letzte Erwiderung auf derartige anonyme Aus- 
lassungen, wobei wir noch dem in Bede stehenden Briefschreiber 
empfehlen, die Ortographie der Abschriften seiuer keineswegs parla- 
mentarischen Stylübungen in Zukunft besser zu überwachen. Die Red. 

Verantw. Red. Ed. Fächer er, Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15.* Jahrgang. 



J¥* 99. 



2. Juli 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 






* DieseZeitung erscheint jeden 
MÖKTAG. 
Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
^ hingen. . 



? • r I a §' 



r- 



B. 



PREIS: j* 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 
für den Jahrgang. 

SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. ^«.Mb-,«: 



von 



Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co. 



I 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. . 

^.o. — — — --.~~~-^ — -- ^v-^, 



INHALT: Gluck und Piccini. — Correspondenz : Paris. — Nachrichten. 



Gluck und Plcclnl. 



(Schluss.) 

In Wirklichkeit waren die Opern Piccini's im ersten Augenblicke 
anwehender für die Menge als di« Gluck'schen, allein man konnte 
sie nicht so oft anhören, weil sie dem Studium und dem richtigen 
GeSchmacke weniger Nahrung boten. Die Literaten, welche für die 
eine oder die andere Partei schrieben, wie Grimm, Diderot, Mar- 
montel, Suard, Labarpe, Arnoud etc. verstanden nicht viel von Musik, 
oder vielmehr sie verstanden so viel wie gar nichts davon ; ihre 
Angriffe gegen ihre Gegner gingen fast immer fehl, und ein heutiger 
Musiker muss unwiderstehlich lachen über die Böcke, welche jene 
Herren fortwährend schiessen. Dass übrigens Laharpe Gluckist, 
and Marmontel Piccinist war , beruhte nicht auf musikalischen 
sondern auf andern Gründen ; sie hatten nämlich Partei ergriffen für 
awei Sängerinnen, von denen die eine Gluck's, die andere Piccini's 
Musik sang; das ist Alles, sowie sich denn überhaupt viele persön- 
liche Angelegenheiten in die Sache mischten. Weon übrigens die 
Piccinisten Gluck selbst angriffen, weil dieser hinlänglich französisch 
verstand, um sich auch selbst gegen seine Feinde zu vertbeidigen, so 
richteten dagegen die Gluckisten ihre Angriffe nur gegen Piccini's 
Vertheidiger; es würde ihnen schwer gefallen sein, gewisse Parti- 
turen Piccini's anzugreifen, die sehr reiu geschrieben waren. Gluck 
war kein bo gelehrter Musiker wie Piccini, theoretisch war er sogar 
ein schwacher Harmouist, allein er ersetzte die Mängel seines ersten 
Unterrichts durch eine seltene natürliche Gabe, die so höchst effect- 
reichen Accordfolgen zu erfinden, die in der Begleitung seiner Reci- 
tative so hinreissend wirken. 

In der,, Annida* debütirte eine Sängerin, Mme. Saiut-H über ti, 
welehe alle ihre Vorgängerinnen auf den Brettern der grossen Oper 
verdunkeln sollte. Obgleich diese nun vortrefflich sang, so vermochte 
sie doch vor den Augen Mozart's die Mängel der französischen 
Musik nicht zu bemänteln. Mozart, der alle Vorzüge des italienischen 
und deutschen Musik in sich vereinigte, war dennoch in seinen 
meisten Opern mehr Italiener als Deutscher ; die Musik Piccini's 
vermochte ihn nicht mehr hinzureissen als die Gluck'sche, weil er 
fand , dass sie schlecht gesungen wurde. Es war übrigens das 
Schicksal Gluck's , wie vieler anderer grosser Männer, von seinen 
Landsleuten verkannt zu werden. Nur in Frankreich wusste man 
ihn vollkommen zu würdigen. (?) * 

Gluck erhielt 12,000 Livres für jede seiner Opern, Piccini be- 
kam für jede Aufführung 400 Livre*s, was nach den damaligen Ver- 
hältnissen viel mehr ausmacht als die 250 Frcs., welche heutzutage 
ein französischer Compouist unter denselben Bedingungen bekommt. 
Wenn aber auch unsere heutigen Componisten geringer bezahlt 
werden ah Piccini, so werden dagegen unsere Sänger unendlich viel 
höher honorirt als die damaligen ; zu jener Zeit würde es einer be- 
iiahten Sängerin übel angestanden haben, wenn sie ihre bescheidene 
Gag« selbst bezogen hätte. Sophie Arnould öberlieas ihren Gehalt 
an der k. Akademie der Musik, etwa 10,000 Livree, ihrer ersten 
Majnmerfraa. 



Diese Sophie Arnould, die gefeiertste» Sängerin des 18. Jahr- 
hunderts in Frankreich, verdankte ihre Erfolge weniger ihrem Ta- 
lente oder ihrer Schönheit, als ihrem geistreichen Wesen, welches 
alle Berühmtheiten jener Zeit in ihre Nabe zog. Als sie Mme* 
Saint-Huberti auftauchen sah, welche eine viel bessere Sängerin und 
Musikerin war als sie selbst, Hess sie es nach ihrer Gewohnheit 
nicht an scharfen Ausfällen gegen dieselbe fehlen. Da die Neuan- 
gekommene nur sehr gering honorirt wurde, so war sie genöthigt, 
sich sehr einfach zu kleiden, wusste dies aber sehr zu ihrem Vor- 
theile zu thnn; Sophie nannte sie darum Madame la Ressource. 
Dieser Name machte schnell Glück, und als Gluck denselben gehört 
hatte, sagte er: „Sie geben ihr mit Recht diesen Namen, denn sie 
wird in kufzer Zeit die Stütze (la ressource) der Oper sein." Sophie 
Arnould war zu dieser Zeit schon sehr ausgesungen, und. der Abbe" 
Galiani sagte zu ihrem Gesänge: „Das ist das schönste Asthmo, 
das man möglicherweise hören kann." — Mlle. Laguerre befand 
"'sjich damals im Besitze ihrer vollen Schönheit. Eines Tages, da sie, 
wie dies sehr häufig vorkam, mehr Champagner getrunken hatte als 
gerade nöthig war, zeigte sie sich als Ipbigeuie sehr unsicher auf den» 
Beinen, so dass man sie schliesslich wegführen musste. Mlie. Arnould 
Hess sich die günstige Gelegenheit nicht entgehen, zu sagen : „Da» 
ist eigentlich keine Vorstellung der „Iphigenie in Tauris," sondern 
der „Iphigenie in der Champagne." Mlle. Laguerre musste die Un- 
ziemlichkeit ihres Benehmens mit einem kurzen Arrest im Fort 
TEvSque büssen. 

Gluck hatte das Buch zum „Roland" zurückgegeben , aber De 
Visme bestand noch immer hartnäckig auf seinem früheren Projecte, 
die beiden Kämpfer auf demselben Boden ihre Lanzen brechen zu 
lassen und hatte für ihn „Iphigenie in Tauris'* gewählt. Gluck's 
Buch war sehr günstig für seine Musik; nicht so verhielt es sich 
mit dem 4 Piccini'schen, welches höchst unbedeutend war. Die Iphi- 
genie von Gluck wurde am 18. Mai 1779 zum ersten Male aufge- 
führt, hatte ungeheuren Erfolg und blieb auf dem Repertoir. —• 
Me*hul, der zu jener Zeit noch sehr jung war, hatte der Generalprobe 
betgewohnt und versteckte sich nach deren Beendigung unter einer 
Bank, fest entschlossen, den Rest der Nacht und den folgenden Tag 
in seinem Verstecke zuzubringen , um auch der Aufführung beizn- " 
wohnen. Glücklicherweise wurde er entdeckt und zu Gluck geführt, 
der Bich beeilte, ihm ein Billet für den folgenden Abend zu geben. 
Gluck wurde der Freund und Rathgeber, ja sozusagen der geistige 
Vater Mlhul's. Durch Ihn verband sich die deutsche KunBt mit der 
französischen, denn vor ihm trug die französische Musik immer den 
Stempel ihrer italienischen Abkunft. 

Bald darauf gab Gluck seine Oper , Echo et Närcisse," welche 
nur . geringen Erfolg hatte. Piccini lies« seine „Iphigenie" viec 
Jahre nach der Gluck'scben aufführen. De* ausserordentliche Erfolg 
des Letzteren hätte ihn davon abhalten müssen , allein übereifrig« 
Freunde gaben sich alle Mühe, ihn zur Aufführung derselben zu 
bestimmen. Die Oper gefiel nur sehr tnittelmässig. Da jedoch des 
Erfolg des „Atys* die Geister sehr zu Gunsten Piccini's einge- 
nommen hatte, so machten die Gluckisten nicht viel Aufhebens vou> 



- 106 - 



dem jüngsten Misserfolge. Ueberbaupt war der Krieg zwischen den 
beiden „Winkeln" so ziemlich erloschen, nnd nur hie und da schleu- 
derten sich die Parteien ein kleines Epigramm an den Kopf. „Atys" 
war am 22. Februar 1780 und „Iphigenie" am 23. Januar 1781 
erschienen. 

Pas Libretto, welches Gluck bearbeitete, war von Guillard, 
welcher, wie schou oben angedeutet wurde, es meisterhaft verstanden 
hatte, die Vorzüge seines Mitarbeiters hervortreten zu lassen. Gluck 
machte sich dies bewundernswürdig zu Nutzen. Mit welcher Sorg- 
falt Gluck die Dichtungen studirte, die er componirte, geht aus der 
bekannten Antwort hervor, die er bei Gelegenheit einer Probe der 
„Iphigenie in Tauris" einem Musiker gab. Bei der Stelle nämlich, 
wo Orestes singt: „Die Ruhe kehret mir zurück" drückt das Or- 
chester fortwährend eine grosse Aufregung aus. Ein Orchestermit- 
glied meinte, hier wäre ein Fehler, und ob man denn stark fort- 
spielen solle. — „Freilich", erwiederte Gluck. — „Aber Orest sagt 
ja doch, dass die Buhe in sein Herz zurückkehrt," sagte wieder der 
Musiker. — »Nur immer zu, Sie sehen ja, dass er lügt; er kann 
nicht ruhig sein, er hat seine Mutter ermordet 1" antwortete der 
Meister. — Beim Herausgehen nach der Vorstellung äusserte ein 
Musikfreund, er finde, dass die Oper sehr hübsche Stücke enthalte. 
„Es ist nur eines darin ," erwiederte der Abbe Arnaud. — 
„Welches?" — „Die ganze Oper". 

Piccini hatte sein Buch von Dubreuil erhalten, welches in 
schlechten Versen geschrieben war. Gleichwohl enthielt die Oper 
einzelne Schönheiten. 

Gluck kehrte nach Wien zurück und starb dort am 25. No- 
vember 1779 am Schlagfluss. 

Nachdem Gluck gestorben war, machte Piccini grosses Glück 
mit seiner Oper „Dido". Ludwig XVI. wollte sie dreimal hinter- 
einander hören. Sie wurde 1783 aufgeführt, und um dieselbe Zeit 
sah Piccini seinen ,,Atys" mit vollständigem Erfolge wieder neu 
aufgenommen, und auch in der komischen Oper fanden einige Stücke 
von ihm sehr gute Aufnahme. 

Die Gluckisten, welche nun keinen Deutschen oder Franzosen 
mehr hatten , den sie ihm entgegenstellen konnten (Mehul schrieb 
damals noch nicht), setzten den Italiener Zacchini an die Spitze 
ihrer Partei , dessen Ruhm noch die letzten Augenblicke des Com- 
pouisten des „Atys" trübte. Man verbündete sich nun gegen diesen, 
um die Aufführung der „Klytemnestra ," welche in der Hauptprobe 
sehr gefallen hatte, zu hintertreiben. Dies und andere Widerwärtig- 
keiten , die er zu erdulden hatte, bewogen Piccini, Frankreich zu 
ve* lassen, wo er 15 Opern geschrieben hatte. Nach einem sieben- 
jährigen Aufenthalte in Italien, kehrte er 1798 nach Paris zurück. 
Die Regierung gab ihm 5000 Frcs. zur Bestreitung seiner Bedürf- 
nisse und einen Gehalt von 2400 Frcs. Wie seiu Landsmann Ros- 
sini unterhielt er sich damit, kleine Sachen für Ciavier und Ge- 
sang zu compouireu , anstatt für das Theater zu schreiben. Auch 
gab er gerne , wie heutzutage Rossini , Concerte in seinem Hause. 
Der General Bonaparte ernannte ihn 1800 zum Inspector des Con- 
servatoriums. Er wohnte in Passy, wo er am 7. Mai 1800 verschied* 



^O OB^ 



Literatur. 



Uebersichtliehe Darstellung der Geschichte 
der kirchlichen Dichtung und geistlichen 
Musik, vou H. M. Schletterer, Capellmeister in 
Augsburg. Nördlingen, Druck und Verlag der 
C. H. Beck'schen Buchhandlung. 1866, gross Octav ? 
300 Seiten, nebst einem Vorwort und Register. 

Der Verfasser des uns vorliegenden Buches hat als Musikschrift- 
steller sich bereits durch seine „Geschichte des deutschen Singspiels," 
Biographie des Componisteu J. Fr. Reichardt und Anderes einen 
Namen in der musikalischen Welt gemacht, so dass wir diesem 
neuen Werke desselben um so bereitwilliger uusere Aufmerksamkeit 
widmeten und die Freunde kirchlicher Dichtung und Musik auf das- 
selbe lenken möchten, als der Verfasser nach unserem Dafürhalten 
sich um diesen Zweig der Musik* und Literatur - Geschichte durch 
seine auf sorgfältige, umfassende und gewissenhafte Forschung ge- 
stützte Arbeit ein wahres Verdien** erworben und eine fühlbare 



Lücke ergänzt hat. Gleichwohl ut dies Buch nur als der Vorläufer 
eines in Kürze erscheinenden ausführlicheren Werkes über denselben 
Gegenstand zu betrachten, da der Verfasser in seinem Vorwort sagt: 
„Meine Absicht bei Bearbeitung des vorliegenden Werkchens 
ging dahin, von literar- historischem Standpunkte aus — also nicht 
von theologischem aus — eine übersichtliche Darstellung der Ent- 
wicklung kirchlicher Liederdichtung und geistlicher Tonkunst zn 
geben. Das Buch soll Geistlichen und Lehrern ein Handbüchlein, 
Laien, die diesem hochwichtigen Gegenstand ihre Aufmerksamkeit 
zu schenken geneigt sind, eine anregende und belehrende Leetüre 
sein. Auf sehr massigen Raum beschränkt, konnte ich nicht mit 
der Ausführlichkeit verfahren, die ich gern in Anwendung gebracht 
hätte. Eine erschöpfende Darstellung dieses Gegenstandes ist nur 
dann möglich, wenn man den Umfang mehrerer Bände dafür zur 
Verfügung hat. Eine solche nach allen Seiten hin gründliche und 
ausführliche Bearbeitung der Geschichte geistlicher Dichtung und 
Musik versuchte ich in einem in nächster Zeit erscheinenden grösseren 
Werke zu liefern, das dem für die Sache sich eingehender Interes- 
sirenden wohl genügende Befriedigung bieten dürfte." 

Der Verfasser behandelt die Geschichte des Kirchenliedes und 
Kirchengesanges von dessen Entstehung in den ersten Jahrhunderten 
des Ghristeuthums an in seiner Fortentwicklung und in seiner Be- 
deutung bei dem katholischen wie bei dem protestantischen Gottes- 
dienste bis in das 19. Jahrhundert. Ueberrascheud, ja staunenerregend 
uiuss für den minder Eingeweihleu die enorme Anzahl von Dichtern 
und Componisten geistlicher Gesäuge sein, deren Namen im angehäng- 
ten Register über 20 enggedruckte zweispaltige Seiten füllen. 

Sehr zu beherzigen seheiut uns u. A., was der Verfasser (S. 281 
u. ff.) über den Verfall des Choralgesangs und Orgelspiels in der 
protestantischen Kirche, namentlich nach S. Bach, und über dessen 
Ursacnen anführt. Er sagt dort: 

„Wir haben schon davon gesprochen, dass im Verlaufe des 18. 
Jahrhunderts die zu Eude des vorhergegangenen angebahnte Reform 
des Chorals, d. h. seine gründliche Demoralisirung glücklich durch- 
geführt worden war. Während Alles, was an geistlichen Composi- 
tionen producirt ward , mehr und mehr von dem übermächtig ge- 
wordenen weltlichen Styl beeiuflusst erscheint, so dass endlich von 
einem eigentlich kirchlichen Styl, mit Ausnahme der für die geist- 
liche Musik festgehaltenen Fugenform , gar keine Rede mehr sein 
kann, verliert auch der Choral jede lythmische Eigentümlichkeit. 
Selbst die dreitheilige Tactart wird ausgemerzt und die ausschliess- 
liche Herrschaft des geraden viertheiligen Tactes durchgesetzt. Es 
entstehen eine Menge neuer, unvolksthümlicher , langweiliger Melo- 
dien. Alles, was noch in den vorhandenen Weisen an jene erhabene 
Kraft und den unerschütterlichen Ernst der alten Kirche erinnert, 
wird sorgfältig renovirt und ausgetilgt, so dass zuletzt sogar jeder 
grössere Intervallenschritt durch kleine Noten ausgefüllt und über- 
brückt wird. 

Mit dem Verfall des Choralgesangs beginnt auch der des Orgel- 
spiels. Dasselbe erklimmt bis zur Mitte des Jahrhunderts in J. S. 
Bach und seiner Schule die höchste Höhe, um alsdann um so rascher 
zu trostlosester Verkommenheit herabzusinken. Fällt nun schon die 
Ausartung der kirchlichen Dichtung der Geistlichkeit, aus deren 
Kreis ja die meisten Liedersänger hervorgingen, grossentheils zur 
Last, so ist ihr noch mehr der Verfall kirchlicher Tonkunst zuzu- 
schreiben. Mit ihrer Einwilligung und Hülfe hat sich die Schule 
ihrer Verpflichtung, auf den Kirchenchören mitzuwirken, an sehr 
vielen Orten entzogen; mit ihrer Einwilligung und Hülfe sind die 
meisten Stellen der Cantoren und Organisten aufgehoben oder doch 
die durch alte Stiftungen zur Dotirung dieser Stellen vorhandenen 
Mittel anderweitig so in Beschlag genommen und reducirt worden, 
dass selbstständige Cantorate, noch mehr aber selbstständige Orga- 
nistendienste nur höchst selten noch hie und da in deutscheu Landen 
anzutreffen sind. Dergleichen Bedienstungen werden heute meist 
nur noch als Nebendienste Männern zugetheilt, die bereits mit an- 
dern Anstellungen betraut, nicht selten mit Amtsgeschäfteu überhäuft 
siud. Viele, ja man darf sagen weitaus die meisten Organisten- 
dienste, sind so schlecht honorirt, dass die Organisten nicht einmal 
hinreichende Mittel gewinnen, um sich nur die allernöthigsten Mu- 
sikalien kaufen zu können. Auf dem Gebiete der Liederdichtun^ 
ist es in unserer Zeit besser geworden , es musste besser werden, 
sobald ein neuer Geist den Protestautismus durchdrang, uud es könnt« 



107 - 



^besser werden, weil die Dichtung geheime Herzenssache jedes Ein- 
eeinen, nicht ein Geschäft ist, von dem man leben muss, oder eine 
Erwerbsquelle, auf die man ausschliesslich angewiesen ist. Anders 
aber mit der Musik. Organisten, die auf ihrem Instrumeute Meister 
sind, müssen, um dies werden und bleiben zu können, das Stadium 
eines Lebens darauf verwenden ; ihnen ist das Orgelspiel ein Beruf, 
und jeder Beruf soll seinen Mann ernähren. Zu Cantoren, die ihrer . 
Stellung ein Genüge thun Bollen , muss man Musiker von Fach 
«nehmen. Nicht jeder Schullehrer aber , der vielleicht ein ganz 
"brauchbares Liedertafelmitglied ist, oder jeder Musiker, der irgend 
ein Orchesterinstrumeut ganz wacker spielt, hat die Befähigung, ein 
Cantorat zu übernehmen , und dann will eben jeder tüchtige Mann 
so gestellt sein, dass er durch sein Amt vor den drückendsten Nah- 
rungssorgen gesichert ist. Woher nun dazu die Mittel nehmen '? Es 
ist nicht zu leugnen, es waren deren eines Tages mehr vorhanden 
als heute, und es hätten sich wohl im Laufe der Zeiten neue dazu 
gewinnen lassen können. Aber allmähltg sind unzählige Fonds 
ihrem ursprünglichen Zwecke entfremdet worden, und diejenigen, in 
deren Säckel sie ihren Abfluss gefunden haben, werden sich wohl 
hüten, darauf Verzicht zu leisten. Hat man ja doch schon häufig 
Stimmen protestantischer Geistlicher gehört , die von einem Orgel- 
uhrwerk oder einer wohleingerichteten Drehorgel sprachen , damit 
•endlich die lästigen, Gehalt beanspruchenden Organisten entbehrlich 
gemacht werden könnten. 

Die Entfremdung der Schule vom musikalischen Kirchendienste 
iia.t aber noch eine audere schlimme Folge im Lauf der Zeit nach 
sich gezogen. In der Schule und der Kirche ist der Ort , wo das 
Volk in seiner Gesammtheit musikalische Bildung erhalten soll. In 
Ländern, in denen weuig oder keine Musik in der Kirche gemacht 
wird, herrscht auch im Volk kein Musiksinn. Wie nun das Volk 
in seiner Allgemeinheit endlich alle Kunstliebe einbüssen und ver- 
lieren kann , so auch einzelne Stände. Wir wollen nicht davon 
■sprechen, dass es nur noch zu den Ausnahmsfällen gehört, dass ein 
•Jurist, ein Mediziner, ein Philologe u. s. w. Musik treibt oder über- 
haupt Neigung für Kunst und Poesie hegt. Diese Berufsarten können 
dergleichen ohne besondere Nachtheile zuletzt entbehren. Aber ein 
Stand kann den Mangel musikalischer Bildung nicht so leicht ver- 
schmerzen, das ist der der Theologen. Wo soll ihnen aber Kenntniss 
des Gesangs, Liebe zur Musik und Einsicht in den musikalischen 
Theil des Cultus herkommen , da sie in ihrer Jugend zu keiner 
Kuustübung mehr angehalten werden und ihnen später die Gelegen- 
heit, oder wo selbst diese geboten wird, die Lust fehlt sich musi- 
kalisch zu beschäftigen. In der That ist die unbegreifliche Theil- 
nahmlosigkeit, ja die Abneigung, mit der die protestantische Geist- 
lichkeit der kirchlichen Tonkunst gegenüber sich verhält, nur eine 
Folge verkehrter Vorbildung. Da nun aber der Gesang und die 
Musik als Kunst ein wesentlicher Theil des Gottesdienstes ist, der 
in unverantwortlicher Weise vernachlässigt erscheint , da biedurch 
ein wichtiger Theil der öffentlichen Gottesverebrung Noth leidet, 
so trage man doch Sorge, indem man in den gelehrten Schulen dem 
Gesänge wieder grössere Aufmerksamkeit und Pflege zuwendet, dass 
die lebende Generation unmusikalischer Theologen allmählig durch 
■eine andere ersetzt , und durch das Interesse , welches auf diese 
Weise mit der Zeit für kirchlichen Gemeinde- und Kunstgesang 
wieder rege gemacht wird, eine Hebung und Besserung beider mög- 
lich gemacht werden kann." 

So empfehlen wir denn hiermit das Werk des fleissigen und 
-gewissenhaften Verfassers katholischen und protestantischen Freunden 
.kirchlicher Poesie und Musik mit der Ueberzeugung, dass sie das- 
selbe in mancher Beziehung belehrt, in jeder Weise aber befriedigt 
aus der Hand legen werden. E. F. 



CORRESPONDENSEN, 



neuen Anlagen und an anderen' öffentlichen Orten den Mainzern sie 
einem wahren Bedürfnisse geworden waren. Mit grosser Spannung 
sah man daher dem Einzug der neuen Besatzung, die aus vielerlei 
Herren Ländern zusammengetrommelt wurde, entgegen, und hoffte* 
dass dieselbe wenigstens einigen Ersatz für die schwer vermissten 
Musikcorps bringen würden, die hier so viele Jahre lang in schön' 
ster Eintracht und in friedlicher Rivalität uns durch ihre schönen. 
Leistungen erfreut hatten. Glücklicherweise ward diese Hoffnung* 
nicht getäuscht, indem die hier eingezogenen Contingente aus Weimar 
und Meiningen ihre resp. Regimentsmusiken mitbrachten, welche» 
wenn auch nicht so stark besetzt wie die preussischen oder öster- 
reichischen, doch bei ihren bisherigen öffentlichen Productionen eine 
recht ergiebige Tonfülle bei angenehmer Mischung der Klangfarben, 
ein sehr präcises Ensemble , vollkommene Reinheit der Intonation 
und geschmackvolle Abwechslung in der Zusammenstellung ihrer 
Programme bekundeten und auch des allseitigsten Beifalls sich zu 
erfreuen hatten. 

Fast sämmtliche Opernmitglieder der geschlossenen Saison haben 
Mainz verlassen ; auch der bisherige Capellmeister Hr. D u m o n t 
hat seinen Contract, der ihn noch für das nächste Jahr hier fesseln 
sollte, gelöst und ist nach Leipzig übergesiedelt, wo er sich mit der 
dortigen Opernsängerin Frl. Suvanny vermählt hat. Hr. Capell- 
meister E b e r 1 e vom Regensburger Stadttheater , welcher gegen 
Ende der Saison die „Hugenotten" und den „Fra Diavolo" diri- 
girte, hat sich als ein durchaus gediegener Dirigent bewiesen, 
der in Bezug auf routinirte Sicherheit, feine und geschmackvolle 
Nüancirung, Energie und raschen Ueberblick nichts zu wünschen 
übrig lässt, so dass wir das Engagement desselben für die nächste 
Saison als einen sehr glücklichen Griff bezeichnen würden. Leider 
lassen die wenig günstigen finanziellen Resultate, mit welchen die 
letzte Saison abschloss , und die drückenden Zeitverbältnisse im 
Augenblick wohl keinen sicheren Schluss in Betreff unseres künfti- 
gen Tbeaterbestandes zu, und müssen wir eben auch in dieser An- 
gelegenheit , wie in vielen andern Dingen , von der Zukunft das 
Beste hoffen. E. F. 



ins Jtl a i n se. 



Seit unser Stadttheater geschlossen ist, hat die musikliebende 
Bevölkerung unserer Stadt ein schwerer Verlust getroffen durch den 
Abzug der Österreichischen und preussischen Militärmusikcorps, deren 
<dea Guten recht Vieles bietende regelmässige Productionen in den 



Aus Paris. 

24. Juni. 

Seit der vorigen Woche herrscht hier eine wahre tropische 
Hitze, und es gehört in der That kein geringer Muth dazu, die 
Theater aufzusuchen. Zum Glück für die Theaterdirectoren gibt 
es aber viele Leute, die diesen Muth besitzen. Dessen ungeachtet 
werden noch mehrere Schauspielhäuser schliessen. 

Das Thedtre lyrique, das am 1. Juli seine Ferien beginnt» 
hat noch vor Thorschluss zwei kleine Opern gebracht, Ä Le Sortier* 
von Madame Anais Marcelli, und n Les drage'es de Suzette* 
von Hector Salomon. Letzteres Werk hat sehr angesprochen. 
Es verdient auch vollkommen den Beifall, mit dem es aufgenommen 
worden. Hector Salomon zeigt in diesem Erstling seiner dramati- 
schen Muse nicht nur ein entschiedenes und höchst gefälliges Ta- 
lent, sondern auch eine gründliche musikalische Bildung, und da 
er noch sehr jung ist, so darf man von ihm wohl noch manche) 
treffliche Hervorbringung erwarten. — Es heisst, das genannte Thea- 
ter wolle die nächste Saison mit der „Arnrida a von Glnck er- 
öffnen und dann Richard Wagner's „Lohengrin" zur Aufführung? 
bringen. Man spricht auch von einer dreiactigen Oper: ,. Härder 
napal'\ Musik von Victorien Joncieres, welche das Thedtre 
lyrique künftigen Winter seinem Publikum vorzuführen gedenkt. 

Das neue Ballet: ,.La Source ,** welches sein Entstehen vier/ 
Mitarbeitern verdankt, wird gegen Mitte August in der grossen Oper 
zur Darstellung gelangen. 

Das nächste neue Werk , welches in der Ope'ra comique in 
Scene gehen soll, ist von Jules Cohen. 

Ambroise Thomas legt in diesem Augenblick die letzte 
Hand an seine „Mignon:\ Die Proben werden künftigen' Montag 
beginnen, und man hofft, dass die erste Aufführung dieses Werke»,, 
auf welches das Publikum einigermassen gespannt ist, gegen Ende 
Octobers in der komischen Oper stattfinden werde. ' 



108 



lachrickten. 



fOft, W. Juni. Am $. Juöi coiicertirte» hier Hr.E. Weigand 
<Pianist) , FfT. Rosa Schmidt (Soprao) und Hr. Oudshorn 
(Vtetoneetl). Die hervorragendste Leistung des Abends war der 
Tortrag de* Weber'seben Coneertstückes durch Hrn. Weigand, einen 
tfetfiSler MärmonteTs in Paris. — Am 19. Juni wurde unsere 
CürsaaTblthne eröffnet, und zwar mit der Aufführung zweier franzö- 
ehtcher Operetten, nämlich des ,,Cafö du Roi' von L. Deffes,' ' 
(Text von H. Meilhac) und der „Poupe'e de Nuremberg" von 
A. Adam (Text von de Leuven und de Beauplan). — Unsere 
seitherige Curcapelfe, das Musikcorps des 1. nass. Begimentes, ist 
*tt letzterem in*s Feld beordert worden, und wird durch das Hart- 
am n*sche Orchester aus Goblenz ersetzt. 

l)resdeO. Am 19. Juni gab die neuengagirte Frau Blume 
{ehemals FtI. Santer) die Donna Anna als Antrittsrolle und hat die 
Sympathien , welche sie bei ihrem vorjährigen Gastspiele sich zu 
erringen wusste, aufs Neue befestigt, so dass mau von ihren ferneren 
Leistungen sich in jeder Beziehung Gediegenes und Erfreuliches 
'versprechen darf. 

Paris. Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris be- 
tragen im Monat Mai 1,590,078 Trcs. 

— Am 17. Juni ist hier der beliebte Dichter und Schriftsteller 
Mery gestorben. Er hatte ein Alter von 68 Jahren erreicht. 

— Bei Brandus&Dufour ist von Flotow's neuester Oper 
„Zilda" ein Clavierauszng mit Text erschienen. 

— Der berühmte Contrabassist Bottesini ist aus Bussland 
«urüchkehrend, wo er die glänzendsten Erfolge erzielt hat, hier an- 
gekommen. Er wird wahrscheinlich ein ihm unter sehr vorteil- 
haften Bedingungen angebotenes Engagement nach Amerika annehmen. 

— Vieuxtemps wird sich nun wirklich bleibend hier nieder- 
lassen und hat zu diesem Zwecke ein Haus in der Rue Chaptal 
•cyiiiirt, während seine Besitzung in Frankfurt verkäuflich ist. 

*** Am 3., 4. und 5. v. M. fand in Güstrow das IV. mecklen- 
burgische Musikfest unter der Leitung des Hrn. Hofcapellmeisters 
Aloys Schmitt von Schwerin und des Hrn. Captellmeisters Ferd. 
IIi]!er aus Cöln in der schönen, neugebauten Festhalle Btatt. Zur 
Aufführung kam am 1. Tage: das Oratorium „Paulus" von Mendels- 
sohn » am 2. Tage: »Dia Nacht," Hymne für Soli, Chor und Or- 
ebester von Ferd. Hiller, Ouvertüre Nro. 3 zu „Leouore" von Beet- 
hoven, der III. Theil der „Schöpfung" von Haydn, während der 3. 
Tag ein gemischtes Programm von Solovorträgeu , Ouvertüren und 
einzelnen Chören brachte* Die Gesangspartien waren in den Hän- 
den der Damen Frau Linda Böske-Lundb, k. Hofopernsängerin 
«na Stockholm, und Frl. Helene Hausen, Concertsängeriu aus 
Berlin, sowie der HH. Dr. G u n z aus Hannover und Carl Hill 
nos Frankfurt a. M. Das gesammte Gesang- und Orchesterpersonal 
bestand aus 364 Mitgliedern , und die Hofcapelle von Schwerin 
bildete den Kern des Orchesters. Die Leistungen des Chores sowie 
de» Orchesters waren in jeder Beziehung vortrefflich, und wenn die 
beiden genannten Damen ihrer Aufgabe im vollsten Maasse gerecht 
wurden nnd allgemeinen Beifall fanden, so erregten hingegen wieder 
der meisterhafte Vortrag und die hohe gesangliche Durchbildung 
der hier noch niemals gehörten Künstler Dr. Gunz und C. Hill die 
höchste Bewunderung und rissen zu wahrhaft enthusiastischem Ap- 
pfouae hin. — Das dritte Concert brachte eine mit vielem Beifall 
aa%eBemm«ne Ouvertüre von Hofcapellmeister A. Schmitt, die 
Wiederholung der drei ersten Chornummern aus Hiller's „Nacht", 
die Tannhäuser- und Freischütz - Ouvertüre und das Clavierconcert 
in D-moll von Mozart, in unübertrefflicher Weise vorgetragen von 
Hrn. Ferd. Hiller, der auch einige Solostücke eigener Coroposition 
mit ausser ordentlichem Beifall spielte. Die Damen Böske-Luodh und 
Hausen sangen Arien aus „Freischütz" und „Titas," Hr. Vr. Gunz • 
die Arie „Komm, o holde Dame" aus der „weissen Frau" und Lieder 
jsU binreisseuder Meisterschaft. Hr. Carl Hill seng eine dem Pub- 
ükiuir noch gänzlich unbekannte Compositum, die Ballade „Mond* 
waaderung" von Wilhelm Hill, und Mendelssohn 's Volkslied: „Es 
ist bestimmt in Gottes Bath" unter endlosen Beifallsbezeigungen. 
Auch der gesellige Theil des Festes verlief in achöuster Weise, so 
daas dasselbe alleu Treunehmern in angenehmer Erinnerung blei- 
ben durfte. 



*** Teresita Carreno. Dies ist der Name einer jungt» 
Spaniscb-Amerikanerin aus Venezuela, über deren glänzende Erfolge» 
als Claviervirtuosin in Paris unser Pariser Correspqndent bereits be- 
richtet hat. Sie ist nun mit den gewichtigsten Empfehlungen, na- 
mentlich von Bossini, in London angekommen und wird wohl auch» 
dort nicht verfehlen, bedeutende Sensation zu erregen. Die Schick* 
sale dieser auch durch ihr 1 höchst anziehendes Aeussere Sympathie 
ei weckenden jungen Künstlerin sind, so interessanter Art, dass wir 
das darüber bekannt Gewordene unseren Lesern nicht vorenthalten 
wollen. Teresita Carreno ist die Tochter eines ehemaligen Finanz- 
ministers der Bepublik Venezuela nnd wurde am 22. Dezember 185& 
in der Hauptstadt Caracas geboren. Sie begann das Studium de*. 
Claviers in ihrem sechsten Jahre unter der Leitung ihres Vaters*, 
welcher in seiner Jugend Pianist gewesen war, und zeigte bald eine 
so ausserordentliche Geschicklichkeit, dass sie mit acht Jahren schon 
durch ihre Vertrautheit mit Beethoven's, Mendelssohn^, Tbalberg's* 
nnd Prndeut's Werken allgemeines Erstaunen erregte. In diesem» 
Alter verliees sie mit ihrem Vater aus politischen Gründen Venezuela«, 
und kam naeb New -York. Hier. Hess sie sich vor Gottsc'halk 
boren, welcher von der kleinen Teresita so entzückt war, dass er 
sofort ihre Ausbildung übernahm. Sie gab in New -York sieben. 
Concerte vor einem enthusiasmirten Publikum in der kürzlich ab- 
gebrannten Akademie der Musik. Sodann conoertirte sie in Boston,, 
unterstützt von der philharmonischen Gesellschaft, deren Präsident, 
ihr als Anerkennung ihre« Talentes eine goldene Medaille überreichte.- 
Dies geschah im Jahre 1863. Im selben Jahre ging Teresita nach» 
Havanna, mit dringenden Empfehlungen von Gottschalk, und wurde 
auch dort mit Enthusiasmus aufgenommen. Nun beschlossen ihre 
Eltern, sie in Europa auftreten zu lassen, und schifften sich an Bord; 
der „ City of Washington"' nach Liverpool ein. Der Dampfer hatte 
jedoch kaum den Hafen verlassen, als er auf eine Sandbank lief». 
doch kam er wieder los und setzte die Beise mit 250 Passagieren 
fort. Am zweiten Tage der Beise jedoch wurde der Dampfkessel 
untauglich; man hisste also die Segel auf, uud das Schiff lief vor 
dem Winde ohne Dampf. Am siebenten Tage erhob sich ein Sturm*. 
des Schiff verlor sein Steuerruder und trieb zwölf Tage lang gänz- 
lich hülflos auf dem Ocean umher. Endlich .wurde der unglückliche 
Dampfer von dem Schiffe „Propontis" angerufo», dessen Capitäiv 
auch die 250 Passagiere an Bord nahm , jedoch ohae Gepäck , so 
dass dieselben die , City of Washington^ verlassen mussteh., wie 
sie eben gingen und standen. Aber auch an Bord, der Proponti* 
waren die Unannehmlichkeiten, welche die junge Teresita zu bestehen 
hatte, noch nicht am Ende, denn auch dieser Dampfer hatte Schaden 
an seiner Maschinerie gelitten und inusste sich auf seine Segel ver- 
lassen; dazu kam noch, dass der Zuwachs von 250 Passagieren den 
Capitäu nöthigte, die Bationen zu verkürzen. Endlich kam das Schiff 
in Liverpool an, von wo sich jedoch Teresita mit ihren Ehern ohne 
Aufenthalt nach Paris begab und dort, wie bekannt, den grössten 
Beifall erndtete. 

V Die „Niederr. M.-Z." bringt in ihrer Nummer vom 9. Juni 
eine Aufzählung der am Stadttheater in Cöln vom 1. Januar bis. 
16. Mai d. J. stattgefundenen Opernaufftthrungeo und fügt am 
Schlüsse bei: „Im Ganzen genommen hat sich Cöln seit Jahren nicht 
eines so guten Theaters, sowohl was das Bepertoir als die Ausfüh- 
rung und Ausstattung betrifft, zn erfreuen gehabt als in der jetzt 
vergangenen Saison. Herr Director Ernet hat dasselbe zu einer 
Höhe ersten Banges unter den nicht von Hofcassen unterstützten * 
Theatern erhoben, und hat in Voiführung neuer Opern und neuer 
Einstudirung älterer (z. B. Gluck's „Iphigenie") sowie in glänzender 
Ausstattung derselben mehr gethan als manches Hoftbeater. 

V Die berühmten Quartettisten Gebrüder Müller aus Mei- 
ningen sind nach Wiesbaden übergesiedelt und haben dort bereit» 
zwei Soireen angekündigt, an welchen auch der frühere Hannover- 
sche Capeltmeister Bernhard Scholz als Componist und Pianist 
sich betheiligen wird. (Die erste dieser Soireen hat unter Bethei- 
ligung der Pianisten Gebrüder T h e r n stattgefunden und äusserst 
beifällige Aufnahme gefunden.) 

V" Der Componist Flotow hat vom Kaiser von Mexiko dae 
Commaudeurkreuz des Guadeloup-rOrdeuB erhalten. 



Veranho. Rtd, Ed. Fötkerer. Druck *. Cari Wällau, Main** 



15. Jahrgang. 



JW* 98. 



9. Juli 1866. 



SUDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

; Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern» Musik- & Buchhand- 
lungen. 



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von 






B. SCHOTTE SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PBEIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 









IIHALT: Was ist Musik? — Fanchon, das Leyermädchen. — Correspondenz : Stuttgart. — Nachrichten. 



Was ist Jlusik?*) 

Von 

Bernhard Scholz. 

Hat sie einen Gegenstand , einen Vorwurf zu behandeln , der 
durch sie zum Ausdruck kommen soll, oder ist sie ein freies Spiel 
der Phantasie in Tönen, reine Freude am Wohlklang? 

Poesie, die allgemeine Kunst, spiegelt uns das ganze volle 
Leben der Welt, so weit wir sie kennen. Die Malerei zeigt uns 
die Schönheit alles Sichtbaren in Farbe und Linie; die Plastik 
vorzugsweise den Adel der menschlichen Gestalt und des Geistes, 
soweit er in dieser zur äusseren Erscheinung kommt. Was ist 
MuBik ? 

M u 8 i k offenbart uns im Wohlklang die Schön- 
heit der menschlichen Seele; sie gibt dasreine 
Empfindungsleben des Menschen, losgelöst vom 
Ursächlichen, Gegenständlichen, durch das Me- 
dium geordneter Töne, in analoger Bewegung mit 
der Seele selbst. 

Gleichwie aber der Bildhauer die Schönheit des Menschen an 
einer einzigen Gestalt oder Gruppe zeigt, so wird auch der Ton- 
künstler sich beschränken müssen. Einem jeden Kunstwerk ist ein 
Mass gesetzt, und so kann auch er in einem solchen nicht das 
ganze Empfindungslebeu, wie es sich in ununterbrochener Bewegung 
forttreibt, offenbaren. Es kann ein Musikstück nur der Ausdruck 
einer isolirten Empfindung oder Empfind ungsreihe sein, welche in 
sich harmonisch beschlossen und abgegrenzt ist, — Stimmung. 

Jede Empfindung, jede Erregung des Gefühlslebens ist Bewe- 
gung, die von einem Punkte ausgeht, nach einer Richtung hin- 
schwingt und, sofern sie zu einem befriedigenden Abscbluss gelangt, 
durch eine dem ersten Ziel entgegengesetzte Schwingung nach dem 
Ausgangspunkte zurückkehrt. Denn es gilt auch für die Seele das 
physikalische Gesetz des Pendels. Ihm entspricht in der Musik 
das Verhältniss der Tonica zu Unter- und Oberquint. Wir verlas- 
sen die Tonica (C), iudem wir sie als Dominant betrachten und zu 
deren Unterquint (F) hiuabschreiteu. Wollen wir das Gefühl der 
durch diese Bewegung gestörten Buhe wieder völlig herstellen, so 
ist es nöthig , die Dominant des Grundtones (G) zu berühren , ehe 
vir auf diesem abschliessend Durch diesen einfachsten musikali- 
schen Vorgang ist aus dem Tone oder dem Dreiklange C die Ton- 
art G geworden. Die Tonart ist denn auch die einheitliche Grund- 
lage und die Cadeuz das gedrängteste harmonische Schema jeder 
musikalischen Schöpfung. 

Den beiden Grundformen des Empfindungslebens, Lust und Un- 
lust, entsprechen unsere heutigen beiden Tonarten Dur und Moll* 



*) Westermann's illustrirte deutsche Monathefte, April 1866. 
Diese allgemein als vortrefflich anerkannte Zeitschrift enthält in 
demselben Aprilhefte einen Aufsatz: „Die Welle und das Ohr" 
"Md Wilhelm Jordan, welcher insbesondere für Musiker von 
hohem Interesse ist. Die Bed. 



Die harmonische Grundlage, die modulatorische Gestalt eines Ton- 
Stückes entspricht dem Wogen der Gefüblsintensität im Verlauf 
eines seelischen Vorgangs. Wir können aber einen jeden solchen 
unter zwei Gesichtspunkten betrachten : 1) in Beziehung auf die 
Stärke der Erregung ; 2) in Beziehung auf die Raschheit oder Lang- 
samkeit des Fortschreitens. Entspricht dem ersten der harmonische 
Bau einer Composition, so ist dem andern das zweite Grundelement 
der Musik, der Rhythmus, analog. So lange nicht diese beiden 
Elemente der Tonkunst gleichmässig entwickelt waren, war sie auf 
den Ausdruck eines kleinen Kreises von Empfindungsvorgängen be- 
schränkt. Erst als dieselben in der höheren Einheit der Melodie 
zusammeogefasst werden konnten, war die Musik befähigt, den gan- 
zen Inhalt des menschlichen Empfindungslebens zu umfassen, den 
Tanz der Seele zu begleiten. 

Je tiefer und intensiver der Grad der Erregung ist, desto kräf- 
>' tiger und kühner werden die Modulationen eines Tonstücks sein. 
Je lebhafter die Bewegung, der Rhythmus der Seele ist, desto leb- 
hafter der Rhythmus der Musik und umgekehrt. 

Eine starke Empfindung, gesammelt und gefestigt in ruhiger 
Bewegung, ist majestätisch, feierlich. Ihr entspricht die Fügung 
starker Accorde und ein langsames Tempo, choralartig. 

Hingegen findet Heiterkeit ihren Ausdruck im leichten Spiel 
gefällig rhythmischer Figuren, ohne starke Bewegung der harmoni- 
schen Grundluge. 

Eine gewaltige Erregung, verbunden mit heftiger Aeusserung 
derselben, verlangt gleich energische Führung in harmonischer wie 
in rhythmischer Beziehung. 

Lebhafte Freude und heftiger, leidenschaftlicher Schmerz äussern 
sich beide in raschem Rhythmus, erstere jedoch auf dem Grunde 
der Dur-, letztere der Molltonart» 

Sanfte Trauer, stille Wehmuth will weiche Accorde, wechselnd 
in Dur und Moll, ruhiges Zeitmass. 

Es soll damit nicht gesagt sein, dass der Componist sich vor- 
nehme, diese oder jene Empfindung, diesen oder jenen Seelenvor- 
gang in Tönen zu schildern. Ganz im Gegentheil ! Er hüte sich 
vor jeder bewussten Absicht dieser Artl Er lausche fromm und 
hingebend dem Gesänge seiner Seele, singe, wie sie ihn singen 
heisst, und habe kein anderes Bestreben, als seine musikalischen 
Eingebungen möglichst abgerundet in ihrer Eigenart aus sich heraus 
loszulösen und zu gestalten. Ist ihm dies gelungen, dann kann er 
sicher sein, ein Stück wahrer Empfindung in Tönen niedergeschrie- 
ben zu haben, und was von Herzen kam, wird zu Herzen gehen! 

Wir haben oben die Melodie als die höhere Einheit, in wel- 
cher Harmonie und Rhythmus sich begegnen, bezeichnet. Eine 
schöne Melodie wird also beiden Anforderungen, sowohl die Inten- 
sität als die Bewegung einer Empfindung künstlerisch gestaltet zu 
haben, genügen müssen. Man wird vielleicht bestreiten » dass die 
Harmonie in der Melodie enthalten sei; allein es dürfte doch un- 
möglich sein, einen Gesang, ohne ihm Gewalt anzuthun und ihn zu 
verunstalten, auf zwei in der Hauptsache verschiedene Weisen zu 



— 110 — 



begleiten; eine jede Melodie trägt nur eine einfachste, ihrem We- 
sen völlig entsprechende Harmonie in sich. 

Ist die Melodie der Ausdruck einer einfachen Empfindung, so 
erfordert der Kampf mehrerer Empfindungen und deren Versöhnung 
die Entwicklung breiterer musikalischer Formen , in welchen ver- 
schiedene Melodien , welche sich erst gegensätzlich verhalten , in 
„Beziehung zu einander treten, an einander sich in allen ihren Eigen- 
thüralichkeiten entfalten, und schliesslich, indem ihr ganzer Inhalt 
nach allen Seiten erschöpft wird , eine neue Einheit durch Ver- 
schmelzung der Gegensätze darstellen. 

Welch feines und zartes Eingehen in jede Regung menschlicher 
Empfindung uns heut zu Tage die Ausbildung der musikalischen 
Kunst erlaubt, davon gibt der grösste aller Herzensbezwinger, Beet- 
hoven, auf jeder Seite seiner Werke Belege. Er führt uns auf die 
Höhen und in die Tiefen des ganzen menschlichen Gefühlslebens; 
an seinen Werken kann der Psycholog selbst das Wesen des Hu- 
mors , einer der coinplicirtesten Formen menschlicher Empfindung, 
studiren. Wie oft entwickelt nicht der Meister aus schmerzlichen 
und wehinüthigen Tönen scherzende, ja heitere Gebilde und führt 
uns so von der Klage zur Beruhigung, aus dem Gefängniss der 
Leidenschaft in das Reich der Freiheit! Und diesen ganzen seeli- 
schen Vorgang können wir uns an seinen Schöpfungen, thematisch 
analysirend, klar machen; wir können an der Hand der Kunst eines 
der Räthsel menschlichen Fühlens lösen. 

Man kann es dreist behaupten : Die Gesetze der musi- 
kalischen Composition sind diejenigen der mensch- 
lichen Empfindungsformen. Es ist Thorheit, den Grund 
dieser Gesetze anderswo zu suchen, als in der Menschenseele selbst. 
Das Klangmaterial liefert uns die Aussenwelt; das empfangen wir 
als ein Gegebenes, durch physikalische Gesetze Bedingtes; allein 
es ist unsere eigenste Empfindungsweise, welche schafft, dass wir 
es gerade in dieser und nicht in anderer Weise verwerthen; haben 
doch verschiedene Völker verschiedene Tonsysteme ! Die Akustik 
sagt uns, dass die Intervalle der Octave und Quinte in einfachsten 
Scbwingungsverhältnissen zu einander stehen ; *) aber dass wir sie 
deshalb als Consonanzen empfinden, ist damit nicht erklärt, — wir 
empfinden sie eben einfach als solche. Vielleicht ist im Laufe der 
Zeiten die Physiologie einmal im Stande, eine wirkliche Erklärung 
zu geben — vielleicht! 

Wir haben die Musik als die Kunst, welche uns die Schönheit 
der menschlichen Seele durch Töne offenbart, als die Herzenskün- 
derin bezeichnet, und diesem herrlichen Beruf gegenüber, dem sie 
so vollständig genügt, wagt man es, sie herabzuwürdigen zur Nach- 
äfferei der Aussenwelt ; man muthet ihr zu, Ereignisse , ja Biogra- 
phien zu erzählen, man missbraucht sie, um Vorwürfe darzustellen, 
denen sie niemals genügen kann, die ein Pinselstrich, ein Wort 
besser ausdrücken, als stundenlange Symphonieen; man wagt es zu 
behaupten , wie leerer Tonklingelei gegenüber der Musik nun erst 
ein würdiges Ziel gesteckt werde, dadurch, dass man sie in den 
Dienst des Gedankens nehme. Ist es nöthig, solche Thorheiten zu 
widerlegen? Gewiss nicht! „Aber Beethoven hat Programm- 
Musik gemacht," wird man einwenden : »Die Pastoralsymphonie, 
das Dankgebet des Genesenen, die Schlacht bei Vittoria ! a — — 
Gemach , gemach ! Wir haben oben gesagt , die Musik offenbare 
das Gefühlsleben , losgelöst vom Gegenständlichen , Ursächlichen. 
Damit ist nicht geleugnet, dass bestimmte äussere Einwirkungen 
Empfindungen so bestimmter Färbung erzeugen, dass deren Wieder- 
gabe unwillkührlich den Gedanken an ihre Veranlassung nahe legt, 
ja hervorruft. Dahin gehört z. B. die Stimmung, welche sich im 
ersten Satze der Pastoralsymphonie ausspricht. Beethoven hat aber 
auch damit nicht mehr als eben eine Stimmung geben wollen und 
sagt es ausdrücklich in der Ueberschrift. Auch die „Scene am 
Bach" gibt nicht mehr; doch wirken in diesem Stücke von Aussen 
herangebrachte und von dem Musiker verwerthete Motive mit : Na- 
turrhythmen und Naturtöne. Haben wir es aber mit einer blossen 
Nachahmung derselben zu thun ? — O nein ! Am Ufer des Baches 
im Schatten gelagert, hörte der Dichter den leisen Gesang der Wel- 
len ; der bezauberte seine Seele und zog sie fort, bis sie in glei- 
chem Rhythmus mitsang ; allmälig sang und klang ihm Alles : das 



*) D. h. die absolut reinen Intervalle; die Schwingungen der 
temperirten Quint stehen zu denen der Octav in sehr complicirtem 
Verhältnisse, ein Beweis mehr für die nachfolgende Behauptung. 



leise Leben und Weben des kleinen Volks im Gras, das Rauschen 
der Blätter; der Chor wurde immer voller und voller, bis zuletzt 
auch die befiederten Sänger in den Zweigen einstimmten in das Lied 
von der Schönheit und der Liebe unser Aller Mutter Erde. Sang 
es der Bach ? Sangen es Insecten und Vögel ? — Gewiss ! — Sie 
singen es noch fort und fort an jedem schönen Sommertag, aber 
nur in Beethoven's Seele gestaltete es sich zum zweiten Satze der 
Pastoralsymphonie ; er gibt uns seine Empfindung, nichts weiter. 
Wir wären andernfalls genöthigt , in dem Kuckuck einen Compo- 
nisten und Mitarbeiter Beethoven's anzuerkennen. 

Diese Einwirkung von Aussen herangebrachter musikalischer 
Motive tritt noch mehr hervor in den folgenden Sätzen : In dem 
Bauerntanz, im Gewitter und in dem Gesang der Hirten. Wir dür- 
fen auch nicht leugnen , dass diese drei Theile nicht aus musika- 
lisch-psychologischer Notwendigkeit mit einander verbunden sind. 
Wo man aber, wie in der Pastoralsyrophonie , so reichlich entschä- 
digt wird durch die Schönheit der einzelnen Theile , da kann mau 
sich die etwas lose Verknüpfung derselben nach poetischen, statt 
musikalischer Beweggründe schon gefallen lassen. Wie gewaltig 
ist nicht das Gewitter ! — »Nun, ist dies nicht Programmmusik im 
eigeutlicken Sinne des Worts?" — Nicht so ganz! Die entfesselte 
Natur in Donner und Sturm singt allerdings grossartige Weisen, 
aber nur in der Seele des Dichters werden sie zu menschlicher Mu- 
sik. Gleichwie Homer Helena's Schönheit durch den Eindruck, den 
sie auf die'Versammlung der Greise macht, versinnlicht, so schildert 
uns Beethoven die Gewalt des Gewitters in dem Eindruck desselben 
auf das Gemüth, in der unheimlichen Angst, die dem Losbruch vor- 
hergeht, in dem Entsetzen, den dieser hervorruft, und in dem Ge- 
fühl der Befreiung von dem Druck, den wir empfunden, wenn es 
vorüber ist. Die wilden Töne der Natur haben dem Künstler wohl 
Motive zur Benutzung geliefert , aber er hat sie zu festen, musika- 
lischen Gestaltungen, zu Themen umgebildet. Die Musik des Stur- 
mes hat, um mit Beethoven zu sprechen, Funken aus des Mannes 
Seele geschlagen, Gedankenblitze, — und die sind's, die so herrlich 
leuchten und auch dies Werk unsterblich machen. Es streift aller- 
dings an die Grenzen der Tonkunst, bewegt sich aber noch völlig 
innerhalb derselben. Was nun „Das Dankgebet des Genesenen" 
betrifft, so thut die Ueberschrift dem Verständniss dieses Stückes 
nichts ab noch zu. Mendelssohn hat ganz Recht zu behaupten, 
dass die Musik das, was sie sagen kann, viel genauer sagt, als alle 
Worte vermögen. So erschliesst auch diese Ueberschrift keinen 
verborgenen Sinn und löst keine Räthsel. Wer das Stück nicht 
ohne dieselbe versteht , versteht es auch nicht mit derselben ; für 
das Werk selbst ist sie überflüssig. Uns aber, die wir nicht blos 
das Werk, sondern auch den Meister lieben, ist sie werthvoll aus 
persönlichem Interesse, weil wir durch sie erfahren, wann und unter 
welchen Verhältnissen Beethoven diese wunderbare Stimmung durch- 
lebt hat. 

Was nun die „Schlacht bei Vittoria" betrifft, welche eiu wirk- 
liches und eigentliches Programmstück ist, so liefert grade das 
Schicksal dieser Composition den schlagendsten Beweis dafür, dass 
selbst ein Riesengeist einem Werke dieser Gattung keine Lebens- 
kraft zu verleihen wusste. 

Wir bedürfen nicht der Worte, um gute Musik zu erklären; 
hingegen bestimmt Musik im Gesang den Sinn der Worte genauer. 
Diese sind vieldeutig — Töne nicht. Derselbe Text kann öfters 
und verschieden componirt werden, denn Worte lassen verschiedene 
Auffassungen zu ; aber nur eine Composition wird ganz im Sinne 
des Dichters sein , genau seiner Empfindung entsprechen. Wenn 
dennoch dasselbe Musikstück bei verschiedenen Hörern verschiedene 
Eindrücke hervorrufen kann, so ist dies einfach so zu erklären, 
dass eben der Eindruck nicht die Composition selbst ist, sondern 
das Product derselben mit der Person des Hörers. Die Empfindungs- 
formen, die sich im Kunstwerk rein darstellen, mischen Bich im 
empfangenden Individuum mit gleichzeitigen Vorgängen des Gefühls 
und des Verstandes in diesem und erzeugen so bei ungleichen Be- 
dingungen ungleiche Resultate. 

Musik ist dadurch, dass sie direct auf das Gefühl wirkt, die 
mächtigste aller Küuste. Erfüllt der Musiker seinen Beruf in Würde 
und Weihe , offenbart er wirklich die Schönheit der Seele , so 
wirkt er segenbringend und veredelnd. Wie oft aber wird die 
Sprache der Musik zur Sprache zügelloser Leidenschaftlichkeit oder 



- 111 - 



«üsslicher Sentimentalität entwürdigt! Wird denn der Staat immer- 
fort gestatten, dass die heranwachsende Generation, die Hoffnung 
-seiner Zukunft, theils in Sinnlichkeit zerrüttet, theiis in falscher 
Empfindsamkeit abgeschwächt wird? Niemand fällt es bei, die be- 
lebende Wirkung kriegerischer Musik am Tage der Schlacht zu 
bestreiten, aber man lächelt über die Behauptung, dass in vielen, 
auch in den weitesten Kreisen das Gefühl der Jugend durch schlechte 
■Musik systematisch vergiftet wird. Und doch ist es so ! 

Die Kunstübung lässt sich allerdings nicht unter Censur 
«teilen ; aber die Aufsicht über den Unterricht sollte sich der 
Staat auch in Beziehung auf die Musik , dies wichtige Bildungs- 
mittel, nicht nehmen lassen. Er sollte als Lehrstoff nur Gesundes 
und Gediegenes gestatten, nur tüchtigen Menschen und Künstlern 
'das Lehren erlauben und strenge Aufsicht führen. Eine Jugend, 
*lie ausschliesslich mit kräftiger musikalischer Kost auferzogen würde, 
gäbe ein ganz anderes Volk, als wir es leider bis heute sind. 



Fanchon« das I^eyerinttdchen. 



Paris hat von jeher seine Strassensänger gehabt, die sich am 
Ende des letzten Jahrhunderts ausserordentlich vermehrten, und unter 
denen sich manche origiuelle Erscheinung befand, deren Andenken 
eich lange Zeit im Publikum erhielt. Zu diesen zählt Fanchon, 
das Leyermädchen , die schöne Savoyardin, welche lange Zeit der 
Liebling der Pariser war. 

Wenn irgend eine Heirath zwischen hochgestellten Personen 

stattfand und die Neuvermählten ibre Livreen und die Wappen ihrer 

Familien auf den Boulevards zur Schau stellten, da wurden sie der 

Anziehungspunkt für die dort Promenirenden, und es bildete sich 

«lsbald ein Areopag von jungen Elegants, welche die Persönlichkeit, 

den Schmuck, die Toilette der Neuvermählten einer strengen Kritik 

«unterwarfen. Mitten in einem solchen Kreise pflegte dann das 

.Leyermädchen Fanchon zu erscheinen, wohl ausgerüstet mit Couplets, 

die dem Range des neuen Ehepaares angemessen waren, und dieses 

belohnte dann die muntere Sängerin mit einer Börse voll Gold, 

die sie in ihrer Mousselinschürze auffing , oder die man ihr auch 

wohl in 'ihre Wohnung schickte. Dort trafen sich auch häufig die 

vornehmen Herren, tranken Cider oder Champagner und überliessen 

«ich der ungezwungensten Heiterkeit. Die Elite des Adels , die 

■Schöngeister und Chansondichter versammelten sich bei der schönen 

Savoyardin, welche sie mit unnachahmlichem Talente auf ihrer Leyer 

feegleitete und ihr Gedächtniss mit den auserlesensten dichterischen 

Hervorbringungen bereicherte, die sie dann auf den Boulevards wieder 

zu ihrem Vortheile zu verwerthen wusste. 

Sie war so sehr in der Mode, und ihr Vermögen wuchs dabei 
so bedeutend, dass sie Besitzerin des Hotels wurde, in welchem sie 
wohnte, und noch eine bedeutende Summe bei einem Notar hinter- 
legt hatte. Fanchon besass ein vortreffliches Herz, und was sie mit 
der einen Hand einnahm , verschenkte sie oftmals wieder mit der 
anderen. Man erzählte sich eine Menge solcher Beispiele , welche 
ihre Beliebtheit immernoch vergrösserten. Hier nur eines derselben: 

Wie gesagt, pflegte Fanchon jeden Abend auf dem Boulevard 
der kleinen Theater die Lieder der gewandtesten Dichter zu singen 
und die gedruckten Texte derselben zu vertheilen , welche sie in 
«iner reich gestickten Tasche , die sie neben ihrer Leyer anhängen 
hatte, mit sich trug. Sie blieb häufig vor einem Spezereiladen stehen, 
dessen Eigenthümer durch seine offene und heitere Miene einnahm, 
und dem Fanchon gerne einige neckische Bemerkungen zurief. Die 
Unterhaltung schloss stets mit einem ihrer hübschesten Stückchen 
-auf der Leyer, wofür Fanchon ein kleines Geldstück bekam, mit dem 
man sie grossmüthig zu bezahlen meinte. 

Eines Tages blieb die schöne Savoyardin wieder vor dem Spe- 
zereiladen stehen. Der Eigenthümer erschien nicht bei dem Klang 
ihrer Stimme, die er soust so gerne hörte, und sie glaubte selbst 
an den Ladenburschen eine gewisse Traurigkeit wahrzunehmen. Sie 
sog Erkundigungen ein und erfuhr, dass der wackere Mann, dessen 
Vertrauen man missbraucht hatte, sich nun ausser Stand sehe, seinen 
Verpflichtungen gegen seine Gläubiger nachzukommen. — Am näch- 
sten Morgen erschien Fanchon's Notar bei dem Kaufmann und theilte 
ihm folgendes mit: „Eine Person , welche unbekannt zu bleiben 



wünsche, habe Keontniss von seiner Lage erhalten, and da ihre Ver- 
hältnisse ihr erlauben, hie und da ehrlichen Leuten zu Hülfe na 
kommen, so wolle sie ihn aus setner Verlegenheit ziehen. Er sei 
beauftragt, ihm die Summe von 30,000 FrB. zur Bezahlung seiner 
Schulden zur Verfügung zu stellen, und er möge selbst die Zeit 
bestimmen, wann er dieselben zurückbezahlen wolle." 

Der Kaufmann, ganz verblüfft von diesem Glücksfall, stellte 
drei Wechsel von verschiedener Verfallzeit aus, und drückte sein 
inniges Bedauern aus, dass er seinem unbekannten Wohlthäter, der 
ihn vom Ruin gerettet, nicht seinen Dank ausdrücken könne. Er 
löste seine Verbindlichkeiten mit der grössten Gewissenhaftigkeit. 
Uebrigens hatte der ganze Vorfall seine Neugierde auf das Höchste 
gespannt, und ein ganzes Jahr lang bemühte er sich vergeblich, die 
Lösung dieses Räthsels zu finden, bis endlich eine Unvorsichtigkeit 
des Notars oder irgend ein anderer Umstand ihm die Wahrheit ent- 
hüllte. Eines Tages, als Fanchon auf dem Boulevard du Temple 
sang, drängte sich der Kaufmann durch die sie umgebende Menge 
und drückte ihr mit bewegter Stimme öffentlich seinen Dank aus. 
Die schöne Sängerin wurde natürlich der Gegenstand einer lebhaften 
Ovation. 



— ooo< 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Stuttgart. 

Anfangs Juli. 

Den Schluss unserer Frühlingssaison bildete, wie es unter die- 
sen Umständen fast geboten schien, eine Aufführung zu patrioti- 
schem Zwecke , welche der Singverein im Museumssaale veran- 
staltete, und deren Programm auch der Zeitstimmung nicht nur 
nicht widersprach, sondern theilweise sogar mit besonderer Rück- 
sicht darauf gewählt war. Neben Schuberts vollständiger Mu- 
sik zu „Rosamunde" und drei prachtvollen Scenen aus Bruck's 
„Fritjofsage fanden nämlich den begeistertsten Anklang die impo- 
santen Kraftstellen in S c h u m a n n's Ballade »Sängers Fluch,* 
welche im letzten Concerte wegen plötzlicher Erkrankung eines 
Solosäugers ausgefallen war, diesmal aber zu desto zündenderer 
Wirkung gelangte, und zwei Lieder von L. Stark „Soldatenlied" 
und „Wer ist frei?" deren Erfolg schon durch ihren treffenden Text, 
sowie durch die Begeisterung des Sängers gesichert war; das zweite 
musste auf stürmisches Verlangen wiederholt werden. Auch die 
übrigen Solisten, obschon sämmtlich Dilettanten, und der zahlreiche 
Chor leisteten durchweg Vortreffliches ; nur die gewitterschwüle 
Temperatur jenes Abends erschwerte sowohl den Ausführenden ihre 
Aufgabe, wie sie auch auf die Frequenz etwas nachtheilig gewirkt 
hatte. t. 



Nachrichten. 



MaiDZ. Im hiesigen Stadttheater fanden von Anfang September 
1865 bis Ende Mai 1866 im Abonnement 150 , ausser Abonnement 
25 Vorstellungen statt; davon treffen 91 auf das Schauspiel und 84 
auf die Oper. Man gab 39 verschiedene Opern, darunter eine neue 
(Bruch'« „Loreley"), ein Opernfragment, 86 Schau- und Trauerspiele 
(darunter 6 neue), 54 Lustspiele (13 neue), 20 Vaudevilles und Possen 
(4 neue), im Ganzen demnach 150 verschiedene Stücke und Opern. 
Von cl assischen Werken wurden gegeben : 6 Stücke von Shakespeare, 
1 von Moreto, 1 von Moliere, 2 von Lessing, 5 von Göthe, 6 von 
Schiller; 4 Opern von Mozart, 1 von Weber und 1 von Beethoven. 
— Liedertafel und Damengesangverein veranstalten am nächsten 
Sonntag ein Morgenconcert zum Besten des Hülfsvereins für ver- 
wundete Krieger. 

Wien. Im Laufe des Monats Juli , vom 2. bis zum 31. d. M., 
finden am Conservatorium die öffentlichen Prüfungen in sämmtlichen 
Lehrfächern und Classen statt. 

— Die zu einem patriotischen Zwecke im Volksgarten stattge- 
habte Production des Männergesangvereins unter Mitwirkung des 
S t r a u s «'sehen Orchesters ergab eine Reineinnahme von mehr ala 
1000 fl. 



- 112 — 



— Der einbeinige Tänzer D o nato gastirt wieder im Carltheater. 

— In einer Zusammenkauft der Vertreter von 26 Gesangvereinen 
Wiens und der benachbarten Ortschaften, deren Vorsitz Hofcapeli- 
meister Herb eck führte, hatte man beschlossen, am 15. Juli mit 
gemeinschaftlichen Kräften ein grosses Musikfest im Prater zu veran- 
stalten, dessen Reinertrag den „Wittwen und Waisen der im Kampfe 
gefallenen österreichischen Krieger" gewidmet werden sollte; allein 
man fand sich veranlasst, dieses Fest vorderhand auf unbestimmte 
Zeit zu vertagen. 

Paris. Di» Facaden des neuen Opernhauses sollen die Büsten 
von berühmten Componisten zieren, und man hat hierzu folgende 
Wahl getroffen: Adam, Berton, Boieldieu, Cherubini, Donizetti, 
Herold, Lesueur, Mehul, Nicolo, Eossini, Verdi. Nach welchem 
Prinzipe ist wohl diese Auswahl geschehen ? Wollte man blos fran- 
zösische Componisten verherrlichen, wie kommen dann Donizetti, 
Verdi, Rossini dahin, und wo bleiben dagegen Lully, Rameau, 
Gretry, Halevy und Meyerbeer? Sollten aber die grossen Meister 
des Opernfaches überhaupt vertreten sein, haben dann Mozart und 
Gluck weniger Ansprüche auf Einreihung in die Zahl der Auser- 
wählten als z.B. Adam und Donizetti? Es läge die Berücksichtigung 
der genannten beiden Tonheroen um t>o näher, als man in neuerer 
Zeit deren Opern wieder mit grossem Pomp vorzuführen für gut 
befunden bat. Wir weisen z. B. hin auf die neuliche Aufführung des 
„Don Juan" und auf die beabsichtigte Inscenirung der „Alceste" 
an der gtossen Oper, abgesehen von den emioenten Erfolgen, welche 
in den letzten Jahren das The'ätre lyrique mit den Opern Gluck's 
und Mozart's erzielte. 

London. Benedict hat wie alljährlich wieder ein Riesencon- 
cert in St. James 1 Hall veranstaltet , welches von einem äusserst 
zahlreichen und glänzenden Auditorium besucht war. Das Programm 
enthielt die Kleinigkeit von etwa 50 (sage fünfzig) Nummern, wo- 
bei die Bescheidenheit des Concertgebers zu bewundern ist, da nur 
vier Nummern von seiner eigenen Composition waren. Die Damen 
Vilda, Lucca, Tietjens undParepa, sowie die HH. San tley, 
Gunz, Faure, Hohler, Gardon i, Bettini u. Sim s-R e e- 
ves waren aufgeboten, neben welchen Mme. Goddard, die unver- 
meidliche Pianistin, der Holz- und Stroh- Virtuose Bonnay, und ein 
reizender Chor von jungen Damen , sowie der Knabe C o k e r als 
Sopranist ihre besten Kunststücke losliessen. Wie viele Musikfreunde 
in Deutschland besässen wohl den Muth und die Ausdauer, ein 
solches Bandwurm -Concert von Anfang bis zu Ende anzuhören? 
Solches vermag wohl nur ein englisches Publikum zu leisten. 

— Sterndale Benett, der Dirigent der philharmonischen 
Concerte, ist gesonnen, nach beendigter Saison von dieser Stellung 
zurückzutreten, was im Interesse der Gesellschaft sehr zu beklagen 
wäre. 

*** Das neue Opernhaus in Paris. Unter all' den neuen 
Bauwerken , welche die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch 
nehmen, steht obenan die neue grosse Oper, die sich auf dem Boule- 
vard des Capuzines erhebt. Dieser wirklich prächtige Bau, der an 
Glanz und Luxus Alles überstrahlen soll, was in diesem Sinne bereits 
geschaffen worden ist, wird vermuthlich erst im Jahre 1869 vollen- 
det sein und seiner Bestimmung übergeben werden können. Es wird 
zu dem Baue durchaus kein Holz verwendet; Eisen, Quadersteine 
und Marmor bilden das ausschliessliche Material des grossartigen 
Werkes, an welchem täglich tausend Arbeiter beschäftigt sind. Der 
Staat hat dem Baumeister, Hrn. Garnier, fünfundzwanzig Millionen 
zur Vollendung dieses Baues zur Verfügung gestellt; sechszehn Mil- 
lionen sind davon bereits verausgabt; das Honorar des Baumeisters 
ist auf 2 Prozent der Ausgaben festgestellt, so dass derselbe für die 
Leitung des ganzen Baues fünfmalhunderttausend Francs empfängt. 
Die auf fünfundzwanzig Millionen veranschlagten Kosten sind also 
zu vertheilen : zwei Millionen für das Eisenwerk, acht Millionen für 
Marmor und fünfzehn Millionen für Bildhauerarbeiten, sonstige künst- 
lerische Ausschmückungen und das Steinwerk. Der künstlerische 
Theil des Werkes erscheint somit als der kostspieligste, was nicht 
in Erstannen setzen darf, besonders wenn man weiss, dass Künstler 
wieGerdme, Pils, Boulanger, Boudry etc. mit den Malereien 
für das Innere des Gebäudes beauftragt sind. Der verwendete Mar- 
mor ist aus den Pyrenäen, aus dem Jura, aus Schweden und von 
Carrara bezogen worden ; rechnet man hierzu noch : Onyx aus Algier, 
Jaspis vom Mont-Blanc und schottischen Granit, so gewinnt man 



eine ungefähre Uebersicht der verwendeten Materialien. Der her-* 
vorragendste Punkt des Gebäudes wird die Höhe der Thürme von 
Notre-Dame erreichen; die Versenkungen werden 17 Meter Tiefe 
haben , die Bühne soll 17 Meter hoch werden , und oberhalb des 
Vorhangs wird noch ein leerer Raum ebenfalls in der Höhe von 17 
Metern frei bleiben. Diese bedeutenden freien Räume werden na- 
türlich sehr wesentlich zur Schonung und bequemen Aufbewahrung 
der Decorationen beitragen. Die Scene selbst wird 35 Meter tief 
und 52 Meter breit werden. Die Logen werden sämmtlich von 
Salons umgeben sein , die dreimal geräumiger sind als die Logen 
selbst. Die Räume hinter der Scene, die für die Künstler bestimmt 
sind : Balletsäle, Probezimmer, Garderobe u. s. w. haben sämmtlich 
colossale Dimensionen und höchst zweckentsprechende Einrichtungen» 
So ist z. B. für den Balletsaal ein Spiegel bestellt, der 10 Meter 
hoch und 5 Meter breit, eine ganze Wand bedecken wird. Am linken 
Flügel des Gebäudes, ausserhalb, ist eine überdeckte Auffahrt ange- 
bracht, die speziell für den Kaiser vorbehalten bleibt. Der kaiser- 
liche Wagen wird demnach auf einer massig steilen Erhöhung bis 
an die erste Etage des Gebäudes anfahren können, wird sodann auf 
einem ganz symetrischen Wege wieder abfahren und unmittelbar 
unter der kaiserlichen Loge bis zum Schlüsse der Vorstellung Remise 
nehmen. Unmittelbar um die kaiserliche Loge herum sind geräu- 
mige Gemächer angelegt, die aus einem Vorzimmer, drei Warte- 
Zimmer und einem grossen Empfangs - Salon bestehen, so dass der 
Kaiser, wenn er Lust hat, während der Zwischenacte grosse Gesell- 
schaften empfangen kann. Der grosse Salon wird mit vierundzwanzig 
Marmorsäulen verziert werden, deren jede fünftausend Franken kostet» 
Der kaiserlichen Loge gegenüber befindet sich die Loge für die 
Herren Staatsminister, die ebenfalls einen besonderen Eingang haben 
und mit grosser Pracht ausgeschmückt werden soll. (Leipz. Sign.) 
*** Professor Lindhult in Hannover erhielt, nachdem in 
einem Hofconcerte verschiedene Chöre von seinen Schülern und 
unter seiner Leitung ausgeführt worden waren , vom Könige von 
Hannover das Ritterkreuz des neugestifteten Ernst August - Ordens. 
Frl. Üb rieh, welche in demselben Concerte mitwirkte, wurde mit 
einem mit Brillanten und Perlen reich besetzten Kreuze beschenkt. 
*#* Hans Blau, bisher Mitglied des kais. Hofopernorchesters 
in Wien, ist als Concertmeister am Mozarteum in Salzburg 
engagirt worden. 

*** Das Victoriatheater in Berlin wird am 9. Juli der 
Zwangsversteigerung unterworfen werden ; dasselbe ist gerichtlich 
auf 440,663 Thlr. geschätzt. 

%* Für die am 28. Juni beginnende Saison in Baden-Baden 
sind folgende Künstlergrössen gewonnen: Clara Schumann, 
Viardot-Garcia, Carvalho, Dulken, Vieuxt'emps, 
Servais, Gebr. Ho lim es und W. Krüger. 

*** Man schreibt aus Wien: An der künstlerischen Austattung 
des neuen Operntheaters wird rüstig fortgearbeitet, v. Schwind 
gedenkt das eine der Hauptbilder in der Loggia und das Gemälde 
des Deckengewölbes im Laufe dieses Sommers zu vollenden, wobei 
er von Mosdorf, der schon auf der Wartburg mit ihm gearbeitet 
hat, unterstützt wird. Das nächste Jahr soll die Ausführung de» 
zweiten Hauptbildes, der fünf Lunetten und der gesammten Orna- 
mentik, somit der Vollendung des ganzen Werkes gewidmet sein. 
Auch die Decorationsmaler sind eifrig mit der Herstellung der 
neuen Prospecte etc. beschäftigt. Brioschi, dieser Meister in 
seinem Fache, hat die vorzüglich gelungenen Prospecte zu „Fi- 
garo's Hochzeit* vollendet. Neben ihm sind Joseph Hoffmann 
und Grünfeld (bisher am Theater an der Wien engagirt) mit 
Ausführung verschiedener Decoratiouen betraut. 

*** Der König und die Königin von Belgien machen eine 
Rundreise im ganzen Lande, bei welcher Gelegenheit in verschie- 
denen Städten Musikfeste veranstaltet werden. 

V Die Quartett gesellschaft in Mailand hat Concurrenz aus- 
geschrieben für zwei Preisaufgaben, nämlich: 6 Lieder ohne Worte 
für Pianoforte , und ein Concert in drei Sätzen für Pianoforte mit 
Begleitung von Streichinstrumenten. Preise von 300 Frs. und 160 
Frs. für jede der beiden Aufgaben; Einlieferung bis zum 15. No- 
vember d. J. bei der Quartettgesellschaft „San Giovanni" in Conca,. 
7, Mailand, unter den üblichen Formalitäten. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang« 



W- 99. 



16. Juli 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



f Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand 
lungen. 



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PBEIS: ^ 

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,, für den Jahrgang. 

SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. U«* die Post b«*« ■. 

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■■ 



INHALT: Stradella und die Contarini. — Literatur. — Correspondenz : Mainz. — Nachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

P. Richard. 



I. 

Unter diesem Titel hat die in Paris erscheinende musikalische 
Zeitschrift „Le Mdnestrel' i vor einiger Zeit höchst interessante 
Aufschlüsse über das Leben, Schaffen und tragische Ende des Com- 
ponisten Alessandro Stradella mitgetheilt, welche, mit diplo- 
matischen Actenstücken und Correspondenzen belegt , ein ziemlich 
helles Licht auf die bisher unbekannten oder in entstellter Weise 
geschilderten Schicksale dieses Oomponisten, sowie auf seine künst- 
lerische Thätigkeit werfen, so dass ein Auszug aus den angeführten 
Mitteilungen unseren Lesern gewiss nicht unwillkommen sein dürfte. 
Stradella ist durch seine bekannte „Kirchenarie" in neuerer 
Zeit sozusagen populär geworden. Auch die Bühne hat sich seiner 
bemächtigt, und so wie vor mehreren Jahren Niedermeyer in 
Paris, so hat in Deutschland Fl otow den italienischen Meister zum 
Opernhelden gemacht. Was man bisher von demselben wusste, be- 
schränkt sich auf das, was Bourdelot von ihm in seiner ,.Histoire 
de la Musique et de ses effets" 1 ' gegeben und Fetis in seiner 
„Biographie des Musiciens'* nachgeschrieben hat. In ihrer Mischung 
von Wahrem und Falschem hat diese Erzählung eines Zeitgenossen 
nach und nach immer mehr einen gewissen romanhaften Character 
angenommen. Wir geben dieselbe wieder, wie folgt: 

„Ein gewisser Stradella , ein ausgezeichneter Musiker , der in 
Yenedig engagirt war, um die während des dortigen Carnevals so 
häufigen Opern zu componiren, bezauberte nicht weniger durch seine 
Stimme wie durch seine Compositionen. Ein venetianischer Nobile 
Namens Pig . . . . hatte eine Geliebte, welche ziemlich gut sang; er 
wollte, dass jener Musiker sie im Gesänge ausbilden und zu diesem 
Zwecke in ihr Haus kommen sollte, was eigentlich dem Herkommen 
bei den äusserst eifersüchtigen Venetianern gänzlich widersprach. 
Nachdem dieser Unterricht einige Monate gedauert hatte, fanden 
Lehrer und Schülerin sich gegenseitig so sehr für einander einge- 
nommen, dass sie beschlossen, mit einander nach Born zu fliehen, 
sobald sich eine Gelegenheit dazu darbieten sollte , was zu ihrem 
Unglücke nur zu bald der Fall war, und so schifften sie sich denn 
in einer schönen Nacht nach Born ein. Diese Flucht brachte den 
«dien Venetianer zur Verzweiflung und er beschloss, sieb um jeden 
Preis durch den Tod Beider zn rächen. Er lies» sogleich zwei der 
berüchtigtsten Banditen kommen, die damals in Venedig zn finden 
waren und kam mit ihnen überein, dass sie für den Preis von 800 
Pistolen Stradella nachreisen und mit seiner Gefährtin ermorden 
tollten ; er versprach ihnen überdies Ersatz der Beisekosten, bezahlte 
die Hälfte des Lohnes voraus und gab ihnen noch genaue Instructionen 
für die Ausführung des Mordes mit. Sie gingen* zunächst nach Neapel, 
wo sie erfuhren, dass Stradella mit seiner Schülerin sich nach Born 
hegeben habe, wo diese für seine Frau gelte. Sie zeigten dies dem 
venetianischen Nobile an mit der Versicherung, das« sie ihre Opfer 



I 



nicht verfehlen würden, wenn sie dieselben noch in Born anträfen, 
und baten ihn, er möchte ihnen ein Empfehlungsschreiben an den 
venetianischen Gesandten in Born schicken, damit sie dort eines 
Asyls Bicher wären. In Born angekommen, zogen sie Erkundigungen 
ein und erfuhren , dass Stradella des Abends 5 Uhr in der Kirche 
zu St. Jobann von Lateran ein Oratorium aufführen werde. Die 
Banditen begaben sich dahin in der Hoffnung, dass sie ihren An- 
schlag gegen Stradella auf seinem Wege nach Hause würden aus- 
führen können. Allein der Beifall, den das ganze Publikum dem 
grossen Meister und seinem Werke spendete, und der Eindruck, den 
die Schönheit der Musik auf die Herzen der Banditen selbst machte, 
verwandelte wie durch ein Wunder ihre Mordlust in Mitleid , und 
sie stimmten darin überein, dass es schade wäre, einem Manne das 
Leben zu rauben, dessen Musik ganz Italien zur Bewunderung hin- 
reisse, so dass sie gleichzeitig den EntschluBss fassten, ihm das Leben 
zu retten, anstatt ihn zu ermorden. Sie erwarteten ihn am Ausgange 
der Kirche, beglückwünschten ihn zuerst wegen seines Oratoriums 
und gestanden ihm dann , dass sie die Absicht gehabt hätten , ihn 
zu erdolchen , um den venetianischen Nobile Pig .... zu rächen, 
dass sie aber, bezaubert von seiner Musik, ihren Entschluss geändert 
hätten und ihm nun riethen, gleich am nächsten Tage Born zu ver- 
lassen und einen sicheren Versteck aufzusuchen, während sie Pig.... 
mittheilen wollten , Stradella sei am Tage vor ihrer Ankunft von 
Born abgereist, damit jener sie nicht der Nachlässigkeit beschuldi- 
gen könne. Stradella liess sich dies gesagt sein und reiste mit 
seiner Geliebten nach Turin, wo die Herzogin von Savoyen damals 
als Begentin herrschte. Die Banditen kehrten nach Venedig zurück 
und versicherten dem Venetianer, dass Stradella Born verlassen habe, 
um sich nach Turin zu begeben , wie sie ihm bereits mitgetheilt, 
wo es viel schwieriger sei, einen Mord von Bedeutung auszuführen 
als in anderen Städten Italiens, theils wegen der dortigen Garnison, 
theils wegen der Strenge der Justiz , welche die Asyle , die den 
Banditen als Zuflucht dienen, nicht sonderlich achte, ausser die bei 
den fremden Gesandten. 

Allein Stradella war damit noch nicht sicher, denn der edle 
Venetianer sann auf Mittel, um seine Bache in Turin auszuführen, 
und um ganz sicher zu gehen , engagirte er den Vater seiner ehe- 
maligen Geliebten, welcher mit zwei anderen Banditen nach Turin 
ging , um seine Tochter und Stradella zu ermorden. Er war im 
Besitz eines Empfehlungsschreibens des Abbe 1 d' Estrade, damals 
französischer Gesandter in Venedig, an den Marquis de Villars, 
zur gleichen Zeit Gesandter Frankreichs in Turin. Der Abb6 er- 
suchte den Marquis um seinen Schutz für drei Geschäftsleute, welche 
sich einige Zeit in Turin aufhalten wollten ; es waren dies die Ban- 
diten, welche dem Gesandten ihre schuldige Aufwartung machten, 
und dann die Gelegenheit abwarteten, um ihr Vorhaben mit Sicher- 
heit ausführen zu können. Allein die Herzogin-Regentin, welche von 
StradelkVs Geschichte gehört hatte, liess die Frau in ein Kloster 
bringen, indem sie wohl wusste, dass ein Venetianer eine derartige 
Beleidigung niemals verzeiht, und nahm den Musiker in ihre Dienste. 
Dieser wurde, als er eines Abends auf den Wällen von Turin spa- 



- 114 - 



zieren ging, von den drei Banditen angefallen, von denen jeder ihm 
ein Dolcbstoss in die Brust versetzte, worauf sie sich bu dem fran- 
zösischon Gesandten flüchteten , wo Bie ein sicheres Asyl fanden. 
Diese That, welche von vielen Leuten, die ebenfalls auf dem Walle 
spazieren gingen, mit angesehen wurde, machte anfangs so grosses 
Aufsehen, dass alsbald die Thore der Stadt geschlossen wurden. 
Als die Herzogin Nachricht davon erhielt, ordnete sie die Verfolgung 
der Mörder an ; man wusste , dass sie sich bei dem französieren 
Gesandten befanden, und verlangte deren Auslieferung. Allein dieser 
entschuldigte sich, dass er dieselben ohne Befehl von seinem Hofe 
nicht ausliefern dürfe, in Anbetracht der Privilegien, welche die 
Gesandtschaftshotels als Asyle besässen. Diese Angelegenheit machte 
in ganz Italien von sich sprechen. Der Marquis de Villars wollte 
die Ursache des Mordanfalls von den Banditen erfahren , und diese 
erklärten ihm auch den ganzen Hergang. Er schrieb desshalb an 
den Abbe d'Estrade , welcher ihm mittheilte , er sei von Pig . . . ., 
einem der vornehmsten Venetianer getäuscht worden; da nun Stra- 
della nicht an seinen Wunden starb , liess de Villars die Mörder 
entschlüpfen, deren Anführer der Vater der Geliebten des Nobile war, 
und diese ebenfalls erdolcht haben würde, wenn sich ihm Gelegen- 
heit dazu dargeboten hätte. 

„Die Venetianer sind jedoch in einem solchen Falle unversöhn- 
lich, uud Stradella konnte daher der Bache seines Feindes nicht 
entgehen, welcher beständig Spionen in Turin unterhielt, um jeden 
seiner Schritte zu verfolgen. Als daher der Musiker ein Jahr nach 
seiner Wiederherstellung aus Neugierde mit seiner Geliebten, welche 
sich Ortentia nannte, und die er dem Willen der Regentin ge- 
mäss nach seiner Genesung geheirathet hatte, Genua besuchte, wurden 
beide am Tage ihrer Ankunft daselbst in ihrem Zimmer ermordet, 
und die Mörder flohen in einer Barke, welche sie im Hafen von 
Genua erwartete , so dass man weiter nicht mehr davon sprechen 
hörte. Auf diese Weise endete der ausgezeichnetste Musiker von 
ganz Italien um das Jahr 1670." 

So erzählt B o n n e t in seiner „Histoire de la musique et des 
effets:' Paris, 1715. in 12°; p. 56— 65. Der Mediciner Baudelot, 
ein Zeitgenosse Stradella's, der einige- der Personen, welche in die- 
ser tragischen Geschichte mitspielten, selbst kannte, war gestorben, 
ehe er seine Papiere, welche viel ungeordnetes Material enthielten, 
ordnen konnte und auch sein jüngerer Bruder und Erbe starb vor 
Beendigung dieser Arbeit , so dass diese auf seinen Erben Bonnet 
überging , der endlich 1715 das oben angeführte Buch zu Tage 
förderte, welches F6tis nicht mit Unrecht als ein unförmliches be- 
zeichnet. Dies ist die , aus Wahrheit und Dichtung bestehende 
Quelle, aus welcher alle nachfolgenden Schriftsteller, die sich mit 
diesem Gegenstande beschäftigten, geschöpft haben, so in früherer 
Zeit Hawking u. Dr. Burney , in neuerer Zeit Fetis, 
Schilling u. A. Die persönliche Bekanntschaft Bourdelot's mit 
mehreren betheiligten Personen und die Stellung dieser Letzteren, 
sowie die widerlichen Umstände von denen die seltsamen Ereignisse 
begleitet waren, machen es natürlich, dass Bourdelot nicht Alles 
sagte, oder vielmehr sagen konnte: Heutzutage existiren keine 
solchen Rücksichten mehr, die einfachen Thatsachen zu erzählen, 
uud man muss höchlich erstaunt sein über die unangenehmen Ver- 
wickelungen, welche, wie man sehen wird, die Ermordung eines 
unglücklichen Musikers, zwischen den venetianischen Patriziern, 
einer Herzogin von Savoyen und einem Könige von Frankreich 
herbeiführte. Wir werden daher die Documente anführen, welche 
ein unerwartetes Licht auf eine halberfundene Legende werfeu, und 
Stradella wird darum um nichts weniger eine der hervorragendsten 
musikalischen Grössen des 17. Jahrhunderts bleiben, weil wir seine 
Geschichte auf die prosaische Wirklichkeit zurückführen ; auch 
wird seiner Bedeutung als Musiker und seinen Compositionen ge- 
bührend Rechnung getiagen werden. 



Literatur. 



vor, der eine grosse Anzahl von auf Musik etc. bezüglichen Apho- 
rismen , Briefen , kleinen prosaischen Aufsätzen und Gedichten aus 
alter und neuer Zeit, ohne irgend ein System bunt aneinandergereiht, 
enthält uud dem Leser manches Interessante, wohl auch ihm noch 
Unbekanntes in Poesie und Prosa darbietet. Sehr zu tadeln ist der 
vollständige Mangel eines Registers, so dass ein Ueberblick über 
den Gesammtinhalt oder eine freie Auswahl für den Leser geradezu 
unmöglich gemacht ist. 



Album der Malerei und Musik. Aus Altem und 
Neuem gesammelt von Alice Salzbrunn. Leipzig, 
1866. Verlag von Moritz Schäfer. 

Unter diesem Titel liegt uns ein 361 Seiten starker Octavband 



Kreuz- und Trostlieder von Friedrich Oser. 2. 
sehr vermehrte Auflage mit Angabe der Compositionen, 
1866, Verlagshandlung von Julius Niedner. 

Für den Werth dieser Gedichte ernsten Inhalts, den ihnen ein 
feiner poetischer Sinn, Gefühlstiefe bei ungezierter Aus drucks weise 
und Bchöne, edle Form gewähren, gibt das beste Zeugniss die That- 
sache, dass die meisten derselben von unseren besten Liedercom- 
ponisten, viele sogar mehrfach in Musik gesetzt wurden, und soweit 
dieselben gedruckt sind, auch in den weitesten Kreisen Verbreitung 
gefunden haben. Nicht weniger als 56 Tondichter sind namentlich 
angeführt, welche einzelne oder mehrere dieser Lieder für eine oder 
mehrere Stimmen componirt haben, und wir möchten daher die ge- 
haltvolle Sammlung sowohl den Freunden lyrischer Poesie überhaupt 
als insbesondere den Liedercomponisten zur besonderen Beachtung 
empfehlen. 

Aus deutschen Sängerherzen. Gedichte von Hein- 
rich Stein. Leipzig, bei Moritz Schäfer, 
1866. 

Diese kleine Sammlung recht hübscher Gedichte ernsten und 
heiteren, zum Theil auch patriotischen Inhalts, welche sich sämmt- 
lich sehr wohl zur Composition eignen, dürfte darum für Lieder- 
componisten eine willkommene Erscheinung sein. 

Liedersammlung für Töchterschulen. In drei 
Heften herausgegeben von C. Heb ig. Bremen, 
Verlag von A. D. Geisler. 

Die drei Hefte enthalten 179 ein-, zwei- und dreistimmige Ge- 
sänge mit einfachen Weisen und von den verschiedensten Meistern. 
Es sind meistens wohlbekannte und allgemein beliebte Lieder, 
welche für den Gebrauch in Töchterschulen passend eingerichtet 
und für diese sowie für den Familienkreis bestens empfohlen wer- 
den können. 



Auswahl dreistimmiger Gesänge für Schule 
und Haus, von H. Kurth. (Obiger Verlag.) 

Diese kleine Sammlung enthält nur zwölf Lieder für drei 
Knaben- oder Mädchenstimmen und sind als ihrem Zwecke voll- 
kommen entsprechend anzuerkennen. Die drei Stimmen sind hier 
nicht, wie in der vorhergenanuten Sammlung, in Partitur, sondern 
jede Stimme einzeln gedruckt. 



Einderschatz-Lieder. Erster Theil, enthaltend 
120 Lieder aus H. Schulze undW. Steinmann's 
Lesebüchlein und Kinderschatz, I. Theil ; mit Angabe 
der dazu gehörigen Choralmelodien und mit zwei- 
stimmigen Volksweisen versehen von Hermann KeyL 
Dresden, Verlag von Louis Ehlermann. 

Die 120 Lieder dieser Sammlung sind theils protestantischen 
Choralmelodien, theils einfachen, recht hübschen Volksweisen, deren 
manche für verschiedene Lieder gelten, angepasst und sind gleich 
der Kurt'schen Sammlung für Schule und Haus recht gut anwendbar, 
nur mit dem Unterschiede, dass sie die Kenntniss der bezüglichen 
Choralmelodien und des angeführten Lesebüchleins und Kinder- 
schatzes voraussetzen. 



- 115 — 



COBRSSPONDENZEK. 



lus Mainz. 

12. Jall. 

Das von der hiesigen Liedertafel and dem Damengesangverein 
am vergangenen Sonntag veranstaltete Morgenconcert zum Besten 
des „Hülfavereins für verwundete Krieger", war ziemlich Btark be- 
sucht und ergab, da nach der ersten Abtheilung des Concertes von 
Jungen Dameu des Vereins unter der Zuhörerschaft für den ange- 
gebenen Zweck noch besonders collectirt wurde , eine Reinein- 
nahme von nahezu 700 fl. 

Wenn nun auf diese Weise einerseits das Publikum seinen 
Wohlthätigkeitssinn glänzend bewährte, so haben andererseits auch 
-die concertgebenden Vereine unter der sorgfältigen Leitung ihres 
Dirigenten, Hrn. Friedrich Lux des Anziehenden und Wohlge- 
lungenen in reicher Abwechslung gar Vieles geboten. 

Was zuvörderst die Leistungen des Chores betrifft, so wurden 
•die zu Anfang der ersten Abtheilung gesungenen zwei Chöre aus 
dem 15. und 16. Jahrhundert, nämlich „Ave Maria" von Arcadelt 
und „Santa Trinita beata" nicht nur mit vollkommener Sicherheit 
und Reinheit der Intonation, sondern auch geschmackvoll und mit 
stylgemässer Einfachheit vorgetragen und riefen allgemeinen Beifall 
liervor; ebenso am Schluss dieser Abtheiluog der Psalm für 4stim- 
migen Frauenchor und Soli mit Ciavierbegleitung von Franz Lachner, 
welcher in Folge feinerer und fertigerer Ausführung als bei dem 
vorjährigen Musikfeste und in dem günstigeren Räume erst recht 
zur Geltung kam. In der zweiten Abtheilung wurden zwei Lieder 
für gemischten Chor von M, Hauptmann, nämlich „Abendlied tt von 
Kückert und „ Sängerfahrt u von Eichendorff mit grosser Präcision 
und hübscher Nüancirung vorgetragen, und der prachtvolle Schluss 
des ersten Theils von Mendelssohn's „Elias," mit welchem das Con- 
•cert schloss, ward mit wünschenswerthester Sicherheit und feurigem 
Schwünge ausgeführt und mit stürmischem Beifall aufgenommen. 
Ueber die Sololeistungen müssen wir uns, da dieselben grösstentheils 
von Vereinsmitgliedern ausgingen, einer eigentlichen Kritik enthalten ; 
dieselben bewiesen, dass neben den schon seit längerer Zeit aner- 
kannten vortrefflichen Solisten der beiden Vereine sich auch jüngere 
*ind bisher unbekannte Kräfte in recht anerkennenswerther Weise 
hervorthuen, was auf das fernere Gedeihen und das aneifernde Selbst- 
bewusstsein der Vereine im höchsten Grade günstig wirken muss. 

Besonderes Interesse erregte das Auftreten der Frl. T i p k a, 
welche als Coloratursängerin in den weitesten Kreisen vorzüglich 
accreditirt ist und auch bei dieser Gelegenheit wieder durch den 
Vortrag einer äusserst brillanten Arie aus , La Gazza ladra" von 
Rossini ihre Meisterschaft im Coloraturgesang glänzend bewährte, 
aber auch die von ihr freundlichst übernommene Sopransoli in dem 
Lachner'schen Frauenchor mit achtem Gefühl und einfach edlem 
Ausdruck wiederzugeben verstand. Rauschender Beifall und Hervor- 
ruf wurden der geschätzten Künstlerin nach dem Vortrag ihrer Arie 
zu Theil. Auch unser hoffnungsvoller Landsmann Hr. August 
Ruff hat durch den verständnissvollen, Kraft und Weichheit glück- 
lich verbindenden Vortrag der Tenorarie: „Wie eitel ist" aus Hän- 
del^ „Judas Maccabäus" wieder bewiesen , dass er in Bezug auf 
Stimmbildung wie auf Gesangsfertigkeit im beständigen Fortschritt 
Gegriffen ist. Der lebhafte Beifall, der ihm gespendet wurde, mag 
ihm beweisen, mit wie freudigem Antheil man im hiesigen Publikum 
seine künstlerische Laufbahn verfolgt. — Die von Dilettanten vor- 
getragenen Piecen waren : Duett für Mezzosopran und Bass aus M6- 
hul's „Joseph und seine Brüder," Duett für zwei Sopranstimmen aus 
„Jessonda" von Spohr und Duett für zwei Bässe aus „Israel" von 
Händel. E. F. 



me » > 



Nachrichten. 



Löwen. In Folge des im vorigen Jahre ausgeschriebenen 
grossen , internationalen Concurses sind 76 Messen hier eingesandt 
worden. Die Preisrichter, die sich in den Tagen des 18., 19. und 
20. Juli hier zur Entscheidung versammeln, werden zu thun haben. 
Zwei Preise werden gegeben : der erste von 1000 Frcs. und einer 
goldenen, der zweite von 500 bis 700 Free, und einer vergoldeten 



Medaille. Unter den Preisrichtern befinden sich ßerlioz, F6tis, 
Gevaert, Gounod , F. Hiller u. A. Bei der nächsten Generalver- 
sammlung des internationalen Congresses werden die gekrönten 
Compositionen aufgeführt. 

Paris. Kürzlich, fand hier ein von den bedeutendsten Sängern, 
darunter Adelina Patti, veranstaltetes Concert für den Tenoristen 
Matthieu statt, welcher, früher ein beliebtei Sänger, nun sein» 
Stimme verloren und durch sein kürzliches Fiasco in der grossen 
Oper höchst stürmische Auftritte veranlasst hat. 

— • Mme. Ugalde ist nach ihren Wanderungen über verschie- 
dene Pariser Bühnen wieder zur Opära comique zurückgekehrt und 
dort als „Galathe'e" aufgetreten. 

— Es hat sich ein Comit6 hiesiger Schriftsteller gebildet, um 
dem verstorbenen Dichter M6ry ein Monument aus Privatmitteln 
zu errichten. Der Kaiser hat bereits 1000 Frcs. beigesteuert, Graf 
Bacciochi 500 Frcs. 

— Am 27. Juni hat das Corps legislatif den neuen Gesetz- 
entwurf über die Rechte der Erben von Autoren, Componisten oder 
Künstlern angenommen. Hienach steht den Erben der Genuss des 
Autoren -Antheils auf fünfzig Jahre nach dem Tode des Autors 
zu. Alle bisherigen Bestimmungen sind aufgehoben. 

— Das Corps legislatif hat dem italienischen Theater eine 
Subvention von 50,000 Frs. für das Jahr 1866—67 und von 100,000 
Frs. für 1867—68 bewilligt. 

— Das The'ätre lyrique ist am 30. Juni mit „Don Juan" ge- 
schlossen worden. 

— Am 5. Juli waren in Folge der Nachricht von der Abtretung- 
Venetiens an Frankreich alle Theater in Paris festlich beleuchtet. 

— Die Gattin des berühmten Barytonisten Tamburini, geb. 
Maria Gi via, ist am 10. d. M. in Moutretout- Saint -Cloud im 
Alter von 65 Jahren gestorben. 

London. Der hier mit Recht sehr beliebte Harfen virtuose Cb. 
Oherthür gab im vorigen Monat eine Matinee in Willis 's Rooms f 
welche ein auserlesenes Publikum und von diesem grossen Beifall 
fand. Die von dem Concertgeber zu Gehör gebrachten eigenen 
Compositionen waren: sein grosses Trio für Harfe, Violine und 
Violoncell, ein Duo für zwei Harfen über Motive aus den „Huge- 
notten" von dem Concertgeber und Mr. Trust, eine neue Solo- 
Fantasie über Motive aus der „Afrikaneriu" und zwei Duo's über 
Motive aus „Norma" und „Faust* von Oberthür und Aguilar, 
welche Vorträge sämmtlich mit ausserordentlichem Beifall aufgd- 
nommen wurden. Dazwischen erfreuten die Damen Miss Charlie r, 
Miss Allen und Miss N o o r d e n durch den Vortrag einiger 
Lieder und spielte Mr. Pollitzer Ernst's „Elegie" mit schönem 
Erfolge, sowie auch Sigr. Farrauti eine „Tarantella" mit grossem 
Applaus vortrug. Den Schluss der genussreichen Matinee machte 
das effectvolle Fantasiestück für die Harfe über das Gebet aus 
„Moses." 

— In Her Majestys Tkeatre wurde Mozart's „Entführung" 
gegeben mit den Damen Titjens und Sinico und den HH. Dr. 
Ganz, Rokitansky, Stagno und Foli; die Aufführung war 
eine vortreffliche und wurde nach einigen Tagen wiederholt. Auch 
„Robert der Teufel" wurde ausgezeichnet gut gegeben. Faure hat 
dieser Tage ein grosses Wagstück glücklich ausgeführt, indem er in 
wenigen Stunden die Basspartie des Grosspriors in der „Afrikaner in* 
lernte und spielte, an der Stelle des erkrankten Tagliafico, und 
die Rolle des Nelusko an Graziani abtrat. 

— Ja eil macht fortwährend Furore ; er trat zum vierten Mala 
auf in dem 8. und letzten Concerte der Musical Union des Herrn 
John Ella. Man ist ihm besonders für den Vortrag des Schumann*- 
sehen Clavierconcertes Dank schuldig. Auch der vortreffliche Pianist 
E r n 8 t Lübeck fand grossen Beifall. 

— Frl. Marie Trautmann, eine ausgezeichnete Schülerin 
von H. Herz, gewinnt jeden Tag mehr die Gunst des Publikums. 
Im letzten Monstreconcert im Crystallpalast , welchem 12,000 Per- 
sonen beiwohnten , spielte sie mit ausserordentlichem Erfolg daa 
„Home, sweet home" und den Faust- Walzer von Jaell. 

— Im Coventgarden-Theater hat Frl. Ar tot einen immensen 
Erfolg erzielt in der Rolle der Rosine im „Barbier". Sie war schneit 
herbeigerufen worden, um die unwohl gewordene Frl. Patti zu er- 
setzen, und das Publikum verlor nichts bei dem Tausche. Die vor- 
treffliche Sängerin überraschte and entzückte das Publikum durch 



— 116 — 



die Reinheit ihres Stjles und die Schönheit ihrer Stimme. In der 
Gesangsunter riebts-Seene sang sie Variationen von Kode wundervoll, 
musste das Andante wiederholen und wurde nach der dritten Varia- 
tion hervorgerufen. Es war dieser Abend ein wahrer Triumph für 
Frl. Artet. 

*** Ungeachtet der ungünstigen Zeitverhältnisse ist der Bau 
des neuen Theaters in Leipzig nicht unterbrochen worden Die 
Hauptfronte ist nach dem Augustusplatz gerichtet, und bildet der 
ganze Bau eigentlich eine Gruppe von drei Gebäuden, welche zu- 
sammen eine Fläche von 51,980 Quadratfuss bedecken, wobei aber 
der von dem Terassenbau , den Veranden u. s. w. eingenommene 
Kaum noch nicht mitgerechnet ist. Das höhere Mittelgebäude ist 
das eigentliche Theater. Es hat 160 Fuss Breite und 300 Fuss 
Länge. Vier geräumige Treppenhäuser vermitteln den Eingang in 
die Zuschauerräume. Das Auditorium selbst fasst in Parquet, Par- 
terre, Parterrelogen und vier Rängen , wovon der zweite nur durch 
Logen gebildet wird, deren sich auch im ersten befinden, in Summa 
2000 Personen. Die Form des Zuschauerraums ist die in der Neu- 
aeit am meisten bewährte eines Halbkreises, mit angesetztem, sich 
wenig verjüngendem , aber tiefem Proscenium. Die Bühne ist so 
.geräumig, dass auch grosse Volksscenen und Kämpfe mit zahlreichem 
Personale darauf in Scene gesetzt werden können ; sie misst 7566 
Quadratfuss. Die Bühnenöffnung ist 51 Fuss breit und 48 Fuss 
hoch. Der Bühnenraum selbst aber ist behufs ungebrochener Auf- 
ziehung der Hinter- und Z wisch engardinen über 100 Fuss hoch, und 
unter ihm befinden sich 30 Fuss hohe Bäume für Versenkungen, 
Maschinenräume u. dgl. 

*** Von E. F. Richter's „Lehrbuch der Harmonie" ist bei 
Breitkopf & Härtel in Leipzig soeben die sechte Auflage 
erschienen, ein sprechender Beweis für den Werth des Buches. 

%* Besonderes Aufsehen erregten in Paris ein junger brasiliani- 
scher Pianist Alfred Bevilacque und der junge holländische 
Orgelspieler M. de Lange, letzterer besonders durch seine 
Pedalfertigkeit. 

*** Zwei in Mailand kürzlich zur Aufführung gelangte Kriegs- 
hymnen von Rovere u. Rossi sind so erbärmlich, dat»s man 
nach dortiger Meinung durch deren blosses Absingen Oesterreich 
sofort in die Flucht zu schlagen hofft. 

*** Der Gesammtausschuss des deutschen Sängerbundes hat an 
die deutschen Sangesgenossen einen Aufruf ergehen lassen, der in 
verschiedenen politischen Zeitungen abgedruckt ist, und in welchem 
an den Wahlspruch der Sangesgenossen erinnert wird: »Das ganze 
Deutschland soll es sein." Unterzeichnet sind Beckh in Lindau, 
Eiben in Stuttgart, Gerster in Regensburg, Hach in Trave» 
münde, Hartwig ia Dresden, Held in Dresden, Holz in Strau- 
bing, Kretzschmar in Dresden, Langer in Leipzig, Noak 
in Dresden, Ochs in Magdeburg, Seile in Rendsburg, Stucken- 
Schmidt in Brandenburg, Wiedemann in Stuttgart. 

*** Mendelssohns Operette : »Die Heimkehr" wurde in Frank- 
furt a. M. mit vielem Beifall aufgeführt. 

\* Der Director S a 1 v i hat die Abert'sche Oper „Astorga" 
zur Aufführung am Wiener Hofoperntheater angenommen. 

*** In Hannover wird den Mitgliedern des Hoftheaters in Folge 
des Druckes der kriegerischen Ereignisse vorläufig nur die halbe 
Gage ausbezahlt. 

*** Der Würzburger (nicht, wie mehrere Blätter melden, der 
Augsburger) Sängerverein hat dem Herzog von Coburg alle seine 
Compositionen und Briefe mit der auf der Adresse enthaltenen 
näheren Bezeichnung: „werthlose Papiere", zurückgeschickt. 

*„• Der frühere Director des Breslauer Theaters, Hr. G u n d y, 
hat die Leitung des Josephstädter - Theaters in Wien übernommen. 

*** In Hamburg wurde eine Operette mit dem sonderbaren Titel; 
„Musikalische Nähmaschinen" aufgeführt und fand Beifall. 

*** Frau Peschka-Leutner vom Hoftheater in DarniBtadt 
wird nächstens ein Gastspiel am Hofoperntheater in Wien eröffnen* 
Gegenwärtig gastirt dort Hr. Kachbau r, ebenfalls von Darmstadt. 
Er trat zuerst als Arnold in „Wilhelm Teil" auf und wurde durch 
lebhaften Beifall und wiederholte Hervorrufe ausgezeichnet. Seine 
schöne, sympatisehe Stimme hatte das Publikum schnell für ihn 
eingenommen, und da er gut musikalisch und ein leidlich guter 
Sänger ist, so wird er sich wohl die bleibende Gunst desselben tu 
erringen wissen. 



*** Man schreibt aus Prag: Smetena's komische Oper „iVo- 
dana nevesta" kam Mittwoch im böhmischen Theater zur ersten 
Aufführung und drang entschieden durch. Das Publicum , schon 
durch die Ouvertüre in die beste Stimmung versetzt, verfolgte den 
Verlauf des Werkes mit lebhaftem Interesse , und die allgemeine 
Befriedigung machte sich durch rauschenden Beifall und Hervor» 
rufe, sowohl des Componisten, wie der mitwirkenden Kräfte Luft. 
Gleich der erste Chor gefiel so sehr, dass er wiederholt werden 
musste. Der Stoff der Oper ist für komische Situationen glücklich 
erdacht und die musikalische Einkleidung stellt dem Talente Sme- 
tena's abermals ein glänzendes Zeugniss aus. 

*** Der erste Capellmeister am Actien-Volkstheater in München, 
Hr. Conradin, wird im September d. J. diese Stelle verlassen, um 
einem anderweitigen Rufe zu folgen. 

%* Die Stadt Dijon veranstaltete am 1. und 2. Juli zur Ge- 
dächtnissfeier des Componisten R a m e a u , der dort geboren ward, 
ein grosses Musikfest. 

*** Die Liedertafel in München hat die feierliche Einweihung 
einer ehernen Gedenktafel, welche an dem Hause „zum Sonneneck " 
in der Burggasse, in welchem Mozart während seines Aufenthaltes 
in München gewohnt hat, angebracht werden soll, auf nächstes Jahr 
verschoben. 

*,* Das grosse Musikfest, welches am 15., 16. und 17. Juli in 
Braunschweig stattfinden sollte, ist in Berücksichtigung der Zeit- 
verhältnisse suspendirt worden. 

*** Ein Hr. H o s t e i n hat das Privilegium erlangt , während 
der grossen Weltausstellung im Jahre 1867 im Park des Marsfeldes 
ein internationales Theater zu errichten , auf welchem die Meister- 
werke aller Länder zur Aufführung kommen sollen. Als Admini- 
strator hat Hr. Hostein sich Hrn. Raphael Felix beigesellt. So 
erzählen französische Blätter. 

*#* Der am Hoftheater in Carlsruhe engagirte Tenorist Stolzen- 
b e r g ist durch Einberufung zur preussischen Landwehr seinem. 
Berufe entzogen worden. 

*** Hr. Commissionsrath Woltersdorff in Berlin hat die 
Contracte mit den Mitgliedern seines Theaters einstweilen gelost 
und diese spielen nun auf Theilung fort, wobei sie von Hrn. Wolters- 
dorff in freundlichster Weise unterstützt werden. Auch die Mitglie- 
der des Victoriatheaters sind entlassen worden. 

*** Im 2. Bande von Hübner's vergleichender Statistik Euro- 
pa's , der kürzlich erschienen ist, wird angeführt: Europa besitzt 
1480 Theater, aber nur 298 verschiedene Truppen. Davon kommen 
auf Frankreich 337 , Italien mit Venetien 348 , Spanien 168 , die 
Grossbritania 159, Oesterreich 152, die deutschen Mittel- und Klein- 
staaten 115, Preussen 76, Russland 44, Polen 10, Belgien 34, Nieder« 
lande 23, die Schweiz 20, Schweden 10, Norwegen 8, Portugal 16^ 
Dänemark 10, Schleswig-Holstein 5, Griechenland 4, Türkei 4, Ru- 
mänien 3 und Serbien 1. — Frankreich besitzt 61 regelmässige 
Truppen , die kleinen deutschen Staaten 46 , Grossbritanien 89,. 
Oesterreich 34, Preussen 32, Italien 24 und Russland 15. Die Städte, 
welche die meisten Theater besitzen, sind: Paris mit 40, London 
mit 26, Neapel und Mailand mit je 13, Rom, Brüssel und Turin 
mit je 10 , Berlin , Wien und Florenz mit je 9 (in Wien sind die 
Concertsäle mit inbegriffen) , Madrid, Venedig und Genua mit je 8^ 
Sevilla mit 4, Lisabon, Amsterdam, Hamburg, Petersburg, Bologna 
und Verona mit je 5 Schaubühnen. 

*** Die Wiener Künstler und Künstlerinnen sind unermüdlich 
in Veranstaltung von Concerten und Abendunterhaltungen zum Besten 
der verwundeten Krieger und ihrer Hinterlassenen. So veranstaltet 
am 14. d. M. Frl. T e 1 1 h e i m in Vöslau eine musikalisch- declama- 
torische Abendunterhaltung, deren Ertrag für das dortige Spital für 
verwundete österr. Krieger bestimmt ist. Ausser der Veranstalterin 
wirkeu bei dieser Production mit: Frl. Anna Müller, die HH* 
B i g n i o, Director Hellmesberger und sein talentvolles Söhn- 
chen, Richard Lewy, Baron R a o u 1 , J. Rubinstein und 
L. A. Zöllner. 

V Frau Kainz-Prause hat ihr« Stellung am Hofoperntheater 
in Wien verlassen. 

*** Das Hoftheater in Dresden machte am 18. Juni eine Ein« 
nähme von 8 Thalern! 



Verantw. Red. Ed. Fächer er, Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



w*o. 



23. Juli 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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INHALT: Stradella und die Contarini. — Alte Gmündoer Volkssage. — Praw Musica. — Correspondenz : München. — Kachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

F. Richard. 



II. 

Nach Bourdelot's Erzählung hätten drei Anschläge auf das Leben 
Stradella's stattgefunden ; der erste in der Lateraukirche in Rom, 
wo die Musik Wunder wirkte, der zweite in Turin, wo Stradella 
von den Banditen getroffen, aber glücklich wieder hergestellt wurde, 
und der dritte in Genua, und hier hätte der Ueberfall dem Leben 
Stradella's und der Bache des Venetianers ein Ende gemacht. Der 
Mordanfall in Turin wird uns zeigen, was von dem Anschlag in Rom 
zu halten ist. Wenn man die Docametite in ihrer chronologischen 
I*olge nimmt, so wird sich die Reihe der Thatsachen umgekehrt 
•eigen; es ist dies nicht zu ändern, denn es bandelt su-h darum, 
materielle Beweise an die Stelle unsicherer Angaben zu setzen. 

Die Reihe der bezüglichen Documente beginnt mit einer De- 
pesche des Marquis de Villars, ausserordentlicher Botschafter des 
Königs Ludwig XIV. am Hofe der Regentin Maria Johanna Baptieta 
von Nemours, Wittwe des Herzogs Carl Emanuel II. von Savoyen. 
In diesem Briefe vom 30. October 1677 schreibt der Marquis an den 
französischen Minister des Auswärtigen, Arnault de Pomponne,*) 
dass es ihm gelungen sei , sich bei der Regentin bestens in Gunst 
zu setzen , dass aber dieses erwünschte Verhältuiss durch einen 
eigentümlichen Vorfall leider einigermassen gestört worden sei. Es 
sei nämlich vor ein paar Monaten einer der ersten Nobili von Ve- 
nedig, Contarini genannt, mit vierzig seiner Leute uach Turin 
gekommen, um einen Musiker zu verfolgen, der ihm seine Geliebte 
entführt habe. Da er nun erfahren habe, dass dieser Musiker sich 
in Turin in ein Kloster und seine Gefährtin in ein anderes geflüchtet, 
so verlange er, dass das Mädchen den Schleier nehme, oder sich 
mit ihrem neuen Geliebten vermähle, und dass diesem von der Re- 
gentin verboten werde, vor Erfüllung der genannten Bedingung seine 
Kunst auszuüben oder sieh öffentlich zu zeigen. Da nun auf das 
Versprechen des Musikers hin, das Mädchen zu heirathen, demselben 
grössere Freiheit gestattet wurde und er sogar mehrmals vor der 
Regentin sich producirte, öffentlich spazieren ging und auch täglich 
seine Geliebte in ihrem Kloster besuchte, so habe sich nicht nur 
die Familie Contarini, sondern auch der Senat von Venedig dadurch 
▼erletzt gefühlt und die Contarini schickten zwei Männer nach Turin, 
welche den besagte u Musiker auf öffentlichem Platze mit Dolchstichen 
anfielen und sich dann in das Haus des Marquis flüchteten. Die 
Marquise, welche in ihnen die Mörder vermuthete, habe dies ihrem 
im herzoglichen Palaste befindlichen Manne zu wissen gethan, wo- 
rauf er, der Marquis, nach Hause geeilt sei, wo ihm die beiden 
Leute zu seinem Erstaunen einen Brief von dem Abbe d'Estrades, 
dem französischen Gesandten in Venedig, übergeben hätten. Des 



) Wir geben der Kürze wegen nur den Hauptinhalt dieses und 
anderer Documente. Die Bed. 



folgenden Tages habe der Minister der Regentin ihm zugeredet, die 
beiden Elenden den Händen der Gerechtigkeit zu übergeben; auf 
die Versicherung des Marquis, dass ihm dies unmöglich sei, habe 
man das Wort darauf gegeben, die Regentin wollte sich gerne den 
Contarinfs gefällig erweisen, und wenn man die Verbrecher in eine 
Kirche brächte, sollten sie nicht sterben. Die Banditen hätten aber 
den Marquis versichert, dass sie nirgends sicher wären als bei ihm, 
und da er dies auch von anderer Seite bestätigt gefunden und er- 
fahren habe , dass der Minister die beiden Elenden nach wenigen 
Stunden würde hinrichten lassen, so habe er vonLetzterem imNamen der 
Regentin schriftliche Sicherheit für seine Schützlinge verlangt, die 
ihm aber verweigert wurde. Er, der Marquis, habe der Regentin 
nochmals persönlich Vorstellungen gemacht, welche auch mit ein- 
verstaudeu schien, dass man die Banditen entwischen lasse. Allein 
sie habe ihren Sinn wieder geändert, die Auslieferung der Schul- 
digen verlangt, um sie hängen zu lassen; sie habe gebeten und ge- 
droht, allein er habe auf dem Vorrechte der Gesandten bestanden 
und sich auf den Empfehlungsbrief des Abbe d'Estrades berufen, der 
ihm ein Beweis sei, dass sein König ein Gewicht darauf lege, den 
Contarini's gefällig zu sein und daher unzufrieden sein würde, wenn 
er, sein Gesandter, anders handelte. 

Dieses ist der Hauptiuhalt der merkwürdigen Depesche. Zu 
sehen, wie ein Glied einer der vornehmsten Familien Venedigs die 
Entführuug seiner Geliebten zum Gegenstand der allgemeinen Auf- 
merksamkeit macht und sie mit 40 Leuten seines Gefolges durch 
ganz Italien verfolgt, Minister und Gesaudte wie in einer Staatsan- 
gelegenheit inBewegung setzt, Mörder absendet und ihnenEmpfeblungs- 
briefe mitgibt, ist für unsere heutige Zeit allerdings ein seltsames 
Schauspiel, und wirft nebst manchen anderen Vorkommnissen in der 
Geschichte Stradella's ein gar eigenthümliches Licht auf die gute 
alte Zeit. Bei den Heirathen der venetianischen Patrizier waren 
in der Regel Familienrücksichten massgebend , und die Mädchen 
wurden vou Kindheit an in den Klöstern erzogen, von wo man sie 
an den Traualtar führte, um dort sehr häufig den künftigen Gatten 
zum ersten Male zu erblickeu. Die Frauen von Stand lebten sehr 
zurückgezogen, und zeigten fast nie ihr Angesicht unverhüllt, selbst 
nicht in der Kirche, der einzige Ort, wo sie sich überhaupt öffent- 
lich sehen Hessen. Dagegen waren die ungesetzlichen Verbindungen 
etwas so Gewöhnliches, dass die Frauen meistens in gutem Einver- 
nehmen mit ihren Nebenbuhlerinnen lebten, und die Männer auf 
diese Weise die Mängel, welche sie an ihren Gattinnen fanden, er- 
setzen konnten. Es war dies eine so allgemein eingeführte Gewohn- 
heit, dass Niemand etwas Schlimmes dabei dachte. Was den Stolz 
und die Rachsucht der Venetianer des 17. Jahrhunderts betrifft, so 
sind dieselben Jedem bekannt, der irgend sich um jene Verhältnisse 
bekümmert hat, und fast jeder veuetianische Patricier hatte Leute 
in seinem Solde, die vor keiner Missethat zurückschreckten, wenn 
sie nur genügend bezahlt wurden. Dazu kam, dass das Asylrecht 
in hohem Grade ausgebreitet war. Kirchen, Klöster, die Paläste 
der Cardinäle und Gesandten, ja ganze Stadtviertel dienten als Stätten 
der Zuflucht oder vielmehr der Straflosigkeit für Verbrecher jeder Art 



118 



Dieses Torausgeschickt, wird es unsern Lesern von Interesse 
sein, den Empfehlungsbrief, den der französische Gesandte in Venedig 
den gegen Stradella ausgesandten Mördern an seinen Colleges, den 
französischen Gesandten in Turin, mitgab, nach seinem Wortlaute 
kennen zu lernen. Er lautete folgendermassen : 

An den Herrn Marquis de Villarg, ausserordentlicher Gesandter 

des Königs in Turin. 

»Mein Herr ! Da ich mir erlauben darf, mich Ihrer Freundschaft 
zu rühmen, und ich schon viele Beweise Ihrer Gefälligkeit empfangen 
habe, so hoffe ich, dass Sie meine Freiheit nicht übel nehmen wer- 
den , wenn ich Sie um Ihren Schutz für den Ueherbringer dieses 
Briefes bitte. Ein gewisser Stradella, Musikmeister, hat sich in Rom 
und hier durch seine schlechte Aufführung so mächtige Feinde zu- 
gezogen, dass Leute mit dem Auftrage ihn zu züchtigen (malträtier) 
nach Turin abgegangen sind, wo er sich gegenwärtig aufhält. Der 
Mann von dem ich Ihnen gesagt, ist mit dieser Commission beauf- 
tragt, und da er nach Vollziehung derselben eines Asyls bedürfen 
könnte, so bin ich von Personen, denen ich mich mit grossem Ver- 
gnügen gefällig erweisen möchte , ersucht worden , Sie zu bitten, 
demselben für einen oder zwei Tage eine Zuflucht bei Ihnen zu 
gewähren, damit er nicht in die Händen der Obrigkeit falle , wenn 
er verfolgt wird , und mit Sicherheit aus Turin entkommen möge. 
Wenn Sie dieser Gefälligkeit noch die hinzufügen wollten, zu ver- 
anlassen, dass Stradella ausgewiesen würde, so würden Sie mir da- 
mit ein grosses Vergnügen machen, und ich glaube, dass Ihnen dies 
nicht schwer fallen dürfte, da die Regentin, von seinem schlechten 
Lebenswandel unterrichtet, ihm verboten hat, seine Profession irgend- 
wo auszuüben, noch sich da blicken zu lassen, wo der Herzog von 
Savoyen oder sie selbst sich befänden. Sie werden mich ausnehmend 
verbinden, mein Herr, wenn Sie Ihr Ansehen dahin verwenden und 
dem Manne , zu dessen Gunsten ich mir die Ehre gebe an Sie zu 
schreiben, beweisen wollen, dass meine Empfehlung an Sie nicht 
fruchtlos war. Ich werde dafür vollkommen erkenntlich sein und 
Ihnen bei jeder Gelegenheit, die sich mir darbieten wird, beweisen, 
dass man nicht mit mehr Ergebenheit und Aufrichtigkeit als ich 
sein kann, mein Herr, der Ihrige 

Abbä d' Estrades* 

Venedig, den 3. September 1677. 

Diesem Briefe, den der Marquis dem Minister des Auswärtigen 
in Paris mittheilte, fügte derselbe eigenhändig bei: „Hätte ich 
diesen Brief vor Ausführung des Attentats erhalten, so würde ich 
beantragt haben , den besagten Stradella auszuweisen , allein ieh 
habe den fraglichen Brief erst einen Monat nachdem er geschrieben 
war, empfangen. 

Die Lage des französischen Gesandten in Turin war offenbar 
eine sehr schwierige; er konnte doch wohl nicht als Vertheidiger 
einer mit allem Vorbedacht beschlossenen und ausgeführten ver- 
brecherischen That auftreten, und doch war er genöthigt, die Weik- 
zeuge derselben zu beschützen , da er den von einem französischen 
Gesandten ausgestellten Schutabi ief respectiren musste. Sodann 
kannte er die tiefe Missbillignng der That von Seite der Regentin, 
und hatte auf der anderen Seite Rücksicht zu nehmen auf die Fa- 
milie der Coutariui , eine der mächtigsten Familien in Venedig, 
welche die höchsten Würden der Republik, ja sogar den Dogenütz 
einnahm. Das Opfer selbst, ein einfacher Musiker, der als leicht- 
sinnig verschrieen war und überdies früher einen Cardinal beleidigt 
babeu sollte, kam gar nicht in Betracht. Villars zögerte daher keinen 
Augenblick, sich hinter die Privilegien des Asylrechts zu verschanzen 
in der Ueberzeugung, dass der Name seines Königs schliesslich alles 
Entgegenstehende überwinden würde. Es ist bemerkenswert!!, dass man, 
wie schon erwähnt, auf die Person oder das Leben des unglücklichen 
Stradella, der doch eine Berühmtheit in seinem Fache war, so wenig 
Werth legte , während heutzutage die aligemeine Sympathie dem 
ausgezeichneten aber unglücklichen Künstler gegenüber seinen mäch- 
tigen Gegnern zu Theil werden würde. Bemerkenswert!! ist ferner 
das Postscript des Marquis de Villars und die rührende Ueberein- 
stimmung der beiden Gesandten in ihrer Sorge für die wackeren 
Leute , welche den empfangenen Auftrag , den Musikmeister zu 
züchtigen, so getreulich ausführten. 

Der Brief des Königs Ludwig XIV., den er in Antwort auf das 
Schreiben des Marquis an den Minister Pomponne durch diesen 
schreiben lässt, gibt unter Ausdrücken des Bedauerns, des Tadelf 



und tugendhafter Entrüstung deutlich zu verstehen, was aui dieser 
schwierigen Angelegenheit werden soll. Die Hauptsache ist nämlich, 
die Uu verletzlichkeit des Asyl rechtes und den Namen des Königs 
aufrecht zu erhalten. Man muss die Mörder und wo möglich — 
den Schein retten. Es beisst dort u. A. : „S. Maj., mein Herr, hat 
einen solchen Abscheu vor schlechten Handlungen, dass sie mir auf- 
trägt, Ihnen zu sagen, sie könne den Schutz, welchen Sie der in 
Rede stehenden Sache gewährt haben, nicht billigen. Sie weiss, 
dass Sie es nur aus Rücksicht für den Abbä d'Estrades gethan 
haben , und fühlt sich darum eher geneigt , Sie zu entschuldigen. 
Was aber den Letzteren selbst anbetrifft, so hat S. Maj. mir be- 
fohlen, demselben zu wiesen zu thun , dass dieselbe es vollständig 
missbilligt, dass er seine Empfehlung den Banditen zu Theil werden 
Hess, von denen er wusste, dass sie nach Turin gingen, um das aus- 
zuführen, was sie wirklich gethau haben, sowie dass er Sie um Ihr 
Asyl für dieselben angegangen. Es scheint nicht, dass die Rache 
eines Privatmannes wegen Entführung eiuer Courtisane irgend Auf- 
sehen in der Republik gemacht hätte, und die Familie der Contarini 
würde ohne Zweifel eine so schwarze That nicht eingestehen wollen. 
S. Maj. hätte also gleichmässig gewünscht, dass der Abbe d'Estradeg 
Ihnen nicht geschrieben , und dass Sie seinen Brief nicht beachtet 
hätten. Das Beste, was Sie thun konnten, wäre gewesen, die Ban- 
diten entwischen zu lassen, anstatt ihnen öffentlich Schutz zu ge- 
währen, dessen sie unwürdig waren. Indessen, obschon S. Maj. nicht 
gewünscht hätte, dass dei artige Leute den Händen der Justiz ent- 
zogen würdeu, so ist es in dieser Angelegenheit dennoch durch den 
Streit, den Sie mit der Regentin darüber hatten, so weit gekommen, 
dass S. Maj. wünscht, Sie sollen die betreffenden Personen nicht 
der ihnen gebührenden Strafe überliefern. So unwürdig dieselben 
auch dessen sind, sobald einmal der Name und die Autorität S. Maj. 
durch Ihre Person sich für dieselben erklärt haben, müssen sie auch 
die Früchte davon gemessen. S. Maj. ist daher der Meinung, dass 
Sie noch immer das Auskunftsmittel gebrauchen können, dieselben 
entwischen und in Sicherheit bis au die Grenzen von Piguerol bringen 
zu lassen. Es scheint, dass Sie hierzu keiner audern Vorsicht be- 
dürfen, als die Benützung eines Ihrer Wageu, welcher im gesamm- 
teu ötaate der Regentin als heilig gelten muss. Uebrigens können 
Sie sich dies überlegen und selbst am Besten über die Mittel ur- 
theilen, um dieselben insgeheim auf das Gebiet S. Maj. zu schaffen . . ." 
Schliesslich bedauert der Minister, dass durch diese Vorgänge das' 
bisherige gute Einvernehmen des Marquis mit der Regentiu einiger- 
massen gestört wurde, und hofft, dass es demselben bald gelingen 
werde, das früheie Vertrauen wieder zu gewinnen. 



IC ine alte Gmünd «er Volkssage. 



In der löblichen schwäbischen Reichsstadt stand vormals eis 
reich geschmücktes Kirchlein, gewidmet der Orgelspielerin und Pa- 
tronin aller Musikanten, der heil. Cäcilia, deren Staudbild nicht 
nur prächtig gekleidet, sondern von reichen Dilettanteu auch mit 
goldenen Schuhen begabt war. Einst kam nun ein armer kranker 
Spielmaun aus der Feme in die Stadt gezogeu , dessen bitterliche 
Moth noch mächtiger war als seine Kunst , denn das Saitenspiel 
ruhte still in der Tasche , der freundliche Liedermund war stumm 
und geschlossen. Da zog deu Jüngling sein mühselig 1 und beladen* 
Gemüth hinein in die Capelle seiner fcchutzberrin. Und wie er im 
brünstigen Gebet der Heiligen sein Herz ausgeschüttet, da belebeu 
sich des Bildwerks Züge, und siehe, die hehre Gestalt beugt sich 
nieder, zieht deu rechten Goldschuh aus und wirft denselben mit 
freuudseligem Lächeln dem armen Spielmaun zu , welcher herzlich 
dankend und hocherfreut die Capelle verlässt , um das Geschenk 
beim nächsten Meister Goldschmied zu verwerthen. Das war freilich 
von unserem Geiger ein sehr unbesonnener Schritt, aber so sind sie 
alle, die echten Spielleute. Der Goldschmied erkennt natürlich auf 
der Stelle den Cacilieuschuh und schleppt den wie aus dem Himmel 
gefallenen Unschuldigen sum Richter, welcher ebenso natürlich, wie 
Richter meistens thun , auf Visionen und Wuuder gar nichts gibt. 
Er erklärte ohne viel Besinnen den Schuh für gestohlen, — wie 
sollte ein bettelarmer Laudfahrer anders in seinen Besitz kommen? 
— uud verurtheilte diesen als einen abgefeimten Schelm und Dieb 



- 119 



«am Galgen, wohin man denn auch sofort mit ihm sieh aufmacht. 
Unter dumpfem Glockenschall und ernBten Bussgesängen sieht unser 
Spielmann fast mechanisch seine Geige hervor und findet sich durch 
ihre tröstenden Klänge aus seiner Betäubung heraus. Und er geigt 
•o wunderbar schön , dass die Möochspsalmen verstummen , dass 
Jeder zuhorcht und mit innigem Mitleid auf das arme junge Blut 
blickt. Desto williger gestattet man ihm seine letzte Bitte : vor dem 
Altar der h. Cäcilia sein Sterbegebet sprechen zu dürfen. 

Vor dem Bilde der Heiligen, in Aller Gegenwart, geigt er nun 
noch einmal sein Lied, und legt die ganze Fülle Beiner schuldlosen, 
todesbangen, hülfeflehenden Seele hinein, die eben den letzten Kampf 
ausringt und ergebungsvoll verzichtet. Und siehe! Alle gewahren es 
jetzt, was sein entzücktes Auge schauet : das Gewand der Heiligen 
toewegt sich, ein mildes Leuchten verklärt ihr Angesicht, und 

„Lächelnd neigt das Bild sich nieder 

Aus der lebenslosen Ruh*, 
Wirft dem armen Sohn der Lieder 

Hin den zweiten gold'nen Schuht 

Mit Erstaunen sieht's die Menge, 

Und es sieht nun jeder Christ, 
Dass der Mann der Volksgesänge 

Selbst den Heil'gen theuer ist." 

So besingt Justinus Keruer diesen wundersamen Moment, wel- 
chem sodann, nach so glänzender Unschuldserklärung, ein wahrer 
Triumph für den geretteten Spielmann folgte. Man gab ihm zu 
ferneren Genugthuung ein festliches Bankett auf dem Rathhause mit 
Bundgesang und Becherklasg; aber aus dem lautesten Jubel wich 
der fremde Spielmann hinaus iu die helle Mondnacht, und mit seinen 
Güldschuhen wanderte er weiter von Land zu Land , spielend und 
singend, bis er verdämmerte irgendwo iu der weiten Welt. 

Seitdem aber, und diesem Spielmann zum Gedächtniss, wird in 
Schwäbisch-Gmüud jeder Musikant wohl empfangen, und das Singen 
und Spielen ist an der Tagesordnung geblieben, wie Jederman weiss, 
der nur einmal durch die Stadt gekommen ist. Und wer nicht 
anders tönen kann, der hält sich an's Becherklingen, und deshalb ist 
Gmünd eine so lustige Stadt, dass sie aller Welt Freude ist, wes- 
halb man auch ihren Namen herleitet von Gaudium mundi (der 
Welt Freude) — Alles in Erinnerung an den Namen des Volks- 
jresanges, der den Heiligen theuer ist. 

(Zellner's Bl. f. Th., M. u. bild. K.) 



$%aw S&ufica.*) 



gür allen $reuben au ff erben 

kann tüemanb feine feiner werben, 

5)enn ich geh mit meim fingen 

Unb mit manchem füjjen fltngen. 

£te fann nid?t fein ein böfer mut, 

2Bo ba fingen gefeflen gut; 

£ie bleibt fein ßorn, ^ an ^ £ a jj no( ^ ne {^ 

SBetcben mufj alle§ £erfeeletb ; 
(Seife, focö unb toa§ fonft hart anleit 
%ext bin mit aller £rauriajeit. 
2fotb ift ein jeber be3 rool freto, 
SDaS foldje $reub fein 6ünbe fety, 
Sonbern auch ©ott triel ba§ gefeilt 
Senn alle $reub fc> cr ganaen SBelt. 
$em Seuffel fte fein roerf gerftörtl 
Unb terbtnbevt »iel böfe mörb; 
$a§ geugt Samb be3 flcmigS tbat, 
3)er bem €aul offt geroebret bat 
2JUt gutem füjjem fcarfenfpiel, 
S)a§ er nicht ja grofeen morb toerftel. 
3um ©bttlichen SEBort unb roabrbeit 



*) 3>iefe3 ©ebicbt Wl. Sutber« ift auä ben £alberftdbt'fcben gemein* 
nüfeigen ©lottern, *. ^ahrg. 2. 93b., S. 68— 1?89 entnommen; 
her in £alberftabt »erftorbene S^ectoc ^ifcher theüte eS mit au£ 
einem jefet böcbft feltenen ©ucbe: A'ob unb preis her löbücben 
fünft SMufica". £. $ob- SBaiter, Wittenberg, 1638. (SluS bem in 
IRr. 20 b. S31. besprochenen „2llbum für SHaterei unb Äunff »on 
Slltce ©alabrunn. 2lnm. b. IHeb.) 



SRa*t fte bo« $erfc ftM unb bereit, 

Solches bat (SUfeud befannt, 

35a er ben ©etft burd?8 barffen fanb. 

2>te befte Seit im 3(abt ift mein, 

$a ftngen aße Sfögeletn, 

Fimmel unb erben ift her Dott 

SSiel gut ©efang ber lautet toor, 

SSoran bte liebe SRachtigall 

SJtocbt attcS fröhlich, überall 

9Jlit ihrem lieblichen ©efang, 

$)e$ mufj fte baben immer SDanf; 

SBielmebr ber liebe £>erre ©ott, 

S)er fte alfo gefcbaffen bat 

3u fein bie rechte Sängerin, 

$er 2Ruftca ein 2fleiftertn 

S)em ftngt unb fpringt fte tag unb nacht, 

€ eines üob§ fte nichts mübe macht, 

S) e n ebrt unb lobt auch mein gefang 

Unb fagt ihm einen erogen 35anf. 

aJlatttn Sut&er. 



COHRESPONDENZEN. 



Aus jfliinclieii« 

li. Juli. 

Wenn die Kriegstrompeten Schlachtenlieder dröhnen und die 
Kanonen ihre schaurigen Weisen spielen, dann verstummen allmählig 
des Friedens liebliche Flöten , und die Tempel der Kunst stehen 
verwaist und verödet. Die fieberhafte Hitze, mit der man Nach- 
richteu vom Kriegsschauplatze erwartet und vernimmt, der bangend» 
Wechsel zwischen Glück und Unglück, Schmerz und Hoffen, Sieg 
und Niederlage lassen uns die Bestrebungen der Kunst als klein und 
unbedeutend erscheinen und uns nie zum ruhigen Genüsse kommen ; 
die Theater sind leer, die Concerte haben ganz aufgehört, und selbst 
Jene , die für die verwundeten Krieger veranstaltet werden , finden 
wobl Abonnenten aber nur wenige Besucher: der Siun für das 
Schöne, für das Ideale scheint in dieser rauhen Zeit ganz eistorben 
und das ist doch recht traurig. 

Wir wollen, um unserer Referentenpflicht zu genügen, eine 
kurze Nachlese über die Aufführungen unserer Hofoper austeilen. 

Das Gastspiel des Hrn. Dr. S c h in i d aus Wien erregte die 
Aufmerksamkeit unserer Opernliebhaber ; er trat als Marcel , Ber- 
tram , Sarastro und Mephisto auf. In allen vier Partien zeigte er 
sich als ein gebildeter länger, der viel gelernt, viel gedacht, viel 
gesehen und probirt hat und der mit bewusster Kraft über seine 
schönen Stimmmittel frei verfügt. Die störende Aussprache der 
Zischlaute beeinträchtigt seinen Vortrag, wie überhaupt die Yokali- 
sation an Deutlichkeit sehr zu wünschen übrig lässt ; auch die in 
Wien beliebte Willkür in der Behandlung der Composition nu'ssfiel 
iu Müuchen , und zwar mit vollem ttc-cht ; in den Ensembles ist 
Hr. Schmidt durch sein willkürliches Verfahren in der Behandlung; 
des Rythmus ein gefährliches Mitglied. Dagegen verwendet er auf 
Spiel und Costüm und Erscheinung viel Sorgfalt, und sein Gastspiel 
dürfen wir jedenfalls zu deu interessantesten dieses Jahres rechnen. 

Ein weiterer Gast, den uns die zu Wasser gewordenen Muster- 
aufführungen Wagner'scher Operu zuschleuderte, war das mit vieler 
Reclame eingeführte Frl. Harry aus Hamburg. Sie ist eine nette, 
graziöse Erscheinung mit einer düunen , unvollständig gebildeten, 
aber jugendlich -frischen, angenehm klingenden Stimme, nicht ohne 
Talent, aber noch keineswegs auf der Höhe steheud, auf welcher 
sie angekündigt war. Sie trat als Königin der Nacht auf und miss- 
fiel vollständig , obgleich sie im Köder sehen Theatermoniteur von 
grossen, ausserordentlichen Triumphen meldete, die sie hier errungen 
haben will. Etwas besser erging es ihr mit der Partie der Alice 
im „Robert"; da verlangte das Auditoiium keine grosse Leistung, 
und herabgestimmt in seinen Erwartungen, begnügte es sich schon 
mit der Mittelinässigkeit. Obgleich ihre Stimme und ihr Talent 
höchstens für das Soubretten fach ausreicht, versuchte sie es doch in 
arger Selbstüberschätzung, die leider so vielen Bübneumitgliedera 
anklebt and schadet, sich auch im Fache einer dramatischen Sängeria' 



- 120 - 



so zeigen und das wollte sie in keiner geringeren Partie tfcnn als 
in der anstrengenden, leidenschaftlichen, eine grosse Auffassung und 
Durchführung verlangenden Partie der Valentine. Da war natürlich 
Alles so klein, so unbedeutend, Stimme, Vortrag, Spiel, Leidenschaft, 
dass ein erfahrener Theaterbesucher sich an dem Applaus der Gal- 
lerten, die ein schnell befriedigtes Sonntagspublikum füllte, nieht 
zu betheiligen vermochte. An dem Gaßte ermassen wir erst wieder 
den vollen künstlerischen Werth einer Kraft, wie sie unsere Oper 
an Frl. D e i n e t besitzt. 

Als Azucena gastirte Frl. Bär mann, die Tochter des berühm- 
ten Clarinettisten, und bewies, wenn auch ihre Erscheinung sich für 
die Partie weniger eignet, dass sie seit ihrem ersten Auftreten in 
vergangenem Frühjahr viel gelernt habe, und das ist jedenfalls schon 
ein grosses Lob. 

Der Capellmeister Konradin verlässt seine Stelle am Actien- 
theater, und dieses erhält in der Person des Hrn. Herberth in 
Heidelberg einen ersten Capellmeister. Z. 



JüTacli richten. 



Mainz. Der grelle Ton der Trompeten und Trommeln, der 
Donner der Kanonen und Musketen, der Gedanke an die vielen 
Tausende von kräftigen Männern, die dem blutigen Kriegsgotte be- 
reits als Opfer gefallen sind , die tiefe Trauer um die gefallenen 
Brüder , Gatten , Väter und Freunde , vor Allem das schmerzliche, 
tiefbetrübende Schauspiel eines so mörderischen Krieges zwischen 
deutseben Bruderstämmen lassen die Lust an Kunstgenüssen , und 
zwar die Lust zu gewähren, wie die zu empfangen, vollständig 
in den Hintergrund treten, und so ist denn auch Frau Musica in 
Unserem Vaterlande sozusagen verstummt und wo sie auch allenfalls 
noch gewisserm aasen offizielle Versuche macht, wie sonst zu den 
Herzen ihrer Verehrer zu sprechen, da findet sie dieselben für sich 
verschlossen und erfüllt von Schmerz und Trauer, von banger Un- 
gewissheit über das, was die Zukunft uns bringen wird. Es ist daher 
begreiflich, dass über musikalische Ereignisse in Deutschland nicht 
viel oder gar nichts zu melden ist, und unsere Mittheilungen werden 
sich in dieser Beziehung meistens auf das beschränken müssen, was 
im Ausland vorgeht. Doch werden wir nichts desto weniger bemüht 
sein, unseren geneigten Lesern zu bieten, was unter den gegenwär- 
tigen Umständen möglich ist , und hoffen , dass recht bald ein ge- 
sunder Friede die politischen Zustände unseres theuern Vaterlandes 
in einer den gerechten Erwartungen des Volkes entsprechenden Weise 
regeln, und alle Welt, von dem drückenden Kriegsalp befreit und 
hochaufathmend, wieder zu den Beschäftigungen und zu den Künsten 
des Friedens mit frischer Lust und Liebe zurückkehren möge. Leicht 
möglich ist es, dass durch Sperruug hiesiger Bundesfestung wir für 
kurze Zeit von der übrigen Welt abgeschlossen werden, so dass wir 
weder Zeitungen noch Briefe von auswärts empfangen könnten, und 
ebenso die regelmässige Herausgabe und Versendung uuseres Blattes 
unterbrochen würde. In diesem Falle werden wir darauf bedacht 
sein , unsere geehrten Abonnenten seiner Zeit möglichst zu ent- 
schädigen. (Die Red.) 

Paris. Am 11. d. M. fand die Zuertheilung des Römerpreises 
des Conservaloriums für die Composition einer Cantate für drei 
Personen, betitelt: „Sarnson und Delila" von Eduard Vierne, 
statt. Die fünf Concurrenteu waren die HH. Ketten, Ducot, 
Godard, Hess und Pessard. Der Preis wurde von den Preis- 
richtern, welche aus 9 Componisten unter dem Vorsitze Auber's 
bestand, einstimmig dem zuletzt genannten Candidaten, Hrn. Pessard, 
zuerkannt. Derselbe ist eiu Schüler Carafa's und hat seine Studien 
ausschliesslich am Conservatorium gemacht. 

— Die Eiunahme der Theater, Concerte etc. in Paris betrugen 
im Monat Juni 1,092,990 Frcs. 

— Einer der fruchtbarsten Vaudeville-Dichter, E duard Martin, 
ist nach langwierigem Krankenlager im städtischen Krankenhaus 
gestorben. Er hat für verschiedene Pariser Bühnen mehr als vier- 
zig Stücke geschrieben und viele schöne Erfolge erlebt. 

London. Für das diesjährige Musikfest in Wo rc e s ter ist 
folgendes Programm aufgestellt: 1. Tag: Das Dettinger Te Deum 
von Händel; die „Schöpfung" von Haydn; „Lobgesang" von Men- 
delssohn, und Fragmente aus dem Oratorium „Naamau" von Costa. 



2. Tag: „Elias* von Mendelssohn. S.Tag: Ouvertüre zum Oratorium, 
„das letzte Gericht" von Fr. Schneider; die C-dur-Messe von Beet* 
hoven, Fragment aus „Josua" von Händel, und endlich am 4. Tagt 
das Oratorium „Messias" von Händel. 

*** Der böhmische Landesausschuss hat dem Director des 
deutschen Laudestheaters in Prag der ungünstigen Zeitverhältnisset 
wegen eine Unterstützung von 3000 fl. bewilligt. 

*** Hr. Nach b au r hat sein unter den günstigsten Auspicien 
am Hofoperntheater in Wien begonnenes Gastspiel aus unbekannten 
Gründen abgebrochen und ist nach Darmstadt zurückgekehrt 

*„* Frau Jauner-Kral und ihr Gatte, Hr. Jauner vom* 
Dresdener Hoftheater sind in Wien angekommen. 

*** Die Directoren der Theater in Carlsbad und Lemberg 
haben die Vorstellungen geschlossen und ihre Mitglieder Knall und» . 
Fall entlassen. 

*** Auch in Frankfurt a. M. ist das Theater geschlossen 
und sind die Mitglieder auf halbe Gage gesetzt worden. 

*** Das Theater Rossini in Madrid ist geschlossen worden, 
da der Director Rovira mit Hinterlassung vieler Gagenrückstände 
und anderer Schulden verschwunden ist. 

*** Die Musikgesellschaft r Athenäum" in Barcelona hat 
einen Preis von 500 Realen (ca. 1300 Frs.) für die beste Ouvertüre 
für grosses Orchester ausgeschrieben. 

*** Eine Tänzerin des Theater Fenice in Venedig hat jüngst 
der österreichischen Polizei folgenden Streich gespielt. Man hatte 
ihr aus der Mitte des Publikums einen Kranz zugeworfen, der mit 
einem Bande in den drei italienischen Landesfarben geschmückt war. 
Die Tänzerin hob den Kranz auf und drückte einen Kuss auf da» 
dreifarbige Band. Das Publikum applaudirte enthusiastisch. Die 
Tänzerin wird von der Polizei arretirt, und vor den österreichischen» 
Commissär geführt, versichert die Künstlerin, sie habe die Farben 
des Bandes gar nicht beachtet, sondern nur ein Zeichen ihrer Er- 
kenntlichkeit für die Artigkeit des Publikums geben wollen. 

— Wenn man Ihnen wieder solche Bänder zuwirft, antwortete!' 
der Commissär, so werden Sie sie mit Füssen treten. 

— Abgemacht. 

Am nächsten Tage tritt die Tänzerin wieder auf. Man wirft 
ihr einen Kranz zu ; sie tritt auf denselben und zerstampft ihn mit 
ihren Füssen, den Ausdruck des Zorns und der Verachtung in ihren 
Mienen. Aber diesmal war es kein Baud in den italienischen Far- 
ben ; man hatte an dessen Stelle die österreichischen Farben, schwarz, 
und gelb, angebracht. 

*** Der in Brüssel erscheinende ., Guide musical* enthält eine 
ausführliche Besprechung der beiden Quartette Op. 10 in G -dur, 
Op. 11 in C-dur und des Quintetts Op. 16 in D-molt für Streich- 
instrumente von Graf Ludwig von Stainlein aus der Feder 
des Hrn. Adolph Samuel, welcher diese drei Werke, ohne ein- 
zelne Schwächen derselben zu übersehen, nicht als Dilettantenarbeit, 
sondern als Producte eines auf der Höhe des acht künstlerischen 
Schaffens stehenden und mit schönem Talent und gediegenem Wissen 
ausgestatteten Künstlers qualifieirt und den besseren Leistungen im 
Fache der Kammermusik beigezählt wissen will. 

\* Das Theater in St. Louis (Missouri) ist am 1. Juni ein 
Raub der Flammen geworden. 

*** Balfe's gefällige Oper: „Die Rose von Castilien" ist an* 
13. Juni im englischen Theater in New -York mit enormem Erfolg 
aufgeführt worden. 

*** Im Kroll'schen Theater in Berlin ist unlängst eine kleine 
Operette: »Der Teufel ist los," vou einem Hrn. v. Duniecki mit 
grossem Beifall in Scene gegangen. 

*** B a z z i n i hält sich gegenwärtig in seiner Vaterstadt 
Brescia auf und legt die letzte Hand an eine grosse Oper, welche 
das Scalatheater in Mailand für den nächsten Herbst bei ihm be- 
stellt hat. 

*** Der greise Auber kann das Componiren nicht . lassen ; er 
ist eben wieder mit einer neuen Opernpartitur beschäftigt. 

*** Die von Hrn. Landvogt, dem Director des deutsehen 
Theaters in Pesth veranstaltete Wohlthätigkeitsvorstellung hat eine- 
Einnahme von 1302 fl. ergeben , welche ohne Kostenabzug an den 

Bürgermeister abgeliefert wurden. 

' — — 

Verantw. Red* Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



Nf* 9M. 



30. Juli 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



; DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 



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B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

i 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. , 

<J.o. _ __ _ .. _ _ ^ 



INHALT I Stradella und die Contarini. — Die neue Orgel zu St. Peter ia Genf. — Lohengrin im The'ätre lyrique. — Correspondenz : Paris. 

— Nachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

F. Richard. 



III. 

Die Contarini) weit entfernt eine so schwarze That zu 
desavouiren, hatten wohl vorausgesehen, welche Schwierigkeiten 
ihr Bacheact herbeiführen würde. Sie hatten sich beeilt, ihre Macht 
zur Verfügung ihrer Leidenschaften zu stellen und ihre einflussreichen 
Freunde an ihrer Aufgebrachtheit zu betbeiligen. Die Ankunft des 
Cardinais d'Estrees in Turin, den der König scheinbar mit einer 
Mission nach Rom betraut hatte, der aber in Wirklichkeit beauftragt 
war, bei der Herzogin von Savoyen die Erlaubniss zum Durchmarsch 
einer bedeutenden Armee auszuwirken , welche im nächsten Jahre 
den Krieg in das mailändische Gebiet tragen sollte , gab nun der 
Angelegenheit unseres Musikers eine neue Wendung und beschleu- 
nigte die Entwicklung derselben. V i 1 1 a r s sah es immer als eine 
grosse Schande an, wenn man die Mörder ausliefere. Er kannte gar 
wohl den stolzen Sinn Ludwigs XIV. in Bezug auf die Privilegien 
seiner Repräsentanten ; er wusste voraus , dass man seinen Wider- 
stand unterstützen würde, wenn man ihn auch scheinbar tadelte; 
allein am 27. October hatte die Regentin ihren Eutschluss gefasst 
in Bezug auf den vorgeblichen Durchzug französischer Truppen. 
Die sichere Zurückgezogenheit der Mörder lag ihr immer noch auf 
dem Herzen. Man suchte von beiden Seiten ein Auskunftsmittel. 

Zwei Briefe des Cardinais d'Estrees vom 23. und 29. October 
1677, der erstere an den Minister Pomponne, der letztere an den 
König selbst gerichtet, bestätigen, dass in Folge des Schutzes, den 
Villars den Banditen gewährte, eine merkliche Entfremdung zwischen 
dem Gesandten und der Regentin stattgefunden habe; doch glaubt 
der Cardinal, dass es seinem Zureden noch gelingen werde, die 
Herzogin zu bestimmen , die Augen zuzudrücken , wenn man die 
Verbrecher ohne Aufsehen entfliehen lasse. 

Am 24. Oct. schreibt der Marquis de Villars an Hrn. de Pomponne: 
„Mein Herr! Der Verdruss, den die Regentin wegen der Insulte 
gehabt hat, welche auf Befehl der Contarini dem Musiker Stradella 
(der wieder hergestellt ist) angethan wurde, hat die Güte ihrer Ho- 
heit gegen mich nicht vermindert; sie weiss, dass eine Verbindlich- 
lichkeit und eine Verpflichtung meiner Stellung vorliegt, in der sich 
Hr. v. Servien mehrmals befunden hat, und dass ich ohne furcht- 
bare Schmach diese beiden Elenden nicht dem Tode überliefern kann." 

Diesen wenigen Worten gemäss hatte also die französische Ge- 
sandtschaft in Turin schon öfter Leuten in einer ähnlichen ehrbaren 
Lage ihren Schutz gewährt. Es war dies ein Präcedens, dessen 
Tradition man nicht erlöschen lassen durfte, und darum unterstützte 
der incognito in Turin weilende Cardinal eine seiner Theilnahme 
so würdige Sache mit seinem ganzen Einflüsse. Aus den am 29. 
und 80. October und 4. November 1677 von dem Cardinal d'Estrees 
und von Marquis de Villars an den Minister Pomponne gerichteten 
Briefen ersehen wir die Art und Weise, in welcher endlich die Flucht 



der beiden Banditen in Scene gesetzt wurde. Das Haus des Ge- 
sandten war Tag und Nacht von Wachen umgeben, die gewöhnlichen 
Wachtposten verstärkt, und ein Theil der Stadttbore verschlossen, 
um das Entkommen der Verbrecher zu verhüten. Der Cardinal hatte 
der Regentin und dem Marquis den Vorschlag gemacht , er wolle 
die Banditen ohne Aufsehen und Geräusch in einem Schiffe fort- 
bringen, indem er unter dem Vorwande, auf dem Po einen Theil 
seiner Familie wegzuschicken, die Reise bis nach Montferrat aus- 
dehnen Hesse, wo dann die Flüchtlinge auf das französische Gebiet 
übergehen sollten. Die Regentin hatte zwar ihre Einwilligung zu 
diesem Plane noch nicht gegeben, doch hoffte der Cardinal, dieselbe 
mit Hülfe des Abbe Verrue noch zu erlangen. Da durchhieb Villars 
den Knoten in höchst unerwarteter und grosses Aufsehen erregender 
Weise. Er fuhr nämlich eines Morgens mit seiner Gemahlin und 
seinem Sohne in seiner sechsspännigen Carosse, in deren Hintergrund 
die beiden Mörder unter Mänteln versteckt waren, aus seinem Hotel 
und aus der Stadt, wie um eine Spazierfahrt zu machen, in der 
Absicht, die Flüchtlinge in einiger Entfernung von der Stadt zwölf 
wohlbewaffneten Männern zu übergeben, welche sich verbindlich 
gemacht hatten, dieselben mit Gefahr ihres Lebens durch die Wälder 
nach Montferrat zu führen. Allein kaum hatte man die Stadt im 
Rücken , als die Carosse von den Garden der Regentin umringt 
wurde, und dem Marquis, der einen Zusammenstoss seiner Leute mit 
denen der Regentin vermeiden wollte, blieb nichts übrig, als seine 
Schützlinge selbst nach Pignerol zu bringen , da die savoyischeu 
Garden ihn bis an die Grenzen von Piemont begleiteten. Begreif- 
licherweise war die Herzogin wüthend über diesen öffentlichen Trotz 
gegen ihren ausgesprochenen Wunsch und Willen, während auf der 
anderen Seite die Contarini einen eigenen Gesandten nach Turin 
schickten, um dem Marquis ihren Dank für die Rettung der in ihrem 
Solde stehenden Banditen auszusprechen. Villars empfing jedoch 
diesen Boten nicht in seinem Hause, um nicht die Regentin noch 
mehr aufzubringen. Uebrigens suchte er in seinen Briefen an Pom- 
ponne »ein Verfahren, den Anklagen der Regentin gegenüber, mög- 
lichst zu beschönigen und mit dem Drucke der Vethältnisse zu 
rechtfertigen, während der Cardinal bemüht ist, das gute Einver- 
nehmen zwischen der Regentin und dem Gesandten Frankreichs 
wieder herzustellen. 

Auch der französische Gesandte in Venedig wurde natürlich von 
seinem Ministerium aufgefordert sich seines Schutzbriefes wegen zu 
Verantworten, und der König, der einen Abscheu vor schlech- 
ten Handlungen hat, wie es in der betreffenden Depesche 
heisst, lässt die unterthänigen Entschuldigungen seines Repräsen- 
tanten gelten. Man darf sich darüber nicht wundern, denn Lud- 
wig XIV. wollte überall und immer und über Alle König sein und 
darum liess er sich durch die abscheulichsten Missbräuche des Asyl- 
rechts nicht abhalten, auf demselben unter allenUmständen zu bestehen. 
Man sah dies deutlich , als Papst Innocens XI. die Freiheiten, 
welche die Gesandten in Rom nicht nur für ihre Hotels, sondern auch 
für die Quartiere, in welchen sich diese befanden, hatten, aufzuheben 
versuchte. Die meisten Fürsten Europa'» hatten ihre Einwilligung 



— 122 — 



gegeben, nur Ludwig allein bestand auf seinen Vorrechten. Nach- 
dem der alte Herzog d'Estre'es gestorben war, wurde er auf seinem 
Gesandtschaftsposten in Kom durch den Marquis von L a v a r d i n 
ersetzt, der in Rom wie ein Kriegsbefehlshaber einzog; er kam im 
grossen Zuge, begleitet von 400 Marinegardisten, 400 Freiwilligen- 
Offizieren und 200 Livreeleuten, alle vollständig bewaffnet. Lavardin 
wurde freilich excommunicirt , aber der König nahm Avignon in 
Besitz , und nach verschiedenen Zwischenfällen wurden die alten 
Freiheiten wieder anfrecht erhalten. 

In dem Briefe des Ministers Pomponne an den Abbe d'Estrades 
vom 27. October 1677 spricht sich wieder dieselbe heuchlerische 
Entrüstung des Königs über die Ausstellung des Empfehlungsbriefes 
für die beiden Mörder aus, wie in dem früher angeführten Schrei- 
ben au den Marquis de Villars, und der Schluss des Briefes ist voll- 
kommen darauf berechnet, den Abbe über die Tragweite*der könig- 
lichen Ungnade zu beruhigen, denn der Minister schreibt dort: 
„.... Sie sehen, mein Herr, dass ich mich des Auftrags entledige, 
den S. Maj. mir gegeben hat (nämlich dem Abbe die Missbilligung 
des Königs auszudrücken); ich thue es mit Unbehagen wegen dessen, 
was Sie dabei empfinden müssen , allein der Unwille des Königs 
beschränkt sich darauf, dass er Ihnen durch mich zu verstehen gibt, 
er habe den von Ihnen geschriebenen Brief miasbilligt." 

Der Abbe legte seinen Depeschen die Abschrift eines Billets 
von dem Cardinal Delfino bei, welcher für die Leute des Louis 
Contarini seinen fortdauernden Schutz verlangt, selbst nach voll- 
brachter Missethat, und lieferte damit dem König einen handgreiflichen 
Beweis des mächtigen Druckes, vor dem er sich habe beugen müssen. 
Dem Marquis de Villars war seine Rechtfertigung noch viel 
leichter geworden. Er hatte sich geschickt hinter den Schatten des 
grossen Königs versteckt, und weit entfernt ihn zu tadeln, ergriff 
Pomponne nur die Gelegenheit, ihn wissen zu lassen, dass dies das 
richtige Benehmen sei, welches man bei ähnlichen Vorkommnissen 
zu beobachten habe. Kaum dass man mit ein paar Worten der 
unpassenden Art und Weise erwähnt, in welcher man die beiden 
Banditen entfliehen Hess. Der König habe es für überflüssig ge- 
halten, schreibt der Minister Pomponne, dass der Marquis und seine 
Gemahlin diese Unglücklichen persönlich bis Pignerol begleiteten. 
Sein Wagen müsse ebenso heilig sein wie sein Haus und würde 
ohne Zweifel von den Leuten, welche die Regentin zur Beobachtung 
ausgesandt hatte, nicht minder respectirt worden sein. Von dem bei 
der ganzen Angelegenheit am nächsten Betheiligten, nämlich von 
dem Musiker Stradella, geschieht in allen diesen Briefen nur hie 
und da mit ein paar Worten Erwähnung. Gleichwohl sind diese 
zufällig und wie mit Widerwillen hingeworfenen wenigen Worte 
Alles, was man von dem grossen Künstler weiss und haben daher 
dennoch ihren Werth. Doch gereichen die von den verschiedenen 
correspondirenden Diplomaten über Stradella abgegebenen Notizen 
nicht eben zu seinem Vortheile, und scheint derselbe jedenfalls ein 
ziemlich leichtfertiges Leben geführt zu haben. Dies hebt auch der 
Abbe d'Estrades in seinen Enttchuldigungsschreiben hervor und meint, 
dass, wenn der gauze mächtige Adel von Venedig sich für die Sache 
der Contarini interessire, man auf einen Musiker nicht viel Rück- 
sicht zu nehmen brauche , der noch dazu die Kühnheit hätte zu 
sagen: „er habe dem Cardinal Cibo in Rom ein Schnippchen ge- 
schlagen und werde sich auch nun um die venetianischen Pantalons 
nicht viel kümmern." 

Uebrigens hatte mau dem Abbe gesagt, es handle sich um nichts 
weiter , als Stradella zu zwingen , dass er das von ihm entführte 
Mädchen heirathe oder ihm, wenn er dies verweigere, eine tüchtige 
Tracht Schläge zu applicireu. — Die Verzeihung des Königs machte 
dieser seltsamen Correspondenz ein Ende, welche mit einem Freibrief 
für feige Mörder begonnen hatte. Was das Opfer derselben betrifft, 
so wurde der Name desselben, wenn er je erwähnt wurde, mit ir- 
gend einer beleidigenden Bemerkung begleitet, wie oben beispiels- 
weise angeführt worden ist, und das ganze Interesse concentrirte 
sich auf die Mörder. 

Mit Erstaunen überblickt man die beträchtliche Reihe vornehmer 
uud hochgestellter Personen, welche mit vereinter Anstrengung ihren 
ganzen Einfluss aufboten zu dem einen Zwecke, Straflosigkeit für 
eine verbrecherische Tbat zu erwirken. Es Hesse sich eine eigen- 
thümliche Moral aus dem Endresultate dieses tragischen Abenteuers 
ziehen. Nachdem die Ehre des Königs aufrecht erhalten, die Würde 



des Gesandten gewahrt ist, erinnert sich der Minister Pomponne der 
ganzen Affaire später so wenig, dass er in seinen Memoiren, die 
Übrigens voll von pikanten Erzählungen über die leichten Sitten 
des Hauses Savoven sind, sieh beschränkt zu sagen : „Während der 
Gesandschaft des Marquis de Villars hat sich nichts Beachtenswertheg 
au diesem Hofe zugetragen. Dieselbe endigte 1678, kurz nach dem 
Frieden von Nymwegen. Der König schickte den Abbe d'Estrades 
an Villars* Stelle. Letzterer hatte nur einigen Privat - Aerger der 
Herzogin von Savoyen in Betreff der Marquise, seiner Gattin, zu 
ertragen." Dieses Aergerniss stammte davon her , dass die Ge- 
sandtin von Frankreich am Hofe ursprünglich nur ein Tabouret 
hatte; Servien, der vorhergehende Gesandte, hatte einen Stuhl mit 
einer Lehne verlangt, und nun wollte Mme. de Villars gar einen 
Fauteuil haben! Dies sind die wichtigen Dinge, welche eine Spur 
im Gedächtniss des Ministers zurückgelassen haben, aber von der 
Ermordung des grössten italienischen Musikers, Stradella's, kein 
einziges Wort. 

Die neue Orsel zu St. Peter in Genf. 



Die neue Orgel zu St. Peter in Genf, gebaut von Mer kl in- 
Schütze in Brüssel, hat auf drei Ciavieren (jedes von 56 Tasten) 
und dem freien Pedal (von 27 Tasten) 45 Stimmen, welche wie 
folgt vertheilt sind: 

Erstes Ciavier. Positiv. 14. Ophicleide u. Hörn 16 Fuss. 

1. Bourdon .... 16 Fuss. 15. Trompete .... 8 n 

2. Rohrflöte .... 8 B 16. Clairon .... 4 „ 

3. Principal .... 8 „ Drittes Ciavier. Retit expressiv. 

4. Viola di Gamba . 8 „ 1. Harmonische Flöte . 8 Fuss. 

5. Salicional .... 8 , 2. Bourdon .... 8 „ 

6. Harmonische Flöte . 4 „ 3. Gamba 8 „ 

Combinationsstimmen. 4. Voix Celeste . . 8 „ 

7. Mixtur drei- bis vierfach. 5. Echoflöten . . . 4 „ 

8. Flautino .... 2 Fuss. 6. Vox humana . . 8 „ 

9. Trompete .... 8 B Combinationsstimmen. 

10. Clarinette. . . . 8 „ 7. Fugara 4 Fusa. 

Zweites Ciavier. Hauptwerk. 8. Comet 8 „ 

1. Principal .... 16 Fuss. 9. Fagott u. Oboe. . 8 „ 



10. Trompete .... 8 B 
Viertes Ciavier. Pedal. 

1. Subbass .... 32 Fuss. 

2. Subbass .... 16 „ 



3. Contrabass 


. . 16 


» 


4. Octavbass. . 


. . 8 


» 


5. Violoncell. . 


. . 4 


» 


6. Octavflöte. . 


. . 4 


n 



2. Bourdon . . . .16 

3. Principal . . . . 8 „ 

4. Bourdon .... 8 B 

5. Harmonische Flöte , 8 „ 

6. Gamba 8 „ 

7. Dulciana .... 8 n 

8. Octavflöte. . . . 4 „ 

9. QuiutflÖte .... 3 „ 

10. Prästaut .... 4 B Combinationsstimmen. 

Combinationsstimmen. 7. Bombarde (Posaune) 16 Fuss. 

11. Doublette . . , . 2 Fuss. 8. Trompete .... 8 B 

12. FortschreitendeMixtur4 „ 9. Clairon .... 4 „ 

13. Comet 8 „ 

Unter „Combinationsstimmen" (Jeux de Combinaison) werden 
diejenigen verstanden , welche vermittelst eines Pedaltrittes mit 
einigen oder allen Stimmen verbunden und abgestossen werden können. 
Für diesen Zweck hat die Orgel fünf Pedaltritte, die über der Cla- 
viatur des eigentlichen Pedals (welches die Franzosen jetzt Ciavier 
Pedalier zum Unterschiede von jenen Pe'dales nennen) angebracht 
sind und auf ähnliche Art wie die Pedale an den Fortepianos in 
Wirksamkeit gesetzt werden. Ausserdem liegen in derselben Reihe 
noch sieben Pedaltritte, vermöge deren sieben verschiedene Koppe- 
lungen bewirkt werden können. Der Mechanismus aller dieser Pe- 
dale wirkt im Nu und ohne alles Geräusch. Bezüglich der Mechanik 
sind bemerkenswerth: der pueumatische Hebel und die Combinations- 
pedale. Die pneumatische Maschine ist bei allen 3 Ciavieren und 
selbst bei dem Pedal angebracht und mit solcher Kunst gearbeitet, 
dass ihre Wirkung auf die Leichtigkeit des Spiels selbst bei der 
Koppelung aller Claviere und des Pedals ganz dieselbe bleibt und 
ebenso schnell und präcis agirt, als sie es auf jedem einzelnen Cia- 
vier thut. Wenn der pneumatische Hebel dem Organisten die Leich- 
tigkeit der Handhabung der Claviaturen verschafft, deren Schwere 
ihn so lange gedrückt hat, so kommen die Combinationspedale dem 



128; - 



Talente des Künstlers im Vortrag und der Nüancirung durch die 
Anwendung der verschiedenen Klangfarben der Stimmen vortrefflich 
cu Statten.*) 

Mittelst dieser Pedale kann der Spieler durch einen leichten 
und augenblicklichen Fusstritt verschiedene Stimmen der verschie- 
denen Claviere vereinigen, von der einfachen Koppelung eines Ma- 
nuals mit dem anderen bis zur Herbeiziehung von fünf bis sechs 
Combinationsstimmen oder bis zur Stärke des gesammten vollen 
Werkes. Er kann also, ohne die Hand vom Ciavier zu nehmen, 
Über alle Hülfsquellen des Ausdrucks, die ihm das Instrument bietet, 
nach seinem Willen verfügen, und man sieht den grossen Vortheil, 
den ihm dies gewährt, leicht ein, wenn man bedenkt, dass der Or- 
ganist nicht das glückliche Loos des Pianisten tbeilt, der im Stande 
ist, den Ton durch den Anschlag zu ändern und seine Finger den 
Empfindungen seiner Seele gehorsam zu machen. 

Die Commission zur Untersuchung und Prüfung der neuen Orgel, 
bestehend aus den HH. L. Bischoff, Vorsitzender und Bericht- 
erstatter, aus Cöln, Ed. Batiste, Prof. am Conservatoire und 
Organist von St. Eustache in Paris , J. Vogt, Organist von St. 
Nicolaus in Freiburg, Ren. de Vilbac, Organist von St. Eugenie 
in Paris, Ant. Häring, Organist von St. Peter ia Genf, R u d. 
Low, Organist von St. Elisabeth in Basel, El. Wartmann, Prof. 
in Genf, Em. Feigerl in Genf, Blanck, Pastor in Colmar, 
achliesst ihren Bericht mit folgenden Worten: ,,Die Commission hat 
die Ehre und die Befriedigung, dem Consistorium und der Gemeinde 
au dem Besitze eines solchen Instrumentes Glück zu wünschen. Die 
Orgel in St. Peter wird zu den Merkwürdigkeiten Genfs zählen und 
allen denen zur Ehre gereichen, die dazu beigetragen haben, für die 
Kachwelt dieses ruhmvolle Denkmal der frommen und kunstliebenden 

Gesinnungen des gegenwärtigen Geschlechts zu errichten.' 1 

N.-R. M.-Z. 



MiOltengrin im Theätre lyrique. **) 

Der Director des The'ätre lyrique sucht und wagt viel. Die 
musikalische Kuust und das französische Publikum sind Hrn. Car- 
valho bereits Dank schuldig. Er hat uns die Meisterwerke Mozart's 
kennen gelehrt, oder wenigstens dieselben populär gemacht. „Fi- 
garo's Hochzeit," „Die Zauberflöte," „Don Juan" sind durch ihn 
dem laufenden Repertoir seiner Bühne einverleibt. Während er auf 
diese Weise einerseits unter den classischen Partituren wählte, er- 
muthigte er andererseits die modernen Componisten. Er bereitet 
soeben eine Revanche für Rieh. Wagner vor. 

Im kommenden Winter wird das The'ätre lyrique den „Lohen- 
grin" zur Aufführung bringen. Wird dies wohl zu einer Revanche 
für den Fall des „Tannhäuser" führen? Die Zukunft und das Pub- 
likum werden darüber entscheiden. 

Wir stehen dieser Frage ganz ferne. Ohne das Talent Wagner's 
läugnen zu wollen, ohne seiner Kühnheit und seiner Beharrlichkeit 
die gebührende Anerkennung zu versagen, zählen wir doch nicht zu 
seinen überzeugten Bewunderern. Allein es handelt sich um eine 
Frage der Gerechtigkeit, die wir entschieden sehen möchten. Eine 
alte Ordonnanz von Chilperich bestimmt, dass ein Angeklagter 
nicht verurtheilt werden soll, bevor er gehört worden ist. Sollten 
wir weniger gewissenhaft sein als die merowingische Justiz? Das 
Pariser Publikum hat den „Tannhäuser" hingerichtet, aber es hat 



) Unsere deutschen Orgelbauer sträuben sich noch immer gegen 
die Anwendung des pneumatischen Hebels, und man hört wohl 
die Bemerkung, dass derselbe allerdings die Spielart erleichtere, 
aber der Conservirung des Werkes nachtheilig sei. Es ist aber 
gerade das Gegentheil der Fall, denn der pneumatische Hebel 
egalisirt, wie man sich leicht überzeugen karm, die Oeffnung der 
Ventile in den Windladeu und verhindert dadurch auf nachhaltige 
Weise den Verschleiss der Ventile, welcher durch den ungleichen 
Anschlag, den geringeren oder stärkeren (und in beiden Bezie- 
hungen wechselnden) Niederdruck der Tasten befördert wird. 
Freilich dürfen wir auch nicht vergessen, dass den deutschen 
Orgelbauern eine so vermehrte und vervollkommnete Arbeit von 
den Gemeinden nicht bezahlt wird, welche schon einen Weheruf 
erheben, wenn von 5-6000 fl. die Rede ist, währeud die Ge- 
meinde und die Stadt in Genf über 18,000 Thlr. angelegt haben, 
um ein vollkommen gutes Instrument zu erhalten. 

**) Von A. L o m o n , in der „France musicale". 



ihn nicht verurtheilt. Verurtheilen heisat richten, und um zu richten 
muss man boren. Würde ein ruhiges Hören, ein unparteiisches 
Richten die summarische Verurtheilung bestätigen, welche über den 
deutschen Componisten verhängt wurde? Würde wohl Wagner die 
zweite Partie verlieren, wie er die erste verloren hat, und stände 
ihm nicht die Rechtswohlthat frei, an ein nüchternes Publikum zu 
appelliren ? Es ist nicht Hrn. Carvalho's Schuld, wenn uns darüber 
nicht Klarheit wird. 

Ist die Wahl des „Lohengrin" eine glückliche ? Wir glauben 
es nicht. Vielleicht wäre es besser gewesen, den „Tannhäuser" 
wieder aufzunehmen, von welchem dem Pariser Publikum schon 
einige Stücke bekannt sind. Es hat der Ouvertüre und dem Pilger- 
chor seinen Beifall gespendet, und das ist schon ein Grund, um sich 
das Uebrige anzuhören. Der „Lohengrin" hat dieselben Mängel wie 
der „Tannhäuser". Ein verworrenes Gedicht, Mangel an dramatischem 
Interesse , wenigstens für ein französisches Publikum , welches vor 
Allem Handlung und wieder Handlung verlangt. „Lohengrin" ent- 
hält ohne Zweifel viele Schönheiten : die Kampfscene im ersten Acte, 
der Sieg Lohengrin's , der Beifall des Volkes, der Abschied Lohen- 
grin's von Elsa. Allein unserer Ansicht nach würde die Revanche 
Wagner's viel wahrscheinlicher sein, wenn Carvaiho den „fliegenden 
Holländer" gewählt hätte. 

Die alten musikalischen Formeln sind abgenützt und das Pub- 
likum ist der ewigen Cavatine müde. Es bewahrt seine Bewun- 
derung für die Meisterwerke der alten Schulen; indem es dieselben 
anhört, versetzt es sich in die Zeit, in welcher der Componist ge- 
schrieben hat. Allein die Formel für die classischen Werke ist nicht 
mehr dieselbe, welche für die Meister der Zukunft massgebend sein 
soll. Wir applaudiren Corneille, Racine und Moliere und werden sie 
immer applaudiren; es ist gut, diese Meister zu studiren und nach- 
zuahmen, allein die Nachahmung darf keine sclavische sein. Man 
muss wie sie die Natur befragen , das menschliche Herz studiren, 
die Leidenschaften und Gefühle darstellen ; allein man muss suchen, 
dieselben in einer Form auszudrücken, welche dem Character und 
den Eindrücken unserer Zeit angemessen ist. Die sclavische Nach- 
ahmung führt zum Verfall der Kunst. Wenn man stets copirt und 
die Nachahmer wieder nachahmt, so gelangt man von Copie zu 
Copie dahin, dass man gar keinen Zug des Originals mehr hervor- 
bringt. So macht man aus dem Apollo von Belvedere nach und nach 
eine Carricatur. 

Es wird eine Zukunftsmusik geben, wie es eine Maler-, Bild- 
hauer-, Bau- und Dichtkunst der Zukunft geben wird. Wenn Wagner 
auch das Problem nicht gelöst hat, so gebührt ihm doch wenigstens 
die Ehre, dasselbe aufgestellt zu haben. Man möge sich darüber 
nicht täuschen. Es gibt symptomartige Krankheiten, Verkehrtheiten 
des Geschmackes ; diese Krankheiten der Kunst und des Geschmackes 
werden ebenfalls wieder zu Symptomen. Man beklagt sich mit Recht 
über gewisse scandaleuse Erfolge. Man sagt, die Kunst verfalle; 
das Publikum vernachlässige die guten Werke , es steige aus den 
Rogionen des Idealen herab , um die Musik der Caffeehäuser zu 
applaudiren ; es vergesse Mozart über die Gassenhauer einer Theresa. 
Wenn dies ein wirklicher Verfall wäre, so müsste man ihn tief be- 
klagen und au jeder Abhülfe verzweifeln, allein es ist dies kein 
Zeichen des Verfalls, es ist ein Symptom des Uebergangs, ohne 
Zweifel ein betrübendes Symptom, welches jedoch das Uebel andeutet 
und uns zu suchen gebietet, wo das Leben ist. Nun ist aber das 
Leben nicht mehr in den alten Formeln. 

Theresa ist eine Protestation, eine beklagenswerthe Protestation, 
was die Form betrifft, aber im Grunde eine gerechte Protestation 
gegen den halb überspannten , halb sentimentalen Muth willen , eine 
Protestation gegen den falschen Geschmack, die übertriebeneu Ver- 
zierungen , die überall angebrachten Vocaliseu , deren gefährlichste 
Kundgeberin Adeliua Patti ist. Vom künstlerischen Standpunkt 
aus betrachtet — und die Geschichte wird dies seiner Zeit bestä- 
tigen — Scandal gegen Scandal, die übertriebenen Triumphe der 
Patti sind beklagenswerther als die vorübergehenden Erfolge der 
Theresa; wenigstens braucht man die letzteren nicht so ernsthaft 
zu nehmen. 

Dasselbe Symtom beurkundet sich in unseren Sitten und in 
unseren Gewohnheiten. Seitdem die Frauen aus dem Salon ein 
Schlachtfeld gemacht haben , wo der Luxus nicht immei mit den 
Waffen der Courtoisie kämpft, seit die geistreiche Causerie dem 



- 124 - 



ewigen Geschwätz über Toilette Platz gemacht bat, haben die Männer 
den Clubb und die Cigarren eingeführt. Clubb und Cigarren sind 
Proteßtationen nnd Symptome. 

Da sind wir nun weit von B. Wagner abgekommen. Allein 
Alles hat seinen Platz; Aesthetik, Philosophie, schöne Künste, Critik» 
Alles ist der Ausdruck des menschlichen Gedankens, die Uebersetzung 
der Gefühle, welche die Geister beherrschen und die Herzen schlagen 
machen. Das menschliche wird immer dasselbe bleiben, die Werke 
Gottes sind unwandelbar. Allein die Civilisation wächst, die Ideen 
-wechseln und der Ausdruck wechselt mit ihnen, und die Kunst unter 
allen ihren Formen ist der Ausdruck der Menschlichkeit. 

So möge denn B. Wagner nach Paris kommen, um eine glän- 
zende Bevanche oder eine ehrenvolle Niederlage zu finden. Wenn 
er die neue Formel nicht gefunden haben sollte, so hat er sie doch 
mit Hingebung und mit Eifer gesucht. Er hat Anspruch auf jene 
Sympathie, welche das Evangelium allen Menschen verspricht, die 
eines guten WillenB sind. Als Sieger werden wir ihm unsern Beifal 1 
schenken, als Besiegten werden wir ihn beklagen und für ihn jene 
Theilnahme in Anspruch nehmen, welche immer jenem Soldaten nach 
dem Siege zu Theil wird, der in der vordersten Beihe gefallen ist* 



> o> — 



COBRESPONDENZEN. 



Aus Paris. 

22. Juli. 

Die seit einem Monat hier herrschende tropische Hitze ist nicht 
geeignet , das Publikum in's Theater zu locken. Dieselben sind 
daher sehr leer, so dass die Directoren bedenkliche Gesichter machen. 
Das Iuteresse des Publikums ist überhaupt in diesem Augenblick 
mehr den Kriegsereigniasen in Deutschland als der Kunst zugewendet. 
Das einzige musikalische Ereigniss seit mehreren Wochen ist die 
neue dreiaetige Oper von Jules Cohen, ,,Jose Maria 1 ''. Dieselbe 
wurde vorigen Montag in der Opera comique zum erstenmale auf- 
geführt und hat soso angesprochen. Jules Cohen, ein junger und 
sehr reicher Mann, ist ein Schüler Halevy'e und hat sich durch 
eine Operette, „Maitre Claude", sowie durch die Musik zu den 
Chören von Raciue's „Athalie" und „Esther" einen gewissen Namen 
gemacht. Er besitzt eiu entschiedenes Aneignungstalent, allein es 
fehlt ihm durchaus an Ursprünglichkeit. Iq dem eben erwähnten 
neuen Werke ahmt er bald seinen verewigten Meister Halevy, bald 
Auber nach; ja hie und dort fiudet man ihn wohl auch in den Fuss- 
stapfen Verdi's; überall aber tritt die Absicht deutlich hervor, coüte 
gue coüte, Effecte hervorzubringen. Das jüngste Kind der Cohen'- 
schen Muse wird sich schwerlich lange auf dem Bepertoir erhalten. 

Auber arbeitet an einem neuen Werke , zu welchem ihm 
d'Ennery den Text geliefert. Dasselbe soll künftigen Winter in 
der Ope'ra comique in Scene gehen, 

Hr. Carvalho, der Director des Theätre lyrique ist nach 
Italien abgereist , um dort einen Tenoristen zu suchen , der den 
Romeo in Gounod's gleichnamiger Oper singen soll. Dieselbe soll 
im nächsten Winter zur Aufführung kommen. Auch „Lobengrin" 
soll im Laufe künftiger Saison dort aufgeführt werden. 

O f f e n b a c h , der unermüdliche , rastlose Offenbach, arbeitet 
gegenwärtig an einem halben Dutzend Opern, unter welchen sich 
eine dreiaetige befindet, die für das Theätre du Chätelet bestimmt 
ist. Wie ich höre, ist das Libretto von Ludovic Halevy und 
Henri Meilhac nach einem Mährchen bearbeitet. Das Werk 
heisst es, wird mit einer seltenen Pracht ausgestattet werden. 



T¥ a c li richte 



ii. 



Brüssel. Die Statue Gretry's, welche bisher auf dem Univer- 
sitätsplalze stand, ist nun auf ihrem neuen Piedestal, Place du 
Spectacle, aufgestellt und die umgebende Bretterwand entfernt 
worden, so dass man den freien Anblick des Monumentes geniesst. 
Dasselbe macht auf seinem gegenwärtigen Platze einen weit vorteil- 
hafteren Eindruck als auf dem früheren, was nicht nur den günsti- 
gen Proportionen des Platsee und seiner Umgebung, sondern auch 



dem neuen, bedeutend höheren und sehr geschmackvoll gearbeiteten 
Sockel zu verdanken ist. 

London. Die Concertsaison kann man als geschlossen betrachten ; 
sie endigte mit einer Matinee, welche Adel ina Patti am 18 d.M. 
gab und in welcher sie unter Anderem saug: „On partitiff" wozu 
sie die Musik auf ein Gedicht Byron's selbst componirt bat, und 
ein noch unveröffentlichtes Terzett von Costa : „ Vanne o colei cht 
adora" mit Mario und B r i g n o li. Sie wurde natürlich mit 
Beifall und Blumen überschüttet. Neben ihr glänzten die Damen 
L u c c a und A r 1 6 t in verschiedenen Piecen aus „Figaro's Hoch- 
zeit" und „Norma". Am 25. Juli findet als Benefiz für Adelina ein* 
Aufführung von „Figaro's Hochzeit" statt, worin sie selbst die Su- 
sanne singen wird. Die Vorstellungen im Theater der Königin wur- 
den mit der „Zauberflöte" geschlossen , doch werden noch mehrere 
Aufführungen zu herabgesetzten Preisen stattfinden. 

— Im October findet in Norwich ein grosses Musikfest statt, 
und sind die Oratorien „Naaman" von Costa und „Israel in Egypten 4t 
von Händel zur Aufführung. 

— Unter anderen afrikanischen Merkwürdigkeiten, welche in 
neuester Zeit hier ausgestellt wurden, befindet sich auch ein blinder 
Neger, welcher ziemlich gut Ciavier spielt und besonders die Gabe 
besitzt, Alles, was er hört, sogleich nachzuspielen. Sein „Besitzer" 
hofft mit ihm gute Geschäfte zu machen. 

*** Der älteste der französischen Clarinettisten , Franco Da- 
costa, seinerzeit ein ausgezeichneter Virtuose auf seinem Instru- 
mente, ist am 12. Juli in Bordeaux, wo er am 17. Januar 1778 ge- 
boren wurde, gestoihen. Er hatte seine musikalische Ausbildung 
im Conservatorium erhalten, wurde auf Verwendung Rode's 1802 
zum Soloclarinettisten der Musik des ersten Consuls ernannt und 
behielt die Stelle eines ersten Clarinettisten unter den verschiedenen 
nachfolgenden Regimen bis 1842. Er war zweiter Director der 
Musik der Garde Karls X. und gehörte mit anderen Künstlern, an 
deren Spitze Habeneck, zu den Gründern der Concertgesellschaft 
des Conservatorinms. Er hatte von Spontini's „Olympia" bis zur 
„Favoritin" von Donizetti alle Opern mitgespielt, welche das Pub- 
likum der grossen Oper entzückten. Er war in den letzten drei 
Jahren vollständig blind. Der Oberrabiner von Bordeaux hielt eine- 
ergreifende Ansprache an die zahlreich am Grabe des ausgezeich- 
neten Künstlers anwesenden Freunde und Verehrer desselben. 

*** Im Pariser Cirque de V Imperatrice hat dieser Tage eine 
Gasexplosion stattgefunden , durch welche vier Personen so schwer 
verletzt wurden, dass sie in's Spital gebracht werden mussten. Zwei 
Pferde sind verbrannt, zwei andere vollkommen betäubt worden, 
doch ist der materielle Schaden im Ganzen nicht bedeutend und der 
eigentliche Ciicus nicht beschädigt. 

*** Der Tenorist Wachtel eröffnete am 21. Juli ein Gastspiel 
am Friedrich -Wilbelmstädter Theater in Berlin. Er wird dreimal 
auftreten und zwar im „Postillon," „weisse Dame" und „Fra Diavolo". 

%* Die Saison am Scalatheater in Mailand wird am 5. Sept. 
mit der „Afrikanerin" eröffnet werden. 

*** Warum hoffen wir, sagt die Musical World, dass Preussen 
Hannover nehmen und behalten werde? — Weil wir dann Joseph 
Joachim nehmen und behalten werden. 

*** Bei den Pariser Theatern ist jetzt die Einrichtung getroffen* 
dass keine Contremarken mehr ausgegeben werden. Statt derselben 
sind die Eintrittsbillete mit Coupons versehen, welche letztere vom 
Billeteur abgerissen werden, während das Billet selbst in den Hän- 
den des Besitzers bleibt und ihm als Legitimation zum Aus- und 
Eingehen dient. 

*** Man geht in Paris mit dem Plane um, während der Welt- 
ausstellung im nächsten Jahre auch eine Art Weltausstellung des 
Chorgesanges zu veranstalten. Es sollen sich darnach ausser den 
Orpheons (Männergesangvereinen) aller Städte Frankreichs die Ge- 
sangvereine 8ämmtlicher europäischer Staaten an der Seine ve« 5 - 
sammeln. Delaporte und Baron Taylor befassen sich mit der 
Ausführung dieser Idee, die man grossartig nennen könnte, wenn sie 
nicht etwas abenteuerlich wäre. 

*** Im Pariser The'ätre lyrique wurden in der abgelaufenen 
Saison die „Zauberflöte" 58-, „Don Juan" 24-, „Martha" 56- und 
„Bigoletto" 46mal gegeben. 

i y i l i m i i i i i n .i . 1 ii I« 

Vtrantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



JV* 99. 



6. August 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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INHALT: Stradella und die Contarini. — Die Aeolsbarfe. — Nachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde ans dem 17. Jahrhundert von 

P. Richard. 



IV. 

Musikalische Compositionen. 

Angeio Catelani, ein gelehrter Musiker und ausgezeich- 
neter Schriftsteller, von dem Fetis in seiner Biographie des musi- 
riens (neue Ausgabe) sagt , „dass seine Mittheilungen von hohem 
Interesse , voll tiefer Forschung und von einer vor jeder Kritik be- 
stehenden Genauigkeit sind, weil der Autor sich nur auf die authen- 
tischsten Beweismittel stützt," einer der Conservatoren der königlichen 
Bibliothek in Modena, constatirt das Vorhandensein einer beträcht- 
lichen Anzahl musikalischer Compositionen von Alex. Stradella in 
der musikalischen Sammlung , die unter seiner Aufsicht steht. *) 
AagesioHa dl^wr naasegsfceutatexi Schätae, welche fast alle gänslich 
unbekannt waren, hat sich Catelani die Aufgabe gestellt, oder viel- 
mehr es für seine Pflicht gehalten, eine genaue und ausführliche 
Beschreibung derselben zu veröffentlichen, und zwar soll diese wich- 
tige Arbeit unter der Aufsicht des Meisters Rossini zu Tag ge- 
fördert werden. Bisher war von den musikalischen Werken eines 
der grossen italienischen Meister kaum mehr bekannt als von den 
Einzelnheiten seines bewegten Lebens. Im Jahre 1861 hat Catelani 
in einem Modeneser Journal eine Uebersicht dieser zahlreichen 
Compositionen mitgetheilt. Das Werk, mit dessen Ausarbeitung er 
«bau beschäftigt ist, naht sich seiner Vollendung und wird sich den 
Frennden der Musik als ein verdienstvolles Unternehmen erweisen, 
durch welches eine fühlbare Lücke in der Geschichte der italieni- 
schen Meister des 17. Jahrhunderts ausgefüllt wird, indem wir einen 
fange vergessenen Meister kennen und schätzen lernen, der ein wür- 
diger Nachfolger eines Peri, Caccini, Monteverde, Caris- 
simi und ein ausgezeichneter Vorgänger Alexander Scarlatti'a 
und des grossen Händel war. 

In Erwartung dieses entscheidenden Werkes und mit Hülfe der 
von Catelani bereits gegebenen Andeutungen scheint es uns von 
Nutzen zu sein, wenn wir in einem möglichst vollständigen Ver- 
seichniss die bis heute constatirten authentischen Werke dieses frucht- 
baren Meisters zusammenstellen. Jederman weiss, dass während des 
ganzen 17. und 18. Jahrhunderts nur der kleinste Theil der musi- 
kalischen Werke durch Druck oder Stich veröffentlicht wurde. Die 
wenigen Exemplare, welche verbreitet wurden, waren handschriftliche 
Copien, deren Anzahl natürlich eine sehr beschränkte war. Schon 



*) Ohne Zweifel verdankt man die Sammlung und Erhaltung aller 
dieser Werke dem Hersog Franz IL von Modena. Der kränk- 
liche Sohn der Laura Martinozzi, einer der Nichten Ma- 
sarin's, war Franz IL, nach Muratori, ein jedwedem Meister 
gleichstehender Musiker. In seinem Dienste befanden sich, reich- 
lich bezahlt, die ausgezeichnetsten Künstler seiner Zeit. Ausser- 
dem war er der Gründer der Bibtioteca Esteusa, welche reich 
an gedruckten Büchern und Manuscripten ist. Er war ein Zeit- 
genosse Stradella'« und war erat 34 Jahre alt, als er 1694 starb. 



dadurch allein erklärt sich ihre Seltenheit. Zum Glück für die 
grössere Verbreitung und für den Fortschritt der Kunst haben sich 
eine bedeutende Anzahl fürstlicher Sammlungen, Dank den politi- 
schen und anderen Umwälzungen während der letzten Generationen, 
in öffentliche Sammlungen verwandelt. So sind denn eine Menge 
von kostbaren Documenten für die Geschichte und Praxis der musi- 
kalischen Kunst bekannt geworden und werden deren immer noch 
mehr bekannt werden. Wir werden daher bemüht sein, um diesem 
ersteu Nachforschungen eine möglichst allgemeine Nützlichkeit zu 
verleihen, mit aller Genauigkeit die öffentlichen oder Privatsamm- 
lungen anzugeben, in welchen man die angeführten Werke finden kann. 
Kirchenmusik. Einer Anmerkung Catelani's zufolge figurirt 
Stradella zu gleichen Zeit als lateinischer Dichter in mehreren seiner 
kirchlichen Compositionen. Andererseits besitzt das Britanische 
Museum unter den Manuscripten von Harley eine „Sammlung der 
berühmtesten Kirchenlieder und Vorgesänge, welche in der evange- 
lischen Kirche von der Reformation bis zur Bestanration Carte II* 
gebräuchlich waren," gesammelt von 1716 bis 1720 von dem Doctor 
der Musik Thomas Tudway, Professor an der Universität in 
Cambridge, in 6 Octavbänden. Im 2. Baude befinden sich Motteten, 
welche ursprünglich von Stradella auf lateinische Texte componirt 
und von Dr. Henry Aid rieh einer englischen Uebersetzung au- 
gepasst wurden. 

Was sind dies nun für Motteten? Sind es Copien derjenigen, 
die sich iu Modena befinden, oder sind es andere Compositionen? 
Wir können nur diese Frage aufstellen, da uns eine Prüfung nicht 
möglich ist. — Die kostbare Sammlung alter Musik, welche ß. G. 
Kiesewetter der kaiserlichen Bibliothek in Wien vermacht hat, 
enthält einige Werke von Stradella. Ein ausführlicher Catalog, 
welcher 1847, also ein Jahr nach dem Tode des Legatars veröffent- 
licht wurde, weist zwei Kirchcncompositionen auf, nämlich ein Motttt 
für 6 Stimmen, u lux äterna fulgebit\ und einen gleichfalls seehc- 
stimmigen Psalm, „laudate Dominum". 

Man kann den geistlichen Compositionen Stradella's die ver- 
schiedenen Arrangements seiner „Kirchenarie" (Aria di chiesä) 
nicht beizählen , welcher man verschiedene lateinische Texte zu 
unterlegen beliebt hat. Ebenso kann man ihm ein dreistimmiges 
„0 salutaris" nicht zuschreiben, welches in Paris mit Orgelbeglei- 
tung von Mine herausgegeben wurde. Grobe Prosodiefehler, eine 
hässliche Triolenpassage lassen auf den ersten Blick einen unge- 
schickten Nachahmer erkeuneu. Was das „Agnus Z>ei" für Tenor 
und Baas bettifft, welches Nicou-Chorou einer authentischen Mu- 
sik von Stradella unterlegt bat, so ist dasselbe nichts Anderes als 
ein Bruchstück der Cantate für Sopran und Bass , welche mit den 
Worten anlangt: „Chi dira che nel veleno " und deren ursprüng- 
licher, ziemlich profaner Text etwas ganz anderes ausdrückt als ein 
Agnus Dei. 

Oratorien. Das geistliche lyrische Drama, in gewöhnlicher 
Sprache geschrieben und für die Kirche bestimmt, entstand fast 
gleichzeitig mit dem lyrischen Drama der Schaubühne, aber seine 
Form und Bestimmung bringen dasselbe natürlich der Kirchenmusik 



126 - 



näher. Diese Compositionsgattung verdankt ihren Ursprung der 
Gründung der Oratoriums - Congregation durch Philipp Neri. 
Nachdem das Oratorium zur Entstehung einer langen Reihe von 
Meisterwerken der berühmtesten Meister aller Schulen, wie Jomelli, 
Cimarosa, Händel, Bach, Haydn, bis auf Mozart und Beethoven Ver- 
anlassung gegeben hat, hat sich dasselbe seit langer Zeit von der 
geweihten Stätte zurückgezogen ; heutzutage glänzt dasselbe , mit 
Ausnahme Englands, wo es noch das einzige musikalische Schauspiel 
der strengen Protestanten bildet, nur noch bei Concerten und Musik- 
festen. AI. Stradella war einer der ersten Componisten, welche 
dem Oratorium eine dramatische Form gegeben haben. Ursprünglich 
war dasselbe ein schwerfälliges Gemisch von Erzählung und Drama; 
der Tenor, unter dem Namen Istoria oder Texto, erzählte das 
Sujet, und die verschiedenen Absätze seiner Erzählung endigten mit 
einem „cosi disse" oder ,.proruppe in tali accenii" der gewöhn- 
lichen Einleitung zu einer Arie, einem Duett etc. Die Einförmigkeit 
dieser Form und einigermassen auch die Aehnlichkeit mit der 
„Passion" der Charwoche veranlassten die Einweglassung jener 
Worte, und obschon dies ein wirklicher Fortschritt war, so fehlte es 
doch nicht an Leuten, welche unter dem Scheine der Frömmigkeit 
behaupteten, es gäbe nun keinen Unterschied mehr zwischen einer 
geistlichen und einer weltlichen Oper. Das Oratorium , so wie es 
Stradella uud alle grossen Meister nach ihm aufgefasst haben, blieb 
siegreich gegen jene ungeschickten Einwendungen und hat unver- 
gängliche Werke hervorgerufen. 

Bisher kannte man nur ein einziges Oratorium von Stradella, 
an welches sich die Erzählung Bourdelot's knüpft, nämlich jenes, 
dessen Schönheit „wie durch ein Wunder die Wuth der Mörder in 
Mitleiden verwandelte," das Oratorium , de San Giovanni Battista 
a cinque con stromenti'\ für fünf Stimmeu mit Orchester. In seiner 
grossen Geschichte der Musik hat B u r n e y eine sehr sorgfältige 
Analyse dieses Oratoriums, Stück für Stück gegeben. Wenn er, 
nach Bourdelot und Hawkins, Rom und die Kirche von St. Johann 
von Lateran als den Ort angibt, wo der Auftritt mit den musik- 
freundlicben Banditen stattgefunden haben soll, und beifügt, dass 
Stradella Componist, Dirigent und erster Virtuose als Instrumentalist 
und Sänger zugleich war, so vergisst er, dass Bourdelot in seiner 
Erzählung weder von Stimme noch von Gesang gesprochen hat. 

Burney besass ein Exemplar dieses Oratoriums. Ein zweites 
hat sich in der Sammlung der Academie für alte Musik in London 
vorgefunden und ein drittes, wie die andern Manuscript, befindet 
sich in der Bibliothek in Modena. Kiesewetter besass mehrere 
Bruchstücke davon in seiner reichen Sammlung, Pater Martini 
hat als Fugenbeispiel das Duett: „Nel seren del tuoi conlenti" aus 
demselben Oratorium in seiner „practiseken Abhandlung über den 
Contrapunkt" gegeben , indem er von der Berühmtheit des Autors 
spricht: „Uomo di gran grido nel secolo passato" und eine ana- 
lytische Besprechung beifügt. Burney, tit. IV., p. 118 hat das näm- 
liche Stück wiedergegeben. 

Catelaui führt noch fünf andere Oratorien an, welche in Modena 
aufbewahrt werden und folgende Titel haben : 

„Santa Pelagt'a," vierstimmig mit Chören. 

„San Giovanni Crisostomo* fünfstimmig. 

„ Ester, liberatrice del popolo ebreo* fünfstimmig mit Chören. 

„Santa Edita, vergine e monarca regina d Inghilterra* 
fdufstimmig, das Gedicht von dem Fürsten Lelio Orsini. 

„Susanna," fünfatiinraig mit Chören. 

Die hervorragende Stellung, welche Stradella unter den Meistern 
des 17. Jahrhunderts eingenommen hat, besonders als Oratorien- 
componist, berechtigt uns wohl, hier in Kürze das ernstlich durch- 
dachte Urtheil wiederzugeben, welches der gelehrte Dr. Burney über 
ihn gefällt hat: „Seine (Stradella's) Compositionen, sämmtlich für 
Gesang, deren mehrere sich in meinem Besitz befinden und von denen 
ich eine grosse Anzahl in anderen Sammlungen gesehen uud geprüft 
habe, übertreffen alle anderen des vorigen (16.) Jahrhunderts, mit 
Ausnahme jener von Carissimi und vielleicht, wenn er ein höheres 
Alter erreicht hätte, würde er auch hinter diesem grossen Musiker 
nicht zurückgeblieben sein." 

Nach Burney wären die Sinfonie oder Ouvertüre und die erste 
Arie des heil. Johannes in dem zu Rom in der Laterankirche auf- 
geführten Oratorium von wenig Wirkung, doch findet er die Be- 
gleitung eines darauffolgenden achtstimmigen Gesanges sehr genial. 



Bewundernswerth findet er einen fünfstimmigen Chor der Schüler 
des heil. Johannes. Es ist dies eine vorzüglich gearbeitete Doppel- 
fuge. „Ausser von Händel, sagt Burney, kenne ich keinen besseren 
Vocalcbor." In anderen Stücken findet er ebenfalls sehr schöne, 
neue und elegante Stellen; sie sind alle fugirt oder imitatorisch 
geschrieben, eine Manier, die zwar an sieb nicht dramatisch ist, &b«r 
unter den Händen eines Carissimi, Stradella, Purcell, Händel für 
den Kenner grosses Interesse bietet. Ausserdem führt er noch eine 
prächtige Bassarie des Herodes mit Doppelchor an. Wenn auch 
manches veraltet ist, so war es doch damals neu genug, dass Corelli 
und andere Componisten es nachahmten. Die Melodie war damals 
noch wenig ausgebildet, und jeder Meister beeilte sich nach irgend 
einer seltenen Bewegung ausserhalb des Fugenstyls wieder zu dem- 
selben zurückzukehren, da er seinen Ruf an die Kundgebung 
seiner Geschicklichkeit in diesem Genre geknüpft glaubte. Doch 
hat Stradella, wenn er auch den Ansprüchen seiner Zeit gerecht 
wurde, in seinem Oratorium eine grössere Abwechslung in den Be- 
wegungen und Combinationen angewendet, als man in irgend einem 
geistlichen oder weltlichen Drama jener Zeit findet. „Dieses Ora- 
torium wächst an Verdienst von Schritt zu Schritt. Das Recitativ 
ist im Allgemeinen vortrefflich, und unter den Arien ist Weniges zu 
finden, was nicht Genie, Geschicklichkeit und Gelehrtheit verriethe." 
Zum Schlüsse sagt Burney: „Weun dieses geistliche Drama in St. 
Johann von Lateran aufgeführt wurde , was durch nichts bewiesen 
ist, so muss es gegen das Jahr 1676 gewesen sein." Dieses Datum 
ist wahrscheinlich, obschon jenes erste mörderische Attentat in Rom 
reine Erfindung ist. 



Die Aeolsharfe« 



Dieses romantische Instrument ist hier zu Lande wenig bekannt, 
dessen harmlose Naturmelodien und bald frohe, bald sehnsüchtige 
Hauchaccorde in tiefer Nachtstille zwischen dem melancholischen 
Säuseln des Laubes von eigeuthümlichster Wirkung sind. Dem spät 
unter den Sternen Wandeludcn bereiten diese Töne manches Ver- 
gnügen, und der eigentliche Musiker wird nicht umhin können, die 
ewigen Gesetze der Harmonie in ihnen zu bewundern. Es dürfte 
den Leser daher iuteressiren, etwas Näheres über die Natur und die 
Verwendung dieses Instrumentes zu erfahren. 

Dieses Saiteninstrument verlangt von seinem Besitzer keinerlei 
Kunstfertigkeit noch Vorübung, denn es spielt ganz von selbst. 
Die merkwürdige Eigenschaft, im Luftzuge sanfte Harmonien, wie 
Musik aus weiter Ferne, hervorzubringen, macht es für Gärten und 
ruhig liegende Zimmer höchst augenehm. Die Aufstellung ist leicht 
erlernt. Mau öffue nämlich ein Fenster, auf das eben ein frischer 
Wind trifft, drei Zoll weit, befestige es mittelst eines Bandes und 
Btelle nun die Harfe mit ihrem trichterförmigen Luftfange dicht 
anschliessend an diese Fensterspalte, so dass der eindringende 
Wind mitten durch den Saitenchor ziehen muss. Anfangs hauchen 
die Töne tief und im erwacheuden Dreiklange. Kaum aber setzt 
der Wind lebendiger ein, so steigen die sanften, feierlichen Accorde 
höher und höher, und es entwickelt sich eine reizeude Mannigfaltig- 
keit von hellen Flöten- und Clarinettönen. Vei hauchen sie wieder, 
so hallt die Melodie noch in den Basssaiten fort, wie ersterbende 
Klänge von fernen, gedämpften Waldhörnern. Alle übrigen Feuster 
und Thüren nach aussen müssen geschlossen seiu; wohl aber 
muss mau die Stubenthüre oder besser noch die eiues Camins öffnen, 
um so den uöthigen Gegenzug zu bewirken. Wer diesen Wink bei- 
achtet, wird die Aeolsharfe, mit Recht launenhaft- genannt, fast 
jederzeit zum Spieleu bringen. Die SeptimeuaccortW und vor Allem 
das Crescendo in schwellenden und wieder sinkenden Musikstrophen 
sind unnachahmlich schön uud dürften selbst dem geübtesten Geigen- 
spieler noch ein kleines Studium werden. — Im Garten wählt man 
einen Ort, wo ganz freie Luftströmung herrscht. Hier kann man 
in Form einer Nische eine Art Luftfang anbringen, uud würde die 
Harfe darin zugleich vor Regen geschützt seiu. Fast alle küustlichen 
Decorationsstücke eines Parkes, als: Säulen, Ruinen, Grotten, Denk- 
mäler, Statuen, Fontainen, vor Allem aber Grotten, die starken Zug 
haben , lassen sich zur verborgenen Anbringung von Aeoisbarfen 
trefflich benutzen. ~ - 



- 127 - 



Die gwöbnliche Sorte, für fast Jedes Stubenfenster passend, bat 
«ine Hohe von S 1 /» Fuss, ihre Breite ist 8 Zoll und die Weite des 
Luftfanges 4 Zoll. Das Gewicht einer solchen Harfe ist 6 Vi» mit 
Kiate 14 Pfand. Sie sind verfertigt von aasgewähltem Holze der 
Lerchentanne, welches durch langes Trocknen einen klingenden Ton 
angenommen und mahagoniähnlich polirt ist. Der Preis nebst Stimm- 
schlüssel und Verpackung ist ungefähr 10 — 12 fl. ; von massivem 
Mahagoni mit hübscher Auslegarbeit natürlich etwas theurer. Die 
grossen Harfen für Parks sind 5 l /iF«8S hoch, mit Violoncell-^-Saiten 
bezogen , ihr Tonumfang 7 Octaven , und sind ihre Basstöne so 
ausgezeichnet schön, dass sie an das Herüberhallen einer Kirchen- 
orgel erinnern. 

Es folgt hier noch im leichten Ueberblick eine Zusammenstellung 
alles dessen, was den Besitzern dieser Instrumente wissenswürdig 
erscheinen möchte. 

Stimmung. Nach dem Piano in F der grossen Bassoctave 
Und alle Saiten überein. Die grösseren Harfen eine Octave 
tiefer und ist bei diesen die Stimmung jedesmal nach dem Grundton 
der Resonanzdecke in Chladni's Methode genau bezeichnet. Je 
präciser man die Saiten in ihren vollkommensten Gleichklang stimmt, 
um so reiner und entzückender schweben daraus die Accorde hervor. 
Aufstellung. Die vorzüglichste wird immer die in einem 
gewöhnlichen Zimmer s^n, wie zu Anfang erläutert. Die meisten 
Fenster in den HauBern der Stadt, selbst in engen Strassen, liefern 
treulichen Zug für das Spiel einer Aeolsharfe. Hier spielt sie schon 
wegen der Resonanz des Zimmgrs lauter und voller als ganz im 
Freien, und sind die Tone auch ausserhalb des Bauses bei völliger 
Stille noch in ziemlicher Distanz zu vernehmen,-. Ma*n muss nur 
vorher ermitteln, welche Seite des Hauses den lebhafteren Luftzug 
bietet, und dieserhalb öftere Versuche anstellen.^ 

Zeit der Aufstellung. Bios in der ^bendkühle, wenn sich 
ein leichter Wiud erhebt. Während der Tageswärme entwickeln die 
Accorde fast keine Abwechslung und übersteigen selten die Septime 
der tiefsten Octave. Am Abend dagegen und in der Nacht bilden 
sich durch die sinkende Temperatur jene merkwürdigen Harmonien, 
welche mit ihren geisterhaften Anklängen nicht in Noten wiederzu- 
geben sind und die doch überall Freude und Bewunderung erregt haben. 
Aufstellung im Garten. Hoch über den Baumwipfeln. 
Die Harfe niedrig zwischen dem Laube anzubringen, würde zu keinem 
Resultate führen. Der Wiud, welcher sich hier bemerkbar macht, 
ist nämlich vielfach gebrochen und fällt schräg von oben herein. 
Die Luftströmung muss unbedingt horizontal auf den Saitenchor 
treffen, wenn ausgehaltene Accorde erscheinen sollen, und gleich dem 
Bogenstrich auf der Geige parallel mit den Stegen ziehen. 

Molltöne. Man stimme die beiden Melodiesaiten (die ersten 
vom Luftfange) einen halben Ton tiefer. Weitere Umstimmungen 
ausserhalb des Gleichklanges liefern Dissonanzen. 

Saiten und Aufziehung neuer. Je dünner die Saiten, 
um so leichter das Ansprechen des Tones. Die Violin -JE- Saiten 
werden schon bei einem Luftzug vibriren, der kaum mit den Blättern 
spielt. Ihre Töne aber steigen schon bei massigem Winde zu einer 
Höhe, die in's Gebiet der Vogelstimmen hinaufreicht. Man wählt 
daher am passendsten ^-Saiten, und sind auch die kleinem Harfen 
oaeh der gewöhnlichen (zweizügigen) Länge dieser Saiten eigens 
gebaut. An Aufstellungsorten, wo die Luft stärker hinströmt, z. B. 
freiliegende Häuser, Thürme, Grotten etc., geben jedoch D- Saiten 
ihres bedeutsamen, feierlichen Basses wegen, eine schönere Wirkung. 
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung , dass diese dickere Saiten 
etwas tiefer gestimmt werden müssen (etwa zwei ganze Töne), wenn 
Sie schon bei leichtem Hauchwinde ansprechen sollen. 

Beim Neuaufziehen muss mau jede Saite von vornherein 
an's Stimmungshalten gewöhnen. Dies geschieht, indem man sie 
um mehrere Töne höher spannt und so ruhig stehen lässt. Bei dem 
späteren Herablassen auf ibreu Normalton wird sie diesen um so 
richtiger einhalten, und bei Verstimmung durch Temperaturwechsel 
wieder auf ihn zurückkommen. Bei der schwachen Anspannung 
reissen die Saiten übrigens höchst selten , es sei denn , die Harfe 
werde von feuchtem Nebel überrascht. Dann aber tönt vorher von 
den sich auflösenden Saiten eine so eigenthümlich dumpfe Klage, 
dass man unwilikührlich aufmerksam werden und sie in Schutz 
nehmen wird. 

Conservirung und Veredlung. Wer vielleicht an diesem 



einfachen Natarinstrumente höheres Interesse findet und es auf alle 
Weise in gutem Stande erhält, wird auch die Freude haben, recht 
bald eine Verschönerung des Tones daran wahrzunehmen. Nicht nur 
wird es lauter und voller spielen, sondern es kommt mit der Zeit 
eine unbeschreibliche Romantik des sanft hervorquellenden Klanges 
hinzu. Um nun solche Veredlung anzubahnen, ist vor allen Dingen 
erforderlich, die Harfe vor Feuchtigkeit zu schützen, sie im Winter 
an einem trockenen, und wenn irgend möglich warmen Ort aufzu- 
bewahren und mittlerweile die Saiten stets i m Gl eichklange 
zu erhalten, bis sie diesen nicht mehr verlieren. (Euterpe.) 



I a c h r i c h t c ii. 



Mainz. An Ciaviermusik ist sicherlich nirgends Mangel, denn 
die Zahl derer, welche sich zur Bereicherung der einschlägigen Li- 
teratur berufen fühlen, ist Legion. Doch nicht alle Berufenen sind 
Auserwählte, und im Ganzen ist nur ein sehr geringer Theil der in 
so grosser Anzahl erscheinenden Novitäten im Fache der Ciaviermusik 
als eine wirkliche Bereicherung derselben zu betrachten, so dass es 
zu beklagen ist, wenn ein nach dem Rechten mit Erfolg strebender 
Componist nicht so allgemein bekannt wird, als er es verdiente, was 
nicht selten der Fall ist. So haben wir vor Kurzem verschiedene 
Ciaviersachen von einem uns bisher gänzlich unbekannten Compo- 
nisten, dem Professor am Wiener Conservatorium, Hans Schmitt, 
zu Gesicht bekommen , die sich vor vielen andern modernen Pro» 
dueten durch Ideenreichthum, characteristischen Ausdruck, schöne 
Melodik und Noblesse in der Erfindung und in der Form sehr vor- 
teilhaft auszeichnen. Auch im Etüdenfach hat dieser begabte Künstler 
sehr schätzenawerthes geleistet, und es würde uns zum besonderen 
Vergnügen gereichen, wenn wir den Werken Schmitts, welche bei 
F. Wessely in Wien erschienen sind, die Aufmerksamkeit 
gediegener Pianisten im verdienten Grade zuzulenken vermöchten. 

E. F. 
Dresden. Sonntag, den 29. v. M. fand in der Frauenkirche eine 
grosse geistliche Musikaufführung zum Besten der hülfsbedürftigen 
Familien der gefallenen Sachsen statt. Veranstaltet war dieselbe von 
der Generaldirection der kgl. musikalischen Capelle und des Hof- 
theaters. Aasgeführt wurden die Nummern des Programms durch 
die Mitglieder dieser beiden Kunstinstitute unter Mitwirkung der 
Dreyssig'schen und der Dresdener Singacademie (Chorgesangverein). 
Das geistliche Concert bot : Orgelpräludiuni (Hr. Hoforganist Merkel), 
den BacVschen Choral „Gieb dich zufrieden" etc. ; Mozart's „Re- 
quiem" (die Soli gesungen von Frau Kammersängerin Bürde-Ney, 
Frau Krebs-Mi chalesi und den HH. Weixlstorfer und 
Scaria); A-moll-Fuge von Bach (Hr. Merkel), und den 42. Psalm 
von Mendelssohn-Bartholdy (die Soli ges. von Frl. Alvsleben und 
Frl. Ilänisch, sowie den HH. Eichberger, Hollmann, 
Mitter würz er und Weixlstorfer). Die musikalische Direction 
des Mozart'schen „Requiem" hatte Hr. Hofcapellmeister Dr. Rietz, 
diejenige des Mendelssohn'schen Psalms Hr. Hofcapellmeister Krebs 
übernommen. Dass die Wiedergabe der einzelnen Programmnummern 
bei der Vereinigung so hervorragender künstlerischer Kräfte eine 
ebenso der vorgeführten Compoaitionen als des feierlich-ernsten An- 
lasses würdige war, bedarf nicht erst der Erwähnung. Die Solisten, 
die Chöre und die kgl. Capelle schienen beim Studium der ihnen 
anvertrauten Partien gewetteifert zu haben, der Heiligkeit des Mo- 
mentes gerecht zu werden. Auch das Publikum, welches alle Räume 
der Kirche füllte, bewies durch sein zahlreiches Erscheinen, dass es 
die dringende Mahnung verstanden. Und als die ersten Töne von 
Mozart's musikalischem Testamente tieferschütternd erklangen und 
„Hequiem aeternam dona eis, Domine" flehten, da ward wohl 
manches Auge feucht; in Aller Herzen aber hallte sicher als Echo 
dieser frommen Fürsprache das innige Gebet zum Herrn der Heer- 
schaaren wieder : et nobis pacem. (Dr. J.) 

Paris. Ponsard, Schüler des Conservatoriums, welcher eine 
sehr schöne Bassstimme besitzt und soeben den ersten Preis bei 
den Gesangsprüfungen erhalten hat, ist an der grossen Oper enga- 
girt worden. 

— Die Proben für die Aufführung der „Alceste" von Gluck in 
der grossen Oper sind im besten Gange und dieselbe soll zwischen, 
dem 10. und 15. August stattfinden. 



— 128 



Paris. Man spricht von einer Vermählung AI f r e d Jae 1 l's mit der 
ausgezeichneten Pianistin Frl. Marie Trautmann, welche in 
dieser Saison in London sehr grossen Erfolg errangen hat. 

*** Das zum Besten des Denkmals fdrRameau inDijon 
veranstaltete Festconcert fand zahlreichen Besuch und heifällige 
Aufnahme, doch möchte der alte, strenge Meister steh etwas ver- 
wundert hahen , wenn er gehört hätte , welche musikalische Opfer 
seinen Manen gebracht wurden. Das Programm enthielt nämlich 
u. A. die Ouvertüre zu „Semiramis" von Rossini, einen Fackeltans 
von Meyerbeer, Ave Maria ven Gounod, eine Arie aus, „Pierre de 
Medicis" nnd eine Romanze von Alard. Ausserdem Hess S i v o r i 
seine besten Kunststücke auf der Geige los, die vielleicht auch dem 
alten Rameau weniger Vergnügen gemacht hätten als dem betreffen- 
den Publikum, welches über dieselben ganz ausser sich kam. 

*** Werke der Bildhauerkunst zur Ausschmückung 
des neuen Opernhauses in Paris. Die für das Opernhaus 
oestimmten Medaillen, Büsten und Statuen von grossen Componisten 
«Her Schulen werden in folgender Weise angebracht werden : Haupt- 
facade, vier Medaillons: Cimarosa, Pergolese , Bach, Haydn. Im 
Vestibül, vier sitzende Statuen, die Häupter der Schulen, nämlich: 
Lulli, italienische Musik ; Rameau, französische Musik ; Gluck, deutsche 
Musik, und Händel, englische Musik. — Haupt facade, sieben 
Büsten in Goldbronce (Mozart oecupirt die Mitte, die Uebrigen reihen 
sich nach dem Alter an): Rossini, geb. 1792, Auber, 1782, Beet- 
hoven, 1770, Mozart, 1756, Spontini, 1774, Meyerbeer, 1794, Halevy, 
1799. Gegenfacade: Scribe, geb. 1791, Quinault, 1635. Rechte 
Seitenfacade, 14 Büsten in chronologischer Reihe: Monteverde, 
1568, Durante, 1684, Jomelli, 1714, Monsigny, 1729, Gretry, 1741, 
ßacchini, 1754, Lesueur, 1763, Berton, 1767, Boieldieu, 1775, He- 
rold, 1791, Donizetti, 1798, Verdi, 1814. Linke Seitenfacade: 
Cambert, geb. 1628, Campra, 1660, J. J. Rousseau, 1712, Philidor, 
1716, Piccini, 1728, Pawiello, 1741 , Cherubini, 1760, Mebul, 1763, 
Nicolo, 1775, Weber, 1786, Bellini, 1802, Adam, 1803. — Ausserdem 
kommen in das kleine Foyer die Büsten der Architecten und Theater- 
mechaniker, die durch hervorragende Arbeiten geschichtliche Be- 
rühmtheit gemessen, als: Marquis von Sourdeac, Servadoni, Moreau, 
Louis. 

* m * Die geschiedene Gattin des Tenoristen Form es und ehe- 
malige Berliner Hol'schauspielerin Frau Auguste Formes, geb. Arens, 
wurde am 15. d. M. in Ems mit dem russischen Obersten und kai- 
serlichen Flügeladjutanten Wilhelm v. Weymann vermählt. 

*** Eine von Abbe L i s z t geschriebene Hymne des Marins 
für gemischten Chor ist, ausgestattet mit einer autographirten päpst- 
lichen Approbation, erschienen. 

*** Frl. P i c h 1 e r , die Tochter des trefflichen Frankfurter 
Barytonisten, ist am Hol'tueater in München in „Stradella" mit vielem 
Beifall aufgetreten. 

*** Der regierende Köuig Jeramy in Dahomey hat den 
Henry Distiu in London um einen jungen, talentvollen Musik- 
lehrer bttteu lassen, der sofort abreisen und ein Corps von 80 jungen 
Dämon seiner Leibgarde in dem Blasen von Blechinstrumenten vom 
höchsten Sopran bis zum tiefsten Bass unterrichten könne. Derselbe 
Hr. H. Distiu hat einen ähnlichen Auftrag aus Utah, der Mormonen- 
stadt , erhalteu , wo man ebenfalls einen Musiklehrer zu erhalten 
wünscht, der ein weibliches Musikcorps im Gebrauche der Blasin- 
strumente unten H'bten soll. (Zellner's Bl. f. Th. etc.) 

*** In Frankfurt a. M. ist der durch seine instruetiven 
Claviercompositionen rühmlichst bekannte Dr. Aloys Schmitt 
78 Jahre alt, gestorben. 

*** Das Scalatbeater in Mailand kündigt für die bevorstehende 
Saison nicht weniger als neun neue Opern an , und zwar von 
Verdi, Pacini, Mictli, Bazzini, Piacenza, Quarterez, Pinchule, Borioli 
und Paola la Villa. 

*** In M e c h e 1 n hat ein internationaler Concurs für geistliche 
Compositionen stattgefunden , und es waren bis zum 1. Juli , dem 
festgesetzten Termine, 76 Concurrenzarbeiten eingelaufen, aus Belgien, 
Frankreich, Englaud, Oesterreich, Preussen, Baiern, Würtemberg, 
den deutschen Herzogthümern, Holland, Rom, Italien und Spanien. 
Preisrichter waren: für Belgien: Fetis, königlicher Capellmeister, 
Soubre, Director des Conservatoriums in Lütticb, Gevaert, Com- 
ponist in Paris, Canonicus De Vroye aus Lüttich, als Präsident; 
iür Frankreich : H e c t o r B e rl i o *, J. d'Ortigue, Saint- 



Saens, Organist bei St. Madeleine in Paris, E. Batiste, Professor 
am Pariser Conservatorium ; für Deutschland : Ferd. H i 1 1 e ty. 
Capellmeister von CÖln, D a m k e von Hannover, Kufferath von 
Brüssel ; Tür Holland : Ve rh u 1 s t, Director von Felix Meritis in 
Amsterdam; für England: Mäher aus London. Becretär war Van 
Elewyk von Lüttich. Die Jury hat bei Zuerkennung der Preise- 
in nachstehenderWeise constatirt, dass die Bedingungen der Programms: 
sehr schwierige waren, und dass die Preisgekrönten denselben nicht 
im vollen Maasse entsprochen haben. 

1. Preis : eine goldene Medaille und die Summe von 1000 Frs.> 
Ed. Silas, niederländischer Componist, Organist einer katholischen 
Kirche in London und ehemaliger Zögling des Pariser Conservatoriums. 

2. Preis : Eine Medaille von Silber und vergoldet nebst 500 Frs., 
Gottfried Preyer, Capellmeister an der Stephanskirche in Wien.. 

3. Preis: 250 Frs., Johannes Haber t, Organist zu Gmunden 
in Oesterreich. 

*** Das königliche Theater in Dresden sollte den 22. eröffnet, 
werden, und zwar mit der Aufführung der „Antigone," nnd am fol- 
genden Tage mit „Fidelio". Neuerdings ist jedoch seitens der In« 
tendanz aus bis jetzt unbekannten Gründen , und obwohl viele von 
den beurlaubten Mitgliedern wieder eingetroffen sind, die Wiederer-- 
Öffnung auf unbestimmte Zeit verschoben worden. 

%* Ueber den Wettstreit von Männergesangvereinen in L üt t i cb 
bei Gelegenheit der dortigen National - Festlichkeiten geht uns von 
competenter Seite das Urtheil zu , dass die dort aus Belgien und 
dem nördlichen Frankreich versammelten Vereine durch präcise und 
fein ausgearbeitete Vorträge einen ausserordentlichen Fortschritt in 
der Gesangskunst offenbart haben, der von angestrengtem Fleisse und 
ernsten Studien zeugt. Der Verein von Ar ras im nördlichen Frank- 
reich könne sich mit dem besten deutschen Vereine messen ; er er- 
warb einen doppelten Preis. Bei dem prix d'excellence konnte er 
den Bedingungen des Programmes gemäss nicht mit coneurriren :. 
dieser Preis wurde dem Vereine des Artisans re'vnis von Brüssel 
zuerkannt, welcher ebenfalls recht gut sang, aber keinen Mitbewerber 
in den Schranken des Kampfplatzes hatte. (N.-R. M.-Z.) 

*** Vom Hoftheater in C a s s e 1 wird die amtliche Mittheilung» 
gemacht, dass bis jetzt alle Mitglieder der Hofbühne ihre volle Gage 
erhalten haben und es durchaus nicht in der Absicht der General- 
Intendanz liege, für die Folge die einmal contraetlich stipulirten 
Gagen in irgend einer Weise zu verringern. Die Wiedereröffnung 
des Hoftheaters ist für den 1. August festgesetzt. 

*** Der rühmlichst bekannte Componist Gevaert gibt unter 
dem Titel : Les Gloires d'Italie, eine Sammlung von italienischen 
CompoBitionen aus dem siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert 
heraus, wovon die erste Lieferung in Paris erschienen ist. Sie ent- 
hält: Arie von Giula Caccini (1600), Cantate von Carissimi (1650), 
Duett von Stradella (1675), Solo-Cantate von Scarlatti (1700), Arioso, 
von Jomelli (1750), Aria buffa von Cimarosa (1778). Je vier Lie- 
ferungen bilden einen Band. Die Clavierbegleitung ist von Gevaert* 
Jede Lieferung kostet 5 Francs. 

*** Das Decorationswesen und die Bühnenmechanik bei der 
neuen Pariser Oper soll nach einem Systeme eingerichtet werden,, 
bei welchem Coulissen und Sofitten ganz in Wegfall kommen. Statt 
der Prospecte auf ganzen Leinwanden werden panoramaähnliche 
Zusammenstellungen aus einzelnen Practicablen eingeführt, die theils 
aus Versenkungen gehoben, theils vom Schnürboden herabgelassen 
werden, oder in der Achse des Zuschauers sich vor- und rückwärts- 
bewegen lassen. Ebenso wird hinsichtlich der Beleuchtung die Mög- 
lichkeit geboten , das Licht in jeden beliebigen Winkel einfallen 
lassen zu können , um dadurch die Effecte der Sonnenbeleuchtung 
zu erzielen. 

*#* Verdi ist in Paris angekommen nnd hat drei Acte seines, 
für die grosse Oper bestimmten „Don Carlos" fertig mitgebracht. 
Auch der vierte Act soll seiner Vollendung nahe sein. 

%* Die Opernvorstellungeu in Baden-Baden beginnen am 9.. 
August. Die Virtuosen Servais, Vivier und Vieuztemps 
sind bereits dort eingetroffen, um bei den Concerten mitzuwirken. 

%* Trotz der grossen Einnahme , welche die „Afrikanerin'* 
brachte, hatte doch die grosse Oper in Paris beim letzten Rechnungs- 
abschlüsse ein Deficit von 317,000 Frs. 



Verantw, Red, Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



]&. Jahrgang. 



w* &&. 



13. August 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

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Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
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Öfür den Jahrgang. 
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Brüssel bei Gebr. Schott, London bei Schott & Co. jU, - . ^4 



IRHALT: Stradella und die Contarini. — Literatur. — Correspondenz: Paria. — Nachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

F. Richard. 



v. 

Musikalische Comp ositionen. 

Dramatische Werke. Die sehr umfangreiche Liste der in 
Venedig aufgeführten Opern, die .beiden Ausgaben der Dramaturgia 
von Alacci, bezeichnen kein einziges Werk, dessen Musik Ton Stra- 
della herrührte ; es ist dies schon bemerkt worden. Man darf jedoch 
nicht daraus schliessen, dass dieser Componist nicht, wie Bourdelot 
sagt, von der Bepublik besoldet war, um die Musik für die Opern 
ssu componiren. Es ist im Gegentheil wahrscheinlich, dass wenigstens 
eines der fünf von Gatelani aufgezählten Werke für eines der zahl- 
reichen Theater geschrieben war. Venedig besass damals sieben 
Theater. Wenn nun die Aufführung nicht stattfand, dürfte nicht 
die Flucht des Meisters mit seiner Geliebten eine ganz natürliche 
Erklärung dafür liefern? 

Folgendes sind die Titel der von dem Modeneser Bibliothekar 
angeführten Opere melodrammatiche : „Corispero", in 2 Acten; 
„Oratio,' 11 in 3 Acten; „Floridoro" in 3 Acten; „Trespolo tutore" 
in 3 Acten, und ,.Biante^ in 3 Acten, mit vermischter Poesie und 
Prosa, mit Prolog, Zwischenspiel und Scblussballet. Mit Ausnahme 
des „Floridoro" sind diese musikalischen Dramen schon zu Eude 
des vorigen Jahrhunderts von Giambattista Dall'Olio in seinem 
Gedichte über die Musik angeführt;*) doch wurde dies nicht be- 
achtet , und erst F a r e n c hat als Mitarbeiter an der Biographie 
des mvsiciens von Fetis diese Mittheilung wieder in's Gedächtniss 
gerufen. 

Nach den Titeln zu urtheilen, scheint Trespolo tutore eine 
Buffo-Oper und Biante eine Art komische Oper gewesen zu sein. 
Ungeachtet der Zweifel Catelani's lässt sich doch das Vorhandensein 
einer sechsten Oper, ,La Forza del l'amor paterno,** nicht abläugnen. 
Es ist nicht wohl möglich, einen Irrthum, selbst was den Titel be- 
trifft, in den so bestimmt gegebenen Andeutungen des Engländers 
Burney vorauszusetzen; er behauptet nämlich, das Libretto, datirt 
Genua 1678, zu besitzen und fügt hinzu: „Es scheint, dass die 
Widmung dieser Oper an die Signora Teresa Raggi Saoli von 
Stradella selbst geschrieben ist, und am Eude des Vorwortes bringt 
der Herausgeber folgende Lobeserhebung für den Componisten an: 
»Bastando il dirii che il concerto di si perfetta melodia sia vet- 
tere d'un Alessandro , cioe del signor Stradella, riconosciuto 
senza contrasto per il primo Apollo della musica" (Es genüge 
su sagen, dass dieses Tonspiel das wackere Werk eines Alexander, 
nämlich des Signor Stradella ist , der ohne Widerspruch als der 
erste Apollo der Musik anerkannt wird.) Dass sich Stradella wirk- 
lich in Genua aufgehalten hat, wird auch von Gatelani bestätigt; 
•r belehrt uns, dass derselbe drei Jahre später für die Vermählung 
des Carlo Spinola und der Paola Brignole , genuesische Adelige, 

*) La Musica, poemetto, in Modena> 1794 in 8*. 



eine Art von Hochzeits - Epithalamium schrieb, unter dem etwas 
sonderbaren Titelt r Il Barcheggio, azione marinaresca epitala- 
mica* in zwei Theilen, und eine bemerkenswerthe Eigentümlich- 
keit ist die, dass die Partitur an zwei Stellen die Worte enthält: 
^ultima composizione di A. Stradella 0, (letzte Composition des 
A. Stradella) mit dem Datum des 16. Juui 1681. Da die fragliche 
Vermählung erst am 6. Juli 1681 in der Kirche zu St. Maria-Mag- 
dalena in Genua stattfand, so könnte man daraus folgern, dass der 
Tod des Künstlers zwischen diese beiden Daten falle. 

Als dramatische Werke kann man auch die Akademien 
oder Serenaden betrachten, mit welchen Namen man damals eine 
Art musikalischer Tag- oder Nachtfeste bezeichnete, deren Text und 
Musik ausdrücklich für eine bestimmte Veranlassung geschrieben 
waren. Besonders in Rom hatten die Kirchenfürsten , insoweit die 
Musik zu ihren Liebhabereien gehörte, Musikbanden in ihrem Solde 
und veranstalteten Academien in ihren Palästen. Jene des Cardinais 
Ottobon i, eines geborenen Venetianers und Neffen Alexanders VIII., 
waren langezeit berühmt. 

Akademien und Serenaden. Lo Schiavo liberato, zwei- 
stimmig, Gedicht von Sebastiano Baldini. 

Ü Acudemia d'amore, Gedicht von Gianpietro Monesio, eben- 
falls zweistimmig. 

Damone, einstimmig. 

CYrce, einstimmig, gedichtet von Gianfilippo Appollonio. Ea 
existiren zwei Compositionen von demselben Autor über denselben 
Gegenstand, aber in Bezug auf Text und Musik gänzlich von ein- 
ander verschieden. 

Verschiedene Prologe und Zwischenspiele für eine und für 
mehrere Stimmen können ebenfalls der Reihe von Werken grösseren 
Umfanges beigezählt werden. 

Alles, was hier aufgezählt ist, gehört der Palast-Bibliothek in 
Modena an. Nach Angabe des Bibliothekars erhebt sich die Zahl 
der Werke Stradella's auf nahezu 150. 

Die Bibliothek des Conservatoriums in Paris besitzt eine vier- 
stimmige Serenata für zwei Soprane, Mezzosopran und Bass, mit 
Sinfonie und Ballet, jedoch ohne einen bestimmten Titel. Die ersten 
Worte derselben sind: „Vota, vola in altri petti". Diese Serenade 
wurde für den Eccellentissimo Don Gaspare Altieri, wahrschein- 
lich in Rom , geschrieben. Ein besonders beachtenswerthes Duett 
für Sopran und Bass, n La raggion m'assicura," ist aus der ge- 
nannten Serenade entnommen und existirt in mehreren Abschriften, 
von denen das britannische Museum zwei besitzt. Stradella's Reci- 
tative sind im allgemeinen sehr bemerkenswert]! und manche der- 
selben können heute noch als Muster für den Ausdruck dienen. 
Das folgende Bruchstück, der in Rede stehenden Serenade entnom- 
men, ist zu kurz um als Beispiel zu dienen, doch ersieht man da- 
raus, wie der Componist mitten in der Recitirung Läufer-Passagen 
anbringt. Um die angeführte vorzutragen , war ein ächter basso 
cantante nöthig, der heutzutage ein sehr seltener Vogel geworden 
ist. Die vier sprechenden Personen dieser Cantate sind: Filii und 
Amore, Soprane; Silvio, Mezzosopran, und SdegrtOj Bass. 



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Die Serenaden und Akademien gehörten im 17. und zu Anfang 
des 18. Jahrhunderts zu den grossen Luxusfesten des römischen 
Hofes. Gesandte, Prinzen und Cardinäle verschafften sich dieses 
kostspielige Vergnügen. Zur Aufführung dieser fast wie wirkliche 
Opern ausgespounenen Compositionen war ein ganzes organisirtes 
Musikcorps nöthig. Man verwendete ausser den herkömmlichen vier 
Singstimmen das damals übliche Orchester, und zwar das grosse oder 
das kleine , Orchestrino oder Concerto grosso , welche zu den 
grossen Effectstücken sich vereinigten. Es waren dies nicht gerade- 
zu theatralische Dramen und man konnte daher die in den Kirchen 
augeatelltenKünstler, ja selbst die päpstlicheCapelle dabei beschäftigen. 

Die Spärlichkeit der nur oberflächlichen Notizen, welche bisher 
über eineu nun so berühmt gewordenen Künstler vorlagen, mögen 
die Ausführlichkeit unserer Aufzählung entschuldigen, obwohl die- 
selbe weitaus keine vollständige ist. Burney besass in seiner Samm- 
lung ein fünfstimtniges Madrigal: Piangete, occhi dolenti; ein drei- 
etimmigts Stück: Ecco ritorno aipianti, gegenwärtig im brittischen 
Museum befindlich, und noch ein anderes fünfstimmiges Madrigal: 
Clori son fido Amante. Nach Hawkins befände sich letzteres auch 
in der Sammlung der Academy of ancient music. 

Unter den weniger umfangreichen Compositionen erwähnen wir 
»machst eines Duetts für Sopran und Bass: Quel tuo petto di 
diamante, von lebhaftem Gang und, mit Rücksicht auf die Zeit, 
«ehr leicht und fast komisch. Es befindet sich in der kaiserlichen 
Bibliothek in Paris und ist in verschiedenen Concerten mit Erfolg 
gesungen worden. Ein anderes Duett für Sopran und Contrealt: 
Baldanzosa urm 6ellezza, im Couservatorium ; ein drittes: Troppo 
grave, in doppelter Abschrift im britanischen Museum, endlich zwei 
weitere Duetten: Fulmini quanto sa uud Ardo sospiro e piango, 
von Burney angeführt und in der Sammlung von Chris t-Church 
in Oxford befindlich. 

Pitoni, Capellmeister im Vatican, einer der gelehrtesten Com- 
ponisten der römischen Schule, sagt in seinen ungedruckten Notizen 
über die Contrapunktisten : Son famosi i suoi duetti, indem er von 
ßtradella's Duetten spricht. 

Die ein- und mehrstimmigen Cantaten sind Stücke von ver- 
schiedener Bewegung, welche unter sich durch Recitative zusammen- 
hängen und fast ausschliesslich mit einem basso continuo begleitet 
Bind. Die Musik des 17. Jahrhunderts ist meistens in handschrift- 



lichen Sammlangen aufbewahrt worden. Sehr häufig hat man ans 
diesen Sammlungen nur Bruchstucke von Cantaten oder anderen 
Compositionen ausgezogen und es ist daher sicher, dass viele Arien, 
Duette« etc., welche mit ihren Anfangsworten cttirt werden, gerade 
solche Bruchstücke sind, bei denen das Anfangswort oder Öer Titel 
des Hauptwerkes unbekannt blieb. 



Literatur. 



Klassische Ciavier- Compositionen aus älterer 
Zeit. Gesammelt von H. M. Schletterer. Leip- 
zig und Winterthur. J. Rieter - Biedermann. Wien, 
C. A. Spina. 

Wenn auch unsere Zeit auf dem Felde der Tondichtung keine 
wesentlich neuen Gebiete erobert, keine epochemachenden, selbst- 
ständige Bahnen erschliessende Erscheinungen zu Tage gefordert, 
keine zündenden Ideen und keine, den Entwicklungsgang der Kunst 
frisch belebende Impulse geboren hat, vielmehr überwiegend den 
Typus des Epygonenthums und des Eklekticismus trägt: in einer 
Hinsicht steht sie gross und denkwürdig da, nämlich in ihrem rast- 
losen Eifer und ihren glänzenden Resultaten im Bereiche special- 
musikhistorischer Forschungen. 

Wir besitzen gründliche, in acht historischem Geiste geschrie- 
bene biographische Werke von Otto Jahn (Mozart), Fr. Chrysander 
(Händel), Bitter (Bach), treuliche Monographien über „die Geschichte 
des deutschen Liedes" von Reissmann und K. Fr. Schneider, über 
die Geschichte der Hausmusik von C. F. Becker, die Geschichte 
des Singspieles von H. M. Schletterer u. s. f. Andrerseits haben 
die philharmonischen Concerte und die Oratorienvereine , sowie die 
von den bedeutendsten Meistern des Ciavierspiels veranstalten so- 
genannten historischen Concerte dadurch , dass sie einem 
grösseren Zuhörerkreise die Werke älterer, leider grossentheils ver- 
gessener Meister in ant h o 1 o gis ch er Weise vorführten, wesent- 
lich zur Belebung und Förderung des musikhistorischen 
Sinnes beigetragen und einer des historischen Wissens so vielfach 
entbehrenden Zeit die Wahrheit zum Bewusstsein zu bringen ge- 
sucht, dass wir mit der Vergangenheit nicht durch das äussere Band 
der Tradition, sondern durch den innern Kanal einer organisch und 
successiv sich entwickelnden Bildung zusammenhängen. Allein diese, 
den kunsthistorischen Zusammenhang mit einer an edlen Schätzen 
reichen Vergangenheit vermittelnder Quellen waren eben bisher auf 
die grossen Mittelpunkte musikalischen Lebens beschränkt ; der 
weiteren Sphäre der Kunstfreunde ist die ältere Musik eine wahre 
terra incognita , und diese Verhältnisse können sich blos dann 
ändern, wenn die verborgenen Schätze gehoben und durch correcte, 
kritisch gesichtete und den modernen Anforderungen entsprechend 
ausgestattete Editionen zum Gemeingute gemacht werden. Einen 
wesentlichen Beitrag nun zur eingehenderen Kenutniss der älteren 
Ciavierliteratur, welche, wie das Studium der Musikgeschichte über- 
haupt, ein wesentlicher Moment der musikalischen Bildung ausmacht, 
liefert die uns vorliegende Sammlung classischer Claviercompositionen 
aus älterer Zeit von H. M. Schletterer; sie dürfte vielleicht als 
Commentar zu Weitzmann's „Geschichte des Ciavierspiels in 
practischen Beispielen" bezeichnet werden. Der Herausgeber beab- 
sichtigt, die Werke der frühesten Meister bis zu C. Ph. Em. Bach 
und dessen Schüler in geeigneter Auswahl vorzuführen , die mit 
Josef Haydn aber beginnende moderne Zeit, da sie ja in anderen 
Sammlungen jedermann zugänglich ist, völlig auszuschliessen. Sehr 
zu billigen ist das Princip des Herausgebers, einen retrograden Weg 
einzuschlagen, d. h. dass er mit der Herausgabe späterer Componisten 
begonnen hat, um von da zu denen der älteren Zeiten zurückzu- 
gehen, und so durch das Näherliegende die Bekanntschaft mit dem 
Entfernteren zu vermitteln. 

Die Geschichte des Ciavierspiels hat vornehmlich 3 Schulen zu 

*) Wir benützen diese Gelegenheit, unser Befremden darüber aus- 
zusprechen, dass Hr. Weitzmann in seiner umfassenden Geschichte 
des Ciavierspiels den Namen Konradin Kreutzer nicht auf- 
führt. Kreutzer hat, man mag von seinen Claviercompositionen 
urtheilen , wie man will , ein solch vornehmes Ignoriren gewiss 
nicht verdient. 



— 381 



'«ötesachelden: die italienisehe, französische, deutsch*. Die erste hat 
ihren Höhepunkt erreicht ia Dominien Scarlatti, die zweite 
«uiminirt in Francoie Couperin, die dritte in C. Ph. Em. Bach. 
Jedoch nicht nur Werke dieser Heister, sondern die aller ihrer 
bedeutenden Vorgänger, Schüler und Zeitgenossen soll, wie der 
Herausgeber im Vorworte sagt, diese Sammlung nach und nach vor- 
führen. Die bereits erschienenen Hefte der Sammlung (Gottlieb 
Huffat, Ph. E. Bach, J. F. Reichardt u. s. f.) zeichnen sich durch 
brillante Ausstattung und Eleganz aus. 

Wir empfehlen das schöne Unternehmen allen Freunden der 
Ciaviermusik , namentlich aber Seminarien, Musikschulen und Con- 
servatorien. Möge recht lebhafte Theilnahme des musikalischen 
Publikums der Sammlung die möglichst erschöpfende und umfassend- 
ete Ausdehnung gewähren , und so den Herausgeber wie den Ver- 
leger für ihre Mühe und ihre Opfer belohnen. 

Dr. Eugen Frey. 



C0RRESP05DENZEN. 



Aus Paris. 

6. Angost. 

Das The'ätre lyrique hat diesmal nur kurze Ferien gefeiert. 
-Statt dieselben wie gewöhnlich bis zum 1. September auszudehnen, 
bat es seine Vorstellungen am 1. August wieder begonnen und zwar 
mit Flotow's „Martha," welcher man, nach dem bisherigen Erfolg 
su urtheilen, eine lange Dauer auf dem Repertoir des genannten 
Theaters versprechen darf. 

Dasselbe Theater wird im Laufe der Wintersaison unter anderen 
beliebten Werken auch „Faust," „Rigoletto," „Zauberflöte," „Don 
Juan," „Hochzeit des Figaro" und „Freischütz" zur Aufführung 
bringen, letzteres Werk, wie es heisst, mit ganz besonderem Glänze. 

In der grossen Oper ist sogleich nach der Rückkehr F aureus 
von London Mozart's „Don Juan 8 wieder zur Darstellung gelangt 
und findet dort entschiedenen Beifall. Die Proben des neuen Werkes 
von Verdi, „Don Carlos," beginnen dort nächste Woche und zwar 
unter der Leitung des Componisten, der seit vierzehn Tagen hier 
weilt. 

Gluck' s „Alceste" wird in der grossen Oper bald wieder zur 
Aufführung kommen. Berlioz übernahm die Proben und erhält für 
seine Mühewaltung eine Tantieme. Der Mademoiselle Bat tu ist 
die Titelrolle anvertraut. 

Mermet, der Compositeur des „Roland in Ronceval," hat das 
von ihm verfasste Libretto „Jeanne d Are" dem Director der grossen 
Oper vorgelesen und vielen Beifall geerndtet. 

In der komischen Oper wird dieser Tage „Mignon" von A m- 
broise Thomas einstudirt worden. Man hofft, das Werk im Oc- 
tober geben zu können. 

Offenbach's neues Stück „La Vie Parisienne" soll in den 
ersten Tagen des Herbstes im Palais- Roy al-The&ter in Scene gehen. 

Fräul. L u c c a hat auf ihrer Durchreise in einer Soiree bei 
N a u d i n mehrere Arien aus der „Hochzeit des Figaro," aus der 
„Afrikanerin" und „Fra Diavolo" gesungen. Der greise A u b e r 
begleitete sie am Ciavier. Derselbe äusserte, dass er keine Sängerin 
seit der M ali b ran gehört habe, die ihn so lebhaft an diese unver- 
gleichliche Künstlerin erinnere wie die Lucca. 



HT ii e li r i c h t c 11. 



HainZ. Unser geschätzter Landsmann Hr. Andre Oechsner, 
«l« Componist wie durch seine Verdienste um die Förderung clas- 
«ischer Musik in Havre, seinem Wohnort, in den weitesten Kreisen 
rühmlichst bekannt, ist zu einem längeren Aufenthalte im Kreise 
seiner Familie hier angekommen. — Die hier garnisonirenden wür- 
tembergischen Truppen sind in ihre Heimath zurückgekehrt, nach- 
dem das Musikcorps derselben noch in einem Gartenconcerte rühm- 
liche Proben seiner anerkannten Tüchtigkeit abgelegt hatte. Es 
bleibt uns nun nur noch ein kurhessisches Militär-Musikcorps, dessen 
Leistungen sich ebenfalls der allgemeinsten, wohlverdienten Aner- 
kennung erfreuen. 



Wien. Carl Treumam o, der Director des Cailtheaters, hat 
die Ungunst der Zeit benutzen wellen , um *veu den Eigenthüraefn 
jenes Theaters einen Pachtnadhlass zu erwirken und fügte Seinem 
dahinseienden Schreiben bei, data er bei Nichtgewährung seines 
Verlangens von seinem contraetlichen Rechte zu kündigen am 1. 
August Gebrauch machen wurde, was übrigens wahrscheinlich nicht 
ernstliche Absicht Treumann's war, der seinem' Gesuche nur stärkeren 
Nachdruck verleihen wollte. Allein die Eigenthümer nahmen die 
Kündigung als ernstlich gemeint an und unterhandelten sogleich mit 
Strampfer, dem Director des Theaters an der Wien, der auch 
alsbald die erwünschte Gelegenheit ergriff und das Carltheater vom 
1. August an pachtete. So ist denn bei dem Festhalten des neuen 
Pächters an seinem erworbenen Rechte die Existenz des ganzen bis- 
herigen Personals des Carltheaters, etwa 300 Personen zählend, in 
Frage gestellt, und die Gerichte werden in dieser Angelegenheit zu 
entscheiden haben , wenn sich nicht bestätigen sollte , dass , wie 
glaubwürdig versichert wird, eine plausible Lösung der Streitfrage 
in der Art bevorsteht, dass Treumann zurücktritt, und die beiden 
Mitglieder seiner Bühne , Ascher und G r o i s die Direction 
übernehmen. 

*** Dr. Aloys Schmitt, dessen Ableben in Frankfurt a. M. 
wir in letzter Nummer bereits mitgetheilt haben, war im Jahre 1789 
zu Erlenbach am Main als der Sohn eines dortigen Musikers geboren 
und verdankte seinen ersten musikalischen Unterricht seinem Vater, 
seine weitere Ausbildung aber dem Componisten Andre in Offen- 
bach, welcher auch seine Compositionsstudien leitete. Schmitt Hess 
sich in Frankfurt als Musiklehrer nieder und erwarb sich bald einen 
ausgezeichneten und weit verbreiteten Ruf als Ciavierspieler wie als 
Componist. Auch in Berlin wirkte Schmitt längere Zeit und kam 
von dort als Hoforganist nach Hannover, kehrte aber 1829 wieder 
nach Frankfurt zurück, wo er in glücklicher Unabhängigkeit sich 
mit unermüdetem Eifer der Kunst hingab. Schmitt hat viel com- 
ponirt und zwar in jedem Genre. Es erschienen von ihm Ouvertüren 
uud Sinfonien für Orchester, Violinquartette und Trios ; für das Cia- 
vier: Concerte , zwei- und vierstimmige Sonaten, auch mit Violine, 
Variationen, Rondo's und kleinere Stücke, vorzügliche Etüden und 
methodische Werke , ein - und mehrstimmige Lieder. Ausserdem 
schrieb er zwei Oratorien: „Moses" und „Ruth" und vier Opern: 
„Das Osterfest zu Paderborn," „Die Tochter der Wüste," „Valeria" 
und „Der Doppelprozess". Seine Ciavier -Etüden werden ihn noch 
lange Zeit überleben, da sie zu den gediegensten und practischsten 
zählen , welche die Ciavierliteratur aufzuweisen hat. Schmitt war 
nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch von seinen Mitbürgern 
und zahlreichen Schülern geachtet und geliebt und wird stets in 
ehrenvollem Andenken bleiben. 

*** Professor J. Moscheies hat in London ein Concert für 
die Verwundeten im deutschen Kriege angekündigt, in welchem Frau 
Goldschmidt-Lind mitwirken wird. 

*** Der Tenorist Mario hat sein in der Rue des Bassins in 
Paris gelegenes , mit vielem Geschmack und Luxus ausgestattetes 
Haus, welches in letzterer Zeit von Adelina Patti bewohnt war, 
verkauft. 

*** Am 1. August ist das k. Hoftheater in Dresden mit „Anti- 
gene" von Sophokles eröffnet worden und am 2. Aug. sang Frau 
Blume als Antrittsrolle den „Fidelio". 

*** Hr. B a g i e r, Director der italienischen Oper in Paris, hat 
am 29. Juli auch das königliche Theater in Madrid übernommen, 
und man hofft, dass er die Vorstellungen daselbst sobald als mög- 
lich eröffnen werde. 

*** Der Pariser Bankier Rothschild hat ein Lustspiel, betitelt : 
„Baron et Financier* geschrieben , welches demnächst auf seinem 
Schlosse in Ferneres zur Aufführung kommen wird. 

*** Abbe" Goschler, der Uebersetzer der Briefe Mozart's, ist 
in Paris, 60 Jahre alt, gestorben. 

V* Das italienische Streichquartett, an dessen Spitze Jean 
Becker steht, hat in Baden-Baden bereits zwei Concerte gegeben 
unter Mitwirkung des Pianisten Jaques Rosenhain. 

*** Das Engagement des Tenoristen Naudin au der grossen 
Oper in Paris geht mit diesem Monate zu Ende und wird schwer- 
lich erneuert werden. 



132 - 



V D»e Klage des Componisten Li tt o lf gegen Hrn. C a r y al h o, 
den Pirector des Theatre lyrique in Paris auf einen Schadenersatz 
von 6000 Frcs., weil Letzterer die Oper „Nahel" nicht in der ver- 
tragsmässigen Frist zur Aufführung brachte, ist abgewiesen worden, 
weil Littolf die verabredete Umarbeitung seiner Oper nicht ge- 
liefert hat. 

*** In» Conservatorium für Gesang in Coburg, welches unter 
der Leitng des Hrn. Praoz steht, fand Mitte v. M. eine Prüfung 
statt, und hatten sich die Leistungen des ungetheilten Beifalls der 
anwesenden Sachverständigen zu erfreuen. 

* # * In einem Wohltbätigkeitsconcerte in Paris fanden Hr. und 
Frau Langhans mit ihren Vorträgen, bestehend in Bruchstücken 
aus einer Sonate für Pianoforte und Violine und einem Salonstück 
von Frau Langhans, die günstigste Aufnahme. 

*** C. Reinecke soll mit einer der Vollendung bereits nahen 
grossen Oper beschäftigt sein. 

*** Hr. E. W. F r i t s c h in Leipzig hat die Musikalienleih- 
anstalt des Hrn. C. Bomnitz angekauft und eine Musikalienhand- 
lung errichtet. 

*** Uli mann wird auf seinem bevorstehenden Concertumzuge 
in Frankreich ausser CarlottaPatti auch die Virtuosen Ket- 
terer, Vieuxtemps und B a 1 1 a mit sich führen. 

*** Alfred Jaell hat wieder mit gewohntem Erfolge in Spa 
concertirt. 

V Frl. Stehle vom Münchener Hoftheater hat sich durch ihre 
aufopfernde Betheiligung bei dem dortigen patriotischen Hülfsvereine 
eine ernstliche Krankheit zugezogen. 

*** An die Stelle des verstorbenen Hoforganisten Schuppert 
in Cassel ist Hr. Carl B an d na gel, Mitglied der Hofcapelle, 
ernannt worden. 

%* Fräul. von O r g e n i hat ihr Engagement am Berliner 
Operntheater aufgegeben und wird demnächst ein Gastspiel in Wien 
eröffnen. 

*** Professor L. N o h 1 aus München hat, auf einer Reise be- 
findlich, in Oberweiler Vorlesungen über Haydn, Mozart und Beet- 
hoven gehalten, welche vielen Beifall fanden. 

*** Bei dem Sängerfeste in R e v a 1 kamen von Instrumental- 
werken u. A. Beethoven's Es-dur-Concert und C-moll- Sinfonie, 
Schümann'« „Genoveva" -Ouvertüre und Rubinstein's „Faust" zur 
Aufführung. 

%• Rossini hat eine Cantate auf die Befreiung Venetiens 
von österreichischer Herrschaft componirt. 

*** In Berlin hat der rühmlichst bekannt Organist Hr. Haupt 
zum Besten der unterstützungsbedürftigen Familien Einberufener am 
19. Juli ein geistliches Concert in der Parochialkirche veranstaltet, 
dessen Programm folgendes enthielt: Präludium und Fuge in A-moll 
von S. Bach; fünfstimmiger Choral: „Der Herr ist mein getreuer 
Hirt" von J. Eccard ; Arie: „Vater in Himmelshöhe" von Gluck 
(Frl. Eichhorn); Motette: „Ergo sum panis" von Palestrina; 
Choralvorspiel: „Aus tiefer Noth" von S.Bach; Motette: „Ach Herr 
von grosser Güte a von Grell; Fantasie und Fuge in C-moll von 
S. Bach ; Ave Marin von Cherubini (Frl. Eichhorn) ; Choralvorspiel : 
„Christ lag in Todesbauden" von S. Bach ; Doxologie von H. Beller- 
mann ; Toccata in D-moll von S. Bach. 

*** Am Leipziger Stadttheater gastiren der Tenorist Hacker 
aus Dessau und der Bassist Rafalsky aus Nürnberg. 

*** Der Pianist Wilhelm Krüger und der Violinist Sighi- 
celli sind in einem Concerte in Baden-Baden mit vielem Beifall 
aufgetreten. 

*** Das Actien-Volkstheater in München, welches der trüben 
Zeitverhältnisse wegen kurze Zeit geschlossen war, ist bereits wieder 
eröffnet worden. 

*** Der Pianist Bonewitz in Wiesbaden wird sich im Herbst 
nach Paris begeben, wo er einen längeren Aufenthalt zu nehmen 
und die bedeutendsten Werke der Beethoven'schen Clavierliteratur, 
namentlich aus seiner letzten Periode, vorzuführen beabsichtigt. 

*** Der Verlag der Musikalienhandlung Aulagnier in Paris 
ist in das Eigenthum des Herrn S y 1 v a i n Saint-Etienne 
übergegangen. 



*** Die Berliner Oper, welche am 16. August wieder eröffnet 
wird, gedenkt die heimkehrenden Truppen mit einer neu inscenirtea 
Aufführung von Meyerbeer's „Feldlager in Schlesien" zu regaliren. 

*** Die aus Venezuela gekommene junge Pianistin Teresita 
Carreno, welche in Paris so grosses Aufsehen erregte, hat nun 
auch in London bereits wiederholt sich hören lassen, und das all- 
gemeine Urtheil spricht sich mit Bewunderung über die Leistungen» 
der zwölfjährigen Virtuosin aus, welche sie den renommirtesten Pia- 
nisten der Gegenwart gleichstellen. 

*** Adelina Patti wird in Homburg eine Reihe von Gast* 
rollen geben und dann nach Paris gehen, wo sie in der italienischen 
Oper gleich mit dem Beginn der Saison, Anfangs October, wieder 
auftreten soll. 

*** Der rühmlichst bekannte Pianist Mortier de Fontaine 
hat in Baden-Baden in den dortigen prachtvollen neuen Sälen unter 
Mitwirkung der Damen Numa Blanc und Coraly Mugnier 
ein sogenanntes historisches Concert gegeben und Compositionen aus 
dem 16., 17., 18- und 19. Jahrhundert in seiner meisterhaften Weise 
zu Gehör gebracht. 

*** Die italienischen Opernvorstellungen in Homburg sind mit 
Rossini's „Othello" mit Carlotta Marchisio und Villani 
in den Hauptrollen eröffnet worden. In der nachfolgenden Auffüh- 
rung der „Norma" hatte Barbara Marchisio Gelegenheit, die 
Lorbeeren ihrer Schwester zu theilen. Der Tenorist Villani zeich- 
nete sich vorzugsweise in Verdi's „Un Ballo in masekera' 1 aus. 

*** Das Hoftheater in Darmstadt wird auf Anordnung de» 
Grossherzogs am 15. September wieder eröffnet werden. 

*** Die Familie Mozart in Frankfurt a. M. 1763. 
Am 30. Aug. veranstaltete Leopold Mozart mit seinen beiden Kindern 
ein viertes Concert. Hier die nicht uninteressante Ankündigung: 
„Die allgemeine Bewunderung, welche die noch niemals in solchem 
Grade weder gesehene noch gehörte Geschicklichkeit der Kinder des- 
Hochfürstl. Salzburgischen Capellmeisters Hrn. Leopold Mozart 
in den Gemüthern aller Zuhörer erwecket, hat die bereits diey mahlige 
Wiederholung des nur für einmahl angesetzten Concertes nach sieb 
gezogen. Ja, diese allgemeine Bewunderung und das Anverlangeo 
verschiedener grosser Kenner und Liebhaber ist die Ursache, dass 
heute, Dienstag den 30. August, in dem Scharfischen Saale auf dem 
Liebfrauenberg , Abends um 6 Uhr , aber gantz gewiss das letzte 
Concert seyn wird; wobei das Mägdlein, welches im zwölften, und 
der KnaV, der im siebenden Jahre ist, nicht nur Concerlen auf dem 
Clavessin oder Flügel, und zwar ersteres die schwersten Stücke der 
grössten Meister spielen wird, sondern der Knab wird auch ein Con- 
cert auf der Violin spielen, bey Synfonien mit dein Ciavier aecom- 
pagniren, das Manual oder die Tastur des Claviers mit dem Tuche 
gänzlich bedecken, und auf dem Tuche so gut spielen, als ob er die 
Claviatur vor Augen hätte, er wird ferner in der Entfernung alle 
Töne, die man einzeln, oder Accorde auf dem Ciavier, oder auf allen 
nur erdenklichen Instrumenten, Glocken, Gläsern und Uhren anzu- 
geben im Stande ist, genauest benennen. Letzlich wird er nicht nur 
auf dem Flügel, sondern auch auf einer Orgel (so lange man 
zuhören will, und aus allen, den schwersten Tönen, die man 
ihm benennen kann), vom Kopfe phantasiren, um zu zeigen, dass er 
auch die Orgel zu spielen verstehet, die von der Art den Flügel zu 
spielen , ganz unterschieden ist. Die Person zahlt einen kleinen 
Thaler. Man kaun Billets im goldnen Löwen haben." — Glückliche 
Frankfurter! für einen „kleinen Thaler" konnten sie dem Spiele des 
grossen Mozart lauschen, so lange sie nur wollten, (Leipz. Sign.) 

*** Als die beabsichtigten und grösstentheils vorbereiteten 
Muster Vorstellungen Wagnerischer Opern in München, wie bekannt 
ist, aufgegeben wurden, verzichtete d^r Baritonist Beck von Wien 
vollständig auf sein stipulirtes Honorar. Der BaBsist Hr. Dr. S ch mi d 
zog es vor, dasselbe in einem Cyclus von anderen Gastrollen sich 
zu verdienen und der immer noble Tenorist Hr. N i e m a n n au» 
Hannover nahm die Hälfte des Honorars, ohne zu singen, als Reu- 
geld in Anspruch. 

%* Der Baritonist B e t z vom Operntheater in Berlin setzt sein 
Gastspiel in Leipzig mit anhaltend günstigstem Erfolg fort. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, MainzJ 



15. Jahrgang. 



N* «<#. 



20. August 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Bachhand- 
, lungen. 



Vertag 






von 



* PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 
.^ j für den Jahrgang. 

B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ, d«* ai. ***«■» 8 

< 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 

Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co. jU 



■■ 






IIHALT: Stradella und die Contarini. — Literatur. — Correspondenz: Prag. — Nachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

P. Richard. 



vi. 

Musikalische Compositionen. 
Crescimheni*) sagt in Bezug auf Cantaten: „Diese Art von 
Dichtung ist eine Erfindung des 17. Jahrhunderts. Ihr Gebrauch ist 
ein so ausgedehnter geworden, dass man deren in's Unendliche findet 
und gleichwohl werden immer noch mehr producirt. Eine Cantate 
ist auch wirklich ein reisendes Ding, sie ist die angenehmste und 
schönste Unterhaltung, welche sich eine noble und anständige Ge- 
sellschaft bereiten kann, besonders wenn die Gedichte von ausge- 
zeichneten Meistern in Musik gesetzt sind, wie die des berühmten 
AI. Stradella. Ganz kürzlich wurde eine der Cantaten dieses Meisters 
unter grossem Beifall in einer Akademie des Cardinais Pierre 
Ottoboni von Andrea Adami, mit dem Beinamen Bolsena, 
Hofmusiker und Capellmeister des Pabstes, gesungen. 

Cantaten und Stücke für Gesang allein. Drei Can- 
taten für Contraalt: „Congiurati a fiera gucrra," „Non piü piaghe 
al mio cor,*' „Traditomio core" im Pariser Conservatorium •, zwei 
andere, ohne Bezeichnung der Stimme: „Sifamaßlli" „Stelle non 
mi tradite" im britanischen Museum ; zwei andere für zwei Stimmen : 
„Vorret dire un non so che" für Sopran und Tenor; „Che dira 
che nel veleno" für Sopran und Bass ; diese letztere Cantate ist 
sehr beachtenswerth und verdient eine ausführliche und gründliche 
Besprechung. Beide Cantaten befinden sich in der kaiserlichen 
Bibliothek in Paris und auch im British' Museum, in welchem die 
alte Musik sehr reichlich vertreten ist Die Bibliothek in München 
besitzt zwei Cantaten von Stradella; die erste, für Sopran, beginnt 
so: „Ombre voi che celate"\ es ist dies Nr. 1 in der Sammlung 
von Venedig. Die zweite, für Bass: „Sopre un eccelso torre, u ha* 
als Gegenstand den Kaiser Nero, wie er den Brand von Rom be- 
trachtet, während er auf der Leyer spielt. Bernh. Molique hat 
dieselbe mit einer Ciavierbegleitung versehen und bei Lonsdale in 
London herausgegeben. 

Es dürfte gegenwärtig , kaum möglich sein, ein genaues und voll- 
ständiges Verzeicbniss der Cantaten unseres Componisten zu geben? 
da diese sehr zahlreich und in vielen öffentlichen nnd Privatsamm- 
lungen zerstreut sind; in einer der letzteren, in London, befindet 
sich eine dar beachtenswerthesten Compositionen, deren Sujet M e d e a 
ist. Sie beginnt mit einem sehr verzierten Recitativ, vom schönsten 
Ausdruck, welches allein schon genügen würde zu beweisen, welch 
«in grosser Sänger Stradella war. 

Vor einigen Jahren erhob eich eine ziemlich lebhafte Polemik 
»wischen einigen Pariser Musikzeitungen bei Gelegenheit des Vor- 
trags eines Canzone von Stradella in einem der Conservatorinms- 
eoncerte. Zu Anfang des Jahres 1867 las man in einem dieser 



*) Crescimbeni, p la bellezza della volgar poesia. Roma, t704* 4. 



Journale unter der Rubrik Copenhagen: „Mme. Winter hat in 
einer Bibliothek in Venedig zahlreiche Manuscripte von AI. Stradella 
entdeckt. Sie enthalten Lieder und Eirchengesänge. Die bedeu- 
tendsten dieser Compositionen sind von dem Cäcilienverein einstudirt 
worden, und der Capellmeister der k. Oper, Hr. Rung, hat eine 
Canzonetta als Muster veröffentlicht." Zu Ende des vorigen Jahres 
erschien in Paris eine Sammlung unter dem Titel: „Conti a VOCt 
sola delV insigne A. Stradella, legati alla biblioUca di San-Marco 
di Venezia dalla nobil familia Contarini» Accompagnamento di 
piano di F. ffalevy* Diese Sammlung besteht aus sechs Stücken» 
deren jedes einen besonderen Titel führt. Das sechste , mit dem 
Titel „Resistenza," ist im Conservatorium gesungen worden. Diese 
Conti sind gleichfalls in der Bibliothek von St. Markus aufgefunden 
worden. Ohne nun die erwähnte Polemik wiederzugeben, ohne uns 
über den eigentlichen Werth jener Canzone auszusprechen , welche 
man auf der einen Seite ein wenig monoton fand, während man sie 
auf der anderen Seite ein „bewundernswürdiges Meisterstück" nannte, 
so waren doch die bestrittenen Thatsachen einer genauem Unter- 
suchung werth, umsomehr als der Herausgeber, indem er den Erfolg 
der geschickten Vortragsweise, das Verdienst der Orchestrirnng etc. 
anerkannte, noch beifügte: „Wir legen einen grossen Werth auf die 
Gesänge von Stradella, welche wir in der Bibliothek von St. Markus 
in Venedig entdeckt haben, und wir können nicht genug die Auf- 
merksamkeit wirklicher Kunstfreunde auf diese erstaunenswerthell 
Compositionen hinweisen." 

Alles dies war geeignet, lebhafte Neugier zu erwecken und Hess 
uns (erzählt Hr. Richard) neue, unbekannte Aufschlüsse hoffen, welche 
würdig wären dem , was uns bis jetzt zu sammeln gefallen hatte, 
und unseren eigenen Entdeckungen angereiht zu werden. Das Ein- 
fachste und Sicherste ist immer, selbst an die Quelle zu gehen. Der 
verbindliche Bibliothekar der Marciana war auf das freundlichste 
bemüht, jede an ihn gestellte Frage zu beantworten. Diese Lieder, 
diese Kirchengesänge, diese Canzona oder Canzonetta verwandelten 
sich in zwei Sammlungen von Cantaten für Gesang allein. Die eine, 
angeführt im Catalog unter Nro. 456, enthält unter vielen anderen 
eine einzige Cantate von Stradella: „Cosi amor mi fai languire* 
und dies ist ohne Zweifel die Mustercantate des Hrn. Rung. Sie 
ist gestochen und herausgegeben in Berlin, Paris und London. Die 
zweite Sammlung, von weit grösserem Werthe, trägt die Catalog*« 
nummer 463 ; sie enthält nicht weniger als 21 Cantaten , welche 
alle bisher ungedruckt sind. Auf dem Titelblatt liest man: „Can- 
tate a voce sola dell insigne Allessandro Stradella, che in questa 
genere e stato singulare, senza pregiudizio di tanti altri suggetti 
riguärdivoli del presente secotof was ungefähr heisst: „Cantaten 
für Gesang allein von dem berühmten AI. Stradella, der in diesem 
Fache einzig dasteht, ohne übrigens so vielen andern ansehnlichen 
Subjecten des gegenwärtigen Jahrhunderts zu nahe zu treten." 

Wir führen hier die 21 Stücke in ihrer Reihenfolge mit den 
Anfangsworten des Textes an: 
1. Ombre voi che celate. 
%. Piangete, piangete, occKi pianget*. 



134 



3. Correa lä su nelli stellati campt. 

4. In quel sol che in grembo al Togo, 

6. Genuflesso m tue piante ecco io ritorno. 

6. Costanza, costanza, mio core resisti. 

7. Soffro tnisero e t actio. 

8. Non sei contento ancora o dispietato. 

9. Non disserrate ancora, 

10. ftgli del mio cordoglio. 

11. Quando mai vi stancherete, 

12. Da Filinda aver cht pub. 

13. S'amor mannoda il piede. 

14. Chi avesse visto un core. 

15. Tante perle non versa Vaurora. 

16. Dai legami amorosi. 

17. Quando sembra che vuoti quesV alma 

18. Adorata liberta, 

19. So ben che mi saettano. 

20. // destin vuol ch'io pianga, 

21. II piu tnisero amante. 

Es ist zu beklagen, dass man bei den Auszügen, welche man 
aus dieser kostbaren Sammlung gemacht hat, sich nicht an eine sehr 
einfache Beobachtung hielt. Zur Zeit als Stradella blühte, wurde 
die Musik fast ausschliesslich im Madrigalenstyl geschrieben und 
entfernte sich nicht von der fugirten Schreibart, von dem Gebrauche 
der Imitationen. Für uns Kinder so vieler musikalischer und anderer 
Bevolutionen gebot diese Musik , welche ganz ausserhalb unserer 
gewohnten Studien liegt, die uns ein sehr lebhaftes, retrospectives 
Interesse einflösst und die mehr Bibliotheks- als Gebrauchs - Musik, 
die sozusagen archäologische Musik ist], eine grosse Zurückhaltung 
vermischt mit jener Art von Achtung, deren man sich nicht ent- 
schlagen kann gegenüber von Kunstwerken, welche eine grosse An- 
zahl von Jahren hinter sich haben. Man sollte daher immer offen 
und aufrichtig ankündigen, ob man Altes, aber nach der Tagesmode 
neu Aufgeputztes gebe, oder ob man die Originale rein und ohne 
moderne Zuthat hinstelle. Dies ist aber weder dem Inhalt noch der 
Form nach beachtet worden. Unserer bescheidenen Meinung nach 
konnte man am Besten, ohne Veränderungen zu machen, dasselbe 
Verfahren anwenden wie der Herausgeber der Psalmen des Mar- 
cello, indem man dem Original einfach eine Clavierbegleitung bei- 
fügte. Auf alle Fälle, warum auch mit mehr oder weniger Geschick- 
lichkeit erfundene Etiquetten anwenden? Warum z. B. eine Cantate 
des 17. Jahrhunderts „Resistenza" betiteln? Das heisst man, sich 
von dem , was zu jener Zeit gebräuchlich war , entsetzlich weit 
entfernen. 

Gegen 1789 besass ein Organist in ehester vier Stücke, die 
nur mit den Anfangsworten bezeichnet waren: Jo che lascierö für; 
Non e" al certo novit ä; Ridorete sotto vedovo cielo; Ti lascierö. 
Burney ist's, der dieselben erwähnt, ohne jedoch Näheres darüber 
anzuführen. Das Pariser Conservatorium besitzt zwei Cantaten für 
Contraalt: Tu partisti crudel und Or che siam soll amore, und 
endlich aas British -Museum eine Arietta, deren Aechtheit von den 
Musikhistorikern in Zweifel gezogen wurde wegen der Worte : Fatta 
in Genoa (geschrieben in Genua). Allein nach dem, was wir früher 
schon gesagt haben, ist dies für uns gerade eine neue Bestätigung 
der Aechtheit dieser Compositum. 

Es bleibt uns schliesslich noch übrig, von der in Bezug auf 
Ausdruck wie auf Melodie so schönen Arie zu sprechen, mit welcher 
die berühmtesten Virtuosen unserer Zeit die ganze Kunst ihrer Vor- 
tragsweise darzulegen liebten. Ist diese sogenannte Kirchenarie von 
Stradella? Kann man sie vernünftigerweise diesem Meister zuschreiben? 
Diese schon so oft aufgeworfene Frage ist wohl einer neuen Unter- 
suchung werth, und das Problem scheint uns nicht unlösbar. Diese 
Arie hat ihre eigene Geschichte und hat verschiedene Umwandlungen 
erlitten; in Folgendem geben wir die einfache Erzählung davon. 

Jedermann weiss, dass man dem berühmten Choron,*) dem 
Gründer des Instituts für kirchliche Musik die Inslebenrufung einer 
Reihe von classischen Concerten verdankt, welche, eine wahre 
Wiedererweckung der alten Meister, als eine der erspriesslichsten 
lind anerkennenswertesten Arbeiten einer Laufbahn voll Gelehrtheit 



und eifriger Hingebung zu betrachten sind. Naeh ihm hatte Fe"ti« 
den genialen Gedanken, jene ersten Versuche zu verfolgen, indem 
er denselben eine geregeltere und logischere Ordnung verlieh. Es 
brachte die historischen Concerte wieder in Gang, welche unter 
seinen Händen zu wahren Annalen der Musik in lebendiger Aus- 
führung wurden. Die' so dramatische Legende Stradella's durfte 
natürlich in seinem Programme nicht fehlen. Es fand sich eine 
Arie, ein Musikstück von wirklicher Schönheit, welches wohl ge- 
eignet erschien, an die Wirklichkeit einer wunderwirkenden Aus- 
führung glauben zu lassen. Das war ein ganz anderes Ding, da 
lag ein ganz anderer Werth darinnen, als in demLiede von Rolli, 
welches, wie man erzählt, den vertrockneten Augen der Prinzessin 
Belmonte Tbränen entlockte und ihr durch diesen heilsamen Schmer- 
zensausbruch die Gesundheit wiedergab. War es ein Zufall, so war 
es ein wunderbarer; die Arie und die Anecdote passen ganz und 
gar zu einander. Bourdelot hat den Mordversuch nicht mehr er- 
funden, als F6tis die Kirchenarie erfunden hat; der eine hat erzählt, 
was er durch das allgemeine Gerücht erfahren hatte, und der andere 
hatte das besondere Glück, eine bemerkenswerthe Composition zu 
finden. Wenn etwas dabei zu beklagen ist, so ist es die allzu schnelle 
Unterbrechung so interessanter Ausgrabungen. Immerhin kann man 
sich zu der pikanten Abwechslung Glück wünschen, welche seit 
jener Zeit den Programmen der immer zahlreicher werdenden Con- 
certe durch die umsichtige Einführung verschiedener Compositionen 
von unbekannten oder vergessenen Meistern früherer Jahrhunderte 
zu Theil wurde. 



n>a » 



Literatur. 



*) Choron, ein ausgezeichneter französischer Musikgelehrtdr, geb. 
den 21. Oct. 1772, gest. den 29. Juni 1834. 



Beethoven und seine Werke. Eine biographisch- 
bibliographische Skizze von Otto Mühlbrecht. 
Leipzig, Verlag von C. Merseburger, 1866. 

„Die Einsamkeit ist das Element grosser Geister" — unter diesem 
Motto Hess der Verfasser das in Rede stehende Buch erscheinen und 
sagt in seiner Vorrede: „Für den Musikfreund ist es eine der inte- 
ressantesten Studien, sich mit Beethoven in eingebender Weise zu 
beschäftigen; eine Aufgabe, die in dem Grade an fesselndem Reize 
gewinnt, als man sich mehr und mehr in das eigenthümliche Wesen 
dieses grossen Geistes vertieft und sich mit seinen Schöpfungen 
vertraut macht, die ein so treues, klares Bild seines geistigen Lebens 
liefern, wie nie eine Biographie von fremder Hand es zu geben im 
Stande ist. 

Eine solche Biographie, wenn auch verbunden mit einer Charac- 
teristik seiner Werke, vermag dem Leser nimmermehr das seltsame 
Schaffen, den genialen Entwicklungsgang Beethoven's getreu zu ver- 
anschaulichen , weil es dem Biographen an glaubwürdigen Quellen- 
schriften fehlt, aus deren Vergleichung unter einander man in anderen 
Fällen leicht [sich ein annährend treffendes Urtheil bilden kann* 
Beethoven zog sich bekanntlich fast von allem intimen Verkehr zu* 
rück, so dass nur wenige Auserwählte einen tiefern Blick in sein 
Inneres zu thun vermochten, und auch diesen Freunden gegenüber 
war er meistens zurückhaltend. Daher sind von seinen Zeitgenossen 
uns nur wenige glaubwürdige Mittheilungen überliefert, die wohl 
zum Theil noch von unrichtiger, individueller Auffassung nicht frei 
sein mögen. 

Dagegen hat uns Beethoven selbst das reichste Material in seinen 
Werken hinterlassen. Seine Compositionen sind seine Autobiographie, 
der beste Schlüssel zu dem ihm eigenen Leben, denn er kannte ein 
solches ja nur in der Musik ; für äussere , sociale Verhältnisse war 
er nicht geschaffen, unfähig sich mit Geschick darin zu bewegen. 
In seinen Werken aber hat er sich selbst mit Meisterhand gezeichnet ; 
da erzählt er uns offen und freimüthig seine Schicksale, sein Freud 
und Leid ; in ihnen erkennen wir Thatsachen und Gedanken, ziehen 
mit Beethoven hinaus in die Welt, jubeln mit ihm über die Schön 1 * 
beiten der Natur, mischen uns in das Kriegstümmel , durchfurchen 
die Wogen' des Meeres, und beobachten das Leben der Menschen 
um uns her. Wir sehen ihn im Frühling des Lebens Übersprudelnd 
von köstlichem Humor, dann zu der ernsten Thätigkeit des Mannet, 
der seinen Beruf fühlt, übergehen, bis wir ihn in schwerer Stunde* 
von Sorge gedrückt wiederfinden und Zeuge davon sind, wie « 



- 135 — 



kämpft und nach Freiheit des Körpers and Geistes ringt, bis ihm 
der Friede wird and er zu Gott eingeht, dessen Verherrlichung er 
«eine besten Kräfte gewidmet. 

Das alles spiegelt sich scharf and treu in seinen Compositionen, 
den Menschen gegenüber hat er geschwiegen. Wer sich deshalb eng 
mit Beethovens Leben befreunden will, der lese nicht nur die Schriften 
über ihn, sondern höre von seiner Musik so viel er kann, dadurch 
wird erst ein richtiges Verständniss desselben möglich.* 

Die biographische Skizze, auf die bisher erschienenen ausführ- 
licheren Biographien Beethoven's von Lenz, Marx, Schindler, We- 
geier etc. gestützt, enthält natürlich nichts Neues'und gibt nur einen 
kurzen Umriss des Lebens und Schaffens des unsterblishen Meisters. 
Sie dient nach des Verfassers eigenen Worten nur als Commentar 
zu dem zweiten, bibliographischen Theile des Buches.- Der dort 
gegebene ausführliche Catalog der Beethoven'schen Werke besteht 
aus vier Abtheilungen ; die erste derselben enthält die Compositionen, 
welche von Beethoven selbst mit »Opus 1 — 138 K bezeichnet sind J 
die zweite enthält die von Beethoven mit „Nr. 1-58" bezeichneten 
Werke ; in der dritten sind die Instrumental-Compositionen , und in 
der vierten die Gesangs-Compositionen aufgeführt, welche von Beet- 
hoven in keiner Weise bezeichnet sind , und die fünfte Abtheilung 
endlich enthält ein sorgfältig aufgestelltes Register sämmtlicher 
Beethoven scher Compositionen. Da der Verfasser in seinem Cataloge, 
soweit ihm bekannt, das Jahr der Composition und des ersten Er- 
scheinens der Werke im Druck angegeben hat, so erscheint es uns 
als ein nicht unbedeutender Mangel des Catalogs, dass nicht jederzeit 
auch der betreffende Verlag angegeben wurde, wie dies u. A. Thay e r 
in seinem Beethoven -Catalog gethan hat. Es würde diese Zutbat 
zwar die ausgesprochene Absicht des Verfassers, Beethoven und 
seinen geistigen Entwicklungsgang in der Art und Aufeinanderfolge 
seiner Werke kennen zu lehren, nicht gefördert haben, aber doch 
jedem Leser des Buches gewiss recht erwünscht gewesen sein. Im 
{Jebrigen wünschen wir dem auch weniger bemittelten Künstlern 
und Kunstfreunden zugänglichen Buche eine recht allgemeine Ver- 
breitung, die dasselbe auch vollkommen verdient. E. F« 



••*• 



COBRESPONDENZEK. 



Aus Prag. 

12. Angost. 

Wie ich seiner Zeit berichtete, wurde die' böhmische Oper durch 
zwei gediegene Originalopern bereichert. Es sind das die Opern: 
„Templari na Morave" (die Templer in Mähren)fvd*i Carl Sebor 
und die „Branibort" (die Brandenburger) von Fried. Smetana. 
Beide Opern erfreuten sich eines ungeteilten Beifalls des Publikums, 
ja einige Nummern der Sebor'schen Oper, namentlich der Templer- 
marsch, sind hier populär geworden. Die hiesige Musikhandlung 
Wetzler gab unlängst ein Potpourri der Sebor'schen Oper heraus, 
und ich glaube , dass die Herren Transcriptoren reichlichen Stoff 
für ihre Fantasien, Transcriptionen etc, darin finden dürften. 

Unlängst hörten wir die neue zweiactige komische National- 
operette „Prodana nevesta" (die verkaufte Braut) von F. Smetana, 
•die wirkliche trefflich genannt werden kann. Der Eingangschor 
dieser Oper ist von so zündender Wirkung, dass er stets wiederholt 
werden muss. Er ist im nationalen Geist gehalten und dürfte bafd 
populär sein. Das grösste Ereigniss der böhmischen Oper ist die 
baldige Aufführung der russischen Nationaloper: „Zivot za cara" 
<das Leben für den Czar) von Glinka. Sie wird fleissig einstudirt 
und zu Ende dieses Monats aufgeführt werden. Eine grosse An- 
ziehungskraft üben auf das Publikum Gluck's Opern : „Orpheus" und 
4, Armida," die hier stets auf dem Bepertoir sind. 

Während der Occupation Prag's durch die Preussen erlitt die 
•Musik einen herben Schlag, und wenn hier nicht täglich Garten- 
«oncerte gegeben würden, so wüssten wir nicht, dass Prag eine 
musikalische Stadt ist. Ja selbst in den Kirchen wurde die Musica 
&ac?a vernachlässigt Eine ehrenvolle Ausnahme machte namentlich 
der strebsame Vincenz Vinar, Chordirector der hl. Geistkirche, 
-welcher Mozart'sche und Brjxi'sche Messen in einer sehr gelungenen 
Aufführung zu Gehör brachte. Wie wir vernehmen , schreibt Herr 



Vinar eine „Lehre vom Contrapunkt und der Fuge," ein Faeh, worin 
er ungewöhnliche Kenntnisse besitzt 

Für die Directorsstelle in' der Prager Orgelschule ist der Con- 
curs eröffnet. Wie ich höre, haben sich darum folgende Competenten 
beworben: Franz Blazek, Professor der Harmonie in der Orgel- 
schule, der über 26 Jahre dem Institute seine Kräfte bei einem 
äusserst bescheidenen Honorar widmet; dann Sigmund Kole- 
schovsky, Chordirector; Jos. Förster, Chordirector; Prucha» 
Chordirector ; Zdenko Skuhersky, Capellmeister in Irmbrnck. 
Den grössten Anspruch auf diese Stelle dürfte unstreitig Hr. Blazek 
haben, der sich um die Orgelschule zahlreiche Verdienste erworben hat. 

Das Conservatorium hat seinen Director in der Person des 
Hrn. Jos. Krejci gefunden. Hr. Krejci ist zwar ein guter Theore- 
tiker und Organist, dürfte aber für so eine wichtige Stelle, wo man 
eine allseitige literarische Bildung, Sprachkenntnisse und feinen Ge- 
schmack verlangt, nicht ausreichen. Die Professorstelle des verstor- 
benen Prof. M i 1 d n e r für die Violine wird ohne Zweifel dem jungen 
und talentvollen Virtuosen Chr. Rebicek zufallen. 



Nachrichten 



Mainz. Die aus anderen Journalen in unser Blatt übergegangene 
Nachricht, dass das Theater in Frankfurt a. M. geschlossen und 
die Mitglieder desselben auf halbe Gage gesetzt worden seien, be- 
richtigen wir hiermit dahin, dass das Frankfurter Theater gar nicht 
geschlossen wurde , und die Verwaltung desselben den Mitgliedern 
gegenüber stets ihren Verbindlichkeiten in vollem, ungeschmälertem 
Maasse gerecht wurde, was unter den obwaltenden Umständen gewiss 
alle Anerkennung verdient. 

Leipzig. Der Ried ersehe Verein gab ein geistliches Concert 
zum Besten verwundeter und invalider Krieger und durch den Krieg 
verarmter Familien in der Nicolaikirche. Den Anfang des Concertes 
bildete der Altsolopsalm von B. Marcello, welcher von Frau Krebs- 
Michalesi in vortrefflicher , wahrhaft ergreifender Weise vorge- 
tragen wurde. Hr. H e g a r spielte die obligate Violoncellpartie 
ausserordentlich schön. Dann folgten zwei Chöre: »Siehe, wie der 
Gerechte muss sterben" von Palästrina und „Stabat mater 1 ' von 
Nanini, ebenfalls vortrefflich einstudirt und mit tadelloser Reinheit 
ausgeführt Das Solotrio im letzteren Werke wurde von Frl. H e i n e- 
meyer, Frl. Schmidt und Frl. Martini, und das Soloquartett 
von Frau Flinsch, Frl. Martini und den HH. Schild und 
Rafalsky in sehr gelungener Weise vorgetragen. Hr. Schild sang 
ferner die Arie: „Zerreisset eure Herzen und nicht eure Kleider" 
aus Mendelssohn'« „Elias" mit sichtlicher Begeisterung, und auch 
Frau Flinsch trag die Arie von Händel: „Er weidet seine Heerde" 
mit schönem Verständniss vor. Ausserdem wurden der Choral : „Ein 
feste Burg" von Calvisius und ein altfranzösischer Chor von Clau- 
din-le-jeune mit vielem Interesse aufgenommen, sowie auch das alt* 
deutsche Weihnachtslied von Prätorius. Zwischen den Gesangsvor- 
trägen spielte Hr. Concertmeister A u e r von Düsseldorf Adagio*« 
für die Violine von Spohr uud Beethoven mit künstlerischer Wärme» 
und bewährte Hr. Thomas wieder seine bekannte Meisterschaft 
auf der Orgel durch den Vortrag der Fugen in E-moll und Gnioll 
von Bach. Der äusserst zahlreiche Besuch dieses Concertes lässt 
voraussetzen, dass auch der wohlthätige Zweck desselben in hohem 
Grade erreicht wurde. 

Paris. Am 7. August fand die Preisvertheilung im Conserva- 
torium statt unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserl. Hansels 
und der schönen Künste, Marschall Vaillant, welcher nach einer 
mit vielem Beifall aufgenommenen Anrede den als Flötenvirtuose 
berühmten Professor Dorus im Auftrag des Kaisers mit dem 
Kreuze der Ehrenlegion decorirte und dann die Preise eigenhändig 
vertheilte. 

— Das Thddtre lyrique wird eine höhere Subvention erhalten, 
das italienische Theater bekommt die im verflossenen Jahre ihm ent- 
zogenen 100,000 Franken wieder. Bei all 1 diesen Experimenten 
seheint die Theaterfrage jetzt zu ernstlichen Besorgnissen Anlass zu 
geben. Die Regierung gewinnt immer mehr und mehr die Ueber- 
zeugung, dass es unmöglich ist, die Wirthschaft in der grossen Oper 
und in der Optra comique so fortwalten za lassen. Die beiden 
Institute erhalten enorme Summen, thun aber nichts für die Kunst* 



136 — 



Wenn nicht de» letzte Werk Meyerbeer's dem Erstgenannten andert- 
halb Millionen Franken eingetragen hätte, so wäre es in ein De- 
ficit geratheu, ans dem es niebt mehr herauskam! — das Zweite 
steckt ruhig die Subvention von 240,000 Frs. ein und gibt ein paar 
neue Opern von bekannten Componisten, und läset die jüngeren, 
deren Werke sie angenommen um ihrer Verpflichtung gegen die Re- 
gierung su genügen, müssig liegen, oder bringt sie gaus zu Anfang 
der Vorstellung, wo das Publikum noch gar nicht versammelt ist. 
In neuester Zeit hat die Direction selbst diese Concession nicht 
mehr gemacht, und wählt als sogenanntes lever du rideau (erste 
Piece des Programms) irgend eine alte Operette , für die sie sehr 
wenig oder gar keine Tantieme zu zahlen hat. Die vereinigte Ge- 
sellschaft der dramatischen Dichter nnd Componisten hat sich mit 
sehr energischen Beclamationen an das Ministerium gewendet, und 
dieses hat versprochen, die Angelegenheit in ernste Erwägung zu 
aieheu. , (N. Berl. M.-Z.) 

%* In Liverpool hat man den Bau eines neuen Theaters 
begonnen, welches „Alexandra* heissen und 1600 Plätze enthalten 
soll , während bei besonderen Gelegenheiten noch ausserdem 250 
Stehplätze geschaffen werden können. 

*** Es heisst, R. Wagner arbeite an einer neuen Oper, be- 
titelt: »Friedrich von Hohenstaufen". 

\* Wie die »Bayr. Zeitg." meldet), soll das neue Opernhaus 
n. A. auch noch mit dem Münchener Stadtwappen geschmückt 
werden und zwar zu Ehren des herzoglich bayrischen Hofcapell- 
meisters Orlanda di Lasso (1530—1699). 

*** Heinrich Stiehl, ein talentvoller Componißt aus Peters- 
burg, der sich durch seine Kammermusik- Werke, zumal seine Trio's, 
in den musikalischen Kreisen einen guten Kamen erworben hat, be- 
findet sich in Wien und steht mit dortigen Bühnen in Unterhandlung 
wegen Aufführung seiner in Petersburg mit grossem Beifall gegebenen 
einactigen Operette: »Jery und Bätely" (Text von Göthe). 

*** Frl. Flies und Hr. Franosch haben das deutsche 
Theater in Prag verlassen , wogegen Frl. H u 1 1 a r y ihr dortiges 
Engagement angetreten hat. 

*** Am 19. Nov., dem Geburtsfeste der Kaiserin v. Oesterreich, 
soll in Wien Wagner's »Rienzi* zum ersten Male und in glänzen- 
der Ausstattung zur Aufführung kommen. 

*** Der Redacteur des »Bayrischen Couriers," der in einem 
Artikel gegen B ü 1 o w wie auch dessen Gemahlin die gemeinsten 
Ausfälle gerichtet hatte, ist zu dreitägiger Gefängniss- und einer 
Geldstrafe vemrtheilt worden. 

*** Frl. Blaczek von Würzburg ist am Leipziger Stadttheater 
als Primadonna engagirt worden. 

*** Der Tenorist Fraschini welcher kürzlich bei einer ausser- 
ordentlichen Vorstellung zu einem wohlthätigen Zwecke in Neapel 
mitwirkte, wird, wie man sagt, nächstens ganz die Bühne verlassen. 

*«* Halevy's reizende Oper: »Der Blitz" kam am 1. Aug. in 
Leipzig mit ausserordentlichem Beifall zur Aufführung. Insbesondere 
leistete Frau Deetz als junge Wittwe Vorzügliches. 

*** Der greise Componist und Professor am Pariser Conserva- 
torium, Carafa (dereinst Ordonans- Offizier des Königs Joachim 
M u r a t und Prinz von Calabrano) hat , da er kinderlos ist , den 
Neffen seiner Gattin, Michel Daubenton an Kindesstatt ange- 
nommen und zum Erben seines Namens und Titels erwählt. 

*»* Hr. Bar nett, ein tüchtiger Pianist, der sich in den Con- 
eerten der neuen philharmonischen Gesellschaft in London Öfters mit 
vielem Erfolg hat hören lassen, arbeitet an einem Oratorium: „Die 
Auferstehung des Lazaius," das auf dem Birminghamer Musikfeste 
zur Aufführung kommen soll. 

*** Der Tenorist Nachbauer vom Hoftheater in Darmstadt, 
welcher sein Gastspiel am Wiener Operntheater wegen Familien- 
verhältnissen plötzlich abgebrochen hatte, ist für ein zweimonatliches 
Gastspiel an derselben Bühne für den nächsten Winter gewonnen 
worden. 

•»* Wiederum will eine „Loreley" am Opernhorisont auftauchen, 
indem der Organist C. A. Fischer in Dresden soeben eine Oper 
unter diesem Titel vollendet hat. 

*«* Das Concert, welches Moseheles in London für die ver- 
wundeten deutschen Krieger veranstaltete, hat 3000 Thlr. eingetragen. 

*** Aas Berlin wird gemeldet, dass Hr. Wachtel die auf 



seinen Antheil fallende Summe von 800 Thlr. dem Hülfscomite für 
die Verwundeten übergeben habe. 

*** Alfred Ja eil wurde am 9. Aug. in der Kirche St. Made- 
leine in Paris mit der Pianistin Fräul. Marie Trautmann 
vermählt. 

*** Von Otto Jahn, dem Verfasser der Biographie Mozart'a 
erschienen soeben bei Breitkopf & Härtel „Gesammelte Schriften 
über Musik." 

*** Einen kleinen Begriff von Londonern Honoraren gibt eine 
Romanze von einem gewissen Randegger, welcher mit Glück in 
englischen Romanzen macht. Derselbe erhielt für eines dieser 
Dutzendfabrikate 66 Thlr. von dem Verleger Metzler. Dieser 
wieder, als er das Verlagsrecht derselben öffentlich an den Meist- 
bietenden versteigerte (acht englisch) von Ashdown&Parry 900Thlr» 

*** In der neuen Oper „La Colombe" von Gounod ereignete 
sich bei der ersten Aufführung in Paris folgende komische Episode t 
Es kommt darin ein alter Haushofmeister vor, der einem ganz jungen 
Pagen gute Lehren in der edlen Kochkunst ertheilt und ihm unter 
Anderem auch sagt, wiejfman ein Gericht Bohnen zu kochen habe; 
„man nimmt dazu," sprach der erfahrene Kenner der culinarischen 
Kunst, „Pfeffer, Salz, schwenkt das Ganze in zerlassener Butter und 
so entsteht ein vortreffliches Gericht l" Dieses Recept kam aber 
dem Publikum doch gar zu primitiv vor, man appellirte dagegen und 
witzelte und spöttelte ganz laut; endlich rief eine durchdringende 
Frauenstimme von der Gallerie herab : „Nehmt doch wenigstens noch 
etwas Beifuss in Eure Bohnen , sonst schmeckt ja das Zeug gar zu 
fade !" Dieser Vorschlag fand Beifall, das Publikum klatschte unter 
jubelndem Gelächter, der Haushofmeister nahm sofort den Beifusa 
in sein Recept auf, und die Vorstellung ging weiter. 

*** Bei der mannigfachen Einquartirung , welche Dresden in 
der letzten Zeit erhielt , ereignete es sieb , dass ein preussischer 
Landwehrmann durch Zufall in dasselbe Haus zu liegen kam, wo- 
er vor einem Jahre als Sängergast gewohnt hatte. So ändern sich» 
in Kürze die Zeiten. 

%* Die HH. Stein way in New -York bauen eine prachtvolle 
Tonhalle. Dieselben haben auch wieder ein Patent für einen neuen 
Pianoforte-Mechanismus erhalten, der eine totale Revolution in der 
Ciavierfabrikation veranlassen soll. 

V* Der Unterricht in der Gesangschule des Hrn. Julius 
Stockhausen in Hamburg beginnt wieder am 15. September und 
dauert bis znm 15. Juni 1867. 

*** In Wiesbaden starb am 3. d. M. der als Künstler wie als 
Mensch gleichgeachtete Bühnenveteran Eduard Genast, geb. 
15. Juli 1797 in Weimar, wo er auch am längsten wirkte, indem 
er von 1829 bis zu seiner 1860 erfolgten Pensionirung ununterbrochen 
am dasigen Hoftheater engagirt war. Den Grund zu seinem Rufe 
als Schauspieler und Sänger legte der Verstorbene auf dem Leipziger 
Theater, für welches er 1818 von Küstner gewonnen wurde. Genast'» 
im Jahre 1860 verstorbene Gattin war die gefeierte Caroline 
Christine BÖhler. Lebhafte Theilnahme in literarischen und 
künstlerischen Kreisen fand sein autobiographisches Werk: „Aus 
dem Tagebuche eines alten Schauspielers" (4 Bände, Leipzig 1863 
bis 1865)*, ausserdem versuchte er sich auch nicht ohne Glück all 
Componist. 

%* In Berlin starb am 9. August der in ganz Deutschland 
rühmlich bekannte ehemalige Tenorist Man t ins. 

*** Im Irrenhaus zu Prag starb der talentvolle Pianist Leo 
L i o n aus Berlin. 

*** Der rührige Theaterdirector Seh unke, Vater der bekann- 
ten Schauspielerin gleichen Namens , ist in Berlin gestorben. Er 
hinterlässt einen geachteten Namen. 

Briefkasten. Die letzten fünf Nummern der »Neuen Ber- 
liner M.-Z." sind uns, wie alle norddeutsche Journale, erst in den 
letzten Tagen zugekommen und wir hoffen, dass auch die fehlenden 
Nummern unseres Blattes nun endlich an ihren Bestimmungsorte« 
angelangt sein werden. 

Druckfehler. In der vorigen Nummer, S. 130, Sp, 1 ist In 
dem Notenbeispiel, 2. Gesangsseile, 3. T. statt m>, fit an lesen. 

Vtrantw. Rtd. Ed. Facktrer. Druck v. Carl Wallau, Mains. 



15. Jahrgang« 



M* MS , 



27. Aiignst 1866. 





Diese Zeitung erscheint jeden 

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Ämtern, Musik- & Buchhand 
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I* PREIS: 

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für den Jahrgang. ' 
Durch die Post bezogen 
} 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: Stradella und die Contarini. — Die deutschen Sänger. — Correspondenzen : Wiesbaden. Paris. — Nachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein Tenetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

P. Richard. 



vn. 



Musikalische Compositionen. 

Es war im Anfange des Jahres 1832, als die erwähnten histo- 
rischen Coneerte in Paris ihren Anfang nahmen, and im Monate Mars 
1838 wnrde in einem, der Musik des 17. Jahrhunderts für Kirche, 
Theater und Concert gewidmeten Production die Arte : „Pietä Signore" 
zum ersten Male gesungen. Das Programm kundigte an: „Kirchen- 
arie (Aria di chiesa) für Tenorstimme mit Begleitung von zwei 
Violen und zwei Bassviolen, componirt von Stradella (1667)." Die 
JEttVue musical eßth\e\t darüber u. A. Folgendest „Diese Arie hat 
dem Publikum das lebhafteste Vergnügen gewährt. AI. Dupont, 
dessen Stimme einen unbeschreiblichen Beiz besitzt, hat dieses Stück 
in vollkommener Weise und mit der Auffassung eines Künstlers ge- 
sungen, der durchdrungen ist von der Schönheit der Musik, welche 
er vorträgt." Auch andere Stimmen Hessen sich in der günstigsten 
Weise über diese Composition vernehmen, allein obschon die Arie 
wirklich eine ausserordentliche Wirkung gemacht und den einstim- 
migsten Beifall erhalten hatte, so blieb sie doch ungeachtet dieses 
grossen Erfolges lange Zeit unveröffentlicht, und es vergingen fünf 
Jahre, bis (1838) die erBte Ausgabe der Arie erschien, „welche die 
Mörder entwaffnet hatte," unter den schwulstigsten Anpreisungen. 
Fetis hatte sicherlich mit dieser Ausgabe nichts zu schaffen. Die- 
selbe erschien in Partitur, mit Begleitung von zwei Violinen, Violon- 
cell und Contrabass, und ausserdem war noch eine Ciavierbegleitung 
beigegeben. Diese Ausgabe schien aus verschiedenen Gründen nicht 
su entsprechen und sie wurde durch eine neue ersetzt, welche blos 
mit Ciavierbegleitung versehen, um einen Ton tiefer gelegt, um 
mehrere Jahre verjüngt (es war das Jahr 1675 statt 1667 angegeben) 
und mit anderem Texte erschien ; so wurde das wunderthätige Pietä 
Signore, Dank den Worten inferna, damnato, fuoco eterno, wirk- 
lich ein Kirchenstück, welchem sich keine geweihte Pforte ver- 
schliefen konnte. Die Ausgaben der ersten Version sind nicht 
«ahlreich, aber die der zweiten sind unzählig. Uebersetzt in fast 
alle Sprachen Europa's, mit Unterlegung verschiedener lateinischer 
Kirchentezte , als Ave Maria, Ave verum, ja selbst als Requiem 
ist diese Arie an hundert verschiedenen Orten, in tausend profanen 
and anderen Concerten gesungen worden, und immer mit grossem 
Erfolge. 

Nachdem F6tis im Jahre 1855 in Brüssel seine [historischen 
Coneerte wieder aufgenommen hatte, Hess er auch die Arie von Stra- 
della wieder erscheinen und erinnerte wiederholt an das Abenteuer 
von den bewaffneten Mördern. Der belgische Journalist, welcher 
das Ereignisa erzählt, fügt bei : Wenn man diese rührende Melodie 
and diese aus dem Herzen kommenden Accente hört, begreift man 
das von der Tradition erzählte Wunder. Man erstaunte sich nur 
darüber, dass dies Kirchenmusik sein soll; die Liebe kann sich in 



irgend einer Oper nicht anders ausdrücken." Dies ist auch voll- 
kommen unsere eigene Ansicht, kann aber für sich allein nicht die 
Authentität dieser schönen Composition schwächen. Zu allen Zeiten 
hat die Musik verschiedener Epochen allgemeine Bedingungen ge* 
habt, welche ihren mannigfachen Kundgebungen eigen waren. Wird 
man wohl im Jahre 1676 in Italien oder wo immer eine Composi^ 
tion von dieser Form und von diesem Bau finden? Das ist der 
Knotenpunkt der Frage. 

F&is sagt wohl in seiner Biographie : „Ich besitze eine wunder- 
volle Kirchenarie für Tenorstimme, mit 2 Viole da braccio, Viola 
bastarda, Viola di Gamba und Violone, welche ich in meinen 
historischen Concerten vortragen liess," allein er bezeichnet nicht 
die Quelle, aus der diese Composition entsprungen ist. Irgend eint 
Aufklärung in dieser Beziehung wäre umsoweniger nnnöthig gewesen , 
als Fetis die Erzählung des Bourdelot aufnimmt und des ganzen Zu- 
trauens werth findet. Er beurtheilt und erwägt jene Erzählung und 
fügt dann bei: „Bourdelot hat sich nur in dem Datum des Tode» 
Stradella's geirrt, indem er denselben in das Jahr 1670 legt; aber 
gerade der Beweis seines Irrthums fn dieser Beziehung bürgt für die 
Genauigkeit des Uebrigen." Abgesehen von der Sonderbarkeit eine* 
solchen Argumentes kann man Folgendes dagegen einwenden. Bour" 
delot sagt mit aller Bestimmtheit, dass Stradella seine Rettung seinem 
„Oratorium vom hl. Johann Baptist und dem Eindrucke verdankte^ 
welchen die Schönheit der Musik auf die Herzen der Mörder machte"; 
er sagt nichts von Gesang, von Stimme ; die Aria di chiesa befindet 
sich auch nicht in jenem Oratorium. Burney, welcher dasselbe 
Nummer für Nummer analisirt, erwähnt derselben nicht, und man 
findet auch keine Spur davon in dem gedruckten Textbuche, *) 
Es muss also irgend eine unerwartete Entdeckung die Ansicht des* 
gelehrten Musikers modificirt haben, indem sie ihn ein Tenorsolo, 
ein einzelnes Musikstück an die Stelle eines Oratoriums setzen liess. 
Nun bleibt noch eine letzte Vermuthung übrig. Wäre es nicht viel- 
leicht möglich , dass der Scharfsinn des ausgezeichneten Professors 
sich hier eine Blosse gäbe, und dass die zufällige Entdeckung eines, 
freilich vortrefflichen Werkes in Wirklichkeit nur eine Täuschimg 
eines allzu gewandten Erfinders, oder um es gerade heraus zu sagen, 
nichts Anderes als eine gewandte Inscenesetzung wäre? 

Man hat auch noch einen anderen Einwand gemacht, der sich 
auf die Wiederholung des Hauptmotivs gründet. Nach Angabe Sach- 
verständiger schriebe sich der Gebrauch des da capo in den Ge- 
sangsarien erst von AI. Scarlatti her, der dieselben zuerst in 
seiner Oper „Teodora" in Rom 1693 angewendet hätte. Dieser 
Einwand hat jedoch keinen Werth. Es ist nämlich dieser Irrthum, 

•) Dieses Textbuch wurde in Florenz gegen Ende des 17. Jahr- 
hunderts gedruckt unter dem Titel: % .La Decoltazione del Ba- 
tisia, oratorio a cinque voci. da cantarsi nella Ven. Compania 
dell Arcangelo Raffaetto, delta la Scata, per Vinc. Vangelisti; 
in 4*." Dies ist unzweifelhaft der von Stradella componirte Text. 
Eine handschriftliche Note auf dem Titel des uns vorliegenden) 
Exemplars lehrt ans, dass unter dem einfachen Titel: i,Saint 
Giovanni Batista" das Werk unseres Künstlers im Jahre 1693 
in Florenz aufgeführt wurde. 



- 188 - 



den «ach Feiis in seiner Biographie des AI. Scarlatti tbeilt, ichon 
mehr als hinlänglich durch die Untersuchung der von dem Histo- 
riker Burney angeführten Thateachen widerlegt worden. Lange ror 
Bcarlatti, vielleicht achon vor Stradella, im Jahre 1661 oder gar 
■ebon 1642 hatte derComponist Tenaglia das da capo in seinem 
„Clearco" angebracht; ea findet eich anch in den Motetten dea 
Monferrato, gedruckt 1673. Man kann also wohl behaupten, das« 
dasselbe vor 1675 bekannt und gebräuchlich war. 

Einen wichtigeren Einwurf konnte mau vielleicht in der Be- 
handlung dea Accompagnements finden, welche eich vielmehr dem 
heutzutage Gebräuchlichen ala der Form der Imitationen oder der 
Anwendung des bezifferten Bassea nähert. Hier müaaen wir una nun 
auf die Autorität dea Hrn. Fetis stützen, welcher, indem er die von 
AI. Scarlatti eingeführten Neuerungen aufzählt, sagt: „In Betreff dea 
Accompagnements der Arien gab er demselben, anstatt ea dem Ge- 
sänge in streng angepasster Harmonie folgen zu lassen, einen be- 
sonderen Zuschnitt, wenn er es für passend fand, und vermied durch 
seine Lebhaftigkeit eine ermüdende Monotonie." Haben wir nun 
hier nicht gerade einen besonderen Zuschnitt statt einer streng att- 
gepaaaten Harmonie, welche der von Stradella geschriebenen Arte 
so glücklich zur Begleitung dient? 

Die verschiedenen Zeitangaben für die Entstehung dieser Arie 
sind von keiner Wichtigkeit. Möge man 1646, 1660, 1667 schreiben, 
wie Fetis in seinen Programmen von 1833, oder 1675 mit den neuen 
Textworten: »Pietä Signore," möge man mit anderen* Autoritäten 
das Jahr 1676 nennen, alle diese Zahlen verschwinden mit der Er- 
zählung von den gerührten Mördern, mit dem Mordversuche, der 
niemals stattgefunden hat. Die Arie bleibt unberührt in ihrer ganzen 
Schönheit, aber man muss eine andere Taufe für Bie finden. Ein 
neuerlicher Fund kann auf den Weg zur ächten Wahrheit fuhren. 
Der belgische Journalist, welcher über das „Pieta Signore** sagte: 
„Die Liebe würde sich in einer Oper nicht anders ausdrücken,* kam 
der Wahrheit näher, als er selbst dachte. Es ist die Liebe, und 
zwar eine sehr überspannte Liebe, welche der Dichter ausdrücken 
wollte, und der Musiker in Töne übertragen musste. Die Verse".: 

5» i miei sospiri, 

Dio placasserö! 

L'empio sembiante 

Che m'allettö etc. etc. 
sind die zweite Strophe einer Liebesklage, welche sich an das Felsen- 
herz einer unempfindlichen Schönen richtet. Die nachstehende erste 
Strophe wird alle Zweifel heben. Der Tenor, Arsen es, SohnUrban's 
und Geliebter der Theodosia, beginnt folgen dermassen zu singen: 

Se il mio dolore 

Votesse frangere 

II cor di pietro 

D'una beltä: 

Dal fato o amore 

Cento occhi impetra 

Ch'il cor di piangere 
Non cesserä. 
Man sieht wohl, das ist Liebe und nichts anderes. Man darf 
daraus nicht schliessen, dass die Bezeichnung „Kirchenarie* unpassend 
Bei, man muss nur sagen: „Liebesarie, in der Kirche gesungen.* 1 
Das geistliche Drama schloss den Ausdruck irdischer Leidenschaften 
nicht aus, besonders wenn man, wie dies hier der Fall war, den 
Sohn eines Verfolgers der Unschuld auftreten lässt. Nach dem Sinne 
des Librettisten ist gerade die heftige Leidenschaft des Arsenes für 
Bie eine der Ursachen des Märtyrthums der heil. Theodosia. Die 
Oratorien wurden in der Kirche gesungen, meistens von den Ordens- 
brüdern selbst. Das so aufgefasste geistliche Drama'würde vielleicht 
dem Puritanismus unserer Zeit verletzend erscheinen, aber es passte 
ganz und gar zu den italienischen Sitten. 

Nun führte der Zufall beim Durchlesen einer interessanten 
Sammlung von Textbüchern, die in Florenz gedruckt wurden, zur 
Entdeckung eines Oratoriums, dem Vorstehendes entnommen ist. 
Folgendes ist der genaue Titel desselben: „Ä Teodosia, vergine 
et martire, oratorio a quatlro voci da cantarsi nette chiesa de' 
padri nella congregazione delV oratorio di S. Filippo Neri di 
Itrenze, musica del Signor Alessandro Scarlatti, in Firenze, 
1693, per Vincenzia Vangelisti;" sechs Blätter in 4? 

Bei Fetis ist die „heil. Theodosia" von Scarlatti von Rom, 1705 



datirt; sie war aber zwölf Jahre älter. Ein noch ältere hl. Theodosia 
war schon früher ebenfalls in Born aufgeführt und in Mantua 1686 
gedruckt worden. Alle diese Daten find später, als man von Stra- 
della weiss. Die Musik Scarlatti's ist ganz anderer Art und scheint 
sogar von noch älterer Schreibart zu sein als das „Pietä Signore. 11 
Es ist also gewiss keine zu grosse Kühnheit, wenn nicht die Aecht- 
heit des fraglichen Musikstückes entschieden zu läugnen, so doch 
hintdr genugsam motivirten Zweifeln zu verwahren. Ein glück- 
licherer Entdecker wird dieses Räthsel lösen, und wie die Arie einen 
Pathen gefunden hat, so wird sie vielleicht auch noch einen 
Vater finden. 

Es muss übrigens anerkannt werden, wieviel Dank die Freunde 
der Musik dem gelehrten Fetis für seine während einer langen Reihe 
von Jahren ununterbrochenen enormen Leistungen als Lehrer, als 
Componist, als didactischer und kritischer Schriftsteller und als Di- 
rector einer grossartigen Lehranstalt schulden. Wenn man auch nicht 
Alles ohne Prüfung annehmen konnte, so zwang die gebieterische An- 
forderung der Wahrheit dazu, und der einem Gelehrten gebührenden 
Achtung ist nicht zu nahe getreten worden. Fetis hat soviel gethan 
and geschaffen, dass er wohl hie und da irren konnte. 



Hie deutschen Sänger« 

Hanslick schrieb unlängst in einem Bericht über die italie- 
nische Oper in Wien in der „Neuen freien Presse" folgende beher- 
zigenswerthe Betrachtungen über die deutschen Sänger: „Nichts 
Besseres vermöchten wir unseren deutschen Sängern für so manchen 
uus bereiteten Genuss zu wünschen, als dass keine der italienischen 
Vorstellungen an ihnen ungehört und ungenützt vorübergehen möge. 
Wer es bislang nicht gewusst oder nicht geglaubt, was den deutschen 
Sängern fehlt, dem wird es durch die sich ununterbrochen aufdrän- 
gende Vergleichung mit den Italienern jetzt zur Klarheit gediehen 
sein: die Herrschaft über die Gesangstechnik. Nicht an einzelne 
Künstler des Hofoperntheaters denken wir dabei, ja nicht einmal an 
dieses, andere Bühnen noch weit überragende Institut selbst, sondern 
an die deutschen Sänger überhaupt. Was für prachtvolle Stimmen 
finden wir unter ihnen, welche Schätze an musikalischen und dra- 
matischen Anlagen — und dennoch, welch' mangelhafte, dilettantische 
Ausbildung dieser Kunstmittel. An allgemeiner wissenschaftlicher 
Bildung dürften unsere Landsleute den französischen und italieni- 
schen Sängern grösstentheils überlegen sein, in der für den Künst- 
ler unentbehrlichsten, der technischen, stehen sie weit hinter ihnen 
zurück. Die italienischen Künstler treiben das Singen als eine 
Kunst, eine schwierige, ernste Kunst, die sorgsam gelernt sein will; 
die deutscheu begnügen sich meist mit der Stimme , dem Talent, 
der Routine und einer vornehmen Abneigung gegen Gesangsstudien. 
Die technische Ausbildung des Materials — nicht das Letzte, aber 
das Erste und Unentbehrlichste in aller Kunst — liegt in dem ernsten 
Willen eines Jeden ; desshalb soll die Kritik an einem so auffallenden 
Beispiel wie unsere italienische Oper nicht stillschweigend vorüber 
gehen. Wir zum mindesten glauben mit solchem Fingerzeig eine 
Pflicht zu erfüllen, wohl wissend, dass er uns keine Rosen tragen 
wird. Das Lob der Gewissenhaftigkeit und ernsten Berufstreue, das 
den Deutschen allgemein gespendet wird, erleidet in Bezug auf die 
deutschen Bühnenkünstler einige Beschränkung. „Ich kenne keine 
fremde Bühne, welche an sorgfältiger Vorbereitung des Kunstmaterials 
unsere deutsche Bühne nicht überträfe," sagt Laube in seinem treff- 
lichen Essay über Anscbütz. Der Ausspruch dieses erfahrenen Kenners 
(dessen dramaturgische Perlen leider nur dann auftauchen, wenn das 
Burgtheater einen grossen Künstler verliert) ist durch seine Collegen 
Devrient, Gutzkow etc. an mehr als einem Orte bekräftigt. Welcher 
deutsche Schauspieler erschrickt nicht, wenn er liest, dass von einem 
Conversationsstück , wie „Mademoiselfe de Belle-Isle" im The'ätre 
lyrique seinerzeit 52 Proben gemacht wurden, und selbst die kleinen 
Vaudevilles auf den Boulevards nie unter 16 bis 20 Proben aufge- 
führt werden? Wie vielen deutschen Schauspielern dürfte man zu- 
muthen, 20- uud SOmal zu probiren, wie man einen Brief zu erbrechen, 
sich auf's Sopha zu legen, grüssend in einen Salon zu treten hat? 
Und doch musste, trotz der natürlichen Geschicklichkeit, welche 
hierin die Franzosen voraus haben, jeder ihrer bedeutenden Künstler 
an der Aneignung solcher Details, also am Handwerk, gewissenhaft 



139 



arbeite«. Bin wtlt grösserer Abstand noch, als »wischen deutschen 
«si französischen Schauspielern, besteht in diesem Punkte zwischen 
den Sängern der deutschen und der italienischen Bühne. Wir möchten 
hier lieber das Publikum cur eigenen Beobachtung einladen, als 
telbst sprechen. Man höre heute eine italienische Vorstellung und 
morgen eine deutsche im Hofoperntheater. Unsere italienischen 
Operngäste glänzen durch vollendete Bildung des Materials bei keines- 
wegs imposanten Stimmen ; die deutschen durch Stimmen voll Kraft 
und Fülle, die jedoch ob ihrer mangelhaften Technik nicht die 
Hälfte der Wirkung erreichen, welche sie bei gleicher Pflege und 
Ausdauer erreichen könnten. Bei den Italienern gr'össte Sicherheit 
und Gleichmäßigkeit die ganze Rolle hindurch; bei den Deutschen 
ein ungleicher Wechsel glänzender und mittelmässiger Momente, 
Beides mit einem leichten Anfluge von Zufälligkeit. Dort bejahrte 
Tenoristen , deren Stimme durch sorgsame Pflege den schönsten 
Wohllaut bewahrt hat , hier junge Sänger mit vorzeitig brüchigem, 
unsicherem Organ. Bei den Franzosen und Italienern Alles gefeilt, 
in sich fertig und wirksam ; bei den Deutschen das Meißte in kühnem 
Sichhineinstürzen bald erreicht, bald verfehlt. 

Mit diesen allgemeinen Bemerkungen wollen wir natürlich weder 
rühmliche Ausnahmen läugnen, noch den Sängern allein die Schuld 
an diesem weithin herrschenden Zustande aufbürden. Das deutsche 
Publikum macht leider an die GesangskunBt seiner Opernsänger, 
auch der kostspieligsten, geringe Ansprüche und erlässt diesen die 
jahrelangen mühevollen Studien , die es von jedem erträglichen In- 
strumental-Virtuosen fordert. So haben wir einerseits das Publikum 
als Mitschuldigen. Andererseits ist die Vernachlässigung technischer 
Meisterschaft ein Characterzug , der sich analog auch in anderen 
Gebieten deutscher Kunst äussert, und manchmal unsere genialsten 
Erfinder und Denker weit hinter dem Einflüsse zurückbleiben lässt, 
welcher ihren Ideen gebührt, und den ihre französischen, italienischen, 
englischen Collegen gerade durch technische Meisterschaft so oft 
erringen. Unter den gefeierten deutschen Malern soll es welche 
geben, die nicht eine Hand correct zeichnen können. „Es gibt Maler 
und Malenkönner", erwiederte einmal gereizt einer der geistreichsten 
von ihnen, „ich bin Maler. Wir glauben, man solle Beides sein. 
In der Oper gibt es Sänger und Singenkönner, — Letztere sind 
aelten Deutsche." 

CORRESPONDENZEN. 



Aus Wiesbaden. 



Wie überall, so hat auch hier auf die Entfaltung der musika- 
lischen Verhältnisse der Krieg nachtheiligen Einfluss geübt, indess 
weniger auf die Oper, als das Concertwesen. Wie Ihnen wohl be- 
kannt ist, haben die Concerte der Kurhaus-Administration während 
der Sommersaison stets einen Concours der bedeutendsten europäi- 
schen Kunstgrössen geliefert ; der Cursaal war ein Kunsttempel von 
seltener , ja unrivalisirter Brillanz. Dem ist diesmal nicht so : 
ein einziges Concert hat am 29. Juni Statt gehabt, und mit diesem 
wird wohl die Reihe jener langjährigen grossartigen Kundgebungen 
auf dem Gebiete der Kunst abgeschlossen sein, da die Fortexistenz 
der dermaligen Verhältnisse des Kursaals in Frage steht. In dem 
genannten Concerte wirkten mit: H. Vieuxtemps, der Tenorist 
Walter aus Wien , Frl. T i p k a , die frühere Coloratursängerin 
unserer Bühne , und Frau Kastner-Escudier. Vieuxtemps 
spielte sein Violin-Concert in D-moll , seine Airs negres de VAr~ 
hansas, und mit Fr. Kastner ein Duo für Piano und Violine über 
Motive aus „Oberon." Die letztgenannte Piece war die gefälligste, 
und in dem D-moll-Concert sprach der 2. Satz: Andante religioso 
am meisten an. Walter sang die Arie aus der weissen Dame : 
„Komm, o holde Dame und einige Lieder von Schumann und 
Pfeffer. Frl. Tipka sang eine Arie aus tt La gazza ladra* und 
ebenfalls zwei Lieder. Sie hat, seitdem wir sie zuletzt gehört hat- 
ten, sich eine reichere und brillantere Coloratur angeeignet. Frau 
Kastner spielte als Solopiecen eine Etüde von Cohen und „Marche 
hongroise* von Liszt, Die Etüde war weniger ansprechend und 
su dem Marsche fehlte die männliche Kraft. In der Klavierparthie 
des Duo indess entfaltete sie ihre Vorzüge, Eleganz des Spieles 
und bewundernswerthe Technik in hohem Grade. Das Theater- 



orchester ezecutirte unter J ab n*< energischer Leitung eine Ouver- 
türe von Cherubini und übernahm das Accompagnement der grösse- 
ren Nummern. Ausserdem wurden im Kurhause einige Privat-Con- 
certe gegeben , darunter drei Quartett-Soireen der Gebr. Müller 
(die sich dahier häuslich niedergelassen haben) und ein grösseres 
Privat-Concert. Die Soireen waren nicht besonders besucht. Die 
Leistungen der Quartettisten sind bekannt. Interessant war die 
Mitwirkung des jugendlichen Brüderpaares Willi und Louis 
Thern aus Pestb, welche Duo's für zwei Piano's vortrugen. Schon 
im letzten der Sinfonie - Concerte der verflossenen Saison hatte das 
Künstlerpaar, welches sich bei dieser Gelegenheit hier zum ersten 
Male einführte, grosses Aufsehen erregt. Ihre Bedeutendheit besteht 
nicht allein darin , dass jeder Einzelne ein Virtuos auf dem Piano 
ist, sondern hauptsächlich in dem bezaubernden Zusammenspiel bei- 
der. Das ist eine Seele und ein Schlag 1 Die rapidesten Passa- 
gen, die schwersten Figuren, die feinsten Cadenzen kommen im 
unisono, in Parallel- oder Gegenbewegung, als ob ein einziger mit 
20 Fingern bewaffneter Spieler sie ausführe ; die Accuratesse dieses 
Zusammenspiels ist wunderbar. Und bei allem dem trägt sich nicht 
bioser Mechanismus zur Schau — das Spiel ist auch geistdurch- 
webt, voll Gefühl und Poesie. Die beiden jungen Künstler stehen 
unter der Leitung ihres Vaters , des Professors Thern vom Con- 
servatorium in Pesth. Die Meisterschaft dieses Lehrers bewährt 
sich nicht nur in der Leitung und Ausbildung seiner Söhne, sondern 
auch in seinen eigenen Compositionen , wie ebenfalls in den treff- 
lichen Arrangements. Die ersteren Bind schwungvoll und musikalisch 
reich ; die letzteren interpretiren die grossen Meister, wie Beethoven 
in seinen Sonaten, namentlich den späteren, Bach in seinen Fugen, 
in wahrhaft genialer Weise. Ohne die geringste Zuthat treten uns 
diese Compositionen , die für den Bereich eines Instruments eine 
zu gewaltige, fast orchestrale Basis haben, in ihrer wirklich inten- 
tionirten, titanenhaften Grösse entgegen; jedes Motiv, jeder Säte 
und jede Periode hebt sich markirt ab, und einzelne Schönheiten 
kommen zum Vorschein, die e i n Instrument nur ahnen lassen kann. 
So offenbart sich der Lehrer durch die Hände seiner Schüler auch 
als gründlichen Kenner der Classiker und tiefen Theoretiker , wäh- 
rend er persönlich durch seine Bescheidenheit und Anspruchslosig- 
keit sich auch als liebenswürdigen Menschen kund gibt. Vorläufig 
hat sich diese interessante Familie, gleich den Gebrüdern Müller, 
welche letzteren indess, nebenbei gesagt, sich in der hiesigen Künst- 
lerwelt durch ihr wenig collegialisches Verhalten , nicht beson- 
ders eingeführt haben, ebenfalls dahier niedergelassen; schade nur, 
dass gerade diese Saison der Kunst so abhold ist; hätten die Ad- 
ministrations - Concerte nach dem neuen Plane (Monstre - Concerte) 
Statt gefunden, der Ruf der jungen und seltenen Künstler wäre bei 
einem so reichen Badepublikum, wie wir es immer zu sehen ge- 
wohnt waren , nach allen Landen hin von hier aus verbreitet wor- 
den *). 

Das Theater zeichnet sich eben durch eine ganz vortreffliche 
Oper aus. Auf dem Repertoir fehlt fast keines der Meisterwerke 
der Opernliteratur, und auch die leichteren Werke der deutschen, 
französischen und italienischen Opern-Componisten werden im Gange 
erhalten. Neben „Lohengrin" und „Tannhäuser* steht „Fra Dia- 
volo," „Regimentstochter," neben „Don Juan" und „Zauberflöte" 
der „Troubadour" und „Ernani," neben dem Coloss „Fidelio" das 
„Glöckchen des Eremiten" etc. etc. Das Orchester hat sich unter 
Jahn's Leitung noch bedeutend emporgeschwungen. Eine treffliche 
Schule hat es in den Sinfonie-Concerten des vorigen Winters durch- 
gemacht; in den grossen Sinfonien von Haydn, Mozart, Beethoven, 
Mendelssohn, Schubert etc. lernte das Orchester in seiner eigenen 
Kraft sich erst recht kennen, und das Publikum war enthusiasmirt 
von der Exactitude und Feinheit, mit der dasselbe eine Jupiter-, 
eine C-moll- und A-dur-Sinfonie executirte. Die Solisten der Oper, 
Hr. Caffieri (Heldentenor), Hr. Borchers (lyrischer Tenor), Hr. 
Bertram (Bariton), Hr. C a r n o r und Hr. Klein (Bass), Frl. 
Langlois (Coloratursängerin), Fr. Bertram (diamatische Sän- 
gerin), Frl. Norden (jugendlich - dramatische Darstellerin), Frl. 
Boschetti (Soubrette), Frl. Waldmann (Altistin) haben alle die 
Liebe unseres Publikums. 

Zwei Veränderungen stehen indess bevor : Herr und Frau Ber- 



*) Dies ist wohl ohnedies schon der Fall. (Anm. d. Red.) 



- 140 - 



tram verde» uns sait September verlassen und dafür sind bereits 
eingetreten Frl. Liebt m ay und Hr. Ph il ip p i von Nürnberg. 
Die erstere bat als „Norma" debütirt, in der darauffolgenden Vor- 
stellung des „Don Juan" indeaa alt Donna Anna ungleich besseres 
geleistet In der erstgenannten Oper wusste sie sich der Cadenzen 
nicht leicht und sieher genug zu bemeistern , wohingegen sie eine 
vorzügliche Donna Anna war. Hr. Philippi's Bariton ist von äusserst 
wohlthuendem Klange, seine Leistungen zeugen von Verständniss 
und sein Vortrag ist von innerer Wärme durchdrungen. Eine sel- 
tene Erscheinung ist die des Frl. W a 1 d m a n n , welche immer 
einen Stimmfond (Alt) von ungewöhnlicher Tiefe, Kraft und Run- 
dung besitzt. — Ob das Theater in seiner bisherigen Gestaltung 
fortdauern wird, ist eine Frage, welche eben alle Gemüther dahier 
beunruhigt. Mit der Aufhebung des Spieles, wenn dieselbe statt 
fände, würde dem Theater auch ein jährlicher Zuschuss von 57000 fl. 
entgehen, nebst nicht unbedeutendem indirectem Support. Ausser- 
dem wird auch seine Stellung als Hoftheater, welche es der poli- 
tischen Sachlage nach verlieren wird, nicht mehr den hebenden 
Einfluss üben können ; und doch müssen wir, wenn nicht Wiesbaden 
als Luxus-Curort ganz bedeutende Einbusse erleiden soll, ein gutes 
Theater behalten. Die Zeit wird Weiteres lehren. 



Aus Paris. 

20. Angost. 

Der fünfzehnte August ist vorüber. Die Cantaten sind gesungen 
und die Hymnen sind verhallt. Noch niemals hat man an diesem 
Festtage, an welchem bekanntlich Gratis - Vorstellungen gegeben 
werden, vor den Theatern solche lange Queues gesehen. Die grosse 
Oper gab die „Afrikanerin" und man kann sich leicht denken, wie 
sehr das nichtzahleu de Publikum sich herbeidrängte, der Aufführung 
des Meyerbeer'schen Meisterwerkes beizuwohnen. Die grosse Oper 
bereitet die Aufführung der „Alceste" von Gluck mit grossem Eifer 
vor. Wie ich Ihnen bereits gemeldet, hat Berlioz die Leitung der 
Proben übernommen. — Von V e r d i ' s neuer Oper „Don Carlos" 
haben die Ciavierproben bereits begonnen, denen der Maestro bei- 
wohnt. 

Gounod, der am 15. August zum Offizier der Ehrenlegion be- 
fördert wurde, hat sein neues Werk: „Romeo und Julie" der Di- 
rection des The'ätre lyrique eingereicht. Es fehlt zwar noch immer 
der Tenor für die Rolle des Romeo; man versichert indessen, dass 
zwei blutjunge Tenore, von denen der Eine kaum das Conservato- 
rium verlassen, bei der Rückkehr Gounod's vor diesem um die Wette 
singen werden; der Compositeur werde die Beiden prüfen und den 
Besten behalten. — Das ebengenannte Theater geht auch damit um, 
„Lucrezia Borgia" von Donizetti zur Darstellung zu bringen. 

Die italienische Oper wird am 2. October ihre Wintervorstel- 
lungen beginnen. Wie es heisst, sucht die Direction noch immer 
eine Prima-Donna seria Bei der Lucca hat man vergebens an- 
geklopft; in diesem Augenblick wird mit Emmy Lagrua unter- 
handelt. 

— ■ na » ' 

IV » c li r 1 c li t c ii. 



Bartill. S. M. der König haben allergnädigst geruht, den von 
dem kgl. Musikdirector und Director der gesammten Musik des 3. 
Armeecorps Gottfried P i e f k e componirten Marsch „Der König- 
grätzer" zum Armeemarscb zu ernennen. 

Paris. Die Ciavierproben für die Oper „Don Carlos" von 
Verdi haben bereits unter der Aufsicht des Componisten begonnen. 
Die Besetzung der Rollen ist folgende: Elisabeth von Valois, Mme. 
SaBS; Prinzessin Eboli, Mme. Gueymard-Lauters; Don Car- 
los, M o r e r e ; Posa, F a u r e ; Philipp II., O b i n ; Grossinquisitor, 
B e 1 v a 1 ; ein Mönch, David. 

— Der Zudrang zu den Gratisvorstellungen der verschiedenen 
Bühnen am 15. August war diesmal ein so colossaler, wie man 
kaum je gesehen hat. Besonders zur Vorstellung der „Afrikanerin" 
in der grossen Oper hatte sich eine solche Menschenmasse einge- 
funden, dass das Haus, welches eigentlich nur für 2000 Personen 
Plätze enthält, bei dieser Gelegenheit wohl nahe an 3000 Schau- 
lustige aufnehmen musste, welche sich in dem gebotenen Raum ge- 



duldig zusammenpressten und der fünfstündigen Vorstellung mit 
bewundernswertber Ausdauer und grossem Enthusiasmus beiwohnten» 
Eine grosse Anzahl hatte schon um Mitternacht sich vor dem Opern» 
hause eingefunden und brachte die Nacht und den halben Tag (dfr 
Vorstellung begann um die Mittagszeit) auf dem Pflaster zu, um 
zuerst in das Haus eindringen und Plätze wählen zu können* 

— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris betru- 
gen im Monat Juli die Summe von 902,431 Frcs. 

— Hr. Mapleson, der Director von Her Majesty's theatre 
in London, befindet sich gegenwärtig hier. Auch Frl. Titjens ist 
in Paris eingetroffen. 

London. Mellon's so beliebte Montags-Concerte haben wieder 
begonnen und sind Mary Krebs, Winiawsky und die Sängerin 
Liebhardt darin aufgetreten. 

Gopenh&gen. Noch im Laufe dieses Jahres wird hier ein neue» 
Conservatorium für Musik eröffnet werden, welches von dem ver- 
storbenen Juwelier und Goldarbeiter P. W. Moldenhauer ge- 
gründet wurde, indem dieser kunstfreundliche Patriot einen Theil 
seines Vermögens zu diesem Zwecke vermachte. Directoren der 
Anstalt sind die HH. Niels W. Gade, J. P. E. Hartmann und 
Hofcapellmeister Pauli. Es wird Unterricht ertheilt werden : im 
Ciavierspiel, Violine, Gesang, Orchesterspiel und Dirigiren, Har- 
monielehre, Contrapunkt , Gesang- und Instrumental - Composition» 
Das jährliche Honorar für einen Schüler oder eine Schülerin beträgt 
100 Reichsthaler, wofür man sich an sämmtlichen Unterrichtszweigen 
betheiligen kann. 

*** A u b e r hat der Sängerin Frau Lucca bei Gelegenheit 
eines Besuches, den ihm diese in Paris machte, die Feder zum 
Geschenk gemacht, mit der er die meisten seiner Partituren ge- 
schrieben hat. 

%* Bei der Farrenc'schen Musikversteigerung in Paris fand 
man unter einem Haufen ausgemusterten Papiers das Manuscript 
eines Jugendwerks von Mozart, enthaltend eine Fantasie für Cia- 
vier, Streichquartett, zwei Oboen, zwei Hörner und Fagott, geschrie- 
ben im Alter von 10 Jahren zur Installirung des Statthalters Wil- 
helm V. von Oranien. Das Werk enthält nicht weniger als 10 Stück» 
und überrascht durch die Frische der Ideen und durch eine erstaun- 
liche Gewandtheit in der Kunst der fugirten Behandlung der Motive. 
*** In Belgien gedenkt man nun ebenfalls grosse Musikfeste 
nach dem Muster Deutschlands und Englands zu veranstalten. Die 
königliche Gesellschaft Reunion lyrique hat im Verein mit mehreren 
Künstlern bereits die nöthigen Schritte dafür bei der Regierung ge- 
than , welche auch ihre Unterstützung bereitwilligst zusagte. Das 
erste dieser Feste soll bereits zu Ostern 1867 stattfinden. 

*** In Leipzig wird nächstens ein grosses Concert unter der 
Direction des Hrn. Capell meisten Gustav Schmidt von dem ver- 
stärkten Stadtorchester und mehreren Gesangvereinen zum Besten 
verwundeter Krieger und bedrängter Familien der zur Armee Ein- 
berufenen stattfinden, in welchem Werke von Beethoven, Mendels- 
sohn, Mozart, Weber u. A. zur Aufführung kommen sollen. 

*„* Das Carltheater in Wien wird nun doch vom 1. Sept. an 
in die Hände des Hrn. Strampfer übergehen, welcher den Carl'- 
schen Erben dafür einen jährlichen Pacht von 30,000 fl. zu zahlen 
hat. Der bisherige Director Treumann will in Compagnie mit 
dem Schauspieler Ascher das Josephstädter Theater pachten. 

*** Der Tenorist Bohl ig, welcher in letzter Saison eines der 
beliebtesten Mitglieder des Stadttheaters in Mainz war, hat in Mün- 
chen als Arnold im „Teil" und Max im „Freischütz" mit grossem 
Beifall gastirt und ist nun mit monatlich 300 Thlr. für das Hamburger 
Theater engagirt. 

*** Der Musikschriftsteller und Violinvirtuose J. von W a s i e- 
lewsky ist von seiner Reise in Italien nach Dresden zurückgekehrt 
*** Die „Lohconcerte" in Sondershausen, welche durch den 
Ausmarsch der im Orchester mitwirkenden Militärmusiker unter- 
brochen worden waren , wurden nach erfolgter Rückkehr derselben 
am 12. d. M. wieder aufgenommen. 

*** Die Nachricht von dem Tode des Tenoristen Mantius in 
Berlin ist erfreulicher Weise wiederrufen worden. 

V In Hannover starb am 29. Juli der Hoftheaterdirector 
Ro ttmayr. 

Verantw. Red. Ed. Fächer er. Druck v. Carl Wallau, Main*» 



15. Jahrgang. 



N* *G. 



3. September 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



DieseZeitung erseheint jeden 

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IIHiLT: Stradella und die Contarini. — Johann Stefan!. — Nachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

P. Richard. 






VIII. 
Stradella ohne Fabel. 



Die richtige Geschichte Stradella** zu suchen, das hiesse sich 
mitten in der dichtesten Finsterniss zurechtfinden eu wollen. Da 
ist Alles unsicher, dunkel und unbekannt in dem Leben dieses son- 
derbaren Mannes. Nur zwei Dinge bleiben unbestreitbar und positiv 
erwiesen, nämlich erstlich die bedeutende Anzahl seiner musikalischen 
Werke, und dann die Wirklichkeit der Hinterlist, deren Opfer er 
in Turin wurde. Fast alle Musikhistoriker haben von diesem Meister 
fssaproehen, einige ausführlich, ander« nur mit vorübergehender 
Erwähnung; allein man wird schwerlich zwei derselben in ihren 
Angaben übereinstimmend finden, wenn sie nicht einander abge- 
schrieben haben. In Ermangelung beglaubigter Thatsachen hat man 
sich in Vermuthungen und Auslegungen verirrt, und es fehlte dabei 
auch nicht an Erfindungen. Es ist daher unmöglich eine bestimmte 
Behauptung zu wagen, was ans dem Wenigen, was wir nun angeben 
werden, klar hervorgeht. 

Das älteste gedruckte Buch, in welchem wir eine Erwähnung 
unseres Musikers gefunden haben, ist das Werk von Crescimbeni 
( Content ari intorno all isloria della volgar poesia. Roma, 1702» 
Vol. I, p. 241). Wo er von den musikalischen Cantaten, einer Er- 
findung des 17. Jahrhunderts, spricht, beschränkt er sich darauf, 
unter den alten Cantaten auch die des berühmten AI. Stradella, , t tra 
le antiche, quelle del famoso AI. Stradella ," zu erwähnen , ohne 
etwas Weiteres beizufügen. Als ungefähr aus der nämlichen Zeit 
herrührend kann man die unbestreitbar authentische, leider nur zu 
kurze Notiz betrachten , die uns glücklicherweise durch die Sorg- 
falt des erleuchteten Abbe B a i n i erhalten wurde , welchem die 
musikalische Gelehrsamkeit eine abgekürzte Copie des grossen un- 
edirten Werkes von J, O. Pitoni, einem seiner Vorgänger als Ca- 
pellmeister des Vaticans verdankt. Diese kurze Stelle ist in folgenden 
Worten abgefasst: „AI. Stradella war sehr berühmt durch seine 
theatralischen Compositionen. Er musste Rom wegen der Eifersucht 
der Frauen verlassen. Nachdem er sich nach Genua begebeu hatte, 
wurde er dort wegen einer ähnlichen Veranlassung ermordet. Er 
hielt sein Oratorium vom hl. Johann Baptist für sein bestes Werk. 
Seine Duetten sind berühmt." (Siehe p. 91 von ,./a Notizia de* 
Centrappuntisti et Compositori di musica degli anni delV era 
eristiana 1000 fino al 1700. Copirt von B a i n i, mit einem Namen- 
register von A d. de la Fage. a Dieses kostbare Document befindet 
sieh unter "den Manuscripten , welche la Fage der kaiserlichen Bib- 
liothek in Paris vermacht hat.) 

Baini beschränkte sich darauf, aus dem Manuscript des Pitoni 
aar die rein musikalischen Aufschlüsse auszuziehen; vielleicht wäre 
dort noch mehr zu finden gewesen, and die Knappheit des Ezcer- 



pirenden ist umsomehr au beklagen, da man nicht weiss, was aus 
dem Originalwerke geworden ist. 

Die zwei anderen Italiener, welche wir erwähnt haben, schweigen 
beide über das Vaterland des Stradella. Beide gerechte Würdiger 
seiner Verdienste, beide seine Zeitgenossen, haben sie ohne Zweifel 
auf das Bekanntsein näherer Umstände in ganz Italien gerechnet. 
Warum haben sie keine vollständigeren Erinnerungen hinterlassen? 
Was Bourdelot betrifft, so ist derselbe gar nicht zu entschuldigen. 
Als Arzt der Königin Christine vou Schweden , welcher er sc*, 
eigentümliche Dienste geleistet, mit der er sich in Born aufgehalten 
und Italien durchreist hat, sammelte er Materialien für eine Musik- 
geschichte, und es können ihn daher keine Scrupel zurückgehalten) 
haben. Aber er wollte die Wahrheit nicht sagen; seine 
Erzählung ist mehr als eine Fabel, sie ist eine Lüge. Da alle be- 
stimmten Angaben, fehlten, warf man sich auf Vermuthuugen ; was 
•einen Geburtsort betrifft, ae machen ihn Burnay und Mm*. Baws 
in ihren Geschichten, Gerber und Schilling in ihren Diotiofa- 
nairen, der Fürst Beloselski in. seinem kleinen Buche über die 
Musik in Italien, Cocatriz in seinem Journal zum Neapolitaner. 
Auch F e t i s gibt an , dass er in Neapel geboren sei und nimmt 
keinen Anstand, das Jahr 1645 als sein Geburtsjahr zu bezeichnen. 
Boisgelou, der den musikalischen Catalog der kaiserlichen Biblio- 
thek verfasste, lässt ihn in Genua geboren sein, während Wanley, 
der Bibliothekar des Grafen vou Oxford, welchem wir die Anmer- 
kungen zu den Mauuscripten des britischen Museums verdauken, und 
der Dichter Luigi Carrer ihn für einen Veuetianer halten. 

Uebrigens sind der Ort, wo er seine Studien machte, der Name? 
seiner Lehrer und die Reihenfolge seiner Werke in ebenso dichtes 
Dunkel gehüllt wie seine Wiege. Selbst sein Name erscheint 
räthselhaft. Entlehnte er ihn seinem Geburtsorte, wie zu jener Zeit 
viele andere Künstler thaten, oder ist es ein wirklicher Familien- 
name? Wer weiss dies? Vor wenigen Jahren, als die reiche Samm- 
lung des Hrn. Solar im Versteigerungswege in alle Welt zerstreut 
wurde, wurde auch eine reichhaltige und merkwürdige Sammlung 
von füufstimmigen Madrigalen, componirt von einem Deutsehen, 
Kapsperger, gedruckt in Rom 1608*) zum Versteige gebracht..' 
Diese Stücke waren gesammelt vou einem Marcus Antonius 
Stradella, Ritter des St. Stephans - Ordens. Sollte dieser Mark 
Anton vielleicht ein Verwandter oder nur ein Namensvetter unseres' 
Stradella u sein ? 

Eine Tbatsaehe bleibt jedoch erwiesen. Stradella, der gross«' 
Componist, worüber alle übereinstimmen, war auch Sänger uti'd r spi»lte> 
verschiedene Instrumente. Die Beweise, welche wir dafür vorge- 
bracht haben, sind geuögend. Aber welches waren seine Verdienst«! 
als Sängei? War er Virtuose und Adonis zugleich, wie Schilling! 
uns versichert? ein Wunder im Vortrag und Ausdruck, nach denp 



*) Madrigale a cinque voci. con basso confinuo, e sugi numeri,: 
del Sig. Gio. Girolamo Kapaperger, nobile atemanno, raccol& 
dal Sig. cavalier Marcantonio Stradella. delV orc^ine di SL 
Stefano in Roma, appresto P. Mane/fi 1608—1800. 6 Theile 
in 4*. 



- 142 - 



Legendenmachern ? Nach der Anlage seiner Recitatire, besonders 
nach dem Anfange seiner „Medea" zu schliessen, kannte Stradelia 
▼on Grund aus alle Geheimnisse, alle Hülfsmittel des Gesanges, au 
einer Zeit, da Italien von ausgezeichneten Sängern wimmelte. Er 
war auch Instrumentalist, darüber ist kein Zweifel. Welche Instru- 
mente spielte er? Welches war sein Lieblingsinstrument? Hier fängt 
die Unsicherheit wieder an. Es bleibt nur gewiss, dass er am Hofe 
Ton Tarin „sang und verschiedene Instramente spielte" ; darauf be- 
schränkt sich das, was wir wissen. Eine Anzahl von Musikschrift- 
ttellern erklären ihn für einen Geiger; manche gehen sogar so weit, 
das Wunder von den erweichten Mördern seiner Geschicklichkeit auf 
der Violine zuzuschreiben. Der Fürst Beloselski fügt noch etwas 
zn diesem Wunder hinzu*, er gibt eine ganz verschiedene Version 
über dasselbe und behauptet, sie von Martini selbst zu haben. 
Es soll nämlich die schöne Venetianerin, als sie im Begriff war, den 
Sohn eines Senators zu heirathen, Stradelia auf der Violine spielen 
gehört und sich in ihn verliebt haben. Was aber noch merkwürdiger 
ist, der Bräutigam der Ungetieaen wäre bei seiner Verfolgung der 
beiden Fluchtigen zufällig in eine Kirche eingetreten, wo sich ein 
ausgezeichneter Violinspieler hören Hess, der alle Welt entzückte. 
Selbst ganz ausser sich, habe er, als er in dem Virtuosen den Räuber 
seiner Braut erkannte, ausgerufen: „O! mein Freund, ich verzeihe 
Euch, denn ich sehe wohl ein, dass Ihr im Stande seid, alle Herzen 
zn erobern ! K Die Anecdote ist, auf diese Weise erzählt, noch viel 
unwahrscheinlicher und gar nicht dem gewohnten Benehmen ver- 
liebter Patrizier entsprechend. Der Prinz wird wohl den guten 
Pater Martini miss verstanden und sich zu sehr an das erinnert haben, 
was Marti nelli in seinen Briefen und Garcin von Neufch&tel in 
seinem Tratte' du Melodrame erzählt haben. Beide hatten mehrere 
Jahre früher Stradelia als einen wunderbaren Geiger dargestellt. 
Auch für die späteren Schriftsteller Labor de und Carpan.i ist 
er noch Violinspieler. Nach Hawkins, Gerber und Choron war 
er Harfenist, nach Wanley Organist. 

Zu diesen verschiedenen Talenten kommt nun noch die Gabe 
der Poesie. Unser rätselhafter Meister war auch Dichter, und zwar 
lateinischer Dichter. Diese neue Eigenschaft zeigt uns," dass er 
zugleich literarische und musikalische Studien gemacht hat. Wir 
haben dafür die Autorität Catelani's. Der gelehrte Bibliothekar 
hat uns mitgetheilt, und wir haben ihm nacherzählt, dass der Meister 
bei verschiedenen seiner geistlichen Compositionen 'seine eigenen 
lateinischen Verse in Musik gesetzt hat. F o r k e I constatirt einen 
ähnlichen Fall in seiner merkwürdigen Biographie des Abbe Augustin 
Steffani. Dieser vom Glück begünstigte Musiker, welcher vom 
Musiker Diplomat und dann Bischof wurde, hatte mit grosser Ge- 
schicklichkeit für seinen Herrn , den Herzog von Braunschweig die 
Creirung einer neuen Chnrwürde des heil, römischen Reichs erlangt. 
Zur Zeit, als er sich noch mit Cotnposition befasste, hatte der Abbe 
manchmal Verse seines minder glücklichen Kuustgenossen Stradelia 
benutzt, um sie in Musik zu setzen. 



Johann Stefan!« 

Biographie von Emanuel Meli 3. 



Es ist auffallend, dass ein Mann, der als Begründer der pol- 
tuschen Nationaloper betrachtet werden kann, bis jetzt keinen Platz 
weder in den Musiklexikons noch in den Musik Zeitschriften gefunden 
hat. Und doch ist Stefani ein Tonkünstler, der sich in der Musik- 
welt eine ehrenhafte Stelle erwarb und über so manche Tonkünstler 
durch seine Compositionen hervorragt. Wir entnehmen seine Bio- 
graphie der böhmischen Musikzeitschrift „Dalibor ," die leider im 
Jahre 1844 eingegangen ist. 

Johann Stefani wurde im Jahre 1746 in Prag geboren. 
Schon in seinem zartesten Alter beurkundete er nicht geringe An- 
lagen zur Musik und wurde in die Schale zu den Benedictinern 
geschickt, wo er ausser dem Elementarunterricht auch die Musik 
studirte. Seine Eltern wünschten aus ihrem Sohne einen Geistlichen 
zu machen, und der junge Johann fing wirklich an, sich für diesen 
Staud vorzubereiten. Im ersten Jahre der Regierung Kaiser Jo- 
sephs II. wurden viele Klöster aufgehoben und später sollte noch 
einige dasselbe Looa treffen. Infolge dessen änderten ßtefaoi'a 



Eltern ihren Entschluss , und Johann wurde zur Künstlerbahn be- 
stimmt. Stefani reiste daher nach Italien, wo er gründlichen Unter- 
richt in der Musik erhielt. Nach seiner Rückkehr aus Italien gewann 
ihn der grosse Musikliebhaber Graf Kinsky lieb und trug ihm die 
Capellmeisterstelle bei seinem Orchester an. Bald darnach bekam 
er eine Stelle bei der kaiserlichen Capelle in Wien. Als aber der 
polnische König Stanislav August imj. 1764 in Warschau ein 
permanentes polnisches Theater gründete, wurde Stefani nach War- 
schau als Capellmeister dieses Theaters berufen, und auf Fürsprache 
der Gräfin Kinsky wurde ihm und 8 Mitgliedern der Hof capelle die 
Erlaubniss ertheilt, die Stelle annehmen und nach Warschau reisen 
zu dürfen. 

In Krakau angekommen, erforschte er die Sitten und Gebräuche 
der Landbewohner um Krakau und studirte fleissig den Character 
der Nationallieder, was ihm umsomehr gelang, als er als geborener 
Böhme ihre Sprache ohne Mühe verstand. Er besuchte Wirtbshäuser 
und Bauernhütten, wo Musik ertönte, und war nicht selten bei einer 
Hochzeitsfeierlichkeit oder einer anderen dem Volke liebgewordenen 
Festlichkeit zugegen. Am Meisten interessirte ihn der kernige 
Rythmus des Nationaltanzes ,.Krakowiak li und die rührenden pol- 
nischen Nationalmelodien. Stefani notirte sich viele originelle und 
characteristische Weisen, welche er in der Umgebung Krakaus hörte, 
und schöpfte aus der reinsten Quelle der Volksmelodien. So be- 
schäftigt, kam er am 2. Februar 1771 in Warschau an. Hier be- 
gann er mit aller Energie seine Thätigkeit als Director der könig- 
lichen Capelle zu entwickeln , arrangirte Concerte, fungirte bei der 
Kirchenmusik und dirigirte bei Feierlichkeiten die Oper im National- 
theater. Als Capellmeister wurde er öfters veranlasst, Gelegenheits- 
sachen namentlich Cantaten zu componiren , deren er viele schuf. 
Er schrieb in dieser Zeit 2 Vocalm essen mit Orgelbegleitung, eine 
Orchestral messe und viele Compositionen für Blasinstrumente. Sein« 
Polonaisen, die sich einer grossen Beliebtheit erfreuten und deren 
er über 100 componirte, zeichneten sich durch eine schöne Instru- 
mentation und durch den ächten Character der polnischen National- 
musik aus. Diese Polonaisen waren nicht nur in Polen, sondern 
auch im Ausland bekannt und beliebt. Der polnische Krösus, 
Banquier T e p p e r , bestellte sich einst bei Stefani 12 Polonaisen, 
wofür er dem Componisten einen Haufen Ducaten schenkte. In 
Warschau verlebte Stefani glücklicke Tage ; er vereinigte sich innig 
mit der Nation, welche sein Talent anerkannte. 

Ein Jahr nach seiner Verheirathung, 1782 feierte Stefani einen 
der grossartigsten Triumphe seines Lebens. Adalbert Bogus- 
lawski, die Zierde und Stütze des polnischen Theaters, dichtet« 
ein Opernlibretto : „Krakowiaki a Gorali' k (die Krakauer und Ge- 
birgsbewohner), das er Stefani zum Componiren anvertraute. Stefani 
entledigte sich seiner schwierigen Aufgabe meisterhaft, nnd die erste 
Aufführung dieser Oper (1. März 1794) gestaltete sich zu einer 
Epoche in der Musikgeschichte Polens. Die besten Nummern dieser 
Oper sind: der Krakowiak „Wyjdzcie do nas panie" der Damen- 
chor „Zosia ach juz de traciemi'' , die Cavatine »Swiat srogf* 
u. 8. w. Die Melodien dieser Oper zeichnen sich durch glückliche 
Erfindung , .durch nationalen Geist und tiefe Empfindung aus und 
fanden überall, in Städten und Dörfern, in Hütten und Palästen 
Eingang. Stefani' s Musik entstand aus dem Volke, und das Volk 
hat sie wieder acceptirt. Keine polnische Oper errang einen so 
glänzenden Erfolg als Stefani's „Krakowiaki a Gorali", welche 
Kazynski mit seiner Theatergesellschaft im J. 1806 in Petersburg 
und dann in Moskau zur Aufführung brachte. Es scheint , dass 
Stefani alle seine Kunst, all* seinen Enthusiasmus in dieses Werk 
gelegt hatte, denn seine darauffolgenden Opern, sechs an der Zahl, 
welche sich zwar lange Zeit auf dem Repertoir erhielten , sanken 
endlich in Vergessenheit, während „Krakotciaki a GoraW* noch 
bis jetzt an der polnischen Nationalbühne aufgeführt wird. 

Stefani hatte 11 Kinder, 6 Söhne und 5 Töchter, von denen 
einige frühzeitig starben, die Andern aber der Kunst sich widmeten. 
Karoline und Eleonore waren Sängerinnen, Kazimir und Jobann 
Stefani Violinisten, und Josef Stefani Componist, dessen zweiactige 
Oper „Lekcya botaniky* am 15. März 1829 einen äusserst günstigen 
Erfolg in Warschau errang. 

Stefani verschied am 23. Februar 1829, also wenige Tage vor 
der Aufführung der gelungenen Oper seines jüngsten Sohnes, und 



— 143 - 



Itbt alt Begründer der echten polnischen Nationaloper 
in stetem Angedenken der polnischen Nation. 

Der polnische Schriftsteller W. Karasowski hat ihm durch 
eine ausführliche Biographie ein Denkmal gesetzt. 



Nachrichten. 



flUinZ. In der am 27. Aug. stattgehabten ordentlichen General- 
versammlung der hiesigen Theateractiengesellschaft wurde der Vor- 
schlag des Ausschusses, die Leitung unserer Bühne für die kommende 
Saison dem bisherigen Oberregisseur Hrn. Behr in Cöln auf seine 
eigene Rechnung und Gefahr zu übertragen, genehmigt und wird 
darnach Hr. Behr die Aufgabe haben, unter den obwaltenden schwie- 
rigen Verhältnissen den festgefahrenen Thespiskarren wieder in leid- 
lichen Gang zu bringen. Derselbe besitzt jedoch den Ruf eines 
routinirten und energischen Practikers im Directorsfache und es steht 
daher zu hoffen, dass es ihm gelingen wird, billigen Erwartungen 
des Theaterpublikums zu entsprechen. Der Stadt gegenüber bleibt 
jedoch der Ausschuss der Actionäre verantwortlich. Die General- 
versammlung hat die bisherigen Mitglieder des Ausschusses fast 
sSmmtlich wieder gewählt. 

Colli. In der letzten Sitzung der musikalischen Gesellschaft 
trug Hr. Capellmeister Bernhard Scholz ein Concert in G-dur 
für Pianforte und Orchester mit Beifall vor. In dem ersten Allegro 
glaubten wir eine frühere Arbeit des talentvollen Componisten zu 
erkennen ; nichtsdestoweniger sprach uns dieser erste Satz vorzugs- 
weise an. Allgemeine Vorzüge der Composition sind Klarheit und 
gewandte Behandlung der Form und des Solo«Instruments nach Art 
der Mozart'schen und Beethoven'schen Concerte. (N.-R. M.-Z.) 

Brüssel. Der Gemeinderath hat eine bedeutende Summe für 
die Herstellung neuer Decorationen zu den „Hugenotten" und zu 
„Robert" bewilligt. Die Tbeatersaison wird am 1. September und 
«war wahrscheinlich mit den „Hugenotten" eröffnet werden, welche 
ganz neu in Scene gesetzt werden, mit Ausnahme der Schlussscene 
des 4. Actes , welche wegbleiben wird , indem wir keinen Tenor 
Itaben , der nach dem Duett mit Valentine noch die grosse Scene 
auf dem Balle, resp. die Erzählung der Ermordung der Hugenotten 
zu leisten vermöchte. Wahrscheinlich werden kommendes Jahr keine 
Ferien stattfinden une wird den ganzen Sommer hindurch im Theater 
•de la Monnaie gespielt werden. Der König wünscht dies und hat 
zu dem Zwecke eine bedeutende Erhöhung des Hofzuschusses in 
Aussicht gestellt, welcher in den letzteren Jahren der Regierung des 
Königs Leopold I. sehr verkürzt worden war. (Guide musicale ) 

*** (Leihinstitute für Musik.) Dass diese eine sehr wohl- 
thätige, jetzt gar nicht zu entbehrende Einrichtung sind, bedarf kaum 
einer Bemerkung. Eine Orientirung über die Gesamratliteratur würde 
-ohne sie kaum möglich sein , wenn nicht enorme Geldmittel aufge- 
wendet werden sollen. Andererseits haben die Leihinstitute auch 
den grossen Nacbtheil, dass sie vom Kaufen abhalten, dieses mehr 
und mehr als überflüssig erscheinen lassen, und die Leute gewöhnen, 
jedwede Erscheinung nur als Gegenstand einer leihweisen Ent- 
lehnung zu betrachten. Abgesehen davon, dass auf solche Weise 
Verlagsunternehmungen nicht unterstützt werden, und bei dem ge- 
ringen Absatz in Deutschland die Unlust der Verleger, sich auf neue 
Unternehmungen einzulassen, nur vergrössert wird, ist das ausschliess- 
liche Leihen auch für das betheiligte Publikum ein grosser Uebel- 
stand , weil dadurch eine blos flüchtige Kenntnissnahme , eine nur 
cursorische Beschäftigung mit Allem und Jedem befördert wird. Im 
Gegensatze hierzu ist zu sagen, dass Jeder, je nachdem es Mittel 
und Stellang zur Kunst möglich machen und erbeischen, wenigstens 
die Hauptwerke der musikalischen Literatur in grösserer oder ge- 
fingerer Ausdehnung als Eigenthnm besitzen sollte, um stets auf die- 
selben je nach Bedürfniss zurückkehren zu können. Dasselbe gilt 
auch beim Unterricht von den Hauptwerken der instrnctiven Lite- 
ratur, die gewisBermassen das tägliche Brod bilden müssen. Auch 
hier reicht das blose Leihen nicht aus, weil die wiederholte Be- 
schäftigung damit auf solche Weise ersehwert wird. Soll aber in 
der Tbat eine solche stattfinden, so verkehrt sich das anfängliche 
Billigkeitsverhältniss in sein Gegentheil. Das häufige Leihen eines 
■und debselben Werkes macht die Sache theurer, als wenn gleich 
anfänglich ein Kauf stattgefunden hätte. Es ist Sache der Lehrer, 



aus pädagogischen und pecuniären Gründen zugleich, auf Anschaffung 
solcher Werke zu dringen, wenu es nur irgend die Verhältnisse ge- 
statten. Uebrigens wird durch die zunehmende Billigkeit der Mu- 
sikalien, namentlich was ältere Werke betrifft, jetzt auch die An- 
schaffung derselben wesentlich erleichtert. (N. Z. f. M.) 

V „Zellner's Blätter für Theater, Musik und bildende Kunst" 
(Wien) enthalten folgende Zeilen, die wir der wohlwollenden Be- 
rücksichtigung unserer Leser empfehlen: „Inmitten des Elends, das 
unser schwer heimgesuchtes Vaterland und seine Völker getroffen, 
möge auch der Schmerzenschrei der obdachlosen und dem Hunger 
preisgegebenen Grossnichte Mozart's an das Ohr fühlender 
Menschen- und Kunstfreunde dringen. Hier in kurzen Strichen die 
Geschichte der armen Verlassenen. Josepha Lange, Grossnichte 
Mozart's, wurde im Jahre 1820 als Tochter eines k. k. Feldkriegs- 
kanzellisten geboren, aber leider schon sehr früh verwaist. Nach- 
dem sie auch ihre übrigen Verwandten verloren und schon seit 
Jahren kränklich und leidend, sich kaum dasNöthigste zum Lebens- 
unterhalte erwerben konnte , lernte sie Hr. Dr. Aug. Schmidt, 
k. k. Beamter der Staatsschuldenkasse, kennen und lenkte auch die 
Aufmerksamkeit des Hrn. Directors H eil m es berger auf sie, wel- 
cher, gerührt von ihrer kummervollen Lage, zu ihren Gunsten im 
Jahre 1863 ein Concert veranstaltete und sie einem eifrigen Verehrer 
des grossen Mozart, Sr. Excellenz dem Herrn Grafen Moriz von 
Dietrichstein, empfahl, welcher die einzige noch lebende Verwandte 
des unsterblichen Tonmeisters auf das Grossmüthigste unterstützte» 
Nachdem der Tod auch diese ihre Stütze der Aermsten geraubt, 
wurde ihr von der Tochter des hochsei. Hrn. Grafen, I. E. der Frau 
Fürstin Oettingen-Wallerstein, eine Unterstützung zu Theil, so dass 
sie ihre Wohnungsmiethe stets davon bezahlen konnte, bis im heu- 
rigen Frühlinge die Frau Fürstin abreiste, ohne ihrer zu gedenken 
oder die flehentlichsten Briefe zu beantworten. Dadurch gerieth nun 
Mozart's Grossnichte in die traurigste Lage, sie konnte den Mieth- 
zins nicht entrichten und es steht ihr nun bevor, dass ihr das We- 
nige, was sie der Güte des edlen Grafen verdankt, gepfändet und 
sie dem grössten Elende, obdachlos, überlassen wird, wenn nicht 
edle Menschenfreunde sich ihrer erbarmen und ihre Verehrung des 
grqssen Mozart dadurch bekunden, dass sie seine Grossnichte dem 
grössten , unverschuldeten Elende entrt- issen. Josepha Lange 
Margarethen, Schwarzhorngasse N* 12, 2. Stück, N* 13. * Beiträge 
können auch an die Redaction des Zellner'sehen Blattes, Strauch- 
gasse N° 1, Wien, adressirt werden, welche Spenden und Spender 
veröffentlichen wird. 

*** Ein Pariser Compositeur, Namens Bentayous, ist auf 
eine bizarre Idee verfallen, um seine Compositionen, deren Heraus- 
gabe sich die Musikalienhändler nicht Behr angelegen sein lassen 
an den Mann zu bringen. Er will nämlich eine öffentliche Verstei- 
gerung seiner Werke veranstalten ; jedes Stück wird, bevor es unter 
den Hammer kömmt, von dem Compositeur selbst auf dem Piano 
den Kauflustigen vorgespielt, damit diese sich ein Urtheil bilden 
können. 

%* DerBass-Buffo Gustav Holze 1, welcher seit seiner Ent- 
lassung vom Hofoperntheater in Wien (bekanntlich wegen des ora 
pro nobis in „Templer und Jüdin" eifolgt) in jener Stadt nLbt 
mehr aufgetreten ist, hat nun ein Engagement am Theater an der 
Wieden erhalten und wird seinem Wunsche gemäss uls Van Beet 
in „Czaar und Zimmermann" cum ersten Male wieder vor dem 
Wiener Publikum erscheinen. 

*** Die Carltheaterfrage ist nun zu einem endlichen, befriedi- 
genden Abschlüsse gekommen. Da Hr. S tramp fer die Bewilligung 
einer zweiten Thaaterconcession nicht erhalten bat, so hat er seinen 
Pachtvertrag an HriK Ascher gegen eine Entschädigungssumme 
von 12,000 fl. abgetreten. Die Carl'schen Erben , als Verpächter, 
erhalten für ihre Zustimmung 4000 fl. von obiger Summe. Hr. Ascher 
beabsichtigt, schon am 1. September die Vorstellungen zu beginnen. 

*** Hr. Nachbaur ist vom nächsten Frühjahr an als Helden- 
tenor am Hofoperntheater in Wien engagirt. Zur gleichen Zeit wird 
Hr. Ferenczy von jener Bühne scheiden. 

*** Das grosse Musikfest in Worchester, dessen Programm wir 
bereits früher mitgetheilt haben, wird vom lt. bis 14. September 
dauern. Für die Gesangspartien sind engagirt die Damen: Titjen», 
Lemmens-Sherrington, Sainto n-Dolby, Patey-Whytock 
und die HH. Sims Reeves, Cummings, Santley uud Lewia 



— 144 



Tnomas; als Instrnmentalsolisten: Mips Done und die HH. 
&einton,Blagrove,H.Holmes,Carrodns, Prstten,Lazarus 
und Harper. Chor und Orchester bestehen ans S50 £xecntanten, 
welche noch durch die Gesangsvereine von Worchester, Hereford 
und Gloucester verstärkt werden. 

V* Die Königin der Niederlande hat dem Capelltneister und 
Componist A. B e r 1 y n in Amsterdam für die Widmung mehrerer 
stjner Compositionen .ein silbernes Schreibzeug zum Oeschenk ge- 
macht. Aneh vom König erhielt Berlyn für eine demselben gewid- 
mete Fantasie für Militärmusik eine kostbare Nadel. 

%* Der Tenorist Tichatschek, welcher in Stockholm mit 
ausserordentlichem Erfolg gastirte, hat vom König von Schweden 
die Decoration Litteria et Artibus erhalten. 

*** Das Cölner Stadttheater wird am 6. September unter der 
Leitung des bisherigen Direotors Moritz Ernst wieder eröffnet 
werden. Das Opern- und Schauspielpersonal ist complet, und an der 
Spitze des Orchesters steht wie bisher der Capellmeister Seidel, 
während noch uubestimmt ist, wer die Stelle des bisherigen Ober- 
regisseurs Behr einnehmen wird. 

%* Anton Wallerstein, der beliebte Componist, hat sich 
seiner Gesundheit wegen von Dresden nach dem Seebade Dobberau 
begeben. 

*** Das in unserer vorletzten Nummer erwähnte Concert des 
Riedel'schen Vereins in Leipzig zum Besten der Verwundeten etc. 
hat eine Einnahme von 1034 Tblr. ergeben. 

*** Hr. Dr. Otto Bach aus Wien ist als Capellmeister am 
Sgadttheater in Augsburg engagirt worden. 

*** An der Musikschule »Zur Beförderung der Tonkunst" in 
Botterdam sind die Stellen eines Clavierlehrers und eines Violoncell- 
lehrers vacant und ist sich in diesem Betreff an den dortigen Vorstand, 
Hrn. J. R. S m a 1 1 zu wenden. Desgleichen ist im Züricher Or- 
chester eine Concertmeisterstelle zu vergeben, und ertheilt Hr. Musik- 
director H e g a r daselbst nähere Auskunft. 

*** Director Gye hat Frau Luc ca für die nächste Saison des 
Coventgardentheaters in London gewonnen, nachdem es ihm gelungen 
ist, den Contract derselben mit der k, Oper in Madrid zu lösen. 

*** Richard Wagner hat zu der für den Namenstag der 
Kaiserin (19. Nov.) festgesetzten ersten Aufführung seines „Riensl" 
am Hofopemtheater in Wien eine specielle, sehr schmeichelhafte 
Einladung erhalten. 

*** In Sondershausen kamen im zweiten Lohconcerte Schumann's 
Genoveva-Ouvertüre, Orchester-Suite von Raff, Prometheus-Ouvertüre 
v#n Bargiel, „Orpheus" von Liszt, uud die grosse Leonoren -Ouver- 
türe von Beethoven zur Aufführung. Das dritte dieser Concerte 
brachte: Ouvertüre zu „Medea" von Cherubini; Bassarie aus den 
„Jahreszeiten" (Frühling) vonHaydn; Concert für Violoncell von 
Goltermaun, vorgetr. von Hrn. Graf aus München ; B-dur-Sinfonie 
v,on Beethoven; „Im Freien," Concertstück in Form einer Ouvertüre 
von B. Scholz ; Concert für Clarinette von Spohr, vorgetr. von Hrn. 
Hofmusikus Schomburg, endlich „Die Najaden," Ouvertüre von 
Benett. 

*** 1 e Bull hat sich wieder seinem scandinavischen Vater- 
lande zugewandt. Er hat in Helsingfors zwei Concerte mit grossem 
Erfolge gegeben. 

%* Dir. Wirsing in Prag, welcher trotz der ungünstigsten 
Verhältnisse forte pi el te , um sein zahlreiches Personal nicht brodlos 
au machen, und selbst grosse Opfer brachte, hat vom Landesausschuss 
eine Subvention von 3000 fl. erhalten. 

V In Coburg hat sich unter dem Namen „Stiftshütte" ein 
fröhlich aufblühender Künstlerverein gebildet, an dessen Spitze die 
Directoren Haase und Prana und der Opernsänger Eile rs stehen. 

*** Frl. Garthe vom Hannoverschen Theater ist im Berliner 
Operntheater als Fidelio und als Margarethe aufgetreten und hat sehr 
freundliche Aufnahme gefunden. 

%* Frau Johanna Jachmann-Wagner hat in dem Seebade 
Crans mehrere Concerte gegeben. 

*** Der Pianist Leo L i o n , welcher im Prager Irrenhause 
gestorben sein sollte, befindet sich noch am Leben und in der 
Pflege seiner Mutter. Es ist Hoffnung vorhanden, ihn von seiner 
Schwermuth au heilen. 

V In BrÜnn starb der Maler Kraus, welcher früher dort als 
Tenorist sehr beliebt gewesen war. 



*** Der Vater des berühmten Violinisten Vieuxtemps ist 
am 22. August im Alter von 76 Jahren zu Scbaerbeck in Belgien 
gestorben. 

V Der in der Schlacht bei Lissa an Bord des Linienschiffes) 
„Kaiser" gefallene Linienschiffsfähnrich Rob. Pr och ist ein geborener 
Wiener und der Sohn des verdienten k. k. Hofcapellmeisters Procb. 



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Nova-Sendung», Wo. 3. 

Im Verlage von Fr. Kistner in Leipzig erschien 
soeben mit Eigentumsrecht: 

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Männerstimmen mit Begleitung des Orchesters. 

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Heel&el, Adalnert. Op. 3. „Der freie Zecher,* Gedicht von» 
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stimme mit Begleitung des Pianoforte. 10 Ngr. 

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Pianoforte zu vier Händen vom Componisten. 
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Händen einger. von Carl Geissler. 10 Ngr. 

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arrangee pour Piano a 4 mains par Louis Röhr. 
Thlr. 2. 25 Ngr. 

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Violoncell. Für das Pianoforte zu 4 Händen einger« 
von August Hörn. Thlr. 1. 20 Ngr. 

Leipzig, August 1866. 

JFt\ Miteiner. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mofa** 



15. Jahrgang. 



N*-M. 



10. September 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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•o.^ 



IHHALT: Stradella und die Contarini. — Napoleon I. und die Musik. — Correspondenz : Mauuheim. — Nachrichten. 



Stradelta und die Contarini. 

Eid venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

P. Richard. 



ix. 

Stradella ohne Fabel. 

Mit Ausnahme also des Vorhandenseins vieler vollständig con- 
statirter Werke , sowie der nur 2 u wahren Catastrophe in Turin 
wäre es wirklich schwierig, dem, was wir mitgetheilt haben, noch 
irgend etwas Bestimmtes beizufügen. Doch ist es nicht unnöthig, 
das noch einmal au resumiren, was aus den ans Licht gebrachten 
Documenten hervorgeht. Was wir wissen, bleibt immer unvollständig 
genug und lässt uns unser Vertrauen auf die Veröffentlichungen 
Catelani's setzen. 

Wie Pitoni uns mitgetheilt hat, war Stradella durch weibliche 
Eifersucht gezwungen, Rom zu verlassen; er lässt sich auf keine 
genaueren Angaben ein. Die Gesandten Villars und Estrades dagegen 
zeigen schon weniger Bückhalt. Nachdem er dem Cardinal Cibo 
die schmähliche Beleidigung angethan, dass er dessen Neffen veran- 
lasste, eine Gourtisane zu heirathen, und nachdem er zu den Ga- 
leeren verurtheilt worden war, hatte der verzweifelte Musiker das 
unschätzbare Glück, zu entwischen. Daraus, sowie aus den ange- 
führten Depeschen geht deutlich hervor, dass sein Aufenthalt in Rom 
dem in Venedig vorhergegangen war. Nachdem er sich so mächtige 
Feinde in der ewigen Stadt gemacht hatte, beeilte sich der Un- 
besonnene in der Stadt der Lust noch gefährlichere aufzusuchen. 
Es ist sehr möglich , dass die Reise nach Venedig die Folge eines 
Engagements von Seite der Republik war, für dortige Theater Opern 
zu schreiben, und da man in Modena vier unedirte Opernpartituren 
gefunden hat, so kann man vermuthen, dass wenigstens eine dieser 
Opern auf die Bühne gekommen wäre, wenn nicht eine heftige Liebe 
dazwischen gekommen wäre. Durch die Entführung der Geliebten 
eines Contarini brachte der unglückliche Künstler eine der mäch- 
tigsten Patrizierfamilien gegen sich auf. Wir haben nach den besten 
Quellen erwähnt, welcher Art die Sitten dieser stolzen und unver- 
söhnlichen Edelleute waren; es musste eine eclatante Genugthuung 
erfolgen. Ludwig Contarini (wir müssen gestehen , dass es nicht 
möglich war zu constatiren, welchem Zweige dieser zahlreichen Linie 
der betrogene Geliebte angehörte) zog mit grossem Aufsehen, mit 
einem Gefolge von vierzig Bravi und Edelleuten aus, um die Ge- 
raubte wieder zu erobern. Wie gross musste seine Scham und seine 
Wuth sein, als er in Turin angelangt, wohin sich das verliebte Paar 
- geflüchtet hatte, seine Ansprüche zurückgewiesen, seine vorgeblichen 
Rechte verkannt sah! In der That hatte die Herzogin von Savoyen 
die Flüchtigen ausser den Bereich der Gefahr gebracht; das Mäd- 
chen befand sich im Kloster, und der Musiker, bei Hof eingeladen 
uud empfangen, „hatte dort auf verschiedenen Instrumenten gespielt," 
und unter seinem Schutze hatte ihn der erste Minister, Marquis von 
Saint -Thomas „bei den Damen und im Palast singen lassen." Da 
nun bereitete der Contarini, indem er seiner Bache sicher zu sein 



glaubte, einen acht venetianischen Streich vor. Zuerst sandte er in 
ostensibler Weise den Vater seiner Geliebten nach Turin, „den gross- 
ten Schuldgeno8sen a nach Villars, um seine Tochter zurück zu ver- 
langen, dann aber heimlich und unter gutem Vorwande zwei ent- 
schlossene Banditen, sorgfältig mit dem angeführten Geleitbriefe ver- 
sehen. Der Auftrag, den diese wackeren Leute erhalten hatten, 
ging darauf hin, dass sie den unglücklichen Musiker züchtigen 
(malträtier) sollten. Als kluge Leute bewahren die beiden Gurgel- 
abschneider ihren Schutzbrief, bereiten mit Müsse ihren Streich vor, 
um dann nach Verlauf eines Monats den günstigen Augenblick zu 
benützen und mitten in Turin, auf Öffentlichem Platze ihren Mann 
mit mehreren Messerstichen zu verwunden. Der Streich gelang nach, 
Wunsch, uud sie begaben sich, mit ihrem Brief in der Hand, ganz 
ruhig zu dem Gesandten von Frankreich. 

Wir haben nicht nöthig zu wiederholen, was darauf erfolgte« 
. Man hat die Einzelnheiten dieser widerlichen Geschichte bereits ge- 
lesen. Der Verwundete starb nicht; der Anstifter des Attentat», 
Ludwig Contarini, „gab sein Wort, dass er nie mehr etwas gegen 
ßeinen Feind unternehmen wolle." Wenn etwas Wahres an der 
Aeusserung ist, die man Stradella in den Mund legt, so hat dieser 
die Unvorsichtigkeit auf den Gipfel getriebeo. Der Gesandte be- 
schuldigt ihn in seiner Depesche vom 6. November, „er habe laut 
geäussert in Turin, dass, nachdem er sich nichts aus dem Cardinal 
Cibo gemacht habe , man überzeugt sein dürfe , er kümmere sich 
auch nichts um den Zorn der Pantalons von Venedig/ Es war dies 
mehr couragirt als klug. Da es aber nicht das erste Mal wäre, dass 
die Diplomatie die Wahrheit verdrehte, so dürfte man wohl berech- 
tigt sein zu glauben, dass Stradella, welcher Venedig und das Ver- 
fahren des dortigen Adels gar wohl kannte , auch die unerbittliche 
Grausamkeit^ dieser stolzen Aristokratie kennen musste , und die 
furchtbare Unversöhulichkeit dieser Leute im Falle einer verrathe- 
neu Liebe. 

Nachdem die Mörder in Sicherheit gebracht sind, beruhigte sich 
bald Alles in Turin, und die Nachrichten werden sparsamer. Zwei 
Personen waren in's Gefängniss geworfen worden, darunter der Vater 
des Mädchens, der Hauptschuldige. Ohne Zweifel wurden sie wieder 
freigelassen. Zum Schlüsse dieser abenteuerlichen Begebenheit 
konnte der Marquis de Villars, von der ihm auferlegten Rolle doch 
ein wenig beschämt, wenigstens in seiner Depesche sagen*, „es er- 
gibt sich, dass ich in dieser unglücklichen Angelegenheit vier Per* 
sonen das Leben gerettet habe, den beiden Flüchtlingen (so nennt 
er die Mörder) und den beiden Musikern Stradella und Marchetto, 
denn von der Bestrafung der Erster en hing entschieden das Leben 
der beiden Anderen ab." 

Wer war nun dieser Marchetto? Sollte dies der Vater ge- 
wesen sein, „der Hauptschuldige," welcher mit einem Gefährten auf 
Befehl der Herzogin von Savoyen verhaftet worden war? Der Name 
Marchetto oder Marchetti (bekanntlich sind in Italien die Endungen 
der Eigennamen nicht unveränderlich) kommt um dieselbe Zeit un- 
gefähr als der von zwei Musikern geführte vor; dereine, ein Römer, 
Tomasso Marchetti, ist Instrumentalist und Herausgeber einer 



- 146 - 



in Rom 1650 veröffentlichten Tablatur der spanischen Guitarre ; der 
andere, ein Bologneser, Domenico Marchetti, wird von Buce- 
Jinus als ein nm 1656 der Capelle des Kaisers Ferdinand III. als 
Altist angehöriges Mitglied bezeichnet. Sollte vielleicht die von 
ßtradella entführte Geliebte die Tochter oder Verwandte des zuletzt 
Genannten gewesen sein? Quadrio*) führt unter den Sängerinnen 
dramatischer Gedichte eine Venetianerin Namens Angelica Mar» 
chetti an und Choron sagt, nach Gerber, dass eine Künstlerin 
dieses Namens um das Jahr 1680 einen grossen Ruf als Sängerin 
besass. Diese Conjecturen bedürfen jedoch der Beweise. 

Man hat mitunter behauptet, Stradella sei im darauffolgenden 
Jahre nach dem Turiner Ueberfall ermordet worden, was offenbar 
ein Irrthum ist. Burney, welcher das Textbuch des Drama's „£a 
forza delV amore paterno" mit dem Datum von 1678 besass, hat 
schon bewiesen, wie falsch es sei, den Tod Stradella's in frühere 
Jahre zu verlegen. Catelani rückt diese Epoche noch später hinaus, 
indem er in Modena eine Partitur mit dem Datum vom 10. Juni 1681 
und mit der an zwei Stellen angebrachten Notiz : „ultima composi- 
Hone dt Alessandro Stradella" auffand. Starb der Meister in 
Genua? Welches war die genaue Zeit seines Todes? Unterlag er 
den Streichen anderer Mörder? Alles dies ist ungewiss. Doch ist 
der unglückliche Virtuose höchst wahrscheinlich eines gewaltsamen 
Todes gestorben. 

Napoleon I. und die Musik. 



Gleich nach ihrer Vermählung mit dem General Bonaparte ver- 
anstaltete Frau vou Beauharnais musikalische Cirkel in ihren 
Salons, welche durch die Liebenswürdigkeit der Dame vom Hause 
und durch ihre Leidenschaft für Musik bald der Sammelplatz der 
gebildetsten Dilettanten von Paris wurden, wozu übrigens auch das 
musikalische Fieber, welches damals in Paris, von den patriotischen 
Liedern auf der Strasse an bis zu den Gesangssoireen in den höch- 
sten Kreisen herrachte, nicht wenig beitrug. Nur Bonaparte blieb 
davon unberührt uud nahm, wenu er aus deu Feldzügen zurückkam, 
nicht den geringsten Theil an Josephinens Hauscoucerten. Er ver- 
stand nichts von Musik und hat nie Geschmack daran gefunden. 
Trotzdem haben sich viele von seinen Biographen abgemüht, das 
Gegentheil nachzuweisen oder haben seine Abneigung gegen die Ton- 
kunst auf allerlei wunderliche Weise zu erklären versucht. 

Hätte Bonaparte Sinn für Musik gehabt, so würde er bei seinem 
Verstände wahrscheinlich auch grosse Fortschritte darin gemacht 
haben; allein es ist keine Spur vou seiner Empfänglichkeit dafür 
in seiner Jugend , oder von seiner Theilnabme am musikalischen 
Unterricht auf der Militärschule zu Brienne vorhanden. Indess ging 
er als Artillerie -Lieutenant viel uud gern mit Schauspielern und 
Sängern um. Ein Biograph, der Graf Fabre, will daraus sogar 
seine Abneigung gegen Oper und Musik herleiten. „Alle diese Leute" 
— schreibt er — „wollten, nachdem der General die erste Person 
im Staate geworden , auf dem früheren Fusse mit ihm verkehren, 
nnd bemerkten zu ihrem Aerger, dass er sich von ihnen zurückzog 
und sie nicht mehr so freundlich wie sonst empfing. Den dicken 
Michot namentlich , der sich rühmte , ihm wesentliche Dienste ge- 
leistet zu habeu, verdross es gar sehr, dass er dafür nicht wenigstens 
duich die Vertraulichkeiten des ersten Consuls belohnt wurde. Dieser 
Künstler betrachtete alle Stufen der Macht, die Napoleon erstirg, 
nur als Sceuen der Entwicklung eines Theaterstückes, uud beharrte 
dabei, in ihm nur einen Collegen zu sehen. 

Bourienne indess sagt aufrichtig in seinen Memoiren: „Bona- 
parte sang falsch, und zwar consequent falsch, mochte er aus dem 
Rathe kommen oder in seinem Cabinette mit mir allein seiu und 
nach seiner Gewohnheit die Arme seines Lehnstubls mit dem Messer 
bescbnitzeln." — Und an einer anderen Stelle sagt er: „Bonaparte 
sang Gott weiss wie falsch!" — 

Freilich mag es wahr sein, dass auch in den ganz unmusikali- 
schen Naturen eine geheime Sympathie für den Klang vorhanden 
ist, dass irgend ein Ton, der an ihr Ohr schlägt, auch in ihrem 
Innern eine gewisse Empfindung anregt. Allein es kommt sehr da- 
rauf an, von welcher Art jener Ton sei, und ob die innere Aufregung 

*) Storia e ragione (Togni poesia, T. V. p. 34. 



durch ihn etwas von musikalischem Wesen an sich hat. Bonaparte 
blieb zum Beispiel zuweilen auf seinen Spaziergängen durch des 
Park von Malmaison stehen, wenn er das Geläute der Glocken ans 
dem Dorfe Ruei! hörte. Er meinte, er höre es gern, „weil e* ihn 
an seine Jugendjahre in Brienne erinnere." In einer Abendgesell- 
schaft bei Francois de Nenfchatean, wo viel Musik gemacht wurde, 
wovon die Anderen entzückt waren, erzählte er auf einmal mit Leb- 
haftigkeit, dass er bei Lodi mitten im Kanonendonner nnd Gefechts- 
lärm einem kleinen Tambour aufmerksam zugehört habe, der mit 
der grösstea Sicherheit im Tact sein Kalbfell geschlagen. Kann 
man aber vernünftiger Weise darauf eine Aensserung wie die von 
Sainte Hilaire: „Napoleon vergötterte (adorait) die Musik!" — be- 
gründen? Vorliebe für- Glockengeläute und Trommelschlag, mithin 
für einen einförmigen Klang und für Rythmus (und bei beiden kann 
doch von Melodie noch nicht die Rede sein), findet man vorzugsweise 
bei Organisationen, die man „mathematische" nennen könnte ; in der 
Musik ist ihnen Melodie und Harmonie nichts, und in der Malerei 
zieht sie mehr die Zeichnung als das Colorit an. 

An Bord des Schiffes „L'Orient," auf welchem Bonaparte nach 
Aegypten ging, gab die Musik der Schiffsmannschaft zuweilen Con- 
certe; das durfte aber nur im Zwischendeck stattfinden. Bourienne 
sagt darüber mit einer characteristischen Schwenkung: „Bonaparte 
liebte die Musik noch nicht genug, um sie in seinem Saale zu 
hören; man kann behaupten, dass sein Geschmack an dieser Kunst 
im Verhältniss zu seiner Machtvergrössernng stieg , gleichsam als 
hätte er dadurch beweisen wollen, dass er nicht blos das Genie zum 
Herrschen besässe, sondern auch den Instinct für jene aristokratischen 
Kunstgenüsse, die man im Volke für das Erbtheil der Könige halte." 

Das ist zum Lachen *). Wer die Musik liebt, der hat sie immer 
geliebt und wird sie immer lieben, und das Einzige, wodurch „ver- 
hältnissmässig" diese Liebe wachsen kann, ist nicht die „steigende 
Macht," sondern das Studium und die Anhörung der Meisterwerke. 

Auch hatte Napoleon wohl noch einen anderen Grund, Liebe 
und Begünstigung der Musik zu affectiren, und Bourienne lässt den 
Kaiser auch diesen Grund selbst aussprechen. Er sagt: „Bonaparte's 
Grundsatz war, dass man das Volk zerstreuen müsse, um es zu be- 
herrschen Lasst sie tanzen , spielen , singen , aber nicht die Nase 
in die Führung der Regierung stecken." Das heisst offen gesprochen, 
und so glauben wir denn auch, dass weder der Consul noch der 
Kaiser bei Wiedereröffnung der grossen Oper, der Maskenbälle und 
ähnlicher Institute weit weniger daran gedacht hat , dem Volke 
seinen Instinct für aristokratische Vergnügungen zu beweisen, als 
dasselbe zu verhindern, die Nase in Regierungssachen zu stecken. **) 

(N.-R. M.-Z.) 



COBRESPQ5DENZEK. 



Aus Mannheim« 



Gestern, 1. September, wurde hier das durch die Munifizenz des 
Königs Ludwig I. von Baiern der Stadt Mannheim zum Geschenk 
gemachte Standbild des Freiherrn von Dalberg, ersten Inten- 
danten des hiesigen Theaters, auf dem Schillerplatz, dem es nebst 
den beiden Standbildern von Schiller und Iffland nun als drittes 
zur Zierde gereicht, in Gegenwart 'des Generallieutenants und Hof- 
marschalls Hrn. von La Roche, als Bevollmächtigter des Königs 
Ludwig, sowie der sämmtlichen hiesigen Behörden, der Mitglieder 
des Theaters und zahlreicher sonstiger Bewohner Mannheims unter 
musikalischer Mitwirkung der Männergesangvereine feierlichst ent- 
hüllt. Dasselbe ist von der Compositum von Widtmann, der Erz- 
guss von Miller in München, und darf als eine wohlgelungene Dar- 
stellung der Persönlichkeit Dalberg's betrachtet werden. So besitzt 
nun Mannheim ein Monument dreier Männer, die für die Geschichte 
seines Theaters von grosser Bedeutung sind ; Schiller zunächst durch 



*) Nicht so ganz: zum Lachen ist nur, dass Bourienne im Ernste 
glauben machen will, Napoleon habe wirklich nach und nach 
mehr Geschmack an der Musik bekommen. Den Grund, wess- 
halb der Kaiser den Scheiu davon angenommen , hat er ganz 
richtig durchschaut. 

**)Em. Matth. de Monter: ,.La Musique et la Socie'tt fran- 
ccrise saus la DircctoireS' < 



147 — 



tlie «rate Auffuhrung seiner „Räuber" daselbst, Dalberg sowohl durch 
«ein Verdienst , diese ermöglicht y als durch seine rastlosen , vom 
glänzendsten Erfolge gekrönten Bemühungen , das hiesige Theater 
*uf eine gans Deutschland Achtung gebietende Stellung gebracht 
■au haben , und Iffland durch seine vortrefflichen Leistungen als 
Schauspieler, Regisseur und Bühnenschriftsteller. — Selbstverständ- 
lich betheiligte sich besonders auch das Theater an dieser Feier 
■durch eine Festvorstellung zur Gedächtnissfeier Dalberg's und zu- 
gleich zum Vortheil der kriegsbeschädigten Bewohner des Tauber- 
grundes. Das Programm derselben enthielt: Festouvertüre von V. 
Lachner; Festrede von Oberregisseur Wolff; Priestermarsch aus 
<Huck's „Alceste"; einzelne Acte und Scenen aus „Hamlet," „Minna 
von Barnhelm," „die Räuber" und „die Geschwister von Göthe; 
«rstes Finale aus „Don Juan"; Epilog und Hymne von Beil, Musik 
cur Letzteren von V. Lachner. 

Es dürfte vielleicht Ihren Lesern nicht uninteressant sein , bei 
dieser Gelegenheit nähere Data aus der Zeit zu erfahren , in wel- 
cher Dalberg dem hiesigen Theater vorstand. Wir entnehmen die- 
selben einem in Form von vier Tabellen kürzlich hier erschienenen 
„Rückblick auf die Verwaltung des Grossh. Hof- und National- 
theaters in Mannheim". Die erste jener Tabellen umfasst den Zeit- 
raum vom 1. October 1779 bis 1. October 1803, während dessen der 
„Reichsfreiherr Wolfgang Heribert von Dalberg", geb. 1739, gest. 
1806 , die Intendanz des hiesigen Theaters , als dessen eigentlicher 
Gründer im Auftrag des Churfürsten Carl Theodor Freiherr von 
Hompesch genannt wird, begleitete. Nächst der genauen Angabe 
der Regie und eines häufig damit in Verbindung stehenden Aus- 
schusses von hervorragenden BühnenmitgHedern , das Budget des 
jährlichen pecuniären Erfolges , findet man auf dieser Tabelle die 
bedeutendsten Persönlichkeiten der Oper und des Schauspiels, wie 
■der musikalischen und theatralischen Direction, z. B. Capellmeister 
Holzbauer, Componist der sehr beachtenswerthen deutschen Oper 
„Günther von Schwarzburg"; alsMusikdirectoren: Vogler (bis 1786), 
Danzi, lgn. F ranzt; Concertmeister P. Ritter, später Capell- 
meister und Componist verschiedener seinerzeit beliebter Opern, wo- 
runter „Salomo's Urtheil". Vom Schauspiel und der Oper nennen 
■wir einige auch jetzt noch in lebhaftem Andenken stehende Namen: 
Theaterdirector S e y 1 e r (1 779—1781), I f f 1 and (1779 - 1796), B e ck, 
Beil, Böckh, Gern (Bassist), Epp (Tenorist). Von besonderem 
Interesse ist die Rubrik, welche die erstmalige Darstellung klassi- 
scher Werke in Oper und Schauspiel angibt; so finden wir in Be- 
ziehung auf Erstere die meisten Opern Mozart's , und zwar : „die 
Entführung aus dem Serail" 18. April 1784; „Don Juan" 27. Sept. 
1789; „die Hochzeit des Figaro" 24. Oct. 1790; ,.CW fan tutte" 
12. Mai 1793; „die Zauberflöte" 29. März 1794 (mit erhöhten Preisen); 
„Titus" 8. Aug. 1802. (Die erstmalige Aufführung des „Idoineneo" 
hier fand erst in neuester Zeit, 1861, also 80 Jahre nach ihrem 
ersten Erscheinen in München, statt.) — Weiter finden sich: „Rosa- 
munde," Oper von Wieland, Musik von Schweitzer; „Zemire und 
Azor," „Richard Löwenherz" von Gretry ; „die Jagd" von J. A. Hiller; 
„Doctor und Apotheker," ,,das rothe Käppchen" von Dittersdorf; 
„die Pilgrime von Mekka ," „Iphigenie in Tauris" von Gluck ; 
„Ritter Roland" von J. Haydn ; „die heimliche Ehe" von Cimarosa ; 
„Lodoisca," „Graf Armand" von Cherubim; auch von Paisiello 
"findet sich in Dalberg's Periode eine namhafte Zahl von Opern, 
worunter „König Theodor," „der Barbier von Sevilla," „die schöne 
Müllerin" ; von Winter u. A. „das unterbrochene Opferfest," „Maria 
Mantalban"; von Paer „Camilla" ; von Schenk „der Dorfbarbier." 
Von Schauspielen erwähnen wir: „die Räuber," 13. Jan. 1782, „die 
Verschwörung des Fiesko ," 11. Jan. 1784, „Cabale und Liebe," 
16. April 1784, „Don Carlos," 6. April 1788; die erstmalige Auf- 
führung der übrigen Stücke vou Schiller finden wir in der 2. Tabelle, 
welche den Zeitraum vom Oct. 1803 bis Oct. 1821 umfasst, aufge- 
zeichnet. Von Göthe kamen in Dalberg's Periode nur drei Stücke: 
„Clavigo," „Götz von Berlichingen" und „die Geschwister" zur erst- 
maligen Aufführung; von Lessing „Minna von Barnhelm," 3. Nov. 
1779, „Emilia Galotti," 25. Juni 1780. Von ausländischen Bühnen- 
dichtern ist Shakespeare am meisten vertreten, und unter den deut- 
schen Bearbeitern seiner Stücke findet sich auch Dalberg mit „Co- 
riolan". Ausser Shakespeare lesen wir daselbst noch die Autoren 
Calderon, Voltaire, Corneille, Moliere in deutschen Bearbeitungen 
von Verschiedenen. 



Schliesslich enthält die Rubrik „Bemerkungen" unter Anderem 
folgende Notiz: „1791, 2. und 4. October: „Richard Löwenherz". 
Die Emigranten waren bei der Befreiung Richard's ganz ausser sich. 
Man hörte nichts als Vivat, und weisse Tücher hatten sie an Stock« 
gebunden. Das Personal wurde gerufen. Iffland sagte auf franzö- 
sisch: „Möge der König (Ludwig XVI.) einen Blondel finden, der 
sein Leben rettet!" Das Publikum stimmte jubelnd in den Wuusch 



ein.' 



J¥ a e li r I c 1t t c n 



Baden-Baden. Frau Viardot-Garcia hat zum Besten der 
bedrängten Bewohner des Odenwaldes ein Concert veranstaltet unter 
freundlicher Mitwirkung der Frau Clara Schumann, der Frl. 
Nathalie Serger und der HH. Zucchini von der italienischen 
Oper, Wallenreiter, Hoftheatersänger und Krüger, Harfenvir- 
tuose aus Stuttgart. Der Saal war gedrängt voll, der Beifall ein 
ausserordentlicher und die Einnahme eine sehr ergiebige. 

Paris. Der Tenorist Villaret von der grossen Oper hat sein 
Engagement auf weitere drei Jahre verlängert erhalten und zwar 
unter sehr vorth eilhaften Bedingungen. Er erhält nämlich im ersten 
Jahre 45,000 Frs., im zweiten 55,000 Frs. und im dritten 64,000 Frs. 

— Mlle. Bloch hat vom Director der grossen Oper einen 
zweimonatlichen Urlaub vom 1. Sept. an erhalten und wird denselben 
zu einem Gastspiel in Marseille benützen. 

— Verdi ist auf Anrathen der Aerzte nach Cauterets abgereist, 
um bei den dortigen Quellen Heilung für ein Halsübel zu finden, 
an dem er schon seit einigen Jahren leidet. 

— Die Aufführung des „Lohengrin" im Theatre lyrique unter- 
liegt wohl keinem Zweifel mehr, jedoch wird sie nicht mehr im 
Laufe dieses Jahres stattfinden. 

London. Unsere Leser werden sich erinnern, dass wir ihnen 
von einem blinden musikalischen Wunder-Neger-Kind, Tom (nicht 
Nachkomme des Uncle Tom) gesprochen, das Alles, was es hört, 
sofort nachspielen sollte, und dass wir dieser Erscheinung gar keine 
, künstlerische Bedeutung beigemessen haben. Ein Artikel der Time« 
bestätigt unsere Voraussicht vollkommen , erzählt dagegen Einzeln- 
heiten über das specielle Gedächtniss für Töne, welches dieser Knabe 
besitzt, und das allerdings ein ganz phänomenales ist. Der blinde 
Tom ist i d i r t (blödsinnig) , ganz unempfänlich für jeden andern 
Eindruck als den der Tonschwingung; aber diesen Eindruck bekun- 
det er auf eine unerklärliche Weise, die zugleich beweisst 
dass er unmusikalisch ist. Er spielt mit der rechten Hand 
eine Melodie, mitderLinken dieBegleitung einer andern 
Melodie und zur selben Zeit siagt er eine dritte 
Melodie und zwar in einer dritten Tonart; es ist 
ohrzerreissend , aber es ist unglaublich , auf's höchste wunderbar. 
Auch hat man ihm das Alphabet beigebracht, indem man die ein- 
zelnen Töne damit verband, — zuerst die zusammentreffenden Be- 
nennungen a, b, c, d, e, f, g, h u. s. w., dann die anderen durch 
Wiederholung der Töne, z. B. drei ggg = k. Ebenso Erstaunliches 
leistet der arme Blinde, wenn er eine Melodie vorspielt, die er zum 
ersten Male spielt. Seine ganze Physiognomie verändert sich, doch 
zeigt sie nichts Vergeistigtes, sondern nur besondere nervöse Er- 
regung bei den stärker klingenden Tönen. Der arme elende Wurm 
wird von einem Kerl ausgebeutet, der wie ein Bärenführer ihn 
herumschleppt und den Tausenden zeigt, die sich an diesem trau- 
rigen Lustspiel ergötzen. Der grosse Saal iu St. James, wo auch 
die Monday populär concerts gegeben werden , ist immer ganz 
voll. (N. B. M.-Ztg.) 

*,* Maestro Agnelli, ein renommirter Gesanglehrer, hat eine 
artige Erfindung gemacht , die zwar durchaus keinen Kunstwerth 
bietet, aber originell und amüsant genannt werden kann. Es ist 
ein „Caleidoscop musical". Ungefähr 60 Blätter in Octavform sind 
auf beiden Seiten mit Noten bedruckt; 20 derselben in rother, 20 
in grüner und 20 in blauer Farbe. Von diesen nimmt man drei 
Cartons derselben Farbe und legt sie vor sich — und gleichviel in 
welcher Reihenfolge sie liegen, sie bilden einen fortlaufenden Walzer, 
durch eine gewisse Aenderung in der Wahl der Cartons kann jedoch 
au gleicher Zeit eine Mazurka, eine Polka „kaleidoscopisch* erzeugt 
werden. Offenbar handelt es sich hier um eine Spielerei, aber die 



- 148 - 



Sächeleben sind nicht ohne Geschmack componirt, and der Beiz der 
Neuheit wird das Seinige beitragen, sie zu verbreiten. Es gab eine 
Zeit, wo die elegantesten Damen sich die Finger mit dickem 
Kleister beschmutzten , um „Chinoiseries« (Vasen, Tassen mit in 
Papier ausgeschnittenen und aufgeklebten Zeichnungen) zu erzeuge». 
— warum sollen sie sich nicht versuchen, solche Kaleidoscope selbst 
au componiren? (N* B. Z.) 

*** Die englische Sängerin Anna Bishop, welche vor vielen 
Jahren mit dem Harfenvirtuosen 8 o ch sa in Deutschland concertirte. 
hatte sich vor einiger Zeit einer Künstlergesellschaft angeschlossen, 
welche nach San Francisco in Californien ging. Von dort aus reiste 
die Gesellschaft nach Hong-Kong ab, und der letzte Courier brachte 
folgende Nachricht über den unglücklichen Verlauf dieser Reise: 
„Das Schiff „Libelle 14 ist auf seiner Ueberfahrt von San Francisko 
au Grunde gegangen ; es hatte eine reiche Ladung und 76,000 Dollar! 
in Baarem an Bord, sowie mehrere Passagiere, unter welchen Mme. 
Bishop, Miss Phalo n , die HH. Schütz und Las cell es 
von der englischen Coneertgesellschaft, welche auf einer Coneert- 
reise begriffen waren. Das Schiff wurde auf eine gefährliche Klippe, 
genannt Insel Wake, im chininesischen Meere geworfen. Der tiefen 
Dunkelheit wegen blieben die Passagiere trotz ihrer schrecklichen 
Lage die ganze Nacht über an Bord, in beständiger Gefahr, sammt 
dem Schiffe, welches auf der Seite lag, und an welchem sich be* 
•tändig die Wellen brachen, zu Grunde zu gehen. Erst als der Tag 
anbrach, konnte man das Bettungswerk beginnen, und? Alle wurden 
mittelst der Boote glücklich an's Land gebracht. Allein sie befan- 
den sich auf einer wüsten Insel, auf der sie nicht einmal Trinkwasser 
fanden, und nach drei Wochen der grössten Entbehrungen entschloss 
man sich, die Boote zu besteigen und eine wirklichere Küste auf- 
ausuchen. Man fand endlich eine Stelle, wo die Boote durch die 
beständig gegen die Corallenriffe tosende Brandung auslaufen konnten, 
und nachdem man von den ans dem Schiffe geretteten Vorräthen 
soviel als möglich in den beiden Schaluppen, deren eine die Passa- 
giere aufnahm, untergebracht hatte, steuerte man in der Richtung 
nach Ladrone oder nacb den Marianeninseln. Der Capitän führte 
das kleinere Boot mit den Vorräthen und einem Theil der Equipage? 
der erste Lieutenant das grössere mit den Passagieren. Es war ein 
kühnes, wenig Hoffnung gewährendes Unternehmen, einen Weg von 
400 bis 600 Meilen unter den Aequinoctialstürmen, den Windstillen 
in tropischer Sonnenglut, mit wenig Lebensmitteln und durch ein 
klippenvolles Meer zurückzulegen, und doch erreichte die grössere 
Schaluppe nach 13 Tagen und Nächten voll schrecklicher Leiden 
und Gefahren die Stadt Gnam. Man war um sechs Längengrade 
abgefallen und darum nach Guam gekommen, freilich in einem kläg- 
lichen Zustande, besonders die Damen, allein das Leben war ge- 
rettet. Der Gouverneur der Marianneninsel, FranciscoMoscosey 
Lara, nahm die Schiffbrüchigen freundlich auf und liess ihnen alle 
mögliche Hülfe angedeihen. Von dem anderen Boote, welches man 
schon seit der ersten Nacht aus dem Gesichte verloren hatte, war 
noch keine Spur vorhanden. 

*** Die „Neue Berliner Musik -Ztg." erzählt folgende hübsche 
Anecdote: In einer grossen englischen Provinzialstadt wurde vor 
vielen Jahren ein Händel'sches Oratorium unter einem deutschen 
Dirigenten aufgeführt. Dieser Hess sich beifallen, der Ankündigung 
beizufügen, dass Händeis unsterbliches Werk mit der Mozart'schen 
Instrumentation vorgeführt werden solle. Am Abend des Concertes 
•assen ihm gegenüber in der ersten Reihe eine hohe Dame, grosse 
Beschützerin und Verehrerin der aacred music, und ein sehr be- 
kannter Dilettant, welcher zu den reichsten Mitgliedern der Gentiy 
geborte. Die Dame sah sehr entzückt aus, der Herr warf grimmige 
Blicke um sich. Kaum waren die letzten Töne verklungen, da traten 

die Beiden an den Dirigenten heran. „Ach ! — meinte die Erste 

der himmlische Mozart hat doch Ifändel's Werk ganz erfasst und 
seine Instrumentation ist wundervoll; Niemand wird je verkennen, 
dass sie von einer fremden Hand herrührt." Der Deutsche verneigte 
eich tief, und die Dame rauschte vorüber. — „Mein Herr! — sprach 
der Squire — Sie hätten besser getbao , die Musik des göttlichen 
Händel so zu lassen, wie er sie componirt hat, und nicht mit frem- 
der zu vermischen. Allen Respect vor Mozart, aber im Oratorium 
reicht er an nnaeren Händel nicht, und man hört doch gleich, was 
nicht von diesem ist." Und der Dirigent verbeugte sieh wieder — 
und lachte innerlieb, denn die Instrumentation von Mosart war gar 



nicht gespielt worden, dem Dirigenten war bei der Probe so viel 
Opposition von Seiten des Orchesters entgegengetreten, dass er ea 
vorzog, die Originalbegleitung zu lassen, und nur die Annonce blieb. 
Der Schalk mochte wohl einen Versuch angestellt haben, der ihm 
auch, wie die oben erzählten Aeusserungen beweisen, vollkommen) 
gelungen war. 

*** Bei der Preis - Concurrenz für die beste Messe, welche ztt 
Löwen in Belgien stattfand, wurden, wie wir bereits gemeldet, die 
beiden Einsendungen mit denMotto's: „Soli deo gloria" und „Ich 
dien" von der Jury mit Bedauern (welches bei der ersten einstimmig, 
bei der zweiten mit 8 von 13 Stimmen ausgesprochen wurde) zu- 
rückgestellt, weil dieselben den gestellten Bedingungen nicht voll- 
ständig entsprachen. Es ist nun bekannt geworden, dass die erste 
dieser Compositionen von Hrn. van Eyken, Organist inElberfeld, 
die zweite vou Hrn. Hatto n in Aldeburg (England) eingesendet war. 

*** Roger hat sein Gastspiel im Kroll'schen Theater in Berlin 
als „Zampa" beschlossen, den er bisher in Deutschland noch nicht 
gesungen hatte. 

*** Der bisherige Director des Carltheaters in Wien, Hr. Treu- 
mann, hat von seinem Publikum in einem aus seinen beliebtesten. 
Rollen zusammengesetzten Quodlibet Abschied genommen. 

*** Frl. Blaczek vom Würzburger Theater ist nach einem er- 
folgreichen Gastspiele in Leipzig engagirt worden. 

*** Capellmeister Suppe in Wien hat sich mit Frl. Sophie- 
Strasser aus Regensburg vermählt. 

*** Am Napoleonstage (15. August) suchte eine italienische: 
Sängerin, ärmlich gekleidet, aber von anständigem und angenehmem,) 
Aeusseren, vor dem Cafe Riche in Paris die Grossmuth der dortigen» 
Gäste zu erregen, inden sie, sich auf der Guitarre begleitend, mit 
einer herrlichen Altstimme und guter Schule italienische Arien vor- 
trug. Unter den Anwesenden, welche mit ebensoviel Erstaunen ala 
Vergnügen zuhörten, befanden sich auch N au d in, Verger, Amo- 
dio und mehrere andere Künstler. Nachdem diese bei der erfolgten 
Collecte einen reichlichen Beitrag geliefert hatten, ersuchten sie die- 
Sängerin um ihre Adresse und eröffneten zur Stelle eine Subscription* 
deren Ergebniss die Kosten der musikalischen Ausbildung der Fremden 
decken soll, welche man ohne Zweifel seinerzeit auf einer der Pa- 
riser Bühnen wird auftreten sehen. 

V* Das Pergola-Theater in Florenz wird mit der „Afrikanerin a 
erÖffnet werden. Engagirt sind dort die Damen Carolina Ferni 
und Mongini-Stecchi, sowie die HH. Carrion, Corsi (Te~ 
nore) , Giraldoni und C a p p o n i (Barytons) und der Bassist 
Beccheri. 

*** Der Tenorist P r o 1 1 vom Hoftheater in Cassel hat am 
Operntheater in Wien als Stradella und Lionel mit günstigstem 
Erfolge gastirt. 

V* „Crispino e la Comare" Buffo-Oper von Ricci hat in. 
Baden-Baden ausserordentliches Furore gemacht. 

*** Das Victoria-Theater in Berlin wird zur Siegesfeier wieder 
eröffnet werden, und zwar durch eine italienische Operngesellschaft 
unter dem Director G a 1 1 i. Die hervorragenden Persönlichkeiten 
der Gesellschaft sind: die Damen Sarolta (Sopran), Lombia (Alt) 
und die HH. Andreeff (Tenor) und Padilla (Baryton). 

*** Der junge belgische Zukunftsmusiker Pierre Benoit hat 
ein Oratorium, „Lucifer," geschrieben, welches nächstens in Gent 
aufgeführt werden soll. 

*#* Am königl. Operntheater in Berlin wird die 300. Vorstellung 
der „Zauberflöte" mit ganz neuer Ausstattung vorbereitet. Bei dieser 
Gelegenheit wird Frau Harri ers -Wippern die Königin der Nacht 
und Hr. B e t z den Papegeno zum ersten Male geben. 

*** N i e m a n n hat mit dem k. Theater in Berlin einen Gast- 
spielvertrag abgeschlossen. 

*** Der Pianist Theodor Ratzenberger hat sich mit FrL 
Lina Then-Bergh aus Wesel verheiratbet. 

t In Jujurieux (Air -Departement) ist der Componist Jules 
Ward gestorben. Er hat eine komisehe Oper, mehrere Ballet- 
mnsiken und eine noch nicht bekannt gewordene grosse Oper, be- 
titelt: „Vell6da," componirt. 

f Vor Kurzem starb in Breslau der dort wohlbekannte Pianist 
Ernemann, ein Schüler Berger's, 67 Jahre alt. 

Verantw. Red, Ed. Föckercr. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



1Ä. Jahrgang» 



m- &s. 



17. September 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



DieseZeitung erscheint jeden 

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B. SCHOTTs SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



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IHHAXT: Stradella und die Contarini. — Die künftige Stellung der ehem. Hofbühnen von Hannover, CaBsel und Wiesbaden etc. — Dal 

Athenäum des Hrn. Bischofoheim in Paris. — - Correspondenzen: Stuttgart. Paris* — Nachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

P. Richard. 



X. 

Ein Contarini als Musikfreund. 

Um nur einfach die Namen, die Werke und Thaten der her- 
vorragenden Männer aus der mächtigen und erlauchten Familie der 
Contarini aufzuzählen, müssten wir viele Seiten, fast Bände füllen. 
Der Ursprung dieses grossen Geschlechts verliert sich in die neblige 
Ferne der ersten Zeiten der Republik. Während einer langen Reihe 
von Jahrhunderten hat dasselbe die ersten Stellen bekleidet und 
aasgezeichnete Männer jeder Art hervorgebracht. Als eine der zwölf 
Wahlfamilien ging ihr Streben dahin, sich zu den Tribunen aufzu- 
schwingen, welche 697 den ersten Dogen wählten, ja sie trachteten 
noch höher, und zwar ohne einen anderen Anspruch als gerade ihren 
Namen Contarini, Conti di Reno, Rheingrafen. Die Abkömmlinge 
dieser Linie vermehrten sich so sehr, dass sie mehr als fünfzig ver- 
schiedene Zweige zählte. Keine andere Familie besass eine so grosse 
Anzahl von Stimmen im grossen Rath. Aus ihrem Schoosse sah man 
8 Dogen und 44 Procuratoren von Sanct Marcus, die zweite Würde 
der Republik, hervorgehen; daraus lässt sich leicht absehen, wie 
gross ihre Macht und ihr Einfluss war. Was ihre ausgezeichneten 
Männer betrifft, so wären Dichter, Historiker, bedeutende Schriftsteller 
anzuführen, und wenn man der Bezeichnung dilettanti den ausge- 
dehnten Sinn, welchen dieses Wort in der italienischen Sprache be- 
sitzt, beilegt, so wäre leicht eine ganze Reihe von Dilettanten in 
unserem Sinne zu finden, welche ihr Vergnügen in der Vorliebe für 
Kunst und Wissenschaften und deren Pflege suchten und fanden. 
Doch für uns handelt es sich hier nur um die Musik, und wir be- 
schränken uns darauf, das Gedächtniss eines einzigen Kindes dieses 
so zahlreichen Stammes aufzufrischen, nämlich das des Procorators 
Marco Contarini, eines leidenschaftlichen Verehrers musikali- 
scher Aufführungen. 

Wir haben schon erwähnt , dass die Würde eines Procurators 
die zweite im Staate und darum die von dem Adel gesuchteste war. 
Es ist nicht nöthig, hier alle die zahlreichen Prärogative dieser 
hohen Stellen anzuführen, doch müssen wir einige derselben erwähnen, 
weil sie auf unseren Gegenstand Bezug haben. Das erste dieser 
Vorrechte war die oberste Verwaltung der Sankt Marcuskirche. Die 
grossen Einkünfte dieser Hauptkirche waren der Verwaltung der 
Procuratoren anvertraut und somit verfügten sie über bedeutende 
Gebalte und Pensionen für Musiker aller Art, Professoren Sänger 
und Capellmeister. Die Casse der ersten Procuratie hatte die Ver- 
pflichtung, den Castraten, welche mit dem Zeugniss des bene merito 
versehen waren, die ihren ausgezeichneten Diensten sowohl auf den 
Bühnen Italiens als in anderen Städten Europa's zustehenden Be- 
lohnungen zu bezahlen. Zu den Vorrechten dieser hohen Beamten 
gehörte auch die Oberaufsicht über die Bibliothek von Sanct Marcus 
and über die Archive. Es gab Procuraturen als blosse Ehrenämter* 



andere wieder waren bezahlt. Diese Stellen waren auf eine klein« 
Anzahl reicher Familien beschränkt; in einigen derselben waren sie 
sozusagen erblich und lebenslänglich. 

Marco Contarini, einer der reichsten Patrizier seiner Zeit, besass 
im Paduanischen eine Villa, einen wahren Palast, in einer Gegend, 
welche man Piazola nannte; es war dies ein ehemaliges Schloss, 
das im Kriege zerstört worden war und welches die Frau eines 
seiner Vorfahren nebst anderen Ortschaften als Mitgift erhalten hatte. 
Marco hatte dasselbe zu einem entzückenden Aufenthalte umge- 
wandelt, und hier nun fanden die Feste und Vorstellungen statt, 
von denen wir sprechen wollen. 

Diese Herrlichkeiten, begonnen im Jahre 1670, wurden noch 
1686 fortgesetzt. Es sind noch die Titel der musikalischen Dramen, 
Textbücher und Analysen von einigen derselben vorhanden. Ver- 
schiedene italienische Autoren, bis zum letzten venetiauischen Histo- 
„riker, dem ersten Romanin, haben di« Erinnerung an dieselben 
wieder angefacht, aber sonderbarerweise ist es ein französisches 
Journal, „Le Mercure galant, ." welches die ausführlichsten Mit- 
theilungen enthält. Manches davon verdient wiedererzählt, zu wer- 
den, wenigstens auszugsweise, und dies wollen wir hiermit auch tbun. 
Es ist uns gelungen, die Spur von 15 theatralischen Compositionea 
aufzufinden, welche nach und nach in Piazzola aufgeführt wurden. 
Wollen wir zuerst mit Hülfe des Mercure galant uns diese Resi- 
denz näher besehen. 

„Piazzola ist nichts als ein Flecken, zehn Meilen von Padua, 
wo dieser edle Ventiaoer, welcher sehr reich ist, einen prächtigen 
Palast erbauen Hess. Man hat fünf Jahre daran gearbeitet, allein 
obgleich das Hauptgebäude von der Erfindung des berühmten Bau- 
meisters P a 1 1 a d i o ist, so ist doch dieses Wunder der Baukunst 
fast übertroffen durch den Schmuck, mit welchem M. Contarini das- 
selbe verschönerte, und durch die Gebäude, welche er noch hinzu- 
fügte. Dieser Palast ist sehr hoch gelegen. Zu demselben führt 
eine Allee von fast einer Meile Länge. Seine Breite beträgt unge- 
fähr 100 Fuss, was einen sehr angenehmen Eindruck gleich beim 
ersten Anblick macht. Die Hofmauern sind sehr hübsch, und das 
ganze Gebäude ist mit Canälen von messendem Wasser umgeben, 
die als Reservoirs dienen, und ihr Wasser in ein grosses rundes 
Bassin ergiessen, welches von grossen, mit Statuen geschmückten 
Arkaden umgeben ist. Dieses Bassin ist so breit und tief, dass man 
mit kleineu Gondeln auf demselben fahren kann. Auf diesen Gon- 
deln veranstaltete Contarini seine Serenaden und Concerte während 
des Sommers. Der Hof, welcher vom grossen Thore bis zur Frei- 
treppe 250 Fuss lang ist, hat eine Breite von 500 Fuss. Er ist 
umgeben von 30 Muscbelgrotten mit Nichen, in welchen Statuen 
stehen, welche ebensoviele Fontainen bilden. Der Palast selbst hat 
vier Stockwerke , ohne das Parterre. Jedes Fenster ist mit drei 
Statuen und mit Festons von Blumen und Früchten verziert. Im 
ersten Stockwerke siebt man drei Logen oder bedeckte Balkons, 
rechts befindet sich ein Flügelgebäude von 170 Fuss Länge. Der 
untere Theil ist mit verschiedenfarbigen Grotesken geziert. Darüber 
befinden sich grosse Fenster und zwischen denselben riesige Marmor- 



- 150 



figuren von ungefähr 18 Fuss Höhe. Auf der linken Seite ist ein 
anderer Flügel, welcher dem enteren ähnlich ist. . . . Ich würde 
bu ausfuhrlich werden, wollte ich alle die einzelnen Schönheiten des 
Palastes beschreiben (wir werden manches tiberspringen). Im dritten 
Stockwerke findet man eine Gallerie, wo man alle erdenklichen Arten 
von Instrumenten findet, und alle Opern, welche bisher in Venedig 
oder wo immer aufgeführt wurden. Man darf sich nicht über diese 
Sammlung verwundern, indem Contarini keine Kosten gespart hat, 
um selbst die seltensten Instrumente zu besitzen. Die beiden Logen, 
von denen ich früher gesprochen habe, befinden sich zu beiden Seiten 
der Gallerie, umgeben von einer Art von Tribünen, wo die Musiker 
und die Instrumente aufgestellt werden, um während des Mahles die 
Gäste zu unterhalten . . . 

„M. Contarini, der in allen Dingen grossartig ist, fügt seinen 
grossen Eigenschaften auch eine aufrichtige Fiömmigkeit hinzu . . , 
Er hat überdies ein Gebäude in Form eines Klosters aufführen lassen, 
mit einem Hof, der von Portiken, die auf Marmorsäulen ruhen, um- 
geben ist , mit den nöthigen Gemächern zu ebener Erde zum Ge- 
brauche und für den Bedarf des Hauses und mit anderen Zimmern 
darüber. Er Hess auch eine Kirche bauen, schöner und grösser als 
die Kirche des Fleckens. In diesen Bäumen werden 33 arme Mäd- 
chen von armen Familien erzogen, für welche er eigene Frauen unter- 
hält , um sie zu pflegen , sie in den gewöhnlichen Arbeiten ihres 
Geschlechts zu unterrichten, und Lehrer, um sie in der Musik aus- 
nubilden , welche er leidenschaftlich liebt. Da sich unter diesen 
Mädchen sehr schöne Stimmen vorfanden, entschloss er sich, auch 
ein prächtiges Theater zu bauen für die Opern, welche er eigens 
componiren liess. Dieses Theater ist 180 Fuss lang und 60 Fuss 
breit. In demselben befinden sich vier Logenreihen im Halbkreis, 
vielmehr eiförmig angebracht. Man gelangt zu denselben über mar- 
morne Treppen, welche mit Statuen geschmückt sind. Die Wände 
und Logen sind mit Frescogemälden verziert. Das Parterre fasst 
500 Personen und ist stellenweise durchbrochen, um die frische Luft 
einzulassen. Unter demselben fliesst Wasser durch. Zum obigen 
Zwecke ist hier wieder ein unterirdischer Raum angebracht, welcher 
dazu dient , im Sommer den säramtlichen Räumen des prächtigen 
Theaters Luft zuzuführen. Die Logen können ebenfalls etwa 500 
Personen aufnehmen. Sie sind sämmtlich mit vergoldeten Relief- 
statuen verziert. Die Decke ist ganz mit Blumen und Laubwerk 
geschmückt und mit einer Menge von Spiegeln versehen , welche 
das Lieht zurückwerfen und auf diese Art eine überraschende Wir- 
kung hervorbringen.* *) 

Die erste Oper, »Amazzoni nelV isole fortonate" wurde in 
den letzten Monaten des Jahres 1679 aufgeführt. Eine Eigenthüm- 
lichkeit bei der Inscenirung dieser Oper war die, dass mit Ausnahme 
der Mauer- und Bauarbeiten alles Uebrige das Werk von 600 Mäd- 
chen war, welche der Procurator in einem Hospital arbeiten liess. 

„Alle Costüme der Mitwirkenden — sagt unser Erzähler — sind 
ihr Werk, ebenso die verschiedenen Decoratiouen. Man sieht ver- 
schiedene Baumdecorationen von Tapisserie-Arbeit. Die Paläste be- 
stehen aus Säulen , Pilasteen und anderen Verzierungen von der 
nämlichen Arbeit und bis zu den auf dem Webstuhl verfertigten 
Goldstoffe u ist Alles von diesen Mädchen gemacht. Was am meisten 
Erstaunen erregt, ist, dass dies Alles so geheim geschah, dass noch 
wenige Tage vor der Aufführung dieser Oper Niemand ahnte, dass 
«ine solche stattfinden sollte . . . Endlich war der für dieses über- 
raschende Schauspiel bestimmte Tag gekommen, und die eingeladenen 
Personen, sonst aber Niemand, begaben sich nach dem zu dem Feste 
bestimmten Orte. Jedem Einzelnen war eine bestimmte Stunde an- 
gegeben worden, um jede Unordnung zu verhüten, und sowie nun 
die zuerst Bestellten sich einfanden, gab man ihnen ein Billet für 
die ihuen bestimmte Loge und den Schlüssel zu derselben. Als Alle 
Platz genommen hatten, wurde auf einmal der Saal durch eine grosse 
Anzahl von Wachsfackeln beleuchtet, und nun sah man im Vorder- 
grund des Theaters statt eines gemalten Vorhanges einen solchen 
von lauter Streifen von carmoisinrothem Sammt, welche zusammen- 
genäht und auf den Näthen mit Goldborten besetzt waren, und oben 
wie unten war diese Art von Vorhang ebenfalls mit Goldcrepine 
garnirt. Nachdem alle Eingeladenen ihre Plätze eingenommen hatten, 
brachte man Lichter in jede Loge nebst einem splendiden lmbiss. 



* 



) „Mercure galant,' 1 Februar, 1681. 



Nachdem dieser eingenommen war, verschwanden plötzlich die 
Lichter, welche den Saal so glänzend erleuchtet hatten. Auch der 
oben beschriebene Vorhang verschwand auf eine fast unmerkbare 
Art , und nun sah man das erstaunenswertheste und prachtvollste 
Schauspiel, von dem man je gehört." 



Die künftige Stellung der ehemaligen Hofbühnen 
In Hannover, Cassel und Wiesbaden, und deren 
Beziehungen zu unserer Oper, nebst einigen Worten 

über Joachim.*) 

Die hocherfreuliche Vereinigung von Hannover, Kurhessen und 
Nassau unter die Preussische Krone wandelt die dortigen bisher ziem- 
lich reichlich unterstützten „Hofbühnen" momentan in „Stadttheater« 
um, und fast vermag man sich auf den ersten Blick hin der Besorg- 
niss nicht zu erwehren, dass diese Institute, an welchen berühmte 
und auch bedeutende Künstler angestellt waren , von dem ersten 
Range, auf dem sie standen, auf den zweiten sinken, ja vielleicht 
aus der Reihe der bedeutenden Bühnen ganz schwinden könnten. 
Bei näherer Prüfung wird man jedoah leicht zu dem Resultate ge- 
langen, dass jede Befürchtung nicht nur eine ungegründete ist, son- 
dern dass bei weiser Benutznng und Verwendung der Mittel jene 
Bühnen und unsere Hofbühne aus der Umgestaltung der territorialen 
Verhältnisse materielle und geistige Vortheile , also für die Kunst 
und sich ziehen können und werden. — Unsere Zeitung kann als 
Musik- Zeitung allerdings nur den musikalischen Angelegenheiten 
ihr Hauptaugenmerk widmen — da aber die Oper die kostspieligste 
Rubrik aller Bühnen ist, da die Honorare der Primadonnen und 
Tenoristen und das Ballet die bei weitem grösseren Ausgaben be- 
dingen, so dürfte die Lösung der Frage: welche Stellung ist den 
Opernmitgliedern der annectirten Hofbühnen anzuweisen? auch die 
Lösung der viel leichteren Frage über das Schauspiel in sich fassen. 

Es sind zuvörderst die Subventionen in Betracht zu ziehen. 
Diese sind allerdings sehr bedeutend! sie betrugen in Hannover 
105,000 Thlr., in Wiesbaden 70,000 fl. (40,000 Thlr.), — die Summe, 
welche dem Casseler Theater zugewendet wurde, ist uns nicht be- 
kannt. In Hannover floss die Subvention rein aus der Privatchatulle 
des Königs, in Cassel aus der Domänenkasse, in Wiesbaden zahlte 
die Spielbank zwei Drittheile, der Rest kam vom Herzog und der 
Stadt. Nun darf mau in Bezug auf Hannover nicht vergessen, dass, 
was man die Chatulle des Königs nannte, bis zum Umstürze der 
Verfassung durch Ernst August, den Vater des letzten Königs, zum 
grossen Theile Landeseinkommen war, das meistens dem königl. 
Institute unter Co n trolle zugewendet wurde. Im J. 1855 wurden 
im Gehorsam für den „Bundestagsbeschluss" noch weitere Schritte 
unternommen, um Gelder, die früher öffentliche waren, in Privat- 
chatullengelder zu verwenden , und wir glauben die Ueberzeugung 
aussprechen zu dürfen, die preussische Regierung wird Mittel finden, 
die Einkünfte , welche ihren ursprünglichen Zwecken entfremdet 
worden waren , diesen wieder zu widmen ; wir werden auf diesen 
Punkt zurückkommen. 

Die Casseler Bühne war unseres Wissens aus der kurfürstlichen 
Chatulle dotirt, und der Einfiuss, der von oben her auf sie ausgeübt 
wurde, war ein solcher, dass diese Bühne von der neuen Gestaltung 
nur Gutes zu erwarten hat, und sich erst recht entwickeln wird. — 
Am Schlimmsten dürfte es wohl mit der Wiesbadener Bühne werden; 
wenn auch die Spielbank nicht sofort aufgehoben wird, dürfte sie 
sich dennoch nicht mehr so grossartig entfalten als vorher, und so- 
mit auch nicht so opferbereit sein; die herzogliche Unterstützung, 
die doch eigentlich ebenfalls aus den Spielpachtgeldern gezahlt 
wurde, versiegt auch, und die Stadt selbst kann sehr wenig thun f 
denn ihre Einkünfte fliessen grösstenteils aus der unsauberen Quelle, 
die sich vom grünen Tische der Roulette und der Trente et qua- 
rante weiter ergiesst; es ist nicht zu leugnen, dass die Aufhebung 
der Spielbanken einen momentanen starken Ausfall in den Einnah- 
men bewirken wird, sowie auch andrerseits mit Sicherheit vorauszu- 
sagen ist, dass in wenigen Jahren die Gesellschaft in den wirklichen 



*) Aus der „Neuen Berliner Musikzeitung". 



-151 - 



Bädern eine viel bessere werden wird, als sie besonders in der letzten 
Zeit war« und dass der wahre Wohlstand sich heben wird. 

Kehren wir nun zum eigentlichen Hauptpunkt zurück, znr Han- 
noverschen Bühne. Sie war durch den ehemaligen König Georg*) 
in grossartiger Weise gehoben worden, und vereinigte Gesangs- 
künstler, die wirklich jeder Bühne zur Ehre gereichen können — 
wir nennen beispielsweise Qutiz, Nie mann und den ausgezeich- 
neten Baritonisten Stägemann, den wir nur einmal in Joachim's 
Concert hier zu hören und aufrichtig zu bewundern Gelegenheit 
hatten. Als die prenssischen Truppen in Hannover einzogen, wurde 
das Hoftheater geschlossen, und es scheint, es solle gar nicht wieder 
eröffnet werden — man wollte sich wohl an den Preussen dadurch 
rächen , dass man die angestellten höher stehenden Mitglieder in 
ihren Gagen verkürzt und die weniger honorirten dem Elend preis- 
gibt. **) Es ist hoch an der Zeit, dass die preussische Verwaltung 
einschreitet, und dass unser kunstsinniger und energischer Herr von 
Hülsen im Interesse der Humanität und der Kunst seinen 
ganzen Einfluss anwende, um jenen Zustand einem raschen Ende 
zuzuführen. Allerdings sind die Schwierigkeiten , die sich Einem 
entgegenstellen, nicht unbedeutend. Das Theatergebäude ist grössten- 
teils mit königlichem Gelde erbaut worden, also Privateigenthum 
des Königs Georg; er kann also die Erlaubniss, dass darin gespielt 
werde , geradezu verweigern. Es lässt sich aber erstens nicht er- 
warten, dass er dieses Recht ganz stricte festhalte, — er konnte 
allenfalls, wo es sich um seine Souveränität handelte, keine andere 
Bücksicht gelten lassen, er wird aber um eines Privatrechtes willen 
nicht viele Familien der grössten Noth preisgeben — zweitens aber 
kann auch die preussische Regierung, die im factischeu Besitze ist, 
noch Mittel finden , um eine Vereinbarung über diesen Punkt sehr 
schnell herbeizuführen , und wir glauben die Behauptung wagen zu 
dürfen, das« sie auf die Gefahr eines Regressprozesses hin 
die baldige Eröffnung des Hannoverschen Theaters anordnen könne. 
Die daselbst angestellten Künstler werden gewiss sich nicht lange 
bedenken, ihre Engagements weiter fortzuführen, und auch zu unserer 
königlichen Hofbühne in andere Beziehungen als die der bisherigen 
Gastspiele zu treten — sie werden für längere Zeit nirgends die 
Vortheile finden können, die ihnen hier geboten weiden, selbst wenn 
die Normen andere werden, selbst wenn eine Wechselwirkung ein- 
träte, wo bisher blos sehr theuer bezahlte Zugeständnisse stattfanden. 
Wir glauben , dass diese Andeutungen vorderhand genügen , und 
wollen, sobald sich irgend eine Aenderung in dem von uns ange- 
deuteten Sinne hoffen lässt, unsere Ansichten und Vorschläge noch 
deutlicher formuliren. Vorderhand wollen wir noch einmal darauf 
hinweisen , dass eine rasche Wiedereröffnung der Hannoverschen 
Bühne und zwar auf Grund der bisherigen Verhältnisse im Interesse 
der Humanität wie der Kunst dringend geboten erscheint, und wir 
glauben sogar, es würde das Beste sein, dass der Graf Platen be- 
rufen werde, die nöthigen Arrangements — vielleicht unter der Ober- 
aufsicht der hiesigen königl. Intendanz — zu treffen; er kennt das 
Terrain doch noch am Besten. (Schluss folgt.) 



Dm Athenäum des Herrn Biselioflfeheiui 

In Paris« 



*) Der König war ein aufrichtiger Freund und Beschützer der Künst- 
ler, und wenn er auch die sonderbarsten Urtheile fällte, und wenn 
er auch den oberflächlichsten und intrigantesten Musikmachern 
dieselbe Theilnahme zeigte, wie den bedeutendsten und ehren- 
haftesten, so waren doch seine Absichten immer gut — ohne ihn 
wären die Verhältnisse am Theater noch zehnmal schlechter ge- 
wesen. Die Wirthschaft unter dem Herrn von M a l o s t i e war 
wohl die ärgste gewesen, obwohl der Graf Platen, sein Nach- 
folger, noch viel gröbere Angriffe erfahren hat. Allerdings ist 
die Geschichte seiner Iutendantnr eine in ihrer Art einzige. Er 
war vor etwa 12 Jahren vom König nicht geliebt, kam dann in 
hohe Gnade und fiel wieder — um einer Bagatelle willen. Er 
war ein sehr eitler Mann, der vielleicht manchmal den Vezir 
spielen mochte, aber er war sonst gutmüthig und den Künstlern 
so weit freundlich gesinnt, als dies einem Hannoverschen pur sang 
möglich ist. Jedenfalls aber war er der bei weitem Befähigteste 
unter den bisherigen Intendanten, denn für die HH. v. Busche 
und v. Maloetie wird doch wohl Niemand schwärmen. 

*") Die ,,Signale* haben hierüber in ihrer letzten Nummer einen 
sehr bemerkenswertben Artikel veröffentlicht. 



Der neue Saal „Athenäum,* erbaut von dem Bankier Bis ch of f s- 
heim in Paris zur Seite des neuen Opernhauses, an der Ecke der 
tut Scribe und der rue Neuve- des 'Mathurins ist dazu bestimmt, 
zu Musikaufführungen, Vorlesungen u. dgl. zu dienen, deren Rein- 
ertrag ausschliesslich für milde und Bildungs- Zwecke verwendet 
werden soll. Laut einer Veröffentlichung des für das „Athenäum* 
eingesetzten Comite^s hat der Eigenthümer des Saales, Hr. Bischoffs- 
heim, die unentgeltliche Benutzung desselben zu den obenerwähnten 
Zwecken für den Zeitraum von 35 Jahren demselben anheimgegeben. 
Unter den Anstalten , auf deren Unterstützung es hiebei abgesehen 
ist, steht in erster Reihe die Gesellschaft, welche bereits zwei ge- 
werbliche Schulen für junge Mädchen gegründet und sich die Er- 
richtung solcher Schulen in allen Arrondissements von Paris zur 
Aufgabe gestellt hat. Dieser Gesellschaft soll nach dem Willen des 
Hrn. Bischoffsheim während der ersten fünf Jahre die Hälfte des 
Gewinns zufiiessen. 

Der Saal hat dieselbe Form , wie der des Gonservatoriums für 
Musik, ist aber ungefähr um ein Drittheil grösser und enthält 1000 
bis 1100 Plätze, welche in Logen, Gallerie- Logen, Orchestersitze, 
Parterre- und Stehplätze vertheilt sind. Wöchentlich dreimal werden 
hier Vorlesungen von den ausgezeichnetsten in Paris wohnenden 
Gelehrten und Schriftstellern, literarische und dramatische Fragmente, 
wissenschaftliche Erfahrungen, Chöre etc. vorgetragen. Drei andere 
Abende der Woche werden der Aufführung grosser musikalischer 
Werke unter der Leitung des Hrn. Pasdeloup und durch das von 
ihm geschaffene Orchester gewidmet sein. Man wird vou Zeit zu 
Zeit Oratorien, Bruchstücke aus älteren Opern, Compositionen grosser 
Meister für die Orgel , aber vorzugsweise jene Gattung von Musik- 
werken vorführen, welche man gewöhnlich im Conservatorium und 
in den populären Concerten hört, während zu gleicher Zeit der mo- 
dernen Musik und den lebenden Componisten gebührend Rechnung 
getragen werden soll. Man hofft, ausser den hervorragenden Pariser 
Künstlern auch die Berühmtheiten des Auslandes herbeizuziehen. 
Auch bedeutende Dilettanten können sich in diesen Concerten hören 
lassen, und es soll ein Theil der Einnahmen, zu welchen sie dadurch 
beitragen, den von ihnen bevorzugten Anstalten und milden Zwecken 
zugewendet werden. 

Die auf diese Art eingerichteten Reunions werden der Pariser 
Welt zur angenehmen und belehrenden Ausfüllung der ersten Abend- 
stunden und den Familien als eine Ergänzung der Erziehung dienen, 
welche gleichzeitig Vergnügen und Erholung gewährt. 

Das Comite kündigt ferner an , dass die Eröffnung des Saals 
gegen Ende October stattfinden soll , macht die Abonnements - und 
Eintrittspreise bekannt und ersucht um baldige Anmeldung, da nur 
eine bestimmte Anzahl von Plätzen in Abonnement gegebeu werden. 
Abonnenten können passende Werke zur Aufführung empfehlen, und 
es werden dergleichen Vorschläge die geeignete Berücksichtigung 
finden. 

Das Comite' besteht aus einer literarischen und einer musikali- 
schen Abtheilung und dem Verwaltungs-Ausschuss der „gewerblichen 
Schulen für juuge Mädchen." 

■ H I B 



CORRESPONDEKZEN. 



Aus Stuttgart« 

Monat September. 

Unser öffentliches Musikleben hat bereits wieder begonnen, und 
zwar, wie billig, mit einem Wohlthätigkeits- Concerte, das die Mit- 
glieder der kgl. Hofcapelle, vereint mit jenen der kgl. Oper, zum 
Besten unserer Verwundeten im Saale des Königsbaues veranstalteten. 
Der Besuch war leider nicht sehr zahlreich, worau die noch sehr 
sommerliche Temperatur, sowie die politische Abkühlung -theilweise 
schuld sein mochte. Das Programm brachte ausser der Beethoven*- 
schen , t Eroica ** deren Wahl natürlich gar nahe gelegen war, nichts 
auf den Zweck Bezügliches; doch freuten wir uns, wieder die Ein« 
leitung zu „Tristan" zu hören , während wir auf das Gebet aua 



152 — 



»Moses," den Schattenwalzer aus „Dinorah" und so manches Andere 
gerne verzichtet hätten. — Mit grossem Interesse lauschte man den 
Cellovorträgen des fürst1.Hohensoller*schen Kammervirtuosen Popper, 
welcher in einem Molique'schen Adagio und einer Maskenballscene 
eigener Compositum, „Papillom 1 ' betitelt, seinen vorzüglichen Ton, 
sowie seine vollendete Technik in glänzendstem Lichte zeigte. Mit 
seinem einstigen Lehrmeister J. Goltermann spielte er hierauf 
noch eine ebenfalls selbst gefertigte Suite, worin die schwere Auf- 
gabe, mit zwei Celli's ohne Begleitung einen voll- und wohlklingen- 
den Satz herzustellen, fast durchweg auf's glücklichste gelöst ist. 
Höchstens das Finale wirkt durch seine enormen Schwierigkeiten 
weniger günstig ; aber die übrigen vier Sätze enthalten so viel me- 
lodische, harmonische und rythmiscbe Beize, dass ihnen ungeteilter 
Beifall gespendet wurde. 

Unsere Bühne hat mancherlei Verluste erlitten ; wir nennen da- 
runter Frau Benewitz-M ick, welche eine äusserst wohlklingende 
und umfangreiche Stimme besass, und Frau Leisinger, welche 
durch ideale Auffassung, poetische Gluth und hinreissende drama- 
tische Gewalt sich allen Kunstfreunden unvergesslich gemacht hat. 



»••• — 



Aus Paris. 

10> September. 

V e r d i's neuestes, für die grosse Oper bestimmtes Werk, „Don 
Carlos," bat bereits viel heisses Blut erregt. Der Bassist Belval 
nämlich, dem die Rolle des Grossinquisitors zugetheilt wurde, lehnte 
dieselbe ab, indem er behauptete, sie sei zu unbedeutend für einen 
ersten Bassisten, als welcher er engagirt worden. Die Direction be- 
hauptete das Gegentheil, und man legte die Affaue endlich auf die 
Wage der Justiz. Die Justiz wendete sich an Arobroise Thomas, 
um von diesem zu erfahren, ob die genannte Bolle eine Bolle für 
einen ersten Bassisten sei oder nicht. Ambroise Thomas wollte aber 
die Ehre des Schiedsrichteramts nicht übernehmen. Während nun 
die Sache so stand , kam die Ordre des Maestro Verdi von den 
Pyrenäen, wo derselbe in diesem Augenblick mit seiner Gattin weilt, 
die Inquisitor-Rolle dem Bassisten Belval zu entziehen. 

Die komische Oper gibt seit einigen Wochen Mekul's „Joseph" 
mit vielem Erfolg. „Mignon" von Ambroise Thomas , wird dort 
nächstens in Scene gehen. 

Das The'dtre lyrique bereitet die Aufführung einer langen Reihe 
neuer Stücke für die Wintersaison vor. Einstweilen zieht dasselbe 
mit „Don Juan" und Gounod's „Faust" das Publikum lebhaft an. 

Am 2. October eröffnet die italienische Oper ihre Vorstellungen 
und zwar mit der „Sonnambula". Die Titelrolle gibt Adelina 
P a 1 1 i , die für die ganze Saison, d. b. auf sechs Monate, engagirt 
ist. Die Direction, die gewöhnlich vor Anfang der Saison die Liste 
der aufzuführenden Stücke dem Publikum mittheilt, hat es diesmal 
unterlassen. Vielleicht will sie diesem eine angenehme Ueberraschung 
bereiten. Dies wäre so übel nicht, denn schon seit Jahren ist das 
Programm des italienische Theaters von einer überaus ermüdenden 
Einförmigkeit. 

I « r li r i c h t e ii. 

Paris. Der berühmte Choreograph Saint-Leon ist in aller 
Eile nach St. Petersburg abgereist, wohin ihn die Verpflichtung rief, 
ein neues Ballet zu insceniren, welches mit Frl. Granzow Anfangs 
October zur Aufführung kommen soll. Er wird jedoch rechtzeitig 
zurückkehren, um das im dritten Act des Verdi'schen „Don Carlos" 
vorkommende Ballet einzurichten. 

— In Folge der für den Plan eines neuen Theaters in Reims 
ausgeschriebenen Concurrenz waren fünfzig Arbeiten eingelaufen, und 
nachdem dieselben zehn Tage lang öffentlich ausgestellt worden 
waren, entschied die zu diesem Zwecke erwählte Jury in folgender 
Weise: Den 1. Preis von 12,000 Frcs. erhielt Alfons Gösset, 
Architect von Reims; den 2. Preis von 3000 Frcs. Paul Gien von 
Paris; eine Entschädigung von 1000 Frs. empfing A dolfThieche 
von Paris. Ausserdem wurde noch drei anderen Plänen eine ehren- 
volle Erwähnung zuerkannt. 

— Mlle. Titjens wohnte in voriger Woche einer Aufführung 
der „Afrikanerin" in der grossen Oper bei. 



— Die treffliche und reisende Violinvirtuosin Mlle. Ca t er i na 
Lebonys wird täglich in Madrid erwartet. Die junge Künstlerin 
kehrt von London zurück, wo ihr schönes Talent ebenso lebhafte 
Anerkennung gefunden hat wie in Paris. 

— Wegen plötzlicher Abreise der Mlle. Granzow nach Peters- 
burg, da ihr kein weiterer Urlaub von dort ertheilt wurde, muss die 
erste Aufführung des Ballets: „JLo Source" um einige Tage ver- 
schoben werden , und wird Mlle. S i 1 v i o n i nun die Hauptrolle 
übernehmen. 

*** Die in Posen neu etablirte Buch- und Musikalienhandlung 
von Schlesinger & Spiro ist in den Besitz eines seltenen 
Schatzes gelangt: einer bisher noch ungedruckten Coroposition Mo- 
zart's. Das Werk, Andantino für Violine, Cemballo und Violon- 
cello (G-dur, */* Tact), umfasst sechs enggeschriebene Querfolio-Seiten, 
ä 12 Linien, und fand sich unvollendet in Mozart's Nachlass vor; 
der Schluss, vom Ende der vierten Seite ab, ist von fremder Hand, 
wie sich aus der Handschrift mit vieler Wahrscheinlichkeit ergibt, 
von dem Abbe Stadler ergänzt worden. Die Besitzer beabsichtigen, 
diese Composition des unsterblichen Meisters durch den Druck zu 
veröffentlichen. (Z. Bl. f. Th. etc.) 

*** Ein eigenthümlicher Fall lag unlängst den Pariser Gerichten 
zur Entscheidung vor : Grosset, Professor am Conservatorium, hatte 
Mlle , Marie Rose, eine talentvolle Choristin an der komischem 
Oper, mit Zustimmung ihrer Eltern privatim Unterricht gegen ein 
bestimmtes Honorar ertheilt, welches jedoch erst nach dem glück- 
lichen Debüt der Schülerin auf der Bühne bezahlt werden sollte. 
Grosset's Bemühungen waren vom besten Erfolg begleitet, denn nach 
zweijährigem ernstlichem Studium erhielt Mlle. Rose den ersten 
Preis im Conservatorium und wurde sogleich für die komische Oper 
engagirt. Nun wurde aber von ihrer Seite Alles angewendet, um 
der Bezahlung des schuldigen Honorars auszuweichen. Es wurde 
nun Beschlag auf ihre Gage gelegt, ihre Freunde erhoben Protest 
dagegen und man fand, dass bei der Beschlagnahme ein Formfehler 
begangen wurde , in Folge dessen der Professor die empfangene 
Summe wieder herausgeben und die Kosten bezahlen musste, wo- 
bei man ihm von Seite des Tribunals bemerklich machte, dass er 
in der That Recht habe und daher den Prozess von Neuem be- 
ginnen solle. 

*** In der Opera comique ist eine Conservatoristin , Mlle, 
Seveste, aufgetreten und hat vermöge ihrer hübschen Stimme 
und geschmackvollen Gesangsleistung, insbesondere aber durch ihr 
ausdrucksvolles Spiel Aufsehen erregt. 

*** Die Sängerin Frl. U b r i c h gab in Hannover unter Mit- 
wirkung des Pianisten Labor ein Concert zu mildthätigem Zwecke, 
welches 400 Thlr. eintrug. 

*** Franz Schuberts Es-dur-Messe ist in der Wiener Hofcapelle 
unter Leitung des Hofcapellmeisters H e r b e c k zum ersten Male 
aufgeführt worden. 

%* Am Geburtstage des Kurfürsten von Bessen-Cassel war 
diesmal das Casseler Hoftheater geschlossen. 

*** Capellmeister K 1 e r r vom Carltheater in Wien ist zum 
Theater an der Wien übergegangen. 

*** Von dem einst so berühmten und wahrhaft unvergleichlichen 
Sänger - Kleeblatt Rubini, Lablache und Tamburini ist der 
Letztere, welchem uulängst seine Gattin starb, der einzige Ueber- 
lebende und sieht sich geehrt und geachtet von einem zahlreichen 
FreuudeBkreise , geliebt von seiner ihm mit Innigkeit anhängenden 
Familie. Der gefeierte Baritooist ist von der Bühne nun ganz 
abgetreten und hat eine prächtige Villa bei Sevres angekauft mit aus* 
gedehnten Parkanlagen, welche einst das Eigenthum der Frau von 
Pompadour gewesen sein soll. 

%* Mr. Gye, der Director des Coventgarden-Theaters in Lon- 
don, wird während drei Monaten nach beendigter Opernsaison statt 
der von Engländern geschriebenen englischen Opern und Stücke, 
welche im vorigen Jahre wenig Anklang gefunden hatten, eine Reihe 
grosser Concerte veranstalten, für welche er mehrere ausgezeichnete 
Künstler, wie Carlotta Grisi und die HH. Sivori, Wie- 
n i a w s k i etc. etc. gewonnen hat. Der sinfonische Theil dieser 
Concerte wird von dem gewöhnlichen Orchester dieses Theaters aus- 
geführt werden. 

j_ ii — ii. , t i__.,ui im" ■ — J -mri — ■ 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Watlau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



JW* 39. 



24. September 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



DieseZeitung erscheint jeden j 
MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Bachhand- 
langen. 



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1» 






von 



B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 



PBEIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 8g. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 



L 



4 



5 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. \ 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. jU, „ ^ 



INHALT: Stradella und die Contarini. — Die künftige Stellung der ehem. Hofbühnen von Hannover, Cassel und Wiesbaden etc. — Dm 

Conservatorium der Musik in Cöln. — Nachrichten. 



Stradella und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

P. Richard. 



XI. 

Ein Contarini als Musikfreund. 

„Es erschien die Königin der Amazonen, begleitet von sechzig 
Frauen, alle auf wirklichen Pferden reitend; dreihundert andere sah 
man zu gleicher Zeit unter Zelten von Goldstoff. Man stelle sich 
den Glanz dieser prächtigen Zelten auf dem Lagerplatz der Ama- 
zonen vor, welcher von so grosser Ausdehnung war, dass man kaum 
das Ende derselben erschauen konnte. Eine Menge überraschender 
Maschinerien kamen in derselben Scene aus dem Boden hervor, und 
ein mit sechs Pferden bespannter Wagen schwebte in der Luft. 
Auch eia Phase- m it "l e bend igem Wasser kam in dieser Oper vor. 
Zwei Heerhaufen rückten gegen eine Brücke vor, welche über den- 
selben führte , und eine grosse Menge der Asiaten stürzte in das 
Wasser. Natürlich wurden dieselben als ertrunken betrachtet, und 
die Amazonen blieben von da an im Vortheil. . . . Dieses wunder- 
bare Schauspiel scheint weniger eine Oper , als ein wirkliches 
Zauberwerk zu sein. 

„Da die meisten der eingeladenen Gäste von Venedig kamen, 
so hatte der, welcher ihnen das grossartige Schauspiel gegeben, 
sie auch gegen die Dunkelheit der Nacht sicher gestellt, und damit 
diese Niemanden auf seinem Heimwege in Ungelegenheit bringe, 
hatte man den ganzen Weg von Pizziola bis zu jener grossen Stadt 
mit zahllosen Holzfackeln beleuchtet. Eine so ausserordentliche 
Pracht bei einem Privatmann dürfte wohl in Erstaunen setzen ; allein 
so war die Sitte des Landes.***) 

Zwei Jahre nach dieser Vorstellung, am 10. November 1681, 
wurde die Amazonen - Oper zum zweiten Male aufgeführt , und der 
Merkur vervollständigt seinen Bericht folgenderweise : „Die Zuschauer 
waren der Mehrzahl nach von sehr hohem Range, denn man sah 
dort den Herzog von Mantua, den Fürst von Bozzolo, den Land- 
graf von Hessen und viele Andere, sowie die Gesandten des Kaisers, 
von Frankreich und von Spanien mit ihrem ganzen Gefolge und 
mehrere Procuratoren und Senatoren von Venedig. Zweihundert ve- 
netianische Damen und ebenso viele Adelige waren gleichfalls er- 
schienen. Die Anzahl der Fremden war noch ' grosser , so dass die 
Logen und sämmtliche andere Plätze überfüllt waren. Contarini 
liess an Alle ohne Unterschied Opernbücher vertheilen und Lichter, 
um dieselben zu lesen. Die Vorstellung dauerte vierthalb Stunden 
mit vielen Abwechslungen und unter allgemeinem Beifall. 

pNebst anderen ausserordentlichen Dingen sah man dort 300 
Aeteurs, nämlich 100 Amazonen, 100 als Mohren verkleidete Männer, 
50 sehr schön berittene Männer, Pagen, Stallmeister, Lakaien und 
Kutscher, welche am Ende des Stückes eine ganz mit Goldstickerei 
bedeckte Carosse über die Bühne führten. Die am meisten bewun- 



*) „Mercure galant," December 1679. 



derten Decorationen waren die, ein grosses Gemach, dessen einzeln« 
Stücke alle aus Stickereien bestanden, vorstellende, und eine andere 
von gestickten Zelten oder Pavillons, deren Anzahl wenigstens vier* 
zig war."*) 

Die interessante Erzählung, welche wir soeben mitgetheilt haben, 
und welche an den Mercure galant, eine damals sehr beliebte und 
verbreitete Zeitschrift, gerichtet war, ist das Werk eines seiner Zeit 
durch verschiedene merkwürdige und gelehrte Mittheilungen und 
durch seine reiche Sammlung von Gemälden, Medaillen und Büchern 
sehr bekannten Reisenden, welcher sich in Venedig ziemlich lange 
aufgehalten hatte. Er hatte von dort eine kleine Anzahl von Minia- 
tur-Bildern mitgebracht, welche die Costüme aller Würdenträger der 
Republik darstellten, und die der Verleger Nicolas Bonnart im 
Stiche herausgab. Er hiess Jacques Chassebras de Cra.- 
mailles, war ein gelehrter, in allen Sprachen gewandter und durch 
seine späteren Schicksale merkwürdiger Mann, Ohne Zweifel ge- 
hörte er zu den eingeladenen Gästen des Procurators Contarini. Wir 
werden noch Manches von ihm entlehnen. 

Durch ein Vergessen oder in Folge einer damals sehr gewöhn- 
lichen Nachlässigkeit ist der Autor der Partitur zu den „Amazonen" 
nirgends genannt, und der Historiker Burney macht in dieser Be- 
ziehung folgende Bemerkung: , Während der Periode von 1660 bis 
1680, in welcher Zeit nahe an 100 Opern auf den Theatern voa 
Venedig aufgeführt wurden, findet man auf den Opernbüchern selten 
die Namen der Dichter, Componisten oder Sänger, aber der Name) 
des Maschinisten ist niemals vergessen." S. Roma- 
nin**) ergänzt diese Lücke und nennt den Maestro Carlo Palla- 
v i c i n i. Er fügt bei , dass bei dieser Gelegenheit eine mehr al« 
fürstliche Pracht entwickelt wurde, welche die Geschichte erwähnen 
muss , um zu zeigen , wie reich damals Venedig war , selbst nach 
einem unheilvollen Kriege, wie der gegen Candia gewesen war. 

In dem auf die Aufführung der »Amazone nell isole fortunate" 
folgenden Jahre begnügte sich der reiche Musikfreund nicht mit 
einem einzigen Werke, sondern er liess auf seiner Villa Bieben Opern 
in Musik setzen. Zuerst eine „Berenice" von der wir noch sprechen 
werden. Wir geben noch die Titel der folgenden Stücke: ,.// Cit~ 
tadino amante della patria, ovvero il Tello" (der vaterlandliebende 
Bürger, oder Teil), operetta in musica, Gedicht von G. M. Rap- 
p a r i n i ; „// Amante muto loquace" (der stumm - beredte Lieb- 
haber), Gedicht von Nie. Leonardi; „La forza dcl genio" (die 
Macht des Genie's) von einem unbekannten Autor. Das Textbuch 
der „Amazonen" und das der „Berenice," auf welche „Wilhelm Teil" 
folgte, tragen alle drei den Namen von Padua als Druckort. Di« 
beiden Andern, welche wir genannt haben, sind verschieden bezeich- 
net. Der reiche Mäcen, welcher wollte, dass seinem dramatischen 
Etablissement in Piazzola nichts fehlen solle, hatte eine Druckerei 
in dem Kloster jener Mädchen errichtet und das Theater wurde so- 
gar nach ihnen benannt. Die Titel der Stücke wurden nun so ah- 



*) „Mercure galant" Februar 1681. 

**) „Storia documentata dt Venezia." T. VII. Venedig 1858. 



- 154 - 



gefasst: „Dramma rappresentato in musica nel teatro Contarino 
delle Vergini di Pizziola nell anno 1680, in Pizziola, neu luogo 
delle Vergini" (Dramen, in Musik aufgeführt auf dem Theater 
Contarini au den Jungfrauen von Pizziola im Jahre 1680 in Pizziola, 
dem Aufenthalte der Jungfrauen.) 

Die bei dem Procurator versammelte Gesellschaft war zahlreich 
und glänzend; es war die Blume von Venedig. Im Frühjahr ver- 
liessen die Patrizier und die reichsten Einwohner die Stadt und 
gingen auf das feste Land, um dort ihre Yillegiatur abzuhalten ; zu 
Allerheiligen kamen sie wieder zurück, wenn die Unterhaltungen 
und Theater eröffnet wurden. Carlo Contarini hatte die Genüsse der 
Stadt auch auf seine Villa mitgenommen. Wir wollen noch Einiges 
der Erzählung von jenen Festlichkeiten entlehnen: 

„Am folgenden Tage nach der zweiten Aufführung der „Ama- 
zone" fand Abends in der Allee vor dem Palaste grosse Promenade 
statt. Die Herren und Damen erschienen alle in ihren sechsspän- 
nigen Carossen, mehr als 150 an der Zahl. Hierauf folgte ein Ball, 
auf welchem man die prächtigsten Kleider und unschätzbaren Ju- 
welenschmuck sehen konnte. Am folgenden Tage fand wieder Cor so 
in der Allee statt, und dann begab man sich in das Theater, wel- 
ches wieder mit zwanzig Wachsfackeln erleuchtet war. Der Vorhang, 
welcher die Bühne verbarg, war von carmoisinrothem Sammt mit 
goldgestickten Blumen. Man vertheilte vergoldete Lichter, und in 
dem Textbuche, welches Jedermann erhielt, war jede Scene in Stich 
abgebildet. *) Die Aufführung war dieselbe wie am vorigen Tage 
und dauerte von 6 bis 11 Uhr, fand aber so anhaltende Bewunderung, 
dass wohl niemals eine Oper mit so vielen Zeichen der Genugthuung 
aufgenommen wurde. 

„War die erste Oper schon herrlich gewesen, so wurde sie doch 
durch die „Berenice Yindicative" an Pracht der Aufzüge und Reich- 
thum der Costüme noch übertroffen. Man zählte an 500 Mitwirkende, 
nämlich 100 Pikenträger, 100 Frauen, 100 berittene Cavaliere, 60 
Hellebardiere , Jäger, Stallmeister, Pagen, welche alle im ersten 
Triumphzuge erschienen. Nichts vermöchte die Triumphzüge der 
römischen Kaiser augenscheinlicher darzustellen. Man sah sieben 
Wagen mit Trophäen beladen, und einer dieser Wagen war mit vier 
Pferden nebeneinander bespannt. Er war 20 Fuss hoch und mit 
"Gold- und Silber-Stuecatur von wunderbarer Schönheit geziert; auf 
ihm thronte Berenice. Rückwärts war ein grosser Adler angebracht, 
der seine Flügel über die Königin ausbreitete. Vor diesem Wagen, 
dem 100 prächtig gekleidete Frauen vorausgingen, sah man jenen, 
auf welchem der besiegte Feind angekettet stand. Man bewunderte 
die Ordnung dieses Aufzuges, welcher ungeachtet seiner Ausdehnung 
doch ohne alle Verwirrung von statten ging. 

„Was aber am meisten in Erstaunen setzte, das war eine wirk- 
liche Jagd auf lebende Hirsche, Bären und Eber, welche von den 
Jägern getödtet wurden. Unter den Scenerien bewunderte man 
vorzugsweise einen grossen Platz , einen Tempel , einen Stall mit 
hundert lebenden Pferden und einer Menge von Stallbedienten; ein 
-Zimmer, ganz mit Venetianer Spitzen von ausserordentlichem Werth 
garnirt ; eine Carosse, die am Ende des 2. Actes erschien, und deren 
Decke, Vorhänge, Portieren, sowie Pferdedecken von eben solchen 
kostbaren Spitzen waren , ein anderer ganz mit seidenen Blumen 
überdeckt, ein anderer mit kostbaren Steinen und wieder andere 
•mit goldenen Büsten, Diamanten, Spiegeln und Goldstuccatur reich 
verziert. Diese sechs Carossen enthielten Damen und Herred, wel- 
che galante Lieder sangen und auf dem Theater herumfuhren, wie 
mau auf einem Corso promenirt. Die Verwandlung der Decorationen 
fand nicht in der gewöhnlichen Weise statt. Diese kamen aus dem 
Boden heraus, und die auf dem Platze befindlichen verschwanden 
mit einer das Auge vollkommen täuschenden Schnelligkeit. Alles, 
was in der neuen Oper „Berenice" angewendet wurde, war verschie- 
den von dem, was man am ersten Tage in den „Amazonen" gesehen 
hatte. Da waren andere Costüme, andere Decorationen und andere 
Musiker."**) (Schluss folgt.) 



Die künftige Stellung der ehemaligen Hofbühnen 
in Hannover, Cassel und Wiesbaden, und deren 
Beziehungen zu unserer Oper, nebst einigen Worten 

über Joachim. 



*) Das Textbuch enthält 13 Abbilduugeu; es müssen also ebenso 

viele grosse Decorationen vorgekommen sein. 
**) „Mercure galant" Februar 1681. 



(Schluss.) 

Bei dieser Gelegenheit können wir nicht umhin, auf einen Um- 
stand hinzuweisen, der mit der Theaterfrage in keiner Beziehung 
steht, aber doch mit Hannoverschen Verhältnissen und für unser 
Musikleben von höchster Wichtigkeit werden kann. Es ist allge- 
mein bekannt, dass Joachim seine Stellung in Hannover aufgegeben 
hatte, zuletzt aber durch wiederholte Bitten des Königs zum Ver- 
bleiben bewogen worden war. Jetzt ist er durch den politischen 
Umschwung entbunden. Wir können mit Bestimmtheit versichern, 
dass er schon im verflossenen Winter sich nicht ganz ungeneigt ge- 
zeigt hatte, seinen Aufenthalt in Berlin zu nehmen, frer^ich nur zeit- 
weise und „ohne Musik zu machen". Wäre es jetzt nicht an der 
Zeit, dass diesem grossen Künstler eine Stellung angeboten würde, 
die ihn vielleicht zum dauernden Verbleiben entschiede? Er würde 
ganz gewiss von allen Künstlern mit Freude begrüsst werden ; Ber- 
lin wird der Centralpunkt des deutschen Musiklebens werden — 
sollte der Gewinn eines Mannes , wie Joachim , nicht ein Opfer 
werth sein? 

Was nun die Bühnen in Cassel und Wiesbaden betrifft, so muss 
diesen gegenüber wohl ein anderer Standpunkt angenommen werden, 
als gegenüber der Hannoverschen. Bei aller Anerkennung, die den 
daselbst angestellten Künstlern zu zollen ist, lassen sich doch von 
ihnen Gegenleistungen nicht erwarten, wie die, welche unserer Hof- 
bühne von der Hannoverschen bereits geboten worden sind *) — 
und selbst wenn dies der Fall sein könnte, so ist doch schon die 
grosse Entfernung als ein fast unübersteigliches Hinderniss der 
Wechselverbindung in Betracht zu ziehen. Die Unterstützung, wel- 
che die preussische Regierung den zuerst erwähnten Bühnen an ge- 
deihen Hesse, müsste also nur zu dem speciellen Zwecke der Erhal- 
tung derselben verwendet werden, ohne dass an irgend eine Com- 
pensation von ihrer Seite zu denken wäre. Dagegen könnte aller- 
dings unsere Hofbühne ihnen hie und da zu Hülfe kommen , und 
durch die vergrösserten Einnahmen , welche ein Besuch unserer 
Künstler in Cassel und Wiesbaden erzeugten, würde sich die Last 
der Subvention um ein Bedeutendes mindern. Dass die künstlerischen 
Zustände selbst sich heben würden, dürfte wohl ausser einigen Per- 
sönlichkeiten, deren Allgewalt schwinden wird, Niemand läugnen. 
Unter einer königl. preuss. Hof- Intendanz wird dem CKpellmeister 
nicht zugemuthet werden, dass er ganze Stellen aus Mozart's ff Don 
Juan" streiche, wie dies in Cassel vorgekommen ist, und gewisse 
Wiesbadener Coulissen-Affairen, die wir nicht ohne dringende Ver- 
anlassung erläutern wollen, werden mit den Veränderungen ein Ende 
nehmen. Die Künstler an den Theatern der beiden Städte werden 
sich sehr bald überzeugen, dass künstlerische und dienstliche Be- 
ziehungen zu einem grossen Staate, der im steten Fortschreiten der 
Kunst und Wissenschaft begriffen ist, auch auf ihre eigene Ent- 
wicklung, auf ihre Carriere grossen und wohlthätigen Einfluss aus- 
üben, und ein reges Leben wird sich entfalten zum Heile der Kunst, 
des deutschen Künstlerstandes. 

Was wir hier andeuten, kann allerdings nicht das Werk weniger 
Wochen sein, es bedarf der Zeit und des guten Willens auf beiden 
Seiten, aber im grösseren Wirkungskreise erzeugen sich auch grössere 
Entwicklungen, und eine grossartige Umgestaltung, wie die in unserer 
Zeit, wird nicht ohne Rückwirkung auf die Kunst bleiben. 

Vorderhand gebietet, wir wiederholen es , die Humanität 
ebenso wie die höheren Kunstzwecke, dass die Hannoversche Bühne 
schleunigst wieder eröffnet werde. 



•) Allerdings sind manche Wiesbadener von ihrem Caffieri so ein- 
genommen, dass sie ihn über Wachtel und Niemann zu stellen 
versuchen — aber 



— 155 



Das Conservatorfum der Musik In Cöln. 



Das Conservatorium in Cöln entwickelt unter der Leitung eines 
«ler grössten Componisten der Gegenwart , des Capellmeisters Fer- 
dinand Hiller, eine von Jahr zu Jahr fruchtbarere Thätigkeit in 
4er gründlichen musikalischen Ausbildung seiner Zöglinge , welche 
in technischer, wie in theoretischer und ästhetischer Beziehung der 
Richtung auf das Gediegene und echt Künstlerische durch das ein- 
trächtige und von gleichem Geiste beseelte Wirken eines Vereins 
von trefflichen Lehrern zugeführt werden. Es ist daher natürlich, 
dass der Ruf dieser Anstalt weit über die Grenzen der deutschen 
Lande gedrungen ist, so dass sie von Schülern und Schülerinnen 
aus Amerika, England, Holland, Russland besucht wird. Einen be- 
sonders erfreulichen Einfluss aber bat das Conservatorium auf die 
Erziehung tüchtiger Musiker für unser näheres Vaterland , für die 
rheinischen Provinzen. Wohl hat man in unserer Zeit, welche aller- 
dings bei wissenschaftlichen und künstlerischen Bestrebungen oft 
mehr in die Breite als in die Tiefe geht , den Cönservatorien der 
Musik den Vorwurf gemacht, dass sie das musikalische Proletariat 
sowohl im Ausüben als im Unterrichten beförderten. Was die Aus- 
übung betrifft, so ist es gerade die handwerksmässige Abrichtung 
für den nothdürftigen Broderwerb durch Musik, die sich z. B. am 
deutlichsten bei den Sängern durch den allgemein gerügten Mangel 
an technischer Schule und musikalischer Bildung zeigt, welcher die 
Cönservatorien entgegentreten, und was das Proletariat der Musik- 
lehrer angeht, so widerspricht die Erfahrung einer Vermehrung des- 
selben durch die Cönservatorien, wenn die Zeugnisse, wie an der 
hiesigen Anstalt, erst nach absolvirtem vollständigem Cursus und mit 
strenger Gewissenhaftigkeit ertheilt werden. Wir haben hier die 
Wahrnehmung vor Augen, dass unser Conservatorium den rheinischen 
Orchestern in Cöln und Aachen gar manche ihrer tüchtigsteh Mit- 
glieder zugeführt hat, abgesehen davon, dass z. B. in der neuesten 
Zeit der junge Ludwig einer der ersten Geiger geworden ist. In 
Rücksicht auf Musikunterricht sind z. B. Hr. Brambach, städtischer 
Musikdirector in Bonn, die HH. Hompesch und Hülle, die am 
Conservatorium angestellt sind, aus demselben hervorgegangen, und 
von Privatlehrern , die sich hier niedergelassen haben , sind u. A. 
Fräul. Niethen für Gesang, Fräul. Bruch, Fräul. Wer res, Hr. 
Schrattenholz für Ciavier als empfehlenswerth durch Fähigkeit 
und allgemeine musikalische Bildung , welche sie dem Conservato- 
rium verdanken, zu nennen. 

Die diesjährigen Prüfungen, in den drei letzten Tagen des vo- 
rigen Monats abgehalten, fanden sozusagen bei offenen Thüren statt, 
«md die Leistungen waren im Allgemeinen derartig, dass auch ein 
grösseres und anspruchsvolleres Publikum, als dasjenige war, wel- 
ches durch seine Anwesenheit die Theilnahme an der Anstalt und 
ihren Zöglingen bekundete, seine Freude daran gehabt haben würde. 
Im Ciavier- und im Violinspiel zeigte sich nicht allein das Resultat 
einer guten Schule , sondern bei einer Anzahl von Schülern und 
Schülerinnen echte Begabung für Musik. Unter den jungen Geigern 
zeigten sich einige vielversprechende Talente. 

Ganz besonders interessant waren die Leistungen der Classen 
der HH. v. Königslöw, Japha und Schmit im Zusammenspiel. 
Wir hörten eine Anzahl auserlesener Compositionen von Bach an 
bis auf die Koryphäen der neueren Zeit. Unter Hrn. v. KönigslÖw's 
Leitung trugen die jungen Schüler das Octett von Mendelssohn in 
sehr befriedigender Weise vor, und bei jedem neuen Satze übernahm 
ein anderer junger Geiger die erste Violinstimme, während sein Vor- 
gänger an die Bratsche trat. Ausserdem kamen Sonaten und Trio's 
Von Beethoven, Hauptmann, Schumann, Hiller, Gade u. s. w. zu Gehör. 

Am Freitag den 31. August beschlossen die Vorträge der Ge- 
sangschülerinnen der Frau Professorin Mathilde Marchesi die 
Prüfungen. Die Leistungen sowohl im Chorgesange (aus „Ipbigenie" 
von Gluck und „Die Liebe" von Rossini) als im Solo- und Ensemble- 
Gesänge bewiesen, dass die Nachfolge des Hrn. Professors Böhme, 
der aus Gesundheits-Rücksichten seine vortreffliche Wirksamkeit am 
Conservatorium aufgegeben hatte, in vorzügliche Hände übergegangen 
war, wesshalb es uns doppelte Freude macht, die ausgezeichneten 
Leistungen der Frau Marchesi in dem hohen Grade anzuerkennen, 
wie sie es verdienen. Der Vortrag von 23 Gesangstücken hinter 
einander, obwohl für eine Prüfung offenbar zu viel, fesselte trotzdem 



das Interesse bis zu Ende. Ein günstiges Geschick hat der Anstalt 
eine Anzahl recht angenehmer, zum Theil sehr schöner Stimme« 
zugeführt; unter den 12 — 15 jungen Schülerinnen haben wir fast 
keine einzige Stimme gefunden, der man nicht gern zugehört hätte. 
An allen jungen Damen war Liebe zur Sache und lobenswerthe Be- 
nutzung der Anleitungen einer so vorzüglichen Künstlerin und Leh- 
rerin, wie Frau Marchesi, wahrzunehmen. (N.-R. M.-Z.) 



N n c U r i c It t e n. 



München. Die Hoftheater - Intendanz spannt jetzt alle Kräfte 
an, um die im Personal bestehenden Lücken zu ergänzen, und das 
Theaterpublikum hat noch eine grosse Reihe von Gastspielen zu 
erwarten, die sämmtlich auf Engagements abzielen. In erster Reihe 
wird ein Frl. Malli nger aus Wien, die uns als begabte Anfängerin 
bezeichnet wird , in den Partien der Norma und Donna Anna auf- 
treten , um so ihre Begabung als Primadonna zu documentiren. 
Kunstfreunde wird es interessiren zu erfahren , dass demnächst Mo- 
zart's „Don Juan" dahier aufgeführt wird, und zwar mit Hinzufügung 
der Originalrecitative und einiger Nummern, welche bisher stets aus- 
gelassen wurden. Die Oper wird in Costümen und Decorationen 
neu ausgestattet, der Text ist theilweise nach der Uebersetzung von 
Wendung, und die Inscenirung nach Wolzogen's Vorschlägen. 
Dann kommt die „Afrikanerin" zur Aufführung; die Partien sind 
vertheilt und die Proben haben schon begonnen. Endlich wird dann 
auch der längst vorbereitete „wundertätige Magus" von Calderon 
mit Musik von Rheinberger die erste Aufführung erleben. (A. A.-Z.) 

Wien. Im Carltheater ist am 1. September zum ersten Male 
unter dem neuen Director, Hrn. Ascher, gespielt worden. Hr. 
Ascher eröffnete die Vorstellung nach vorausgegangener Aufführung der 
Festouvertüre von Lindpaintner mit einem sehr tactvoll verfassten, 
parlamentarisch gehaltenen und geistvollen Prolog, der oftmals durch 
rauschende Beifallszeichen von Seiten des Publikums unterbrochen 
wurde. Hierauf folgte Langer's Lustspiel: »Ein Wort an den Mi- 
nister," in welchem Ascher den Minister Kaunitz so meisterhaft 
zeichnet, und die Operette „Mannschaft an Bord" von Suppe. Hrn. 
Ascher wurde dieser Tage die Ehre zu Theil , vom Kaiser in einer 
Audienz empfangen zu werden. 

— Von den drei für das Schubert-Denkmal eingelaufenen Con- 
currenz-Entwürfen, von Pilz in Wien, Wiedemann in München 
und Kundtmann in Rom herrührend , ist von der betreffenden 
Jury keiner angenommen worden. Der motivirte Beschluss wird 
nächstens dem Plenum des Männergesangvereins mitgetheilt werden. 
Jeder der drei Entwürfe wurde übrigens mit 60 Ducaten honorirt. 

Brüssel. Am Sonntag den 2. September wurde das Theater 
de la Monnaie mit Meyerbeer's „Hugenotten" in glänzender neuer 
Ausstattung wieder eröffnet. Das zahlreiche Publikum empfing seine 
Lieblinge, Mme. Erembert, Mlle. Moreau und Hrn. Vidal auf 
das Wärmste, und auch der neue Tenorist Dulaurens erfreute sich 
als Raimbau einer sehr freundlichen Aufnahme. — Die komische 
Operette „ Voyage en Chine' 1 von Bazin erregte ungeheure Heiter- 
keit und gefiel mehr durch ihr drolliges Sujet als der Musik wegen. 

— Unter den Professoren der neuen Musik- Akademie in London 
unter der Direction des M. W y 1 d e sehen wir auch den Namen 
unseres berühmten Orgelprofessors Lemmens als Lehrer des Har- 
moniums angeführt, und derselbe wird demnach wohl seine Stellung 
am hiesigen Conservatorium aufgeben , um ganz nach London 
überzusiedeln. 

Rotterdam. Die deutsche Oper ist am 5. d. M. mit „Figaro's 
Hochzeit" wieder eröffnet worden.—- Unter der Leitung Bargiel's 
wird eine grossartige Aufführung der „Schöpfung" von Haydn 
vorbereitet. 

PdHs. Das für die italienische Opernsaison von Hrn. B agier 
engagirte Säugerpersonal besteht aus folgenden Künstlern und Künst- 
lerinnen: Damen: Adelina Patti, Lagrua, Castri, Calderon, Sorandi, 
LIanes, Zeiss, Biancolini, Vestri, Dorsani, Gueretti, Marcus. Herren : 
Fraschini, Pancani, Nicolini, Galvani, Ketten, Lervi, Arnoldi, Cresci, 
Verger, Agnesi, Selva, Dobbelli, Fallar, Vairo, Zucchini, Mercuriali. 

— Am 3. September wurde Eugen Walkiers, einer der aus- 
gezeichnetsten Flötisten« vom einem zahlreichen Gefolge von Freunden 



- 156 - 



«n Grabe geleitet. Er war am 92. Juli 1798 geboren und Hess sieb 
im Alter von 20 Jahren als Clarinettist bei einem Militär- Musikcorps 
aufnehmen. Doch bald vertauschte er die Clarinette mit der Flöte 
und nachdem er die letzten Feldzüge des Kaiserreichs mitgemacht 
hatte, widmete er sich mit grösstem Eifer dem Unterrichte und der 
Composition. Auf den Rath Boieldieu's verliess er Bavre , wo er 
sich mehrere Jahre aufgehalten hatte, und ging nach Paris, um dort 
unter Beicha's Leitung seine Studien zu vollenden. Als Flötis* 
kannte Walkiers in seiner besten Zeit wohl keinen anderen Rivalen 
als Tulou, und er hat eine der vorzüglichsten Flötenschulen ge- 
schrieben. In den letzten 20 Jahren seines Lebens hat er viel für 
Kammermusik componirt, nämlich Sonaten, Trio's, Quartette, Quin- 
tette für Ciavier, Streich- und Blasinstrumente. Zwei preisgekrönte 
Messen sind die einzigen Versuche, die er auf dem Felde der Kir- 
chenmusik gewagt hat. Walkiers Linterliess ein Tagebuch, in wel" 
chem alle seine Erlebnisse sorgfältig verzeichnet sindj und welches 
werthvolle Aufschlüsse über eine Menge musikalischer Ereignisse 
und Thatsacheu enthält, bei welchen er selbst betheiligt war. Er 
wird auch als treulicher Mensch seinen Freunden unvergesslich bleiben. 

— Die beiden Madrider Musikzeitungen „La Gazeta musicaV* 
und „El Artista" haben sich in eine einzige verschmolzen. 

— Der Orchesterchef Costa aus London, welcher sich gegen- 
wärtig hier befindet, beabsichtigt eine Aufführung seines Oratoriums 
„Naaman," welches die Runde durch ganz Grossbrittanien gemacht 
hat. Es wäre dies ein interessanter Versuch im italienischen Theater, 
wo David's „ Wüste" einbt so schöne Abende gewährt hat. 

— Von der Oper „Zilda" ist eine sehr gelungene italienische 
Uebersetzung von Zaffira soeben fertig geworden. Flotow ist 
mit der Composition der Recitative zu dieser seiner neuesten Oper 
beschäftigt, da mehrere Bühnen Italiens dieselbe zur Aufführung 
bringen wollen. 

— Im The'ätre lyrique haben Mlle. Cornelis als Siebel und 
Hr. C a z a u x als Mephistopheles in Gounod's „Faust" mit Erfolg 

debütirt. 

— Die Ope'ra comique hat Pergolese's „Servante Maitresse" 

mit Mine. Galli- Marie wieder aufgenommen. Ein junger Sänger 
Hamens Falchieri hat die Rolle des Pandolphe in sehr aner- 
kennenswerter Weise durchgeführt. 

— - Im Theater Porte Saint- Martin wird ein grosses Pbantasie- 
und Spectakelstück, „Die Pariser in London" dieser Tage zur Auf- 
führung kommen. Es besteht aus Ö Acten, 23 Tableaux, und Oper 
Schauspiel, Vaudeville und Ballet werden in demselben zur Vertre- 
tung kommen. 

*** D* a Hamburger Stadttheater wurde mit der Aufführung der 
„weissen Dame" vor einem sehr zahlreichen Publikum eröffnet. Die 
Aufführung selbst war für eine erste Leistung eines grossentheils 
neuen Sänger- und Orchesterpersonals eine recht zufriedenstellende, 
und erwarben sich Frl. Schneider und der neuengagirte Tenorist 
Bohlig von Mainz besonderen Beifall. Am folgenden Tage gab 
man die „Afrikanerin , tt welche trotz der 60 Aufführungen, welche 
bereits stattgefunden haben, noch nichts von ihrer Anziehungskraft 
verloren hat. 

*** Die durch den Tod des Professors Mildner erledigte Pro- 
fessorstelle für Violine am Conservatorium in Prag erhielt der be- 
gabte Violinist Rebicek. 

V Der Compoiiist Jacques Offenbach verweilte auf der 
Durchreise von Wien nach Paris einen Tag in Salzburg, besichtigte 
dort das Mozarteum und übergab vor seiner Abreise dem Redacteur 
der „Salzburger Zeitung" einen Beitrag von 100 Frs. für dasselbe. 



*** Hans r. Bülow ist vor Kurzem nach München zurück- 
gekehrt, jedoch, wie es scheint, nur um seine dortigen Angelegen- 
heiten zu ordnen, und nicht um wieder zu bleiben. 

*** Alfred Jaell bringt seine Flitterwochen in Interlaken in 
der Schweiz zu. 

%• Der Concertist en gros Uli mann hat zu seiner beabsich- 
tigten Tour durch die Provinzen Frankreichs auch den komischen 
Sänger Berthelier engagirt. 

*** Mit dem 1. September schloss das Jahr der Direction des 
Hrn. Landvogt in Pesth. Durch eine Reihe von glücklichen Um- 
ständen unterstützt, zu denen namentlich der mehrmalige Aufenthalt 
Ihrer Majestäten und des Hofstaates in Pesth gehörte, erzielte der 
Director Cassenresultate , deren sich seine Vorgänger nicht zu er- 
freuen hatten. Im Allgemeinen ist das Pestber Publikum mit dem 
Director Landvogt nicht unzufrieden, allein es hat noch manche 
Wünsche auf dem Herzen, deren Erfüllung wohl mit der Zeit nicht 
auf sich warten lassen wird. (Z. Bl. f. Th. etc.) 

*** Bei Gelegenheit des neunten Congresses der niederländi- 
schen Literatur, welcher am 28., 29. und 30. August in Gent statt- 
fand , wurden unter Mitwirkung der Gesellschaft „Orpheus" zwei 
grosse Concerte veranstaltet, in deren einem das grosse Oratorium 
„Lucifer" von Benoit zur Aufführung kam. 

*** Die Professoren J. Dupuis und C. Verken am Conser- 
vatorium in Lüttich, sowie der Canonikus De vr oje, Generaldirector 
der Kirchenmusik in der Diezöse Lüttich sind zu Rittern des Leo- 
pold-Ordens ernannt worden. 

*** Das prächtige Theater des Sultans Abdul-Medschid in 
Constantinopel, gegenüber dem kaiserlichenPalaste von Dolma-Bagthe, 
ist ein Raub der Flammen geworden. Dieses Theater, ein kleines 
Wunder von Pracht und ein wahres Meisterstück von Kunst und 
Decoration, war von S e e h a n, dem Decorateur der grossen Oper in 
Paris, erbaut und kostete ungeheure Summen« Der Schaden wird 
auf vier Millionen Franken angeschlagen. 

*** Die italienische Oper im Berliner Victoriatheater ist am 
27. Aug. mit dem „ Trovatore^ eröffnet worden, wobei der Tenorist 
Andreeff sich besonders auszeichnete. Das Ensemble liess zu 
wünschen übrig, und das Publikum hatte sich nur spärlich eingefunden» 

*** In Linz ist die Oper „Perditta" von Barbieri mit ge- 
ringem Erfolge in Scene gegangen. 

*** Im Münchener Hoftheater wurde am Namens- und Geburts- 
tage des Königs (25. August) die Oper „Richard Löwenherz" von 
Gretry bei festlich beleuchtetem Hause und vor einem äusserst 
glänzenden Publikum aufgeführt. Die Oper fand jedoch nur eine 
sehr kühle Aufnahme. 

*** N i e m a n n ist den neuesten Nachrichten zufolge lebens- 
länglich für die königliche Oper in Berlin mit 8000 Thlr. Gage und 
1800 Thlr. Pension engagirt. 

*** Hr. v. Bronsart hat einen Ruf nach New- York als Lehrer 

des Clavierspiels bei dem dort zu errichtenden Conservatorium 

erhalten. 

*** Hans von Bülow gedenkt den kommenden Winter in 

Basel zuzubringen, wo er mit den HH. Abel und Kahnt Trio- 
Soireen veranstalten und Unterricht geben will. 

%* Das Nürnberger Stadttheater soll am 16. October wieder 
eröffnet werden. 

*** Das Hoftheater in Stuttgart wurde am 2. d. M. mit Weber'» 
„Freischütz" und Frl. E h n n als Agathe wieder eröffnet. 

f In Wien ist am 6. d.M. der unübertreffliche Komiker Friedr. 
Beckmann nach langen Leiden allgemein tief betrauert gestorben. 



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15. Jahrgang. 



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1. October 1866. 



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) für den Jahrgang. 
j Durch die Post bezogen : 
\ 50 kr. od. 15 Sgr. perQuartal. 



IHHALT: Stradella und die Contarini. — Neue Vocalmusik. — Correspondenzen : Baden-Baden. Paris. — Nachrichten. 



Stradeila und die Contarini. 

Ein venetianisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert von 

F. Richard. 

- \r •• 

XII. (Schluss.) , 

' . ... Ein Contarini als Musikfreund. 

Bumer, welcher irrthümlich Padua als den Ort der ersten 
.Aufführung bezeichnet, lehrt uns, dassFreschi der Autor .der Musik 
war. Johann Dominik Freschi , ein Priester aus «Vicenza , erfreute 
sich einer gleichen Berühmtheit als Componist kirchlicher :w$e* dra- 
matischer Musik. So verhielt es sich damals fast mit allen Matrkern 
und viele derselben gehörten dem geistlichen Stand an, sogar in den 
höheren Würden der Hierarchie. Wir hätten schon bei Gelegenheit 
der Abentheuer Stradella's bemerken können, dass mehrere hochge- 
stellte Persönlichkeiten , deren Namen dort figuriren , dramatische 
Schriftsteller waren, wie s. B. der Cardinal D e l f i n, Verfasser meh- 
rerer Tragödien, und der Dichter Abbe" Vincems Grimani, welcher 
mehrere Operndramen für die Theater Venedigs schrieb, was ihn 
gleichwohl nicht hiuderte, den Purpur zu erlangen; ebenso hätten 
wir den Papst Clemens XI. (Julius Rospigliosi) nennen können, 
dessen Dramen im Original sorgfältig in der berühmten Bibliothek 
des Cardinais Ottoboni aufbewahrt wurden. 

Der Einsturz eines Neubaues , welcher zur Unterbringung der 
Decorationen und der Garderobe bestimmt war, hatte den Stillstand 
der prachtvollen Aufführungen zur Folge. Chassebras erzählt, dass 
deren noch vier hätten stattfinden sollen , aber bei dem erwähnten 
Unfälle wurden die Carossen und die Triumphwagen zerschmettert, und 
darum die Festlichkeiten eingestellt. Dem Uebel muss jedoch schnell 
abgeholfen worden sein, denn man findet, dass im nämlichen Jahre 
drei andere Musikdramen auf einem zweiten Theater des Contarini 
in Pizziola aufgeführt wurden. Von zwei dieser Dramen, „Odoacer" 
nnd „die Liebeshändel des Alidaura" sind die Autoren unbekannt. 
Der Titel des Letzteren ist bemerkenswerth ; er "lautet: „Amori di 
Alidaura , dramma rappresentato nel secondo teatro Contarini 
delle vergini di Piazzola consecrato da 8. E. il sig. Marco Con 
tarini, procurator di San- Marco al divertimento di dorne e ca_ 
valieri, che lo favorivano in Piazzola Vanno 1680. in Piazzola 
nel luogo delle Vergini, 1680, in 12*" („die Liebeshändel des AH. 
daura, Drama, aufgeführt auf dem zweiten Theater Contarini zu den 
Jungfrauen von Piazzola, gewidmet von dem Procurator M. Conta- 
rini der Unterhaltung der Damen und Cavaliere, welche ihn mit 
ihrem Besuche in Piazzola beehrten , im Jahre 1680"). Das letzte 
Drama dieser Saison, „Erginda" war das Werk einer Venetianerin, 
Namens Antonia Fontana. 

Der Carneval von Venedig diente, wie Jedermann weiss, Jahr- 
hunderte lang den reichen Müssiggängern , den Spielern von Pro- 
fession und der reiselustigen Aristokratie von ganz Europa als 
Unterhaltungs-Stelldichein. Mehrere Fürsten aus dem Hause Braun- 
schweig waren der Reihe nach dort getreue Gäste. Der Herzog 
Georg Wilhelm ging trotz der Abmahnungen seines Ministe» 



viermal dahin, um seine Einkünfte zu vergeuden. Herzog Johann 
Friedrich von Hannover, sein Brüder, war in den letzten Tagen 
des Jahres 1679 auf der Reise dahin begriffen, als ihn der Tod 
in Augsburg ereilte. Er hatte als Reisegefährten den Bischof von 
Osnabrück, Ernest August, bei sich, den jüngsten von vier Brü- 
dern, welchen wir während mehrerer Saisons als regelmässigen Gast 
unseres gastfreundlichen Procurators finden. 

Auch im Jahre 1681 befand sich der Bischof von Osnabrück 
in Venedig, und ihm zu Ehren Hess Marco Contarini in seiner Villa 
ein neues Operndrama, „Ermelinda," aufführen*). Diesmal wählte 
er als Dichter den Doctor Fr. Mar. Piccioli von Padua, einen 
damals beliebten Librettisten. Die neue Oper scheint jedoch von 
geringem Werth gewesen zu sein; gleichwohl gab man sie hierauf 
im Theater San Fantino zu Venedig unter dem Titel: „Costanza 
fortunata in amore" und wiederholte sie später in Piazzola unter 
dem ursprünglichen Titel. 

Es ist wahrscheinlich, dass die wiederholten Besuche eines 
souveränen Fürsten einigen Einfluss auf die Art der Schauspiele 
übten, welche der Procurator veranstaltete, denn mit Ausnahme der 
Wiederholung der „Ermelinda" im Jahre 1685 , der „Amori di 
Alidaura 11 im Jahre 1686 und eines , t Auridalba" betitelten Draraa's, 
das letzte, dessen Spur wir finden konnten, begegnen wir nur einer 
Reihe von musikalischen Festen, welche ausschliesslich bestimmt 
waren , die Anwesenheit des souveränen Gastes zu verherrlichen. 
Verschiedene hübsche musikalische Dichtungen, aufgeführt von den 
Jungfrauen von Piazzola, tragen dasselbe Datum, 1685, und flössen, 
was die Gedichte anbelangt, aus der Feder des paduanischen Dich- 
ters Piccioli, welcher, damit noch nicht zufrieden, sein Werk noch 
mit einer Composition, **) „L'Orlogio di piacere," krönte, welche 
die Stunden des ergötzlichen Aufenthaltes des Herzogs Ernst von 
Braunschweig in Piazzola bei Marco Contarini schildert und seiner 
Hoheit von dem Dr. Piccioli gewidmet ist. Es ist ein sehr selten 
gewordenes Buch , welches aber immer nel luogo del Vergini ge- 
druckt wurde. 

Nach allen diesen Herrlichkeiten, welche aus einer uns so 
fernen Zeit datiren und wie ein Mährchen aus „Tausend und eine 
Nacht" erscheinen , können wir glücklicherweise constattren , dass 
dies nicht Alles verloren ist, und dass uns mehr als ungewisse Er- 
innerung davon übrig geblieben ist. Wenn auch die Macht der 
der Contarini erloschen ist, so lebt doch der Ruhm dieser erlauchten 




>) 



Serenis. favori 8 E. il siguor Marco Contarini, proc. dt 
San- Marco, nel luogo di Piazzola. Padova, per P. M. Tram- 
botto, 1681, 12*. — Piazzola nel luogo delle Vergini, 1685 t 
in 12*." 

**) „L'Orlogio del piacere, che mostra l'ore del dilettevole sog- 

giorno tenuto dal duco Ernest o die Brunsteich, nel luogo di 

Piazzola di 8. E. Marco Contarini, proc. di S. M. consecrato 

dal Dr. Piccioli alV Altezza sua, in Piazzola, nel luogo delle 

Vergini, 1685, in 4* con rami." 



158 — 



Familie noch immer in Venedig. Diese grossen und bedeutenden 
Persönlichkeiten haben überall die Spuren ihres erleuchteten Dilet- 
tantismus zurückgelassen ; als grosse und grossmüthige Bürger haben 
sie die Paläste und Museen ihres Vaterlandes mit Kunstwerken an* 
gefüllt, welche ihr Glück und ihren Buhm ausmachten. Seit dem 
16. Jahrhunderte haben sie der Bepublik eine ganze Sammlung von 
griechischen Inschriften, Medaillen und Antiken von unschätzbarem 
Werthe geschenkt. Ein Friedrich Contarini, Procurator zu San-Marco, 
hatte diese Schätze noch vermehrt, indem er mit grossen Kosten aus 
Constantinopel, aus Athen, aus Morea ein ganzes Museum von Sta- 
tuen kommen Hess und sie dem Vaterlande und dem Publikum über- 
gab. Eine zahlreiche Sammlung von kostbaren Documenten war 
unter dem Titel „Libraria Contarini" schon seit langer Zeit einer 
der Hauptschätze der Bibliothek von St. Marcus, als im Jahre 1843 
einer der letzten Contarini, der Graf Gieronima, Ritter des goldenen 
Vliesses, den Werth derselben noch erhöhte durch die Schenkung 
des kostbarsten Theiles seines Archivs, enthaltend Ünica-Manuscricte 
aus dem 16., 17. und 18. Jahrhunderte. Der grossmüthige Schenker 
Hess es nicht dabei bewenden, sondern hat auch noch der Akademie 
der schönen Künste , welche ein acht venetianisches Museum ist, 
seine ganze, ausserordentlich werthvolle Gemäldesammlung vermacht, 
so dass ein nach ihm benannter Saal 110, ein anderer 66 Gemälde 
enthält. Was von den dramatischen Vorstellungen in Pizziola übrig- 
geblieben ist, hatte kein minder glückliches Loos. Derselbe hohe 
Geber hat die Bibliothek von St. Marcus damit beschenkt, und dort 
kann man nun die Sammlung von 150 Partituren studiren , welche 
man ehemals auf jener Villa aufführte; dort auch findet man in ihrer 
Reinheit die Cantaten unseres Stradella. 

Gewiss vermag Alles, was der Procurator Marco für die Musik 
und für die Musiker gethau hat, den Abscheu vor dem Mörder 
Stiadella's nicht zu vertilgen , allein wo fände man einen grossmü- 
thigeren Musikfreund ? Kann man die Liebe zur Musik weiter treiben, 
als dass man zu gleicher Zeit eine Musikschule, eine Instrumenten- 
sammlung, eine Musikbibliothek, eine zahlreiche Truppe von Sängern, 
ein vollständiges Orchester und endlich zwei grosse Operntheater 
eiue Reihe von Jahren hindurch errichtet und unterhält? 

Wir haben zwar auch in unserer Zeit noch hochgestellte Kunst- 
freunde, darunter sogar Fürsten, und es gibt deren, die sich an das 
Componiren wagen, aber ihre Art und Weise, die Künste zu ermu- 
thigen hat sich einigermassen geändert; heutzutage hält man sich 
vorzugsweise an die subventionirten Theater. 



Neuere Yocalmusik. 

Eine kritische Rundschau. 



I. 

Wenn man in diesen bewegten Tagen, welche das allgemeine 
Interesse von allen so eiteln Dingen, wie schöne Wissenschaften und 
Künste unwiderstehlich abziehen und für ihre tiefernsten , fast an 
die Existenz rührenden Neuigkeiten in Beschlag nehmen, mit irgend 
einem für Fachleute berechneten Artikel vor die Oeffentlichkeit tritt, 
so muss man Ehren halber jene bekannte Entschuldigungsformel 
aufsagen, welche Beit ein paar Wochen an der Spitze jedes grosseren 
nicht politischen Zeitungsaufcatzes figurirt; auch wir haben hiermit 
d-era Ernste der Zeit den schuldigen Tribut gebracht, und bitten den 
dazu geneigten Leser uns auf einer kleinen Wanderung durch die 
„Sangesblüthen" dieses nicht nur in der Temperatur ziemlich frosti- 
gen Sommers zu folgen. 

Der Beurtheiler eines Gesangsstückes hat vor Allem darnach zu 
fragen, ob der Text glücklich gewählt ist; sodann, ob die musika- 
lische Einkleidung auf denselben passt, ob sie nicht zu viel oder zu 
wenig, oder gar etwas ganz Anderes sagt; ferner ob das musikali- 
sche Material an sich neu, originell und schön sei ; endlich ob das 
Ganze auch den berechtigten Ansprüchen auf Klarheit, Sangbarkeit, 
überhaupt practische Ausführbarkeit genüge. Der gtösste Theil der 
Gesangsproducte der Jetztzeit laborirt an der sichtbaren Angst, eines 
der beiden Extreme zu vermeiden, deren berüchtigteres — die soge- 
nannte Bänkelsängerei, welche durch characterlose Öüsslichkeit und 
Fasslichkeit einer verderblichen Popularität nachstrebt — nicht viel 
schlimmer ist als die byperkluge Ausdrucksdttftelei, welche sich vor 



jeder gesunden Melodie scheut und schon so manches Lied schuf, 
das niemals gesungen wird. Wer aber der Scylla zu ängstlich aus- 
weicht, geräth gewiss auf die Charybdis. Um so erfreulicher ist es, 
manchem Piloten zu begegnen, der zwischen beiden glücklich durch- 
segelt, ohne in der Alles nivellirenden Salzfluth elendiglich zu 
versinken. 

Einer nun jener Glücklichen ist vor Allem Johannes Brahms, 
unter dessen neueren Liedergaben die Gesänge aus Tiek's „Mage- 
lone" obenan stehen. Vorzüglich gelungen darin ist das romantische 
Colorit, das sich in manch' seltsamer Harmonie oder cbaraeteristi- 
scher Begleitungsfigur ausspricht. Am liebsten sind uns Nr. 2 durch 
etwas herbe aber schlagende Plastik und Nr. 3 durch seine tiefe 
Innigkeit und Gluth ; eine kleine, nach Des-dur modulirende Stelle 
erinnert an eine ähnliche in Schubert's „junger Nonne". Sonst sind 
indess bei Brahms die wenigsten Reminiscenzen zu finden; so ist 
z. B. in seinem ebenfalls bei Rieter-Biedermann erschienenen Op. 32 
Alles durchweg neu, theilweise fast zu eigenartig, wozu allerdings 
die gewählten Gedichte einiges beigetragen habdn mochten ; die Perle 
von allen ist unstreitig das letzte: „Wie bist du meine Königin 
wonnevoll" etc., womit jeder nur einigermassen mit Poesie begabte 
Sänger seine Zuhörer zu bezaubern vermag. 

Ein Geistesverwandter des Vorgenannten , Max"Bruch, der 
sich noch mehr als durch seine Oper „Loreley" mit den herrlichen 
„Scenen aus der Fritjofssage" die Hochachtung aller Parteien er- 
rungen hat, beschenkt uns mit 4 Gesängen (Op. 18, Schott's Söhne), 
worunter uns besonders das erste : „Volkers Nachtgesang" (das präch- 
tige Gedicht ist von Geibel) durch Kraft und Schwung aufs wohl- 
thuendste überraschte. Der Mittelsatz: „Mein grünes Heimathleben' 1 
in E-dur ist voll tiefer Innigkeit, auch im Colorit gar characteristisch 
gehalten. Auch das „provencalische Liebeslied" ist hübsch empfunden, 
und die Begleitung interessant ausgeführt. Das ganze Heft, Jul. 
Stockhausen gewidmet, ist allen Baritonisten auf's Beste zu 
empfehlen. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Baden -Baden. 

12. Seplembtr. 

Das Geburtsfest S. K. H. des Grossherzogs ist dieses Jahr in 
Baden-Baden mit ausnahmsweiser Feierlichkeit begangen worden. 
Auch die Musik lieh ihre mächtige Stimme der kirchlichen Feier, 
indem am 9. Sept. in der katholischen Kirche vor einer zahlreichen 
Zuhörerschaft eine Messe mit grossem Orchester von FranzSchwab 
von Strassburg aufgeführt wurde, welcher schon durch zahlreiche 
Werke bekannt ist, wie z. B. durch seine Oper: „Les Amours de 
Sylvio" die in Baden-Baden und in Strassburg mit grossem Erfolge 
zur Aufführung kam, sowie durch viele in den Conversations - Con- 
certen executirten Compositionen. 

Sagen wir sogleich, dass die Messe von F. Schwab einen ausser- 
gewöhnlichen Erfolg hatte , sowohl als Composition , welche ein 
grosses Talent verräth, wie auch als Ausführung, welche ganz vor- 
züglich war. Jedenfalls war diese Feierlichkeit eine Entschädigung 
für die zu seltene Aufführung von guter Kirchenmustk in Baden- 
Baden , und F. Schwab hat den Beweis geliefert , dass der ernste 
Kircheustyl, ohne einen Augenblick die melodischen Schönheiten zu 
vernachlässigen, ihm ebenso geläufig ist wie der moderne Opernstyl. 
Instrumentirung , meisterhafte Harmonisirung, Erhabenheit, breiter 
und edler Melodiengang, Alles das erinnert an die alten Meister in 
diesem Genre und zeugt von den ernsten Studien des Autors. 

Was die Ausführung betrifft, so war dieselbe so vorzüglich, wie 
man sie selten in Baden - Baden zu gemessen die Gelegenheit hat. 
Die Ausführenden waren das treffliche Orchester unter Leitung von 
Könnemann, die Theaterchöre von Strassburg und Baden und die 
Solisten (ein seltenes Glück für einen jungen Oomponisten) die ita- 
lienischen Künstler vom Theater, nämlich die Damen Vital i und 
Grossi und die HH. Nicotin! und Agnesi. 

Eine detaillirte Analyse dieses bedeutenden Werkes würde uns 
su weit führen, wir begnügen uns, nur der hauptsächlichsten Schön- 
heiten Erwähnung zu thun. Das Kyrie (in D-moll) beginnt mit 
einer breiten und imposanten Phrase der Bässe, welche dann vom 



- 139 - 



'Chor wiederholt wird, dessen Sehluss, nur ron den Pauken begleitet, 
eine neue und ergreifende Wirkung hervorbringt. Das Gloria (in 
F-dur) contrastirt durch seinen Glanz gegen die Mässigung des vor- 
hergehenden Satzes; eine gut gearbeitete Fuge krönt das Ganze. 
Die berühmten Solisten hatten hier Gelegenheit , ihre herrlichen 
Stimmen glänzen zu lassen. Das Cre'do , die gewöhnliche Klippe 
für Kirchencomponisten , ist hier geschickt behandelt und besonders 
gut für Stimmen geschrieben; man konnte sich davon überzeugen, 
als Vitali, Grossi, Nicolini und Agnesi sich im Incamatus zum 
Quartett vereinigten, welches reich an vocalen und instrumentalen 
Schönheiten ist. Das Sanctus für 3 Solostimmen und Chor ist eines 
der grossartigsten Stücke der Messe. Das Thema, welches die rei- 
chen Instrumente des Orchesters zuerst präludiren, wird von den 
Solo-Frauenstimmen sodann angestimmt und vom Chor piano und 
crescendo wiederholt. Dieser Satz ist von sublimer Reinheit, der 
rührende Ausdruck, der diesem Engelsgesange eigen ist, verleiht ihm 
trotz seiner Weichheit eine gewaltige und unwiderstehliche Erhaben- 
heit. Die ganze Zuhörerschaft war auch sichtlich davon ergriffen. 
Das Benedictus ist ein Solo - Quartett. Der Componist hat auch 
hier wieder eine melodische Inspiration zu Papier gebracht, die einen 
lebhaften und warmen Eindruck zurücklägst. Das Agnus Dei, mit 
welchem die Partitur schliesst, ist meiner Ansicht nach sowohl im 
Styl wie in der Factur das Capitalstück der Mesae. Nach einem 
von den Blasinstrumenten unterstützten Chore wird das Motiv des 
Kyrie mit Glück wiedergebracht um sich in ein majestätisches tutti 
aufzulösen, welches das Ganze erhebend schliesst. 

Aus Paris. 

24- September. 

Der Entschluss Verdi's, die Rolle des Grossinquisitors in seinem 
„Don Carlos" dem Sänger David anzuvertrauen, hat den Prozess 
zwischen B e 1 v a 1 und der Direction der grossen Oper kein Ende 
gemacht, und das Tribunal wird zu entscheiden haben, ob die ge- 
nannte Rolle für einen ersten Bassisten geschrieben iat oder nicht. 
Vier Acte des Verdi'schen Werkes Bind bereits einstudirt. — Vorige 
Woche haben auch schon die Scenenproben der „Alceste" begonnen. 

Die komische Oper bereitet , wie ich Ihnen schon gemeldet, 
mehrere Stücke zur Aufführung vor. Von diesen wird zuerst „Mignon" 
von Ambroise Thomas in Scene gehen ; hierauf v Le fils du 
Brigadier" von Victor Masset, ein Werk, welchem sehr viel 
Gutes nachgerühmt wird. Dieser Tage werden auch die Proben 
eines neuen Werkes von A u b e r beginnen. 

Während die Triumphzüge Adelina Patti's in Deutschland 
die Blumengärten in Contribution setzen und unzählige Journalisten- 
federn beschäftigen, setzt ihre Schwester C a r 1 o 1 1 a die Musen in 
Bewegung. Alexander Dumas, der Vater verfasst nämlich 
eigens für sie einen Operntext nach einer Episode seines bekannten 
Romans: u Le Comte de Bragelonne" ; Flotow wird zu diesem Text 
die Musik schreiben. Hr. Ul 1 m a n n hat mit dem Dichter und Com- 
ponisten unterhandelt, und wie es heisst, sind die Contracte bereits 
unterzeichnet. 

„Haroun-al-Raschid," das neueste Kind der Offenbach'schen 
Laune, welches dem Publikum des Variete'-The&ters hätte vorgeführt 
werden sollen, wird nun im The'ätre du Chdtelet zur Darstellung 
gelangen, und wie man versichert, mit seltenem Glänze. 

Das italienische Theater beginnt am 2.0ct. seine Vorstellungen 
mit der „Sonnambula". Adelina Patti singt die Titelrolle. 

Die Bovffes Parisiennes haben Sonnabend unter einer neuen 
Direction die Wintersaison eröffnet. Offenbach hat diesem von ihm 
gegründeten Theater untersagt, seine Stücke aufs Repertoir zu setzen. 



I a c li r i c li t e n. 



Mainz. Die artistische Direction unseres Stadttheaters zeigt an, 
dass in der kommenden Saison 120 Abonnement- Vorstellungen statt- 
finden und dass die Bühne am 2. October eröffnet wird. Aus der 
bekannt gemachten Liste des engagirten Personals heben wir fol- 
gende Besetzung der Hauptfächer der Oper hervor: die HH. Mühl- 
dorf er, erster und Claus, zweiter Capellmeister; Hagen, Helden- 
und Spiel-Tenor ; Fischer-Achten, erster lyrischer Tenor ; Leh- 



mann, erster Bariton; Lind eck, erster Bass; Bahr, erster ftass- 
Buffo. In zweiter Reihe stehen die Tenoristen Köhler und Wei tzel, 
Baritonist T h e i s e n und Bassist Leonhard. Ferner sind engagirt 
die Damen: Frl. Hentz, dramatische Sängerin; Frau Barnay- 
Kreuzer, jugendliche dramatische Sängerin und höhere Opern- 
Soubrette; Frau Skalla-Borzaga, erste Coloratur-Sängerin ; 'Frl. 
Wolff, Altistin; Frl. Herbold, Opern- und Vaudeville-Soubrette; 
Frl. Merbitz, komische Alte in Oper und Vaudeville. 

Sondershausen. Hr. Fried r. Marpurg verlässt zum allge- 
meinen Bedauern seine hiesige Stelle als Hofcapellmeister, um sich 
an die Ufer des Rheins zurückzuziehen. Das Programm seines Ab- 
schiedsconcertes am 23. Septbr. bestand aus: I. Theil: Ouvertüre zu 
„Medea" von Bargiel; Vorspiel zu „Lohengrin" von Wagner; Sin- 
fonie in C-moll (Nr. 6) von Beethoven. IL Theil: Ouvertüre zu 
Byron's „Manfred" von Schumann; „Tasso," Lamento e Trionfo, 
sinfonische Dichtung von Liszt. 

Hannover. Die hiesige Hofbühne wird fortan unter der artisti- 
schen Leitung des Hrn. von Bequignoles, bisher Regisseur in 
Wiesbaden, stehen und ist bereits wieder eröffnet worden. Der König 
von Preussen hat sämmtlichen Angestellten des Hoftheaters mittheilen 
lassen , dass er alle bestehenden Verpflichtungen Obernehmen und 
das Theater auf dem bisherigen Fusse fortgeführt wissen wolle. Die 
Gagenabzüge werden vom 1. d. M. an nachgezahlt. 

Strassburg. Am 2. Septbr. feierte der Elsässische Sängerbund 
in Benfeld sein 8. Gesangsfest unter Direction von L. Liebe, bei 
welchem u. A. ein Chor: ,,Mon Pags* von Liebe und „Noel* von 
Adam, für Männerchor und Blasinstrumente von Liebe arrangirt, sehr 
beifällig aufgenommen wurden. Die Socie'te 1 Choräle von Strassburg 
sang Abt's „Abschied vom Vaterland" mit vortrefflicher Präcision. 

Paris. Mlle. N i l 8 s o n , schreibt die »France musicalc" hat 
bekanntlich einen Theil des Sommers in England zugebracht; man 
wusste daher nichts Besseres zu thun, als sie zur Braut eines reichen 
Banquiers in London zu machen. Es wäre wohl möglich, dass dieser 
reiche Banquier das Theater ihrer Majestät ist, welches in Wirk- 
lichkeit der Mlle. Nilsson eine wahre Goldbrücke gebaut hat, um 
die Unterzeichnung eines Vertrags mit der „Königin der Nacht" 
herbeizuführen. 

— Wenn es noch keine „Ente" gäbe, so würde die „Flrance 
Choräle" dieselbe erfunden haben, wie man aus folgendem, von ihr 
in allem Ernste erzählten Wunder schliessen kann. Ein alter Po- 
saunist, ein Bewohner des Meuse-Departements , dem wohl bekannt 
war, dass man mit einiger Geduld Papageyen, Staare und Raben 
singen lehren kann, gab sich die Mühe, eine der Enten auf seinem 
Hofe zu unterrichten. Er wählte zu diesem Zwecke ein sehr junges 
Exemplar und spielte ihm in einem abgelegenen Gemache, fern von 
allem Geräusche, dieselbe Melodie jeden Tag 200 Mal nacheinander vor. 
Die junge Ente fing bald an, einige den Tönen ihres Meisters ent- 
sprechende Laute zu stottern. Nach Verlauf von sechs Monaten 
kannte der gefiederte Zögling seine Noten, und jetzt singt die Eute 
zum grossen Erstaunen der ganzen Gemeinde ganz deutlich die' 
ersten acht Tacte der Melodie. Der Eigenthümer der Ente will 
nach Paris geben, um das Talent dieses seltenen Vogels auszubeuten. 

— Die musikalische Presse von Paris wird bei der demnächsti- 
gen Wiederaufnahme der Oper „Astorga" durch Hrn. Gasperini 
vertreten sein. 

— Das Mauerwerk des neuen Opernhauses ist fast ganz voll- 
endet. Man beschäftigt sich nun mit den Ornamenten, Basreliefs, 
Gruppen und Statuen; die Arbeiten werden mit dem grössten Eifer 
betrieben. 

— Im The'ätre lyrique wird der „Freischütz" in nächster Zeit 
mit der vollständigen Musik von Weber, ohne Abänderung und nach 
der neuen Uebersetzung von Trianon gegeben werde. Die Haupt- 
rollen befinden sich in den Händen der HH. Michot und Troy, 
der Damen D a r a m und Schröder. Letztere ist eine deutsche 
Sängerin, welcher man bedeutenden Erfolg voraussagt. 

— Die von mehreren Blättern gebrachte Nachricht, dass der 
Hofbai ldirector Strauss für die Dauer der Ausstellung von 1867 
im Industriepalaste in den Champs-Elysees Monstreconcerte unter 
der Leitung des Hrn. Pasdeloup veranstalten werde, ist vollkom- 
men unbegündet. 

H« W -York. Carl Anschütz wird, wie es heisst, ein Conser- 
vatorium für Musik in hiesiger Stadt errichten. Ein solches Unter- 



- 160 - 



nehmen, auf solider Basis rntd nicht lediglich in der Absicht errichtet, 
snf die leichteste Weise das meiste Qeld zu verdienen, würde augen- 
scheinlich segensreich für New- York sein. Competente Kräfte, welche 
als Lehrer an dem Institute beschäftigt werden könnten, gibt es genng. 

*** (Marmor-Flöten.) Solche existiren nur zwei; die eine 
befindet sich in der Sammlang des Fürsten Demidoff and die 
andere gehört dem Violoncellist S er vais in Brüssel. Sie sind beide 
nach der modernen Form von einem Marmorarbeiter in Carrara ge- 
schnitten, gebohrt und ausgerüstet, und sind die einzigen Exemplare, 
die ihm gelangen sind. Diese in ihrer Art einzigen Instrumente 
sind vollkommen rein in der Stimmung, da natürlich die Tempera- 
tur keinen Einfluss auf das Material derselben ha,t, und der Ton der- 
selben ist merkwürdigerweise ausserordentlich sanft und angenehm. 

%* Wie Europa, so besitzt auch die neue Welt viele Männer- 
gesangvereine und 40 derselben haben sich kürzlich inLouisville 
(Kentucky) zu einem grossen Qesangfeste zusammengefunden. Die 
Staaten Indiana, Illinois und Ohio, welche grossentheils von deut- 
schen Einwanderern bevölkert sind, waren dort zahlreich vertreten, 
und so flatterte denn die schwarz- roth- goldene Fahne lustig neben 
dem Sternenbanner der amerikanischen Bepublik. Eine prachtvolle 
Festhalle, welche 4000 Personen f aaste, war zu diesem Zwecke mit 
grossen Kosten errichtet worden, und der Festzug war äusserst glän- 
zend und belebt. Das Fest dauerte drei Tage. Ob auch das in der 
alten Welt bei solchen Anlässen herkömmliche Deficit sich eingestellt 
hat, davon wird nichts gemeldet. 

*** Die Sammlung von Briefen Beethoven's, welche, trotzdem 
dass der Meister sich häufig der Schreibfaulheit anklagt , schon in 
sehr grosser Anzahl bekannt sind, wird noch um ungefähr 300 Num- 
mern vermehrt worden, welche A. T h a y e r mit der von ihm ver- 
fassten Biographie Beetlioven's herauszugeben beabsichtigt. Auch 
Jahn scheint im Besitze mehrerer noch unveröffentlichter Autogra- 
phien von Beethoven zu sein. 

\* In Paris werden nächstens fünf neue Theater eröffnet: das 
Theater des Menüs - Plaisirs auf dem Boulevard Strassburg, ein 
aweites in der Rue Lafayette, ein drittes in der Rue Saint- ff onore*, 
ein viertes in Passy und endlich das alte Theater Saint Germain, 
gänzlich umgebaut und unter dem Namen The'dtre des Folies 
Saint - Germain. 

*** Die Londoner Theaterdirectoren ergreifen, wie es scheint, 
jedes Mittel, um das Publikum anzuziehen. Hier ist eines unter 
Mehreren: Im Jahre 1766 führte man im Coventgarden-Theater eine 
Bouffonerie auf, betitelt: „Mol her Goose" (Mutter Gans), welche 
ungefähr 20,000 Pfund Sterling (240,000 fl.) eintrug.— Hr. Cave, 
der Director des Clerkenwell-Theaiers, kam nun auf die Idee, diese 
Farce nach Verlauf eines Jahrhunderts wieder auf die Bühne zu 
bringen, und er kann sich dazu gratuliren, denn das Publikum strömt 
massenhaft zu den Vorstellungen herbei. 

*** Alexander Dumas ist mit eiuem Operntexte für Frl. 
CarlottaPatti beschäftigt, zu welchem, wie man sagt, Flotow 
die Musik liefern soll. Das körperliche Gebrechen (ein merkliches 
Hinken), welches bisher Carlotta von der Bühne fernhielt, soll ein 
notwendiges Attribut der ihr bestimmten Rolle sein; die von dem 
Autor ausersehene Heldin des Stückes wäre nämlich MHe. d e 1 a 
Valliere, welcher trotz einer leichten Hüftenlähmung ein so glän- 
zendes Loos zu Theil wurde. 

%* Die Gattin des Componisten Verdi war früher als G i u- 
seppina Strepponi eine in Italien berühmte Sängerin, welche 
besonders in der Rolle der Abigail in Verdi's „Nabucodonosor," deren 
erste Trägerin sie war, grosse Triumphe feierte. Nach ihren glän- 
zenden Erfolgen in dieser Rollo zog sie sich von der Bühne zurück, 
und vermählte sich dann mit Verdi, zu dessen Rahm sie als Sängerin 
soviel beigetragen hatte. 

*** Das 15. der Musikfeste in Norfolk und Norwich , welche 
von drei zu drei Jahren stattfinden, wird am 29., 30. und 31. Oct 
und am 1. und 2. Nov. abgehalten. Die Hauptwerke, welche zur 
Aufführung kommen, sind: „Naaman" von Costa (vom Componisten 
dirigirt); „St. Cäoilia," von Benedict eigens für dieses Fest com- 
ponirt; Bruchstücke aus der „Passion" von Händel (noch nirgends 
aufgeführt); die „Schöpfung" von Haydn und „Messias" von Händel. 
Die Solisten sind die Dameu Titjens, Ruder sdorff, Wynne, 
Sinico, Demeric-Lablache, Anna Drasdil und die HH: 
£ims-Reeves, Cummings, Morini, Santley, Weiss und 



G a s s i e r. Chor und Orchester bestehen aus 400 Personen , und 
Dirigent ist Jules Benedict. 

*** Die HH. S e r v a i s und Leonard, deren beabsichtigter 
Austritt aus dem Brüsseler Conservatorium so allgemeines Bedauern 
erregt hatte, haben auf dringendes Anliegen des Ministers des Innern 
der für ihre Erhaltung bedeutende Opfer bewilligte, sich entschlossen» 
in ihrer bisherigen Stellung zu verbleiben. 

*** Die Mitglieder des Correctionstribunals in Paris waren 
kürzlich unfreiwillige Zuhörer eines Concerts für Blechinstrumente. 
In einem Prozesse nämlich , welchen der bekannte Erfinder und! 
Fabrikant der „Saxinstrumente" genannten Familie von Blechinstru- 
menten gegen unbefugte Nachahmer seiner Erfindungen anhängig 
gemacht hatte, wurden die betreffenden Instrumente zur vergleichen- 
den Beurtheilung vor dem Gerichtshofe gespielt. 

*** Die jugendliche Violinvirtuosin Therese Liebe, welche 
in letzter Saison in London concertirte, wird diesen Winter nach 
Paris gehen , um ihre Studien bei A 1 a r d fortzusetzen und dann 
auch dort sich hören zu lassen. Zur nächstjährigen Saison wird sie 
wieder nach London gehen. 

*** Die durch den Tod des Dr. A. B. Marx erledigte Pro- 
fessur der Musik an der Universität in Berlin ist dem Musikdirector 
H. Bellermann, welcher sich durch sein „Lehrbuch vom Contra- 
punkte 11 und eine Schrift „über die Mensuralnoten und Tactzeichen 
des 15. und 16. Jahrhunderts" bekannt gemacht hat, verliehen worden. 

*** Ein Sohn des Tenoristen Th. Wachtel hat kürzlich in 
Linz seinen ersten theatralischen Versuch als Stradella gewagt und 
viel Beifall gefunden. 

%* Am 20. v. M. wurden in Wien bei Wiedereröffnung der 
Hofoper durch die „Afrikanerin" Streichinstrumente voigeführt, wel- 
che nach einem neuen, von Dr. Liharczik erfundenen Systeme- 
gebaut sind. 20 Violinen und 2 Bratschen dieser neuen Construc- 
tion wurden, nachdem der ganze erste Act mit Instrumenten der 
bisherigen Art gespielt worden war, vom zweiten ab an deren Stelle- 
gesetzt, und war man dortigen Blättern zufolge allgemein angenehm 
überrascht von der nunmehr dem Streichorchester inne wohnenden 
grösseren Klangfülle und Schönheit des Tones. Besonders sollen 
die hohen Töne der E- Saite in dieser Beziehung so erheblich ge- 
wonnen haben , dass nunmehr viele bisher noch ziemlich unschön 
klingende hochliegende Stellen ganz andere Wirkung machten. 

*#* Hr. v. Hülsen, General -Intendant der k. Schauspiele in 
Berlin, ist nach Cassel und Wiesbaden abgereist, um die Umgestaltung 
der dortigen Bühnen in kgl. Theater an Ort und Stelle zu leiten. 

*** Eine neue Composition von N. W. G a d e , . betitelt : „Die 
Kreuzfahrer" ist in Copenhagen mit grossem Beifall aufgenommen 
worden. Das Werk besteht aus drei Tbeilen : „In der Wüste" — 
„Armida" — „Gen Jerusalem," und dauert etwa eine Stunde. Die 
Hauptpersonen sind: Armida, Rinaldo und Peter der Eremit. 

*** In Wien geht man mit dem Plane um, den enormen Auf- 
wand am Hofoperntheater zu beschränken, besonders in Bezug auf 
das Ballet, und diese Anstalt, sobald die bestehenden Verbindlich- 
keiten er thunlich erscheinen lassen , an einen Unternehmer zu 
verpachten. 

*** Frl. Grün vom Hoflheater in Cassel ist für die k. Oper 
in Berlin engagirt worden. 

*„* S. Thalberg hat seine Villa am Pausilipp verlassen, um 
seine Familie in Deutschland zu besuchen. 

%* Die Londoner Sängerin Frau v. Rudersdorff ist wieder 
für drei Gewandhausconcerte in Leipzig engagirt worden. 

*** Hr. Julian Kornea ist zum Director des Conservatoriums 
für Musik in Madrid ernannt worden. 

*** Für das Breslauer Stadttbeater ist Dr. Leopold Dam- 
r o s c h als Capellmeister engagirt. 

f In Darmstadt starb am 5. September der berühmte Waldhorn- 
virtuose G. Seb. Thomas, geb. 1793; in Leipzig am 9. Sept. 
W. Chr. PÖgner, geb. 1808, ehemals als Bassist ein ausgezeich- 
netes Mitglied der dortigen Bühne, in der letzten Zeit als MuBik- 
und Gesanglehrer thätig. 

f In Oudenarde starb am 9. Sept. Henri Behrens, Professor 
des Violinspiels an der dortigen Musikschule, ein sehr tüchtiger und 
dabei bescheidener Künstler. 

Verantw. Red. Ed. Fächer er, Druck v. Carl Wallau, Mainz- 



15. Jahrgang. 



JW± SM. 



8. October 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Diese Zeitung erscheint jedes 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 



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von 






lungen. 



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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



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INHALT: Das Publikum. — Ein Salon und ein grosser Künstler unter Napoleon I. — Literatur. — Correspondenz : Stuttgart. — Nachricht»». 



Das Publikum.*) 



Sonderbar ! Jeder gehört doch zum Publikum und Jeder spricht 
tob ihm als von einer dritten, fremden Person, Viele wohl gar ver- 
ächtlich. Weh* dem, der den Pöbel für das Publikum hält! In jedem 
Publikum gibt es einen Pöbel. Es ist der gedankenlose , scandal- 
leckende, gewinndürstende, umberträtschende, herumlungernde Haufe, 
dem nichts recht ist als der Lärm, der in steter Schwankung wogt, 
und dessen Atmosphäre eine anrüchige ist. Wenn man ihm seinen 
Willen thut, so schimpft er darüber, dass man es gethan, und wenn 
man ihn nicht erfüllt, darüber, dass es nicht geschehen. Ein hohles 
Bohr ist er für den , welcher sich auf ihn stützen will , ein spitzer 
Stahl für jenen, der sich vor ihm fürchtet, und in eine Nussschale 
verkriecht er sich vor dem , welcher ihm ein männliches Drohwort 
zuschmettert. Dieser Pöbel kann ohne Leithammel nicht existiren, 
und jeden Moment kann man eine andere Meinung in ihn hinein- 
pferchen: Einer sagt, man müsse froh sein, er jubelt; ein Anderer, 
man müsse trauern, er heult; ein Dritter, dieser oder jener sei ein 
vortrefflicher Mann, er vergöttert ihn; ein Vierter, er tauge nichts, 
er steinigt ihn. Der Pöbel will in Furcht gehalten sein; wer ihn 
nicht tyrannisirt, den hält er für schwach und spottet seiner. 

Ob Zeiten kommen werden, in denen kein Pöbel sein wird? 
Trotz der Verschiedenheit des Publikums vom Pöbel bestehen doch 
zwischen beiden gewisse Familienzüge , welche beide als verwandt 
erkennen lassen. Ein Teufel ist nur ein gefallener Engel und ein 
Pöbel ein gefallenes Publikum. Es ist etwas Curioses um ein Pub- 
likum ! Da steht es mitten in dem Gewirre der Parteien , in dem 
Orkane der Leidenschaften, mitten unter Liebe und Hass, Gesinnung 
und Gesinnungslosigkeit. Von allen Seiten wird es angeschrieen, der 
Eine malt ihm die Sache schwarz, der Andere weiss; Dieser stopft 
ihm etwas Bitteres, Jener etwas Süsses in den Mund; hier kommen 
Paläste, dort Bettlerhütten ; jetzt soll es weinen, dann soll es lachen. 
Die verschiedenartigsten Individualitäten, die kunterbuntesten Toll- 
heiten und Weisheiten wälzen und drängen sich ihm entgegen. Und 
mitten in diesem Tumulte steht das Publikum in ewiger Grösse, den 
Einzelnen oft untergeordnet und doch über Alle erhaben. 

Ihr, die ihr auf irgend einer Tribüne vor dem Publikum steht, 
blickt nicht verächtlich auf dasselbe herab und glaubt nicht, dieser 
Vielkopf habe keinen Kopf. Aber noch weniger haltet ängstlich 
euer Hörrohr hin und lauscht auf jedes Stimmchen, und wenn ihr in 
irgend einer Ecke den Wunsch hört, ihr solltet doch eine Schellen- 
kappe aufsetzen und Kapriolen schneiden, so beeilt euch nicht, es 
zu thun. Keiner wage es, sich zum Herrn der öffentlichen Meinung 
aufzuwerfen, doch auch Keiner sei ihr Sclave. Willst du ein Pub- 
likum beherrschen , so lasse ihm nie deine Gewalt fühlen , sei um 
keinen Euphemismus verlegen, nenne Rosenbande, was Eisenfesseln 
sind» Scheine dich seinen Launen zu fügen. Ein Publikum hasst 
alle Tyrannei und ist selbst der grösste Tyrann. Ein Publikum hat 
kein Oedächtniss : heute trägt es dich auf den Händen, morgen zer- 



*. 



*) Aus „Zellaer's Bl. f. Th., M. u. bild. K." 



reisst es dich. Es baut stets seine Folterkammer gleich neben seinen 
Freudentempeln. Der Mund, der sich öffnen will um Bravo zu rufen, 
spitzt sich leicht zum Zischen. Es macht nur einen Schritt von 
einem Krönungshügel zu einem tarpejischen Abgrunde. Früher beten 
sie keinen Menschen an, als bis sie ihn gekreuzigt haben. Ein Pub- 
likum, das du eben zu Thränen der Rührung und Wehmuth bringst, 
kannst du die Minute drauf vor Lachen bersten sehen, wenn du im 
Feuer der Rede den Frack sprengst. Die Gunst eines Publikums 
ist aalglatt, man glaubt sie festzuhalten und sie entschlüpft unter 
den Händen. Ein Publikum ist ein Schilfrohr, es beugt sich bis zur 
Erde vor dem anstürmenden Winde, doch es bricht nicht, und wenn 
die Kraft des Windes aufhört, so richtet es sich wieder empor, als 
wenn es sich nie vor ihm gebeugt hätte. 

Man braucht einen dicken eiserneu Mauerbrecher, um heutzutage 
durchzudringen. Das Publikum ist so weit gekommen, dass es so- 
gar eine türkische Trommel hören kann , ohne stehen zu bleiben. 
Wo von allen Seiten Stimmen ertönen, da achtet man nicht so leicht 
auf eine. Dem Ruhme wird alles Gute dick gebrockt vorgesetzt, 
dir wird, wenn du's auch anders verdientest, die kleine Schale wäss'- 
riger Suppe in einen Winkel gesetzt. Flieg' zur Sonne , Niemand 
schaut hinauf, weil dich Niemand kennt. Wehe dir, dass du einen 
Namen hast, sonst hättest du dir längst einen Namen gemacht. Das 
Publikum wird täglich grösser. Schallwellen, die früher nur einen 
kleinen Kreis von Menschen zu durcheilen hatten, müssen jetzt immer 
weiter und weiter dringen. Die Zeiten , wo man ein Publikum 
blenden konnte, wenn man mit der linken Hand eine Volte schlug, 
sind vorüber. Es reisst nicht mehr den Mund auf, wenn Jemand 
kalraukisch spricht, und hält nicht mehr geduldig die Augen hin, 
um sich Sand hineinstreuen zu lassen. Ein Publikum wird von 
genialen Schriftstellern gleichsam mit Stricken in die Höhe gezogen 
und geniesst dort, ohne eine feste Basis errungen zu haben, in reiner 
Luft freie, erhebende Aussicht, veredelnde Anschauungen. Wenn 
aber, sei es durch Tod oder durch was immer für andere Umstände, 
die Wirksamkeit dieser Schriftsteller aufhört und sie die Stricke aus- 
lassen, dann fällt das Publikum, welches erst eben zuvor in lichten 
Höhen geschwommen, auf unreinen Moorgrund herab und lässt sich 
dort besudeln, von eklen, platzigen Kröten sich umhüpfen. 

(Schluss folgt.) 



Ein Salon und ein grosser Künstler unter Napoleon I. 

Madame R6camier war die schönste und geistreichste Frau 
des Directoriums und unter der Regierung Napoleon's I.; selbst noch 
in den Zeiten der Restauration bis weit in die Regierungsperiode 
des Königs Ludwig Philipp ward sie hoch gefeiert von den Bestes 
aller Kreise ; bei ihr fand man die Häupter aller Dichterschulea,. 
Chateaubriand und Masset, die ersten Diplomaten, den frommen Ers- 
bischof von Parts nnd die Rachel. Sie war mit allen gleich liebens- 
würdig, aber die Tonkünstler hatten sich ihrer besonderen Aufmerk» 
samkeit zu erfreuen, denn sie liebte Musik leidenschaftlich. 



162 - 



Unter dem Kaiserreich stand sie noch in voller Blttthe ihrer 
Schönheit und die Spitzen aller Klassen der Gesellschaft versammelten 
sich bei ihr ; nach dem Salon der Kaiserin Josephine war jener der 
Madame Recamier der gesuchteste , und dort hörte man auch die 
beste Musik, dort wurden Haydn's Arien aus der „Schöpfung" und 
seine Sonaten am Besten aufgeführt. Der Träger des Gesanges in 
dem Hause der ausgezeichneten Frau war Garat, seiner Zeit ein 
so berühmter Tenorist, als jetzt die Herren X. Y. Z. — er hatte vor 
diesen höhere klassische Bildung und jenen Künstlerstolz voraus, 
der nach obenhin dieWürde wahret, Gleichstehenden gegen- 
über jedoch die Rücksichten der Collegialität und die Gebote des 
Anstandes immer aufs Genaueste einhält. In seinem hohen Alter 
wurde er freilich kindisch eitel, aber eines behielt er, das warme 
Herz für die Kunst und für die Mitstrebenden. 

Eines Abends war Garat bei Frau Recamier geladen, um seinem 
Versprechen gemäss eine Arie aus dem Oratorium von Haydu »T>ie 
sieben Worte des Erlösers" zu sing'en. Eine zahlreiche Gesellschaft 
von Künstlern und grossen Herren war versammelt, um diesen sel- 
tenen Genuss zu theilen. Unter den Letztgenannten befand sich 
auch der Herzog X., einer der vielen Altadeligen, die es zuletzt be- 
quemer gefunden hatten, die Regierung des „corsischen Usurpators" 
anzuerkennen, um wieder zu Ehren und Gütern zu gelangen, als iu 
der Treue für den angestammten Fürsten zu hungern. Diese Hemm 
hatten sich zwar in der Politik den neuen Verbältnissen gefügt, ihre 
gesellschaftlichen Principien waren aber noch die alten, sie blieben 
so viel als möglich zusammen , um die vilains von sich fern zu 
halten, uud besonders die Begegnung mit Künstlern, mit come'diens, 
chanteurs und joueurs de cluvecin war ihnen unerträglich; unter 
ihnen ragte der obenbezeichnete Herzog als Prototyp des alten 
Kastenhoch muths hervor. 

Garat ward lange erwartet, er kam auch, aber mit verzweifeltem 
Gesichte — er war so heiser geworden , dass er unmöglich einen 
Ton hervorbringen konnte. Er war selbst gekommen, damit sich 
die liebenswürdige Hausfrau , die Freundin und Beschützerin der 
Künstler selbst überzeugen könne, dass nicht etwa eine Lanne ihn 
bewog, sein Versprechen nicht zu halten. Mme. Recamier tröstete 
den Künstler so gut es ging, und kündigte der Gesellschaft an, dass 
sie den erwarteten Genuss auf einen anderen Tag verschieben müsse. 
Der Herzog, der eigentlich gekommen war, um die Kirchenmusik 
zu hören, war durch diesen Aufschub nicht sehr erbaut; noch grösser 
ward aber sein Unwille, als er Garat gewahrte, der, obwohl er nicht 
sang , sich in der Gesellschaft bewegte und dort auch gut aufge- 
nommen ward. Mit dem Kinn in der Cravatte ging der grosse Herr 
auf Mme. Räcamier los und fragte sie ganz laut: „Das ist doch 
ganz unbegreiflich, dieser Garat singt nicht, was macht er denn 
eigentlich hier?" „Er macht sich lustig über alberne Tröpfe, Herr 
Herzog" (M'amuser des sots, Monsieur le Duc) sagte der Künst- 
ler, der hinter dem Fragenden stand. Sprachlos starrte der grosse 
Herr den Sänger eine Weile an , dann drehte er ihm den Rücken 
und meinte zu Mme. Recamier: „Hören Sie, waB sich der Sänger 
bei Ihnen herausnimmt?" „Er ist hier zu Hause, mein Herr," ant- 
wortete die Hausfrau. Dsr Herzog verschwand aus der Gesellschaft, 
aber alle Künstler und Schriftsteller drängten sich von nun an um 
ihre gefeierte Beschützerin und widmeten ihr alle möglichen Hul- 
digungen. (Berl. N. M.-Ztg.) 



I 



^ »»o 



Literatur. 



Fest-Ouvertüre für grosses Orchester, zur 25jährigen 
Stiftungsfeier des Pesth-Ofener Conservatoriums, com- 
ponirt von Robert Volkmann. Op. 50. Pesth, 
bei G. Heckenast. 

Diese Festouvertüre ist ein Gelegenheitsstück, welches jedoch 
durchaus keine der Schwächen zeigt, welche derartigen, oft übereilt 
hingeworfenen Compositionen nur zu häufig ankleben, sondern im 
Gegentheil durch Noblesse der Erfindung, durch lebhaften, natür- 
lichen Fluss der Gedanken, durch gewandte Factur und glänzende, 
effektvolle Instrumentation sich in hohem Grade auszeichnet. Es 
wird daher dieses Werk des geistvollen Componisten allenthalben 
•ich als ein sehr passende« Repertoiratück für Orchesterconcerte 



empfehlen, und gerade die characteristischen nationalen Anklänge, 
die darin enthalten sind, dürften demselben einen besonderen Reis 
verleihen. 

Drei Gesänge. „Sie siegt" von Almers, „Elegie" von 
Max Huber und „Die Taube," nach Walter Scott 
von Freiligrath, für gemischten Chor componirt 
von J. Muck. Op. 10. Leipzig, bei C. F. Kahnt. 

Der Gomponist genannter Gesänge hat schon früher sich in 
diesem Genre n»it Glück versucht, und auch die uns vorliegenden 
Lieder können wir mit gutem Gewissen auf das Beste empfehlen, 
da dieselben der Ursprünglichkeit der Erfindung, des schönen Flusses 
der Melodien uud der interessanten Stimmführung wegen au den 
besseren Erzeugnissen der betreffenden Gattung gezählt werden dür- 
fen und bei sorgfältig vorbereiteter Ausführung ihre Wirkung nicht 
verfehlen, wie wir uns selbst zu überzeugen schon Gelegenheit ge- 
habt haben. E. F. 



CORRESPONDENZEN. 



JLus Stuttgart. 

Anfangs Oetober< 

Am 27. Sept. gab eine früher unserer Hofbühnen angehörige 
Sängerin, Frl. Elise Richter, ein Kirchenconcert, worin sie einen 
hübschen Psalm von Martini , sodann das bekannte Händel'sche 
„Heilig," das ursprünglich eine Liebesarie: „Dove sei* in „Rode- 
linda" war, und endlich die noch bekanntere, unter Stradella's Name 
coursirende „Pregbiera" vortrug, deren Styl so sehr jenem Pergolese's 
gleicht, dass wir sie unbedingt diesem Meister zuschreiben möchten. 
Frl. Richter besitzt eine höchst kräftige , in der Mitte gar wohl- 
klingende Altstimme, die indessen etwas schwer anspricht; auch ist 
der Uebergang in die tiefen Brusttöne zu wenig vermittelt, was wir 
bei so vielen Altistinnen zu beklagen haben; Technik und Vortrag 
erschienen grossentheils als befriedigend. Unterstützt wurde das 
Concert durch unseren neugewonnenen Hofsänger Bertram, der 
zwei Arien aus , Elias" und „Paulus" mit seiner klangvollen Bariton- 
stimme, einige longueurs abgerechnet, zu bester Wirkung zu bringen 
wusste, — dann durch die „Metallharmonie," einen kleinen, aus den 
tüchtigsten Bläsern unserer Hofcapelle bestehenden Blechmusikverein, 
deren meisterhafter Vortrag ernster Sätze uns schon oft erfreute, — 
und endlich durch Hrn. E. Tod, der sich in einem mit genannter 
„Metallharmonie" vorgetragenen gewaltigen Choralvorspiel und der 
schwierigen Passacaglia von Seb. Bach als routinirter Orgelspieler 
zeigte. Bezüglich der Begleitungen, welche derselbe ebenfalls mit 
Vollkommenheit ausführte , möchten wir den Wunsch ausdrücken, 
dass Singstücke, deien Accompagnement sich häufig in wiederholten 
gestossenen Accorden bewegt (z. B. lg:), die einmal der Natur des 



Instruments völlig widersprechen, entweder gar nicht auf der Orgel 
begleitet würden , oder dass man wenigstens die gehörigen Aende- 
rungen träfe, natürlich ohne dem Wesentlichen der Compositum zu 
nahe zu treten. Auch sei man bei Concerten jeder Art bedacht, 
nicht Stücke von gleicher Tonart aufeinander folgen zu lassen, 
was das Ohr ziemlich ermüdet; diesmal z. B. kamen vier Nummern 
in Es-dur unmittelbar nacheinander, was offenbar daran lag, dasi 
man bei Entwurf des Programme« begreiflicher Weise nicht nach 
den Tonarten fragte. 

Im nächsten Concert des „Singvereins" kommen u. A. zur Auf- 
führung: Chorlieder von MendVssohn (Morgengebet), Fr. Lachner 
(Abendlied), Gretry (aus „LÖwenheri"), Attiuger, E. Tod, L. Stark 
(Frauenchöre aus dem bei Falter & S. in München erschienenen 
Op. 52), Terzetten von Chelard (aus „Macbeth") und Cimarosa (ans 
„Matrimonio srgretto'), schliesslich derLiedercyklus: „Dichterliebe" 
nach H. Heine von R. Schumann. — Auch der „Verein für classische 
Kirchenmusik" wird demnächst seine Tbätigkeit wieder aufnehmen, 
nachdem Hr. Prof. F a i s s t nach glücklich beendigter Cur in neu- 
gestärkter Gesundheit zurückgekehrt ist. T. 



— 163 - 



Nachrichten 



Mainz, 4. October. Das hiesige Stadttheater ist unter der ar- 
tistischen Leitung des Hrn. Director Behr am vergangenen Sonn- 
tag mit Mozart's „Zauberflöte" eröffnet worden, welcher am Montag 
„Don Carlos* und am Dienstag Gounod's „Faust* folgte. Wir waren 
vom Besuche dieser Vorstellungen abgehalten, hören aber, dass die 
beiden Opern, namentlich aber die „Zauberflöte," in sehr befriedi- 
gender Weise vorgeführt wurden , und dass namentlich die Damen 
Frl. Hentz, Frl. Wolff und Frau Skalla-Borzaga, sowie die 
Herren L i n d e k (Sarastro und Mephistopheles) und Leouhard 
(Papageno) vielfachen Beifall erhielten. Weniger günstig lauten die 
Urtbeile über die Aufführung des „Don Carlos". Wir werden nicht 
verfehlen, sobald wir die nöthige Uebersicht über die Leistungen 
des Opernpersonals gewonnen haben, unsere Ansicht über dieselben 
mitzutheilen. E. F. 

CÖln. Die Concert- Gesellschaft wird zehn Winterconcerte im 
Oürzenich unter Leitung des städtischen Capellmeister Hrn. Ferd. 
Hiller geben, und es sollen in dem ersten derselben die Sinfonia 
eroica von Beethoven und das Requiem von Cherubini zur Auffüh- 
rung kommen. 

Wien. Hr. Aloys P o k o r n 7 ist als Regisseur am Carltheater 

engagirt. 

— Der k. k. Kammersänger Dr. Schmid, welcher bekanntlich 

in der Schweiz sehr bedenklieb erkrankt war, ist nach seiner glück- 
lichen Wiederherstellung nun wieder dahier eingetroffen uud wird 
bald wieder auftreten. 

— Der Componist Zaytz hat beim Carltheater eine neue Ope- 
rette: „Zwei Paar Geschwister" eingereicht. 

— Die „philharmonische Gesellschaft* wird in ihren diesjährigen 
Concerten folgende Orchesterwerke zur Aufführung bringen: von 
Beethoven die 6., 8. und 9. Sinfonie, die Musik zu „Egmont" und 
„Leonoren 1 *- Ouvertüre N° 2; von Mozart: Sinfonie in D-dur und 
„Serenade"; von Haydn: Sinfonie in G-dur; von Mendelssohn: Sin- 
fonie N* 3 (A-dur) und Hebriden-Ouvertüre ; von Weber: Ouvertüre 
zu „Oberon" und „Aufforderung zum Tanze u ; von Berlioz: ,,Car- 
neval romaine"; von Schumann: Sinfonie N° 2 und „Ouvertüre, 
Scherzo und Finale"; von R.Wagner: Faust-Ouvertüre; von Gade: 
ßinfouie N* 1. Als Novitäten: Suiten von Raff und Lachner; Sin- 
fonien von Hiller und Bargiel. 

— Frl. Aglaja von Orgenji, welche ihr Engagement am 
Berliner Operntheater aufgegeben hat, weil sie bei der Siegesfeier 
nicht mitsingen wollte, ist am hiesigen Hofoperntheater als Aniina 
in der „Nachtwandlerin" aufgetreten und hat vielen Beifall geerntet. 

— Das Conservatorium wird der herrschenden Epidemie wegen, 
gleich den übrigen Schulen, erst am 15. October eröffnet werden. 

Brüssel. Nach dem Tode der Gattin des verdienstvollen, hoch- 
bejahrten Directors des Conservatoriums, Hrn. F£tis, ging das Ge- 
rücht , dass derselbe diese Stelle niederlegen wolle. Seitdem hat 
Hr. Fetis mit unbegreiflicher Ausdauer den endlosen Prüfungen des 
Conservatoriums beigewohnt, so dass man berechtigt war, jenes Ge- 
rücht für unbegründet zu halten. Gleichwohl hat sich dasselbe 
neuerdings, und zwar in verstärktem Grade, wieder vernehmen lassen, 
und man fängt im Publikum bereits an , die Bewerber um seine 
Stelle am Conservatorium zu mustern, unter welchen wohl Gevaert 
die hervorragendste Capacität sein dürfte. 

Paris. In der italienischen Oper soll „Saffo" von Pacini 
wieder aufgewärmt werden , obwohl diese Oper bei ihrem ersten 
Erscheinen auf derselben Bühne vor mehr als 20 Jahren nach drei 
Vorstellungen wieder vom Repertoir verschwand und selbst von den 
Trägern der Hauptrollen, Mlle. Grisi, Rubini, Lab lache und 
Tambur ini nicht gehalten werden konnte. 

— Der Senator und Intendant der kaiserlichen Theater, Graf 
Bacciochi, ist, 63 Jahrealt, gestorben. 

— Der neue Saal „Athenäum" wird Ende October eröffnet 
werden. In den drei von Pasdeloup dirigirt6n Wochenconcerten 
wird an einem Abende ein Oratorium, am andern eine sinfonische 
Musik und am dritten Abende eine Auswahl von verschiedenen 
Compositionen für Orchester und Gesang zur Aufführung kommen. 
Unter den Werken, deren Vorführung beabsichtigt ist, befinden sich : 
die vollständige Musik zu „Struensee" von Meyerbeer und das 
Oratorium „Israel" von Händel, welche beiden Werke wahrscheinlich 



in der ersten Woche aufgeführt werden. Auch Costa's Oratorium 
„Naaman" soll im Laufe des Winters gegeben werden unter Faure's 
und Mlle. Patti's Mitwirkung. 

— Die Einnahmen der Theater, Concerte und öffentlichen Schau- 
stellungen aller Art betrugen im Monat August 1,054,427 Frcs. 

— Im The'ätre lyrique wird nächstens die Oper „Sar danapale" 
von Victorien Joncieres gegeben werden; in der Rolle der 
Myrrha wird Frl. Hebbe, eine schwedische Sängerin, debütiren. 
(Dieselbe ist vor ein paar Jahren in Frankfurt und Mannheim mit 
mittelmässigem Erfolge aufgetreten.) 

— Die Opinion nationale bringt am 31. Juli in ihrem Feuille- 
ton unter der Ueberschrift: 1t Les oeuvres inedites de Rossini* ein 
Verzeichniss von Compositionen, welche Rossini grösstentheils in der 
Zeit von etwa 1857 bis Mitte 1866 in Passy (bei Paris) geschrieben 
haben soll. Es werden da angeführt etwa 50 Stücke verschiedener 
Art für Gesang mit und ohne Begleitung, grösstentheils über fran- 
zösische und italienische Texte ; ferner mehr als 60 Stücke für Cia- 
vier allein uud eiuige Compositionen für Ciavier mit Begleitung 
anderer Instrumente. Von sämmtlichen Tonstücken sind nur wenige 
bekannt oder gedruckt worden, so z. B. ein „Gesang der Titanen," 
welcher in Wien in einem Concerte für das Haydn -Denkmal zur 
Aufführung gelangte, ein in der Zeitschrift La Maitrise gedrucktes 
salut aris für vier Singstimmen u. s. w. Von den übrigen machen 
wir folgende namhaft: eine kleine vierstimmige Messe mit Begleitung 
zweier Pianoforte und eines Harmoniums; ein Canon anti-savant 
ä trois voix, de'die' aux Turcos par le Cygne de Pestaro; Reci- 
tativo ritmato (Text von Dante); Hymne für Bariton und Chor; 
Choeur de chasseurs de'mocrates, für Männerstimmen, zwei Trom- 
meln und Tamtam; Ave Maria, für Frauen- und Männerstimmen; 
Echantillon melodique sur les noires de la main droite, für Piano- 
forte ; Pre'lude, Theme et Variation pour cor et piano ; un mot a 
Paganini, Elegie für Violine und Pianoforte; kleine Caprice : style 
Offenbach, für Pianoforte ; Recueil semi-comique de 66 morceaux 

pour le piano, u. s. w. Der letzterwähnten Sammlung Ciavierstücke 
(welche sämmtlich Ueberschriften haben, z. B. „Les figues Seches" 
„Pre'lude convufsif,' 1 „ Valse anlidansante ," „Spe'cimen de mon. 
temps" „Spe'cimen de Tavenir" u. s. w.) ist folgende, mit Rossiui's 
Namen unterzeichnete Notiz beigefügt: u Je de'die ces Pe'chc's de 
vieillesse aux pianistes de la quairieme classe , ä laquelle jai 
l'honneur d'appartenir." 

— Carvalho, der Director der komischen Oper, hat Mme. 
Talvo Bedogni engagirt für die Rolle der „Deborah" in der 
gleichnamigen Oper von Duvivier. 

— Rossini bat sich endlich entschlossen, seine Messe zu in- 
strumentiren, uud man hofft, dieselbe kommenden Winter zu hören. 

— Der „Moniteur" enthält ein kaiserliches Decret vom 27. 
September, zufolge dessen die Stelle eines General -Intendanten 
nicht mehr besetzt werden soll. Durch dasselbe Decret ist Camille 
Doucet, Mitglied der Akademie und Director der Theater-Admi- 
nistration zum Generaldirector dieser Behörde ernannt worden. 

— Von Verdi's r Don Carlos" ist nun auch der 5. Act bereits 
gelesen worden, und es dürfte die Oper schon im kommenden De- 
cember zur Aufführung gelangen. 

— In der Opera comique wird man den „Sommernachtstraum " 
von A. Thomas wieder aufnehmen, und Mme. Cabel zum ersten. 
Male die Rolle der Elisabeth singen. 

— Der Titel der neuen Oper von Dennery und C o r m o n, 
zu welcher Auber die Musik schreibt, lautet: „Le premier jour 
de bonheur". 

London. In einem der letzten Concerte des Hrn. Mellon im 
Crystallpalast ist der Violinvirtuose Wilhelmj von Wiesbaden 
aufgetreten und hat enthusiastischen Beifall geerntet. In dem vor- 
hergebenden Concerte Hess sich eine Flötistin, Frl. Sophie Ange- 
line mit vielem Erfolge hören. 

— Bennett ist zum Präsidenten und Otto Goldschmidt 
cum Vicepräsidenten der königlichen Akademie der Musik ernannt 
worden. 

HeW-York. Der Stein way'scbe Saal schreitet mit grosser 
Schnelligkeit seiner Vollendung entgegen und wird im December 
eröffnet werden. Die Einrichtung desselben wird sowohl in Bezug 
auf Comfort als Elegans nichts zu wünschen übrig lassen. Die Be- 
leuchtung wird eine eigenthümliche und in den grössten Concert» 



— 164 — 



•Sien Londons benutzte sein, welche bisher hier noch nicht bekannt 
gewesen ist. Diese Beleuchtung wird von England importirt werden, 
und die Kosten für das Material dazu werden begreiflicher Weise 
sehr bedeutend sein. Die Sessel für die Zuhörer werden breiter und 
bequemer, zugleich aber auch kühler sein, als irgend welche bisher 
in New-York befindliche. Die Baukosten nebst der inneren Einrich- 
tung werden sich auf ungefähr 125,000 Dollars belaufen. 

V* Carl Tausig, Hofpianist des Königs von Preussen, hat 
in Berlin eine Schule für die höhere Ausbildung im Clavierspiel 
eröffnet. Der Lehrgang umfasst die Ausbildung der Technik bis 
zur höchsten Virtuosität, des Vortrags, des Vomblattspiels 
und des Zusammenspiels. Ausserdem erhalten die Schüler und 
Schülerinnen wöchentlich zwei Mal Unterricht im Solospiel, sowie 
die nötbige Unterweisung in der Harmonie- und Formenlehre durch 
Hrn. Musikdirector Weit z mann ertheilt wird. Jeden Monat finden 
Versammlungen statt, um den vorgeschritteneren Schülern Gelegen- 
heit zu geben, vor Zuhörern zu spielen und die dazu nötbige Un- 
befangenheit und Sicherheit zu erlangen. Das jährliche Honorar 
beträgt für den Cursus im Clavierspiel 60 Thlr., für den Cursus in 
Clavierspiel und Theorie 75 Thlr. in vierteljähriger Vorausbezahlung. 
Anmeldungen werden von der Musikhandlung des Hrn. Eugen 
S i m m e 1 in Berlin , Mohrenstrasse 36, angenommen. 

*»* Aus Wiesbaden schreibt man vom 2. Oct.t Morgen wird 
unser Theater, welches nunmehr unter der Leitung des Hrn. B e- 
quignolles und unter der Oberleitung des k. General-Intendanten 
Hrn. von Hülsen in Berlin steht , den neuen Verhältnissen ent- 
sprechend eröffnet werden. 

%• Nachdem die HH. T h o m a s undReyer es abgelehnt 
batteu, als Experten in dem Prozesse zu figuriren, welchen der Di- 
rector der grossen Oper in Paris gegen deu Sänger Belval wegen 
NichtÜbernahme einer Rolle in Verdi's „Don Carlos" anhängig ge- 
macht hat, lässt sich nun der ehemalige Tenorist Duprez zu 
dieser heicklen Aufgabe herbei und ist bereits in Eid genommen 
worden. 

*** Ullmann hat seine französische Rundreise in Boulogne 
begonnen. Heben Carlotta Palti findet auch der Sänger 
T r e b e 1 1 i grossen Beifall. 

*** Für die Oper in Madrid sind für die Wintersaison folgende 
Künstler engagirt worden: Soprani: Borghi-Mamo, Lotti, Car- 
lotta Marchisio, Penco, Sonieri; Contralti: Maiietta Bianco- 
lini, Barbara Marchisio; Tenori : Fraschini, Graziani, 
Paleriui, San t es; Baritoni: de Bassini, Stört i, Varvoni, 
Padovan!; Bassi : Medini, Selva; Buffo : S c a 1 e s e. 

Das Personal der italienischen Oper in Lissabon ist folgendes: 
die Damen Volpini, Rey-Balla, Ester Paganini und die 
HH. Mongini, P i c c i o 1 i, Marin, Squ arci a, Pandolfini, 
Junca, Ordinas, Reduzzi. 

*** Der Tenorist Naudin verlässt die grosse Oper, da sein 
Engagement abgelaufen ist, und wird wieder zur italienischen Oper 
übergehen, die er uur verlassen hat, weil Meyerbeer ihn ausdrücklich 
für die Tenorpartie in der „Afrikanerin" designirt hatte. 

*** In Brüssel hat eine jugendliche Sängerin, Mlle. Sarah Le vy, 
grosses Aufsehen erregt. 

*** Alfred Jaell, welcher seine Flitterwochen in Interlaken 
zubringt , wird dort bis zum 20. October verweilen und dann in 
etwa 20 Concerten der musikalischen Gesellschaften in Basel und in 
anderen Städten der Schweiz sich hören lassen. Auch Joachim 
wird zur selben Zeit die Schweiz besuchen. 

*** Die Solotänzeriu Mlle. S a 1 v i o n i vom Scalatheater in 
Mailand ist im Berliner Opernhause in dem Ballet: „Ballanda, oder 
die Entführung der Proserpina" mit vollständigem Erfolg aufgetreten. 

*** Hans Schläger, der Director des Mozarteums in Salz- 
burg , brachte vor Kurzem in einem Concerte die zwei ersten Acte 
seiner Oper „Heinrich und Ilse" zur Aufführung, welche so grossen 
Beifall fanden, dass ihm vom Orchester und der mitwirkenden Sing- 
akademie ein Lorbeerkranz überreicht wurde. Das Werk wird wegen 
seiner noblen Erfindung und glänzenden Instrumentation gerühmt, 
soll aber ausserordentliche technische Schwierigkeiten darbieten. 
Unter den Solisten hat sich die Gräfin von Gatterburg (Ilse) be- 
sonders ausgezeichnet. Man ist sehr gespannt auf die beiden letzten 
«Acte, welche ebenfalls bald zur Aufführung kommen sollen. 



*** Der Magistrat zu Rostock hat beschlossen , dem Concert- 
meister Müller die städtische Musikdirectorstelle zn übertragen. 
Es ist daher zu hoffen, dass das berühmte Quartett der Gebrüder 
Maller nach Rostock übersiedeln , und das dortige Musikleben 
wieder etwas gehoben werde. 

*** Das Pesth-Ofeuer Conservatorium versendet jetzt das schön 
ausgestattete Gedenkblatt, welches dasselbe den Künstlern und Di- 
lettanten gewidmet, die bei der 25jährigen Jubelfeier des Conserva- 
toriums unentgeltlich mitgewirkt haben. Die in der Mitte des Blattes 
befindliche Danksagung , welcher der Käme des betreffenden Mit- 
wirkenden folgt, ist von den Mitgliedern des Festcomit6*s unter- 
zeichnet. Den Text des Diploms umgeben schöne Zeichnungen, 
links das Gesangsfest im Stadtwäldchen, rechts Liszt, wie er in 
der Redoute das grosse Orchester dirigirt. 

*** Der Ciavierauszug von A b e r t's „Astorga" wird demnächst 
im Verlag von Breitkopf & Härtel erscheinen. 

*„* Der Pianist T h eodor Ritter ist in Brüssel unter dem 
Namen Felix als Sänger aufgetreten und — durchgefallen. E» 
fehlt ihm zwar an Stimme, dagegen spielt er um so schlechter. 

*„* Vom Violinvirtuosen Miska Hauser, dessen lyrische 
Violiucompositionen die Runde durch die Welt gemacht haben, er- 
scheint demnächst im Verlage der Hofmusikalienhandlung C. A. Spina 
eine neue Serie von sechs Stücken. Für die zahlreichen Liebhaber 
des Violinspieles gewiss eine gute Nachricht. 

*„* Am 4. Oct. begannen die Gewandhausconcerte in Leipzig» 
*** In Moskau ist das unter dem Prote ctorat der Grossfürstin 
Helene gegründete Conservatorium eröffnet worden. Director ist 
Nicolaus Ruhinstein und die Lehrer sind ausser diesem: Joh. 
Wieniawsky, Door und Dubucoque für Piano, Laub für 
Violine, Minkus für Viola, Cossmann aus Weimar und Oeser 
aus Dresden für Violoncell, Tschaikoffsky für Theorie, Frau v. 
Kotschetoff und Frl. Walsek für Gesang. Fürst Taubetz- 
k o y hat sich um die Gründung des Conservatoriums besonders ver- 
dient gemacht. 

*** Alex. Dumas klagt in seinen neuesten Memoiren über 
die tausendfältige Noth, die er gehabt habe, für Meyerbeer Dich- 
ter zu sein. Allerhand grosse Dinge scheiterten an seinen Kleinlich- 
keiten. So hat er Dumas auch eine Oper »Der Carneval von Rom" 
mit Banditen, Pilgern und Pifferari aufgegeben. Eines Abends kommt 
Meyerbeer und verlangt auf seine bereits fertige Musik ein drei- 
strophiges Weihnachtslied mit einem bestimmten Refrain. Da Dumas 
nur zwei Reime darauf hatte, brach er die Sache ab und ging wieder 
zu seinem Scribe, der nach besonderer Klausel für jeden retouchir- 
ten Vers 50 Centimes erhielt. „Meyerbeer wollte wenigstens das 
Außergewöhnliche, wenn er das Unmögliche nicht haben konnte; 
die Musik trug er immer fertig in der Tasche, der man dann ein 
Duett, eine Cavatine oder ein Recitativ anpassen sollte, so dass in 
Wahrheit nicht er die Musik zu dem Gedicht, sondern der Librettist 
die Verse zu der Musik machte." 

*** Zu dem Zwecke, in den grösseren Städten Englands Con- 
certe zu geben, hat sich Frl. Titjens mit den Damen Sinico, 
Demeric-Lablache und den HH. Mario, Morini, Stanley, 
Gassier, Folli, Bossi und dem Capellmeister Arditi vereinigt. 
*** Der Hof- und Kirchenchor in Hannover ist durch Verfügung 
des Königs Georg V. aufgelöst worden. 

*„* Der Tenorist Theodor Formes ist von seiner wenig 
erfolgreichen Kunstreise in Amerika wieder nach Berlin zurückgekehrt. 
*** Am 24. September fand in der St. Hedwigskirche in Berlin 
die Trauung der gefeierten Tänzerin Marie Taglioni mit dem 
Fürsten Windischgrätz, Major in österreichischen Diensten, statt. 
*** Frl. Cornelia Meyerbeer hat sich Ende August in 
Wiesbaden mit Hrn. Prof. Richter aus Berlin vermählt. 

*** Der unlängst gestorbene Oberintendant der kaiserlichen 
Theater iu Paris, Graf B a c c i o c h i , besass 27 Orden, darunter 18 
Grosskreuze. 

f In London starb J. Lemon Brownsmitb, Organist der 
Sacred Harmony Society, 57 Jahre alt. 

f In Modena ist am 6. September der ausgezeichnete Componistj 
Biograph und Bibliograph Angelo Catelani gestorben. Er war 

am 30. März 1811 in Gastalla geboren. 

- • ii i H ». 

Verantw. Red. Ed. Föckerer, Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



]¥* 42. 



15. October 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Diese Zeitung erscheint j eden i 

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INHALT.' Das Publikum. — imcifer. — Correspondenz : Paris. — Nachrichten. 



Das Publikum. 



(S c h 1 u s s.) 
Ohne Frage herrscht im Publikum ein gesunder Naturalismus, 
ein kräftiger, wenn auch oft beschränkter Empirismus. Die Einzelnen 
im Publikum sind meistens ungebildet und beschränkt, aber in ihrem 
Gesammturtheile sind sie oft überraschend fein und tief grabend. 
Es ist als ob die Menschenmenge , welche man zusammen in den 
einen Namen Publikum fasst, nicht nur dem Namen, sondern auch 
der Sache nach eine Person würde , und somit die kleinen Por- 
tionen Verstand , die in Allen , einzeln betrachtet , vorhanden sind, 
in eine tüchtige Urtheilskraft vereinigt würden. Ein Publikum kann 
nicht dauernd über etwas im Irrthum bleiben. Kein einzelner Mensch 
hat die feine Spürnase für Anspielungen, Zweideutigkeiten u. s. w., 
als ein Publikum. So lange ein Publikum nichts Besseres kennt, 
frisst es das Schlechte , wenn es einmal einen Braten gerochen, 
schmeckt "ihm dann gewöhnliches Essen nicht mehr. Ein Publikum 
wird nicht theoretisch , sondern practisch gebildet. Ein Raubthier 
ist oft Jahre lang mit gemeinem Fressen zufrieden, hat es aber ein- 
mal Blut geleckt, dann will es immer Blut haben. Und wer wollte 
bezweifeln, dass in einem Publikum ein Raubthier steckt? Welcher 
einzelne Mensch hat schon solche Grausamkeit begangen, als ein 
Publikum? Einzeln fürchtet man sich vor zu grosser Grausamkeit, 
die Masse kann sich wechselseitig zur höchsten emporsteigern. Es 
ist seine Namenlosigkeit, welche das Publikum oft so rücksichtslos 
und kühn macht. Könnte ein Publikum zur Rechenschaft gezogen 
werden , so wäre es weit geschmeidiger ; Jeder fühlt sich unter so 
Vielen behaglich verschwinden. Mancher, der, wenn er allein wäre, 
ganz unterihänig Recht gäbe , wird im Publikum revolutionär. In 
einem Publikum steckt ein Lamm und ein Tiger. Oft lässt es sich 
durch ein Kind zu etwas bestimmen ; wenn man nur den Ring findet, 
an dem man das Leitseil anbinden kann, so kann man es überall 
hinführen. Bricht es aber in Wuth aus, dann fassen Feuersäulen 
und Wasserwogen nicht so viel verheerenden Schrecken in sich, als 
die aufgeregte Volksmasse. 

Bedauernswerther, gegen den das Publikum ungerecht ist! Mag er 
noch so schon sein, mag rechts und links, vor ihm und hinter ihm 
die Tuba tönen und die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken suchen. 
Das Publikum geht gleichgültig , misstrauisch und höhnisch ver- 
schlossen vorüber, sagt weder ja noch nein, sondern blickt gar nicht 
hin, bekümmert sich gar nicht um den Unglücklichen , der dieses 
Loos nicht verdient. Gegen den es einmal sündigt, gegen den sün- 
digt es auch con amore. Um einen Irrthum auszujäten, der einmal 
im Publikum Wurzel gefasst hat, dazu braucht es Jahrzehende. Die 
längste Zeit schleppt sich oft ein Vorurtheil durch die Masse, klettet 
sich an sie an, verschmilzt mit ihr und grinst höhnisch den Men- 
schenfreunden entgegen, welche es vernichten wollen. Oft scheint es 
schon spurlos weggesengt und ausgebrannt, doch mit der Plötzlich- 
keit des Gedankens schiesst es durch einen Zufall , gemästet in 
irgend einem entfernten Winkel empor und über Nacht ist wieder 
das vorige Terrain gewonnen. 



Wer wollte daran zweifeln , dass der Hexenglaube , der doch 
scheinbar, wenn nicht schon zu Spees' und Thomasius' Zeiten, doch 
wenigstens jetzt ausgerottet ist, durch zehn Spuckgeschichten und 
ein Dutzend Zauberhistorien wieder lichterloh erscheinen würde? 
Vielleicht gräuzt Atheismus und höchste Cultur und Ausbildung mit 
brennenden Scheiterhaufen und Auto da Fes näher aneinander, als 
man glaubt. 

Vielleicht vermag sich mitten im neunzehnten Jahrhundert 
leichter ein mittelalteilicher Un&inn auf einmal breit zu machen, als 
man sich vorstellt. Nichts stirbt gänzlich aus, was einmal in der 
Welt gewesen. Das älteste Philosophem, die unsinnigste Hypothese^ 
die widerlegteste Behauptung vermag in irgend einem Ofen, nach- 
dem bereits Jahrhunderte darüber hinweggerauscht, wieder aufge- 
wärmt und als frisch wieder aufgetischt zu werden. Nicht nur kein 
Körper, auch keine Idee geht unter, wäre sie auch die missförmigste. 
Vielleicht würde uns ein Ochs, der in einem steten Kreise als Trieb- 
kraft herumgeht, minder lächerlich vorkommen, wenn wir unseren 
eigenen Bildungsgang aufmerksamer betrachteten. 

Wo das Publikum im Areopag sitzt, da ist das günstige Urtheil 
ebenso lohnend, als das ungünstige schrecklich ist. Daher kann der 
Lyriker z. B. die kritischen zerbrochenen Scherben, die ihm aus 
dem Journal-Ostracismus einzeln zukommen, auf einsamer Kammer 
verschmerzen; doch das Auszischen eines Theaterpublikums hallt 
wie ein entsetzliches Schlangenzüngeln in dem Innersten der Seele 
des Dramatikers wieder und zerstäubt wie mit Donnerkeulen alle 
Luftschlösser, die dort prangen. 

Ein Stück Allmacht ist auf Erden geblieben, es steckt im Pub- 
likum. Gegen ein Publikum kämpfen selbst die Götter vergebens. 
Ein Publikum kann nie zu Grunde gehen. Das Publikum urtheilt 
gern im Superlativ. Es schätzt entweder zu hoch oder zu niedrig. 
Bald blickt es durch 's Ocular-, bald durch's Objectivglas. Es gibt 
kein Jahrhundert, in welchem ein Publikum nicht an einer Grösse 
gesündigt, keines, in welchem es nicht eine Nulle bekränzt. Aber 
nichts Aergeres gibt es als ein kränkelndes, blasswangiges Publikum, 
das einer von Lüge durchtränkten Sentimentalität auf ihrer hohlen 
Moudscheinwanderung träumerisch ächzend nachfolgt. Ist ein Pub- 
likum einmal auf Abwegen, so will ich es noch lieber johlend, bier- 
schenkentoll , in unverschämter, pausbackiger Bauerngesundheit in 
dem Schlamme der Sprache umhertrotten sehen, als es auf einem 
Abwege wahrnehmen, wohin es Unkenruf, Siegwarts-Jeretniaden und 
saftloses, ausgequetschtes Gemüthein verlockt hat. Das Publikum ist 
der grosse Vielkopf, der ebenso gut Nectar schlürft als Gift, wenn 
man es ihm vorsetzt, in Pfützen wühlt und Berge erklimmt. Miss- 
braucht ein Publikum nicht. In einem Publikum wie in einem Genie 
ist alles Gute und Böse vorhanden. Traut nur einem Publikum nicht 
zu wenig zu. Wer sich zu ihm herabzulassen glaubt, erniedrigt es nur» 
Stürmt nur im ungemesseneu Aarflug dahin, wenn auch das Publikum 
sich nicht mit euch emporschwingen kann , so folgen doch seine 
Blicke euch nach in die luftigen Höhen, es weidet sich an der Kraft 
und wird selbst dadurch gekräftigt. "N 



H O »fc 



— 166 



Ei 11 e i f c r, 

Oratorium, gedichtet von Emmanuel Hiel, componirt von 

Pwrre Benoit. 



Am Sonntag, den tO. September, fand in Brüssel die lange «ntt 
grosser Spannung erwartete Aufführung des .Oratoriums „huclfcP 1 \ 
von dem jungen belgischen Componisteu Benoit vor gedrängt 
vollem Saale statt, und es dürfte unseren geneigten Lesern nicht 
uninteressant sein, wenigstens auszugsweise zu erfahren, was der 
gelehrte und berühmte Musik-Schriftsteller Ed. Vanderstraaten 
in dem Journal „L'Echo du Parlement" darüber schreibt. 

„Lucifer, heisst es dort, ist in der Sprache eines Van Maerlant 
und Buesbroeck, eines Artevelde und Breydel geschrieben, 
mit einem luxuriösen Aufwände von pitoresken Epitheta's, mifeinem 
auffallenden Streben nach piquanten Rythmen und einem wunder- 
baren Verständnisse für grossartige Gegensätze. Indem ich das Ge- 
dicht Hiel's in dieser Weise characterisire , habe ich schon fast die 
Eigenschaften aufgezählt, welche dasselbe auszeichnen. Ich kann 
mich täuschen, aber ich glaube, dass dies Gedicht~ein wenig zu 
überladen (touffu). zu sehr ausgearbeitet ist, um in Musik gesetzt 
zu werden. Der Musiker braucht Situationen, nicht aber ausgesuchte 
Worte und gefeilte Phrasen. Wird man Byron, GÖthe, Schiller in 
Musik setzen?*) 

Was dem Musiker hier geholfen, was ihn gerettet hat, das ist, 
dass das Sujet rein beschaulicher Natur ist. Hiel beschrieb mit 
Dante's Feder den Triumph des Geistes über die Materie, des Lichtes 
über die Finsterniss, der Liebe über den Hass, des Guten über das 
Böse. Aber dieser Triumph ist zu leicht errungen. Da ist wohl 
Verschwörung, aber kein Kampf, folglich fehlt das Drama. In dem 
Augenblicke, wo die Elemente empört sind auf den Ruf des'Lucifer, 
erscheint der Allmächtige, und alsogleich weicht der Fürst der 
FinBterniss zurück ohne zu kämpfen, und lässt die Elemente sich 
in Licht und Liebe tauchen. Es gibt also hier nur zwei Scenen, 
oder besser gesagt zwei Panoramen , die Nacht und den Tag. 
In dieser horizontalen Dichtung, wo die Personen schweben, anstatt 
sich zu bewegen , hat der Librettist dem Musiker gestattet , ohne 
grosse Mühe den prächtigen Ciselüren sich hinzugeben), mit denen 
er seine Partitur ausgeschmückt hat. 

Ein Werk von grosser Erhabenheit der Idee, ein einfaches und 
zugleich feierliches Werk, ein Werk, in welchem die Anordnung 
der Compositiou, die Poesie der Details und insbesondere ein fieber- 
haftes Streben nach dem Unendlichen, eine unaufhörliche Betrachtung 
des Unermesslichen, den Mangel an Bewegung und Handlung, sowie 
an dem Heraustreten gewisser Partien , welche auffallend hervorge- 
hoben werden müssten — das ist, meiner Ansicht nach, die Haupt- 
Physiognomie der Partitur des „Lucifer" von Pierre Benoit. In 
dieser Schöpfung, welcher ich einen wirklichen künstlerischen Werth 
zuzugestehen keinen Anstand nehme, hat der Componist entschieden 
mit der Schulformel gebrochen und reicht dem modernen Deutsch- 
land die Hand. 

Ich bin nicht gesonnen ihn deshalb zu tadeln , weil Ursprung 
und Genie des belgischen und deutschen Volkes sich nahe berühren, 
und weil uns von Deutschland die wahrhaft grossen Compositionen 
zukommen , wie die neunte Sinfonie von Beethoven , die Gemälde 
eines Kaulbach und Cornelius. Vergessen wir nicht , dass ausser 
einem ziemlich langen Aufenthalte in Deutschland der junge Meister 
auch zweimal von derRegierung beauftragt wurde, dieMusikfeste, welche 
alljährlich am Rheine gefeiert werden, zu hören, oder vielmehr zu 
Studiren. Diese wundervollen und riesenhaften Aufführungen mussten 
wohl die Einbildungskraft unseres Musikers tief aufregen , seine 
Sinne mächtig erfassen und sein Herz lebhaft bewegen. Es scheint, 
dass er dort die Quintessenz der grossen aufgeführten Werke erfasst 
hat, insbesondere aber hat „Paradies und Peri" von Schumann, welches 
beim letzteu Musikfest in Düsseldorf aufgeführt wurde, ohne Zweifel 
einen ausserordentlichen Eiufless auf die Intelligenz Benoit's ausgeübt. 
Meiner Meinung nach hätte die düstere Partie des Werkes die 
gelungenste sein müssen. Als ein ängstlicher, gedrückter, verworrener 
Mystiker, sieht Benoit nicht, wie viele Andere, einen blauen, glän- 
zenden, strahlenden Horizont; seine Seele ist immer bedrückt und 
von schwarzen, düsteren Nebeln überschattet. Er hat die Ahnung 

*) Kann sich wohl nicht »af deren ly.Uehe Dichtungen bestehen? Anm. d. Red. 



eines leuchtenden Eden, er sieht es im Geiste; er verbindet damit 
nicht seine thränenreiche, enttäuschte Muse. Er hat nicht das Land 
gesehen, „wo die Citronen blühen". Er besitzt die Melancholie eines 
Btirer, aber mitidem Unterschiede, das« die Inapiration des deutschen 
Meisters aus erster Hand kommt und eine Welt von neuen Empfin- 
dungen eröffnet bat. Pierre Benoit kann mit Tasso sagen; »Die 
Natur hat mir eine harmonische Stimme gegeben , um mit meinen 
Klagen die Tiefe meiner Schmerzen auszufüllen. Während bei Andern 
der Schmerz die Stimme erstickt, hat mir ein Gott die Gabe ver- 
liehen zu sagen, wie sehr ich leide." 

Ich täuschte mich jedoch. Da, wo ich von Benoit erwas erwar- 
tete, hat er im Allgemeinen seine Wirkung verfehlt. Das, was er 
der betreffenden Person in den Mund legte, ist oft verworren, un- 
entschieden und sieht zu sehr nach Improvisation aus. Warum ühri- 
gens auch sich eines hohen Baritons bedienen? Würde eine tiefe 
Bassstimme nicht mehr entsprochen haben? Es liegt eine Idee in 
dieser Beharrlichkeit der Accorde, welche die Anrufungen des Königs 
der Tiefen begleiten; allein diese Wildheit der Harmonien ä la Weber, 
welche sein Auftreten ankündigen , und selbst das, was vorhergeht, 
von der Einleitung an (ein Chor der Geister) scheint mir ein wenig 
mit zu grobem Pinsel gemalt, wenn ich mir den Ausdruck erlauben 
darf. Dagegen scheint mir die bildliche Figur des Wassers mit 
Meisterhand gezeichnet zu sein. Da ist Sauberkeit, da ist logische 
Folgerichtigkeit. Alles, was das Wasser singt, ist köstlich und von 
frühlingsmässiger Frische. Das Publikum applaudirte vorzugsweise 
eine äusserst fein gemeiselte Cadenz. Der Chor unterbricht und 
schliesst in anmuthiger Weise dieses liebliche Stück. Sodann hebe 
ich die Arie der Erde hervor, welche von einfachem, grossartigem 
Cbaracter ist. Die kleinste Erzählung dieser Persönlichkeit ist weit 
über die gezwungene Gesangsweise des Lucifer erhaben. Auch die 
Partie des Feuers erscheint mir hinreissend schön. Sie ist zart 
gewoben und geschickt durchgeführt, nur sind die zarten Arabesken 
des Orchesters und all das Geflimmer der Pizzicati sowie die 
punktirten Noten der Holzinstrumente in den höheren Lagen vom Or- 
chester nicht in befriedigender Weise wiedergegeben worden, so dass 
die beabsichtigte Wirkung ganz verfehlt wurde. 

Ein grossartiges und vorzüglich schönes Stück ist das Hosiatinak, 
welches im Anfang des dritten Theils losbricht. Die Elemente 
tauchen sich in Licht und Liehe. Dazwischen hinein schmettert der 
besiegte, darniedergeschmetterte Lucifer seine letzten Verwünschungen 
und der Tod sein sardonisches Lächeln. Der Chorgesang wird ge- 
tragen von der Orgel, welche unmerklich sich in leisen Klängen 
verliert, als wollte sie eine himmlische Entzückung, eine seraphische 
Berauschung malen. Mitten darinnen bewegen sich die Motive, welche 
vorher von jeder der bildlichen Persönlichkeiten ausgeführt wurden. 
Auch der Scblusschor, obwohl ein wenig lang, verdient gleichfalls 
das Lob der Kenner. Ein Lichtblick des Quartetts trägt dazu bei, 
die Monotonie desselben etwas zu vermindern. 

Dies sind die hervorragendsten Stellen des „Lucifer 14 von Pierre 
Benoit. Ich schweige über eine grosse Anzahl anderer, welche eben- 
falls lobenswerth sind , denn ich muss zu Ende kommen. Meiner 
Ansicht nach dürften einige verständige Striche in der Partitur an« 
gebracht werden, um sie weniger gedehnt und monoton zu machen. 
Diese Striche werden leicht auszuführen sein, weil die Gedehntheit, 
von der ich spreche, nur von der zu häufigen und sicherlich unnö- 
thigen Wiederholung gewisser Motive herrührt, welche übrigens gut 
erfunden sind. Einmal in die Regionen des lyrischen Styls gerathen, 
gefällt sich Bencit zu sehr darin. Violenta non durant. 

Hr. D e 1 i g n e (Lucifer) hat seiner schwierigen Aufgabe allen 
möglichen Fleiss gewidmet. Hr. Goossens (die Erde) gab seine 
Partie mit einer Einfachheit voll Tact und Geschmack. Wer es 
versteht, so ruhig und so verständig zu singen, ist seiner Sache ge- 
wiss. Das Auftreten dieses ausgezeichneten Professors am Conser- 
vatorium (es sind zwölf Jahre , dass er sich nicht mehr öffentlich 
hören liess) wurde mit den lebhaftesten Beifallsbezeugungen begrüsst. 
Und was sollen wir von der Leistung des Hrn. Warnot (das Wasser) 
sagen? Sie war ausgezeichnet im vollen Sinne des Worts. Der 
Künstler hatte kaum einige Töne seiner köstlichen Stimme hören 
lassen, als sich schon ein sympathisches Band zwischen ihm und 
dem Auditorium knüpfte , und diese anziehende t stets wachsende 
Macht fübrte schliesslich zu einem donnernden, lange anhaltenden 
Applauke. Es ist dies einer der schönsten künstlerischen Erfolge» 



167 



«denen ieh je beigewohnt babe. Ebenso aufrichtiges Lob habe ich 
•«dem Frl. Valentine Ledelier (das Fener) zu spenden, einer 
jungen Dilettantin aus Antwerpen, welche mit einer prächtigen Contra- 
altstimme begabt ist und mit der verständnissvollen Präcision einer 
wahren Künstlerin singt. Mit dem Namen der Frl. Teichmann 
bezeichne ich eine andere ausgezeichnete Dilettantin aus Antwerpen, 
und weise auf ein hohes Talent hin und auf Alles, was ihr Eifer 
und ihre Aufopferung für die Sache Beuoit's und für das Verstand* 
ciss seines Werkes geleistet haben. Solche Talente und solche 
Hingebung sind selten, und ich schliesse mich gerne den Ovationen 
an , welche das Publikum Frl. Teichmann dargebracht hat. Alle 
Ehre auch den Musikvereinen, den Damen von Brüssel, Gent und 
Antwerpen, Ehre dem Chorverein von Gent und dem Orchester des 
Theaters de la Monnaiel Alle haben wacker ihre Schuldigkeit 
gethan, Alle haben gewetteifert an Mühe und Eifer. Eine so hetero- 
gene, aus 300 Executirendeu (Chor und Orchester) zusammengesetzte 
Masse zu leiten, erschien in Anbetracht der angeführten Verhältuisse 
als eine sehr schwierige Aufgabe. Hr. Devos, der treffliebe Di- 
rector des Chorvereins in Gent, hat dieselbe mit unglaublicher Ge- 
wandtheit gelöst. 

Unser ausgezeichneter Orgelmeister Hr. M a i 1 1 y hat sich der 
ihm gewordenen , höchst schwierigen Aufgabe auf die glänzendste 
Weise entledigt. Ein vollkommener Tact, eine erhabene Intelligenz 
haben über seiner Handhabung der sämmtlichen Register des mäch- 
tigen Instrumentes gewaltet, welches der Künstler unter seinen Hän- 
den hatte. Hr. Alphons Mailly dürfte bald, wie man sagt, am Con- 
servatorium jene Stellung eiunehmen , welche sein hervorragendes 
Verdienst ihm im Voraus schon angewiesen hat." 



CORRESPONDENZEN. 
Aus Paris. 

7. October. 

Die italienische Oper hat vorigen Dienstag mit der ^Sonnam- 
iula' die Wintersaison eröffnet, und wie es sich von selbst versteht, 
hat Adelina Patti in der Bolle der Amina grossen Beifall erregt. 
Hoch grösseren Beifall erwarb sich Mme. EmmaLagrua in der 
Titelrolle der „Norma," welche Oper Donnerstag aufgeführt wurde. 
Das genannte Theater studirt jetzt ^.Saffo'' von Pacini ein. Die 
Hauptrolle der „Saffo" gehört zu den vorzüglichsten Leistungen der 
Lagrua; es ist also leicht erklärlich, dass die Musikfreunde mit 
einer gewissen Spannung dieser Vorstellung entgegensehen. — Die 
erste Aufführung im Salle Ventadour hat eine Einnahme von 
13,000 Frcs. erzielt, ein Beweis, dass das Publikum sich durch den 
bohen Eintrittspreis nicht abschrecken lässt. Ein Sperrsitz im ita- 
lienischen Theater kostet jetzt nämlich zwanzig Francs. 

Künftigen Freitag wird Gluck's „Alceste" in der grossen Oper in 
Scene gehen und zwar gleichzeitig mit dem neuen Ballet , La Source". 

Auber's neue dreiactige Oper heisst „Le premier jour de 
bonheur". Dieselbe wird schwerlich vor der Eröffnung der bevor- 
stehenden Weltausstellung dem Publikum vorgeführt werden. 

Gounod's „Me'decin malgre fiii" macht diesmal im The'dtre 
lyriqufi kein Glück und wird wohl bald wieder vom Repertuir 
verschwinden. 

F6tis ist seit einigen Tagen in Paris. Von seiner allgemeinen 
-Geschichte der Musik werden gegen Anfang kommenden Jahres die 
ersten zwei Bände ausgegeben werden. Das Werk ist auf sechs 
Bände berechnet. — F&tis hat das Alter von 83 Jahren erreicht, 
arbeitet aber täglich nicht weniger als zwölf Stunden und hat sich 
«eine ganze geistige Frische vollkommen zu erhalten gewusst. 



I a c li r t c h t e n. 



Mainz. Soeben erhalten wir die am 2. October ausgegebene 
Frobenummer einer neuen, in Wien erscheinenden Zeitschrift: 
„Blätter für Kunst, Wissen und Antike " als deren Herausgeber, 
Eigentbümer und Redacteur Hr. Abel Luksic genanut ist. Das 
Blatt erseheint wöchentlich zweimal, einen oder anderthalb Druck- 
bogen stark und hat sich der Unterstützung tüchtiger Mitarbeiter 



zu erfreuen. — Ein anderes neues Fachblatt erscheint seit Anfang 
dieses Monats in Leipzig bei Paul Rhode unter dem Titel: „Netto 
allgemeine Zeitschrift für Theater und Musik". Redacteur ist Hr. 
Yourij von Arnold, und als Mitarbeiter werden in dem der 
Probenummer beigegebenen Prospectus genannt die HH. : Ad. Bl ass- 
mann in Dresden, Frd. Dräseke in Lausanne, Dr. Louis Köhler 
in Königsberg, Dr. Oswald Mar b ach, Dr. Hans Marbach, Dr. Oscar 
Paul und Dr. Wuttke in Leipzig, Dr. Feodor Wehl und Musikdir. 
Weitzmann in Berlin u. A. 

Leipzig. Der Beginn der Gewandhausconcerte ist der Cholera 
wegen verschoben worden und es soll nun das erste derselben am 
18. October stattfinden. 

Wien, 18. September. Viele werden den alten, blinden Geiger 
kennen, der oft stundenlang in den Durchgängen des Zwettelhofes, 
Schottenhofes, unterm Schwibbogen die Mildthätigkeit der Vorüber» 
gehenden durch sein Spiel in Anspruch nahm. Er ist vor einigen 
Tagen gestorben. Seit zwanzig Jahren blind, hat er sich ein Ver- 
mögen gesammelt. Man fand nach seinem Tode in der Tischlade 
ein rechtskräftig abgefasstes Testament, in welchem er seines Bru- 
ders Sohn , der als ein gering besoldeter Beamter auf einem fürst- 
lichen Gute in Ungarn lebt, zu seinem Universalerben mit einem 
Betrage von 10,600 fl. einsetzte, ausserdem seine Führerin, die ihn 
stets begleitete, mit einem Legate von 6000 fl. bedachte. Das Geld 
fand man theils in Staatspapieren , theils in Silber , von welchem 
über 1000 fl. in Sechserin vorhanden, in eiuer alten Truhe, die unter 
dem Bette des Gestorbenen stand. 

StrassbüTg. Das florentiuische Quartett unter Jean Becker'« 
Leitung wird am 15. October noch eine Abschiedssoiree geben, ehe 
die trefflichen Künstler nach Deutschland, Holland und Russland 
gehen. Sie werden Quattette von Beethoven, Schumann, Volkmann 
und Rubinstein spielen. — Das Theater hat am 30. Septbr. seine 
Vorstellungen begonnen. Die ersten Aufführungen waren : »Die 
Stumme," „Die Musquetiere der Königin" und „Die weisse Dame." 
Man spricht von Iusceuesetzung der „Afrikaneriu" im Laufe dieses 
Winters. 

Paris. In voriger Woche ist Gottfr. Engelbert Anders, 
langjähriger Mitarbeiter an der ., Revue et Gazette musicate" und 
gelehrter Schriftsteller über Musik, nach längeren Leiden gestorben. 
Er war 1795 zu Bonn geboren , hatte gründliche philologische und 
literar- historische Studien gemacht und sich 1829 in Paris nieder- 
gelassen. Er beschäftigte sich unter Anderem mit einer französischen 
Bearbeitung von Forkel's Geschichte der Musik und mit einem mu- 
sikalischen Wörterbuche, war aber durch körperliche Beschwerden - 
gezwungen, seine Arbeiten häufig zu unterbrechen. Er schrieb auch 
Artikel in der früheren „Allgemeinen Leipziger Musikzeitung 1 *. Im 
Jahre 1831 gab er eine Broschüre: ,.Paganini, sa vie, sa personne 
et quelques mots sur son secret" heraus , auch in der Zeitschrift 
„Cäcilia" erschien in A° 56 ein interessanter Artikel über die »Ge- 
schichte der Violine" von ihm. Seine , Details biographiques sur 
Beethoven. Paris. 1839, * sind nach Wegeier und Ries bearbeitet. 
Seit 1833 war er an der k. Bibliothek angestellt als Conservator 
der musikalischen Abtheilung. 

— Bei der jüngsten Aufführung der „Parisiens ä Londres" 
ereignete sich ein Unfall, der glücklicherweise nicht die schreck- 
lichen Folgen hatte, die man befürchten konnte. Als nämlich, nach 
11 */i Uhr, der Vorhang sich erhob, um die feenhafte Crystall-Deco- 
ration zu zeigen, welche einen so überwältigenden Eindruck macht 
und der Schluss - Apotheose vorhergeht, begann die erste Spiegel- 
decoration sich gegen die Soffiten zu erheben, um langsam die zweite 
Decoration, von electrischem Lichte blendend erleuchtet, sehen zu 
lassen. Alle Mitwirkenden befanden sich auf der Bühne, als plötz- 
lich ein entsetzliches Krachen sich vernehmen Hess. Die Seile, 
welche die Decoration trugen, waren gerissen, die Träger, an wel- 
chen die Glasscheiben und Gruppen von Frauen hingen , fingen an 
zu schwanken und fielen dann mit einem furchtbaren Geräusche auf 
die Bühne, so dass ein Schrei des Entsetzens aus dem ganzen Saal 
erscholl. Es war dies ein Augenblick voll unbeschreiblicher Ver- 
wirrung und Aufregung. Die Zuschauer sprangen auf und drängten 
gegen die Ausgänge, die Frauen schrieen laut auf, wfhrend auf der 
Bühne eine Staubwolke aufwirbelte, erleuchtet von brennendem Gas, 
zwischen welchem man eine verworrene Masse von mensch liehen 
Körpern, Balken, zerbrochenen Glasscheiben und Trümmern aller Art 



168 - 



«rblicken konnte. Man lies* sogleich den Vorhang herunter und 
die Zuschauer sich entfernen, während man zugleich alle Gaskrahnen 
schloss. Durch einen unglaublichen Glücksfall ist kein schweres 
Unglück geschehen ; einige der Künstler haben Contusionen erlitten, 
aber schwere Verletzungen sind nicht vorgekommen, so dass nur die 
Spiegeldecoration verloren ging, und die ganze Affair e auf einen 
materiellen Schaden ausläuft, der nicht einmal eine Unterbrechung 
der Vorstellungen nöthig machen wird. 

— - • Nach Naudin's Abgang von der grossen Oper wird nun 
wohlVillaret die Rolle des Vasco in der „Afrikanerin" übernehmen 
und voraussichtlich neue Lorbeeren in derselben erndten. 

— Montaubry ist in der Opera comique in ^Jostf- Maria" 
von Cohen wieder aufgetreten und mit Jubel empfangen worden. 

— Dem Gerücht, dass der junge Tenorist Capoul von der 
Opira comique für das The'ätre tyrique gewonnen worden sei, wird 
nun auf das Entschiedenste widersprochen. 

— Die Oper „Miguon" von A. Thomas wird wahrscheinlich 
au Anfang des nächsten Monats in Scene gehen, und Mme. Galli- 
Marie die Titelrolle geben. 

— Am 21. October wird der unermüdliche Pasdeloup seine 
beliebten populären Sonntagsconcerte im Cirque de V Imperatrice 
wieder beginnen. 

London. Seit einigen Jahren schon hatte Mr. 6ye, der Di- 
rector des Coventgarden-Theaters, zwischen den beiden italienischen 
Opernsaisons sein Theater nebst Garderobe einer englischen Opern- 
gesellschaft abgetreten. Allein die englische Oper scheint keine 
Lebensfähigkeit zu besitzen, und das darauf bezügliche Unternehmen 
unterbleibt in diesem Jahre. Auch das Engagement der Frl. Car- 
lottaPatti bei Hrn. Gye ist abgelaufen, und nnn ist dieselbe von 
Hrn. Mellon, dem Unternehmen der Concerte im Crystallpalast bis 
zum 3. November um die Kleinigkeit von wöchentlich 600 Pfd. 
Sterling (7200 fl.) engagirt worden. 

*** Am 6. October waren es 100 Jahre, dass das erste Schau- 
spielhaus in Leipzig unter Direction von Heinrich Gottfried Koch 
eröffnet wurde. Der Festtag wurde durch Wiederholung der vor 
einem Säculum stattgehabten Vorstellung gefeiert. Dieselbe leitete ein 
ein Prolog des Professors Christian August Clodius (geb. 1738 in 
Annaberg, gest. 1784 als Professor der Dichtkunst in Leipzig), wo- 
rauf das fünfactige patriotische Trauerspiel „Hermann" (Herzog der 
Cherusker) von Joh. Elias Schlegel (geb. 1718 in Meissen, gest. 
1749 als Professor der Ritterakademie in Soroe) folgte. Den Schluss 
bildete das einactige, aus dem Französischen Jean Francois Regn ar d's 
(1647 — 1709) übersetzte Lustspiel „Die unerwartete Rückkunft.* 
Ein von R. Benedix gedichteter Prolog verlieh der Stimmung an 
dem für deutsche Literatur- uud Theatergeschichte so denkwürdigen 
Jubeltage Ausdruck. (Dresd. J.) 

%* Die erste Regierungshandlung des neuen Herzogs von Mei- 
uingen nach Besteigung des ihm von seinem Vater überlassenen 
Thrones war die augenblickliche Lösung des durch die herzogliche 
Hoftheater-Iutendanz mit dem Director M. v, Hessling am 12. Mai 
dieses Jahres abgeschlossenen Vertrags , wodurch nicht nur der 
Letztere, sondern auch das ganze von ihm engagirte Theaterpersonal 
ganz unerwartet mit einem Schlage brodlos wird. 

*** Wir haben unlängst von einer Sängerin erzählt, die in 
einem Pariser Cafe durch ihre auffallend schöne Stimme die Auf- 
merksamkeit mehrerer dort anwesender Künstler erregte , welche 
sogleich den Anfang machten, die Mittel zur Ausbildung der viel- 
versprechenden Kunsrjüngerin zu beschaffen. Nun ist dieselbe, 
Maria Romagnoli ist ihr Name, vom Director der italienischen 
Oper für kleinere Rollen engagirt worden , während ihre weitere 
künstlerische Ausbildung ihreu ungestörten Fortgang nimmt und 
nach den bisherigen Beobachtungen zu den schönsten Resultaten 
führen dürfte. 

*** Hr. Röntgen, bisher Mitglied des Gewandhaus-Orchesters 
in Leipzig, hat einen ehrenvollen Ruf nach Petersburg als Concert- 
meister bei den Concerten der Musikgesellschaft und als Violinpro- 
fessor am dortigen Musik-Conservatorium erhalten. 

V* Ridhard Wagner hat zu seinem Geburtstage vom König 
von Baiern einen kostbaren Stock im Werth von einigen Tausend 
Gulden zum Geschenk erhalten, dessen Griff einen in Gold getrie- 
benen, reich mit Brillanten besetzten Schwan vorstellt. 



*** Das neue Stadttheater in Leipzig, dessen Bau im August 
1864 begonnen wurde, ist nun unter Dach gebracht, und haben am 
29. Sept. die herkömmlichen Feierlichkeiten stattgefunden ; nur das 
beabsichtigte Essen für die beim Bau beschäftigten Arbeiter fand 
aus Sanitäts- Gründen in Anbetracht der dort herrschenden Cho- 
lera nicht statt. 

*** Das Wiener Operntheater verliert drei von den dort enga- 
girten acht Tenoristen. Ferenczy hat seine Entlassung verlangt,, 
E r 1 lässt sich pensioniren , und auch der vor einem Jahre wieder 
stimmfähig gemachte Tenorist Kreutzer wird sich wieder zu- 
rückziehen. 

*#* Virtuosen, welche im stillen Ocean Concerte zu geben be- 
absichtigen, werden darauf aufmerksam gemacht, sich für ihre dort 
zu erwartenden Honorare mit genügenden Transportmitteln zu ver- 
sehen, da dieselben dort in naturalibus ausbezahlt werden. So er- 
hielt kürzlich auf einer der Cooks-Inseln eine amerikanische Gesell- 
schaft für ein „grosses Concert" 78 Schweine, 98 Bruthühner, 116 
gewöhnliche Hühner, 16,000 Cocosnüsse, 5700 Ananas, 418 Scheffel 
Bananen, 600 Kürbisse und 2700 Orangen. 

*** Nachdem alle Musik - Zeitungen angekündigt haben, dass 
Richard Wagner mit einer neuen Oper, betitelt: „Friedrich 
von Hohenstaufen" beschäftigt sei, melden baierische Blätter, der- 
selbe habe sich einen „Wilhelm Teil" gedichtet, den er auch in 
Musik zu setzen gedenke. 

%* Mermet's Oper „Roland in Ronceval" ist in Bordeaux 
vollständig ausgepfiffen worden. Es muss übrigens constatirt werden, 
dass die Aufführung eine sehr mangelhafte war. 

*** Die Museuni8concerte in Frankfurt a. M. werden unter der 
Leitung des Hrn. Musikdirectors C. Müller am 12. October ihren 
Anfang nehmen. 

*** Hr. Zdenko Skuhersky, Musikdirector in Insbruck,. 
wurde zum Director der Prager Orgelschule ernannt. 

*** Hr. Capellmei8ter Ferd. Hiller in Cöln hat vom Gross- 
herzog von Mecklenburg die goldene Verdienstmedaille, am rothen 
Bande zu tragen, erhalten. 

*** Musik dir. Löwe in Stettin hat vom König von Preussea 
den rothen Adler-Orden 3. Classe mit der Schleife erhalten. 

*** Maschinenmeister Brandt von Darmstadt hat sich nach 
Italien begeben , um den Italienern einmal ein paar seetüchtige 
Schiffe für die „Afrikanerin" zu bauen. 

*** Die bekannte ungarische Violinvirtuosin Frl. Charlotte 
Deckner hat sich mit dem Banquier Hm. Hermann Cohn in 
Hannover verlobt. 

f In Leipzig starb am 26. v.M. Otto Hunger, eines der .ge- 
achtetsten Mitglieder des Gewandhaus-Orchesters, welches ihm einen« 
ehrenvollen Nachruf widmet, und viele Jahre hindurch als Bratschist 
eine vortreffliche Kraft der Kammermusik -Unterhaltungen des Ge- 
waudhauses. 

f Am 3. d. M. starb in Frankfurt a. M. der in weiteren Kreisen 
bekannte Musiker und Autor Carl Gollmick im 70. Lebensjahre, 
nach langen, schweren Leiden, betrauert von Allen, die ihn kannten. 
Seiner Beerdigung wohnten die ersten Mitglieder des Theaters, viele 
Künstlern aus allen Fächern und eine grosse Anzahl persönlicher 
Freunde bei, welche seinen Sarg reichlich mit Blumen und Kränzen 
geschmückt hatten. Der deutschkatholische Prediger F 1 o s hielt 
am Grabe eine Anrede an die Leidtragende , in welcher er einen 
Umriss des Lebensganges des Verstorbenen gab. 



A N Z E I G 



Verlag von I. ÖUTTBNTAG in Berlin. 
Soeben erschien: 

Reissmaiiii, A., 

Lehrbuch der musikalischen Composition II. 
Die angewandte Formenlehre. Preis 3 Thlr. 

(I. Band: Die Elementarformen. 1865. Preis 3 Thlr.) 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



in* sa. 



22. October 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNC 



DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post 
ämtern, Musik- & Buchhand 






lungen. 



von 

B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

w4 Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



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PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

fftr den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 






INHALT: Die Glockenspiele. — Carl Gollmick.f — Correspondenzen : Wiesbaden. München. — Nachrichten. 



Die Glockenspiele (Carillons) in Belgien und Holland. 

(Von E. J. Gregoir.) 



Das Glockenspiel war früher das Lieblingsüustrfttnent der Belgier 
und der Niederländer, und in keinem anderen Lande war dieses 
Instrument so populär wie in Flandern. Kein Musik-Dictionnaire 
brachte bis jetzt etwas Geschichtliches Aber das Glockenspiel. Seit 
nahezu zwei Jahren haben wir Nachforschungen angestellt» um offi- 
eielle Documente über die verschiedenen Instrumente dieser Art zu 
erhalten. Alte Bücher liefern uns den klaren Beweis, dass eine Art 
von ZusammmenstelluDg mehrerer Glocken schon im 13. Jahrhunderte 
existirte, und man findet in diesen Werken Zeichnungen, welche den 
König David singend darstellen, indem er mit einem kleinen Hammer 
auf einige Glocken von geringer Grosse schlägt. Diese Glockenreihe 
bietet aber nicht viel Abwechslung und gerade das Spielen auf 
Glocken hat das musikalische Geläute hervorgerufen , wie es im 
16. Jahrhundert üblich war. 

Das Werk des A. Schaepkens »Von den Glocken und ihrem 
Gebrauche 1 * enthält einen kleinen Kupferstich aus dem 15, Jahr- 
hundert, welcher eine junge Frau, auf dem Tympanon spielend, dar- 
stellt, welches einfach eine Verbindung mehrerer Glocken ist. 

Die Schätze der Archive von Amiens, Oudenarde, Löwen, Lierre 
und anderen Orten liefern uns Nachweise, welche für die Archäo- 
logie von der höchsten Wichtigkeit sind. Im Jahre 1409 besass 
man in Oudenarde (nach Van d erstraten) ein Glockenspiel; Ant- 
werpen bekam das seinige 1430, Löwen 1434 und Lierre 1446. Aus 
den Andeutungen, welche die Archive geben, geht hervor, dass man 
zu jener Zeit mit grossen Hämmern auf Glocken von verschiedener 
Grösse schlug, und die Stelle eines Glockenschlägers wurde gewöhn- 
lich von dem Koster (Küster) der Kirche versehen. Gegen das 
Ende des 15. und besonders im darauffolgenden Jahrhundert wurde 
das Glockenspiel mit Cylinder und mit Tastatur eingeführt. Doch 
ersehen wir aus einer Chronik der Abtei Egmont-sur-Mer bei Alk- 
maar in Holland , dass unter der Regierung des Abts F r a n c o 
(1182 — 1206) in einem der Thürme dieser berühmten Abtei ein 
Glockenspiel angebracht wurde. 

Flor ens, der 19. Abt dieses Klosters, Hess das luftige Instru- 
ment im 13. Jahrhundert renoviren. War dieses im lateinischen 
Text (in's Holländische übersetzt von C. Van Herk) erwähnte In- 
strument ein Cylinder- oder ein Ta9ten-Glockenspiel? Dies ist schwer 
zu entscheiden. 

Das Gockenspiel, welches im 15. Jahrhundert gemeiniglich 
unter der Benennung Voorslag bekannt war, bestand einfach aus 
einigen Glocken , meistens den Umfang einer Octave darstellend. 
Gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde das Glockenspiel in 
Flandern populär, und im darauffolgenden Jahrhunderte beBassen alle 
belgischen und holländischen Städte ihr musikalisches Geläute auf 
ihren Wachtthürmeu , Kirchtürmen oder RathhäUB«trn. Bei jedem 
kirchlichen oder weltlichen Feste Hess diese brillante und harmo- 
nische Musik Litaneien, Psalmen und Volkslieder erklingen, was den 



flämischen Festes einen eigentümlichen Character verlieh. Eine 
besondere Anziehungskraft erhielt in alten Zeiten diese luftige Musik 
dadurch, dass man wirkliche Künstler auf dem Carillon besass* 
Chromatische Läufe, selbst Triller und Harpeggien waren den meisten 
Glockenspielern (carilloTtneurs) eine Kleinigkeit, und mehrere der* 
selben spielten sogar drei- und vierstimmige Fugen. Unter den 
besten Glockenspielern führen wir an : Bergfauis und Schol in t>elft> 
J. Beuslin, H. Cramma, Everaerts und De Grttytters in Antwerpen» 
Schepens in Gent und Oudenarde, Van der Gfaeyn in Löwen, De 
Neve in Ath, P, Nys in Brüssel, L. Leblancq in Soignies, N* 
Maghermann in Brügge, Haverals in Mecheln, P. Grau in Oudenarde» 
J. Clerze in Lüttich , J. Van Eyck , Dicx und Fischer in Utrecht« 
J. Hess in Gouda, Nouts, 8. Verbeek und Pothoet in Amsterdam» 
G. Havingha, Van Neck und Van der With in Alkmaar, und Lootett» 
in Middelburg. -i 

Es liegen uns mehrere handschriftliche Compositfonen für da« 
Carillon vor, welche bedeutende mechanische Schwierigkeiten dar» 
bieten. Die Berghuis, Tan Eyck und Pothoet spielten mit merk- 
würdiger Gewandtheit Sonaten, Concerte und Variationen. Burney 
spricht sich in seinem historischen Werke über Musik sehr lobend 
über verschiedene belgische und niederländische Glockenspieler aus. 

Die Anwendung des Glockenspiels hatte sich dermassen ver- 
breitet, dass man dasselbe im 17. Jahrhundert in mehreren belgischen 
Klöstern einführte. So hatte man in den Klöstern zu Pasc, Ever* 
bod«, Eename, Afflighem, Tongerloo, Lierre u. A. Glockenspiele, 
welche ans 30 bis 40 Glocken zusammengesetzt waren. Während 
der französischen Revolution von 1793 sind eine Menge dieser In- 
strumente zerstört worden, und seit jener Zeit hat das Glockenspiel 
auch viel von seinem Ansehen verloren und es werden nur ausnahms- 
weise noch deren neue aufgestellt* 

Zwei schwer zu beantwortende Fragen drängen sich uns auf: 
Wer war der Erfinder des Carillon? Welche bestimmte Nachweise 
gibt es über die Entwicklung desselben? Wir wollen mehrere auf 
diese beiden Fragen bezügliche Documente anführen. 

Die „Revue britannique'* (1845) schreibt in einem Artikel über 
die Sophienkirche in Constantinopel : «Der Kaiser Michael liest 
896 den Thurm erbauen, welcher noch jetzt am Östlichen Ende steht, 
um in demselben ein Glockenspiel anzubringen, welches ihm der 
Doge von Venedig geschenkt hatte; allein die Türken haben das- 
selbe nachher eingeschmolzen, um Kanonen daraus zu giessen." 

Wahlen in seinem „Neuen Conversations Lexikon" sagt: „Das 
Glockenspiel ist ein im Mittelalter erfundenes Instrument, welches 
aus einer gewissen Anzahl von Glocken besteht, die so aufge- 
stellt sind , dass sie Octaven bilden. Diese Glocken wurden mit 
Hämmern angeschlagen, die durch Hebel bewegt wurden vermittelst 
einer Tastatur, welche der Spieler mit den Fäusten und seihst mit 
den Füssen schlug." 

Ein Journal von Brügge (1845) bringt folgendes: „Sehr wahr- 
scheinlich ist das Carillon nichts als das Tintin nabuJwn , welches 
man so häufig bei den Manuscriptmalern des Mittelalters antrifft. 
Man gewahrt ein Tintinnabulum unter den musikalischen Instrumente^ 



170 - 



auf einem im 11. Jahrhunderte geschnitzten Medaillon in der Kirche 
zu Booherville. De Coussemaker gibt in seinem Werke: „Me- 
moire sur ffucbald' 1 eine Abbildung davon." 

Der Autor der in dem Journal von Brügge veröffentlichten Ar* 
tikel glaubt die Ehre der Erfindung des Glockenspiels einem Johann 
von Beveren aus Dünkirchen , im Jahre 1478 , zuschreiben zu 
müssen; gleichwohl gibt er selbst zu, dass schon 1300 von einem 
Carillon in Brügge Erwähnung geschieht. Busch im, ordentlicher 
Canoniker von St. Augustin, schrieb eine Chronik, betitelt: „Chro- 
nicum Windesemense" und beendigt 1464. Sie wurde 1621 in Ant- 
werpen in 8° herausgegeben. Im II. Buch, Cap. 56, S. 535 findet 
man beim Jahre 1404, dass Heinrich Löder, schon seit langer 
Zeit Laienbruder daselbst, ein Glockenspiel construirte, welches mit 
Hülfe eines Cylinders und mehrerer Hämmer ein Lied spielte, um 
die Brüder zu wecken. J. B. Pachichelli, Priester in Rom, 
gest. 1792, sagt in seinem Werke t „De Tintinnabulo" etc., gedruckt 
in Neapel 1793, dass das Glockenspiel in Nola, einer Stadt in der 
Nähe von Neapel, erfunden worden sei. 

Mehrere ältere belgische Historiker behaupten, man verdanke 
die Erfindung des Glockenspiels einem B. C o e c k e von Alost und 
einein gewissen L e Y o n g. Wahr ist es , dass Coecke um 1467 
ein Glockenspiel auf dem Eathhause von Alost einrichtete. F. Senet 
schreibt in seiner „Description de la ville et du comie d* Alost * 
über diesen Gegenstand : »Vor dem Jahre 1467 stellte Bartholomäus 
Coecke in diesem Thurme das von ihm erfundene Glockenspiel auf . . . 
Der Beweis, dass dieses Hotel lange vor dem Jahre 1487 erbaut 
worden ist, geht aus dem Protokoll über die Inauguration des Grafen 
von Alost, Herzog Carl von Burgund (am 10. August 1467) 
hervor. Es wird dort gesagt, dass die drei Nachtwächter die Trom- 
pete von der Gallerie des Wachtthurms bliesen und dass der Caril- 
loneur auf den Glocken spielte." Der Leser sieht also, dass in den 
Erklärungen der verschiedenen Autoren eine verzweifelte Verwir- 
rung herrscht. 

Wir haben mehrere Rechnungsbücher yon Städten und Kirchen 
durchgesehen, in denen man hie und da einem Vertrag bezüglich 
unserer luftigen Instrumente begegnet; allein diese authentischen 
Quellen enthalten zu unserem grossen Bedauern keine näheren An- 
gaben über die Einrichtung der Glockenspiele. (Schluss folgt.) 



f Carl CSoIlmick. 



Frankfurt a. M., 3. October. Unser verstorbener Mitbürger, 
Herr Carl Gollmick, war der Sohn des ehemals geschätzten 
Tenoristen gleichen Namens und ist am 19. März 1796 iu Dessau 
geboren. Er erhielt in Cöln seine erste Erziehung und wuchs mit 
dem nachmals berühmt gewordenen Bernhard Klein auf. Nach mehr- 
jährigen Reisen, die das unstete Theaterleben seines Vaters veran- 
lasste und die des Knaben Unterricht häufig unterbrachen , kam er 
1812 zum zweitenmale nach Strassburg, wo er Theologie studirte 
und durch Unterrichtgeben im Lateinischen und in der Musik schon 
früh selbstständig sein lernte. Unter der Leitung des dortigen Ka- 
pellmeisters Spindler, Vater des berühmten Romanschriftstellers, stu- 
dirte er die Composition und entwickelte seine musikalischen Ta- 
lente weiter, von denen sich schon in einem früheren Alter Spuren 
gezeigt hatten, indem er schon in seinem 11. Jahre Lieder com- 
ponirte, die später bei Andre im Druck erschienen. In Strassburg 
dirigirte er die sogenannten Klosterconcerte und zeichnete sich als 
fertiger Klavierspieler aus; auch spielte er einige Zeit die Orgel in 
der dortigen Thomaskirche. Zwistigkeiten unter den Studenten, die 
viele Relegationen nach sich zogen, verleideten ihm seine Stellung. 
Er reiste daher 1817 nach Frankfurt, wo er Anfangs Unterricht in 
der französischen Sprache ertheilte und darauf ganz seinem Hange 
zur Musik lebte. Capellmeister Spohr engagirte ihn als Pauken- 
schläger für das Theaterorchester hierselbst und er bekleidete diese 
Stelle bis zum Jahre 1858, wobei er sich nebenbei mit Musik- 
unterricht, musikalischer Schriftstellerei und Compositionen beschäf- 
tigte. Es sind ungefähr 50 grössere und kleinere Klavier- und 
Qesang8compositionen von Gollmick im Druck erschienen, die in 
einem freundlichen, vorzüglichen Styl gehalten sind, aber auf keine 
grosse künstlerische Bedeutsamkeit Anspruch machen können; sehr 



Vieles darunter ist auch für instructive Zwecke berechnet. AJs mu- 
sikalischer Schriftsteller und Kunstkritiker hat er sich durch viele 
Aufsätze in musikalischen und anderen Blättern bekannt gemacht) 
eine „Kritische Terminologie für Musiker und Musikfreunde" (Frank* 
fort a. M. 1853), herausgegeben und mehrere Operntexte verfasst; 
darunter ist eine bis auf Ouvertüre und Schlusschor vollendete 
Oper von Mozart, deren ursprüngliches Libretto von Schlachtner 
ist, das Gollmick mit Beibehaltung des Planes umgearbeitet und 
mit dem Titel „Zaide" versehen hat. Zu Anfang dieses Jahres gab 
derselbe im Verlage von C. Adelmann dahier seine „Autobiographie 
nebst einigen Momenten aus der Geschichte des Frankfurter Thea- 
ters" heraus, die manche interessante Einblicke in seinen eigenen 
Lebensgang und in das künstlerische und schriftstellerische Leben 
und Treiben vieler bedeutender Persönlichkeiten der Vergangenheit 
gewährt. 

CORRESPONDENZEN. 



Aus Wiesbaden. 



Unsere Theaterfrage, die bisher die Gemüther der Einwohner 
unserer Stadt so sehr beschäftigt, ja beunruhigt hat, ist nunmehr 
dahin entschieden, dass unsere Bühne eine königliche geworden 
und demzufolge auch vom Könige aus die nöthige Subvention zn 
erwarten hat. Der bisherige Intendant, Baron v. Boose, ist zurück- 
getreten und an seine Stelle ist der bisherige Dramaturg und Ober- 
regisseur unseres Theaters, Herr v. Bequignolles, vorgerückt. 
Im Augenblicke ist der Letztgenannte auch mit der provisorischen 
Leitung des Theaters in Hannover als kgl. Commissär betraut und 
ist abwechselnd an beiden Orten thätig. Das Winterabonnement 
wurde am 3. Oktober mit dem „Troubadour" von Verdi eröffnet, 
dem der „Maskenball" von Auber und das ,, Nachtlager von Gra- 
nada" folgten. Die Oper ist im verflossenen Sommer trotz der un- 
günstigen Zeitverhältnisse recht thätig gewesen und war auch, na- 
mentlich gegen den Schluss der Saison hin, stets recht besucht» 
Aufgeführt wurden fast alle Opern, die an den bedeutendsten Thea- 
tern im Gange sind; der vorhin erwähnte „Maskenball" kam noch 
am Schlüsse der Saison zum Benefice des Herrn Capellmeisters 
Jahn als neueinstudirt auf das Bepertoir. Im Sängerpersonale 
hat es einige Veränderungen gegeben ; das Bertram'sche Ehepaar 
hat uns verlassen mit dem 1. September; dafür wurden engagirt 
der Baritonist P h i 1 i p p i vom Theater zu Nürnberg und Frl. Lieh t- 
may, die letztere für das dramatische Fach. Herr Philippi hat 
schnell sich die Gunst des Publikums erworben; er ist ein verstän- 
diger, gut gebildeter Sänger; seine Stimme ist weich und voll- 
tönend und vorherrschend lyrischen Characters. Seine besten Leist- 
ungen waren bisher der Jäger im „Nachtlager," Wolfram im „Tann- 
häuser" und Luna im „Troubadour." Frl. Norden, die bisher 
das jugendlich-dramatische Fach vertrat, hat uns ebenfalls verlassen, 
ihre Stelle ist noch unbesetzt. Wir hoffen, dass man zur Deckung 
dieser Vacanz alsbald die nöthigen Schritte ergreifen wird. 

Das Concertwesen hat durch die Ungunst der Verhältnisse im 
verflossenen Sommer bedeutend gelitten; statt der üblichen 10 Ad- 
ministrations-Concerte, die sich stets vermöge der äusserst brillanten 
Ausstattung eines grossen Rufes erfreuten, haben deren im Ganzen 
nur zwei stattgefunden; dagegen hat die Administration Privat- 
Concerte im Kursaale sehr begünstigt. Unter den letzteren war 
dasjenige der Herren Gebr. Willi und Louis Thern am 5. Oc- 
tober von besonderer Bedeutung. Die beiden jungen trefflichen 
Künstler führten in demselben aus: das grosse Doppel • Concert in 
Es-dur für 2 Pianoforte von Mozart mit Orehester, das andante 
con Variazioni, Op. 41, von Beethoven, die Schnmann'sche „Tbl- 
cata" und ein Scherzo von C. Thern (Vater). Sie ernteten auch 
hier wieder, wie bei allen Gelegenheiten, wo sie auftraten, enthu- 
siastischen Beifall. Mitwirkend traten auf: Frl. Norden und Hr. 
Philippi von unserem Theater und der Cellist Hr. L. Lübeck 
vom Gewandhaus zu Leipzig. Die Liedervorträge des Hrn. Phi- 
lippi, „Am Meer" von Schubert und „Das Fischermädchen" von 
Ferd. Ludwig , gefielen sehr. Die letztgenannte (Original-) Com- 
position ist musikalisch gediegen und sehr dankbar. Herr Lübeck 
spielte zum Erstenmal« dahier. Er trug ein Servais'sches Concert- 



- 171 - 



stück, das „Ave Maria" von Schubert und „Riverie 11 von Vieux- 
temps vor. Sein Ton ist gross, voll, gesangreich, seine Technik 
vorzüglich und sein Vortrag elegant. Er wurde mit grossem Bei- 
fall aufgenommen. 

Welche Concert-Unternehmungen uns der bevorstehende Winter 
biingen wird, ist noch unbestimmt; ob die Quartett - Soireen der 
Herren Baldenecker, Schelle, Kahl und Fuchs wieder auf- 
genommen werden, scheint noch in Frage zu stehen. Ein Ersatz 
für Herrn Kahl, der nach Riga abgegangen ist, möchte wohl leicht 
gefunden werden. Der „Cäcilien verein" hält zur Einstudirung einer 
Bach'schen Passionsmnsik fleissig Proben. Ob er der Aufgabe ge- 
wachsen sein wird, ist nach der Analogie vorausgegangener Bach 1 - 
scher Aufführungen noch fraglich. Jedenfalls ist Fleiss und Stre- 
ben, solche Werke in Aufnahme zu bringen, sehr ehrenwerth. 



Aus München. 

14. Octaber. 

Die hiesige Oper hat einen schönen Fund gemacht. Ein Frl. 
Mailing er, die Schülerin Levi's in Wien, eine gehorne Kroatin, 
debütirte zum ersten Male und zwar als „Norma" und ihr Debüt 
wurde ein wahrer Triumphzug. Erweckte schon die jugendlich- 
anmuthige Erscheinung allgemeine Sympathie, so war es noch mehr 
der süsse Wohlklang der Stimme, der feingebildete musikalische 
Geschmack, das in jeder Nummer sich äussernde Talent, die ganz 
seltene Technik, was diese Sympathien in lauten anhaltenden, immer 
wiederholten Beifallsstürmen kund werden liess. Die junge Künst- 
lerin hat nun die Aufgabe, auch für die Darstellung der Leiden- 
schaft den vollen ergreifenden Ausdruck zu finden, der ihr stets in 
virtuosester Weise für die lyrischen Situationen zur freien Verfügung 
Stand; dann wird sie einst iu erster Reibe genannt werden, wenn 
man die berühmtesten deutschen Sängerinnen aufzählt. Hoffentlich 
wird sie die Erwartungen erfüllen, welche die Kunst auf sie setzt, 
sie ist talentirt und berufen, die höchsten Stufen des Ruhmes zu 
ersteigen. Möge sie der Genius echter deutscher Knust dahin be- 
gleiten ! 

Die nächste Partie, in welcher dieses musikalische Phänomen 
vor das Publikum tritt, ist die Donna Anna. »Don Juan wird 
mit den Originalrecitativen und in neuer Uebersetzung und Aus- 
stattung (meist nach den Vorschlägen Wendling's und W o 1- 
z o g e n's) gegeben. Vorläufig ist er auf den letzten Sonntag im 
October angesetzt. 

Ist diese Oper von Stapel gelaufen, so wird die „ Afrikanerin 11 
einstudirt. Für die Titelrolle haben wir nur zwei Vertreterinnen, 
Frl. Mallinge r und Frl. Stehle. Die Concurrenz wird manches 
Gute stiften ! 

Das Opernrepertoir wurde auch durch die Neueinstudirung von 
Mozart's „Entführung aus dem Serail" erweitert. Herr Hacker 
aus Dessau hatte den Belmonte übernommen, doch keineswegs ver- 
mochte weder er es, noch Herr ßausewein, dem die Partie des 
Osmin zn tief liegt, die Palme des Abends zu erringen, sondern 
diese fiel dem Frl. D e i n e t (Constanze) zu , welche sowohl durch 
die Frische und Ausgiebigkeit der Stimme, durch die Brillanz ihrer 
Coloratur, die in geschmackvollster und vollendeter Technik die 
Töne glockenrein aneinander reihte , wie durch die Innigkeit ihres 
Vortrages und die Eleganz und Routine ihres Spieles auf die höchste 
Anerkennung Anspruch hatte. Das Publikum, das sich ungemein 
Kahlreich eingefunden, zeichnete die beliebte Künstlerin durch leb- 
haftesten Beifall und wiederholte Hervorrufe aus. 

Herr Hacker ist nach Dessau zurückgekehrt. Die hiesige In- 
tendanz hätte ihn gerne für die Oper engagirt, doch waren seine 
Forderungen so übertrieben, dass dieselbe auf sie nicht einzugehen 
vermochte. 

Und noch immer rufen wir nach einem Heldentenor. Herr 
Norbert, der dieses Fach bei uns versieht, besitzt eine schöne, 
aber ungebildete Stimme, dabei hat er kein musikalisches Gehör 
nud noch weniger künstlerischen Geschmack, auch in schauspieleri- 
scher Beziehung genügt er nicht einmal den bescheidensten For- 
derungen. Ein Glück, wie jenes mit der Mallioger, könnte unserer 
Oper wieder auf die Füsse helfen. 

Frl. Stehle hat sich von ihrer Krankheit — sie litt an Lun- 



genentzündung und Typhus — nun wieder erholt und wird dem» 
nächst wieder die Bühne betreten. 

Wie ich höre, wird Frau D i e z zu Ostern im nächsten Jahre, 
wo sie ihr dreissigjähriges Jubiläum als Mitglied der Münchener 
Oper feiert, sich gänzlich von der Bühne zurückziehen. 

Im Actien-Theater herrscht frisches Leben, es wird ge- 
sungen und musicirt, dass es eine Freude ist und Kapellmeister 
Heber aus Heidelberg, der an Konradin's Stelle getreten ist, gibt 
sich viele Mühe, das Orchester zu gediegeneren Leistungen heran- 
zubilden. So arbeiten da zwei tüchtige Musiker , Heber und 
Krempelsetzer als Dirigenten und ihre Mühe verspürt der Zu- 
hörer in dem feinen nüancirten Zusammenspiel und der sorgfäl- 
tigeren Einstudirung der Chöre. 

Was uns das Musikleben der bayerischen Hauptstadt in der 
Wintersaison bringen wird , ist noch sehr unbestimmt , jedenfalls 
werde ich Ihnen darüber des Weiteren berichten. 

Der Gedanke, das aufgelöste Conservatorium für Musik in eine 
Musikschule umzuändern und die Direction derselben Hans von 
B ü l o w zu übertragen , ist keineswegs , wie es da und dort hiess, 
aufgegeben , sondern steht beim Cultusminister noch vollkommen 
fest und wenn nicht ausserordentliche Dinge eintreten, wird diese 
Musikschule wahrscheinlich schon mit Anfangs März oder April 
unter der provisorischen Direction des geistlichen Rathes Nissl er- 
öffnet werden. Z. 

IVacli richten. 



Mainz. Die Liedertafel veranstaltete am Samstag den 13. d. M. 
im Saale des Hotel Barth in Castel ein geselliges Abendessen, wel- 
ches schon Anfangs Sommers angesetzt, der Zeitverhältnisse wegen 
bis jetzt verschoben werden musste. Um so zahlreicher und leb- 
hafter war dagegen die Theilnabme, wenigstens von Seite der in- 
activen Mitglieder, während die activen zu den in herkömmlicher 
Weise producirten Gesängen nur ein sehr schwaches Cootingent 
stellten. Gleichwohl wurden die auf dem Programm befindlichen 
Quartette recht wacker gesungen und mit vielem Beifall aufgenom- 
men. Ein besonderes Interesse erhielt diese Abendunterhaltung durch 
die Anwesenheit und freundliche Mitwirkung der beiden Brüder 
Thero aus Pesth, welche durch ihre Vorträge auf zwei Ciavieren 
wahren Enthusiasmus erregten. Es ist aber auch eine wahre Freude, 
mit einer so tadellosen Präcision, mit einem so gänzlichen Aufgehen 
des Eiuen im Andern die beiden jungen Leute spielen zu hören, 
die sich überdies einer sehr bedeutenden Technik und einer uner- 
schütterlichen Ruhe und Sicherheit zu rühmen haben. Die zum 
Vortrage gewählten Stücke waren ein Concertino und ein Andante 
et Scherzo^ recht gediegene Compositionen von Prof. Thern, dem 
Vater und Lehrer der jugendlichen Künstler, Toccata von Schumann, 
„Cameval von Venedig" uud endlich „türkischer Marsch" aus den 
„Ruinen von Athen" vop Beethoven. Stürmischer Beifall folgte 
jedem ihrer Vorträge auf zwei vortrefflichen Erard-Flügeln, und wir 
hören mit Vergnügen, dass die beiden jungen, ebenso bescheidenen 
als talentvollen Virtuosen dieser Tage im Theater auch dem grösseren 
Publikum Gelegenheit geben wollen , die seltene Vollendung , die 
sich in ihrer Specialität bewährt, bewundern zu können. — Heitere 
und ernste Gesangvorträge verschiedener Vereinsmitglieder wechsel- 
ten mit den Productionen der gefeierten Gäste, und die munterste 
Stimmung hielt die Theilnehmer an dieser gelungenen Abendunter- 
haltung bis lange nach Mitternacht zusammen. E. F. 

Dresden. Hr. Coucertmeister Lauterbach hat vor wenigem 
Tagen eine Berufung als erster Concerrmeister nach München 
erhalten und zwar unter sehr glänzenden Bedingungen. Hoffentlich 
inde88 haben wir den Verlust des ausgezeichneten Virtuosen nicht 
zu beklagen , dessen künstlerische Leistungen eine Zierde der kgl. 
Kapelle und von vorwiegender Bedeutung für die hiesigen Musik- 
zustände sind. (D. J.) 

Wien. Die Hellmesb erger 'sehen Quartettabende werden 
nächstens beginnen; es sollen deren acht und in der Fastenzeit 
noch weitere vier bis sechs stattfinden. 

— Das lange vorbereitete Concert der Männergesangvereine 
Wiens und der Umgebung findet am 25. d. M. in der grossen Win- 
terreitschule in der Hofburg statt und werden 1200 bis 1500 Sänge* 



— 172 — 



ttttd »wei MilitSreapeTlen datei mitwirken, fcie Leitung des t?ön* 
certs bat Herr Hofcapellmeister Hörbeck Übernommen. Das Pro- 
gramm enthält Compositiooen von Beethoven, Mendelssohn, Kreu- 
zer, Gretry, Abt, Schubert, $ileber, R. Wagner und Fr. Laehner, im 
Ganzen 11 Nummern. 

r- In der jüngst stattgefundenen Generalversammlung des Wie- 
ner Männergesangvereins wurde der bisherige Vorstand, Hr. Dum- 
ba und der Dirigent, Hr. Wein wurm, wiedergewählt. Der 
Verein zählt 224 ausübende nnd 460 unterstützende Mitglieder. Die 
Hinnahmen des letzten Jahres betrugen 9026 fl., die Ausgaben 
5894 fl. 

Brüssel. Am 15. October wird im Herzoglicben Palast die 
•weite Aufführung des Oratoriums „Lucifer" von Pierre Ben oft 
mit denselben Kräften wie bei der ersten Aufführung stattfinden. 

— Die populären Concerte für classische Musik, welche vorigen 
Winter so viel Anklang gefunden haben, werden Anfangs November 
wieder beginnen. Der Director derselben , Herr Samuel, beab- 
sichtigt eine grosse Anzahl classischer Werke aufzuführen, die in 
Brüssel noch nicht gebort worden sind, ebenso wird den belgischen 
Componisten reichlich Rechnung getragen werden durch Vorführung; 
eigens für diese Concerte componirter Werke von Lassen, Ba- 
d o u x und D u p o n t. 

Pari*. Am Freitag den 12. October fand die lange erwartete 
und sorgfältigst vorbereitete Aufführung der „Alceste" von Gluek 
in der grossen Oper statt. Der t.Entr'acte* bringt bei dieser Oe* 
legenheit folgende Notizen über die früheren Aufführungen dieser 
Oper in Paris. Die erste derselben fand statt am 23. April 1776, 
die folgenden am 22. October 1779, am 24. Febrnar 1786, am 13. 
Ifessidor des Jahres V (1797), am 20. April 1825 und am 21. Oe* 
tober 1861. Bei der Aufführung im Jahre 1786 sang Mlle. Saint- 
Buberti die Rolle der Alceste. Diese war so bekannt für ihre ge- 
wissenhafte historische Treue in Bezug auf ihr Coatüme, dass mau 
ihr gestattete, sieb das der Alceste nach eigener Angabe anfertige« 
sn lassen. Allein sie hatte sich se strenge an die geschichtliche 
Tradition über das Coatüme der Aleeste gebalten, dass man sie bei 
der «weiten Aufführung veranlasste, dasselbe zu verändern, da man 
m für zu wenig anständig hielt. 

— Der Tenorist N a u d i n ist nach Madrid abgereist, wo er für 
20 Gastrollen am Theater ,J' Oriente'' engagirt ist Er wird dort 
auch den Vasco in der „Afrtkanerin" singen. 

—> Die Einnahme sämmtlicher Theater, Concerte etc. in Paris 
betrugen im Monat September 1,329,622 Frcs. 

— Einer der besten Decorationsmaler der grossen Oper, Jo- 
seph Thierry ist gestorben. Er war 55 Jahre alt und seit 1863 
Ritter der Ehrenlegion. 

%* Concertmeister Au er in Düsseldorf hat seine Stellung auf- 
gegeben, um in gleicher Eigenschaft in Hamburg einzutreten. 

*«* Nie mann hat mit der Rolle des ,.Tanubäuser" als enga- 
glrtes Mitglied an der Hofoper in Berlin debÜtirt, war aber leider 
Sucht eben glänzend disponirt. 

V Herr Dr. Guna wird die Bühne in Hannover vorläufig 
nicht verlassen. 

*** Den Mitgliedern des CasBeler Theaters ist am 2. October 
von der erfolgten Umwandlung des bisherigen kurfürstlichen Hof- 
iheaters in ein königliches Theater Kenntniss gegeben worden. Die 
Intendantur bleibt in den Händen des Hrn. v. Heeringen; auch 
sonst werden wesentliche Veränderungen in den Verhältnissen des 
Theaters nicht eintreten. Der preussische „Staatsanzeiger" theilt am 
1. October unter der Rubrik »Kunst- und wissenschaftliche Nach- 
richten" zum ersten Male die Wochenrepertoire der Hoftheater zu 
Hannover und Gassei mit. 

*** Barn um, der Erfinder des Humbug, hat auch für Mexiko 
«Inen besonderen Stern erfnnden. Die Patti Mexiko's beisst Ange- 
lina Peralta, und auch ihre Lieblingsrolle ist die Amina in der 
„Sonnambula*. Barnum hat es mit Hülfe der Reclame wirklich 
dahin gebracht, dass die Parterre - Platze mit 10 Piastern (56 Frs), 
die Legen -Plätze mit 100 Piastern bezahlt wurden. Mlle Peralta 
kann nicht auf der Bühne erscheinen, ohne mit Blumen überschüttet 
su werden nnd einen an Wahnsinn gränzenden Enthusiasmus hervor- 
zurufen. Kaltblütigere Zuhörer meinen freilich , Mlle. Peralta sei 
•ine sehr mittelmässige Sängerin , allein es ist nicht rathsam , so 



etwas laut zu sagen , denn die entzückten Cabailerus lassen sich 
ihren Götzen üfdrt nehmen und sind gleich mit dem Stilett bei 
der Hand. 

*** Der Pianist Bockelmann, welcher längere Zeit in Mexi- 
ko verweilte und sich die Besserung der dortigen Musikzustände 
mit lobeoswerthem Eifer, wenn auch nicht mit dem gewünschten 
Erfolge, zur Aufgabe gemacht hatte, hat sich nun in New -York 
niedergelassen. 

*** Man beabsichtigt in Rom dem Tonmeister Pal estr in a ein 
Denkmal zu errichten, und es hat sich bereits ein Gönnte" zu diesem 
Zwecke gebildet. 

*** DerComponist und Ciaviervirtuose Wilhelm Speidel in 
Stuttgart hat vom König von Würtemberg die grosse goldene Me- 
daille für Kunst und Wissenschaft erhalten. 

*** Ein englischer Instrumentenmacher hat ein Ciavier erfunden, 
auf dem vermöge einer durch ein Pedal regierten Hämmerreihe 
die Octave oder Doppeloctave eines jeden angeschlagenen Tones 
hervorgebracht werden kann. Der Erfinder hat sein Instrument 
„Arabella" getauft, zu Ehren der Pianistin Arabella Goddard- 
D a w i s o n. 

V Der ehemalige Director des eingeschlummerten Münchener 
Conservatoriums, Franz Hauser, hat bei Breitkopf &Härtel eine 
Gesangschule herausgegeben. Möge dieselbe sich eines besseren 
Erfolges erfreuen, als die Wirksamkeit ihres Autors in München I 

*«* In Brighton hat ein achtjähriges Wunderkind, Flank 
L i e b i c h , durch sein Clavierspiel Aufsehen erregt. 

*** Auber hat, wie man in Paris wissen will, grosse Aussicht} 
den Sitz des verstorbenen Marquis von B o is s y im Senate zu erhalten* 

V* In Regensburg gab eine ebenso hübsche als talentvolle 
junge Sängerin, Frl. Hermine Steiner aus Wien, als ersten thea- 
tralischen Versuch die Zerltne im „Don Juan" und hatte sich einer 
sehr freundlichen Aufnahme zu erfreuen* 

*** Die italienische Saison in Triest wurde mit Halevy's „Ju- 
din" eröffnet. Die Sängerin Sgra. Fricci und der Tenorist Steger 
machen dort viel Glück. 

f In Wien starb vor einigen Tagen eine unter dem Namen 
„ Bassgeigen-Marie a stadtbekannte Harfenistin in einem Alter von 72 
Jahren, welche als Tochter eines Musiklehrers Gelegenheit fand, sich 
für die Oper auszubilden , längere Zeit auch wirklich grossen Ruf 
genoss nnd schliesslich als Bettlerin auf einem ärmlichen Strohlager 
endete. Schon in ihrem 19. Jahre wurde sie durch eine Rundreise 
mit dem damals berühmten Concertisten L. allgemein bekannt, trat 
sodann als Mitglied der Gross'schen Operngesellschaft in allen be- 
deutenden Städten Europa's, aueh in Wien, auf und liess sich durch 
ein intimes Verhältniss mit einem jungen Cavalier zum bleibenden 
Aufenthalte in Wien bestimmen. Eine Krankheit raubte ihr jedoch 
das einzige Existenzmittel, die Stimme, und von diesem Augenblicke 
an sank die berühmte Schönheit immer tiefer, und nachdem sie in 
gewissen Kreisen noch eine Art Glanzperiode durchgemacht hatte, 
musste sie, deren Passion es früher war, die Cigarren ihrer Lieb- 
haber mit Zehnerbanknoten anzuzünden, zur Harfe greifen, am die 
mit heiserer Stimme gesungenen Gassenhauer zu begleiten. Den 
Namen „Bassgeigen-Marie" hatte sie ihrem einst prachtvollen Haare 
zu verdanken, welches die sogenannte „Bassgeigenfarbe" (aschblond} 
hatte. 

f Der frühere Bassist Woltereck, früher langjähriges, ver- 
dienstvolles Mitglied der Hamburger Oper , ist , 69 Jahre alt , auf 
seiner Besitzung in dem Flecken Garstedt, in der Nähe von Lock- 
stedt, gestorben. Er war schon 1843 im kräftigsten Mannesalter von 
der Bühne abgetreten und sodann eiue Reihe von Jahren Be- 
sitzer des Cafä restaurant in der Nähe des Stadttheaters gewesen. 
Woltereck hinterlässt eine Wittwe und acht Kinder. Eine seiner 
Töchter ist an den bekannten Komiker Räder, eine andere an den 
Capellmeister Barbieri verheirathet. 



Briefkasten. Wir zeigen der Redaction der „deutschen 
New- Yorker Musikzeitung" an, dass uns seit Anfangs Mai d. J. kein» 
Nummer ihres Blattes mehr zugekommen ist. Dürfen wir der Nach- 
Sendung entgegensehen? Die Red. 



Verantw. Red Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



im* äd . 



29. October 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



T" 

DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 

ämtern >Musik- & Buchhand- 

lungen. 



V © p 1 1 g 



y, . 



von 



B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PBBIS: 

fl.2. 42 kr. od.Th.l.I8Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

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* 

♦*** 



INHALT: Neuere Vocalmusik. — Correspondenzen : Mainz. Ems. Stuttgart. Paris. — Nachrichten. 



Neuere VocaIntu§ik. 

Eine kritische Rundschau. 



II. 

Als werthvolle Gaben verdienen besondere Anfmerksamkeit die 
beiden neuen Liederhefte Ton Albert Dietrich, von dem wir 
schon manche warm empfundene Weise liebgewonnen haben. Dies- 
mal sind es in Op. 16 vor Allem das erste Lied : „Dein Auge,* 1 und 
das vierte: „Frühlingsabend," welche sich sofort in's Herz hinein- 
gingen ; das letztere hat eine köstliche, ebenso neue als wohlklingende 
Begleitungsfigur in Achteltriolen, welche nur zu der ernsten Schluss- 
frage nicht recht passen will. In N° 3 : „Meine Liebe" schaden die 
breiten Accente auf den kurzen Verszeilen dem Eindruck, der sonst 
ebenfalls ein sehr günstiger wäre. Op. 17 enthält ein prachtvolles 
Lied: „Scheiden" von fast Beethoven'scher Innigkeit und Gewalt 
des Ausdrucks, ergreifender Harmonik and tief bedeutsamer Decla- 
mation. Heiterer, jedoch nicht minder wahr und natürlich erschei- 
nen N* 3: „Frühlingssonne," eine gar brauchbare Concertnummer, 
und N* 5: „Munterer Bach". Gerade auf solche Lieder, welche 
neben ihrem musikalischen Werthe auch höchst dankbar für die 
Stimme sind und dazu keine zu grossen Ansprüche an die Intelligenz 
oder musikalische Vorbildung des Ausführenden machen , möchten 
wir die deutschen Opernsäuger hinweisen , deren Concertrepertoir 
eich so häufig im beschränktesten Kreislauf bewegt, und welche oft 
durch anstrengenden Theaterdienst, wo nicht durch dünkelhafte Be- 
quemlichkeit von Erweiterung ihrer Literaturkenntnisse abgehalten 
werden, oder das sich bietende Neue unter dem Vorwande, es liege 
nicht „dankbar," schnell ablehnen, weil es ihnen nicht von vorn- 
herein die unentbehrliche Musik des Beifallklatschens und Hervor« 
rufens verbürgt, die sie dem stillen Danke der Kenner so sehr vor- 
ziehen. Bisher haben, einen Stockhausen und wenige andere 
echte Künstler ausgenommen , höchstens stimmlose und schlechtge- 
schulte Sänger , um durch das Verdienst des Componisten ihrer 
eigenen Leistung aufzuhelfen , Neues gebracht , das aber dann so 
wenig zu erfreuen vermochte, als etwa edler Wein in schmutzigem 
Becher. 

Weitere Liederhefte liegen uns vor von W. Taubert (Op. 149), 
G. Goltermann (Op. 46) und H. Esser (Op. 71), welche sämmt- 
lich recht Brauchbares, theilweise auch höchst Gelungenes enthalten. 
So zeichnen sich unter den Taubert'schen , deren nicht durchweg 
sangbare Texte dem bekannten spanischen Liederbuche entnommen 
sind, N° 1, 3, 5 und 6 durch fliessende Melodie aus; auch Decla- 
mation und Begleitung sind edel und geschmackvoll. Die vier 
Goltermann'schen Gesänge sind auf englische Originalgedichte com- 
ponirt, die deutsche Uebersetzung von L. v. Plönnies steht da- 
runter, und die Musik ist mit grosser Geschicklichkeit beiden 
Sprachen so angepasst, dass wir nirgends eine Härte finden. Dabei 
liegt Alles sehr gut in der Stimme, und ist der englische Lokalton, 
wenn man so sagen darf, oft recht glücklich getroffen. — Esser's 
drei Lieder athraen wieder ganz jenen treuen, herzlichen Character, 
die wir an so vielen Gesängen dieses Tondichters schätzen; an- 



spruchslos, ohne alles moderne Raffinement, treten auch diese Weisen 
an uns heran, um sogleich verwandte Saiten zu berühren. Insbe- 
sondere loben wir uns das dritte: „Herz auf der Wanderschaft" mit 
seinem köstlichen Humor in Wort und Ton. 

Von J. O. Grimm, einem der liebenswürdigsten Vertreter der 
Schumann'schen Schule, kam uns ein Liederheft, Op. 11, zu, in wel- 
chem wir unbedenklich die beiden stimmungswarmen Volkslieder 
N* 1 und 4 den Preis zuerkennen; aber auch die anderen Gesänge 
stehen denselben würdig zur Seite. 

Schliesslich haben wir Hrn. Schletterer für seine Sammlung 
„polnischer Volkslieder" aus Oberschlesien unseren freudigsten Dank 
auszudrücken ; das ist Poesie und Musik von wahrhaft verjüngender 
Gesundheit. Die deutsche Bearbeitung hat unser Hoff mann von 
Fall er sieben geliefert, dem nie etwas misslingt. Harmonisirung 
und Aecompagnement verrathen überall den feinen Musiker, — etwas 
Veniger wäre manchmal besser gewesen, wie z. B. in N 8 8. Dagegen 
sind z. B. die Nummern 1 , 8, 5 und 6 in Weise wie Untersetzung 
ganz unvergleichlich schön zu nennen. 

An die erwähnten Bearbeitungen polnischer Volkslieder reihen 
sich jene schottischen Gesänge, welche E. Friese herausgegeben 
hat. Auch diese sind mit Geschmack ausgewählt; in der Ueber- 
setzung ist alles Holperige so weit vermieden , als es bei dieser 
Gattung möglich ist, und die Harmonisirung ist überall fliessend 
und natürlich. Eine andere Frage ist freilich, ob es nicht stylge- 
mässer wäre, Melodien, die in irgend einer alten, etwa gar in det 
gälischen fünftönigen Tonart stehen, auch in dieser zu untersetzen, 
wie es etwa bei Chorälen geschieht und wodurch die schroffe Eigen- 
tümlichkeit der Weise noch gesteigert wird. So hätten in vorlie- 
gendem Werk wohl N* 1 und 6 eine derartige Behandlung verdient ; 
indessen wollen wir auch die gewählte gerne als verständig und 
wohlklingend anerkennen. 

Josephine Lang, unter welchem Namen Mendelssohn die 
Tondichterin in seinen Briefen als seine hochbegabte Schülerin auf- 
führt, und unter deren früher erschienenen Liedern viele von hohem 
Kunstwerth sind, die nur theilweise wegen gar schwieriger Beglei- 
tung nicht zu allgemeinerer Kenntniss gelangten, hat wieder einmal 
in ihre langverstummte Leyer gegriffen und bei Stürmer in Stutt- 
gart 6 Lieder für Alt herausgegeben.*) In keiuem derselben ver- 
läugnet sich der Adel der Auffassung, die melodische Frische, der 
harmonische Reichthum den wir an dieser Componistin ebenso 
schätzen wie bei ihren Geistesverwandten Viardöt-Garcia und 
Clara Schumann; indessen stehen nicht alte der vorliegenden 

*) Hier scheint uns eine Personenverwechslnng stattzufinden, denn 
wenn wir nicht sehr irren, so ist die Pianistin und Compo- 
nistin Josephine Laug aus München, von welcher Mendels- 
sohn in seinen Briefen spricht und die sich im Jahre 1841 mit 
dem Professor K ö s 1 1 i n in Tübingen verheirathete , schon 
vor längerer Zeit gestorben. Die begabte Liedersängerin war 
die Tochter eines k. Hofmusikers in München und Schwester 
des noch jetzt am dortigen Hoftheater wirkenden Komikers 
Ferd. Lang, und uns von München her gar wohl bekannt. 

(Aum. d. Red.) 



174 



Gesänge auf gleicher Höhe ; manche davon scheinen viel früher ent- 
standen zu sein, und sich nur ungern noch an's Licht der Oeffent- 
lichkeit befördert zu sehen; es ist nichts gefahrlicher für einen 
wohlverdienten Ruhm, als Ueberlebtes, was uns selbst nicht mehr 
begeistert, dem Publikum darzubieten. Am besten gefallen uns von 
vorliegenden Liedern N° 1, 5 und 6; besonders letzteres ist ein dank* 
bares Vortragsstück für einen klangvollen Bariton. 

Unter den neu erschienenen mehrstimmigen Sachen stellen wir 
obenan das bei B. Schot t' s Söhnen in Mainz erschienene 
Op. 6 von PeterCornelius: drei zweistimmige Lieder für Sopran 
und Bariton. Die gewählten Poesien zunächst sind äusserst anmu- 
thig; die musikalische Verwerthung derselben geschah mit seltenem 
Feinsinn; da sind höchst interessante Harmoniewechsel , spannende 
canonische Führungen, duftige Klangeffecte, nicht, zu vergessen die 
verständige Declamation und sangbare Behandlung der Stimmen. 
Köstlich zumal ist der Canon N° 3 auf die Worte des alten lustigen 
Tegernseer Abtes Wernher: „Ich bin dein" etc. Ich für meinen 
Theil ziehe diese Duetten noch jenen, gleichwohl hoch zu achtenden, 
für Alt und Bariton von Brahms vor , von welchen die letzten 
beiden an einer gewissen Gemachtheit leiden. Vom gleichen Fehler 
sind nicht freizusprechen die drei Ghorlieder für weibliche Stimmen 
mit Begleitung von kleinem Orchester von Franz Wü 11 n er, dessen 
Sachen sämmtlich einen bedeutenden, ja oft minutiösen Fleiss be- 
urkunden, der fast wie Aengstlichkeit aussieht. Es hängt dies so 
ziemlich allen Productionen der, wir wollen sagen, niederrheinischen 
Schule an; besonders stört gewöhnlich in der Rythmik etwas Ge- 
schraubtes, den natürlichen Fluss Beengendes, das sich schliesslich 
trotz aller Klügelei doch lahm und hinkend ausnimmt. Uebrigens 
sind diese Frauenchöre sangbar geschrieben und sehi sorgfältig 
instrumentirt, so dass wir das Ganze als anständige Musik gerne 
empfehlen. 

Weniger günstig denken wir über ein Op. 1 von Gaukler: 
zwei geistliche Lieder alla capella, die ausser einigen schulmeister- 
lichen Nachahmungen in Quartensprüngen , wie sie wohl ländliche 
Orgelkünstler zu improvisiren pflegen, lauter gewönliche, mehr süss- 
liche Dilettantenmusik enthalten , wie sie nicht wohl im stilo alla 
capella, ja nicht einmal in dem sogenannten stilo familiäre vorkommt. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Mainz. 



Das angekündigte Concert der Brüder T h e r n aus Pesth fand 
am Freitag den 19. d. M. im Theater statt, and es hatte sich ihnen 
der Violoncellvirtuose Lübeck, welcher, früher Mitglied des Leip- 
ziger Gewandhausorchesters , sich gegenwärtig in Frankfurt a. M. 
niedergelassen hat , angeschlossen. Das Concert wurde mit der 
„Oberon"- Ouvertüre begonnen, deren Ausführung recht präcis und 
schwungvoll war, doch wurde leider ein ungetrübter Genuss durch 
die wahrhaft detestable Stimmung oder vielmehr Verstimmung der 
Oboen und Flöten unmöglich gemacht. Sollte denn diesem Uebel- 
Btande, der schon im vorigen Winter so störend wirkte, gar nicht 
abzuhelfen sein? — Die IIH. Thern spielten ein Concert für zwei 
Claviere mit Orchesterbegleitung (in drei Sätzen) und ein ungarisches 
Divertissement, beides Compositionen ihres Vaters Professor Thern. 
Der erste Satz des Concertes ist eine recht hübsche Arbeit, sowie 
auch das Adagio recht fein angelegt und durchgeführt ist; der Schluss- 
satz dagegen fällt bedeutend ab und ist weder an Erfindung noch 
an Factur dem ersten Stücke gleichzustellen. Wir bedauern über- 
haupt , dass man nicht wenigstens ein Werk von allgemein aner- 
kanntem Werthe, z. B. ein Mozart'sches Concert oder die herrlichen 
Variationen für zwei Claviere von Schumann dem Programme ein- 
verleibt hatte. Ueber das Spiel der Brüder Thern verweisen wir 
auf das in unseren vorigen Nummer darüber Gesagte und constatiren 
nur, dass die dort anerkannten Vorzüge der jungen Künstler sich 
wieder vollständig bewährten. Am Schlüsse des Concertes spielten 
dieselben wieder das brillante Arrangement des „Carneval von 
Venedig". Das leider gar wenig zahlreiche Publikum lohnte die 
trefflichen Leistungen durch wiederholte Beifallsspenden und Her- 
vorrufe. 



Eine höchst erfreuliche Erscheinung war uns Hr. Lübeck, der 
den ihm vorausgegangenen Ruf eines ausgezeichneten Violoncellisten 
in jeder Weise glänzend rechtfertigte. Schöner, weicher, wenn auch 
nicht vorzugsweise starker Ton, eine durchaus geschmackvolle, das 
Gemüth warm ansprechende Cantilene und dabei eine Vollendung 1 
der Technik , für die es keine Schwierigkeiten mehr gibt , nebst 
tadelloser Reinheit der Intonation selbst bei den schwierigsten Stellen, 
dies sind die Vorzüge des genannten Künstlers, der wohl zu den 
besten jetzt lebenden Violoncellisten zu zählen sein dürfte. — Hr. 
Lübeck spielte ein Concertstück von Servais mit Orchesterbegleitung 
und Schubert'*» »Ave Maria" sowie die bekannte Reverie von Vieux* 
tetnps mit hinreissender Meisterschaft. Selbstverständlich wurde 
Hrn. Lübeck die wohlverdiente Ovation von Seite des Publikums 
in reichlichem Maasse zu Theil. Wir hoffen, dass uns derselbe bald 
wieder mit seinem seltenen Talente erfreuen wird. 

Frl. Hentz und Hr. Fischer-Achten sangen, Erstere die 
B-dur-Arie aus der „Schöpfung" von Haydn und Letzterer Beet- 
hoven's „Adelaide" mit Geschmack und künstlerischem Verständniss 
und erndteten wohlverdienten Beifall. E. F. 



Ans Ems. 

10. Oclober. 

Am Ende der diesjährigen Saison angelangt, erlauben wir uns 
einen flüchtigen Rückblick auf dieselbe in musikalischer Beziehung 
zu werfen. Wie wir bereits zu Anfang des Sommers gemeldet haben, 
wurde unsere Cursaalbühne den 19. Juni eröffnet, und waren es im 
Ganzen sechszehn Vorstellungen , welche die französische Künstler- 
gesellschaft gab — zu jener Zeit, in der in den böhmischen Wäldern 
und am Maine die Kriegsdrommete erklang , und das Publikum, 
wenigstens das deutsche, eigentlich nur eine sehr getheilte Aufmerk- 
samkeit den heiteren Gebilden der Muse zuwenden konnte. Nennens- 
werthe Novitäten sind in der verflossenen Saison nicht vorgeführt 
worden ; sicherem Vernehmen nach , konnte durch die Ungunst der 
Zeitverhältnisse ein für die hiesige Bühne bestimmtes Werk von 
Offenbach nicht zur Aufführung gelangen. Zu den Operetten, welche 
auch in diesem Sommer mit besonderem Beifall aufgenommen wur- 
den, gehören: „Le Cafe' du Roi si von L. Deffes (Text von H. 
Meilhac) , „La Poupe'e de Nuremberg" von A. Adam (Text von 
A. de Leuven und A. de Beauplan), »Valse et Menuet" von L. 
Deffes (Text von Mery), „La Chatte mätamorphose'e en femme" 
von Offenbach (Text von Scribe und Melesville) und „Lieschen 
und Fritzchen" von Offenbach (Text von Briqueboul). Letzteres 
Stück, eine Alsacienne, hat eine besondere Anziehungskraft für die 
Deutschen vermöge des gemüthlichen Grundtones, der das Ganze 
durchdringt, und man vergisst das Barocke der Sprache gern über 
den ansprechenden Motiven, die an „die alten Balladen und Lieder 
des Elsasses," wie es im Texte heisst, erinnern. — Noch fügen wir 
obigen Operetten Paer's „Capellmeister" hinzu, der bekanntlich eines 
der bedeutendsten Werke seiner Gattung ist. Wenn wir uns nicht 
sehr getäuscht haben, gehört L. Deffes, dem übrigens auch ein ehren- 
volles Streben nach Gediegenheit nachzurühmen ist, zu denjenigen 
Componisten, die dem Publikum je länger je mehr gefallen. 

Wir müssen der Administration des Cursaales die Anerkennung 
aussprechen, dass sie Bich für dieses Jahr mit besonderer Sorgfalt 
die Glieder der hiesigen Bühne ausgewählt hatte. Eine Zierde der- 
selben waren vor Allen die Damen Frl. Albrecht (beiläufig be- 
merkt, eine Mainzeriu) und Frl. Vois, sowie unter dem männlichen 
Personale die trefflichen Komiker J. Paul und Gourdon. 

Concerte von besonderer Bedeutung sind in der verflossenen 
Saison nicht vorgekommen; der schlechte Besuch der Curorte hat 
jedenfalls grosse Künstler abgehalten, hierorts aufzutreten, wie denn 
überhaupt niemals Mars und die Musen in freundschaftlicher Be- 
ziehung gestanden haben. Das Musikcorps des Hrn. Hartmann 
von Coblenz vertrat die ganze Saison über unsere frühere Curcap eile, 
die Musik des 1. nastauischen Regimentes; im September erfreute 
uns die Capelle des 36. preussischen Infanterie-Regimentes unter der 
Leitung des Musikdirectors Franz Fiedler mit einigen Concerten 
im Freien. 



-p 175 - 



Da die Interessen unseres Curortes mehr oder minder von dem 
Bestand des unter der preussiscben Regierung verbotenen Hazard- 
«pieles abhängen , so sieht man hier , wie auch in Wiesbaden, 
Homburg etc. der nächsten Zukunft mit Spannung und nicht ohne 
.Besorgniss entgegen. 

Aus Stuttgart* 

Ende Oetober. 

Von den bisherigen Concerten ist vor Allen jenes des jungen 
Oeigenktinstlers A. Küchler zu erwähnen, welcher besonders die 
ungarische Liederfantasie von Ernst und das perpetuum mobile von 
Faganini mit schönem Ton und bewundernswerter Technik vortrug. 
Daneben spielte noch Frl. A. Mehlig, nunmehr auch Hofpianistin 
I. M. der Königin von Würtemberg, die Liszt'sche Paraphrase des 
Tannhäuser-Marsches, Hr. Robicek und Frl. Ehnn, unser neu- 
engagirter, vom Publikum bereits bedenklich bevorzugter, indessen 
•noch einiger Schule bedürfender Mezzosopran , sangen , und Frl. 
Meyer und Hr. Robert declamirten. Wir möchten hier vor 
einer gewissen Nonchalance warnen , welche in manchen hiesigen 
Concerten einzureissen scheint und welche die , besonders Meister- 
werken gebührende Pietät oft sehr vermissen lässt; hier nur einige 
Beispiele: bald wird ein bedeutsames Nachspiel eines Liedes weg- 
gelassen, bald unerhörte Tempi genommen, bald Gesänge, mit denen 
•die Originaltonart unzertrennlich ist, beliebig transponirt. Wer etwas 
klassisches in der Originallage nicht singen kann, bleibe weg davon; 
Ausnahmen dürfen sich höchstens eine Viardot oder ein Stock- 
liausen erlauben. Ueberdies wäre es Pflicht gewissenhafter Sänger, 
$>ei Schubert'schen „Müllerliedern" die Randhartinger'sche Original- 
ausgabe zu Rathe zu ziehen, und nicht die empörenden Willkürlich- 
weiten pietätloser Gurgelhelden wieder und wieder abzusingen. 

In der „Zauberflöte hörten wir einen ebenfalls neugewonnenen 
Sänger, Hrn. Baumann, als Sarastro, der, wenn auch nicht be- 
sondere Tiefe , doch ein vortreffliches Material besitzt , aber noch 
fceinen gehörigen Unterricht genossen zu haben scheint; Tonbildung 
find Aussprache sind gleich fehlerhaft; wir wünschten demselben 
•die treffliche Schule , welche auswärtige Bühnen an den Zöglingen 
unseres Rauscher zu schätzen wissen. 

Auch im letzten Singvereins - Concerte errang eine frühere 
Schülerin unseres Conservatoriums, Frl. Mors tat t, glänzende Er- 
folge. Dieselbe ist in der Schweiz als Concertsängerin allgemein 
gesucht, wie denn überhaupt die Methode jeneB Instituts durch zahl- 
reiche Eleven in weiter Ferne zur Geltung gebracht und fortge- 
pflanzt wird. 

In dem ersten Concerte des Orchestervereins hörten wir Catel's 
•etwas schulsteife Ouvertüre zu „Semiramis" und eine ziemlich harm- 
lose Sinfonie in Es (N° 15) von Mozart. Frl. Richter, deren wir 
«chon früher erwähnten, sang Einiges, darunter eine in Tempo und 
Character grÖssteutheils vergriffene Arie aus Händers „Semele," und 
Hr. Egm. Fröhlich spielte eine Clementi'sche Sonate (Op. 50, 
N* 2, D-moll) und Beethoven's Variationen (Op. 34), letztere aber 
mit solcher Reinheit, Wärme und Fertigkeit, dass wir diesen Bericht 
nicht schliessen wollen , ohne ihm hiermit unsere dankbarste Aner- 
kennung auszudrücken. T. 



Aus Paris. 

tt. Oetober. 

Gluck's „Alceste" erfreut sich in der grossen Oper eines sehr 
lebaften Beifalls, aber wie es sich von selbst versteht, nicht bei der 
Masse, die eine solche classische Kost nicht stark genug gewürzt 
findet, sondern bei der verhältnissmässig kleinen Zahl aufrichtiger 
Musikfreunde. Gluck's Werk wird übrigens auf eine sehr befriedi- 
gende Weise gegeben, und man muss der Direction Dank wissen, 
■dass sie dasselbe wieder auf das Repertoir gesetzt. — Das Ballet 
■,,La Source" hat wegen Unwohlsein der Salvioni noch nicht ge- 
geben werden können ; man hofft, es werde nächste Woche in Scene 
gehen. — Die Proben des »Don Carlos von Verdi werden ohne 
Unterbrechung betrieben. 

Die Ope'ra comique lässt noch immer das Publikum auf die 
Aufführung der neuen Oper „Mignon" von AmbroiBe Thomas 



warten ; doch wird dies Werk- hoffentlich im Laufe künftigen Monat« 
zur Darstellung gelangen. 

Adelina Patti ist in der vortrefflichen Oper der Gebrüder 
Ricci „Crispino e la Comare" aufgetreten und hat wahrhaft Fu- 
rore gemacht. Sie lässt auch in der Rolle der Annetta wirklich 
nichts zu wünschen übrig. Sie wurde mit Kränzen und Blumeu- 
sträussen überschüttet. Die genannte Oper war schon früher sehr 
beliebt und sie wird daher mit der jetzigen Besetzung noch eine 
lange Reihe von Vorstellungen im Solle Ventadour erleben. 

Das The'dtre lyrique übt mit Mozart's „Don Juan* eine ausser- 
ordentliche Anziehungskraft auf das Publikum aus. Dieselbe Bühne 
wird auch, wie es heisst, nächstens wieder „Oberon" zur Darstel- 
lung bringen. — Die beiden neuen Opern „Sardanapale" von 
Jonciere und „iJe'borah" von Devin-Duvivier werden fleissig 
einstudirt. — Wann dort Gounod's „Romeo und Julie" dem Pub 
likum vorgeführt wird, ist noch ungewiss. 



NT a c li r I e h t e n. 



Dresden. Am 15. Oetober gab die „Liedertafel" in der hiesigen 
Frauenkirche ein geistliches Concert für die Abgebrannten in Ehren- 
friedersdorf und brachte unter Leitung ihres bewährten Dirigenten 
Hr. F. R e i c h e 1 1) Das „Vater Unser" von Reichel, 2) Arie „Sei 
getreu bis in den Tod" aus Mendelssohn's „Paulus", 3) Requiem 
von Cherubini, 4) Arie , Sanctus, o salutaris" mit Orgelbegleitung 
des Hrn. Stephan, gesungen von Frl. AI vsleben, und 5) Motette 
„Verzweifle nicht" für 8stimmigen Männerchor und Orchester von 
R. Schumann zur Aufführung. Eingeleitet wurde das Concert durch 
ein Orgel-Präludium des Hrn. Stephan. Die Paulus-Arie sang Hr, 
Elmendorf recht hübsch, sowie denn sämmtliche Nummern in 
lobenswerther Weise durchgeführt wurden. Leider war das Concert 
nicht so besucht, als es der Zweck und der gute Wille der Lieder- 
tafel verdient hätten. 

Leipzig. Die unter dem Titel: „Andante - Allegro" hier beste- 
hende Gesellschaft von Künstlern und Kunstfreunden veranstaltete 
zur Feier des 74. Geburtstages des Hrn. Dr. Moriz Hauptmann 
am 12. d. M. einen musikalischen Abend im Saale des „Hotel de 
Pologne," wobei eine Reihe von Vocal- und Instrumental-Composi- 
tionen des gefeierten Künstlergreises aufgeführt wurden. 

— Das erste Gewandhausconcert fand am 18. d. M. mit fol- 
gendem Programm statt: I. Theil. Ouvertüre zur Oper „Die Aben- 
ceragen" von Cherubini; Recitativ und Arie aus der „Schöpfung" 
von Haydn, ges. von Frau Ulrich-Rhon vom grossh. Hoftheater 
in Mannheim ; Concert in D-moll für die Violine von Spohr, vorgetr. 
von Hrn. Hermann Brandt aus Hamburg; Arie aus „Faust" von 
Spohr, ges. von Frau Ulrich-Rhon. II. Theil. Sinfonie N° 7 (A-dur) 
von Beethoven. 

München, Der Redacteur des „Neuen baierischen Couriers" ist 
bekanntlich vom Stadtgericht wegen Beleidigung des Hrn. v. Bülow 
in seinem Blatte zu einer Strafe von 3 Tagen Arrest und 10 fl, 
Geldbusse verurtheilt worden. Der Beklagte appelirte und bean- 
tragte, dass ihm statt des Arrestes blos eine Geldstrafe zuerkannt 
werde. Das Bezirksgericht in seiner Sitzung vom 25. Oct. hat nun 
diesem Ansinnen entsprochen und die Strafe in eine einfache Geld- 
busse von 50 fl. verwandelt, ungeachtet der Anwalt des Klägers und 
der Staatsanwalt sich für Aufrechthaltung der Arreststrafe aussprachen. 

Wien. Nach langer Ruhe ging im Hofoperntheater am 15. d. M. 
Herold's „Zampa" wieder in Scene und fand vielen Beifall. Die 
Titelrolle wurde durch Hrn. von Bignio mit vielem Fleiss und 
manchen schönen Momenten wiedergegeben. Frl. K r a u s s sang 
und spielte die Partie der Camilla mit Feinheit und Noblesse. 
Stürmischer Beifall folgte dem Duette zwischen Rita und Capuzzi 
im 2. Acte, meisterhaft ausgeführt in Spiel und Gesang durch Frl« 
Bettelheim und Hrn. Mayerhofer. 

— Die „Gesellschaft der Musikfreunde" gibt am 4. November 
ihr erstes Concert mit folgendem Programm: Ouvertüre zum „Berg- 
geist" von Spohr; Sinfonie in H-moll von Schubert; Marsch und 
Chor aus den „Ruinen von Athen" von Beethoven ; Arie aus „Obe- 
ron ," und Finale aus Mendelssohn's „Lorelev" unter Mitwirkung 
der Sängerin Frl. Marie W i lt. 

— Zu der im Laufe dieser Saison bevorstehenden Aufführung 



— 176 



«lerCantate „La Damnation de Faust 4 vonH. Berlio« hat dieser 
«ine an ihn ergangene Einladung angenommen. 

Brüssel. Der „Guide musical" sagt in Bezug anf das Orato- 
rium „Lucifer" von Pierre Benott: „Unsere sämmtlichen Jour« 
Haie stimmen fiberein in dem Lobe dieses beachtenswertben Werkes 
des jungen belgischen Meisters," und fährt dann die in den be- 
deutendsten Blättern enthaltenen, durchweg günstigen Kritiken an. 
Wir verweisen unsere Leser auf das in unserer vorletzten Nummer 
(42) über diesen Gegenstand bereits Mitgetheiite. 

P&riS. Die Conservatoriumsconcerte werden demnächst wieder 
beginnen und man hört mit Vergnügen, dass das Comite sieh ent- 
schlossen hat, dieses Jahr, um den zahlreichen Kunstfreunden, welche 
bei der Beschränktheit der Raumes bisher ausgeschlossen blieben, 
Genüge zu thun, zwei Abonnement-Serien geben wird und zwar in 
der Weise, dass jedes Abonnementconcert am darauffolgenden Sonn- 
tage für die Abonnenten der zweiten Serie wiederholt wird; jeden 
dritten Sonntag wird dann Pause gemacht. Es ist dies eine sehr 
lobenswerthe Einrichtung, welche allgemeine Anerkennung findet. 

— Am Sonntag den 21. d. M. fand das erste der populären 
Concerte des Hrn. Pasdeloup statt mit folgendem Programm : 
Ouvertüre zur Oper „Freischütz"; Sinfonie in C-dur (Op. 34) von 
Mozart; Balletmusik von Gounod ; Andante und Variationen von 
Haydn (zum 1. Male); C-moll-Sinfonie von Beethoven. 

— Wie bereits mitgetheilt wurde, beabsichtigt Rossini sich 
an die Orchestrirung seiner Messe zu begeben. Von speculativen 
Concertunternehmern sollen dem Maestro bereits fabelhafte Summen 
geboten worden sein für das Aufführungsrecht des vollendeten Werkes 
zur Zeit der grossen Industrie-Ausstellung in Paris. Doch soll sich 
indesB derselbe bis jetzt solchen Anerbietungen noch unzugänglich 
erwiesen haben; so erzählen wenigstens Pariser Blätter. 

London. Die bedeutende Anzahl von Theatern in London ist 
kürzlich wieder durch ein neues vergrössert worden, indem das neu- 
erbaute Holborn-Theater, in dem gleichnamigen Stadttheile gelegen, 
eröffnet wurde, und zwar unter grossem Zudraug von Schaulustigen, 
deren Erwartung noch gesteigert wurde durch die angekündigte Auf- 
führung eines neuen Stückes von dem äusserst populären Dichter 
Boncicault. Das Haus ist ungefähr ebenso gross wie das Olympia- 
Theater, aber viel bequemer eingerichtet. Das Eröffnungsstück war 
eine Farce von T.J.Williams, betitelt: „Larkin's Liebesbriefe"; 
nach dessen Schluss hielt der Director des Theaters, Hr. Sefton 
Parry eine kurze humoristische Ansprache an das Publikum, und 
nun kam das ersehnte Stück von Boncicault, ein sogenanntes Turf- 
StQck, in welchem eigentlich Rennpferde die Hauptrolle spielten. 
Den höchsten Enthusiasmus erregte das mit nochniebtdagewesenem 
Aufwand von decorativen und mechanischen Künsten in Scene ge- 
setzte Derby- Wettrennen. Der Unternehmer kann mit seinem ersten 
Erfolge in jeder Beziehung vollkommen zufrieden sein. 

*,* Das konigl. Schullehrer- Seminar zu Eichstätt in Baiern 
veranstaltete vor einiger Zeit in der dortigen Peter und Paulkirche 
eine Production von Orgelcompositionen älterer und neuerer Meister. 
Die erste Abtheilung enthielt Compositionen aus dem 16. und 17. 
Jahrhunderte, so von Jacques Buns (1540), Claudio Merulo (1578), 
Frescobaldi (1630), Scarlatti (1683), während die zweite Abtheilung 
Werke von J. S. Bach, Händel, Job. Ludw. Krebs, Rink, Ad. Hesse, 
L. Spohr, J. G. Herzog und Fei. Mendelssohn -Bartholdy brachte. 
Wir erwähnen dieser Aufführung, weil sie einen erfreulichen Beweis 
liefert, dass das Orgelspiel, welches in den katholischen Kirchen 
Baierns im Allgemeinen nicht sonderlich glänzend bestellt ist, we- 
nigstens hie und da eine bessere Pflege findet. Mögte in allen 
Schullehrer-Seminarien demselben gleiche Sorgfalt zugewendet wer- 
den wie in Eichstätt. 



* * 



* Der zur Zeit in Schandau weilende Tanzcoroponist A. 
Wallerstein hat dort sein „Album für 1867" vollendet, welches 
wie seine Vorgänger bei Schott' s Söhnen in Mainz erscheinen 
wird und , wie von competenter Seite versichert wird , auch wieder 
viele hübsche, frische und originelle Weisen enthält. 

*** In Hamburg sind populäre Abendunterhaltungen für Kam- 
mermusik organisirt worden und fand die erste derselben bereits am 
12. October statt, in welcher die HH. L. A u e r aus Düsseldorf, 
L. Albrecht aus Petersburg, Brandt und Kleinmichel aus 
Hamburg das Tiio N* 2 in F-dur für Pianoforte, Violine und Vio- 
Ion cell von Schumann, Sonate in A-dur für Pianoforte und Violon- 



cell von Beethoven und ein Quartett von Haydn vortrugen. Hr. 
Stockbausen sang Lieder aus Schuberts „Schwanengesang" uncl 
deutsche Volkslieder. Die Eintrittspreise sind auf 20 Schillinge für 
den Saal und 12 Schillinge für die Gallerie festgesetzt. 

*** Die italienische Oper, welche im Berliner Victoriatheater 
Vorstellungen gab, hat dieselben nach kurzer Zeit wieder eingestellt,, 
da die geringe Theilnahme , welche den Unternehmern von Seito- 
des Publikums gewidmet wurde, eine weitere Fortführung desselben 
unmöglich machte. 

*** Das abgebrannte grosse Theater in Constantinopel soll auf 
Befehl des Sultans mit grossem Kostenauf wände wieder hergestellt 
werden, und ist der italienische Architect Minareli Straboni. 
mit dem Baue beauftragt. 

V Frl. Anna Mehlig aus Stuttgart, Hofpianistin der Gross- 
herzogin von Weimar, ist nun auch von der Königin von WÜrtem» 
berg zu deren Hofpianistin ernannt worden. 

V Bossini, Friedlich Rieci, die Librettisten Piave und 
Solera, sowie der Balletmeister Saint-LSon haben vom Kaiser 
von Bussland den Alexander-Newsky-Orden erhalten. 

*„* Shylok, der so lange schon sein Messer wetzt, muss nun- 
selbst an's — musikalische Messer, d. h. er muss singend „auf seinem 
Schein Btehen," da in der nächsten Saison des Coventgarden-Theaters 
eine Oper „Der Kaufmann von Venedig" von Ciro Pinsuti zur 
Aufführung kommen soll. 

*** In Strassburg werden auf Anregung und unter der Leitung 
des Orchester- Directors Hasselmans sechs classische Concerte 
stattfinden, in welchen vorzugsweise die Werke der grossen deut» 
sehen Meister vorgeführt werden sollen. 

%* Die erste Opern - Novität , welche das deutsche Theater in* 
Prag diesen Winter bringen wird, ist Abert's „Astorga"; die- 
Bollen sind bereits vertheilt. Abert ist bekanntlich ein geborner 
Böhme. 

*** Verschiedene Zeitungen bringen die erschütternde Nach- 
riebt, dass ein nach New- York und New-Orleans bestimmtes Dampf- 
schiff, welches 300 Passagiere an Bord hatte, mit Mann und Maus 
zu Grunde gegangen sei. Unter den Passagieren sollen sich zwei,, 
fttr die Oper und für die Comödie engagirte Gesellschaften französi- 
scher Künstler befunden haben. 

*** »Der Sohn der Wüste" ist der Titel einer neuen Oper 
von A. Rubinstein, welche diesen Winter in Moskau aufgeführt, 
werden soll. 

*** Der Kurfürst von Hessen beabsichtigt, in Hanau ein an- 
ständiges Theater in's Leben zu rufen, um die langgewohnte Zer- 
streuung durch die Kunst nicht entbehren zu müssen. 

*** Die Nachricht, dass R. Wagner an einer Oper „Friedrieb 
von Hohenstaufen" arbeite, wird in den Leipziger „Signalen" de* 
mentirt. Bleibt also nur noch der „Teil," wenn er nicht ebenfalls* 
apokryphisch ist. 

*** Der Schauspieler Friedrich Haas e ist in Coburg lebens- 
länglich als „Hof8chauspieldirector" engagirt, mit 4000 fl. Gehalt,, 
freier Wohnung und dreimonatlichem Urlaub. 

*** Die „Neue Zeitschrift für Musik" enthält eine Mittheilung 
aus Born, nach welcher Liszt sein Oratorium „Christus," von dem« 
die schon öfter aufgeführten „Seligkeiten" und das „Vater unser* 
Bruchstücke sind , nun gänzlich vollendet haben soll. Das Werk 
füllt vollständig einen Abend aus und dürfte an drei Stunden dauern. 

*** Joachim hat am 13. d. M. seine Quartettsoire'en in. 
Hannover wieder eröffnet. Das bisher nach englischem Muster in. 
Hannover eingeführte Verbot der Theatervorstellungen an Samstagen, 
ist jetzt aufgehoben werden. 

*** Ein Schaffhausener Bürger Namens lmthurn bat daselbst 
mit einem Kostenaufwand von einer halben Million Francs ein. 
Theater erbauen lassen, welches den Namen „Imthurneum" erhält, 
auf 700 bequeme Sitzplätze eingerichtet ist und das Bchönste 
Theater in der Schweiz sein soll. Zum Director desselben ist Dr. 
Ferd. Stolte bestimmt. 

Briefkasten. Unsern geehrten Hrn. Correspondenten in» 
Leipzig ersuchen wir hiermit um baldige Erfüllung seiner freund- 
lichen Zusage. 

■i i m » ii » ——————■ 

Verantw. Red, Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wa?lau 9 Mainz*. 



15. Jahrgang. 



JV* 4S. 



5. November 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUND. 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co. 



PBEIS: 

£1. 2. 42 kr. od. Tu. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 



IIHALT: Die pästliche Capelle. — Giovanni Pacini. — Nachrichten. 



Hie päpstliche Capelle. 



Aus J. W. V. Wasielewskfs „Erinnerungen aus Italien." 



Die Hauptstadt der katholischen Christenheit geniesst den alten 
Bnhm, in der päpstlichen Capelle ein musikalisches Kunstinstitut 
ohne Gleichen au besitzen. Man begreift daher, dass dem Fremden 
die Bekanntschaft mit den Leistungen desselben ebenso wichtig er- 
scheint, wie etwa die Besichtigung der vaticanischen and capitoli- 
nischen Museen, und dies um so mehr, je seltener Gelegenheit ge- 
boten ist, den genannten Sängerchor zu hören. Es ist Vorsorge 
dafür getroffen, dass demselben der Beiz der Neuheit und damit ein 
gewisser Nimbus erbalten bleibt. Denn nur in der Charwoche und 
an einigen hohen Festtagen, bei denen der Papst persönlich in der 
sixtinischen Capelle fungirt, lässt er sich vernehmen. Begreiflicher 
Weise bilden diese Momente Beiner offiziellen Thätigkeit einen grossen" 
▲asiabwigsponkt für die Fremden, welche sich auch stets zahlreich 
lagjge vor Beginn der betreffenden Ceremonie im Vorraum der six- 
tpHschen Capelle einfinden. Endlich wird die belagerte Pforte ge- 
öffnet; man darf eintreten in das Heiligthum, wenn man sich näm- 
licn durch einen anständigen Frack zu legitimiren vermag (denn 
nur Leute im Gesellschaftsanzuge werden eingelassen), und ist froh, 
einen leidlichen Stehplatz zu erobern. In ermüdender Stellung harrt 
man gelassen und andächtig der Dinge, die da kommen sollen. Er- 
hoben und erwartungsvoll gestimmt betrat ich jene Räume, in denen 
der unvergleichliche Geist von Michel Angelo mit titanischer Kraft 
sich verewigt hat. Der Kühnheit und Gewalt seines Ausdrucks in 
diesen einzigen bildlichen Darstellungen voll prophetischer Hoheit 
und Wahrheit ist nichts Anderes in der Malerei vergleichbar, und 
unnahbar stehen sie im Gebiete der Kuust da , gleichwie in der 
Natur jene riesigen, von ewigem Schnee bedeckten Bergcolosse, die 
vereinsamt und majestätisch aus der Alpenwelt in den blauen, 
sonnenverklärten Aether hinaufragen. Doch wer nur für das Mäch- 
tige, Gewaltige in der Kunst einen Sinn mitbringt, wird an dieser 
Stelle Genüge finden: das Liebliche, Anmuttnge, absolut Schöne, 
was in Raphael's wundergleichen Werken jeden Beschauer ohne 
Unterschied des Empfindungsvermögens so unmittelbar eifasst und 
erfüllt, ist hier ausgeschlossen. 

Eben war ich in den Anblick des Michel Angelo'schen Christus 
versunken, der im Weltgericht des Meisters mit alttestamentarischem 
Zornesblick und entsprechender Geberde das Verdammungsurtheil 
auf die den finsteren Mächten Verfallenen herabschleudert, als die 
ersten Töne des Sängerchors an mein Ohr schlugen. Die Function 
begann in dem Augenblicke, da der Papst mit seinem zahlreichen 
Gefolge die Capelle betrat. Es ist schwer, die Wirkung zu schil- 
dern , welche die Leistung der päpstlichen Sänger in der zu Gehör 
gebrachten Messcomposition bei mit erzeugte. Ein Gemisch von 
starker Enttäuschung und dem eifrigen Bestreben, an dem Gehörten 
jene Eigenschaften zu entdecken, von denen ich so viel gehört und 
gelesen, beherrschte mich, und unter den widersprechendsten Ge- 
fühlen hörte ich die ersten Voealsätse an. Die Leistungen erschie- 



nen mir mittelmäßig, und doch getraute ich mir nicht, solches zu- 
zugestehen, denn ich war voll des besten Willens, das auch schön 
und treulich zu finden, was zu so grosser Berühmtheit gelangt. Doch 
alles das half mir nicht über den wirklichen Eindruck hinweg, den 
die musikalische Production auf mich machte. Sie bewirkte viel- 
mehr nach und nach die vollkommene Ueberzengung bei mir, dass 
es sich um ein Kunstinstitut handle, welches, ehedem einzig in seiner 
Art, durch fortgesetzte ungenügende Führung allmählig in das Sta- 
dium unaufhaltsamen Verfalles gerathen sei. Und hier fand ich 
wieder einmal die schon oft gemachte Erfahrung bestätigt, dass ein 
wohlbegrüodeter Ruf weit schwerer zu verlieren als zu erwerben ist. 
Die päpstliche Capelle wird fort und fort bei allen denen als das- 
jenige gelten, was sie ohne Zweifel ehedem war, eben weil sie einen 
alten Ruhm besitzt. Indess nur unklare Naturen , die sieh dem 
Autoritätenglanben blindlings hingeben, und denen die wahren Be- 
dingungen der Kunst nicht gegenwärtig sind, können hier getäuscht 
werden. 

Doch ich will mich näher erklären. Die Leistungen der six- 
tinischen Capelle bleiben nicht nur in geistiger, sondern auch in 
technischer Beziehung hinter jenen Erwartungen zurück , die mau 
sich allen Prämissen zufolge von ihnen macht und machen darf. 
Das Institut ist einem seelenlosen Formalismus verfallen , und in 
handwerksmässigem Betriebe wird eine Thätigkeit mit mechanischer 
Routine fortgesetzt, die sich in keinem Pnnkte verkennen lässt. 
Diese Erscheinung findet ihre vollkommene Erklärung in dem neueren 
Entwickelungsgange der Musik Italiens überhaupt. Nach einer 
glänzenden Epoche, welche von den namhafteste/t Meistern repräsen- 
tirt wurde, gerieth diese Kunst dort allmählig in Verfall. Die Ton- 
setzer gaben das künstlerische Ideal ihrer Vorgänger auf und füg- 
ten sich mehr und mehr den wechselnden Tagesbedürfnissen des 
Publikums, das infolge socialer und politischer Corruption nur noch 
nach oberflächlichem, einschmeichelndem Ohrenkitzel verlangte. Der 
Geschmack entartete solchergestalt; selbst für das Handwerk der 
Kunst, für die Technik verlor man die festen Haltpunkte, das Me- 
thodische der Kunstübung, und was von Traditionen in dieser Be- 
ziehung übrig geblieben war, wurde geistlos und schablonenmässig 
angewandt oder wohl gar in einseitiger Uebertreibung ohne inneres 
Verständniss der Sache bis zur Carricatur entstellt. Auf diesem 
Standpunkte erblicken wir heute im Allgemeinen die Handhabung 
der Tonkunst in Italien. Auch die sixtinische Capelle, das ehedem 
hervorragendste Musikinstitut das Landes, hat sich diesen Zuständen 
nicht zu entziehen vermocht. Sie würde es ebenso wenig gekonnt 
haben, wenn ihre artistische Leitung eine bessere wäre, als sie ist. 
Zwar bewahrt man auch hier, wie der Vortrag in mancher Beziehung, 
namentlich aber in Betreff des Declamatorischen , erkennen lässt) 
Traditionen. Allein die Anwendung derselben erfolgt äusserlicb und 
in so affectirt gröblicher Weise, dass die musikalische Wirkung des 
Ganzen nur entstellt wird, anstatt gehoben zu werden. So geschieht 
es, dass einzelne Töne, Figuren und Phrasen der declamatorischen 
Betonung halber roh und gewaltsam hervorgestossen werden, wäh- 
rend der natürliche Gegensatz einer aceentuirten Vortragsweise, das 



— 178 — 



Legato, gänzlich fehlt. Auch von einem guten Portament habe ich 
keine Spur gefunden, Ueberdies war die Intonation , das erste 
Bedingniss einer musikalischen Leistung, höchst unsauber, und im 
Ensemble nahm bisweilen eine völlige Unklarheit der Gestaltung 
überhand. Alles wurde stark gesungen ; die Abstufungen des p und 
pp fehlten ganz. 

Besser als die Gesammtleistungen waren einige Solopartien, iu 
denen einzelne schöne Stimmen vernehmbar wurden. Doch gehörten 
diese zu den Ausnahmen. Ich hatte eine Vereinigung von auser- 
lesenen Gesangskräften erwartet und wurde auch in dieser Beziehung, 
wenigstens theilweise, völlig enttäuscht. Zumal die näselnden, fast 
schnarrenden Castratenstimmen machten einen Übeln Eindruck. Kurz, 
ich gelaugte zu keinerlei Genuss. 

Man sagt, dass die sixtiniscke Capelle den Glanz ihrer Leist- 
ungen vornehmlich in den Productionen der Cbarwoche entfalte. 
Hieran darf man indess mit Recht zweifeln. Denn die Gesänge, 
welche bei dieser Gelegenheit zur Aufführung kommen, insbesondere 
die Improperien des Palestrina, erfordern eben ganz andere Eigen- 
schaften, als der päpstliche Sängerchor bei seiner Pfingstfestproduc- 
tion mir offenbart hat. Die genannten Compositionen des Meisters 
gehören vermöge ihr«ur grossen Einfachheit und Tiefe zu den schwie- 
rigsten Aufgaben der musikalischen Vortragskunst, und in dieser 
Beziehung gerade lassen die fraglichen Sänger Alles zu wünschen 
übrig. *) 

Giovanni Pacini. 

Der greise Maestro P a c i n i , welchen die Last seiner Jahre 
nicht hindert, noch immer als Operncomponist thätig zu sein, hat 
dem Theater San Carlo in Neapel den ersten Act seiner neuen Oper 
^Berta" eingesendet und arbeitet rüstig an der Vollendung des ganzen 
Werkes. Eine so seltene Dauer der geistigen Frische und der Fan- 
tasietliätigkeit verdient wohl, dass man sein schöpferisches Wirken 
sich etwas näher betrachtet, umsomehr als auch die italienische Oper 
in Paris durch die Wiederaufführung der Oper .,Saffo" von Paciui 
die Aufmerksamkeit wieder auf diesen Componisten gelenkt hat» 
der zwar in Deutschland wenig gekannt ist, dagegen zu den frucht- 
barsten italienischen Operncomponisten gehört und die dortigen 
Bühnen Jahrzehnten lang mit Opern förmlich überschwemmt hat. 

Wir entnehmen dem „M&nestrel" folgende Notizen: Das Ende 
des 18. Jahrhunderts brachte in Italien sechs Componisten hervor, 
die, was Fruchtbarkeit anbelangt, einander nichts nachgaben, und 
keiner von ihnen hat weniger als 50 Opern geschrieben ; Pacini 
muss nahe an seiner hundertsten angekommen sein. Die er- 
wähnten sechs Musiker sind : C o c c i a (1789), Rossini (1792), 
Coppola (1793), Pacini (1796), Donizetti und Mercadan te 
(1797). Ein einziger von ihnen, und zwar einer der begabtesten, 
der liebenswürdige Donizetti ist todt. Bossini überlebt sich selbst 
nach einem 40jährigen Schweigen; Mercadante ist vor der Zeit alt 
geworden und nun seit mehreren Jahren erblindet, so dass er seine 
Stelle als Director des Conservatoriums in Neapel niederlegen musstc; 
gleichwohl hat er noch iu diesem Jahre eine neue Oper, „ Virginia" 
aufführen lassen. Coccia und Coppola schreiben schon lange nicht 
mehr; der Erste lebt vermuthlich in Turin, der Andere ist seit vielen 
Jahren Concertmeister und Orchesterdirector am Theater San Carlos 
in Lissabon. Nur Giovanni Paciui, der Freund und Arbeitsgenosse 
Rossini's, steht noch auf der Bresche und scheint noch gar nicht an 
seinen Rückzug zu denken. 

Er ist am 17. Februar 1796 in Catania geboren, also nahezu 
71 Jahre alt, was ihn jedoch nicht hindert, einer der beschäftigtsten 
Menschen in ganz Italien zu sein, indem er hier eine Oper gibt» 
dort eine Messe aufführt, kritische und gelehrte musikalische Artikel 
für zehn verschiedene Journale liefert, sich mit der Errichtung eines 
Monumentes für seinen Freund Rossini oder einer Statue für seinen 
Landsmann Guido Monaco (Gui d'Arezzo) befasst, seine Memoiren 
schreibt, als Schiedsrichter über verschiedene musikalische Preis- 
concurrenz-Arbeiten und Gott weiss, mit was sonst noch beschäftigt 



*) Das Urtheil, welches L. Spohr in seiner Selbstbiographie über 
die Musikaufführungen in der sixtinischen Capelle während der 
Cbarwoche abgibt, stimmt in der Hauptsache mit dem des Hm. 
v. Wasiliewski vollkommen überein. (Anm. d. Red.) 



ist! Thatsache ist es, dass der Componist der »Saffo* 1 und der 
„Niobe" jederzeit von wunderbarer Rührigkeit war, und dass diese 
Rührigkeit, weit entfernt abzunehmen, sich im Gegentheil mit zu- 
nehmendem Alter zu verdoppeln scheint. Im vergangenen Jahre 
veröffentlichte er seine „Memorie artistiche" componirte eine grosse 
Cantate für die Enthüllung des Denkmals, welches in Pesaro für 
Rossini errichtet wurde; er besorgte die Correspondenz mit dem 
Comite , welches mit der Ueberbringuug der irdischen Ueberreste 
Bellini's nach Catania beauftragt war; er schrieb viele Briefe in 
Bezug auf die Gui d'Arezzo zu erweisenden Ehren ; dies Jahr com- 
ponirte er eine Oper, „Berta," welche demnächst in Neapel aufge- 
führt werden soll, uüd zu gleicher Zeit lieferte er unzählige Artikel 
für die verschiedenen musikalischen Zeitschriften Italiens. Dabei 
kann er sich rühmen, sein ganzes Leben lang gearbeitet zu haben, 
indem er in noch jugendlichem Alter seine Laufbahn betrat. Als 
der Sohn des Sängers Luigi Pacini, welcher zuerst ein vortreff- 
licher Tenorist und später ein renommirter Buffo war, machte er 
seine musikalischen Studien in Bologna, wo er mit Tommas Mar- 
en es i, sodann mit dem berühmten Pater Stanislaus Mattei 
studirte. Kaum 15 Jahre alt, schrieb er eine Farce, „Jnnetta e 
Luanda,* welche er im Theater Canobbiana in Mailand aufführen 
liess. Mit eiuem Sprunge iu den glücklichsten Erfolg eingetreten, 
gab er nacheinander „ Adelaide e Comingio* in Mailand, ^Atala* 
in Padua , „La tiposa fedele" in Venedig , „L'Evacuazione del 
Tesoro" in Pisa und u liosina H in Florenz. Mit 20 Jahren erzielte 
er |eineu ausserordentlichen Erfolg in der Scala mit »il Barone di 
Dolsheim." uud nun folgten in unglaublicher Schnelligkeit mehr als 
ein Dutzend Opern aufeinander. 

Im Jahre 1822 befand er sich in Rom, wo er für das Theater 
Argentiua seinen „Cesare in Egitto" schrieb, während Rossini für 
Tordinona au seinem „Corradino" arbeitete. Eines Tages erhielt 
er folgendes Billet: „Carissimo Pacini ! Komme so schnell als mög- 
lich zu mir, da ich dich dringend noth wendig sehen muss. In der 
Noth erkennt man seine Freunde ! G. Rossini." 

Pacini eilte sogleich zu Rossini, der ihm ungefähr folgendes 
sagte: „Du weisst, dass ich den „Corradino" für Tordinona schreibe; 
wir sind schon in den letzten Tagen des Camevals, und es fehlen 
mir noch sechs Nummern. Tordinona quält mich und hat Recht; 
darum habe ich gedacht, Du könntest meine Plage mit mir theilen, 
d. h. Du solltest nämlich drei Stücke schreiben, uud ich schreibe 
die andern drei. Da ist der Text, Papier , ein Stuhl , nun mache 
Dich au die Arbeit." Pacini that, was sein Freuud von ihm ver- 
langte, so dass die Oper zur rechten Zeit gegebeu werden konnte; 
leider hatte sie aber keinen Erfolg. 

Pacini begab sich bald hierauf nach Neapel , wo er seinen 
,,/4/essandro neV Indie" aufführte, uud dann sich für eiuige Zeit 
wie Rinaldo iu die Gärten der Armida zurückzog, dajä heisst, er 
heirathete eine junge Neapolitauerin, welche das Wunder vollendete, 
ihn während eines ganzen Jahres von der Bühne entfernt zu halten. 
Im Jahre 1825 erschien er in San Carlo wieder mit seiner u Ama- 
zilia" und einige Mouate später gab er seine Oper „& Ultimo giorne 
di Pompeji " ein Werk, welches ihm einen seiner grössten Triumphe 
bereitete und welches seinen Namen zuerst in Paris bekannt machte, 
wo dasselbe am 2. October 1828 als Debüt der grossen Gesangs- 
künstleriu Mme. M eric-La laude gegeben wurde. Hierauf schrieb 
er für Mailand ,.La Gelosia corefta" und sodann wieder für Neapel 
seine >y Niobe ," eines seiner Hauptwerke; diese Oper war für die 
Pasta geschrieben, welche eine schöne Cavatiue aus derselben be- 
rühmt machte und sie in vielen andern Opern einlegte. Auf „TVäfofo" 
folgten mindestens ein Dutzend verschiedene neue Opern, die wir 
nicht namentlich anführen. 

Im Jahre 1835 liess sich Pacini in Viareggio nieder, wo er eine 
Musikschule gründete und ein Theater erbauen liess , welches er 
1837 mit seiner Oper „// Talismano" eröffnete. Im folgenden 
Jahre begab er sich wieder auf die Wanderung und goss eine ganze 
Fluth von Opern über die verschiedenen Städte Italiens aus. Man 
sieht, er verlor keine Zeit; und doch, was bleibt von diesem so 
zahlreichen Repertoir, und wieviele Opern von diesem Componisten 
werden, selbst in Italien heutzutage noch gegeben? Höchstens drei: 
„Niobe," „Saffo" und „// Saltimbanco." Die übrigen sind, wohl für 
immer, verschwunden, und diese Vergessenheit ist die gerechte Strafe, 
die einen Mann von Talent und Einbildungskraft treffen musste, der 



- 179 - 



«ich zu wenig um seinen Ruf kümmerte, die Quantität mehr wie die 
Qualität im Auge hatte , und auf unverzeihliche Weise das in hun- 
dert mittelmässigen oder schlechten Partituren verzettelte, womit er 
zwanzig ausgezeichnete hätte machen können. In Frankreich kennt 
man nur vier Opern von Pacini. Die jetzt wieder hervorgesuchte, 
^Saffb, 11 wurde in Paris 1842 gegehen, nachdem sie 1841 in Rom 
«um ersten Male über die Bretter gegangen war. 



W a c 8i r i c h t e n. 



Düsseldorf Am 26. October fand in der neuen Tonhalle das 
«rste Concert des „Allgemeinen Musikvereins" unter Leitung des 
Hrn. Musikdirector Julius Tausch Btatt und wurde mit der treff- 
lich ausgearbeiteten Ouvertüre zu „Lodoiska" von Cherubini glän- 
zend eröffnet. Als Gäste hatten uns Frl. Henriette Garthe vom 
Hoftheater in Hannover und Hr. Musikdirector Friedrich Lux 
aus Mainz durch ihre Mitwirkung in hohem Grade erfreut. Erstere 
sang die bekannte Kirchenarie von AI. Stradella und Lieder von 
Taubert und Marschner, sowie eine Scene aus Gluck's „Ipbigenie". 
Sie erndtete wohlverdienten Beifall und gab, stürmisch hervorgerufen, 
noch Mendelssohn^ „Auf Flügeln des Gesanges" zum Besten. Was 
Hrn. Lux anbetrifft, so hat derselbe seinen Ruf als einer der besten 
Organisten glänzend gerechtfertigt durch den meisterhaften Vortrag 
der Mendelssohn'schen B-dur- Sonate und einer Fantasie über das 
Gebet aus dem „Freischütz" von seiner Composition. Ausserordent- 
lich schöne Wirkung machten auch das von ihm für Violoncell, 
Orgel und Pianoforte arrangirte „Ave Maria" von Fr. Schubert 
und die Gounod'sche Meditation über das erste Präludium von Seb. 
Bach für dieselben Instrumente, wobei Hr. de Swert die singende 
•Stimme auf dem Violoncell mit ausserordentlich schönem Ton und 
tinreissender Wärme wiedergab. Auch der Chor leistete in einem 
Psalm von Mendelssohn, in einer Scene aus Gluck's „Iphigenie" und 
in der Hymne von Händel recht Anerkennenswerthes und verdient 
das aufmunterndste Lob. 

CobleilZ. In höchst interessanter Weise begannen am 30. Oct. 
unsere Abonnementconcerte unter Direction des Hrn. Max Bruch 
mit folgendem Programm: „Jubelouvertüre" von C. M. v. Weber; 
Concert für Violoncell mit Orchesterbegleitung (2. u. 3. Satz) von 
B. Molique, vorgetr. von Hrn. Concertmeister Jules de Swert aus 
Düsseldorf; „Frühlingsbotschaft" von Emanuel Geibel, für Chor und 
Orchester componirt von Niels W. Gade ; „Romance Sans paroles'* 
von J. de Swert und zwei Gavotten für Violoncell mit Clavierbegl. 
von J. S, Bach, vorgetr. von Hrn. J. de Swert, welcher sich hierin, 
wie in dem Concert von Molique als ein ebenso technisch vollendeter 
wie geschmackvoller Violoncellist bewährte und reichlichen , wohl- 
verdienten Beifall erndtete. Den 2. Theil des Concertes bildete die 
C-moll- Sinfonie von Beethoven, welche ebenso wie die Ouvertüre 
und die Cantate von Gade unter der sorgfältigen und sicheren Lei- 
tung des Hrn. Max Bruch ihre volle Wirkung machte, so dass dieser 
erste Concertabend zu den günstigsten Erwartungen für die weiteren 
Productionen dieser Saison berechtigen dürfte. 

Cöln. Am 28. October fand das erste Gesellschafts-Concert im 
grossen Saale des Gürzenich statt. „Zur Gedenkfeier der vater- 
ländischen Helden" brachte das Programm: 1. Festklänge für Or- 
chester, Chor und Orgel, componirt für das Berliner Siegesfest von 
Heinrich Dorn. 2. Requiem in C-moll für vierstimmigen Chor, 
Orchester und Orgel von Cherubini. 3. Sinfonia eroica von Beet- 
hoven. Dorn's Composition fand keinen besonderen Beifall. Um so 
grössere Wirkung machten dagegen das unvergleichliche Requiem 
von Cherubini und die Beethoven'sche Sinfonie. 

Berlin. Der frühere Capellmeister am Hoftheater in Hannover, 
Hr. Bernhard Scholz, welcher nach einem längeren Aufentbalte 
in Florenz nach Deutschland zurückgekehrt ist und sich nun in 
Berlin niedergelassen hat, gab am letzten Sonntag in seiner Wohn- 
ung eine Matinee , zu welcher er einen Kreis von Künstlern und 
Kunstkennern eingeladen hatte, um ihnen zwei seiner Compositionen, 
nämlich ein Quintett für Pianoforte und Streichinstrumente in C-dur 
und ein Claviereoncert in G-dur mit einer für Quartett arrangirten 
Orchesterbegleitung, vorzutragen, wobei Hr. Scholz, ein Schüler des 
Professor Dehn, sich nicht nur als ein tüchtiger Pianist, sondern 
auch als ein in Bezug auf contrapunctisches Wissen, polyphone Stimm- 



führung und noble Erfindung ausgezeichneter und vielversprechender 
Componist erwies, und sich die Achtung und Anerkennung der an- 
wesenden Notabilitäten im Fache der Kunst und Kritik mit einem 
Schlage gewann. Möge Hr. Scholz recht bald mit seinen Werken* 
namentlich mit seinem Clavierconcerte vor die Oeffentlichkeit treten, 
und auf diesem Wege von dem kunstsinnigen Publikum Berlins das, 
für ihn so vortheilhafte Urtheil der bei jener MatinSe anwesenden 
Männer von Fach sich bestätigen lassen. 

Paris. Am Sonntag den 28. October fand das zweite der popu- 
lären Concerte für classische Musik unter Leitung des Hrn. P a s- 
delonp statt mit folgendem Programm : Ouvertüre zu „Struensee* 
von Meyerbeer; Pastoral-Sinfonie von Beethoven; „Eine Nacht auf 
dem Meere," Adagio aus der Columbus-Sinfonie von Abert (zum 1. 
Male); „Canzonetta* aus dem Streichquartett Op. 12 von Mendels- 
sohn (von sämmtlichen Streichinstrumenten ausgeführt) ; Ouvertüre 
zu den „lustigen Weibern von Windsor* von Nicolai. Das erste 
dieser Concerte war sehr zahlreich besucht, und sämmtliche Nummern 
des Programms wurden trefflich ausgeführt und mit lebhaftem Bei- 
fall aufgenommen; Gounod's Balletstück und das reizende Andante 
von Haydn mussten sogar wiederholt werden. Es ist kein Zweifel, 
dass diesem Unternehmen auch in gegenwärtiger Saison von Seite 
des Publikums die wärmste und ausdauerndste Thei Inahme entgegen- 
gebracht werden wird, wie dies in den vorhergehenden Jahren stet» 
der Fall gewesen ist. 

— Gluck's „Alceste" wird fortwährend von dem kunstsinnigen 
Theil des Publikums bewundert, von den gewöhnlichen Operngästen, 
die entweder nur durch spectakelhaftes musikalisches Geräusch und 
Maschinen wunder aufgeregt oder durch nichtssagendes Geleier ge- 
kitzelt sein wollen, natürlich als höchst langweilig befunden. Sicher 
ist, dass Hr. P e r r i n den aufrichtigen Dank aller wahren Kunst- 
freunde für die Inscenirung dieses Meisterwerks verdient. 

— Die Proben für Verdi's „Don Carlos" nehmen ihren eifrigen 
Fortgang und werden demnächst auf der Bühne stattfinden, worauf 
dann die Orcbesterproben beginnen werden, so dass die Aufführung; 
der Oper für den Anfang des Monats Dezember zu erwarten sein 
dürfte. 

— Eine Neuigkeit, welche geeignet ist, die ganze Pariser Be- 
völkerung in Trauer zu versetzen, durchläuft die Stadt. Theresa, 
die schamloseste Vertreterin des gesungenen Cancans, soll den Reis 
ihres rauhtönigen Organes durch eine furchtbare Erkältung auf das 
Ernstlichste gefährdet sehen 1 Was ist Paris noch, wenn sie nicht 
mehr ihre Gassenhauer singt? 

Moskau. Am 13. September (neuen Styles) wurde das kaiser- 
liche Conservatorium für Musik mit den entsprechenden Feierlich- 
keiten eröffnet. Diese Anstalt, welche gleich dem Petersburger Con- 
servatorium unter dem Protectorate der GroBäfürstin Helene steht, 
hat sich die Aufgabe gestellt, die russische Jugend nicht nur musi- 
kalisch zu machen, sondern überhaupt zu unterrichteten und nütz, 
liehen Menschen heranzubilden. Die Zöglinge, bis jetzt 120 an der 
Zahl, entrichten ein jährliches Honorar von 100 Silberrubel und ver- 
pflichten sich für einen sechsjährigen Cursus. 

Unterricht wird ertheilt auf allen Instrumenten, im Gesang, in 
Theorie und Geschichte der Musik, in der russischen und deutschen 
Sprache, in allgemeiner Geschichte, Geographie, Mathematik und 
Kunstgeschichte. Nachdem der Zögling seinen Cursus vollendet und 
sein Examen glücklich bestanden hat , erhält er das Diplom eines 
freien Künstlers, welches ihn vom Militärdienst und von allen 
Steuern befreit. — Nicolaus Rubinstein ist zum Director der 
Anstalt ernannt, und mau verspricht sich viel von seiner Wirksam- 
keit. Die angestellten Professoren Bind : für Ciavier: Wieniawsky, 
Door, Dubuc, Kaschkin und Langer; für Theorie: Rubin- 
stein und Tschaikowsky; für Violine: Laub und Scbradik; 
für Violoncell: Cossmann; für Gesang: Frl. Alexandrow und 
die HH. O s b u r g und Kaschperow etc. etc. Geschichte der 
russischen Musik lehrt der Prediger Rasumowsky und Kunstge- 
schichte Hr. G ö r z. 

*** (Ein Actenstück von Mozart.) In den Händen Felix; 
Mendelssohn -Bartholdy's befand sich ein merkwürdiges Original- 
Document Mozart's. Auf der Aussenseite steht in drei Respect-Ab- 
sätzen: „Stadt-Magistrat! unterthäniges Bitten Wolfgang Amade Mo- 
zart's, K. K. Hofcompositors, um dem hiesigen Herrn Capellmeister 
an der St. Stephans - Domkirche adjungirt zu werden." — Da 



- 180 - 



Schreiben seihst, vonMozart's eigener Hand auf einen Stempelbogen 
geschrieben, lautet wie folgt: „Hochtöblich Hoch weiser Wienerischer 
Stadt-Magistrat, Gnädige Herren! Als Herr Capeilmeister Hoffmann 
krank lag, wollte ich mir die Freiheit nehmen, nm dessen Stelle su 
bitten, da meine Musikalischen Talente, und Werke, so wie meine 
Tonkunst im Auslande bekannt sind, man überall meinen Namen 
einiger Bücksicht würdiget, und ich selbst am hies. Höchsten Hofe 
als kompositor angestellt su sein, seit mehreren Jahren die Gnade 
habe ; hoffe ich dieser Stelle nicht unwerth su sein, und eines Hoeh- 
weisen Stadtmagistrats Gewogenheit au verdienen. — Allein Kapell- 
meister Hoffmann ward wieder Gesund und bei diesem Umstände, 
da ich ihm die fristung seines Lebens von Herzen gönne und wünsche, 
habe ich gedacht, es dürfte vielleicht dem Dienste der Domkirche 
und meinen gnädigen Herren zum Vortheile gereichen, wenn ich dem 
schon älter gewordenen Hrn. kapellmeister für jetzt nur unentgeld- 
lich adjungiren würde, und dadurch die Gelegenheit erhielte, diesem 
Bechtschaffenen Manne in seinem Dienste an die Hand zu gehen, 
und eines Hochweisen Stadt - Magistrats Rücksicht durch wirkliche 
Dienste mir zu erwerben, ich durch meine auch im kirchenstyle aus- 
gebildeten känntnisse zu leisten vor andern mich fähig halten darf. 
Untertänigster Diener Wolfgang Amade Mozart K. K. Hofkompositor." 
— Die Unterschrift steht ganz unten ; das Datum ist nicht hinzuge- 
schrieben, M. hat es vergessen. Es muss aber aller Wahrscheinlich- 
keit nach in den letzten Jahren seines Lebens verfasst worden sein ; 
vielleicht nicht lauge vorher, als ihn der Tod davon befreite, seine 
Dienste der Welt anbieten zu müssen. 

*** In Hainburg besteht ein aus den Arbeiterinnen der dortigen 
k. k. Tabak« Hauptfabrik gebildeter weiblicher „Liederkranz, tt wel- 
cher kürzlich wieder eine Production veranstaltete und mehrere 
Lieder mit deutlicher Aussprache, Richtigkeit des Tons, überhaupt 
recht wacker vortrug. Am tüchtigsten vertreten war der Bass, ob- 
wohl sich auch recht angenehme hohe Stimme bemerklich machten, 
wie e. B. die der kleinen Capellmeisterin Sidonia Wiesinger, 
welche mit Energie den weiblichen Chor zusammenhielt, der wohl 
in Deutschland in seiner Art der einzige bestehende ist. 

*** Die Pianistin Frl. Marie Wieck, Schwester der Frau 
Clara Schumann, hat Dresden verlassen, um sich nach Florenz 
su begeben und an den Bestrebungen einiger deutscher Tonkünstler 
su betheiligen, welche sich die Einbürgerung der deutschen Musik 
ia Italien zur Aufgabe gemacht haben. 

*** In London ist in der Nacht vom 540. auf den 21. d. M. 
das Strandtheater abgebrannt. Man hatte am Abend vorher eine 
Parodie des „Freischütz* unter dem Titel: „Der Freischütz, or a 
good cast for a piece u aufgeführt, und das 4000 Menschen fassende 
Haus war gedrängt voll gewesen. 

*** Ein amerikanischer Componist, Mr. G r e e c 1 e r , hat die 
YerfasBungBurkunde der vereinigten Staaten für Soli, Chor und Or- 
chester in Mnsik gesetzt. Die kürzlich vor einem geladenen Kreise 
veranstaltete probeweise Aufführung nahm nicht weniger als acht 
Stunden in Anspruch. Sollte dies nicht Anlass geben , auch die 
deutsche Reichsverfassung zu componiien? So könnte man sie we- 
nigstens auf führen, da sie doch schwerlich e i n geführt wird. Das 
nüthige Notenpapier könnte wohl aus der ehemaligen Bundes- 
kanzlei entnommen werden. 

%• Das Prager Theater bereitet ausser A b e r t ' s „ Astorga* 
auch eine Oper, betitelt: „Die Meergeuse" von Skraup zur Auf- 
führung vor. Man spricht auch von einer schon früher vollendeten 
Oper „Columbus" des letztgenannten ComponiBten ,. welche im Na- 
tionaltheater in Scene gehen soll. 

*** Wie die „Signale" schreiben , hat Rieh. Wagner in 
diesem Sommer den 2. Act seiner „Meistersinger" gearbeitet und 
beginnt jetzt den 3. Act. Wenn seine Gesundheit günstig, seine 
Ruhe ungestört, wird die Partitur binnen Jahresfrist das Licht der 
Oeffeotlichkeit erblicken können. An allen anderen Dingen, welche 
in den Journalen die Runde machen, arbeitet Wagner nicht! Auch 
wird von anderer Seite versichert, dass an der ganzen Geschichte 
von einem überaus kostbaren Stocke, den Wagner vom Könige von 
Baiern erhalten habe, kein wahres Wort sei! 

%* Am 2. November feiert Hr. Gustav Schmidt, Capell- 
m eist er am Stadttheater in Leipzig, Componist der Opern „Prinz 
Eugen," „die Weiber von Weinsberg" und „LaReole" sein Süjähriges 
Jubiläum als Capeilmeister. Am 2. November 1841 debütirte er als 



solcher in Brunn mit dem „Freischütz". Der verdienstvolle Jubilar 
darf der freudigen und herzlichen Theilnahme seiner zahlreichen 
Freunde an den früheren Orten seiner Wirksamkeit, wie Frankfurt 
a. M., Mainz etc. vollkommen versichert sein. 

*** Capeilmeister J. J. B o 1 1 wird trotz einiger mit der neuen 
Direction stattgefundenen, jedoch nicht von ihm hervorgerufenen» 
Misshelligkeiten, seine bisherige Stellung in Hannover auch ferner- 
hin behalten; dagegen heisst es, dass Joachim nach Berlin über- 
siedeln wolle. 

V In Brüssel kam unlängst die preisgekrönte Cantate „Der 
Wind," in flämischer Sprache gedichtet von H i e 1 , componirt von» 
Va n den Eeden zur Aufführung und wurde mit ausserordentlichem 
Beifall aufgenommen. Die Chöre wurden von der „königl. Gesell- 
schaft der Melomanen" und von den in der Fabrik von Van Hoe- 
gaerden in Gent beschäftigten Kindern ausgeführt, welch 1 letztere, 
freien Schul- und Musikunterricht gemessen und alle Chöre gana 
sicher auswendig singen. 

\* Der treffliche Violinvirtuose Joseph Walter, Mitglied 
der k. Hofcapelle in München, ist zum Concertmeister ernannt wor- 
den. Ueber die Acquisition oder vielmehr die R e acquisition des. 
dort in unvergänglichem Andenken stehenden H. Lauterbach, 
als erster Concertmeister verlautet noch nichts Bestimmtes. 

*** Der „Cäcilien- Verein" in Bordeaux hatte einen Preis aus- 
geschrieben für eine Sinfonie und in Folge dessen 14 Concurrenz- 
arbeiten zugesandt erhalten. 

*** Hofcapellmeister Herbeck in Wien wird Anfangs De- 
cember ein Concert veranstalten, dessen Programm ausschliesslich, 
aus seinen eigenen Compositionen zusammengestellt sein wird. 

*** Eine einactige Oper „Der schwarze Prinz" von Richard 
G e n e e ist in Frag mit Beifall aufgenommen worden. 

%* Der Leipziger Gesangverein für gemischten Chor „Orpheus* 
hat Hrn. Rieh. Müller an die Stelle des Hrn. Selmar Bagge-. 
zu seinem Dirigenten erwählt. 

*** Abert's „Astorga" kommt dieser Tage in Leipzig zur 
Aufführung. 

%* Der unlängst in Basel verstorbene Banquier Hr. Carl 
B i 8 c h o f hat unter vielen anderen Legaten auch dem dortigen». 
Stadttheater 100,000 Free, vermacht. 

*** Hr. E s c u d i e r , Redacteur der in Paris erscheinendem- 
„France musicale" hat den hannoveranischen Ernst-August-Orden, 
erhalten. 

*** Der beliebte Novellist Dr. Herrn an Schmidt wird vom. 
5. November an die artistische Direction des Münchener Actien- 
volkstheaters übernehmen an Stelle des abtretenden bisherigen Di- 
rectors Engelken. 

*** Der bekannte Kritiker Carl Bank in Dresden hat sich ia 
Familienangelegenheiten nach New- York begeben. 

*** Musikdirector Löwe, der Balladen -Componist, hat vom. 
Könige von Preussen den rothen Adlerorden dritter Classe mit der 
Schleife erhalten. 

**• Der erste Band der Biographie Beethovens von A. W.. 
Thayer ist bei Friedr. Schneider in Berlin erschienen. 

*** Der Stern'sche Gesangverein in Berlin wird in kurzer Zeit 
das Oratorium „Elias" von Mendelssohn aufführen. Frl. Lucca und. 
der Tenorist Nie mann werden in den Solis mitwirken. 

%• In Darmstadt wird eine Oper: „Die letzten Tage von Pom- 
peji" von Dr. Muck zur Aufführung vorbereitet. 

*** Am 11. October starb in Wien Hr. Franz Pöckh, Mit- 
glied der Hofcapelle und des Hofoperntheater - Orchesters , im 51* 
Lebensjahre. Er war ein Mitglied der berühmten Posaunistenfamiliej 
Pöckh und selbst ein ausgezeichneter Posaunist. 



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Ein Musikdirector sucht eine Stelle als Dirigent; 
eines grösseren Gesang -Vereins. Gefallige Offerten bittet 
man an die Verlagshandlung d. Bl. einzusenden. 



Verantw. Red. Ed. Fächer er. Druck v. Carl Wattau, Mainz», 



15. Jahrgang* 



jw*- de. 



12. November 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



DieseZeitung erscheint jeden 

MONTAG. 
Man abonnirt bei allen Post- ? *y 
ämtern, Musik- & Bachhand- 1 Da 
lungen. 

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PREIS: 



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SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 






4 



INHALT: Dio Glockenspiele. — Neuere Vocalmusik. — Mozart- Paralipomenon. — Nachrichten. 



Die Glockenspiele (Carillons) in Belgien und Holland. 

(Von £. J. Gregoir.) 



(S c h 1 u s s.) 

Es liegt uns ein Vertrag über ein Glockenspiel in Oudenarde 
zur Hand } der vom Jahre 1556 datirt ist, aber keinen Ausschluss 
über die Einzelheiten der Construction desselben gibt. Einen an- 
dern Contract, betreffend ein neues Glockenspiel, abgeschlossen im 
Jahre 1651 in Autweipen zwischen dem städtischen Magistrate und 
dem Glockengiesser Delecourt, theilen wir hier den Lesern mit. 
Derselbe lautet: „1651. Diesen 20. Juni des Jahres 1651 sind zu- 
sammengekommen und haben sich verständigt die Herren Schatz- 
meister und Einnehmer dieser Stadt Antwerpen einerseits und 
Florent de la Court, Bürger von Douay andrerseits, in Be- 
treff des Gusses von 32 Glocken , zum Schlagen und Spielen auf 
«lern Glockenturme der Cathedralkirche von Nostre-Dame in dieser 
Stadt, von denen die grösste, welche die erste ist nach jener, die 
auf die Stundenglocke folgt , als D dienen soll , und folgen dann 
die anderen bis zum Umfange von drei Octaven , die vorerwähnte 
grosse Stundenglocke mit eingeschlossen, so dass mit den Kreuzen 
und Be's die obengenannte Zahl von 32 erreicht wird, indem das 
erste B zwischen dem D und E stehen soll, und sodann die übrigen 
Kreuze und Be's sich auf ihrem Platze befinden, wie es die Ordnung 
in der Musik mit sich bringt. Der obengenannte Delecourt macht 
sich zugleich verbindlich, die erwähnten Glocken rein gestimmt, gut 
und wohlklingend herzustellen, in jeder Weise übereinstimmend mit 
der grossen Standenglocke sollen dieselben Glocken aufgestellt und 
dem Urtheile sachverständiger Personen unterzogen werden, nämlich 
Musikern und Anderen, sowohl aus dieser Stadt, wie aus anderen 
Städten und auch vom Hofe. — Auch ist bedungen, dass er einen 
geeigneten Platz zum Giessen erhalte , wohin ihm die gegenwärtig 
auf dem Thurme befindlichen Glocken sollen geliefert werden, nach- 
dem dieselben auf der Stadtwaage gewogen worden sind, was auch 
mit den von ihm neuhergestellten Glocken geschehen soll. Und wenn 
es sich zutragen sollte, dass einige der besagten Glocken dem oben 
Gesagten nicht entsprächen, in solchem Falle solle er verpflichtet 
und gebalten sein, sie auf seine Kosten und Gefahr umzugiessen und 
dies zwar so oft, bis sich Alle in gutem Einklänge befinden, und 
es soll ihm nicht gestattet sein irgend welche Reparaturen zu deren 
Sehaden oder Veränderung daran vorzunehmen, sondern er soll ver- 
pflichtet sein, dieselben ohne irgend welche Fehler oder Sprünge 
in allen ihren vollkommenen Eigenschaften während eines Zieles 
von drei Jahren zu erhalten und sie vollkommen und fertig am 
ersten Februar abzuliefern. 

„Sobald dies ausgeführt, sollen ihm für seine Mühe, Auslagen 
und Fa$on der besagten Glocken zur Zeit und Stunde, sobald die 
Veröffentlichung durch den Glockenschlag geschehen, drei Pattars 
für das Pfund und für das Material, welches ihm über das Gewicht 
der übergebenen Glocken fehlen sollte, und was bis auf fünf, sechs 
oder sieben Tausend Pfund steigen könnte für zwei oder drei Glocken 



mehr, die er nöthig hätte, neun Pattars für das Pfund oder 45 Gul- 
den für 100 Pfund bezahlt werden und zwar die Hälfte ein Jahr 
nach Ablieferung besagter 32 Glocken, die andere Hälfte ein Jahr 
später. 

„Actum. Antversiae presentibus Nicoiao Melis et Domenico 
Verschuden in cohs testibus" (Aus dem Archiv der Stadt Ant- 
werpen entnommen.) 

Unter den Glockengiessern , die einen grossen Antheil an der 
Herstellung von Glockenspielen gehabt haben, führen wir an: 
die Familie Wagheveux in Mecheln, die Familie Van den 
Gheyn in Löwen und Mecheln, de Haze und Julien in Ant- 
werpen, F. und P. Hemony, sowie Fremy in Amsterdam, Du- 
mery und Derk in Hoorn. Unter den berühmtesten Glockenspiel- 
Verfertigern müssen wir vorzugsweise Francois Hemony, geboren zu 
Levrecourt in Fiankreich und seinen Bruder Pierre anführen. Sio 
wurden geboren zu Anfang des 17. Jahrhunderts und starben in 
Amsterdam »wischen 1669 und 1080. Nach einem Aufenthalte von 
einigen Jahren in Zütphen (1643-1664) Hessen sie sich in Amster- 
dam nieder; im Jahre 1655 überHess die Stadt an Fr. Hemony ohne 
Miethe ein Haus mit einem grossen Atelier und ernannte ihn zum 
Glocken- und Kanonengiesser der Stadt, eine billige Belohnung für 
einen Mann, dessen Talent den Glocken einen reinen und richtigen 
Ton zu geben vermochte, wie er vor ihm nicht gekannt war. Wäh- 
rend eines Zeitraumes von etwa 30 Jahren bat Hemony mehr als 
30 Glockenspiele aufgestellt, welche durch ihre Harmonie und ihr« 
Vollendung die Bewunderung aller wahren Kenner erregten. Das 
erBte Glockenspiel grösserer Gattung wurde 1644 in Deventer auf- 
gestellt, und nach heute noch vorliegenden Zeugnissen war dieses 
Glockenspiel mit grosser Vollkommenheit construirt. 

Die Mehrzahl der besseren Glockenspiele in Belgien und Holland 
ist von Franzosen ccnstruirt. Das schöne Glockenspiel in Brügge 
ist von Dumery hergestellt ; es besteht aus 49 Glocken und kostete 
nahe an 200,000 Franken. Das Glockenspiel in Dünkirchen besteht 
aus 38 Glocken und äst von Van den Gheyn in Löwen hergestellt. 
Eine alte Chronik sagt uns, dass man schon 1478 auf dem Thurme 
dieser Stadt ein kleines Glockenspiel von einem Johann Van 
Berken besass. In Brüssel hatte man früher sieben Glockenspiele, 
von denen nur noch ein einziges in der Kirche am Coudenberg be- 
steht, welches von Van den Gheyn eingerichtet wurde. 

In Amsterdam befinden sich gegenwärtig noch fünf Glocken- 
spiele, von denen das grösste aus 36 Glocken besteht. Auf diesem 
Glockenspiele, welches sich auf dem Rat h hause befindet, Hess Bich 
im letzten Jahrhunderte der berühmte Jacques Potholt mit den 
schwierigsten Compositionen hören. 

Wir schliessen hiermit diese kurze Notiz über ein Instrument, 
welches die Freude unserer Väter war und noch heutzutage als eine 
wahre Specialität der Städte Belgiens und Hollands dasteht. 



182 — 



IV euere Vocalmuslk.*) 

Eise kritische Rundschau. 



III. 

Noch einmal tritt J o h. Brahms vor uns mit seinen drei 
geistlichen Chören für Frauenstimmen , Op. 37. Ist das derselbe 
Tondichter, fragen wir uns, der jene leichtgeschürzten vierhändigen 
Walzer schuf, die ihrem Erzeuger neben herzlichem Lob auch schon 
manchen Tadel eintrugen? Der die harmlosen, aber liebenswürdigen 
Volkskinderlieder untersetzte? Oder der jenes „Ständchen" sang, das 
bezauberndste seiner Lieder, Op. 14? Hier stehen wir vor streng 
canonischen Bildungen, noch dazu in dem überaus engen Umfange 
von vier Frauenstimmen; umsomehr schätzen wir die Kunst, welche 
unter dieser Beschränkung solche drei charactervolle, grösstenteils 
auch fliesseude und wohlklingende Sätze hervorbrachte. Im dritten 
sind mit dem Chore auch zwei selbstständige Solostimmen verbunden, 
wodurch die Künstlichkeit des Gewebes noch erhöht wird. 

Unter den uns vorliegenden Arrangements nenneu wir als vor- 
züglich dankenswertb die Bearbeitung 6 Uhland'scher Lieder von 
Conradin Kreutzer, wozu dessen schönste gewählt wurden. Die 
Ciavierbegleitung ist überaus feinsinnig gemacht; für die Singstimme 
blieb die, allerdings ziemlich hohe, ursprüngliche Tenorlage. Ob- 
schon wir dem Transponiren principiell feiud sind, hätten wir im 
Interesse der weiteren Verbreitung eine Ausgabe für die mittlere 
Stimmlage gewünscht. 

Wir suchen nun noch einen Uebergang zu den uns noch zu 
erledigenden instructiven Gesangssachen und glauben einen solchen 
finden zu dürfen in den „stillen Liedern" unseres Freundes Wilh. 
Baumgartner, des Sängers der „Tage der Kosen". Instructiv 
scheinen uns dieselben wegen der consequenten Unterstützung der 
Singstimme durch das Ciavier , wie es wohl Anfänger noch nöthig 
haben. Doch sind die Lieder dessungeachtet fein und poetisch ge- 
halten, besonders N° 3 und 4, womit ein klangvoller Contraalt grosse 
Wirkung machen kann. Auch die Gedichte sind mit Geschmack 
gewählt, was wir nicht an allen modernen Producten rühmen können. 

Unter dem rein Pädagogischen haben wir zuächst Frau Mar- 
chesi unsere Hochachtung für ihre 12 Etudes de style auszudrücken, 
in denen sich edle und ausdrucksvolle Melodie mit vollkommener 
Sangbarkeit vereinigt. Wohl setzen dieselben bereits tüchtige Vor- 
studien voraus, aber der Bau eines sorgfältigen Unterrichts wird 
durch diese Etüden gar vortheilbaft gekrönt werden. 

Dem Anfänger hingegen dürfte sich wenig Mützlicheres bieten 
als Panofka's neue Vocalisen, welche denselben mit kundig be- 
messener, langsam aufsteigender Schwierigkeit bis zum Abschlüsse 
des ersten Unterrichtsstudiums führen, worauf dann die schwereren 
Vocalisen seiner »Art de Chant' anzuwenden sind. 

Aus dem Breitkopf & Härtel'schen Verlag haben wir ausser 
dem Op. 9 von Constantin Bürge], dtssen zweites, drittes und 
viertes Lied von seltener Frische und Schönheit sind , die Gesang- 
lehre von Franz Hauser zu erwähnen, über dessen persönlichen 
Unterricht am Münchener Conservatorium seiner Zeit die Meinungen 
ziemlich getheilt waren. Allerdings findet sich Manches, was an 
jener Methode getadelt wurde, z. B. die Einseitigkeit der Ansatz- 
lehre, die Negirung des Portaments nach oben u. dgl. auch in die- 
sem Buche wieder ; aber nicht genug zu loben ist, dass es ernst und 
redlich auf das Practische des Stimm •Mechanismus eingeht, desseu 
klare Erörterung sowohl die vornehmen Leisetreter, welche vor 
lauter „Schonuug des Organs" zu gar keint-m Resultat kommen, als 
die Anhänger des bequemen Schlendrians, den sie „italienische 
Schule taufen , als endlich die Charlatane der neuen syllabischen 
Kraftmethode sorgfältig vermeiden. Hr. Hauser pibt uns Auskunft 
über vieles höchst Nöthige, uud doch bisher nirgends Berührte, lehrt 
manchen nützlichen Handgriff und lenkt den denkenden Lehrer auf 
die Fortbildung des bisher Ei reichten. Auch die Beispiele bieten 
viel Werthvolles; mau kann das Werkchen mit gutem Gewissen 
empfehlen. 

*) Joseph ine Lang, Mendelssohn's Schülerin, jetzt verwittwete 
Kost] in, ist noch am Leben. Der Irrthum wurde vermutlich 
durch 8eiuerzeitigen Tod ihres Mannes veranlasst. (Siehe die 
Anm. d. Red. auf der ersten Seite der Nummer 44 d. Bl.) 



Mozart - Paralipomenon. 

Von Otto Jahn. 



Es ist Im Verlage von Breitkopf & Härtel ein Band „Ge- 
sammelte Aufsätze über Musik" von Otto Jahn erschienen, wel- 
cher das Interesse der Musiker und Musikfreunde in hohem Grade 
in Anspruch nimmt, obwohl das Buch nichts Neues enthält, sondern 
eine Anzahl von Aufsätzen über Musik, welche Jahn in den Jahren 
1841 bis 1864 in verschiedenen Zeitschriften , am meisten in den 
„Grenzboten" veröffentlicht hatte und nun erfreulicherweise der Ver- 
gessenheit entrückt, indem er sie gesammelt wieder herausgibt. 

Den Inhalt dieser Sammlung bilden 13 Aufsätze, nämlich: eine 
Erinnerung an G. C h. A p e 1 , zwei Aufsätze über Mendelssohn's 
„Paulus" und „Elias", zwei über die Musik des H. Berlioz , zwei 
über R. Wagner's „Tannhäuser" und „Lohengrin " drei Beethoven 
betreffende , zwei über das 33. uud 34. niederrheinische Musikfest 
in Düsseldorf und ein Mozart- Paralipomenon, welches sehr interessante 
Aufschlüsse über eine Episode aus Mozart's Leben gibt, welche bis- 
her häufig einer irrigen Auffassung unterlegen hatte. Wir theilen 
diesen letzteren Aufsatz hier unseren Lesern mit, indem wir ihre 
Aufmerksamkeit in keiner wirksameren Weise auf das interessante 
Buch zu lenken vermöchten. 

Jahn schreibt wie folgt: Die schwerste Aufgabe erwächst dem 
Biographen durch seiue Pflicht, die Wahrheit zu sagen, und zwar 
wie der geschworne Zeuge nichts als die Wahrheit uud die volle 
Wahrheit zu sagen. Ich habe dabei nicht die Schwierigkeiten im 
Sinne, welche das wissenschaftliche Erforschen und Feststellen des 
Factischen darbietet, sondern die Noth, in welche einen gewissen- 
haften Biographen die Entscheidung versetzt , welche er über das 
treffen muss, was er mitzutheilen oder zu verschweigen hat. Es kann 
nicht fehlen, dass sich eine Menge Notizen ansammeln, die in ihrer 
Gesammtheit unmöglich zu verwerthen sind , wo dann die Frage 
eintritt, welche Züge die wesentlichsten sind, damit ein wahres, und 
zwar ein in seiner künstlerischen Wirkung wahres Bild zu Stande 
komme. Die Entscheidung wird namentlich erschwert, wenn auch 
die Discretinn ins Spiel kommt, die man, wie sie im Lebensverkehr 
unter gebildeten Menschen in Beziehung auf das Privatleben und 
manche Seiten des Characters für eine Pflicht des Anstandes gilt, 
sicherlich auch grossen Menschen schuldig ist, wenn diese gleich 
durch ihre Leistungen zu öffentlichen Personen geworden sind. Die 
Frage, welche Nachrichten als solche, die das Wesen und die Ent- 
wickelung des Darzustellenden wirklich aufklären und characterisiren, 
festgehalten werden müssen, und welche man als gleichgültige oder 
gar verwirrende fallen zu lassen habe , ist oft nicht leicht zu ent- 
scheiden. Dazu kommt , dass meistens für deu Biographen nicht 
einmal mehr res integra ist, dass er so viel wahres, falsches uud 
— was das Aergste itt — - halbwahres Gerede aufgeführt findet, dass 
er, um reine Bahn zu schaffen und ein klares, zuverlässiges Bild 
zu geben, sich auf Vieles einlassen muss, was am besteu gar nicht 
zur Sprache gebracht wäre. Das Alles kam bei Mozart nur zu oft 
in Ueberlegung. Wahrhaft beunruhigt aber hat mich die tragische 
Erzählung von dem auf Mozart eifersüchtigen Ehemann , der sich 
selbst entleibte, nachdem er seine Frau verwundet hatte. Lange und 
ernstlich habe ich geschwankt, ob ich sie mittheilen sollte, uud mich 
schliesslich dazu verpflichtet gehalten , obwohl ich sie nicht völlig 
in's Klare zu setzen vermochte. Warum ich jetzt wieder darauf 
zurückkomme, wird sich aus der nachstehenden kurzen Erörterung 
ergeben. 

Als ich mich im Jahre 1852 mehrere Monate in Wien aufhielt, 
sprach ich Öfters bei Carl Czeruy ein, der mir in seiner freund- 
lichen, mittheilsameii Weise über Beethoven aus seinem lang- 
jährigen Verkehr mit ihm Vieles und Interessantes erzählte. Als er 
mir eines Tages über sein ganz ausserordentliches Fantasiren man- 
cherlei berichtet hatte, fügte er hinzu, auch die Frau Hofdemel, 
die begeisterte Schülerin und Freundin Mozart'**, habe erklärt, nach- 
dem sie Beethoven gehört habe . das gehe denn doch noch über 
Mozart. Es habe übrigens Mühe gekostet, dass ihr Beethoven etwa« 
vorgespielt habe. Sie sei nach Wien zum Besuch gekommen und 
habe bei Czerny's Eltern gewohnt , und als sie den dringenden 
Wunsch geäussert , Beethoven zu hören , habe der Vater den Sohn, 
der damals als junger Meusch Beethovens Unterricht genoss , zu 



183 - 



diesem begleitet and ihm die Bitte der Frau Hofdemel mitgetheilt, 
^Hofdemel ?" habe Beethoven gefragt, „ist das nicht die Frau, wel- 
che die Geschichte mit Mozart gehabt hat?" und auf die bejahende 
Antwort rundweg erklärt, vor dieser Frau werde er nicht spielen; 
auch sei es erst später durch vieles Zareden gelungen, ihn dazu zu 
'bringen , dass die Frau ihn besuchen durfte , wo er dann auch 
fantasirt habe. 

Auf meine Frage, was denn das für eine Geschichte mit Mozart 
«ei , äusserte Czerny sein Erstaunen , dass sie mir unbekannt ge- 
blieben , und erzählte mir, Frau Hofdemel sei die Schülerin von 
Mozart gewesen , ihr Mann sei auf denselben eifersüchtig geworden 
und habe in einem Anfall von Baserei seine Frau tödten wollen, 
sie aber nur durch Schnitte in Hals und Brust gefährlich verwundet 
und dann sich selbst entleibt. Er selbst habe in seiner Jugend die 
Frau , die in Brunn gewohnt habe , bei Besuchen in seinem elter- 
lichen Hause wiederholt gesehen , und da ihm aufgefallen , wie sie 
die entstellenden Narben am Halse durch ein auf eigene Art ge- 
bundenes Tuch zu verdecken gesucht habe , sei ihm von seinem 
Vater die Begebenheit mitgetheilt worden. 

Da Czerny sah, wie diese Erzählung mich ergriff, äusserte er 
in seiner Aeogstlichkeit den Wunsch , nicht als Gewährsmann der- 
selben genannt zu werden und versicherte, sie sei in früheren Jahren 
in Wien ganz bekannt gewesen. Meine Versuche, dort Bestimmteres 
über die entsetzliche Begebenheit zu erfahren, schlugen freilich fehl, 
allein an der Zuverlässigkeit der Czerny'schen Mittheilung zu zwei- 
feln, schien mir damals, wie jetzt, ganz ungerechtfertigt. 

Eine Bestätigung gab mir Leopold Schefer's im Taschen- 
buch „Orpheus" für 1841 gedruckte Novelle „Mozart und seine 
Freundin," der ganz unverkennbar in allen wesentlichen Motiven 
und namentlich im Verlauf der Erzählung eben diese Begebenheit 
su Grunde liegt. Auch bemerkt Schefer selbst, dass er eine wahre 
Begebenheit benutzt habe, die auch durch öffentliche Blätter bekannt 
geworden sei. Hiervon habe ich nun zwar keine Spur auffinden 
können , und ich bin geneigt , es für eine Verwechselung mit den 
Berichten von der Bestellung des Requiems zu halten , allein ganz 
Unzweifelhaft bleibt es, dass Schefer dieselbe Begebenheit erfahren 
hatte, welche mir Czerny mitgetheilt hat. Um ganz sicher zu gehen, 
bat ich Leopold Schefer selbst um Auskunft über die Quelle , aus 
Welcher er geschöpft habe, allein ich erhielt von ihm die Antwort, 
dass er, der hochbetagte Greis, von seinem Gedächtniss im Stiche 
gelassen, darüber nichts mehr angeben könne. 

Allein meinem verehrten Freunde K ö c h e 1 gelang es, unterstützt 

von den treuen Nachforschungen des Hrn. Franz Leimegger, in 

der Registratur des Landesgerichts iu Wien ein Actenstück ausfindig 

eu machen, aus dem sich über diese Angelegenheit Folgendes ergibt. 

(Schluss f.) 



N a c ii richte 



ii 



Mainz. Die zweite „Suite für grosses Orchester" (A-moll, Op. 
70) von H e i n r i ch E s s e r ist im Verlage von B. S ch ot t's Söhnen 
in Mainz iu Partitur, Octav- Format in eleganter Ausstattung er- 
schienen. Dieses Werk , welches bei seiner Aufführung in Wien 
während der letzten Saison vom Publikum mit enthusiastischem 
Beifall aufgenommen und von der Kritik mit seltener Einstimmig- 
keit als ein in jeder Beziehung vorzügliches Werk gerühmt wurde, 
besteht aus 4 Sätzen: 1. Introduzion . 2 AHetfretto (liourre'e). 
3. Thema con Variation*, 4. Finale. Wir machen Concertdirectionen 
auf dieses interessante und sicheren Erfolg versprechende Werk 
hiermit, besonders aufmerksam. 

— Am 6. d. M. debütirte im hiesigen Stadttheater ein Herr 
N oll et, der eine recht hübsche Baritonstimme besitzt, als Jäger im 
„Nachtlager". Ein hiesiges Localblatt gibt über den hoffnungsvollen 
Kunstjünger folgendes tiefsinnige Urtheil ab: „ . . . . Die tech- 
nische Bildung anlangend, zeigte die Sicherheit und Reinheit 
seiner Intonation von entschieden musikalischem Naturell und von 
einem Selbstvertrauen, welches nur musikalischen Talenten von aus- 
geprägtem Berufe eigen ist ; dagegen bedarf der technische 
Theil seiner Künstlerindividualität noch einer bedeu- 
tenden Nachhülfe" (sie!). 

A&chen. Im Benefuconcert des städtischen Orchesters kam unter 
der Leitung des Musikdirectors Breuuung zur Aufführung: die 



dritte Suite für Orchester von Fr. Lachner; Agnus Bei für Chor 
und Orchester von Cherubini ; Ave verum von Gounod, und Violiu- 
concert von Mendelssohn. 

Leipzig. Bei C. F. Peters erscheint eine „Gesammtausgabe 
der Werke von J. S. Bach, 8 mit Erläuterungen, Fingersatz und Be- 
zeichnungen versehen von C. Czerny, S. W. Dehn, L. Erk, F# 
Grützmacher, F.K. Griepenkerl, M. Hauptmann, J. Hell* 
mesberger, F. Kroll, F. A. Boitsch u. A. Die Ausgabe ent- 
hält im Ganzen 9 Serien in 52 Bänden für Instrumentalmusik und 
die Partituren sämmtlicher Vocalwerke. Die Sammlung bringt eine 
nicht unbedeutende Anzahl bisher vollständig unbekannter und hier 
zum ersten Male veröffentlichter Werke, nämlich : 32 Ciavierstücke, 
ein Concert für 4 Claviere, 3 Sonaten für Ciavier und Flöte oder 
Violine und eine Anzahl von Chorälen. 

— Am 29. October fand hier die erste Aufführung der Oper 
„Astorga" von J. J. A b e r t unter der persönlichen Leitung des 
Componisten statt. Die Besetzung der Hauptrollen war folgende: 
Astorga, Hr. Gross; Eleonore, Frl. B 1 a c z e k ; Angioletta, Frau D u- 
mont; Balbazes, Hr. Thelen. Solisten wie Orchester und Chöre 
lösten ihre Aufgabe mit Lust und Liebe, so dass die Aufführung 
eine im Ganzen abgerundete und bis auf einige Kleinigkeiten tadel- 
lose genannt werden darf} auch die Inscenirung konnte im Allge- 
meinen befriedigen. Die Aufnahme des Componisten und Beines 
Werkes von Seiten des Publikums war eine äusserst freundliche, so 
dass Hr. Abert mit dem ersten Erfolge seiner Oper außerhalb 
Stuttgart wohl zufrieden sein kann. 

— Im ersten Concert der Gesellschaft „Euterpe" in der Central- 
halle wurde Gluck's „Orpheus und Euridice" aufgeführt. Fil. S ch r e ck 
aus Bonn sang die Partie des Orpheus mit der ihr eigenen Meister- 
schaft im Vortrage classischer Musik und wurde oft und lebhaft 
applaudirt. Frau Bianka Blume aus Dresden erwarb sich durch 
die verständnissvolle Auffassung und die Innigkeit des Ausdrucks, 
mit der sie die Partien der Euridice und des Amor saug, den auf- 
richtigsten , ungeteilten Beifall. Auch Chor und Orchester Hessen 
nichts zu wünschen übrig, so dass der Eindruck des Meisterwerkes 
ein vollkommen günstiger und ungetrübter war. 

München. Die musikalische Akademie gibt am 10. December 
einen Psalm für Männerchor und Orchester von Franz Wüllner 
und Cherubini's Requiem für Männerchor unter Betheilig-ung der 
Münchener Sängergenossenschaft. Der Gesangverein „Bürgersänger- 
Zunft" hat, da ihr bisheriger Dirigent Max Zenger sich von dieser 
Stelle zurückgezogen hat, ihren früheren langjährigen Leiter, den 
Hoftheater-Chordirector Konrad Max Kunz wieder zu ihrem Di- 
rigenten erwählt. 

— Hr. Reissmann wird im Laufe dieses Winters einen Cyclus 
von Vorlesungen über „Geschichte der Musik" geben. 

Wien. Frau Kainz-Prause ist unter sehr glänzenden Be- 
dingungen für das Hofperntheater engagirt worden. Auch sind Unter- 
handlungen zur Verlängerung des demnächst ablaufenden Contractes 
der Frl. v. Murska im Gange. Man beschäftigt sich soeben damit, 
die lange nicht mehr gegebenen Oper „Das Rothkäppchen" von 
Boieldieu und „Der Maskenball" von Auber wieder in Scene zu setzen. 

— Die von dem „Männergesangverein in Verbindung mit hie- 
sigen und auswärtigen Vereinen , unter Mitwirkung eines grossen 
und auserlesenen Orchesters in der grossen Wiuterreitschule veran- 
stalteten und von Hofcapellineister He rbeck geleiteten zwei Moustre- 
concerte haben eiuen Bruttoertrag von 6000 fl. ergeben , welcher 
nach Abzug der Kosten für die Opfer des Krieges verwendet wer- 
den wird. 

— Im Harmonietheater wurde Conradin's Oper „Der galante 
Abbe" unter dem Titel „Ein junger Candidat" gegeben und beifällig 
aufgenommen. 

Paris. Die Tänzerin Mlle. Salvion i ist nun von ihrem Un- 
wohlsein gänzlich wieder hergestellt, und die Aufführung des Ballets 
„La Source ' wird demnach nicht länget mehr auf sich warten lassen. 

— R o s s i u i hat vor einigen Tagen auf der Treppe , die zu 
■einer Wohnung führt, einen glücklicherweise nicht von übten Fol- 
gen begleitenden Fall gethan; doch bedurfte er einiger Tage der 
Ruhe, um sich von der Aufregung durch den Schrecken zu erholen. 
Gegenwärtig ist er wieder ganz munter und arbeitet rüstig fort an 
der Instrumentirung seiner Messe. 

— Am 4. November fand das 3. populäre Concert des Hrn. 



- 184 - 



Pasdeloüp mit folgendem Programme statt: Ouvertüre zu „Semira- 
mis* von Rossini; Sinfonie in A-inoIl von Mendelssohn; Adagio ans 
dem Clarinett- Quintett von Mozart; Balletstück aus „Ipbigenie in 
Aulis" von Gluck; Ouvertüre zu B Leonore u (N* 3) von Beethoven. 

— Vor einigen Tagen wurde der erste akustische Versuch mit 
ganzem Orchester, Chor und Solisten in dem neuen Athenäum-Saale 
des Hrn. Bischof fsheim, in der Rue Scribe, gemacht, und zwar 
inmitten der Decorateurs, welche noch an der Ausschmückung des 
schönen Saales arbeiten , dessen Eröffnung nahe bevorsteht. Die 
Lampen beleuchteten gleichzeitig die Musiker , welche Haydn's 
„Schöpfung" probirten, und die Maler, welche goldene Arabesken, 
auf die mattweissen Logenbrüstungen hinzauberten. Alles in dem 
prächtigen Saale erweist sich als vortrefflich gelungen. Derselbe ist 
von dem ausgezeichneten Architecten Merindol mit dem feinsten 
Oeschmacke und mit schöner Uebereinstimmung der Details ange- 
legt und ausgeführt. Er ist ebensowohl bestimmt für rednerische 
Vorträge wie für auserwählte Muflikaufführungen und hat die 
akustische Probe für Stimmen und Instrumente vorzüglich gut be- 
standen. AUes klingt vortrefflich, wie man sich bald bei Eröffnung 
der abonnirten Concerte überzeugen wird. Als Director des Athe- 
näums hat Hr. Biachoffsheim Hrn. Guy-Stepban angestellt. Die 
Leitung der Concerte ist, wie bekannt, Hrn. Pasdeloup übertragen. 

— Von den 69 Künstlern und Künstlerinnen der Truppe, wel- 
che von Hrn. Paul Alhaiza für New -Orleans engagirt, mit dem 
„Evening Star" Schiffbruch gelitten haben , ist auch nicht eine 
Seele davongekommen. Hr. Alhaiza, welcher zu Land von New- York 
nach New-Orleans vorausgereist war, empfing dort die erschütternde 
Nachricht von dem Untergange seiner ganzen Gesellschaft. 

— Das The'ätre lyrique kündigt die drei letzten Vorstellungen 
des „Don Juan" an. Am 12. November soll der ,, Freischütz" wieder 
in Scene gehen. 

— Die Maskenbälle in der grossen Oper werden dieses Jahr am 
15. December beginnen. 

Petersburg. Bei Gelegenheit der Vermählung des Thronfolgers 
mit der Prinzessin Dagmar wird am 1. (13.) November eine Gala- 
vorstellung im Theater der Eremitage stattfinden. Saint-Leon 
Btudirt für diese Feierlichkeit das kleine Ballet ,,Die Wallachenbraut" 
ein, in welchem Mlle. Petipa din Hauptpartie tanzen wird. 

*#* Der Pianist und Compositeur Henri H erz, welcher in den 
Jahren 1846 bis 1851 Amerika bereiste, hat nun in einer Broschüre, 
betitelt: n .Mes voyages en Amerique" seine Kreuz- und Querfahrten 
in der neuen Welt beschrieben, welche, mit vielen piquanten Anec- 
doten ausgeschmückt, einen interessanten Einblick in das amerika- 
nische Musiktreiben und überhaupt eine sehr anziehende Leetüre 
gewährt. 

*** Während der letzten 25 Jahre sind in London folgende 
Theater abgebrannt: das Astley - Theater am 8. Juli 1841, Olymp- 
Theater am 29. März 1849, Islington-Circus am 27. Juli 1853, 
Pavillon-Theater in Whitechapel am 13. Februar 1856, Coventgarden 
am 5. März 1856, Surrey - Theater am 30. Januar 1865 und das 
Standard-Theater (nicht das Strand-Theater, wie wir irrthümlich mit- 
getheilt haben) am 24. September 1866. 

*** Auch in Breslau fand, wie in München, eine purificirte 
Aufführung des „Don Juan" statt, indem dort der neue Capellmeister 
Dr. Damrosch diese Oper von allem bisherigen Wut>t und Schlen- 
drian möglichst gereiuigt und in 4 Tbeile getheilt in Scene setzte. 
Viele Rathschläge und Rügen Ku gl er 's, Wolzogen's u. s. w. 
wurden beachtet , die Chöre an den ungehörigen Stellen beseitigt 
und die Origiual-Recitative, wenn auch gekürzt, wieder in ihr Recht 
eingesetzt. 

*** Das Programm des ersten Concertes des Orchestervereins 
in Bremen, welches am 23. Octbr. unter Mitwirkung des Hrn. Con- 
certmeisters L. Auer aus Hamburg stattfand, war folgendes: Fest- 
ouvertüre Op. 124 von Beethoven; Violinconcert N* 9 von Spohr; 
Vorspiel zu den „Meistersingern" von R. Wagner ; „Ungarische Lieder" 
für Violine von Ernstfund Sinfonie N° 8, F-dur, von Beethoven. 

*** Der Musikvereiu in Darmstadt bringt unter der Leitung des 
Hofmusik directors C. Mangold diesen Winter folgende Werke zur 
Aufführung : „Messias" von Händel , „Jahreszeiten" von Haydn, 
Stabat mater von Palestrina, Fragment aas „Ipbigenie in Aulis" 
von Gluck und „Matthäu*passiou u von Seb. Bach. 

*** Jean Becker hat sieb, nachdem er von seinen Reisen in 



Italien und Frankreich zurückgekehrt ist, in Mannheim mit dem von> 
ihm gegründeten Streichquartett hören lassen und den unumwundene* 
Beifall aller dortigen Musikfreunde erhalten. 

*** Dem Componisten Pierre Benoit in Brüssel wurden nach 
der Aufführung seines Oratoriums „Lucifer" daselbst von dem Mi- 
nister des Innern die Insignien als Ritter des Leopold - Ordens 
überreicht. 

*** Die Ankündigung des Wochenrepertoirs der k. Schauspiele 
in Berlin enthält nun auch regelmässig das Repertoir der der k. 
General -Intendanz unterstellten Bühnen in Hannover, Cassel und 
Wiesbaden. 

*** Die Intendanz der k. Schauspiele zeigt an, dass in Han« 
nover im Laufe dieses Winters 8 Abonnementconcerte der k. Ca" 
pelle im Concertsaale des k. Schauspielhauses stattfinden werden. 

*** Wie „Zellner's Blätter für Theater etc." aus Pans geschrie» 
ben wird, soll Rossini sich endlich entschlossen haben, ein neues 
Werk für die Opera comique zu schreiben. Der Titel dieser Spät- 
geburt ist: „Le cheval de Troie (l , 

** Hr. Wachtel jun. ist aus Anlass seines erfolgreichen Gast- 
spiels im Stadttheater zu Leipzig als erster lyrischer Tenor unter 
sehr vortheilhaften Bedingungen engagirt worden. 

*** Eine junge Frankfurterin, Frl. Perl, Schülerin der Fram 
v. Marra, ist in Darmstadt mit vielem Glück als Fides im „Pro- 
phet" aufgetreten. 

V* Hofcapellmeister Kall i wo da ist nach einer mehr als vier- 
zigjährigen Thätigkeit in Donaueschingen von dort nach Carlsruhe 
übergesiedelt. 

*** Die durch den Tod des Professors Mildner am Conser- 
vatorium in Prag erledigte Professur des Violinspiels wurde dem 
bekannten Prager Künstler Hrn. Bennewitz durch einstimmige 
Wahl übertragen. 

*** Rieh. Wagner hat von Hrn. Carvalho, dem Director 
des Theatre lyrique in Paris , eine Einladung erhalten , die an 
diesem Theater bevorstehende Aufführung seines „Lohengrin" selbst 
zu dirigiren. 

* # * Professor Ludwig Nohl hielt unlängst in München im 
Liebig'schen Hörsaale an drei verschiedenen Abenden musikgeschicht- 
liche Vorträge über Haydn, Mozart und Beethoven. 

*#* Der rühmlichst bekannte Musikschriftsteller Aug. Reissr 
mann beabsichtigt eine Biographie Felix Mendelssohn-Bar- 
tholdy's herauszugeben. 

%• In Berlin wird in Zukunft die kleine Spieloper in die 
für dieselbe viel passenderen Räume des Schauspielhauses über- 
tragen werden. 

*** Der Tenorist Kreutzer aus Wien , der vor einiger Zeit 
seine verlorene Stimme wieder gefunden hat, ist in Olmütz, wo er 
mit Beifall gastirte, für den kommenden Winter engagirt worden. 

*** Das im Bau begriffene neue Stadttheater in Leipzig hofft, 
man am 1. Januar 1868 eröffnen zu können. 

*** Wie man hört, soll Graf Platen, früher Hoftheaterinten- 
dant in Hannover , in gleicher Eigenschaft in München ange- 
stellt werden. 

*** Roger hat ein Gastspiel in Stettin mit gutem Erfolge 
eröffnet. 

V* Frl. Stöger, dramatische Sängerin am Hoftheater in Darm- 
stadt, hat sich mit Hrn. Adolf Lefeld, Stallmeister des Prinzen» 
Carl von Baiern, vermählt, wird jedoch in ihrer Stellung am Darm- 
städter Theater verbleiben. 

V* Frl. Tipka, die bekannte Coloratursängerin, bat sich mit 
dem Capellmeister und Componisten Hrn. J, Weinlich ausOester- 
reich vermählt. 



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Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz*. 



15. Jahrgang. 



N* 49 



19. November 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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INHALT: Kleine Studien. — Mozart-Paralipomenon. — Correspondenzen : Leipzig. Paris. — Nachrichten. 



Kleine Studien. 



I. Der Partikularismus im Musikwesen. 

„Immer strebe zum Ganzen, and kannst kein Ganzes du werden, 
Schliease als dienendes Glied doch an ein Ganzes dich an." 

So räth uns der weise Dichter, wir aber, zumal im lieben Süd- 
deutschland, ignoriren gar zu gern seinen Nachsatz, und klammern 
uns an seinen missverstandenen Vordersatz, und das nicht nur in 
Dingen der Wissenschaft, Poesie oder bildenden Kunst, wo die Cent- 
ralisirnng entweder unmöglich wäre, oder doch ihre bedenklichen 
Nachtheile hätte , sondern leider auch auf dem Felde der Politik, 
Kriegführung und reproducirenden Tonkunst, wo alle bedeutenden 
Resultate vom Zusammenwirken, von der Unterordnung aller Einzel- 
kräfte unter eine einsichtsvolle Oberleitung abhängen. Wir wollen, 
die politische und militärische Seite der berührten Frage den be- 
treffenden Fachmännern überlassend , hier nur den musikalischen 
Partikularismus , wie er bei uns immer mehr um sich greift , und 
seine Nachtheile beleuchten, sowie zu seiner allmähligen Abstellung 
einige Vorschläge beibringen. 

Frei von ihm sind uur jene Gemeinweseu , welche sich in den 
allerengsten und kleinsten Verhältnissen bewegen , also jene Ort- 
schaften, welche das Glück haben, nur einen einzigen Schulmeister 
zu besitzen , dem also alle vorhandenen musikalischen Kräfte zur 
Verfügung stehen, sei es nun für die Kirchenmusik oder für die 
ländliche Liedertafel. Wohl mag es da oft schwer fallen, bei der 
Ueberzahl von zweiten Tenoren und ersten Bässen die äusseren 
Stimmen entsprechend zu besetzen, aber es liegt die Oefahr fern, 
dass die zur Herstellung eines wohlklingenden Ebenmaasses etwa 
bei manchen Chorliedern ausgeschlossenen, minder befähigten zweiten 
Tenore und ersten Bässe sich in irgend einem Trutzwinkel zu einem 
Rumpfquartett constituiren, — weil sie keinen Dirigenten fänden. 

Anders schon liegt die Sache in grösseren Orten, wo zwei oder 
drei Lehrer, welche gleich befähigt sind, oder sich mindestens dafür 
halten, neben einander wirken. Da bilden sich der zweite und dritte 
lieber, als dass sie sich uuter den Tactirstock des ersten beugen, 
aus ihrem Anhang eigene Sing- und Musikkränze, die sich gegen- 
seitig allerlei unschuldige Bosheiten anthun, wie z. B. das Abspenstig- 
machen nützlicher Mitglieder, Störung der jenseitigen Probe oder 
Aufführung durch Veranlassung gleichzeitiger Abhaltungen u. dgl. m. 
Dass sich nun vollends ein älterer Lehrer dem Tactstabe eines 
jüngeren, wenn gleich vielleicht notorisch befähigteren, unterwerfe, 
ist gar nicht zu denken , eher wird durch kluges Manövriren der 
eigenen wohldressirten Sippschaft jede grössere Association vereitelt. 

Und nun erst sehen wir nach den Städten, die nicht nur einen 
officiellen Musikdirector, sondern daneben noch einen Schwärm von 
Ciavier - und Gesanglehrern , Pianisten und Organisten besitzen ; 
welche Zersplitterung der besten vorhandenen Kräfte! Da Behaart 
zunächst der Organist die orthodoxe Jugend um sich zu einem 
„Oratorienverein,* wo man aber keinen Bach oder Bändel singt» 
sondern höchstens Mendelssohn und zumeist schales, süsschristliehes 



Zeug. — Der Pianist, dem wie allen Ciavierlehrern, die Hände ge- 
waltig nach dem Tactstock jucken, vereinigt die „guten Familien," 
die nämlich wenigstens einen Gulden für die Stunde zahlen, zu einem 
„Kränzchen" mit obligater Schönrederei, wobei am Ciavier sehr viel 
Lieder , aber auch Cantaten und Opern und , wenn der Dirigent 
selbst componirt , vorzüglich seine eigenen Sachen studirt und mit 
dem üblichen succe's d'e'stime begleitet werden. — Den singenden 
Theil der „gebildeten" Männer repräseutirt die städtische „Lieder- 
tafel," die allerdings meistens von dem Musikdirector geleitet wird 
die frischeren, wiewohl ungeschulteren Stimmen aber, die der Ar- 
beiterstand liefert, fallen der unkundigen Führung irgend eines 
Schulmeisters zu, der wieder, zu stolz sich unter den Musikdirector 
zu stellen , seinem „Frohsinn" u. dgl. lieber ordinäre Schreilieder 
einpaukt. Der Musikdirector dagegen hält es für seiner Würde un- 
angemessen, gute Stimmen persönlich zu gewinnen, und ignorirt lieber 
vornehm das ganze ausser seiner Sphäre liegende Musiktreiben. Und 
doch muss er, zumal wenn er ein tbeilweise aus Dilettanten be- 
stehendes Orchester unter sich hat, gar manche süsse Worte geben, 
bald einem spröden Hörn ein Glas Wein eingiessen , bald einem 
kinderreichen Fagott Pathe stehen , bald mit der dicken Tochter 
eines Contraviolons tanzen, Alles nur um die betreffenden Instrumente 
bei Laune zu erhalten. Und doch bringt er's selten zu einem grossen 
Oratorium eines Meisters, sondern muss fortwährend leichte, wenig 
Proben erfordernde, keinen grossen Chor verlangende Sachen stu- 
diren, — warum? wegen der Zersplitterung der vorhandenen Kräfte. 
Eher möglich sind derartige Aufführungen in Residenzstädten, 
welche ein kampfgeübtes Orchester, einen tüchtigen Capellmeister, 
routinirte Solosänger aller Stimmen und einen wohlgeschulten Theater- 
chor besitzen, aber auch hier nicht in dem Maasse, wie man es bei 
den so zahlreich vorhandenen Dilettanten-Kräften, welche zur Ver- 
stärkung heranzuziehen wären , erwarten sollte. Es scheuen sich 
nämlich die meisten Dilettanten, theils aus verzeihlicher Bescheiden- 
heit, theils aber auch aus lächerlichem Hochmuth vor dem Zusammen- 
wirken mit besoldeten Fachmusikern und Theater -Choristen, und 
gruppiren sich desshalb lieber nach Alter, Geschlecht, Geistesrichtung, 
bürgerlicher Stellung und Geschmack in Liedertafeln, Oratorien- 
vereine, akademische oder Kaufmanns - Liedertafeln , Cäcilien- und 
Orchestervereine u. dgl. Diese Isolirung in so viele kleinere Gruppen 
wird noch begünstigt durch den Ueberfluss an wirklich oder ver- 
meintlich befähigten Dirigenten, wozu die überall bestehende Oppo- 
sition gegen das jeweilige Musikregime ein zahlreiches Contingent 
liefert. Da sind Virtuosen , die nicht zum Auftreten eingeladen, 
Lehrer, deren Zöglinge nicht angestellt, Componisten, deren Werke 
nicht aufgeführt werden; sie alle suchen sich einen Tummelplatz 
für ihre Tactirwuth , wo sie ein Stück Capellmeister , oder mit B. 
Auerbach zureden, „Befehlerles" spielen. Dabei aber bleibt ja Keiner 
bei seinem Leisten, nein, der Pianist, der von der Gesangstechnik 
keine blasse Idee bat, dirigirt einen Chorverein, der Gesanglehrer, 
der niemals einen Geigenstrich that, ein Privatorchester; ihm zum 
Possen gibt ein Violinist Gesangsstunden, und ein Flötenbläser re- 
petirt Opernpartien mit Bühuensängern. 



186 



„Es ist eine alte Geschichte, 
Doch bleibt sie ewig neu!" 

Und welche Literatur wird in allen diesen „Kränzchen" ge- 
trieben, besonders in solchen, die nebenbei auch „gesellige Zwecke" 
pflegen, d. h. in Gestalt von Tanzabenden und Maskeraden gar ver- 
führerische Leimruthen ausstellen, worin arglose junge Musiker und 
empfängliche Töchter kluger Mutter jämmerlich hängen bleiben? 
Antwort: Meistens veraltete, gräulich langweilige Virtuosenmusik. — 
Da entledigen sich nämlich Musiker dritten und viertn Banges jener 
Mayseder'schen oder Tulou'schen Varialions und Polonaises bril- 
lantes, denen man die officielle Pforte verschlossen, und die ihnen 
seither den Magen beschwerten. Da hören wir die grosse Scene 
des Jägers aus jener verkannten Kehle, welcher sonst nur mit dem 
„Graf, seid ihr's?" zu glänzen vergönnt ist. Und welch* ein Schund 
von Ciavierfantasien, rührenden Liedern und „jovialen" Männerchören 
wird da preisgegeben ! Wer je das mitgenossen , wird uns von 
Uebertreibung freisprechen. 

Aber „Das ist Freude, das ist Leben, 
Wenn's von allen Zweigen hallt!" 

singt abermals ein edler Dichter, und scheint damit allerdings die 
freie Concurrenz zu preisen, deren wohlthätige Wirkung den bedenk- 
lichsten Einwand gegen unsere Jeremiade abgäbe. Allerdings, wenn 
die Concurrenz in Musiksachen immer eine so offene, redliche wäre, 
wie sie etwa unter ehrenhaften Kaufleuten und Fabrikherren einge- 
halten wird, welche es für eine Schmach hielten, sich in der Presse, 
wenn auch noch so indirect, gegenseitig herabzusetzen, oder einander 
tüchtige Arbeitskräfte wegzufischen n. dgl. ; das überlassen sie den 
Trödlern und Charlatanen, den Verschleissern von Malzextract und 
Brustsyrup. Nicht so die HH. Tonküostler, unter denen, wenn man 
,, halb weg ehrbar thut ," Alles erlaubt scheint , was dem Rivalen 
schadet oder den eigenen Vortheil fördert. O , dächten doch die 
Priester der KunBt immer daran, wieviel Edles, Schönes und Grosses 
durch solch' beilloses Cabalenwesen nicht nur im Wachsthum gestört, 
sondern oft schon im Keime vernichtet wird ! 

Wo liegt aber der Urquell all dieser unseligen Zersplitterung, 
dieser kleinlichen Sonderbündelei, dieser gegenseitigen Eifersucht? 
Antwort: In der so vielen Süddeutschen innewohnenden Selbstüber- 
schätzung, die sie hindert, sich rückhaltslos einer, wenn noch so 
tüchtigen Direction zu unterwerfen, und die ihnen eine solche Unter- 
werfung, wenn sie wirklich freiwillig geschah, als ein höchst dankens- 
werthea Opfer erscheinen lässt, wodurch der Sache eine bedeutende 
Unterstützung geleistet wurde. Damit glaubt man aber das Recht 
zu unbeschränkter Bekritelung des Dirigenten) erworben zu haben, 
und gefällt sich in jener vermeintlichen Unentbehrlichkeit, die vor- 
kommenden Falles mit liebenswürdiger Rechthaberei behauptet wird. 
Da nun Collisionen nie ausbleiben, so thut sich alsbald die Mino- 
rität, statt sich nach guter parlamentarischer Sitte der Mehrzahl zu 
fügen, zu einem neuen Verein zusammen, in welchem das alte Elend 
von vorne beginnt, bis endlich die letzten Trophen des anfänglich 
so reichen Stromes im Sande der Alltagsprosa versickert. 

Wie wäre nun den berührten Uebelständen wirksam entgegen- 
zuarbeiten? Auf dem natürlichsten Wege, nämlich durch Anschlusa 
der kleineren Gruppen an die zunächst liegenden grösseren, welche 
die stärkste Attractionskraft ausüben. Während bisher jeder Turn- 
verein , jede Schützengilde fast ihr eigenes Männerquartett besitzt) 
müsste dieses in die städtische Liedertafel eintreten , ähnliche An- 
schlüsse hätten kleinere Chor - und Musikkränzchen aufzusuchen* 
Wie sich ferner die Liedertafeln einer grösseren Stadt oder Land- 
schaft löblicher Weise zu einer Säugergenossenschaft geeinigt haben, 
so müssten sich auch die übrigen gleichartigen Vereine in je einen 
Gesammtverein zusammenschliessen , stets unter Uebertragung der 
Leitung an den tüchtigsten der bisherigen Einzeldirigenten. So würde 
sich endlich die Masse der musicirenden Dilettanten einer Stadt in 
drei Hauptvereine zu vertheilen haben, nämlich 

1) in einen Orchester vere in, dessen Leiter jedenfalls auch, 
der Stricharten u. dgl. halber, mindestens eines Bogeninstrumentes 
mächtig sein soll, 

2) in einen Männergesang- und 

3) in einen Damengesangverein, 

deren gemeinschaftlicher Dirigent vor Allem in der Technik und 
Literatur des Gesanges vollständig zu Hause sein muss. Beide Vereine 



studiren in ihren getrennten wöchentlichen Proben nicht nur selbst- 
ständige Männer-, beziehungsweise Frauenchöre, sondern auch die 
entsprechenden Chorstimmen für die vorzubereitenden gemischten 
Chöre und Oratorien. Etwa zweimal des Monats treten dieselben 
zu einer gemeinschaftlichen Probe zusammen, das zweite Mal aueh 
mit obigem begleitenden Orchester verein , und zwar unter Leitung 
des Gesangdirectors. Dieser bereits ansehnliche, dreifach gegliederte 
Tonkörper agirt nun selbstständig , wenn in der Stadt keine Hof- 
capelle besteht, oder wenn deren Leiter unfähig oder zu bequem ist, 
um ein frisches Musikleben zu veranlassen und zu unterhalten. Ist 
aber der officielle Capellmeister der rechte Mann, so hat er auch 
den vollen Anspruch auf den Oberbefehl über die irregulären Truppen, 
d. h. die Dilettantenkräfte , und deren einzelne Leiter haben sich 
unbedingt denjenigen seiner Massregeln zu fügen, welche die Auf- 
führung eines grösseren Werkes bezwecken. Es sind deren ohnehin 
höchstens zwei im Winter möglich, da auch die Fachmusiker sich 
in mindestens zwei selbstständigen Unternehmungen zu bethätigen 
haben, nämlich in Sinfonieconcerten und Kammermusikabenden, in 
welch' letzteren am besten zugleich das Streichquartett und das 
Ciaviertrio vertreten ist, so dass der Localpiaoist hier seinen ihm 
besser als der Tactstock entsprechenden Wirkungskreis findet. 

Durch eine derartige straffe Concentration und Gliederung der 
musikalischen Kräfte jedes Ortes würde es möglich, dem Publikum 
stets das Beste in bester Weise vorzuführen, und dessen pecuniäre 
Unterstützung für alle Branchen des Musiklebens gleichheitlich zu 
gewinnen, da dieselben ebenfalls der leidigen Zersplitterung nicht 
mehr ausgesetzt wären. l. St. 



Mozart -Paralfpomcnoi) 

Von Otto Jahn. 



(S c h 1 u 8 s.) 

Franz Hof dem el, Canzellist der k. k. obersten Justizstelle, 
hatte sich am 10. Dezember 1791 in seiner Wohnung (Stadt, Grün- 
angergasse 1360) in einem Alter von 36 Jahren selbst entleibt und 
wurde im allgemeinen Krankenhause gerichtlich beschaut. Offenbar 
hing mit diesem Selbstmorde die Verwundung seiner schwangeren 
Frau Magdalene Hofdemel, geb. Pokorny zusammen, da eine 
Quittung der k. k. Oberbereiterin ThereseWeiss vom December 
1791 über 120 fl. vorliegt, welche sie „zur nöthigen Verpflegung der 
verwundeten Frau Hofdemelin" aus dem Nachlasse Franz Hofdemers 
durch die Erben erhalten hat. Von der Wittwe selbst ward ein Ge- 
such um 1000 fl. Entschädigung für die Kosten ihrer Heilung und 
Entbindung eingereicht, welches mit den Worten beginnt: „Es ist 
*eider nur allzubekannt, in was für einen elenden und jammervollen 
Zustand mich mein Ehegatte, Hr. Fr. Hofdemel, Canzellist bei der 
hochlöblichen obersten Justizstelle sei. durch die so vielfältige Zer- 
schneidung meines Angesichts uud sonstiger Theile meines Körpers, 
die meine Ungesundheit und zwar vermuthlich für meine ganze noch 
übrige Lebenseeit nach sich ziehet, versetzet, und dass er mich in 
so einem Zustande als Mutter eines geborenen und eines noch zu 
hoffenden Kindes hinterlassen habe." Sie erhielt im März 1792 die 
Summe von 560 fl., zog nach Brunn und gebar dort am 10. Mai 
einen Knaben, Johann Alexander Franz, der früh gestorben sein 
muss. Die bei Lebzeiten des Vaters geborene Tochter Therese war 
im December 1791 ein Jahr alt. 

Dass Mozart mit Hofdemel bekannt war, geht aus folgendem von 
Nobl (Mozart's Briefe Nr. 266) veiöffetitlichten Briefe hervor: 

„Liebster Freund! 

„Ich bin so frei, Sie ohne alle Umstände um eine Gefälligkeit 
zu bitten; — könnten oder wollten Sie mir bis 20. des künftigen 
Monats 100 fl. leihen, würden Sie mich sehr verbinden : am 20. fällt 
mir das Quartal meiner Gage zu, wo ich dann meine Schuld mit 
Dank wieder zurückerstatten werde. 

„Ich habe auf 100 Ducaten (die ich vom Auslande zu erwarten 
habe) mich zu sehr verlassen ; — da ich sie aber bis zur Stunde 
noch nicht erhalten (sie aber täglich erwarte) , habe ich mich zu 
sehr vom Gelde entblösst, so dass ich augenblicklich Geld vonnötben 
habe, und deswegen mein Vertrauen zu Ihnen genommen , weil ich 
Ihrer Freundschaft ganz überzeugt biu. , 



- 187 - 



„Nun werden uns bald mit einem schöneren Namen nennen 
können! Ihre Sache ist dem Ende sehr nahe!" 

Hofdemel half ihm aus der Verlegenheit, wie der von Mozart 
ausgestellte und geschriebene Wechsel, ehemals im Besitz des Hm, 
Mendheim in Berlin, beweist, durch den auch die Zeit festgestellt wird« 

Wien den 2ten Aprill 1789. A dato 4 Monathe zahle ich Endes- 
gesetzter die Summe von 100 fl., sage Ein Hundert Gulden an Herrn 
Ton Hofdemel oder an dessen Ordre, Valuta habe baar empfangen' 
leiste zur Verfallzeit richtige Zahlung und unterwerfe mich einem 
k. k. N. Oe. Merkantil- und Wechselgericht. 

Sola an mich. Wolfgang Am ade Mozart, 

Capellmeister in wirklichen k. k. Diensten. 

Dass es sich hier um eine und dieselbe Person handelt, ist nicht 
zu bezweifeln. Jener Franz Hofdemel hinterliess ein Vermögen von 
€937 fl ; in seinem Nachlass war unter andern ein Buch gefunden: 
„Die Feierlichkeiten der gerechten und vollkommenen Loge der 
Einigkeit von Frankfurt a. M. , H er war also offenbar Freimaurer, 
und auf seinen Eintritt in den Orden bezieht sich unverkennbar der 
■Schluss in Mozart's Briefe. 

Actenmässig festgestellt ist also der Selbstmord Franz Hofdemers 
lind die durch ihn geschehene Verwandung seiner Frau; das Motiv 
der Eifersucht und dass diese Mozart gegolten habe , kommt hier 
nicht zur Sprache ; dass man damals wenigstens in gewissen Kreisen 
4ie Begebenheit so aufgefasst und besprochen habe, ist durch Schefer's 
und Czerny's Zeugniss erwiesen. Allein es ist nunmehr auch fest- 
gestellt, dass die grauenvolle That erst 5, Tage nach Mozart's Tod 
begangen ist, und dadurch wird es, man kann wohl sagen, zur Un- 
möglichkeit, dass der bis zum Wahnsinn gesteigerte Argwohn des 
Mannes, wenn er wirklich das Motiv der That war, soweit er Mo- 
zart betraf, durch Thatsachen hervorgerufen worden sei. Ueber die 
Wahrscheinlichkeit eines zu Mozart's Ungunsten verbreiteten Gerüchtes 
nachträglich Erörterungen anzustellen, hat nunmehr kein Interesse 
Mir ist es eine wahre Erleichterung, dass die Vermuthung, welche 
«ich mir aufgedrängt hatte, die Schatten dieses tragischen Ereignisses 
möchten Mozart's letzte Lebenszeit verdüstert haben, sich als ganz 
«ingegründet erwiesen hat. 



CORRESPONDKNZEN. 

Aus Leipzig. 

10. Novembar. 

Nach einer Zeit der Noth ist die der Noten, — nicht der diplo- 
matischen — nach einer Zeit der Disharmonie die der Harmonie, 
wenigstens in unseren Concertsälen freudigst begrüsst, eingezogen. 
Am 18. Octobor wurde unsere diesjährige Concertsaison durch das 
«rste Abonnements-Concert im Gewandhaus eröffnet; das Programm 
desselben bestand aus folgenden Nummern : Ouvertüre zu den „Aben- 
«eragen" von Cherubini; Arie aus der „Schöpfung" von Haydn: 
„Auf starkem Fittige," ges. von Frau Ullrich-Bohn vom Mann- 
heimer Hoftheater; Violinconcert (N* 9, D-moll) von L. Spohr, 
vorgetr. von Hrn. H. Brandt aus Hamburg; Arie ans „Faust" von 
X«. Spohr, von der obigen Sängerin gesungen, und im II. Theil die 
A-dur-Siufonie von Beethoven. Von einer Seite, die der Direction 
der Gewandhausconcerte nicht gerade hold zu sein scheint, wurde 
dies Programm gleich nach Beiner Verkündigung als ein Nothbehelf 
betageblattet; richtig ist, es enthielt nur den Besuchern der Concerte 
hinlänglich bekannte und oft gehörte Sachen. Als ob wir aber nicht 
jeden Lenz dem Schlage der Nachtigallen mit gleicher Freude 
laubchten und uns daran ergötzten! Zudem mag es nicht leicht ge- 
wesen sein, in einer Zeit, wo noch ein finsterer Gast in unseren 
Mauern weilte, singende und spielende Gäste aus der Ferne zu be- 
kommen ; wenigstens erzählt man sich , dass die Concertdirection 
gleiches Schicksal mit der Theaterdirection gehabt habe, welcher auf 
mehrfache telegraphische Anfragen ein sehr entschiedenes quod non 
als Antwort geworden sei. 

Was nun die Ausführung obiger Werke anlangt, so war die der 
beiden Orchesterwerke eine zum bei weitem grössten Theile dem 
Rufe des Gewandhauses entsprechende; hie und da in der Sinfonie 
wäre ein etwas strafferes Zusummenspiel zu wünschen gewesen. — 
Frau Ullrich-Bohn erwies sich vornweg als eine routinirte Sängerin, 



die mit ihrer Aufgabe, soweit es ihre Fähigkeiten und Mittel er* 
lauben, fertig zu werden weiss. Was ihr an jenen fehlt, wie Wärme, 
Freiheit und Glätte des Vortrags, wird sie schwerlich noch hinzu- 
thun und erlernen. Indess kann man sich schon mit dem, was sie 
bietet, begnügen, wie dies das Publikum, das der Sängerin lebhaften 
Beifall spendete, auch that. Hr. Brandt, hier als einer der wacker- 
sten Schüler des Conservatoriums gekannt und genannt, bewältigte 
die Schwierigkeiten des ziemlich phrasenreichen Spohr'schen Con- 
certes, namentlich in den beiden ersten Sätzen, mit Sicherheit und 
Verständniss ; weniger gut gelang es ihm, uns über die Monotonie 
des letzten Satzes hinwegzubringen. 

Das zweite Gewandhaus-Concert am 25. Octbr. brachte an Or- 
chesterstücken zum Beginn Haydn's Leben und Humor sprudelnde 
G-dur-Sinfonie, zum Anfang des zweiten Theiles eine Fest-Ouvertüre 
zur 25jährigen Stiftungsfeier des Pesth-Ofener Conservatoriums von 
Robert Volkmann, zum Schluss Schumann's Ouvertüre zu „Genovefa." 
Ueber die Executirung dieser Werke lässt »ich im Allgemeinen nur 
Gutes berichten. Was die Volk man n'sche Ouvertüre betrifft, die 
hier zum ersten Male zu Gehör kam, so enthält dieselbe unstreitig 
manche interessante Details sowohl in Gedanken, wie in deren Ver- 
arbeitung ; Mangel an Fluss aber, ein zerrissenes, zerfahrenes Wesen 
lässt einen vollen Genuss , eine rechte Freude daran nicht zu. — - 
Alb Sängerin präsentirte sich in diesem Concerte zum ersten Mal 
Frl. EmilieWagner aus Carlsruhe ; brillantes Material, ein Mezzo- 
sopran von noblem, vollem Klang, auch leidlich gute Schule, aber 
keine innere Wärme. Der Vortrag der Sextus-Arie aus Mozart 1 « 
„Titus": „Ach nur einmal noch im Loben" hielt sich so ziemlich 
am Gefrierpunkt. Auf gleichem Niveau stand der des Schubert'schen 
Liedes „Nachtstück " ; besser fand sich die Sängerin mit Schumann'« 
„Ich wandre nicht" ab; der durch den frischen Klang gesteigerte 
Effect der Schlusstacte verschaffte ihr so lebhaften Beifall, dass sie 
noch ein Lied zugeben musste. — Hr. Joseph Dorf fei, Hofpianist 
Ihrer kaiserl. Hoheit, der Frau Grossherzogin Helene von Russland, 
mag ein ganz tüchtiger, fertiger Salonspieler sein; da aber Beet- 
hoven's Es - dar - Concert in einen Salon nicht recht passen will, so 
wird es auch wohl besser sein, wenn Hr. Derffel sich nicht mit ihm 
befasst. Besser gelang ihm der Vortrag zweier Salonstücke eigener 
Composition. Die Notwendigkeit , warum Hr. Derffel componirt, 
haben wir freilich nicht einzusehen vermocht. (Schluss folgt.) 

Aus Paris. 

1 1 . November. 

Die bevorstehende Woche verspricht den Parisern eine Reihe 
von Tbeatemeuigkeiten. Zuvörderst das neue Ballet vonMinkouS 
und Leo Delibes, „La Source," welches morgen in der grossen 
Oper zur Darstellung kommt. Gestern hat vor einem fast vollen 
Hause die Generalprobe stattgefunden. Die Mise en scene ist sehr 
schön; die Salvioni tanzt ganz vortrefflich, es gehört abei dock 
viel Geduld dazu, das Ende dieser dreiactigen und zwei volle Stun- 
den dauernden Pantomime abzuwarten , uud das um so mehr alt 
kein Mensch aus der Handlung klug werden kann. 

Die Ope'ra comipue verspricht , „Mignon" von A m b r o i s e 
Thomas gegen Ende dieser Woche zur Darstellung zu bringen 
natürlich wenn sich kein unvorhergesehenes Hinderniss einstellt. 

Die Bouffes Parisiens , denen Jacques Offenbach noch 
immer grollend den Rücken zukehrt, werden künftigen Freitag mit 
einem neuen Werke, „Les Chevaliers de la Table ronde ,*■ das 
Zwergfell aller Lachlustigen zu erschüttern Sachen. Da ich gerade 
Offeubach's erwähne , so will ich auch bemerken , dass seine ,. Vit 
Parisienne,'* die seit vierzehn Tagen im Palais Boyal-Theater ge- 
geben wird, sehr anspricht. Diese Operette ist aber auch reich an 
gefälligen Melodien, die sich dem Gedächtniss leicht einprägen. 

Hr. B a g i e r hat sich entschlossen, Sonntags -Vorstellungen zu 
herabgesetzten Preisen zu geben , um dem grösseren Publikum den 
Besuch des italieniHchen Theaters möglich zu machen. Heute findet 
die erste dieser Vorstellungen statt. 

Man ist allgemein gespannt auf die erste Aufführung des „Frei- 
schütz," die von der Direction des Theatre lyrique für die nächste 
Woche fest versprochen ist. Weber's Meisterwerk soll diesmal den 
Kunstfreunden in seiner ursprünglichen Gestalt und nicht wie früher 
verstümmelt und zugestutzt vorgeführt werden. 



- 188 - 



Mermet, der Compositeur des „Roland in Bonceval," bat so- 
eben die ersten zwei Acten seiner „Jeanne d'Arc" beendigt und 
'wird dieselbe nächstens einem engern Kreise mittheilen. 



I a c li r i c h t e ii. 



Maim. Am 9. Novbr. hatten wir Gelegenheit im ersten dies- 
jährigen Concert des Kunstvereina die ClaviervirtuosinFrau Johnson- 
G r a e v e r aus Holland zu hören, welcher ein bedeutender Ruf voraus- 
gegangen war. Sie spielte das Quartett in H-moll von Mendelssohn 
mit denBH. Concertm. Pöpperl, Sesselmann und Frisch vom 
hiesigen Theaterorchester, und sodann allein die Variationen in 
C-dur von Händel, eine Caprice von eigener Composition und die 
„Campanella" von Taubert. Eine eminente technische Fertigkeit, 
schöner Anschlag und geschmackvoller Vortrag sind die Vorzüge^ 
durch welche das Fpiel dieser Künstlerin sich auszeichnet, und der 
lebhafte Beifall des zahlreichen Publikums folgte jeder ihrer schönen 
Leistungen. 

CÖln. Das 2. Gesellscbafts-Concert im Gürzenich fand mit fol- 
gendem Programm statt: I. Theil. Ouvertüre von Jol. Tausch ; Arie 
für Sopran aus „Scipione" von J. Ch. Bach (Frau Rudersdorff); 
Fantasie für Violoncell von AI. Schmit (Hr. AI. Scbmit); Canzo- 
setten von J. Haydn (Frau Rudersdorff); Adagio und Finale aus 
dem Concert in H-moll für Pianoforte von J. N. Hummel (Frau 
Johnson-Graever, Hofpianistin der Königin von Holland); Fi- 
nale zu „Lorelei" von Mendelssohn (Leonore: Frau Rudersdorff). 
ii. Theil. Sinfonie in D-moll von R. Schumann. Besonderes Inte- 
resse erregte das Auftreten der Frau Johnson-Graever, welche nach 
dem Urtheile des Hrn. Prof. L. Bisch off in der „Nieder-R. M.-Z. a 
sich als eine den grössten Pianistinnen, Clara Schumann und 
Szarvady-Clauss ebenbürtige Virtnosin erwies. 

Berlin. Der Stern'sche Gesangverein führte am 4. November 
zur Gedächtnissfeier Mendelssohn-Bar tholdy's dessen „Elias" 
auf. Frau Blume vom Hoftheater in Dresden sang die Sopran- 
partie und erwarb sich nicht nur den lebhaftesten Beifall des Pub- 
likums, sondern auch die unumwundenste Anerkennung ihrer vor- 
trefflichen , wahrhaft künstlerischen Auffassung und Vortragsweise. 
Dass Frau Jach mann -Wagner und der k. Domchorsänger Hr. 
Otto in ihren Partien den strengsten Anforderungen genügten, 
versteht sich von selbst; aber in Hrn. Hill aus Frankfurt, der die 
Partie des Elias sang , machten wir die erfreuliche Bekanntschaft 
eines Oratoriensängers, der in seinem Fache am Rhein wie in Holland 
bereits einen soliden Ruf sich gegründet hat und zu den besten 
Sängern in diesem Fache zu zählen ist. 

Ein anderer interessanter Gast war Hr. Concertmeister Lauter- 
bach ans Dresden, welcher in den Blumner'schen Montagscon- 
certen in verschiedenen Compositionen von Mozart, Haydn, Schu- 
bert etc. sich hören Hess und als ein feinfühlender, von tadellosem 
Geschmack geleiteter , in technischer Beziehung unübertrefflicher 
Künstler sich die ehrenvollste Anerkennung erwarb und den ihm 
vorausgegangenen Ruf vollkommen rechtfertigte. 

Gent. Das in Brüssel mit so grossem Beifall aufgenommene 
Oratorium „Lucifer M von P. B e n o i t ist nun auch liier vor ge- 
drängt vollem Saale aufgeführt worden und hat einen vollständigen 
Erfolg gehabt. 

Brüssel. Für das erste der populären classischen Concerte des 
Hrn. Samuel, welches am 11. November stattfindet, ist folgendes 
Programm aufgestellt : Ouvertüre von Beethoven ; ßourre'e, Air und 
Gavotte von S. Bach ; Adagio aus dem Quiutett von Mendelssohn ; 
„Türkischer Marsch" von Mozart, instrumentirt von Pascal; „Ham- 
let" -Ouvertüre von AI. Stadtfeld, und endlich die 1. Suite für Or- 
chester von J. Raff. 

Ronen. Hr. A. L. M a 1 1 i o t hat dem Maire von Rouen, Hrn. 
V e r d r e 1, einen Plan znr Errichtung eines Conservatoriums für Musik 
vorgelegt, welches dem in dieser Stadt gebornen Componisten der 
„weissen Dame" zu Ehren „Institut Boietdieu u genannt werden soll* 

Liverpool. Meyerbeer's „Hugenotten," welche hier seit einigen 
Jah ren nicht mehr gehört wurden , kamen dieser Tage wieder zur 
Aufführung mit den Damen Tietjens und Wiziak und den HH. 
Mario, Santley, Gassier und Fol i. Aufführung und Ausstattung 
liessen nichts zu wünschen übrig und die Aufnahme von Seite des 



Publikums war eine wahrhaft enthusiastische. Die nächste Oper 
wird der „Freischütz" sein. 

*** Der ehemals berühmte Tenorist Duprez in Paris, der be- 
kanntlich mit seiner Oper „Jeanne d'Arc" Fiasco gemacht bat» 
schreibt jetzt ein Requiem. 

*** Hrn. Capellmeister G. Schmidt in Leipzig sind bei Ge- 
legenheit der 25jährigen Jubelfeier seiner Thätigkeit als solcher 
vielfache Ehren widerfahren. Schon am Vorabend, den 1. Novbr.,. 
ward ihm ein Ständchen vom ganzen Chorpersonal gebracht. Am 
Morgen des 2. Novbr. selbst begrüsste ihn eine Deputation vom 
Theaterorchester unter Ueberreichung eines silbernen Pokals im 
Namen desselben. Sodann fanden Beglückwünschen durch die Vor- 
steher verschiedener hiesiger musikalischer und geselliger Vereine 
statt. Am Abend fand die Vorstellung des „Freischütz" statt, der 
ersten Oper, welche Hr. Schmidt als Capellmeister (in Brunn) diri- 
girt hatte. Des Dirigenten Pult war bekränzt und geschmückt; auf 
demselben lag die Partitur des „Freischütz," in rothen Saffian mit 
Gold eingebunden , darüber ein Lorbeerkranz. Ein allgemeiner 
herzlicher Empfang ward dem Dirigenten beim Erscheinen am Pult 
von Seiten des ganz vollen Hauses zu Theil, verbunden mit drei- 
maligem Tusch vom Orchester. Nach dem ersten Act richtete Bür- 
germeister Dr. Koch von der Bühne aus im Namen der Stadt wie 
im eigenen einige herzliche Beglückwünschungsworte an den Jubilar.. 

(Leipz. Sign.) 

*** Die „Afrikanerin" soll in Dresden am 13. November mit 
äusserst glänzender Ausstattung in Scene geben. In München 
dagegen soll die Aufführung dieser Oper, Münchener Blättern zufolge» 
abermals auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben und wenig Hoffnung 
sein, dieselbe vor dem Jahre 1868 auf den Brettern zu sehen. Man» 
bemüht sich dort vergebens, die Gründe dieses Aufschubes aufzu- 
finden, da überdies die Hauptrollen einstudirt sind, und Chor und 
Orchester bei ihrer anerkannten Vortrefflichkeit wohl auch keia 
Hinderniss bilden können. 

*** J. Rheinberger, Hoforganist in München , hat eine- 
„Wallenstein - Sinfonie" componirt. Wallenstein, Tbekla's Klage, 
das Lagerleben mit der Capuzinerpredigt und Wallenstein's Tod 
bilden die Hauptmotive zu den vier Sätzen der Sinfonie. Dieselbe 
wird in einem der Abonnementconcerte der musikalischen Akademie 
zur Aufführung gelangen. 

*»* In Louisville ist das dortige Theater abgebrannt. Der 
Schaden beträgt 70,000 Dollars, die Versicherung beläuft sich nur 
auf 10,000 Dollars. 

*** In Coburg kommen nächster Tage Langert's „Fabier^ 
zur Aufführung. 

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15. Jahrgang. 



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INHALT: Zwei Pastoral-Sinfonien. — Correspondenzen : Leipzig. München. Regensburg. — Nachrichten. 



Zwei Pastoral-Sinfonien. 



Unter dem Titel „Veux symphonies posturales" veröffentlicht 
der unermüdliche, obachon so hochbejahrte F6tis in der Revue et 
Gazette musicale einen Artikel , in welchem er dem seiner Zeit 
hochgeachteten, jetzt aber wenig mehr genanntenComponisten Kn e cht 
sozusagen die Priorität des Programms der Beethoven'schen Pasto- 
ral-Sinfonie vindicirt, indem Knecht eine Sinfonie mit fast ganz ähn- 
lichem Programm wie die genannte Beethoven'sche gesehrieben habe. 
Hören wir, was Fätis darüber schreibt: 

„Zwei Pastoral-Sinfonien I Hat sich denn wirklich ein Musiker 
gefanden, der kühn genug oder einfältig genug war, um sich an 
dem von Beethoven so glänzend behandelten Gegenstande zu ver- 
suchen? Nein, Niemand war so anmassend. Zweimal wurde der 
Ausdruck der Gefühle, welche die Seele beim Anblick der Natur an 
einem schönen Tage bewegen , musikalisch wiederzugeben ver- 
sucht; aber Beethoven war es, der sich des Programms eines heut- 
zutage fast unbekannten Künstlers bemächtigte, welcher aber in den 
ersten Jahren dieses Jahrhunderts in Deutschland sich eines gewissen 
Rufes erfreute. Er hiess Knecht. Geboren zu Biberach in Würtem- 
berg im Jahre 1752, erhielt er von seinem Vater den ersten Musik- 
unterricht und genoss bei seinen ersten musikalischen Studien die 
Leitung seines Landsmannes Wieland, welcher später eine der 
Berühmtheiten deutscher Literatur , der Zeitgenosse undj Freund 
Herder's, Schiller's und Göthe's wurde. 

Nachdem Knecht seine Studien in Esslingen beendigt hatte, 
wurde er im Alter von 19 Jahren von dem Magistrate der Stadt 
Bibrach berufen , in seiner Vaterstadt Unterricht in den schönen 
Wissenschaften zu geben. Im Jahre 1792 vertauschte er dieBe Stellung 
mit der eines Musikdirectors , welche seinem Geschmacke mehr zu- 
sagte. Er hatte in Mannheim die Schule des Abbe" Vogler be- 
sucht und war ganz eingenommen für die falschen Doctrinen dieses 
„Musikcbarlatans ," wie ihu Mozart nannte. Zurückgekehrt in das 
Städtchen Bibrach , genoss Knecht daselbst eine ruhige und den 
Studien gewidmete Existenz. Viele seiuer Gompositionen für Orgel, 
Ciavier, Gesang, Theater, Kirche und Orchester sind theils veröffent- 
licht worden, theils Manuscript geblieben. Seine Schriften zur Ver- 
teidigung der Vogler'schen Theorie, seine Abhandlungen über Har- 
monie und über die Grundprincipien der Musik, sowie seine grosse 
Orgelschule erfreuten sich grosser Werthschätzung. Dieser würdige 
Mann starb in Bibrach am 11. December 1817. 

Unter seinen Schriften, welche ich in meiner „Biographie des 
musicienf'* angeführt habe, befindet sich auch ein „Portrait musi- 
cale de la nature" Sinfonie für Orchester. Ich kanute diese Com- 
Position nur nach dem in Gerber's „Neuem Lexikon der Ton- 
hünstler" angeführten Titel; erst kürzlich kam dasselbe in meine 
Hände und interessirte mich durch die Uebereinstimmung seines 
Programms mit dem der Pastoral -Sinfonie von Beethoven, sowie 
durch einiges Andere, wovon ich sogleich sprechen werde. Der in 
höchst mittelmässigem Französisch geschriebene Titel des Werke» 
jftutet in deutscher Übersetzung: 



„Das musikalische Porträt der Natur, oder grosse Sinfonie für 
2 Violinen , Viola und Bass , mit 2 Querflöten , 2 Oboen, Fagotten, 
Hörnern , Trompeten und Pauken ad libitum. Dieselbe soll mib 
Hülfe der Töne ausdrücken : 

1. Eine schöne Gegend , wo die Sonne leuchtet , die sanften 
Zephire wehen, die Bäche das Thal durchziehen; die Vögel zwit- 
schern, ein Bergstrom fällt murmelnd herab, der Schäfer pfeift, die 
Lämmer hüpfen und die Schäferin lässt ihre sanfte Stimme hören. 

2. Der Himmel fängt an plötzlich dunkel zu werden (commence 
ä devenir soudain et sombre); die ganze Umgebung hat Mühe zxx. 
athmen und ist erschreckt, die schwarzen Wolken steigen auf, die* 
Winde beginnen grossen Lärmen zu machen, der Donner rollt von* 
Weitem, und das Gewitter naht mit langsamen Schritten. 

3. Das Gewitter, begleitet von murrenden Winden und fallen- 
dem Regen, stürmt mit aller Macht; die Gipfel der Bäume machen« 
ein murmelndes Geräusch , und der Strom rollt seine Gewässsr mit 
entsetzlichem Lärmen. 

4. Das Gewitter besänftigt sich nach und nach, die Wolken 
zerstreuen sich, und der Himmel wird wieder heiter. 

5. Die Natur, voller Freude, erhebt ihre Stimme zum Himmel 
und bringt dem Schöpfer lebhaften Dank dar durch sanfte und an- 
genehme Gesänge. 

Gewidmet dem Herrn Abb6 Vogler , erster Capellmeister der 
churfürstlichen Capelle von Pfalz-Baiern, von Justin Heinrich Knecht. 
Veröffentlicht und zu verkaufen in Speyer bei Rath Boesler." 

Man ersieht aus dem Catalog des Herausgebers, welcher der 
eisten Violinstimme beigefügt ist, dass diese Sinfonie im Jahre 1764 
veröffentlicht wurde, gerade in demselben Jahre, da Beethoven, da- 
mals 14 Jahre alt, bei dem nämlichen Verleger seine drei ersten 
Ciaviersonaten erscheinen lies*. 

Es ist einleuchtend, dass das Programm der Sinfonie von Knecht 
kein anderes ist als das der Pastoral - Sinfonie , welche Beethoven 
dreissig Jahre später schrieb. Es handelt steh nicht darum, dieses 
grosse Werk mit der Sinfonie des Musikdirectors von Bibrach zu 
vergleichen ; allein es ist doch bemerkenswert!) , dass ein andere» 
Werk von Knecht, betitelt: „Taus der Ländleute, von einem Ge- 
witter unterbrochen," das Sujet ftt* des dritten Theil der Sinfonie von 
Beethoven geliefert hat. (Schluss folgt.) 



GORRB8PONDENZER. 



Am Leipzig. 

10. Nmator. 

(Schluss.) 

Der erste Theil des dritten Abonnements - Concertes führte uns 
ein gut 8t8ck in die Vergangenheit zurück; ein Concert (G-moll) 
für Streichinstrumente, zwei obligate Violinen und Violoncell von 
G. F. Händel, zwei A rieften aus „Susanne" von Händel und eine 
Sonate für Violin-Solo von F. W. Bast bildeten das Programm ; das 



190 - 



des zweiten Theiles: Hymne für Sopran-Solo and Cbor und Sinfonie 
(Nr. 3, A-moll) von F. Mendelssohn. Die erste und dritte Kummer 
des ersten Theiles wurden hier zum ersten Male öffentlich ausgeführt. 
Das Händel'sche Concert machte sowohl durch seinen innern Werth, 
wie durch seine treffliche Ausführung (die Solostimmen durch die 
HH. Concertmeister David, Haubold und H e g a r) einen sehr 
günstigen Eindruck. Es liegt etwas Unverwüstliches in dieser Musik, 
wenn auch manches Veraltete, manches, was an den Zopf erinnert, 
mit unterläuft. Das Gleiche gilt von den beiden Arietten, in deren 
Vortrag Frl. Wagner in viel günstigerem Lichte erschien als in 
dem vorhergehenden Concerte. — Die Rust'sche Sinfonie ist im Jahre 
1795 componirt und zwar für Violine allein; Hr. Concertm. David 
hat sie bearbeitet, indem er noch eine Ciavierstimme (von Hrn. Ca- 
pellmeister Reinecke ausgeführt) hinzufügte und dadurch einem 
Werke zur Anerkennung verhalf, das bald auf dem Repertoir aller 
Geiger glänzen wird. Ebenso interessant in der Erfindung wie in 
der Mache, wusste Hr. Concertmeister David die Vorzüge desselben 
durch sein meisterhaftes Spiel in das hellste Licht zu stellen und 
erhielt dafür von Seiten des Publikums die rauschendsten Beifalls- 
bezeugungen. — Zum Vortrage der Mendelssohn'schen Hymne fehlte 
Frl. Wagner das Weiche , das Seelische ; ein grober Fehler am 
Schluss riss selbst die Wenigen , die in die rechte Stimmung ge- 
kommen sein mochten, aus dieser wiederum heraus. — Die Ausführung 
der Sinfonie bezeugte von Neuem , wie vertraut das Orchester mit 
derartigen Werken ist. 

Eine gleiche Vertrautheit bekundete letzteres in Beethoven's 
F-dur-Sinfonie Nr. 8, welche das vierte Gewandbausconcert, Donners- 
tag den 8. Novbr., eröffnete. Nur vermochten wir uns bei dieser 
nicht mit den schleppenden Tempil des zweiten und dritten Satzes 
zu befreunden. Die anderen Instrumentalstücke des Abends waren: 
Entr'acte aus „Medea" von Cherubini und Passacaglia und Toccata 
von J. S. Bach, instrumentirt von H. Esser. Der Erstere machte 
auf uns denselben gewaltigen Eindruck wie bei seiner ersten Auf- 
führung im vorigen Jahre; dass sich dieser in der Oper, wo die 
rolle Bedeutung der Musik klarer vorliegt, noch erhöht, dürfte wohl 
nicht zweifelhaft sein. Die Passacaglia wurde zum ersten Male zu 
Gehör gebracht; so meisterhaft Esser's Instrumentation ist, so ver- 
mag sie doch nicht uns über eine gewisse Monotonie, an der wohl 
auch zum Theil die Länge des Stückes die Schuld trägt, hinwegzu- 
heben, und wird darum die Passacaglia nie zu einem Lieblingsstücke 
werden, wie es mit der Toccata der Fall ist, die uns auch diesmal, 
wie bei ihrer ersten Aufführung vor einem Jahre , einen wahren 
Hochgenuss bereitete. — Zwischen diesen Orchestersachen waren 
folgende Gesangstücke eingefügt: Recitativ und Arie für Sopran mit 
obligatem Pianoforte von W. A. Mozart, Cantate vcn Alessandro 
Stradella und 2 Lieder: „Siciliana" von Händel und „Pastorelle" 
von Haydn. Den Vortrag derselben hatte Frau Hermine Ruders- 
dorf f aus London übernommen. Frau Rudersdorff ist eine zu 
routinirte Sängerin, als dass sie nicht ihren Aufgaben vollständig 
gerecht werden sollte, d. h. soweit es ihre Mittel, die beauoc restes 
ihrer Stimme , erlauben. Nur mögen diese sie nicht verleiten , in 
Künsteleien sich zu ergehen und durch solche den Beifall des Pub- 
likums hervorrufen zu wollen. 

Als Rivalin, wenn auch noch nicht als ebenbürtige, ist nun auch 
die hiesige zweite Concertgesellschaft „Euterpe" unter grosser Theil- 
nahroe des Publikums in die Schranken getreten. Es fanden bis 
jetzt zwei Concerte statt, am 30. Octbr. und am 6. Novbr. Zur 
Aufführung im ersten hatte man Gluck's „Orpheus" gewählt, eine 
Wahl, die dem Geschmacke des Vorstandes alle Ehre machte und, 
wie aus dem Besuche zu schliessen war, auch allgemeinen Anklang 
fand. Ihr entsprach die Aufführung selbst, unter Leitung des Hrn. 
von Bernuth. Die Chöre waren trefflich einstudirt, griffen mit 
Sicherheit und Energie ein, das Orchester entsprach allen billiger- 
weise an dasselbe zu stellenden Anforderungen und, um das Beste 
zuletzt zu erwähnen, die Soli'a waren in den Händen der Fräulein 
Franziska Schreck von Bonn und der Frau Blume vom k. 
Hoftheater in Dresden. Die Leistungen , von dem innigsten Ver- 
ständnisse der Gluck 'sehen Muse getragen, rechtfertigten den Ruf, 
welcher beiden Damen als durch Stimme und Schule ausgezeichneten 
Sängerinnen vorangegangen war. 

Das Programm des zweiten Concertes war zusammengestellt aus: 
Ouvertüre zu „Leonore" (Nr. 3) von Beethoven; zwei Duetteu aus 



„Jessonda" von Spohr und aus „Templer und Jüdin" von Marschner; 
Ciaviervorträge von Frl. AnnaMehlig, und Sinfonie (Nr. 2, C-dur) 
von Robert Schumann. Mehr als im ersten Concerte machte sich 
in dem diesmaligen der Nachtheil einer allzugrossen Lokalität — 
die Euterpe-Concerte finden im Saale der Centralhalle, dem grössten 
Leipzig's , statt — geltend. Weder Beethoven's Ouvertüre , noch 
Scbumann's Sinfonie konnten bei einer den Kräften nach sonst ganz 
leidlichen Ausführung die rechte, volle Wirkung erzielen. Auch der 
Vortrag des Chopin'schen Concertes (F-moll) durch Frl. Anna Mehlig 
litt darunter; er erschien nicht uüancirt genug und dadurch zu 
wenig leidenschaftlich uud schwärmerisch. Glänzend gelang der 
Künstlerin der der Fuge in E-moll von Mendelssohn und der Rhap- 
sodie hongroise von Liszt; eine eminente Technik, vollständige Be- 
herrschung des Instrumentes, staunenswerthe Sicherheit und Gewand- 
heit — Vorzüge, die bereits Frl. Mehlig den Ruf als eine der ersten 
Pianistinnen gesichert haben, brachten ihr auch hier die lebhaftesten 
und rauschendsten Beifallsbezeugungen. — Die beiden Duetten, von 
Frl. Blaczek und Hrn. Rebling, Mitglieder des hiesigen Stadt- 
tbeaters, in anerkennenswerther Weise vorgetragen, verfehlten nicht, 
animirend auf das Publikum zu wirken. 

Um nun gleich beim Theater zu bleiben, so hat dieses in jüng- 
ster Zeit als Novität Abert's „Astorga" gebracht. Ueber ein solches 
Werk nach einmaligem Anhören — die zwei bisherigen Wieder- 
holungen war Referent leider verhindert zu besuchen — ein er- 
schöpfendes Urtheil zu fällen, ist unmöglich. Jedenfalls stellt sich. 
Astorga sogleich als Schöpfung eines bedeutenden Talentes heraus, 
das zwar nicht berufen scheint, neue Bahnen zu brechen, das aber 
mit feinem Verständniss das wahre Gute in seinem Bereiche erfasst 
hat, und darum wohl geeignet sein dürfte, jene Bahnen zu erweitern 
und auszubauen. Die Oper fand von Seiten unseres Publikums den 
lebhaftesten Beifall; der Componist, der selbst dirigirte , wie die 
Darsteller der Hauptpartien , wurden nach jedem Acte mit steigen- 
dem Interesse gerufen ; die letzteren waren in den Händen der Damen 
Blaczek (Eleonore) und D u m o n t (Angioletta) und die HH. Gross 
(Astorga) und T h e 1 e n (Balbazes). Es steht zu hoffen und zu er- 
warten, dass noch viele Wiederholungen folgen und Veranlassung zu 
einem weiter eingehenden Bericht geben. 



Aus Uffi ii cli en. 

Mtnit Ntrember. 

Die Aufführung der neueinstudirten Oper „Don Juan" war für 
die Münchener Musikfreunde ein Ereigniss. Die Intendanz hatte 
ihrer Pietät für das unsterbliche Meisterwerk dadurch Ausdruck ge- 
geben, dass sie die besten Kräfte, über welche unsere Oper gebietet, 
in's Treffen führte und neue , passende Scenerien malen Hess , die 
sich schon längst als nothwendig für das Verständniss der Handlung 
herausgestellt hatten, der Capellmeister aber dadurch, dass er eine 
zweckdienlichere, vorzüglich dem Leumund Ottavio's zu Hilfe kom- 
mende Reihenordnung der Arien arranghte, einzelne bisher unter- 
drückte Nummern aufnahm, und endlich dass er die alten Recitative 
wieder vorsuchte, welche die einzelnen Musikpiecen wirksamer und 
abgerundeter verbindet. Ueber der ganzen Vorstellung schwebte der 
Hauch des Feiertäglichen , des Ausserordentlichen : Orchester wie 
Sänger waren von ihrer Aufgabe begeistert, und diese Begeisterung 
trat fühlbar in der Aufführung hervor. 

Die Titelpartie lag in den Händen des Hrn. Kindermann. 
Seine Stimme und sein Temperament bevorzugen ihn von allen 
Baritonisten Deutschlands zu der Partie ; der frische Wohlklang und 
die sympathische Fülle seines Organs können sich keinen besseren 
Tummelplatz denken als der Don Jnan. Ein grosser Fehler jedoch 
ist es, dass er nur die ritterlich-galante Seite des Characters darzu- 
stellen weiss. In dem Don Juan ist mehr, viel mehr gezeichnet als 
der gewöhnliche Liebhaber im spanischen Costüm: der Dänionismus, 
der von ihm ausstrahlt und dem die Franen alle, die in seinen Bann 
kommen, unrettbar verfallen, fand in seiner Darstellung nirgends 
auch nur eine Andeutung. - Frl. M allinger, unsere schnell be- 
rühmt gewordene Kroatin, unternahm das kühne Wagniss, als zweite 
Partie, mit der sie vor das Publikum trat, die Donna Anna zu singen, 
und dem Kühnen hilft das GlQck: sie that es mit ausserordentlichem 
Erfolg. Allerdings verlangen die Recitative und die Rachearie mehr 



- 191 - 



'Leidenschaft und ein grösseres Stimmvolumen, als sie zeigte, aber 
«o detaillirt haben wir die Partie, so in sich fertig die Briefarie 
nie wieder gehört. — Eine ebenso werthvolle Leistung war die der 
Frau D i e z als Elvira. — Die übrigen Partien waren unter die 
HH. Vogel (Ottavio), Bausewein (Leporello) und Hartmann 
(Masetto) und das Frl. Thoma (Zerline) vertheilt, und sie hatten 
grossentheils ein Anrecht auf den Beifall, welcher diesen Abend fast 
immerwährend lebendig blieb. 

Die ersten Blüthen unseres winterlichen Musiklebens haben sich 
schon gezeigt. Das Concert der musikalischen Akademie am Aller- 
heiligentage führte Mendelssohn^ „Paulus" ror, ein Werk, dessen 
grösste Schönheiten in der Form liegen. Die Aufführung , der ein 
grosses Publikum beiwohnte, wurde oft durch den Beifall des Audi- 
toriums unterbrochen; besonders erfreute sich Hr. Vogel (Tenor) 
<ler allgemeinen Aufmerksamkeit: er sang aber auch seine Partie 
mit schöner, wohlgeschulter Stimme und mit delicatem, an Nuancen 
reichem Vortrag. 

Im ersten Abonnement -Concert der musikalischen Akademie 
wurde Beethoven'*, siebente Sinfonie (Op. 92, A-dur), die populärste 
«einer grossen Schöpfungen, vorgetragen. Wer einen Beweis von der 
Vortrefflicbkeit des Münchener Orchesters haben will, der höre sich 
einmal an, wie dasselbe z. B. den ersten Theil des zweiten Satzes 
dieser Sinfonie spielt: Eine Seele, Ein Gedanke beherrscht alle In- 
strumente , und jede Nuance des Crescendo wird mit einer über- 
einstimmenden Genauigkeit gebracht, die wie eine mathematische 
Progression hervortritt. Oder man höre den letzten Satz, wie dort 
•die Tonmassen allmählig zur höchsten Kraftentwicklung vordrängen 
l>is sie titanenhaft einherschreiten, gewaltig und unbezwingbar, und 
»ich nur von Ihresgleichen verdrängen lassen. Um aber zu solcher 
Virtuosität, die sich nur mehr um das „Wie" des Vortrags zu küm- 
mern braucht, zu gelangen, müssen derartige Tonwerke wohl oft ge- 
spielt werden, und es gereicht den neueren Compositionen keineswegs 
«um Vortheil, dass sie meist nur einmal vorgetragen und dann bei Seite 
gelegt werden. — Eine Novität, „Nachklänge von Ossian," Ouver- 
türe von Niels W. Gade gefiel. Sie ist ein empfindungs- und poesie- 
volles, characteristisches Tonstück, in welchem Gade wieder ganz 
als der scandinavische Mendelssohn erscheint. — Hr. Venzl, wenn 
wir nicht irren, ehemaliger Schüler Lauterbach's und jetzt Mitglied 
des Hoforchesters, spielte Spohr's Gesangsscene für Violine recht 
sauber, correct und geschmackvoll. — Der letzte Satz (AUa Turca) 
aus der A-dur-Sonate mit den Variationen von Mozart, von Paskai 
recht geschickt instrumentirt, fand keinen rechten Anklang. Man 
liebt hier dergleichen musikalische Manöver nicht, und in der That 
hören wir das characteristische Tonstück auch lieber auf dem Cia- 
vier als unter dem Heidenspectakel heraus, den das volle Orchester 
macht. — Frl. Ritter, die junge AltiBtin unserer Hofoper, eine 
Schülerin der Falconi, vertrat den vocalen Theil des Concertes; sie 
«ang eine oft gehörte Arie aus der Oper „Mitrane" von Rossi, „Das 
Mädchen und der Tod" von Schubert und „Die Bäume grünen überall" 
von Marschner; ihre schöne Stimme und der geschmackvolle Vortrag 
gewannen ihr überreichen Beifall. 

Das Programm dieses Concertes führte auffallender Weise fast 
lauter Compositionen in A auf. (Vielleicht bringt das zweite lauter 
Compositionen in ß?) (Schluss folgt.) 



m» 



Bl\\% Regensburg. 

Anfang November. 

rß Figaro 's Hochzeit" von Mozart , dieses noch nicht erreichte, 
vielleicht unerreichbare Muster einer komischen Oper, ist für jede 
Bühne eine schwere Aufgabe, und es gehören bedeutende Kräfte 
dazu, um der Aufführung derselben den Stempel der Vollkommenheit 
aufzudrücken. Wenn nun gegenüber eiuer solchen, vom Recensenten 
unlängst in München gehörten Mustervorstellung die kürzlich hier statt- 
gehabte Aufführung einen im Allgemeinen ganz günstigen Eindruck 
su machen vermochte, so ist damit ein Verdienst der Aufführenden 
eonstatirt, welches in der noch jungen Chronik der dermaligen 
Direction Schi in ang von Werth sein dürfte; ja, wir schätzen dies 
Verdienst um so höher , mit je grösserer Geistesgegenwart und mu- 
sikalischem Geschicke zwei durch so leicht mögliche Gedächtniss- 
fehler hervorgebrachte gefahrvolle Momente, und zwar gewiss für 
die Meisten unbemerkbar, beseitigt wurde«. Dies Lob trifft Tor 



Allem den tüchtigen Capellmeister Rietz und das gut geschulter 
Orchester, wir ehren aber auch die Discretion und Fassung derer, die 
sich sogleich zu corrigiren verstanden. Wir erinnern uns dabei einer 
Anecdote, welche zwischen Mozart und der jungen Schikaneder 
vorfiel. Letztere hatte in einem der Knaben-Terzette in der „Zauber- 
flöte" sich verpausirt , erfasste aber gleich wieder so richtig ihre 
Partie, dass Mozart ihr zurief: „Brav Nannerl, aus Dir kann noch 
was werden!"*) Gerade die Art, wie die besagten Klippen um- 
schifft wurden, haben unser Vertrauen auf fernere tüchtige Opern- 
vorstellungen erhöht. Ausser diesen eben berührten Schwankungen 
können wir die Ensembles alle als sehr gelungen bezeichnen, zumal 
deren Schwierigkeit durch die hie und da zu rasch gegriffenen 
Tempi, namentlich im 2. Finale nicht wenig erschwert war. — Da« 
Orchester war im Ganzen vorzüglich und bewährte sich bei den be- 
sagten kritischen Stellen. — Wir wenden uns nun zu den Solosängern, 
nachdem wir noch dem Chor , so unbedeutend er beschäftigt ist, 
dennoch auch sein ihm gebührendes Lob gespendet haben. 

Hr. Massen (Graf Almaviva) hat uns namentlich im Gesang 
vollständig befriedigt, und wir freuen uns, die früher bemerkbare 
polternde Aussprache, namentlich des R, vermisst zu haben. Noch 
ein wenig mehr adeligen und doch leichten Anstand, und wir möch- 
ten seine Repräsentation des Almaviva eine mustergiltige nennen. 

Hr. Hayek gab den Figaro im Ganzen in gelungener Weise, 
nur finden wir in Stimme, Gesang und Spiel etwas Trockenes, Leb- 
loses, was auf den Zuhörer sich überträgt, und dass dies wirklich 
der Fall war, und Hrn. Hayek's Leistung nicht zündend wirkte, mag 
derselbe aus dem Mangel an Applause entnehmen. Nichtsdestowe- 
niger haben wir vieles in seiner Auffassung sehr gut und von eif- 
rigem Studium zeugend gefunden. 

Die Gräfin der Frl. Kays er leidet zum Theil an ähnlichen 
Gebrechen wie der Figaro des Hrn. Hayek. Frl. Kayser findet 
Schwierigkeiten, in ihr Singen das zu legen, was sie, wie wir glau- 
ben , wirklich empfindet. Sie hat ihre beiden Arien sehr gut ge- 
sungen, aber der correcte Vortrag wird, wir möchten sagen durch 
das stossweise Ansingen des Tones , wodurch immer ein gewisser 
tonloser Zwischenraum zwischen dem Ansätze und der Entwicklung 
des Tones entsteht, sehr beeinträchtigt. Ob diese Tonbildung Ma- 
nier oder Erzeugaiss der Angst ist, lassen wir vorerst unentschieden j 
es mag Beides zusammenwirken , aber jedenfalls möge die junge 
Künstlerin Erstere corrigiren und Letztere überwinden, und sie wird 
zu immer besseren Erfolgen gelangen. Wir danken Frl. Kayser für 
das , was sie geleistet , da sie es nach besten Kräften gethan , und 
namentlich freuen wir uns der Pietät, mit welcher sie der Compo- 
situm getreu blieb; mehr Schwung und Freiheit, namentlich im 
Vortrage des Recitativs , wird sich bei längerem Singen auf der 
Bühne von selbst finden, das Uebrige wird der Fleiss, welchen die 
junge Dame ihrer technischen Ausbildung zuwenden wird, erringen. 
Des Schreib - Duetts mit Susanne müssen wir noch erwähnen ; wir 
wünschten dasselbe weniger sentimental vorgetragen, und zwar von 
beiden Damen; denn wenn auch die Herzen sowohl der Gräfin als 
Susanuens bewegt sind, so muss doch auch der List und Schelmerei» 
welche in dem Zwecke der Abfassung und der Absendung dieses 
Billets liegt, Rechnung getragen werden. 

Gegen den Pagen der Frl. Steiner können wir auch die Be- 
merkung wegen zu grosser Sentimentalität nicht unterdrücken. Sen- 
timental ist der junge Mensch , aber ebenso keck und leichtsinnig ; 
die zweitgenannten Eigenschaften des Pagen Hess Frl. Steiner gaos 
ausser Berechnung. Dass Frl. Steiner und Frau Brenner das rei- 
zende Flüster - Duett vor dem Sprunge des Pagen aus dem Fenster 
wegliessen, verdenken wir Beiden; denn es gibt nur drei Ursachen 
dafür, welche aber Alle gleich zu bedauern wären: 1. dass sie das 
Reizvolle dieses Duettioo's nicht erkennen und verstehen, — 2. dass 
es ihnen zu schwer, oder — 8. dass es ihnen zu wenig den Applaus 
hervorrufend dünkt, und dass sie sich desshalb damit nicht plagen 
und damit trösten mögen , dass der Missbrauch , dies Duett wegzu- 
lassen, an vielen Bühnen einheimisch geworden ist. Wir hoffen, bei 



*) Sie wurde auch eine bedeutende Sängerin, aber, wie gar oft ein 
glänzendes Künstlerleben in Armuth und Noth endet, lebte sie 
lange als Mm e. Eikof hier in tiefem Elende, bis König Max IL 
von ihr hörte und, von inrem Schicksal gerührt, im Andenken 
an Mozart ihr eine Pension von 200 fl. aussetzte, deren Genuas 
ihr Leben bis ans Ende ihrer irdischen Laufbahn versüsate. 



— 192 



«iner Wiederholung der Oper eine glänzende Widerlegung des obigen 
Verdachtes zu erfahren. 

Ueber Frau Brenner als Susanne haben wir nnr sehr wenig 
zu sagen, denn sie löste ihre Aufgabe in höchst erfrenlioher Weise, 
ja sie sang die Arie im 4. Acte entzückend schön — bis auf eine- 
Cadenz , die , ganz den Absichten Mozart's widerstreitend , überdies 
einen Gemeinplatz an die Stelle der einfachen Melodie Mozart's 
setzte, welcher uns selbst an einem Machwerk aus der neuesten ita- 
lienischen Schule zu abgebraucht erschiene. Eine solche Verletzung 
cLer Pietät gegen Mozart hätten wir dieser tüchtigen Künstlerin nicht 
zugetraut; wir halten es aueh in der Tbat für einen Fehler an guter 
musikalischer Sitte und eine Sünde am guten Geschmack, Aende- 
rungen an Compositionen wie Figaro anzubringen, an denen jede 
Kote gerade so und nicht anders sein darf, um die Tolle Intention 
des unvergleichlichen Meisters zu erfüllen. 

Marzeline und Bartolo (Frau r t h und Hr. E n s 1 i n) haben 
ihren Antheil am Gelingen des Ganzen beigetragen. Basilio verfiel 
aber in Uebertreibung sowohl in Erscheinung als in Gesang und 
Spiel , und darin mag die Ursache des einen der oben erwähnten 
kritischen Momente gelegen sein. Basilio möge seine ohnehin helle 
und ausgiebige Stimme überhaupt nicht durch Foreiren bis zum un- 
angenehmen Klange steigern. 

Eiu Wort noch über Bärbehens Lied „Unglücksei g*e kleine 
Nadel". Bei richtiger Auffassung der Situation wird man dem Lied« 
chen seine Bedeutung einräumen und namentlich finddn, dass Bärb- 
chens Lied durch Figaro's Erscheinen unterbrochen wird, desshalb 
hat das Lied auch keinen eigentlichen Schluss. Figaro muss gerade 
mit der letzten Kote, die Bärbchen zu singen hat, eintreten und sie 
dadurch so erschrecken, dass ihr der Rest ihres Selbstgesprächs so- 
zusagen im Munde stecken bleibt. Die Soubrette der vorigen Di« 
rection, Frl. Paul mann, brachte diese Ariette zu solcher Geltung, 
dass sie lebhaft applaudirt wurde. Diesmal ging diese Seene spur- 
los vorüber! Warum? h» 



TV a c li r I e h t e n. 



M&inz. Am 16. November gab die Liedertafel in Verbindung 
mit dem Damengesangvereine unter Mitwirkung der Frl. Heotz 
und des Hrn. F i s ch e r - A oh t e n vom hiesigen Stadttheater sowie des 
Theaterorchesters und unter der Leitung des Hrn. Fried r. Lux 
im Theater das herkömmliche Concert zum Besten der Armen, und 
zwar hatte man das Oratorium „Paulus" von Mendelssohn zur Auf- 
führung gewählt. Leider waren wir am Tage des Goncertes von 
hier abwesend und konnten diesem daher nicht beiwohnen, doch 
wurde uns von sachverständiger und unparteiischer Seite mitgetheilt, 
dass die Aufführung im grossen Ganzen eine recht gelungene , von 
sorgfältiger Vorbereitung und lobenswerthent Eifer aller Mitwirken- 
den zeugende und von dem äusserst zahlreichen Publikum mit reger 
Theilnahme uud vielfachem , lebhaftem Beifall aufgenommene war» 
Namentlich herrscht über Sicherheit, Reinheit uud schön nüaocirten 
Vortrag der Chöre nur eine Stimme , die der allgemeinsten Be- 
friedigung. Was die Soli betrifft, so wird Frl. Heutz, die als dra- 
matische Sängerin bereits der Liebling des ganzen Theaterpublikums 
geworden ist, auch bei dieser Gelegenheit in Bezug auf Stimme, 
Auffassung und Vortragsweise besonders lobend hervorgehoben, wäh- 
rend auch die Leistung des Hrn. Fischer - Achten , der die Tenor- 
partie übernommen hatte, mit vielem Beifall aufgenommen wurde* 
Die übrigen Soli waren in den Händen von bewährten Vereinsmit- 
gliedern , welche schon manche Lorbeeren in den Concerten der 
beiden Vereine sich errungen haben. Was die kleineren Soli be- 
trifft, so wurde uns der Wunsch ausgesprochen, es möchte in Be- 
setzung derselben möglichst viele Abwechslung stattfinden, um auf 
diese Weise stimmbegabte und talentvolle Sänger und Sängerinnen 
aus der Chormasse herauszufinden und zu weiterem Streben zu er- 
mutbigen. — Das Orchester löste seine schwierige Aufgabe trotz der 
wenigen Proben recht wacker, uud Hr. Lux führte den Dirigenten* 
stab, wie immer, mit energischer und sicherer Hand. E. F. 

*** Die „Independance beige" berichtet von einem Virtuosen, 
einzig in seiner Art. Es ist nämlich in Brüssel ein Hr. Zoni an- 
gekommen, der es durch eine eigentümliche Naturgabe und unend- 
lichen FleiBS dahingebracht hat, mit seinem Stimmorgan ein ganzes 



Orchester herzustellen. Nicht nnr ahmt Zoni jedes Instrument mit 
einer wunderbaren Treue nach , sondern er vermag auch mehrere- 
zugleich hören zu lassen und zwar dies Alles ohne ein anderes Hülfe- 
mittel als die Elasticität seines Kehlkopfs. Besonders merkwürdige 
ist es, ihn eine Spieldose nachahmen zu hören; die Täuschung ist 
eine vollständige, die Töne mit einem metallischen Klange rollen 
in brillanten Läufen auf- und abwärts , Bich durchkreuzend", wie> 
Perlen dahin und bringen vollständig die Wirkung des Instrumentes* 
hervor. Zoni ist übrigens auch ein ganz tüchtiger Musiker und hat 
sich für seine Specialität verschiedene Stücke und Opern-Ouvertüren 
recht geschickt arrangirt. Ueberall wo er sich hören liess, hat er 
das grösste Erstaunen erregt. 

*** Der „Almanac de la musique" für 1867 ist bei Ikelm er 
& Co. in Brüssel erschienen. Derselbe enthält unter anderen inte- 
ressanten Gaben auch zwei bisher noch nicht veröffentlichte Frag- 
mente von Rameau und Mozart und eine Uebersicht der hervor- 
ragendsten Erscheinungen auf musikalischem Gebiete in den verschie- 
denen Ländern während des verflossenen Jahres. 

*** In Copenhagen wurde dem Componisten Weise ein etwas* 
verspätetes Monument auf dem abgesperrten Platze bei der Univer- 
sität errichtet. Chr. Ernst Friedr. Weyse war keine Däne (er ist 
1774 in Altona geboren und 1842 in Copenhagen gestorben), aber 
er hat seit seiner Kindheit in Copenhagen gelebt. 

*** Das Pergola-Theater in Florenz hatte einen Concors für 
Opern-Compositionen eröffnet. In Folge dessen liefen 22 Partituren 
ein, unter welchen blos zwei der Beachtung und Aufführung werth* 
befunden wurden. Die Verfasser siud die HH. F a d e u c c i und? 
G i a 1 d i n i. 

*** Der Violinvirtuose Wilhelmj spielte am 1. November in 
Manchester mit grossem Success in Halle's zweitem grossen Concert 
das Militär-Concert von Lipinsky und die Reverie von Vieuxtemps* 

*** Frl. von Murska verlangt von nun an bei Erneuerung- 
ihres Contracts am Hofoperntheater in Wien 18,000 fl. Gehalt, mehr- 
monatlichen Urlaub und vollkommene Steuerfreiheit. Ob sie bei 
diesen bescheidenen Anforderungen sich auch verpflichten will,, 
manchmal zu singen, wird nicht gesagt. 

*** Professor Leonard soll nun doch das Brüsseler Conser- 
vatorium verlassen und sich in Paris niederlassen. Belgien verliert 
mit ihm seinen besten Geiger. 

*** Die so schnell berühmt gewordene junge Claviervirtuosin« 
Frl. Mary Krebs ist von London, wo sie, der erklärte Liebling 
des Publikums, in 78 Concerten gespielt hat, nach Dresden zurück- 
gekehrt. Sie wird Ende November nach Wien gehen, um dort zu 
concertiren. 

%* Abert's „Astorga* ist in Leipzig auch bei der zweiten 
Aufführung mit grossem Beifall aufgenommen worden. 

%* In Sondershausen soll an Marpurg's Stelle Dumont,. 
jetzt in Leipzig lebend, früher Capelimeist er in Mainz, inVorschlag sein» 

*** Der R ü h 1 'sehe Verein in Frankfurt a. M. wird dort zum 
ersten Male Schumann's »Paradies und Peri, 8 sowie einen Psalm von* 
Vierling zur Aufführung bringen. 

%* Album für 1867 von Anton Wallerstein (Verlag 
von B. Schott's Söhnen in Mainz). Der SO. Jahrgang dieses stets 
gern gesehenen Werkchens bringt ganz vorzüglich hübsche Melodien. 
Wir dürfen namentlich die Künstler - Polka , die Margarethen - Polo- 
naise und die Liebesklänge als besonders originell und gelungen 
bezeichnen. Bei der weiten Verbreitung, welcher sich schon seit ge- 
raumer Zeit die Wallerstein'schen Tanzcompositionen erfreuen, wird? 
aucn diese neue Gabe eine sehr willkommene sein. Auch dieser 
Jahrgang ist wieder ebenso glänzend und gesahmackvoll ausgestattet. 
worden wie die früheren. 



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(Stelle - Gesuch. 

Ein Musikdirector sucht eine Stelle als Dirigent 
eines grösseren Gesang -Vereins. Gefällige Offerten bittet, 
man an die Verlagshandlung d. Bl. einzusenden. 

Verantw. Red* Ed. Föckerer, Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



15. Jahrgang. 



JN* 49. 



3. Dezember 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 



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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PKEIS: 

In. 2. 42 kr. od.Th. 1. 18 Sg 

für den Jahrgang. 
( Durch die Post bezogen : 
' 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 
5^/V— — — — -— .-~ /v-k 



INHALT: Zwei Pastoral-Sinfonien. — Correspondenzen : München. Stuttgart. Paris. — Nachrichten. 



Zwei Pasi oral - Sinfonien. 



(S c h 1 u s s.) 

An und für sich betrachtet ist die Sinfonie von Knecht nicht 
ohne Verdienst; die Thema's sind von Bedeutung, aber leider fehlt 
es ihr an Episoden und ihr Hauptfehler ist Monotonie. Wenn auf 
die ersten 68 Tacte des ersten Satzes einer jener unerwarteten 
Gedanken käme, welche die musikalische Erregung hervorbringen, 
so würde dieser Theil des Werkes das Lob eines jeden Kenners 
verdienen. Es herrscht in demselben wirklich das ausgeprägte Ge- 
fühl des Eindrucks , welchen der Anblick der Gefilde bei schönem 
Wetter und ferne von der Stadt hervorbringt, denn der Reiz liegt 
hauptsächlich in der Einsamkeit. Da bringt nun der erwähnte 
Mangel an überraschender Abwechslung in diesem Theile des Por- 
trait de la nalure, während doch die Natur selbst in ihren Bildern 
soviel Abwechslung bietet, zuletzt Langeweile hervor. Wohl befindet 
sich in der Mitte des ersten Stückes ein andante pasforale und 
an einer anderen Stelle eine Villanelle gracieuse\ die Motive sind 
nicht gewöhnlich, aber es geht Alles in einem Tone fort. Ueberdies 
beruht das ganze Interesse der Knecht'schen Sinfonie auf dem Streich- 
quartett, und die Blasinstrumente gehen nur begleitend mit. Der 
Componist wusste sich derselben nicht zu bedienen, um sein Gemälde 
mit den Gegensätzen der Klangfarben zu coloriien. 

Mit der köstlichen „Sceue am Ufer des Baches" , in welcher 
Beethoven's Genie sich zur höchsten Höhe erhebt , kann , wie man 
sich wohl denken mag, nichts in der Knecht'schen Sinfonie ver- 
glichen werden ; allein in seinem Gewitter findet sich eine Eigen- 
tümlichkeit, welche wegen ihrer Aehnlichkeit mit der betreffenden 
Stelle in Beethoven's Werk Beachtung verdient; sie besteht in einem 
Gange der ersten Violinen, welche sich in abgestossenen Noten von der 
E-Saite nach der 4. Saite bewegen, indem sie alle Töne der Accorde 
mit der höchsten Kraft des Sturmes durchlaufen ; da haben wir denn 
denselben Effect , denselben Gang , welche in dem Gewitter der 
Pastoral-Sinfonie von Beethoven den Zuhörer so mächtig ergreifen, 
sowie auch die abwärts laufenden chromatischen Tonleitern, die sich 
ebenfalls in dem Werke von Knecht vorfinden. 

Noch in einer andern Beziehung verdient der Autor des Por- 
trait musical etc. unser Lob und einen Platz in der Geschichte der 
Musik ; ich spreche nämlich von seinen Neuerungen in den Ausdrucks- 
nüancen. Man kennt Haydn's Nüchternheit in der Anwendung von 
Nuancen ; er brachte sie immer zweckmässig an , nahm Rücksicht 
auf den einfacheren und grossartigeren Character des Gedankens, 
allein er wendete sie nicht häufig an, weil er sich mehr an die In- 
telligenz und das richtige Gefühl wendete als auf tieferen Eindruck 
hinarbeitete. Der leidenschaftlichere Mozart machte schon einen 
ausgedehnteren Gebrauch von den Nuancen der Tonstücke, welche 
unentbehrlich für den Ausdruck der Leidenschaft sind. Knecht, wenn 
man ihn mit diesen Meistern vergleichen darf, konnte gemäss seiner 
Wahl eines descriptiven Sujets die Farben seines Gemäldes nur in 
den Nuancen der Tonstücke finden ; er begriff dies, und darin besteht 



sein Verdienst. Ich will mich hier nicht weiter auslassen über die 
falsche Tendenz, welche der Musik durch ihre Anwendung für das 
Malerische und Beschreibende aufgedrängt wird ; ich will nur con- 
statiren , dass , nachdem einmal diese Bedingungen gegeben waren, 
Knecht der Vorgänger Beethoven's war in der Entdeckung jener 
unvorhergesehenen Accente, welche das Nervensystem beim Anhören 
der Musik erregen. Ich war auch bei Durchlesung der Knecht'schen 
Sinfonie erstaunt , in derselben alle jene Effectmittel durch die 
Nuancen zu finden, deren sich auch der grosse Siufonist bedient, um 
seinen Gedanken Farbe'zu verleihen, und zwar dieselben dort ebenso 
vielfältig zu finden. Die fortwährenden Gegensätze von piano und 
forte , oder von forte und piano, das crescendo und decrescendo 
und jene so ergreifende Wirkung des unmittelbar auf ein crescendo 
oder auf ein absolutes forte folgenden pianissimo , alles dies finde 
ich dort immer mit Einsicht angewendet. 

Es ist um so sonderbarer, bei einem obscuren Musiker, der nie 
aus dem engen Kreise eines kleinen Landes und eines Städtchens 
von 4000 Einwohnern herauskam , dieses feine Verständniss der 
Nuancen und des Effects zu finden, als ihn sein Instinct für den 
Effect bei der Anordnung seines Werkes gänzlich im Stiche Hess» 
denn wenn er auch die Notwendigkeit jenes Lobgesangs der Natur 
bei der Rückkehr des Lichtes nach dem Gewitter, jener so feier- 
lichen , prächtigen Hymne , welche die Pastoralsinfonie abschliesst, 
wohl begriff, so hatte er doch die sonderbare Idee, auf dieselbe ein 
langsames Tempo folgen zu lassen , mit kleinlichen Phrasen , und 
das Ganze piano, d. h. in der kläglichsten Art, die man sich denken 
kann, zu schliessen. 

Ungeachtet ihrer bedeutenden Fehler aber halte ich die Sinfonie 
von Knecht für zu interessant, als dass nicht die Geschichte der 
Musik die Erinnerung an dieselbe bewahren sollte. Was ich darüber 
gesagt habe, beweist, dass dieser Künstler ein zartes und auserlesenes 
Gefühl besass, welches sich vielleicht zum Genie ausgebildet hätte, 
wenn derselbe auf einem grösseren Schauplatze gewirkt hätte. Der 
Eiufluss der Umgebung, in der man lebt, ist ausserordentlich. In 
einer grossen Stadt, im Mittelpunkt der Intelligenz und im Umgangu 
mit ausgezeichneten Menschen jeder Art erweitert sich der geistige 
Horizont. Aber in einer kleinen Stadt! Man muss in einer solchen 
gelebt haben, um zu wissen, wie man dort beständig mit dem Gifte 
der Kleinlichkeit getränkt wird. Nur hervorragende Naturen werden 
demselben vielleicht nicht unterliegen, und darum ist es schwer au 
beweisen, ob solche vorhanden sind." 



CORRESPONDENZEN. 



Ans Hfioelien. 

Monat November. 
(S C h 1 u 8 s.) 

Das Hoftheater brachte jüngst Calderon's »wundertätigen 
Magus" zur Aufführung, wozu Rheinberger, dem Auftrage der 



- 194 - 



Intendanz nachkommend, die Masik schrieb. Er componirte Ouver- 
türe, vier Zwischenacte and vielleicht fünf oder sechs melodramati- 
sche Piecen ; überall bewährte er sich als den geistreichen, noblen, 
feinfühlenden, originellen Componisten, wie wir ihn schon lange 
kennen. Vorzüglich gelang ihm seine Aufgabe, wenn es galt, die 
lyrischen Situationen musikalisch zu illustriren ; der erste und dritte 
Zwischenact, sowie einzelne melodramatische Nummern sind werth- 
volle Galten eines schönen Talentes. — Die Compositionen fanden 
lebhafte Anerkennung , und der beliebte Componist wurde am 
Btfhluese gerufen. 

Die nächsten Concerte der musikalischen Akademie bringen an 
Novitäten: Rheinberger's „WallenStein-Sinfonie", Sinfonie in D-dur 
von Mozart, Ouvertüre zu „Fierabras" von Schubert und einen 
Psalm für Männerstimmen und Orchester von Fr. Wüllner. Ausser- 
dem noch: Sinfonie in C-dur von Beethoven, „Feuer- und Wasser- 
musik* von Händel, Ouvertüre Nr. 2 zu „Leonore" von Beethoven, 
Ouvertüre zu „Manfred" von Schumann, Finale des ersten Actes aus 
„Cosi fan tutte" von Mozart und Finale des ersten Actes aus der 
„Euryanthe" von C. M. v. Weber. 

Das berühmte Walte r'sche Quartett veranstaltet auch in dieser 
Saison wieder drei Soireen im grossen Museumssaale. — Unser 
erster Violinist Walter concertirte jüngst in Bremen und Hildburg- 
hausen mit grossem Erfolg. — Der Harfenist Vitzthum, der Sohn 
unseres ersten Hoboespielers, ein äusserst talentvoller junger Künst- 
ler und Schüler T o m b o's, concertirte auf eine Einladung hin dieser 
Tage in Wien und gewann sich durch sein treffliches Spiel allge- 
meinsten Beifall. 

Am 11. d. M. sah das Hoftheater einen Blumenregen, wie wir 
ihn noch nie erlebt haben. Frl. Stehle betrat, nachdem sie seit 
etwa vier Monaten durch eine gefährliche Krankheit ihrem künstle- 
rischen Wirkungskreise entzogen war, wieder die Bühne und wurde 
von dem Münchener Theaterpublikum , dessen ausgesprochenster 
Liebling sie ist, ungemein freundlich empfangen und mit Blumen 
überschüttet. 

Davon, dass der ehemalige hannoversche Tntendant Graf P 1 a t e n 
in München eine gleiche Verwendung finden soll, weiss man hier 
nicht das Geringste. Im Gegentheil erhielt erst vor einigen Tagen 
der Intendanzrath Schmitt dahier die angenehme Nachricht, dass 
der König seinen Gehalt ' um 1000 fl. aufgebessert habe. Das ist 
wenigstens kein Zeichen davon, dass man mit seinen Dienstleistungen 
nicht zufrieden sei., Z 

Aus Stuttgart. 

Monat November. 

Die Eröffnung unserer Abonnementconcerte geschah am 6. No- 
vember mit Lindpaintner's bedeutend anhebender , später aber in 
den gewöhnlichen Theaterstyl verlaufender Ouvertüre zum „Fausf- 
Drama, womit der Ehrenpflicht gegen den Stifter dieser Concerte 
auch für die heurige Saison genügt zu sein seheint. Ein von 0. M. 
Goltermann meisterhaft bewältigtes neues Violoncellconcert von 
F o p p e r erregte Interesse durch seltsame Form, kecke Harmonik, 
originelle Ideen und farbenreiche Instrumentirung, wodurch sich zu- 
mal der langsame Satz auszeichnete ; dagegen schadet die Zerrissen- 
heit des Finale dem Erfolge der Gomposition und des Spielers nicht 
unmerklich. Mozart's Concertarie mit obligater Violine wurde uns 
diesmal durch Frau Marlow und C. M. Singer vorgeführt. Die 
HH. Schüttky und Bertram sangen das stets wirksame Buffo- 
duett aus Cimarosa's „heimlicher Ehe". Mendelssohn^ Hebriden- 
Ouvertüre und Beethoven's A-dur- Sinfonie wären fast tadellos aus- 
gefallen, wenn nicht die Trompete einiges Unglück gehabt hätte. 

Der ungünstigen Akustik des Königsbau-Saales hatte man durch 
eine Rückwand nachgeholfen, soweit es eben thunlich war; befrie- 
digend ist in diesem Saale nur die Klangwirkung des Blechs, wie 
man sich in dem Concerte unseres Hornkünstlers Fohmann über- 
zeugen konnte. Es Hess sich kein angenehmerer Ohrenschmaus 
denken als die einfachen Lieder von Mendelssohn, Schubert und 
Kücken, deren Wahl für dieses Instrument mit seinem echt deut- 
schen, treuherzigen und träumerischen Klangcharacter als ein höchst 
glücklicher Griff bezeichnet werden muss, und die Hr. Fohmann mit 
einer Innigkeit, stellenweise mit eiuem mezza voce vorträgt, wie es 
wenige Sänger vermögen. Seinen mächtigen Triller und sonstigen 



Reichthum an seltener Technik zeigte er in den Lortzing'schen Va- 
riationen, deren Werthlosigkeit freilich nur durch die virtuoseste» 
Ausführung verdeckt wird. — Unterstützt wurde das Concert durch 
treffliche Vorträge der Damen Marlow und Panocha, sowie 
mehrerer Herren Hofmusiker, unter deren Mitwirkung drei Sätze des 
Spohr'schen Nonetts zu Gehör kamen; leider blieb das Finale w«g, 
wodurch das so zierlich und kunstreich gearbeitete Werk nicht zu 
seiner vollen Wirkung gelangte. Auch ein hübsches Flötensolo, 
componirt von Fr. Doppler, Vorgetragen von Hrn. C. Krüger, 
mit Begleitung von 4 Hörnern , ist lobend zu erwähnen. Es ist 
„Wald vöglein" betitelt; der musikalische Schwerpunkt ruht in dem. 
— Hornquartett, während die Flötenstimme etwas etüdenhaft ge- 
halten ist. 

Als Opernnovität erschien bei uns Donizetti's „Favoritin," jene 
erste Probe des gallisirten italienischen Styles , der schon damals 
als das echte Volksthum durch Bellini seine letzten Schmerzens- 
seufzer h er überhauch te , das Bündniss mit Frankreich musikalisch 
anticipirte ; damals begannen die Italiener ihre Hauptstadt in Paris 
zu sehen, bis mit Verdi und Villafranca die Fülle der Zeiten 
hereinbrach. Dem zwar derberen, aber auch glänzenderen Verdi 
gegenüber haben Donizetti's Weisen für uns bereits etwas verblasstes, 
abgeschossenes, und es gehörte die ganze Bravour unserer Stimm- 
helden Sontheim und Schüttky, denen sich Frl. Ehnn rühm- 
lich anschloss, dazu, um die immerhin zahlreichen Glanzpunkte dieser 
Oper zur Geltung zu bringen; dahin rechnen wir die grosse Arie 
der Leonore und die Cavatinen Alfonso's und Fernando's. Dagegen 
ist die Balletmusik, überhaupt die Achillesferse der Italiener, gar 
zu mager und characterlos ; die hiesige Ausstattung und Scenerie ist 
sorgfältig und glänzend. Die Oper kann sich , besonders für die 
Sonntage, immerhin halten. 

Letzten Sonntag, den 18. d. M., sangen wir unserem braven 
Rauscher das Grablied, welcher am 16. d. einem Gehirnleiden 
erlegen war. Dieser Künstler glänzte einst unter den deutschen 
Tenoristen als "einer der ersten und war eine Zierde der Bühnen 
Wien's, Hannovers und Stuttgarts. Auch als Lehrer erwarb er sich 
hier, zuerst an der kgl. Gesangschule und später zugleich am Con- 
servatorium, die grössten Verdienste; unter seinen zahlreichen Zög- 
lingen nennen wir hier nur die Frl. Bauer, Reiser (in Mannheim), 
J a i d e (in Darmstadt), D e i n e t (in München), Hr. D e g e 1 e (in 
Dresden) tu s. w. Leider wurden dem Verewigten , auch zuletzt 
während seiner körperlichen Leiden , nicht von jeder Seite gewisse 
Kränkungen erspart, wodurch dasselbe möglicherweise verschlimmert 
wurde. Ja noch an seinem Grabe , das alle edlen Künstler und 
Kunstfreunde um sich versammelte und an welchem Prof. Dr. Faisst 
die wärmsten und herzlichsten Worte sprach, fehlte so Mancher, der 
nichts dazu gethan hatte, dem greisen Collegen die letzten Tage zu 
versüssen. Für den als Lehrer schwer zu Ersetzenden war wenig- 
stens das hiesige Conservatorium so glücklich, in dem kgl. Kammer- 
sänger Schüttkjr für das Fach des dramatischen Gesanges einen 
ebenbürtigen Nachfolger zu gewinnen, dessen künstlerische und per- 
sönliche Eigenschaften die fernere Blüthe dieses Lehrzweiges ver- 
bürgen. T. 

Aus Paris. 

*•• November. 

„Mignon," die neueste Oper von Ambroise Thomas, hat den 
Erwartungen nicht entsprochen. Der Text, den die HH. Michel 
C a r r e und Jules Barbier nach „ Wilhelm Meister* bearbeitet 
haben, ist nichts weniger als gelungen. Die beiden Textverfertiger 
haben den herrlichen Göthe'schen Figuren sehr übel mitgespielt; be- 
sonders gilt dies von Philinen und der armen Mignon. Diese stirbt 
nicht, sondern heirathet im dritten Act acht spiessbürgerlich den 
Wilhelm Meister. Was die Musik betrifft, so fehlt es derselben durch- 
aus nicht an einzelnen melodischen Schönheiten, dem Ganzen aber 
fehlt der Schwung, die Inspiration, so dass man dem Werke keine 
lange Dauer auf dem Repertoire versprechen darf. 

Die italienische Oper hat die erste Vorstellung der „Sappko" 
wegen plötzlichen Unwohlseins derMme. Lagrua aufschieben müssen. 

Der „Freischütz" wird erst künftige Woche im Theätre lyrique 
über die Bretter gehen. Man erwartet die Aufführung dieses Werkes 
mit grosser Spannung. 



«5 - 



Der unermüdliche Offenbach hat wieder mehrere Opern com- 
poulrt, von denen eine, „La chambre rouge" nächstens im Varie'te'a- 
Theater zur Darstellung kommt; eine andere wird bald in den /Vi»* 
totste» Parisiennes aufgeführt werden. 

Das von dem Banquier B i s c h o f f s h e i m gegründete „ Athenäum* 
ist vorigen Mittwoch eröffnet worden. Der Saal war gedrängt voll. 
Die Soiree begann mit Meyerbeer's Schillermarsch, und es wurden 
hierauf Stücke von Mendelssohn , Bossini und Auber executirt. 
Joachim, der ein Concerto von Spohr spielte, wurde, wie es sich 
Ton selbst versteht, sehr bewundert. Das Athenäum ist nicht blos 
musikalischen, sondern auch literarischen Genüssen gewidmet. Mon- 
tags, Mittwochs und Freitags werden dort Concerte stattfinden, die 
übrigen Tage sind zu Vorträgen aller Art bestimmt. Pasdeloup 
Ist mit der Leitung des musikalischen Theils betraut. Der geschmack- 
voll eingerichtete Saal ist mit einerl vortrefflichen Orgel versehen. 
Das Athenäum wird sich hoffentlich einer dauernden Theilnahme 
von Seiten des Publikum erfreuen. 

Joachim hat gestern im Cirque Napoleon gespielt und einen 
unbeschreiblichen Enthusiasmus erregt. 



—ooo« 



N a c U r i c li t e n. 



Aus Darmstftdt wird vom 6. November geschrieben: Das erste 
Abonnementconcert der Grossb. Hofmusik hatte gestern die Räume 
des grossen Saales der vereinigten Gesellschaft sehr gefüllt und er- 
öffnete den diesjährigen Beigen der philharmonischen Concerte mit 
Beethoven's C-moll- Sinfonie ebenso würdig, wie der Musikverein 
oeulich seine Aufführungen mit Händel's »Messias" begonnen hatte. 
Beide grossartige Werke haben eine gewisse Aehnlichkeit: sie stehen 
jedes in seiner Art erhaben da und bezeichnen den Höhepunkt des 
geistigen Schaffens ; jenes auf dem Gebiet der Sinfonie und überhaupt 
der orchestralen Leistung, dieses in der glücklichen Mischung der 
«ernsten Vocal- und Instrumentalmusik: den Oratorien. Die Ausführung 
<der herrlichen Sinfonie von Seiten unserer braven Hofcapelle unter 
Hrn. N e s w a d b a's sicherer Leitung war fast in allen Stücken ganz 
vortrefflich: Feuer und Schwung im ersten Theile und in dem trium- 
phirenden Finale, Ausdruck wahrer Empfindung und feine Nüanci- 
rung in dem wunderschönen Andante kennzeichnen die gestrige Pro- 
duction. Mit gleicher Vortrefflichkeit wie die Sinfonie wurde der 
Hochzeitsmarsch aus dem „Sommernachtstraum" von F. Mendelssohn- 
Bartholdy, sowie die Ouvertüre zu „Struensee - von Meyerbeer aus- 
geführt; letztere unseres "Wissens zum ersten Male in den philhar- 
monischen Concerten. Sie ist , wie die meisten Meyerbeer'schen 
Ouvertüren, ein grosses Effectstück, kunstvoll gearbeitet und nament- 
lich brillant instrumentirt ; da sie aber arm an guten Gedanken isti 
reizt sie mehr für den Augenblick, ohne eine nachhaltige Wirkung 
hervorzubringen. — In Hrn. Lübeck, erstem Gellisten vom Frank- 
furter Stadttheater, lernten wir gestern einen neuen Künstler kennen« 
der sich gleichzeitig als Virtuos und Componist einführte. Der 
Erstere scheint uns über dem Letzteren stehen. Hr. Lübeck erwies 
«ich beim Vortrag eines Concertstücks von Servais für Cello als ein 
bedeutender Vrituos, der im Besitz eines grossen, seelenvollen Tons, 
eugleich eine hohe Entwicklung seiner Technik, besonders in den 
Doppelgriffen, Octavvorgängen etc. zeigte, welche Staunen erregte; 
dagegen schien uns das von ihm vorgetragene Werk eigener Com- 
position , welches immerhin recht hübsch gearbeitet und ganz dem 
Wesen des Instrumentes angepasst war, keinen grossen Kunstwerth 
beanspruchen zu können. Hr. Lübeck wurde mit verdientem Beifall 
aufgenommen. — Die schöne Tenor-Arie aus Weber's „Euryanthe B 
„Unter blühenden Mandelbäumen" wurde von Hrn. Nachbaur mit 
viel Gefühl und gutem Ausdruck vorgetragen. (Möchte uns doch 
bald einmal die schon lange von unserem Bepertoir geschwundene 
„Euryanthe" wieder gegeben werden 1) Noch hörten wir eine Eo- 
xnanze für Tenor und obligates Cello mit Orchesterbegleitung, die 
Komposition eines hiesigen talentvollen Dilettanten (Hrn. von S i d o- 
rowitch, Attache* bei der russischen Gesandtschaft hier), welche 
durchaus solid und edel gehalten, sehr wirkungsvoll instrumentirt 
*iud von Hrn. Nachbauer schön gesungen, die wärmste, allgemeine 
Anerkennung des Publikums faud. — Wie wir mit Interesse ver- 
nehmen, soll im nächsten philharmonischen Concert A b e r t's grosse 



sinfonische Dichtung „Columbus" vorgeführt werden, ein Werk, das 
in vielen grösseren Städten mit grossem Beifall aufgenommen ward. 
Hauchen. Den „Neuesten Nachrichten" wird von gut unter- 
richteter Seite mitgetheilt, dass die Intendanz keineswegs, wie be- 
richtet wurde, die Aufführung der „Afrikanerin" wieder verschoben 
hat, sondern dass mit allen verfügbaren Kräften daran gearbeitet 
wird, um die Oper den Münchenern bis zum Neujahrstage vorführen 
zu können. Die Ausstattung wird eine glänzende sein. Sieben grosse 
Decorationen werden neu geschaffen, von denen zwei vollständig, 
die anderen theilweise fertig sind. Auch das Schiff, dessen Her- 
stellung wegen der Grösse der Bühne grosse Schwierigkeiten bot, ist 
nahezu vollendet. Dass der Intendanz eine erbetene Subvention aus 
der Cabinetskasse zur Montirung der „Afrikanerin" verweigert wor- 
den sein soll, beruht vollständig auf Erfindung. Die Intendanz weiss 
recht gut, dass die Oper sich selbst abbezahlen wird und war daher 
gar nicht in der Lage, einen Zuschuss irgend welcher Art verlangen 
zu müssen. 

Cttln. Das am 20. Novbr. stattgehabte dritte Gesellschaftscon- 
cert brachte im ersten Theile die unvollendete Sinfonie Nr. 2 von 
Norbert Burgmüller, eine geistvolle, in hohem Grade interessante 
Compositum, eine Ouvertüre zu Shakespeare's „Sturm" von Benedict, 
welche das Publikum ziemlich kalt Hess , und das Adagio und 
Allegro des Violinconcerts in G-dur von L. Spohr, von Concert- 
meisterOtto v. Königslöw mit der ihm in hohem Grade eigenen 
Meisterschaft vorgetragen. Dazwischen sang Meister Stock hausen 
eine Coloraturarie aus der „diebischen Elster" von Bossini mit stau- 
nenswerter Virtuosität uud zwei Schumann'sche Lieder mit jener 
Gefühlstiefe und Wahrheit des Ausdrucks, kurz mit jenem künstleri- 
schen Verständnisse, wie es unter allen deutschen Sängern fast nur 
ihm allein in diesem Grade zu Gebote steht. Eine Frl. Hayne, 
eine junge Engländerin und Schülerin des hiesigen Conservatoriums, 
debütirte mit der B-dur-Arie aus Haydn's „Schöpfung," für welche 
jedoch ihre künstlerische Ausbildung noch nicht weit genug vorge- 
schritten erschien. Den zweiten Theil des Concertes füllte Mendels- 
sohn^ „Walpurgisnacht" aus, welche in abgerundeter Weise durch- 
geführt wurde und namentlich Hrn. Stockhausen wieder Gelegenheit 
bot, die glänzendsten Seiten seiner künstlerischen Individualität her- 
vorzuheben. Ferd. Hiller dirigirte. 

Düsseldorf. Im zweiten Concert des „Allgemeinen Musikvereins" 
kam unter Leitung des Mus. - Dir. Jul. Tausch das Oratorium 
„Judas Maccabäus" von Händel zur Aufführung. Die Solopartien 
wurden von Frl. Bothenb erger aus Cöln, Frl. Asmann aus 
Barmen, Hrn. Aug. B u f f aus Mainz, Hrn. Kammersängsr Koch 
aus Cöln und Hrn. Carl Othmer gesungen. Hr. Mus.-Dir. Weber 
aus Cöln hatte die Orgelpartie übernommen. Hr. Buff, Schüler des 
Hrn. Koch aus Cöln, debütirte in glänzender Weise als Maccabäus. 
Seine frische , sympatische , durch alle Begister schön egalisirte 
Stimme, seine treffliche Gesangstechnik und sein warmer, verständ- 
nissvoller Vortrag erwarben ihm die allgemeinsten Sympathien, und 
er sah sich mehrmals durch enthusiastischen Beifall geehrt. Die be- 
kannten Vorzüge der übrigen Solisten hatten sich ebenfalls wieder 
glänzend bewährt, und die Leistungen des Chors machten diesem 
und dem verdienstvollen Dirigenten alle Ehre. 

Wien. Die Gattin des k. k. Kammer- und Hofopernsängers 
Dr. Carl Schmid ist am 17. Novbr« nach langem schmerzlichem 
Krankenlager in der Blüthe ihrer Jahre gestorben. 

— Das Gastspiel der Frl. Orgeni im Hofoperntheater hat kein 
Engagement zur Folge gehabt. 

Bolen. Wie wir vernehmen, bat der Musikverein in Innsbruck 
in seiner gestrigen Sitzung Hrn. M. N agil ler zum Capellmeister 
ernannt. Wenn wir gleich wiederholt unser Bedauern über dessen 
Scheiden aus seinem hiesigen Wirkungskreise aussprechen müssen, 
so freut es uns andererseits, dass die Thätigkeit unseres allgemein 
verehrten Landsmannes seinem Vaterlande Tirol erhalten bleibt. 
Hoffen wir, dass Hr. Nagiller für das Gedeihen des hiesigen Musik- 
vereines, dem er sich nun seit beinahe fünf Jahre gewidmet, auch 
in der Ferne thätig sein , und der Verein der erhaltenen edlen 
Bichtung nicht untreu werde. (Boz. Ztg.) 

Paris. Das 3. der populären Concerte des Hrn. Pasdeloup 
brachte: Ouvertüre zu „Fidelio" (E-dur) von Beethoven; Sinfonie 
Nr. 29 von Haydn ; Allegretto un poco agitato (Op. 58) von Men- 
delssohn ; Clavierconcert in D-dur (Nr. 6) von Beethoven, vorgetragen 



— 196 



von Hrn. Theodor Bitter; Ouvertüre zu „Oberon" von Weber. 
Im vorhergehenden dieser Concerte wurde das Vorspiel zu „Lohen* 
grin" dacapo verlangt, was eine ziemlich lebhafte Opposition her- 
vorrief; doch siegten zuletzt die Freunde der Wagner'scben Musik, 
■und das Stück wurde wiederholt. 

— Das 4. populäre Concert fand mit folgendem Programme 
statt: „Athalia"- Ouvertüre von Mendelssohn; G-moll- Sinfonie von 
Mozart; Vorspiel zu „Lohengrin" von Rieh. Wagner; Heptuor von 
Beethoven. 

— Der „Moniteur" meldet, dass trotz 'der bei dem Bau des 
neuen Opernhauses aufgestellten Wächter und des dort angeschla- 
genen Verbotes, den Bau zu betreten, dennoch mehrere dort nicht 
beschäftigte Personen sich aus Neugierde hineinschlichen, und in 
Folge ihrer Unvertrautheit mit den Localitäten von den Gerüsten 
gefallen sind und sich schwere Verwundungen zugezogen haben; 
einer der Eindringlinge blieb auf der Stelle todt. 

— Mme. Szarvady ist wieder hier eingetroffen und gedenkt 
apäter wieder in einigen Conceiten cl assische Werke mit der ihr 
eigenen Meisterschaft vorzuführen. Einstweilen ist sie geneigt, eini- 
gen begabten Eleven Unterricht zu ertheilen. 

— Die erste Auflage des bei B r a n d u s erschienenen Ciavier- 
auszugs von Meyerbeer's Musik zu „Struensee" war in acht Tagen 
schon völlig vergriffen, so dass alsbald eine zweite Auflage nothig wurde. 

— Vieuxtemps, welcher die Concertgesellscbaft des Hrn. 
Uli mann auf ihren Reisen durch die französischen Provinzen be- 
gleiten wird, hat zu diesem Zwecke sich ein neues Concertstück, 
nämlich ein äusserst brillantes Duo für Ciavier und Violine über Mo- 
tive aus der „Afrikanenn" geschrieben. 

— Am 20. November starb in Folge eines Schlaganfalles det 
geistreiche Feuilletonist und Musikkritiker J. Dortigue, tief be- 
trauert von seiner Familie und von seinen zahlreichen Freunden. 
Er redigirte mit unbestrittenem Talente das musikalische Feuilleton 
des , Journal des Debüts" und war ein eifriger und beliebter Mit- 
arbeiter des Musik- Journals „Ze Me'ne'strel". Der Verblichene hatte 
«in Alter von 64 Jahren erreicht. 

*** Meyerbeer'« „Afrikanerin" ist am 16. November in äusserst 
glänzender Ausstattung und sorgfältigster musikalischer Ausführung 
in Dresden unter Leitung des Hrn. Hofcapellmeisters Rietz in 
Scene gegangen, scheint aber nach dem Feuilleton -Berichte im 
„Dresdener Journal" zu schliessen, gerade keine besonders zündende 
Wirkung in ihrem musikalischen Theile gemacht zu haben , wenn 
auch der mise en scene und den Leistungen der Sänger wie des 
Orchesters die gebührende Anerkennung nicht vorenthalten wurde. 

*** Man schreibt aus Florenz: „Das Denkmal, welches 
Italien dem Meister Ch erubi n i errichtet, ist soweit in seiner Voll- 
endung vorgeschritten, dass man der Inauguration desselben in Bälde 
entgegensehen kann. Es wird in der Kirche von Santa-Croce auf- 
gestellt, in diesem italienischen Pantheon , wo schon die Marmor- 
deukraale eines Michel Angelo, Machiavel, Galiläi, Lanzi, Alfieri und 
Dante sich befinden. Das Denkmal Cherubini's wird aus zwei Fi- 
guren in grossem und reinem Styl, einer Muse und einem Genius 
bestehen, welche ein Medaillon mit den Zügen des grossen Meisters 
tragen. Die mit der Cavourstrasse parallel laufende Strasse hat den 
Kamen Cherubini's erhalten. 

*** Für die mit dem Evening Star zu Grunde gegangenen 
Künstler wurde zu St. Roche in Paris ein feierliches Requiem ver- 
anstaltet, zu dessen Kosten der Kaiser 1000 Frs. beisteuerte. Ausser- 
dem ist für die hinterbliebenen Waisen eine Subscription mit bestem 
Erfolg im Gange, und wird von den Mitgliedern der Pariser Thea- 
ter eine Collecte veranstaltet, um den Verunglückten auf dem Fried- 
hofe von Montmartre ein Denkmal zu errichten. 

*** In Mein in gen ist mit dem 1. November wieder ein Hof- 
theater ins Leben getreten , zu dessen artistischer Leiter Hr. G r a- 
bowski ernannt ist. Der mit dem Director Max v. Hessling 
geschlossene Vertrag wurde deshalb gelöst. Von Opernvorstellungen 
soll gänzlich abgesehen werden , doch will man ein gutes Schau- 
spiel eultiviren. 

*** Joachim concertirte mit Brahms in verschiedenen Städten 
der Schweiz, selbstverständlich mit grösstem Erfolg. Auch Ja eil 
bereist die Schweiz mit seiner Frau, und das ausgezeichnete Künst- 
lerpaar hat bereits in einer bedeutenden Anzahl von Concerten überall, 
iro dasselbe auftrat, wohlverdiente Lorbeeren geerndtet. 



*** Vor Kurzem feierte in Willenstedt der dortige Pfarrer 
Johannes Cotta sein 50jähriges Jubelfest. Derselbe ist in Ruhla 
in Thüringen geboren, einer der wenigen noch lebenden Mitbegründer 
der deutschen Burschenschaft und der Componist des Arndt'schen 
Liedes „Was ist des Deutschen Vaterland". 

* m * Die Oper „Wanda" von Doppler ist in Regensburg mit 
schwachem Erfolge aufgeführt. Ob letzterer einer mangelhaften Auf- 
führung oder dem Werke selbst zuzuschreiben ist, wird nicht berichtet. 

*** Ein Virtuose auf der Guitarre, Hr. M. Sokolowski, hat 
in Dresden ein Concert gegeben und durch seine ungewöhnliche 
Fertigkeit auf dem an und für sich so undankbaren Instrumente 
vielen Beifall erzielt. 

*** Hrn. Hofcapellmeister Franz Wülln er in München wurde 
für seine vortreffliche Composition: der 98. Psalm für Männerchor, 
Soli und Orchester , von dem Festcomitä des Revaler Sängerfestes 
ein Ehrenhonorar von 30 Ducaten bestimmt und nebst einem ehren- 
vollen Schreiben ühersandt. 

*** Man schreibt aus Rom, Liszt habe dem Papste einige 
Stücke aus seinem nun vollendeten Oratorium „Christus" vorgespielt^ 
worauf dieser ihn geküsst und ausgerufen habe : „Mein Sohn, mein 
theurer Sohn, Du bist mein Palestrina !" 

*** Ein junger französischer Ciaviervirtuose, Leon Roques, 
soll sich auf einer kleinen Concertreise um die Welt auf den Sand- 
wichsinseln mit der ältesten Tochter der Königin Pomare verlobt 
haben und zum Thronfolger avancirt sein. Vorher will er noch 
schnell einige Tage nach Frankreich hinüber, um dort eine Oper 
von sich aufführen zu lassen. 

*** In Bonn wird jetzt eine Gedenktafel an dem Geburtshause 
Beethoven's errichtet, nachdem es ausser allen Zweifel gestellt 
worden, dass dasselbe Bonnergasse N° 525 gewesen. 

*** Die „Afrikanern!" ist in Florenz mit grossem Erfolg in 
Scene gegangen. 

*** Der Musikdirector und Organist Hr. J. G. Herzog in 
Erlangen, hat von der dortigen Universität den Doctortitel erhalten. 

%* Liszt's Oratorium „Elisabeth" soll diesen Winter in Wien 
zur Aufführung kommen. 

*** Eine neue Oper von Gustav Härtel: „Die Carabiniers" 
wirdf nächstens in Schwerin zur Aufführung gelangen. 

*** In Cassel ist den dortigen Musikfreunden ein seltener 
Kunstgenuss geboten durch die Kammermusik-Soireen der HH. Con- 
certmeister Wipplinger , Heilemann, Seiss und K n o o p. 
Der Kurfürst hatte dergleichen Aufführungen niemals geduldet. — 
Das dortige Hoftheater-Orchester ist durch Anstellung der bisher in 
demselben mitwirkenden Gardemusiker auf die Stärke von 50 Mit- 
gliedern gebracht worden. 

*** In der russischen Oper in Petersburg ist ein neuer Gesangs- 
stern , Frl. Buddel, als Lucia mit enormem Success aufgetreten. 
Man stellt sie der Adelina Patti gleich. 

V* "Vom Juli 1865 bis August 1866 sind in Italien 32 neue 
Opern aufgeführt worden. 

f In Leipzig ist am 15. Novbr. Frau Elisabeth Brendel, die 
Gattin des Musikhistorikers und Redacteurs der „Neuen Zeitschrift 
für Musik," Franz Brendel, gestorben. Sie war in früheren Jahren 
als Frl. Trautmann vorzugsweise auch in den musikalischen 
Kreisen von Dresden als Pianistin geschätzt. 

f In Stuttgart starb am 16. Novbr. die Gattin des Tenoristen 
Sontheim; sie erhängte sich in einem Anfalle von Melancholie. 
Ebendaselbst verschied am 17. Novbr. der k. Hof- und Kammer- 
sänger Jakob Wilhelm Rauscher, 73 Jahre alt. 

t In Brüssel ist am 26. Novbr. der berühmte Violoncellvirtuose 
F. S e r v a i s nach längerem Leiden gestorben. 

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15. Jahrgang. 



JV* so. 



10. Dezember 1866. 



SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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i 



I8HALT: Adrian Frans Servais. — Correspondenzen : Wien. Prag. — Nachrichten. 



f Adrian Franz Servals. 

Wie wir schon in unserer letzten Nummer mitgetheilt haben, ist 
am 20. November der berühmte Violoncellist A. F. Servais ge- 
storben. Er erlag einer längeren schmerzvollen Krankheit, welche 
aehon seit einiger Zeit seinen nahen Tod voraussehen Hess. Wir 
geben in Nachfolgendem eine kurze biographische Skizze des aus- 
gezeichneten Künstlers, welche wir dem „Guide musical" entnehmen. 
A. F. Servais wurde am 6. Juni 1807 in Hai, einer kleinen 
Stadt in der Nähe von Brüssel geboren. Sein Vater , ein armer, 
ehrlicher Schumacher, hatte gerade soviel Musik gelernt, um in der 
Pfarrkirche die Violine mitzuspielen oder im Chor mitzusingen. Nach 
4em Heiligen aber kam das Profane ; an Sonn- und Feiertagen Hess 
er die guten Bewohner der Stadt , welche unter dem besonderen 
Schutze „Unserer lieben Frau zu den Wundern" steht, nach seiner 
Geige tanzen. Der wackere Mann erfüllte seine Aufgabe*während 
30 Jahren mit musterhafter Gewissenhaftigkeit. Sein dreifacher Be- 
ruf als Schuhmacher , Geiger und Sänger hat ihm jedoch , wie es 
acheint, nicht behagt, denn als der kleine Franz bei dem Antritte 
qeiner Laufbahn in allen Dingen seinem Vater nachahmen wollte, 
gestattete ihm dieser nur Eines, nämlich— Schneider zu werden! 

Servais war damals 10 Jahre alt ; er begann seine Lehrzeit als 
Schneider mit unüberwindlichem Widerwillen. Das war nicht der 
Beruf, der ihm zusagen konnte; die Musik allein besass für den 
Jüngling jenen geheimen Beiz, welchem sich seine Seele trotz aller 
väterlichen Vorstellungen überliess. Kurz, eines Tages brach er alle 
2?ande, welche seine natürliche Neigung gefesselt hielten, indem er 
Nadel und Scheere hinlegte, um das Studium der Violine zu beginnen. 
Vater Servais , als ein kluger Mann , stellte diesmal der Neigung 
seines Sohnes nichts mehr in den Weg, sondern erkannte die Un- 
widerstehlichkeit einer so klar ausgedrückten Beharrlichkeit, und 
wurde selbst der erste Lehrer des jungen Franz, d. h. er lehrte ihn 
Alles , was er selbst von der Kunst verstand. Dies war bald ge- 
schehen, denn der Schüler machte reissende Fortschritte. Ein vor- 
nehmer Musikliebhaber , der Marquis von S a y v e , welcher eine 
Vorliebe für den kleinen Virtuosen gefasst hatte, ergänzte theilweise 
den Unterricht des Vater Servais ; später übernahm Corneille 
Van der Plancken, erster Violinist am Theater in Brüssel seine 
weitere Ausbildung. 

In seinem zwölften Jahre schon versuchte sich der junge Servais 
an der Seite seines Vaters zuerst in der Kneipe, dann in der Kirche 
und später ganz allein in einigen musikalischen Gesellschaften. In 
Hai erinnert man sich noch ganz gnt eines seltsamen Abenteuers, 
welches während eines ländlichen Balls dem jungen Musiker, der 
an diesem Tage als Tanxmusikant fungirte, begegnete. Servais be- 
gleitete einen schlechten Fiedler auf dem Contrabass. Er entlockte 
demselben auf einmal so drollige und herausfordernde Töne, dass 
«Jner der Bauern darüber in einen förmlichen Wuthanfall gerieth 
und anfing, den Bass mit Fäusten und Füssen zu zertrümmern. 

Einige Zeit hierauf nahm sich Servais vor, die Clarinette zu 
spielen. In Hai befand sich kein Lehrer für dieses Instrument; 



glücklicherweise fand sich ein gebildeter Dilettant, der ihm die neue 
ersehnte Bahn öffnete. Dieser Dilettant, Namens J. Vandercam- 
m e n , war dem jungen Virtuosen nicht nur ein ausgezeichneter 
Führer, sondern auch ein eifriger Beschützer, ein ergebener und 
grossmüthiger Freund. 

Eines Tages hörte Servais den Violoncellisten Platel und was 
nun für dieses Instrument eingenommen; von diesem Augenblicks 
an war sein Beruf in unwiderruflicher Weise festgestellt. Von nnn 
an sollte das Violoocell das Instrument des jungen Servais, Platel 
sollte sein Lehrer sein und in ihm einen würdigen Nachfolger haben ! 
Servais wurde in das Brüsseler Conservatorium aufgenommen und 
genoss den Unterricht des Meisters, welchem sein künstlerischer In- 
stinkt ihn zugeführt hatte. Er machte rasche Fortschritte; in we- 
niger als einem Jahre überflügelte er alle seine Mitschüler und er- 
hielt bei dem allgemeinen Concurs den ersten Preis. Er füllte dann 
die Stelle eines Hfilfslehrers in seiner - eigenen Classe aus und trat 
zugleich in das Theaterorehester ein, in weiehem er drei Jahrs l»og 
verblieb. Doch nun ward ihm Brüssel zu enge und es drängte ihn. 
seinem Talente auch auswärts Geltung zu verschaffen. Dem Ratha 
seiner Freunde folgend, machte sich daher Servais eines schönen 
schönen Tages auf den Weg nach Frankreich. 

Im Jahre 1833 debütirte er in Paris an der Seite eines B a i 1 1 o t» 
T u 1 o u uud anderer Berühmtheiten jener Epoche ; die Pariser Mu- 
sikliebhaber bestätigten das Urtheil des belgischen Publikums, und- 
Servals wurde von nun an zu den ersten ausübenden Künstlern 
Europa's gerechnet. Im folgenden Jahre begab er sich nach Lon- 
don und liess sich dort in der berühmten »Philharmonischen Gesell- 
schaft" hören in Anwesenheit der königlichen Familie. Sein Erfolg 
war ein vollständiger; von allen Seiten wurde ihm das schmeichel- 
hafteste Lob gespendet, und die Städte Grossbritaniens vereinigten 
ihre Huldigungen mit denen der Hauptstadt. 

Nachdem Servais wieder mehrere Conoerte in seinem Vaterlande 
gegeben hatte, ging er 1837 nach Holland, und seine Reise durch 
dieses Land glich einem wahren Triumphzuge. Die Universität 
Leyden stellte ihm ein Ehrendiplom aus , und der Hof im Haag 
feierte und bewunderte sein Talent. Die Prinzessin von Oranien, 
jetzige Königin von Holland, veranlasste ihn sich an den nordischen 
Höfen hören zu lassen und gab ihm einen Empfehlungsbrief an ihren 
Bruder, den Kaiser Nikolaus von Bussland mit. Servais unternahm 
diese Reise zu Anfang des Jahres 1839. In allen Städten, wo er 
sich aufhielt, war er der Gegenstand der allgemeinen Huldigung; 
er wurde bald der Liebling der Russen, und während die Grossen 
ihn auf alle Weise hätschelten und in ihre Kreise zogen , über- 
schüttete ihn das Publikum mit Beifall und Kränzen, wo er sich nur 
immer hören liess. 

Servais kehrte Anfangs 1840 nach Belgien zurück, reich be- 
laden mit den Lorbeeren und kostbaren Geschenken der zwei russi- 
schen Hauptstädte. Er liess sich in Brüssel, Antwerpen, Spaa etc. 
hören, und man fand, dass er während eines Jahres sein Talent noch 
weiter ausgebildet, und sein Spwl in jeder Beziehung an Vorzüglich- 
keit noch gewonnen habe. Seine ausserordentlichen Erfolge in 



- 198 — 



Russland Hessen ihn bald an eine zweite Reise dahin denken, welche 
er auch schon im Februar 1841 antrat, um abermals Petersburg, 
Moskau und Warschau durch sein Spiel zu entzücken. Von dort 
zurückgekehrt, besuchte er Wien und Prag, und auch in diesen 
beiden Städten war sein Erfolg ein fast beispielloser. 

Im Jahre 1843 unternahm Servais eine zweite Reise nach Holland 
und im darauffolgenden Jahre nach Deutschland , wo er Berlin, 
Leipzig und Hamburg besuchte und überall die allgemeinste Be- 
wunderung erregte. Hierauf trat er seine dritte Reise nach Russland 
an , die er bis nach Sibirien ausdehnte. Einen seiner schönsten 
Triumphe feierte er im Winter 1847 in Paris. Hierauf bereiste er 
Dänemark, Schweden, Norwegen, die Städte am Rhein, wohin er 
mehrmals berufen wurde, und die bedeutenderen Städte Frankreichs. 
Im Februar 1866 begab er sich in Begleitung seines Sohnes Josef, 
welcher ebenfalls Violoncellist ist, zum viertenmale nach Russland, 
wo Beide die freundlichste Aufnahme fanden ; allein diese Reise trug 
auch dazu bei, den Keim der tÖdtlichen Krankheit zu entwickeln, 
deren Opfer er geworden ist. Er spielte nach seiner Rückkehr im 
August noch in Spaa und kehrte dann auf seine Villa in Hai zurück, 
wo er auch verschieden ist. 

Seit 1848 Lehrer am Gonservatorium in Brüssel , hat Servais 
viele ausgezeichnete Schüler herangebildet. Er vermählte sich 1842 
in Petersburg. Servais war erster Violoncellist des Königs von Bel- 
gien und Offizier des Leopold-Ordens. Er hat vieles für Violoncell 
geschrieben und herausgegeben: 3 Concerte und 16 Fantasien für 
Violoncell und Orchester; 6 Etudes-Caprices mit Clavierbegleitung, 
und ausserdem in Verbindung mit Jos. Gregoir 32 Duos über 
Opernmotive für Ciavier und Violoncell; 3 dergleichen für Violine 
und Violoncell mit Leonard und 1 mit Vieuxtemps. Alle seine 
Compositionen sind bei B. Scbott's Söhnen in Mainz erschienen. 

Am 29. Novbr. wurde in Hai die irdische Hülle des vortreff- 
lichen Künstlers feierlich zur Erde bestattet, doch sein Ruhm wird 
ihn noch lange überleben. 

Aus Wien. 

10. November. 

Die Reihe der Concerte wurde in diesem Jahre durch eine grosse 
Production der verbundenen hiesigen Männergesangvereine eröffnet. 
Der Ertrag war der Gründung eines Pensionsinstituts für die Witt- 
wen und Waisen der Opfer des letzten Krieges bestimmt, und die 
vollständig gefüllte „Winterreitschule ," das grösste Local in Wien, 
zeigte, dass die Wiener immer gern bereit sind, ihr Scherflein zu 
wohlthätigen Zwecken zu widmen , namentlich wenn sie sich zu 
gleicher Zeit amüsiren. In Beziehung auf den Kunstwerth einer 
solchen Production von Männerchören scheint es uns ziemlich gleich- 
gültig, ob sie von einer Anzahl von etwa 120 Personen in einem 
kleineren oder von 1200 in einem grosseren Räume stattfindet. Wir 
können daher solchen Unternehmungen weniger einen künstlerischen 
Wertb beilegen. 

Die regelmässigen Concertunternehmungen eröffneten bald darauf 
ihre Productionen unter gleicher Tbeilnabme wie in den früheren 
Jahren. Da wir uus hauptsächlich auf die Berichte über den Erfolg 
von Novitäten beschränken — die treffliche Aufführung der Meister- 
werke unserer grossen Meister, sowie deren warme Aufnahme als 
selbstverständlich voraussetzend - so haben wir von der Raff sehen 
Suite zu berichteo, welche im ersten philharmonischen Concerte zur 
Aufführung gelangte. Eine eingehendere Besprechung dieser Arbeit, 
welche den Lesern der Süddeutschen Musikzeitung aus verschiedenen 
Berichten nicht unbekannt ist , vermeidend , haben wir anzuführen, 
dass die mittleren Sätze von dem Publikum sehr beifällig begrüsst 
wurden, während der erste Satz mit seiner wohl trefflich gearbeiteten, 
aber etwas steifen und wenig feurigen Fuge kalt liess , und der 
letzte Salz mit seinem Anlehnen in der Erfindung an Mendelssohn^ 
„HochzeitsmarBch" das durch die vorhergehenden Sätze erregte In* 
tere8se bedeutend erkältete, und dadurch den Gesammteindruck ab- 
schwächte. Im Ganzen wurde Raffe Suite von dem Publikum besser 
aufgenommen als von der Kritik, und scheint Ersteres überhaupt 
diesem neuen Genre mehr Interesse zu schenken, als die Letztere. 

In der ersten Quartett-Pro duetion des Hrn. Hellmesberger 
trat zum erstenmale die jugendliche Claviervirtuosin Frl. Mary 
Krebs aus Dresden auf. Sie spielte Beethoven'« B-Trio und die 



chromatische Fantasie von Seb. Bach. Im zweiten philharmonischen 
Concerte trug sie Beethoven's Concert in Es-dur vor. Frl. Mary 
Krebs zeichnet sich durch einen wundervollen Anschlag, durch die 
Correctheit ihrer Technik, grosse Kraft und ein durchaus musikali- 
sches Wegen auf das vortheilhafteste aus und verschaffte sich durch, 
diese Vorzüge die ungetheilteste und lebhafteste Anerkennung. Das 
Einzige, was man mit leisem Tadel hervorhob, war ein Mangel au 
Wärme im Vortrage, welchen wir bei der Jugend des 15jährigen 
Mädchens leicht begreiflich finden und in der sicheren Erwartung 
einer baldigen Besserung nicht zu hoch anschlagen möchten. Bei 
die/ber Gelegenheit können wir nicht unerwähnt lassen, dass das aus 
der Fabrik des Hofclaviermachers Streicher hervorgegangene In- 
strument, auf welchem Frl. Krebs spielte, der Schönheit und Gleich- 
heit des Tones wegen allgemein bewundert wurde. Frl. Krebs wird 
jetzt wohl in einer Reihe von eigenen Concerten sich dem Publikum 
noch näher bekannt machen , und wir zweifeln nicht , dass diese 
nähere Bekanntschaft zu einer dauernden Freundschaft führen wird. 

In deu beiden Musikvereinseoncerten, welche bereits stattfanden, 
kamen zwar keine Novitäten zur Aufführung, dagegen zeigte sich 
ein Fortschritt in der Vermehrung der Streichinstrumente des Or- 
chesters, welche ihre Wirkung, namentlich bei Beethoven'e C-molI- 
Sinfonie, nicht verfehlte. 

Vom Hofoperntheater, über dessen zukünftiges Schicksal bei 
Eröffnung des neuerbauten Opernhauses die Verhandlungen noch 
schweben, über dessen Verfall aber unter der jetzigen Direction alle 
Welt einig ist, können wir nicht viel berichten. An die Stelle des 
durch dauernde Indisposition seinem Berufe für längere Zeit ent- 
zogenen Hrn. Ferenczy ist Hr. Zottmayer getreten, ein zwar 
recht musikalischer Sänger, dessen Stimme und Vortragsweise jedoch 
nicht die Sympathien des Publikums zu gewinnen vermögen. Aus 
diesem Grunde werden die sonst beliebtesten grossen Opern , wenn 
Hr. Zottmayer darin beschäftigt ist, vor leeren Bänken abgespielt. 
Ein zweiter Tenor, Hr. Prott, befindet sich in einer ähnlichen 
Lage. Seine Leistungen gehen nicht über die ersten Stufen der 
Anfängerschaft hinaus. 

Als Novität wurde die schon von der italienischen Saison her 
bekannte Verdi'sche Ballnacht gegeben und zwar mit der besten 
Besetzung , welche die deutsche Oper zu leisten vermochte. Die 
Kritik, welche die Wahl dieser Oper, die doch von der A u b e r'schen 
Composition desselben Buches au musikalischem Werthe unendlich 
übertroffen wird, in künstlerischer Beziehung zu tadeln versucht sein 
möchte, wurde durch den Umstand entwaffnet, dass sich die italie- 
nische Ballnacht — allerdings eine der besseren Arbeiten von Verdi 
— eines grossen Beifalles zu erfreuen hatte und bereits eine Reihe 
besuchter Vorstellungen erlebte. 

Von Reprisen älterer Opern erwartet man Boieldieu's „Roth- 
käppchen" und M£hul's „Jakob und seine Söhne, welchen dann die 
nene komische Oper von Mosenthal und Eissmayer: „Das 
Landbaus des Herrn Gogot - folgen soll. 



Aus Pra^* 

Monat Nevember. 

Prag ist augenblicklich in der grössten Begeisterung über das 
unübertreffliche Spiel des ungarischen Hirtenschalmei - Virtuosen 
Jacob Nagy, der sich hier in zwei Concerten hören Hess und 
eine Sensation erregte, welche nur Paganini und Jenny Lind 
in unserer Moldaustadt bewirken konnten. Alle Journale — deutsche 
und böhmische — überschütten den unvergleichlichen Virtuosen mit 
den höchsten Lobeserhebungen. Die „Bohemia" nennt ihn den 
Gusikow, die „Politik* den Paganini und die „Nawdni Hsty" 
den ungarischen D a 1 i b o r auf der Hirtenschalmei. Und in der 
That verdient Nagy diese characteristischen Benennungen, denn er 
überwältigt auf seinem winzigen Instrumente — eine Hirtenflöte mit 
6 Oeffnungen ohne Klappen — die grössten Schwierigkeiten , die 
rapidesten Passagen, die kühnsten Sprünge im Umfange von 4 Octaven 
mit fabelhafter Schnelligkeit, und minutenlange Triller in der schwin- 
delnden Höhe , sowie die halben Töne bringt er mit unfehlbarer 
Sicherheit zu Gehör. Bewundernswürdig ist sein wunderschönes 
Legato und sein Spiel in Doppeltönen (Prim und Sexte) mit einem 
Athemzuge , das als akustisches Räthsel zu betrachten ist. — Hr. 



— 199 



ftagy spielte £n den beiden Concerten (7. und 13. Novbr.) Fantasien 
über ungarische Nationallieder, Concertcavatine von Doppler, Nach- 
tigallencsardas und das non plus ultra seiner fabelhaften Kunst, den 
„Carneval von Venedig". Der Goncertgeber wurde unzählige Male 
Tom enthusmirten Publikum gerufen und mit dem grossten Beifall 
ausgezeichnet. 

Bei dieser Gelegenheit dürfte die Mittheilung nicht uninteressant 
Bein, auf welche Weise Jacob Nagy (geb. 1821 in Szantö in Ungarn) 
seine unvergleichliche Virtuosität auf seinem primitiven Instrumente 
erlangt hatte. Die Ereignisse des Jahres 1848 und 1849 verwickelten 
ihn in die ungarische Bewegung, und er wurde nach der Capitula- 
tion G ö r g e y's bei Vilagos in die Citadelle Felegvar zu Klausen- 
burg internirt. Als besonderer Musikliebhaber bewog er den men- 
schenfreundlichen Kerkermeister, ihm einige Hollunderstäbe und ein 
Messer zu leihen. Nagy schnitzelte 116 Stück Hirtenpfeifen daraus 
und von allen sind ihm nur drei gelangen, auf denen er sich zu üben 
anfing. Er suchte sich die Scala auf, übte sich ganze Tage und 
Nächte und brachte es nach mühevollen Studien auf dem Instru- 
mente so weit, dass er sich, als er freigelassen wurde, bald öffent- 
lich in Ungarn hören Hess und tiberall die gr'össte Bewunderung 
erregte. Magy concertirte in den süd'österr eichischen Ländern, dann 
in Italien, namentlich inPadua, Bologna, Venedig, Mailand, Florenz 
etc., und überall feierte er Triumphe, wie sie nur die grossten Vir- 
tuosen erlebt hatten» 

In beiden Concerten wirkten Frl. Marie Körschner durch 
den geistreichen und effectvollen Vortrag Erben'scher und Uffo Horn'- 
scher Gedichte, und der tüchtige Componist Jos. Low, welcher 
seine gediegenen Compositionen mit Geschmack vortrug, — Hr. Nagy 
veranstaltet in Prag noch zwei Concerte und begibt sich nach Mün- 
chen und von da durch ganz Deutschland zu der Weltausstellung 
nach Paris. 

Die Direction des böhmischen Theaters, welche Hr. Fr. Thome" 
Tor der Occupation Prags durch die Preussen niederlegte, übernahm 
ein Consortium von 20 reichen Prager Bürger, deren Ausschuss die 
Angelegenheiten Thalia's leitet. Das Consortium spart keine Kosten, 
um die Bühne auf die höchste Stufe zu bringen. Zu Capellmeistern 
sind Hr. Fried r. Smetana und Hr. Tausig (Czeche) ernannt. 
Als engagirter Operncomponist fungirt der geniale Componist der 
Oper „Templari" (die Templer), Hr. Karl Se bor, dessen genannte 
Oper bald in Oll mutz zur Aufführung gelangt, und als Dramaturg 
wird der bewährte Schriftsteller Karl Sabina genannt. Zur bal- 
digen Aufführung gelangt auch Glinka's russische Oper „Ruslan 
a Ludmilla". 

Hr. Em. M e" 1 i s arbeitet an einem musikalischen „Fremden- 
führer" durch Prag, an einem Werke, worin die Namen sämmtlicher 
Musiker in Prag, sowie alle auf Musik bezüglichen Daten angeführt 
werden. 

Nachrichten. 



Strassburg. Das erste der von Hrn. Hassel man ns dirigirten 
Concerte ist mit äusserst glücklichem Erfolge vom Stapel gelaufen. 
Es wurde zur Aufführung gebracht: Sinfonia eroica von Beethoven ; 
Arie aus „Titus" von Mozart und aus „Alceste" von Gluck, vorge- 
tragen von Mme. Viardöt-Garcia; „Türkischer Marsch" aus den 
„Ruinen von Athen" von Beethoven, welcher wiederholt werden musste. 

Paris. Am 25. Novbr. 6. populäres Concert des Hrn. Pasde- 
loup mit folgendem Programm: C - dur - Sinfonie von Beethoven; 
Genofeva-Ouvertüre von Schumann; Adagio aus einem Quartett von 
Haydn; Violinconcert von Mendelssohn, vorgetr. von Hrn. J o a c h i m 
(immenser Erfolg); Ouvertüre zu „Loreley" von Wallace. 

— Programm des 7. Concertes: Ouvertüre zur „Zauberflöte 11 von 
Mozart ; Sinfonie in A-dur von Mendelssohn ; Ouvertüre zu „Coriolan" 
von Beethoven ; Violinconcert von Viotti, vorgetr. von Hrn. Joachim; 
„Einladung zum Tanze" von C. M. von Weber, instrumentirt von 
Berlioz. 

— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris betrugen 
im Monat October 1,640729 Frcs. 

— Der rühmlichst bekannte Pianist Schulhoff ist wieder in 
Paris eingetroffen. 

Brüssel. Am Sonntag den 26. Novbr. erschien bei dem nach 



H 



Paris übersiedelnden Violinprofessor H. Leonard eine Deputation 
von früheren und gegenwärtigen Schülern des verehrten Meisters 
und überreichte ihm zum Abschied und als Zeichen ihrer Anhäng- 
lichkeit einen goldenen Lorbeerkranz mit der Inschrift: ,,Les Kleves 
duConservatoiredeBruxelles ä leur c&ebreetregrette'H.Le'onard" 
nachdem Hr. Maurice Leenders in einigen herzlichen Worten ihm 
das allgemeine Bedauern über seinen Abgang vom Conservatorium, 
an welchem er während 17 Jahren in rühmlichster Weise gewirkt, 
ausgedrückt hatte. 

— Am Sonntag den 2. December fand im Nationaltheater des 
Circus das zweite populäre Concert des Hrn. Samuel für classische 
Musik statt mit folgendem Programm: 4. Concert - Ouvertüre von 
Theodor[Radoux; Canzonetta aus dem ersten Quartett von Mendels- 
sohn, ausgeführt von sämmtlichen Streichinstrumenten ; „Türkischer 
Marsch" aus den „Ruinen von Athen" von Beethoven ; Sinfonie Op. 52 
von R. Schumann; Fragment aus der *1. Suite von Fr. Lachner; 
Ouvertüre zur Oper „Der Vampyr" von Marschner. 

*** Mlle. Nicolo, die Tochter des Componisten von „Joconde 
und „Cendrillon," spielte neulich bei Rossini ein Ciavierstück 
ihrer Composition, das allgemein gefiel und der Dame viel Compli- 
mente von Seiten der Anwesenden eintrug. Schliesslich wandte sich 
der Maestro zu ihi und sagte: „Das Stück muss in den Druck 
kommen ; bemühen Sie sich aber nicht um den Editeur , sondern 
sehen Sie denselben in mir. Ueberhaupt kümmern Sie sich um 
Nichts; ich werde Alles besorgen und sogar den Titel machen." In 
der That sah man kurze Zeit nach diesem Vorfall in den Schau- 
fenstern der Pariser Musikalienhändler Folgendes ausgelegt: „OlS 
plainte, andante pour Piano, par Mlle. Nicolo, e'dite'e par son 
ami et Vadmirateur de son pere, G. Rossini* (zu Deutsch: „Dia 
Klage," Andante für Pianoforte von Mlle. Nicolo, herausgegeben von, 
ihrem Freunde und dem Bewunderer ihres Vaters, G. Rossini). 

* m * Der Londoner Concertunternehmer Hr. Ella, der sich 
gegenwärtig in Wien befindet, bat dem dortigen Conservatorium 
100 fl. übergeben, welche dem besten Violinschüler, welcher in diesem 
Jahre aus der He lim es berge raschen Classe hervorgeht, als Preis 
zuerkannt werden sollen. Das ist gewiss aller Anerkennung werth 
und verdient Nachahmung von Seite unserer Landsleute. 

*** Dem „Dresd. Jour." zufolge iBt zur provisorischen Leitung 
der Directorialgeschäfte bei der Generaldirection des Hoftheaters und) 
der musikalischen Capelle infolge des am 27. Novbr. erfolgten Ab- 
lebens des Generaldirectors von Könnerite der geheime Hofratb 
Bär mit allerhöchstem Auftrag bis auf Weiteres versehen worden 
und hat diese Geschäftsführung bereits übernommen. 

%* Der Pächter von Her Majesty's Theatre in London, Hr. 
Mapleson, beabsichtigt dort in Leicester Square ein neues 
Opernhaus mit einem Aufwände von 100,000 Pfund Sterling zu er- 
bauen, welches sich den ersten seiner Art in Europa würdig an die 
Seite stellen kann. Als Baumeister wird der in diesem Fache be- 
rühmte Hr. E. A. Salomons aus Manchester genannt. 

*** In Baden-Baden haben Bieh mehrere musikalische Grössen 
häuslich eingerichtet, theils Villen gebaut oder bezogen. Der Senior 
derselben ist der Ciavierspieler Pixis, ein Siebziger; dann Jacques 
Rosenhain, der gewöhnlich zwei Drittel des Jahres auf seiner 
Villa zubringt; dann Mme. Viardöt-Garcia, welche neuerdings 
neben ihrer Villa noch eine Tonhalle gebaut hat, die indess etwas 
miniaturmässig ausgefallen ist; endlich Frau Clara Schumann 
mit zwei Töchtern. 

*** Bei Dunker & Humblot in Leipzig erschienen soeben 
„Musiker - Briefe," eine Sammlung Briefe von Gluck, Ph. E. Bach, 
J. Haydn, C. M. v. Weber und F. Mendelssohn-Bartholdy, auf deren 
interessanten Inhalt wir vorläufig die Musikfreunde aufmerksam 
machen wollen. Wir kommen noch ausführlicher auf diese Samm- 
lung zurück. 

*** A. Langert's neue Oper „Die Fabier" ging am 25. Novbr. 
in Coburg zum ersten Male und unter des Componisten persönlicher 
Leitung über die Bühne und fand bei einem zahlreichen Publikum 
sehr freundliche Aufnahme. 

%* In Frankreich gibt es gegenwärtig 16 Musik-Conservatorien. 
*** Französische Journale melden jetzt, dass Hans von 
Bülow zum CapeHmeister und Hofpianisten des Königs von Baiern 
ernannt worden sei. 

*** Für die artistische Leitung des zu Pfingsten nächsten Jahres 



- m - 



In Aachen stattfindenden nfederrheinisehen Musikfestes ist I^r. Hof- 
capellmeister Dr. Julius Biets in Dresden gewonnen worden. 

*** In Stockholm fand am 11. November ein grosses Concert 
etatt, bei welchem 1062 S&nger, meistens ans Stockholm and unter 
den Auswärtigen über 20Q Studenten ans Upsala mitwirkten. Es 
kamen nur Compositionen von schwedischen und norwegischen Com- 
ponisten zur Aufführung und wurden sämmtlich vortrefflich ausge- 
führt. Dem Concerte , welches Capellmeister J. A. Södermann 
dirigirte, wohnten etwa 10,000 Zuhörer bei. Das Erträgniss dieser 
und einer nachfolgenden ähnlichen Aufführung ist für die Errichtung 
einer Universität in Stockholm und für den Guss einer Fontaine von 
äem schwedischen Bildhauer M o 1 i n bestimmt. 

%* Der Violinist und Kammervirtuos des Grossherzogs von 
Hessen, Hr. Gustav Friemann, hat in Dresden unter Mitwirkung 
der HH. Hess (Piano) und Kammervirtuos F. A. Kummer eine 
musikalische Abendunterhaltnng gegeben und sich durch den Vortrag 
des D-molI-Trios von Mendelssohn, des 7. Concerts von Beriot und 
e^ner Fantasie von Leonard als ein sehr tüchtiger Geiger erwiesen. 
Lebhafter Beifall folgte jedem seiner Vorträge. 

*** Hr. Concertmeister Lauterbach bat die ihm in München 
angebotene Stelle nicht angenommen) sondern wird in Dresden bleiben, 
zur Freude aller dortigen Musikfreunde. 

*** Das Stuttgarter Hoftheater erleidet einen empfindlichen Ver- 
lust durch den Abgang der dramatischen Sängerin Frau Dr. L e i- 
singer, welche sich ganz von der Bühne zurückgezogen hat. 

%* Die deutsche Quartettgesellschaft in Hongkong hat im 
Germaniaclubb ein Concert zum Besten der im deutschen Kriege 
Verwundeten gegeben, welches besonders von den dortigen Eng- 
länderinnen stark besucht und eine erhebliche Einnahme lieferte. 
Es wurden Männerchöre von Schumann, Kreutzer, Marschner, Poh- 
lenz etc. gesungen und auch ein Mendelssohn'sches Clavierconcert 
gespielt. 

*** Die Wittwe des berühmten Violinisten Ernst hat ein von 
ihr selbst xnodellirtes Medaillon ihres Gatten vollendet, das als sehr 
gelungen gerühmt wird und in den Stein eingelassen werden soll, 
der das Grab des Künstlers bedeckt. 

*** Die „Afrikanerin" überschreitet nun auch den Ocean und 
wird in New-Vork, Charlestown, Angusta und Savannah noch in 
diesem Winter zur Aufführung kommen. 

\* Im Münchener Volkstheater wird nächstens eine nene Ope- 
rette von Krempelsetzer: „Die Geister des Weins," gedichtet von 
A. v. Wouvermanns, zur Aufführung kommen. 

*** Tn New-Orleans wird nächstens ein, 160,000 Dollars kosten- 
des deutsches Nationaltheater fertig, auf dem aber gewiss wieder 
nur italienisch gesungen werden wird. 

* *** Die „Neue Berliner Musikzeitung" meldet, dass R. Volk- 
mann mit der Composition einer grossen Oper, „Sani," beschäftigt ist. 
*** In der bekannten Liebig'schen Capelle in Berlin sind 
Differenzen zwischen dem Dirigenten und den Mitgliedern entstanden, 
und es ist zu befürchten , dass Ende dieses Jahres die Capelle sich 
auflöst. 

*** In Bonn fand am 9. Novbr. das erste Abonnementconcert 
unter Brambach's Direction und Stockhausen's Mitwirkung 
statt. Man gab: „Trost in Tönen" für Chor und Orchester von 
Brambach, Ouvertüre zu „Alphooso" von Schubert, achte Sinfonie 
von Beethoven etc. 

%* Hr. Dr. M. Hauptmann, der würdige Cantor der Thomas- 
schule in Leipzig, feierte am 27. Novbr. im fröhlichen Familien- und 
engeren Freundeskreise seine silberne Hochzeit 

*** In Philadelphia hat sich ein neuer Gesangverein, „Mendels- 
sohn-Gesellschaft" unter Direction von Jean Louis gebildet. 

*** In Paris ist die längere Zeit unwohl gewesene Cancan- 
sängerin T h e r e s a wieder aufgetreten. 

*** Hr. Gustav Landrock, ein talentvoller Pianist, hat sich 
am 12. Nov. in Dresden als tüchtiger Clavierspieler dem Publikum 
vorgeführt. Er spielte A. Henselt's Clavierconcert mit Orchester- 
begleitung, Beethoven's Fis-dnr- Sonate (Op. 78), von S. Bach ein 
Fräambulum (G-dur) und eine Barcarolle von Lührss. 

'*»• Die Nummer 97 von „Zellner's Blätter für Tb., M. u. K." 
berichtet den am 29. Novbr. erfolgt sein sollenden Tod des königi. 
alichs. Hofcapellmeisters Dr. Julius Rietz in Dresden. Da jedoch 
bis jetzt noch in keiner anderen Zeitung, selbst nicht in den Dres- 



dener Blättern eine Bestätigung dieser Trauerkunde enthalten ist, so> 
kann jene Nachricht in dem Zellner'schen Blatte wohl nur auf einen» 
Irrthum oder einer Mystifikation beruhen. Hoffentlich bleibt der; 
wackere Meister Rietz noch lange d*r Kunst erhalten, der er so er- 
folgreich dient. { 

f In Carlsruhe starb am 1. December der pensionirte gross}?., 
badische. Hofcapellmeister Joseph Strauss, geb. 1798 in Brunn« 
Der Geschiedene hatte 40 Jahre lang an der Spitze der Carlsruhe? 
Hofcapelle gestanden und nahm erst im vorigen Jahre seine Pension, 
Strauss hat früher Opern, Sinfonien, Ouvertüren etc. geschrieben. 

Ebendaselbst verschied am 3. December plötzlich der pensionirte 
fürstlich Fürstenbergische Hofcapellmeister Johann Wenzel Kalli- 
w o d a , geb. 1801 in Prag , nachdem er erst vor einigen Wochen 
von Donaueschingen nach Carlsruhe übergesiedelt war. Seine Com- 
positionen, namentlich seine Männergesänge, sind in weitesten Kreisen 
bekannt und beliebt geworden. 

f In München starb die in dortigen Theater^reisen renommirte- 
Sängerin Daisenrieder (früher in Mannheim engagirt) j sie wurde» 
während sie bei einer Dame zu Besuch war, von einem Herzschlag: 
getroffen und blieb zur Stelle todt. 

f In Weimar starb der kleine 12jährige russische Pianist 
Alexander Ogloblinskij, welcher es in seiner Kunst schon zu 
einer sehr hohen Stufe gebracht hatte und einer schönen Zukunft 
entgegensah. 

f In Dresden starb am 1. December der berühmte Akustiker 
Friedrich Kaufmann im 82. Lebensjahre 

*** Soeben wird von J. A. §targardt in Berlin, Jägerstrasse« 
53, ausgegeben: Verzeichntss einer werthvollen Sammlung von mu- 
sikalischen, hymnologischen und liturgischen Werken, Volksliedern* 
Autographen u. a., deren Versteigerung am 8. Januar 1867 stattfindet» 
Darunter die Werke Bach's, die alten und seltenen Schriften vonv 
Glareanus, Matthes.on, Otto, Kirnberger, Meibonius,. 
Hassler — unter den Manuscripten der Nachlass von August 
Bergt, alte Hymnensammlungen , Briefe und Compositionen von 
Bach, Beethoven, Mendelssohn-Bartboldy, C. M. von 
Weber — unter den hymnologischen Seltenheiten: P. Gerhard's- 
geistliche Andachten v. J. 1666; Kercken-Ordeninge, allerley/ 
Gesenge mit Forme der Noten, Stettin, 1690, u. A. 

ANZEIGEN. 



PREIS- AUSSCHREIBEN. 

Der Rheinische S&ngerverein eröffnet hiermit seinen Statuten 
gemäss wiederum einen 

CONCURS 

auf die besten Concertcompositionen für Männergesang und Orchester. 
Für dieselben hat der Verein zwei Preise, von einhundert* 
f iinfxlg Tlialern und einhundert Thalern ausgesetzt, 
die für den Fall zur Auszahlung gelangen, dass die noch zu erwäh- 
lenden Herren Preisrichter dieselben als wirklich preiswürdig: 

erklären. 

Die näheren Bedingungen des Concurses — denen des vorigjährigen ganz, 
gleieh — sind bei dem Unterzeichneten jeder seit zu erfahren. 

Die concurrirenden Tonstüeke mausen spätestens bis zum 1, October 186T 
beim zeitigen Vorort des Vereins, „Bonner Concordia," eingelaufen sein, mit., 
einem Motto versehen und von einem versiegelten Couvert begleitet , welche» 
äusserlich das nämliche Motto und im Innern den Namen des Coneurrenten trägt. 
Bon V im November 1866. 

her Vorstand der „Bonner Concordia" als zeitiger 
Vorort des Rheinischen Sangervereins, 

A. A. 
C. Wrede t Adv-Anw. 



Stelle -Gesuch. 

Ein Musikdirector sucht eine Stelle als Dirigent, 
eines grösseren Gesang -Vereins. Gefällige Offerten bittet 
man an die Verlagshandlung d. Bl. einzusenden. 



Verantw. Red* Ed, Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



15. Jahrgang. 



JW* £/♦ 



17. Dezember 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



K: 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG-. 

Man abonnirt bei allen Post 
ämtern, Musik- & Buchhar 3 
w lungen. 



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PREIS: 



von 



B. 



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fl.2. 42 kr. od.Th.!.18Sg. 

SCHOTT 'S SÖHNEN in MAINZ. | Durch die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 






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INHALT: Kleine Studien. — Correspondenzen : Mannheim. Stuttgart. Paris. — Nachrichten. 



Kleine Studien« 



II. Deutsche Bearbeitungen ausländischer Opern. 

Unter den Büchern eines etwas gar viel schreibenden modernen 
Musik-Literaten handelt eines über die „Melodie der Sprache," und 
-wie es ein gewisses Verdienst desselben, wie anderer Büchermacher, 
ist, Binsenwahrheiten, die von jeher als etwas Selbstverständiges so 
allbekannt waren , dass man deren schriftliche Niederlegung für 
überflüssig hielt, auf einmal als neue Entdeckung in behaglicher 
Länge und Breite aufzuschreiben und der Welt in dicken Bänden 
zum Bewusstsein zu bringen , so enthält auch dieses Buch zum 
erstenmal jene Regeln der musikalischen Declamation, deren Beob- 
achtung bisher dem gesunden Menschenverstand, guten Geschmack 
und feinen Ohr der Tonsetzer anheimgestellt war. Mit der Nieder- 
schreibung dieser Gesetze ist in der That ein gutes Werk geschehen, 
und besonders die Componisten, Sänger und Gesanglehrer sind dem 
Verfasser dafür zu Danke verpflichtet. Wir wollen hier keine Kritik 
darüber schreiben, mussten aber das Werk erwähnen, weil unsere 
diesmalige Untersuchung sich an die gleichen Grundsätze zu hal- 
ten hat. 

»Der musikalische Accent soll dem Sinn und der 
Betonung der Text wo rte nicht nur nicht widersprechen, 
sondern noch eine erhöhte Gewalt undBedeutung ver- 
leih e n , u das ist ungefähr der summarische Inhalt aller Gesetze 
Über musikalische Declamation. Auch in dieser Hinsicht stellt man 
die Voealwerke unserer Classiker als Muster auf, doch ist hier einige 
Vorsicht vonnöthen, wie sich bald zeigen wird. 

Betrachten wir nämlich nicht nur die Oratorien HändeFs, die 
Opern Gluck's und Mozart's im Urtexte, sondern auch die Werke 
neuerer französischer und italienischer Meister- wie Cherubini, Boiel- 
dieu, Auber, Adam, Herold , Halevy, Rossini, Bellini und Donizetti, 
so fiuden wir zu unserer Freude , wie sich die Mnsik bei ihnen 
überall den Originalworten auf's engste anschmiegt, ja gar nichts 
Anderes als der Ton gewordene Sinn des Textes zu sein scheint. 
Dieselbe wirkt, natürlich eine fehlerfreie Aasführung vorausgesetzt, 
schon durch sich selbst, durch ihre Wahrheit uud Lebendigkeit 
schlagend , ganz abgesehen von den technischen uud sprachlichen 
Eigenschaften, welche italienische oder französische Sänger vor den 
deutschen voraus haben mögen. Auch liegt nicht au letzteren die 
Hauptschuld, wenn die gleichen Werke in deutscher Uebersetzung 
einen ungleich geringeren Erfolg haben, sondern an dieser Ueber- 
setzung, welche in der Regel der musikalischen Phrase nicht jene 
Worte unterlegt , die genau unter den gleichen Noten jenen des 
Originals entsprechen. Dadurch aber wird der ursprüngliche Sinn 
der Musik vernichtet, oft ein ganz anderer an dessen Stelle geschoben, 
und so das Verständniss des Sängers und Hörers irre geleitet. Für 
Beispiele mit Noten mangelt uns hier der Raum; auch böte jede 
Seite einer ursprünglich französischen Oper von Gluck, oder einer 
urspi anglich italienischen von Mozart so vielen Stoff, dass Einzelnes 
gans bedeutungslos wäre, und der Leser sich besser in den betreffen* 



den Partituren selbst überzeugt; er wird höchst wenige Stellen 
finden, wo sich Wort für Wort mit dem Originaltexte deckt, wie es 
einmal für die Musik unumgänglich ist. Ueberdies wäre eine solche 
Uebereinstimmung nicht so schwer zu erreichen , als es für den 
ersten Anblick scheint. 

Fast alle Uebersetzer haben bis jetzt darin gefehlt , dass sie 
zu viel Dichter sein wollten, und vor Allem den Reim, jene für 
die treue Uebersetzung allerhinderlichste , für die Musik allerwerth- 
loseste Spielerei, berücksichtigen zu müssen glaubten. Die selbst- 
ständig umgedichtete Strophe, die fast wie ein neues selbstgeschaffenes 
Kunstwerk aussah, wurde erst nachher der Musik gewaltthätig an- 
gepasst, wobei diese Haare lassen musste, sowie sie sich nicht augen- 
blicklich gehorsam fügte. Da wurden beliebige Noten ausgelassen 
oder hinzugefügt, auf dass ja die liebe Umdichtung um keine Silbe 
zu kurz kam ; da wurden Bindungen zerstört und neu eingeschoben, 
als ob nicht schon durch eine einzige Ligatur nach Umständen 
die Physiognomie eines ganzen Gedankens alterirt würde ; höchstens, 
wenn es viel war, sah man darauf, hohen Noten dankbare Vocale 
zu unterlegen, wie a und o, au und ei. Aber auch in den Vocalen 
musste man sich an's Original halten; namentlich die Italiener 
wussten gar gut, welchen Vocalen gewisse Noten für diese oder jene 
Stimme am besten zusagten; die Erfahrung und der feine Instinkt 
zeigen ihnen das Richtige. Uns hat in neuester Zeit der gelehrte 
Helmholz in seinem Buche von den „Tonempfindungen" den 
Schlüssel des Geheimnisses gegeben, indem er fand, dass die Klang- 
kraft jedes Vocales auf jedem Tone von dem stäikeren oder ge- 
ringeren Mitklingen der harmonischen Obertöne herrührt. 

Auch für den Athem, der bekanntlich am besten vor einer kur- 
zen Silbe und Note geschöpft wird , waren möglichst die gleichen 
Stellen beizubehalten, wie im Original. Der schlimmste Fehler war 
aber immer die Verrückung des Sinnes, wovon besonders die noch 
jetzt im Gebrauch befindlichen Bearbeitungen Mo zart 'seh er Opern 
Haarsträubendes leisten; wer aus dessen ursprünglich deutsch ge- 
schriebenen Werken weiss, welch feine Andeutungen derselbe in 
seinen Begleitungsfiguren oft sogar für das Spiel gegeben, zumal in 
der „Entführung," der kann sich denken, wie viele solch feiner Züge 
in den italienischen Operu, wie „Don Juan" und „Figaro" durch 
die deutsche Verarbeitung schmählig verloren geben. Ja manchmal 
trifft es sich, dass die Musik auch zu ganz anderen Worten als im 
Original doch trefflich zu passen scheint, und dann könnte man irre 
werden an aller bisher fromm geglaubten symbolischen Ausdrucks- 
fähigkeit der Töne und möchte verzweifeln an der musikalischen 
Characteristik, an der wir doch stets so grosse Freude hatten. 

Aber noch eine ganz andere schlimme Folge hatte die Mangel- 
haftigkeit der bisherigen Opernübersetzungen, eine Folge, welche 
besonders bei den neueren Opernschreibern Deutschlands empfind- 
lich hervortritt. Da dieselben nämlich ihre Muster grösstenteils 
aus Partituren oder Ciavierauszügen mit deutschem Texte, oder in 
den Aufführungen selbst studirten, so setzten sich die falschen Be- 
tonungen und sonstigen Declamationsfehler in ihrem Geböte derge- 
stalt fest, dass sie sich daran gewöhnten und in ihren eigenen Ar" 



— 202 - 



beiten dergleichen nicht im Geringsten vermieden, ja sogar, wie 
z. B. „Stradella" und „Martha" zeigen, den angestrebten französi- 
schen Hautgout dadurch zu steigern glaubten, wenn sie jene un- 
deutschen Wendungen und Accente absichtlich hervorbrachten, die 
sie in den Verdeutschungen Auber'scber Opern gefunden hatten j das 
schien ihuen dann graziös und pikant Auch unsere Liederkompo- 
nisten und Sänger wurden an jene falschen Accente so gewöhnt, dass 
sie sie nicht mehr als fehlerhaft empfanden , — selbst in L i s z t's 
herrlichen Liedern spuken noch solche, gerade dem neudeutschen 
Principe besonders widersprechende Nachlässigkeiten. Unser Beet- 
hoven und Schubert sind ebenfalls nicht ganz frei davon ; am er- 
folgreichsten wirkten dagegen die Bestrebungen Mendelssohn^, 
Schumann's und vor allem Richard Wagner's, dessen scharfes Drauf- 
gehen die musikalische Luft schnell von den noch umherkriechenden 
Miasmen , von allem gedankenlosen Schlendrian gesäubert hat (?). 
Allerdings sind wir bereits in Gefahr, dem anderen Extrem zu ver- 
fallen, indem man zur Erfindung einer Gesangmelodie dem Schüler 
vorschreibt, er solle die Textphrase so lange mit sorgfältiger Ab- 
wägung der Silbenquantität und des Wortsinnes laut vor sich hin- 
sprechen, bis aus dem Sprechen ein Tönen werde, und dann der 
betontesten Silbe die höchste, längste und stärkste, der mindest be- 
tonten die tiefste , kürzeste und schwächste Kote zutheilen , und 
nach dem gleichen Principe auch mit den übrigen Silben verfahren ! 
Das mag ganz gut sein als Eselsbrücke zu erfindungslosem Com- 
biniren, aber nicht zum Componiren; auf diesem Wege wäre 
weder ein C. M. v. Weber , noeh sein in der Melodik ihm noch 
immer nachempfindender Epigone Wagner zu jenen frischen, hin- 
reissenden Gesangsweisen gelangt, wodurch deren Opern besonders 
den Laien fesseln. 

Um nun zu unserem Hauptthema zurückzukehren, so müssen 
wir die Herstellung neuer, nach den entwickelten Grundsätzen ge- 
fertigter Bearbeitungen von Texten zunächst classischer Opern als 
unabweisbare Nothwendigkeit bezeichnen. Das Deutsche müsste 
darin so genau auf den Urtext klappen, dass keine einzige doppelte 
Kote nöthig wäre. Alle Rücksichten auf Versbau, Reim u. dgl. 
müssten dem Wortsinn und einer natürlichen, sofort verständlichen 
Sprache geopfert werden, welche alles Geschraubte, dann insbeson- 
dere jene störenden Fremdwörter vermeidet, die nur für's Komische 
erträglich sind. Vor allem sollte sich ein intelligenter Verleger finden, 
welcher Gluck's fünf bedeutendste Opern in neuer Bearbeitung her- 
ausgäbe ; ein Anderer würde vielleicht mit Mozart'schen nachfolgen, 
wieder Andere mit Rossini , Boieldieu , Auber etc. An sofortiger 
Einführung der verbesserten Texte an den Bühnen wäre nicht zu 
zweifeln. Dabei Hesse sich auch die Ciavierbegleitung in einer der 
modernen Spielweise entsprechenderen Art einrichten, die zugleich 
den Orchestereffect (mit abgekürzter Angabe der wichtigsten Instru- 
mentirungsmomente) mittelst Pedal , Vollgriffigkeit u. dgl. treuer 
wiedergäbe, als die alten Auszüge mit ihren dünnen , engen Lagen 
vermochten. Ferner wären entweder die vollständigen Original- 
recitative oder der gesammte Dialog beizugeben, mit Angabe des 
Scenischeu, vielleicht sogar mit Costüm- und Situationsbildern, auf 
dass die Opernschüler in solchen Ciavierauszügen Alles fänden, was 
Bie brauchen. Als Einleitung wäre eine je nach dem Sujet sich 
historisch und ästhetisch über das Werk ergehende kurze Abhand- 
lung aus competenter Feder voranzustellen. Eine übermässige Ver- 
teuerung solcher Ciavierauszüge könnte durch Vermeidung des 
sonstigen Ausstattungsluxus, sowie durch starke Auflagen ferne ge- 
halten werden, welche sich bei der zweifelsohne siegreichen Con- 
currenz mit den bisherigen Auszügen bald als geboten erweisen dürfte. 



CORRESPONDENZEN, 



Aus Mannheim. 



Obwohl erst ein kleiner Theil der musikalischen Wintersaison 
hinter uns liegt, habe ich doch schon über eine für die hiesigen 
Verbältnisse namhafte Anzahl von Concert - Aufführungen Ihren Le- 
sern zu berichten. Zu den bedeutendsten derselben gehören drei 
Quartett- Concerte; welche der nicht blos als Virtuose, sondern ganz 
besonders auch als trefflicher Quartettspieler rühmlichst anerkannte 



Herr Jean Becker in Verbindung mit den Herren Enrico 
Masi, Luigi Chiostri und F r. H i 1 p e r t hier veranstaltete, 
und in denen folgende Quartette zu Gehör kamen: Mozart: C-dur; 
Beethoven: E-moll, A-moll, Cis-moll; F.Schubert: G-dur, Op. 161; 
Mendelssohn: D-dur, E-moll; V. Lachner: Es-dur; Rubinstein: C- 
dur, Op. 72; Volkmann, A., Op. 9. Sämmtliche Leistungen dieser 
vier Quartettisten waren von seltener Vollendung und hatten sich 
der allgemeinsten Anerkennung zu erfreuen ; die Vorzüge derselben 
näher zu detailliren möchte ganz überflüssig sein, sie werden sicher 
überall sogleich erkannt werden. 

Frau Clara Schumann erfreute die hiesigen Musikfreunde 
auch dieses Jahr wieder mit einem Concerte unter Mitwirkung des 
Hoftheater - Orchesters und der Sängerin Frl. Reiser, einer sehr 
talentvollen Schülerin des kürzlich verstorbenen Tenoristen Rau- 
scher in Stuttgart, welche seit wenigen Monaten an der hiesigen 
Bühne engagirt ist, und als eine sehr glückliche Acquisition für 
dieselbe bezeichnet werden muss. Frau Cl. Schumann spielte mit 
bekannter Meisterschaft Beethoven's ziemlich selten gehörtes Con- 
cert in G-dur, an dem wir uns höchlich erfreuten ; sodann eine An- 
zahl kleinerer Stücke: „ Variationen über ein Originalthema* von 
Brahms; „Tempo di Ballo" von Scarlatti ; „Passecaille" von 
Händel ; „Novelette," H - moll, „Romanze," Fis-dur, von R. Schu- 
mann und „Caprice," E-dur von Mendelssohn. Fräul. Reiser sang 
Beethoven's Concertarie „Ah perfido" und Lieder von F. Schubert. 
Ausserdem betheiligte sich das Orchester durch die Ouvertüreu »Me- 
lusine" von Mendelssohn und „Medea" von Cherubini. Aus einem 
mir unbekannten Grunde war auf dem Programm anstatt der erst- 
genannten Ouvertüre jene zu den „Hebriden" von Mendelssohn an- 
gegeben , über deren treffliche Aufführung sich sofort die Bericht- 
erstatter für die hiesigen Blätter aussprachen. (1) 

Zu Anfang Novembers fand die erste musikalische Akademie 
des Hoftheater - Orchesters statt, wie gewöhnlich unter sehr zahl- 
reicher Betheiligung des musikalischen Publikums, und brachte von 
Orchesterwerken zum ersten Male die schottische Ouvertüre „Im 
Hochland" von Niels W. Gade, und zum Schluss des Concerts Beet- 
hoven's Sinfonie in B-dur. Je mehr wir uns freuten, ein für hier 
neues Orchesterwerk, die Ouvertüre von Gade, zu hören, um so 
mehr bedauerten wir, in ihrem späteren Verlaufe die anfänglich auf- 
tretende Eigentümlichkeit der Stimmung nicht hinreichend fest- 
gehalten zu finden. Die Aufführung derselben, sowie der Sinfonie 
von Beethoven unter V. L a c h n e r's bewährter Leitung war eine 
vorzügliche. — Unsere dramatische Sängerin, Frau Michaeli s- 
N i m b s , die wir nur selten auf einem Concert - Programm finden, 
erfreute durch den Vortrag der Arie im 4. Act aus „CatharinaCor- 
naro tt von Fr. Lachner, sowie zweier Lieder: „Ich grolle nicht," 
von R. Schumann, und „Gretchen am Spinnrad" von Schubert. Der 
Pianist, Herr Ad. Gutmann aus Paris, spielte aus dem E-moll- 
Concert von Chopin die Romanze und das Rondo mit der uns von 
früher bekannten Meisterschaft, während die Composition an und 
für sich weniger interessiren konnte; ferner: „Au bord du ruis- 
seau," Melodie von Gutmann, den Trauermarsch von Chopin, und 
schliesslich „Tarantella," ebenfalls von Gutmann, und ein Parade- 
stück von Fingerfertigkeit. 

Im Musik-Verein fanden ziemlich schnell nach einander 
zwei Aufführungen statt, deren erster jedoch Ref. nicht beiwohnen 
konnte , das Programm derselben war sehr anziehend und bestand 
aus folgenden Musikstücken: 3 Lieder für gemischten Chor von M. 
Hauptmann: „Im Sommer," „Wanderers Nachtlied" und „Frühzei- 
tiger Frühling." Serenade für Flöte, Violine und Viola von Beet- 
hoven/ gespielt von den Herren Neuhofer (Flöte), Naret Ko- 
ni n g (Violine) und Mayer (Viola). „Elegischer Gesang" von 
Beethoven für Chor mit Begleitung von Streichinstrumenten. Con- 
cert für Violoncell von Goltermann, gespielt von Herrn Kü n din- 
ge r; schliesslich: „Mirjams Siegesgesang" von Fr. Schubert, für 
Sopransolo, Chor und Orchester. Das 2. Concert brachte folgendes 
Programm: 1. Geistliches Lied „Wie ein wasserreicher Garten" 
für gemischten Chor von J. Rietz. Dasselbe wurde mit erwünsch- 
ter Sicherheit und schöner Nüancirung gesungen. 2. Sonate in B- 
dur für Ciavier von Fr. Schubert, von dem seit einiger Zeit hier 
angesiedelten Clavierspieler und Lehrer, Herrn E. M e r t k e , mit 
richtigem Verstand nias vorgetragen. 3. „Der Rose Pilgerfahrt" von 
R. Schumann , wobei Frl. Reiser und zwei sehr begabte Dilet- 



203 - 



tanten Äie Hauptsoli sangen. Die Aufführung (mit der von Herrn 
Mertke gespielten Ciavierbegleitung , die Schumann seinem Werke 
ursprünglich beigegeben) gelang im Ganzen wohl, doch hätte der 
Sopran im Chor mit etwas mehr Mnth vorgehen dürfen. 

Der Dilettanten-Verein legte in seinem ersten Concert 
«in erfreuliches Zeugniss seines Strebens dar, die jugendlichen Spie- 
ler, aus denen derselbe hauptsächlich besteht, führten eine Sinfonie 
(D-dur) von Haydn und die Ouvertüre zur „Felsenmühle" von Reis- 
siger anerkennenswerth aus ; im Uebrigen bestand das Concert ans 
kleineren Vorträgen für Gesang, Violine und Ciavier. Der Verein 
erfreut sich einer sehr regen Theilnahme, nicht nur von Mitwirken- 
den, sondern auch durch den zahlreichen Beitritt pecuniär unter- 
stützender Mitglieder. 

Vor wenigen Tagen begannen unsere hiesigen geschätzten 
'Quartettspieler ihren Cyclus von Quartett - Aufführungen mit den 
Quartetten: von Haydn Es-dur, Nr. 38; Beethoven letztes in F-dur, 
liier zum ersten Male vorgetragen, und Mendelssohn D-dur, unter 
sichtlich zunehmender Theilnahme der Musikfreunde. 

Die Liedertafel eröffnete kürzlich ihre öffentlichen Auffüh- 
rungen mit einem reichen Programm, dessen Hauptbestandteile, die 
Männergesänge, folgende waren : „Hymne an Odin" von Kunz, „das 
Abendglöcklein" von Ferd. Langer; Motette „der Herr ist König'« 
von B. Klein ; Geisterchor aus dem Drama „Rosamunde" von Fr. 
Schubert, mit einer von L. Hetsch hinzugefügten Begleitung von 
Altviolen, Violoncell und Contrabass; V. Lachner's reizendes Quar- 
tett „Schneeglöckchen" und „Jagdchor" mit Begleitung von Blech- 
instrumenten von L. Hetsch. Die Ausführung dieser Männergesänge 
war durchweg eine musterhafte und zeichnete sich besonders durch 
vollständige Sicherheit des ganzen Gesangkörpers, durch Präcision 
der verschiedenen Stimmeneintritte, namentlich in der schwierigen 
Motette von Klein, richtige, nicht überfeinerte Nüancirung und sehr 
deutliche Aussprache auf's Vortheilhafteste aus. Der Chor aus 
„Rosamunde" machte einen sichtlich tiefen Eindruck, während V. 
Lachner's „Schneeglöckchen" durch seine von den Sängern in er- 
wünschtem Maasse wiedergegebene feine Empfindung den Zuhörer 
angenehm beruht te und der kräftige ,, Jagdchor" zum Schluss des 
Concerts das höchst zahlreiche Auditorium aufs Lebhafteste anregte. 



Ans Stuttgart. 

Anfang December. 

Unser zweites Abonnementconcert begann mit Haydn's Sinfonie 
militaire , deren Ausführung bis ins feinste Detail eine vollendete 
war. Die durch Zufall veranlasste Verzögerung der darauffolgenden 
Nummer verschaffte uns noch die Freude , das Andante mit dem 
Faukenschlag aus einer andern Haydn'schen G-dur-Sinfonie zu hören, 
für dessen Einlage dem Orchester der verdiente Dank gezollt wurde. 
Inzwischen war unser Gottlieb Krüger eingetroffen und bezau- 
berte das Ohr wieder mit seinem meisterhaften Harfenspiel , dessen 
Effecte oft an das wundersame Glitzern der Sommerfäden gemahnen, 
und dessen Piano's aus Spinnweben gesponnen scheinen. Schade 
nur, dass der Solosatz für dieses Instrument so sehr an das homo- 
phone und accordische Element gebunden ist, dass er sich stets in 
den schon durch die seichteren Ciavierstücke breitgetretenen Geleisen 
halten muss und so wenig musikalisch Interessantes und Neues zu 
bieten vermag. Und doch Hesse sich dergleichen leicht schaffen, 
und zwar unbeschadet der Eigentümlichkeit der Harfe, sondern nur 
unter Beschränkung auf ihre Besonderheit, wenn man obligate In- 
strumente dazu setzte, wie Violoncell, Hörn, Clarinette etc. etc., mit 
deren Hülfe sowohl der musikalische Gehalt als die poetische Be- 
deutsamkeit einer Composition für die Harfe sehr erhöht würde. 
Welch dankbares Feld wäre dies für sinnige Tondichter wie Brahras 
Jensen, Rubinstein u. A. , die so eifrig neue Bahnen suchen. — 
Eine Novität, wenigstens dem Namen nach, war Benedicts Ton- 
märchen „Undine" ; thatsäcblich fanden wir ein Aggregat Mendels- 
sohn'scher, Hiller'scher und sonstiger wohlbekannter Gedanken, für 
das edle englische Publikum mit türkischer Musik und sonstigen 
feinen Reizmitteln neu aufgeputzt. Wir geben gerne zu, dass diese 
Chöre und Arien sich neben einer scenischen Aufführung ganz wohl 
hören lassen mögen; sie sind aber nicht bedeutend genug, um allein 
die Fantasie zur Vorstellung dieser Ereignisse anzuregen. Die Aus- 



führung war eine besonders sorgfältige; Orchester, Chor, die HIT. 
Schüttky und A. Jäger thaten ihr Möglichstes , ebenso die 
Damen Mario w und Ehnn. Letztere fängt bereits bedenklich an 
zu tremoliren ; überhaupt bedarf sie noch dringend eines competenten 
musikalischen Rathgebers ; wer ihr bis jetzt dazu diente, wissen wir 
nicht, können aber, ihr ausgesprochenes Talent mit den Leistungen 
vergleichend, auf keine hervorragende Autorität schliessen. 

Die erste Soiräe für Kammermusik brachte ein Quartett in B-dur 
von Haydn, das C-moll-Trio von Mendelssohn und ein Divertimento 
für Streichquintett und 2 Hörner von Mozart. Der Ciavierpart war 
in Händen des Hrn. W. Speidel, die erste Violine in denen des 
Hrn. C. M. Singer, das Violoncell in denen der HH. Krumb- 
holz und C. M. Goltermann; ausserdem wirkten mit die HH. 
Barnbeck, Debuysere, Kratochvil, Fohmann und Franz. 
Sämmtliche Künstler entledigten sich ihrer Aufgabe mit Meisterschaft ; 
besonders gefiel das glänzende Trio, sowie die Mehrzahl der köst- 
lichen Mozart'schen Sätze. Leider sehen wir heuer unsere Concert- 
säle nicht entsprechend gefüllt, wovon wir die Ursache ausser den 
Nachwirkungen der Zeitverhältnisse auch in der Concurrenz ver- 
muthen, welche durch die vermehrten Vorstellungen des Hoftheaters, 
die Gratisvorlesungen im Königsbau, die verschiedenen Abende des 
„Liederkranzes" und anderer Gesellschaften geschaffen wurde , wo- 
durch unser eigentliches, ohnehin nicht zahlreiches Concertpublikum 
noch mehr getheilt wird. Ueberhaupt scheint uns das Musikinteresse 
schon in vielen Orten bereits seinen möglichen Gipfelpunkt erreicht 
zu haben und rasch wieder im Abnehmen begriffen zu sein. 

Das Programm des nächsten Singvereinsconcertes enthält u. A. 
Gade's Frühlingsphantasie, Liszt's Claviermelodram „Leonore," drei 
Chorlieder im Volkston vou Max Zenger, und Mendelssohn^ Lieder* 
spiel „Heimkehr aus der Fremde". T. 



Aus Paris. 

10. December. 

Das grosse musikalische Ereigniss ist die Aufführung des 
„Freischütz" im The'ätre lyrique. Der Direktor dieses Theaters, 
der sich um die Verbreitung der deutschen Opernmusik in Paris 
schon so sehr verdient gemacht, hat diesmal alle Kräfte in Beweg- 
ung gesetzt , um dem Publikum das Werk des deutschen Meisters 
aufs Würdigste vorzuführen. Die Darstellung war auch im Ganzen 
eine gelungene. Frau Mioian-Carval ho sang die Agathe wie 
eine grosse Sängerin, der man nur hier und da etwas mehr Feuer 
der Leidenschaft hätte wünschen mögen. Troy ist als Caspar 
vortrefflich und er musste das berühmte Trinklied auf stürmisches 
Verlangen wiederholen. Die Rolle des Max wird von Hrn. Michot 
leider mit unzulänglichen abgenutzten Stimmmitteln gesungen. Frl. 
Dar am als Aennchen so, so. Das Orchester übertraf sich selbst, 
und auch der Chor, sehr bedeutend durch die Mitglieder eines Ge- 
sangvereins verstärkt, erwarb sich einen lebhaften, wohlverdienten 
Beifall. Kurz, die Vorstellung, wenn auch nichts weniger als voll- 
endet, war doch sehr anerkennenswerth, besonders wenn man sie 
mit den früheren Aufführungen dieses Meisterwerkes in Paris ver- 
gleicht. 

Bei der Eröffnung des The'ätre Rossini in Passy wird eine 
komische Oper von dem Musikalienhändler Prilip, der als Com- 
positeur unter dem Namen Camille Schubert vortheilhaft be- 
kannt ist, zur Darstellung kommen. 

Rossini hat Freitag einen Schlaganfall gehabt. Als er sich, 
seiner Gewohnheit gemäss, nach dem Diner in sein Zimmer zurück 
zog, stürzte er ohne Besinnung nieder und verletzte sich an Stirn 
und Nase. Man liess schnell seinen Arzt kommen, dem es zu ver- 
danken ist, dass der berühmte Maestro sich jetzt auf dem Wege der 
Besserung befindet. 



Mac li richte 



ti. 



Colli. Das 4g Gesellschaftsconcert im Gürzenich brachte das 
Oratorium „Saul" von Ferd. Hiller, unter des Componisten per- 
sönlicher Leitung. Dem interessanten Werke wurde von Seite des 
Publikums trotz seiner Länge die vollste, unermüdete Aufmerksam- 



- 204 — 



Iteit und häufige, sehr lebhafte Beifallsäusserungeu gewidmet. Der 
Chor zeichnete sich durch Sicherheit und Präcision, wenn auch nicht 
durch Stärke aus, und das Orchester bewältigte seine schwierige 
Aufgabe in wahrhaft vollendeter Weise. Die Soli waren in den 
Bänden der Frl. Eh maus (Michal), Schülerin des hiesigen Conser- 
vatoriums , welche ihre Partie in Folge eingetretenen Unwohlseins 
der Frl. Bodinius, welcher dieselbe bestimmt war, in wenigen 
Tagen einstudirte und wacker durchführte; vortrefflich waren die 
Mäunersoli besetzt durch die HH. Hill aus Frankfurt a. M. (Saul), 
Schild vom Theater in Leipzig (David) undKrolop vom hiesigen 
Stadttheater (Samuel) , die denn auch in Bezog auf Stimme und 
Vortrag nichts zu wünschen übrig Hessen und reichlichen Applaus 
erndteten. 

Paris. Programm des 8. populären Concertes des Hrn. Pas- 
d e 1 o u p : Sinfonie Nr. 49 von Haydn ; „Hebriden"-Ouvertüre von 
Mendelssohn; Adagio aus dem G-moll- Quintett von Mozart, von 
sämmtlichen Streichinstrumenten ausgeführt ; Violinconcert von Beet- 
hoven, vorgetragen von Hrn. Joachim; Ouvertüre zu „Tannhäuser* 
von R. Wagner. 

— Die Proben für Verdis „Don Carlos" werden eifrigst be- 
trieben, und Alles wird angestrengt, um die Aufführung dieser Oper 
bis zum 15. Januar möglich zu machen. 

— Joachim ist im Athenäum wiederholt aufgetreten und hat 
dort das im 7. Concert des Hrn. Pasdeloup vorgetragene Concert 
von Yiotti mit immensem Erfolg gespielt. 

V Der Brüsseler „Guide musical* bringt eine ausführ- 
liche Beschreibung der feierlichen Bestattung des verschiedenen 
Yioloncellvirtuosen Servals, welcher die ganze Bevölkerung von 
Hai, wo er geboren und begraben wurde , sowie alle künstleri- 
schen, literarischen und administrativen Notabilitäten von Brüssel 
beiwohnten. Alle Häuser des Städtchens Hai waren geschlossen, 
vom kleinsten bis zum grössten. Die Strassen waren sämmtKch mit 
Trauerfahnen und schwarzen Schilden behängt, welche in silbernen 
Lettern das Datum von Servais' Tod zeigten. Das Trauerhaus war 
ganz mit schwarzem Flor bedeckt. Bei dem Leichenzuge, der sich 
am 29. November um 10 Uhr Morgens in Bewegung setzte, wurden 
die Enden des Bahrtuches getragen von dem Bürgermeister von Hai, 
dem Director des Brüsseler Conservatoriums, Hrn. Fetis, dem Ad- 
jutanten des Königs, General Göthals, Mitglied der Verwaltungs- 
commission des Conservatoriums, Leonard, Professor am Conser- 
vatorium, Gillon, Bürgermeister von Josse ten-Noode, DeMaere- 
Limander, Mitglied der Repräsentantenkammer und Präsident des 
Chorvereins von Gent, Kufferath und Heimburg, ehemaligem 
Präsidenten der philharmonischen Gesellschaft in Brüssel. Dem Sarge 
voran gingen die verschiedenen Vereine der Stadt Hai mit ihren 
florumhüllten Fahuen. Auf dem Sarge lagen auf einem schwarzen 
Sammtkissen die Ordenszeichen des Verblichenen, ein massiv gol- 
dener Kranz, den ihm seine Verehrer nach seiner ersten russischen 
Reise gewidmet hatten uud darüber der in seiner Hand so mächtige 
Violoncellbogen. Das Violoncell des Meisters, mit Flor umhüllt, 
wurde von vier seiner jüngsten Schüler getragen. Seine Söhne 
Franz und Joseph und sein Schwiegersohn Godebski führten 
die Schaar der Leidtragenden an und eine zahllose Menge folgte 
nach, unter welchen man Künstler aus Paris, London und Cöln be- 
merkte, welche zur Leichenfeier herbeigeeilt waren. Reichliche 
Thränen flössen nicht nur um den ausgezeichneten Künstler, son- 
dern auch um den guten liebenswürdigen Mitbürger, um den Wohl- 
thäter der Armen, Sechs verschiedene Reden wurden an seinem 
Grabe gehalten, unter welchen besonders die des greisen Fetis her- 
vorzuheben ist. Das Herz des unvergesslichen Künstlers wurde ein- 
balsamirt uud dem Gemeinderathe der Stadt Hai zur Verfügung ge- 
stellt, in Erwartung dass dem Verewigten ein würdiges Denkmal 
gesetzt werdeu wird. 

*** Der Pacht des städtischen Theaters in Tri est ist auf den 
Zeitraum 1867—70 ausgeschrieben. Die Dotation beträgt jährlich 
56,000 Gulden in Silber nebst den Erträgnissen des Theaters. Be- 
werber haben sich bis zum 31. Dec. d. J. zu melden. 

*** Das Auftreten der Sga. V i 1 d a (Frl. Wilt) als „Norma" im 
Fenice-Theater zu Florenz wurde kalt aufgenommen und Frl. Wilt 
ist daher bereits wieder nach Deutschland zurückgekehrt. 

*** Am 23. November ist in Cassel der Coraponist und Musik- 
schriftsteller Otto Kraushaar gestorben. 



*** Joh. Brahms hat sich nach seiner Schweizerreise nach 
Wien begeben, wo er den Winter zubringen will. 

*** Der bekannte Musikkritiker Dr. Oscar Paul in Leipzig 
hat sich an der dortigen Universität habilitirt und bereits seine 
Vorlesungen über Geschichte der Musik, Harmonik und Metrik, 
Aesthetik etc. eröffnet. Seine Habilitationsschrift: „Die absolute 
Harmonik der Griechen" ist bei A. Dörffel in Leipzig erschienen. 

*** Der Tenorist Niemann ist an der Berliner Oper mit 8000 
Thaler Gage und 25 Thaler Spielhonorar engagirt. Es ist dies die 
höchste Gage, die bisher in Berlin bezahlt wurde. 

%* Am 3. Dec. starb in Kopenhagen der Violoncellist Christ. 
Kellermann. Er war 1817 zu Ramberg in Jätland geboren und 
erhielt seine musikalische Ausbildung in Wien. Vor einigen Jah- 
ren wurde er, auf einer Kunstreise unter Ullmann's Leitung be- 
griffen, in Mainz durch einen Schlaganfall gelähmt, und konnte 
namentlich die Beweglichkeit der linken Hand nicht wieder errei- 
chen, sowie er denn überhaupt seit jenem Unfälle seine Gesundheit 
und Kraft immer mehr schwinden sah. 

%* Der ausgezeichnete Flötenvirtuose Demersseman ist in 
Paris, erst 35 Jahre alt, gestorben. 

*%* In Augsburg wird nächstens eine neue 2actige Oper: „Die 
Liebesprobe" von dem dortigen Theatercapellmeister Dr. O. Bach 
zur Aufführung kommen. 

*** Die Direction der „Sacred Harmonie Society** in London 
hielt unlängst in Exeter-Hall ihre Jahressitzuug, die 34. seit ihrem 
Bestehen. Die Gesellschaft hat seit ihrer Gründung im Jahre 1832, 
die 15 Concerte des letzten Jahres mitgerechnet, 482 Concerte ver- 
anstaltet. Die Subseriptionseinnahme der abgelaufenen Saison betrug 
über 1912 Pfd. Sterl. , das Eigenthum der Gesellschaft wurde auf 
9000 Pfd. Sterl. geschätzt. Ein Antrag regte die Idee an, zur Zeit 
der Ausstellung in Paris Oratorien daselbst zu geben. Costa'» 
Bemühungen für das Wohl des Vereins wurden in anerkennendster 
Weise hervorgehoben, Mit grossem Interesse wurde auch die be- 
absichtigte Errichtung der Grand Memorial Hall für Kunst und 
Wissenschaft iu South Kensington entgegengenommen, nämlich 
die Absicht, einen grossen Concertsaal zu bauen, der bequem 500O 
Personen fassen kann , ein Local , woran das grosse London bisher 
Mangel leidet. 

*** Der Director des Brüsseler Conservatoriums , Hr. F e" 1 i s, 
hat dem berühmten Geiger Vieuxtemps den Antrag gemacht, au 
der Stelle des nach Paris übergesiedelten Professor Leonard den 
Violinunterricht an jenem Conservatorium in seine Hände zu nehmen. 
Vieuxtemps hat jedoch dankeud abgelehnt, indem seine vielfältigen 
Engagements ihm nicht gestatten würden, seinen Pflichten als Pro- 
fessor in entsprechender Weise nachzukommen. 

*** Der Herzog Max in Baiern hat dem Hofsänger Kinder- 
mann nach der letzten Aufführung des „Waffenschmied" von Lortzing 
einen prächtigen silbernen Pokal zugeschickt mit der Inschrift: „Dem 
Waffenschmied ' und dem Namen S. K. Hoheit. 

*** Am 4. December fand im Berliner Operntheater die lange 
mit grosser Sorgfalt vorbereitete und glanzvoll in Scene gesetzte 
300. Aufführung der „Zauberflöte" von Mozart statt. Die erste Auf- 
führung dieser Oper in Berlin fand am 12. Mai 1794 statt und 
zwar in dem kleinen, von Friedrich dem Grossen am Gensdarmen- 
markt für die französische Schauspielergesellschaft erbauten Thea- 
ter, da im Opernhause nur italienische Opern aufgeführt werden, 
durften. 

*** In Hannover kamen im 2. Abonuementconcert folgende 
Werke zur Aufführung: der dritte Theil von Schumann's „Faust"; 
Ouvertüre zu „Coriolan" von Beelhoven und dfe dritte Suite für 
Orchester von Fr. Lachner. 

V Joachim wird Mitte dieses Monats in Bordeaux und Lille 
concertiren, wohin er seitens der dortigen philharmonischen Gesell- 
schaften sehr schmeichelhafte Einladungen erhalten hat. 

Briefkasten. Hrn. A. A. in O. Mögen Sie sich in Betreff 
der patriotischen Gesinnung des Autors vou: „Der Par&jularismus im 
Musikwesen" (Nr. 47 d. Bl.) beruhigen; derselbe ist mit Leib und 
Seele Süddeutscher, und fällt es ihm nicht ein, seinen Landsleutea 
irgendwie zu nahe treten zu wollen. D. Red. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau t Mainz. 



15. Jahrgang. 



JN* &&. 



24. Dezember 1866. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



\ DieseZeitung erscheint jeden 



V % ff I 8) g 



; 



* 
*<«. 



MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand 
lungen. 



von 



4 



B. SCHOTTS SÖHNEK in MAINZ, 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen : 

50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 






X 



INHALT: Musiker - Briefe. — Frau Sophie Dies. — Joachim in Paris. — Correspondenz : München. — Nachrichten. 



ABONNEMENTS-EINLADUNG. 



Mit dem 1. Januar 1867 beginnt der 16. Jahr- 
gang der Süddeutschen Musik - Zeitung. 

Ihrer bisherigen Haltung getreu, wird sie auch künftig ein 
unparteiischer Berichterstatter aller bedeutenden Vorkomm- 
nisse im musikalischen Leben sein, wichtige Fragen in 
eigenen Artikeln erörtern und den Lesern durch biogra- 
phische und musikgeschichtliche Aufsätze eine ebenso 
angenehme wie belehrende Unterhaltung bieten. 

Wir bitten um rechtzeitige Bestellung; alle Post- 
anstalten, Buch- und Musikanstalten nehmen solche an. 
Preis: fl. 2. 42 kr. od. Thlr. 1. 18 Sgr. per Jahr. Wöchent- 
lich eine Nummer. 

<-S*peoifton oer Jmo&ettffdjen 'gftnßß-JMfcuig. 
Musiker- Brie f e. 



Unter diesem Titel hat Ludwig Nohl im Verlage von 
Dunker u. Huinblot in Leipzig eine Sammlung Briefe von C. W« 
r. Gluck, Ph. E. Bach, Jos. Haydn, Carl Maria v. Weber und 
Felix Men delssohn-Bartholdy nach den Originalen herausge- 
geben, auf welche wir die Verehrer der angeführten Tonmeister hie- 
mit aufmerksam machen wollen, indem diese Briefe, von denen ein 
grosser Theil hier zum ersten Male veröffentlicht wird, vollkommen 
geeignet sind , das allgemeine Interesse in hohem Grade zu fesseln 
und einen tiefen Einblick in das künstlerische sowie in das rein 
menschliche Wesen der allverehrten Kunstheroen zu gewähren. Es 
bietet daher diese Briefsammlung dem Musiker wie dem Laien eine 
höchst anziehende und interessante Leetüre und wird sie den be- 
wunderten Meistern in vieler Beziehung näher bringen. Wir ent- 
nehmen hiermit für unsere geehrten Leser zur Bestätigung unseres 
Urtheils einige dieser Briefe dem Nohl'schen Buche und hoffen da- 
mit die allgemeine Aufmerksamkeit auf dasselbe zu lenken. 

Unter den Briefen von Jos. Haydn befinden sich mehrere, 
welche an Frau von Genzinger, die Gattin des „Damendoctors" 
Peter Leopold von Genzinger in Wien gerichtet sind, welch letz- 
terer in seiner Wohnung an Winterabenden häufig Musiker und 
Musikfreunde bei sich versammelte, wo an Sonntagen ab und zu 
Männer wie Haydn, Mozart, Dittersdorf, Albrechtsberger an der 
Tafel willkommen waren und ihre neuesten Werke prodaciiten. Als 
Leibarzt des Fürsten Nicolaus Esterhazy ven Galantha musste 
der Doctor oft lange in Eisenstadt weilen , wo er dann mit Haydn 
so nahe bekannt wurde, das« dieser, so oft er in Wien war, sein 
Gast sein musste. Seine Gemahlin Marianne geb. v. Kayser, eine 
geistreiche Frau und ausgezeichnete Sängerin, die damals in allen 
musikalischen Kreisen Wiens geschätzt und gesucht war, fand sich 
durch ihr» Liebe zur Musik natürlich noch näher zu dem liebens- 



würdigen Meister hingezogen, und ob sie gleich fast 40 Jahre alt 
war, bildete sich auf dem Wege des musikalischen Verkehres doch 
allgemach zwischen beiden ein persönliches Verhältniss, das auch 
die Herzenssaiteu merklich berührte und ein schönes Freundschafts- 
band zwischen ihr, die glücklich verheirathet und mit fünf wohl- 
erzogenen Kindern gesegnet war, und dem alten und doch so Jugend« 
frischen Meister, der in kinderloser und keineswegs glücklicher Ehe 
lebte, entstehen liess. Den ersten Anlass zum schriftlichen Aus- 
tausch gab nuu folgendes Billet der musikeifrigen Dame, das von 
Wien im Juni 1789 datirt ist: 

„Hochgeehrtester Herr von Haydn! 
Mit Dero gütigen Erlauhnüss nehme ich mir die freyheit, Ihnen 
einen Ciavier auszug des schönen Andante Ihrer mir so schätzbaren 
Composition zu übermachen. Solchen auszug habe icn ganz allein 
aus der Spart ohne Mindester beyhilf meines Meister gemacht, bitte 
die gute zu haben, wen sie etwas daran auszustellen finden, solche« 
zu corigiren. Ich verhoffe, Sie werden Sich in besten Wohlstand 
befinden und wünschte nichts sehnlicher als Sie bald in wien zu 
sehen, um Ihnen immer mehr meiner Hochachtung, welche ich für 
Sie Hege, überzeugen zu können. Ich gebleibe mit wahrer Freund« 
Schaft Dero ergebeuste Dienerin 

Mein gemahl, kinder Maria Anna Edle von Gennzinger 

empfehlen sich Ihnen geborne Edle von Ttayser." 

gleich fals schenstens. 

Darauf läset Bich nun Haydn von Estoras aus am 14. Juni 
1789 so vernehmen: 

Hoch und Wohl gebohrne 
Gnädige Frau! 
Unter all meinem bisherigen Briefwechsel wäre die Ueber- 
raschung, eine So schöne Handschrift mit so gütigen Ausdrücken 
durch zu lesen, für mich die allerangenehmste ; noch mehr aber 
Bewunderte ich das eingeschückte — treflich übersezte Adagio, 
welches Ihrer Richtigkeit wegen jeder Verleger unter die Presse 
legen kan. nur mochte ich wissen, ob Ihro gnaden dieses Adagio 
aus der Partitur, oder ob sich Ihro gnaden die erstaunende Mühe 
gaben, Es vorhero in die Partitur zu setzen und es alsdann erst 
für das Ciavier übersetzt haben, denn wau letzteres, so ist diese 
Attention für mich zu schmeichelhaft, welches ich in Wahrheit nie 
verdiene : 

Allerbeste — gütigste Frau von Gennsinger! ich erwarte einen 
Fingerzeig, wie auf was arth ich im stände seyn kan, Euer gnaden 
gefällig zu werden: Sende unterdessen das Adagio zurück, und 
Hofe v. Euer gnaden in Rücksicht meiner wenigen Talenten ganz 
sicher einige Befehle, und bin mit ausnehmender und vorzüglich- 
ster Hochachtung 

Euer gnaden 
N. 8. an Hoch Dero Herrn ganz gehorsamste Diener 

Gemahl bitte mein gebor- Josephus Haydn m. p. 

samstes Compliment zn ver- 
melden. 



206 — 



Sophie Diez, geb. Hartman«. 

München, 6. Dez. 1866. 

Die jüngBtverfiossenen Tage brachten uns eine Feier, wie sie 
wohl selten aus solcher Veranlassung und unter solchen Umständen 
sich ergibt. Es war da keine halbofficielle Cour im Boudoir einer 
tonangebenden Primadonna, auch erschollen keine gemietheten Po- 
saunen, um das grand evenement dem nach Tagesneuigkeiten lüster- 
nen Publikums zu verkünden, sondern einfach und würdevoll, zu- 
meist im inneren Heiligthum der Familie und im Kreise bewährter 
Freunde und Berufsgenossen wickelte sich der Act aufrichtiger Hul- 
digung ab für eine Künstlerin, welche in dem stillen, aber innigen 
Character der ihr gewordenen Theilnahme nur das Spiegelbild ihres 
eigenen Wesens erblicken konnte. 

Am 1. Dezember 1836 hatte Sophie Hartmann, aus einer 
musikalisch begabten, doch mittellosen Familie stammend, mit der 
kleinen Rolle der Angelina in Cherubini's „Wasserträger" die hie- 
sige Hofbühne betreten, welcher sie, nachdem sie am 24. November 
1841 mit dem damaligen Operntenoristen Friedrich Diez sich 
vermählt hatte, seitdem ununterbrochen und zur Zierde der Anstalt 



Da die ausgebreitete Wirksamkeit, die seltene Vielseitigkeit, 
sowie die durch 30 Jahre angestrengtester Thätigkeit ungebrochene 
Kraft der nicht nur in ihrer Vaterstadt München populär geworde- 
nen, sondern auch in weiteren Kreisen rühmlichst bekannten Künst- 
lerin wirklich ein Phänomen genannt zu werden verdienen, so dürfte 
es ein statistisches und psychisches Motiv haben, das Gebiet ihrer 
Leistungen genauer kennen zu lernen und im Zusammenhange zu 
überschauen , und wir glauben daher nicht nur den allgemeinen 
Musikinteressen zu dienen , sondern auch den speziellen .Kennern 
und Verehrern zu Gefallen zu sein, zugleich aber auch der hoch- 
verdienten Sängerin die angemessenste Feier ihres dreissigjährigen 
Wirkens zu bereiten, wenn wir eine auf die besten Quellen gegrün- 
dete Uebersicht ihrer Leistungen folgen lassen. Der Baum dieses 
Blattes gestattet nicht eine detaillirte Aufzählung der einzelneu 
Bollen dieser trefflichen Künstlerin zu geben, und wir beschränken 
uns daher auf folgende summarische Angaben. 

Frau Sophie Diez ist in 94 Opern und in 122 verschiedenen 
Bollen 1544 mal aufgetreten. Im Fache des Singspiels , der Posse 
etc. gab sie in 83 Stücken 89 Rollen in 635 Aufführungen, so dass 
sie also in 211 Bollen 2079 mal aufgetreten ist, was im 30jährigen 
Durchschnitt 70 Beschäftigungsabende per Jahr ergibt. 

Da jedoch auch die anderweitige Thätigkeit der Sängerin in 
Gastrollen und namentlich in Concerten einen grossen Factor zur 
Beurtheilung ihrer Leistungsfähigkeit bildet, so gehen der Summe 
von 2079 Darstellungen auf hiesiger Hofbühne weiter zu die Büh- 
nengastspiele derselben in Eegensburg, Nürnberg, Augsburg, Ulm, 
Stuttgart , Cöln , Mannheim , Freiburg, Darmstadt, Dresden, Aachen 
und Hamburg, 67 an der Zahl und die Summe der Leistungen in 
öffentlichen Concerten dahier sowie in andern Städten, welche sich 
auf 240 beläuft, und wovon allein auf die grossen Concerte der 
musikalischen Akademie dahier 140 treffen, so dass sich also eine 
Summe von 2381, d. i. auf 30 Jahre durchschnittlich im Jahre von 
80 Beschäftigungsabenden ergibt, ohne die nicht mehr bestimmbare 
Anzahl von Proben, Hof- und Hofcapelldiensten, sowie die Mitwir- 
kung bei andern kirchlichen Productionen und ohne den nebenher 
fortdauernden Antheil bei musikbeflissenen Privatgesellschaften uud 
Cirkelu in Anschlag zu bringen, wo die Liebenswürdigkeit und 
uneigennützige Aufopferung der unermüdlichen Sängerin sich allent- 
halben immer glänzend bewährt hat. 

Dass auf eine so lange Beihe von Jahren verhältnissmässig so 
wenig Gastspiele treffen, und dass Frau Diez manche Bolle sang, 
welche jede andere Gesangsgrösse in der Begel mit Stolz von sich 
weisen würde , bildet lediglich ein Zeugniss dafür , wie unser Lau- 
deskind weniger nach Geld und äusseren Ehren trachtete, sondern 
jederzeit bereit war, dem Interesse der Anstalt, welcher es ange- 
hörte, zu dienen und für dasselbe auch eine untergeordnete Stellung 
nicht zu missachten. 

Mögen diejenigen , welche allenfalls über diese Seite des Wir- 
kens unserer kleinen Heldin das Naschen rümpfen wollen, beden- 
ken, dass dieselbe Frau, welche es so vortrefflich versteht, die ein- 



fachste Tochter des Gebirgs in naivster Weise darzustellen, ebenso 
die Kraft und Bildung besitzt, die Meister Gluck und Mozart 
in einer Weise zu reproduciren, wie sie nicht leicht einer der jetzt 
lebenden deutschen Sängerinnen zu Gebote stehen dürfte. 

Und so wird es Jedermann klar geworden sein, dass er es hier 
mit einer an Leib und Seele gesunden Natur, mit einer ächten 
Priesterin Euterpens zu thun habe. 

Möge sie uns noch lange erbalten bleiben, möge aber auch die 
hochgeschätzte Sängerin sich nie und nimmer den Augenblick ent- 
fliehen lassen, der ihr gebietet, noch zur rechten Zeit vom äusseren 
Schauplatz ihres Buhmes abzutreten , auf dass uns immer die Erin- 
nerung den Stern im unversehrten Glänze zeige, welchen wir dank- 
bar nennen mit dem liebgewordenen Namen: „Sophie Diez." 



»Joachim in Paris. 



Der grösste Geiger unserer Zeit hat nun schon mehrmals im 
„Athenäum" und in Pasdeloup's Concerten gespielt, und seit 
langer Zeit hat Paris keinen ähnlichen künstlerischen Erfolg gesehen, 
wie ihn Joachim im Sturmschritt errungen hat. Die französischen 
Kritiker sind einstimmig in Anerkennung seiner genialen Behand- 
lungsweise des Instrumentes , auf welchem so viele" grosse Künstler 
aus Frankreich selbst hervorgegangen sind. Paul Smith schreibt 
in der ^Gazette musicale" unter Anderem ; „Wir bewundern an ihm 
vorzugsweise den Muth und die Kraft, womit er die Kunst des Vio- 
linspiels auf ihre einfache Grossartigkeit zurückgeführt hat. Bei ihm 
ist dies Instrument wieder die wahre Violine in ihrer Reinheit, ohne 
jene gekneipten Töne , welche an die Guitarre erinnern , oder jene 
Bogenhiebe, bei denen das Holz ebenso viel leistet wie das Haar. 
Joachim hat begriffen, dass man auf der Bahn des Uebertriebenen, 
Aussehweifenden nicht weiter vorgehen dürfe und dass man zur 
Vernunft zurückkehren müsse, wolle man nicht in's Ungeheuerliche 
verfallen. Dies ist der Weg, welchen die Kunst den Künstlern in 
den Zeiten der Uebersättigung, des Verfalls vorschreibt; doch bedarf 
es mehr Talent um dieses Gesetz zu beobachten als um es zu bre- 
chen, häufig genügt das Talent nicht mehr und es wird Genie er- 
fordert. Joachim scheint uns reichlich damit begabt zu sein , und 
er hat die Fähigkeit , sich mit den Werken der verschiedensten 
Meister zu ideutificiren, im höchsten Grade bewiesen durch den Vor- 
trag der Werke von Spohr, Mendelssohn, Viotti und Beethoven, so 
dass es schwer zu bestimmen wäre, welche dieser Compositionen er 
am Besten aufgefasst und wiedergegeben hat." 



CORRESPONDENZEN. 



Ans München. 

g. December. 

Zum grossen Vergnügen der hiesigen Musikfreunde, deren Häuf- 
lein alljährlich wächst , haben sich die HH. Concertmeister Jos. 
Walter und die Hofmusiker Closner, Thoms und Hippolyt 
Müller wiederum entschlossen, drei Quartettsoireen zu geben. Die 
erste ging , äusserst zahlreich besucht , vor etwa vierzehn Tagen 
glücklich in Scene und lieferte auf's Neue den Beweis, wie diese 
vier Herren unermüdet nach grösserer Vollendung und Abrundung 
ihren Spieles trachten. Zur Aufführung kam: Quartett in F-dur von 
Jos. Haydu (Op. 77, N° 32), Quartett in D-dur von W. A. Mozart 
(Op. 14), uud unter Mitwirkung des Hrn. Hofmusikers C. Bamftler 
Quintett in C-dur von L. van Beethoven (Op. 29). Hm. Walter's 
Geige jubelte und sang wieder, dass es in der That eine Lust war 
ihr zuzuhören, und die anderen Theilnehmer des Quartetts unter- 
stützten ihn in künstlerisch-wirksamer Weise. Eine recht minutiöse 
Kritik könute vielleicht im 3. Satz des Haydn'schen Quartetts die 
erste Violine in dem Augenblick etwas mehr piano gewünscht haben, 
wo das Cello das Hauptmotiv bringt. Den vierten Satz könnten 
wir uns gerade von diesen Künstlern trotz seiner angehäuften Schwie- 
rigkeiten noch ruhiger, bestimmter gespielt denken. 

In der zweiten Soiree brachten sie Haydn's Es - dur - Quartett 
Op. 9, N* 20 zur Aufführung , eine Composition , in welcher die 
erste Violine in auffallender Weise präponderirt, dann das C-moll» 



- 207 



Quartett Op. 9 von Max Bruch, ein Werk, dessen Gedanken sich 
nur gezwungen in die engen Grenzen des Quartetts schieben lassen, 
und endlich Schubert 1 » A-inoll - Quartett Op. 29, ein wahres Rosen- 
heet der duftigsten Gedanken. Die Darstellung selbst war tadellos. 
Das zweite Abonnementconcert der musikalischen Akademie 
trug an der Spitze seines Programms die „Wallensteinsinfonie" von 
Rheinberger. Es fällt mir nicht ein, für oder gegen Programm- 
musik Thesen und Antithesen aufzustellen : die Feststellung der 
Grundsätze in diesem Capitel muss einer späteren Zeit überlassen 
werden, die Gegenwart ist noch zu viel Partei und kann desshalb 
noch kein gültiges Votum abgeben. Es liegt mir viel mehr daran, 
das genannte Werk zu interpretiren, als Principien zu reiten. — In 
dieser seiner Wallenstein-Sinfonie wollte Rheinberger die hauptsäch- 
lichsten Empfindungen, welche die Schiller'sche Trilogie hervorruft, 
in der Sprache der Musik zur geistigen Anschauung bringen, und 
von seihst boten sich demzufolge die vier Sätze. Rheinberger gab 
folgendes Programm: l.Satz: Wallenstein. 2. Satz: Thekla. 3. Satz: 
Lagerscene und Kapuzinerpredigt. 4. Satz: Wallensteins Tod (Ver- 
schwörung, Seni, Trauermarsch). 

Wir wollen versuchen , den Inhalt dieses in jeder Beziehung 
grossartigen Werkes noch ausführlicher zu geben, um Ihren Lesern 
die Idee desselben zur verständlicheren Anschauung zu bringen. 
Im ersten Satz, der fest und abgeschlossen, ernst und würdig auftritt, 
sich so fortbaut und abschliesst , ist das volle Bild eines entschie- 
denen Characters gegeben. Schon pHich das erste Motiv nimmt 
das Interesse des Zuhörers gefangen ; die Form ist knapp und kräftig 
und dem Gedanken entsprechend. — Im zweiten tritt uns Thekla 
in der Maienzeit ihres Lebens entgegen ; rosenroth liegt die Welt 
vor ihrem Auge , und aus jedem Tone spricht unendliches Liebes- 
glück. Doch das wechselt bald mit dem Abschied von dem Geliebten, 
und finsterer wird der Himmel über ihr. Schmerzliches Bangen und 
tiefe Sehnsucht fällt ihre Seele , da erfährt sie die Nachricht von 
dem Tode des Mannes ihrer Wahl und stumm und gebeugt begräbt 
sie hinter den öden Klostermauern die Hoffnungen ihres Herzens. — 
Das Scherzo führt erst drei Marschmotive von verschiedenem Cha- 
racter vor, um auf diese Weise das Durcheinander der Stände zu 
zeichnen, die im Wallensteinischen Lagei vei treten waren. Daran 
reiht sich ein lutherisches, marschartig-es Lied (allerdings einer etwas 
späteren Zeit entstammend), und diese vier Motive combinirte der 
Tondichter mit der ihm ganz eigenthümlichen Kunst auf eine äusserst 
interessante Weise. Die Kapuzinerpr "li^t -t der Inhalt des Trio. 
Der fanatische Mönch wird mit köstlichem Ünmor von den Bässen 
und den tiefen Blasinstrumenten atigekündigt, er tritt auf und be- 
ginnt mit komischer Salbung seine Predigt. Gross ist sein Zorn, 
doch allmählig verdünstet dieser; so oft aber der Eifer zu ermatten 
beginnt, ertönt neckend und höhnend das lutherische Lied, so dass 
die verglimmende Glut neu aufschlägt in lichten Zornesfiammen, und 
das Pathos der Predigt immer lauter und wüthender wird. Doch 
stärker und bestimmter erklingen die Soldatenlieder, bis sie endlich 
den Prediger in der Wüste übertönen und vollständig verdrängen. 
— Im letzten Satz zeichnet Rheinberger Wallenstein's Glaube an 
den Eiufluss der Sternenwelt auf sein Schicksal. Mancher Ihrer 
Leser lächelt vielleicht darüber ungläubig und meint , dieser Ge- 
danke lasse sich nicht musikalisch darstellen. Doch da irrt er sich. 
In dem Motiv, das Rheinberger anschlägt, liegt etwas Erhabenes, 
Ernstes, wie die Nacht mit ihrer Sternenpracht, und in dem Mangel 
an eigentlicher Peiiodisirung ist das Weite, Unendliche symbolisch 
höchst glücklich und leicht verständlich ausgesprochen. Dieses in 
seiner Stimmung ergreifende Bild wird duich einen sehr bewegten, 
wilde Leidenschaft athmenden Satz verdrängt, in welchem die Ver- 
schwörung gegen Wallenstein gezeichnet werden will. Da tritt Seni 
auf, seine Warnung klingt schmerzlich, Unheil verkündend : er hat 
es ja am Himmel gelesen , dass ein gräulich Zeichen im Haus des 
Lebens steht, dass ein naher Feind, ein Unhold hinter den Strahlen 
des Wallenstein'schen Sternes lauert. Umstonstl — die Warnung 
erklingt unbeachtet, und das Schicksal muss sich erfüllen: Wallen- 
stein fällt! 

Das ist, 40 weit wir bei einer einzigen Aufführung das grosse 
interessante Werk aufzufassen und zu durchschauen im Stande 
waren, der Gedankengang in der Composition. Allerdings hat Rhein- 
berger Wallenstein nicht in seiner vollen Tiefe erfasst, der Revo- 
lutionär par excellence, das Gegenbild des ersten Napoleons , wel- 



cher der Kraft des Genies den Vorzug vor dem Throne gibt, auf 
den nur die Geburt verholfen, blieb in der Sinfonie ganz unaus- 
gesprochen und doch liegt eigentlich darin seine grosse dramatische 
Bedeutung. Aber schon das, was Rheinberger bietet, ist unendlich 
viel und auf- und abwogen in wechselnder Farbenpracht die Stim- 
mungen, gross und eindrucksvoll, wie sie die Trilogie heraufzau- 
bert. In der Erfindung seiner Motive ist Rheinberger, wie immer» 
nobel und vielseitig, in der Durchführung geistreich und pikant; 
die Instrumentation beweist uns , dass er viel über Klangwirkung; 
nachgedacht und ihre Begründung wohl erfasst habe; ein charac- 
teristisches Colorit zeichnet jeden Satz aus. 

Wenn sich der Componist entschliessen könnte, einige Aende- 
rungen und Kürzungen (zumal im vierten Satz) vorzunehmen, welche 
den Zweck hätten, die Architektur in ihren schöngegliederten Ver- 
hältnissen herzustellen und die Composition bis zum Schlüsse zu 
steigern, so würde die Novität sicherlich als lieber Gast in jedem 
Concertsaal, wo gute Musik mit Ernst gepflegt wird, aufgenommen. 
Rheinberger, der selbst dirigirte, wurde von dem Publikum mit Bei- 
fall überschüttet. 

Auf diese Sinfonie folgte eine oberflächliche Arie aus der Oper 
„Graf Ory" von Rossini, von Fräul. Deinet mit Virtuosität vor- 
getragen. 

Die „Wasser- und Feuermusik" von G. F. Händel, die im 
vorigen Jahr bei ihrer ersten Aufführung so freundliche Aufnahme 
fand, erquickte und entzückte auch diesesmal wieder die Herzen 
der Zuhörer. Bei der Gelegenheit erwähnen wir rühmend der vor- 
züglichen Leistung des Hrn. Freitag, welcher sein Flageolettsolo 
mit delikater Kunst vortrug. Die letzten Nummern des Programms, 
das Finale des ersten Aktes aus der Oper , Cosi fan tutte" von 
Mozart und die Ouvertüre zu „Leonore" Nr. 1 wurden von dem 
schon grösstentheils ermüdeten Concertpublikum nicht mehr mit 
der gebührenden Aufmerksamkeit angehört: das Programm bot zu 
viel des Guten und auch das schadet. 

Auf dem Hoftheater wurde ein idyllisches Singspiel von J. 
Weigl „Nachtigall und Rabe a neu einstudirt. Bei der Aufführung 
erwies sich der Stoff und die Musik desselben als so veraltet, dass 
eine Wiederholung desselben wohl eine Art Vogelscheuche für die 
Theaterbesucher bilden wird. 

Wir hören, dass die Hofmusikintendanz mehreren Componisten 
den Auftrag gegeben habe, für das Streichquartett Zwischenacts- 
musik zu componiren, damit den Bläsern der Dienst erleichtert 
werde und ihre Gegenwart bei den Schauspielen nicht immer not- 
wendig sei. Solche Einrichtung gibt ein rühmliches Zeugniss von 
der humanen Denkweise des Baron Perfall. 

Auch das loben wir, dass jetzt die Zwischenactsmusik knapp 
vor Beginn eines Actes gespielt werden muss und nicht mehr, wie 
es bisher üblich war, dem abgespielten Acte nachhumpelt. Ist der 
Regisseur mit seinen Vorbereitungen zu Ende, so gibt er ein Zei- 
chen, die Musik hebt an und augenblicklich hinter ihr hebt sich 
der Vorhang. Diese Einrichtung, die Anfangs allerdings überall so 
gedacht wurde, aber im Laufe der Zeit sich anders gestaltete, ver- 
diente wieder aufgefrischt zu werden und wir empfehlen das hier 
gegebene Beispiel zur Nachahmung. z. 



I » c ii r i c h t e ii. 



Mainz. Am 14. Dezbr. veranstaltete der „Kunst- und Literatur- 
verein" wieder ein Concert im Saale des Frankfurter Hofes , in 
welchem als auswärtige Gäste die HH. Wallerstein, Pianist, 
Wolf, Violinist und Lübeck, Violoncellist, sämmtlich aus Frank- 
furt a. M. auftraten uud ein sehr zahlreiches Auditorium anzogen. 
Das Es-dur-Trio von Fr. Schubert, von den genannten drei Künst- 
lern vorgetragen, vermochte nicht zu erwärmen, da die Ausführung 
desselben nicht sorgfältig genug vorbereitet erschien ; dagegen 
erndtete Hr. Lübeck, den wir schon in dem Concerte der Gebrüder 
Thern als ausgezeichneten Meister auf seinem Instrumente kennen 
gelernt hatten, wieder den ungetheilten und wohlverdienten Beifall 
des Publikums durch den Vortrag eines Adagio's, wir wissen nicht 
von wem (statt des angekündigten Concertes von Goltermann), und 
einer Fantasie von Servais über Motive aus der „Regimentstochter/ 
Wir verweisen auf unser früheres Urtheil über diesen vortrefflichen 



208 - 



Künstler. Hr. Wallerstein spielte ausser dem genannten Trio ein 
Nocturne von eigener und eine Saltarella von Dreyschock's Conipo- 
aition mit Yollendeter Technik und fein nüancirtem Vortrag; doch 
hätten wir eine glucklichere Wahl gewünscht. Hr. Wolff vermochte 
mit seinem Salonstack von Vieuxtemps nicht durchzudringen. Frl. 
Bentz vom Stadttheater sang zwei Lieder von Soltans mit vielem 
Beifall, und den Schluss des Concertes machte der Männerchor: 
»Das Küchlein" von Becker , von dem Gesangverein „Frauenlob" 
unter Direction des Hrn. Soltans mit schöner Wirkung vorgetragen. 

Berlin. Am 4. d. M. fand , wie schon gemeldet, die lange er- 
wartete 300. Aufführung der „Zauberflöte statt, unter ausserordent- 
lichem Zudrang des Publikums, an welches vor dem Beginne der 
Vorstellung eine Zusammenstellung interessanter Notizen über die 
früheren Darstellungen auf der kgl. Bühne , Rollenbesetzungen etc. 
gratis vertheilt wurden. Die sämmtlichen Decorationen waren nach 
Scbinkel'schen Entwürfen von Gropius und Lechner neu ge- 
malt, die Costtime glänzend und geschmackvoll und die Maschine- 
rien sinnreich und von schöner Wirkung. Die ersten Bollen waren 
besetzt durch Frau H a r r i e r s-W i p p e r n (Pamina), Frau Beringer 
(Königin der Nacht), Frl. Frieb (Papagena) und die HH. Krüger 
(Tamino), Frieke (Sarastro), K r a u s e (Papageno), Basse (Monos- 
tatos) und Betz (Sprecher). Die drei Damen waren durch die Frls. 
Börner, Gev und v. Edelsberg, die drei Knaben durch die 
Frls. Horina, Nolte und Bahr vortrefflich besetzt. Chor und 
Orchester leisteten unter der Direction des Hrn. Rad ecke Vor- 
zügliches , so dass die ganze Aufführung eine mustergültige zu 
nennen ist. 

Hamburg. Am 6. December fand zum Besten des St. Nicolai- 
thurmbaues ein geistliches Concert in der St. Michaeliskirche unter 
der Leitung des Hrn. Ludwig Deppe statt, dem ein äusserst 
zahlreiches Auditorium beiwohnte, so dass die Kirche in allen ihren 
Räumen gefüllt war. Das Programm enthielt das t , Requiem" von 
Mozart und den zweiten Theil des Oratoriums „Israel in Egypten" 
von Händel, welcher unter dem Titel „Moses Gesang" ein selbststän- 
diges Ganze bildet. Die Solopartien waren in ausgezeichneter Weise 
besetzt; sie befanden sich in den Händen der Damen Frl. Tietjens 
und Fr. Joachim, sowie der HH. Schild, Stockhausen und 
Schulze. Hr. Osterholdt spielte die Orgel und Hr. Armbrust 
die Ciavierbegleitung zu den Recitativen. Der Chor zählte 250 
Stimmen, und das Orchester bestand ausser einem vollen, kräftigen 
Streichchor aus doppelter Besetzung der Blasinstrumente. Die beiden 
unvergleichlichen Werke wurden in vollendeter Weise durchgeführt, 
uud nur die Heiligkeit des Ortes vermochte den enthusiastischen 
Beifall zurückzuhalten , welcher sonst den Leistungen der Solisten 
wie des Chors und Orchesters gar häufig gespendet worden wäre. 
Hr. Deppe hat sein Directionstalent wieder auf das Glänzendste be- 
währt, und sowie das Publikum höchst befriedigt das Gotteshaus 
verliess, so wurde auch der äusserliche Zweck des Concertes durch 
Erzielung einer reichlichen Spende zu dem Thurmbau vollkommen 
erreicht. 

Wien. Am 22. und 23. d. M. finden im Hofburgtheater die 
herkömmlichen Akademien des Tonkünstler - Wittwen und Waisen- 
Versorgungsvereins „Haydn" statt, und wird an beiden Abenden 
unter Leitung des Hrn. Hofoperncapellmeisters Esser die „Schöpf- 
ung u von Jos. Haydn zur Aufführung kommen. Die Soli werden 
von Frl. v. Murska und den k. k. Kammersänger Gustav Wal t er 
und Dr. Carl Schmid gesungen werden. 



BrÖSSel. Nach der Beerdigung des unvergesslichen S e r v a i 9 
fasste eiue zahlreiche Versammlung von angesehenen Bürgern Ha?» 
den Entschluss, das Andenken des geschiedenen Künstlers durch ein 
Monument zu verewigen, welches demselben auf einem der öffent- 
lichen Plätze der Stadt errichtet werden soll. Eine Commission zu 
diesem Zwecke hat sich bereits unter dem Vorsitze des Bürgermeister» 
der Stadt gebildet. Die Hubscriptionslisten sollen sofort in Umlauf 
gesetzt werden und werden auch ohne Zweifel bald mit zahlreichen 
Unterschriften bedeckt sein. 

*#* Der ausgezeichnete Violoncellvirtuose Hr. Concertm. J. de 
S w e r t in Düsseldorf hat von dem Fürsten von Hohenzollern die 
grosse goldene Medaille .,Bene merenti* erhalten. Hr. de Swert 
hat unlängst wieder Proben seiner Virtuosität abgelegt, indem er im 
3. Winteiconcert in Düsseldorf eine Fantasie über schwedische Volks- 
lieder von eigener Composition, eine Melodie aus Max Bruch's Oper 
„Loreley" und zwei Gavotten von S. Bach vortrug und stürmischen 
Beifall hervorrief. 

*** Am Sonntag den 16. d. M. fand im Redoutensaale in Wien 
die erste Aufführung der Legende: „Faust's Verdammniss," für Soli, 
Chor und Orchester von B e r 1 i o z unter Mitwirkung von Fräul. 
Bettelheim, Hrn. Walter, des Singvereins und des Vereins- 
orchesters und unter des Componisten persönlicher Leitung statt* 
Der Beifall war ein ausserordentlicher. Näheres hierüber wird uns 
wohl unser Wiener Correspondent recht bald mittheilen. 

%* Der „Liederkranz" in Biber ach (Würtemberg) feierte un- 
längst das Enthüllungsfest der Büste des verdienstvollen Componisten 
und Organisten J. H. Knecht (siehe den Aufsatz: „Zwei Pastoral- 
sinfonien" in N° 48 dieses Blattes), welcher in Biberach lange Zeit 
als Organist gewirkt hat. 

*** Carl Reine ck e, Capellmeister und Dirigent der Gewand- 
hausconcerte in Leipzig hat eine grosse Oper in 5 Acten, betitelt: 
„König Manfred," Text von Friedrich Röber, vollendet. 

*** Die Schauspielerin R i s t o r i hat in New - York während 
zwei Monaten für ihren Theil die fabelhafte Einnahme von 100,000 
Dollars erzielt. 

*** Am 27. November wurde in Bremen das Oratorium 
„Jephta" von Reinthaler unter Mitwirkung von Hrn. Hill aus 
Frankfurt a. M., Frau Rübsam und Hrn. Gar so aufgeführt. 

%* Abert's „Astorga" wird auch in Weimar zur Aufführung; 
vorbereitet. 

* m * In New-York fand vor Kurzem ein „Kirchenconcert"* 
mit folgendem merkwürdigem Programm statt: Männerquartett von 
J. Becker; „Der Trompeter" von Speyer; Ciavier -Variationen über 
ein englisches Volkslied; Tenorarie aus Rossini's „Stabat mater"^ 
Duett von Kücken; Männerquartett von Kreutzer; „Schlafe wohl, 
du süsser Engel," Lied von Abt; Terzett aus Verdi's „Attila" etc. 

%* Abermals ein Theaterbrand ! Im Theater des Nouveaulds 
in Paris brach am 3. December kurz vor Beginn der Vorstellung 
Feuer auf der Bühne aus, welches mit furchtbarer Schnelligkeit um 
sich griff und in eiu paar Stunden das gauze Gebäude einäscherte. 

*** Abert's „Astorga" wurde in Schwerin und Prag mit 
grossem Beifall aufgeführt. 

*sis* Frl. Marie Wi eck ist in Florenz im ersten Concert der 
philharmonischen Gesellschaft mit glänzendem Erfolg aufgetreten. 

*** Frl. Orgenji gastirt mit vielem Glück in Breslau. 

f In Leipzig starb kürzlich der dort als Componist und Sänger 
sehr beliebt gewesene Tonkünstler Julius Borsdorf. 



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31. Dezember 1866. 



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$C$* Mit dem 1. Januar 1867 beginnt der 16. Jahr- 
gang der Süddeutschen Ullis ik - Zeitung. 

Ihrer bisherigen Haltung getreu, wird sie auch künftig ein 
unparteiischer Berichterstatter aller bedeutenden Vorkomm- 
nisse im musikalischen Leben sein, wichtige Fragen in 
eigenen Artikeln erörtern und den Lesern durch biogra- 
phische und musikgeschichtliche Aufsätze eine ebenso 
angenehme wie belehrende Unterhaltung bieten. 

Wir bitten um rechtzeitige Bestellung; alle Post- 
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Preis: fl. 2. 42 kr. od. Thlr. 1. 18 Sgr. per Jahr. Wöchent- 
lich eine Nummer. 

Jspebiüon bcr fub&euffdjen '§8tt|tö-5eifttttfl. 
Musiker- Brie f e« 

Von Ludwig Nobl. 



'U 



II. 

Gegen Ende des Jahres 1789 scheint Hardn wieder einmal nach 
Wien gekommen zu sein, und es erneuten sieb jene angenehmen 
musikalischen Zusammenkünfte im Gennzinger'schen Hause, wo be- 
sonders Haydn's neueste Quartettschöpfungen durebprobirt wurden. 
Leider dauerte die Freude nicht lange, denn schon am 3. Februar 
1790 muss der Meister traurigen Gemüthes seine Abreise melden, 
und am 9. Februar erfolgt von dem öden Estoras, dem Landsitze 
des Fürsten Esterhazy aus, eine wahre Submerzensepistel, worin aller 
Uumuth und jede Bekümmerniss und Sehnsucht der theilnehmenden 
fernen Freundin in wärmsten, halb komischen Worten ausgeschüttet 
wird. Wir lassen diesen Brief in seiner ganzen originellen Aus- 
drucksweise hier folgen. * 

„Wobledelgeborne 
Sonders bochsebätzbarste — Allerbeste Frau v. Gennzinger! 
Nun — da sitz ich in meiner Einöde — verlassen — wie ein 
armer Waiss — fast ohne menschliche Gesellschaft — traurig — voll 
der Erinnerung vergangener edlen Tage — ja leider vergangen — 
und wer weiss, wann diese angenehme Tage wieder kommen werden? 
diese schönen Gesellschaften? wo ein ganzer Kreis Ein Herz, Eine 
Seele ist — alle diese schöne musicalische Abende — welche sich 
nur denken and nicht beschreiben lassen — wo sind alle diese Be- 
geisterungen? — — Weg sind sie — und auf lange sind sie weg. 
Wundern sich Euer Gnaden nicht, dass ich so lange von meiner 
Danksagung nichts geschrieben habe! ich fände zu Haus alles ver- 
wirrt, 3 Tage wusst ich nicht, ob ich Capellmeister oder Capelldiener 
war, nichts konnte mich trösten, mein ganzes Quartier war in Un- 
ordnung , mein Fortepiano, das ich sonst liebte, war unbeständig, 
ungehorsam, es reizte mich mehr zum Aergern als zur Beruhigung, 



ich konnte wenig schlafen, sogar die Träume verfolgten mich, denn 
da ich am bebten die Opera le Nozze di Figaro*) zu hören 
träumte , weckte mich der fatale Nordwind auf und blies mir fast 
die Schlafhauben vom Kopf. Ich wurde in 3 Tagen um 20 Pfund 
magerer, denn die guten Wiener Bisserl verloren sich schon unterwegs. 
Ja ja, dacht ich bei mir selbst, als ich in meinem Kosthaus statt 
dem kostbaren Riudfleisch ein Stück von einer 50jährigen Kuh T statt 
dem Ragout mit kleinen Kuöderln einen alten Schöpsen mit gelben 
Murken, statt dem böhmischen Fasan ein ledernes Rostbrätl, statt 
den so guten und delicaten Pomeranzen einen Dscbabl oder soge- 
nannten Gros-Salat, statt der Backerei dürre Aepfel-Spältl und Hasel- 
nuss — und so weiter speisen musste. — Ja ja, dacht ich bei mir 
selbst, hätte ich jetzt manches Bisserl, was ich in Wien nicht habe 
verzehren können. — Hier in Estoras fragt mich niemand, schaffen 
Sie Chocolade — mit oder ohne Milch, befehlen Sie Carle, schwars 
oder mit Obers (Rahm), mit was kann ich Sie bedienen, beste« 
Havdn, wolleu Sie Gefrornes mit Vanille oder mit Ananas? Hätte 
ich jetzt nur ein Stück guten Parmesan Käse , besonders in der 
Fasten , um die schwarzen Nocken und Nudeln leichter hinab zu 
tauchen, ich gab eben heute unserm Portier Commission, mir ein 
paar Pfund binabzuschicken. 

Verzeihen Sie , allerbeste gnädige Frau , dass ich Ihnen da« 
allererstemal mit so ungereimtem Gezeug und der elenden Schmiererey 
die Zeit abstehle, verzeihen Sie es einem Manne, welchem die Wiener 
zu viel Gutes erwiesen haben, ich fange aber schon an mich nach 
und nach an das Ländliche zu gewöhnen, gestern studirte ich zun 
erstenmal und so ziemlich Haydnisch. 

Euer Gnaden werden gewiss fleisBiger als ich gewesen sein. Das 
gefällige Adagio aus dem Quartett wird hoffentlich schon den wahren 
Ausdruck durch Dero schöne Finger erreicht haben. Meine gut« 
Fräulein Peperl wird sich (hoffe ich) durch öfteres Absingen der 
Cautate auch des Meisters erineren, besonders bey reiner Aussprache 
und genauer Vocalisirung , denn es wäre eiue Sünde, wenn eine so- 
schöne Stimme in der Brust versteckt bliebe, ich bitte desshalb Hin- 
ein öfteres Lächlen, sonst geht mir ganz gewiss etwas vor. Den 
Moos. Francis **) empfehle ich mich ebenfalls in sein musicalisches 
Talent. Wenn er auch im Schlafröckl singt, es geht doch immer gut, 
ich werde zur Aufmunterung öfters etwas neues übermachen. Unter- 
dessen küsse ich nochmal die Hände für alle mit erwiesene Gnaden, 
und bin mit vorzüglichster Hochachtung zeitlebens etc." 

Noch ein kurzer, aber durch die darin ausgesprochene Bewun- 
derung, welche der grosse Meister für Mozart'« Geuius hegte, be- 



*) Mozart'» „Figaro" war im Augnst 1789 in Wien wieder auf die 
Bühne gebracht und von Neuem mit grossem Beifall aufgenommen, 
worden. Auch von „Cosi fern tutte* fand am 21. Januar 1790 
die erste Auffuhrung statt und am 28. und 30. Januar die fol- 
genden. Merkwürdig, dass Haydn dieses neuesten Werkes seines 
verehrten Freundes nicht erwähnt» Es scheint aber überhaupt 
keinen sonderliehen Erfolg gehabt zu haben. 

**) Josepha und Franz, die ältesten Kinder der Frau V. Gennzinger 



210 



sonders interessanter Brief Haydn's an den Provinzialoberverwalter 
Roth in Prag möge hier eine Stelle finden. Er lautet wie folgt: 

„Sie verlangen eine Opera buffa von mir. Recht herzlich gern, 
wenn Sie Lust haben von meinen Singcompositionen etwas für sich 
allein zu besitzen. Aber um sie auf dem Theater zu Prag aufzu- 
führen, kann ich Ihnen diesfalls nicht dienen, weil alle meine Opern 
zu viel an unser Personal (zu Esterhaz in Ungarn) gebunden sind, 
und ausserdem nie die Wirkung hervorbringen würden, die ich nach 
der Lokalität berechnet habe. Ganz was anders war es, wenn ich 
das unschätzbare Glück hätte, ein ganz neues Buch für das dasige 
Theater zu componiren. Aber auch da hätte ich noch viel zu wagen, 
indem der grosse Mozart schwerlich jemanden andern zur Seite 
haben kann. 

Denn könnte ich jedem Musikfreunde , besonders aber den 
Grossen , die unnachahmlichen Arbeiten Mozart's so tief und mit 
einem solchen musikalischen Verstände, mit einer so grossen Em- 
pfindung in die Seele prägen, als ich sie begreife und empfinde : so 
würden die Nationen wetteifern, ein solches Kleinod in ihren Ring- 
mauern zu besitzen. Prag soll den theuern Mann festhalten — aber 
auch belohnen; denn ohne dieses ist die Geschichte grosser Genien 
traurig und gibt der Nachwelt wenig Aufmunterung zum fernem 
Bestreben; wess wegen leider so viel hoffnungsvolle Geister darnieder 
liegen. Mich zürnet es , dass dieser einzige Mozart noch nicht bei 
einem kaiserlichen oder königlichen Hofe engagirt ist! Verzeihen 
Sie, wenn ich aus dem Geleise komme : ich habe den Mann zu lieb." *) 



Concerte des Darmstädter Musik -Vereins. 



1. 

Der Verein hat bis jetzt zwei Concerte gegeben; in dem ersten 
führte er Händel's „Messias" auf. Im vorigen Winter war das letzte 
Concert Bach's „Passionsmusik" gewesen ; dieses zufällige Zusammen- 
treffen, wie die Gleichartigkeit in ihrer Idee lässt eine Vergleichung 
der beiden Werke rechtfertigen. Sie sind beide die höchsten Leist- 
ungen ihrer Meister; in einer Periode, kurz hinter einander ent- 
standen (die „Matthäus-Passion" 1729, der „Messias" 1741) sprechen 
sie auch am Grossartigsten die Idee ihrer Zeit aus: das Zusammen* 
fassen der Nation zur sittlichen Wiedergeburt. Diese Wiedergeburt 
konnte nicht anders geschehen , als durch die Erkenntniss der 
lautersten, reinsten Idee, das Bewusstsein der Menschenwürde, der 
Menschenliebe und unbedingten Gerechtigkeit. Keiner hat diese 
Idee herrlicher durch die eigene That bewiesen als Jesus Christus- 
Für die sittliche Reformation mussten die Künstler zur Darstellung 
dieses Helden greifen : die „Passion" und der „Messias" sind die 
Darstellungen des Christus, wie ihn das 18. Jahrhundert erkannte; 
sie unterscheiden sich nur wie die Charactere ihrer beiden Schöpfer. 

Bach stellt seinen Christus als den Repräsentanten der unbe- 
dingten Wahrheit, Treue und Herzensgüte dar, als den einfachen 
Lehrer, der in kleinem Kreise wirkt, aber durch den Opfertod, 
mit dem er seine Lehre besiegelt, so mächtig überzeugt, dass Tau- 
sende von Schülern für seine Idee gewonnen werden, und von Ge- 
schlecht zu Geschlecht seine Lehre fortpflanzen. Zu seiner Grösse 
gelangt dieser Christus erst im Lauf der Jahrhunderte , wenn die 
ganze Menschheit sich zur Lehre der Wahrheit und Treue bekehrt 
hat, wenn die Menschenliebe thatsächlich geübt wird. Händel 
war es nicht gegeben, so bescheiden aufzubauen, blos zu überzeugen» 
in der Voraussicht , dass die späteren Geschlechter den Triumpb- 
gesang beginnen würden ; er musste siegen. Drum ist sein 
Christus nicht mehr der bescheidene Lehrer, sondern der von der 
Menschheit anerkannte Reformator, den die Menschheit im 
Triumphgesang feiert und anruft, wiederzukehren, um ihr fort und 
fort aus ihren Nöthen zu helfen. 

Der Idee entsprechend, stellt Bach seinen Christus leibhaftig 
dar, in seinem Schaffen und Wirken, in seinem Leben und Leiden. 
Die muthige Ueberwindung des langsamen Martertodes war seine 
grösste, seine all' überzeugende That. Die Ueberzeugung thatsäch- 



, *) Gerade um dieselbe Zeit übrigens ward an Stelle des soeben ver- 
storbenen Gluck Mozart am kaiserlichen Hofe in Wien ange- 
stellt, und zwar mit — 800 fl. Gehalt. 



lieh zu zeigen , stellte er dieser That die zuschauende , mitempfin- 
dende Gemeine gegenüber, deren Mit- Leiden die wirkliche Ueber- 
zeugung aussprach. Händel brauchte zur Darstellung des Reforma- 
tors nicht das Thatsächliche aus seinem Leben, sondern das Ideelle. 
Zwar schildert er auch den ganzen Verlauf seines Lebens, aber nicht 
das Leibhafte, sondern blos die Wirkung seiner Lebens-Epochen auf 
die Menschheit. Die Völker wandelten im Dunklen ; da erschien 
das grosse Licht, das die Finsterniss erleuchtete. Sie frohlockten 
und jauchzten bei seinem Entstehen ; dann, wie es sie zu versengen 
drohte , löschten sie's aus. Das Licht aber erklomm wieder und 
leuchtet nun in alle Ewigkeit. 

Bach's Christus, der überzeugen sollte, musste den Schmerz 
erwecken; denn nur der Schmerz, die Noth zwingt zum Mitempfin- 
den, zum Nachdenken. Die ganze Erzählung, wie die Theilnahme 
der Gemeine ist ein fortwährender Klag- Gesang, ein grosser pro- 
phetischer Jammer, der dem, der ihn einmal wahrhaft empfunden 
hat, nie wieder aus dem Gedächtniss schwindet. Er wirkt in ihm 
fort, wie ein ewiges Läuterungsfeuer, das stets aufflammt, so wie 
ihn die Noth wieder an seine Verirrung gemahnt. Händel, der seine 
Idee in ihrer ganzen Grösse zeigen will , darf nicht mit Klagen 
kommen; er muss jubeln, frohlocken. Sein ganzer Messias ist dess- 
halb ein ewiger Triumph-Gesang. Das Halleluja zieht vom 
Anfang bis zum Ende, und so steht es auch dem, der die Kraft in 
sich fühlte es mitzusingen, als ein ewig leuchtender Stern vor Augen, 
der in allen Fähren und Nöthen erweckt und ermuntert. 

Mit Rücksicht auf die musikalische Form ist Bach's Gesang 
stets einfach, schmucklos, die knappste Zeichnung, die nur zu denken 
ist. Die Striche sind aber tief eingerissen, wie bei einem Dürer' - 
sehen Holzschnitt. Dann ist jede Gestalt bis ins Kleinste ausge- 
zeichnet; daist nichts vergessen, denn zur unbedingten Ueberzeugung 
soll Alles vollständig sein. Händel singt auch einfach , aber gross, 
prunkvoll ; wie Rubens zieht er breite, feste Striche mit einem Zug 
über die ganze Wand. Wenn Bach viele Sänger bedarf, um das 
reich gestaltete Leben in allen Einzelnheiten darzustellen, so braucht 
Händel die Massen, um mit seinem Vollgesang das Himmelsgewölb 
zu erschüttern. Bach's Instrumente dienen blos zu einer leichten 
Färbung des Gesangs ; er will blos so viel färben , als zum Leben 
unbedingt nötbig ist. Ein Geigenchor, ein paar Flöten und Oboen, 
das genügte ihm neben seiner Orgel. Händel will nicht blos färben, 
er will malen , mit dicken , glänzenden Farben , die Licht strahlen. 
Ausser den vollen Registern seiner Orgel braucht er noch Trompeten 
und Posaunen ; das muss Alles erschüttern und zusammenschlagen. 
Glücklicherweise fand er noch den trefflichen Ausleger seiner Werke, 
der mit der Errungenschaft einer späteren Zeit seine Absichten ver- 
wirklichen konnte , das war Mozart. Ein Mann von derselben 
Lebenslust und Sangesfreudigkeit wie Händel , so konnte er mit 
seiner vervollkommneten Instrumentation ausmalen, was dem älteren 
Meister nicht vergönnt war. 

Aus dem Character der Stücke ergibt sich dann die Verschieden- 
heit der Aufführung. Bach , der den einfachen Lehrer darstellt, 
will überzeugen, verstanden werden. Klarheit der Sprache, Bestimmt- 
heit des Aufdrucks, Wahrheit, die an die wirkliche That glauben 
lässt, sind die ersten Erfordernisse der Ausführenden. Weil der 
Rede stets eine bedeutsame That folgt, muss jedes Wort mit äusser- 
ster Schärfe gesprochen sein, mit einer Characteristik , wie wir sie 
in den allerbedeutendsten Lagen des Lebens finden. Händel , der 
den sieghaften Reformator darstellt, will nicht mehr überreden, 
sondern triumpbireu. Begeisternde Gluth, die eutzüudet, fortreisst, 
Titanenkraft, die einen Olymp auf den Ossa thürmt, um den Himmel 
zu stürmen , das sind die Erfordernisse für die Ausführenden. Die 
„Passion" verlangt mehr feine Declamation , dem Darsteller muss 
die ganze Kunst des Schauspielers zu eigen sein. Der „Messias" 
erfordert den eigentlichen Vollgesang, die Kraft und die Fertigkeit 
des Sängers ohne Rücksicht auf die Sprache ; dies gilt für Solo- wie 
Chorgesaug. Bach's Chor, der in die Handlung eingreift, muss mit 
aller Schärfe des Declamators sprechen. Händel's Chor hat nichts 
zu reden, keine Handlung darzustellen ; er braust immer in der Voll- 
glut des Gesangs daher. Selbst das Orchester muss in gleicher 
Weise characterisiren: bei Bach durch feine Zeichnung, scharfen 
Strich, knappen Ton ; bei Händel durch grosse Malerei, derben Strich, 
vollsaftigen, breit hinströmenden Klang. 

Die „Passion" wie der „Messias" wurden in der Stadtkirche 



— 211 



auf gefühlt. Das ist der richtige Ort; denn einen Casino-Saal mit 
Bajaderen an den Wänden möchte man kanm für die Hochzeit zu 
Kana, geschweige für die Kreuzigung Christi als passende Umgehung 
halten. In akustischer Hinsicht ist die Form dieser Kirche unge- 
eignet; die Sänger standen auf der Emporbühne über dem südlichen 
Seitenschiff, während die Hörer im unteren Baum des Langhauses, 
auf der nördlichen Emporbühne und im Chor sassen. Wo der Geist 
aber mit feurigen Zungen redet , wie in diesen Werken , da ver- 
schwinden die akustischen Mängel vor der gewaltig erregten Fan- 
tasie. Die Darstellung der „Passion" ist im Ganzen schwieriger wie 
die des „Messias", weil sie mehr detaillirte Zeichnung von den ein- 
zelnen Sängern wie von dem Chor (der selbst verschiedene Rollen 
eu singen hat) verlangt. Obgleich das Werk schon mehrere Jahre 
hinter einander wiederholt einstudirt wird , fehlt noch die Ueber- 
zeugung, welche eine genaue Characteristik zu geben vermöchte. 
Meist liegt es an den Einzel-Sängern, welche diese Partien zu flüch- 
tig lernen, zudem bei dem täglichen Opern -Quodlibet nicht mehr 
den rechten Ernst behalten. Der „Messias" gelingt meist besser, 
weil die Einzel -Sänger weniger Einfluss auf den Character des 
Ganzen haben. Sie sind nur Tbeile des Chors, keine bestimmten 
Personen mit ausgeprägten Zügen, wie in der „Passion". Der Sänger 
findet sich besser in den Geist des Stücks und geht mit dem ge- 
dämmten Chor in einer gemeinsamen Stimmung auf. Der „Messias" 
macht desshalb mehr den Eindruck des Abgeschlossenen, Fertigen, 
wie die „Passion ,* weil in all diesen Aufführungen der Chor den 
Hittelpunkt bildet und dieser seit Jahren bei Mangold in guter 
Schule war. 

Solche Werke werden hier vom Publikum mit grossem Interesse 
Aufgenommen, man sieht es an der Betheiligung — der „Messias" 
wurde zweimal in einer Woche aufgeführt — wie an den Urtheilen 
der Einzelnen. Es ist fast zu verwundern , weil das Theater für 
die Bildung eines richtigen Urtheils wenig thut. Im Ganzen lebt 
«her ein gesunder Sinn in der Bevölkerung , der selbst durch eine 
schlechte geistige Leitung nicht verfälscht werden kann. Bach und 
Händel sind den Darmstädtern geistiges Eigenthum geworden , und 
wenn das die Kunst zu Stande bringt, dann hat sie was geleistet. 

Heinrich Becker. 



CORRESPONDENZEN. 



- — ooo — 



Literatur. 



König Thamos. Verbindender Text zur Musik von 
W. A. Mozart. Nach Philipp von Gebler's Drama 
von Gisb er t Freiherr v. Vinke. Frankfurt a/M. 
1866, bei Mahlau & Waldschmidt. 

In einem Frankfurter Museumsconcert kam am 5. Januar d. J. 
die Musik zu dem Gebler'schen Drama „König Thamos," mit ver- 
bindendem Text von Freiherrn v. Vinke zur Aufführung und zwar 
mit dem besten Erfolge. Das Gebler'sche Stück war seinerzeit in 
Wien durchgefallen, und Mozart schrieb desshalb an seinen Vater: 
„Es thut mir recht leid, dass ich die Musique zum „Thamos" nicht 
werde nützen können. Dieses Stück ist hier, weil es nicht gefiel, 
unter den verworfenen Stuckert, welche nicht mehr aufgeführt werden. 
Es inüsste nur bloss der Musik wegen aufgeführt werden und das 
wird wohl schwerlich geschehen. Schade ist es gewiss." — - Mozart 
scheint also diese Composition selbst hoch gehalten zu haben, und 
um sie vor gänzlicher Vergessenheit zu bewahren, legte er den Chören 
lateinische Texte unter und machte Kirchenstücke daraus , welche 
unter dem Titel „Hymnen" gedruckt worden sind. Ausser den 
Chören hatte Mozart zu dem Drama vier Instrumentalstücke und ein 
Melodram geschrieben, welche sämmtlich bis zur erwähnten Auffüh- 
rung in Frankfurt im Schoosse der Vergessenheit begraben lagen. 
Um so grösser ist das Verdienst des Vereins, der das schöne Werk 
wieder an's Licht rief, und Hrn. v. Vinke's, des Dichters des ver- 
bindenden Textes, welcher in schöner, fliessender Sprache und mit 
verständnissvoller Erfassung der Handlung recht wirksam und voll- 
kommen zweckentsprechend geschrieben ist. Text und Musik zu 
»König Thamos" sind durch C. A. Andre in Frankfurt a. M. zu 
beziehen. 



Ans Stuttgart. 

Mitte Deeember. 

Endlich ist der Concertsegen gehörig in Fluss gekommen, und 
dem Berichterstatter von dem leidigen Stoffmangel geholfen. Zuuächst 
haben wir wieder ein „Mozartconcert" zu erwähnen , wie es der 
Orchestervereiu durch seine specielle Tendenz wie durch den Ge- 
schmack seiner Abonnenten jährlich zu geben verpflichtet ist. Dies- 
mal hörten wir die Ouvertüre' zur „Gärtnerin aus Liebe , K deren 
Partitur Hr. Jahn in Bonn gefälligst hergeliehen hatte, die D-dur- 
Sinfonie ohne Menuett, zwei recht hübsche Märsche, ein Violincon- 
cert in D-dur, von Hrn. v. Besele mit grosser Fertigkeit vorge- 
tragen,' und zwei Arien aus „Titus" und „Idomeneo," von Fräulein 
Schüttky mit grossem Beifall gesungen, obschon das Accompagne- 
ment des Gesanges noch die schwache Seite des Orchesters ist; 
insbesondere bringen die Herren Bläser noch kein genügendes Piano 
zu Stande; dagegen klappten die Orchesterstücke ganz prächtig, 
und kam das Meiste recht deutlich heraus. 

Im dritten Abonnements -Concert hörten wir als Novität eine 
„Orchester - Serenade" von Ignaz Brüll, einem jungen Tonsetzer 
aus Wien, und freuten uns herzlich an derselben; sie ist klar, be- 
scheiden und doch edel gehalten, reich an feinen Details und zeugt 
von glücklicher Erfindungsgabe und grosser Geschicklichkeit. Der 
Styl hält etwa die Mitte zwischen Gade und Schumann. Die Auf- 
nahme hätte im Allgemeinen wärmer sein dürfen. — Frau El 1 i n g er 
sang die grosse Arie der Vitellia mit obligatem Bassethorn (Herr 
Meyer) ganz vortrefflich ; besonders besitzt sie eine schöne Tiefe 
und hätte das neufranzösische Coquettiren mit den sogenannten auf- 
gesetzten Brusttönen nicht nöthig. Hr. Hofmusikus Franz zeigte 
seine bedeutende Virtuosität auf dem Hörne in einem Concerte von 
Fr. Kiel, in dessen nichtssagenden Phrasen wir aber keine Spur 
eines Beethoven'seheu Styles erkennen konnten, zu dessen berufenen 
Kachbildner man diesen Tonaetzer schon stempeln wollte. Mendels* 
sohn's A-moll-Sinfonie war eine Meisterleistung unseres Orchesters, 
und constatiren wir gerne , dass Eckert gerade Mendelssohn'sche 
Werke , für welche ihm die lebendige Tradition zu Hilfe kommt, 
musterhaft vorzuführen weiss. 

In der Stiftskirche fand eine Aufführung des „Vereins für clas- 
sische Kirchenmusik" statt, worin Orgelstücke von Bach und Men- 
delssohn , Vocalsätze von Graun, Caldara, Händel und Faisst, dann 
Scbumanu's Requiem zu Gehör kam, letzteres allerdings nur mit 
Orgelbegleitung, was die rechte Wirkung ziemlich beeinträchtigte. 
Auch schien die fromme Mehrzahl der Zuhörerschaft von solch* 
geistreicher, gar nicht nach ihrem Sinne kirchlicher Musik wenig 
erbaut zu sein, und die gute Absicht Faisst's, durch neuere Werke 
seinen Programmen wieder mehr Interesse zu verleihen, schnöde zu 
verkennen. Die Ausführenden zeigten mit Ausnahme einer Conser- 
vatoriumsscbfilerin , Frl. Hartmann aus Ingelheim , welche die 
Sopransoli mit Sicherheit und Verstau dniss sang, noch wenig Ver- 
trautheit mit Schumann's Styl. Der Chorsopran klang besonders 
mager und schneidend, dagegen ist der Bass recht tüchtig und hat 
an Obertribunalrath Köstlin einen Führer, dessen Eifer nicht hoch 
genug anzuschlagen ist. 

Ein ausgewähltes, geladenes Publikum versammelte sich in der 
Matinee des Hrn. L. Dill, vormal. bad. Amtsrichter , von dessen 
zahlreichen Ciaviersonaten Hr. Brüll zwei und Hr. Pruckner 
eine vortrug, indessen Hr. Schüttky einige hübsche Lieder von 
Gordigiani sang. Durch das treffliche Spiel beider Pianisten kamen 
die interessanten Partien, die hübschen Einfälle, sowie der eigen- 
tümliche Gesammtstyl der Dill'schen Geisteskinder zu möglichster 
Geltung, und that das dariu theilweise noch enthaltene Unfertige 
oder Fremdartige der allgemeinen Befriedigung keinen Eintrag. 

Endlich ging PresseTs langerwartete Oper „Der Schneider von 
Ulm" über unsere Bühne , entpuppte sich aber lediglich als ein 
Singspiel von stark schwäbischer Localfärbung , mit vielem Dialog 
und Melodram, kurzen und wenig bedeutenden Vocalsätzen, jedoch 
immerhin eiuigeu wirksamen Scenen, wie z.. B. der Traum und das 
Schlnsstableau ; im Allgemeinen gleichen sich Handlung und Held 
darin, dass sie beide nicht vom Flecke kommen. Was die Musik 



— 212 - 



"betrifft , so bedauern wir amstprechen zu müssen, dass der sonst 
tüchtige Componist darin gegen seine „Johannisnacbt 11 einen be- 
denklichen Rückschritt gemacht hat, und wünschen ihm bald einen 
glücklichen Stoff zu einer gelungeneren Eutfaltung seiner Kräfte. 

Das 4. Abonuementconcert am Christfeste hatte diesmal ein fast 
durchweg interessantes Programm , in lobenswerthem Widerspruch 
mit der bisherigen Tradition, welche dem grösseren Publikum an 
diesem Abend entweder nur Geistliches oder allzu Populäres und 
Abgedroschenes bieten zu dürfen glaubte. Wagner's Faust-Ouvertüre, 
meisterhaft ausgeführt, fand den Beifall aller von Vorurtheilen Un- 
abhängigen; Beetkoven's Pastoral -Sinfonie wurde begeistert aufge- 
nommen, ebenso das Loreley-Finale von Mendelssohn, obschon Fr]. 
Ehnn mit dem Solopart eine ihre schönen, aber noch der Schonung 
bedürfenden Mittel weit übersteigende Anstrengung übernommen 
hatte ; auch der kleine Chor war gegen die Orchestermasse fast un- 
hörbar. Hr. W. Speidel spielte das Beetboven'sche Clavierconcert 
in C-dur mit grosser Sauberkeit und Eleganz, und freuten wir uns, 
auch dieses, wo nicht tiefe Auffassung, doch .classische Durchbildung 
erheischende Werk wieder einmal zu hören. T. 



Hf » «3 li r i • h t e ii. 



CÖlD. Das 5. Gesellschafts -Concert im Gürzenich fand unter 
Ferd. Hiller's Leitung am 18. Dezember, dem Geburtstage Carl 
Maria von Weber's statt und war der Feier dieses in seiner Art 
unvergleichlichen Meister'« gewidmet, indem das ganze Programm 
aus Compositionen von Weber bestand. Die erste Abtheilung ent- 
hielt die Ouvertüre zu „Oberon" mit dem ersten Elfenchor, Scene 
und Arie der Agathe aus dem „Freischütz," und die Cavatine: 
„Glöcklein im Thal©" aua „Euryanthe ," sowie die Lieder: „Das 
Mädchen an das Schneeglöckchen" und „Unbefangenheit" (sUrnmt- 
licbe Gesaugatücke von Frl. Emilie Wagner aus Carlsruhe in 
vortrefflicher Weise vorgetragen), das Concertstück in F-dur für 
Ciavier und Orchester und Adagio und Scherzo aus der As-dur- 
Sonate, vorgetr. von Frau Clara Schumann, und endlich die 
Freischütz-Ouvertüre. Die zweite Abtheilung füllte die vollständig« 
Musik zu „Preciosa" mit verbindenden Worten von C. O« Stern au, 
welche von Frau Ernst vom hiesigen Stadttheater in meisterhafter 
Weise gesprochen wurden, aus. Frl. Waguer sang das Lied der Pre- 
ciosa, und die ganze Aufführung sämmtlicher Tonwerke war eine 
vorzügliche und hohen Genuas gewährende. 

Wien. Am 17. Dez. Abends fand im Saale des Hotel Munsch 
ein Bankett zu Ehren des gefeierten Tonmeisters Hector Berlioz 
statt, zu welchem sich eine Anzahl seiner Verehrer, theils Künstler, 
theils Kunstfreunde eingefunden hatte. Der Fürst Czartoryski 
brachte den ersten Toast auf den Gefeierten aus und hegrüsste den- 
selben in französischer Sprache und in vortrefflichen Worteu im 
Kamen der Gesellschaft, indem er seinen Verdiensten als Componist, 
insbesondere als Reformator der Instrumentirung, sowie als Kritiker 
und nicht minder seinem edlen Character gebührende Anerkennung 
aussprach, worauf Berlioz das Wort nahm und seinen Dank für die 
warme Aufnahme, die er iu Wien gefunden, ausdrückte. Fürst Czar- 
toryski brachte einen weiteren Toast auf die bei Berlioz's Concert 
betheiligten ausübenden Künstler, Herbeck und Ella wieder auf 
Berlioz und dann folgte ein humoristisch gehaltener Spruch Herbeck's 
auf die Armee der Musiker und deren Anführer. Auch Frl. Bettel- 
heim Hess sich iu deutscher und französischer Rede vernehmen, 
worauf Berlioz noch den Musikern und Säugern Dank sagte. Bis 
zur Morgenstunde blieb die Gesellschaft versammelt, und Vorträge 
des Pianisten Leopold v. Meyer, sowie der Frl. Bettelheim 
und des Hrn. Gustav Walter trugen zur Veiberrlichung des 
schönen Abends wesentlich bei. 

Brüssel. Das dritte populäre Concert des Hrn. Samuel war 
wieder vou grossem Erfolg begleitet. Man gab eine Sinfonie von 
Lassen, welche das Publikum sehr günstig stimmte. Die Fest-Ou- 
vertüre von R. Volkmaun machte ebeufalis grosse Wirkuug, Nach 
diesen geräuschvollen Musikstücken erschien Haydu's „Ariadne auf 
Naxos" wie eiu Sonnenblick aua gewitterschwerem Himmel. Ein 
Frl. Hanna Stern berg trat in der Partie der Ariadne zum ersten 
Haie vor das Publikum und erzielte einen glänzenden Erfolg. Fr. 



Lachner ist durch seine Suiten der Liebling der Brüsseler Musik- 
freunde geworden. Das Scherzo aus einer seiner Sinfonien, welche» 
in diesem Concert aufgeführt wurde, erregte emen Sturm von Applaus 

und musste wiederholt werden. ^ 

^- * 

Amsterdam. Der „Niederländische Verein zur Beförderung der 
Tonkunst" hat seine 37. Generalversammlung dabier gehalten, und 
wir sehen aus dem veröffentlichten Berichte über dieselbe, dass die 
Einnahmen des letzten Vereiusjahres 8578 fl., die Ausgaben 853$ 4* 
betrugen ; der Reservefond besitzt 51,600 fl., der Künstler- Wittwen- 
fond 28,300 fl. und der Musikfestfond 23,900 fl. Der Verein zählt 
15 Abtheilungeu mit 1831 coulribuirenden Mitgliedern^ darunter 
100 Künstler. Ausserdem gibt es 37 Ehren - und 40 correspondi- 
rende Mitglieder. Die Vereinsbibliothek enthält bereits mehr als 
2000 Tonstücke, Bücher und Manuscripte. Die Musikschulen de» 
Vereins zählten im Jahre 1865/66 779 Zöglinge, die Gesangvereine 
809 Mitglieder. Die Abtheilungen haben in demselben Jahre 37 
grössere Tonwerke aufgeführt. — Es werden für das beginnende 
Vereinsjahr drei verschiedene Preisaufgaben für kunstgeschichtliche 
Arbeiten und Musikcompösitionen aufgestellt. — Dem Stifter des 
Vereins, Hrn. A. C. G. V e r m e ul e n iu Rotterdam, wird beim 
Niederlegen seiner Stelle als allgemeiner Secretär im Namen des 
Vaterlandes und des Vereins der innigste Dank für seine 37jährigen> 
erfolgreichen Bemühungen für den letzteren ausgesprochen und be- 
schlossen, dass sein Name als »Stifter des Vereins" stets oben an» 
dem Namensveraeichniss der Ehrenmitglieder stehen, bei etwaiger 
Auflösung des Vereins der immer fortbestehende Künstlerfond den 
Titel „Vermeulen-Htiftung" annehmen, und ihm ein calligraphischea 
Diplom dieser Beschlüsse im Namen des Vereins überreicht werden 
soll. An seiner Stelle wird Hr. Dr. J. P. H e i j e in Amsterdam 
zum allgemeinen Secretär und Bibliothekar ernannt. Die nächste 
Generalversammlung findet im Juni 1867 zu Arnheim statt, woselbst 
zugleich ein zweitägiges Musikfest nebst Congress abgehalten wer- 
den soll, und bewilligt der Verein hiezu die Summe von 3500 fl. 

Paris. Joachim hat Paris verlassen, nachdem er noch im» 
Athenäums-Concert die Teufels-Sonate von Tartini und das Concert 
von Mendelssohn gespielt hatte. Die Sonate rief einen solchen 
Enthusiasmus hervor, dass man das letzte Stück derselben stürmisch- 
dacapo verlangte; statt dessen trug Joachim die Gavotte aus der 
sechsten Violinsonate von J. S. Bach vor, welche man ebensogerne 
hätte wiederholen hören. Der unübertreffliche Geiger spielte auch 
das Violinsolo in dem Benedictus der grossen Messe, welches in 
leidlich guter Weise zu Gehör gebracht wurde. 

— Die Conservatoriums-Concerte haben begonnen. Das erste 
derselben brachte: B-dur- Sinfonie von Beethoven; Elfenchor aus 
„Oberon" von Weber; Adagio und Scherzo aus der Sinfonie-Can- 
tate von Mendelssohn; Chor von Gounod ; Sinfonie in G-dur von 
Haydn. H a i n l dirigirte. Für die folgenden Concerte wird unter 
Anderem auch das Vorspiel zu den „Meistersingern von Nürnberg' 1 
von R. Wagner vorbereitet. 

— Die Pianisten Gebrüder T h e r n sind hier eingetroffen und 
beabsichtigen Concerte zu geben. 

*** Die Mozart-Stiftung in Frankfurt a. M. Dem 
28. Jahresbericht des Verwaltungs- Ausschusses dieser Stiftung ent- 
nehmen wir Folgendes: Der Vermögensstand der Stiftung ist in 
diesem Jahre auf die Summe von 50,366 fl. 25 kr. herangewachsen. 
Die Statuten verlangen, dass bei Erreichung eines Vermögensstande» 
von 60,000 fl. mit einem jährlichen Zinsertrag von 2000 fl. , ein 
Conservatorium gegründet werden solle. Der Verwaltungsrath hat 
aber in Anbetracht der Unausführbare it dieser Bestimmung, die er 
gleichwohl nicht einseitig aufheben hann, da der Senat von Frank- 
furt die Statuten sanctionirt hat , einen Bericht eingereicht, über 
dessen Erfolg bei der veränderten politischen Lage Frankfurts erst 
später eine hoffentlich befriedigende Mittheilung wird gemacht wer- 
den können. — Der jüngste Stipendiat der Stiftung, Leonhard 
W o t f f von Crefeld , setzt seine Studien unter der Leitung seines 
Meisters, Ferd. Hill er in Cöln, mit Eifer und sichtlichem Erfolge 
fort und wird im Winter auch noch in Brüssel den Unterricht 
Leonard 's benutzen, während Hiller Beine Compositionsstudier* 
fortwährend überwachen wird. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.