17. Jahrgang.
3P f.
6, Januar 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSlIfZEITUNG.
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Diese Zeitung erscheint jeden ;
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INHALT: Beethoven's Leben. — Corresp. : Cöln. Stuttgart. Paris. — Nachrichten.
Beethoven's lieben.
Von Udwfg Hohl. {Leipzig, bei Ernst Jul. Günther).
(Fortsetzung.)
Das dritte Capitel , betitelt „Die Kunstreise " , verbreitet sich
über Beethoven's Leistungen als Ciaviervirtuose, über die Anfein-
dungen, welche er von seinen Fachgenossen, den Wiener Ciavier-
meistern, deren sich dort damals über dreihundert befanden,
zu erdulden hatte, und über seine vorzüglichsten Rivalen, als welche
Joseph Wölffl und in zweiter Linie Job. Nep. Hummel be-
zeichnet werden. Die vielfachen Anfeindungen und Neckereien,
welche Beethoven zu erdulden hatte, verleideten ihm den Aufenthalt
in Wien, sowie ihm überhaupt das dortige Musiktreiben nicht recht
zusagen wollte, während,, auch andere Gründe ihn zu seiner grossen
Kunstreise nach Norddeutschland veranlassten , worüber, sowie über
den Aufenthalt Beethoven's in verschiedenen Städten, namentlich
aber über sein Verweilen und Wirken in Berlin und über die
dortigen Musikzustände der Verfasser die ausführlichsten Betrach-
tungen und Aufschlüsse mittheilt. Im Ganzen war bekanntlich Beet-
hoven mit seinem Berliner Aufenthalt nicht sonderlich zufrieden und
wai nie gut auf die protestantische Preussenstadt zu sprechen. Er
kehrte wieder nach Wien zurück, um diese Stadt zum Schauplatz
seines so grossartigen Wirkens und Schaffens und zum Mittelpunkt
der bedeutendsten Kunstinteressen 'unseres Vaterlandes zu machen.
Im vi erte'n, „die Taubheit 8 überschriebenen Capitel beschreibt
der Verfasser die von Beethoven nach seiner Rückkehr nach Wien
in den Jahren 1796 bis 1800 bewiesene schöpferische Thätigkeit,
führt die zahlreichen in dieser Periode entstandenen grösseren
und kleineren Werke des Meisters an, und knüpft daran interessante
Betrachtungen über den Entwicklungsgang derBeethoven'schen Muse?
worauf er von den Anfängen des schrecklichen Uebels, welches den
gewaltigen Kunstheros so schwer treffen sollte, nämlich seiner Taub-
heit, spricht, welche ihren ersten Ursprung in einer, im Jahre 1796
durch unvorsichtiges Auskleiden im erhitzten Zustande veranlassten
Erkältung gehabt zu haben scheint. Es werden die verschiedenen
Mittel, welche Beethoven zur Heilung dieses Uebels anwandte und
die Aerzte angegebeu , die er nacheinander zu gleichem Zwecke zu
Rathe zog, aber durch seinen Eigensinn, sein Misstrauen und seine
Launen nicht wenig quält. Wahrhaft herzzerreissend sind Beethoven's
Klagen über seinen traurigen Zustand, wie er sie in Briefen an seine
Freunde ausspricht. Und doch, wie unermüdlich arbeitet sein Genius
fort und fort, die erhaben dsten Tongebilde in rascher Folge schaffend !
Das später von Rasumowsky auf Lebensdauer engagirte Streich-
quartett der Künstler Scbuppanzigh, Sina, Weiss u. Kraft,
mit Beethoven enge befreundet, führte alle seine neuen Werke
„brühwarm von der Pfanne weg tt auf, wenn es auch nicht an Oon-
flicten zwischen dem rüden Meister und seinen begeisterten Freun-
den fehlte, die jedoch dem gegenseitigen Einvernehmen durchaus
keinen Eintrag thaten. Auch ausserdem enthält dieses Capitel noch
manches Interessante über den Verkehr Beethoven's mit Künstlern
und Kunstfreunden.
Mit dem fünften Capitel, „Giulietta Guicciardi" überschrieben,
beginnt das zweite Buch, „Heldenthaten", die Periode von 1801
bis 1806 umfassend. Dass Beethoven trotz seiner abstossenden Ma-
nieren und seines wenig anziehenden Aeusseren dennoch den zarteren
Regungen des Herzens dem schönen Geschlecht gegenüber nicht
unzugänglich war, ja sogar sehr häufig sich zu hervorragenden
Frauen hingezogen fühlte, ist wohl bekannt genug. Diese Saite in
dem Gefühlsleben des grossen Meisters wird nun in dem 5. Capitel
berührt und Nohl stellt darin namentlich Alles zusammen, was über
Beethovens Verhältniss zur Grafin Giulietta Guicciardi, später
verehelichten Gräfin von Gallenberg, aus des Meisters Briefen und
anderen Quellen bisher bekannt geworden ist, ohne dass es ihm ge-
, lungen wäre, in dieser Beziehung sich neuere, bisher noch unbe-
kannte Aufschlüsse zu verschaffen. Doch lässt das Vorhandene im-
merhin einen tiefen Blick in Beethoven's schöne Seele thun.
Das sechste Capitel, betitelt „das Heiligstädter Testament",
schildert zuerst Beethovens Verhältniss zu dem jungen Musiker
Ferdinand Ries aus Bonn, der ihm von seinem Vater, einem
kurfürstl. Hofmusiker und alten Freunde des Meisters , zur musika-
lischen Ausbildung zugeschickt worden war und dessen sich Beet-
hoven auch als eines wirklichen Schülers mit grosser Liebe und
ungewohnter Geduld angenommen hat. Ferd. Ries kam gegen Ende
März des Jahres 1800 in Wien an und ihm sind die wichtigsten
Mittheilungen über Beethoven aus den nächsten Jahren zu verdan-
ken, wenn auch R. seine Notizen in Bezug' 1 auf die betreffenden
Daten nicht immer getreu wiederzugeben wusste. Eine Fülle von
Anekdoten und characteristischen Zügen aus Beethoven's häuslichem
und künstlerischem Leben hat Ries der Nachwelt überliefert. Na-
türlich gibt das 6. Capitel auch wieder die erwünschteste Auskunft
über Beethoven's schöpferische Thätigkeit in den ersten Jahren
dieses Jahrhunderts und den Schluss desselben bildet das im Nach-
lass des Meisters gefundene, »Für meine Brüder Carl und
.»Johann" überschriebene Schriftstück, welches von Heiligenstadt den
10. October 1802 datirt, allgemein das Heiligenstädter Testa-
ment genannt wird.
Das siebente Capitel, überschrieben: „die Helden-Sin-
fonie", führt uns durch eine Reihe grösserer und kleinerer Com-
positionen zu seinem am Palmsonntag (5. April) 1803 gegebenen
grossen Concerte und endlich zu der ohne Zweifel in den Sommer
des Jahres 1803 fallenden Schöpfung derSinfonia eroica. Nohl
theilt alles auf dieses Werk Bezug habende mit, ohne sich natürlich
auf eine Besprechung des Werkes selbst einzulassen, welche ja dem
4. Bande vorbehalten bleiben muss. Andeutungen über weitere in
jene Zeit fallende Arbeiten, Auszüge ans Briefen und Nachrichten
über den Gesundheitszustand Beethoven's , Anekdoten etc. machen
den weiteren Inhalt dieses Capitels aus.
Das achte Capitel, eines der bedeutendsten in diesem
Bande, handelt von Beethoven's einziger Oper „Fidelio* und glitt
höchst interessante Nachrichten über die Entstehung dieses Werkes
2 -
über die auf die Aufführung desselben Bezug habenden und die-
selbe begleitenden Vorfälle und Umstände in reichlicher Fülle, nebst
einigen Betrachtungen über das Werk selbst.
(Fortsetzung folgt.)
CORRESP05DEKZEH.
Aus € $ I ii,
Im December 1S67.
Das Programm des vierten Abonnements - Concertes enthielt
vier Nummern, nämlich als Anfang und Schluss die Ouvertüren zur
„Euryanthe" und zur „Vestalin* , sodann das Beet ho ve n'sche
Violiuconcert, vorgetragen von Concertmeister Otto von Königslö w
und ein grösseres Werk von Ferd. Hiller: „Die Weihe des Früh-
lings u ( Ver sacrum) oder die Gründung Roms", Gedicht von L.
Bichoff, componirt für Soli, Chor und Orchester.
Die Euryanthen-Ouvertüre wurde glänzend und präcis ausge-
führt, schade nur, dass die Blasinstrumente nicht genau stimmten,
was davon herrühren mochte, dass in dem zum Einstimmen des
Orchesters bestimmten Nebensaate eine von der des Hauptsaales ganz
verschiedene Temperatur herrschte. Die Ouvertüre zur .„Vestalin"
hätte füglich wegbleiben können, denn das Orchester war von den
vorhergehenden Aufgaben , namentlich von Hillers grossem und
schwierigen Werke sichtlich erschöpft, sowie auch das Publikum,
welches sich vor dem Beginne dieser Ouvertüre zum grossen Theil
entfernte.
Was nun Hiller's „ Ver sacrum u betrifft, so scheint mir dieses
Werk viel mehr im Opern- als im Oratorien- oder Cautatenstyl ge-
schrieben, und würde gewiss auf der Bühne, mit scenischeu Hülfs-
mitteln ausgestattet, eine weit grössere Wirkung machen, als im
Concertsaale. Doch rouss freilich zugestanden werden, dass die To-
talwirkung durch die mangelhaften Leistungen des Chores, nament-
lich des männlichen, in hohem Grade beeinträchtigt wurde. Dagegen
war das Orchester ganz vorzüglich und auch die Solisten , Hr.
Bietzacher aus Hannover (Mars), Hr. Götte vom Stadttheater
(Führer des Albanen-Heeres), Frl. Radecke (Priesterin der Vesta)
und Frl. Scheuerlein (Camilla) lösten ihre Aufgaben mit grossem
Eifer und künstlerischem Verständniss.
Das fünfte Abonnementsconcert, welches am 17. December,
Beethoven' s Geburtstag, stattfand, war ausschliesslich den Wer-
ken des unvergleichlichen Meisters gewidmet und brachte: Leonoren-
Ouvertüre Nr. 3; Clavier-Concert in G-dur, gegeben von Frau
Clara Schumann; „Wonne der Wehrauth" und „Neue Liebe,
neues Leben", Lieder gesungen von Hrn. Jul. Stockhausen;
„Elegischer Gesang" für Chor und Streichquartett; Liederkreis „An
die ferne Geliebte", gesungen von Hrn. Stockhausen; Fantasie für
Piano, Orchester, Soli und Chor, die Ciavierpartie vorgetragen von
Frau Clara Schumann, und zum Schluss die „ Pastoralsinfonie ".
Die Leonoren-Ouvertüre, sowie die Pastoralsinfonie wurden vom
Orchester in meisterhafter, wahrhaft hinreissender Vollendung wie-
dergegeben, sowie auch Frau Schumann das Clavierconcert mit der
bei ihr selbstverständlichen Meisterschaft vortrug; nur wäre bei
einem Vortrage in dem grossen Gürzenichsaale zu bedenken , dass
die räumliche Ausdehnung des Lokals auch mitunter eine derselben
angemessenere Tonfülle, namentlich in den zarteren Stellen erfordert,
wenn letztere nicht für einen grossen Theil des Auditoriums unver-
ständlich werden solleu.
Herr Stock hausen saug die Beethoven'schen Lieder, aber
natürlich um 2 oder 3 Töne tiefer, was gerade nicht immer zu der
vom Compouisten beabsichtigten Wirkung passen will. Ueberhaupt
scheint der treffliche Sänger, dem durch diese Bemerkung durchaus
nichts an seinen wohlverdienten Lorbeeren geschmälert werden soll,
sich bei Schubert und Schumann heimischer zu fühlen, als bei Beet-
hoven. Störend wirkten auch einige Differenzen zwischen Sänger
und Accompagnateur.
In dem „Elegischen Gesang" für Chor und Streichquartett saug
der Chor leider fast immer zu tief und schien dieses so fein ge-
staltet« fWerk überhaupt nicht genügend einstudirt zu sein. Die
Fantasie mit Chor ging im Ganzen gut und brachte auch die ent-
sprechende Wirkung hervor.
Am 8. December fand im grossen Saale des Hotel Disch die
erste Matinee für Kammermusik der HH. Winter, Schratten-
holz, Krill, Bennefahrt, Kuffrath und Deppe statt, in
welcher das Quartett in G-dur, Nr. 56 von Haydn, Trio für Piano,
Flöte und Violoncell, op. 63 von Weber und Quartett Nr. 3 von
Beethoven zur Aufführung kamen. Dieser junge Verein, welcher
im vorigen Jahre seine ersten Productionen veranstaltete, hat inso-
fern eine Veränderung erlitten , als bei der zweiten Violine Herr
Bennefahrt und beim Violoncell Hr. Deppe an die Stelle der früheren
Repräsentanten dieser Instrumente getreten sind. Es ist den betref-
fenden Künstlern ein solides Streben und die Aussicht auf einen
nachhaltigen Erfolg ihres Unternehmens nicht abzusprechen, nament-
lich wenn dieselben sich bemühen, ihre Vortragsweise von den ge-
wohnten Maniren des Orchesterspiels zu emancipiren und sich da-
gegen eine feinere Behandlung der Vortrags-Nüancen anzueignen.
Die glänzendste Leistung war das D-dur-Quartett von Beethoven,
welches von fleissigem und verständnissvollem Studium Zeugniss
gab.
Am 10. December fand die zweite Quartett-Soiree der HH.
Japha, von Königslöw, Der k um und Rensburg statt, in
welcher Quartett in Es-dur von Mendelssohn; Quartett in F-dur,
(op. 18, Nr. 1) von Beethoven und Divertimento in D-dur für 2
Violinen, Viola, 2 Höruer, Cello und Contrebass von Mozart, unter
Mitwirkung der HIT. Kirmse, Saalborn und Ad. Breuer, zur
Aufführung gebracht wurden. Es war diese zweite Soiree besser be-
sucht als die erste und Hr. Japha, der die erste Violine spielte,
zeichnete sich durch schönen Ton , leichten und gefälligen Bogen-
strich, sowie durch verständnissvolle Vortragsweise rühmlichst aus,
während seine Genossen sich ihm in jeder Beziehung würdig an-
schlössen. Das Mozart'sche Divertimento litt in seiner Wirkung
durch den Eindruck des vorhergehenden Beethoven'schen Quartett's,
trotz der ausserordentlichen Lieblichkeit der Composition und der
vortrefflichen Executirung.
Am 12. December gab der Pianist und Professor am Conserva-
torium, Hr. Isidor Seiss, ein Concert im Hotel Disch mit folgen-
dem Programm: Trio für Piano, Violine und Violoncell (Es-dur op.
100) von Fr. Schubert; Fantasiestücke für Piano (op. 12) von
R. Schumann; Andante spianalo und Poldhaise von Seiss; 3
Stücke für Violoncell von Servais und Scherzo für Piauo
(B-raoll, op. 31) von Chopiu.
Hr. Seiss ist ein solider, nach jeder Richtuug hin gediegener
Künstler, was er auch an diesem Abende wieder, und insbesondere
durch den Vortrag des Schubert'schen Trio'a und der Polonaise in Es-dur,
sowie des Scherzo in B-moll von Chopin genügend bewies. Dass Herr
Rensburg für seinen VoVtrag auf dem Violoncell keine bessere Wahl
zu treffen wusste, ist in seinem eigenen Interesse zu bedauern, trotz
seiner tadellosen virtuosen Leistung.
Die Ti Philharmonische Gesellschaft" und der „Cölner Männer-
gesaug-Verein", beide bekanntlich unter der Leitung des k. Musik-
directors Franz Weber stehend, beabsichtigten diesen Winter
vereint drei Coucerte für Instrumental- und Vocalmusik zu geben
und zwar im grossen Saale des Gertrudenbofes. Das erste dieser
Concerte soll am 11. Januar stattfinden, für jedes derselben bedeu-
tende Solisten gewonnen werden und am Schlüsse der Concerte
jedesmal eine Liedertafel stattfinden, die den theiluehmenden Herren
und Damen durch ernste und heitere Vorträge des Männergesaug-
Vereius während des Abendessens manche genussvolle Stunde be-
reiten wird.
Ans Stuttgart.
Ende December.
T. Das fünfte am Christtag gegebene Abonnements - Concert
begann mit Web er' s Jubel -Ouvertüre und schloss mit Beetho-
ven's Pastoral-Sinfonie , welche sich in allen Sätzen einer muster-
haften Wiedergabe erfreute. Auch bei uns scheint nun die Auf-
führung von Quartettsätzen durch das gesammte Streichorchester
eingeführt werden zu wollen, welche Neuerung wir mit Dank be-
- 3
grüsseu; nach dem bekannten Grandsatze jedoeb, dass, je stärker
die Besetzung, desto breiter das Tempo werden soll, waren diesmal
die Haydn' sehen Kaiservariationen etwas zu schnell genommen,
was dem würdevollen Character derselben einigen Eintrag that, und
"wenn auch nicht an Bilse , doch an das Virtuosenhafte der Solo-
Quartettspieler erinnerte. Hr. Cabisius spielte ein Celloconcert
von Servais mit hübschem Ton und abgerundeter Technik; Frl.
Bärmann, Tochter des Münchener Clarinettvirtuosen , zeigte in
der Ä-dur-Arie aus Titus schone Stimmmittel, welche bei tüchtiger
Fortbildung ein höchst günstiges Resultat versprechen. Auch als
Cherubin und Acuzena ist dieselbe au hiesiger Bühne mit Glück
aufgetreten. Gleichsam als Concession an die dabier gar gewissen*
haft respectirten Gewohnheiten der kirchlich Gesinnten gab man
noch zwei Nummern aus Messias: die H - raoll - Arie , von Herrn
Schüttky meisterhaft gesungen, und den Halleluja-Chor.
Frl. Ehnn's „Abschieds - Concert" hinterliess dahier, nicht so
fast durch seineu Inhalt , als durch die darangeknüpfte komische
Polemik wegen Nichtbetheiligung etlicher Künstler, eine gewisse
Sensation. Dieselben hatten nämlich ihre Mitwirkung wohl zuge-
sagt, hatten aber triftige Gründe zum Rücktritt, so z. B. Hr. Sin-
ger einen häuslichen Krankheitsfall, Herr Pr uckner die Er-
schöpfung durch drei unmittelbar vorhergegangene Coucerte. Nun
wollte aber ein den Betreffenden sonst nicht abholdes Blatt muth-
massen, dass dieselben wegen der demonstrativen Tendenz des Con-
certes, welche in der Vereinigung sänimtlicher notorischer Partei-
gänger des frühem Regimes unter dessen abgetretenen Leiter aller-
dings nicht wohl zu verkennen war, abgelehnt hätten und etwa
gar durch Winke von oben dazu veranlasst worden wären. Abge-
sehen davon, dass sich genannte Herren durch ihre dienstliche
Stellung immerhin zu einer Rücksicht auf gewisse vorwaltende
Stimmungen verpflichtet fühlen dürften, ist dahier das Absagen bei
Concerten so häufig, dass es, ohne specielle Animosität auch in die-
sem Falle nicht wohl vermerkt worden , und der ganze Sturm im
Wasserglase unterblieben wäre.
1 11 § Paris.
30. December.
Die neue Oper von Georges Bizet, „La jolie fille de Perth, tl
zieht dem Theätre lyrique ein zahlreiches Publikum zu. Das
Werk des jungen Compositeurs erhebt sich in der That über das
Niveau der gewöhnlichen Opernnovitäten , die man seit längerer
Zeit den Kunstfreunden auftischt. Freilich ist nicht Alles Gold,
was in diesem vieractigen Werke glänzt. Der erste Act ist ziem-
lich kalt; auch der dritte lässt gar viel zu wünschen übrig; der
zweite und vierte aber bieten manche frische, sehr ansprechende
Melodieu und werden auch von dem lebhafteu Beifall des Hauses
reichlich belohnt.
Die grosse Oper lebt vorläufig noch von ihrem alten Re-
pertoire, bereitet aber, wie ich Ihnen bereits gemeldet, die Auf-
führung des „Hamlet" von Ambroise Thomas eifrigst vor.
In der komischen O.per wechselt Offenbach's „Robinson
Crusoe" schon mit andern Werken, ab, und was das Italienische
Theater betrifft, so geht es mit grossen Plänen schwanger. Es
wird nämlich bald den „Templario" von Nicolai zur Darstellung
bringen; dann sollen „Giovanna darco" und } ,Don\Giovanni l an
die Reihe kommen. Hoffen wir, dass man diesmal der Aufführung
des unvergänglichen Mozart'schen Meisterwerkes mehr Sorgfalt wid-
men werde, als dies bisher der Fall gewesen. Wie wir hören, wird
der neue Barytonist Steller die Titelrolle übernehmen. Die drei
Frauenrollen sind den Frl. Adelina Patti, Krauss und Si-
moni auvertraut.
Der erste Opernball soll eine Einnahme von 24,666 Frauken
erzielt haben.
Die Direction der Scala in Mailand hat Gounod ersucht,
für das genannte Theater eine Oper zu schreiben; allein Gounod,
«der mit der Composition der „Francoise de RiminP beschäftigt
und ausserdem von mehreren Engagements in Anspruch genommen
ist, hat das Anerbieten abgelehnt.
Der Tod George Kastners hat hier eine grosse Bestürzung
«rregt. Der Verewigte war nicht nur als Musiker von weit um-
fassender Gelehrsamkeit sehr geschätzt, sondern auch als biederer
Character geliebt und geachtet. Er lässt eiue schwer auszufüllende
Lücke zurück.
Nachrichten.
Wiesbaden. Am 22. Dec. starb dahier der k. Theater-Inten-
dant Dr. Hermann von Bequignolles, ein in seinem Berufe
äusserst thätiger und einsichtsvoller Mann, im Alter von nur 42
Jahren.
MÜDChen. Das Weihnachtsconcert der „musikalischen Akade-
mie'* bot dem Publikum abermals eine Gelegenheit, den Verdien-
sten Franz L a ch n e r's die vollste Anerkennung und seiner Per-
son die allgemeine Verehrung durch eben so lebhafte als unzwei-
deutige Ovationen zu erkennen zu geben. Lacbner brachte näm-
lich, auf wiederholtes Andringen des Orchesters und dem vielfach
geäusserten Wunsche des Publikums entsprechend, seine 1. Suite
(D-moll) wieder zur Aufführung. Mit rauschendem Applaus wurde
er bei seinem Erscheinen begrüsst, der sich nach jedem Satze der
Suite steigerte und am Schlüsse derselben erst nach dreimaligem
Hervorrufe des Meisters endigte. Eben so wollte der Beifallssturm
nach der Leonoren - Ouvertüre am Ende des Concertes kein Ende
nehmen, denn mau fühlte die Nähe des Verlustes eines Mannes, der
sich seit 27 Jahren um die musikalische Kunst in München so
grosse und unbestreitbare Verdienste erworben hat und nun trotz-
dem sich von gewissen Seiteu her so mancher unverdienten Krän-
kung ausgesetzt sieht.
Leipzig. Das Programm des 10. Gewandhausconcertes war fol-
gendes: I. Theil. Sinfonie (Nr. 3, Es-dur) von Julius Rietz; Re-
citativ und Arie aus „Iphigenie auf Tauris" von Gluck, gesungen
von der kÖnigl. sächs. Kammersängerin Fr. Bürde-Ney; Fan-
tasie (op. 15) von Fr. Schubert, sinfonisch bearbeitet für Piano
und Orchester von Fr. L i s z t , vorgetragen von Hrn. Carl Tau-
s i g , Hofpianist des Königs von Preussen ; Ouvertüre zu ,,Geno-
veva" von R. S ch u m a n a ; Reuitativ und Arie aus „Cosi fan tutle"
von Mozart, gesungen von Frau Bürde-Ney; Solostücke für das
Pianoforte, vorgetragen von Hrn. Tausig.
Augsburg. 26. Dec. Wenn es wahr ist, dass das deutsche Lie-
dertafelwesen seine ursprüngliche sociale Bedeutung und mithin auch
seine eigentliche Wirkungs- und Zugkraft allgemach verloren, dass
die politische Umgestaltung des Jahres 1866 auch dem das Vater-
land einig ^singenden deutschen Sangesbruder den Gnadenstoss ge-
geben hat, so verdienen jetzt unter den Männergesaugsvereinen ge-
wiss diejenigen deu Vorzug, welche, in richtiger Würdigung der
Zeitverhältnisse, deu unhaltbar gewordenen Standpunkt mehr und
mehr verlassen, und ihre Kräfte einem unstreitig höhereu (und doch
erreichbaren) Ziel — der Pflege der heiligen Musika selbst zu
weihen bestrebt siud. Selbstverständlich wird ein solches Streben
um so grösseren Dank in Städten verdienet!, deren Musikbedürfniss
nicht, wie in Residenzen, von eiuem Hoforchester oder einer „musi-
kalischen Akademie" befriedigt wird. Seit einigen Jahren schon
hat sich die hiesige Liedertafel in diesem Sinne den Dank
Augsburgs erworben, indem sie mit dem „Damengesangverein" in
Verbindung trat, und dadurch die Aufführung gemischter Chöre und
ganzer Oratorien ermöglichte. Noch ist die Erinuerung an eines
der hervorragendsten Werke L. Spohrs, „Der Fall Babylons," weichet
die Augsburger Liedertafel in der vorigen Saison zu voller Zufrie-
denheit vorführte, nicht verwischt, und es freut uns berichten zu
können, dass die gestrige Aufführung von Haydns „Schöpfung", na-
mentlich was den gesanglichen Theil belangt , eine gelungene , ja
theilweise vorzügliche zu nennen ist. War schon durch die sehr
bedeutende Gesangstechnik und musikalische Durchbildung der bei-
den Frln. Hülgerth und Hasselt-Barth, welche die Partien des Gabriel
und der Eva zu singen die Gefälligkeit hatten , der Erfolg manch
glänzender Nummer gesichert, so wirkte insbesondere das herzge-
winnende Organ und der edle Vortrag des au* MUnchen berufenen
Bassisten Hrn. Fischer (als Raphael und Adam) wahrhaft zündend
auf die Zuhörerschaft. Die exaete Durchführung der wunderbaren
ewig frischen Chöre, sowie die richtigen Tempi, machen dem Diri»
— 4 —
genten def Vereins alle Ehre. Nur eines wäre zu wünschen ge-
wesen: eine grössere Reinheit und PrKcision des Orchesters; weit
entfernt, den Grund dieses Mangels etwa in einem Rückschreiten
der so tüchtigen städtischen Capelle zu suchen, sehen wir ihn viel-
mehr in der thatsäcblieben Unmöglichkeit mehrere und eingehendere
Probeu zu halten. Schliesslich können wir in Anbetracht der herr-
lichen musikalischen Kräfte, welche Augsburg zu besitzen so glück-
lich ist, einen Wunsch nicht unterdrücken, welcher gewiss allen
wahren Kunstfreunden dieser Stadt aus der Seele gesprochen ist:
„Möchten diese Kräfte sich einigen und zu einem grossen Ganzen
zusammenstehen, dann wird die Musik in Augsburg aufblähen, und
die Stadt wird mit Residenzen wetteifern können."
Brüssel. In seinem 4. populären Concerte gab Hr. Samuel
die „Genoveva" - Ouvertüre von Schumann, G-dur- Sinfonie von
Haydn, Scherzo aus der 1. Sinfonie von Hiller, „Träumereien"
von Schumann, von sämmtlichen Geigern ausgeführt, Jubel-
Ouvertüre von Weber und zum ersten Male in Brüssel das Allegro
concertant von S p o h r für 2 Violinen , Bratsche und Violoncell
mit Orchester.
Wien. Die beiden Aufführungen der „Schöpfung" zum Besten
des Versorgungsvereius „Haydn" für Tonkünstler - Wittwen und
-Waisen haben einen Reinertrag von 2,227 fl. geliefert, den höch-
sten, der bisher duich diese Concerte erzielt worden ist.
— Mit dem 1. April 1868 scheidet der Tenorist Jos. Erl aus
dem Verbände des Ilofoperntbeaters, dem er über 30 Jahre ange-
hörte. In Würdigung der erspriesslichen Dienste, welche Hr. Erl
durch die lange Reihe von Jahren dem Institute geleistet, hat Se.
M. der Kaiser dem Künstler eine bedeutende Pension bewilligt.
Erl begann mit S t a u d i g 1 zugleich seine Künstlerlaufbahn als
Chorist im Chore des Hofoperntbeaters , ging von hier nach Pest
und von dort nach Berlin an das Friedrich - Wilhelmstädtische
Theater, von wo er, nachdem Wild 's Stern im Erbleichen war,
am hiesigen Hofoperntheater als erster Tenorist engagirt wurde
und namentlich in Meyerbeer's Opern „Robert" und „die Hu*
genotten", damals „Weifen und Ghibellinen" genannt, Rossini's
„Teil", Auber's „Ballnacht'' u. s. w. die vollste Gunst des Pub-
likums errang. (Zellnei's Bl. f. M.)
Paris. Einem im Moniteur veröffentlichten Decrete zufolge
haben die zwei neuen, auf das neue Opernhaus zuführenden Stras-
sen die Namen Meyerbeer's und Gluck' s erhalten, während
eine noch zu eröffnende dritte Strasse M o z a r t ' s Namen tragen
wird.
— Schumann 's B - dur - Sinfonie wurde hintereinander im
Conservatorium und im populären Concerte des Hrn. Pas de-
loup aufgeführt und fand an beiden Orten dieselbe Aufnahme;
dort wie da nämlich wurde das Andante gleichgültig, Scherzo und
Finale aber mit einhelligem Beifall aufgenommen. Es ist zu er-
warten, dass auch das Andante nach und nach besser verstanden
und gewürdigt wird ; die Aufführung durch Pasdeloup's Orchester
war übrigens noch eine ziemlich unfertige, zu wenig sorgfältig vor-
bereitete gewesen. — Das neunte Pasdeloup'sche Concert brachte:
Ouvertüre zu „Athalia" von Men d elss o hn ; Pastoral-Sinfonie von
Beethoven; Adagio aus der „Ocean"-Sinfonie von Rubinstein;
Intermezzo von Fr. Lachner und „Propheten" - Ouvertüre von
Meyerbeer.
Pest. Die drei von dem Hei Im esberger' sehen Quartett aus
Wien und dem Pianisten Epp"sTein dahier veranstalteten Concerte
gewährten den Pester Musikfreunden einen nnvergesslichen Kunstge-
nuss. Ausser Quartetten und Trio's von Mozart, Haydn, Beet-
hoven und Schumann kamen in diesen Concerten auch die Suite
für Ciavier und Violine von C. Gold mark und das Es-dur Quartett
von Rob. Volkmann in höchster Vollendung und mit grossem Er-
folge zur Aufführung.
RiZZft. Die Concertsaison wurde von dem Weltumsegler und
Violoncell- Virtuosen Feri Kletzer eröffnet, dessen Leistungen
von dem hocharistokratischen Publikum mit vielem Beifall aufge-
nommen wurden.
Antwerpen. In dem von der königl. Harmonie-Gesell-
seh aft gegebenen Concerte hörten wir zum ersten Male die Sin-
fonie von F 6 1 i s. Das Werk selbst ist , vom künstlerischen
Standpunkte betrachtet, ein sehr bedeutendes und hoebverdienstliches,
dessen Combinationen , harmonische und instrumentale Effecte de&
gelehrten Componisten, sowie den unterrichteten Mann erkennen
lassen. Die Ausführung unter der Leitung des Hrn. Lemairs
war eine vorzügliche.
V* Die letzte Nummer der „Neuen Berliner Musik-
Zeitung" für das abgelaufene Jabr bringt an der Spitze ihrer
Mittheilungen einen Artikel über die Berliner Musikverhältnisse»,
über die gebotenen Leistungen auf dem Gebiete der musikalischen
Kunst und über die in dieser Beziehung noch zu erfüllenden be-
rechtigten Wünsche in dieser Richtung aus der Feder des geist-
reichen Musikschriftstellers H. E h r 1 i ch , der nicht nur für die
Berliner Interesse hat, sondern auch für die ganze deutsche Musik-
weit, indem derselbe gar Manches enthält, was mit gutem Recht
mutatis mutandibus auch auf musikalische Verhältnisse, Mängel
und Wünsche'anderer grösserer Städte Deutschlands sich anwenden
lassen dürften.
*** Das diesjährige Musikfest in Birmingham hat nach Ab-
zug von Honoraren für die Mitwirkenden im Betrag von 40,000 Tha*
lern und Bestreitung aller übrigen Kosten noch einen Reinertrag von
37,000 Tbalern ergeben.
*** In Moskau wird Saloman's „Rose der Karpathen"
zum Benefiz von Mine. Alexandrow mit dem neuen glänzenden
Tenoristen Orloff und mit einem Aufwand von 15,000 Rubeln
vorbereitet.
*** Im neuerbauten Leipziger Theater fand vor Kurzem zur
Prüfung der Akustik eine Orchesterprobe statt, welche zur vollsten
Zufriedenheit ausfiel.
*** Die bisher im Feuilleton der Münchener „Süddeutschen
Presse 1 * vertretene Kunstrichtung wird von Neujahr an sich in einem
eigenen Wochenblatt geltend zu machen suchen.
*** Der Generaldirector der preussischen Militärmusiken, W ie-
p r e ch t in Berlin, hat in Anerkennung seiner grossen Verdienste
eine jährliche Gehaltszulage von 500 Thlrn. erhalten.
*** Hans von Bülow beabsichtigt, im Februar drei Beethoven-
Soireen im Bösendorfer'schen Saale in Wien zu geben. ^Der Sitzplatz
wird per Soiree 5 fl., im Abonnement 4 fl. kosten.
%* Frl. E h u n , ihrer Verbindlichkeit am Stuttgarter
Hoftheater nun definitiv enthoben, wird dieser Tage in Wien ein-
treffen, um ihr Engagement am dortigen Hofoperntheater anzutreten«
*** Dem alten Tenoristen Mario ist es bei seinem Auftreten
als Almaviva in Petersburg wieder einmal passirt, dass das
Publikum seine gänzliche Stimmlosigkeit übel vermerkt und ihm
dies durch entsprechende Kundgebungen zu erkennen gegeben hat.
*** Ueber die am 18. und 19. Dec. stattgehabte Aufführung
von Gounod's „Romeo uud Julie" enthält die „Neue B erl. M.-
Ztg." folgendes: „ Dem Beispiel Dresdens, welches die
Oper zuerst in Deutschland brachte, waren bis jetzt nur Nürnberg
und Bremen (auch Würzburg) gefolgt und nach dem Eindrucke,
welchen das Werk auf uns gemacht, zu urtheilen , erscheint es uns
überhaupt zweifelhaft, ob noch viele Bühnen sich mit der Insceni-
rung beeilen werden. Die Frage, ob der Componist in dem neuen
Werke eine gleiche oder wohl gar eine höhere Stufe auf der zu den
Idealen der Kunst führenden Leiter erstiegen habe, als in seiner mit
Recht so erfolgreichen „Margarethe", ist unbedingt zu verneinen ;
die Oper wird diesseits des Rheins immerhin als ein interessantes
und in vielen Einzelheiten schätzbares Werk angesehen werden,
in das Herz des Volkes wird sie nie dringen, ein geistiges Eigen-
tum der Nation nie werden. Die Schuld trägt daran der Compo-
nist allein, denn seine Librettisten haben einen in jeder Beziehung
brauchbaren Text geliefert, und diese sind auch nicht für die unge-
schickte Uebersetzung des Herrn Th. Grassmann verantwortlich.
Was der grösste Mangel dieses Werkes ist, das ist der Mangel an
wirklicher Inspiration und ein zweiter Cardinalfehler der Oper ist
der Mangel an dramatischer Steigerung. Niemanden kann es daher
Wunder nehmen, wenn das Publikum den ganzen Abend hindurch
kalt blieb und nur selten sich zu Beifallsbezeugungen veranlasst
fühlte, die übrigens wohl mehr den Ausführenden, als dem Werke
galten.
Dr. S.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz,
17. Jahrgang.
m 9.
13. Januar 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
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Diese Zeitung erscheint jeden
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U
INHALT: Beethoven's Lebeo. — Corrtsp. : Frankfurt. Berlin. — Nachrichten.
Beetlioveii'g lieben*
Von Ludwig ÜObl. (Leipzig, bei Ernst Jul. Günther).
(Fortsetzung.)
Mit dem neunten Capitel („die C-moll-Sinfonie und die
Pastorale") beginnt das d r i 1 1 e Buch, überschrieben: „Herrscher-
seiten" und den Zeitraum von 1806 — 1814 umfassend. Pekuniäre
Sorgen bedrängten um diese Zeit den Meister wieder besonders
hart, nachdem die auf den Erfolg seiner Oper begründeten Hoffnun-
gen sich in dieser Weise durchaus nicht bewährt hatten. Sie trug
ihm kaum 200 fl. ein, und Beethoven wurde daher schon durch die
Sorge für seine eigene Existenz zu einem eifrigen Schaffen angetrie-
ben und vor Allem zur Vollendung der schon seit lange bestellten
Rasumowsky-Quartetten Op. 59 veranlasst, über welche Nohl ver-
schiedene bemerkenswerthe Betrachtungen einflicht, sowie auch über
die «benftrlhr damals vollendete' Sonata äppassionata Op. 57, welche
ihm von Mme. B i g o t zuerst aus dem Originalmanuscripte vorge-
spielt wurde. Die vierte Sinfonie, das vierte Clavierconcert Op. 58,
sein Violinconcert und die Coriolan-Ouvertüre fallen sämmtlich ihrer
Entstehung nach in das Jahr 1806. Auch mit dem Gedanken, eine
«weite Oper zu schreiben, trug sich Beethoven in jener Zeit sehr
lebhaft. Seine Compositionen wurden von den Verlegern lebhaft
begehrt und gut honorirt und er wandte sich auch wieder dem ge-
selligen Leben zu. Der Verfasser gibt hier recht anziehende No-
tizen über Beethoven's Verkehr mit der Familie Malfatti, wo viel
Musik getrieben wurde und sich ein paar reizende Töchter befan-
den, deren eine einen lebhaften Eindruck auf Beethoven's Herz
gemacht hatte. Auch mit dem Wunsche und der Hoffnung einer
Anstellung als kaiserl. Hofcomponist trug sich Beethoven im An-
fange des Jahres 1807 und suchte zu diesem Zwecke sich die Gunst
vermögender und hochgestellter Persönlichkeiten zu erwerben. Seine
C-dur-Messe entstand um diese Zeit und wurde bei dem Fürsten
Esterhazy in Eisenstadt aufgeführt.
Ein von dem Meister im Dezember 1807 an die k. k. Hofthea-
ter-Direction gerichtetes Gesuch um die oben erwähnte Anstellung
wird trotz der grossartigen Anerbietungen, welche Beethoven in Be-
treff seiner Leistungen machte , abschlägig beschieden ; er findet
sich nach wie vor auf sich selbst angewiesen und es reiften zu dieser
Zeit die Ideen zu der C-moll- und zur Pastoral-Sinfonie. Der Som-
mer von 1808 , den Beethoven auf dem Lande in Heiligenstadt zu-
brachte, gewährte ihm grosse Naturfreuden und gebar die Pastoral-
sinfonie , die er eigentlich , obwohl als die s e ch s t e bezeichnet,
doch schon vor der fünften, der C moll-Sinfonie beendet hatte.
Kurze Betrachtungen über das letztgenannte Werk bilden den Schluss
dieses Capitels.
Das zehnte Capitel berichtet über den Ruf nach Cassel,
welchen bekanntlich König J e r 6 m e au Beethoven ergehen Hess,
nur nm seine Hörctncerte zu dirigiren, da für die Oper J. F.
Reicbard schon früher vom König als Capellmeister engagirt
worden war. Natürlich gab diese Aussiebt auf eine endliche An-
stellung unserm Meister viel zu denken, zu calculiren, mit Freunden
zu berathen etc., bis endlich einige seiner hohen Gönner, welche
den Unvergleichlichen nicht ziehen lassen wollten, sich vereint ver-
pflichteten, ihm einen Jahresgehalt von 4000 fl. auszubezahlen, auf so
lange, bis Beethoven eine Anstellung erhielte, welche ihm ein
Aequivalent genannter Summe gäbe. Es enthält dieses Capitel ferner
Auszüge aus den „vertrauten Briefen" J. F. Reichard's an seine
Frau, insofern dieselben sich auf seinen Umgang mit Beethoven und
auf des Ersteren Urtheile über Beetlioven'sche Compositionen be-
ziehen. Anccdoten, characteristische Züge Beethoven's, Aufzählung
der in die betreffende Zeitperiode fallenden Compositionen, Nach-
richten über ein paar Ausflüge Beethoven's u. s. w. füllen den Rest
des zehnten Capitels.
Das elfte Capitel, „A-dur-Sinfonie" überschrieben, beginnt
mit Betrachtungen über Beethoven's Stellung zur Gesellschaft, wirft
einen Blick in sein inneres, geistiges Leben und Streben, spricht
von seiner Vorliebe für gewisse Dichter und deren Einfluss auf sein
Schaffen, von der ersten Aufführung der „Egmont" -Musik (24. Mai
1810), von Beethoven's Beziehungen zu und Briefwechsel mit
Bettina, von dessen trüber Stimmung, in die er durch seine
Taubheit versetzt wurde, und wie er trotzdem mit Heirathsgedanken
umgeht und zu diesem Zwecke sich seinen Taufschein aus Bonn
schicken lässt. Es folgen ausführliche Betrachtungen über dieses
Vorhaben Beethoven's und über den wahrscheinlichen Gegenstand
Seiner zärtlichen Neigung. Es entstehen in dieser Zeit viele Lieder
und andere kleine Sachen, aber auch das herrliche Trio in B-dur,
Op. 97. Im Mai 1811 trifft Beethoven ein harter Verlust, indem
sein intimer Freund Gleichenstein sich verheirathet und Wieu
verlässt. Dann kommen abermals Opernprojecte, Reisepläne, welche
Alle) nicht zur Ausführung kommen. Es entsteht die Musik zu »König
Stephan* und zu den „Ruinen von Athen 4 * und wird in Pest am 9.
Februar 1812 aufgeführt. Abermals folgte ein Opernplan und zwar
im Verein mit Theodor Körner, der den Text liefern soll.
Scbnyder v. Wartensee's Zusammentreffen mit Beethoven, Finanznothj
durch Herabsetzung des österreichischen Papiergeld-Wertbee , neue
Compositionen und Aufführung älterer Werke Beethoveu's und endlich
die Vollendung der siebenten Sinfonie in A-dur,, welche in Grats
in einem Wohlthätigkeitsconcerte zum ersten Male aufgeführt wird,
und Betrachtungen des Verfassers über dieses Werk schliessen in
anziehender Weise dieses Kapitel.
(Schluss folgt.)
JVaturge&cIilelitllelieg aus der
jUuslkwelt.
Tn Nachfolgendem möge es gestattet sein, einige eigenthümliche
Gattungen aus dem die eigentliche Kunstsphäre umgebenden Dunst-
kreise, welche gewiss auch andern Beobachtern schon gewissermasea
als stehende Charactere und Typen auffielen, in Kürze zu skiszlrsn,
- 6
1. Die Concertmama oder musikalische Beutelratte
{Didelphis Communis, Linn.) Hier ist nicht eine gemiethete Con-
certmutter oder noch öfters -Tante gemeint, welche unverheirathete
Künstlerinnen, natürlich zur Bewachung ihrer jungfräulichen Unnah-
barkeit, mit sich zu schleppen pflegen und die vielleicht noch unter
einer eigenen Nummer geschildert wird, sondern die wirkliche leibhaf-
tige Mutter eines sogenannten Wunderkindes (miraculum epido-
nricum). Auch letztere Sorte verdiente ein besonderes Capitel : ist
nämlich das Wunderkind männlichen Geschlechts , so wird es vom
14. Jahre an täglich sorgfältig rasirt, um möglichst lange als zarter,
blond- oder brnungelockter „Knabe" das Podium beschreiten zu
können ; ist's ein Mädchen , so trägt es Höschen und ein kurzes
Röcklein, bis das Kind „plötzlich irgend einen Hofmusikus bei-
ratbet" ; ein „Wunderkind" war es in der. letzten Zeit nur insofern,
als es das Publikum Wunder nahm , dass dies noch ein Kind
sein sollte. Bei den wenigsten heisst es, wie einst bei Mozart 1
„Das Kind entschwand, das Wunder ist geblieben 3 . Aber um wieder
auf besagte Concertmama zu kommen, so ist sie der Schrecken aller
Musikdirectoren, Solosänger und besonders der harmlosen Pianisten
und Sologeiger. Hat sie einen Ort erspäht, wo etwas „zu machen"
ist, so kann denselben nichts vor einem Concert retten. Die un-
glücklichen Opfer, welche dabei mitwirken sollen, überfällt sie
meistens, wenn sie's am wenigten vermuthen, bei grauendem Morgen,
setzt ihnen in Gestalt eines schon gedruckten Zettels die Pistole
auf die Brust, überschüttet sie mit Freikarten, besorgt ihnen im
Nothfall sogar Frack und Glacehandschuhe und schleppt sie endlich
siegreich zum Concertsaal. Während der Production zählt sie so-
gleich an der Casse die Einnahme, und schilt auf den armen Be-
gleiter, der ihrem Kinde durch falsches Tempo oder zu starkes Spiel
den Erfolg verderbe. Fragt man sie am Schlüsse, wohin sie sich
jetzt wohl wende, so sagt sie wie Sivori's vortrefflicher Secretair
Belloni : „Uebermorgen siud wir nach N. eingeladen, und nächsten
Sonnabend spielen wir in P."
2. Der Opernschüler (Cantor Futurus Linn.) ist eine
. weitverbreitete Species, zumal in ihren zahllosen Durchschnittsexem-
plaren. Es ist ein junger Mensch , der als Kaufmannslehrling in
einer Grossatadt Gelegenheit hatte, die theatralische Kundschaft sei-
nes Prinzipals hie und da zu bedienen und dafür manches Freibillet
zu ergattern. Da erscheint ihm dann das Leben eines Künstlers
bald als das eines Halbgottes; Abends einen schimmernden Bitter
zu spielen, die schönste Donna zu umarmen, mit ihr donnernd her-
vorgerufen zu werden, dann im Champagner zu schwimmen und
Havannah zu rauchen etc., dazu fühlt auch er Beruf. In seiner
Dachstube hat er einige Melodien, z. B. „Ach wie so trügerisch" u.
dgl., zur Guitarre nachgesungen; er darf sie einem seiner theatra-
lischen Gönner vortragen und vergisst vor Wonne darüber, sich von
demselben die gebrachte Rechnung liquidiren zu lassen ; dafür bringt
ihn jener an die Operuschule. Unser Held vertauscht den Ellen-
stab mit der Notenrolle; er geht die Woche mehrmals zur Gesang'
stunde, noch Öfter aber in das Caf6 neben dem Theater, wo in
Mussestunden die Künstler aufzuliegen pflegen ; er promenirt in den
Alleen, wo jene vor den Proben bummeln, bis der Dirigent hinauf-
geht; Abends vor der Vorstellung steht er mit malerisch drapirtem
Plaid im Foyer und mustert durch ein Pince-nez die Eintretenden.
Natürlich lässt er sich bei Unpässlichkeiten nur mehr vom Theater-
arzt behandeln. Mit mehreren Choristen ist er bereits auf Du, und
. lässt sich von ihnen für etliche Brüllstellen, die er ihnen in der
Kneipe aus seinen Partieen vorträgt, endlos beklatschen. Spricht
er von den eigentlichen Solosängern, so setzt er ihren Namen weder
„Herr" noch „Fräulein" bei, sondern erzählt z. B. nur: gestern rieth
ich dem A. , oder rieth mir die B. u. s. w. , obschon er mit beiden
vielleicht noch kein Wort gewechselt hat. Da er mehr als die
wirkliche Intimität mit den Künstlern deren Schein beim Publikum
anstrebt, so steht er bei Concerten gern an der Thüre des soge-
nannten Musikzimmers, wo die Mitwirkenden aufbewahrt werden,
und sucht auch durch sonores „Burrravo" und oft verfrühtes Klat-
schen das Augenmerk auf sich zu lenken. Damit man ihn ja zur
Künsterschaft rechne , hält er sich auch bei sonstigen öffentlichen
Anlässen möglichst zu den Theaterleuten. Er ist für diese höchst
brauchbar, um unverbürgte Nachrichten, z. B. von vortheilhaften
. Offerten , baldigen Dienstjubiläen u. dgl. weiter zu verbreiten , und
muss oft an der Fabrioation der sogenannten Öffentlichen Meinung
mithelfen. Natürlich verachtet er jetzt schon alle Kritik, besonders
die tadelnde , was ihn jedoch nicht hindert , mit bekannten Recen-
senten sich für künftige Fälle auf guten Fuss zu stellen. Da er
gehört hat, dass jedes Echauffement der Stimme schade, schreitet
er stets langsam und würdevoll einher; dabei aber raucht er sehr
viel, obschon ihm auch dieses als schädlich bezeichnet wurde.
Selbstverständlich muss er bei Zeiten auch eine Liebe haben, und
findet diese in der Tochter seines Hauswirtbs, welche er, zwar nicht
mit den ihm obliegenden Stimmübungen, die ihm höchst unnöthig
scheinen, wohl aber mit Fragmenten aus „Troubadour" und „Martha"
im Nu erobert. Schon ist auch sie entschlossen, sich beim Ballet
zu melden. — Da kommt das Schicksal in Gestalt des strengen
Papa's; er kündigt unserm Freund die Wohnung und dieher zieht
nun näher ans Theater und befreundet sich ausführlicher mit einer
Dame von Fach. Wann wird er als Sänger debütiren? Das weiss
Niemand; mittlerweile kommt die Militärzeit, und beim Kuhfuss
vergehen Manchem die Theatergedanken gründlich, so dass er sich
später glücklich preist, wieder in behaglichen bürgerlichen Verhält-
nissen unterzukommen.
(Schluss folgt.)
CORRESPONDENZEN,
Aus Frankfurt.
Das siebente Museumsconcert brachte uns in der vierten
Orchester-Suite von Franz Lachner (Es-dur, op. 129) eine höchst
interessante Novität. Es wurde dieses Werk im vorigen Winter
zuerst durch die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, welchen
dasselbe gewidmet ist und vor Kurzem in einem der populären Con-
certe des Hrn. Samuel in Brüssel aufgeführt und von der Kritik
wie vom Publikum mit lebhaftem Interesse aufgenommen. Lachner
hat auch in diesem Werke wieder einen Reichthum contrapunktischen
Wissens , eine Gewandtheit in der thematischen Durchführung und
in der Handhabung der Formen, sowie einen Glanz und eine Man-
nigfaltigkeit in den instrumentalen Corabinationen entfaltet, wie dies
wohl nur sehr wenige der jetzt lebenden Componisten in ähnlichem
Maasse im Stande sein dürften. Dabei sind die Motive glücklich
erfunden, nobel und ansprechend. Was die in Rede stehende Auf-
führung betrifft , so wurden die beiden ersten Sätze , nämlich die
markige , durch ihre schwunghaften Motive und eine prachtvoll ge-
arbeitete Fuge sich auszeichnende Ouvertüre, sowie das uns
mitten in die träumerischen, reizerfüllten Fantasien eines orienta-
lischen Mährchens versetzende Andantino in jeder Beziehung mei-
sterhaft durchgeführt.
Auch der dritte Satz, Scherzo-Pastorale, fand im Ganzen eine
gelungene Wiedergabe, bis auf eine kleine Störung während des
Violoncell-Solo's , welche von einer Meinungsverschiedenheit unter
den Geigern über irgend eine Reptise herzurühren schien, allein
umsomehr liess das nun folgende Andante zu wünschen übrig. Ab-
gesehen davon, dass dieses Stück, in welchem der Componist in
Bezug auf kunstreiche und höchst mannigfaltige Variirung des
Thema's fast zu viel gethan, und dadurch eine, wenigstens für den
Nichtkenner, der die Feinheiten der Arbeit nicht zu verfolgen und
zu würdigen versteht, zu lange Dauer dieser Nummer herbeigeführt
hat, kann eine derartige Coroposition überhaupt nur dann richtig
gewürdigt werden, wenn den Intentionen des Autors durch eine mit
grösster Sorgfalt vorbereitete und mit tadelloser Vollkommenheit
durchgeführte Executirung entgegengekommen wird. Dies war nun
in Bezug auf das fragliche Andante hier leider nicht der Fall,
sondern der Mangel an gründlichem Einstudiren machte sich durch
Unklarheit des Vortrages im Allgemeinen, besonders aber durch- die
äusserst unsichere und sogar unreine Ausführung des in diesem
Stücke enthaltenen Solo's für Streichquartett recht auffallend be-
merklich. Auen der Schlusssatz, Gigue, häj|| bei etwas markir-
terem Vortrage noch mehr Wirkung erzielen müssen. Der Gesammt*
eindruck des Werkes war trotz der angeführten Schwächen in der
Ausführung ein sehr günstiger und wird sieb derselbe bei- einer
- 7 —
"künftigen Wiederholung durch grössere Sicherheit gewiss noch
«teigern lassen. Die den Schluss des Concertes bildende Abencera*
gen-Ouvertüre von Ch e r üb i n i wurde von dem trefflichen Orchester
recht schwungvoll und feurig durchgeführt.
Frl. Helene Hausen vom Hoftheater in Mannheim, eine
hier stets gern gesehene Erscheinung fand bei dem Vortrag der
Mozart'schen Sextus-Arie „Ach, nur einmal noch im Leben", und
einiger Lieder von Schumann wieder Gelegenheit, den Reiz ihrer
schönen, klangvollen und sympathischen Altstimme, sowie ihre ge-
diegene und geschmackvolle Vortragsweise in vollstem Masse zur
"Geltung zu bringen und die Zuhörer zu stürmischem Applaus hin*
Tsureissen.
Eine recht erfreuliche Erscheinung war die in diesen Concer-
ten schon früher gehörte junge Pianistin Fräulein Sophie
Menter aus M ü n ch e n und der lebhafte Beifall, welcher
ihrem technisch fertigen, verständnissvollen und brillanten Vortrage
des Weber'schen Concertstücks mit Orchesterbegleitung und der
.„Tarantella" von Liszt folgte, sowie die wiederholten Hervorrufe,
mit denen die eben so bescheidene als begabte junge Künstlerin
beehrt wurde, mögen ihr beweisen, dass sie den Frankfurter Musik-
freunden wieder ein aufrichtig willkommener Gast war.
Aus Berlin.
Den musikalischen Ereignissen nachgehend , welche Berlin
in der halbverflossenen Wintersaison aufzuweisen hat, kann man
sich im Ganzen des Eindruckes nicht erwehren , dass ihrer unter
den mehr oder minder erfreulichen Vorkommnissen nur wenige p.
Ct. sind. Arm waren diese Monate nicht, wie denn überhaupt,
'quantitativ wenigstens, das Musikleben rege genug ist — wenn der
Berliner nur nicht so stabil dem längst Gefeierten, und darunter
-dem Verständlichsten anhinge , und , was schlimmer ist , wenn nur
nicht so Wenige noch den Muth hätten , der des pekuniären Mär-
tyrerthums allerdings hierorts nun schon fast gewiss ist, den leben-
den Componisten auch an den künstlerisch hochgelegenen Stellen
gerecht zu werden. Soweit ist es nun freilich hier ein für alle Mal,
'dass Berlin seinen geliebten Sand durchaus nicht mehr zur Arena
für den Streit der Musikrichtungen hergibt, und es wäre allenfalls
■das grösste Unglück nicht, wenn man Diejenigen draussen lassen
müsste, welche feindlich Allem, was sie in irgend einem Sinne
„Bchon dagewesen" nennen , die Brücke hinter sich abgebrochen
haben; aber es ist sogar eine retrograde Richtung Mode geworden,
welche Literaturmusik macht, und einerseits die sammtlichen T ar-
tin i und Martini etc. gar zu oft an's Gaslicht befördert, anderer-
seits unbedeutende Compositionen bedeutender Meister aus dem
Staube hervorsucht und mit ihnen eine Art Mumienschacher treibt,
damit nur der Berliner, die lieben Namen auf dem Programm,
lesend, sich gemüthlich zn Hause fühlte, im Voraus ersehend:
wie es auch sei, das neue alte Stück, es ist classisch, basta, möge
der Musiker über diesen Zug auch denken wie Gottschall einst
-über Walesrode „eine Episode In der Literatur Nur."
So war es ein charakteristisches Zeichen, dass von der König-
lichen Capelle, gleichsam höchsten Ortes, die Saison am 26. Sep-
tember in der ersten Sinfonie-Soiree mit einer solchen neuen Anti-
quität oder, wie man will, alten Novität feierlich eröffnet wurde;
man begann mit einer Ouvertüre, die Mendelssohn schon im
Jabre 1826 componirt hatte ; er würde jetzt über das Stück lächeln.
' Hätte man doch lieber statt dieses Gespenstes gleich jene Geister
«einer liebenswürdigen Jugend beschworen , die Geist haben , mehr
**als ihre englischen Urbilder, die Sommernachts-Traumgestalten, wie
an der nämlichen Stelle am 7. December geschah. Von den Leben-
den wurde nur Bargiel mit seiner Ouvertüre zu „Medea" bedacht,
'Ton Neueren einmal Schumann mit der Manfred- Ouvertüre, wei-
terhin stehen Spohjr. und Haydn je lmal, Mozart 2mal, Beet-
hoven 5mal auf vier Programmen — von ihm waren es die Sin-
fonien: Eroica, D-dur, B-dur, F-dur und die Coriolan-Oavertüre.
Ob Beethoven, sähe er die Programme seit dem langen Bestehen
des Unternehmens, nicht selber sagen würde, aber wozu denn
immer Ich ?
Unter die nämlichen Gesichtspunkte fällt es, dass Julius S t o ck-
hausen in seinem Concert mit Clara Schumann für Buoncon-
cini und Martini mit ihren wenn schon ganz hübschen Sachen
auftrat, dass er weiter das salva venia langweilige kleine Lied von
Beethoven über Götheu's herrliches „Wonne der Wehmuth", und
aus dem alten Hausrath wieder „Neue Liebe, neues Leben" — bei-
läufig dieses mit einer etwas effeclhaschenden Bapidität — sang,
fast, als wolle er sein Programm ironisiren. Buineu, ja, die waren
zu bemerken, neues Leben blühte aber nicht daraus. Hat denn
Niemand, seit Schumann, der freilich auf das Programm gehörte,
seit Mendelssohn, den wir ja nun Alle, Alle kenneu, gute Lieder
mehr gemacht? Aber für l 1 /« Thlr. Entr&e mussten es drei Sprachen
sein und balsamirte Namen. Frau Clara Schumann spielte ausser
den sinfonischen Etüden, die leider für die vornehme Welt ihr an
einer Stelle im Finale ,,zu lang" erschienen waren, auch nur all-
jährlich Gehörtes — neu nicht, op. 81 von Beethoven auch nicht
fehlerfrei. Schumann 1 s Lied des Troubadour, von Stockhausen un-
vergleichlich schön vorgetragen, war das Erste und blieb das Beste
des Abends.
Um auf jener Spur weiter zu gehen , die sich leider verfolgen
lässt, auch wo wir, wie bisher, sonst dem Besten und den Besten
begegnen — es erschien uns fast wie eine Injurie auf die Gegen-
wart, als Bernhard S ch o 1 z im dritten der von ihm dirigirten
philharmonischen Concerte eine „Suite" von Händel an der Spitze
des Programmes erscheinen Hess, über welche eine Anmerkung in
kleinen Buchstaben eingestand , dass und wie die Suite als solche
doch nicht so recht, doch nicht so ganz von Händel herrühre ;
das Stück sei aus Stücken verschiedener Werke Häudels zusammen»
gesetzt, instrumentirt, „retouchirt" u. dgl. Von Musik wegen war
man, auch nach dieser Leetüre, nicht sehr touchirt — in einer Lehr-
anstalt , wo auch Experimente interessireu , mag Solches ganz ver-
dienstlich sein, im Concertsaal nicht, wo es sich so zu sagen um
wirkliche warme Musik handelt. Gar zu gemühtlich war es auch,
dass Joseph J o a ch i m im ersten , wegen der nöthigen captatio
benevolentiae (judicastrorum) urconservativen Concert, dem S p o hr-
sehen E-moll-Concert das Löwengewand seiner unvergleichlichen
Darstellung lieh. Lassen wir indessen nun , was etwa noch weiter
in dieser Richtung an gelegentlicher literarischer Bevormundung des
Hörers, an allzugrosser Complaisance gegen die Neigungeu des
Publikums auszusetzen wäre , und nehmen wir das viele Lobens-
würdige in Betracht, was die B. Scholzischen Concerte bieten. Sie
bilden durch Umfang und Glanz der Veranstaltung, durch den Buhm
der Betheiligten und durch die Tüchtigkeit der Ausführung die vor-
nehmste unter den Unternehmungen , die noch durch ihre Jugend
etwas zu riskiren haben. Ihre besonderen Verdienste um Neues
bestehen in der Aufführung der Maurerischen Trauermusik von
Mozart, zum ersten Male hierselbst durch Hrn. Jul. Fuchs der
Oeffentlichkeit (1866) wiedergegeben, eines Werkes von edelster
Bedeutung, welches vorzuführen natürlich ebensowohl ein Verdienst
ist, wie neues Neuere; auch diesem, den Lebenden, wurde vom
dritten Concert an, bis zum fünften incl. ihr Becht, es erschienen
von N. W. G a d e die reizvolle „Frühlingsbotschaft" für Chor und
Orchester, in welcher nur einige Gewaltsamkeiten der Declamation
unangenehm berühren, von B. Scholz „Gesang des Waldes" für
Chor und Orchester, von Max Bruch die für Männerchor und Or-
chester componirte „Frithjofssage", von C. Bei necke die „Ouver-
türe zu „Dame Kobold", von Hrn. Dr. E. Frank, und durch ihn
vorgetragen, ein Clavierconcert mit Orchester; es gewann einen
wohlverdienten succes d'estime. Mitgewirkt haben ausser den be-
reits Genannten Frau Clara S ch u m a n n in dem A-moll-Concert
ihres verewigten Gemahles, — es war eine vollendete Leistung,
Fräulein Franziska Friese mit einem Violinconcert von — Viotti,
als Sängerin Fräulein Goetze aus Dresden, im Chor der Gesang-
verein der von Th. K u 1 1 a k geleiteten Akademie der Tonkunst,
für Gade, Scholz und die stylvolle Motette Jusanae et vanae curae
von Haydn — er machte einen achtungswerthen Anfang in der
Oeffentlichkeit — , endlich der Universitäts - Gesangverein unter B.
Schmidt, für Bruch. Die Programme weisen weiter Bach (G-dur-
Concert für Streichorchester und „Chaconne" für Joachims Geige)
Beethoven (die F-dur-Sinfoni« Nr. VI1L) Schubert (C : dur
— 8 -
tMnfohie) Mendelsseoba (Ouvertüre au Ruy Blas), das Menü
nicht gerechnet. — Das Unternehmen ist als consolidirt anzusehen
und ihm im Interesse der Kunst der beste Fortfang zu wihisehen.
Carl F n eh s.
(Fortsetzung folgt.)
• i s>»
Mach richte
BeriiB. Am 2. Jan aar feierte der k'önigl. Kammermusik™ C.
Böhmer sein oüjäbriges Jubiläum als Mitglied der köaigl. Capelle.
Zu Neujahr 1818 trat er als 19jährig<er Violinvirtuose in diese ein,
seit 35 Jahren fungirt er als Vorgeiger bei der zweiten Violine und
füllt noch immer mit aller Rüstigkeit seine Stellung ans. Die Mit-
glieder hatten sich zur Jubelfeier im Concertsaale des Opernhauses
versammelt, wo der General-Intendant von Hülsen und der Hof-
eapellmeister Tau bert in entsprechenden Anreden die Verdienste
des Jubilars hervorhoben und diesem von seinen Collegen ein gol-
dener Lorbeerkranz und eine werth volle Pendule als Festgabe über-
reicht wurden. Vom Könige erhielt der Jubilar, dem schon früher
der Rothe Adlerorden verliehen worden ist, ein besonderes Ehren-
geschenk.
BrtlsStf. Das zweite Conservatoriums-Concert , welches am
19. Januar stattfinden wird, hat folgendes interessante Programm:
Ouvertüre zu „Romeo und Julie" von Steibelt; Sinfonie Nr. 1
(Es-dur) von Fe*tis; Ouvertüre Op. 124 von Beethoven; „Ma-
drigal* für 5 Stimmen ä capella von Orlando Lasso; Hr.
Holmes wird das Mendelssohn'sche Violinconcert spielen und
Frl. P 1 i s n i e r die Agathen-Arie aus dem „Freischütz" singen.
— Die „Philharmonische Gesellschaft" eröffnete am 28. Decbr.
ihre Wintersaison mit einem glänzenden Concerte , welchem der
König und die Königin beiwohnten. Es wirkten in demselben mit
der berühmte Harfenist Felix Godefroid, Mme. Marie Sass,
erste Sängerin der grossen Oper in Paris und der treffliche Tenorist
W a r n o 1 8 vom flämmischen Theater. Das Orchester der „popu-
lären Concerte" spielte die Ouvertüre zu Mendelssohn'« „Heimkehr",
die „Chaconne" mit Variationen aus der dritten Suite von Fr. Lachner
und die „Oberon"-Ouvertüre.
Rotterdam. Am 17. December fand das erste Concert der
Maatschappy statt, in welchem die „Auferstehung" von G. A. Heinz e
und die „Kreuzfahrer 11 von Niels Gade, beide Werke hier zum
erten Male, und zwar das erstgenannte unter der Leitung des Com-
ponisten , aufgeführt wurden und allgemeinen , lebhaftesten Beifall
fanden. Die betreffenden Soli wurden gesungen von den Damen
Offermans van Hove von hier und Frl. W a g n e r von
Karlsruhe und von den HH. Ben nare vom hiesigen Theater und
Carl Hill, welche sich zwar sämmtlich ihrer bezüglichen Aufgaben
in lobenswertester Weise erledigten, allein es darf nicht verschwie-
gen werden, dass Hr. Hill durch seinen meisterhaften, wahrhaft hin-
reissenden Vortrag, besonders in der „Auferstehung" alle Andern in
den Schatten stellte. Hrn. B a r g i e 1 , der das ganze Concert mit
grösster Gewissenhaftigkeit vorbereitet hatte und die Aufführung der
„Kreuzfahrer" mit gewohnter Umsicht und Energie dirigirte, gebührt
die vollste Anerkennung, ebenso wie der trefflichen Haltung des
Chors und Orchesters.
Paris. Da die Erbauung neuer Theater an der Tagesordnung
ist, so wird bald die Zeit kommen, wo man auch für Herstellung
von Zuschauern wird sorgen müssen! Hr. von Sal amanca, ein
unmenschlich reicher Particulier, soll die Absicht haben, auf dem
Boulevard Haussmann eine neue Bühne speziell für das Genre der
italienischen, dramatischen und Buffo-Oper zu errichten.
— Die Primadonna der grossen Oper, Mme. Marie Sass ist
für den Monat April am Theater de la Monnaie in Brüssel
engagirt.
— Das dritte Conservatoriums-Concert brachte: A-dur-Sin-
fonie von Beethoven; Chor aus „Psyche" von A. Thomas; D-moll-
Concert von Mozart, vorgetragen von Mme. Tardiens de Mat-
mille; Arie aus „Stratonice" von Mehul, gesungen von Hrn. Warot;
Marsch aus „Tannhäuser" von R. Wagner.
— Das Programm des zehnten populären Concertes des Hrn.
Pasdeloup war folgendes : Ouvertüre zu „Fidelio" (E-dur) von
Btethoven; Sinfonie in Es-dur (Nr. 53) von Haydn; Violinconcert,.
componirt und vorgetragen von Herrn Leonard ; Ouvertüre-
,, Meeresstille" von Mendelssohn (zum 1. Male); „Einladung zum»
Tanze" von Weber, instrumentirt von Berlioz.
— A u b e r 's neue Oper „ Un jour de bonkeur" soll noch im
Laufe dieses Monats in der komischen Oper zur Aufführung
gelangen.
London. Die drei historischen Concerte des Hrn. Ernst P au er-
haben ein zahlreiches und auserwähltes Publikum angezogen, welches-
sowohl durch die getroffene Auswahl aus den Werken einer grossen»
Anzahl hervorragender'CIaviercomponisten verschiedener Jahrhunderte,,
sowie durch die in jeder Beziehung vollendete Executirung eich in.
hohem Grade befriedigt fühlte, so dass der Concertgeber sich zu
einer zweiten Serie ähnlicher Concerte veianlasst finden dürfte, für
welche ihm noch eine ganze Reihe in den gegebenen Concerten
nicht vertretener Componisten zu Gebote stehen.
Row-Tork. Die italienische Oper des Impresario Maretzek
ist zu einem unerwarteten Schlüsse gekommen, indem der männliche
Chor derselben gerade vor Anfang der zweiten Aufführung von«
Gounods „Romeo und Julie" sich weigerte zu singen, wenn den
Mitgliedern desselben nicht eine höhere Gage bewilligt würde..
Maretzek's Vergleichsvorschläge wurden nicht angenommen und so
musste denn die Aufführung unterbleiben und das Theater wurde-
geschlossen.
%* In Brauns chweig haben die Vorlesungen des Hrn..
Prof. Ludwig N o h 1 einen so bedeutenden Beifall gefunden , das»
derselbe sich zu einem zweiten Cyklus von Vorlesungen veranlasst
sah, in welchem er die moderne Oper (Beethoven, Weber, Wagner)
besprach. Das „Braunschweiger Tagblatt" enthält einen von Noht
verfassten Artikel über Rieh. Wagner, seine Principien und deren
Entwickelung, der'recht geistvoll, verständlich und mit vieler Wärme-
geschrieben ist.
*** Dionys P r u ck n e r , Hofpianist des Königs von Würtem-
berg, spielte im zweiten Abonnementsconcert der königl. Capelle in
Hannover das Es-dur-Concert von Beethoven , das Notturno in
A-dur von Chopin und eine ungarische Rhapsodie von Liszt und
fand eine ausserordentlich beifällige Aufnahme.
*** Das Josephstädter-Theater in Wien ist für 91,000 fl. von
einem Hrn. Perl gesteigert und sogleich an den bisherigen Directory
Hrn. Ballmeyer, auf sechs Jahre verpachtet worden.
*** Das Florentiner Quartett concertirt gegenwärtig
mit groseem Beifall in Dresden.
%* Rieh. Wagner's Oper: „Der fliegende Holländer" ist am
Hofoperntheater in Wien nach längerer Pause wieder zur Auffüh-
rung gekommen und mit grossem Beifall aufgenommen worden. Hr..
B e ck leistete in der That Ausserordentliches.
*** Der Musikdirector Steffens in Potsdam hat vom»
König von Preussen den Kronenorden erhalten.
*** Fr. Lucca ist am 18. December zum ersten Male in
Petersburg als Gretchen aufgetreten und zwar mit enormem
Erfolge, indem sie nicht weniger als 22mal gerufen wurde.
*** Am 11. d. M. findet in Berlin das erste Concert A. R u-
binstein's im Saale der Singakademie statt.
V* In Brüssel wurde Lortzing's „Undine" mit glän-
zender Ausstattung aufgeführt und fand eine sehr beifällige Auf-
nahme.
*** Zum ersten Male ist in Spanien, und zwar in Barce-
lona, ein „Musik-Almanach" von einem jungen Kritiker und
Componisten, Namens L. F. Luis O b i o 1 s , herausgegeben worden,,
welcher recht interessante historische und statistische Mittheilungen
enthält. ,
V Gonnod'i „Romeo und Julie" hat in N e w - Y o r k wenig
Glück gemacht.
*** Im fünften Concert der russischen Musikgesellschaft in P e t e r s-
burg kamen unter der Leitung des Hrn. Berlioz folgende Werke
zur Aufführung: Leonoren-Ouvertüre von Beethoven; Chöre rfus
„Tphigenie in Tauris" von Gluck und „Episode aus dem Leben eines
Künstlers" fantastische Sinfonie (Nr. 1, C-dur) in fünf Abtheilungen,
von H. Berlioz.
Yerantw. Red. Ed. Fächer er. Druck r. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
Jl* 3.
20. Januar 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
I
| Diese Zeitung erscheint jeden ;
MONTAG.
: Man abonnirt bei allen Post- '
ämtern, Musik- & Buchhand- '
lungen.
V ^ P t €6 g
von
B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
PREIS:
' fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
' 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal.
{ *
INHALT: Beethoven's Leben. — Corresp. : Leipzig. Berlin. Coburg. — Kachrichten.
Beetlioven's lieben.
Von Ludwig Nobl. (Leipzig, bei Ernst Jul. Günther).
(Schi us s. )
Im Beginne des zwölften Capitels („Die Reise nach Teplitz")
schildert Nohl den Anfang der Verbreitung des Ruhmes, den Beet-
hoven bisher in Deutschland sich errungen hatte, über England,
Frankreich und Italien, wo nach und nach sein Genius sich Eingang
erzwang. Beethoven wird der Gegenstand der verehrungsvollen
Aufmerksamkeit aller nach Wien kommenden Musikfreunde, was
ihm freilich mitunter lästig genug war. Sein leidender Zu-
stand veranlasst den Meister zu dem ihm dringend empfohlenen
Besuche des Bades Teplitz, wohin er denn auch nach vielen Präli-
minarien endlich abreist, unterwegs in Linz seinen Bruder und in
Prag seinen hohen Gönner Fürst von Kinski besucht. In Teplitz
macht er die Bekanntschaft Gothe's und verkehrt viel mit Tiedge
und Frau von der Recke. Nohl ergeht sich ausführlich über die
Stellung Beethoven's zu Göthe, über das geistige Verhältniss der
beiden grossen Männer etc. Beethoven macht Ausflüge nach Fran-
zensbrunn u. Carlsbad undgibt an letztgenanntem Orte eine Akademie
mit dem Turiner Capellmeister Polledro für das abgebrannte
Baden. Auch an einem zarten Verhältnisse mit einem weiblichen
Wesen fehlte es nicht in Teplitz, worüber wir in Nohl's Buch
Ausführlicheres finden. Im October desselben Jahres (1812) nach
Linz zurückgekehrt, vollendet Beethoven dort seine achte Sinfonie*
Mit Betrachtungen über die veränderte Richtung von Beethoven's
Geist in damaliger Zeit schliesst der Verfasser dieses Capitel.
Das dreizehnte Capitel (mit der Ueberschrift : „Das Con-
cert im Universitätssaale") beginnt mit bedeutender Geldnoth un-
seres Meisters, dessen Einkünfte durch den Tod des Fürsten Kinski's
verkümmert wurden, während die Unterstützungen für Beethoven's
kranken Bruder bedeutende Ausgaben veranlassten. So wird denn
Alles aufgeboten, um Geld herbeizuschaffen. Hauptsächlich zu
diesem Zwecke will Beethoven auch eine grosse Akademie veran-
stalten, hat sich aber durch Schwierigkeiten aller Art hindurchzu-
arbeiten, was wieder sehr schlimm auf seinen Gemüthszustand wirkt,
so dass er zur Erholung nach Baden geschickt wird; doch muss
er bald wieder nach Wien zurück und die Geldnoth wird immer
dringender. Die lange projectirte Akademie kommt endlich durch
die aufopfernden Bemühungen seiner Freunde zu Stande und findet
jm Universitätssaal am 8. und 12. Dec. 1813 statt, bei* welcher
Beethoven u. A. seine Schlachtsinfonie zum ersten Male aufführte. Was
»von .hervorragenden Musikern sich damals in Wien aufhielt, wirkte
bei diesen Concerten im Orchester mit (Meyerbeer, Spohr, Salini,
Romberg, Moscheies etc.) und es ist uns der Danksagungsbrief auf-
bewahrt, den Beethoven an alle ihn bei diesem Unternehmen Un-
terstützenden gerichtet hat.
Der Erfolg dieser Akademien war besonders darum wichtig,
weil dieselben die hohe Bedeutung des Meisters und seiner
Werke dem grossen Publikum zur Anschauung brachten . und
ein erhöhtes Interesse für dieselben wach riefen. Nohl hält
hier noch einmal Revue Über die bedeutendsten Werke Beet-
hoven's , womit dieses Capitel seinen Abschluss findet und es
folgt nun das vierzehnte und letzte Capitel dieses Bandes,
mit der Ueberschrift : „Der Wiener Congress", welches sich im
Anfange mit einer von der „Gesellschaft der Musikfreunde" in Wien
an Beethoven ergangenen Bestellung eines Oratoriums, mit den nun
zu Beethoven's Vortheil stattgefundenen Wiederholungen jener
grossen und einträglichen Concerte und zwar im grossen Redouten-
saale beschäftigt, in welchen auch die „Schlacht bei Vittoria"
wieder aufgeführt wurde, die nun natürlich Jedermann hören wollte,
so dass der Zudrang ein ausserordentlicher war und die zur Auf-
führung gelangten Werke einen bis dahin unerhörten Beifallsjubel
hervorriefen; ferner handelt dieses Capitel von der Wiederholung
des „Fidelio" zu Beethoven's Benefiz, welcher in der letzten Zeit noch
viele weitere Aufführungen dieser Oper nachfolgten, sowie mit einer
Beurtheilung derselben, ferner von Beethoven's Händeln mitMälzel
wegen der Schlachtsinfonie, und mit der Familie des Fürsten Kinski
wegen Ausbezahlung seines Jahrgehaltes und endlich mit den Er-
eignissen des Wiener Congresses. Da fand nun am 29.
Nov. 1814 eine Akademie im grossen Redoutensaale statt, in wel-
cher die A-dur-Sinfonie, die Gelegenheitscantate „der glorreiche
Augenblick" und die „Schlacht bei Vittoria" zur Aufführung kamen ;
von dieser Akademie fanden noch zwei Wiederholungen statt. Er-
hebend ist die Schilderung der ersten Akademie, bei welcher Beet-
hoven's Genius vor einem „Parterre von Königen" und vor dem
gebildeten Europa sich entfalten durfte, und deren Nachwirkungen
auf Beethoven's geselliges und conventionelles Leben und Treiben
von grossem Einfluss waren , so dass der Meister ,,auf des Dasein's
höchsten Höhen" wandelte. Auch der Kinski'sche Streit nimmt ein
für Beethoven's Finanzen erspriessliches Ende und eine Ausgleichung
mit dem längere Zeit entfremdeten Fürsten Lobkowirz findet statt
und so schliesst denn dieses Capitel und mit demselben der II.
Band von Beethoven's Biographie wohl mit einem der glücklichsten
Zeitabschnitte in dem Leben des grossen Meisters.
Dem von uns hier gegebenen Umrisse des Inhaltes dieses zweiten
Bandes fügen wir nun noch bei, dass wir von demselben in mancher
Beziehung weit mehr befriedigt sind, als von dem im Jahre 1864
erschienenen ersten Bande. (Siehe XIII. Jahrgang d. Bl. , Seite
182). Der Verfasser hat sich wohl Zeit gegönnt zur Vollendung
dieses Bandes, aber er hat seine Zeit auch gut angewendet und
sowie er überall ein eifriges, gewissenhaftes und umsichtiges For-
schen beurkundet, so zeigt er sich auch vou der Schwierigkeit und
dem Umfange seiner Aufgabe durchdrungen , und lässt nichts, unbe-
rührt, was zum Verständnisse des geistigen, sowie des äusseren
Lebens Beethoven's dienen kann, und wenn auch vielleicht manche
auf dessen Werke bezügliche Betrachtungen füglich dem speziell
dafür bestimmten IV. Bande hätten überlassen bleiben können , so
finden wir in diesem Bande doch nicht mehr jene mitunter ganz
aus dem Bereiche des eigentlichen Gegenstandes fuhrende Weit-
schweifigkeit, welche uns im ersten Bande so störend war. Von
- 10 -
grossem Werthe und reichem Iahalte sind die dem Haupttexte die-
ses Bandes nachfolgenden Notizen, welche 316 an der Zahl und 93
engbedruckte Seiten füllend, eine Menge von interessanten Erläu-
terungen, Briefen, Anecdoten und zahlreichen Quellenangaben etc.
enthalten. Wir glauben daher dem ganzen Werke, insofern die
folgenden Bände dem vorliegenden «weiten entsprechen und nickt
gar zu lange auf ihr Erscheinen warten lassen werden, eine freund-
liche Aufnahme von Seiten der Verehrer Beethoven's in Aussicht
stellen zu dürfen, die wir dem verdienstvollen Verfasser auch von
Herzen gönnen. E. F.
■ j > o» —
Moritz Hauptmann f.
Einen grossen Verlust erlitt die Musikwelt durch den am 4. Jau.
ohne vorhergegangene Krankheit ganz unerwartet erfolgten Tod des
Dr. Moritz Hauptmann, Cantor an der Thomasschule und
Lehrer des Contrapunktes und der Fuge am Conservatorium in
Leipzig. Der Verewigte war am 13. October 1792 in Dresden
geboren und wurde von seinem Vater, welcher Oberlandbaumeister
war, anfangs zur Carriere eines Archifcecten bestimmt; er betrieb
auch die hierauf bezüglichen Studien, ebenso aber daneben mit
besonderer Vorliebe Musik, bis er endlich in seinem 18. Jahre nach
Gotha zog, um mit Bewilligung seines Vaters sich bei dem dortigen
Concertmeister C. Spohr im Violinspiel auszubilden. Im Jahre
1812 wurde er in der Hofcapelle zu Dresden angestellt, folgte
aber bald seinem Lehrer Spohr nach Wien, wo dieser eine Ca-
pellmeisterstelle erhalten hatte. 1815 ging Hauptmann mit dem
Fürsten Eepuiu nach Russland, wo er fünf Jahre lang, in eifrige,
wissenschaftliche uud musikalische Studien versenkt, zubrachte.
1820 nach Dresden zurückgekehrt, zog er nach zweijährigem Auf-
enthalte daselbst nach Cassel, wo ihm sein Freund Spohr eine
Stelle in der unter seiner Leitung stehenden Capelle verschafft hatte.
Nach lOjähriger Thätigkeit daselbst übersiedelte Hauptmann 1842
nach Leipzig, wohin er als Cantor der Thomasschule berufen
worden war und übernahm im darauffolgenden Jahre auch die Stelle
eines Lehrers des Contrapunktes an dem ueubegründeten Conser-
vatorium. Als Künstler wie als Mensch von Allen, die ihn kannten,
geliebt und hochgeachtet, sah der treffliche Meister seine Aussaat
selbst noch herrlich erblühen und Früchte tragen, und seine Ver-
dienste als Virtuose, Lehrer, Componist und Theoretiker fanden in
der Anerkennung der ganzen Musikwelt, in dem Danke seiner zahl-
reichen Schüler, in der aufrichtigen Liebe und Verehrung seiner
Freuude uud Kunstgenossen, sowie in den vielfachen Auszeichnun-
gen, welche ihm durch Ehrendiplome vieler Gesellschaften und
durch Ordensverleihungen von Seiten mehrerer deutschen Fürsten
zu Theil wurden, ihre entsprechende Würdigung. Sein Andenken wird
«in höchst ehrenvolles und unvergängliches und sein Name unauflöslich
verknüpft bleiben mit deutscher Kunst und deutscher Bie*
derkeit.
> « iO<0»»
CORÄBSPONDBNXBN.
Aus Berlin.
(Fortsetzung.)'
Zu dem Berliner Musik - Apparat längeren Bestandes über«
gehend, erwähne iefc die Singakademie, von deren stets dem
Alten, Aeiteren und Weitesten gewidmeten Aufführungen mir indessen
Htcbta weiteres bekannt geworden ist , als dass ihrer wieder- statt*
gefunden haben, den Gu*ta v- Ad o l p b - Ve r e i n , der ohne
sich besonders um den Fortschritt zu, kümmern, seine Concerte
gleichwohl des ntusikfremd«a Zweckes anerachtet , immer auf einer
anständigen Höhe- erftälti den Uomchor, welcher in einem eige-
ne» Cbncert an „profaner* Stelle* ein unendlich langes Singepro»
gramm von fast lauter vorattglichaiCen Sachen ausführte, vorzüglich,
wia immer; d>n T o n k ü n s 1 1 e r - Fe r e i n , der in letzterer Zeit
einen regeren Aufschwung und bessere Verfassung gewonnen hat
und fleissig pro domo und an hohen Tagen in weiterem Horizonte
musicirt, und um das Beste zuletzt zu nennen, die Aufführungen
des Stern' sehen Gesangvereins. Dieser feierte am 13.
December a. p. sein 20jähriges Bestehen, wie er es nicht würdiger
hätte thun können, durch erneuerte Aufführung der ihm dedicirteu
Messe von Friedrich Kiel. Dieselbe wurde eingeleitet durch
die von W. Bast instrumentirte Fantasie aus G-moll für Orgel
von Bach — das gab eine Vorbereitung von angenehmer Noblesse.
In Bezug auf Kiel's Werk beschränke ich mich auf die Wieder-
gabe meiues persönlichen Erlebnisses, dass ich, dessen atheologische
Ueberzeugungen bis zu jener Stelle fast überall mit dem musika-
lischen Eindruck im Streit lagen, bei dem Einsatz des Et incarnatus
est de Maria virgine und fast noch mehr bei dem überschwänglich
ergreifenden, stilledlen et passus etiam pro nobis et sepultus est
der Wahrheit, mit welcher an der einen Stelle die Innigkeit der
Hingabe an ein holdes Mysterium, an der andern das Leiden als in
tiefster Reue mitempfunden ausgedrückt ist, keinen Augenblick wi-
derstehen konnte. Ich erkläre mir dies daraus, dass der Darsteller
des in irgend einem Sinne Heiligen, will er es herzergreifend vor
unser Auge oder Ohr bringen, demselben einen menschlich wahren
Ausdruek geben muss, der im Grunde ganz unabhängig von der
dogmatischen Specialität der begleitenden Vorstelluug ist. Dies
wird um so leichter — hohe Begabung vorausgesetzt — je tiefsin-
niger jene Vorstellung war, je näher sie ihres dogmatisch geprägten
Ausdrucks ungeachtet, der reinen Offenbarung eines der Welt- oder
Menscbheitsgebeimnisse gekommen war. So wird das Leiden, so
ausgedrückt, wie in jenem passus et sepultusjest gleichsam trans-
parent; hörend sehe ich es deutlicher den Kern des Trostes in sich
tragen, das es die Schuld sühut, weil es den Willen bricht, welches
auch ohne die besondere christliche Vorstellungsart ein in jeder
Menschenbrust verborgenes Mysterium ist; jene hat nur in diesem
Falle darauf geleitet. Dieses Mitgehen des Gemüths mit dem künst-
lerischen Eindruck würde natürlich durch jeden Makel in der Aus-
führung desselben gestört werden und so gereicht es der Stern'schen
Direction zum höchsten Lobe, dass sie ganz auf der Höhe des
Werkes stand ; es war ein Musik-Abend von acht idealem Werthe.
Es verdient im Anschluss an das bisher Bertchtete noch notirt
zu werden, dass der Preis der Meyerb eer-Stiftung 1867
von Wilhelm Claussen aus S ch w e r i n davongetragen wurde,
für die Composition einer Ouvertüre, einer Cantate über „Jephtha's
Tochter" von Grube und einer achtstimmigen Doppelfuge. Einer
der grossen Todten , anf welche die Berliner Concertgeber ihre
Dankbarkeit beschränken sollten, hat dem Werdenden Gunst ge-
spendet, schade, dass er nicht auch eine officielle Aufführung der
gekrönten Werke verfügt hatte, denn keiner der einflussreichen
Männer, welche die Präfungs-Commission bildeten, hat sich dafür
verwendet. Wie uud soweit Referent seinen Freund kennt, ist W.
Claussen eine sowohl für das Erhabepe wie für das Zarte gleich -
massig begabte produetive Natur, von angeboren feinem.Geschmack
und klarem Urtheil geleitet, vom eähesten Fleisse, und einer äusser-
lioh stets nobel verhaltenen, aber innen bis in die letzte Fiber
waltenden Begeisterung beseelt, Eigenschaften, welche ihm eine
ruhmreiche Zukunft sichern. Carl Fuchs.
(S c h 1 u s s f o 1 gt .)
i M t »
SL u s Leipzig«
1. Januar llfiS.
Der Monat December lieferte in seinem Beginn eine reiche mu-
sikalische Ausbeute; Concert drängte sich auf Concert, es war, als
wenn auf einmal Alles, was Odem und Finger hat, blasen, singen
und spielen wollte, und mancher musikalische Berichterstatter mochte
wohl im Stillen seufzen: „Heilige Cäcilia, halt ein mit Deinem
Segen!"
Sonntag den 1 1. December gab das Florentiner Strei cb>
q u a r t e 1 1 eine Soiree im Gewandhaussaale. Es ist über die Hfl.
Jean B ecker, Masi, Chiostri und Hilpert schon so viel
geschrieben worden, ihre Leistungen, die* was Zusammenspiel, Auf-
fassung und Klangwirkung anlangt, als unübertroffen dastehen, sind
11 -
so allseitig anerkannt, dass da nichts weiteres zu bemerken ist, als
dass sie durch den Vortrag dreier Quartette: op. 161. in G-dur von
F. Schubert, Nr. 6 in G von Mozart und op. 130 in B von Beet-
hoven verdienten reichsten Beifall erndteten.
Montag: den 2. December : Concert des Hrn. Moritz N a b i eh.
Vor längerer Zeit als einer der ersten Posaunen-Virtuosen berühmt
und gefeiert, wusste derselbe an diese für ihn so schöne Zeit durch
den Vortrag eines David'schen Concertinos und zweier für die Po-
saune gesetzten Lieder von Mendelssohn und Marschner zu erinnern.
Als besonders dankenswerth erwies sich in diesem Concerte die
Mitwirkung des Hrn. Gapellmeister Bei necke und Concertmeister
David.
Dienstag den 3. December : Viertes Concert des Musikver-
eins „Euterpe". Wohl zur Erinnerung an Mozart's Todestag, 5.
December 1791 , hatte man zur Eröffnung dieses Concertes dessen
Maurerische Trauermusik gewählt. Der erhabenen Würde und edlen
Einfachheit des Stückes wollte die etwas zu derbe Behandlung von
Seiten der noch dazu sich nicht in gehöriger Stimmung befindenden
Blasinstrumente nicht recht entsprechen. Es folgte hierauf eine
Concert-Arie für Sopran mit obligater Violine von Mozart, vorge-
tragen von Frl. Clara Priwe aus Frankfurt a. O. Die junge Dame
trat damit, wie wir hören, zum ersten Mal vor die Oeffentlichkeit,
jedenfalls zu früh ; die Ausbildung ihrer an und für sich nicht üblen
Stimme erwies sich nach keiner Richtung als fertig und für den
Vortrag eines solchen Stückes geeignet. Recht gut wusste sich
dagegen Hr. Concertmeister Heckmann mit seinem Violinpart ab-
zufinden. Von zwei Liedern, die Frl. Priwe noch vortrug; „Im
Freien von F. Schubert und „Intermezzo" von R. Schumann fand
das Erstere mehr Beifall. — Als bereits rühmlichst anerkannter
Violoncell- Virtuose führte sich Hr. Julius Goltermann, Königl.
Hofconcertmeister aus Stuttgart, durch den Vortrag eines Con-
eertes von B. Molique — Adagio und erster Satz — auf das
Vorteilhafteste ein. Sein edler, voller Ton , wie seine bedeutende
Fertigkeit erwarben ihm reichsten Beifall, der auch seinen weiteren
Vorträgen -*— Solostück (ueu, Manuscript) von Jos. Hub er, desseu
Bekanntschaft wir ihm gern erlassen hätten, und Arie von Pergo-
leso — folgte. Nur die allzuhäufige Anwendung des Tremolirens
will uns durchaus nicht behagen; wir pflegen diese über Hand neh-
mende Unsitte aufs schärfste bei Sängern und Sängerinnen zu
rügen, sie bleibt dieselbe auch den Streichinstrumentalisten gegen-
über. — Eine den Kräften nach recht gute und sorgfältige Aus-
führung fanden die beiden Orchesterwerke: Sinfonie (Nr. 1, C-dur)
von S. Jadassohn, dem Dirigenten des Vereins und Ouvertüre
au Calderons „Dame Kobold" von C. Rein ecke. **
Mittwoch den 4. December: Concert der Frl. Constanze Skiwa
aus Wien im Saale des Conservatoriums. Die Vorträge der jungen
Künstlerin, Quartett von W. Schumann, op. 44, Pastoral-Sonate
von Beethoven, op. 28, der E-dur-Variationen von Händel und
mehrere andere Solostücke von Bach, Rubinstein, Liszt und
Wieniawsky wurden mit lebhaftem Beifall aufgenommen; ein
gleicher wurde den Liedervorträgen der Frl. Clara Schmidt zu
Theil, die Zeugniss einer trefflichen Schule ablegten.
Donnerstag den 5. December: Achtes Abonnements - Concert
im Saale des Gewandhauses. Das Andenken an Mozarts Todestag
Zu ehren, füllten den ersten Theil des Concertes nur Werke des
unsterblichen Meisters aus. Weit über ein halbes Jahrhundert ist
seit seinem Dahinscheiden verflossen und noch üben seine Töne den
gleichen allgewaltigen Zauber aus, wie zur Zeit ihres Entstehens,
und werden ihn üben, wenn Viele der Gegenwärtigen und Zukünf-
tigen der Vergessenheit anheimgefallen sind. Dafür legten seine
Sinfonie in G-moll und seine Zauberflöten-OiiveWüre Zeugniss ab,
welche beide Werke vom Orchester mit liebevoller Pietät zu herz-
lichster Geltung gebracht wurden. Ein hier zum ersten Male zu
Gehör gebrachtes Concertone für 2 Principal - Viofiöferi , Oboe, 2
Violen, Violoncell Solo und Orchester lässt zwar in Vielen feinen
und sinnigen Details seinen Ursprung nicht verkennen, steht aber
nicht auf der Höhe jener unsterblichen Werke, so viel Mühe man
auch auf die Ausführung verwendete , man vermochte damit nicht
eine gewisse, namentlich durch den letzten Satz hervorgerufene
Ermüdung zu verscheuchen. Zwischen diesen Instrumental- Werken
aang Frau von Lichtmay, Königlicher Hofopernsängerin aus
Wiesbaden, die Rache -Arie aus Don Juan, mit Hinweglassung
der dazwischen eingestreuten Recitative des Ottavio, was auf uns,
nebenbei gesagt, mindestens einen sehr störenden Eindruck machte.
In Folge der Aufführuug der Reinecke'schen Oper „Manfred" in
Wiesbaden war der Dame ein sehr guter Ruf vorausgegangen, den
ihr erstes Auftreten jedoch nicht rechtfertigte. Es lässt sich zwar
nicht in Abrede stellen, dass sie die Arie mit einer gewissen Verve,
einem theatralischen Aplomb sang, der von den Brettern herab seine
Wirkung auf ein derartige Effecte liebendes Publikum nicht ver-
fehlen wird; im Concertsaale konnte dies jedoch nicht für die all-
zugrell hervortretenden Mängel entschädigen. Zu diesen rechnen
wir ein fortwährendes Tremoliren, uncorrecte Textaussprache, un-
ausgebildete Verbindung der Töne und eine sich auf der Höhe der
Aufgabe nicht entfernt bewegende Auffassung. Dass das Publikum
unsere Ansicht theilte, bewies der dem Vortrag nur spärlich ge-
spendete Beifall. Mit besserem Erfolge wusste sich die Dame im
zweiten Theil mit einer Arie aus der Oper „König Manfred" von
Reinecke abzufinden; diese entsprach mehr ihrem Naturell und
ihren Fähigkeiten, wie ihrem Auffassungsvermögen. Aus derselben
Oper leitete ein Entr'act den zweiten Theil des Concertes ein , der
dem Componisten wiederholten Hervorruf brachte: Beide Nummern
waren übrigens ganz geeignet, das günstige Urtheil des Wiesba-
dener Publikums als gerechtfertigt erscheinen zu lassen und uns
auf die Aufführung der Oper begierig zu machen, die dem Verneh-
men nach für das neue Theater vorbereitet wird. — Was die fn-
strumental-Vorträge anlangt, so wusste Herr L. Bennat, Königl.
Bair. Hofmusiker aus München, ein veraltetes, ziemlich langweiliges
Coucert-Allegro (H-moll) für das Violoncell von B. Romberg
durch seinen Vortrag um nichts interessanter zu machen; der eines
Larghetto von Mozart , das weniger Ansprüche auf Fertigkeit , wie
auf einen schönen, edlen Ton macht, verschaffte ihm Beifall und
Hervorruf, der in letzterer Zeit auch in den Räumen des Gewand-
haussaales gang und gebe wird. Das Concert wurde mit der Beet-
hoven'schen „Coriolan 8 -Ouvertüre geschlossen; sie fand eine vor-
treffliche Wiedergabe.
Aus Coburg.
Die vorjährige Theatersaison war eine sehr bewegte, sie brachte
ca. 90 Schau- und Lustspiele, sowie 35 Opern und 15 Singbpiele,
worunter als Novitäten „Lohengrin" „Romeo und Julie" von Gou-
nod, „die St. Johannisnacht*, komische Oper von unserem vor-
trefflichen Basssänger Hrn. A. Eilers, und Off enbach's „Blaubart"
dem Publikum vorgeführt wurden.
„Lohengrin", welcher mit bekannter Meisterschaft von unserem
genialen Hofcapellmeister L a m p e r t vortrefflich einstudirt und
sceuirt war, bot zugleich noch durch die neuen Costüme und Dd-
eorationen den Glanzpunkt der Saison. Die Titelrolle befand sich
in den Händen eines jungen , talentvollen Mannes , Hrn. Hohl-
dampf und gab sich derselbe die grösste Mühe, der vorzüglichen
Leistung des Frl. B po h r (Elsa) würdig zur Seite zu stehen. Die
übrigen Soli und die Chöre waren gut und das Orchester gab durch
seine bekannte Tüchtigkeit dem Ganzen die Weihe. Die 3 malige
Aufführung erfuhr eine immerwährende Steigerung des Beifalls.
„Die St. Johannisnacht , komische Oper in drei Acten von
A. Eilers, bietet musikalisch sehr viel Schönes und die Handlung
so viel natürlich Komisches, dass dieselbe allen Theatern- mit Recht
aufs Wärmste empfohlen zu werden verdient.
Ferner ist noch einer zweimaligen Aufführung der Haydn*-
schen „Schöpfung* von Seiten der hiesigen Singakademie zu ge-
denken und verdient besonders Hr. W. Prant, Director des hie-
sigen Conservatoriums für Gesang, welcher beide Aufführungen
leitete, besonderen Dank für den erhebenden Genus», welchen er
uns durch dieselben bereitete.
Am 2» Januar fand die Uebersiedelung des Theaters nach.
Gotha statt
- 12 —
Nachrichten.
NaiDZ. Am Freitag den 10. d. M. fand im Stadttheater ein
ursprünglich von dem Offiziercorps der k. preussischen Besatzung
in deren Casinosaale zu geben beabsichtigtes Concert zum Besten
der Nothleidenden in Ostpreussen statt. Die Kachfrage nach Ein-
trittskarten hatte jedoch solche Dimensionen angenommen, dass man
sich entschloss, das Concert im Theater zu geben, zu welchem der
Director, Hr. Behr, das Haus, der Inhaber der Gasfabrik die Be-
leuchtung und ein Mainzer Bürger die Beheizung gratis hergaben,
sowie denn überhaupt der Wohlthätigkeitssinn der Mainzer sich
wieder glänzend bewährte und das in Rede stehende Concert einen
Eeiaertrag von mehr als 800 fl. lieferte. Das Orchester bestand
aus der Elite der hiesigen preussischen Militärmusiken und ausser-
dem hatteu Fr. Betty Schott, die als vortreffliche Pianistin auch
in weiteren Kreisen bekannte Gattin unseres Bürgermeisters, nebst
den Damen Fr. Bertram-Mayer und Frl. Winkler und dem
Schauspieler Raberg vom Stadttheater ihre schönen Talente zur
Verfügung gestellt, sowie es auch an einem wohlgeübten Chor von
Herren und Damen nicht fehlte. Herr Oberstlieutenant v. Einem
dirigirte das Orchester und aecompagnirte am Claviere und sämmt-
liehe Leistungen wurden von dem äusserst zahlreichen Publikum
mit verdientem reichlichen Beifall belohnt.
Frankfurt a. M. Am 7. d. M. starb dahier nach längerem Lei-
den Hr. Dr. Carl von G u a i t a im Alter von 58 Jahren. Der Ver-
blichene hatte seinem Berufe als Advokat schon seit mehreren Jah-
ren entsagt und sich als Präsident des engeren Ausschusses der
Theateractionäre ausschliesslich der Leitung des Frankfurter Stadt-
theaters gewidmet.
Was man auch über seine häufig rüden and abstossenden Ma-
nieren mit Recht einzuwenden haben mochte , seiner Thätigkeit als
Bühnenvorstand wird man Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen,
denn dass er als solcher Umsicht , Energie in künstlerischer wie in
administrativer Beziehung in hohem Grade besass und entfaltete,
dafür sprechen einmal die blühenden artistischen und finanziellen
Verhältnisse unserer Bühne und ausser dem Urtheile aller Unbe-
fangenen auch das des ihm untergebenen Personals, welches ihn
als einen strengen und rücksichtslosen , aber auch gerechten und
practischen Vorgesetzten anerkannte und achtete.
Stuttgart. Das unter dem Protectorat Sr. Maj. des Königs
stehende Conservatorium für Musik hat im vergangenen Herbst,
gegenüber einem Abgang von 57 Zöglingen, 118 neu aufgenommen,
darunter 32, welche sich der Musik berufsmässig widmen. Der Hei-
math nach kommen von den neueingetretenen Zöglingen 59 auf
Stuttgart, 12 auf das übrige Würtemberg, 6 auf Baden, 1 auf
Bayern, 4 auf Preussen , 1 auf Hamburg, 1 auf Oesterreich, 7 auf
die Schweiz, 1 auf die Niederlande, 13 auf Grossbritannien, 8 auf
Russland, 5 auf Nordamerika. Die Anstalt, welche zu Anfang des
Wintersemesters 1866/67 338 , zu Ende desselben 347 Zöglinge
hatte, zählte deren nun im ersten Winterquartal 1867/68 370, und
zwar 103 Schüler und 267 Schülerinnen — eine bisher noch nie
erreichte Anzahl. Unter diesen Zöglingen sind 227 aus Stuttgart;
35 aus dem übrigen Würtemberg , 15 aus Baden , 9 aus Bayern , 4
aus Hessen, 6 aus Preussen, 3 aus den sächsischen Fürstenthümern,
1 aus Hamburg, 4 aus Oesterreich, 20 aus der Schweiz, 2 aus den
Niederlanden, 18 aus Grossbritannien, 13 aus Russland, 11 aus Nord-
amerika, 2 aus Mittel- und Südamerika. Von der Gesammtzahl der
Zöglinge widmen sich 106 (37 Schüler und 69 Schülerinnen) der
Musik beruf massig, nämlich 41 Würtemberger (23 aus Stuttgart) und
65 Ausländer, und zwar 15 aus Baden, 6 aus Bayern, 4 aus Hessen
4 aus Preussen, 2 aus Sachsen-Weimar, 1 aus Hamburg, 1 aus
Oesterreich, 15 aus der Schweiz, 7 - aus Grossbrittannien, 5 aus
Russland, 3 aus Nordamerika, 2 aus Mittel- und Südamerika. Der
Unterricht wird während dieses Wintersemesters in wöchentlich 414
Stunden durch 21 Lehrer ertheilt. Unter den letzteren sind neue-
stens die HH. Lebert, Pruckner, Speidel und Stark
von Sr; kgl. 'Majestät in Anerkennung ihrer verdienstlichen Wirk-
samkeit durch Verleihung des Professorstitels ausgezeichnet worden*
Paris. Das elfte Concert des Hrn. Pasdeloup fand mit
folgendem Programm statt : G-moll-Sinfonie von Mozart; Ouver-
türe zu „Manfred" von R. Sehn manu (zum 1. Male); „Sicilienne
und Menuet" von Seb. Bach (zum 1. Male); 9. Sinfonie von Beet-
hoven (die drei ersten Sätze); Ouvertüre zu „Wilhelm Teil" von
Rossini.
Brüssel. Für sein fünftes populäres Concert ist es Hrn.
Samuel gelungen , die Mitwirkung der Frau Clara Schu-
mann zu gewinnen, welche das Capriccio mit Orchesterbegleitung
von Mendelssohn, „Zur Guitarre" von Ferd. H i 1 1 e r und
n Si j'e'tais oiseau", Etüde von Adolf Henselt vortragen wird,
Ausserdem enthält das Programm die Ouvertüre zu „Egmont" und
„Leonore" von Beethoven, das Andante aus dem Quartett
Nr. 76 von Haydn, „Menuett" aus der 2. Suite von Fr. Lach-
ner und die Ouvertüre zu „Hamlet" von Stadtfeld.
— Die HH. Colinx, Firket, Schreurs, Gangler
und Stengers beabsichtigen vier klassische Kammermusik-Con-
certe zu geben , deren erstes am 23. d. M. und die folgenden von
14 zu 14 Tagen stattfinden werden. Die Unternehmer beabsichtigen,
mit Zuziehung weiterer Kräfte , wo dies nöthig sein wird , die her-
vorragendsten Werke älterer und moderner Meister aus dem Bereiche
der Kammermusik zur Aufführung zu bringen und haben die Namen
Mozart, Beethoven, Spohr, Mendelssohn, Schubert, Gade und Fetis
auf ihr Programm gesetzt.
New- York. Der Ciaviervirtuose Leopold von Meyer,
welcher seit einiger Zeit in verschiedenen Städten der Union con-
certirt, wird allenthalben mit nicht minder enthusiastischem Beifall
aufgenommen , als bei seinem ersten Besuche , den er vor einer
Reihe von Jahren in Amerika abgestattet hat. Er spielt ausschliess-i
lieh seine eigenen Compositionen, welche durch ihre gefällige, me«
lodienreiche und pikante Erfindung, noch mehr aber durch die
bekannte schwungreiche und wahrhaft electrisirende Vortragsweise
des Componisten und Virtuosen und durch die brillante Technik,
welche seine Stücke zu entfalten ihm Gelegenheit geben , überall
ihre zündende Wirkung bewähren. Der Zudrang zu den Concerten,
in welchen v. Meyer auftritt, ist daher ein ausserordentlicher, und
an manchen Orten wurden die Eintrittskarten versteigert nnd zu
hohen Preisen bezahlt. Am 5. December spielte Hr. v. Meyer in
einem grossen Concerte in Washington, welchem der Präsi-
dent Johnson und sämmtliche dort residirende Gesandten beiwohn-
ten und den bei dem Concerte betheiligten Künstlern und Künst-
lerinnen nach dem Schlüsse desselben ein splendides Souper gaben«
Hier in New- York selbst gab Hr. v. Meyer drei eigene Concerte
in Steinway-Hall vor einem eben so zahlreichen, als auserlesenen
Publikum, welches ihn mit Beifallsbezeugungen überschüttete. Der
gefeierte Künstler bedient sich ausschlieslich der Instrumente aus}
der berühmten Fabrik von Steinway and Sons in New-York-
%* Prof. Dr. Ludwig N o h 1 hat in M ü n ch e n im Liebig*-
schen Hörsaale eine Serie von „musikgeschichtlichen Vorträgen",
mit einer Besprechung Beethoven's, wie er in seinen späteren, rei-
feren Werken erschien , begonnen. Seinen nächsten Vorlesungen)
werden C. M. v. Weber's Leben und Scharfen und der Entwick-
lungsgang R. W a g n e r 's , sowie dessen Musikdrama als Thema
dienen.
*„* Die k. preuss. Hofopernsängerin Frl. Hentz in C a s s e \
hat sich mit Hrn. Soltans in Mainz verehelicht.
*** Die Leipziger „Signale" bringen die Fortsetzung ihres int
teressanten Musik-Adressbuches, von welchem bisher
Leipzig und Dresden erschienen waren , mit dem Artikel
Berlin. Das ganze Unternehmen ist ein sehr verdienstliches, und}
es ist zu wünschen , dass sich der ungehinderten Ausführung und
Vollendung desselben keine zu grossen Schwierigkeiten entgegen-?
stellen möchten. .»
*** Im Leipziger Stadttheater wurde Schiller's „Turandot*'
aufgeführt mit der von Vincenz Lachner dazu geschriebenen
Musik, welche ausserordentlich ansprach. .;
*** Gounod's Oper „Romeo und Julie" ist in Wiesbaden
zur Aufführung gekommen und hat auch dort keinen glänzenderen
Erfolg erzielt, als in anderen Städten Deutschlands. ,
*** A. Rubinstein gibt am 16. und 18. d. M. Concerte in
Hamburg.
Briefkasten.
sind willkommen.
An Hrn. C. S. Vn C. Fernere Mittheilungen
Verantw. Red. Ed. Fächer er. Druck v. Carl Wallau, Mainz*.
17. Jahrgang.
N/*£.
27. Januar 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
m.*-uMd.M.| ß< 8CH oTT's SÖHNEN in MAINZ.
ton
ämtern, Musik- & Buchhand-
. lungen. ^
Brüssel bei Gebr. Schott London bei Schott & Co.
PREIS:
jfl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
| Durch die Post bezogen:
\ 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal.
INHALT: Wagner's Lohengrin im Gegenzsatz zur Wissenschaft. — Corresp. : Berlin. Leipzig. Stuttgart. — Nachrichten.
Wagner's „sLoliengrin"
im Gegensatz zur Wissenschaft.
Wagner's „Lohengrin", seit mehreren * Jahren in Folge kri-
tischer Kämpfe zurückgelegt, zieht wieder auf den deutschen Bühnen
ein. Bei diesem Werk muss man die in der Kunst-Geschichte nicht
seltene Erscheinung gewahren: vor zehn Jahren hatte man Mühe,
dem Publikum die Schönheiten des Werks begreiflich zu machen
und jetzt muss man den blinden Enthusiasmus bekämpfen. Der
Grund dieser Erscheinung liegt theils in dem Werk, theils in der
künstlerischen Entwicklung des Volks in den letzten zehn Jahren.
Das Werk hat sinnlich berauschende Elemente, die bei seiner ersten
Vorführung, weil sie gegea das Herkömmliehe gingen, nicht erkannt
wurden. Jetzt spürt sie das Publikum und verschliesst die Augen vor
dem bezaubernden Klang. Die letzten zehn Jahre brachten dann im
Gebiet der Oper so viel Zweifelhaftes und auch wirklich Wert-
loses (Meyerbeer's „Dinorah" und „Afrikanerin", Gounod's „Faust"
und „Königin von Saba" , Offenbach's „Orpheus in der Unterwelt 11
und andere Possen), dass das Publikum bei Wagner's „Lohengrin"
wieder in den kühlen Urwald roll frischer Quellfluth versetzt zu
sein glaubte.
Das Werk erfüllt hiermit eine wichtige Aufgabe in der Cultur-
geschichte ; kein einsichtiger Künstler wird diese Bedeutung des
Werks verkennen und dem Schöpfer des Werks seinen Triumph
missgönnen. Die Enthusiasten schiessen aber über das Ziel hinaus,
wenn sie dem Werk eine Epoche machende Bedeutung vindiciren,
wenn sie damit Wagner's Kunstsätze als richtige bezeichnen
wollen. Wagner hat in dem Werk Ausserordentliches geleistet,
aber nicht zur Bestätigung der älteren Wissenschaft, oder zur Be-
gründung einer neuen, sondern trotz der Wissenschaft hat er eine
grosse Wirkung hervorgebracht. Hierin nur liegt der Fehler, dass
er der Wissenschaft entgegengearbeitet hat ; denn sein ganzer Er-
folg ist eine, wenn auch schöne und edle, doch wohl nur vorüber-
gehende Berauschung. Das Volk wird daraus erwachen; wie eis
schönes Wolkenbild wird das Werk zerstieben, wenn die Zuschauer
wieder gewöhnt sind, alle Dinge so zu betrachten, wie sie sind.
Zut Begründung des Gesagten wollen wir nur einige Gesichtspunkte
zur Betrachtung des Werkes aufstellen.
Das Streben unserer ganzen Wissenschaft geht darauf hin, alle
Dinge der Erde in ihrer ganzen Beschaffenheit, bis zu ihrer physi-
kalischen und chemischen Zusammensetzung zu erkennen und die
unbedingte Wahrheit herauszufinden. Die Detail-Studien in
unseren Naturwissenschaften, in Geschichte und Alterthumskunde
laufen darauf hinaus, den ganzen Menschen mit Allem, was um ihn
lebt, wirklich zu verstehen. Sie liefern alle der Kunst das Material,
aus 4?m sie mit ihrem belebenden Hauch wieder den Menschen
und seine Umgebung aufbauen kann. Die Ortskunde lieferte der
Malerei den Stoff zu ihren jetzt erst naturtreu werdenden Land"
Schäften ; die Menschenkunde, das Studium der einzelnen Menschen-
Stämme gab ihr die Möglichkeit zur Darstellung photographisch
richtiger Characterköpfe ; die Geschichte und Alterthumskunde lie^
ferte der Dichtkunst die Kenntniss zur Schilderung der Menschen;
und menschlichen Zustände, die eine Vergleichung mit den um
uns bestehenden zulassen. Wohin wir schauen, zeigt uns jede.
Kunst diesen Zusammenhang mit der Wissenschaft und damit das
vereinte Streben, immer mehr zur unbedingten Wahrheit zu gelan-
gen. Selbst die Tonkunst hat, wenn auch noch schwache Versuche
gemacht, aus dem Studium der Orts- und Stammeskunde zu profi-
tiren und mit Hülfe der Studien über Volkslied und Volkstanz eins
neue Kunst vorzubereiten, welche ähnliehe Resultate wie die übrigen
Künste liefern wird. Von der unbedingten Wahrheit ist sie freilich
noch sehr fern.
Wagner läugnet dje Richtigkeit dieser wissenschaftlichen und
künstlerischen Bestrebungen an sich nicht; theoretisch arbeitet er
sogar nach demselben Ziel hin ; practisch aber ist er an dem grade
entgegengesetzten Ende angekommen. Anstatt die Menschen zu
nehmen, wie sie die Wissenschaft uns überliefert, knetet er nach
Prometheu» Art den Thon von Neuem und schafft nach einem
idealen Modell seine Gestalten. Sein fliegender Holländer, Tann-
häuser und Lohengrin waren noch Menschen ähnliche Halbgötter,
seine Nibelungen-Helden sind schon zu vorsündflutblichen , für un-
sere Menschenkunde unbestimmbaren Wesen geworden. Unsere
Sprach- und Sangstudien führten uns zur genauen Begränzung von
Sprache und Gesang. Wagner's Halbgötter kehrten sich schon
nicht mehr an das menschliche Gesetz, das jede Gefühls-Aeusserung
so verlangt, wie sie die Natur gebietet. Sie führen in der Regel
eine Halbgott-Sprache, wie eine idealisirte, halb der Menschen"
Sprache, halb dem Menschen-Gesang ähnliche Rede; nnr wo sie
vom Gefühl überwältigt werden und unbewusst sprechen, da zeigen
sie ihre halbmenschliche Abstammung und singen wie andere
Menschen. Sein Fafnir und Regin (Nibelungen) sind aber den
menschlichen Gefühls-Aensserungen so entfernt, dass wir uns ein
den Ichthyosauren ähnliches Menschen-Geschlecht vorstellen müssten,
wenn wir solche Sprache als naturgemäss erkennen wollten.
Kurz gesagt: unsere Wissenschaft verlangt wirkliche Men-
schen, die von unserm Fleisch und Bein sind, die reden, singen,
handeln, wie's in des Menschen Natur liegt; die übrigen Künste
arbeiten darauf hin, solche Menschen uus vorzuführen. Wagner's
Kunstwerke würden, wenn ihnen Folge gegeben würde, die ge-
sammten Errungenschaften der Wissenschaft wieder zerstören und
die Geschichte umkehren. Sein Kunstwerk der Zukunft — , das
principiell richtig gedacht ist, indem es jeder Kunst ihre Stelle zu-
weist — leidet deshalb an dem Hauptfehler, dass es über-, d. b.
unnatürliche Menschen mit unnatürlicher Sprache uns als Muster
vorführt.
(Fortsetzung folgt.)
/
- 14 -
CORRE8PONDEKZEN.
Aus Serif
(8 ch I u s.)
Ich komme nun )zu den Aufführungen kleineren Umfanges der
Veranstaltung, wie die vergangene Hälfte der Saison sie bot. Ruhm
voran dem Florentiner Quartett, Jean Becker, Enrico
M a s i , Luigi C h i o s t r i , Fr. Hilpert, die den in Berlin, wie
gesagt, nicht unsträflichen Muth hatten, die auf wer weiss wie lange
noch neuen Quartette op. 127, 130, 132, 135 vou Beethoven zu
executiren. Ueber das Wie habe ich den beredten Worten Ihres
Münchener Correspondenten Nichts hinzuzufügen.
Ferner erfreut sich der Verein der Herren de Ah na, Espen-
hahn, Richter und Dr. ßruns eines anständigen Rufes. In
drei Concerten erscheint Haydn lmal, Mendelssohn lmal mit
dem grossen A-moll- Quartett op. 13, Beethoven ömal auf dem
Programm, mit op. 74, 95, 18, 6, 59, 3; und dem einen aus seiner
höchsten Region, welches die Florentiner ausgelassen hatten, op.
131 Gi8*moll. Des immerhin wohlfeilen Vergleiches mit den letz-
teren enthalte ich mich übrigens. Der Beethoven- Abend des Ber-
liner Quartettes hatte alle Eigenschaften, die geeignet sind, Achtung
•inzuflösen.
Dem Volkston um eine Stufe näher — nicht freilich, als wenn
ich dies nach dem Tarif der Entröen beurtheilte — von den Ber-
linern wiederum nicht mit dem Entgegenkommen belohnt, den der
Fleiss wöchentlichen Auftretens und die Routine der Spieler wohl
verdient hätten , haben die Herren Hellwich, Rehbaum,
Wendt und Hof mann, gleichfalls seit läugerer Zeit vereint,
allerdings mit übermässiger Bevorzugung des öfter Gehörten Haydn
6mal, Mozart 4mal, Beethoven 7mal, (op. 95, op. 18. Nr. 1.
2 3. 4. 6.) Onslow op. 21, 2, S ch u b e r t mit dem nachgelas-
senen Quartett in D-molI , T a u b e r t op. 130 je lmal in Ausfüh-
rung genommen.
Ich registrire nun die Leistungen einzelner Virtuosen. Franz
Bendel verdient hier zunächst wegen der respectablen Ausdeh-
nung seines Repertoires genannt zu werden. In den Programmen
— dies vorab — begegnet man indessen wieder der leidigen Lite-
raturmusik, in einer Richtung, die früher nur selten und etwa durch
eine als gegenwärtig fühlbare Beziehung gerechtfertigt auftrat:
Werke, die für Orchester geschrieben und verbo terms nur eben der
Ciaviertechnik unterworfen wurden — zu Nutz und Frommen üben-
der Kunstjünger in einer Anwandlung von Clavierspieler-Cäsarismus
— , Werke sogar, die man in Berlin aus dem Opernhause, oder aus
Liebig's orchestraler Speiseanstalt sattsam kennt, wie (wenn ich nicht
irre) die Teil-Ouvertüre von Rossini, die Tannhäuser-Ouvertüre,
öffentlich am Ciavier auszuführen. Es gibt dafür keine andere
Erklärung, als pianistische Selbstgefälligkeit, welche zeigen will,
wie oft sie ihre Finger technisch zu multipliciren gelernt hat;
ein wesentlicher Fortschritt liegt darin nur im Vergleich zu den
früheren gar zu üblen Circusspässen, sich am Ende eines Programms
als Sinistromanen, Sextenhexenmeister u. dgl. zu produciren. Darüber
soll jedoch nicht vergessen werden, dass Fr. Bendel mit seinen Ma-
tineen, deren bis Januar 4 stattfanden, er allein bis dahin conse-
quent wiederkehrend, das Ciavierspielerschiff lustig hat über den
Orchester-Ocean gleiten lassen; er rausste zuletzt statt des kleineren
(Cäcilien)-Saales der Singakademie den grossen nehmen. Bendel
allein! Denn Tausig hat bis jetzt geschwiegen; H. v. Bülow
will, wie es scheint, sich ewig von uns wenden, Rubinstein ist
rioch nicht da — drei Paare, um weiter mit Schiller zu reden,
unnahbarer Hände!
Was über Frau Clara Schumann zu referiren war, habe
ich schon gelegentlich meiner Bemerkungen über die Paläomanie
der Coacertgeber im Bündniss mit den Berliner Paläophilen, besser
Paläophilistern angeführt. Wir wollen mit der verehrten Frau nun
nicht weiter um ihr Programm rechten (von Robert immer dabei
abgesehen) aber die Vöglein von H e n s e 1 1 , die man jetzt nicht nur
an ihren Federn, sondern anatomisch genau kennt, auf Applaus
„zuzugeben", — erschien gar viel frauenhafter, als aristokratisch,
wie Sit zu verfahren dreimal befugt, ja verpflichtet war, weil „Adel
verpflichtet". Wie Frau Clara Schumann die sinfonischen Etüden
bei anderer Gelegenheit, an einem Sonntag in dem Kullak'schen
Gesangverein vortrug, gehörte im besten Sinne zu den musikalischen
Ereignissen, denn aus dem immerhin kleineren Zuhörerkreise ist
wohl Keiner unergriffen hinweggegangen, am wenigsten Referent.
Zu den Excellenzen in der Ausführung gehört Julius Stock-
hausen als Gesangs virtuos in der Hauptsache noch immer, möchte
man auch ein Sonst und Jetzt sich hie und da versucht fühlen zu
unterscheiden — er war herrlich als „Troubadour" in dem S ch u-
m a n n 'sehen Liede, man athmete süssen Duft in der musikalischen
Atmosphäre, weiche sich mit dem Klange seiner sympathischen
Stimme über dem Auditorium ausbreitete.
Endlich Er, der Herrlichste von Allen, die man 1867 hier ge-
holt, Joseph J o a ch i m , der selbst dem Unbedeutenden einen täu-
schenden Hauch der Göttlichkeit anzuwehen , und wo er in den
wahren Himmel der Tonkunst greift, — seine eigentliche Heimath
— Thränen des Empfindenden wachzurufen weiss, jene stillen, un-
erklärlichen, wenn es nicht die Kürze einer solchen Seligkeit ist,
die sie im Vergleich zum Unwerth des gewöhnlichen Lebens uns
ablockte. Sein erstes Solo-Concert ruhmreichen Angedenkens brachte
das Coucert von Beethoven aus D-dur, das von B a ch aus
A-moll , und Joachim's eigenes aus G-dur; das zweite: Mendels-
sohn's Violinconcert und Joachim's Ungaiisches. Von den Volks-
concerten die des Namens würdig, das nächste Mal. —
Carl F u ch s.
ins Ij e I ii z i g«
?. Janaar 1866.
(Schi US 8.)
Sonnabend den 7. December : Soir6e, gegeben von Frau Clara
S ch u m a n n und Hrn. Julius Stock hausen im Saale des Ge-
wandhauses. In ähnlichem Verhältniss wie beim „Florentiner Quar-
tett" befinden wir uns diesen Künstlern gegenüber; die Kritik be-
gibt sich ihres Rechtes und freut sich des Genusses. Frau Schumann
bleibt die Alte , das heisst bei ihr , die stets „Junge und Neue".
Das bewies sie im Vortrag von Beethoven's Sonate , op. 81,
der sinfonischen Etudeu von R. S ch u m a n n , einer „Gavotte* aus
op. 115 von Hill er und einer Etüde (Cis-moll) wie eines Scherzo
(H-moll) von Chopin. Herr Stockhausen sang zwei Romanzen
aus Tiek's „Schöne Magelone" von B r a h m s , beide in des Compo-
nisten geschraubter und gespreitzter Weise und darum ziemlich
unerquicklich , zwei ältere Gesänge von Martini und B u o n-
concini, einfach und sangbar, und Lieder aus dem Schu mani-
schen Liedercyklus op. 21. Auch die Stimme dieses treulichen
Sängers scheint der Zeit ihren Tribut zollen zu müssen; möge er
dies Fehlende nicht durch eine gewisse Manierirtheit zu ersetzen
suchen. Dass beide Künstler mit Beifallsstürmen überschüttet wur-
den, bedarf wohl kaum der Erwähnang.
Sonntag den 8. December: Aufführung des H ä n d e 1'schen
„Samson" durch die „Singakademie". Von Seiten der Solisten, wie
der Chöre und des Orchesters wohlgelungen , gab sie Gelegenheit,
in dem neuen Dirigenten des Vereins, Herrn Clauss, einen seiner
Aufgabe gewachsenen und dieselbe mit bestem Erfolge durchführen-
den Künstler zu erkennen.
Das war eine Leipziger Musikwoche, nach der zum
Heil aller ex officio Concertbesuchenden die hochgehenden Concert-
wogen wieder in ihr altes Bett zurückkehrten.
Das am 10. December abgehaltene fünfte Concert der „Eu-
terpe" brachte zur Eröffnung Richard Wagner's „Faust-Ouver-
türe". Trotz wiederholten Hörens und trotz einer ganz leidlichen
Wiedergabe ist es uns unmöglich, an dem Werke Gefallen zu finden.
Noch weit weniger konnten wir dies an der den zweiten Theil des
Concertes ausfüllenden Orchesternummer, Sinfonie (Nr. 2, B-dur) .von
Robert Volkmann. Während Wagner mit seinen Gedanken sich
in einer nns unverständlichen Tiefe ergeht, schwimmt Volkmann
auf der Oberfläche, die freilich insofern auch unverständlich bleibt,
als Volkmann schon ganz achtungswerthe Sachen geliefert hat, und
gerade bei seinen Produktionen eine grosse Rolle der Verstand
spielt, der ihm füglich eine schärfere Selbstkritik nicht erschweren
würde. Dies zusammengenommen lässt uns für die Zukunft Bei-
- 15 —
«eres erwarten. Das Bestreben der Direetion der „Euterpe", Neues
und Nicbtgehörtes vorzuführen, erkennen wir mit Dank und Freude
an ; nur wünschen wir auch hier eine schärfere Kritik , damit es
nicht um jeden Preis geschehe.
Für uns neu war ferner ein Doppel- Concert für zwei Pianoforte
und Orchester von Carl"T h e rn , vorgetragen von dessen beiden
Söhnen Willi und Louis Thern (unter Leitung des Compo-
nisten). "Wir können nicht behaupten, dass das treffliebe Zusam-
menspiel der beiden Brüder, sowie die Neuheit des Stückes uns
vor Langeweile geschützt haben. Gleich eng zusammenverwachsen,
erwiesen sie sich im Vortrag von drei Solostücken für zwei Piano-
forte : Pastorale hongroise von Carl Thern, etwas kurzweiliger,
aber doch unerquicklich, Etüde von Chopin und „Türkischer
Marsch" von Beethoven. Letzteres Stück mussten sie wieder-
holen. Herr Concertmeister Robert H e ck m a n n , dessen wir schon
bei Gelegenheit des vorigen Concertes rühmlichst gedachten, trug
ein Concert (D-dur) für die Violine von Bazzini und eine Sonate
(A-dur) von Händel, für Violine und Pianoforte von Ferd. David
bearbeitet, mit grossem, vollständigst gerechtfertigtem Beifall vor.
Das neunte Abonnements-Concert fiel auf den 12. December,
Königs Geburtstag. Zur Feier desselben begann das Concert mit
einem „salvum fac regem für Chor von M. H a u p t m a n n. Es
war dies das letzte seiner Werke, dessen Aufführung der trotz hohen
Alters der Kunst und Wissenschaft zu früh entrissene Meister er-
leben sollte. Ihm folgte die Fest • Ouvertüre op. 124 von Beet-
hoven, und dieser Mendelssohn 's 98. Psalm für achtstim-
migen Chor und Orchester, zwei Werke, die ihres Erfolges, wenn
auch aus verschiedenen Gründen, stets sicher sein werden, gelangen
sie zu einer so braven Ausführung, wie es diesmal der Fall war.
Vom Chor wurden im zweiten Theil noch zwei französische Volks-
lieder aus den Jahren 1650: „O komm, mein Kind, zum Wald
hinein" und „Schönste Griseldis" zu Gehör gebracht; ein paar Un-
sicherheiten, die man sich hier zu Schulden kommen Hess, waren
doch nicht von solchem Gewicht, dass die beiden reizenden Lieder
nicht dieselbe entschieden günstige Aufnahme, wie vor ein paar
Jahren gefunden hatten , das letztere derselben hatte sogar wieder-
holt werden müssen. Als Instrumentalsolist fungirte an diesem
Abend Herr Concertmeister Josef Walter aus München, ein (sehen
wir von der zuweilen nicht ganz reinen Intonation ab) sonst nach
allen Seiten hin tüchtiger und fertiger Geiger; seinen beiden Vor-
trägen: Concert (A-moll) von Viotti und Variationen über ein
Thema von Mozart, von Ferd. David folgte lebhafter Beifall
Den Schluss dieses Concertes bildete Beethoven 's achte Sin-
fonie, eine, bis auf das nach unserem Gefühl etwas zu schleppend
genommene Tempo des zweiten Satzes, sehr tüchtige Leistung des
Orchesters.
Das zehnte Abonnementsconcert am 19. December brachte
an seiner Spitze die Sinfonie Nr. 3, Es-dur vonBietz; das in Ge-
danken wie Formen nobel und stramm gehaltene Werk erfreute
sich einer eben so nobeln und strammen Wiedergabe und damit
des freundlichsten Beifalls von Seiten des Publikums. Nicht so gut,
was die Ausführung betrifft, erging es der den zweiten Theil des
Concertes eröffnenden Ouvertüre zu „Genoveva" von R. 8 ch u -
mann: es wollte da Manches nicht klappen. Desto mehr klappten
die Hände zusammen nach den Vorträgen des Hrn. C. T a u 8 i g »
obgleich es uns scheinen wollte, als wäre der Enthusiasmus nicht
60 enthusiastisch, wie bei seinem ersten Auftreten im vorigen Jahre,
als staunte und bewunderte man mehr, wie dass man hingerissen
war, als käme der Beifall nicht von ganzem Herzen. Die Hände
des Virtuosen freilich thaten mehr, als man von ihnen zu erwarten
berechtigt war, sie wirkten Wunder, der Glaube aber fehlte. Viel-
leicht lag die Schuld auch an dem, was Herr Taueig zu Gehör
brachte. Franz Schubert's Fantasie, op. 15, hat wenigstens
durch die sinfonische Bearbeitung für Piano und Orchester von F.
Liszt nicht nur. nicht gewonnen, sondern im Gegentheil viel von
ihrem ursprünglichen Charakter und Reize eingebüsst. Die „Bar-
carole" (Nr. 4) von A. Rubin stein, ein Allegro vivacissimo
von Scarlatti und Rhapsodie hongroise von Liszt sind nicht
geeignet, selbst durch das Spiel Tausig's einen bedeutenden Ein-
druck zu machen. Wiederholter Hervorruf veranlasste ihn, noch
eine Composition von Liszt zuzugeben. Frau Bürde-Ney,
vom Publikum bei ihrem Erscheinen mit Beifall begrüsst, hatte mit
einem mächtigen Gegner zu kämpfen: mit der Erinnerung an sie
selbst. Dass sie diesen Kampf mehr noch in Recitativ und Arie
aus „Iphigenie auf Tauris" als in einer Arie aus „Cosi fatl tutte"
von Mozart mit Glück und Erfolg bestand, spricht am deutlichsten
dafür, welch hoben Rang von Künstlerschaft sie noch beanspruchen
darf.
Mit diesem Concerte schloss sich die Reihe der diesjährigen;
möge das neue Jahr sich eben so harmonisch in jeder Beziehung
gestalten. Vorher aber geht's in die heimathlichen Fluren zum
Weihnachtsfeste, wo unterm Christbaum eine andere, aber gleich
liebliche Musik unserer harrt.
Aus Stuttgart«
Anfangt Janaar.
T In der dritten Soiree für Kammermusik waren es vor
Allem die HH. Singer und Speidel, welche die Palme des
Abends davontrugen. Mit unvergleichlichem Feuer spielten sie die
stürmische C-moll-Sonate von Beethoven; auch dem Schu-
mann'schen F-dur-Trio verschafften sie im Vereine mit Hrn. Gol-
termann einen glänzenden Erfolg, besonders in den ersten drei,
an melodischen und harmonischen Feinheiten fast überreichen
Sätzen. An Solovorträgen hörten wir von Hrn. Singer die Rust'-
sche Sonate, welche er uns noch stylgetreuer und technisch vollen-
deter als unlängst J. Becker zu spielen schien; von Hrn. Speidel
das Chopin 'sehe G-dur-Noturno und Mendelssohn 's höchst
schwierige F-moll-Fnge, die er mit bewundernswerther Klarheit und
Sicherheit vortrug; von Hrn. Goltermann das Schu m ann'sche
Abendlied und (eine sehr sympathisch componirte „Melodie" von
unserm J. Hub er, welche durch den seelenvollen Ton des Spie-
lers zu verdienter Geltung gelangte.
Das musikalische Interesse dieser Tage dreht sich um die »Afri-
kanerin", welche nach langer gründlicher Einstudirung und manchen
sanitätlichen Zwischenfällen endlich am 10. Januar vom Stapel
gehen konnte. Füi Maschinerie, Decorationen und Costüme waren
keine Kosten gescheut worden, um den möglichste« Glanz zu ent-
falten; solche Ausstattungsopern erhalten sich ja meistens durch ihre-
eigene Kostspieligkeit, wie manche Gesellschaften gerade durch ihr
Deficit. Ueber die Musik dieser Meyerbeer'schen Spätgeburt ist
schon erschöpfend geschrieben worden; sie enthält Grossartiges und
Unbedeutendes in buntem Gemische ; manches widerspricht geradezu
der Situation und scheinen die Worte einem bereits vorhandenen
Motiv oft nur mühsam angepasst, — häufig kam es uns vor, als
habe der Tondichter die Skizzenblätter zu seinen früheren Opern
nochmals durchstöbert und Alles irgendwie noch Brauchbare in der
„Afrikanerin" a tout pHx möglichst vorteilhaft verwerthen wollen,
manchmal auch, als habe er die neuesten harmonischen Errungen-
schaften der Schubert-Schumann'schen Schule adoptirt und wolle
damit seinen Franzosen etwas ganz Neues vorsetzen; aber siehe da:
mittlerweile sind wenigstens die Deutschen um etliche Jahre älter
geworden und werden durch jene Dissonanzen nicht mehr frappirt;
das Gute hatte die Wagner'sche Richtung jedenfalls, dass sie uns
die Ohren gewaltig ausputzte; so gefiel denn in fraglicher Oper
gerade das an Wagner Anklingende am meisten, wie z. B. der erste
Theil von Vasko's Arie im vierten Akt und unser stimmgewaltiger
Sontheim mag sich für den gerade damit erzielten Success bei
dem ihm so antipathischen Componisten des „Lohengrin* bedanken.
Ihm jedoch, sowie den Trägern der übrigen Hauptpartieen , Frl.
Klettner, Frau Ellinger und Hrn. Schüttky gebührt im
Ernste die vollste Anerkennung für ihre vorzüglichen Leistungen.
Auch Chor und Orchester waren ganz ausgezeichnet; Abert hat;
durch die sorgfältige Einstudirung und Leitung dieser Oper glän-
zend bewährt, welch tüchtige Kraft man an ihm gewann; die Be-
gabung allein macht noch nicht den Dirigenten; aber der Fielet
und <U* Mühe , die er sich nimmt , erwerben ihm die Achtung un&
Dankbarkeit des Publikums.
— X6
lachrlcli te
Dtrmstadt. Am 6. d. M. kam im 2. Concerte des Musik-
Vereins „Frithjof, dramatisches Gedicht nach J. Togner für
Soli , Chor und Orchester , componirt von C. A. Mangold, zur
Aufführung und wurde wieder mit ungeteiltem Beifall aufgenom-
men. Die Soli befanden sich in den Händen der Damen Peschka-
L e u t n e r und J a i d e und der Herren G r e g e r vom grossh.
Hoftheater und A. D e n n e r aus Oassel.
Frankfurt a. II. Der Componist und Ciaviervirtuose J, B o-
s e n h a i n , welcher sich mehrere Tage hier aufhielt, hat vor einem
auserwählten Kreise von Künstlern und Kunstfreunden mehrere
seiner neuesten Compositionen vorgetragen, darunter auch mit Hrn.
L ü b e ck eine Sonate für Ciavier und Violoncell (op. 53), welche
sich des Beifalls aller Kenner zu erfreuen hatten. Auch die von
ihm vorgetragenen Salonstücke fanden beifällige Anerkennung.
München. Durch einen Erlass des Cultus-Ministers wird die
Einführung der Pariser Orchesterstimmung, nachdem dieselbe für
die k. Hofcapelle und das k. Hof- und Nationaltheater bereits statt-
gefunden hat, nun auch für alle dem genannten Ministerium unter-
gebenen Unterrichts- und Bildungsanstalten angeordnet. Es sind
als solche die Lyceen, Gymnasien und Latein-Schulen, die musika-
lischen Institute, Schullehrerseminarien und Präparandenschulen,
endlich die weiblichen Erziehungs- und Unterrichtsanstalten be-
zeichnet. Hinsichtlich der Einführung der neuen Orchesterstimmung
beim Gottesdienst sollen mit den betreffenden kirchlichen Stellen
und Behörden die n'öthigen Yereinbarnngen getroffen werden.
Wien. An der Reorganisation unserer Oper wird eifrig gear-
beitet, um in das neue Haus auch ein würdiges Ensemble hinüber-
zubringen. So ist u. A. 36 Choristen ihr Dienstcontract gekündet
worden, in der Art, dass nach drei Monaten die Entlassung der
betreffenden Chormitglieder eintritt. Den im Dienste belassenen
wird eine Gehaltserhöhung bewilligt, und es soll in Zukunft der
monatliche Gehalt eines Chormitgliedes von 35 bis zu 60 fl. be-
tragen. Diejenigen der entlassenen Choristen, welche bereits 10
Dienstjahre zählen, sollen einen Pensionsgehalt bekommen.
Paris. Die Einnahme der Theater, Concerte, Bälle etc. in
Paris betrugen im abgelaufenen Monat December die Summe von
1,711,663 Frcs.
— Pasdeloup gab sein 12. populäres Concert mit folgendem
Programm i Ouvertüre zu „Strnensee" von Meyerbeer; Sinfonie
in F-dur (Nr. 8) von Beethoven; Adagio ans dem Quartett
in B-dur (Nr. 50) von Haydn; „Ungarischer Marsch", instrumen-
tirt von B e r 1 i o z ; Ouvertüre und Orchesterstücke aus Mendels-
sobn'a Musik zum „Sommemachtstraum".
— Die Matineen für Kammermusik , welche Hr. B o n e w i t z
unter Mitwirkung der HH. Ch. Dancia, Norblin, Lebean
und M a r i n i seit einiger Zeit gibt , finden verdienterweise recht
vielen Anklang, und es hat daher bereits die zweite Serie dieser in-
teressanten Productionen begonnen.
— Der Musik - Kritiker P e d r o 1 i n i , welcher unter dem
Namen F r a n ck - M a r i e für das Feuilleton der Patrie schrieb,
ist im Alter von noch nicht 40 Jahren in Rom gestorben.
— Die im letzten Pasdelonp'schen Concerte aufgeführte Ouver-
türe zu „Manfred" von S ch u m a n n hat nur geringen Erfolg ge-
habt. Dagegen hat ein in demselben Concert vorgeführter Menuett
von S e b. B a ch recht sehr gefallen. Die Franzosen wollten es
gar nicht glauben, dass der gefürchtete Fugenkönig etwas so Ge-
fälliges soll geschrieben haben.
%* Als eine Curiosität verdient mitgetheilt zu werden, dass
Mme. Oscar Comettant, die Gattin eines bekannten Pariser
Musik-Kritikers, in einer ihrer musikalischen Soireen in Versailles
u. A. eine für Gesang arrangirte Sonate in A-dur von
Mozart vorgetragen hat.
*** Der rühmlichst bekannte Flötist De Vroyes ist von U1I-
mann für acht Concerte seiner nächsten Wanderung engagirt
worden.
%* Der Tenorist Roger hat vom Kaiser von Oesterreieh für
seine Uebersetzung des Textes von Haydn's „Jahreszeiten" in's
Französische die grosse goldene Medaille erhalten.
*** A. Rubinstein ist gefallen und hat sich die rechte
Hand verrenkt. Doch ist das Uebel bereits wieder gehoben und
hat also keine schlimmen Folgen.
*** Gounod's Oper „Romeo und Julie" hat bei ihrer Auf-
führung in Frankfurt a. M. blos einen succes cTtfstime erzielt.
*** Frau Jenny Soltans, geb. Hentz, k. preuss. Hofopern-
sängerin in Ca s sei, ist in Leipzig im 6. Euterpe-Concert auf-
getreten und hat sich durch den Vortrag der Scene und Arie aus
dem „Freischütz" und zweier Lieder von Schubert und Mendels-
sohn ausserordentlichen Beifall errungen.
%* Die »Revue et Gazette musicale" theilt einen Brief mit,
welchen B e r 1 i o z aus Moskau an einen Pariser Freund ge-
schrieben und worin er erzählt, dass er von dem Directorium des
Conservatoriums in Moskau von Petersburg abgeholt worden sei,
um dort zwei Concerte zu dirigiren. Das erste derselben fand in
einer colossalen Reitschule mit 500 Executanten und in Gegenwart
von etwa 12,000 Zuhörern statt, welche Berlioz, der Bruchstücke
aus seinem Requiem und aus „Romeo und Julie'* gab , einen
Triumph bereiteten, wie er ihn noch nie erlebt zu haben bekennt»
Im zweiten Concerte, welches im gewöhnlichen Concertsaale mit 90
Instrumentalisten stattfand, gab Berlioz seine „Herold"- Sinfonie,
seine Ouvertüre zu „König Lear" und wieder das Offertorium aus
dem Requiem. Laub spielte das Beethoven'sche Violinconcert.
Am folgenden Tage gab man Berlioz ein Bankett, bei welchem dift
ganze Kunstwelt von Moskau anwesend war, worauf der gefeierte-
Meister nach Petersburg zurückkehrte, um dort seine beiden letzten*
Concerte zu dirigiren.
*** Im Jahre 1867 wurden in ganz Italien 30 neue Opera
aufgeführt, von denen nicht weniger als 27 durchfielen.
*** Niemann ist von der Direction der kaiserl. Oper in
Wien von Eröffnung des neuen Opernhauses an auf drei Jahre
für je drei Monate (ersten September bis letzten December) enga-
girt. Er hat jedes Jahr 40 Mal und zwar vorzugsweise in W a g-
ner'< Opern zu singen.
%* Der Sänger Roger soll als Regisseur für die Spieloper
am Hofoperntheater in Wien engagirt werden.
*** In den Malersälen des neuen Opernhauses in Wien wird
nicht nur bei Tage, sondern auch Abends bei Gaslicht mit allem
Eifer an Herstellung der neuen Decorationen gearbeitet. Für den
Salon der Kaiserin im selben Hause ist der ausgezeichnete Land-
schaftsmaler Prof. Albrecht Zimmermann mit Herstellung
von drei decorativen Landschaften beschäftigt.
*** In M a d r i d ist die Signora Nantier-Didier, eine
italienische Opernsängerin von bedeutendem Renommee, an einer
Lungenentzündung gestorben.
*** Der Musikinstrumenten-Fabrikant V. B. C e r v e n y in
K ö n i g g r ä t z , für seine ausgezeichneten Blechinstrumente bereits
mehrfach mit Orden ausgezeichnet, ist nun aus Anlass seiner Er-
folge auf der Pariser Ausstellung auch vom Kaiser von Oesterreieh
mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens decorirt worden.
*„* Die schwedische Sängerin, Frl. Hebbe ist in der italie-
nischen Oper zu Warschau wiederholt als Valentine in Meyerbeer'a
„Hugenotten" aufgetreten und zwar mit dem glänzendsten Erfolg.
Ihre nächste Rolle wird die Leonore im „Trovatore" sein.
** Das „Florentiner Quartett hat auch in S ch w e r i n die Be-
wunderung aller Musikfreunde durch seine, meisterhaften Leistungen
erregt. Dasselbe concertirt jetzt mit bestem Erfolge in Dresden*
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INHALT: Wagner*« Lohengrin. — Naturgescbichtliches aas der Musik weit. — Corresp. : Regensburg. Paris. — Nachrichten.
Wagner's „liOliengrlii"
im Gegensatz zur Wissenschaft.
( S ch 1 u s s. )
Wagner 's Lohengrin ist trotzdem ein ungeheures Werk, das
wir anstaunen, obgleich es dem realistischen Verstand entgegentritt.
Wir bewundern es in ähnlicher Weise, wie wir Kaulbach 's „Hunnen-
scblacht", Cornelius' „Jüngstes Gericht" und andere Werke neuerer und
älterer Meister anstaunen, obgleich uns hier die Menschen nicht blos in
nicht naturgemässer Bewegung, sondern in unnatürlichen Formen er-
scheinen. In ähnlicher Weise wie jene grossen Geister hat es Wagner
vermocht, unsere Phantasie über den gewöhnlichen Lauf der Dinge
empor zu heben und von dem erhöhten Standpunkt ein phantastisches
Leben für ein wirkliches halten zu lassen. Lohengrin steigt
vor unsern Augen als leibhaftiger Gott herab; wir sehen ihn von
dem Wunderthiere im Kahn gezogen ; wir sehen ihn als Mensch
mit den Menschen leben, alle Kämpfe bestehen, jede Lust und jedes
Leid empfinden, dunn wieder auf eine wunderbare Weise vor un-
sern Augen verschwinden; wir sehen und hören das all mit eignen
Sinnen und keinen Moment kommt uns ein Zweifel an die Recht-
mässigkeit dieses Gebahrens, keinen Augenblick fragen wir: ist dies
ein Mensch oder Gott!? oder: gibt es Götter? Wir hören, wie die
böse Ortrud den jungen Gottfried verzaubert, wir sehen, wie Lo<
bengrin den Zauber beschwört und aus dem Schwan den Herzog
von Brabant emporsteigen Jässt; wir sehen die Natur vor unsern
Augen die unglaublichsten Dinge vollbringen und doch wird unser
Glaube nicht einen Augenblick erschüttert. Denn wir sehen, wie
die Menschen in der uns vorgeführten Landschaft all das Wunder-
bare anstaunen, davon begeistert, erschreckt werden und empfinden
mit ihnen den Schrecken , die Begeisterung. Wir sehen nicht blos
die Elsa, die nur ein Traumleben führt, von der Erscheinung des
Gottes bezaubert und in fortwährendem Bann gehalten; wir sehen
das Volk, die Bitter, den bedächtigen König Heinrich, das Gött-
liche verehren. Selbst der von der Zauberin Ortrud in die My-
sterien eingeweihte Telramund beugt sich thatsächlich vor dem
Gott; denn alle Körper- und Geisteskraft erliegt in ihm, sowie er
mit dem Gott- Gesandten zusammentrifft. Und die Einzige, die den
ganzen Zauber mit nüchternen Sinnen durchschaut, bricht schliess-
lich mit all ihren Zweifeln zusammen, wie der Held ihre kleinliche
Hexerei zerstört.
Wagner vollbringt ei« Wunder an uns, indem er uns das Alles
" wirklich glauben macht; dieses Wunder ist aber das einfachste und
naturgemässeste , was jeder Mensch vollbringen kann, der den un-
erschütterlichen Glauben an die Reinheit der eigenen Seele besitzt.
Wir Alle wollen das unbedingt Gute und verachten das
Schlechte. Wagner hat uns in der Elsa so schnell von dem un-
bedingt Guten und in der Ortrud und dem von ihr befangenen
Gemahl von dem unbedingt Schlechten überzeugt, dass er mit ge-
ringer Mühe den Wunsch in uns erweckt, unter jeder Bedingung
Elsa gerettet und Ortrud bestraft zu sehen. Unsere eigne Ueber-
zeugung von der göttlichen Gerechtigkeit lässt uns ein Wunder voll-
ziehen, was eigentlich kein Wunder ist; denn die Gerechtigkeit
lebt in der gesammten Menschheit und muss unter allen Umständen
dem Recht endlich zum Sieg verhelfen, wenn auch der Einzelne es
nicht immer sieht, ja oft vor dem Unrecht erliegt.
Ausser dem Wunder in der Handlung hat Wagner aber auch
ein Wunder in der Sprache der Menschen vollbracht. Lohen-
grin steigt mit göttlicher Musik vom Himmel herab; in hehrer
Weise verabschiedet er seinen göttlichen Gefährten ; dann spricht
er zu den Menschen, doch nicht wie ein Mensch, sondern wie die
in ewiger Gefühls-Erhabenheit lebende Elsa, die erdeutrückte, dia
schon längst im Geist mit ihm verkehrte , versteht ihn zuerst und
erwidert in göttlicher Rede seinen Gruss. Der König, die Ritter,
das Volk, von dem Wunder erfasst, sprechen in gleicher Weise zu
dem Gott- Gesandten. Selbst Telramund und Ortrud, die
Zweifler, wagen es nicht, die Harmonie der himmlischen Reden
durch eine irdische Sprache zu stören. Der Kampf, der ansgefochten
wird, ist ein irdischer; es spricht aber ein Gott sein Urtheil ; keine
Menschen-Sprache kann das Heilige entweihen : in Jubel- Weisen,
der Götter-Hymne gleich, erhebt sich das Siegeslied des freudetrun-
kenen Volkes. Wie ein Bann liegt das Göttliche auf der befan-
genen Menschheit; Ortrud und Telramund, die nüchternsten, nach
der Niederlage selbst ganz prosaisch gewordenen, sie vermögen sich
nicht dem Zwang der götterartigen Rede zu entziehen. Mit knir-
schenden Zähnen knurrt Telramund seinen Rede-Sang und heulend
vor Wuth schreit Ortrud ihre Ode an Wodan.
Ein Heer von Geistern, Elfen, Nixen, Kobolden scheint bei
dem Orche8ter-Getöne durch Luft, Wasser und die Tiefen der Erde
zu fahren, bald lispelnd, säuselnd, bald rauschend, brausend, knur-
rend und brummend zu der Rede, zu allem Thun und Gebahren der
Menschen. Was die Menschen nur halb zu denken wagen , das
haben die Geister schon erfasst ; in tausendfachem Wiederhall tönt's
durch alle Räume, jeder ruft's in seiner Weise, keiner dem andern
verständlich, ein chaotisches Gewirr und doch durchzieht eine grosse
Harmonie das Ganze. Die Menschen, wenn sie menschlich rede»
wollten, sie können nicht, sie fürchteu sich vor dem Laut ihrer
eignen Sprache; es ist ihnen, als träfe der Tod sie, wettn sie in
dem Geisterreich als Menschen erkannt würden. Sie müssen ein-
stimmen in den Geister-Chor; sie müssen mit lispeln, säuseln, rau-
schen, brausen, knurren und brummen. Es kann hier nur ein Ge-
töne ertöuen, ein Leben und Weben der Geister, die grosse unend-
liche „Harmonie der Sphären", dem Menschen als Menschen unfass-
bar, doch verständlich, wenn es vergönnt ist, durch Pegasus Flug
zu den Höhen des Götterreiches empor zu steigen.
So ist die Handlung, die Sprache, die Musik im „Lohengrin".
Ungeheuer, riesenhaft, bald koboldartig, dämonisch verzerrt, bald
nixen-elfenartig verschönt, ziehen die Bilder an uns vorüber. Wir
stehen in stummem Staunen davor, fühlen uns bald empor gehoben
zur Bewunderung des Erhabenen, bald erschreckt, erstarrt von dem
Dämonischen , bald in süsse Wonne aufgelöst von dem Reinen,
Edlen und Schönen.
- 18
Die Sprache ist, wie in allen Werken Wagner'», in seinen
Dichtungen, wie in seinen Kunstschriften, eine hochpathetische. Sie
schreitet stets auf dem Kothurn einher; es ist die stolze Sprache
des Rednors, des Kunstphilosophen. Wenn auch der Redner, der
Philosoph in hoher Begeisterung mit einem gewissen Ebenmaass
in Silben-Wechsel, in wohlgegliederten Sätzen spricht, so ist dieses
Maass meist ein sehr weit gespanntes, was sich mehr im gedruckten
Buch, als bei der gesprochenen Rede überblicken lässt. Eine solche
Rede in Musik gesetzt wird noch in's Ungemessene verlängert; der
Ton-Fall, der in der Sprache erst nach einer Reihe von Silben
hörbar ist, wird hier so weit hin gehalten, dass man den Abstand
nicht mehr sieht; die Perioden, deren Gliederung kaum im Buch
zu erkennen ist, werden durch minutenlange Ausspannung vollständig
unfassbar. Wagner hat diese Sprachweise in seine Opern einge-
führt und, indem er auf die Dichtung das Haupt-Gewicht legte, die
musikalischen Glieder (die Melodien) zu der Spannweite redne-
rischer Phrasen ausgereckt. Wer die Rede versteht, kann bei
einiger Uebung im Auhören den Tonfall , die Satzgliederung er-
kennen; wer sie nicht versteht, der hört nur ein Ton-Gemurmel,
das stellenweise sich hebt und senkt und hier und da zu grösseren
und kleineren Gruppen geordnet ist. Das ist ein offenbarer Fehler ;
die Kunst soll, — wenn sie auch zum vollen Verständniss Studium
voraussetzt, — so deutlich sprechen , dass auch der minder Geübte
wenigstens den Sinn erratheu kann.
Wagner hat ferner, weil er das Wort, d. h. die Idee, alles An-
dere beherrschen lässt, nicht auf die Folgen der Harmonien ge-
achtet. Ohne Plan, ohne logische Nothwendigkeit folgen die Accorde
auf- und durcheinander. Bei dem einfachsten Gedanken-Gang greift
er oft zu den allerentferntesteu Accorden; er kehrt dann freilich
wieder auf den Grund-Accord zurück; dessen Wirkung ist aber
durch das Gewirr von Accorden, die unterdessen das Ohr bestürm-
ten, vollständig zerstört, so dass man wohl eine Reihe von Stim-
mungen, aber keine Grund-Stimmung verspürt. Die häufigen
Dissonnanzen wollen wir noch erwähnen, um den Grund der
häufigen V er -Stimmung anzudeuten.
Zu dieser Verwirrung in der Tou- und Accorden-Folge kommt
noch die Häufung der Instrumente. Die einfachsten Reden sind
oft mit dicker Instrumentation begleitet. Der Sänger, der nicht
selten in unsangbaren Lagen, ohne Rhythmus, ohne verständliche
Gliederung der Sätze zu siugen hat, müht sich grfr oft vergeblich,
aus dem Gewirr nur gehört zu werden. Wagner hat, wie er Riesen
auf die Bühne brachte, auch Riesenstimmen verlangt. Die Wirkung
würde freilich eine ungeheure sein, wenn das beabsichtigte aus-
führbar wäre; er bedachte aber nicht, dass selbst die griechischen
Schauspieler, die ohne Orchester sprachen, schon ein Schallrohr
au ihrer Maske hatten, um von den Hörern verstanden zu werden.
Je mehr wir in das Werk eindringen, desto mehr ^Schönheiten,
aber auch desto mehr Mängel treten uns entgegen. An den Man«
geln sehen wir wieder, wie gewaltig der Geist ist, der hier spricht.
Denn hätte Wagner durch ernstlicheres Studium seiner Vorgänger
sich deren Ausdrucksfähigkeit zu eigen gemacht, er würde vollendete
Kunstwerke geschafft haben. So bleiben sie Wunder, die wir an-
staunen und halb mit Freude, halb mit Bedauern geniessen. Wenn
Wagner sich mit dieser Wirkung begnügt, bezeugen wir ihm alle
Ehrerbietung. Wenn er aber die Verkehrung der Natur zum Princip
erheben will, muss ihm die Wissenschaft entgegen treten, weil dies
eine Versündigung an dem menschlichen Geist wäre. Denn eher
müsste ein ganzes Kunstweik zertrümmert werden, als dass ein
falsches Princip zur Anerkennung gelangte. Schon Herder sagt:
„Die Autorität des Genies muss man bekämpfen, sie selbst zerstö-
ren, wenn sie den Geist der Menschheit in Schranken bannen oder
in falsche Bahnen lenken wollte/ Wenn je , so würde der Satz
auf Wagner passen ! — H e i n r i ch B e ck e r.
IVaturgescltlchtliclies aus der
Musikwelt *)
ii.
8. Die deutsche Fest Jungfrau (virgo festalis germanä)
war bis 1866, also bis zur vorläufigen Quiescirung des armen
*) (Siehe Nr. 2 d. Bl.)
Schwarzrothgold, besonders in dem an Lieder-, Turn- und Schützen -
Festen so fruchtbaren Jahrzehend von 1855 bis 1865 eine Art so-
cialer Nothwendigkeit. Aber auch jetzt noch treffen wir, wenn auch
mehr nur sporadisch, jenes harmlose w eissgeflügelte Insect, welche 8
bei Festzügen in holdseligen Gruppen die Fahne umschwärmt. Es
heisst meistens Eulalia, Emmeline oder Euphrosy n e, und
rühmt sich, die Tochter eines höchst freisinnigen kleiueren Bürgers
zu sein, welchem weniger der Betrieb seines Geschäfts im schlich*
ten Kramladen, als der Vertrieb von dessen Ertrag auf der Schiess-
stätte am Herzen liegt; dafür ist er aber auch Schriftführer
des Schützenbundes, Tafelmeister des Sängerkranzes, erster
Sprecher des Turnvereins und Zugführer der Feuerwehr. Sein
jüngster Sohn ist bereits Hornist bei der Jugendartillerie, die bei-
den älteren sind Turner und Sangesgeuossen , daher die Tochter
auch deren sämmtliche Kameraden mit Namen kennt, einige sogar
dutzt. In einem noch zarteren, jedoch höchst anständigen Verhält-
niss steht sie zu dem ersten Solotenor der localen Liedertafel , in
dessen Hände sie bei der letzten Fahnenweihe, mit einer passenden
Anrede, ein von ihr und ihren Mitjuugfrauen gesticktes Band gelegt
hat. Ueberhaupt ist sie stark im Rhetorischen; schon im Flügel-
kleide durfte sie bei der Durchreise der Landesfürstin ein Gedicht
sprechen; seit aber der Herr Bürgermeister zu derlei offiziellen
Lichtpunkten im Leben einer Kleinstadt seine Hedwig vorzuschie-
ben wusste, hat sich Eulalia ganz dem Dieuste des Volkes gewid-
met und ihr Vater ist noch viel freisinniger geworden. Sie hat sich
seitdem auch grosse Routine im Streuen von Blumen und Zusam-
mennähen von Fahnenstreifen erworben, deren man in den süd-
deutschen Vaterländern noch gar verschiedene nöthig hat; bei
Festessen, an deren Tage daheim nur Kaffee gekocht wird, weiss
sie mit Grazie einen grossen Appetit zu befriedigen und dabei noch
die umsitzenden Sangesbrüder mit allerei landläufigen Phrasen zu
unterhalten; sie klingt immer dreimal mit ihnen an, sorgt bei et-
waigen Bällen mit Umsicht dafür, dass keiner , .schimmle", und
macht auch die „Armseligkeit" des gemeinsamen Heimmarsches
gerne mit, wobei sie, wenn etwa die Musik einer ,,Janitscharia"
od. dgl. voranzieht, taktfesten Schritt hält. In stillerer Zeit singt
sie auf dem Kirchenchore die Sopransoli , wäscht uud flickt das
weisse Festkleidchen, fertigt für sich einen Maskenanzug zum näch-
sten Carneval oder gar ein Costüm zum Liebhabertheater, wofür
„Aurelia oder der Triumph der Tugend" einstudirt wird. In spä-
teren Jahren heirathet sie wohl, aber nicht jenen längst untreuen
Solotenor, sondern einen bleichen Schulamtsverweser , eine Art
„Brackenburg" aus der Nachbarschaft ; Bchon geraume Zeit schmach-
tete er zu jener unnahbaren Höhe hinauf, wo die Festjungfrau
thronte, dann sang er mit ihr aus „Faust": „Folg* dem Freunde
mit Vertrauen ! 4 * bis sie ihm endlich folgte, nämlich in seine neue
Dienstwohnung, und nun freut er sich des kostbaren Besitzes.
CORRESPONDENZEK.
Aus Regensburg,
Der hiesige Oratorienverein, als dessen Gründer Prof. Lan goth,
Notar Bernklau und Frau Stöhr gelten dürfen, besteht nun
fünf Quartale. Seit dieser Zeit hat derselbe besonders Mendels«
sohn's Werke (2., 43., 114. Psalm, Finale aus „Loreley", „Athalia",
die Quartette für gemischten Chor) zu Gehör gebracht. Die Haupt-
leistung derselben war unter der tüchtigen Direction des Hrn. Bern-
klau H ä u d e 1 s „Messias". Der Verein gibt nämlich jährlich zwei
Soireen und zwei Concerte, letztere mit Orchester. Das Programm
der letzten Soiree vom 2. Dec. lautet: 1. Psalm 2 von Mendels-
sohn-Bartholdy (achtstimmig.) 2. Chor und Hymne der
Priesterinnen , Recitativ und Arie nebst Schlusschor aus „Iphigenie
in Aulis von Gluck. 3. Madrigale von John Dowland (1590.)
4. Alt- Arie aus J. Ha'yn's »Stabat mater". 6. „Hymnus an
Cäcilia" von M. Hauptmann (Doppelchor.) 6. Madrigale von
John Dowland. 7. „Ständchen,, von Fr. S ch u b e r t für
Alt-Solo mit Damen-Quartett. 8. Zwei Lieder für gemischten Chor
von Rheinberger: a. Waldesgruss ; b. AU meine Gedanken.
9. Psalm 43 von Mendelsso hn-Bartholdy (achtstimmig.)
19 —
Der Psalm 2 von Mendelssohn Hess das Publikum kalt und erst bei
den Madrigalen von Dowland, dem Ständeben von Fr. Schubert
erwärmte sich dasselbe zu Beifallsbezeugungen. Wir wollen diese
Gelegenheit benutzen, um auf die Madrigalensammlung, die Julius
Maier in München bei Leuckart herausgegeben bat, alle Gesaug-
und Oratorien* Vereine aufmerksam zu machen,*) als auf wahre
Ferien, Tonstücke , welche ihres Eindruckes viel weniger verfehlen
können, als viele moderne Gesangsquartette. — Früher bestand
dahier gar kein Verein, der den Ghorgesang gepflegt hätte. Welchen
Dank daher die Gründer des Oratorien- Vereins verdienen, wird der
eu würdigen wissen, der die Schwierigkeiten der Gründung und
Erhaltung desselben in einer Stadt kennt, wo alle Kräfte zersplittert
waren, wo im Grunde bei der grossen Anzahl selbst der Gebildeten
doch wenig reges Interesse für die höchsten Intentionen der Kunst
herrscht. Nun ist doch die Möglichkeit geboten, ernsteren Chor-
gesang zu pflegen, die Kräfte haben einen Mittel- und Vereinigungs-
punkt erhalten! Möge darum der Vereiu nicht erlahmen, und sein
Streben immer ein recht ernstes bleiben mit Ausschluss des blossen
schwächlichen Unterhaltungsfutters, das überall anderswo in Fülle
geboten wird. *
Der Chorgesang erfreut sich dahier seiner hauptsächlichsten
Pflege durch die Kirchenchöre. Der Domchor mit seinen ca. 30,
die Chöre zu St. Emmeran , zur alten Kapelle , zu St. Blasius mit
ca. je 20 Sängern (nur Knaben und Männer, meist Studirende der
4 Setninarien) stehen unter tüchtiger Leitung der HH. S ehre ms,
Witt, Haller und M e i 1 i n g e r und führen fast ausschliesslich
die Meisterwerke des Palestrinastils , besonders aus der P r o s k ti-
schen Mus. dir., auf. Die Sicherheit der Chorknaben in der In-
tonation, Transposition, im Lesen der verschiedensten Schlüssel (die
Alten müssen den Violin-, Sopran-, Alt- und Mezzosopran-Schlüssel
der Alten lesen können), im Treffen, Einsätze etc. ist weithin be-
kannt. Dabei wird in den Seminarien das Ueben der Saiteninstru-
mente, des Claviers und der Orgel nicht versäumt. Es hat sich
dahier bereits eine Schule , ausgehend von Dr. Proske , gebildet,
eine Tradition für die Art und Weise, die alten Meisterwerke auf-
zufassen. Desswegen finden sich fast alljährlich seit längerer Zeit
Gäste ein, die den Aufführungen während der Charwoche beiwohnen,
aus Württemberg, den Rheinlanden etc.
Vom nächsten Jahre an wird eine neue kirchenmusikalische
Zeitschrift „fifusica sacra u , redigirt von Franz Witt, erscheinen, resp.
dessen „Fliegende Blätter für katholische Kirchenmusik" der Art
erweitert werden, dass sie alle 14 Tage in einem Bogen (zu 8 Sei-
ten) und 12 Bogen Musikbeilagen erscheinen. Die genannten Blätter
zählten gegen Ende ihres zweiten Jahrganges (Novbr. 1867) 1312
Abonnenten, wie aus der 10. Nr. erhellt. Der Redacteur derselben
will nun auch einen n Cäcilien-Verein (< zur Förderung und Pflege
der kath. Kirchenmusik" in Deutschland (mit Einschluss Oesterreichs
und der Schweiz) gründen. An Rührigkeit fehlt es also nicht. Möge
sein Streben ein glückliches Gedeihen und guten Erfolg haben! —
> ♦•• <
Aus Paris.
lt. Janaar.
Gegen Ende künftigen Monats soll „Hamlet" von Ambroise
Thomas in der grossen Oper zur Aufführung kommen. Gestern
hat die erste Probe mit Orchester stattgefunden. Man verspricht
sich sehr viel von diesem Werke. Die Rolle der Ophelia, die, wie
ich Ihnen bereits gemeldet, dem Fräulein Nilsson anvertraut
worden, soll besonders effectreich sein.
Man ist sehr gespannt auf die Darstellung des „ Tempi ario"
Von Nicolai im Italienischen Theater. Die Proben dieses
Werkes, das unter dem Titel v Jvankoe u nächsten Sonnabend über
die Bretter gehen soll, werden eifrigst betrieben. Einstweilen wird
dort die n Gazza ladrä" gegeben , in welcher Adelina Patti
eben keine neuen Lorbeeren erntet.
Die Opera comique will um die Mitte Februar Auber's Ȇh
jour de bonheur" in Scene gehen lassen.
Das Theätre lyrique macht mit Clappisson's „Fan*
*) Ist in diesem Blatte bereits bei deren Erscheinen geschehen
(Die Redaction.)
ckonnette" volle Häuser. Man spricht noch immer davon, dass
diese Bühne entschlossen ist, Wag]ner's „Lohengrin" dem Publi-
kum vorzuführen. Einstweilen bereitet es die Aufführung einer Oper
von Saint-Saeus, it Le Timbre &argen£ % , zur Vorstellung vor.
In dem kleinen Theater Dejazet tritt jezt eine roaskirte San*
gerin auf, die indessen mehr die Neugierde erregt, als die Kunst-
liebe befriedigt.
Seit hier wieder eine mildere Temperatur herrscht, hat sich
der Zustand Rossini 's bedeutend gebessert.
Nachrichten.
Mainz. Einen schönen und seltenen Genuss bot den Musik-
freunden das am 24. Jan. im Saale des „Frankfurter Hofes" statt-
gefundene Concert des „Vereins für Kunst und Literatur", dessen
Programm grösstentheils durch die Vorträge der HH. Coucertmeister
Naret-Koning, Heidt jr., Mayer und Kündinge r,
sämmtlich Mitglieder der Hofcapelle in Mannheim, ausgefüllt
wurde. Die genannten Künstler bewährten vor Allem in dem Vor-
trag des Quartetts in D-dur (op. 18, Nr. 3) von Beethoven
und des Mendelssoh n'schen Es-dur-Quartetts ein so vorzüg-
liches, auf langem Zusammenwirken beruhendes Ensemble , eine so
verständnissvolle Auffassung und eine solche Sicherheit und Feinheit
in der Ausführung der genannten Werke , dass man gleich gewahr
wurde, man habe es mit echten Künstlern zu thun. Unser Publi-
kum, dem derartiges gar selten geboten wird, zeigte diesmal auch,
dass es die trefflichen Leistungen der fremden Gäste zu würdigen
verstand und liess es an reichlichem Beifall nicht fehlen. In Hrn.
Naret-Koning, welcher als Solovortrag Adagio und Scherzo
aus dem 4. Violinconcert von Vieuxtemps spielte, lernten wir
einen Geiger kennen, dem eine vollendete Technik, schöner Ton
und noble, geschmackvolle Vortragsweise zu Gebote stehen; seine
ausgezeichnete Leistung wurde mit den lebhaftesten Beifallsbezeu-
gungen belohnt , sowie auch der Violoncellist, Hr. Kün dinge r,
ein uns früher schon liebgewordener Gast, durch den sangvollen
Vortrag der „Elegie" von Ernst die Zuhörer wahrhaft entzückte.
Ein junger Ciavierspieler von hier, H. W. Freitag, Schüler des
Leiters dieser Concerte, Hrn. N. S o 1 1 a n s , trat mit „Sehnsucht
am Meere" von Willmers und „Zauberflöte -Fantasie" von
P a ch e r zum ersten Male vor das Publikum uud erwarb sich dnreh
sein sauberes und degagirtes Spiel vielen Beifall , der ihn zu fort-
gesetztem ernsten Streben ermuntern möge. Ausserdem hatte Frl.
Winkler vom Stadttheater die Gefälligkeit, einige Lieder von
Mendelssohn und S ch u m a n n in anerkennenswerther Weise
vorzutragen. Zum Schlüsse dieses kurzen Berichtes möchten wir
den gewiss allgemein getheilten Wunsch aussprechen, dass die ge-
ehrten Mannheimer Gäste uns recht bald wieder mit ihrem Besuche
erfreuen möchten. E. F.
Wiesbaden. Unser herzogliches, jetzt königliches Hoftheater,
hat immer einen ehrenvollen Rang unter den deutschen Theatern
behauptet. Bei dem Uebergang des Herzogtbums an Preussen ist
die Forterhaltung des Theaters mit einer Dotation aus der Civilliste
ausdrücklich versprochen worden, so dass man schon daran dachte,
der Gemeindekasse den Bau eines neuen Theatergebäudes zuzu-
muthen. Um so mehr wurde man durch die Nachricht überrascht,
dass die Oberintendanz der königl. Schauspiele in Berlin eine
Herabsetzung unseres Theateretats um 22,000 fl. jährlich angeord-
net habe. Hiezu kommt noch, dass mit Abschluss des Spielver-
gleichs auch die Subvention von jährlich 57,000 fl., welche die
Actiengesellschaft der öffentlichen Spiele an das Theater vertrags-
xnä88ig zu zahlen hat, in Wegfall kommen wird, so dass unsere
Kunstaastalt nur auf eine sehr massige Dotation aus der Civilliste
und auf ihre Einnahmen angewiesen sein wird. Wir haben seither
hier Künstler beschäftigen können, die 4000 bis 5000 fl. Gehalt,
ohne die üblichen Spielgelder , bezogen haben. — Das wird nun
aufhören müssen, denn ohne eine reichliche Hofdotation kann sich
unser Theater auf seiner bisherigen Höhe nicht behaupten. Di*
Bestürzung über diese Nachricht ist eine allgemeine. (A. A. Ztg.)
■ftSChen. Max Z e n g e r , ein begabter Müncbener Comp*-
— 20 -
»ist, dessen vor einigen Jahren hier aufgeführte Oper: „Die beiden
Foscari" einen sehr ehrenvollen Erfolg hatte nnd der im vorigen
Jahre mit seinem Oratorium „Kain" ganz entschieden durchdrang,
hat eine neue Oper, „Ruy Blas", vollendet, welche in Mannheim
im kommenden Monat Mai zur Aufführung kommen soll und auch
von der hiesigen Hoftheater »Intendanz bereits angenommen ist.
Auch mit der Direction des Stadttheaters in Nürnberg steht
Hr. Zenger in Unterhandlung, deren Resultat die baldige Auffüh-
rung seiner Oper auch auf dortiger Bühne sein dürfte.
Wien. Die Direction der „Gesellschaft der Musikfreunde" hat
ein Comite* erwählt, welches einen Plan zur gänzlichen Reorgani-
8 irung des Conservatoriums entwerfen soll. Es besteht dieses Comite
aus den Directionsmitgliedern Dumba, Egger, Esser, Walther,
den artistischen Directoren Herbeck und Hellmesb erger, drei
noch nicht gewählten Professoren des Conservatoriums und den
Musikkritikern Hanslik, Schelle, Speidl und Z e 1 1 n e r.
Brüssel. Das 5. populäre Concert des Hrn. Samuel bringt
uns ausser der n Eroica u von Beethoven: die Hebriden-Ouver-
türe von Mendelssohn; ein Oboe-Concert von Hände],
»drei deutsche Tänze", dem Orchester der populären Concerte in
Brüssel gewidmet von Woldemar Bargiel und die Ouvertüre zur
„Preciosa" von Weber.
Paris. Vor Kurzem hat der Director des The'dtre Lyrique,
Hr. Carvalho, einen Vertrag mit Hrn. Nuitter, dem Bevoll-
mächtigten Richard Wagner's und Uebersetzer des „Lohengrin",
unterzeichnet, kraft dessen diese Oper demnächst, voraussichtlich im
Monat Mai dieses Jahres, auf der genannten Bühne aufgeführt
werden soll. Eine besondere Bestimmung dieses Vertrages ermäch-
tigt Hrn. Hans von B ü 1 o w die Proben der Oper zu überwachen.
— Im dritten Conservatoriumsconcert , welchns am 26. Ja-
nuar stattfand , kam zur Aufführung : Sinfonie mit Choren (Nr. 9)
von Beethoven; andante aus der 49. Sinfonie von H a y d n ;
Arie aus „Montano und Stephanie" von B e r t o n , gesungen von
Mlle. Marimon; Ouvertüre zu „Oberon tf von Weber. Herr
George Hainl dirigirte.
— Das 15. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup brachte :
Sinfonie in A-dur von Mendelssohn; Adagietto und Scherzo
aus Op. 101 von Joachim Raff (zum 1. Male); Sinfonie in C-dur
von Beethoven; Adagio aus dem Quintett (op. 108) von M o-
zart, ausgeführt von Hrn. G r i s e z (Clarinette) und sämmtlichen
Streichinstrumenten und zum Schluss die Ouvertüre zum „Fliegen-
den Holländer" von R. Wagner.
— P r u m i e r , der Vater , Professor des Harfenspiels und
Comite'-Mitglied am Conservatorium, ist während einer Comitesitzung
plötzlich gestorben.
*** Ueber Verdi's »Don Carlos", dessen Aufführung in Bo-
logna und Turin mit grossem Enthusiasmus aufgenommen
wurde, schreibt die Mailänder Musikzeitung wie folgt: „Verdi bat
in seinem „Don Carlos" eine neue Musik geschaffen, eine Musik,
ho ch gepriesen von Rossini, geahnt von Meyer-
beer, gesucht vonGounod, vergebens versucht
Ton R. Wagner, — die Musik der Tragödie. Es ist
dies eine herrliche Arbeit, eine erstaunliche Schöpfung und ein
unvergängliches Kunstwerk. Der Ernst der Handlung, die Erha-
benheit der Ideen , der Schwung der Leidenschaften , die Gewalt
des Orchester», die absolute Neuheit der Formen, welche dem Drama
bewunderungswürdig angepasst sind, machen „Don Carlos" zu
mehr als einem Meisterwerke, sie stempeln ihn
■ u einem über Alles erhabenen speciellen T y-
p u s." Das ist starker — Weihrauch !
*** Ferd. H i 1 1 e r wurde vom Grossherzog von Weimar mit
dem weissen Falkenorden decorirt.
*** Musikhändler Wilh. Schmid in Nürnberg hat nun
auch in M ü n ch e n ein Musikgeschäft etablirt.
*** Musikdirector Albert Bratfisch in Stralsund hat vom
König von Schweden die grosse goldene Medaille \ t LUteri$ et Ar-
tibus" erhalten.
*** H. Berlioz hat am 11. December, seinem Geburtstage,
von der Grossfürstin Helene ein kostbares Album zum Geschenk
-erhalten.
*** Die Hoftheater-Intendanz in M ü n ch e n kündigt an, das«
«ie zur Verstärkung des Opernchors für die Aufführung der „Mei-
stersinger von Nürnberg" von R. Wagner Tenoristen und Bas-
sisten engagirt.
*** Das schwedische Sängerquartett der HH. Lutte mann ,
Köster, Ellberg und Rydberg hat am 17. Januar in Wien
ein besuchtes Concert gegeben und durch ein ausserordentlich,
schönes Ensemble, sowie durch die eigenartige Wirkung der vor-
getragenen schwedischen National-Gesänge vielen Beifall erzielt. Sie
wurden von den HH. Eppstein und Hellmesb erger, deren
vortreffliche Leistungen genügend bekannt sind, in freundlichster
Weise unterstützt.
*** Frl. Geistin ger, die ausgezeichnete Wiener Soubrette,
hat im M ü n ch e n e r Actien- Volkstheater eine Reihe von Gastrollen
vorzugsweise in Offenb ach 'sehen Operetten, gegeben und glän-
zende Triumphe gefeiert.
*** G oun od wird die erste Aufführung seiner Oper „Romeo-
und Julie" in Wien, welcher man bis Mitte Februar entgegen-
sieht, persönlich dirigiren , und ist zu diesem Zwecke bereits dort
eingetroffen.
*** Die dramatische Sängerin Frau Michaelis-Nimbs, seit
einigen Jahren ein lehr beliebtes Mitglied des Hofteaters in Mann-
heim, gastirt in Leipzig auf Engagement
V Die Altistin Frl. Weber ist am Dresdener Hoftheater
engagirt worden.
V Der Wiederaufbau des abgebrannten Königin-Theaters in
London ist nun schon beschlossene Sache. Der Bau soll in der
glänzendsten Weise mit einem Kostenaufwand von 250,000 Pfund
Sterling ausgeführt und in längstens 15 Monaten vollendet werden.
*** In Edinb urg ist der verdienstvolle und allgemein be-
liebte Musiklehrer Dr. Mark gestorben.
*** Die Violoncellvirtuosin Frau Norman-Neruda hat in
Brunn, ihrer Vaterstadt, zwei Concerte mit grossem Erfolge ge-
geben. ,
%* Ferd. Hill er 's Oratorium „die Zerstörung Jerusalems" ist
in Hamburg mit grossem Beifall aufgenommen worden.
*** Frau W i 1 t ist am W i e n e r Hofoperntheater für weitere
drei Jahre engagirt worden.
*** Frankreich zählt gegenwärtig nicht weniger als 22,000*
Gesangvereine (Socie'te's chorales).
*** Der Violinvirtuose W i 1 h e 1 m j concertirt in Florenz,
und fiudet dort enthusiastische Aufnahme.
*** Im Wiener Harmonietbeater wurde eine neue Operette
von Zaytz, „Nach Mekka", mit sehr günstigem Erfolge aufge-
führt.
Berichtigung. In der die neue Oper Gounod's betreffenden
Notiz auf Seite 16 dieses Bl. ist durch Uebersehen ,, Frankfurt a*
M. u anstatt C ö 1 n stehen geblieben. Wir fügen übrigens hier bei,
dass die Wiederholungen genannter Oper in Cöln ein lebhafteres
Interesse für dieselbe erweckt haben. Die Red.
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Ehlert'a „Briefe über Musik" haben bei ihrem ersten Erschei-
nen lebhaftes Interesse in der musikalischen, vorzugsweise aber in
der Dilettantenwelt erregt, so dass der ersten Auflage nach kurzer
Zeit eine zweite folgen musste. Es ist uns bei dem Durchlesen
dieser Briefe auch die so schnelle Verbreitung derselben ganz be-
greiflich erschienet], denn sie sind in recht anziehender und fes-
selnder Weise geschrieben, geistreich pikant, mitunter ein wenig
schwärmerisch, hie und da in recht anerkeonenswerthem Freimuth
Bemerkungen aussprechend, welche sich wohl Manchem ebenfalls
schon aufgedrängt haben, ohne dass er sie vor lauter Autoritäts-
glauben bei sich selbst, aoeh viel weniger aber laut auszusprechen
wagte. Beethoven, Mozart, Havdn , Schubert, Schumann, Mendels-
sohn, Berlioz, Franz, R. Wagner etc. etc. und ihr Schaffen geben
den Stoff zu den 29 Briefen her, welche in ihrer Gesammtheit eine
recht hübsche Leetüre für Musiker und Musikfreunde darbieten
und, wenn wir nicht sehr irren, besonders bei der gebildeten Damen-
welt viel Beifall rinden werden.
Theoretisch-practische Orgelschule in Uebun-
gen nebst Anweisung von Ludwig Ernst Geb-
hardi. 12. Werk. Zweite sehr vermehrte und um-
gearbeitete Auflage. Erste Abtheilung. Brieg,
bei J. Gebhardi.
Unter den vorhandenen Orgelschulen zählt die Gebhardi'sche
im Sinne practischer Brauchbarkeit und fasslicher Darstellungsweise
sicherlich mit zu den Besten. Sie ist das Werk eines rühmlich
bekannten Practikers und tüchtigen Meisters auf dem herrlichsten
aller musikalischen Instrumente uud wird nicht nur dem Anfänger
ein sicherer Führer sein, ihn von Stufe zu Stufe seiner Ausbil-
dung mit Sicherheit und Umsicht leitend, sondern bietet auch dem
vorgeschrittenen Spieler in einer reichen Auswahl gediegener Orgel-
stücke Stoff zu seiner weiteren Uebung und Ausbildung. Die vor-
liegende erste Abtheilung der Schule enthält nach einem Vorworte
einen kurzen Abriss der Geschichte der Orgel und gibt sodann die
erforderliche Belehrung über die Structur der Orgel, über Registri-
rung, Erhaltung der Orgel und über Orgelbegleitung in klarer,
leicht fasslicher Darstellung. Der practiache Theil beginnt dann mit
einer kleinen Vorschule, welche die Elemente der Musik und die
n'ötbigsten ersten Fingerübungen nebst sämmtlichen Tonleitern ent-
hält. Es folgen sodann 27 zweistimmige und 25 dreistimmige,
meist contrapunktische Sätze mit beigefügtem Fingersatz, und nach
diesen ein Capitel über die musikalischen Verzierungen, Triller,
Doppelschlag etc. und deren Ausführung, sowie eine Erklärung der
vorkommenden Fremdwörter. Der siebente Abschnitt enthält aus-
führliche Belehrung über den Gebrauch des Pedals und eine Anzahl
Uebungen für dasselbe. Den Rest des Buches (von Seite 50-115)
füllen eine Reihe von 117 progressiven vierstimmigen Sätzen, Vor-
spielen, Trios, Chorälen, Fugen und Fantasien in trefflicher Auswahl.
So Möge denn dies Werk den des Orgelspiels Beflissenen
mit gutem Fug und Recht bestens empfohlen sein und zur Verbrei-
tung und Hebung dieses edlen Zweiges der musikalischen Kunst
recht ausgiebig beitragen.
100 Rhythmische Choräle für Schule und Haus,
in leichtem Ciaviersatz für Pianoforte oder
Harmonium bearbeitet von Friedrich Grell.
München bei E. H. Gummi; Berlin bei T.
Trautwein.
Die Absicht des Herausgebers dieser Choräle war, wie er in
seinem Vorworte sagt, keine andere als dazu beizutragen, dass die
schönen alten Kircheumelodien immer populärer und dadurch für
alle Zeiten dem Volke erhalten werden. Dies wird aber am besten er-
reicht, wenn auch den nicht orgelkundigen Verehrern der alten Choräle,
wenn der Schule, der Familie dieselben in einer fasslicben und leicht
spielbarep , für das Ciavier berechneten Harmonisirung vorgelegt
werden, so dass ihre feierlich rührenden Klänge auch von schwä-
cheren Ciavierspielern dem Ohre und dem Herzen zugänglich ge-
macht, ja geradezu zum Unterricht für Anfänger benützt werden
können und so schon dem jugendlichen Gemüthe sich der Sinn da-
für einpflanzen mag. In diesem Sinne hat Grell auch wohl recht
Anerkennenswerthes geleistet und es ist zu wünschen, dass er sein
Ziel, die alten Choralmelodieu in Schule und Haus recht eiuheimish
zu machen, im weitesten Umfange erreichen möge.
Abenteuer und Erlebnisse des kleinen Hans.
Ein Bilderbuch mit Musik und Gesang für Kinder. Mit
12 Illustrationen von Julius Koch. Erzählung und
Musik von SalvatoreC. Marchesi. Deutsche Ueber-
setzung von Wolfgang Müller von Königswin-
ter. Leipzig, bei Alphons Dürr. 1868.
Der als Sänger uud Gesanglehrer rühmlichst bekaunte Verfas-
ser spendet mit diesem musikalischen Bilderbuche, welches er sei-
nen Kindern gewidmet hat, der lieben Jugend eine so hübsche, er-
freuende und zugleich nützliche Gabe — denn sie ist ganz dazu
geeignet, Sinn uud Gehör für Musik bei Kindern zu wecken uud
zu fördern — und der Uebersetzer W. Müller sowie der Illustra-
tor Jul. Koch haben es sich so sehr angelegen sein lassen, das
Buch so anziehend als möglich zu machen und die Ausstattung den
lieblichen und leicht fasslichen Versen und Melodien entsprechend
anzupassen, dass man wohl kaum ein passenderes und sinnigeres
Geschenk für Kiuder wählen kann. Es wird auch ohne Zweifel
seinen Weg in die Stube der Kinder uud an das Ciavier der musik-
liebenden Mutter gar bald finden. E. F.
- 22
CORRESPOHDBHZSH.
Aus Berlin.
(Volks -Concerte.)
Em ist neulich der treffende Vergleich aufgestellt worden «wi-
schen den immer mehr an die Tagesordnung kommenden billigen
Ausgaben deutscher Classiker und unseren billigen Sinfonie-Concer-
ten; wie jene, so sind iu der That auch diese als ein Segeu für
die Geistes* und Geschmacksbildung des Volkes anzusehen; und
vorausgesetzt, dass sie noch einige fernere Decenuien in dem näm-
lichen Umfange und in derselben Güte der Ausführung bestehen, so
werden auch sie dazu beitragen, jene Kluft zwischen den gebildeten
Classen und dem im Unterschied davon sogenannten Volke zu ver-
mindern — vielleicht thuen auch die ersteren hier ein Uebriges
dazu und steigen in humanem Entgegenkommen um so weit herab,
als jene heraufkommen ; auch sie dürfen nur noch einige Decennien
so weiter ins Rückwärts pilgern , wie jene ihrer besseren Zukunft
entgegen, und wir , die Gebildeten (und Eingebildeten) sind eines
schönen Tages nivellirt mit Allem, was wir heute noch unvorsichtig
„Gevatter Schneider und Handschuhmacher" titulireu.
Gegenwärtig wirken hier nebeneinander die „Berliner Sin-
fonie -Capelle" unter J. Stern, welcher die Wahl der mit
ihrem bisherigen Chef entzweiten Liebi g'schen Capelle annahm;
G. Liebigi mit einer neuen Capelle, während sein Sohn Ju-
li u s Liebig wiederum eine eigene dirigirt, und B i I s e ,
der Mitte December v. J. erschienen ist, vielleicht ein Hannibal
ante portas für eine der anderen Unternehmungen. Herrn C.
Liebig bleibe das Verdienst der Stiftung von Volksconcerten un-
vergessen, wie viel oder wenig er auch seiner Capelle gegenüber
im Rechte gewesen sein mag: ehe er kam, war die Bourgeoisie
Berlins hoch entzückt, wenn sie nach dem „Hofjäger, " ins Grüne
wallfahrend , von 18 Mann auf Geigen , Hörnern und Clarinetteu
beliebige Ländler und Polkas Sonntags zu hören bekam. Jene drei
Orchester unterscheiden sich nun etwa wie folgt. Während C.
Liebig sen. bemüht ist, seine neue Capelle einzuschulen, die frei-
lich lange zu thun haben wird , ehe sie mit der alten rivalisiren
könnte, uud übrigens ganz im Styl seiner früheren Concerte fort-
fährt, hat Prof. J. Stern, dessen Namen man Anfangs verwundert
war, mit den Namen von Berliner „Lokalen" zusammen zu erblicken,
seinen Concerten, wiewohl sie ebenfalls populär gehalten sind, doch
in den Programmen einen höheren künstlerischen Glanz verliehen,
und insbesondere darf man die besonderen „Soireen," welche er
einmal wöchentlich zu erhöhtem Preise mit eingeschlossenen Vir-
tuosen-Vorträgen und ohne das fatale Accompagnement von Bier
und Tabak etc. veranstaltet, als einen sehr schätzbaren Vortheil für
das mittlere Publikum bezeichnen , dasjenige , welches wenigstens
so viel Idealfähigkeit besitzt, ats dazu gehört, vor 10 Uhr Abends
kein Bier zu trinken und 10 Sgr. dazu für ein „unbelegtes" Con-
cert auszugeben. Es sollten wahrlich auch Virtuosen jeder Art für
ihre öffentlichen Leistungen massige Entreen beanspruchen, damit
ausser dem „verehrlichen" Publikum auch die „Leute" etwas davon
hätten, dagegen, sich als die Aristokraten des Talentes betrachtend,
im geselligen Verkehr ihr Spiel nur gegen hohes Honorar, also der
Aristokratie des Reichthums, der Geburt, allenfalls billiger für die
übrige Aristokratie der Intelligenz, zugänglich erhalten, publice
billig, privatim theuer sein, im Verhältniss von 1 Thlr. zu 1 Frd'or.
Welchem Künstler ausser uns fällt es denn ein, seine Arbeit zu
verschenken?
Ein zweiter Unterschied zwischen beiden Unternehmungen ist,
dass das neue Orchester unter dem alten Hm. L i e b i g sich zum
Interpreten für die Werke nicht nur der bereits mehr oder minder
anerkannten unter den lebenden Componisten macht, sondern auch
bereitwillig den jüngeren eine Uebungsstation offeu erhält , welche
gern einmal ihre neue Sinfonie oder Ouvertüre hören wollen , wäh-
rend Stern sich hierin spröder verhält, uud ohne die Lebenden
abzuweisen, doch bisher nur die Fertigen unter ihnen gewählt hat.
In diesem Sinne sind aus den Programmen C. Liebig's namhaft
zu machen: die Columbus- Sinfonie von Abert, mehrfach ausge-
führt, H. Ulrich's Sinfonie triomphale, von C. Rein ecke: Sin-
fonie in A-dur und Ouvertüre zu „Dame Kobold," von Vieriin g
Ouvertüre zu „Maria Stuart,", von R ubinstein die Ocean-Sinfonie,
von Norb, Burgmüller die Ouvertüre zu „Dionys," von Jul.
Rietz Concert - Ouvertüre ; Sinfonien von Walter, L. Maurer,
Ad. Fischer („In stiller Nacht*'), G. Lieb ig (auch ein Sohn C.
Liebig's), L. Deppe — von demselben auch Ouvertüren zu „Don
Carlos" und „Iring;" Ouvertüre „Italia" von Dupont, „Romun-
tische Suite" von G. Huberti (in Brüssel preisgekrönt, hier ohne
besonderen Erfolg geblieben) und andere, kleinere Compositionen.
Prof. Stern hat in demselben Sinne nur N. W. Gade dies-
mal seine besondere Zuneigung geschenkt uud von demselben zwei
Sinfonien (in C-moll und A-moll) und drei Ouvertüren : „Ossians-
klänge," „Im Hochlande" und „Hamlet" aufgeführt, weiter R.
Wu erstes Preissinfonie, gelegentlich vom Componisten selbst diri-
girt , desselben Phantasiestück „Mährchen," und ziemlich häufig
Compositionen von Lach n er und Taubert.
Es ist also im Ganzen der seltene Fall eingetreten, dass aus
persönlichem Streit zwischen Musikern der Sache selbst unversehens
bedeutende Vortheile erwachsen sind, kein „plectuntur Achivi"
Das erwähnte Orchester von Jul. Liebig, leider besser: eine
Restauration mit Orchester, dient meist nur den Massen; zweimal
wöchentlich erhebt es sich im sogenannten The mu&ical (sicf) un-
gefähr bis zu dem Niveau der väterlichen Programme.
Dem Zwecke , dem alle diese Concerte dienen , ist nun hier-
selbst eine neue Stätte erbaut, das zweckmässig kurz sogenannte
„Concert-Haus," von Dimensionen , wie bisher kein Musiksaal in
Berlin sie aufzuweisen hatte ; dort versammelt B i 1 s e seit seiner
Ankunft täglich mehrere hundert von Zuhörern ; er fing damit an,
dass er erst Zug-Programme aufstellte, letzthin jedoch war es ganz
im Sinne dieses gediegen schwungvollen deutschen Musikers, dass
er auf den Anzeigezettel, wo sonst noch allerhand Geschäftsleute
ihren Rummel treiben dürfen, selber setzen Hess: die „ernsten" Sin-
fonie-Concerte buginnen Mitte Januar, die „gewöhnlichen" Abeud-
Concerte werden fortgesetzt; diese letzteren sind nun in Bezug auf
die Ausführung nichts weniger als gewöhnlich, auch sind Sonntags
schon ernstere Programme aufgestellt und das Publikum durch die
C • moll - Sinfonie von Beethoven und nach der „Serenade" von
Haydn so entzückt gewesen, dass man, was sonst in derlei Con-
certen nicht eben üblich ist, dem Dirigenten mit dreifachem Her-
vorruf lohnte.
So steheu diese Sachen hier; es ist abzuwarten, und nicht ohne
sachliches Interesse , wie sie sich weiter entwickeln werden , und
werde ich über diese Concerte daher, von Zeit zu Zeit weiter Be-
richt erstatten. Carl Fuchs.
A. ii s münclien.
Ende Januar 18 SS.
t Es könnte ein langer und interessanter Artikel über die Ver-
suche und Anläufe geschrieben werden, welche gemacht wurden, die
Oper „Armida" von Gluck in München zur Aufführung zu
bringen; über die Vorarbeiten, die seit etwa 15 Jahren betrieben
wurden und Über die Intriguen, welche gegen das Vorhaben in
Scene gesetzt wurden. Seit langer Zeit ist für notizeubedürftige
Münchener Correspondenten über Kunst und Wissenschaft Armida
immer die berühmte oft gesehene Seeschlange und ihre Eiustudiruug
wurde schon so häufig mitgetheilt, dass schliesslich kein Mensch
mehr daran zu glauben Lust hatte. Endlich gelang es der uner-
müdlichen Ausdauer des General - Musikdirectors L a cb n e r doch,
das grosse Kunstwerk aufzuführen und dem Fräul. M a 1 1 i n g e r
war es vorbehalten, die Partie der Arinida, welche gleich grosse
Ansprüche an Stimme uud Auffassung, an Sängerin und Schauspie-
lerin stellt, in mustergiltiger Weise vorzuführen. Eine solche Sän-
gerin mit dieser reichen musikalisch • deklamatorischen Begabung
musste abgewartet werden, um der Oper auch eine würdige Auf-
nahme Seitens des Publikums zu liefern , das Gluck'sche Werk
musste um so vollendeter zur Aufführung kommen, um das Publi-
kum, dessen Geschmack durch brillante Ausstattungsstücke, durch
„schöne Helena," „Pariser Leben" u. dergl. immer mehr depravirt
wird, für die schöne Einfachheit, die ideale Grösse, den tragischen
Ernst und die himmelentsprossene Poesie, welche durch die „Ar-
- 23
vnida" mit frischen, Geist und Gemütb erhebenden Zagen weht,
empfänglich zu machen. Das Experiment ist gelungen und mit
wahrer Andacht folgte das Publikum, welches sich zu den beiden
«raten Aufführungen so zahlreich eingefunden hatte, dass aucjj das
letzte Plätzchen des weiten Hauses verkauft war, den Gedanken
des grossen deutschen Meisters. Ihren Lesern brauche ich nicht
erst des Weiten die Schönheiten des Werkea auseinander zu setzen
und ich begnüge mich mit der Rolle eines Referenten.
Die Ouvertüre machte durch ihre Schlichtheit und Einfachheit
einen guten Eindruck, ihr Char acter stimmt jedoch nicht ganz zu
4er Oper, was leicht zu erklären ist, da sie bekanntlich nicht für
die Armida, sondern für den „Telemach," eine an Form und Inhalt
gänzlich verschiedene Oper, geschrieben wurde.
Der Vorhang hebt »ich, eine prächtige Vorhalle im Palaste
Armida's liegt vor una. Die Musik tritt einfach und gewaltig, in
tragischem Ernst anhebend, das Wort durchgeistigend und in seiner
Bedeutung verstärkend auf; doch erst im zweiten Acte finden wir
den gewaltigen Meister in seiner eigentlichen Sphäre: das BeschwÖ-
rungsduett sträubt uns die Haare zu Berg und erschüttert uns im
innersten Herzen. Und als träten wir aus einer wilden unheim-
lichen Waldschlucht heraus in eine sonnenhelle, friedensselige Land-
schaft, so klingt uns die Musik der dritteu Scene im 2. Act ent-
gegen, anmuthig, leicht dahintänzelnd, verlockend durch Wohlklang
— echt frauzösisch. Den eigentlichen Begriff von dem schöpferi-
schen Riesengeist des Tonheros gibt aber doch erst der 3. Act.
Als wären sie wirklich in der Unterwelt belauscht brausen uns diese
Chöre entgegen, voll wilder Leidenschaft, voll ergreifender Charak-
teristik, aber doch verklärt durch die Poesie der Form. Uud wie
reich an Empfindung und dramatischer Wirkung reibt sich an diese
Chöre der Schmerzensruf Armida's, welche nun für den Geliebten
bangt und die entfesselten Geister wieder kommen möchte! Das
ist echter Gluck — ernst und einfach , mit wenigen Mitteln das
Qrösste erreichend , gewaltig und doch immer schön, immer Musik.
Der vierte Act ermüdet das Auge durch die Ueberladung der Hand-
lung mit Ballet und das Ohr durch die Wiederholung ähnlicher
Tonstücke. AU die Oper zum zweiten Male gegeben wurde , Hess
«man auch aus gutem Grunde die Scene zwischen Melisse und Ubald
weg. Im 5. Act hebt .der Genius des Toudichters erhöhten Flug
an, die Leidenschaften stürmen aufs Neue gegeneinander und wie
ein fern abdonnerndes Gewitter fährt Armida auf ihrem Drachen-
gespann in die Lüfte. — Das ist ein kleines Bilderbuch der Oper.
Es war Alles geschehen, um derselben eine würdige Aufführung
«u bereiteu. Unter Leitung L a ch n e r's hatten die Proben statt-
gefunden und das Orchester wie das Sängerpersonal war sattelfest.
Die Maler in Berlin und München waren in Thätigkeit gesetzt,
Decorationen zu der Oper zu schaffen, und sie thaten das mit Ge-
«chick und Fleiss, und Maschinist und Costümier wetteiferten mit
ihren Künsten.
Unter den Darstellern gebührt der vollste Kranz dem Fräulein
Malliuger, dieser auf der deutschen Bühne zur Zeit einzig dastehen-
«deu Künstlerin. Alle Effectmittelchen verschmähend, sich ganz dem
Dienst der Tondichtung hingebend, sucht sie nur die Ideen des
Componisten in edelster Weise zu verkörpern und aus Spiel und
«Gesang eine ideale Figur zu schaffen, wie sie vor der schaffenden
Seele des Tondichters gestanden. Keusch, edel und innig empfun-
den ist jeder Ton, den sie singt, aus ihrem Gesang «prichi; Leiden-
schaft und Grösse der Auffassung, und über ihren Gebilden, die sie
aus Klang und Bewegung schafft, giesst frische Jugend seine Zau-
ber und begeisternde Poesie ihren süssen Glorienschein. So muss
die Säugerin beschaffen sein, welche einen Gluck interpretiren will.
Vortrefflich waren auch die HH. Vogl(Rinald) und Kindermann
<Hydraot), und ihnen gebührt nach Fräul. Mallinger das grösste
Lob. 2
Aus Paris.
3. Februar.
Die erste Generalprobe der neuesten Oper von Auber, „üh
Premier jour de bonheur," hat Freitag in der Opära comique
«stattgefunden , und wie man von vielen Seiten versichert, ausser-
ordentlichen Beifall erregt. Es wird von Allen, welciie dieser Probe
beigewohnt, dem Werk ein ungewöhnlicher Erfolg prophezeit. Der
Compositeur, der vor einigen Tagen sein 86. Lebensjahr zurück*
gelegt, ist körperlich noch sehr rüstig und von einer geistigen
Frische, die man in der That nicht genug zu bewundern vermag. An
seinem Geburtstag wurde ihm von der Musik der Nationalgarde
ein Ständchen gebracht. Man spielte die Ouvertüre der „Stummen
von Portici" und einen Marsch, dessen Motiv einer Sonate entnom-
men ist, welche der Meister in seinem 16. Jahre, also vor 70 Jah-
ren, componirt hat. Er war durch dieses Ständchen aufs Ange-
nehmste überrascht und drückte seinen Dank dafür in den herzlich-
sten Worten aus. „ Un jour de bonheur u wird, wenn nicht unvor-
hergesehene Hindernisse eintreten , gegen Mitte dieses Monats in
Scene gehen.
„Hamlet" von Ambroise Thomas wird in der grossen Oper
fieissig einstudirt. Man lobt an diesem Werke besonders die Chöre,
die einen grossen Styl verrathen sollen, und die Kirchhofscene.
Das Italienische Theater hat vorigen Dienstag Nicolai's
vTemplario" mit ziemlichem Erfolg zur Darstellung gebracht. Ma-
dame Krauss als Rebecca und Stell er als Briand erwarben sich
wohlverdienten Beifall. Zu bedauern ist, dass die Partitur nicht
gerade im Interesse der Kunst zugestutzt worden. Das genannte
Theater bringt nächstens „Don Juan'* mit der Patti als Zerline
zur Aufführung.
Man ist allgemein gespannt auf die Darstellung des „Lohen-
grin" den das Tke'ätre lyrique in Kurzem dem Publikum vorfüh-
ren wird. Wagner hat auch in Paris fanatische Bewunderer ;
seinen Gegnern kann man jedoch keinen Fanatismus vorwerfen.
Die bedauerlichen Scenen, die seiner Zeit bei der Aufführung des
„Tannhänser" in der grossen Oper stattfanden, werden sich diesmal
gewiss nicht wiederholen. Sie wurden auch damals weniger durch
die Musik, als durch das unvernünftige Gebahren der Wagner'schen
Partei hervorgerufen. Wenn diese sich ruhig verhält, wird das
Publikum mit gewohnter Unbefangenheit sich seinen Eindrücken
hingeben.
laehrichten.
München. Durch ein schmeichelhaftes königl. Handschreiben
vom 31. Januar wurde Hr. General musikdirector Lachner auf sein
wiederholtes Ansuchen und in Berücksichtigung seiner durch ärzt-
liches Zeuguiss nachgewiesenen Gichtleidens auf ein Jahr , vom
1. Februar an, in den Ruhestand versetzt. S. M. der König sprach
zugleich die Hoffnung aus, dass das Ausscheiden des verdienstvol-
len Meisters nur ein vorübergehendes sein werde und verlieh dem-
selben in Anerkennung seines bisherigen erspri esslichen Wirkens
das Comthurkreuz des Verdienstordens vom heil. Michael.
Carlsruhe. Am 15. Januar gab der „Cäcilienverein" unter der
Leitung des Hrn. Hofkirchenmusikdirectors G. G i e b n e ein grosses
Concert zum Besten der hiesigen Frauen vereine vor einem äusserst
zahlreichen, aus allen Classen der Gesellschaft zusammengesetzten
Auditorium. Das Programm enthielt: Ouvertüre zu „Oberon" von
Weber; Arie des Belmonte aus der „Entführung," gesungen von
Hrn. Kammersänger Brandes; Kyrie aus der Es -dur- Messe von
Fr. Schubert; Arie aus „Orpheus" von Gluck, gesungen von
Frl. Bürklin, und in der zweiten Abtheilung die Wiederholung
der „Kreuzfahrer" von N. W. G a d e. Sämmtliche Kummern wur-
den anf das Gelungenste aufgeführt und von dem Publikum mit
ausserordentlichem Beifall aufgenommen. Insbesondere stand die
Aufführung der „Kreuzfahrer" der in Nr. 52 vom vorigen Jahrgang
dieser Blätter erwähnten ersten Vorführung in einer Beziehung nach,
Übertraf dieselbe vielleicht noch an Abrundung und sicherer, be-
geisterter Wiedergabe von Seite der Solisten, sowie des Chors und
Orchesters. Es war demnach nicht nur den Zuhörern ein schöner
und mannigfaltiger Genuss geboten , sondern auch der specielle
Zweck dieses Concertes durch eine sehr ergiebige Einnahme erreicht
worden, ygofür allen Mitwirkenden und insbesondere Hrn. Giehne,
dem wackern Dirigenten, der beste Dank gebührt.
Leipzig. Am 29. Januar hat die Einweihung des neuen Stadt-
theaters stattgefunden, welcher der ganze königl. Hof beiwohnte.
— 24 -
Pie Akustik des Hauses hat sich für Musik wie für das gespro-
chene Wort vortrefflich bewährt.
Wien. In eioer dieser Tage abgehaltenen ausserordentlichen
Generalversammlung der „Gesellschaft der Musikfreunde" stellte
sich zuerst das neue Directorium der Versammlung vor, worauf
dann eiu Antrag, betreffend die Beschaffung der nöthigen Geld-
mittel zur Fortführung und Vollendung des begonnenen Baues eines
neuen Gesellscbaftsgebäudes vorgelegt wurde. Es wurde jedoeh die
Debatte über diesen Antrag zum Zwecke reiflicher Prüfung der be-
treffenden Vorlage vertagt und einer demnächst zu berufenden Gene-
ralversammlung die Entscheidung in dieser Lebensfrage vorbehalten.
*** Roger gastirt im deutschen Theater zu P e s t mit grossem
Erfolg. Sein erstes Auftreten erfolgte in der Rolle des Edgar in
„Lucia von Lammermoor. u
*** Der ausgezeichnete Violoncellist David off, welcher seit
seiner Berufung nach Petersburg (im Jahre 1862) als Professor
am dortigen Conservatorium seiner Virtuosen- Carriere entsagt hatte,
wird nun wieder eine Kunstreise durch Deutschland antreten und
am 27. d. M. im Gewandhaus- Concert zu Leipzig auftreten, von
wo ans er dann erst Korddeutschland und dann Süddeutschland be-
reisen will.
*** Concertmeister Laub in W i e n hat einen Ruf nach Peters-
burg erhalten und angenommen, der ihm ein fünfjähriges Engage-
ment unter glänzenden Bedingungen verbürgt.
*** Der Tenorist Hacker von Dessau hat am Hofopern-
theater in Wien ein Gastspiel in der Rolle des Masaniello be-
gonnen.
*** Der König von Preussen hat dem Generalintendanten der
kpnigl. Theater, Hrn. v. Hülsen, eine Gehaltszulage von 1000
Thlrn. gewährt, so dass dessen Gesammtgehalt sich nun auf 6000
Thlr. jährlich beläuft.
%* Der Capellmeister und Componist Benedict in London
bat den preussisohen Kronenorden vierter Classe erhalten.
%* Die erste Nummer der „Jlfusiea Sacra, Beiträge z,ur
Reform und Förderung der katholischen Kirchen-
musik," herausgegeben von Franz Witt, dem Redacteur der
„fliegenden Blätter für kath. Kirchenmusik," ist bei Pustet in
Regensburg erschienen und enthält: Einen Aufsatz „lieber eine
Bearbeitung des Chorals v Pange lingua H von Liszt" von Fr. Witt;
ferner Betrachtungen über die Kirchenmusik in Oberschlesien ; Bio-
graphische Skizze über Abbe Vogler; Musikalisehe Miniaturbilder
aus verschiedenen Ländern; Journalschau und allerlei Polemik.
(Wir wünschen dem , verdienstvollen und für seine Aufgabe begei-
sterten Herausgeber den besten Erfolg für sein Unternehmen).
*** In Berlin, ist der erste Violoncellist des königl. Opern-
hauses, Moritz Ganz, am. 23. Januar, 62 Jahre alt, gestorben.
Er war ein ausgezeichneter Virtuose auf seinem Instrumente und
seit 1827 als königlicher Kammermusiker und erster Violoncellist
an Max Bohrer's Stelle angestellt; 1836 erhielt er- den Titel
eines Goncertmeisters.
*** Der königl. Musikdirector und Domcapellmeister Moritz
Brosig in Breslau feierte kürzlich sein 25 jähriges Künstlerjubi-
läum, bei welcher Gelegenheit ihm von dem dortigen Dorochor ein
prachtvoller Taktstock und ein silberner Lorbeerkranz, von seiuen
Freunden und Verehrern ein werthvoller silberner Pokal und ausser-
dem ein Album mit den Photographien aller seiner Schüler und
Schülerinnen als Festgeschenke überreicht, auch ein solennes Fest-
essen ihm zu Ehren veranstaltet wurde.
%* Eine Amati-Geige Ludwigs XIV. befindet sich im
Besitze des zu Raab in Ungarn lebenden Finanzrathes lvanfy.
Das Instrument wurde von Andrea Amati laut eines in Händen des
Besitzers befindlichen Documentes für Ludwig XIV. auf Bestellung
angefertigt. Die Violine ist in . vollkommen gutem Zustande erhal-
ten und befindet sich an derselben kein einziger Sprung. Der Ton
ist üherrascheud gross und gesangreich. Ueber die interessanten
Schicksale dieses Instrumentes gibt nachstehender Brief dd. 30. Mai
18ä5 vom Hrn. Baron P r a u n aus Tyrnau an Hrn. Mathias Knote
in Krakau Aufscbluss: „Auch ihren zweiten Brief habe ich erhal-
ten und bitte mich bei dem Hrn. Lipi nsky, einem so ausgezeich-
neten Verehrer meines verblichenen Sohnes, entschuldigen zu wollen,
dass ich in seinen nicht unbilligen Wunsch dennoch nicht einstim-
men könne, weil die versiegelte Violine als ein theures Vermacht*
niss eines so unersetzlichen Sohnes und als ein Cabinetsstück der
Familie Bourbon eiuen für diese und für mich unschätzbaren Wertb
habe, den mein sehr verehrter Freund Lipinsky zu überbieten keine
Veranlassung haben könne. Er wird sich als Kenner dieselbe, ohne
sie zu sehen, vorstellen können, wenn ich ihm sage, dass sie von
dem delicatesten Modelle des Andreas Amati für Ludwig XIV. ex-
presse gemacht ist, dessen königliches Wappen mit der darüberstehen-
den Sonne und der stolzen Devise dieses Regenten : „Nee pluribus
impar, u auf dem Boden der Violine von einem namhaften Maler in
Oel gemalt ist. Der Deckel aber ist aus einem Stücke und zwar
von Herecaholz, welches an den Mauern des Süden, jedoch nur höch-
stens in Armsdicke, wächst und mithin dieser Stamm zu der Violine
auch ein Phänomen unter seinem Geschlechte wegen dieser Grösse
bildet. Uebrigens ist das ganze Instrument, welches bis zur Revo-
lution von 1789 in der französischen Schatzkammer aufbewahrt lag,,
so gut conservirt, dass es nicht den geringsten Sprung oder andere
Beschädigung hat. Der Herzog von Cambridge, Bruder des jetzigen
Königs von England und Viceköuig von Hannover, hat meinem Sohn
800 Ducaten Gold dafür geboten etc. a
%* Eine Invaliden -Akademie. Pietro Locatelli,.
geb. 1690 zu Bergamo, gest. 1764, ein hervorragender Geigen-
virtuose und Componist, war nach London gekommen und hatte
dort ein Concert angekündigt, für welches ihm seine Freunde ein
zahlreiches Auditorium prophezeit hatten. Allein , wie das nun in
London und auch anderwärts häufig vorkommt, er schlug kaum
seine Kosten heraus. Locatelli machte einen zweiten Versuch, und
siehe, das Haus blieb fast noch leerer, als das erste Mal. Abge-
schreckt durch diesen neuen Misserfolg, veränderte Locatelli, wel-
cher unterdessen den Geschmack des Publikums kennen gelernt
hatte, seine Tactik. Er holte alle krüppelhaften und kranken Mu-
siker, die er nur finde« konnte, zusammen, um mit denselben unter sei-
ner Leitung einen Verein zu bilden, welchen er „Akademie von Inva-
liden" benannte ; sodann liess er eine Anzeige drucken , in welcher
er die bevorstehende Eröffnung seines Vereins ankündigte mit dem
Beifügen, dass man in dem ersten Concerte ein Violinduett, ausge-
führt von zwei Buckeligen, sowie auch ein Trio hören würde,,
vorgetragen von einem Kropfigen, einem Lang aasigen und
einem armen Teufel , der am Veitstanz leide. Ein Au dermal kün-
digte er ein Quartett an, von einem Kr u rnb einigen, einem Dick-
wanst, einem Dickkopf und einem Zwerge ausgeführt. Die
Invaliden-Akademie hatte einen unglaublichen Erfolg; der Concert-
saal war immer voll und nach kurzer Zeit kehrte Locatelli mit vol-
len Taschen in seine Vaterstadt zurück und lachte von Herzen über
den lustigen Humor der Engländer.
*** Am böhmischen Nationaltheater in Prag sind wieder zwei
Opern mit nationalen Sujets unter grossem Beifall aufgeführt worden,
nämlich: „Leyla" von Carl Ben dl und „Hai ka" vonMoniusko.
*** Der Ciavierfabrikant Chickering in Boston hat seinen
auf der Pariser Ausstellung preisgekrönten Prachtflügel dem Abbe
Liszt zum Geschenke gemacht und ihm denselben persönlich nach
Rom gebracht. Liszt weigerte sich anfänglich , die kostbare Gabe
anzunehmen, musste aber endlich dem Drängen Chickering's nach-
geben.
*** Die Sängerin Frl. O r g e n y ist für das Leipziger Stadt-
theater engagirt worden.
*** Emil Büchner ist vom Herzog von Meiningen zum Hof-
capellmeister ernannt worden.
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fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg.
\ für den Jahrgang.
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_ 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal.
INHALT: Neue Briefe Beethoven's. — Corresp. : München. Stuttgart. Cölu. — Nachrichten.
Neue Briefe Beethoven'*«
Nebst einigen ungedrnckten Gelegenheits - Compositionen und Aus-
zügen aus seinem Tagebuch und seiner Leetüre. Herausgegeben
von Ludwig Nohl. Stuttgart, bei J. G. Cotta. 1867.
Vor etwa dritthalb Jahren Hess Ludwig Nohl im selben Ver-
lage einen Band „Briefe Beethoven 's" erscheinen, welcher 399
Briefe und Billete Beethoven's an die verschiedensten Persönlich-
keiten und noch einen besonderen Anhang von 12 Briefen an den
Advokaten Dr. Johann Kaula in Prag enthielt, erscheinen und
wir verweisen in diesem Betreff die geehrten Leser dieser Blätter
auf Nr. 37 und ff. des XIV. Jahrganges derselben. Dieser wertb-
vollen Sammlung Hess nun der unermüdliche Herausgeber vor Kur-
zem den oben bezeichneten weitern Band Briefe folgen, welcher
auf XVIII. S. Vorwort und Inhaltsverzeichniss und auf 312 S. nebst
dem Namen- nnd Sachregister 322 Briefe etc. enthält und somit
dem zuerst "erschienenen Bande an Umfang nur wenig nachsteht.
Aber auch in Bezug auf den Inhalt steht die neue Folge von Brie-
fen Beethoven's der zuerst veröffentlichten in keiner Weise nach,
sondern es ist dieselbe vielmehr eine nothwendige Ergänzung der
ersten Sammlung (obwohl auch für sich selbst von selbststäudigem
Interesse), und enthält Briefe au mehrere im ersten Bande nicht
figurirende Persönlichkeiten, wie z. B. an den Componisten Fried.
▼. Drieberg, an Step. Hummel, an Seh ny der v. Warteu-
see, an Frau Marie Pachl e r-Roschat, an Louis Schlösser,
jetzt Hofcapellmeister in Darmstadt u. a., welche , wie der Heraus-
geber iu seinem Vorworte treffend bemerkt, aufs Neue die hülf-
bereite Theilnahme bekunden, die der durch sein eigenes Schaffen
so ganz und gar in Anspruch genommene Meister Zeit seines Lebens
für jüngere Talente, seien es Künstler oder auch Dilettanten, be-
wahrte, wenn sie nur irgend die Fähigkeit zeigten, .,sich immer
weiter in den Kunsthimmel hinauf zu versetzen" und dort „auch
das Vollkommene zu erkennen, das selbst auf uns immer wieder
zurückstrahlt." Von nicht geringerem Interesse, sind die Briefe an
den Maler Macco, an Theodor Körner, an den Kuustfreund
W. Gerhard in Leipzig und insbesondere der einzige bis jetzt
bekannt gewordene Brief Beethovens an Frau van Beethoven,
die Wittwe seines Bruders Carl, welcher Z*eugniss ablegt für die
milde Weise, womit der so sitteustrenge Mann diese „schamlose
Königin der Nacht" (man vergleiche die auf diese Frau bezüg-
lichen Stelleu iu dem ersten Bande der Beethoven'schen Biiefe)
trotz allem Leid und aller Schmach, die sie ihm anthat, persönlich
behandelte, sowie auch der Brief an Schindler (Nr. 268), wel-
cher, mit Nohl zu sprecheu, „die innerlich unbehagliche Stimmung
ausspricht, die ihm dieser banausische Geist mit seiner doch wieder
nicht ganz zu eutbehrendeu Dienstfertigkeit im Grunde stets berei-
tete, ohne andererseits die angeborne Neigung, dem Hülfsbedürfti-
gen zu helfen, irgeud zu verläugnen." Von grosser Wichtigkeit
sind ferner hier wie in der ersten Sammlung die Reihen von auf-
einanderfolgenden Briefen uud Billeta an ein und dieselbe Persön-
lichkeit, wie z. B. an Gleichenstein (Nr. 9-22), an die Gräfin
£ r d ö d y (Nr. 45, 1 13 u. ff.), an den Erzherzog Rudolph
(Nr. 57 ff.), an Frau Streicher (Nr. 155 ff), welche in das Ganz»
eine Art von biographischem Faden bringen und uns den Menschen
und Künstler Beethoven immer näher bringen. Die Briefe an den
Bruder Johann sowie an die Musikverleger B r e i t k o p f und
H ä r t e 1 uud C. F. P e t e r s in Leipzig uud S ch o 1 1 iu Mainz
sind zum grössten Theile hier zum ersten Male veröffentlicht. Auch
über das Verhältniss Beethoven's zu seinem Schüler Erzherzog
Rudolph verbreiten die hier mitgetheilten Briefe ein neues,
früher darüber aufgestellte Ansichten berichtigendes Licht. Dia
unverkürzte Wiedergabe mancher unangenehm berührenden Stellen
in den Briefen Beethoven's an seinen Bruder Johann rechtfertigt
Nohl damit, „dass er die Ueberzeugung hege, dass der ganze Werth
und die Besonderheit eines Menschen nur dann deutlich hervortreten,
wenn man ihn in seinen wirklichen Verhältnissen enthülle, dass
also auch die wahre Grösse eines Mannes sich erst dann darstelle,
wenn man sehe, was er zu überwinden hatte, um gross zu sein,
um gross zu werden."
Zum Schlüsse der vorstehenden Bemerkungen zu dieser neuen
ßriefsammlung wagen wir die Ueberzeugung auszusprechen , dass
sie bei deu Freunden und Verehrern des grossen Meisters eine
nicht minder günstige Aufnahme als der erste Band derselben finden
und auch für die Nichtbesitzer jeues ersten Bandes ein hohes In-
teresse, eine unwiderstehliche Anziehungskraft bewähren wird.
CORRESPONDENZEN,
A. u s jfl ii n c h e ii.
1 Februar 18 SS.
Zu Schubert's Geburtstagsfeier (31. Januar 1797) versam-
melte das Hoftheater vorgestern die Freunde uud Verehrer diese*
Componisten, um ihnen mehrere seiner Werke in gediegener Dar-
stellung vorzuführen. Die Feier eröffnete die Ouvertüre zu „Alfonso-
Estrella," ein Instrumental werk, das sich wenig über conveutiouelle
Formen und Gedanken zu erheben vermag; vou seineu Liedern
wurden gewählt: „Der Blumen Schmerz," „Die Forelle," „An Syl-
via" und „Die Post" — gewiss lauter werthvolle Proben lyrischer
Musik. Frau D i e z sang dieselben mit der gewohnten Meister-
schaft ; ohne sich in das dramatische Gebiet zu verirren, wusste sie
durch die Farbe des Tones zu characterisireu, die Stimmung fest-
zuhalten und im Gesang voll auszusprechen. Die „Nacbthelle, -
eine von Liedertafeln oft verhunzte feine delicate Gesangsnummer,
wurde von Solisten der Hofoper und Hrn. Bachmann aus Dres-
den, der zur Zeit hier gastirt, mit vieler Poesie gesungen und in
der besten und wirksamsten Weise zum Ausdruck gebracht.
An diese Musikaufführung reihte sich die reizende Operette
„Der häusliche Krieg." Die OuvertUre zu „ Rosamund e" lei-
tete dieselbe ein. Die Aufführung der Operette durchwehte eine
26 -
festtägliche Stimmung, und die Damen Die«, Stehle und Pich«
ler, die Herren Kindermann, Yogi und Heinrich wie die
Chöre erwarben sich ein gegründetes Anrecht auf allgemeinen Bei-
fall. Es war ein schöner Abend voll Poesie . voll Genuas, eine
herrliche Feier, welche einem der edelsten deutschen Tondichter
galt. Z.
Aus Stuttgart.
Ende Januar.
T. Dem Extra- Concerte, welches unsere Hofcapelle zu Gunsten
der ostpreussischeu Nothleidenden ausführte, und worin unter
Abert's Direction Spoutini's Ouvertüre zu „Cortez," Mendelssohn^
A-dur-Sinfonie, dann Solovorträge von Frl. Klettuer und von den
BH. Singer und Bertram zu Gehör kamen , waren wir leider
vollständig beizuwohnen verhindert. Desto unverkümmerter war
uns der Genuss des alljährlich wiederkehrenden sogenannten Mozart«
Concertes, in welchem unter Dopplers Leitung lauter Tunschöp-
fungen des am 27. Januar 1756 geborenen Meisters vorgeführt wur-
den. Da sang Schütky mit prächtigem Tone die hochedle Arie:
Mentre di lascio, und Frl. Klettner die beiden Lieder: „An
Chloe" und „das Veilchen" mit warmer Empfindung; der Chor:
„Au die Sonne/' dann die C-molI-Sinfonie und die köstliche Haff-
nerserenade wurden mit Meisterschaft ausgeführt; in der letzteren
entzückten besonders die von Singer preiswürdig gespielten
Violinsoli, uud darunter am meisten das launige Rondo ; das war
wie goldiger Sonnenstrahl, durchschwirrt von tausend flimmernden
Mücken, die da so unermüdlich , als dürft* es nicht auders sein,
ihren lustigen Beigen vollführen. Das A-dur- Andante und der
D-dur-Menuet blieben weg, da das Concert ohnehin lang genug
dauerte; überhaupt wird hier bei dem so reichlich vorhandenen
Musikstoff das für die edle Tonkunst selbst so vorteilhafte Maass
von l l /a Stunden gern überschritten. In einer kleinen Aufführung
des Vereins für clasaische Kirchenmusik unter Faisst's Leitung
hörten wir mehrere sehr interessante Kirchenlieder und rhythmische
Choräle von Schein, Schrötter , Hintze, Crüger, Eccart, Prätorius
u. A., einen Psalm für Alt (Frl. Marschalk) von Marcello , Du-
rante's Magnificat und zwei Orgelfugen von Bach (G-moll) und
Händel (Fis-moll), welche Hr. Tod ganz untadelhaft ausführte. —
Das zweite Concert des „Schubertvereins" in Cannstadt, der
durch Tendenz und Tüchtigkeit bereits neben hiesigen Instituten
genannt zu werden verdient, brachte verschiedene Chöre von Fr.
Lachner, Mendelssohn, Sucher, Zenger und L. Stark, dazu Schu-
berts Psalm für Frauenstimmen, Beethoven'* Opferlied und zwei
Duette aus „Jessonda" und „Richard Löwenherz." Die Theilnahme
an diesem jungen Unternehmen läset numerisch Nichts zu wünschen
übrig und wird sich hoffentlich auch bald ein regeres Interesse für
die hier gepflegte Musikgattung selbst einstellen.
In Prof. Ganter 's zweitem Vortrag über neuere Ciaviermusik
hörten wir Compositionen von Weber, Tomascheck, Kalkbrenner,
Herz, Moscheies u. A., sämmtlich von Frau S. Hörner mit feinem
Verständniss und virtuoser Technik vorgetragen ; insbesondere mit
Weber's As-dur-Sonate errang sie begeisterten Beifall. Dazwischen
wusste der Vorleser durch interessante Vergleiche und anziehende
Details den Hörer augenehm zu fesseln; wir können diese Gattung
von Musikabenden nur als eine sehr verdienstliche bezeichnen. Im
Conservatorium fand seither eine Reihe gelungener Aufführun-
gen statt, worin zahlreiche Clavierconcerte , Kammermusikwerke,
Orgelsachen, Violin- uud Gesaugstücke von älteren und neueren
Meistern zum Vortrag kamen, und dies nicht nur durch Zöglinge
der Künstlerabtheilung, sondern auch durch solche der Dilettanten-
schule, welche sich bei den besseren Ständen dahier eines grösse-
ren Zutrauens erfreut, und Dank der opfernden Bemühung des
Hrn. L e v i und seiner neben ihm wirkenden CoIIegen alljährlich
die günstigsten Resultate erzielt; dieselbe hat ihr gutes Theil dazu
beigetragen, dass sich dahier der Sinn für ernste musikalische Gei-
stesnahrung seit einigen Jahren so sehr gehoben hat, und die her-
vorragenden Leistungen unserer hiesigen Künstler eine so aufrich-
tige Würdigung und Anerkennung finden.
Aus €5ln.
F. Auch hier, wie au allen grösseren Orten des weiten deutschen;
Vaterlande», drängen sich in den kurzen Wintermonaten die Con-
certe, Soireen, Theater, Abendunterbaltungen , öffentliche Vorlesun-
gen etc. in bunter Reihenfolge aufeinander. Wir haben hier die
üblichen 10 Winter-Concerte (Abonnemeut), 6 Soireen und 3 Ma-
tineen der beiden hiesigen Quartett-Vereiue für Streichinstrumente,
3 musikalische Abendunterhaltungen des ,, Cölner Männergesang-
Vereins" in Verbindung mit der „Philharmonischen Gesellschaft,"
Woblthätigkeits-Concerte aller Art, für die Nothleidenden Ostpreus-
sens und die verunglückten Bergleute in Iserlohn, die wöchentlich
dreimal stattfindenden sehr beliebten Concerte der Militärchöre des
33. und 65. Infanterie -Regiments (Laudenbach und Zerbe),
die Oper „Romeo und Julie," öffentliche Vorlesungen, Gast- und
Benefizvorstellungen uud hundert andere musikalisch , dramatisch-
carnevalistische Sitzungen und Aufführungen, welche alle mehr oder
weniger auf den Beutel des vergnügungssüchtigen Publikums specu-
liren und mitunter recht Nettes und im Kreise der Kunst manches
Hervorragende und Lobenswürdige bringen, worüber der Referent
berichten soll und oft in der Verzweiflung nicht weiss , wohin er
seine Schritte lenken und wo er in seinem Berichte beginnen oder
aufhören soll.
Um nun aber den eng zugemessenen Raum eines Correspondenz-
Artikels nicht gar zu sehr zu überschreiten, werde ich mich kurz
fassen müssen und aus der Masse des Gebotenen nur Einzelnes
hervorheben und zu besprechen suchen.
Am 11. Januar fand in dem geschmackvoll restaurirten Con-
certlokale des Gertruden-Hofes die erste der für diesen Winter pro-
jectirten drei musikalischen Abendunterhaltungen des „Cölner Män-
nergesang- Vereins" und der „Philharmonischen Gesellschaft" statt
das betreffende Concert-Programm brachte unter anderem die herr-
liche Leonoren-Ouvertüre Nr. 1. von Beethoven; es folgten drei
Lieder für Solo und Männerchor mit und ohne Begleitung von
B e 8 ch n i 1 1 und Joh. H e r b e ck , vorgetragen von dem „Cölner
Männergesang- Verein." Hieran reihten sich die Pianoforte-Piecen
„Introduction und Rondo" aus der Clavier-Souate in C von Beet- .
hoven und Polonaise in Es von Chopin, vorgetragen von Hrn.
Isidor S e i 8 s , Professor am hiesigen Conservatorium. Den Schluss
des Concertes machte Altmeister Louis Spohr mit seinem Werke
„Die Weihe der Töne," characteristisches Tongemälde in Form
eiuer Sinfonie nach einem Gedichte von Carl Pfeiffer. Die Or-
chestersätze gingen ganz vorzüglich und machten der executirenden
Gesellschaft alle Ehre. Die Ausführung zeigte, was Kunstsinn, Aus*
dauer, Geschmack, guter Wille und fortgesetzte Uebung unter der
trefflichen Leitung ihres bewäbrteu Dirigenten Frauz Weber zu
leisten vermögen.
Die Liedervorträge des „Cölner Mäunergesang- Vereins," dessen
künstlerische Productionen wir in unserer Vaterstadt in der letzten
Zeit ungern vermissten, wurden mit der diesem Vereine so oft und
mit Recht nachgerühmten Meisterschaft und künstlerischer Vollen-
dung ausgeführt und mit grossem Beifall begrüsst. Der Verein
hat durch diese Vorträge neuerdings bekundet, dass er keine Rück-
schritte gemacht und immer auf der Höhe seines altbewährten Ruh-
mes steht und in seineu vollendeten Leistungen in Bezug auf Ton-
fülle, Ensemble, Auffassung, frische Stimmen, Schattirung, Sprache
und Vortrag von einem anderen Vereine sobald nicht übertroffen
werden wird; die Soli« der beiden Vereins- Mitglieder, die Herren
v. O r s b a ch (Tenor) und W. Lehmann (Bariton) wurden mit
stürmischen Applaus aufgenommen.
Herr Professor Isidor S e i s s , dieser geniale Künstler, auf des-
sen Besitz unsere Stadt stolz sein kann, errang sich in den Piano-
fortevorträgen durch sein meisterhaftes Spiel einen fast nicht endend
wollenden Beifall. Das nach dem Concerte arrangirte gemeinschaft-
liche Souper , welche noch durch eingelegte Liedervorträge der
HH. v. Orsbach und A. Peltzer eine besondere Würze erhielt,
sowie ein darauf folgendes Tänzchen, hielt die zahlreich anwesende
Gesellschaft bis tief in die Nacht in der heitersten Stimmung zu-
sammen.
Diese Abendunterhaltungen, hervorgegangen aus dem fühlbar
gewordenen Bedürfnisse der beiden Gesellschaften, neben dem Kunst«
27 -
genusse auch zeitweise ein geselliges Vergnügen für die Familien-
angehörigen der Mitglieder und Ehrengäste zu bieten, scheinen viel
Anklang «u finden und dem Geschmaek des Publikums zu ent-
sprechen. Ueber 600 Personen mit einem reichen Damenflor n»b-
inen an dieser Unterhaltung Theil und versprechen die folgenden
Unterhaltungenluoch eine zahlreichere Betheiligung.
(Schluss folgt.)
laehrichten.
Mainz. Abermals haben wir ein Concert des „Vereins für
Kuust nnd Literatur" zu besprechen, welches am 7. d. M. stattfand
und durch die Mitwirkung der HH. Concertmeister Hugo Heer-
mann, Ruppert B e ck e r , Ernst Welker und Louis L ü b e ck
aus Frankfurt a. M., sowie der kgl. Hofopernsängerin Frau Jenny
S o 1 1 a n s (geb. Hentz) aus Cassel sich zu einem der genussreich-
sien dieser Saison gestaltete. Die zuerst genannten Künstler trugen
zwei Streichquartetten, nämlich das eine in D-moll von Haydn und
das andere in G-dur von Beethoven mit einer Meisterschaft vor,
welche das äusserst zahlreiche Publikum zu den lebhaftesten Bei-
fallsbezeugungen hinrisa. Wir müssen dem letzteren überhaupt zu
seiner Ehre nachsagen , dass es in Folge der ihm in letzterer Zeit
häufiger als früher gebotenen Gelegenheit, sich an classischer Kam-
mermusik zu erfreuen , auch wirklich schon empfänglicher für der-
artige Genüsse geworden ist und sich denselben mit voller Auf-
merksamkeit uud Theilnahme hingibt. Um so auffallender muss es
erscheinen, dass ein Theil des Auditoriums, und zwar nicht etwa
der minder gebildete, die grössere Mehrzahl der Zuhörer während
der interessantesten Productionen durch überlaute Conversation in
ihrem Genüsse stört, eine Unsitte, welche zwar in derselben Weise
häufig auch in andern Städten sich bemerklich macht, aber darum
nicht weniger tadelnswerth erscheint. Hr. Lübeck, hier schon als
ausgezeichneter Violoncellvirtuose bekannt und beliebt, spielte eine
Canzonetta von eigener Composition und eine „Berceuse" von H.
Reber, ein recht originelles und feines Salonstück, mit schönem,
edlem Ton und geschmackvollem Vortrag, und Hr. Heermann
gab die G-dur-Romanze von Beethoven in einer Weise wieder,
welche den technisch durchgebildeten Virtuosen und feinfühlenden
Künstler erkennen Hess und Beide sahen sich durch reichlichen
Beifall belohnt. Wir rufen auch den trefflichen Frankfurter Quar-
tettisten, wie kürzlich deren Mannheimer Kunstgenossen von Her-
zen zu: „Auf Wiedersehen!" Frau Hen t z-Sol tans, vom Publi-
kum freundlichst empfangen, trug die grosse Sopran-Arie in F-dur
aus Haydn's „Schöpfung" mit so klarer, prächtiger Stimme und in
so künstlerisch durchdachter, tief empfundener Weise vor, wie wir
dieses herrliche Gesangsstück noch selten gehört haben , wofür ihr
auch stürmischer Beifall zu Theil wurde. Nicht minder warm und
schön sang sie das „Busslied" von Beethoven und ein sehr an-
sprechendes Liedchen: „Tausendschön," von ihrem Gatten com-
ponirt. Der Vereinsvorstand hat sich durch dieses schöne Concert
abermals das musikalische Publikum unserer Stadr zu lebhaftem
Danke verpflichtet.
München. Im verflossenen Jahre kamen im k. Hoftheater 120
Opern, 1 Oratorium und 6 Ballets zur Aufführung. Neu gegeben
wurde die „ Afrikanerin, " und einstudirt: „Jessouda," „Tannhäuser,"
„Lohengrin," und „Johann von Paris." Meyerbeer's Opern füllten
15, Lortzing 11, Mozart 9, Bellini 6- Abende aus.
Augsburg. Der Oratorium- Verein hracbte am 1. d. M.
unter der Leitung des Capellmeisters Seh letter er zum Besten
der nothleidenden Ostpreussen Mendelssohn' s „Elias" zur Auf-
führung. Die Soli wurden von Frl. Meyer, k. Hofcapellsängerin,
Frau v. Maugstl, k. Hof- und Kammersängerin aus München und
Hrn. Geusendorf, Tenorist des hiesigen Theaters, in sehr gelun-
gener Weise vorgetragen, besonders war die Leistung der Fr. von
Mangstl (Alt) eine so vortreffliche, dass sie gewiss allen Zuhörern
unvergesslich bleiben wird. Auch die Partie des Elias wurde in
sehr lobenswerther Weise durchgeführt und der wohlgeübte Chor
mit seinen frischen Stimmen und seiner herzerfreuenden Sicherheit
und Begeisterung, sowie das Orchester, welches in uneigennützigster
"Weise sich zur Verfügung gestellt hatte, trugen zum schönen Ge-
lingen des Ganzen recht erheblich bei und verdienet* alles Lob.
Sowie die musikalische Leistung eine wohlgelungene war,, ebenso
wurde auch der besondere, peeuniäre Zweck durch einen recht hüb-
schen Reinertrag für unser» leidenden Brüder in Ostpreussen in
entsprechender Weise erfüllt.
Wi6n. fm nächsten philharmonischen Concerte kommt
u. A. Rheinberger's „Wallenstein" - Sinfonie zur Aufführung.
— Die Aufführung der Oper „Romeo und Julie" im Hofopern-
theater unter Gounod's persönlicher Leitung ist vom Publikum
mit grossem Beifall aufgenommen und Gounod durch vielfältigen
Hervorruf ausgezeichnet worden. Die Kritik jedoch ist weniger
entzückt von dem genannten Werke, welches es als dem „Faust"
desselben Componisten in musikalischer Beziehung nachstehend, ja
eigentlich nur als eine schwächere Nachahmung desselben bezeichnet
und den Erfolg weniger dem Werthe als der vortrefflichen Insce-
nirung und Aufführung der Oper zuschreibt.
Paris. In den Fantatsie Parisiennes ist S ch u b e r t's Operette :
„Der häusliche Krieg" mit vollständigem Erfolge in Scene gegangen.
— Das fünfte Conservatoriumsconcert fand am 2. d. M. mit
folgendem Programm statt: Sinfonie mit Chor (Nr. 9) von Beetho-
ven; Andante aus der 49. Sinfonie von Haydn; Scene und Chor
aus „Idomeneus" von Mozart; Ouvertüre zu „Oberon" von Weber.
— Am selben Tage gab Pasdeloup sein 14. populäres Concert
I uud führte darin auf: Ouvertüre zur „Zauberflöte" von Mozart;
Suite für Orchester von Massenet; Melusinen -Ouvertüre von
Mendelssohn; „La Separation" Romanze für das Hörn von
Lorenz, vorgetragen von Hrn. Mohr; Sinfonie in C moll von
Beethoven. Das 15. dieser Concerte brachte: Sinfonie in
C-moll (Nr. 41) von Haydn; Marsch aus „Lohengriu" von R.
Wagner (zum 1. Male); „Canzonetta" aus dem Quartett Op. 12
von Mendelssohn, ausgeführt von sämmtlichen Streichinstru-
menten ; Musik zu „Egraont" von Beethoven; „Jubel • Ouver-
türe" von Weber. Die Orchester - Suite von Massenet wurde
vom Publikum höchst ungünstig aufgenommen. Ein Pariser Musik-
Journal meint, das Werk des jungen Componisten wäre gar nicht
so übel und wenn man demselben nur einen deutschen Namen,
z. B. Raff, beigefügt hätte, so würde es vom Publikum des Hrn.
'Pasdeloup gewiss freundlicher behandelt worden sein. Köunte der
unglückliche Componist von Raff wirklich sonst nichts als dessen
Namen sich aneignen ?
— Am 16. Februar findet im Cirque de V Imperatrice eine
grosse Männergesang- Production statt unter Theilnahme von 500
Sängern der Socicte's chorales von Paris und dem Departement
der Seine. Mehrere ausgezeichnete Künstler und die Musik der
Garde von Paris werden dabei mitwirken.
London. Im populären Montags -Concert vom 27. Januar trat
Frau Clara Schumann zum ersten Male iu dieser Saison hier
auf und spielte Beethoven 's Sonate in A-dur (Op. 101) und mit
den HH. Strauss und Piatti das 2. Trio von Mendelssohn
Das Concert begann mit Schumann^ 1. Quartett in C-moll.
*** Frl. Sophie Meuter, die in diesen Blättern schon mehr-
mals erwähnte talentvolle junge Pianistin, befindet sich gegenwärtig
in Löwe nb er g, wo sie von dem Fürsten von Hohenzollern-Hechin-
gen für die Dauer von zwei Monaten zur Mitwirkung in den von
seiner Capelle zu gebenden Concerten engagirt wurde. Frl. Menter
hat bereits iu einem dieser Concerte das Schumann'sehe Concert
gespielt uud von Seiten des kunstliebenden Fürsten wie des Publi-
kums lebhaften Beifall geerntet, während ihr zugleich von den
Orchestermitgliedern die ehrenvollste Anerkennung ihrer schönen
Leistung ausgesprochen wurde.
V* Calcutta hat sich diesen Winter zum allerersten Male
einer italienischen Oper zu erfreuen.
*** Im f UnftenPrivatconeert in Bremen wirkten Joachim
und Frl. Dann er mann aus Elberfeld mit. Ersterer spielte das neue
Violinconcert von Max Bruch, Fuge in C-dur von S. Bach, und
„Abendlied" von Schumann.
*** London besitzt gegenwärtig 52 Theater mit 59,863 Zu-
schauerplätzen. Das geräumigste ist das Br i tan nia- Theater mit
3923 Plätzen; sodann kommen Drury-Lane mit 3808, Astley-
Theater mit 3780, P a v i 1 1 o n mit 3500, das neu eröffnete Standard-
Theater mit 3400 und das Victoria-Theater mit 3800 Plätzen.
Covent-Garden fasst nur 2500 Personen ; sieben andere Theater
28 -
tonnen 2000 bis 2500, »wölf weitere 1000 bis 2000 und deren sechs
860 bis 800 Zuschauer aufnehmen. Die beiden kleinsten Theater
sind das Cabi n et- Theater und die Galery of Illustration.
Das abgebrannte Her Majesty's- Theater fasste 1655 Personen.
%* In Paris und seinen Vorstädten bestehen dermalen fol-
gende Theater: 1. grosse Oper; 2. Francais; 3. Ope"ra-Comique ;
4. Italien; 5. Odeon; 6. Lyrique ; 7. Vaudeville; 8. Varietes; 9'
Gymnase-Dramatique ; 10. Palais- Royal ; 11. Chfttelet; 12. Porte-
Sai nt-M artin ; 13. Gälte; 14. Ambign-Comique; 15. Folies-Drama-
tiques; 16. Fantaisies-Parisiennes; 17. Bouffes-Parisiens ; 18. Ath£n£e;
19. Menüs Plaisirs ; 20. Nouveautes ; 21. Prince-Eugene; 22. Luxem-
bourg; 23. Cluny; 24. Folies-Marigny ; 25. Saint-Pierre ; 26. La-
fayette; 27. Beaumarchais; 28. Dejazet; 29.Folies Saint-Antoine;
30. Moliere; 31. Ecole lyrique; 32. Rossini; 33. Montparnasse ; 34.
Belleville; 35. Batignolles; 36. Montmartre ; 37. Grenelle; 38. Cirque
Napoleon; 39. Cirque de l'Imperatrice ; 40. Th&ttre Säraphin; 41.
Robert Houdin (Cleverman).
*** In Constantinopel ist der Capellmeister der dortigen
Oper, Cas tagner i, von einem unlängst durch ihn entlassenen
Orchestermitgliede während einer Vorstellung lebensgefährlich miss-
handelt worden.
*** Eine neue komische Operette von Suppe, »Die Frau Mei-
sterin," kam im Carltheater zu Wien ohne sonderlichen Erfolg zur
Aufführung.
*** Die junge Sängerin Frl. Maria Bär mann aus München
ist in Stuttgart auf 5 Jahre engagirt worden.
%* Jul. Stock hausen wird Ende d. M. nach Petersburg
reisen, um dort Concerte zu geben.
Avis für Besitzer von Streichinstrumenten.
Die geehrten Leser unseres Blattes — Musiker vom Fach, so-
wie Dilettauten — glauben wir für den Fall erforderlicher Repara-
turen an Streichinstrumenten auf den Instrumentenmacher Heinr.
Eckert in Mannheim aufmerksam machen zu sollen.
Mit vielem Geschick, was Zierlichkeit und Gediegenheit der
Arbeit anbetrifft, verbindet derselbe eine umfassende Kenntniss in,
Bezug auf Technik und Construction der verschiedenartigsten In-
strumente, und Herr Eckert versteht es nicht allein, den von ihm
reparirten Instrumenten wiederum äusserliches Ansehen zu verleihen,
sondern er besitzt auch das seltene Talent, denselben ihren Ton zu
erhalten und wenn möglich zu verbessern.
Es verdienen daher die Arbeiten des Herrn Eckert, der bisher
in aller Stille seinem Metier obgelegen, dennoch aber auch schon
von auswärts, namentlich mehrfach von Norddeutschland, mit um-
fassenden und ziemlich schwierigen Reparaturen meist älterer, wertb-
voller Instrumente betraut gewesen ist, im Interesse der Kunst au
das Tageslicht gezogen und mehr und mehr verallgemeinert zu
werden, zumal es an geschickten, talentvollen Reparateuren fürStreich-
Instrumente, welche bekanntlich die subtilste und acurateste Behand-
lung erfordern, eben mangelt.
Herr Eckert besitzt über die von ihm ausgeführten Arbeiten
die anerkennendsten und lobenswertesten Beweise. Wir haben
ausserdem von competenter und höchst achtbarer Seite die Beltene
Geschicklichkeit des Hrn. Eckert, welcher im Fache der Reparatur
und Restaurirung wirklich bewundernswerte Arbeiten geliefert hat,
unbedingt rühmen hören, so dass wir den wackeren Meister als einem
der besten Reparateure mit gutem Gewissen empfehlen können.
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Worte für Pianoforte. Heft I. und II. a 15 Ngr.
Holze!, Gustav. Op. 139. „Bei dir allein." Gedicht von
C. Weiss, in Musik gesetzt für eiue Singstimme mit
Begleitung des Pianoforte 7'/j Ngr.
— Op. 143. Der durstige Ritter. Komische Ballade von
J. Ullmeyer, in Musik gesetzt für eine Baus- oder
Baritonstimme mit Pianofortebegleitung . 77s Ngr.
Kollier, Ii. Ulli CO. Op. 49. Taranteile -Caprice en forme
d'une Etüde de Coucert pour le Piano . 22 '/i Ngr.
Kuntaee, C Op. 131. Unterricht für Männer, die heirathen
wollen. Komisches Männerquartett. Partitur und
Stimmen 1 Thlr.
Madewelss, Georg von. Op. 5. Kleine Lieder für eine
Singstimme mit Begleitung des Pianoforte . 10 Ngr.
]ffIeildelS«Olill - Bardlioldy's, Felix, zweistimmige Lie-
der, Op. 63 und 77, als Lieder ohne Worte, für Pliys-
harmonika mit Begleitung des Pianoforte (oder zwei
Pianoforte) übertragen von C. Georg Lickl.
Heft I. (Op. 63) Pr 1 Thlr. 5 Ngr.
Heft II. (Op. 77) Pr - „ 15 „
Rlielnberger, Josef. Op. 11. Fünf Tonbilder. (Rund-
gesang, Ma/urek , Reigen, Allegretto, Capriccioso,
Elegie) für Pianoforte 25 Ngr.
WlllmerB; Rudolf. Op 122. Oesterreichische Volksweise»
für Piauoforte.
Nr. 1. Oberösterreichische Fantasie ... 20 Ngr.
„ 2. Ungarische Fantasie 15 „
„ 3. Rumänische Fantasie • 15 „
„ 4. Polnische Fantasie 15 „
„ 5. Böhmische Fantasie 15 „
Zarzyeltl, Alex. Op. 11. Drei Lieder. (Der schwere Abend»
von Lenau. Mit schwarzen Segeln segelt mein Schiff,
von Heine. Waldestrost, von Lenau) für eine Sing-
stimme mit Begleitung des Pianoforte . . 15 Ngr.
Leipzig, im Januar 1868.
Friedrich Kistner.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
m s.
24. Februar 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
; Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAGk
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i Ämtern, Musik- & Buchhand-
el lungen. .,
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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co.
f PREIS: -
fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal.
IHHALT: Aus L. Nohl's Briefen Beethoven 1 !. - Corresp.: CÖln. Paris. — Nachrichten.
Aus JL. Nolil's Briefen Beethoven'«.*)
Für die Frau Johanna van Beethoven.**)
am 8ten Januar 1824.
Häufige Beschäftigungen machten sogar, dass Karl und ich
Ihnen nicht am Neujahrstag unsere Glückwünsche bezeugen konn-
ten, ich weiss aber, dass Sie ohne dieses von mir sowohl als Karl
nichts anders als die reinsten Glückwünsche für Ihr Wohl erwar-
ten —
Was Ihre Noth betrift, so würde ich Ihnen gerne mit einer
Summe überhaupt ausgeholfen haben, leider habe ich aber zu viele
Ausgaben, Schulden, und nur manches Geld zu erwarten, um {Ihnen
augenblicklich meine Bereitwilligkeit Ihnen zu helfen auf der Stelle
beweisen zu können — Indessen versichere ich Sie hiermit schrift-
lieh dass Sie die Hälfte Karls von Ihrer Pension nun auch fort-
dauernd beziehen können, wir werden Ihnen alle Monath die Quit-
tung einhändigen, wo Sie alsdann selbe selbst erheben können, da
es gar keine Schande ist (und ich mehrere meiner Bekannten»
welche ihre Pension alle Monath erhebeu) selbe monathi. zu erheben,
sollte ich später vermögend sein, Ihnen eine Summe überhaupt zur
Verbesserung Ihrer Umstände aus meiner Kasse zu geben im Stande
sein, so wird es gewiss geschehen , — die 280 fl. 20 Xr., welche
Sie Steiner schuldig sind, habe ich ebenfalls schon lange zu bezah-
len übernommen, welches man Ihnen wohl gesagt haben wird. Sie
haben auch keine luteressen mehr geraume Zeit bezahlen müssen —
Sie haben von mir 2 Pensionsmonathe erhalten durch Schind-
ler. — Diesen Monath am 26ten oder etwas später erhalten Sie den
*) Siebe die vorige Nummer d. Bl.
**) „Kumpfgasse [!] Nr. 825 erster Stock die Thüre rechts
Nr. 5" steht auf der Enveloppe des im Besitz des Hrn. R. Brock*
haus in Leipzig befindlichen Originals. — Wenn man bedenkt, wel-
chen Aerger uud welche Schmach die „Königin der Nacht" früher
und noch jetat durch ihr Intriguenspiel in dem Vormundschafts-
proeees und durch ihre ungebändigte Sinnlichkeit dem Meister an-
getban, so muss man staunen über den hohen Grad von Selbst-
überwindung und Humanität, deren dieser Mann fähig gewesen.
Aber man muss auch wissen, was für Briefe diese Frau zu schrei-
den vermochte. „Himmel und Erde wusste sie in Bewegung zu
setzen mit ihren Schreiben," erzählt die Wittwe des Neffen, „und
verstand ihre Noth und Verzweiflung mit solch brennenden Farben
und solcher dramatischen Kraft darzustellen , dass es dagegen kein
Wehren gab. Jedesmal war es eine förmliche Scene, wenu ein
Brief der Mutter ankam und mein Mann war stets mehrere Tage
krank vor Aufregung, da sie immer mit den äussersten Entschlüs-
sen drohte ; schon habe sie alles Versetzbare versetzt, morgen komme
der Executor um auch noch das letzte Stück, das einzige Bett, das
sie arme Wittwe besitze, fortzuraffen, es bleibe ihr nichts als sich
in die Donau zu stürzen u. s. w. a Und so in der unordentlichsten
Wirthschaft hat diese Frau durch fast drei Menschenalter gelebt,
lebt noch heute weit über 80 Jahre alt, und hatte bis vor wenig
w-t D ü° Ch die Reiche Leidenschaftlichkeit, die gleiche schlechte
Wirthschaft, die gleiche eindringliche Zunge, der denn eben seiner
Ze»t auch Beethoven nicht zu widerstehen vormochte.
Pensionsbetrag für diesen Monath — wegen Ihrem Prozess bespreche
ich mich nächstens mit Dr. Bach —
Wir wünschen Ihnen alles erdenkliche Gute, Karl sowohl
als ich. Ihr bereitwilligster
L. v. Beethoven.
An Schindler. *)
[Mai 1824.]
Ich beschuldige Sie nichts Schlechten bey der Academie, aber
Unklugheit und eigenmächtiges Handeln hat manches verdorben*
überhaupt aber habe ich eine gewisse Furcht vor Ihnen , dass mir
einmal ein grosses Unglück durch Sie bevorsteht. — Verstopte
Schleusen öffnen sich Öfter plötzlich, und den Tag im Prater glaubte
ich mich in manchen Stücken sehr empfindlich angegriffen von ihnen ;
überhaupt würde ich eher ihre Dienste, die Sie mir erweisen, gerne
öfter mit einem kleinen Geschenke zu vergüten suchen, als mit
dem Tische, dann ich gestehe es, es stört mich zu sehr in so
vielem, sehen Sie kein heiteres Gesicht, so heisst es „heut war
wieder übles Wetter." Denn bey Ihrer Gewöhnlichkeit, wie wäre
es ihnen mögl. das ungewöhnliche nicht zu verkennen ? ! ! ! Kurzum
ich liebe meine Freiheit zu sehr, es wird nicht fehlen, sie manch-
mal einzuladen — für beständig ist es aber unmögl. , da meine
ganze Ordnung hiedurch gestört wird. —
Duport hat künftigen Dienstag zur Akademie zugesagt, denn
in den laudständigen Saal , den ich morgen abends hätte haben
können, gibt er die Sänger wieder nicht, auf die Polizey hat er
sich auch wieder berufen, gehn Sie daher gefälligst mit dem Zettel
und hören ob man nichts gegen das 2te mal hat — umsonst hätte
ich nimmermehr diese mir erwiesenen Gefälligkeiten angenommen,
und werde es auch nicht — was Freundschaft betrift, so ist dies
eine schwierige Aufgabe mit ihnen , mein Wohl möchte ich ihnen
auf keinen Fall anvertrauen, da es ihnen an Ueberlegung fehlt
und sie eigenmächtig bandeln uud ich sie selbst früher schon auf
eine nachtheilige Weise für sie kennen lernte, sowie andere
auch; — ich gestehe es, die Reinigkeit meines Charakter lässt es
nicht zu, blos ihre Gefälligkeiten für mich durch Freundschaft zu
vergelten, ob ich schon bereit bin, ihnen gern zu dienen, was ihr
Wohl betrift. - B. **)
*) Im Besitz des Hrn. Maler Amerling in Wien. Es ist von
der berühmten Academie vom 7. Mai 1824 die Rede, dessen Arrange-
ment der Meister in Schindlers Hände gelegt hatte (Schindler II. 65)
und die peeuniär schlecht ausgefallen war. Vgl. auch die Aeusse-
rungen über Schindler Br. Beeth. Nr. 178 und 284.
**) Die Missstimmung kam kurz darauf zum vollen Ausbruch,
wie man aus dem Vorfall erfährt, von dem Schindler II. 87 selbst
bemerkt, dass er in sein Verhältuiss zu dem Meister nach mehr
denn achtjährigem ununterbrochenem Verkehr die erste empfind-
liche Störung gebracht habe. „Beethoven glaubte" heisst es, ..Um-
lauf, Schuppanzigh und mir für die gehabten Mühen einigen Dank
schuldig zu sein. Er bestellte daher wenige Tage nach der zwei-
ten Akademie ein Mahl beim „wilden Mann" im Prater. Mit einer
von düstern Wolken umhängenden Stirne erschien er in Begleitung
seiues Neffen unter uns, benahm sich kalt, bissig und kritisch in
— 30 -
CORRESPONDENZEN.
Aus C tt 1 ii.
(Schluss.)
19. Januar. Zweite Quartett - Matin e e der Herren
Krill, Rennefahrt, Kufferath, Depp e und Schratteuholz.
Streich-Quartett Nr. 1 von Mozart; Sonate für Piano und Violine
in A-dur von Mozart und Streichquartett Nr. 1. Op. 41 von Men-
delssohn. Dieses junge Künstler -Quartett leistet nach seinem
kurzen Bestehen bereits recht Schönes. Ein eifriges Kunststreben
und das fle issige Zusammenspiel lassen recht bald auch Vorzüg-
liches erwarten und wird der hin und wieder noch [bemerkbare
Orchesterstrich sich mildern , das Ganze sich mehr abrunden und
au einem prächtigen Ensemble gestalten. Wir wünschen den jungen
Künstlern ein herzliches „Glückauf! 1 '
An demselben Tage, Abends 7 Uhr, gab der Cölner Männer-
Gesang- Verein unter der Leitung seines Dirigenten, Hrn. Franz
Weber, in dem grossen Gürzenich -Saale zum Besten der notlei-
denden Ostpreussen ein Vocal- und Instrumental- Concert, in wel-
chem Männerchöre von Kreutzer, Weber, Wilhelm, Neit-
hardt, Esser, Abt, Schumann, Herbeck, Sucher und
Franz Lachner zur Aufführung gebracht wurden und ausserdem
sich besonders noch die Instrumental-Solovorträge der Frl. Mathilde
Martin aus Hamburg, der Herren Professoren Isidor Seiss
und J. Rendsburg vom hiesigen Conservatorium , durch ihren
künstlerischen Werth und vollendeten Geschmack auszeichneten. Diese
Instrumental-Piecen bestanden in drei Fantasie-Stücken „Bilder aus
Osten" für Pianoforte zu 4 Händen von R. Schumann, Nocturne
und Walzer von Chopin und Fantasie für Violoncello von
S e r v a i s.
In Hrn. Rendsburg, welcher vor Kurzem bei dem hiesigen
Conservatorium an die Stelle des leider zu früh verstorbenen Alex.
Schmit eingetreten, lernten wir einen ausgezeichneten Künstler
kennen, welcher mit der genialen Behandlung des Violoncells eine
vollendete Technik verbindet. Wir können das rheinische Conser-
vatorium für diese Acquisition nur beglückwünschen. Dem Cölner
Männer-Gesangverein und den sämmtlichen Solisten gebührt für die
sehr gelungene Aufführung dieses Concertes der wärmste Dank ;
möge der gespendete reiche Beifall seine Anstrengungen belohnen
und ihn ermuthigeu auf der betretenen Bahn immer rüstig vor-
anzuschreiten.
Dem Referenten bleibt nur noch übrig zu sagen, dass trotz des
edlen Zweckes, trotz des schönen Programmes und des vortreff-
lichen Leistungen des Vereins , trotz der gelungenen Vorträge der
verschiedenen Solisten, das Publikum nicht ganz in so grosser An-
zahl erschienen war, wie das Concert es verdiente und der Verein
es zu erwarten berechtigt war. Doch hat der Verein die Genug-
thuung, dass er, seiuer Devise getreu, „durch das Schone stets
das Gute" durch das obige Unternehmen dem edlen Zwecke noch
einen Reinertrag von über 300 Thaler beisteuern konnte.
21. Januar. Grosses Dilettanten - Concert auf dem grossen
Gürzenich -Saale unter Leitung des städtischen Capellmeisters Hrn.
allen seinen Worten. — Eine Explosion war zu gewärtigen. Kaum
hatten wir an der Tafel Platz genommen, als er auch schon das
Gespräch auf den pecuniären Erfolg der ersten Aufführung im Thea-
ter lenkte, ohne Umschweife herausfahrend, dass er hiebei vom Ad-
ministrator Duport in Gemeinschaft mit mir betrogen worden sei.
Umlauf und Schuppanzigh bemühten sich ihm die Unmöglichkeit
eines Betrugs damit zu beweisen, dass jedes Geldstück durch die
Hände der beiden Theatercassirer gegangen , die Rapporte genau
übereinstimmten, überdies noch sein Neffe zufolge Auftrags des Bru-
der-Apothekers den Cassirern gegen alle Sitte zur Seite blei-
ben musste: Beethoven verblieb jedoch bei seiner Beschuldigung,
mit dem Zusätze, er sei von dem stattgefundenen Betrug von zuver-
lässiger Seite benachrichtigt. Nun war es Zeit, für diese Kränkung
sich Genugthuung zu geben. Eiligst entfernte ich mich mit Umlauf,
Schuppanzigh aber, nachdem er auch einige Salven auf seine um-
fangreiche Person ausgehalten, folgte bald nach. Im Gasthause zum
goldenen Lamm in der Leopoldstadt fanden wir uns zu ungestörter
Fortsetzung des unterbrochenen Mahles zusammen. Der furiose Mei-
ster aber konnte seinen Zorn an den Kellnern und Bäumen austo-
ben, zur Strafe noch das opulente Mahl mit dem Neffen allein ver-
zehren.
Ferd. Hill er, zum Besten des Sammelfonds des vaterländischen
Frauenvereins in Berlin zur Linderung der Noth in Ostpreussen.
Die Chöre und Solovorträge der verschiedenen Damen aus den
höchsten Kreisen der Stadt wurden mit vieler Virtuosität und Sach-
kenntuiss ausgeführt, und wurden neben den trefflich executirteu
Instrumental-Solosätzen der Herren mit rauschendem Beifall aufge-
nommen. Die Neuheit eines derartigen Dilettanten-Damen-Concertes
sowie der edle Zweck, dem das Unternehmen gewidmet war, lassen
das Absonderliche einer gewissen Exclusivität der Mitwirkenden
gern übersehen , doch entziehen sich uuter derartigen Umständen,
wie ein hiesiges Blatt sagt, die Leistungen der einzelnen Damen,
worunter manche schöne Stimmen, gute künstlerische Begabung und
Technik sich bemerkbar machten, dem Urtheile der Kritik.
Es möge hier genügen zu constatiren , dass das obige Concert
den Beweis geliefert hat, dass in Cöln ausser dem Concert -Saale
auch in den Privatzirkeln noch viel und gut musicirt wird.
Der Zweck des Concertes wurde vollständig erreicht, indem es
dem Cölner Zweigverein möglich wurde , dem Sammelfonds des
Frauenvereins in Berlin einen Beitrag von über 1900 Thalem zuzu-
weisen.
Die dritte und vierte Quartett-Soiree der HH. v. Köuigs-
löw, Japha, Derckum und Rendsburg fanden am 7. und
28. Januar statt und es wurden sämmtliche vorgeführte Werke ganz
ausserordentlich schön vorgetragen; nur wäre zu wünschen, dass
ein alterniren zwischen dem Hrn. v. Königslöw und Hrn. Japha
nicht mehr stattfinden möge ; weil es nicht zum Vortheil der Ein-
heit im Vortrage dient, dass wenn Hr. v. Königslöw die erste Vio-
line, alsdann Hr. Japha die Bratschen-Parthie spielt und umgekehrt,
wenn Hr. Japha die erste Violine, der Hr. v. Königslöw die Bratsche
übernehmen muss. Früher war ein eigener Bratschist dem Quartett-
Verein einverleibt.
Das Programm der dritten Soir6e brachte: Streichtrio Op. 9
Nr. 3 in C-moll von Beethoven; Sextett für 2 Violinen, 2 Vio-
len und 2 Violoncelli, Op. 18, B-dur von Job. Brahms und Quar-
tett für 2 Violinen, Viola und 2 Violoncelli, Op. 163, C-dur von
Fr. S ch u b e r t. In der vierten Soiree wurden aufgeführt :
Quartett in B-dur von Haydn; Quartett in Es, Op. 23 von Ons-
low und Quartett in F-moll, Op. 95 von Beethoven.
Aus Paris.
16. Februar.
Die eben verflossene Woche war ziemlich reich an musikali-
schen Ereignissen. Zuvörderst ist die fünfhundertste Vorstellung
des „Wilhelm Teil" in der grossen Oper zu erwähnen und die
Serenade, die sie veranlasste. Nach beendigter Vorstellung begaben
sich nämlich die vorzüglichsten Mitglieder der Oper, des Orchesters
und das Chorpersonal unter Anführung des Capellmeisters Georg
H a i n 1 in den Hof des von Rossini bewohnten Hauses in der
Rue de la Chaussee d 'Antin , wo die Ouvertüre des „Wilhelm
Teil" gespielt und einige Stücke aus demselben gesungen wurden.
Nach dieser Serenade überreichten Faure, Villaret und Frl.
Bat tu im Namen des ganzen Opernpersonals dem Maestro einen
goldenen Kranz. Der Schwan von Pesaro schien sehr gerührt.
A u b e r ' s neue Oper „Le premier jour de bonheur" ist vor-
gestern zum ersten Male und mit ausserordentlichem Beifall aufge-
führt worden. Freilich ist dieses Werk nicht so frisch wie die
Jugendwerke des Meisters ; allein es ist viel reicher an lieblichen
anmuthigen Melodien, als seine zwei vorletzten Partituren „Mianon
Lescaut" und v La Fiame'e du Roi de Garbe" und es ist in der
That zu bewundern, dass ein Mann, der bereits das 86. Lebensjahr
zurückgelegt , noch einen solchen lebhaften Schöpfungsdrang ver-
spürt und ihm mit so vieler Freudigkeit nachgibt. Auber wurde
beim Schlüsse gerufen, erschien jedoch nicht. Das Publikum er-
reichte ihn aber am Theatereingang und brachte ihm eine begei-
sterte Ovation.
Die erste Vorstellung des „Hamlet" von Ambroise Thomas
wird in der ersten Hälfte künftigen Monats stattfinden.
Sie werden schon gehört haben, dass der Director des The'dtre
lyrique, Hr. Carvalho, den Saal des Italienischen Theaters ge-
miethet bat, um an den Abenden, an welchen die Italiener nicht
- 31 -
fielen, dort Vorstellungen zu geben. Hr. Carvalho, der nach wie
vor die Subvention vom Staate bezieben wird , ist gesonnen , im
Tkedtre lyrique künftig nur komische Opern zu geben, im Saale
Ventadour aber grosse Opern zur Darstellung bringen zu lassen.
Im Saale Ventadour wird denn anch „Lohengrin" aufgeführt werden.
Gestern ist im Conservatoriums-Concerte der Pilgerchor aus
Eichard Wagner's „Tannhäuser" aufgeführt worden. Er musste
auf stürmisches Verlangen wiederholt werden. Die Execution war
übrigens bewunderungswürdig.
— 9B O I
Nachrichten.
Mainz. Dem Opernpublikum unserer Stadt hat ein kürzlich
stattgefundenes Gastspiel der Frau Jenny Soltans-Hentz vom
k. Hoftheater in Cassel eine recht erfreuliche und genussreiche
Abwechslung geboten. Frau Soltans, welche sich im vorigen Win-
ter die Sympathien des Mainzer Publikums durch ihre, von einer
metallreichen, jugendlich frischen Stimme, von dramatischem Feuer
und Gefühlsinnigkeit sowie endlich von einer tüchtigen technischen
Durchbildung getragenen Leistungen in seltenem Grade erworben
hatte, bewies als Agathe (Freischütz), Bertha (Prophet) und Marie
(Waffenschmied), dass ihre Stimme noch ebenso rein und klangvoll
ist wie früher und dass ihre Auffassungs- und Vortragsweise an
Sicherheit und Geschmack in ihrer gegenwärtigen künstlerischen
Stellung und Umgebung noch bedeutend gewonnen hat. Es bedarf
demnach kaum gesagt zu werden, dass die so beliebte Künstlerin
von dem Publikum freudigst begrüsst und bei ihrem jedesmaligen
Auftreten eben so zahlreiche als lebhafte Beifallsbezeuguogen, der
vielen Bluraenspenden gar nicht zu gedenken , erntete. Lebhaft
wurde bedauert, dass man die verehrte Gastin nicht in „Jessonda,"
einer ihr ganz besonders zusagenden Rolle, bewundern konnte, da
diese Oper hier leider nicht einstudirt ist.
Im übrigen geht unser Opernwesen seinen gleichmässigen, eigent-
lich strenge genommen mehr geschäftsmässig als künstlerisch be-
triebenen Gang. Der Director geniesst zwar eine bedeutende Unter-
stützung von Seite der Stadt, allein er hat auch einen für hiesige
Verhältnisse enormen Gageuetat zu bestreiten und da muss denn
möglichst viel gespielt werden um nur Geld zu machen. Dass bei
der übergrossen Quantität der Aufführungen die Qualität gar oft
Schaden leiden muss ist sehr begreiflich, und es kommen nament-
lich die grosssen Spectakelopern meistens dabei sehr Übel weg,
während in der Spieloper mitunter recht Erfreuliches geleistet wird,
was denn die Theaterbesucher für die Schwächen der grösseren Auf-
führungen entschädigen muss. Uebrigens könnten wohl auch diese
Schwächen mitunter, wenn nicht beseitigt, doch bedeutend gemildert
werden, wenn in der Leitung der Opern sich etwas weniger Apathie
und etwas mehr Energie bemerklich machen wollte. Eine sehr
schätzenswerthe Acquisitum hat die Directio'n in der Person der un-
längst für die abgegangene Frl. Schubert als Coloratursängerin en-
gagirten Frau Eöske-Lund gemacht.
Am 14. d. M. gab Hr. Chr. F r i s ch, Violoncellist des Thea-
terorchesters im kleinen Saale des Casino ein Concert mit einem
sehr manigfaltigen Programm, unterstützt von den besten Vocal-
und Instrumentalkräften unseres Theaters und Orchesters. Wir
waren dem Concert beizuwohnen verhindert, haben aber erfahren,
dass es gut besucht war und die meisten Vorträge mit lebhaftem
Beifall aufgenommen wurden, insbesondere aber erfreute sich eine
Elegie für Violoncell, Pianoforte und Orgue-Melodium von einem
hoffnungsvollen jungen Mainzer, Hrn. Oscar Jockei, componirt,
einer sehr günstigen Aufnahme.
München. Am 18. Februar findet im königl. Residenztheater
die erstmalige Aufführung des „Manfred" vou Byron mit Musik
von Rob. Schumann statt. Im Hof- und Nationaltheater gibt
man am 20. Februar als neu einstudirt die seit Jahren nicht mehr
gehörte Oper „Die Musketiere der Königin" von Halevy.
Brüssel. Die Verwaltung der populären Concerte bat am 9.
Februar ein ausserordentliches Concert zum Besten des Dirigenten
derselben, Hrn. Adolph Samuel gegeben unter Mitwirkung des
Pianisten Louis Brassin, welcher Mendelssohns G -moll-
Concert mit Orchesterbegleitung und eine „Ungarische Rhapsodie"
von Liszt vortrug. Ausserdem führte das Orchester Taubert's
Ouvertüre zu Shakespeare's „Sturm," Andante und Finale aus der
G-dur-Sinfonie von Haydn, Ouvertüre zu „Fidelio" von Beetho-
ven; Andante aus der unvollendeten H-moll-Sinfonie von Schu-
bert, Scherzo aus der Sommernachtstraura-Musik von Beetho-
ven, „Träumerei* von Schumann und Ouvertüre zu „Ali-Baba"
von Cherub ini auf. Der Zudrang zu diesem Concerte war ein so
enormer, dass Huuderte von Personen zurückgewiesen werden muss*
ten. Hr. Samuel wurde bei seinem Erscheinen mit endlosen Bei-
fallssalven empfangen.
Paris. Am 16. Febr. fand das 7. Conservatoriums-Concert mit
folgendem Programm statt : Sinfonie militaire (Nr. 48) von Hay d n ;
Pilgerchor aus „Tannhäuser" von R. Wagner; Ballet aus: „Iphi-
genia in Aulis" von Gluck; Motette für Doppelchor ohne Beglei-
tung von Seb. Bach; Sinfonie in F-dur (Nr. 8) von Beethoven.
— Das 16. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup brachte:
Ouvertüre zu „Don Juan" von Mozart; Sinfonie in Es-dur von
Schumann; Bourre'e von Seb. Bach; Violinconcert von Men-
delssohn, vorgetragen von Frau Norman-Neruda, Lehrerin
am Conservatorium in Stockholm und zum Schlüsse das Septuor
von Beethoven, vorgetragen von sämmtlichen Streichinstrumenten
und den HH. Gr isez (Clarinette), Es p ei gn et (Fagott) und Mohr
(Hörn).
— Wie erst kürzlich P r u m i e r, der Professor des Havfenspiels
am Conservatorium, so ist jetzt auch Bar thel emy, erst vor Kurzem
an die Stelle Triebert's als Professor der Oboe ans Conserva-
torium berufen, während der Ausübung seiner Functionen plötzlich
gestorben.
— Im The'dtre lyrique wird dieser Tage eine alte Oper von
B o i e 1 d i e u : v la] Fete du Village voisin" wieder aufgeführt
werden.
London. Am 8. Februar spielte Frau Clara Schumanu im
Crystalpalast das A-moll- Concert von R. Schumann. Joachim
wird dieser Tage hier erwartet und in dem populären Montags-Con-
cert am 17. d. M. das E-moll - Quartett und das B-dur-Trio von
Beethoven, letzteres mit MU. Arabella Goddard und Hrn. Pi-
atti spielen. Es wird in diesem Concert ausschliesslich B e e t h o -
v e n gespielt.
*** Frau Blume-Santer vom Hoftheater in Berlin wird
dieser Tage ein Gastspiel am Hoftheater in Wien beginnen.
*** Flotow's „Zilda" hat in Carlsruhe bei zweimaliger
Aufführung nur geringen Erfolg erzielt.
*** In dem am 13. d. M. stattgehabten Gewandhausconcerte in,
Leipzig wurde Franz Lachner's Suite Nr. 4 in Es-dur unter,
des Componisten persönlicher Leitung aufgeführt, und alb^J3e richte
von dort stimmen darin überein, dass nicht nur dem trefflichen
Meister bei seinem Erscheinen an dem mit einem Lorbeerkranze
geschmückten Dirigenteupulte ein glänzender Empfang von Seite
des Orchesters wie des Publikums zu Theil wurde , sondern dass
auch sein Werk selbst eine ausserordentlich beifällige Aufnahme
gefunden hat. In demselben Concerte trat auch der Violinvirtuose
Laub aus Moskau mit grossem Erfolg auf. Näheres wird unser
geehrter Mitarbeiter in Leipzig wohl bald darüber berichten und
wollen wir nur noch mittheilen, dass Fr. Lach n er am 17. d. M.
in Stuttgart ebenfalls eine seiner Suiten persönlich dirigirte und
von der dortigen Künstlerwelt sowie vom Publikum in seltener
Weise gefeiert und mit Ovationen jeder Art überhäuft wurde. Un-
sere nächste Nummer wird Ausführlicheres darüber bringen.
*** Wir lesen im „Guide musical" , dass die Wiener Pianistin
Frl. Constanze Skiwa in Paris viel Anerkennung findet. Die
talentvolle „Viennoise" wird viel in musikalische Kreise geladen,
spielt häufig in den von der auserlesensten Gesellschaft besuchten
Privatsoire'en Vieuxtemps' und hat sich kürzlich in der öffent-
lichen Matinee des Pianisten Bonewitz in einer Sonate Beetho-
vens und Stücken von Chopin, Händel und Schumann mit
durchgreifendem Erfolg hören lassen. Ihr eigenes Concert, welches
sie Ende d. M. im E r a r d'schen Saale unter der Mitwirkung V i e u x -
temps' veranstaltet, dürfte in jeder Beziehung glänzemd werden.
- 32 —
*** Frau Peschka-Leutner vom Hoftheater in Darm-
Stadt ist vom April an für das Stadttbeater in Leipzig enga-
girt worden.
%* Der Violon cell- Virtuose Friedrich Grützmacher ist von
seiner Kunstreise in Holland, wo er in den bedeutendsten Städ-
ten mit ausserordentlichem Erfolge auftrat, nach Dresden zurück-
gekehrt. In Leyden, wo er in einem Universitätsconcerte spielte,
wurde er vor dem Publikum unter dreimaligem Orchestertusch als
Ehrenmitglied des akademiechen Musikvereins ausge-
rufen und ihm das betreffende Diplom überreicht.
%* Die dramatische Sängerin Frau v. Voggenhuber vom
Stadttheater in Bremen hat im Berliner Opernbause ein Gast-
spiel in der Bolle des „Fidelio" begonnen und sehr günstige Auf-
nahme gefanden.
*** Die Hoftheater-Intendanz iu Dresden hat die Oper „Der
Haidescbacht,* das erste Bühnenwerk des Leipziger Componisten
F. r. Holstein, zur Aufführung angenommen.
*** Der Munizipalrath von Marseille hat dem Operntheater
die von der Stadt bisher bewilligte Subvention auf zwei Jahre wei-
ter bewilligt und zugleich das Privilegium des Hrn. Husson für
den gleichen Zeitraum bestätiget.
%* Adelina Patti trat in Rouen als Lucia auf und ent-
zückte nicht nur das Publikum, sondern auch den Director des
Theaters, welcher ihr eine Einnahme von 14,000 Frcs. zu verdanken
hatte.
*** Am 5. Februar vermählte sich in Botzen der österrei-
chische Erzherzog Heinrich mit der zuletzt an der Bühne in
Gratz engagirt gewesenen Sängerin Frl. Hofmann und reiste
noch am selben Tage mit ihr nach Italien ab.
*** Otto Banck, der Bruder des Dresdener Kritikers Carl
Banck, ist für die Intendantenstelle am Wiesbadener Hoftheater in
Aussicht genommen.
*** Der Tenorist Niemann hat wieder einmal einen Beweis
seiner Selbstemancipirung von der drückenden Last conventioneller
Bücksichten geliefert, indem er Dresden, wo er ein Gastspiel be-
gonnen hatte, sans adieu Verliese, um sich nach Petersburg zu
begeben.
*** Der Geiger Ole-Bull concertirte in Chicago mit gün-
stigem Erfolg.
*** In London ist der Musik Verleger Addison, früherer In-
haber der bekannten Firma „Cramer, Addison und Beale," gestorben.
%* Das nun beendigte Gastspiel der Frl. v. Edelsberg am
Operntheater in Wien hat zu keinem Engagement geführt.
*** Frl. Mallinger vom Hoftheater in München gastirt mit
grossem Erfolg in Co In.
*** Dieser Tage wird am Berliner Operntheater L a n g e r t's
Oper „Die Fabier" in Scene gehen.
ANZEIGEN.
Verlag von ROB. FORBERG in LEIPZIG.
Nova- Sendung 1868, I* 1.
9 Ii. V» Op. 46. An Adelaide. Für Sopran mit
Begleitung des Pianoforte. 7 7s Ngr.
Op. 46. An Adelaide. Für Alt mit Begleitung des
Pianoforte. 7 7t Ngr.
(Mit deutschem und ital. Text.)
V* Op. 205. Gruss an Steiermark. Zither-Ständchen für
das Pianoforte. 15 Ngr.
Op. 212. A la Victoire! Marche militaire pour Piano.
127. Ngr.
Op. 213. Dans la Gondole. Nocturne pour Piano.
127. Sgr.
Op. 214. Les Cblochettes d'Argent. (Silberglöckchen.)
Morceau de Salon pour Piano. 127. Ngr.
Op. 215. In stiller Sommernacht. Melodie (nach eiuer
Dichtung von Alice Folmer) für Pianoforte.
127. Ngr.
Op. 218. Galop militaire pour Piano. 15 Ngr.
Berlyn, A. Op. 175. An die Leyer. Gedicht von Lessing für
vierstimmigen Männerchor. (Solo und Chor.) Parti-
tur und Stimmen 20 Ngr.
Hoettermann , F. A. Op. 4. An Bertba. Ueber Nacht.
Zwei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des.
Pianoforte. 10 Ngr.
Keller, E* Op. 8. Drei Lieder für den Umfang jeder Stimm»
mit Begleitung des Pianoforte.
Nr. 1. Abendgesang, Gedicht v. E. Doesschel. 77. Ngr.
„ 2. Nur wer die Sehnsucht kennt, Gedicht von
Gothe. 77. Ngr.
„ 3. Wenn zwei von einander scheiden, Gedicht von,
H. Heine. 5 Ngr.
Krug, D. Op. 196. Rosenknospen. Leichte Tonstücke über
beliebte Themas ohne Octavenspannungen und mit
Fingersatzbezeichnung für das Pianoforte.
Nr. 21. Carneval von Venedig. 10 Ngr.
„ 22. Robin Adair, „Treu und herzinniglich.*
10 Ngr.
— Op. 240. Frühlingsblüthen. Leichte Tonstücke über
beliebte Themas für das Pianoforte zu vier Händen
mit Fingersatzbezeichnung.
Nr. 1. Carneval von Venedig. 127. Ngr.
„ 2. Thüringer Volkslied „Ach wie ist es mög-
lich dann." 127, Ngr.
„ 3. Robin Adair, „Treu und herzinniglich. 11 '
127. Ngr.
„ 4. Abt, F. Schlaf wohl, du süsser Engel du..
127. Ngr.
„ 5. Weber, C M. v. Als ich jüngst verwichen»
zu ma Dirndl g'schücben. 127. Ngr.
„ 6. Sucher. Loreley. 127. Ngr.
Klintze, C Op. 130b. Das klassische Kränzchen. Humori-
stisches Lied für eine Singstimme mit Begleitung dea
Pianoforte. 15 Ngr.
Iiftgxlo, A. V. Op. 30. Wehmuth. Gedicht von Gothe für
eine Altstimme mit Begleitung des Pianoforte. 77t Ngr.
Merkel, Cu*tttV. Op. 42. Variationen für die Orgel über
ein Thema von Beethoven zum Gebrauche bei Orgel*
concerten. 227. Ngr.
Atolimitlin, E. „Wenn du noch eine Mutter hast. Gedicht
von A. Träger, für eine Singstimme mit Begleitung
des Pianoforte. 5 Ngr.
Für Alt (Bariton) oder Bass 5 Ngr.
Welser, €?• Bt« V» Op. 7. Sieben Variationen über ein italie-
nisches Thema: „Vien qua Dorina bella" für Piano-
forte. 10 Ngr.
— Op. 12. Capriccio für Pianoforte. 6 Ngr.
— Op. 21. Grosse Polonaise in Es-dur für Pianoforte*
77. Ngr.
— Op. 24. Erste grosse Sonate iu C-dur für Pianoforte..
177, Ngr.
— Op. 39. Zweite grosse Sonate in A-dur für Piano-
forte. 20 Ngr.
— Op. 49. Dritte grosse Sonate iu D - moll für Piano-
forte. 17 7 t Ngr.
— Op. 62. Rondo brillante in Es-dur für Pianoforte.
77. Ngr.
— Op. 65. Aufforderung zum Tanz. Rondo brillante in
Des-dur für Pianoforte. 6 Ngr.
— Op. 70. Vierte grosse Sonate in G-dur für Pianoforte.
177. Ngr.
— Op. 72. Pollacca brillante in E*dur für Pianoforte.
6 Ngr.
— Op. 79. Concertstück für Pianoforte. 177» Ngr.
— Ouv. Preciosa 4 2m. 5 Ngr.
— Jubel-Ouvertüre & 2m. 5 Ngr.
— Ouv. Freischütz ä 2m. 5 Ngr.
— Ouv. Oberon a 2m. 5 Ngr.
— Ouv. Euryanthe a 2m. 5 Ngr.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
W"J 9.
H. Mfirz 1868.
(IDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
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< Diese Zeitung erscheint jeden
| MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
* PEEIS:
Jfl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg.
i für den Jahrgang.
< Durch die Post bezogen:
{ 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal,
c
INHALT: Aus L. Nohl's Briefen Beethoveu's. — Corresp.: Stuttgart. Cöln. Magdeburg. — Nachrichten.
Aus Wj. Holil'g Briefen Beethoven'g.
An Erzherzog Rudolph.
Ihro Kaiserliche Hoheit!
Eben gestern erhalte ich die Nachricht von einer neuen An-
erkennung und Verherrlichung Ihrer vortrefflichen
Eigenschaften des Geistes und Herzens.*) Empfangen
I. K. H. meine Glückwünsche und nehmen Sie selbe gnädig auf;
sie kommen von Herzen und sind nicht nöthig gesucht zu werden.
— Ich hoffe, es wird wohl bald auch mit mir besser gehn. So
vieles Uebel hat wieder nachtheilig auf meine Gesundheit gewirkt,
und ich befinde mich gar nicht gut , indem ich schon wieder seit
einiger Zeit mediziniren muss, wo ich kaum einige Standen des
Tages mich mit dem theuersten Geschenk des Himmels, meiner
Kunst and mit den Musen abgeben kann.**) Ich hoffe jedoch mit
der Messe zu Stande zu kommen, so dass selbe am 19ten, falls
es dabei bleibt, kann aufgeführt werden ; wenigstens würde ich in
Verzweiflung gerathen , wenn es mir durch meine üblen Gesund-
heitszustände versagt sollte sein , bis dabin fertig zu sein. Ich
hoffe aber, dass meine innigsten Wünsche für die Erreichung wer-
den erfüllt werden. ***)
Was das Meisterwerk der Variationen I. K. H. betrifft , so
glaube, dass selbe anter folgendem Titel konnten herausgegeben
werden, nämlich :
Thema oder Aufgabe
gesetzt von L. v. Beeth.
vierzigmal verändert
und seinem Lehrer gewidmet
von dem durchlauchtigsten Verfasser.
Der Anfragen deswegen sind so viele und am Ende kommt
dieses ehrenvolle Work durch verstümmelte Abschriften doch in die
Welt. I. K. H. selbst werden nicht ausweichen können, sie hierhin
und dabin geben zu müssen; also in Gottes Namen bei so vielen
Weihen, die I. K. H. jetzt erhalten und bekannt werden , werde
denn auch die Weihung Apolls (oder christlicher Caeciliens) be-
kannt. Zwar könnte I. K. H. vielleicht mich der Eitelkeit be-
schuldigen; ich kann aber versichern, dass indem zwar diese Wid-
mung meinem Herzen theuer ist und ich wirklich stolz darauf bin,
*) Des Erzherzogs Erhebung zum Cardinal.
**) Was die „einigen Stunden" betrifft, so stehe hier statt vie-
ler Nachrichten über die Art, wie der Componist der Missa solenuis
sich damals „mit seiner Kunst abgab," nur was Zelter am 16. Aug.
dieses« Jahres an Göthe schreibt: „Letzthin ist Beethoven in ein
Speisehaus gegangen; so setzt er sich au den Tisch, vertieft sich
und nach einer Stunde ruft er den Kellner: Was bin ich schuldig?
Ew. Gnaden haben noch nichts gessen , was soll ich denn brin-
gen? — Bring was du willst und lass mich ungeschoren! — u
(Briefw. III. 47).
***) Am 10. Novbr. d. J. schreibt er an Ries: „melde Ihnen
nur, dass ich eine neue grosse Messe beinahe vollendet." Die In-
stallationsfeier sollte am 9. März 1820 stattfinden. (Notat Schind-
lers in Beeth. Kai. von 1819).
diese allein gewiss nicht mein Endzweck hiebei ist. — 3 Verleger
haben sich deswegen gemeldet, Artaria, Steiner und noch ein drit-
ter, dessen Name mich [sie] nicht einfällt. Also nur die beiden
ersten, welchem von beiden sollen die V. gegeben werden ? Ich
erwarte hierüber die Befehle E. K. H. Sie werden von Beiden
auf der Verleger Kosten gestochen , hiezu haben sich beide auge-
bothen. — Es fragt sich nun ob I. K. H. mit dem Titel zu-
frieden sind? Ob sie herausgegeben werden sollen, darüber
dachte ich, sollten E. K. H. gänzlich die Augen zudrücken. Ge-
schieht es, so nennen I. K. H. es ein Unglück; die Welt wird es
aber für das Gegentheil halten. Gott erhalte I. K. H. und
schütte immer das Füllhorn seiner Gnaden über I. K. H. heilige»
Haupt und mir erhalte Gott immer Ihro Gnädigen Gesinnungen.
Ihro Kaiserlichen Hoheit
gehorsamster treuster Diener
Mödling am 31. August 1819. L. v. Beethoven.
[Aussen.] Meine Kränklichkeit wird einen unordentlichen Brief
bei I. K. H, entschuldigen.
An Bruder Johann.
Lieber Bruder!
Aeusserst beschäftigt und unbequem in allem mit Wohnung
und mit meinen Leuten , welche beyde äusserst ungeschickt sind,
konnte ich Dir noch nicht schreiben. Meine Gesundheit betreffend,
so geht es besser, ich muss seit einigen Tagen Johannes- Brunnen-
wasser trinken, die Pulver des Tags 4 mal nehmen , und nun soll
ich nach Baden dort 30 Bäder brauchen ; wenn es m ö g 1 i ch ist zu
bewerkstelligen, so begebe ich mich bis 6 oder 7ten August dahin.
Könntest du nur kommen auf einige Tage mir zu helfen, jedoch
wird dir der Staub und die Hitze zu stark sein , wäre das nicht
du könntest mit mir in Baden 8 Tage zubringen ad tuum libitum^
hier habe ich noch die Correcturen zu besorgen von der Messe, ich
erhalte 1000 fl. C. M. dafür von Peters, so wie er auch noch
von audern kleinen Werken nimmt, er hat schon hier 300 fl. CM.
angewiesen. Könntest du nur die Briefe lesen , ich habe aber das
Geld noch nicht genommen, auch Breitkopf und Härtel haben den
sächsischen Charge 1 d'affaire wegen Werken zu mir geschickt, auch
von Paris habe ich Aufforderungen wegen Werken von mir erhalten,
auch von Diabelli in Wien, kurzum man reisst sich um Werke von
mir, welch unglücklicher glücklicher Mensch bin ich!!! —
auch dieser Berliner hat sich eingestellt — wird nur meine
Gesundheit gut, so dürfte ich noch auf einen grünen Zweig kommen —
Der Erzherzog Kardinal ist hier, ich gehe alle Woche 2 Mal
zu ihm, von Grossmuth und Geld ist zwar nichts zu hoffen , allein
ich bin doch auf einem so guten vertrauten Fuss mit ihm, dass es
mir äusserst wehe thun würde, ihm nicht etwas angenehmes zu
erzeigen, auch glaube ich ist die anscheinende Kargheit nicht seine
Schuld. — - Ehe ich nach Baden gehe, brauchte ich Kleidungen,
weil ich wirklich gar ärmlich dran bin, selbst auch an Hembden
wie du schon gesehn, frag deine Frau was sie von dieser Leinwand
hält, sie kostet die Ehle 48 Xr. W. W. ~ Wenn du kommen
— 34 -
kannst, so komme, jedoch ohne dir Leides zuzufügen, im September
komme ich eu dir mit Carl, wenn frA nicht nach Ollmütz zum
Cardinal gehe, welches er sehr wünscht. — Wegen der Wohnung,
da sie schon genommen ist, so mag's seyn , ob sie aber eben auch
gut für mich ist, ist eine Frage? Die Zimmer gehn in den Gar-
ten, nun ist aber Gartenluft gerade die unvortheilhafteste für mich,
alsdann ist der Eingang durch die Küche zu mir, welches sehr
nuangenehm und unzuträglich ist — und nun muss ich eiu 4tel
Jahr für nichts bezahlen, hierfür werden wir denn, Karl und ich,
•wenns möglich, uns bei dir in Krems einfinden und wacker drauf
los leben, bis dieses Geld wieder eingebracht ist, d. h. wenn ich
nicht nach Mähren gehe. — Schreibe doch sogleich nach Empfang
dieses, grüsse mir die Deinigen, müsst ich nicht nach Baden, so
wäre ich gewiss schon künftig. Monath zu dir gekommen, wenn du
kannst, so komme, es wäre mir grosse Erleichterung, schreibe gleich
— lebe recht wohl, ich umarme dich von Herzen und bin
wie immer dein treuer Bruder
Wien am 26. Juli 1822. L. v. B.
* o o >»
CORRESPONDENZEN.
Ans Stuttgart,
MUte Februar.
T. Endlich fand die seit mehr als 10 Wochen durch allerlei
Hindernisse verzögerte grössere Aufführung des Vereins für klas-
sische Kirchenmusik statt, worin unter Faiss t's Leitung, dann un-
ter Mitwirkung der Damen Winter- Weber und Marschalk,
sowie der HH. Hörn und Scbütky lauter Werke von J. S.Bach
zu Gehör kamen , nämlich die|A-dur-Messe , die Cantate : „der Herr
denket an uns" und die Trauerode in der R. Fr anziehen Bearbei-
tung. Um den Mitgliedern des königl. Hoforchesters die Mitwir-
kung zu ermöglichen, hatte die einschlägige Behörde dieselben in
besonderer Rücksichtnahme vom Theaterdienste dispensirt; als Co u-
certlokal war diesmal aus verschiedenen Gründen die Hospitalkirche
gewählt worden , die sich in acustischer Hinsicht als höchst un-
günstig bewährte ; sogar die Stimmung litt unter deren störendem
Einfluss; doch ging Alles ganz präcis und schwungvoll, so dass das
zahlreiche Auditorium äusserst zufrieden davon ging.
In der vierten Soiree für Kammermusik spielten die HH. Sin-
ger, Barnbeck, Wien und Gölte rmann ein Haydn'sches
Quartett in B-dur, und mit Hrn. Krumbholz jenes unsäglich
schöne Quintett Fr. Seh üb er t's in C-dur, das zu den eigentlichen
•Schwan engesängen des unvergesslichen Liederfürsten zählt. Hier
findet sich zuerst jene, von Schumann mit Vorliebe adoptirte Neue-
rung, dem Scherzo ein ernstes Trio in anderem Tacte zu geben;
auf das lustige C-dur folgt hier ein düsteres Des-dur in der schwer-
müthigen Weise des ungarischen Lassan. Auch das Finale hat
Czardas - Anklänge , wie dem deutsch-österreichischen Meister in so
vielen Sätzen der „Ausgleich mit Ungarn" gar trefflich gelungen
ist. Hr. S p e i d e 1 bewährte seine gediegene Technik und musi-
kalische Vielseitigkeit in Schumann'» sinfonischen Etüden,
welche neben hochpoetischen Gestaltungen auch manche undankbare
Tastenquälereien enthalten , und in der A - dur - Sonate von J. S.
Bach, worin Hr. Singer die Violinpartie mit Bravour ausführte
und das bewunderungswerthe Ensemble der beiden Künstler zumal
dem herrlichen Canon des zweiten Satzes einen begeisterten Beifall
gewann.
Das s i e b e u t e Abonnements-Concert gestaltete sich zu einem
wahren Feste zunächst durch die Anwesenheit Franz Lachners,
des langerwarteten hochgefeierten Gastes, der seine Suite in D-moll
persönlich mit gewohntem Feuer dirigirte, dann durch das sonstige
Interesse, das einzelne Programmnummern erregten. Da ertönte in
diesen Räumen zum erstenmal das schöne, volle Organ einer jungen
Dilettantin, Frl. Groskopf aus Heilbronn, welche die Sopran-Arie
aus R e i n t h a 1 e r's Oratorium : Jephtas Tochter, „das erste Veilchen,"
von Mendelssohn und „Horch, horch!" von Schubert sang.
Dann spielte Frl. Irma Steinacker, welche dieses Frühjahr ihre
Studien am hiesigen Conservatorium abschliesst, das Mendelssohn'sche
G - moll - Concert mit einer Reinheit , Schärfe der Gestaltung und
Frische der Auffassung, welche ihr zweimaligen Hervorruf eintrug.
Neu war auch die Mitwirkung der Sängerinnen des Conservatoriums
und Singvereins bei einem grossen Frauenchor : „Gross an die Mor-
genröthe'* von L. Stark, der durch den Vollklang so vieler jugend-
licher und wohlgeschulten Stimmen ebenso gewann, wie durch E. A.
T o d ' s sorgfältige und geschickte Instrumentation , noch eine
Frucht aus dessen ebenfalls am hiesigen Conservatorium abgeschlos-
senen Studienzeit. Auch die Executirung der Euryanthe-Ouvertüre
unter Ab er t's Leitung wurde mit wärmstem Beifall belohnt. Lach-
ner fand auf seinem Pulte den verdienten Lorbeerkranz und wurde
mit vielen Ovationen überschüttet. Nach dem Concert fand ihm
zu Ehren in der Liederhalle ein Festsouper statt, woran sich fast
die gesamtste hiesige Künstlerschaft betheiligte , und Hoftheater-
Intendant v. Gall wie Hofcapellmeister Abert treffende, begei-
sterte Worte an den Gefeierten richteten , die derselbe mit sicht-
licher Rührung erwiederte. Aber alle Ehren gelten nicht dem un-
ersetzbaren Leiter des Münchener Hoforchesters allein und nicht
nur dem Schöpfer der D-moll-Suite , sondern überhaupt jener noch
in diesem letzten Ritter der Classicität verkörperten Richtung, die
uns so viel Herrliches und Gediegenes gebracht hat, und noch
direct aus Beethoven's , Schubert's und Weber's Vermächtniss her-
ausgewachsen ist; immer kleiner wurde seither die Zahl ihrer Ver-
treter und unser Nachwuchs schreitet ausschliesslich in Schumann-
schen und Wagner'acheu , oder gar Offenbach'schen Fussstapfen.
Tempora mutantur!
Aus Cöl n.*)
Etwas verspätet, aber hoffentlich doch nicht unwillkommen, er-
halten Sie hiermit die Fortsetzung meines Berichtes über die Abon-
nementsconcerte im Gürzenich. Das sechste derselben, welches
am 14. Januar stattfand, hatte folgendes Programm: Ouvertüre zu
„Hamlet" von N. W. G a d e ; Arie aus „Titus" von Mozart;
Violinconcert (Nr. 3, D-moll) von Molique; Scene mit Chor aus
„Orpheus* von G 1 u ck ; Concertstück für die Violine von P a g a -
niui; zwei Lieder für gemischten Chor von M. Hauptmann;
Ouvertüre zu „Waldmeisters Brautfahrt" von F. Gernsheim und
Sinfonie in D-dur von J. Haydn.
Die Hamlet-Ouvertüre von Gade ist ein schön erfundenes, mit
feinem Geschmack durchgefühltes und vortrefflich instrumentirtes
Werk, dessen Wirkung nur vielleicht durch den Titel beeinträch-
tigt wird, weil derselbe den Zuhörer berechtigt, ja selbst heraus-
fordert, sich im Voraus ein Bild dessen zurechtzulegen, was er zu
hören erwartet; entspricht nun die Auffassung des Componisten
nicht den Vorstellungen des Zuhörers , was wohl in ähnlichen Fäl-
len selten der Fall sein dürfte, dann wird ein Gefühl der Nichtbefriedi-
gung sich in höherem oder geringerem Grade einstellen. Hätte
Gade sein Werk einfach Concertouvertüre genannt, so würde
man sich unbefangen dem Genüsse der Schönheiten desselben hin-
geben und der Eindruck ein ganz ungetrübter sein. Auffallend war
mir, dass man am Schlüsse des einleitenden Andante anstatt die
Viola im pp. auf der Fermate forttremoliren zu lassen, eine förm-
liche Pause eintreten Hess , wodurch der prachtvolle Eintritt des
Alltgro bedeutend abgeschwächt wurde. Die Ouvertüre von Gerns-
heim ist ein recht sinnig angelegtes und schön durchgeführtes
Werk, welches bei gelungener Aufführung des Erfolges sicher ist,
nur schien mir die Instrumentation hie und da etwas überladen zu
sein. Die Gesangsoli wurden von Fräul. Adele Assmann aus
Bremen gesungen. Sie bat eine schöne, umfangreiche Altstimme,
allein es fehlt ihrem Vortrage die zündende Wärme, die tiefere
Durchgeistigung und deshalb Hess sie auch das Publikum ziemlich
kalt. Die beiden Chorlieder von Hauptmann Hessen in ihrer
Ausführung manches zu wünschen übrig; besonders störend war
mir das auffallende Sinken im Ton, welches bei jeder Nummer
stattfand.
Hr. Concertmeister Eduard Singer aus Stuttgart spielte
das Concert von Molique und das Concertstück von Paganini mit
*) Von unserm gewöhnlichen Correspondenten.
(Anraerk. der Red.)
35
seinen enormen technischen Schwierigkeiten mit der Vollendung
eines gewiegten Meisters auf seinem Instrumente. Ton, Bogenfun-
rung, Sicherheit und Reinheit der Intonation Hessen nichts zu wün-
schen übrig und wenn man vielleicht etwas mehr Wärme gewünscht
hätte, so mag die Schuld namentlich auch an der Trockenheit der
Molique'schen Composition gelegen haben. Uebrigens erntete Hr.
Singer sehr reichlichen und wohlverdienten Beifall und zählt jeden-
falls zu den gediegensten Geigern unserer Zeit. Haydn's reizende
Sinfonie wurde vortrefflich executirt und vom Publikum mit freu-
digem Applause aufgenommen.
Das Programm des siebenten Abonnementsconcertes, welches
am 4. Februar stattfand, lautete: Concertouvertüre in A-dur von
Ferd. Hill er; zwei Gesänge für Fraueuchor mit Begleitung von
zwei Hörnern und Harfe, von Joh. Brahms (zum ersten Male);
Clavierconcert Nr. 4 in D-molI, componirt und vorgetragen von
Hrn. A. Rubinstein; „Requiem für Mignon" für Chor , Soli
und Orchester von Rob. Schumann (zum ersten Male); a) Chro-
matische Fantasie von Seb. Bach, b) Thema mit Variationen von
Händel, c) Rondo in A-moll von Mozart, d) „Marcia alla
turca" aus den „Ruinen von Athen" von Beethoven, sämmtliche
vier Stücke vorgetragen von Hrn. A. Rub in stein. ZumSchluss:
Sinfonie in A-moll von Mendelssohn.
Die Hiller'sche Ouvertüre, eine frische, feurige Composition,
wurde vortrefflich aufgeführt und mit grossem Beifall aufgenommen.
Die beiden Frauenchöre von Joh. Brahms: a) Lied von Shakespeare
und b) „Der Gärtner" von Eichendorff wurden mit einiger Reserve
vom Publikum aufgenommen, jedoch gefiel das zweite mehr als das
erste, welches mitunter gar verzwickte Modulationen enthält und
darum auch in Bezug auf die Sicherheit und Präcision der Auffüh-
rung zu wünschen übrig Hess. In Schumann's „Requiem für Mig-
non" verdarb der Männerchor und insbesondere die Tenöre, bei
welchen es auch an hübschen, frischen Stimmen fehlt, zum guten
Theil den schönen Eindruck, welchen das im Uebrigen gut aufge-
führte Werk zu machen schien.
Der Löwe des Abends war natürlich A. Rubinstein, dieser
Ciavierheld, der auf einem wahren Triumphzug durch Deutschland
begriffen, auch jenen Theil unserer Musiker und Musikfreunde,
welcher den von allen Seiten her ihm vorausgegangenen Lobes-
erhebungen der Kritik gegenüber gleichwohl entschlossen waren,
sich nicht verblüffen und das eigene Urtheil sich nicht verkümmern
zu lassen, durch seine Leistungen hinriss und bezauberte. Ja, wirk-
lich hinreissend is^Rubinstein's Vortragsweise, abgesehen von seiner
fabelhaften technischen Vollendung, Kraft und Milde stehen ihm in
gleichem Grade zu Gebot und durch seine geistvolle und originelle
Auffassung» weise weiss er Alles, was er vorträgt, zur höchsten Gel-
tung zu bringen; sogar sein D-moll-Concert muss gefallen, wenn er
selbst es spielt und der Virtuose den Componisten so meisterhaft
unterstützt. Es ist übrigens bereits unendlich viel über Rubinstein
geschrieben worden, und ich will daher einfach nur constatiren, dass
man auch hier die Ueberzeugung gewonnen hat, der ihm voraus-
gegangene ausserordentliche Ruf sei ein wohlbegründeter und Ru-
binstein einer der geistvollsten und interessantesten Ciaviervirtuosen
aller Zeiten.
Die Mendelssohn'sche Sinfonie wnrde in allen Theilen ganz
vollkommen ausgeführt und bildete somit einen würdigen SchlusS
des so viele und verschiedenartige Genüsse bietenden Concertes.
Aus Magdeburg«
Sonntag den 23. Februar. „Hero uud Leander". Komische
Oper von W. W. Steinhart. Das Feld der grossen serieusen
Oper, mag sie sich heroisch, romantisch, historisch oder alles zu-
sammen nennen, ist von Gluck's Tagen an bis auf Wagner — und
Langert mit einer Ausdauer und Emsigkeit angebaut worden, gegen
welche die parallele Bemühung auf dem Gebiete der komischen Oper
mit ihren Erträgen und Erfolgen kaum erheblich in*s Gewicht fällt.
Seit Mozart ist die Muse edler, feiner Heiterkeit fast wieder ver-
stummt; nur in einzelnen glücklichen Momenten hat sie einen Ros-
sini zum beredten Interpreten ihrer schönsten, intimsten Geheimnisse
geweiht. Erst ein Lortzing, neben ihm Flotow und Nicolai finden
in ihren begnadetsten Stunden dafür wieder Töne und Formen, die
in den Empfindungen der gebildeten Menge lauten , frohen Wieder-
hall erwecken. Nicht, dass die Genannten ausschliesslich bei uns
ihr Fach verträten: neben ihnen lassen sich Dutzende von Compo-
nisten komischer Opern herzählen, aber — ihr Verbreitungsgebiet
ist beschränkt, ihre Lebensdauer kurz gewesen. Und doch gibt es
in dem weiten Umfange des Musikgebietes kaum eine Gattung, wel-
che — ihrer ästhetischen und ihrer moralischen Wirkungen wegen
— der liebevollen Pflege der Kunstfreunde werther und würdiger
wäre als grade die komische Oper. So hat uns denn die obengenannte
Novität in diesem Fache, des königlich Würtembergischen Capellmei-
sters Herrn W. Steinhart komische Oper „Hero und Leander auch
ganz besondre Freude gemacht. Das Auditorium, das sich sehr
zahlreich versammelt hatte, schien diese Empfindung zu theilen; es
zeigte sich von Anfang an theilnehmend und liebenswürdig und be-
kundete seine Befriedigung durch stürmischen Hervorruf des Com-
ponisten und der Darsteller nach jedem Acte. Nach vielen wesent-
lichen Beziehungen verdient aber die Composition auch die freund-
liche Auszeichnung , mit welcher sie am Abend der ersten Auffüh-
rung bei uns aufgenommen wurde. Ohne jede Anregung von Seiten
congenialer Kunstgenossen mit puritanischer Strenge abzulehnen, wan-
delt Herr Steinhart im ganzen doch seine Wege selbstständig. Die
Opera buffa der Italiener, die Opera comique der neuern Franzosen
haben ihn natürlich nicht unberührt gelassen, aber in der Erfindung
der Melodie, in der Behandlung des Orchesters wie der Stimmen
und der Harmonie , in Anlage und Ausbau der Sätze scheinen üb-
rigens die Traditionen der Deutschen komischen Oper resp. des
Singspiels ihn geleitet zu haben. Die Stimmen im Orchester werden
mit durchgehender Mässigung, aber mit vollkommener Kenntnis«
ihrer Natur und Wirkung oft in feinen und wohllautenden Combi-
nationen herbeigerufen, den Gesang anmuthig zn umspielen — und
grade die fliessende gewandte Führung der Instrumentalstimmen
dünkt uns nicht der letzte der Vorzüge , welche der Partitur Herrn
Steinhartes sich nachrühmen lassen. Die Rythmik hat durchweg
ganz das Leichtbeschwingte, Prickelnde, Dralle und Flinke, wie
wir es in einer Oper von Auber und Adam zu suchen pflegen. So
klein das Format der Oper ist — - sie wird bei glatter Aufführung
kaum volle 2 Stunden füllen — so reich ist sie dafür an leichtfasslichen
und wohllautenden Melodien, die, ohne ängstlich nach Originalität
zu haschen, Sinn und Herz der Zuhörer oft sehr angenehm beschäf-
tigen. Es sind da keine reich uud breit durchgearbeiteten kunstvollen
Sätze, meist Lied- und Romanzenform, knapp, man mochte zuweilen
sagen etwas kurzathmige Perioden von wenigen Tacten und un-
gekünstelten Modulationen , aber dafür vom wärmeren Hauche
schlichter, tiefer Empfindung durchweht.
(Schluss folgt.)
I¥ a c li r i c h t c n.
Mainz, 27. Febr. Hr. Generalmusikdirector Franz Lachuer
von München verweilte ein paar Tage dahier und begab sich heute
nach Mannheim, wo er am Samstag den 29. d. M. seine erste
Orchestersuite (D-moll) dirigiren wird.
Berlin. Frau v. Voggenhuber ist im k. Opernhause zwei-
mal als Fidelio und einmal als Donna Anna mit vielem Beifall
aufgetreten.
— Am 19. Februar kam im k. Opernhause zum ersten Male
die fünfactige dramatische Oper „Die Fabier" von G. v. Meyern,
componirt von A. Langert, zur Aufführung und fand von Seite
des Publikums eine höchst günstige Aufnahme. In Bezug auf In-
scenirung waren die reichen Mittel der k. Bühne ohne Rückhalt
aufgeboten und was die Aufführung betrifft , so waren sämmtliche
Rollen in den geeignetsten Händen und wurden von den betreffen-
den Künstlern und Künstlerinnen in der befriedigensten Weise durch-
geführt. Die Besetzung waren folgende: Fabia, Frl. Grün; Quin-
tus, Frl. Horina; Icilius, Hr. Woworsky; Marcus, Hr. Betz;
Consul, Hr. Fr icke; Sextus, Hr. Krüger; Sicanius, Hr. Salo-
mon und ein Lictor, Hr. Barth. Auch Orchester und Chor lösten
ihre mitunter recht schwierige Aufgabe mit gewohnter Vortrefflich-
keit, so dass dem Componisten, welcher mit diessr Oper einen sehr
bemerklichen Schritt vorwärts auf der dramatischer. Bahn gemacht
36 -
tat, nichts au wünschen bleibt, als dass aucb andere Bübnen sieb
seinem so talentvollen Werke recht bald erscbliessen möchten , mit
demselben günstigen Resultate wie an unserer Hofbühne.
Karlsruhe. Das am 15. v.M. stattgefunden 3. Concert des
Cäcilienvereins gewährte .durch das Auftreten fremder musi-
kalischer Gäste besonderes Interesse, indem das an und für sich
schon reichhaltige Programm eine unerwartete Vermehrung in den
ausgezeichneten Vorträgen des zufällig hier anwesenden Künstler-
paares Nossek aus Paris erhielt. Hr. Nossek, welcher Präludium
u. Fuge, sowie Gavotte von Joh. Seb. 8 ach, und später den Teufels-
triller von Tartini nebst Paganini's Hexentanz spielte, bewährte sich
als einen hervorragenden Violinspieler, gleich gewandt in den Künsten
der Virtuosität, wie des klassischen Vortrags, Vorzüge, welche durch
einen innigen, durchaus edlen Ton wesentlich gehoben werden.
Frau Nossek besitzt eine zwar nicht starke, aber gleichmässig in
ihren Registern ausgebildete Sopranstimme von enormer Höhe und
Ausdehnung (a bis f), welche es ihr möglich machte, sogar die Arie
der Königin der Nacht aus Mozart's Zauberflöte ohne das bei anderen
Sängeriunen so häufige Transponiren zu singen. Die weiter vor-
getragenen Stücke : Romanze vouSpohr, Violinvariatiouen von Rode
und Schattenwalzer aus Dinorah von Meyerbeer boten der Sängerin
-wiederholte Gelegenheit, sowohl ihre Bravour im Koloraturgesang,
u 1ö die treffliche Toubildung und naive Anrnuth ihrer Stimme glänzend
zur Geltung zu bringen. Namentlich entzückten die Violinvariationen
und der Schattenwalzer. Das bescheidene Künstlerpaar, welchem
nach deu besprochenen Leistungen auf seiner eben beginnenden
Kunstreise in Deutschland überall die beste Aufnahme gesichert er-
scheint, gewann sich rasch die Gunst des Publikums und wurde
durch stürmischen Beifall und Hervorruf geehrt. Grossen Erfolg
fanden auch die Harfenvorträge einer einheimischen Künstlerin Frau
Dr. Pohl, welche in zwei Compositionen von Parish-Alvars (Fanta-
sie und Romanze) ihre anerkannte Meisterschaft auf's Neue entfaltete
und dadurch lebhaft bedauern Hess, dass uns dieser Genuas so selten
zu Theil wird. Zu Anfang des Concertes gelangte ferner ein launig
und fein gearbeitetes Trio von Beethoven für Ciavier, Violine und
Violoncell über das humoristische Lied : „Ich bin der Schneider Ka-
kadu tf aus Wenzel Müller's ,, Schwestern von Prag" unseres Wissens
das erste Mal, zu öffentlichem Vortrag. Den Ciavierpart führte eine
junge, begabte Dame, Schülerin des Herrn Hofkirchenmusikdirectors
Giehne, mit grosser Fertigkeit und künstlerischem Geschick aus,
wobei sie von den Herren Freiberg und W. Se gisser vortreff-
lich unterstützt wurde. Die Vorträge des Chors bestanden in dem
Frühlingschor von Haydn ans dessen Jahreszeiten, einem Chor aus
Händel's Josua, dem 23. Psalm für Frauenstimmen von Franz Schu-
bert und Schumann's originellem Zigeunerleben und zeichneten sich
wie immer durch Feinheit u. Genauigkeit aus. Besonders gelungen
war jedenfalls der wunderschöne Schubert'scbe Psalm mit seinen
ätherischen Klangwirkungen. (Bad. L.-Ztg.)
Wien. Arn 13. Februar gab das Florentiner Streich-
quartett seine erste Soiree im Musikvereinssaale, deren Programm
aus Haydn's G-moll-, Schubert's D-moll- und Beuthoven's
A-dur- Quartett (Op. 132) bestand. Der Besuch war ein schwacher
an diesem ersten Abende ; allein bei dem ausserordentlichen Beifall,
den die Leistungen dieser Künstler bei dem nicht zahlreichen aber
die berufensten Beurtheiler enthaltenden Auditorium durchweg ge-
funden haben und bei der übereinstimmenden höchst lobenden An-
erkennung, welcheu die gesammte Kritik denselben zu Theil werden
Hess , ist wohl nicht zu bezweifeln , dass die zweite dieser Soireen
um so zahlreicher besucht sein wird.
London. Im populären Montagsconcert am 15. Febr. Morgens
spielte Frau Clara Schumann die Sonate Op. 81 in Es-dur („Les
Adieu cc, V Absence et le Relour il ) von Beethoven und mit den
HH. Strauss undPiatti das Trio op. 99 in B-dur von Schubert.
Im Abendconceite desselben Tages trat Joachim zum ersten Male
in dieser Saison auf und spielte mit den HH. L. Ries, Blagrove
und Piatti das E-moll-Quartett (op. 59) mit den HH. Halle und
Piatti das B-dur-Trio (op. 97) und mit Hrn. Halle die G-dur-
Sonale (op. 30) für Piauoforte und "Violine, sämmtliche Werke von
Beethoven. Hr. Halle spielte die Beethoven'sche G-dur-Sonate
<Op. 79) für Pianoforte allein.
FaHs. Das 17. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup hatte
folgendes Programm: Sinfonie in D-dur von Beethoven; Adagio
aus einem Quartett von Mozart (sämmtliche Streichinstrumente);
Sinfonie in G-dur (Nr. 29) von Haydn; Violinconcert in E-dur
(Adagio und Rondo) von Vieuxtemps, vorgetragen von Frau
Norman Neruda; Ouvertüre zu „Tannhäuser" von R. Wagner.
— Der Munizipalrath v. Li 1 le hat in einer seiner letzten Sitzungen
für die siebenmonatliche diesjährige Theatersaison einen Zuschuss
von 56,000 Frcs. bewilligt.
— In der italienischen Oper sind „Rigoletto" und „Crispino''
zum letzten Male mit Adelina Patti aufgeführt worden. In den
letzten Tagen dieses Monats wird das Ehepaar T i b e r i n i in
„Mathilda di Shabran" debütiren.
*** Ueber die neueste, mit so grossem Erfolge aufgeführte
Oper des 87jährigen Auber schreibt man u. A. dem Guide musi-
cale aus Paris: „Un premier jour de bonheur u ist im Ganzen
genommen ein sehr anmuthiges Werk, welches drei oder wenigstens
zwei Nummern ersteu Ranges enthält, ich meine nämlich Gesaug-
stücke, die der schönsten Zeit Auber's würdig sind und die Allem
an Werth gleich stehen, was er je geschrieben hat Dies Werk
ist lieblich, reizend geschrieben, kurz äusserst anmuthig, und dies
Wort wird wohl bezeichnend sein. Die Handlung ist interessant,
ziemlich neu und enthält eine ziemliche Mischung vou Sentimen-
talem und Heiterem. Kein Moment der Langweile, der Abspannung
trübt das Anhören der drei Acte; der Abend geht gemüthlich vor-
über und wenn die letzte Scene kommt, schwebt immer noch ein
Lächeln auf den Lippen des Zuhörers. Ja, ihr Herren! die Werke
werden selten, welche gefallen ohne plumpe Buffonnerie, ohne ge-
zwungene Effectmittel , einfach nur durch ihren gemüthlichen Reiz,
durch die interessante Intrigue uud besonders durch ihre lieblichen
Melodien. Der Componist dieser Oper hier geht uun in sein 88.
Lebensjahr; ist dies nicht wunderbar? Man bewundert diesen
fruchtbaren Geist, welcher immer noch originelle Ideen findet und
der noch drei interessante Acte schafft, die man ohne die geringste
Langweile anhört und die ein reich begabter junger Mann geschrie-
ben zu haben sich glücklich schätzen würde."
Wir entnahmen absichtlich dieses Urtheil über die betreffende
Oper dem genannten Brüsseler Blatte , weil es dem greisen Meister
und seinem Werke alle Anerkennung wiederfahren lässt, ohne in
die herkömmliche Ueberschwänglichkeit der Pariser Feuilletonisten
zu verfallen. J
*#* Herr Niemanu ist vou dem Präsidenten des Cartellver-
eins als contraetbrüchig gegenüber der Hofbühne in Dresden er-
klärt worden und seine projeetirten Gastspiele an Vereinsbühuen
sind daher nicht mehr zulässig.
*** In einem Leipziger Berichte über den gtossartigen Er-
folg, den Franz La ebner im 17. Gewandhausconcert mit seiner
4. Orchester-Suite errungen hat, wird u. A. auch hervorgehoben,
dass der treffliche Meister zu deu wenigen noch Lebenden gehört,
welche mit Beethoven und Schubert (insbesondere vielfach mit Letz-
terem) persönlich verkehrt und schon zu deren Lebzeiten als schaf-
fende Tonküustler Ruhm und Ansehen gewonnen haben. Vom 8.
Dezember '1825 wird aus Wien berichtet, dass das erste Allegro
einer Sinfonie von Fr. Lachner aufgeführt worden sei: „Dieser
junge Künstler (Organist an der evangelischeu Kirche) wandelt die
rechte Strasse und wird bei beharrlichem Fleisse gewiss ein schönes
Ziel erreichen," heisst es dort und der nun schon laugst »m schönen
Ziele der Meisterschaft angelangte Kuustjünger von damals hat diese
Voraussage gewiss iu glänzendster Weise zur Wahrheit gemacht.
*** Der Wiener Männergesangverein hat vou dem Rein-
ertrag seines diesjährigen Narrenabends den Hungernden in Ost-
preussen 230 Thlr. und den Nothleideudeu in Galziaii 400 fl. zn-
füessen lassen.
*** Ulhnanu hat den iu Paris beliebten Pianisten Theo-
dor Ritter für seine nächste Concertreise mit Carlotta Patti
durch Südfrankreich engagirt.
*#* Gleichzeitig gastiren in Hannover Frau Schnorr von
Carolsfeld und der Tenorist Tichatschek.
* * Die Trojaner" von B e r 1 i o z sind bereits ins Russische
übersetzt und werden in Petersburg zur Aufführung vorbereitet.
Berlioz ist wieder vou Petersburg nach Paris zurückgekehrt.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
j^°- MO.
9. März 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
T Diese Zeitung erscheint jeden j
? • r I a g
PEEIS:
i
MONTAG.
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von
\ Man abonnirt bei allen Post-
i ämtern, Musik- &Buchhand- \
lungen.
B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ,
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
;fl. 2. 42kr.od.Th.l. IBSg.j
\ für den Jahrgang. ■
\ Durch die Post bezogen:
\ 50 kr. od. ,15 Sgr. per Quartal. \
INHALT: Aus L. Nohrs Briefen Beethoven's. — Sophie Schröder. — Corresp. : Magdeburg. Paris. — Nachrichten.
Aus Ii. IV olil 9 s Briefen Beethoven's.
Zum Schlüsse wolleu wir unsere Leser auch ein wenig mit der
häuslichen Misere Beethoven's bekannt machen, welche in bestän-
digem Wechsel seiner Dienstboten, in deren Betrügereien und Faul-
heit, aber auch in des Meisters fabelhaftem, unpractischen Wesen sei-
nen Grund hatte, so dass er immer seine Freunde und Bekannten
zu Hülfe rufen rousste , um seine Haushaltung einigermassen im
Gange und in Ordnung zu erhalten. Zu den in diesem Sinne von
ihm besonders bevorzugten Personen gehörte Frau Streicher, die
Gattin des bekannten Wiener Ciaviermachers, welche er in Bezug
auf seine Dienstboten, auf Anschaffungen aller Art etc. mit einer
Unzahl von längeren und kürzeren Billeten und Briefen bedachte,
vou denen Nohl eine grosse Anzahl , und was von Wichtigkeit ist,
da auch andere auf Beethoven's äussere Verhältnisse Bezug haben-
den Dinge darin zur Sprache kommen, in chronologischer Folge
mittheilt.
An Frau Streicher.
[Anfangs Januar 1818].
Es freut mich, dass Sie sich noch ferner um das Hauswesen
annehmen wollen, ohne das alles andere vergebens wäre, beim hier
folgenden Küchenbuch liegt ein Brief, welchen ich Ihnen noch ehe
Sie nach K. N. *) gingen, geschrieben — mit der N. geht es jetzt,
was ihr Betragen angebt besser und ich denke gar nicht , dass sie
den Willen dazu hat, vielleicht ist es möglich mit dem andern
Mädchen für unsere Haushaltung vor theilhafter zu wir-
ken,**) doch dürfen Sie sich nicht entziehen, leicht können Sie im
Küchenbuch sehn , ob ich allein oder zu mehreren oder gar nicht
zu Hause gegessen habe. — Ganz ehrlich halt ich die N. nicht,
ausserdem, dass sie noch obendrein ein schreckliches Vieh ist,
nicht durch Liebe sondern durch Furcht müssen d. g. Leute
gehandhabt werden , ich sehe das jetzt ganz klar ein. — Es ver-
steht sich dass das Dienstmädchen Sonnabends früh eintreten kann,
nur bitte ich Sie mir gütigst anzuzeigen, ob die Babdrl Freitags
früh oder nach Tische sich zu entfernen hat ? — Das Küchenbuch
allein kann Ihnen nicht AIIhs klar anzeigen, Sie müssen manchmal
beim Essen als ein richtiger Engel unverhofft erscheinen, um
auch in Augenschein zu nehmen was wir haben. — Ich speise
nun niemals zu Hause , als wenn jemand bei mir zu Gaste ist,
denn ich will nicht so viel für eine Person bezahlen, dass 3 oder
4 davon essen könnten. ***)
Meinen lieben Sohn Karl werde ich nun bald bei mir
haben, um so mehr bedürfen wir der Oekonomie. — Ich kann mich
nicht wohl überwinden zu Ihnen zu kommen , Sie verzeihen mir
*) Kloster-Neuburg bei Wien.
**) »Das Küchenmädchen erhält 60 fl. Lohn jährlich und 12 kr.
Brotgeld täglich," steht zwischen dem 3. und 16. Januar 1818 im
Tagebuch.
***) Nach den im Besitz von Artaria in Wien befindlichen
Küchenbücbern kam dem Meister ein gewöhnliches Mittagsessen im
eigenen Hause allerdings auf mindestens 5 fl. W. W. zu stehen.
schon ich bin sehr empfindlich u. d. g. nicht gewohnt, noch weni-
ger mag ich mich aussetzen. — — Sobald Sie können besuchen
Sie mich, nur lassen Sie nichts vorauswissen , ich habe viel mit
Ihnen zu reden. Schicken sie das Büchel gegen Abend ebenso
wieder zurück, bis die andere Person da ist, gehen wir einen stär-
keren Weg, und mit ihrer gütigen freundschaftlichen Gefälligkeit
wäre es doch möglich hierin fortzukommen. — Die N- hat ausser
ihren 12 Xr. Brotgeld auch eine Semmel morgens, ist das mit der
Küchenmagd auch der Fall, eine Semmel macht für ein Jabr 18 fl.*)
— Leben Sie und weben Sie wohl, die Fräulein N. ist ganz um-
geändert, seit ich Ihr das halb Dutzend Bücher an den Kopf ge-
worfen. Es ist wahrscheinlich durch Zufall etwas davon in ihr
Gehirn od. schlechtes Herz gerathen, wenigstens haben wir
eine busige ßetriegerin !! !
in Eil Ihr
L. v. Beethoven.
An dieselbe.
Was die B. betrifft, so geht sie Montag in der Früh, zu Mit-
tage kann also die andere od. Na ch mittags gegen 2 od.
3 U.hr, wie Sie am besten glauben, einstehen. Die N. hat mich
heute gefragt, ob die B. bleibe, ich sagte nein, sie könne höch-
stens bis Montag in der Frühe bleiben. Uebrigens habe ich
guten Grund zu glauben, dass die N. oder die andere ihre Spione-
reien in Ihrem Hause fortsetzt. — Vorgestern Abend fing die N.
an mich auf ihre allem Mistvolk eigene Art des Läutens wegen
aufzuziehen, sie wusste also schon dass ich Ihnen davon geschrie-
ben. Gestern Morgen gingen die Teufeleien wieder an, ich machte
kurzen Prozess und warf der B. meinen schweren Sessel am Bette
auf den Leib , dafür hatte ich den ganzen Tag Ruhe. Immer neh-
men sie Rache an mir, so oft sie eine Korresspondenz verrichten
müssen oder sonst etwas bemerken zwischen uns. Was die Ehr-
lichkeit der N. anbelangt, so glaube ich, sie ist nicht weit her,
sie n a s ch t gern , dies mag dazu beitragen. Sobald das andere
Mädchen da ist, werde ich in fhrer Gegenwart, sobald Sie
mich besuchen, die N. hereinrufen, und meine Zweifel des Küchen -
buchs wogen äussern. Monatrechnungen gehen bei uns nicht
eher an, bis alle Tage eine gewisse Anzahl Personen bei uns speist,
auch machten die Anschaffungen dies nicht möglich. Aber dass ich
allein beinahe so viel brauche als wenn auch noch 2 Personen
bei mir essen, das hat seine Richtigkeit. Wahrscheinlich werden
wir zu Mittage immer zu Dreyen ausser 2 Dienstboten essen, da
der Lehrer meines Karls zu Mittage bei mir essen wird.
Dem Himmel muss ich danken dass ich überall Menschen finde,
die sich besonders jetzt meiner annehmen. So hat sich einer der
ausgezeichnetsten Professoren an der hiesigen Universität
*) Mann darf nicht vergessen, dass durch das stete Herunter-
gehen des Curses auch Beethoven's Gehalt bedeutend verringert
ward und Einnahme von Werken hatte er damals ganz besonders
wenig, weil das ganze Jahr vorher seine Lungenkrankheit ihn fast
nichts von Bedeutung hatte schaffen lassen.
38 -
gefunden, der mir alles was Karls Unterricht betrifft,
aufs Beste besorgt und anräth. Sollten Sie bei Czerny mit diesen
Giannatasische n zusammenkommeu, so wissen Sie von gar
nichts was mit meinem Karl geschieht, sagen es sei meine
Gewohnheit nicht meine Vorsätze auszuplaudern, in-
dem jeder ausgeplauderte Vorsatz einem schon nicht
mehr zugehört. Sie möchten sich ferner noch gerne
einmischen uud ich will sie diese Alltagsmenschen
ebenso wenig für mich wie für meinen Karl.
Dass Sie der N. gerne verzeihen, glaube ich auch, ich 'denke
auch so, aber ich kann sie nun doch nicht mehr anders als eine
unmoralische Person betrachten. Wir werden schon sehen
wie es sonst geht, aber gemeiniglich thut das was nun schon
vorgefallen zwischen Herrn und Dienstboten nicht gut mehr* Das
nun eintretende Küchenmädchen bitte ich Sie so zu unterrichten,
dass sie Ihnen und mir als Partei gegen die N. dient.
Dafür werde ich ihr manchmal etwas schenken, welches die andere
nicht zu wissen braucht. Ohnehin wird sie nicht so naschhaft sein
als die N. und B. Kurzum das Küchenmädchen muss als Gegen-
partei der N. immer sich betragen, so wird die ausserordentliche
Frechheit Bosheit und Niedrigkeit der N. die zwar jetzt etwas ge-
dämpft ist, auch nachlassen. Ich versichere Sie, dass das mit der
N. Erlebte noch über manche gehabte Bediente geht. Alle
fremde Besuche und besonders im 1. Stock habe ich der N. gänz-
lich untersagt.
Und nun leben Sie herzlich wohl. Was die" Dienstboten an-
geht so ist nur eine Sprache überall über ihre Immoralität,
welches allem übrigen Unglück allhier zuzuschreiben; und so
dürfen Sie nie von meiner Seite hierüber eine Kränkung erleiden
können oder erwarten.*) Dankbar werde ich alles anerkennen, was
mir Ihre Freundschaft dargebracht. Nur ist es mir leid , dass ich
unschuldiger Weise an einer kleinen Entzündung in Ihrem Hause
s ch u 1 d bin.
Statt der Klosterneuburger Geistlichkeit segne ich Sie.
In Eil Ihr Freuud
Beethoven.
Die N. frug mich nebenbei, ob ich denn Jemand andern an
der Stelle der B. habe, ich antwortete j a.
*< a»
Sophie Schröder, f
Am 25. Februar starb in M ü n ch e n, 87 Jahre alt, Sophie
Schröder, die grösste dramatische Künstlerin Deutschlands, und
wurde am 27. Febr. in feierlicher Weise dem Grabe übergeben, an
welchem der k. Hofschauspieler Richter an die zahlreiche Ver-
sammlung eine ergreifende Anrede hielt. Auch diese Künstlerin
begann ihre theatralische Laufbahn, gleich manchen anderen unserer
bedeutendsten Mimen , bei der Oper ; ihr Lebenslauf war ein viel-
fach bewegter und interessanter, weshalb wir denselben nach einer
im „Nürnb. Corresp." enthaltenen Skizze auch unsern Lesern mit-
theilen wollen.
Sophie Schröder war geboren am 20. Februar 1781 in Pa-
derborn, als die Tochter des Schauspielers Bürgers, dessen Witt-
we Bich nachher mit dem einst rühmlich bekauuten Schauspieler
Keilholz verheirathete. Als ihre Mutter 1793 bei der Tylli'schen
Gesellschaft in St. Petersburg engagirt worden, begann dort die
damals 12jährige Sophie in der Dittersdorf'scheu Oper „Das rothe
Käppchen" als Lina ihre theatralische Laufbahn. In Reval hei-
rathete sie 1795 den Director der deutschen Bühne, Stollmers.
Hier lernte Bie auch Kotzebue kennen, uud auf seine Empfehlung
erhielt sie eine Anstellung bei dem Wiener Hoftheater. Sie spielte
damals noch ausschliessend naive Rollen, uud gefiel als Margarete
in den „Hagestolzen" und als Gretchen in den „Verwandtschaften. u
Schon nach einem Jahre ging sie nach Breslau, wo sie vorzuga-
*) Ueber die sittliche Depravatiou, die der Wiener Congress in
allen Schichten der Wiener Bevölkerung verbreitet hatte, wird aller-
dings damals sehr viel geklagt. Und das Hungerjahr wie die Ver-
schlechterung der Valuta trugen auch das ihrige dazu bei, die
äussern Lebensverhältnisse in Wien iu jeder Weise unerträglicher zu
machen.
weise für die Oper engagirt wurde, und besonders als Hulda imt
„Donauweibcheu" viel Glück machte. Ihre Ehe mit Stollmers ward
hier getrennt, welcher die Bühne verliess, und unter seinem wirk-
lichen Familiennamen Smetg als Hofrath des regierenden Reichs -
grafen von Plettenberg-Ratibor in die früher von ihm verlassene
juridisch - diplomatische Laufbahn zurücktrat. Im Jahr 1801 unter
sehr vortbeilhaften Bedingungen nach Hamburg berufen, betrat hier
Sophie die Bahn auf welcher sie bald als ein Stern erster Grösse
glänzte: sie wechselte das naive Rollenfach mit dem tragischen.
Im Jahr 1804 heirathete sie den Tenoristen Friedr. Seh r öder, und
lebte unter den günstigsten Verhältnissen in Hamburg, bis die krie-
gerischen Begebenheiten 1813 sie bestimmten diese Stadt heimlich
zu verlassen , da der Marschall Davoust sie in das Innere Frank-
reichs bringen lassen wollte, wegen der patriotischen Gesinnung wei-
che sie bei Hamburgs Besetzung durch den General Tettenborn auf
der Bühne hatte laut werden lassen. Nachdem sie eine glänzende
Kunstreise gemacht, spielte sie anderthalb Jahre in Prag, und folgte
daun einem Ruf an das Wiener Hoftheater, dessen Zierde in
hochtragischen Rollen sie bis 1829 war. Hier sah sie auch 1816
nach 16jähriger Trennung ihren Sohn erster Ehe, den späterhin
durch mehrere theologische und poetische Schriften bekannt gewor-
denen kathol. Geistlichen und Canoniker Willi. Smets wieder.
Nachdem ihr zweiter Gatte Schröder 1818 gestorben, heirathete sie
1825 den talentvollen Schauspieler Kunst, von dem sie sich aber
bald wieder trenute. Im Jahr 1839 schied sie vom Wiener Hofthea-
ter aus, und machte bedeutende Kunstreisen, bis sie 1831 Mitglied
des Münchner Hoftheaters wurde. Von hier folgte sie im Früh-
jahr 1836 abermals einem Ruf an das Wiener Hoftheater. Im
Jahr 1840 wurde sie in Wien pensionirt, lebte dann in Augsburg
und später in München. Wiewohl hoch betagt, erfreute sich die
Künstlerin doch immer noch einer seltenen Kraft und Frische des
Körpers uud des Geistes , so dass sie sogar zu den Vermählungs-
feierlichkeiten des Kaisers Franz Joseph im Mai 1854 am Wiener
Burgtheater mit grösstem Beifalle mitwirkeu konnte. Zum letzten-
mal trat sie 1859 iu München an Schillers lOOjährigem Geburtstag
auf, an dem sie Schillers Glocke vortrug und einen unvergesslichen
Eindruck machte. Sie besass ein gewaltiges und doch wohlklingendes
Organ, und ein durch Uebung zu einem erstaunenswürdigen Grad
von Sicherheit entwickeltes Talent. Ihre bedeutendsten Rollen waren
Phädra, Medea, Lady Macbeth, Merope, Sappho, Johannna von Mont-
faueon und Isabella in der „Braut von Messina.* Die berühmte
dramatische Sängerin Wilhelmine Seh röder -De vri ent war
eine Tochter von Sophie Schröder.
■•<» »»■
CORRESPONDENZEK.
Aus H
( S ch 1 u s s. )
Die einzigen in grösserem Stile behandelten Nummern sind die
bravourhafte Cavatine Leontine's in Ges-dur „Der Sonne letzter
Strahl" und das mit echtem Wohllaute getränkte kleine Septett im
2. Finale „l£r betet." An komischen Zügen in den Stimmen und
im Orchester fehlt es natürlich nicht; gestern schlug besonders das
drollige Terzett Nr. 2 von der „Po — li- zei u durch, und die folgenden
Aufführungen werden schon herausarbeiten , was sonst noch davon
in der Partitur steckt. Die Durchschnittsstimmung der ganzen Com-
positiou aber ist nicht drastische, schlagende Komik, sondern heitere
Gemüthlichkeit, wobei nach unserem Gefühle das Gemüthliche das
Heitere fast noch überwiegt. Das Textbuch bot dem Compo-
nisten einen leidlich unterhaltenden Stoff in ungenärter Form ; was
es, nach unserem Ueberschlage, ihm nicht bot, ist zunächst ein Kern
recht frischer, ungesuchter, zündender Komik, sodann hinlänglich
scharfe Motivirung der Charaktere und Situationen und endlich Ge-
legenheit zu grösser angelegten und durchgführten Ensembles. Und
auf diesen Punkten , dünkt uns , würde eine anspruchsvollere oder
peinlichere Kritik auch nicht ohne Erfolg nach der sterblichen Seite
dieser übrigens so liebenswürdigen Schöpfung suchen. Führt ein
glücklicher Zufall aber unserm süddeutschen Landsmann nur zu
rechter Stunde das rechte Textbuch unter die Augen, so gibt uns
- 39 —
der gestrige Erfolg die Hoffnung, dass wir seiner freundlichen Muse
noch einmal ein zweites Werk der Art, das von dem Tone der ko-
mischen Operette zur wirklichen komischen Oper aufsteigt,
verdanken können. Für die Aufführung bleiben uns heute nur noch
wenige Zeilen zu unserm Bedauern; die sämmtlichen Ausführenden
waren mit voller Liebe und Lust bei der Sache und Hessen es sich
angelegen sein, das Werk, ihr Talent und unsere diesjährige Oper
zu bester Geltung zu bringen. Eine Hauptlast ruhte auf Herrn
Herrn ann's Schultern; als Bürgermeister leistete er denn wieder
im Gesänge wie im Spiele sehr viel Beifallswürdiges, wofür das
Auditorium ihm einen lebhaften Dank auch nicht vorenthielt. Ge-
sanglich die dankbarste Partie hatte Fr. Burger-Weber (Leon-
tine), die fast nach jeder Nummer einmüthig gerufen wurde; neben
ihr Herr Lederer als Martini, Herr Lenz als Tobias, Herr Bur-
ger als Theaterdirector, während Herr Karutz, die einzige rein
komische Figur der Oprette, den Polizeidiener mit bestem Humor
wiedergab. Das Ganze hinterliess den Eindruk sorglicher Vorberei-
tung und geschickter Leitung. Wir wünschen dem anspruchlosen
aber liebenswürdigen Werkchen noch manche gut besuchte Wieder-
holung und die gleiche freundliche Aufnahme.
*o »e i
Aus Paris.
2. März.
Gestern Abend hat die erste Generalprobe des „Hamlet" statt-
gefunden. Faure als Hamlet ist vorzüglich; noch vorzüglicher
aber ist Frl. Nilsson als Ophelia. Sie gibt die übrigens sehr
gut coroponirte Wahnsinnscene mit einer solch ergreifenden Meister-
schaft, dass sie einen lang anhaltenden Beifallssturm erregte. Die
Nilsson ist wie geschaffen für diese Rolle und wird nicht wenig
zum Erfolg dieses Tonwerkes beitragen. Dasselbe ist zwar reich
an einzelnen Schönheiten und zeugt wiederum von dem idealen
Streben des Compositeurs , es entbehrt aber der Ursprünglichkeit.
Der Text ist geschickt gearbeitet und was die Inscenesetzung be-
trifft, so lässt sie Alles zurück, was bisher an Decorationskunst in
der grossen Oper gesehen worden.
Die erste Vorstellung des „ Hamlet" soll nächsten Freitag statt-
finden.
Auber, dessen „Premier jour de bonheur" eine ausser-
ordentliche Anziehungskraft auf das Publikum ausübt, will trotz
seiner zurückgelegten 86 Jahre nicht auf seinen Lorbeeren ruhen.
Die Textdichter seiner obengenannten Oper haben ihm den ersten
Act eines neuen Textbuches eingereicht, den, wie man versichert,
der grosse Meister bereits in Musik setzt. Die Ope'ra comique
geht auch damit um, nächstens „Des Teufels Antheil* wieder aufs
Repertoir zu bringen.
Die Zauberoper des jungen Saint-Saens, „ Le Timbre
ßArgentf die im Thedtre lyrique zur Aufführung kommen sollte,
wird nunmehr unter derselben Direction im 1 1 a 1 i e n i s ch e u
Theater in Scene gehen. Die Hauptrollen sind der Madame
Carvalho und dem Hra. Troy anvertraut.
Rossini ist noch immer leidend, weshalb er am 29. Februar,
seinem 76. Geburtstage, nicht wie gewöhnlich eine grosse Soiree
gab. Nur die allerintimsten Freunde wurden zu einem Diner ge-
laden. Berryer war unter denselben und brachte dem Schwan
von Pesaro einen sehr feurigen Toast.
Nachrichten.
Mannheim. Am 29. Februar dirigirte Hr. Generalmusikdirec-
tor Franz L a ch n e r in der vierten musikalischen Academie des
Hoftheater- Orchesters in Mannheim seine erste Orchestersuite D-moll ;
derselbe wurde bei seinem Erscheinen am Dirigeotenpulte unter
Orchestertusch von den zahlreich versammelten Zuhörern aufs freund-
lichste empfangen und am Schlüsse des mit grösstem Interesse an-
gehörten Werkes durch den ungeteiltesten Beifall und Hervorruf
ausgezeichnet. In demselben Concerte kamen noch zwei Compo-
sitionen des Meisters zur Aufführung, nämlich zwei Terzette für
Frauenstimmen mit Orchesterbegleitung, „Mondschein nacht" und
„Libellentanz," welch Letzterer wiederholt werden musste.
Dresden. Der Trompeten -Virtuos und Stabstrompeter im kgl.
sächsischen Garde-Reiterregimeet, Friedrich Wagner, hat für
seine Mitwirkung bei dem vor einem Jahre in Petersburg statt-
gefundenen Concerte für die Invaliden und für seine der russischen
Militärmusik gewidmeten vortrefflichen Compositionen vom Kaiser
von Russland einen kostbaren Brillantring, begleitet von einem huld-
vollen Schreiben, zugesendet erhalten.
Brüssel. Im 8. populären Concerte des Herrn Samuel wird
A. Rubinstein auftreten.
— L. Brassin hat am 28. Februar seine 2. Soiree gegeben
und die 1. Sonate von Schubert, Variationen von Brahms, Sonate
Op. 90 von Beethoven, „Kreisleriana" von Schumann, endlich Ber~
ceuse und die 8. Polonaise von Chopin mit bekannter Meisterschaft
vorgetragen.
Utrecht. Im 2. Concert des „Collegium Musicum Ultrajec-
tinum," am 25. Februar, wurde als Hauptwerk Abert's Columbus-
Sinfonie aufgeführt. Auch hier, wie überall, hat das interessante
Werk eine sehr beifällige Aufnahme gefunden.
Paris. Rossini hat den ihn treffenden Autorenantheil .bei
der 500. Aufführung seines „Teil" dem Pensionsfonds des Opern»
Personals überlassen.
— Das Thedtre lyrique wird am 2. März zum ersten Male
Vorstellung im Saale der italienischen Oper geben.
— Dieser Tage gab Hr. Bussmeyer, ein sehr talentvoller
Pianist, eine Soiree im Saale Pleyel und trug eigene und andere
Compositionen in einer Weise vor, welche ihm den ungetheilten
Beifall des Publikums und die ehrendste Anerkennung der Musik-
kenner erwarb.
— Hr. B agier, der Director der italienischen Oper, hat vom
König von Italien den Orden des heiligen Lazarus und Mauritius
erhalten.
— Im ersten Tuillerien-Concert werden die Sängerinnen Mll.
Nilsson, Cabel, Marie Boze, die Sänger Capoul und Cro-
8 1 i und die Violinvirtuosin Frau Normann-Neruda mitwirken.
— Im 8. Conservatoriums- Concert, welches ganz dasselbe Pro-
gramm wie das vorhergehende hatte, musste abermals der Pilger-
chor aus dem „Tannhäuser 1 ' wiederholt werden.
— Der Tenorist Montaubry hat seinen noch bis zum Jahre
1870 gültigen Contract an der komischen Oper im Eiriver-
ständniss mit der Direction gelöst und eine Entschädigungssumme
von 30,000 Frcs. erhalten. Montaubry war seit Dezember 1858 Mit-
glied der genannten Bühne.
— Der letzte Opernball hat eine Einnahme von 20,600 Frcs.
ergeben.
— Das Programm des 18. populären Concertes des Hrn. Pas-
deloup enthielt folgende Werke: Jupitersinfonie von Mozart;
Nationalhymne mit Variationen von H a y d n, von sämmtlichen
Streichinstrumenten ausgeführt; Hebriden - Ouvertüre von Men-
delssohn; das 8. Violinconcert von Spohr, vorgetragen von
Frau Norman -Neruda; der 2. Theil von Berlioz's „Romeo
und Julie."
Pest. Die Piano-Dioskuren, Willy und Louis Thern
sind nach ihren langen und von ehrenvollen Erfolgen begleiteten
Kunstreisen iu Deutschland, Holland, Frankreich und England wie-
der in ihrer Heimath eingetroffen und in Pest mit ausserordent-
lichem Beifall aufgetreten.
*** Auber's neueste Oper. Das Sujet der mit so grossem
Erfolge aufgeführten und schon mehrfach wiederholten Oper: n üh
jour de bonheur" ist in Kürze Folgendes: Gas ton von Mail-
lepre ist ein junger, hübscher, tapferer Officier, aber er ist auch,
was man so nennt, ein Pechvogel; nichts will ihm gelingen, oder
wenn ihm zufällig etwas gelingt, so ist gewiss ein neues Unglück
im Anzüge. So passirt es ihm, als er das wohlverdiente Obersten-
patent erhält, dass sein bester Freund, welcher durch Anciennität
ein näheres Anrecht auf jene Beförderung zu haben glaubt, ihn der
Iutrigue beschuldigt und zum Duell herausfordert. Ein Cousin
bringt ihm die Nachricht, dass er eine unerwartete Erbschaft gemacht
habe, die ihm aber zwanzig Processe von Seiten der Familie auf
den Hals laden wird. Er ist verliebt in eine junge reizende Dame,
welche er in London zufällig begegnet hat und die er nun nicht
— 40
wieder finden, aber auch nicht vergessen kann. Durch Zufall sieht
er sie in Indien wieder, wo nämlich Oberhaupt die ganze Handlung
in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, während Dupleix noch
dem Vordringen der englischen Herrschaft wiedersteht, sich abspielt.
Die lange Ersehnte ist die Tochter des Gouverneurs von Madras
und wird bei einem Ausflöge mit ihrem Bräutigam, Sir Joh n Litt-
1 e p o o 1, von den französischen Vorposten gefangen genommen. Ga-
ston lässt sie voll Galanterie in Freiheit setzen , kann aber nicht
dasselbe für Sir John thun und die Angebetete zerschmettert ihn
mit ihrem Zornausbruche.
Der 2. Act spielt in Madras, im Palais des Gouverneurs. Gaston
von Maillepr& ist bei einer zu weit ausgedehnten Recognoscirung
von den Engländern gefangen genommen worden und befindet sich
in Madras; da erfährt man, dass John Littlepool von den Franzosen
zum Tode verurtheilt wurde, weil man ihn überraschte, wie er ihre
Fortificationen abzeichnete und nun erfordert es das Gesetz der
Repressalien, dass auch Gaston in Madras füsillirt werde. Die Tbeil-
nahme für ihn ist in seiner ganzen Umgebung eine grosse. Der
zurückgesetzte Freund , mit dem er sich einst schlagen musste und
sein processsüchtiger Cousin befinden sich zufällig in Madras, beide
von dem französischen General mit wichtigen Aufträgen dahin ge-
schickt. Beide sind gerührt von Gaston's Schicksal, entschuldigen
sich bei ihm und drücken ihm die Hand, während dieser nicht weiss,
wie ihm geschieht. Seine Ueberraschung und seine Freude erreichen ■
aber ihren Gipfel , als er sieht, dass Lady Helena sich für ihn in-
teressirt und als diese auf sein Drängen ihm gesteht, sie hätte ihn
lieben können, wenn das Schicksal es erlaubt hätte. Allein jetzt
erst theilt man ihm sein schreckliches Verhängniss mit und er er-
kennt seinen gewohnten Unstern. Als ein echter französischer Edel-
mann geht er aber seinem Schicksale muthig entgegen; er will seine
letzte Nacht auf dem Balle zubringen und ist durch seine Lebhaf-
tigkeit und seinen galanten Humor der König des Festes.
Im letzten Acte findet Alles eine gluckliche Lösung. Sir John
erscheint persönlich iu Madras; der französische Commandant, wel-
cher ihn zu dumm fand für einen Spion, liess ihn auf sein Ehren-
wort gehen unter der Bedingung, dass er Gaston de Mallepre unver-
sehrt in das französische Lager zurückbringe. Allein dieser ist jetzt
zu verliebt und will nicht fort, weon nicht Helena sich mit ihm
vermählt und so ihre süssen Geständnisse vom vorigen Tage zur
Wahrheit macht. Sir John ist zu sehr daran gelegen, sich von dem
französischen General loszumachen, als dass er nicht seiner Cousine
gestattet hätte, sich von ihm loszusagen; er drängte sie die Hand
Gaston's anzunehmen , welcher dann endlich seinen „ersten glück-
lichen Tag" begrüsst.
*** Die „Elberfelder Zeitung" vom 18. enthält folgendes recht
treffende Urtheil über Anton Rubinstein: „Vorab müssen wir
constatiren, dass unser Elberfelder Publicum dem berühmten Künst-
ler nicht so enthusiastische Ovationen dargebracht bat, wie sie dem-
selben anderwärts — in Paris, London. Petersburg, etc. vor Jahren
schon, und in jüngster Zeit in unserer Nachbarschaft, Cöln und Düs-
seldorf -— zu Tbeil geworden sind. Der Applaus, der den einzelnen
Stücken folgte, war sehr lebhaft, aber nicht stürmisch, das Audito-
rium befriedigt, erstaunt, aber nicht hingerissen. Wir werden nicht
irre gehen, wenn wir die Erklärung für diese verhältnissmässig ziem-
lich kühle Aufnahme zunächst in dem wirklich sehr langen Program-
me und ferner in dem Umstände suchen, dass noch vor Kurzem ein
anderer bedeutender Virtuose, Taus ig, hier öffentlich gespielt hat.
Da liegt es nahe, Vergleiche zu ziehen, die Vorzüge dieses und
jenes abzuwägen und aneinander zu halten und neben diesen ver-
gleichenden Studien will der Enthusiasmus nicht aufkommen. Ru-
binstein braucht allerdings keinen Vergleich zu scheuen ; nennt
man die besten Namen, so wird auch der seine genannt, und mit
vollem Rechte. Es ist richtig, dass Tausig und Bülow Eigenschaf-
ten besitzen, die ihm abgehen; die Technik ist bei jenen vielleicht
noch vollendeter, die Herrschaft über das Instrument noch absoluter
während es bei Rubinsteiu allerdings vorkommen kann, dass die
Leidenschaft mit ihm durchgeht und die Finger momentan den Ge-
horsam aufsagen. Rubinstein's Tongemälde sind in grossen Zügen
gemalte Charakterbilder, erfüllt von Geist und feurigem Leben —
um den Charakter vor Allem ist's ihm zu thun und wenig küramerts
ihn, wenn ein geringfügiges Detail verzeichnet ist.
*** Frl. Lucca ist von Petersburg nach Berlin zurück-
gekehrt, beladen mit unzähligen Lorbeeren, 25,000 Silberrubeln und!
vielen Geschenken. Dass man in Russlaud mit letzterem nicht
geizt, beweist auch das Benefiz der Tänzerin Granzow, welches
der graciösen Künstlerin ausser einer reichlichen Baareinnahme un-
ter auderen Geschenken ein mit Brillanten geschmücktes Diadem
im Werthe von 1800 Rubel, ein Bracelet, 300 Rubel werth und
einen goldenen Kranz in einem grossen silbernen Behälter eintrug.
*** Den überaus günstigen Berichten der Berliner Musik-
Zeitung über Langert's Oper „Die Fabier" tritt eine Kritik
in den „Signalen" in höchst schroff absprechender Weise entgegen.
Vor Allem wird die Verarbeitung der Freitag'schen Dichtung
durch G. v. Meyern bitter getadelt und es werden Proben der
Versificirung aus dem Operntexte angeführt, die freilich wunderlich
genug lauten. So heisst es im ersten Chor der Fabier:
„Die Fabier hoch!
Die Wölfe, ja so heissen wir
Und unsere Feinde beissen wir."
Der Consul singt einmal:
„Vom ganzen Fabierhaus
Lade bei ihrer Pflicht
Die Häupter vor Gericht !
Auch Quint und Marc don Sohn.
Sahst du ihn schon?"
Hierauf antwortet Sisenna:
„Herr, Marcus Lagerstatt ist leer,
Und am Gewand klebt Blut umher."
Es gibt dort Verse wie:
„Rette den Quint —
Leb wohl mein Kind."
oder: „Sieh, liebe Tochter, bist du da?
Nimm den Tribunen — Fabia."
und es sollen dies noch nicht die schlechtesten sein. Auch über
Langert's Musik wird aber am genannten Orte erbarmungslos der
Stab gebrochen und es wird daher abzuwarten sein, ob „die Fabier"
sich auf dem Berliner Repertoir behaupten und welche Aufnahme
das Werk bei der Aufführung auf anderen Bühnen finden wird.
*** Der Componist Felix Dräseke ist von Lausanne, wo er
als Lehrer thätig war, nach München, dem Eldorado der Zukunfts-
musiker, übergesiedelt.
%* Der Componist und Mustkdirector Dr. J. M u ck in Würz-
burg hat vom Grossherzog von Hessen für die Dedication seiner
in Darmstadt aufgeführten Oper „Die Nazarener in Pompeji" daa
Ritterkreuz des Philippordens erhalten.
*** Nie mann musste an die Dresdener Hofbühne zur
Sühne für seinen Contractbruch eine Strafe von 4000 Thlrn. bezah-
len und bleibt ihm ausserdem diese Bühne für alle Zeiten ver-
schlossen.
*** In Folge der Pensionirung des Generalmusikdirectors Fr.
Lachner in München hat man die Direction der Acadeniiecon-
certe Hans von Bülow angeboten , welcher dieselbe jedoch mit
dem Hofcapellmeister Fr. Wüllner theilen will.
*** Frau v. Voggenhuber ist nach ihrem von günstigem
Erfolge begleiteten Gastspiele am k. Opernhause in Berlin enga-
girt worden.
*„* Die Quartettisten Gebrüder Müller, bekanntlich jetzt in
R o s t o ck domicilirend , haben sich für ihre nächste Concerttour,,
da ihr erster Violinist durch seine jetzige Stellung in Rostock fest-
gehalten ist, mit dem rühmlichst bekannten Virtuosen Leopold
A u e r verbunden.
Briefkasten. Herr C. F. in Berliu : Warum dieses lange
Schweigen ?
Zur Beachtung.
In Folge der seit HTeujahr eingetretenen
PortoermfUsigung bitten wir alle Anzeigen
und Beiträge für unsere IWiigikzeltiing fran-
klrt einzusenden«
JB. SchoM's »ohne.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
if °; MM.
16. März 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
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1-Ä
4
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
von
B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
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^ Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. JL*
f PREIS:
! fl.2. 42kr.od.Th.l.l8Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.;15 Sgr. per Quartal.
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INHALT: Neue Vocalmusik. — Corresp.: Berlin. Wien. Stuttgart. München. — Nachrichten.
Neue Vocalmusik.
1. Fünf Gesänge für Männerchor von W. E. Becker,
Op. 29. Obschon wir die noch immer so sehr reichhaltige Männer-
gesangsliteratur sonst nicht in den Rahmen unserer ohnehin selte-
nen kritischen Excurse ziehen, so machen wir vorliegenden Liedern
gegenüber doch gerne eine Ausnahme, da sie nicht nur fast alle
frisch erfunden und sangbar gehalten, sondern auch correct gear-
beitet und verständig declamirt sind. Am wenigsten glücklich scheint
uns das Bierlied Nr. 4 gegriffen, wogegen aus dem Weinlied Nr. 3
ein ganz anderer Zug haucht. Nr. 2 ist ein köstliches Ständchen
(das As im 2. Tenor, 4. Zeile ist natürlich ein Druckfehler) ; durch
harmonische Kraft wirken Nr. 1 and 5; alle sind sie aber, in den
Augen vieler Dirigenten heutzutage ein Hauptvorzug, sehr leicht zu
Studiren und einer günstigen Wirkung sicher, weshalb wir sie als Pro-
ben einer neuerdings in die populäre Männergesangliteratur gekom-
menen geschmackvolleren Richtung lebhaft empfehlen. Wenn wir
uns aber freuen, dass dort die behagliche Plattheit und das gedan-
kenlose Fortfristen von einem Gemeinplatze zum andern wieder sel-
tener werden, so wünschen wir diese noch weniger auf dem bisher
immer intakt erhaltenen Felde des gemischten Chores Terrain ge-
winnen zu sehen, und sind deshalb der Nummer
2. Das Stiftungsfest, für gemischten Chor, Soli und Piano-
forte von Jul. Otto gegenüber in arger Verlegenheit, weil uns die Ver-
bindung dieses hochgeschätzten Namens mit obigen Uebeln durchaus
nicht in den Kopf will. In mehreren Tableauz: Versammlung, Probe,
Gondelfahrt, Ankunft, Coucert — für sich selbst schon eine gehörig
lange Frühlings-Cantate mit „Sturm" nnd sonstigen Bequemlichkei-
ten; Erholung im Freien, Ball, Abschied, Heimfahrt und nochmals
Abschied, wird da eine Masse Musik , die noch dazu pompös und
interessant sein soll, zum Besten gegeben; die guten Leutchen sin-
gen bei jedem Anlasse gleich wieder ein ganzes Lied, nnd alles in
der gleichen farblosen Leyer; in einem langen, humoristisch sein
sollenden Wechselgesange echauffiren sich die Männer zu Gunsten
des Bieres, die Frauen zu Gunsten des Caffees (in den Noten
C a f | f e!); auch die Tanzmelodien sind nicht weniger trocken
und nüchtern. Aber die trostlose Oede des Gedichts konnte selbst
auf einen frischen Geist erlahmend wirken ; solch ein „Libretto"
durfte der Coroponist gar nicht wählen, ohne Gefahr zu laufen,
Mitschuldiger an dem Gebräu eines musikalischen „Blümchencafes"
zu werden. Und doch ist bei der verhältnismässigen Seltenheit
begleitungsfähiger Orchester, bei der Unzulänglichkeit des zwei-
händigen Arrangements nnd bei der unausweichlichen Monotonie
des ausschliesslichen ä capella - Singens das Bedürfniss nach pas-
senden Chorsachen mit obligater Ciavierbegleitung unläugbar vor-
handen ; nur gleite man nicht ab von dem edlen, durch Schubert'sche
und Schnmann'sche Schöpfungen vorgezeichneten Pfade.
3. Fünf Lieder für Sopran, Alt, Tenor und Bass, componirt
von W. S p e i d e 1 , Op. 27. — Hier athmen wir freudig auf und
begrüssen den als Sänger kräftiger Männerchöre schon wohlbekann-
ten Tonsetzer auch auf dem Felde des gemischten Chores als Spen-
der gelungenster Erstlingsgaben. Schon die Wahl der Gedichte
zeigt feinen Sinn für die hieher passende Poesie, und die musika-
lische Einkleidung verräth in jedem Tacte den nicht nur klar den-
kenden, sondern auch warm empfindenden Tonmeister. Durch
Sangbarkeit und innige Melodie empfehlen sich Nr. 1 „Aufgeblüht"
und Nr. 4 „Es haben zwei Blümlein geblühet;" Nr. 3 „Rausche,
rausche froher Bach" ist köstlich frisch in seiner charakteristischen
Stimmführung; endlich Nr. 2 „Schön Rohtraut" und Nr. 6 „Früh-
lingsahnung" sind prächtig klingende , rhythmisch und harmonisch
interessant gearbeitete Stücke, welche gewiss überall gern gesungen
und gehört werden. An diesem trefflichen Opus sehen wir aber-
mals, dass nicht alles Gute zugleich schwer und nicht alles Leichte
zugleich seicht sein müsse, worauf sich so Mancher hinausredet,
sondern dass es bei der gehörigen Begabung und Kenntniss nur
noch der künstlerischen Gesinnung und des guten Willens bedarf,
um Gediegenheit des Inhalts und der Form mit Leichtigkeit der
Auffassung und Ausführung zu vereinigen.
COHRESPONDENZEN.
V»
Aus Berlin.
Aus dem verflossenen Januar d. J* ist in Bezug auf nennens-
werte eigentliche „Concerte" kaum etwas zu vermelden, denn die
stattgehabten Wohlthätigkeits-Concerte fallen als Compromiss zwi-
schen der Hartherzigkeit und dem Hange zum Vergnügen und
wiederum zwischen diesem und der gelegentlichen Harthörigkeit
mehr unter psychologische als unter künstlerische Gesichtspunkte
etc. etc. Indem ich mir daher vorbehalte , später die wichtigeren
Aufführungen für Chor und Orchester summarisch zu registriren,
wende ich mich zu den Concerten des Monats Februar.
Der 1. Februar brachte das sechste philharmonische Concert,
das erste des zweiten Cyclus, mit welchem leider auch B. S cb o 1 z
vom Kunstsinn an den „Wohlthätigkeitssinn" appelliren musste ;
leider — denn wie gross die Noth der Ostpreussen auch sei, es ist
die andere Seite der Sache, dass es ungerecht ist, wenn der Künst-
ler, statt wie andere Leute nach Kräften Geld beizusteuern , seine
oft genug mit jahrelangem Fleiss zu Stande gebrachte allerpersön-
lichste Leistung in den Dienst der Noth stellen muss. Die Be-
setzung des Orchesters verrieth denn auch diesmal Sparsamkeits-
rücksichten, und das Publikum, durch Nothconcerte vielfach zertheilt,
war nicht eben zahlreich erschienen.
Die orchestrale Leistung des Abends war ihrerseits durchaus
musterhaft und erreichte unter B. Scholz' Direction ihren Höhepunkt
in der Kamärinskaja von Glinka, bei welcher die dünne Besetzung
der Transparenz des Vortrages, wie dieses feingliedrige, durchweg;
geistreich gearbeitete Stück sie erfordert, eher noch zu Statten kam.
Capellmeister Vierling dirigirte seine „Ouvertüre zur Her-
mannsschlacht" selber. Die Vorzüge des Werkes bestehen meine»
- 42 -
Dafürhaltens in der Styleinheit, der Tüchtigkeit der Factor, der
Positivität des Ausdrucks, die nirgends an jenen Jeanpaulinismus
der Harmonik anstreift, wie man ihn hei Baff z. B. oft genug vor-
findet ; andererseits schien es die Mängel so mancher Schlachten-
gemälde an sich zu tragen, eine gewisse Monotonie des Eindrucks,
hervorgeh rächt in diesem Falle durch eine mehr massenweise grup-
pirende , als geistvoll mannigfaltige Benutzung der orchestralen
Kräfte: wenn ja die Rechtfertigung dafür in der Art des Vorwurfs
gesucht werden soll, so wäre zu erwidern , dass dann ehen dieser
nicht gut war, meine unmaassgebliche MeinuDg dagegen ist, er ge-
rathe wie alle diejenigen , welche so zu sagen eine starke Pression
auf die Einbildungskraft ausüben, öfter in der Hand des Genius
als des Taleutes.
Ein aus dem Grabe erweckter Trauermarsch von Mendelssohn,
der das Concert traurig eröffnete, erweckte indessen überhaupt kaum
irgend eine höhere Vorstellung, als die einer anstandsvollen Hof-
und Gallatrauer etwa um einen liebenswürdigen Monarchen, statt
dessen er jedoch riskirt, sich selber zu Grabe zu singen.
Mit der bisher noch wenig gekannten Romanze aus F-dur von
Beethoven und dem E-moll - Concert von Mendelssohn trat Herr
Jean de Graan hierselbst als Geiger auf. Keine künstlerische
Persönlichkeit, wie sie aus seinem Vortrage dem Referent entgegen-
trat, machte vorwiegend den Eindruck der elegischen Anmuth, die
in einzelnen Zügen, manchmal an ganz unscheinbaren Stellen, beson-
ders sympathisch wirkte und der ganzen Leistung dies für die
Oeffentlichkeit erforderliche individuelle Recht verlieh , wenn es
auch noch nicht das der Eroberung war; immerhin aber sollte so
viel Talent mit mehr Selbstvertrauen auftreten, wobei die gelegent-
lichen Mängel der Intonation dann wohl wegbleiben würden, die-
selben zeigten sich nämlich gerade an leichten Stellen, die den
Spieler nicht lebhaft engagirten.
Hr. Jul. Stock hausen sang von Schubert „Greisengesang"
und „Geheimes, a und die Scene des Lysiart aus Weber's „Euryanthe."
Während der Sänger offenbar mit diesem letzten Vortrage ein Gebiet
betreten hatte, auf welches die Natur oder seine gegenwärtige Kraft
ihn nicht verweisen, waren jene Lieder ein wahres Kleinod für die
Liebhaber der Lyrik, und hätte man nicht das Experiment gemacht,
die Ciavierbegleitung zu instrumentiren , so wären sie ein völlig
reiner Genuas für den Kenner gewesen. Auch so indessen bieten
sie unzweifelhaft den höchsten Genuss unter den Nummern des
Programms. In Betreff des Greisengesanges ist noch besonders zu'
bemerken, wie interessant das Stück den Beweis führt , dass selbst
ein philosophischer Text, Zeilen wie „schleuss' ihn aus, den rauhen
Odem der Wirklichkeit" einer musikalischen Wiedergabe fähig
sind, die den Gedankenwerth desselben zur vollsten Geltung bringt,
man wird unwillkürlich an die Meinung Arthur Schopenhauers er-
innert, dass Musik klingende Philosophie sei. — Wie viel Gedan-
ken Hessen sich vielleicht an dieses eine Lied knüpfen ! —
(Schluss folgt.)
Aus W i e 11.
(Philharmonische Concerte. — Florentiner üuartett)
Am ersten März fand bereits das letzte philharmonische
Concert der gegenwärtigen Saison statt. Die Philharmoniker (Or-
chester-Mitglieder des Hofopern-Theaters) geben nun seit 1860 jähr-
lich acht Concerte in zwei Cyclus. Dieselben werden an Sonntag-
Mittagen im Hofoperntheater unter Leitung Otto Dessoffs abge-
halten und erfreuen sich einer bis jetzt stets gleichbleibenden Beliebt-
heit; ja, es hält für neueintretende Abonnenten überhaupt schwer,
in den Besitz eines Sperrsitzes zu gelangen. Die Aufführungen lassen
im Allgemeinen wenig zu wünschen übrig ; alle einzelnen Instrumente
sind vortrefflich besetzt, obenan bei der Violine Concertmeister Jos.
Hellmesberger, den nur zeitweise der Eifer allzusehr fortreisst
und dem der Dirigent nur allzuwillig nachgibt, wodurch manche
Orchestersätze überstürzt werden und an Deutlichkeit und Klang-
wirkung verlieren. Die Zusammenstellung der Programme lässt na-
mentlich in letzterer Zeit eine planmässige Anordnung vermissen,
sowohl in der Gesaramtsurame des Gebotenen als in der Auswahl
der einzelnen Concerte. An Novitäten ist entschieden Mangel ; man
hilft sich häufig mit bequemer Benutzung wiederholt vorgeführter
Meisterwerke, und deukt mit gewichtigen Autor-Namen allzudrängen-
den Wünschen die Spitze abzubrechen. Ganz unpassend ist der in
letzterer Zeit wiederholte Versuch, Liedervorträge mit Ciavierbeglei-
tung einzuschmuggeln, womit der ganze Standpunkt dieser Concerte
verrückt, und die Zeitdauer derselbon unnötigerweise über die Ge-
bühr ausgedehnt wird. Es ist ferner zu bedauern, dass man nicht
zuweilen Scenen, Ensemblestücke, Finale's aus solchen Opern vor-
führt, die wohl als Ganzes für heutzutage nicht geeignet sind, aber
doch so manche Schätze enthalten, die der jetzigen Generation ge-
rade als Novität erscheinen müssten. In den ersten vier Concerteo
(Cyclus I.) kamen an Ouvertüren zur Aufführung: Anacreon, Geno-
veva, die neu erschienene C-dur von Mendelssohn, Coriolan und
Schuberts Alfonso und Estrella. Mendelssohn^ Ouvertüre, 1826 com-
ponirt, ist freilich seinen übrigen derartigen Werken nachstehend,
bleibt aber doch interessant genug, ein weiteres Zeichen seines Bil-
dungsganges kennen zu lernen. Warum man hier nicht dessen
Reformations-Siofonie gebracht, nachdem sie nun in London fünf-
mal gehört wurde, ist unerklärlich. Die aufgeführten Sinfonien waren '•
Mendelssohn A-dur, Beethoven C-moll, Volkmann B - dur,
Haydn B-dur, Mozart D-dur (ohne Menuett) und Schumann
D-moll. Volkmann's Sinfonie war hier schon in den Zöglingscon-
certen des Conservatorium's gespielt worden — ein knapp gehaltenes,
tüchtig instrumentirtes Werk mit reizendem Scherzo. Anton Ru-
binstein spielte sein zweites Clavierconcert mit vielem Beifall. Sein
Namensvetter Josef, noch vor kurzem Zögling des hiesigen Conser-
vatorium's zeigte einen hübscheu Grad von Fertigkeit mit Schuberts
Fautasie Op. 15, von Liszt instrumentirt. Neu war ein gefällig instru-
mentirtes Notturno von Kässmayer, Orchester-Mitglied der Oper,
einem besonders auf dem Felde der komischen Oper glücklichen
Componisten. Den meisten Erfolg hatte eigentlich das wahrhaft
vollendet vorgetragene kernige Concert für Streichinstrumente von
Händel. — Im zweiten Cyclus wurden an Ouvertüren aufgeführt:
Festouvertüre von Beethoven, Melusine, Athalia, und Sommer-
nachtstraum (von letzterem auch Scherzo , Notturno und Hochzeits-
marsch) von Mendelssohn. Auch die vollendete Aufführung
dieses Scherzo verdient besondere Erwähnung. Von Sinfonien wur-
den gewählt: Beethoven Nr. 3 und 7, Haydn B-dur, Rhein-
berger's „Wallenstein" und Lachner's Suite E-raoll. Haydn
gefiel zwar sehr und musste der letzte Satz wiederholt werden; es
wäre aber wohl zu wünschen, dass man sich nicht immer an seine
letzten Sinfonien hielte. Es gibt aus der mittleren Periode des
Meisters so manche wenn auch kürzere Sinfonie, welche der Jetzt-
zeit total fremd ist und an Werth seinen späteren durchaus nicht
nachsteht. Rheinberger's „Wallenstein" fand aufmunternden Beifall,
obwohl man Compositionen dieser Art mit gewissem Misstrauen ent-
gegen kommt. Jedenfalls darf man aus dieser Feder noch Bedeuten-
des erwarten. Lachner's Suite fand auch diesmal ein sehr empfäng-
liches Publikum. Die sichere solide und kunstgemässe Behandlung
der jedesmaligen Aufgabe in Lachner's Werken ist eine wahre Schule
für jeden Kunstjünger. Mozart 1 « Serenade, componirt 1776 zur
Vermählung der Elise Haffner in Salzburg (Köchel's Moz. Cat. 250)
war hier neu (nach 92 Jahren ! !). Nicht alles wurde davon aufge-
führt, aber das Gehörte zeigte eine frische, sprudelnde Erfindungs-
gabe, einen Liebreiz, wie er eben nur bei Mozart zu finden ist. Nur
ein Concertstück, Chopin Fis-moll, wurde aufgeführt, womit sich
Frl. Anna Mehlig aus Stuttgart hier vortheilhhft bekannt machte.
Klarer Vortrag, vollendete Technik, voller saftiger Anschlag ver-
einigen sich hier zu einem schönen Ganzen. Wie im ersten Cyclus
eine Arie aus Spohr's; „Faust," von Frau Wilt mit verständiger
Auffassung aber kalt vorgetragen , brachte auch der zweite Cyclus
eine Arie von Mozart mit obligater Violine (Hellmesberger) aus
„e7 re pastore, u gesungen von Frl. Asminda Ubrich aus Han-
nover. Sie besitzt eine klangvolle Stimme, massvollen etwas sehr
behäbigen Vortrag, hübschen Triller. Ihr Liedervortrag konnte nicht
erwärmen. Im ersten Cyclus hatte sich der Hofopernsänger Walter
wieder als vortrefflicher Liedersänger bewährt ; aber nochmals: Keine
Lieder im philharmonischen Concert. Hofopern-Capellmeister Des-
soff hat sich durch die umsichtige Führung dieser Concerte seit
1860 verdient gemacht, wenn sich auch in manchem Einzelnen eine
andere Auffassung denken lässt. —
43 —
Das Florentiner Quartett hat nun vierConcerte gegeben-
War der erste Abend sehr schwach besucht, litt der vierte bereits
an Ueberfülle ; der Beifall ist kaum zu überbieten. Die wackeren
Künstler kündigen ihr fünftes Concert an und es wäre nicht zu
verwundern, wenn sie zum Abschied den grossen Redoutensaal
wählen würden. Das exacte Zusammenspiel, die klare Auffassung,
die gesunde niemals kränkelnde Wiedergabe der einzelnen Autoren,
je nach ihrem verschiedenen Character, nimmt Laien und Kunst-
Verständige gefangen, höchstens dass man namentlich in den mittleren
Stimmen ein etwas stärker betontes Hervortreten einzelner Gesang-
stellen vermisst. Ein guter Theil des ungewöhnlichen Erfolgs ist
freilich den Instrumenten zuzuschreiben , deren sich die Künstler
bedienen. Dem Wohllaut dieses Zusammenklingens eines Guar-
neri, Aroati und Maggini ist nicht zu widerstehen und selbst
beim stärksten Forte weiss das Quartett die Klangwirkung zu wahren.
Die bis jetzt aufgeführten Quartette waren: HaydnG-moll, Schu-
bert D-moll und G-durOp. 161; Mozart B-dur Nr. 6, Schumann
A-dur, Mendelssohn E-moll und die letzten Quartette Beetho-
vens Op, 130-135. Ausserdem wurden noch aufgeführt: Schu-
ni a n n's Ciavier - Quintett Es-dur (von Frl. Anna Mehlig vortefflich
gespielt), Sonate von Lust, Serenade von Haydn (aus einem seiner
frühesten Quartette) und Scherzo auB einem C h e r u b i n i'schen Quar-
tett. Es wäre schwer, einer dieser Productionen den Vorzug zu geben.
Naivetät und Lieblichkeit, Romantik und höchster Pathos gehen Hand
in Hand. Dass jedoch die Krone der Leistungen in den Quartetten
Beethoven's gipfelt, ist durch die riesige Aufgabe selbst bedingt.
Im Interesse des Quartetts wäre für die ferneren Abende jede Aus-
schliessung des Claviers zu wünschen, denn nur im Zusammenwirken
dieses vortrefflichen Quartetts beruht ihre Stärke.
ins m ii ti c li e n.
10. Mfirz 1868.
In unserem hiesigen musikalischen Leben ist durch den Tod
des Königs Ludwig I. eine grosse Generalpause eingetreten: die
ganze Stadt ist zu einem chaotischen Schweigen verurtheilt und die
anbefohlene Landestrauer duldet selbst die unschuldigen Soireen in
der Westendhalle oder beim Oberpollinger nicht. Das Hoftheater
benützt die so gegebene Müsse zu fleissigem Studium und die Pro-
ben zu Wagner's „Meistersingern" beschäftigen das Personal. Mit
der Oper „Armida soll am 15. März das Theater wieder eröffnet
werden, nachdem es gerade 14 Tage geschlossen war. Unterdessen
ist Frl. Mallinger, unsere Primadonna, von ihrem Gastspiel in
Nord- und Nordwestdeutschland, an Ehren reicher, wieder zurück-
gekommen. Frl. Stehle dagegen reiste dieser Tage von hier ab,
zunächst nach Mainz und wahrscheinlich werden diese Zeilen sie in
der alten Mainstadt treffen; wir wünschen ihr dort dieselbe herz-
liche Aufnahme, deren sie sich hier als das Lieblingskind des Hau-
ses bei ihrem jedesmaligen Auftreten zu erfreuen hat.
Das letzte musikalische Werk von Bedeutung , welches die
Hofbühne zur Aufführung brachte, war Schumann's Musik zu „Man-
fred." Es war ein Versuch, das Drama mit dieser Musik dem Re-
pertoire einverleiben zu können, der aber ähnlich wie ein früherer
in Weimar nicht von bestem Erfolg begleitet war. Dieses Byron'sche
Trauerspiel entzieht sich ein für allemal der Aufführung, es ist
nicht für die Bühne geschrieben und langweilt durch seinen Inhalt
ebenso wie durch seine Form. Wir haben hier nicht die Aufgabe,
uns über das Stück selbst weiter auszulassen, seine Mängel nach-
zuweisen und seine Schönheiten zu beleuchten: das gehört in ein
anderes Gebiet, das die Süddeutsche Musikzeitung nicht vertritt.
Die Aufführung geschah hauptsächlich der Schumann'schen Musik
zuliebe, um diese gewissermassen an Ort und Stelle zu hören und
in ihrem Zusammenhang verstehen zu lernen. Um den Componi-
steu besser würdigen zu können, wurde also der Dichter prostituirt.
Schumann's Coraposition trat nun allerdings viel verständlicher in
kräftigerem Colorit vor die Zuhörer und die hinreissende Poesie
dieser Tongemälde, in welchen Manfred's Seelenleben mit der
Sprache der Töne geschildert ist, machte gewaltigen Eindruck. Die
Darstellung unter Bülow's Leitung war eine musterhafte. Wir
glaubten nur bemerkt zu haben, dass die Ueberfülle homogener
Gedanken, wie sie hier Dichtung und Musik in vollwichtiger Weise
aussprechen, ermüdete, noch mehr aber die Einrichtung der zufolge
in den Zwischenacten Bruchstücke aus sinfonischen Dichtungen
Schumann's aufgeführt wurden und das Publikum den ganzen Abend
über sonst keinen einzigen Ruhepunkt gewann. Bei einer zweiten
Aufführung von Manfred's Byron — viele wird das Drama sicher
nicht erleben — wird es gerathen sein, die Zwischenacte dem Pub-
likum zum Selbstgebrauche zu überlassen.
Das Actientheater, welches in neuerer Zeit zum puren Ex-
perimentirsaal geworden, hat nun seine beiden Capellmeister die HH.
Heber und Krempelsetzer abgedankt und sich in der Person des
ehemaligen Capellmeisters von Augsburg E b e r 1 e den künftigeu Leiter
seiner musikalischen Versuche engagirt. Er figurirte bereits in sei-
ner neuen Würde, indem er jüngst, da das Actientheater mit einem
„Promenadeconcert" gastirte, als Ceremoniar die Sängerinnen dieser
Bühne zu dem Podium geleitete, wo ein dem Theater fremder Capell-
meister ein fremdes Orchester dirigirte. Recht erbaulich mag ihm
dieser Anfang seiner Thätigkeit im Actientheater nicht vorgekommen
sein. — Die erste Novität, in welcher er als Capellmeister figuriren
wird, ist die Grossherzogin von Gerolstein. Diese Offenbach'schen
Buffonaden wurden an dieser Bühne fast alle mehr oder minder so
aufgeführt, dass sie das Publikum von jedem Verlangen nach solcher
Musik gründlich curirt haben. — Auch ein Verdienst! Z.
Aus Stuttgart.
Anfangs März
T. Meinen beutigen Bericht möchte ich mit der Besprechung
eines Mangels eröffnen, welcher sich fast in allen grösseren Städten,
welche häufig von Concertgebern besucht werden, während der
Saison fühlbar macht und von diesen selbst am meisten empfunden
wird. Bei jedem Concert gibt es nämlich neben der künstlerischen
Hauptsache, dass gut gespielt oder gesungen wird, was allein Sorge
des Concertgebers und der übrigen Mitwirkenden sein soll, so viele
kleinliche Nebendinge noch vorher zu erledigen, dass darüber Man-
cher gar nicht mehr recht zum Studiren kommt und wenigstens
viele Mühe hat, die nöthige Ruhe des Geistes zu gewinnen und zu
bewahren. Da ist lang vorher schon das Local für einen gewissen
Abend zu miethen, ist Orchester und sonstige Mitwirkung zu sichern,
das Publikum in der Presse zu avertiren, vielleicht irgend ein cou-
currirendes Hinderniss zu beseitigen u. s. w.; ferner muss das Pro-
gramm orthographisch und grammatikalisch correct stylisirt werden,
in welchem Punkte auch renommirte Künstler noch manchen Schnitzer
liefern, an Journalisten und sonstige Respektspersonen sind Frei-
karten zu couvertiren und rechtzeitig auszusenden , Flügel und an-
dere Instrumente in den Saal zu befördern , der Concertwagen zu
bestellen und Adresse und Zeit der Abholung aufzuschreiben , den
Sängerinnen Bouquets zu senden, Billeteurs aufzustellen, Stimmen
zu entlehnen etc. etc., und das Alles liegt auf dem armen Concert-
geber, der mit gewissenhaftester Umsicht doch nicht verhindern
kann, dass bald eine Sängerin im Ballstaat sich zu Hause mit ver-
geblichem Warten auf den Wagen alterirt und endlich mit selbst-
gemietheter Droschke zu spät und verstimmt anlangt, bald ein Re-
censent einzuladen versäumt wurde, der dann in einem galligen
Artikel das ganze Concert herunterreisst u. s. w. AU dieser Misere
würde vorgebeugt, wenn in solchen, von zahlreichen Concerten heim-
gesuchten Städten nach Pariser Beispiel während der Saison eine
eigene Concertagentur eröffnet würde, deren Leitung am ehe-
sten einem angesehenen Musikalienhändler oder Pianofabrikanten
zustünde, an welche sich fremde, wohl auch einheimische Künstler
mit dem Auftrag, ihnen ein Concert zu machen, wenden könnten.
Gegen eine billige Tantieme würde die Agentur alle jene Formali-
täten so prompt vorbereiten, dass dem Künstler ausser einigen An-
standsbesuchen nichts mehr obläge, als Abends seinen schwarzen
Frack anzuziehen, in den Saal zu fahren, seine Stücke loszulassen
und seinen Reinertrag einzucassiren; was ihm jene Tantieme mehr
kostet, würde ihm durch die umsichtigere, lucrativere Vorbereitung
des Concertes durch die Agentur, welche in Keuntniss aller ob-
schwebenden Verhältnisse, verwendbaren Personen u. s. w. stets
auf dem laufenden wäre, gewiss reichlich hereinkommen. Die
Sache ist sicherlich auch in Deutschland eines Versuches wertb,
— 44 -
und würde ein solcher dadurch, dass der Künstler sich, verschont
mit jenen hässlichen Kleinigkeiten , nnr seinen Vorträgen zu wid-
men hätte und mehr Zeit für Prohen u. dergl. erübrigte, für die
künstlerische Qualität der Concerte selbst nur erspriesslich wirken«
Allerdings ging bisher mancher menschenfreundliche Musikhändlef
den fremden Künstlern uneigennützig mit Rath und That an die
Hand ; aber solche Biedermänner existiren nicht überall, und schliess-
lich gebührt ihnen für ihre Bemühung von Rechtswegen ein ent-
sprechender Gewinntheil.
(Schluss folgt.)
W a e li r i e li t e n,
Mainz. Frl. Stehle vom königl. Hoftheater in Müncheo
wird am 16. d. Mts. auf hiesiger Bühne ein Gastspiel eröffnen
und in „Faust,'" „Teufels Antheil" und „Glöckchen des Eremiten"
auftreten.
München, 13. März. Zur Todtenfeier für den verstorbenen
König Ludwig I. wurden in der Basilika (Bonifaziuskirche , in
welcher nun die irdischen Ueberreste des Verewigten neben denen
seiner Gemalin, Königin Therese beigesetzt sind) am Dienstag
das Cherubini 'sehe Requiem, am Mittwoch das Requiem von
B. S ch o 1 z und am Mittwoch das von E 1 1 von der königl. Hof-
capelle unter Leitung des Hofcapellmeisters Wüllner in vortreff-
licher Weise aufgeführt.
— Die HH. Instrumentallehrer der k. Musikschule geben
unter Leitung des artistischen Directors H. v. Bülow zum Besten
des Unterstützungsvereins für baierische Tonkünstler vier musika-
lische Matineen, von welchen die erste am 15. d. M. im Saale des
ehemaligen Conservatoriums stattfindet.
Trier. Am Freitag den 28. Februar ging hier Meyerbeer's
„Afrikanerin" mit schöner Ausstattung in Scene. Die Oper hatte
guten Erfolg und zeichneten ganz besonders Hr. Rieck (Nelusco)
und Frl. da Ponta (Selica) sich aus. ITr. Becker (Vasco) und
Frl. Stübeke (Inez) waren ebenfalls sehr gute Vertreter ihrer
weniger dankbaren Partien.
Wien. Zu Ehren des hohen neuvermählten Paares, nämlich
der Prinzen Luitpold von Baiern und der Prinzessin Maria Theresia
fand in der kaiserl. Hofburg eiu Hofconcert statt, bei welchem die
k. k. Kammersängerin Frau Gomperz-Bettelheim, die k. k.
Kammersänger Walter und Beck, ein Theil des Männergesang-
vereiÄs und der kaiserl. Hofcapelle mitwirkten. Hofcapellmeister
Herb eck dirigirte.
Paris, 11. März. Bei der gestrigen ersten Aufführung erhielt
die Oper „Hamlet" von Ambroise Thomas in der grossen Oper
nur einen succe's de'stime. Von den Darstellern wurde besonders
Fräulein Nilsson, welche zum erstenmal die Bühne der Rue Le-
pelletier betrat, und der Baritonist F a u r e ausgezeichnet. Die Rollen
waren folgenderweise vertheilt: Hamlet, Hr. Faure; Claudius, Hr.
Belval; Laertes, Hr. Morere; Polonius, Hr. Fröret; Horatio,
Hr. Castelmary; Marcellus, Hr. G r i s y ; der Geist des verstor-
benen Königs, Hr. David; erster Todtengräber, Hr. Gaspard;
zweiter Todtengräber, Hr. Mermant; Gertrude, MU. Gueymard;
Ophelia, Mlle. Nilsson.
— Hr. von B e a u p 1 a n ist an die Stelle des jüngst verstor-
benen Fd. M o n n a i s zum kaiserl. Commissär bei den Operntheatern
und dem Conservatorium ernannt worden. An seine bisherige Stelle
als k. Commissär am Odeon-Theater tritt Hr. AIbe*ric Second.
— Auf dem Programme des letzten Hofconcertes befanden sich
drei Nummern aus der neuen Oper von A u b e r.
— Am 8. März fand das 9. Conservatoriumsconcert mit folgen-
dem Programm statt: Sinfonie in G-moll von Mozart; der 42.
Psalm, von Mendelssohn (zum 1. Male); Clavierconcert in C-dur
von Beethoven, vorgetragen von Mlle. Montigny-Remaury;
Ouvertüre mit Chor aus „Dinora" von Meyerbeer.
— Das 19. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup brachte an
demselben Tage: Sinfonie in B-dur (op. 20) von Niels W. Gade;
Adagio aus dem G-moll-Quintett von Mozart (sämmtliche Streich-
instrumente) ; Pastoral-Siufonie von Beethoven; Gavotte von
&. Bach; Marsch ans „Lohengrin" von R. Wagner.
Brüssel. Das achte und letzte populäre Concert des Hrn.
Samuel fand am 8. März unter der Mitwirkung A. Rubin stein'»
statt, welcher sein D-moll-Concert, und verschiedene Compositionen
von Mozart, Händel, Bach, Liszt etc. vortrug. Ausserdem enthielt
das Programm : Ouvertüre op. 115 von Beethoven; Andantino-
aus der 4. Suite von Fr. L a ch n e r und zwei in Brüssel noch nicht
gehörte Werke, nämlich eine Sinfonie in C«dur von H a y d n und
eine Concert - Ouvertüre von unserm leider zu frühe gestorbenen
Landsmann A. Stadtfeld.
— Das dritte Conservatoriumsconcert findet am 15. März,
statt, und es kommen in demselben zur Aufführung: 3 Stücke aus
einer ungedruckten Suite von Huberti, Sinfonie in D-dur von
Mozart, die Leonoren-Ouvertüre von Beethoven, Adagio und
Finale aus einem Quintett vonFetis, ausgeführt von sämmtlichen
Streichinstrumenten. Hr. Libotton wird ein Concert für Violon-
cell von Goltermann und Hr. Tilborghs einen variirteo
Choral nebst Scherzo von eigener Compositum auf der Orgel vor-
tragen.
Petersburg. Das zahlreiche Publikum, welches die Sommer-
concerte in Oranienbaum so gerne und regelmässig zu besuchen
pflegt, hat mit grosser Befriedigung die Nachricht entgegengenommen,
dass jene Concerte, welche sich stets durch ein gewähltes Programm
und gediegene Ausführung auszeichneten, sowie in den beiden letzten
Jahren, auch diesen Sommer wieder durch Hrn. Musikdirector Laa de
aus Dresden geleitet werden sollen.
*** Die Hofopernsängerin Frl. Deinet in München wird
sich am 30. März in Frankfurt a. M. mit dem Münchener Hofschau-
spieler Possart vermählen. Frl. Deinet's Contract ist auf 6 wei-
tere Jahre verlängert worden, und auch Hr. Possart hat mit der
Hoftheaterintendanz einen neuen Contract auf 10 Jahre mit Pen-
sionsanspruch abgeschlossen.
* m * Der Verein der „Zwanglosen" in Leipzig beabsichtigt
daselbst dem Componisten Felix Mendelssohn-Bar tholdy
wegen seiner Verdieoste um das musikalische Leben in Leipzig ein
Denkmal zu setzen.
*** Amerkanische Blätter erzählen, dass der italienische Te-
norist Scoffino bei der Verlockung der Minen von Massachusets mit
einem einzigen Loose 200,000 Dollars gewonnen habe.
*** In Carlsruhe wird Gounod's „Romeo und Julie" bis
Mitte März zur Aufführung kommen.
*** Eine an Hrn. Generalintendant v. Hülsen in Berlin ab-
gesandte Deputation der Hannoverschen Hofcapelle erhielt
von demselben die erfreuliche Zusicherung, dass er das Gesuch der
genannten Capelle um feste Anstellung ihrer Mitglieder höchsten
Ortes ernstlich befürworten wolle.
*** Nach dem ausserordentlichen Erfolge der neuesten Oper
Auber's in Paris, hatte der Kaiser Napoleon eine längere Unter-
redung mit dem greisen Componisten und sagte zu ihm u. A.:
„Das ist übrigens nicht Ihr erster Glückstag," worauf Auber er-
wiederte: „Nein, Sire, aber der heutige ist mein zweiter."
*#* Bei Verträgen muss man sich die Amerikaner zum Muster
nehmen, die verklausuliren sich so, dass man dem Windwerke ihrer
Paragraphen nicht entkommen, und der „Gebundene" dieser Con-
tractsfesseln sich nicht entledigen kann. Ja, aus einem Privatbriefe
ersehen wir, dass sich solch ein Contrahent selbst bindet, um nur
nicht in die Versuchung zu gerathen, dem Wortlaute seines Vertrages
untreu zu werden. Herr Leopold von Meyer hatte mit dem berühmten
Ciavierfabrikanten Amerikas, Herrn Steinway, den Contract abge-
schlossen, nur auf den Pianos dieses Fabrikanten zu concertiren.
Als er nun nach Boston kam, überhäufte ihn der Concurrent Stein-
way's Herr Chikering, mit Aufmerksamkeiten aller Art, holte ihn
täglich mit seiner Equipage zur Promenade ab und veranstaltete
ihm zu Ehren die glänzendsten Diners. Schliesslich lud er ihn
auch zu einer Soiree, von der er ihm im Vorhinein sagte, die Nota-
bilitäten der Stadt werden derselben beiwohnen. Leopold von Meyer
erschien, aber mit einem schwarz verbundenen Finger, und erzählte
der Gesellschaft, kurz vor seiner Abfahrt zur Soiree habe er das
Unglück gehabt, sich in den Finger zu schneiden und könne darum
nicht spielen. Der Eigentliche aber, der sich „geschnitten" hatte,
war — Chikering. ( s »g-)
Verantw. Red» Ed. Fächer er. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
j**'#*.
23. März 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
V*'
i Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
V • f I t S
von
£££2£££ B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Ämtern, Musik- & Buchhand
*
*-i/-
lungen.
"V-fc
Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co.
PREIS:
fl. 2. 42 kr. od.Th.l. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen: \
50 kr. od.|15 Sgr. per Quartal. *
INHALT: An die Gesangvereine der Stadt Cöln. — Corresp.: Berlin. Stuttgart. CÖln. Paris. — Nachrichten.
Der Redaction dieses Blattes geben beute durch Freundes Hand
folgende beiden Schreiben zu, mit dem Ersuchen, denselben durch
Veröffentlichung in unserem Blatte eine weitere Verbreitung zu geben.
Central-Comite* des nordamerikanischen Sängerbundes.
Chicago, 5. Januar 1868.
An die Gesangvereine der Stadt Cöln.
Sehr geehrte Herren!
Aus dem grossen fernen Westen, von den Ufern des Michigan
See's, ertönt an Euch, Ihr Deutschen Sängerbrüder, aus der grossen
Inlands-Metropolis ein herzlicher Gruss fern hin über den Ocean in
die alte gute Heimath.
Fern ab vom Vaterlande hat der Sinn und der strebsame Geist
der Deutschen längst schou Wurzel geschlagen und fängt an, herr-
liche Früchte zu tragen. Was wir als Jünglinge zu Hause geliebt
und gepflegt, wie könnten wir es hier als Männer treulos vergessen?
Das deutsche Lied, auch hier ertönt es fröhlich wieder, und
soll es uns in diesem Jahre besonders aus Nah und Fern die Freunde
zuführen, mit uns im Juli dahier in Chicago das Sängerfest (das
sechszehnte) des Nordamerikanischen Sängerbundes, in fröhlicher
Weise, zu feiern. Bereits sind aus allen Staaten, selbst aus dem,
durch das mit ewigem Schnee bedeckte Felsengebirge und durch
endlose Prärien von uns getrennten Californien , die freundlichsten
Zusagen zum Feste erfolgt.
Gestern wurde mir nun von dem hiesigen Central-Comite der
ehrenvolle Auftrag zu Theil , an Euch ihr lieben Sangesbrüder in
der alten Heimath eine freundliche und herzliche Einladung er-
gehen zu lassen, mit der zwar kühnen, jedoch wohl überlegten Bitte,
uns zu unserm nächsten Feste wenigstens eine Delegation eures
weltberühmten Vereins herüberzuschicken, auf dass auch sie, im
Namen eures Vereins uns Hülfe leisten möge bei dem hohen Weihe*
Opfer, das dem deutschen Geiste hier in fremdem Lande gebracht
werden soll.
Wir wissen wohl, unsere Einladung wird Euch überraschen;
doch wer sich daran erinnert, wie deutsche Amerikaner sich in
Menge zu dem nationalen Schützenfeste in Bremen einfanden, wird
gewiss nicht die Annahme unserer Einladung als unausführbar be-
lächeln. Sind doch deutsche Sänger nach London und sogar nach
Lille gezogen, warum sollten sie nicht, wenn es gilt, dem deutschen
Geiste zu huldigen, einmal eine Spazierfahrt über den Ocean machen
können?
Drum auf, ihr Sänger, zaget nicht! Gürtet Eure Lenden, ent-
rollt Eure Fahnen und ziehet gen Westen!
Mit offenen Armen und alter deutscher Gastfreundschaft wollen
wir Euch empfangen, und Euch froh ins hiesige deutsche Geistesleben
einführen, auf dass Ihr, in die Heimath zurükgekehrt, den Freunden
sagen könnt, auch über tiem Oceane, fern vom Vaterlande, wohnen
Männer, deren Herz noch schlägt für gute deutsche Sitte und das
alte theure Vaterland.
Im Auftrage des Central-Comites des nordamerikanischen Sänger-
bundes mit herzlichem Sängergrusse
(gez.) H. Clausenius (gez.) Emil Die tz seh
Vorsitzender des Central-Comite's. Corr, Sekretair.
Vorstehende offizielle Einladung ist speziell an den Kölner
Männergesangverein und den dortigen Sängerbund gerichtet. Ein
zweites, diese Einladung begleitendes Privatschreiben des correspon-
direnden Secretaires Herrn Emil Dietzsch in Chicago, enthält unter
Anderem nachfolgende Notizen von allgemeinem Interesse: Beifol-
gendes Schreiben ersuche ich gütigst an seine Adresse gelangen zu
lassen, mit der höflichen Bitte, dasselbe nicht einfach im Vereine)
vorzulesen und es dann lächelnd auf den Tisch zu legen, sondern
dessen Inhalt reiflich zu überlegen , und uns alsdann jedenfalls mit
einer zusagenden Antwort zu erfreuen.
Ein Schreiben desselben Inhaltes ging nach Bremen und ein
anderes nach Hamburg ab , und würden wir noch mehrere Vereine
eingeladen haben , wenn wir nur deren genaue Adressen erfahren
könnten.
Der deutsche Geist durchzieht erfrischend die weiten Lande
unseres Adoptiy-Vaterlandes und sollte demselben aus der alten
Heimath erfreulich Rechnung getragen werden. Ein freundschaft-
licher Besuch von gleichgesiunten Männern würde uns hier im steten
Kampfe für deutsches Wesen, Thun und Treiben, nur stärken und
ermuthigen.
Das hiesige Central-Comite' wird mit den verschiedenen Steamer
Compagnieu von Bremen oder Hamburg im Falle Ihrer freuad-
lichen Zusage Arrangements machen, dass eine Delegation von 10—15
deutschen Sängern zu unserm Feste vielleicht ganz frei, oder doch
wenigstens um eine grosse Preisermässigung, hin und zurück ge-
langen kann; von New-York aus bis Chicago ist freieReise
für die etwaige Delegation keine Frage.
Das ganze wäre also nur eine Zeitfrage , und hoffentlich gibt
es in Deutschland 10 oder 15 Sänger, die auf sieben bis 8 Wochen
sich einmal dem „Dolce far niente" ergeben können. Haben Sie
desshalb die Güte und besprechen Sie sich mit Ihren wertheu
Freunden die Sache genau und lassen Sie nicht zu früh eine höf-
liche abschlägige Antwort abgehen, denn es ist hier in Massen
bekannt , dass deutsche Sänger eingeladen worden zum Feste , und
Alles sieht mit der grössten Spannung Ihrer zusageuden Antwort
entgegen.
Am Besten würde es sein, Sie setzten sich mit den Herren in
Bremen und Hamburg in Einvernehmen und jede Stadt schickt
4 Sänger.
In der Hoffnung, dass Sie ihr Möglichstes und Bestes thun, etc.
empfieht sich
(gez.) Emil Dietzsch.
Indem die Redaction dem Wunsche zur Veröffentlichung der
vorstehenden beiden Schreiben hub Chicago hiermit bereitwilligst
entspricht, stellt dieselbe den verehrlichen Vorständen der deutschen
Mäuuergesaugvereine des engern und weiteren Vaterlandes anheim,
diese beiden Briefe als eine speziell an Ihre Vereine gerichtete
Einladung zu betrachten, und für den Fall, dass sich einzeln»
- 46 -
Mitglieder derselben geneigt und bereit finden lassen sollten, bei
dem grossen Sängerfeste in Chicago im Juli d. J. sich zu betheiligen,
ihre desfallsige Anmeldung entweder direct bei dem Central-Comite'
des nordamerikanischen Sängerbundes in Chicago einzuleiten , oder
aber mit den Sanges genossen in Cöln , Bremen und Hamburg in
nähere Verbindung treten zu wollen, wodurch vielleicht eine ansehn-
liche Delegation zu Stande gebracbt werden dürfte.
CORRESPONDENZEN.
Aus Berlin.
(Schluss.)
Demnächst gab am 2ten Februar Herr Franz Bendel wieder
eine Matiu£e in der Singakademie. Referent kann nach dem ge-
habten Eindruck das günstige Vor-Urtheil, welches mit einer Aus-
nahme die Zusammensetzung und Grösse des Repertoirs dieser Con-
certe und manche kundgewordene Stimmen darüber ihm erregt hatten,
nur — grossen Theils zurücknehmen. Man kann mit allem Recht
die rhapsodistische Manier, mit welcher Herr Bendel schlechterdings
Alles spielt, als einen Miss brauch der Technik auf Kosten der
Rvthmik bezeichnen. Dass Jemand eine brillante Skala „am Leibe"
hat, dass er eine Passage schneller ausführen kann, als sie an ge-
gebener Stelle sich gehört, ist noch keine Rechtfertigung dafür, wenn
es daselbst geschieht. Jene pianistische Selbstgefälligkeit, die ich
früher auch iu der Wahl der Stücke zu entdecken glaubte, fand ich
in diesem Spiele wieder, welches eigentlich nie das Werk zu Gehör
bringt, sondern nur sich selbst zur Schau trägt. Es ist wahr, dass
ein Spieler von geringerem Talent und einer nicht so hoch ausge-
bildeten Fingerfertigkeit nicht auf eben solche Fehler verfällt , weil
seine Technik dabei versagen würde ; Herr Bendel ist am Ciavier
gleichsam ein Verschwender , der sein Gold nicht erst prägen lässt,
sondern mit Barren um sich wirft, aber nicht um die Leute seinen
Reichthum splendid geniessen zu lassen , sondern um zu imponiren.
Das gelingt denn auch, das Publikum staunt, klatscht, der Kenner
aber betrauert den Verfall des guten Geschmacks, und grollt dem
Manne, der Talent genug hätte, um wirklich zu erbauen, zu ergreifen,
zu entzücken, und es vorzieht zu imponiren. In gewissen Grenzen
hörte man lieber einmal vorbeischlagen, als sich gefallen lassen zu
müssen, dass Alles so hingerafft wird. Wie litt die keusche Sonate
Op. 109 vou Beethoven darunter — jeder Tact fast eine Ver-
sündigung an den Manen des Componisten — wie artete das Finale
der sinfonischen Etüden von R. Schumann in ein ungeschlachtes
Bachanal aus, welches man, kam es daranf an, immer noch wilder
hätte hinwerfen könneD, wie auspruchsvoll erschien „auf Verlangen"
das durchweg simple Präludium Des-dur von Chopin, mit lottrigen
Cadenzen ausstaffirt, und die Taut»ig'sche Valse-Caprice C-dur!
Alles an dem Stück ist Grazie, Rythmus, Feinheit, ästhetisirte Lust,
und 8 o war es manchmal, als sähe man einen trunkenen Herkules
mit der Keule über der Schulter wild einhertanzen. Gewissenhaft
im künstlerischen Sinne spielte der Concertgeber nur sein eigenes
Werk, eine Sonate aus vier Sätzen für Geige und Ciavier, in wel-
cher sich, nach dem ersten Eindruck zu urtheilen, das Scherzo als
zweiter Satz am vortheilhaftesten durch Consequenz der Gestaltung
auszeichnete; das Ganze litt durchaus an Mangel der Mannigfaltig-
keit des Ausdrucks, fast überall lastete auf demselben eine gewisse
falsche Melancholie, Etwas, das ich durch den Ausdruck des Mirza-
Scbafy «in erkünsteltem Gram sich strecken" passend bezeichnet
finde, denn für ihren Inhalt war die Sonate sicher zu lang, wenn
ihr auch technisches Verdienst nicht mangelte. — Dem Referenten
liegt es hierbei fern , Herrn Bendel als Spieler ganz besonders vor
Andern anzugreifen ; nur weil die erwähnten Fehler an einer sonst
bedeutenden Erscheinung auftreten, erschienen sie mir lehrreich. —
Fräulein M. Strahl sang in dem nämlichen Concert eine Arie aus
der Oper R. Wuerst's : „Der Stern von Turan" und machte damit
in jeder Beziehung angenehmen Eindruck, als dessen Jngredienzieu
sich bezeichnen lassen: ein wohlthuend schöner Text, vom Compo-
nisten in ein Gewand gekleidet, welches in declamatorischer Bezieh-
ung den Anforderungen der Neuzeit überall entspricht und hiorin
sowohl wie in der Erfindung die Signatur einer feinen Schule trägt;
ferner ein Vortrag, welcher alle diese Eigenschaften des Stückes mit
Pietät und Geschmack zur Geltung brachte, endlich der bekannte
hell metallische Klang der schönen Stimme. — Diese Stimme wirkt
bei der folgenden Meditation, jetzt Ave Maria, vonGounod über
das Bach'sche Präludium besser als die n soit-disant - Composition"
selbst, für welche Herr Gouood nun nicht bloss einen Geiger, son-
dern auch einen Harfenisten und eine Sängerin incommodirt hat —
ein Apparat, der fast lächerlich wirkt, besonders da die Sängerin,
ehe mau sie hört, sich ebenso lange muss sehen lassen, aus complai-
sance gegen den einmal von früherher angestellten Geiger. Fräulein
Strahl sang ihre Partbie — der bekannten „Melodie ist ein Ave
Maria „ohne Beeinträchtigung der confesstonellen Verhältnisse 41 un-
tergeschoben — ausgezeichnet, aber man erschrickt doch fast, solchen
Humbug in der Singakademie anzutreffen. — Die Geigenparthie
hierin wie iu der Sonate von Bendel führte Herr de A h n a mit
bekannter Solidität und Wärme durch, Carl Fuchs.
Aus Stuttgart«
(Schluss.)
Am Aschermittwoch gab Prof. Gantter seinen dritten Vortrag
über neuere Ciaviermusik , worin er die Mendelssohn 1 sche Schule
behandelte. Frau S. Hörner spielte dabei von Mendelssohn
„Drei Lieder ohne Worte" und die schöne B-dur-Sonate mit Cello
(Herr Krumb ho I z), dann einzelne Stücke von Sterndale,
Bennet und F. Hiller. Auch zwei in loco lebende Meister zog
der Vorleser herein, wobei zugegen zu sein den Betreffenden etwas
unbehaglich sein musste. Doch war es dem einen derselben , Hrn.
Speidel, taktvoller Weise überlassen worden, durch seine Ton-
schöpfungen und sein Spiel für sich selbst zu sprechen, und dies
gelaug ihm denn auch so gut , dass seine vortrefflicheu Ciavier-
sachen dreifach günstiger aufgenommen wurden, als jene C. Eckert 1 «,
die er zwar mit gleicher Sorgfalt vortrug, welche das Publikum
jedoch der vorangegangenen , von persönlicher Vorliebe allzusehr
gefärbten Lobrede gar zu wenig entsprechend fand ; *) der indirecte
Vergleich zu Ungunsten der jetzigen Direction , mit welcher Jeder-
mann zufrieden ist, erregte manche Missstimmung, zumal bei Den-
jeuigen, die da meinen , ein öffentlicher Vortrag sollte sich von
allen lokalen Sym- und Antipathien fernhalten.
Am 28. Februar gab eine Concertsängerin aus Frankfurt, Frau
Carvelli-Adorno, zu Gunsten der Rosenfelder Abgebrannten
ein ziemlich besuchtes Concert in der Liederhalle , worin sie die
zu Figaro uachcomponirte Arie : „Kehre wieder," dann eine passa-
genreiche Cavatine aus „Semiramis," endlich zwei Lieder, „Nach-
tigallensang" und „Liebe im Hochlande" (aus L. Starks Op. 43,
Stuttgart bei Zumsteeg) vortrug. Eine zwar zarte aber sympathisch
klingende Stimme , reine Intonation und saubere Technik , natür-
liche Wärme und geschmackvoller Vortrag sind die Haupteigen-
schaften, welche der Künstlerin zur Seite stehen und dieselbe be-
sonders als Lehrerin nachdrücklichst empfehlen dürften. Ausserdem
hörten wir an jenem Abend noch Herrn Speidel in Chopins
Andante spianato mit Polonaise, Hrn. Wien in einer Vieuxtemps-
schen Fantasie und Hrn. K~umbholz in Paraphrasen des Schu-
bert'schen Ave Maria und der Chopin'schen Es-dur-Nocturne ; alle
drei Vorträge waren meisterhaft und errangen lebhaften Beifall,
ebenso ein wackeres Männerquartett, das mit Liedern von Kreutzer
und Speidel erfreute.
Im Orchesterverein kam Gluck 's Ouvertüre zu „Ipbige-
nia in Aulis" mit dem Mozart'schen Schluss, der wenn auch weni-
ger stylgemäss, wie der Wagner'sche , doch für schwächere Kräfte
der empfohlene werthere bleiben mag, und Haydn's bekannte in
D-moll beginnende D-dur-Sinfonie zur Aufführung, welche einen
erfreulichen Beweis von den Fortschritten dieses seit einem halben
Jahre jetzt unter Pruckner's Führung stehenden Vereins gab. Ein
junger Violinist, Hermann aus Atzenbach in Baden, Schüler un-
seres Keller am hiesigen Conservatorium , spielte ein Viotti'sches
Violinconcert mit grosser Meisterschaft. Herr Krumbholz trug
*) Wirklich populär ist von Eckert'» Compositionen dahier nur
die „Ellipolka" geworden.
— 47 -
«einige Cantilenen auf dem Cello ergreifend vor; eine junge Dilet-
tantin aus Würzburg, Frl. Edenfeld, sang: „Ach nur einmal
rooch im Leben," Schubert'« „Nachtstück," und mit Cellobegleitung
«in scböues Frühlingslied von G. Qoltermann. Unpasslichkeit ver-
hinderte uns, der heurigen Festoper zum Geburtstag des Königs,
wozu in Boieldieu's „Rothkäppchen" eine ganz glückliche
Wahl getroffen war und worauf wir noch später zurückzukommen
gedenken, sowie der fünften KammermusiksoirSe beizuwohnen, worin
Beethovens Sonate mit Cello in G, ein Mozart'sches Trio und zwei
neue Melodien für die Violine von unsermHuber zu Gehör kamen ;
dazu waren noch allerlei Antiquitäten producirt worden, wie n Le
tombeau" Sonate vonLeclair (1697—1764), eine Cellosonate von
Corelli (1653—1713) und Ciaviersoli von Bach, Händel und
«Scarlatti.
Aus € ö I n.
tO Man 1868.
Das achte Abonnementconcert im Gürzenichsaale fand am 18.
Februar unter Frd. H i 1 1 e r's Leitung mit folgendem Programme
statt: Ouvertüre zu „Genovefa" vonR. Schumann; Violinconcert
"von Mozart (op. 76), vorgetragen von Hrn. Concertmeister Ferd.
David aus Leipzig, (Zum ersten Male); erster Act aus „Alceste"
von Gluck. (Alceste, Frl. Wagner aus Carlsruhe; Oberpriester,
Hr. Barkowski vom hiesigen Stadttheater); Sonate für Violin-
Solo von E. W. Rust (comp. 1795), mit Clavierbegleitung bearbeitet
und vorgetragen von Hrn. Concertmeister David ; Sinfonie Nr. 8
*(F-dur) von Beethoven.
Die Genovefa-Ouvertüre wurde schwungvoll und feurig execu-
tirt. Hr. David wurde vom Publikum mit gebührender Auszeich-
nung empfangen und trug das ursprünglich in Es-dur geschriebene
Mozart'sche Concert nach E-dur transponirt mit der ihm eigenen
Meisterschaft, wenn auch nicht gerade mit jugendlichem Feuer vor,
<das Publikum zu lebhaftem Beifalle hinreissend. Weniger wollte
•die Sonate von Rust munden, obgleich sie, mit Hiller's vortrefflicher
Begleitung am Ciavier, ausgezeichnet schön vorgetragen wurde. Der
«rste Act aus Gluck's „Alceste" ward in jeder Weise gelungen auf-
geführt; Chor und Solostimmen verdienten den gespendeten Beifall
-und insbesondere ist die Leistung des Hrn. Barkowski anerkennend
hervorzuheben, indem er kurz vor der Auffürung erst seinen Part
für Hrn. Simons übernommen hatte. Aber auch Frl. Wagner ver-
stand es, die Sympathien des hiesigen Publikums, welche sie sich
schon früher erworben hatte , durch ihre schöne Stimme und edle
Vortragsweise neuerdings zu befestigen. Die Executirung der Beet-
hoven'schen Sinfonie ist als eine in jeder Beziehung mustergiltige
zu bezeichnen.
Vor diesem Concerte, am 9. Februar, gab A. Rubinstein ein
Concert im Saale des Hotel Disch, welches jedenfalls zu den schön-
sten Ereignissen dieser Saison zu zählen ist. Das Concert begann
mit einem Trio in G-moll von der Composition des Concertgebers,
ausgeführt mit den HH. v. Königslöw und Rensburg, einem
vorzüglich schön gearbeiteten, effectvollen und mit grossem Beifall
aufgenommenen Werke. Ausserdem spielte Rubinstein die Sonate
Op. 111 von Beethoven, Etudes en forme de Variations von
Schumann, und noch sechs kürzere Solostücke, von denen wir
die Liszt'sche Bearbeitung des »Erlkönig" und den türkischen Marsch
aus Beethoven's „Ruinen von Athen" besonders hervorheben möchten
(in virtuoser Beziehung). Dass diese sämmtlichen Vorträge einen
wahrhaft enthusiastischen Beifall hervorgerufen, ist eigentlich schon
selbstverständlich geworden. Die ausfüllenden Gesangsvorträge der
Frls. Kneip und Schmitz Hessen in Bezug auf Intonation und
Vortrag gar manches zu wünschen übrig.
Die fünfte Quartett- Soiree der HH. v. Königslöw, Japha
D e r ck u m und Rensburg brachte : Quartetten von Mozart
<A-dur) und Schumann (op. 41, Nr. 1, A-moll) und das Quartett
in C-dur (op. 29) von Beethoven. Ohne mich, des beschränkten
Raumes wegen, in Einzelnheiten einzulassen, constatire ich einfach,
dass die betreffenden Künstler sich diesmal sozusagen selbst über-
troffen und das , leider nicht sehr zahlreiche Auditorium zu oft wieder-
fcoltem, stürmischen Beifall hingerissen haben.
Nochmals zurückgreifend bis zum 8. Februar, muss ich der 2.
musikalischen Abendunterhaltung des „Cölner-Mänuergesangvereins"
und der „philharmonischen Gesellschaft" von jenem Tage gedenken,
welche des Schönen , Erhebenden und Erheiternden gar Manches
gebracht hat. Den Anfang machte die vortrefflich ausgeführte Sin-
fonie in Es-dur von Haydn. Hierauf sang Frl. Julie Rothen-
berger zwei Lieder von K i r ch n e r und Dorn, Hr. Concertmeister
Japha spielte die Reverie von Vieuxtemps und beiden Vor-
trägen wurde ungeteilter und wohlverdienter Beifall gespendet. Nun
folgten zwei Männerchöre : „Ständchen" von Otto und „Schön Roth-
raut" von Veit. Vor dem Beginne dieser beiden Chöre ereignete
sich ein Unfall , der für manchen der Sänger hätte verhängnissvoll
werden können. Als nämlich der 80 Mann starke Chor eben das
Zeichen zum Anfange erwartete, brach plötzlich der vordere Theil
der Orchesterbühne ein und die ganze vordere Reihe der Tenoristen
verschwand mit furchtbarem Gepolter in der Tiefe. Ein Schrei des
Entsetzens drang aus dem Saale. Allein die wackeren Sänger ar-
beiteten sich schnell wieder aus der improvisirten Versenkung herauf,
arrangirten sich so gut wie möglich auf dem verkürzten Podium
und sangen trotz Durchfalles und Schreckens fast noch schöner
als gewöhnlich, jubelnden Beifall hervorrufend. Keiner der Sänger
hatte glücklicherweise bei dem Sturze Schaden genommen.
Besonders günstige Aufnahme fanden die beiden grossen Chöre
mit Orchester: „Osterfeuer" und „Ostara" von Hill er, welcher
dieselben 1863 zum ersten „rheinischen Sängervereinsfest" in Cöln
für den „Cölner Männergesangverein" geschrieben und von diesem
mit ausserordentlichem Erfolge zum ersten Male dort aufgeführt.
Die Wirkung der meisterhaften Compositionen war auch diesmal
wieder eine wahrhaft grossartige. Auch die vorhergehenden zwei
Lieder für Sopran - Solo mit Männerchor: a) „Frühlingseinzug";
b) „Die Lerchen/' ebenfalls von Hiller, machten einen sehr güns-
tigen Eindruck. Zwischen diesen und den letzten Chören spielte
Hr. Japha die Othello - Fantasie von Ernst mit wahrer Meister-
schaft. Der ganze Saal des Gertrudenhofes war gefüllt von einem
empfänglichen und durch die gebotenen Genüsse hochbefriedigten
Publikum und nach dem Concerte blieben etwa 500 Personen zu
einem gemeinsamen Souper versammelt, welches durch humoristische
Reden, Toaste und Gesang- und Instrumentalvorträge gewürzt war.
Auch die Verdienste des gemeinsamen Leiters der beiden Vereine,
des Hr. FranzWeber, wurden mit gebührenderweise hervorge-
hoben und es ist zu hoffen, dass der schöne, anregende Abend den
activen Mitgliedern der Vereine Anlass geben wird, forthin fleissiger
die Proben zu besuchen und dadurch das jetzt so rege Zusammen-
wirken zu einem dauernden zu gestalten.
n e »
Aus Paris.
15. Man.
Was ich Ihnen in meinem jüngsten Bericht über „Hamlet"
gesagt, bat sich vollkommen bestätigt. Der Erfolg der Oper von
Ambroise T h o m a s ist kein glänzender ; der Erfolg der Mlle. N i 1 s s o n
in der Rolle der Ophelia hingegen ist ausserordentlich. So oft sie in
dieser Rolle auftritt, wird sie mit Blumensträussen im strengsten
Sinne des Wortes überschüttet. Der Jockeyclub hat vorige Woche
fast den ganzen Blumenvorrath aufgekauft und denselben zu den
Füssen der wahnsinnigen Tochter des Polonius gelegt. Noch selten
hat eine Sängerin einen solchen Enthusiasmus erregt. Man spricht
wenig von dem Compositeur; man spricht nur von ihr; man über-
schwemmt sie mit Gedichten ; man treibt die Begeisterung bis zur
Verrücktheit.
Morgen wird das Theätre de la Renaissance (Solle Ventadour
unter der Direction des Herrn Carvalho) mit Gounod's „Faust"
eröffnet. Dass daselbst auch Wag ne r's „Lohengrin" in Scene
gehen soll, habe ich ihnen schon gemeldet. Wagner heisst es, habe
einem Freunde geschrieben, er freue sich, dass seine Musik in der
Hauptstadt Frankreichs jetzt sehr viele Anhänger zähle , er werde
aber um keinen Preis nach Paris kommen und also der Aufführung
seines genannten Werkes nicht beiwohnen.
Das jüngste Gericht M i c h e 1 Angelo's hat den Sänger Duprez
zur Composition eines Oratoriums in drei Theilen angeregt. Diese
drei Theile heissen : Erde, Abgrund, Himmel. Das Werk
- 48 —
»©11 am 1. und 15. künftigen Monats »um Besten wohlthätiger An*
stalten unter Mitwirkung von Hundert und sechzig Künstlern im
Cirque de Vhnpäratrice sur Aufführung kommen. Duprez wird die
Recitative singen.
Rubinstein ist hier eingetroffen, nächsten Donnerstag findet
sein Concert im Salle Herz statt. Er wird nur seine eigenen Werke
hören lassen.
Hector B e r 1 i o z , der sich nach seiner Bückkehr aus Rusa-
land einige Tage hier aufgehalten, weilt jetzt in Monaco, um sich
Ton den ausgestandenen Strapazzen auf seinen Lorbern auszuruhen.
Nachrichten.
MaiDX. Frl. Sophie Stehle yom königl. Hoftheater in
München hat am Mittwoch den 18. d. M. einen Gastrolleneyklus
an unserem Stadttheater als Gretchen in Gounod's „Faust" be-
gonnen. Es ist dies eine der besten Partien dieser vortrefflichen
Sängerin und Darstellerin und so war denn auch das geräumige
Haus trotz der erhöhten Eintrittspreise und der verschiedenen eben
im Gange befindlichen Messprodoctionen , welche für unser Pub-
likum viel Anziehendes haben, fast ganz gefüllt und die liebens-
würdige Künstlerin gewann bereits mit diesem ersten Auftreten die
ungeteilten Sympathien unserer^Tbeaterfreunde, wie die stürmischen
Hervorrufe nach jedem Acte und am Schlüsse der Oper deutlich
genug zu erkennen gaben. Auch Herr B o h 1 i g , der junge mit
schöner Stimme und guter Schule ausgerüstete lyrische Tenor
unserer Bühne fand als Faust lebhaften und wohlverdienten Beifall.
— Frl. Georgine Schubert, zu Anfang dieser Saison als
' Coloratursängerin ein sehr beliebtes Mitglied unseres Stadttheaters,
ist vom Grossherzog von Mecklenburg-Strelitz zur Kammersängerin
ernannt worden. Es soll Aussicht vorhanden sein , dieselbe zur
nächsten Saison wieder für unsere Bühne zu gewinnen, was gewiss
allgemein freudigst begrüsst werden dürfte.
BerliO. Am 21. März feiert Hofcapellmeister Heinrich Dorn
sein 40jäbriges Jubiläum als Dirigent. Am 21. März 1828 dirigirte
er in seiner Vaterstadt Königsberg zum ersten Male Auber T s „Maurer
und Schlosser."
Wien. Der Bussist Scaria vom Dresdener Hoftheater beginnt
am 14. d. M. am kaiserl. Operntheater ein Gastspiel als Sarastro,
welchem sodann der Marcell folgen wird.
— Am 19. d. M. wird Herr Zell n er sein erstes diesjähriges
historisches Concert im Musikvereinssaale geben. Der leitende
Gedanke des Programms ist die Darstellung des Meistersänger-
thums mit seinen Vorstufen.
Salzburg. Der Director des hiesigen Mozarteums, Hr. Hans
Schläger wird seine Stelle niederlegen und sich in das Privatleben
zurückziehen. Zur Wiederbesetzung dieser Stelle hat das Mozarteum
(Dommusikverein) den Termin zur Einreichung von Gesuchen, wel-
che mit den nötbigen Zeugnissen belegt sein müssen, bis zum 15.
April d. J. erstreckt. Der jährliche Gehalt beträgt 600 fl. östr. W.
Paris. Am 15. d. M. fand das 20. populäre Concert des Hrn.
Pasdeloup mit folgendem Programm statt: Sinfonie in Es-dur (Nr.
50) von H a y d n ; Sinfoniefragmente von S ch u b e r t ; Musik zur
Tragödie „Struensee" von Meyerbeer; Andante cantabile aus
dem 5. und Fuge aus dem 9. Quartett von Beeth oven, vonsämmt-
lichen Streichinstrumenten ausgeführt ; Ouvertüre zu „Ruy Blas" von
Mendelssohn.
— A u b e r's neueste Oper wird in der Opära comiqtte wöchent-
lich viermal mit immer gleichem Erfolge gegeben.
— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris betrugen
im Monat Januar die Summe von 2,013,928 Frcs.
London. Am 12., 15., 17. und 19. Juni d. J. findet im CrystaN-
palaste ein grossartiges Händel-Fest unter Mitwirkung von
4000 Sängern uud Musikern statt. Bei diesem Anlasse wird auch
ein photo - lithographisches Facsimile von Händel'» Manuscript des
„Messias" herausgegeben werden. Das Originalmanuscript des Ora-
toriums ist Eigentbum der Königin und befindet sich in der könig-
lichen Bibliothek in London.
*#* In Ramsgate starb der 62jährige Flöten virtuose und
.beliebte Componist für Bein Instrument, Robert Sidney-Pratten;
in Trevi: Tib. Natalini, Kirchencomponist, ein Schüler Z i n-
g a r e 1 1 i's.
*** Das Theater in P a d u a wird von nun an den Namen*
„Garibaldi" führen.
*** B. Wagner's „Meistersinger" werden in Wien und ia
Weimar zur Aufführung kommen.
*»* Der Magistrat der Stadt Regensburg hat die Direction»
des dortigen Theaters dem Director W i h r 1 e r übertragen.
*** Max B r u cb erhielt von der Prinzessin Elisabeth von Son-
dershausen während des letzten Hofconcertes einen silbernea
Tactirstock für Aufführung der, der Prinzessin gewidmeten Ballade
„Schöu Ellen."
*** Josef Gungl in München ist mit seiner Capelle für
Reichenhall engagirt worden.
%* In G o t h a hat eine romantisch-komische Oper von E i 1 er s=
„Die Sanct Johannisnacht" sehr gefallen. Der Text ist nach
Zschokke's Novelle „Der todte Gast" bearbeitet.
*** In Magdeburg wurde im 7. Abonnements-Concert die
dritte Suite von Fr. L a ch n e r aufgeführt und mit grossem Bei-
fall aufgenommen.
*** Meyerbeer's „Afrikaneriu" ist nun auch in Stettin
mit vollständigem Erfolg in Sceue gegangen.
*** Frau Viardot-Garcia hat eine neue fantastische Oper t
n Le demier sorcier" geschrieben, welche ihrer ersten Oper : »Trop
de femmes" an Melodienreichthum nicht nachstehen soll.
*** Mit dem am 5. März stattgefundenen 19. Gewandhauscon-
cert in Leipzig feierte dieses Institut sein 125jäbriges Jubiläum.
Mau brachte Compositionen von den Dirigenten der letzten 25 Jahre r
Mendelssohn, David, Gade, Hill er, Rietz und Rein-
ecke zur Aufführung.
*** Das Mozart-Museum ist mit einer neuen Reliquie bereichert
worden. Sie besteht aus einem mit goldgesticktem Einband gezierten
französischen Taschenkalender vom Jahre 1764, welchen Wolfgang-
Mozart von der Gräfin von Eyk auf seiner ersten Kunstreise nach
Frankreich, zu seinem achten Geburtstage als Angebinde erhielt, und
in welchen Mozarts Vater folgende Worte einschrieb : „Dieses Ca-
leuderl hat der Wolfgangl den 26. January Abends von der Gräfin*
v. Eyk bekommen.
*** V e r d i's ,.Don Carlos" hat bei der ersten Aufführung in«
Brüssel nur schwachen Erfolg erzielt.
*** Musikdirector Damroth in Elbingist unlängBt ge-
storben.
*** In Löwenberg gab die Hofcapelle des Herzogs vom
Hohenzollern-Hechingen am 2., 9., 15. und 23. des v. M. Concerte,
in welchen die „Wallensteiu-Sinfonie" von R h e i n b e r g e r, die
B-dur-Siufonie von S ch u m a n n, die Faust-Ouvertüre, sowie Ein-
leitung und Brautchor aus „Lohengrin" von Wagner, „Preludes"
„Mazeppa" und Paganini's „Campanella" von L i s z t, der 2. und
3. Theil aus „Romeo und Julie" von B e r 1 i o z u. A. aufgeführt
wurden. Als Solisten träte u auf die Pianistin Frl. Sophie Ment er,
der Violinist R e m £ n y i und der Violoncellist Popper.
*** Die Gesellschaft der dramatischen Schriftsteller und Ton-
dichter in Paris ist am 3. Juli 1777 von einer Tischgesellschaft
Beaumarchais gegründet worden. Die Zahl der Gründer betrug 21,
jetzt hat die Gesellschaft 850 Mitglieder. Sie hat zwei General-
agenten, welche die Tantieme von allen Vorstellungen in Frankreich
und Belgien einziehen. In den zwei letzen Jahreu sind 482 neue
Stücke von 335 Verfassern und Tondichtern aufgeführt worden. Vom
1. Mai 1865 bis zum 30. April 1867 sind an Tantiemen 2,009.308
Francs eingegangen, die unter die Autoren oder deren Erben ver-
theilt wurden.
Zur Beachtung.
In Folge der seit Neujahr eingetretenen
Portoermasslgung bitten wir alle Anzeigen
und Beitrage für unsere Musikzeitung fr an*
kirt einzusenden.
MM. Schotts Söhne.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
JN* *&•
30. März 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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1 Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
j Man abonnirt bei allen Post-
\ Ämtern, Musik- ÄBuchhand-
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Hl % ff J a g
Ton
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
f PREIS:
|fl. 2. 42 kr. od.Th.l. 18 Sg.
\ für den Jahrgang.
> Durch die Post bezogen:
\ SO kr. od.J15 Sgr. per Quartal.
INHALT: R. Wagners „Meistersinger von Nürnberg." - Corresp. : Mainz. Leipzig. — Nachrichten.
R. Wagners „Meistersinger von Nürnberg."*)
Ueber Richard W a g n e r's dramatische Begabung, wenn wir
dabei zunächst an den Dichter denken, ist in Hunderten von Artikeln
hartnäckig und erbittert gestritten worden. Wir erinnern uns, im
Jahre 1853 Rathscbläge an den grossen Künstler gelesen zu haben,
welche ihn von der Musik hinweg zum gesprochenen Drama mit
\dem Prognosticon verwiesen, dass er der erste Dramatiker der Neu-
- seit werden könne. Es fehlte auf der anderen Seite nicht an kri-
tischen Köpfen, die den Beweis zu führen gedachten, dass Wagner
jedes, nur kein dichterisch-dramatisches Element besitze. Mit alle-
dem war die Anarchie, die in uuseren künstlerischen Grundanschau-
ungen herrscht,. deutlich bewiesen, die Frage selbst nichts weniger
als gelöst. — Ein Hauptpunkt, der sich freilich der Betrachtung
auf den ersten Blick darstellt, ist indessen von beiden Seiten
leätgestellt worden. Wagner besitzt eine der ersten Eigenschaften
eines grossen Dramatikers, die stets zutreffende, die andauernd glück-
liche; Stoff wähl. Die Fühlkraft des Genius, welche so viele wackere
Talente entbehren, und deren Mangel so zahlreiche todtgeborne Werke
hervorruft , hat ihn vom Beginne seiner künstlerischen Laufbahn an
geleitet. Als er in frühester Jugend , bestochen vom Glänze und
der zündenden Wirkung der „Grossen Oper," mit einer solchen be-
gann , ergriff er unter tausend Stoffen den schwungvollsten, den
poetischsten („Rienzi"), welcher den prächtigen farbigen Aeusserlich-
keiten ein höheres Moment beizufügen gestattete. Als er dann über
die Bracke der romantischen Oper in die eigentliche Heimath seiner
Begabung, seines Künstlerthums gelangte, liess der „Fliegende Hol-
länder" hundert andere romautische Stoffe weit hinter sich. Und
aus dem tiefsten Lebensgehalte unseres Volkes, aus den herrlichsten
nationalsten Sagen und Erinnerungen, aus dem Zauber deutscher
Empfindung erwuchsen die Dichtungen zu „Tannhäuser" und „Lohen-
grin," während das grosse Bühuenfestspiel des „Nibelungenriuges"
. die Götter- und Heldenmythen der ganzen germanischen Welt in
neuer Frische und Herrlichkeit erstehen lässt. Im Augenblicke aber,
wo Wagner zum ersten Male zu einer Art komischer Operndichtung
achreitet, greift er frisch in das farbige, kecke deutsche Leben des
sechszehnten Jahrhunderts, führt uns an die Stätte, wo sich dasselbe
am meisten entfaltet, nach Nürnberg, stellt in dem Mittelpunkt seiner
Dichtung eine der volksthümlichsteu characteristiscbsten Gestalten
■ aus jenen Tagen, den poetischen Schuster Hans Sachs — und hat
wiederum jene Magnete gefunden, welche das Hera von Tausenden
an den Gebilden eines Dichters schon hinziehen, ehe sie demselben
noch recht inVAuge geschaut. *
Aber die „Meistersinger von Nürnberg" — die Dichtung zu
Riehard Wagner 1 » neuestem Werke, — welche in einem Separat-
drucke (Mainz, Scbott's Söhne) erschien, vermögen bei der näheren
und nächsten Augeuscbau noch stärker anzuziehen, ja unWxeder-
steblkh an fesseln. Es ist eine Frische, eine Liebenswürdigkeit
und ein achter Lebensgehalt in dem Werke, welche uns für das
*) Am der Berl.-Goul.
Ganze die besten und schönsten Hoffnungen einflössen. Aller»
dings hat es sein Bedenken, wenn eine Dichtung, die doch in jeder
Strophe und Scene auf die Composition berechnet ist, ohne dieselbe
an die Oeffentlichkeit gelangt. Sie wird und muss Spannung, In-
teresse, Theilnahme wachrufen. Aber bei der deutschen Neigung zu
Vornrtheilen können auch die Missverständnisse nicht ausbleiben, und
den Vortheil der vollen , der totalen Ueberraschung gibt sich der
Dichter-Componist dadurch aus der Hand. Wenn wir dies jedoch,
bei Seite lassen, so müssen wir uns der Veröffentlichung nur freuen
weil sie schon jetzt Gelegenheit bietet, der deutschen Bühne endlich
wieder ein bedeutendes musikalisch-dramatisches Werk zu verheissen,
ein Werk, dessen eine dichterische Hälfte allein der vollsten Wirkung
gewiss sein muss.
(Schluss folgt.)
m qooi
COfiRESPONDfiKZEK.
Aus Jff a i li z.
Fräulein Stehle setzte ihr Gastspiel au hiesiger Bühne am
Sonntag. den 22. d. Mts. als Carlo Broschi in Auber's reizender
Oper „des Teufels Antheil" fort. Hatte die vortreffliche Künstlerin
als Gretchen durch den Zauber ihrer schönen, sympathischen Stimme,
sowie durch die poesievolle Auffassung und Durchführung ihrer Rollo
und durch das schöne Masshalten in Spiel und Gesang bewiesen,
dass der bedeutende Ruf, welcher ihr vorausging, kein künstlich er-
zeugter, sondern ein wohlverdienter sei, so entwickelte sie in ihrer
zweiten Rolle wieder eine so feine Auffassungsgabe, ein so ent-
schiedenes Darstellungstalent, während sie ihre sangliche Aufgabe
jetzt mit virtuoser Bravour, jetzt mit ergreifender Gefühlsinnigkeit
durchführte, duss es schwer zu entscheiden war, ob man die Sängerin
oder die Darstellerin höher stelleu solle. Frl. Stehle's Leistungen
sind eben das Ergebuiss einer geschmackvollen , feinsinnigen Auf-
fassungsgabe , welche durch eine vortreffliche Schule und durch
reichliche natürliche Mittel, wie eine schmelzreicbe Stimme und ein«
aumuthende Persönlichkeit unterstützt wird und dazu kommt noch
der Reiz zarter, ungekünstelter Weiblichkeit, der eben auch nicht
gar zu oft auf der Bühne getroffen wird und darum um so anziehender
wirkt. Das in allen Räumen gefüllte Haus erbebte aber auch von
den wiederholten Beifallssalven und stürmischen Hervorrufen, welch«
dem gefeierten Gaste zu Theil wurden. Neben Frl. Stehle erwarben
sich die HH. B o h 1 i g (Rafael) und B e h r (Gil Vargas) durch die treff-
liche Durchführung ihrer bezüglichen Partien entschiedenen Beifall,
sowie denn überhaupt die Aufführung der ganz neu einstndirten
Oper als eine im Ganzen recht gelungene bezeichnet werden kann.
Am Dienstag den 84. d. Mts. gab Frl. Stehle die Rose frfquet
in Maillart's „Glöckchen des Eremiten" als dritte und letzte $ÜV
rolle. Man wird sich Aber die Wahl dieser Oper vielleicht verwundern,
allein es war dies, wie wir zuverlässig wissen, nicht Frl. BtettÜs'a
Wahl, welche gewünscht harte, in bedeutenderen Bolle« asfatftreian,
- 50 —
wie zum Beispiel in der „Jüdin", im „Freischütz", „Tannhäuser",
„Lohengriii'' etc., was aber die hiesigen Theaterverhältnisse aus
diesen und jenen Gründen nicht gestatteten. Allein so werthlos
auch die genannte Oper sich darstellt, so wenig bedeutend die Bolle
der Rose Friquet in musikalischer Beziehung sein mag, so muss
man doch gerade darum mit Bewunderung anerkennen , was die
liebenswürdige Künstlerin durch Gesang und Spiel aus derselben zu
machen verstand, so dass sie der gewandtesten Künstlerin der Pariser
leomischen Oper sich wohl iu jeder Beziehung kühn zur Seite stellen
darf; das zahlreiche Publikum hat dies auch durch die lebhaftesten
Ovationen jeder Art anerkannt. Ist uns also auch nicht der Ge-
nuss zu Tbeil geworden , Frl. Stehle in ihren eigentlichen Glanz-
rollen bewundern zu können: (mit Ausnahme des Gretchen im
„Faust"), so hat sie doch in dem, was sie hier geleistet, hinlänglich
Gelegenheit gehabt, auch dem Mainzer Publikum zu beweisen, dass
sie als Sängerin wie als Darstellerin das Vorzüglichste zu leisten
im Stande ist und wir sehen sie scheiden mit dem Wunsche, dass
sie uns bald wiederkehren und ihr dann Gelegenheit geboten werden
möge, sich in den angedeuteten grossen Rollen auf der vollen Höhe
ihres augebornen Talentes und ihrer künstlerischen Meisterschaft zu
sseigen. Frl. Stehle begibt sich von hier aus nach Bremen und
Hamburg, wo sie ohne Zweifel neue Lorbeern erwarten.
Ein anderes beachtenswerthes Ereigniss in unserem Musiktreiben
ist das am 20. d. Mts. stattgehabte Concert des „Kunst- und Literatur-
Vereins." Dasselbe wurde eröffnet mit dem Vortrage des C-dur-
Quartetts von Mozart durch die HH. Popp er 1 , Die hl, Sessel-
mann und Hom, sämmtlich Mitglieder unseres Theaterorchesters,
welche sich ihrer Aufgabe in recht wackerer Weise entledigten und
sich lebhaften Beifall errangen, was um so verdienstlicher erscheint,
wenn man erwägt, dass die Erinnerung an die vorzüglichen Leistungen
des Florentinischen, des Mannheimer und des Frank-
furter Quartetts, welche diesen Winter in denselben Coucerten
auftraten, noch so frisch und lebendig ist. Als Solisten traten auf
die Pianistin Frl. v. Pfeilschif ter aus Stuttgart und der Violinist
Br. Concertmeister Rob. Heckmann aus Leipzig. Beide spielten
zuerst eine grosse Sonate für Piauoforte und Violine von
A. Rubinstein, ein interessantes, geistvolles Werk mit vortreff-
lichem Eusemble und richtigem Verstäudniss und es würde Com-
position und Ausführung noch mehr Beifall gefunden haben, wenn
man nicht dieses Werk unmittelbar auf das genannte Quartett hätte
folgen lassen , was wir überhaupt und besonders unserm Mainzer
Publikum gegenüber für einen Missgriff erklären müssen. Frl. v.
Ffeilschifter spielte allein eine „Nocturne" von Chopin und
v La Polka de la Reine", ein äusserst geschmackvolles und pikantes
Salonstück von J. Raff und bewährte sich auch hier, wie in der
Rubinstein'schen Sonate, als eine technisch sehr weit vorgeschrittene
und mit künstlerischem Geschmacke begabte Virtuosin. Reichlicher
Beifall ward ihrer schönen Leistung gezollt. Herr Heck mann
spielte zuerst die Othello-Fantasie von Ernst mit einer Bravour,
Sicherheit, Reinheit und Eleganz, welche ihm eine ehrenvolle Stelle
in der Reihe unserer ersten Geiger anweisen. Am Schlüsse des
Concertes trug derselbe ein Präludium und Fuge für Violine allein
von S. Bach vor. Auch hieriu leistete Hr. Heckmann sehr Aner-
kennenswerthes, allein dessenungeachtet hätten wir in seinem eigenen
Interesse eine andere Wahl gewünscht, indem das Gebotene wohl
für die wenigen wirklich Musikverständigen ein seltener Genuss,
im Uebrigen aber Caviar, am unrechten Orte servirt, war. Frl.
Johanna Werner, eine stimmbegabte junge Sängerin von
hier, trug zwei Lieder von Schubert und W e i d t vor und fand
freundlichen, ermunternden Beifall. Der beliebte Baritonist Herr
Grünewald sang ein Lied von S o b i erey und „Frühlingsnacht"
von R. Schumann mit grossem Erfolg. E. F.
A ii s L e i i> z 1 9, #)
Im Februar 1868.
Eine über die Weihnachtszeit sich ausdehnende Abwesenheit
von Leipzig gestattet uns nur cursorisch und nach Hörensagen über
die beiden ersten Gewandhausconcerte in diesem Jahre zu berichten.
*) (Kam uns nach längerer Irrfahrt erst jetzt zu. Die Red.)
Im ersten derselben, der Reihe nach dem eil ften , am 1. Januar,
kamen von Orchesterwerken Cherub inis Ouvertüre zu der „ Aben-
ceragen" und Bethoven' s A-dur-Sinfonie zu Gehör ; mit dem Vor-
trag der Gesangstoli: „Die Allmacht" von Franz Schubert, iu-
strumentirt von Franz Hopffer, uud Recitativ und Arie aus
„Figaros Hochzeit" soll sich Fr. Bianka Blume, kÖnigl. Hof-
opernsängerin aus Berlin, mehr Beifall erworben haben, als wenige
Tage vorher bei ihrem Auftreten auf dem hiesigen Theater als
Fidelio, Herr Jaell soll seine anerkannte Meisterschaft durch den Vor-
trag eines Concertes (Fis-moll) von C. Reinecke und dreier Solo-
stücke: Berceuse von Chopin, Transscription über „Tristan und
Isolde" von Jaell, und Walzer „As-dur" von Chopin bewährt, die
eben erwähnte Transscription aber vermöge ihrer geistigen Armuth
uud ihres gespreizten Wesens artre Bedenken erregt haben.
Das z w ö 1 fte Abonnetnents-Concert war dem Andenken Moritz
Hauptmann' s gewidmet. Man erfüllte damit eine Pflicht, indem
man den schuldigen Tribut der Dankbarkeit den Manen des Meisters
abstattete, dessen hohe Verdienste um die Kunst weit über Leipzigs
Mauern hinaus die ganze musikalische gebildete Welt zu schätzen
und zu ehren weiss. Den ersten Theil des Concertes füllten dem-
nach Compositlonen Hauptmanns aus: Salve regina für Chor, Ou-
vertüre zur Oper „Mathilde 11 und drei geistliche Lieder für gemischten
Chor „Abendlied", „Nimm mir Alles, Gott mein Gott" und „Trauungs-
lied". Dem Ernste des ersten Theiles entsprach auch der Inhalt
des zweiten: Sinfonie Nr. 3. (C-moll) von L. S p oh r , „Ave verum"
von Mozart, „Toccata" von J. S. B a c h , instrumentirt von H.Esser
und der Chor „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben" aus
F. Mendelsohn' s „Paulus."
Was man so gewöhnlich unter Gelegenheitsmusik versteht, ist
bekannt; eine zweite Species dieser Art von Musik möchten wir
in allen jenen Productionen eiblicken, die, nicht einem innern
Schaffensdrange entsprossen, ihr Entstehen entweder einem gewissen
Nachahmungstriebe oder der Sucht verdanken, der Mode, dem Ge-
schmack der Zeit, dem, was gerade en vogue ist, zu huldigen. Zu
diesem Genre dürfen wir wohl „die Najaden", Ouvertüre von William
Sterndale Bennett rechnen, mit welcher das dreizehnte Abonne-
ments- Concert am 16. Januar eröffnet wurde. Die Ansicht, dass ihre
Zeit vorüber ist, schien auch das Publikum zu theilen. Von der
zweiten Nummer des Concert Programme«, Beethoven* s Violin-
Concert, wird freilich eine gleiche Ansicht sobald nicht Platz greifen;
das klingt noch so frisch und so neu, und packt so mächtig, als
ob es eben erst geschrieben wäre; das ist die wahre Zukunftsmusik.
Herr Concertmeister Lauterbach aus Dresden spielte es mit all
der Sauberkeit, mit alle dem Verstäudniss, wie wir es von früher
her von diesem gediegenen Künstler gewohnt sind. Mit gleicher
Meistei schaft brachte er noch das Bach'sche Violin-Concert in
A-moll zu Gehör und erwarb sich durch diesen Vortrag wie durch
den des Beethoven'schen Concertes den wärmsten Beifall. Wie wir
in ihm eine alte Bekanntschaft mit Freuden erneuerten, begrüssten
wir mit noch grösserer eine neue in Frau P eschka-Le utuer,
grossherzogl. hess. Hofopernsängerin aus Darmstadt. Ihre beiden
Vorträge, sowohl der einer Scene und Arie von Louis Spohr, wie
der der ersten Arie der Königin der Nacht aus Mozart's „Zauber-
nöte", wurden mit den stürmischsten Acclamationeu aufgenommen,
und mit Recht. Frau Peschka ist eine Gesangskünstlerin, die, was
Stimme, Schule und Auffassung anlangt, den ersten ihres Faches
beizugesellen ist. Als die ersten Töne dieser ausgiebigen , vollen,
jugendlich wohllautenden Stimme erklangeu , da hätte man kaum
geglaubt, dass sie mit so meisterlicher Sicherheit, Gefügigkeit und
Eleganz die Schwierigkeiten der nächtlichen Königin bewältigen
würde. Der Erfolg, den Frau Peschka mit ihren Vorträgen hatte,
war ein so ungewöhnlich bedeutender, dass dem Vernehmen uach
die hiesige Theater-Direction grosse Opfer nicht gescheut hat, um
sie für die hiesige Bühne zu gewinnen; eine Acquisition, zu der
wir ihr nur Glück wünschen könnten. — Den zweiten Theil dieses
Concertes füllte R. Schumanns B-dur Sinfonie aus iu einer sehr
feurigen und correcten Vorführung.
Das Programm des vierzehnten Abonnements-Concertes
bietet nicht Veranlassung zu einer weitläufigeren Besprechung. Es
lautete: Sinfonie (G-dur, Nr. 6 der Breitkopf und HärtePschen Aus-,
gäbe) von J. Haydn, Scene und Arie aus „Euryanthe* von Weber,
gesungen von Herrn Jul. Stockhausen, Concert für das Pianoforte
— 51 -
von A. He'nselt, vorgetragen von Herrn Heinrich Barth aus
Potsdam, und im zweiten Theil : Ouvertüre zu „Manfred" von
B. Schumann, Arie aus „Johann von Paris" vou B o i e 1 d i e u
und Lieder von Frauz Schubert gesungen von Herrn Stock-
ii a u s e n und dazwischen Solostücke für Pianoforte, vorgetragen
von Herrn Barth. Sinfonie uud Ouvertüre wurden in der gewohnten
Weise ausgeführt, wie wir es vom Gewandhaus-Orchester zu erwarten
berechtigt sind. Von Herrn Barth können wir nur bestätigen, dass
*jr ein sehr fertiger, in technischer Hinsicht tüchtig gebildeter Kla-
vierspieler ist, der namentlich mit den drei Solostückeu: Ballade
<As-dur) von Chopin, „Danklied nach Sturm" von Henselt und
_Saltarello a von Alk an gut zu effectuireu wusste.
Dass Stockbausen durch seine Vorträge, besonders der drei
Schubert'schen Lieder: „Dithyrambe", „Geheimes" und „Greisenge-
sang" Enthusiasmus erregte, wird Niemanden, der weiss, wie er
singt, überraschen. Das zweite derselbe, eine Perle im Schubertschen-
Liederkranz, saug er geradezu unnachahmlich schön und musste es
daher auch auf stürmisches Verlangen wiederholen. Die beiden
Theile des fünfzehnten Abonnements- Concertes am 30. Januar
wurden jeder durch ein grösseres Werk, ausgefüllt; der erste
brachte: Erlkönigs Tochter, Ballade für Soli, Chor und Orchester von
N.W.Gade, der zweite : „ Ver sacrum, oder die Gründung Roms",
Dichtung von L. Bisch off, componirt für Soli, Chor und Orchester
von Ferdinand H i 1 1 e r. Die Soli gesungen von Fräulein Bors,
Frau Hüfner-Harken und Herrn Hill, denen sich für das
Hiller'sche Werk noch Herr Rebling anschloss.
Die Ausführung der Gade'schen Composition, die, wenn wir sie
auch nicht zu seinen bedeutendsten rechnen können, doch vermöge
-der an Gade bekannten und gerühmten Vorzüge, wie Schönheit des
Ausdrucks, runde Formen, überhaupt feine Arbeit, einen freundlichen
wohlthuenden Eindruck zu machen nie verfehlen wird, war eine bis
-auf einige kleine Versehen sowohl von Seiten der Soli und des
Chors, wie auch des Orchesters recht wohlgelungene. Nur die Be-
gleitunghätten wir hie und da etwas discreter gewünscht; sie deckte
■die Singstimmen. Noch mehr war dieser Missstand bei dem Hiller-
«chen Werke zu rügen, welches bepanzert und beblecht, wie es
auftritt, versehen mit allen Requisiten der modernen Schallkunst,
in seiner Ausführung mehr Rücksichtsnah me auf die begrenzten
Räumlichkeiten des Concertsaales , zartere Schonung unserer Ge-
hörnerven verlangt, damit wir nicht die vielen musikalischen Schön-
heiten, die feinen geistreichen Züge, die treffliche Factur, die den
Meister auch in diesem Werke erkennen lassen, ob des Lärmens
überhören. „ Ver sacrum* war für hier eine Novität; wir wünschen
aufrichtig eine recht baldige Wiederholung des gewiss bedeutenden
Werkes, um darnach unser Urtheil modiüciren zu können.
Der Musikverein „Euterpe" gab im Laufe dieses Mouates nur
ein einziges Concert am 14. Januar. Man begann mit der Ouvertüre
zum „Freischütz", die obgleich — oder vielleicht, weil es die Frei-
schütz-Ouvertüre war, namentlich im Anfange nicht recht gehen und
klappen wollte. Aehnlich erging es der grossen Scene und Arie
„Nie nahte mir der Schlummer" gesungen vou Frau Jenny Soltans,
königl. preuss. Hofopernsängerin in Cassel ; doch wusste sich die
Sängeriu durch ihre, wenn auch nicht grosse uud volle, doch ange-
nehm sympathisch berührende Stimme viel Beifall zu erwerben. In
«och reicherem Maasse gelang ihr dies durch den Vortrag zweier
Lieder: „Sei mir gegrüsst" von Schubert und „Frühlingslied"
vou Mendelssohn. Als Soloinstrumentalist führte sich Herr Ed.
R e m e n y i, k. k. Kammervirtuos ans Pest, mit der „Gesangsscene"
von S p o h r und drei Solostücken für die Violine vor. Herr Re-
«nenyi ist ein Virtuos, der weniger vom künstlerischen, als vom
nationalen oder equilibristischen Standpunkt betrachtet sein will.
Wie durch sein Vaterland geht durch seine Saiten eine tiefe Ver-
stimmung, wie seine Landsleute an den Beutel der Cisleithaner, so
stellt er an das Gehör nicht zu rechtfertigende Forderungen , wie
auf einer Ungarischen Haide um's Feuer herum, so wild geht's mit-
unter auf seiner Violine zu, auf ihr macht er, wie ein Akrobat auf
dem Seile, schwindelerregende Kunststückchen und Sprünge, purzelt
nicht selten herunter, steht aber auch, wie jener, auf, ohne dass es
ihn weiter gerührt hätte. So kam es denn, dass die von Seiten
des Herrn Remenyi der Spohr'schen Gesangsscene widerfahrene Be-
handlung schon m«hr einer Misshandlung glich, die sich Spohr, der
immer genau zwischen Dur und Moll zu unterscheiden weiss, gewiss
nie hätte träumen lassen. Die drei Solostücke bestanden in einer
Hugenotten-Fantasie eigenen Fabricates — ein ebenso unwürdiges,
wie langweiliges Machwerk — einem Nocturno, (Op. 27, Nr. 2) von
Chopin und einem Andante mit Variationen vouPaganini. Da
ging's toll und lnstig zu! Die Kunst hat damit nichts gemein
und der Rest sei Schweigen! Eine recht gute Wiedergabe der
Schumann'schen B-dur-Sinfonie, im zweiten Theil, brachte uns wieder
in eine versöhnlichere Stimmung!
I a c li r I c h t e n,
Berlin. Der beliebte Tanzcomponist A. Wallerstein aus
Dresden ist zu längerem Aufenthalt hier eingetroffen.
Leipzig. Das Directorium der Gewaudhaus-Concerte hat dem
Comite zur Errichtung eines Denkmals für Felix Mendelssohn-Bar-
tholdy am Tage des 125jäbrigen Bestehens der grossen Concertauf-
führungen 1000 Thlr. nebst den bis zum Bedarfe anlaufenden Zinsen
zur Verfügung gestellt.
Paris. Am 6. März ist die von dem berühmten Orgelbauer
Cavaille-Coll restaurirte und vervollkommnete Orgel in der Kir-
che zu Notre-Dame übergeben und eingeweiht worden. Die
Geschichte dieser Orgel ist folgende : Die alte Orgel in Notre-Dame
wurde unter Ludwig XV. von Thierry-Lesclope, einem der
geschicktesten Meister seiner Zeit, gebaut. Gegen das Ende des
vorigen Jahrhunderts hat der berühmte Orgelbauer Clicquot be-
deutende Reparaturen und Verbesserungen an derselben angebracht.
Von 1832 bis 1838 führten die HH. Dal er y neuerdings Repara-
turen an diesem Instrumente aus. Im Jahre 1868 endlich beauftragte
die Regierung das Haus CavaiI16-Coll mit der Ausbesserung
und Vervollkommnung dieser grossen Orgel. Nach fünfjähriger Arbeit
ist nun dieselbe vollständig umgebaut und mit allen Verbesserungen
der neuern Zeit ausgestattet.
Die neue Orgel von Notre-Dame ist jetzt eine der bedeutend-
sten in Europa und sicherlich in Bezug auf harmonische Zusammen-
stellung die vollkommenste. Sie hat 86 klingende Stimmen mit 110
Registern , welche sich auf 5 Manuale und ein Pedal vertheilen.
Sie enthält ferner 22 Verbindungs-Pedale und 6000 Pfeifen, von
denen die grössteu eine Länge von 32 Fuss haben. Der Umfang
dieses Instrumentes beträgt ungefähr 10 Octaven, d. b. er schliesst
die äussersten Gränzen der wahrnehmbaren Töne ein. Die Manuale
mit Pedal beiluden sich in einem vor der Orgel und von derselben
getrennt stehenden Kasten. Die Transmission aller Bewegungen
sowohl der Claviere wie der Register geht mit der grössten Leich-
tigkeit vor sich mit Hülfe der pneumatischen Maschinen, welche
der Erbauer schon früher bei der Orgel in St. Sulpice angebracht
hat. Abgesehen aber von den in der ganzen Mechanik angebrachten
Verbesserungen, bietet die Orgel von Notre-Dame auch durch ihre
harmonische Zusammensetzung neue Elemente der Sonorftät dar,
welche dem Instrumente eine bisher in der Orgelbaukunst ungekannte
Kraft und Manigfaltigkeit der Klangfarben verleihen und welche bei
diesem Werke zum ersten Male in Anwendung gebracht wurden.
Eine grosse Zuhörermenge wohnte der Einweihung bei, bei
welcher Gelegenheit neun verschiedene Organisten sich nacheinander
hören Hessen.
— Der ehemalige Tenorist Duprez, dessen Oper „Jeanne
d > jirc u bekanntlich durchgefallen ist, hat nun ein Oratorium in drei
Abtheilungeu , „Das jüngste Gericht," componirt, welches er gegen
Mitte April zum Besten einer Wohlthätigkeitsanstalt im Cirque de
Vlmperatrice aufführen und dabei selbst die Recitative singen will.
London. Joachim und Clara Seh um a n n üben fortwährend
in den populären Montagsconcerten ihre Anziehungskraft aus. In
dem letzten Morgenconcerte spielten Beide mit Hrn. Piatti das
grosse B-dur-Trio op. 97 von Beethoven und Fr. Schumann
ausserdem die „Ballade" in G-moll, op. 23 von Chopin. Das Con-
cert begann mit Mozart'« Quartett in C-dur. Im Abendconcerte
vom 2. März, einem Beethoven- Abe n d, spielte Joachim mit den
HH. L. Ries, Blagrove, Zerbini und Piatti das C-dur Quin-
tett, mit Blagrove und Piatti die Trio-Serenade in D dur op. 8
und mit Fr. Schumann die F-dur-Sonate op. 24. für Ciavier und.
Violine und Frau Schumann ausserdem die D-moIl-Sonate des
grossen Meisters. Im Crystallpalast kam am 29. Februar die C-möll-
- 52 -
Sinfonie von Schubert, von ihm selbst „tragische Sinfonie" benannt,
«um ersten Male zur Aufführung.
Petersburg. Das Privilegium für den Verkauf der Theaterzettel
wurde für das Jabr 1868 dem Buchdrucker Wolf für die enorme
Summe von 26,500 Rubel ertheilt. Sein Vorgänger, der Buchdrucker
Stelowsky, hatte dafür bisher nur 11,000 Rubel jährlichen Facht
bezahlt.
%* Die Direction des Theaters in Bordeaux ist dem Hrn.
Halanzier, früher Director in M a r s e i 1 1 e, mit einer Erhöhung
der Subvention um 50,000 Frcs. verliehen worden.
*** J o a ch i m hat im 4. Abonnemeotconcert in A a ch e n wieder
das Violir.concert von MaxBruch mit grossem Erfolge vorgetragen.
*** Naudin, der erste Tenorist der grossen Oper in Paris,
hat vom König von Portugal den Christusorden erhalten.
%* Das Zöllner-Denkmal wird Ende dieses Monats im
Rosenthal zu L e i p z i g enthüllt und erhält diese Strasse den Namen
Zolin erstrasse.
*** Im Verlag von A. H. Payne in Leipzig erscheint vom
1. April d. J. an eine illustrirte musikalische Zeitung unter dem
Titel „Die Tonhalle" unter der Redactiou des bekannten geistreichen
Musikliteraten Dr. Oscar Paul. Der Prospectus und die bereits
ausgegebene Probenummer mit dem wohlgetroffenen Porträt des
greisen M o s ch e 1 e s lassen von dem neuen Unternehmen Günstiges
erwarten.
*+* In Weimar ist am 2. März der grossherzogliche Musik*
direktor Carl Eberwein, 81 Jahre alt, gestorben. Der Verblichene,
seiner Zeit in mannichfachem Verkehr mit Götbe stehend, hat eine
Musik zu dessen „Faust" geschrieben und war überhaupt ein ziem-
lich fruchtbarer Componist. Am meisten bekannt, ja wahrhaft populär
ist seine Musik zu Holtei's „Leonore" geworden , während seine
beideu Opern „Graf von Gleichen" und „die Heerschau" der Ver-
gessenheit längst verfallen sind.
*** Für die Besetzung der im Berliner Opernorchester durch
den Tod des Concermeisters Moritz Ganz erledigten Violoncellisten-
stelle ist Concurrenz ausgeschrieben und es werden die Bewerber um
diese Stelle eingeladen sich am G. April im Bureau der General-Inten-
dantur in Berlin zu meldeu , um bei der am 7. resp. 8. April um
11 Uhr Vormittags stattfindenden Probe spielen zu köuuen. Der
Gehalt für diese fragliche Stelle ist 700 Thlr. uud kann nach Um-
ständen erhöht werden.
*** Auber's „Erster Glückstag" wird mit Recitativen, welche
der Componist selbst dazu schreibt, in italienischer Uebersetzung
in London aufgeführt werden.
%* Das Florentiner Quartett, welches in Wien bereits
sieben Concerte mit immer wachsender Theilnahme von Seite des Pub-
likums gegeben hat, soll nach Angabe der Leipziger „Signale" eiuen
Antrag zum Eintritt in das Orchester des Hofoperutheaters abgelehnt
haben.
*** Am 1. April d. J. feiert der Berliner Domebor das 25jäh-
rige Jubiläum seines Bestehens. Derselbe wird gegenwärtig durch
die königl. Musikdirectoren v. Hertzberg uud Kotzolt geleitet,
und umfasst ein Personal von 27 Sängern und 60 — 70 Knaben. Kotzolt
gehört mit zu denen, welche unter dem Musikdirector Neithardt
den Domchor gründeten. Die Jubelfeier wird an zwei aufeinander
folgenden Tagen festlich begangen werden , mit der Aufführung
einer grösseren Kirchenmusik in dem Dome beginnen und mit einer
Liedertafel schliessen. Für die Mitglieder des Domchors erhält die
Feier dadurch noch eine grössere Wichtigkeit, da ihnen die sichere
Aussicht eröffnet worden, dass sie von diesem Tage an, gleich den
übrigeu königlichen Beamten, pensionsberechtigt werden sollen.
***. In Solothurn findet am 12. und 13. Juli das diesjährige
eidgenössische Sänger fest statt.
*** Das Conservatorium in W a r s ch a u ist wegen mangelnder
t Mittel zu dessen Unterhaltung nach kaum sechsjährigem Bestehen
geschlossen worden.
*** A. Rubinstein'* ,.Ocean-Sinfonie" ist in Holland
vollständig populär geworden. Sie ist dieses Jahr in Amsterdam
nicht weniger als z w ö 1 f ra a 1 aufgeführt worden und kürzlich wurde
sie an demselben Tage an zwei verschiedenen Orten zu gleicher Zeit
, executirt.
*«* Der König von Baieru hat angeordnet, dass die erste Auf-
Jfihrung von R. Wagner'i neuester Oper „die Meistersinger von
Nürnberg" am 3. Mai im königl. Hoftheater zu München stattfinden
soll, und es werden die Proben biefür mit grossem Eifer betrieben.
Gleichwohl dürfte es noch fraglich sein, ob die enormen Schwierig-
keiten, welche dieses Werk für Gesang und Orchester enthält, bis
zu dem genannten Termine überwunden sein werden. Wagner selbst
befindet sich im Augenblicke wieder in München.
ANZEIGEN.
Nova- Sendung 1868, N° 2.
Im Verlage von BOB. FORBER6 in Leipzig sind
soeben erschienen und durch alle Buch- und Musikalienhandlungen
zu beziehen:
Baumf elfter , W. Op. 167. Romance italienne pour Piano.
12% Ngr.
— Op. 168. Le petit Savoyard. Morceau caracteristique
pour Piano. 12'/s Ngr.
— Op. 169. Vögleins Traum. Ciavierstück. 10 Ngr.
Beethoven, Mj. V. Marcia alla Turca aus dem Nachspiele:
die Ruinen von Athen f. d. Pianoforte. 7'/, Ngr.
Belir, Fraiteols. Op. 219. Douleur cachee. Romance 616-
giaqae pour Piano. 12 l /j Ngr.
— Op. 220. Valse-Etude pour Piano. 17'/, Ngr.
Cranier, F. In's Herz hinein! Divertissement pour Piano.
15 Ngr.
— Styrienne pour Piano. 12 1 /« Ngr.
Heller, E. Op. 3. Aufwärts. Lied für eine Siugstimme mit
Begleitung des Pianoforte. 7 ! /s Npr.
— Op. 4. Stammbuchblätter. Zwei kleine Lieder für eine
Singstimme mit Begl. des Pianoforte. (In die Ferne,
Gedicht von Unland. Mädchen mit dem rothen Münd-
chen, Gedicht von Heine.) 7 1 /* Ngr.
— Op. 5. Rühret nicht daran ! Gedicht von E. Geibel.
Lied für Sopran oder Tenor mit Begleitung des Piano-
forte. 10 Ngr.
— Op. 6. O GloekengelUute, Gedicht von Jacob Hof-
stätter. Lied für eine Kingstimme oder weiblichen
Chor mit Begleitung des Pianoforte. 10 Ngr.
Krug, B. Op. 196. Rosenknospen. Leichte Tonstücke über
beliebte Themas ohne Octavenspannungen und mit
Fingersatzbezeichnung für das Pianoforte.
N° 28. Wagner, Tannhäuser, Arie „O du mein hol-
der Abeudstern. 10 Ngr.
„ 24. Kücken, Ach wenn du wärst mein eigen.
10 Ngr.
„ 25. Esser, Mein Enge], „Eine Perle nenn' ich
mein." 10 Ngr.
„ 26. Weidt, Wie schon bist du. 10 Ngr.
„ 27. Preyer, Jedem das Seine „Sprichst du zum
Vogel." 10 Ngr.
„ 28. Lortzing, Czar und Zimmermann. Lied
„Sonst spielt ich mit Scepter. tf 10 Ngr.
„ 29. Douizetti, Regimentstochter „Heil dir mein
Vaterland." 10 Ngr.
„ 30. Verdi , Rigoletto „O , wie so trügerisch 1 *
10 Ngr.
Selillliert, !*• Ausgewählte Lieder und Gesänge für eine Sing-
stimme mit Begleitung des Pianoforte. Mit deutschem
und französischem Text.
Op. 1. Erlkönig. Le Roi des Aunes. 6 Ngr.
Op. 2. Gretchen am Spinnrade. Marguerite. 5 Ngr.
Selllllz-WelflA, Jo*. Op. 137. Vater Noah. Heiteres Ge-
dicht von Dr. Joh. Fastenrath, für vier Männerstim-
men. Part, von Stimmen 17 Vi Ngr.
Weber, C« HI* V« Ouvertüre Preciosa für das
Pianoforte zu vier Händen.
— Jubel-Ouvertüre do.
— Ouvertüre Freischütz do. -' k 10 Ngr *
— Ouvertüre Oberon do.
— Ouvertüre Euryanthe do.
I Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz*
17. Jahrgang.
i\°J Md.
6. April 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
"1
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
amtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
HS © rr I a %
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PEEIS:
1
von
B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
ifl. 2. 42 kr. od.Th.l. 18 Sg.
- für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.J15 Sgr. per Quartal.
INHALT: K. Wagners „Meistersinger von Nürnberg." — Corresp. : Stattgart. Cöln. Leipzig. — Nachrichten.
R. Wagners „Meistersinger von Nürnberg."
(Schluss.)
Wir sagten, die „Meistersinger" riefen vor Allem den Eindruck
der Frische und Liebenswürdigkeit hervor. Die Fabel ist einfach,
aber mit ausserordentlicher Kunst der Entwicklung, der Steigerung
in Scene gesetzt. „Meister Pogner", der Goldschmied, ein eifriger
Meistersinger, hat dem Genossen der Zunft, der im Sänge obsiegen
wird, sein schönes Kind „Eva" verheissen. Die Jungfrau liebt
Walther von Stolzing, einen jungen fränkischen Edlen, welcher
Dichter, aber kein Meistersinger im Sinne der Gilde ist. Und so
trifft er bei dem Probesingen in der edlen Genossenschaft keine der
künstlich hervorgebrachten „Weisen , seine neue aus tiefstem Herzen
kommende Weise aber wollen die Meister, trotz „Hans Sachsens"
Eintreten für dieselbe, nicht gelten lassen. So hat Dichter Walther
„versungen und verthan", und während sowohl „Eva" als auch ihr
Vater seine Werbung begünstigten, fühlt sich der Letzere an sein
Wort gebunden, und „Stadtschreiber Beckmesser", der rechte, dürre,
regelrechtige Meisterzünftler , hofft die schöne „Eva" zu erdichten.
Das Gegeneinanderwirken der verschiedenen Interessen, „Hans Sach-
sens" wohlwollendes Eingreifen und die Charaktere der Meister-
singer, die Stimmung des Ganzen sind mit reizenden Zügen geschil-
dert. Keck, lebendig, bunt lustig, von übermüthigem Humor zeigen
sich die Scenen des zweiten Actes, besonders der scherzhafte Zwist
und Aufruhr am Schlüsse desselben, während dessen sich schon
errathen lässt, wie „Hans Sachs" dem Geschicke des Liebespaares
die erwünschte Wendung zu geben gedenkt. Geradezu köstlich ist
die Anlage des Schlusses. „Beckmesser", vom Schrecken des Strassen-
streites unfähig zu „dichten", bemächtigt sich in „Sachsens" Woh-
nung eines Minneliedes, das „Walther von Stolzing" auf die Veran-
lassung des poetischen Schusters gedichtet hatte, entreisst „Sachs"
das Versprechen, sich nie als Verfasser des Liedes zu nennen, was
der Wackere leicht geben kann, und eilt im Vorgefühle des Sieges
davon. Als es nun aber auf der Wiese vor Nürnberg beim rau-
schenden, fröhlichen Volksfeste zum Sangeswettkampf kommt, da
heisst die Volksmasse wohl noch den Bewerber willkommen:
Still doch, 's ist gar ein tüchtiger Meister !
Stadtschreiber ist er — Beckmesser heisst er!
aber mit seinem Liede fällt er bei den Meistersingern, wie bei dem
Volke kläglich durch, indem er die Dichtung nicht verstanden, ihre
Weise nicht begriffen hat und blühenden Unsinn zu Gehör bringt.
Wüthend stürzt er ab, — denuncirt „Sachs" als Dichter des ver-
lachten Liedes, und dieser hat nun Gelegenheit, „Walther von
Stolzing" zum neuen Wettkampf zu rufen, in dem dessen begeisterter
Sang die Massen des Volkes, die widerstrebenden Meistersinger ge-
winnt, die schöne „Eva" als Preis davon trägt. Als aber „Walther
Stelziog" die nun angebotene Aufnahme in die Zunft im Gefühle
der vorangegangenen Kränkung zurückweisen will, weiss ihn „Sachs"
mit schlichtem Herzensworte zu gewinnen, und so endet das Ganze
mit innerster Versöhnung, vollkommen harmonisch :
Zerging in Dunst
Das heilige römische Reich,
Uns bliebe gleich
Die heilige deutsche Kunst!
Diese wenigen andeutenden Worte sind dürftig genug, dem
Reichthume der Operndichtung gegenüber. Aber weder die Hand-
lung, noch die unendlich gewinnende Ausführung der Einzelheiten
lassen sich erzählen, man muss das Ganze in seinem köstlichen acht
deutschen Humor kennen lernen. Die schlichteste Allgemeinver-
ständlichkeit vereinigt sich hier mit den herrlichen und wahrhaft
poetischen Grundgedanken, und wenn je eine Oper im Stoffe die
Fähigkeit hatte, populär im besten Sinne des Wortes zu werden,
so fehlt dieselbe den „Meistersingern von Nürnberg" nicht.
Zweimal hat es uns beim Lesen der schönen Dichtung an-
muthen wollen, als ob gewisse Scenen derselben zu breit augelegt
und ausgeführt wären. Dies scheint der Fall bei den Einleitungen
zum Probesang „Walther von Stolzing's", wo das culturhistorische
Bild mit unendlichen Einzelnzügen vervollständigt wird, und beim
Beginne des dritten Actes, in den Scenen zwischen „Eva", „Hans
Sachs" und „Walther." Wir sagen scheint, weil wir uns gar wohl
erinnern , dass seiner Zeit gegen gewisse Stellen und Scenen des
„Lohengrin" ähnliche Bedenken obwalteten, welche dann vor der
Composition verschwanden. Wir können uns also in einem Irr-
thume befinden, welcher durch die Bühnenaufführung widerlegt wird.
Die Gipfelpunkte der Oper werden aber wohl auf alle Fälle der
Schluss des zweiten und der Schluss des letzten Actes bleiben, in
denen volles Leben, treueste Sittenschilderung in lebendigen Scenen,
die frischeste Empfindung und ergreifendste dramatische Steigerung,
nach der humoristischen wie nach der ernsten Seite hin , Hand in
Hand gehen. — Hier bethätigt Wagner die vollste Gewalt seines
dichterischen Talents, und für Niemand, der gesunde Empfindung
bat, kann Werth und künftiger Erfolg des Werkes zweifelhaft bleiben.
CORBESPONDENZEN,
Aus Stuttgart.
T. Stuttgart, im März. Am 8. d. gab Frl. Irma Steinacker
aus Weimar, eine mehrjährige Schülerin unseres Conservatoriums r
ihr Abschieds-Concert im Museum, das sehr zahlreich besucht war.
Sie machte ihren Lehrern , den Proff. P r u ck n e r und Lebert,
alle Ehre, und wird in der Kunstwelt neben einer Mehlig und.
Marstrand zu den berufensten Vertreterinnen der hiesigen Me-
thode gezählt werden. Sie spielte zwei Fantasiestücke von S ch u-
m a n n, Präludium und Fuge in E-moll von Mendelssohn, zwei
von Liszt für die Lebert-Stark'sche Clavierscbule geschriebene)
Concertetuden, und mit den HH. Singer und Krumbholz da»
grosse Es-dur-Trio von Beethoven. Alles gelang nach Wunsch
und wurde mit allgemeinem Beifall belohnt. Hr. Krumbholz
spielte noch „Litanei" von Fr. 8 ch u b e r t und Romance von G ol-
54 -
ttrmaoD; Hr. F o h m an n fährte L. S t ar k's neue Nocturne für
Hörn ror, betitelt „Jägers Ständchen, "welche vielfach da Capo ge-
wünscht wurde, Frl. Bär mann sang ein Lied von ihrem Vater
C. Bärmann und „Widmung* von Schubert, endlich Hr.
Walleureiter zwei Lieder von E ck e r t , „Die Sterne" (mit
oblig. Cello) von Frau Viardot-Garcia, und eine sehr interessante
Composition: „Gedenk' ich Dein Mir Stunde von E. A. Tod.
Am 17. d. fand unter D o p p 1 e r's Leitung das 8. Abonnements-
concert statt, welches die Athaliaouvertüre und Beethovens F-dur-
Sinfonie brachte, und zwar in sorgfältiger Ausführung; zumal die
subtilen Tongewebe des Beethoven'schen Werkes, dieser zweiten
Fastoralsinfonie, welche die erste und eigentliche nur noch durch
derberen Humor übertrifft — einer unserer Lokalcorrespondenten
zählt sie zu den „schwächeren Werken des Meisters" — kamen
aufs Beste zur Geltung. Ausserdem war Beethoven noch vertreten
durch eine von Frau M a r 1 o w mit Aufwand aller ihrer noch immer
vorzüglichen Kräfte gesungenen Arie aus „Christus am Oelberg,"
deren Chorsatz gar lebhaft an die „Schöpfung" erinnert, und durch
das wenig gehörte Tripelconcert von Beethoven, dessen Soloparthien
durch die HH. Singer, Krumbholz, und S p e i d e 1 zwar meis-
terhaft vertreten waren, die jedoch in dem weiten Baume des Königs-
haus zu ihrer eigentlichen Wirkung um so weniger gelangten , als
eich zumal die beiden Streichinstrumente grösstentheils nur in ex-
tremen Lagen bewegen, und so neben der Orchestermasse, welche
den musikalischen Kern des Ganzen festhält, mehr nur die Rolle
eines ausschmückenden Beiwerkes spielen. Doch wurde das interes-
sante Werk, besonders der rhythmisch so scharf gezeichnete Final-
satz, mit ungetheiltem Beifall aufgenommen , ebenso das bekannte
Bach-Gounod'sche Ave Maria, dessen Soli Frau M a r 1 o w , dann
die HH. Singer und Krüger aufs brillanteste ausführten, end-
lich eine Fantasie von Alvars über „Moses, worin sich Hr. G.
Krüger abermals als einer der ersten Harfenkünstler der Gegen-
wart bewährte.
Die 6. Soiree für Kammermusik begann mit einem harmlosen
H ay d n'schen Trio in As, von den HH. Pruckner, Singer und
Krumbholz mit Beifall vorgetragen. Darauf spielten die beiden
Letzteren mit den HH. Wien und S e i f r i z das Beethove n'sche
G*dur-Quartett, das in jedem Satze zündende Wirkung machte, und
später ein Quartett in G-moll von Naumann, womit die wackeren
Künstler eine etwas undankbare Arbeit übernommen hatten. Das
nicht ohne contrapunctische Geschicklichkeit und künstlerische Ten-
denz gearbeitete Werk leidet, wie so viele Producte der Gegenwart,
an der schlimmen Schwäche, dass dem Hörer durch allzuviele Syn-
kopen und rhythmische Rückungen in jedem Satze gleich von An-
fang das Gefühl der herrschenden Tactart abhanden kommt, dadurch
die Auffassung erschwert und das Interesse verleidet wird, so dass
ihm bald der Verlauf des Ganzen höchst gleichgültig dünkt; mein
Nachbar meinte , es sei ihm bei dem Ding, als weile er allein auf
weiter Flur und wäre ihm plötzlich die Uhr stehen geblieben, und
wüsste er nun den ganzen Tag nimmer, wie er an der Zeit sei. Eine
herzerfreuende Gabe zwischen beiden Quartetten waren S ch u m a n n's
unübertreffliche Variationen für zwei Pianos, von den HH. Pruck-
ner und S p e i d e 1 mit genauester Uebereinstimmung und dabei
wohlthuendster Freiheit vorgetragen ; das war als ob Einer mit vier
Händen auf beiden Flügeln spielte ; indessen wurde der Ton des
zweiten Flügels etwas durch den geöffneten Deckel des ersten ver-
hüllt, den man besser abgeschraubt hätte; doch ist es auch wieder
gut, wenn beide Instrumente nicht die ganz gleiche Klangfarbe haben.
Die heuer zum Geburtsfeste des Königs gegebene Oper: „Roth-
käppchen" von B o i 1 d i e u findet beim Publikum keinen Anklang,
trotz der sorgfältigen Einstudirung, trotz der musterhaften Leistungen
der Mitwirkenden und trotz, aber besser wegen der glänzenden Aus-
stattung. Zu den dahier aufgebotenen Effecten der modernen De-
corationskunst und Maschinerie erwartet der Laie auch jene Instru-
mentalfarben, welche er in anderen Opern daneben zu hören gewohnt
ist: das hohe Geschwirr getheilter Geigen, die feuchte dämonische
Schwüle der tiefen Clarinetten, das wilde Jauchzen der kleinen Flöte,
die wuchtigen Würfe der schweren Blechmasse. All das findet sich,
und zwar in seinem plumpen Extrem, höchstens in der eingelegten
Balletmusik, welche der Lenker unseres Tanzkörpers nicht etwa,
wie es künstlerisch geboten war, aus andern Opern von Boildieu
oder gleichzeitig französischen Meistern, sondern aus jenen lärmenden
Producten moderner Routiniers gewählt hatte , wo die ernsten Po*
saunen zu nachschlagenden Begleitungen frecher Pistonmelodien
missbraucht werden. Davon wird nun der schlichte, durchsichtige
Satz Boildieus vollends übertäubt ; dass übrigens schon eine unver-
hältnissmässig glänzende Ausstattung allein hinreicht, eine beschei-
dene Musik unwirksam zu machen, zeigte sich bereits bei L o r tz i n g's
„Undine," welche sich allenthalben zur „Decorationsoper" hergeben
musste und richtig allenthalben wohl das Auge, nicht aber das nach
entsprechenden Klangwirkungen lauschende Ohr befriedigte.
In der siebenten Soiree für Kammermusik unternahm es
Hr. W. Speidel, die boshaften Schwierigkeiten in Schub ert's
Wanderer- Fantasie (Op. 15), zu bewältigen, was ihm aufs Beste ge-
lang; lebhafter Applaus lohnte ihn dafür, ebenso für die kleinere
Sonate in A-dur von Beethoven, welche er mit Hrn. Singer
ganz tadellos vortrug. Letzterer überraschte mit einem eigenen Werk,
einer sehr melodiereichen und interessant harmonisirten Nocturne,
dann mit zwei höchst anmuthigen und brillanten Novitäten von
Damrosch und Aline Hundt, endlich noch, um eine zufällig ent-
standene Pause auszufüllen, mit der schönen G-dur-Barcarole von
S p o h r, wofür ihn die Hörerschaft mit den wärmsten Dankeszeichen
überschüttete. Ein am Schlüsse von den Genannten im Verein mit
den HH. Wien und Cabisius vorgeführtes Ciavierquartett von
Gernsheim erwarb sich nur getheilte Anerkennung, obschon in
demselbeu ein frischer Zug herrscht und Alles in gewählter, von
feinem Geschmacke zeugender Form auftritt.
i^»»»i
Aus €5)n.
2t. März 1868.
Eine vorurteilslose Kritik darf sich nicht ausschliesslich mit
den hiesigen Abonnements-Concerten und Quartett-Soireen beschäf-
tigen, sondern ist verpflichtet, um nicht einseitig zu erscheinen, ihr
Augenmerk auch auf andere Kunstbestrebungen zu richten, welche
in Folge ihrer Kunstleistungen einer näheren Besprechung werth sind.
Sie wollen mir daher erlauben, wenn ich mich heute mit den Leist-
ungen zweier Musikchöre beschäftige, welche meiner Ansicht nach
vollständig berechtigt sind, in den Kreis der öffentlichen Besprechung
gezogen zu werden.
Die hiesigen Militair-Capellen des koeigl. 33. und 65. Inf. Re-
giments, denen sich seit kurzem noch das Corps des 74. Inf. Regi-
ments anreiht, haben seit vielen Jahren ihre Mitglieder neben der
Cultivirung von Blasinstrumenten auch in der Handhabung der Streich-
instrumente auszubilden und immer mehr zu vervollkommnen ge-
sucht, so dass gegenwärtig jedes dieser Chöre ein vollständiges,
gutbesetztes grosses Orchester bildet, welches im Interesse des Pub-
likums und im Dienste der Kunst jedwede practische Verwendung
zulässt.
Die beharrlichen Bemühungen der beiden, als tüchtige Musiker
anerkannten Capellmeister H. Lauderbach und R. Zerbe sind
von den schönsten Erfolgen begleitet gewesen. Die Aufführungen
dieser Corps reihen sich den rühmlichen Leistungen der früheren
S t r a u s s 'sehen und Man n'schen Capelle würdig an und ihre
seit mehreren Jahren veranstalteten Abonnements-Concerte sind hier-
selbst sehr beliebt.
Lauderbach gibt Sonntags und Donnerstags seine Concerte in
dem Saale des Hrn. Metz im Dom-HÖtel und Mittwochs im Glaspa-
laste der Flora. — Zerbe hat seine Tribüne in dem schönen Saale
des Gertrudenhofes bei Hrn. Gebrüder Mosler aufgeschlagen und
concertirt Mittwochs und Freitags daselbst so wie des Sonntags in
dem Gartensaale des Hotels Bellevue zu Deutz. Die Mittwocbs-
concerte desselben sind in soweit von den Freitagsconcerten ver-
schieden, als die ersteren Familien-, letztere Sinfonie- Concerte
benannt sind. In den Mittwochsversammlungen kommen vorwiegend
Ouvertüren, Märsche, Tänze, Potpourri's etc., in den letzteren vor-
züglich Ouvertüren, Solo-Vorträge, Sinfouien aus dem Bereiche rein
classischer Musik zur Aufführung. Beide Capellen leisten Vorzüg-
liches und haben die Musikaufführungen der B i 1 s e'schen Capelle,
welche auf ihrer Rückreise von Paris auch hier mehremale aufge-
treten, einen unverkennbaren günstigen Einflnss auf die hiesigen
Chöre ausgeübt, indem die Mitglieder mit ihren Dirigenten ernstlich
bemüht sind, diesem trefflichen Vorbilde nachzustreben, und das
- 55 —
▼olle, runde, exacte Ensemble, die feinen Schattirangen and das fast
unübertreffliche Pianisaimo des Bilse'schen Chores, wie in den Lnm-
bie'schen and Schumann'scheu Träumereien für Streichinstramente,
in möglichst annähernder Vollkommenheit wieder zu geben.
Die Programme sind stets unter Berücksichtigung des Zweckes
mit vielem Geschick und Sachkenntniss aufgestellt, und tragen in
ihrem rolksthümlichen Character dem Geschmacks des Publikums
▼olle Rechnung ohne dabei zu ermüden und den classischen Boden
der heiligen Musica zu vernachlässigen.
Beide Concerte erfreuen sich, besonders aber die Sinfonie-
Concerte, einer lebhaften Betheiligung des Publikums, und tragen
diese Aufführungen namentlich in den Classen der Bevölkerung!
welche nicht immer Gelegenheit haben den grössern musikalischen
Aufführungen beizuwohnen, wesentlich dazu bei, den Geschmack zu
bilden und zu verfeinen und den Sinn für gute Musik durch alle
Schichten des Publikums weiter zu verbreiten.
Aus Leipzig.
Im März 1868.
Wie viel oder wie lange der Mensch Musik ertragen resp. ge-
niessen kann , das konnte Jeder der das sechszehnte Abonne-
ment-Concert Besuchenden an sich erproben. Die so oft jetzt zu
hörenden Klagen über Nervenschwäche schienen sich zu bestätigen ;
denn nachdem der erste Theil des Concertes über sieben Viertel-
stunden gedauert hatte, wollte es selbst der den zweiten Theil füllenden
Sinfonie eroica nicht gelingen, das Häuflein der Getreuen in An-
dacht zusammen zu halten. Und welchem anderen Werke, wenn
diesem nicht? selbst wenn die Ausführung durch einige Schwankungen
namentlich im Scherzo und einige Unebenheiten in der Vortrags-
weise der Blasinstrumente getrübt wird. Besser erging's in letzter
Beziehung der das Concert eröffnenden Ouvertüre zu „Athalia" von
Mendelssohn. Dieser zunächst erfreuten und erwarben sich
reichen Beifall Herr Bondgen und Concertmeister David durch
den Vortrag der Sinfonie concertante für Violine und Viola von
Mozart. Wenn auch nicht zu den bedeutendsten, inhaltscbwersten
Werken des unsterblichen Meisters, gehört sie doch sicher zu den
anmuthigeren, deren Anhören uns stets mit einem gewissen künst-
lerischen Behagen erfüllt. Wenn aber, nach unserm bescheidenen
Dafürhalten und mit aller Ehrfurcht vor dem Schöpfer sei es aus-
gesprochen, der Inhalt nicht in der rechten Harmonie mit der Länge
des Werkes steht, so möchte ss gerathen erscheinen, letztere nicht
noch durch Einlage ziemlich umfangreicher und der Einfachheit und
dem Character des Werkes nicht recht entsprechender Cadenzen
auszudehnen, auch wenn dieselben so virtuos, wie in vorliegendem
Falle ausgeführt werden. Einen weit befriedigenderen Eindruck,
der sich auch in den lebhaftesten Acclamationen und wiederholtem
Hervorruf kund gab, machte in dieser Beziehung die einfache und
würdige dabei geistig belebte Weise, in welcher Herr Eöntgen eine
Sonate für Violine und bezifferten Bass von Händel, mit Piano -
forte-Begleitung bearbeitet von F. D a v i d, vortrug. Die dazwischen
liegenden Gesangsnummern: Arie aus „Ezio" von Händel und
Lieder von Schubert — „Ihr Bild," „der Doppelgänger" und das
„Fischermädchen" — wurden von Hrn. Wallenreite r, königlich
würtembergischer Hofopernsänger aus Stuttgart, in einer in mancher
Beziehung recht anerkennenswerthen Weise ausgeführt. Hr. Wallen-
reiter ist im Besitz einer weichen, wohllautenden, ziemlich ausgiebigen
Bassstimme, der man, wenn auch in den Registern noch nicht voll-
ständig ausgeglichen, fleissige Studien anmerkt, die er auch in sei-
ner Macht hat und glücklich zu gebrauchen weiss. Sein Vorbild
ist offenbar Stockhansen ; so sehr man sich damit einverstanden er-
klären muss, so wäre doch zu wünschen, dass er auch, wie dieser,
es verstände, seine Vorträge mit künstlerischem Feuer, mit warmer
Empfindung von innen heraus zu beleben. Die Copie des blobs
Aeusserlichen wird monoton und wirkt ermüdend.
Zu einer wahren Festfeier in des Wortes bester Bedeutung ge-
staltete sich der Abend des 13. Februar, des siebzehnten
Abonnement - Concertes ; Franz Lachner war von München ge-
kommen, seine neueste, vierte, Suite persönlich einzuführen. Um
dieser einen glänzenden Erfolg zu verschaffen, hätte es allerdings des
persönlichen Erscheinens des Meisters nicht bedurft; ihr ist der Stem-
pel der Meisterlichkeit in einem so hohen Grade aufgedrückt, sie
durchweht eine Geistesfrische, ein warmes Leben ; bei der sinnreich*
sten Verwendung aller technischen Mittel und contrapanctistischer
Gestaltungen tritt uns das Ganze so klar und stylvoll entgegen, in
so anmuthigen and wohllautenden Klangfarben, fern von aller grellen
Effecthascherei , dass überall da, wo sich noch ein gesunder Sinn
für das wahrhaft Schöne in der Kunst erhalten hat, das Werk die-
selbe enthusiastische Aufnahme finden muss, wie sie ihm hier zu
Theil ward. Fünf Sätze sind es — Ouvertüre, Andantino, Scherzo
pastorale, Andante und Gigue — die sich, in geistigem Zusammen-
hange stehend, an einander reihen. DenWertb der einzelnen gegen
einander abzuwägen, dazu bedarf es mehr, als ein einmaliges An-
hören ; so schien auch das Publikum zu urtheilen oder vielmehr
empfinden , denn jedem derselben folgte der gleiche begeisterte
Applaus. Und wahrhaftig, wir wüssten unter den sämmtlichen jetzt
lebenden Instrumentalcomponisten Keinen, der's besser machte, als
Franz Lachner. Ob Einer, der's ihm gleich thut, das müsste sich
erst noch erproben. Das wissen wir aber gewiss, dass dieser sich
nicht in der Reihe derjenigen findet, die es dahin gebracht haben,
dass Franz Lachner der Stadt den Rücken wendet, in welcher er
die Kunst mit heiligem Eifer und voller Manneskraft gepflegt, deren
musikalischen Sinn er in edelster Weise geweckt und gehoben hat,
deren Zierde und Stolz er durch mehrere Decennien war. Wir
wollen darum auch nicht in Abrede stellen, dass mindestens in dem
rauschenden Bewillkommnissgruss , den der Meister, als er an das
mit einem Lorbeerkranze geschmückte Dirigentenpult trat, von Seiten
des Publikums wie des Orchesters empfing, eine gewisse Demon-
stration lag; man wollte ihn für widerfahrene Unbill entschädigen,
man wollte zeigen, dass der Gewandhaussaal noch eine Stätte ist,
wo man das wahrhaft Gute, das echte künstlerische Streben zu
schätzen und zu ehren weiss. Von diesem Gefühle war vor allem
das Orchester durchdrungen, welches mit vollster Hingabe unter der
feurigen, geistig belebenden Leitung des Componisten den Inten-
tionen desselben nachzukommen suchte und dadurch eine Leistung
gab, die wir unbedingt mit an die Spitze alles in diesem Winter
Gebotenen stellen möchten. Das Orchester ehrte sich in dem treff-
lichen Meister, als es am Schluss bei dem wiederholten Hervorrufen
mit einem Tusch einfiel. — Nur einem Künstler wie Ferdinand
Laub, konnte es gelingen , nach solchen Erfolgen das Interesse
auch für den zweiten Theil des Concertes wach zu halten. Die
zündende Wirkung, die er durch sein vollendetes Spiel auf das Pub-
likum ausübte, darf er um so höher anschlagen, als das Concert
(Nr. 5, A-moll) von M o 1 i q u e eben nicht darnach angethan ist,
eine solche hervorzurufen. Viel mehr geeignet, die Virtuosität in
vollstem Glänze zu zeigen, erwiesen sich die drei Solostücke für
die Violine eigener Composition: Romanze, Ballade und Polonaise,
nach deren Vortrage stürmischer Beifall und wiederholter Hervor-
ruf Herrn Laub zu Theil wurden. Und damit war ja ihr Zweck
erreicht! — Zwischen diesen Vorträgen sang Frau Jauner-Krall,
königl. Hofsängerin aus Dresden, die Arie der Zerline: ,,Wenn
Du fein fromm bist" aus Mozart's ,,Don Juan." Die grosse Be-
liebtheit, deren sich die Sängerin von früherem Auftreten erfreut,
Hess wohl darüber wegsehen, dass dieselbe geleitet von dem Drange
recht natürlich oder auch recht pikant erscheinen zu wollen sich
verleiten liess, die Gränzen der Wahrheit und der Schönheit zuweilen
zu überschreiten. Denselben Vorwurf können wir auch ihrem Vor-
trage der drei Lieder: „Ich grolle nicht" von R. Schumann,
„der Nussbaum" von demselben und „Unbefangenheit" von C. M.
v. Weber nicht ersparen. Abgesehen davon schätzen wir in Frau
Jauner eine Künstlerin, die so viele sangliche wie geistige Vorzüge
mitbringt, dass wir den ihr gespendeten reichen Beifall, der sogar
eine Wiederholung des letzten Liedes zur Folge hatte, als vollkom-
men verdient bezeichnen müssen.
Wenn wir auf Besprechung des achtzehnten Abonnements«
Concertes weniger ausführlich eingehen, so glauben wir damit nur
im Interesse der meisten dabei Betheiligten zu handeln; es rangirte
nicht zu den glanzvollen. Eine, bis auf ein Versehen, ganz leid-
liche, durch Nichts aber hervorstechende, Wiedergabe der M e n d e 1 s
sohn'schen Sinfonie in A-dur leitete dasselbe ein. Dieser folgte
Scene und Arie mit obligatem Pianoforte von Mozart, vorgetragen
von Frl. Madeleine Reiter aus Basel und Herrn von Inten aas
Leipzig. Eine so anerkennenswerthe Leistung Letzterer auch
bot, so litt sie doch zu sehr unter dem Vortrag der Sängerin, am
— 56 -
vur gehörigen Würdigung zu gelangen. Frl. Heiter, eine Schülerin
der Frau Viardot-Garcia, ist nach jeder Seite hin noch zu sehr
Anfängerin und verfügt über ein zu unbedeutendes Material, als
dass sie es hätte wagen sollen, vor dem Publikum des Gewandhaus»
saales aufzutreten. Die am Schiasse versuchten Beifallszeichen
wären daher der Opposition wegen besser unterblieben. Dafür er-
griff das Publikum um so eifriger die Gelegenheit zum Applaus
nach dem Vortrag des Herrn Emil He gar, Mitglied des Orches-
ters. Er spielte mit schönem vollen Ton und warmer Empfin-
dung das Violoncell-Concert (Nr. 1, A-moll) von Goltermann
und wus8te für seine Leistung das lebhafteste Interesse zu erwecken.
Sehen wir von einer nicht immer unfehlbaren Intonation ab, ist
seine Technik als eine höchst respectable zu bezeichnen. Den
zweiten Theil des Concertes füllte die Bee thoven'sche Musik zu
„Egmont" aus. Frl. Lemke, herzogl. sächs. Hofschauspielerin aus
Meiningen, die das verbindende Gedicht von Mos eng eil sprach,
verstand es nicht recht, die Langweiligkeit und Plattheit desselben
weniger fühlbar zu machen. Frl. Reiter reussirte mit dem Vortrag
der Lieder etwas besser, als mit jenem der Arie. Aach hier blieb
von Seiten des Orchesters der Genuss nicht ganz ungetrübt.
(Schluss folgt.)
lachrichten,
MaiDX. Mainzer Liedertafel und Damen-Gesangver-
ein gaben am 27. März ein Coneert zum Besten der Armen, in
welchem das Oratorium „Messias" von G. F. Händel unter Mit-
wirkung der Frls. Elise Leiblein aus Würzburg (Sopran), M. B.
aus Mainz, Mitglied des Damen-Gesangvereins (Alt), der HH. August
Ruff aus Mainz (Tenor) und Theaterdirector Behr sowie des
Theaterorchesters unter der Leitung des Vereinsdirigenten Herrn
Friedrich Lux zur Aufführung kam. Ueber das aufgeführte Werk
selbst etwas zu sagen, dürfte wohl überflüssig erscheinen und wir
haben daher nur zu coastatiren, dass die Aufführung eine im Ganzen
und den gegebenen Verhältnissen nach wohlgelungene war, denn ob-
wohl das früher schon beklagte Missverhältniss zwischen dem zu
schwachen Damenchor und den zu sehr dominirenden Männerstimmen
sich leider noch nicht gebessert hat, so wurden doch die meisten
der prachtvollen Chöre mit Präcision , Feuer und Schwung ausge-
führt und fanden demnach entsprechenden Beifall. Was die Soli
betrifft, so leisteten Sopran und Tenor höchst Lobenswerthes und
auch die Basspartie hatte einen sehr respectablen Vertreter in Herrn
Behr gefunden. Die Trägerin der Altpartie kämpfte leider mit einem
nicht unbedeutenden Unwohlsein, wodurch sie verhindert war, ihre
hübschen wenn auch nicht kräftigen Stimmmittel zur Geltung zu
bringen ; doch wurde auch ihr von dem den Solisten gespendeten
reichlichen Beifall der ihrem Streben und guten Willen gebührende
Antheil. Das Orchester hielt sich recht wacker und es bleibt uns
jetzt nur zu wünschen, dass uns die nächsten Concerte der beiden
Vereine auch Einiges von den vielen interessanten Neuigkeiten im
Fache des Männer- und gemischten Chors bringen möchten, was
gewiss von dem betreffenden Publikum dankbar aufgenommen würde.
E. F.
München. Zur Inscenirung der „Meistersinger" von R. W a g n e r
wurde der Hr. Dr. Hallwachs, Opernregisseur in Stuttgart, hieher
berufen und hat bereits seine Thätigkeit begonnen. — Von der
Aufführung des Requiems von B. Scholz, welches, wie bereits mit-
getheilt wurde, bei den Exequien für König Ludwig I. zum ersten
Male dahier gehört und von allen Musikverständigen als ein sehr
gediegenes Werk anerkannt wurde , fand wenige Tage später , zur
Gedächtnissfeier für den König Maximilian, in der Hofkirche zu
St. Cajetan eine Wiederholung, in gleich vorzüglicher Weise wie
bei der ersten Aufführung, unter der Leitung des Hofcapellmeisters
Franz Wüllner statt.
WOrzburg. Meyerbeer' s „Afrikanerin' 1 ist am 12. März dahier
in recht befriedigender Weise in Scene gegangen und bereits vier-
mal wiederholt worden.
Leipiig. Der Tenorist Hacker vom Hoftheater zu Dessau
und die Coloratursängerin Frl. Weyringer vom Stadttheater zu
Rotterdam sind für das hiesige Stadttheater engagirt worden.
Wien. Das erste der diesjährigen historischen Concerte des
Hrn. L. A. Zellner fand, der Ankündigung gemäss am 19. März
im Musikvereinssaale statt und das Programm desselben war ein
höchst interessantes und seltenartiges, indem der Concertgeber be-
absichtigte, das Meistersingerthum in seiner geschichtlichen Entwick-
lung darzustellen. Die erste Abtheilung enthielt die V o r s t u f e n r
nämlich das Volkslied vom 11. bis zum 15. Jahrhundert, Töne
der Minnesinger und Töne der fahrenden Meiste r-
sänger. In der zweiten Abtheilung wurde das zun fti ge Meister-
singerthum dargestellt : lyrisch durch die gekrönten Meister-
töne und gemeinsamen Lieder, dramatisch durch ein Fastnachtsspiel
von Hans Sachs. Den Schluss machten zwei gleichzeitige Volks-
lieder, vom Chor gesungen.
— Das FlorentinerQuartett wird Wien verlassen, ohne
dass der Plan gelungen, die vier Künstler dauernd zu gewinnen»
obgleich man ihnen glänzende Bedingungen und u. A. auch einen
längeren contractmässigen Urlanb in Aussicht gestellt hatte. Herr
Becker zwar zeigte sich nicht abgeneigt in das Hofopernorchester
einzutreten, allein seine Colleges wollen durchaus nicht auf die ge-
nannte Offerte eingehen. Das nächste Ziel der berühmten Quartet-
tisten ist Graz.
— Der Direction des Josephstädter Theaters wurde ein Volks-
stück mit dem Titel „Beethoven" anonym eingesendet.
— Die Solotänzerin Frl. J a k s ch wurde am Hofoperntheater
auf drei Jahre engagirt mit 4000 fl. Gehalt, welcher jährlich um
600 fl. steigt.
— Am 30. März nahm im Hofoperntheater der Tenorist E r 1
Abschied Von dem Publikum, um nun seine Pension anzutreten.
BrÜSS6l. Verdi's „Don Carlos" will noch immer nicht ziehen
und hat die auf ihn gebauten Hoffnungen und Erwartungen in keiner
Weise befriedigt. Die Administration der populären Concerte hat
angekündigt, dass am 5. April noch ein allerletztes Coneert statt-
findet, in welchem Joachim auftreten und das 22. Coneert von
Viotti, das Andante aus dem 6. Coneert von Spohr für Violine
und Orchester, sowie eine Suite von Seb.-Bach für Violine allein
vorgetragen wird. Ausserdem spielt das Orchester die Ouvertüre
zur „Genovefa" von Schumann, die Concert-Ouvertüre von Stadt-
feld und die Ouvertüre zu „Athalia" von Mendelssohn; ferner
das Scherzo aus der 1. Sinfonie von Jadassohn sowie Andante
und Scherzo aus der „Oceansinfonie" von A. Rubin stein. Dies
wird gewiss auch für begehrliche Gemüther hinreichend sein. Auch
Frau Clara Schumann wird in diesen Tagen in Brüssel erwartet
und man gibt sich der Hoffnung hin, sie werde mit Joachim eine
oder mehrere Musik-Soir£en veranstalten.
*„* Ffl« Philippine von Edelsberg gastirt gegenwärtig in
Königsberg mit sehr günstigem Erfolg.
*** Im Coneertsaale der „Sacred Harmonie Society* 1 in Exeter-
Hall zu L o n d o n wurde kürzlich eine von dem berühmten R o u b i 1 a c
ausgeführte Marmorstatue H ä n d e Ts aufgestellt.
\* Dr. Ludwig Eckhardt hält in Wien Vorlesungen
über Schumann, Wagner etc. etc.
*** Das Conservatorium der Musik in Leipzig hat während
seines 25jährigen Bestehens gegen 1500 Schüler und Schülerinnen
künstlerisch gebildet, von denen ein grosser Theil eine Stellung in
der musikalischen Welt einnimmt.
V* M o z a r t's Oper : „Die Gans von Cairo" und „Mignon"
von A. Thomas werden am Leipziger Stadttheater zur Auf-
führung kommen.
*** Die gegenwärtig in C o b u r g engagirte Sängerin £rl. Spohr
hat sich dort mit dem Schauspieler F i ch t n e r, einem Sohne des
berühmten Wiener Hofschauspielers dieses Namens, vermählt.
*** Im a ch t e n und letzten Abonnementsconcert des Orchester-
vereins in Breslau spielte die Pianistin Frl. Sophie Menter
das A-moll - Coneert von S ch u m a n n und den „Rakoczy-Marsch"
von L i s z t und sah ihre schöne, acht künstlerische Leistung mit
stürmischem Beifall belohnt.
*** Die Wiener Pianistin Frl. Constanze Skiwa ist, nach-
dem sie in letzter Zeit in Paris die ehrenvollsten Erfolge errungen
hatte, nun in London eingetroffen, wo sie im Crystallpalast auf-
treten wird.
Verantw. Red, Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz*
17. Jahrgang.
jf* MS.
13. April 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
^ ^ **
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j DieBe Zeitung erscheint jeden j
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
V © IT II • g
PREIS:
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von
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co.
fl. 2. 42 kr. od.Th. 1.18.8g.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.[15 Sgr. per Quartal.
INHALT: Eine Schubertiade. — Corresp. : Mannheim. Leipzig. Paris. — Nachrichten.
Eine Schubertiade.
(Nach Bruchstücken aus dem Nachlasse meines Grossonkels.)
Es war am 1. Juli 1825, etwa Morgens 11 Uhr, als ich miss-
mnthig im Gastzimmer der sogenannten Post zu Traunkirchen sass j
nnd durch die angelaufenen Fensterscheiben wüthend an den grauen
Regenhimmel hinaufstarrte , ob denn in der einfarbigen Bleidecke
nicht wenigstens Contouren von Wolken erschienen oder sonst ein
Zeichen auf Aenderung des Wetters deutete. Aber da war nichts
Tröstliches: kalt schlugen die unendlichen Güsse ans Glas; kaum
war die Oberfläche des lieben Traunsees an etwas bläulicherem
Tone von der darüberhängenden Nebelwucht zu unterscheiden': die
Insel mit dem Kloster schwebte darin nur als wie ein dunkler
Flecken, wie wenn sie stundenweit entfernt wäre ; von allen Dächern
wuschen klatschende Wasserströme herab ; im ganzen Hause lag ein
hässlicher Rauch, wie ein Protest des Ofens gegen den naturwidrigen
Frevel, dass man ihn im Hochsommer geheizt hatte; dazu schlichen
ächzend vor Langweile etliche Sommerfrischlerinnen umher, ehrbare
Frauen aus Wien, und zählten die Minuten bis zum Mittagessem
dem einzigen Lichtblick in ihrer verödeten Existenz; gibt es doch
nichts Trostloseres, wie in einem Wirthshause länger liegen zu müssen,
als Speis 1 und Trank geradezu fordern, und nun vollends da zu
wohnen, unter lauter zechenden Menschen nüchtern und trocken um-
herzugehen, und wenn man je der lockenden Versuchung Gehör
gibt, Gefahr zu laufen, die vielleicht ärztlich anempfohlene Diät
schnöde zu übertreten. Auch ich war schon auf diesem schlimmen
Wege, und ging eben dem dritten Seidel „Gumpoltskirchner" zu
Leibe, als um die Uferecke ein Kahn heranrauschte, anlegte, und
nebst den Führern zwei pudelnasse Passagiere entlud, welche unte r
einem grünen Familiendache aufs Haus zu steuerten. Im Vorplatz
hörte ich sie wohl eine Viertelstunde lang die Nässe abschütteln
stampfen und bürsten; daun traten sie herein: der Erste hoch ge"
wachsen nnd breitschulterig, schon etwas ältlich, aber entschieden
nnd kräftig im ganzen Wesen ; hinter ihm kam ein junger Mensch
in grauem Rocke, klein und unansehnlich, obschon etwas wohlbe-
leibt; seine Haare waren borstig und verworren ; seiue Augen stacken
hinter einer altmodischen Hornbrille.
„So, Franzi ! jetzt setz* dich her a rief der Aeltere, indem er sich
gerade in die Ecke hinter dem grossen Tische warf, „hier [ist gut
zu sein :" und dann sang er mit prachtvollem Tenorbariton :
„Labe dich! mir auch Mädchen
Diesen frischen Gesundheitstrank !"
Während er aber dabei von der „Pepi" eine Flasche „Nuss-
berger" heischte, schnitt der Jüngere, den ich nun bei näherer Be-
trachtung auf etwa 28 Jahre schätzte, ein saures Gesicht, und sagte .
„Aber kannst Dn denn auch nuf bei flüchtigen Citaten nicht
Deine erwünschten Schnörkel lassen? Es lautet ja s o I" nnd dabei
sang er die Weise mit schüchternem, etwas gaumigem Tone.
„O weh!" rief jetzt der Andere, „schone • meine Ohren t Ich
kann deine miserable, verquetschte Componistenstimme nicht hören I
Wo wäret ihr Herren Tonsetzer alle, wenn ihr uns Sänger nicht
hättet!"
„Vermuthlich da", erwiderte trocken der Kleine, „wo ihr Herren
Sänger wäret, wenn's keine Componisten gäbe. 14
„Nur sachte, Kleiner!" begann der grosse mit einer gewissen
Ueberlegenheit ; „Eurer jungen Federn wenigstens bedarf man noch
lange nicht ; es gibt alte Meister, die genug geschrieben haben für
uns und sangbarer als ihr !"
„Und die ihr souveränen Sänger ebenso misshandelt wie uns"
entgegnete gereizt der Jüngere, „sobald Euch nicht Alles nach
Wunsch in die Gurgel gestrichen ist."
„Als ob" replizirte es aus der Ecke, „der Sänger nicht das
unbedingte Recht hätte, sich das Vorzutragende nach seiner Stimm-
lage zuzurichten ! Er gibt zunächst sein Ich der Oeffentlichkeit preis ;
fällt er mit einem Stück durch, so trifft der Schaden vor allem ihn
selbst und zum wenigsten den vielleicht gar nicht bekannten Com-
ponisten. —
„Schlägt er aber", fiel der Kleine dazwischen, „mit einem ge-
lungenen Stück durch, so kommt auch ihm zunächst der ganze Er-
folg zu Gute, und der arme Tondichter hat sich bei ihm zu bedanken,
wenn sich der Sänger auch noch so viel Eigenmächtigkeiten erlaubte ."
„Mit vollem Recht: denn diese Aenderungen, wodurch sich der
Sänger das Stück mundgerecht machte , haben demselben vielleicht
auf die Beine geholfen. Sprich aufrichtig : ist je eines deiner Lieder,
das ich gesungen habe, durchgefallen, trotz meiner Eigenmächtig-
keiten wie Du sie nennst? Haben nicht deine neuen Müllerlieder
gestern im Gmunden fabelhaften Eindruck gemacht, sammt meinen
Zuthaten, vielleicht sogar mit Hülfe derselben?"
„Das ist eben der alte Materialismus" brach der Kleine los,
„die leidige Erfolgstheorie, welche das „Was" geringschätzt und das
„Wie" allein gelten lässt!"
„Und das ist" brauste der Andere auf, „Euer ewiger Compo-
nistendünkel , der das „Wie" der Ausführung nicht achtet, ohne
welche das „Was" als todtgebornes Kind in Euerem Pulte vermo-
dern würde!"
„Nun ja," lieber Michael !" beschwichtigte der Jüngere mit einem
Blick auf mich , „sei nur wieder zufrieden und schrei nicht so, als
wenn wir allein da wären ; Dn willst eben immer Recht haben und
so hab' es denn!' 1
„Ich hab' auch Recht" brummte der Alte, wie ein vergrollendes
Gewitter; „ich hab' immer Recht; ist meine Anschauung nicht von
allem die richtige?"
„Weil Du Alles für bo ansiehst oder Dir und Andern so vor-
demonstrirst, wie Dn Dir's einmal in den Kopf setztest," sagte der
Kleine. „Mich wundert nur, dass es nicht schon lange schön Wetter
»st, wie Dn es heute früh in Gmunden prophezeitest. Es muss Dir
ein schreckliches Gefühl sein, heute wenigstens in diesem Punkte
einmal Unrecht zu haben."
Da es auf dem Gesichte des Langen unmnthig bin und herzuckte,
so hielt ich die Pause für eine angemessene Gelegenheit, vermittelnd
58 -
einzugreifen* und äusserte, dass ich bis zum Abend noch auf Wechsel
des Windes und damit der Witterung hoffte.
„Einerlei," antwortete der Aeltere, und schob dem Kleinen be-
gütigend die Flasche hin, „mein Freund Schwammest da — so
heissen wir ihn au Wien wegen seines BKucbleins — muss durchaus
ein paar Tage von Gmunden fort sein, weil sie ihm dort eine Ueber*
raschuug bereiten; er spannt schon etwas; sehen Sie wie er schmunzelt;
ei lustig, mein Junge! stoss' an; die „schöne Müllerin" soll leben!"
„Welche?" fragte der Kleine; „die meine, oder die von Yogi
componirte?"
„O Du Heidenspitzbub ! macht der Schelm naseweise Witze wegen
einiger wohlthätigen Aenderungen, mit denen ich seine Lieder singe,
und mit denen sie auch, wenn's nach meinem Kopf geht, gestochen
werden sollen; denn sonst verliere ich kein T^ort dafür!"-
„Gut;" entgegnete der Kleine j* „mein Original kriegst Du nicht
in die Hand ; wenn D u nicht, so wird vielleicht nach meinem Tod
einst ein Anderer die wahre Lesart wiederherstellen."
„Mit der's kein Mensch mehr wird anhören wollen, weil sich bis
dahin meine Verbesserungen überall eingebürgert haben !" rief der
Alte und wandte sich an mich: Sehen Sie, lieber Herr! Das macht
mein eigensinniger Kleiner da seinem Beethoven nach, der eben
falls keinem Sänger mehr etwas zu liebe schreibt."
„Weil die Sänger, denen gleich Alles zu schwer ins Ohr geht,
seinen billigen Anforderungen entgegen waren, und ihm keine Con-
cession machten, so hält auch er sich jetzt an keine Rücksichten
mehr gebunden, und verwendet die Singstimmen wie Instrumente,
in ihrem ganzen Umfange."
„Nur schont er bei den Instrumenten die Eigentümlichkeit jedes
Einzelnen, während er die Singstimmen despotisch misshandelt. —
Aber auch im Ciaviersatz," fuhr der Alte fort und zog den Jüng-
ling freundlich an sich, „möcht's mein Schwammerl gern dem Beet-
hoven nachmachen, schreibt allerlei Unglücksfälle in B- und Cis-moll,
und setzt das Alles natürlich so schwer und undankbar, dass unsere
Freunde Gaby und Jenger trotz des mühsamsten Gekrabbeis doch
keinen Effect damit erzielen. Der „Fritzi" und „Pepi" in Steyer
drüben gelängs freilich besser — nun, Kleiner ! warum so roth ? Ein
solcher Beethovenianer wie Du soll ihm nicht nur im Ledigbleiben
nachfahren, sondern auch in seiner übrigen Gesinnung gegen das
Weibervolk; darin scheinst Du Dir aber lieber den Allerweltscour-
macher, den Weber zum Muster zu nehmen, he?"
„Mir ist auch," sagte der Kleine, „Manches schon ganz in Weber-
schem Styl gerathen ; sieh zum Beispiel das Scherzo der C-dur-Fan-
tasie an: ist das nicht ein prächtiger Weber?"
„Er ist ein Mordskerl" wandte sich der Aeltere zu mir; „auch
den Rossini hat er, ohne sich zu nennen, mit ein paar Ouvertüren
so glücklich parodirt, dass der süsse Publikus über diese vermeint'
lieh Rossini'schen Novitäten ganz ausser sich war. Aber schau Franzi,
ich hatte doch recht: wir kriegen heute Abend noch einen schönen
Tag und könnten aufbrechen."
(Fortsetzung folgt.)
HB »'
CORRESPONDENZE5.
Aus Mannheim.
Seit meinen letzten Mittheilungen in diesen Blättern hat eine
ausehnliche Reihe von Concert- Aufführungen verschiedener Art hier
stattgefunden, worunter sich bis jetzt vier vom Hoftheater-Orchester
veranstaltete musikalische Akademien befinden, deren Anzahl
für diese Saison auf sechs erhöht wurde, während es deren früher
nur vier waren. Die erste dieser Akademien enthielt folgendes
Programm: Concert-Ouvertüre, A-dur, von Rietz; Scenen aus dem
zweiten Act von Gluck's „Orpheus," deren Titelpartie Fräulein
Hausen trefflich ausführte; ihre vollklingende sympathische Stimme
eignet sich ganz besonders für Musik dieser und ähnlicher Art, und
ihre Auffassung entspricht vollkommen der tiefgedachten Gomposition.
Herr BennoWalter aus München spielte in ausgezeichneter Weise
das neunte Violin-Concert, D-moll von Spohr; besonders lebhaften
Beifall erwarb sich Frl. Hausen noch durch den Vortrag zweier
Lieder von S ch u b e r t und S ch u m a n n ; den Schluss des Concertes
machte Beethoven'« achte Sinfonie, F-dur, welche, in schwung-
voller Weise aufgeführt, einen höchst belebenden Eindruck auf die
Zuhörer machte. — In der zweiten Akademie kamen zwei hier
noch nicht gehörte Orchesterwerke zur Aufführung : Mendelssohn'*
nachgelassene sogenannte „Trompeten- Ouvertüre " und S ch um an n's
zweite Sinfonie C-dur, deren Wiedergabe von Seiten des Orchesters
sowohl für dieses als für die Werke selbst mit dem allgemeinsten
Beifall belohnt wurde. Zum erstenmale hörten wir in diesem Concert
die ausgezeichnete Pianistin, Frl. Mehlig, welche durch den Vor-
trag des Beethoven'schen Concerts in Es-dur ihren wohlerworbenen
Ruf auch hier aufs glänzendste bewährte ; dieselbe spielte ausserdem
noch Impromptu, As-dur, von Chopin, „Schlummerlied von Schu-
mann und den Faustwalzer von Liszt, wobei wir ihrem Vortrag
des enteren Stücks entschieden den Vorzug geben möchten. Auch
diese Akademie erhielt eine besondere Zierde durch Vorträge von
Frl. Hausen, welche die Alt-Arie mit Violinsolo (Hr. Concertmeister
Koning) aus Seb. Bach's „Matthäus -Passion," ferner „die junge
Nonne" von Schubert und „Er der Herrlichste von Allen," von
Schumann in trefflicher Weise sang. — Die drittte Akademie
brachte ebenfalls eine Novität für hier, das Concert in G-moll für
Streichinstrumente mit zwei obligaten Violinen und obligatem Violon-
cell von Händel, die drei letztgenannten Partien gespielt von den
Herrn Concertmeister Koning und den Hofmusikern Eschrich
und Kündinger. Es mochte wohl manchem der für Modernes
empfänglicheren und daran gewöhnten Zuhörer befremdend erscheinen,
eine Orchester - Composition ohne die buntere Färbung durch Blas-
instrumente zu hören ; doch war im Allgemeinen der Eindruck wel-
chen dieselbe namentlich durch den ersten Satz, Larghetto affet-
tuoso und durch die zwei letzten Sätze, Allegro vivace und Finale
machten, ein sehr günstiger, ganz besonders aber erfreuten sich an
dem ganzen Werke die zahlreich anwesenden Freunde älterer Musik.
— Die Gesangstücke dieses Concerts wurden ausgeführt durch Frl.
Anna Reiss, Hofopernsängerin aus Schwerin, welche in ihrem
Vortrag der Kirchenarie von S t r a d e 1 1 a und der letzten Arie aus
B e 1 1 i n i's „Nachtwandlerin" einen glänzenden Beweis ihrer Aus-
bildung sowohl im getragenen als colorirten Gesang lieferte, und sich
dadurch die allgemeinste Anerkennung erwarb. Herr Concertmeister
Robert Heck mann aus Leipzig spielte ein Concertstück für die
Violine von ßazzini und die Romanze F-dur von Beethoven
mit wünschenswerthester Vollendung sowohl in Hinsicht auf Ton-
gebung als auf technische Ausführung; eiu besonderes Interesse
hatte das Auftreten der beiden Letztgenannten für das hiesige Pub-
likum, da dieselben geborene Mannheimer sind. Den zweiten Theil
bildete Mendelssohn's frische A-dur-Sinfonie, welches Prädikat
auch der ganzen Ausführung derselben von Seiten des Orchesters
zuzuerkennen ist. — Die vierte Akademie gewährte dadurch ein
besonders erhöhtes Interesse, dass Meister Franz Lachner seine,
schon vor mehreren Jahren mit so grossem Beifall hier aufgenommene
erste Suite in D-moll selbst dirigirte, wobei es höchst erfreulich
war, zu bemerken , wie das Orchester mit grösster Aufmerksamkeit
bemüht war, die Intentionen des Componisten zu verwirklichen und
in die von demselben bezeichneten feinsten Schattirungen einzugehen.
So war denn auch der Eindruck, den diese Production auf die Zu-
hörer hervorbrachte, ein ausserordentlicher. Ausser diesem Werk
wurden von F. Lachner noch zwei liebenswürdige kleinere Compo-
sitionen, „Mondscheinnacht" und „Libellentanz," Terzette für drei
weibliche Stimmen aufgeführt, woran sich Frau Ullrich-Roh n,
die Fräulein Paum gar tn er und Hausen betheiligten, und wovon
das zweite wiederholt werden musste. , Ausserdem sang Frl. Panm-
gartner die Arie aus dem 4. Akt von F. Lachner's „Catharina Cor-
naro"; der sowohl hier als in weiteren Kreisen seit längerer Zeit
vortheilhaft bekannte Violin-Virtuose, Herr Heer mann ans Frank-
furt, spielte ein Violin-Concert von Vieuxtemps zu allgemeiner
Befriedigung, und von Seiten des Orchesters wurde zum erstenmale
hier S ch u m a n n's Ouvertüre zu „Genofeva" aufgeführt, welehe auf
die Zuhörer einen sehr günstigen Eindruck machte.
(Schluss folgt.)
Aus Leipzig
(Schluss.)
Ein überreiches Programm brachte das Concert, welches am
27. Februar zum Besten des Orchester-Pensionsfonds gegeben wurde '
- 69 -
dass der gute Zweck erreicht, ein übervoller Saal erzielt wurde,
mag das Allzuviel entschuldigen and wenn, wie diesmal, das Interesse
wach gehalten wird, so kann man sich's schon gefallen lassen. Den
grössern Theil der Attractionskraft dürfen wir indessen wohl getrost
für Carl Taus ig, den Berliner Hofpianisten und AU erwärt«- Tausend-
künstler, beanspruchen; sein Name hätte vielleicht allein genügt,
den Saal zu fällen, in so warmem, gefeierten Andenken stand er von
seinem früheren Auftreten hier. Die begeisterte Aufnahme, welche
er diesmal fand, der Enthusiasmus, den sein Spiel erregte, überbot,
meinen wir, noch das was da gewesen! Mit seinen Händen, die
das Ausserordentlichste leisteten, schienen die des beifallssüchtigen
Auditoriums in engstem Rapport zu stehen ; denn auch sie leisteten,
was Menschenkräfte nur irgend vermögen ; kurz, die Annahme, dass
das Menschengeschlecht an körperlicher Kraft immer mehr abnehme
und schwächer werde, strafte dieser Abend glänzend Lügen. Seine
Vorträge bestanden in: Toccata und Fuge (D-moll) für die Orgel
von S. S. Bach, frei für das Pianoforte bearbeitet von C. Tausig,
Nocturno (op. 62, Nr. 1), Etüde (op. 2B Nr. 6), Polonaise (op. 53)
von Chopin und Fantasie für das Pianoforte über Thema aus
„Don Juan" von Liszt. Dass die Wiederholung der Chopin'schen
Etüde erapplaudirt wurde, will bei Tausig um so mehr heissen, als
er sonst eben kein Freund von Ehrenbezeugungen auf eigene Kosten
zu sein scheint. Gegen den Schluss der Don Juan-Fantasie kam
uns dagegen eine Ahnung, dass zuletzt doch alles Irdische vergäng-
lich ist. Dass neben Tausig Herr Carl David off aus Petersburg
sich ehrenvoll zu behaupten und das Interesse der Zuhörerschaft für
seine Vorträge zu gewinnen und zu erhalten wnsste , spricht mehr
als alles Andere zu seinem Lobe. Jene bestanden aus einem Con-
certe (Nr. 2, A-moll) eigener Composition und einer Fantasie von
Servais. Herr Davidoff ist Meister in Ueberwindung aller nur
möglichen und denkbaren Schwierigkeiten und erwies sich darin
als einen Violoncell - Virtuosen ersten Ranges; weniger möchten
wir dies von ihm in seiner Eigenschaft als Componist behaup-
ten. Sein Concert, brachte gar zu Vieles, was uns nicht recht
behagen wollte. Uebrigens wäre ihm eine etwas discretere Be-
gleitung von Seiten des Orchesters zu wünschen gewesen. — An
Orchester werken brachte dies Concert: Ouvertüre zu „König Man-
fred" von C. Reine cke und „Harold in Italien" Sinfonie für
Orchester und obligate Viola von Hektor B e r 1 i o z. Die Ouvertüre,
die hier zum ersten Mal zu Gehör kam, erwies sich, soweit ein
Urtheil einer Neuzeit gegenüber zusteht, als ein Werk von nicht
geringer Bedeutung; tüchtig gearbeitet, glanzvoll und wuchtig in-
strumentirt wird dieselbe vor der Oper mächtigen Eindruck machen,
wie sie es im Concertsaale that und dem Coraponisten gleichen
Beifall erwerben. Er wurde wiederholt gerufen; ein Schicksal, das
— um es noch nachträglich zu bemerken — auch die Herrn Tausig
und Davidoff getroffen hatte, dem aber wahrscheinlich Herr Hektor
Berlioz — wäre er anwesend gewesen — entgangen wäre. Man
hat sich hier in Leipzig nie mit seiner Musik befreunden mögen ;
um es jetzt noch zu thun, ist es zu spät. Als Berlioz zuerst auftrat,
erwies er sich schöpferisch in alle dem, was wir das musikalische
Beiwerk nennen möchten, wie Instrumentation etc. etc. ; da brachte
er viel Neues und Originelles, weniger war das der Fall mit dem
Gedanken, mit dem Inhalt. In ersterer Beziehung ist er von Vielen
der Neueren bereits überboten, in letzterer freilich stehen die Meisten
noch tief unter ihm. Nichts destoweniger bietet seine Harold-Sinfonie
so viel des Interessanten und Köstlichen , — namentlich in den beiden
mittleren Sätzen — dass man, statt dieselbe kühl aufzunehmen, sich
vielmehr hätte dankbar für ihre Wiederaufnahme beweisen sollen.
Ein eingehenderes Studium würde das Werk vielleicht noch zu bes-
serer Geltung gebracht und besonders verhindert haben, dass die
von Herrn Concertmeister David ausgeführte obligate Viola nicht
so häufig von der Masse der übrigen Instrumente gedeckt worden wäre.
Zu den Concerten des Musikvereins „Euterpe" übergehend, so
war das siebente derselben, am 4. Februar abgehalten, in seinem
ersten Theil der Erinnerung an Moritz Hauptmann gewidmet.
Eine für diese Gelegenheit compooirte, im edelsten, weihevollsten
Style gehaltene Trauermusik von F.F.Richter eröffnete dasselbe
und verfehlte nicht, die Zuhörer in die geeignete Stimmung zu ver-
setzen. Dieser folgten : Gr aduale % Offertorium^ Sanctus und Bene-
dictes aus der Messe, op. 30, von Moritz Hauptmann, ein Werk,
das wir wohl getrost an die Spitze von allen, die uns der unvergess-
liche Meister hinterlassen, stellen können. Die Ausführung war eine
von Seiten des Chores recht wohl vorbereitete; die Solopartieen
waren von den Damen Nat-Schilli ng, Clara Schmidt und
den Herrn Wiedemann und P. Richter übernommen, die sich
sämmtlich bestrebten ihren Theil zu der würdigen Feier beizutragen.
Der zweite Theil brachte Beethoven'« C-moll-Sinfonie, über deren
Wiedergabe sich nur Gutes sagen läset. Welche erfreulichen Fort-
schritte überhaupt das Orchester unter seiner jetzigen Leitung macht,
das zeigte es im achten Concert durch die recht glatte, auch des
Schwunges nicht entbehrende Ausführuug der Seh um an n'schen Sin-
fonie (Nr 4) in D - moll. Weniger gelungen kam das Vorspiel zu
„Lohengrin" zu Gehör, wo es namentlich im Anfange nicht recht
klappen wollte. Als eine recht taleutirte Ciavierspielerin, die bei
tüchtigen Studien zu den erfreulichsten Hoffnungen berechtigt, er-
wiess sich Fräulein Sophie Di t tri ch von Prag. Das C h o p i n'sche
Concert in F-moll geht freilich vor der Hand noch weitaus über
ihre Kräfte; da fehlt's an der technischen und noch mehr an der
geistigen Begabung. Weit besser wusste sich Fräulein Dittrich mit
den Solostücken für's Piano abzufinden ; diese waren : Toccata con
Fuga (C-moll) von J. S. B a ch, „In der Nacht" aus den Fantasie-
Studien von R.Schumann und Valse caprice von J. Raff. Den
Gesangspart hatte Fräulein S p o h r, herzogl. sächs. Hof- und Kammer-
sängerin aus Coburg übernommen. Weder ihrem Vortrag der grossen
Arie aus Weber's Oberon : „Ocean, Du Ungeheuer," noch dem der
Lieder: „Sie sagen, es wäre die Liebe" von Kirchner und „die
Post" von F. Schubert konnten wir unsrerseits einen Geschmack
abgewinnen ; die Stimme ist verblasst, die Gesangsweise unnobel
und dilettantenhaft. Anders schien freilich das Publikum zu urtheilen,
welches sie besonders nach der Arie mit Beifall förmlich über-
schüttete und Frl. Spohr hätte mit Recht sagen können, dass sie
durch ihre Stimme Wunder gewirkt habe.
Den Löwenantheil des Beifalls im neunten Concerte am 18.
Februar nahm Herr L. Auer für sich hinweg. Mit der an ihm
schon oft anerkannten und gerühmten Meisterschaft spielte er das
fünfte Concert (A-moll) von B. Molique, ein Adagio von Spohr
und eine Tarantella eigener Composition, ein Virtuosenstück erster
Sorte, voll der grössten Schwierigkeiten, aber dankbar für einen
Geiger erster Qualität, wie Auer. Dem stürmischen Verlangen des
Auditoriums nachgebend, gab Herr Auer noch ein Stück, aber von
anderer Sorte, wenn wir nicht irren, von J.S.Bach zu. Nur eine
Gesangspiece — sie konnte aber schon für viele entschädigen —
zierte das Programm, ein Chor für Frauenstimmen aus „Blanche
de Provence" vortrefflich einstudirt, wurde er dem Geiste des Com-
ponisten entsprechend ausgeführt. An Orchesterwerken kamen in
diesem Concerte eine Sinfonie (G-dur, Nr. 13 der Ausgabe von Breit-
kopf und Härtel) von J. Haydn und die Leouoren-Ouverture Nr. 3
von Beethoven recht gelungen zu Gehör. Nur machte sich an diesem
Abende der schon wiederholt gerügte Missstand der unreinen Stim-
mung der Blasinstrumente mehr als sonst hörbar.
• OOi
Aus Paris.
t. April.
Hamlet bildet immer noch den Hauptanziehungspunkt in der
grossen Oper. Die Einnahmen sind äusserst glänzend, und die Be-
geisterung für die Nilsson hat noch nichts von der Lebhaftigkeit
verloren. Dies verhindert indessen die Direction nicht, noch im
Laufe künftigen Herbstes Gluck's Armide wieder zur Aufführung zu
bringen. Des Theätre lyrique bereitet die Reprise des Brauers von
Preston vor, während die Ope>a comique die Dragons de Villars
einstudiren lässt. Sie sehen also, dass unsere lyrischen Scenen nicht
sobald ein neues Werk vom Stapel laufen lassen.
Giovanna d'Arco von Verdi hat sich im Salle Veutadour keines
Beifalls zu erfreuen und wird sich auch gewiss nicht lange auf dem
Repertoire erhalten. Der Text, dem Schiller'schen Drama nachge-
arbeitet, ist unter aller Würde, die Musik trivial und die Patti,
welche die Titelrolle gibt, durchaus nicht für dieselbe geeignet.
Uebrigens hat die genannte Oper, die bereits vor drei und zwanzig
Jahren in Scene ging, selbst in Italien keinen Success gehabt.
Das Oratorium „das jüngste Gericht", Text und Musik von
Duprez, ist bereits dreimal im Cirque de l'Imperatrice und zwar
60 -
mit zunehmendem Erfolg aufgeführt worden. Das Werk ist freilich
ungleich und enthält gar manchen Gemeinplatz; deob fehlt es ihm
auch nicht an einzelnen Schönheiten. Der Chor der thoricbten Jung*
freuen ist besonders sehr effectreich. Die Recitative singt der Autor
selbst und verräth dabei, trotz der unzulänglichen Stimmmitte], den
eminenten Sänger.
Dass die Zahl der Concertgeber in diesem Augenblick Legion
.ist, brauche ich Ihnen wohl nicht erst besonders zu melden. Alle
Coneertsäle sind in Anspruch genommen ; allein nur Wenige sind ge-
füllt. Kur ein Concertgeber darf sich rühmen, das Publikum scbaarea-
weise herbei zu ziehen, nämlich Rubinstein. Rubinstein hat Freitag
im Herrschen Saale sein drittes Concert gegeben und mit demselben
einen eben so grossen Triumph gefeiert als mit den zwei vorher-
gehenden.
lachrfchte
Mainz, 8. April. Wer was Rechtes* von Bühnen-Betriebsamkeit
sehen will, der braucht nur nach Mainz zu kommen, wo der Teno-
rist Sontheim am Mittwoeb den 1. April sein Gastspiel als
Eleazar in der „Jüdin" begann, dasselbe am darauffolgenden S o n n-
abend als Manrico im „Trobadeur" fortsetzte, worauf am Sonntag
„Don Juan" mit Hrn. Bertram aus Stuttgart in der Titelrolle,
am Montag „der Postillon von Loujumeau" mit Frau Peschka-
Leutner und Hrn.Nachbaur aus Darmstadt und amDienstag
die „Hugenotten" mit Hrn. Sontheim als Raoul, (letzte Gastrolle)
folgten. Das sind in 4 Tagen vier und in 7 Tagen fünf Opern.
Die Quantität lässt also auch für den gierigsten Operngeniesser nichts
mehr zu wünschen übrig, wenn anch die Qualität der Aufführungen,
besonders was das Ensemble , was Chor und Orchester anbelangt,
bedeutend durch solchen Engros - Verschleiss des musikalischen
Drama's beeinträchtigt wird. Uebrigens muss constatirt werden,
dass Hr. Sontheim durch die geschickte Verwerthung seiner doch
nicht gerade mehr jugenglichen Stimmmittel, durch die weise Oeko-
nomie, mit welcher er dieselben für die entscheidenden Momente zu
reserviren weiss, um sie damit wirklich packender Gewalt loszulassen,
und wohl auch ein wenig durch Reclame, welche bei unserm Publi-
kum niemals ganz weggeworfen ist, unterstützt, ausserordentlichen,
mitunter stürmischen Beifall fand und in dieser Beziehung alle Ursache
hat, mit unsern Theaterbesuchern zufrieden zu sein. Im „Postillon",
der zum Besten det» Theaterorchesters gegeben wurde, wurden Frau
Peschka-Leutner und Hr. Nach b au r durch vielfachen, leb-
haften Beifall und Hervorruf ausgezeichnet. Auch Hr. Bertram,
der auf unserer Bühne kein Fremdling mehr ist, fand für seine frische
und schwungvolle Durchführung der Partie des „Don Juan" den all-
gemeinsten, wohlverdienten Beifall.
Wien. Der erste k. k. Obersthofmeister Fürst Hohenlohe
hat dem musikliebeude Könige von Hannover zu Ehren in seinen
Salons ein grossartiges Concert veranstaltet, in welchem unter der
Leitung des Hofcapellmeisters Herbeck die ausgezeichnetsten Kräfte
des Hofoperntheaters mit und ohne Orchesterbegleitung mitwirkten,
sowie auch eigentliche Orcbesterwerke zur Aufführung kamen. Das
Programm war so reichlich ausgestattet, dass das Concert mit Ein-
schluss einer kurzen Zwischenpause von ein Viertel auf Neun bis
drei Viertel auf Zwölf dauerte. Viele der ausgeführten Nummern
mussten wiederholt werden.
— Am Palmsonntag und an dem darauf folgenden Montag fanden
die alljährigen Akademien des Tonkünstler- Wittwen- und Waisen-
Versorgungsvereins „Haydn" im Hofburgtheater statt und wurden
hei diesem Anlasse „Die Jahreszeiten" von Jos. Haydn unter der
Direction des Hofoperntheater - Cappellmeisters Herrn Esser zur
Aufführung gebracht.
Brüssel. B ras 8 in, der vortreffliche Pianist, gab am 21. März
bereits «eine dritte Soiree und spielte in derselben: G-moll-Suite
von Händel; Pastoralsonate von Beethoven; Andante und
Variationen von Mozart; Impromptu von Schubert und noch
verschiedenes Andere.
Paris. Pasdeloup gab sein 21. populäres Concert am 22.
März mit folgendem Programm : Ouvertüre zu „Preciosa" von Weber;
„Reformations-Sinfonie von Mendelssohn (zum ersten Male) ;
Sicilienne und Menuett von J. S. Bach; Andante für Violine mit
Orchesterbegleitung, componirt und vorgetragen von Hrn. G a r c i a;
Sinfonie in A-dur von Beethoven.
— Jacques Rosenhaiu gab ein Concert im Salon Erard,
in welchem er eine Sonate für Pianoforte und Violoncell sowie ein*
Anzahl neuer Ciavierstücke von seiner Coinposition vortrug und sein
Auditorium drei Stunden lange in unermüdeter Ausdauer zu fesseln
verstand.
*** Im deutschen Theater zu Prag kommt am Ostermontag
eine neue romantische Oper „Am Runenstein", Text und Musik von
Fr. v. F 1 o t o w und Rieh. G e n e e zur Aufführung und es lässt sich
nach dem Ausspruche Aller, die nähere Kenntniss von dem neuen
Werke zu erhalten Gelegenheit hatten, ein guter Erfolg desselben
erwarten.
*** Die rühmlichst bekannte Tänzerin und Balletmeisterin La-
eillie Grahn befindet sich gegenwärtig in Wien, wo ein von
ihr componirtes Ballet im Hofoperntheater zur Aufführung kommen soll»
*** In Reutlingen gab der erste Violoncellist der Stuttgarter
Hofcapelle, Hr. Krumbholz ein Concert unter Mitwirkung der
HH. Concertmeister Singer, Hofpianist Pruckner und Hofopern-
sänger Bertram von Stuttgart.
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Nene Musikalien
aus dem Verlage von Fr. Kistner in Leipzig.
Brambaeh, <C. Jos. Op. 13. Quartett für Pianoforte, Vio-
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Lied für eine Singstimme (deutscher und englischer Text) mit
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Bach gesetzte Melodie. 10 Ngr.
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und arrangirt für das Pianoforte. 7 Vi Ngr.
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SehlliTer, August. Op. 105. Die Frau von Dreissig. Ko-
misches Duett gedichtet von L. Ellmar , in Musik gesetzt für
zwei Singstimmen mit Begleitung des Pianoforte. 20 Ngr.
Wleiilatvalii, Henri. Op. 20. Fantaisie brillante sur des
motifs de l'Opera: „Faust" de Gounod pour le Violon avec-
Accompagnement d'Orchestre ou de Piano. Avec. Orch. Thlr. 3..
5 Ngr. Avec Pianof. Thlr. 1. 20 Ngr.
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JB. SehotVs Söhne.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz»
1 7. Jahrgang»
Xf± /«.
20. April 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
Diese Zeitung erscheint jeden
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fl. 2. 42 kr. od.Th.l. 18 Sg.
für den Jahrgang.
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50 kr. od.|15 Sgr. per Quartal.
U — 4
INHALT: Eine Schubertiade. — Correap. : Wien. Mannheim. Stuttgart. — Nachrichten.
Eine Schubertiade.
(Nach Bruchstücken aus dem Nachlasse meines Grossonkels.)
(Fortsetzung.)
In der That hatte während des Gespräches und Mittagessens
der Hegen aufgehört; blaue Flecken blickten durch die nassen
Fenster und sonnig hell erhob sich der Erlakopel aus den Wolken-
ballen. Obschon bis jetzt noch keine förmliche Vorstellung stattge-
funden hatte — weiteres Fragen hätte zudringlich geschienen —
wusste ich doch bereits, dass ich in dem Alten den berühmten Sänger
Michael Vogl, und in dem Jüngeren seinen Schützling, einen
angehenden Tonsetzer vor mir hatte ; um dessen Namen zu errathen,
war ich in der Musikwelt zu fremd. Da ich nun in der Umgegend
schon so ziemlich bekannt war, und die Beiden zum erstenmal da
an sein schienen, so bot ich denselben meine Begleitung an, die der
Grosse auch aufs Vergnügteste annahm. „Sag' Kleiner," wandte er
sich an diesen , „wohin möchtest du gerne ? Der Herr da will uns
führen."
„Könnte man nicht den Traunstein hinauf?" fragte der Jüngling;
„da oben müsste es herrlich sein."
Ich belehrte ihn, -dass dieser Felskegel trotz der Fährlicbkeiten»
die seine Ersteigung zumal bei dieser Nässe bereiten würde, doch
wenig Umsicht b£te, und schlug den Kranabittsattel bei Ebensee
■vor, der jn^ der R&ndsicht den vielgerühmten Schafberg fast übertrifft.
Di,e> Beiden waren's zufrieden, und „so fuhren wir in einem
„Traunerf* nach Langbath ab. Beim Einsteigen stellte mir der
Grosse jaoch als zweiten Reisecumpan seinen schwarzen zottigen
Vierfüssler vor, der mit Franzi auf besonders vertrautem Fusse zu
stehen schien, denn dieser Hess sich durch „Waldl's* noch vom
- 'S
Regen durchnässte Wolle nicht abhalten, ihn auf die Kniee zu nehmen
und durch feste Umarmung vor dem Hinausfallen zu hüten. Zeigte
ich etwas Bemerkenswertes, und sah Franzi hin, so guckten auch
Waldl's treue Augen ernsthaft darnach ; er war der Vierte im Bunde.
Aber kaum waren wir in Ebensee gelandet, so brachte er uns in
Streit mit einer wüsten Böhmin, die eine Nase trug, so flach als
war 1 man mit einem Bügeleisen darübergefahren, und deren Kater
er thatendurstig verfolgt hatte. Franzi hatte dem ganzen Auftritt
still und zerstreut zugesehen und schien in tiefem Sinnen befangen.
Als wir die Schlucht hinaufschritten, in welcher rechts die von den Lang-
bathseen kommenden regen Wildwasser lärmen, begann er plötzlich :
„Du Michael ! mir ist während des Fahrens da eine Melodie zu
Gothe's „auf dem See" gekommen."
„Bravo" sagte Vogl, „aber hoffentlich nicht abermals für Männer-
quartett; sonst wird's wieder so hoch, dass es kein vernünftiger
Mensch rausbringt; das ist der Fehler fast aller Deiner Männerchöre. 8
„Nein" erwiederte Franzi; „diesmal wird's was für vernünftige
Leute, das heisst zunächst für Dich Allervernünftigster ! Es geht
ungefähr so: — *
„Franz'l ! brav sein , lieb sein !" bat der Andere ; „nicht mehr
singen !" und dabei streichelte er ihn wie besänftigend auf die Wange.
Der Jüngling lächelte, nun nicht mehr empfindlieh; die freu*
digste gehobenste Stimmung war mit dem Sonnenschein in sein Hera
gekommen, und die Geistesblüthen, die auf dieser anregenden Wan-
derung allmählig reichlicher seiner Rede entsprossten, Hessen auf
ein schönes, volles Seelenleben scbliesseu. Bald hatte ich ihn recht
lieb gewonnen ; auch Vogl mit seiner väterlichen, fast rührendem
Fürsorge um den jungen Freund, die er unter einem rauhen Mentor-
tone vergeblich zu verbergen suchte, wurde mir stets sympathischer;
als wir in der Sennhütte ankamen, wo wir übernachten wollten,
um vor Sonnenaufgang den Gipfel erreichen zu können, waren wir
drei schon so befreundet, als kennten wir uns seit Monaten.
In der Abenddämmerung blickten wir noch auf den zahllosen
Berggipfeln umher; da sagte Franz: „Das ist alles wie eine ver-
steinerte Musik; mir wenigstens weckt jede dieser rothglühen den
Wände, dieser schwarzgähnenden Schluchten, dieser seltsamen trotz-
igen Felsgesichter ein anderes Tonbild; bald erinnern sie mich an
Verwandtes in Beethovens Sinfonieen; bald klingt es ars eigene
Schöpfung mit allen Instrumenten durch meine Seele; ich möchte
schreiben und schreiben ohn* Unterlass, und doch brächte ichs nimmer
so schön zusammen, wie sich im Momente die ewige Schönheit der
Natur da drinnen in Töne umsetzt; verwünscht sei unsere Noten-
schrift, welche dem Adler Phantasie wie eine Schnecke nach-
kriecht, und die luftigen Kinder des Geistes mit ihrem Bleigewicht
erstickt.
„Schreib' wenigstens was möglich," meinte Vogl, „für's Ciavier
auf; später findest Du vielleicht Zeit zum Instrumentiren."
„Werde ich später ruhiger sein ? u fragte Franz; „wird der Quell
der Erfindung spärlicher fliessen? Werde ich Frieden haben vom
Melodieenandrang, der jetzt unaufhörlich, wie jener Wasserfall, auf
meinen Kopf hereinwälzt ?"
„Du wirst I" tröstete Vogl; ich mach' Dich zum Hoforganisten
und wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand und stutzt
ihm dafür die Flügel der Phantasie; „das findet sich" sagt Weben
Samiel."
Ueberbaupt schien jener „Freischütz" dessen beispiellosen Erfolg
ich in Berlin miterlebt hatte, auch bereits diesen Wienern an's Hera
gewachsen zu sein ; beide summten abwechselnd verschiedene Melo-
dien daraus, und Franz reimte auf „erscheinen" immer: „bei des
Zaubrer's Hirngebeinen."
Morgens drei Uhr weckte uns der Sennerbube , um uns den
steilen Gipfel hinanzugeleiten. Schweigend und vorsichtig krochen
wir ihm nach ; mir zwar, der schon auf den malitiöseu Hängen des
Lauterbrunner Thals herumgeklettert war, wo selbst das unbedeu-
tendste Vorberglein in boshafter Steile abstürzt, konnte hier nicht
bange sein ; aber die beiden Wiener versicherten keuchend , dass sie
doch den Kablenberg schon auf allen Seiten „umkrapelt" hätten»
aber nirgends sich so plagen müssen, als auf dieser halsbrecherischen
Partie. Zum Glücke waren wir, noch ehe ihre Jeremiade recht in
Zug kam, oben auf der Platte angelangt, und wie sich nun die un-
sägliche Pracht der Morgenröthe auftbat, wie vom Rinnerkogel an
ein Berggipfel nach dem andern angezündet wurde und in purpurne
— 62 -
Flamme aufloderte, und wie das blutrothe Licht über die schneeige
Dachsteinmasse und das wilde Tannengebirge gleich einer riesigen
Feuersbrunst sich immer weiter wälzte und schnell westwärts zum
steinernen Meer, Hochpöbl, Watzmann und Untersberg wandert«,
indessen hinter dem Traunstein der blendende Sonnenball herauf-
schritt und die vor uns liegenden kahlen Wände des Höllgebirges
grell beleuchtete - so war' es rühreud, unsern Frans zu beobachten,
der noch nie dergleichen gesehen hatte. Wenn solch ein erhabener
Anblick schon gewöhnliche, in keiner Hinsicht productive Menschen
wunderbar ergreift, wie muss er erst auf ein junges Dichtergemüth
wirken, das ihm tausend empfängliche Fasern entgegenbringt; be-
neidonswerther Künstler, der aus jedem Schönen doppelten und drei-
fachen Genuss zieht!
Als ich meinen Freunden nun im Einzelnen zeigte, wie alle die
hervorragenden Gipfel hiessen, ihnen vom Hallstadter See erzählte,
der dort in der dampfenden Wanne lag, und vom Mond- Atter- und
8t Wolfgangersee, in deren grünen Tiefen sich der stumpfnasige
ßchafberg spiegelt , von den einsamen Gosausern , welche dort zu
Füssen des Thorsteins brüten, und von Aussees blauen idyllischen
Wassern, da fasste Franz krampfhaft den Arm des Freundes und
wollte ihn bereden, da überall hinzuwandern, und das alte Salzburg
stecken zu lassen. Aber Yogi zeigte nach den bleich und gespenster-
haft herüberblickenden Hörnern des Tauerugebirges ; dort liege
Gast ein, wohin ihn Hygena, dermalen seine einzige Geliebte,
längst beschieden habe ; auch reichten die „Späne" nur für dieses
eine Nothwendige und nicht für weitere Expeditionen aus, die man
auch ein andermal nachholen könne. Franz war es gleich wieder
zufrieden und pries das Glück des unbewölkten heutigen Tages.
„Darum mein Sohn I" sprach Vogl, „reise wo möglich bei schlechtem
Wetter ab; sonst erlebst Du nie draussen die Aufheiterung mit,
welche den stetigen Fortgang schöner Tage um so viel übersteigt,
als die Versöhnung den monotonen Frieden unveränderten guten
Einvernehmeos."
Bei meinen neuen Freunden lag die „Monotonie solchen Frie-
dens" nicht gar zu nahe; trotz solcher goldner Weisheitsworte
häckelten sie sich alsbald wieder, und gerade der Jüngere schien
mir zumeist im Recht zu sein. Zuletzt warf er sich in den Schatten,
zog ein Skizzenbuch heraus und schrieb emsig hinein ; ich sah Vogl
zu, wie er seinen „Waldl" neue schöne Künste lehrte; über uns
dehnte sich die weite Bläue des strahlenden Himmels, und die reine
herbe Alpenluft strich mit würzigem Hauche durch unsern Körper.
Nach Verlauf einer guten Stunde kehrte Franz zu uns zurück:
die Arbeit musste ihm gut von statten gegangen sein, denn seine^
Augen glänzten vergnügt, und über sein erregtes Antlitz wob und
lief es fortwährend wie sprudelnde Melodien. „Wirst aber jetzt
hungrig und durstig sein?" frug Vogl; „na, jetzt wollen wir dem
Wirth in Langbath drunten eins anzechen !" Franz blickte allerdings
noch sehnsüchtig seitwärts in das einsame Hochthal, wo die beiden
Langbathseen ihr dunkelblaues Augenpaar aufschlagen; doch trös-
tete ich ihn, dass wir deren Anblick im Hinabsteigen sattsam ge-
messen würden, und so trennte sich endlich auch Franz von der
theuren Rundsicht, trabte wohlgemuth mit bergabwärts und vergnügte
sich an einer, von Vogl wohl zu seiner Zerstreuung gewählten ko-
mischen Geschichte, welche unlängst im Kärnthnerthortheater vorge-
kommen wäre. Es habe sich nämlich der erste Flötist oft gerühmt,
dass ihn nichts im Blasen irre machen könne; als er nun kürzlich
in der Probe eines Concertes als Solist auf der Bühne gestanden
sei, im Begriffe sein Fürstenau'sches Concertante anzufangen, habe
sein College als Repirnist unten im Orchester ganz geruhig eine
Citrone aus der Tasche gezogen, sie aufgeschnitten, und den saftigen
Anschnitt dem dies wohl bemerkenden Freunde so nahe hingeboten,
dass diesem das Wasser im Munde zusammenlief, und selbstverständ-
lich das Weiterblasen unmöglich wurde. (Schluss folgt.)
COßRESPONDENZEN.
Aus W i e n.
(Oper. — Die Concerte der Gesellschaft der Musikfreunde.)
Die Charwoche , mit der die Wintersaison abschliesst t bietet
willkommne Gelegenheit, über die seitherigen Leitungen der Oper
Revue zu halten. Der Vollständigkeit halber seien die Monate bis
zurück incl. Juli vergangenen Jahres mit einbezogen. Eine tabel-
larische Uebersicht alles Gebotenen sagt mehr als ganze Spalten.
Vom 1. Juli 1867 bis 4. April d. J. waren der Oper 190 Abende
eingeräumt. Davon kamen 53 auf italienische Kost; die übrigen
theilten sich in die deutsche und französische Oper. Von deutschen
Werken wurde am häufigsten „Don Juan" gegeben (8 mal); diesem
zunächst je 6 Mal: „Fidelio," „Iphigenia in Aulis," „Zauberflöte"
(6mal); je 4mal : „Freischütz," „Hochzeit des Figaro;" je 2mal:
„Oberon," „Jessonda," „Ilka;" je lmal: „Fliegende Holländer,"
„Nachtlager," „lustige Weiber von Windsor." Ueberwiegend oft
wurden gegeben: „Afrikanerin" (Umal), „Romeo und Julie" (13mal,
seit 5. Februar), „Faust" (llroal), „Teil" (lOmal), „Robert" (9mal),
„Hugenotten," „Troubadour," „Norma," „Martha," (je 8mal). Die
meisten Abende hatten Meyerbeer (42 mit 6 Opern), Gounod
(24 mit 2 Op.), Verdi (24 mit 4 Op.), Mozart (20 mit 3 Op.),
Donizetti (14 mit 4 Op.), Bellini (11 mit 2 Op.), Rossini
(10 mit Teil). Nur Einen Abend erlebten: Kreutzer (Nacht-
lager), Halevy (Jüdin), Nicolai (lust. Weiber), Mehul (Josef),
B o i 1 d i e u (weisse Frau) uud — Wagner (fliegende Holländer).
Es traten 14 Gäste auf, von denen zwei (BerthaEhnn und Tenorist
Adams) engagirt wurden. Mit den übrigen Gästen hatte sich die
Direction viel Hauskreuz geschaffen. Der Tenor Hacker und
Bassist Scaria traten jeder nur zweimal, Walter aus Graz und
Frl. Wilde aus Hamburg gar nur einmal auf; es genügte, um die
Direction zu überzeugen, dass sie von dieser Seite kein Heil zu
erwarten habe. Wenn auch Frl. v. Edelsberg dagegen 16mal
auftrat, vermochte sie doch nicht, das Publikum zu erwärmen, ob-
wohl man in ihr die routinirte Künstlerin, namentlich ihr Schauspieler-
talent acerkannte. Dasselbe galt von Frau Bianca Blume (Frl.
Santner aus Berlin), in der man ebenfalls die Schauspielerin über
die Sängerin setzte. Frl. v. Edelsberg gefiel noch am meisten als
Azucena, Frau Blume als Pamine. Frau Pauli-Markovits aus
Pesth fand als gewandte Coloratur-Sängerin mehr Gnade. Von Allen
aber ist Frau v. Voggenhuber aus Bremen hervorzuheben, die
Kritik und Publikum einstimmig lobten. Ihre Leistungen als Leo-
nore (Fidelio), Margarethe und Selika bewiesen, dass man es hier
mit einem wirklichen Talent zu thun hatte, dem nur die letzte Feile
fehlte, um die Lücke einer dramatischen Sängerin auszufüllen. Leider
zerschlugen sich die Engagements - Verhandlungen an Böswilligkeit
oder Missverständnissen. Die von der Kunst wahrhaft durchdrungene
Künstlerin ging und ist nun in Berlin engagirt. Frl. Carina gab
schon im Juli ihre Antrittsrollen, wurde aber, obwohl mit hohem
Gehalt gewonnen, nur wenig und in letzterer Zeit gar nicht mehr
beschäftigt. Sie tritt nun im Juli ganz aus dem Verband der hie-
sigen Oper. Frl. Bertha Ehnn gefiel gleich anfangs als Gast so
sehr, dass man alles versuchte, sie ihrer Verbindungen in Stuttgart
zu entledigen. Die wirklich vorteffiiche Säugerin trug ihr Möglichstes
dazu bei und ist nun seit Januar d. J. wirkliches Mitglied*des Hof-
operntheaters. Bei ihrer Jugend , mit reichen Mitteln begabt und
beseelt von echtem Knnstlerdrang, berechtigt sie jedenfalls zu schönen
Hoffnungen. Auch der Tenor A dam s wurde schon im Juli engagirt.
Er singt mit richtigem Verständniss und wahrem Ausdruck, wenn er
auch nicht dem entsprechend durchdringt; seine Stimme ist etwas
spröde und wenig sympathisch. FrauWilt wurde wieder auf fünf
Monate engagirt. Auch ihr fehlt die Wärme des Ausdrucks, die
dramatische Gestaltungsgabe, doch ist ihr Vortrag correct, die In-
tonation stets rein und die Stimme, namentlich in der höheren Lage,
von seltener Fülle. Frl. v. Murska oder richtiger Frau Eder
figurirt auf dem Theaterzettel stets als Gast, was freilich mehr auf-
fällt und die übrigen Mitglieder gleichsam zurücksetzt. Frau Murska
findet es besser, sich nicht auf längere Zeit zu binden ; um ihrer
habhaft zu werden, hat die Direction viel Ungemach auszustehen.
Frau Murska, das Enfant che'ri gewisser Kreise, vergisst, dass die
Tage Niemanden jünger machen und dass die Zeit mit ihrer Stimme
keine Ausnahme machen wird. Bei ihrer Lebensweise hat sie alle
Anlage dazu, gleich so mancher dahin geschiedenen Sängerin, ihre
Tage einst dort zu beschliessen, wo sie Niemand aufsuchen wird. —
Von den übrigen Sängerinnen ist noch Frau Dustmann, Fräulein
Gindele, Frl. v. Rabatinsky und Frl. Beuza zu erwähnen.
Alle vier sind sehr verwendbare Mitglieder dieser Bühne ; letztere,
mit einer wahrhaft üppigen Stimme begabt, hat nun auch in grösseren
Rollen (Alice, Iphigenia) gezeigt, was man von ihr noch erwarten darf.
- 63 -
Aus Mannheim.
(Schlu88.)
Der „Musik-Verein," welcher sieb der Pflege ernsterer Mnsik,
sowohl rein vocaler Art, als mit Begleitung, vorzugsweise widmet,
und unter der Leitung des Concertmeisters Herrn Koning immer
bedeutendere Resultate seines Strebens erzielt, gab diesen Winter
zwei Concerte, in deren ersterem die Hauptnummern folgende waren:
„Tantum ergo* Chor von Cherubini, zwei Gesänge für Frauen-
ebor mit Begleitung von Harfe und zwei Hörnern, von Brahms, *
„O weiut um sie," Hymne für Chor und Sopransolo von Hill er,
und die achtstimmige Motette „Fürchte dich nicht" von Seb. Bach.
Die Ausführung derselben zeugte von gewissenhaftem Studium und
erlangte allseitigen Beifall, Der Eindruck, den die Frauenchöre von
Brahms hervorbrachten, war hier ein ähnlicher, wie er seit kurzer
Zeit auch von anderen Seiten her gemeldet wurde, nämlich der des
Befremdens wegen der häufig unbefriedigt lassenden melodiösen und
harmonischen Führung. — Das zweite Concert des Musik -Vereins
bestand in der Aufführung von Mendelssohn's ,.Elias" unter Mit-
wirkung des Herrn C. Hill aus Frankfurt, der Damen Rei s er und
Hausen und des Hoftheater »Orchesters, die weiteren Solostimmen
waren in den Häuden von Vereins- Mitgliedern. Diese Aufführung,
welche zugleich einen bedeutenden Fortschritt des Vereins bekundete,
war in allen ihren einzelnen Theilen unstreitig die gelungenste, seit
Herr Koning die Leitung desselben übernommen , und machte auf
die den ganzen Saal füllenden Zuhörer den günstigsten Eindruck.
Ein Concert des „Sängerbunds" konnte Ref. nicht besuchen,
doch kann derselbe nicht unbemerkt lassen, dass das Programm ein
interessantes war, indem es Werke von Gade, C. Kreutzer,
Schumann, F. Schubert {Adagio und Finale aus dem B-dur
Trio), A. B. Marx, Brahms und M. B r u ch enthielt.
Die „Liedertafel" trat ebenfalls mit einem Concert vor die
Oeffentlichkeit, und brachte Chöre von Speidel, Abt, M. Haupt-
mann, Esber und Vogel, sowie Einzelquartette von Hermes
und Sucher zur Aufführung, wovon hauptsächlich die Motette von
Hauptmann: „Ehre sei Gott in der Höhe" und das mit Piano be-
gleitete Lied von Esser: „Der Frühling ist ein starker Held" den
allgemeinsten Beifall fanden.
Der „Dilettanten- Verein" entwickelt grosse Rührigkeit und hat
bis jetzt drei Concerte gegeben, welchem ein weiteres durch die
jungen Mitglieder der „Vorschule" folgte. Dieser Verein gibt, ab-
gesehen von der Pflege der Orcbestermusik, hauptsächlich auch
jüngeren Talenten Gelegenheit, mit Gesang-, Declamations- und In-
strumental-Vorträgen vor die Oeffentlichkeit zu treten.
Die früheren Quartett-Aufführungen der Herrn Koning, Heidt, '
Mayer und Kün ding er haben seit diesem Winter in sofern eine
Bereicherung erhalten, als in denselben nun auch Werke für Ciavier
und Streichinstrumente zur Aufführung kommen, wobei Hr. Mertke,
in diesen Berichten schon öfters vortheilhaft erwähnt, die Ciavier-
Partie übernommen hat. Bis jetzt haben drei Aufführungen stattge-
funden, worin Quartette von H ay d n, B-dur Nr. 61 und 67, Mozart
D-moll, Beethoven E-mollNr. 8, Es-dur Nr. 10, Mendelssohn
Es-dur Nr. 1 Op. 12, sowie Trio's für Ciavier, Violine und Violon-
cell von F. Schubert, B-dur, Beethoven, B-dur Op. 97 und
Rubinstein ebenfalls in B-dur. Die Aufführung dieser Werke
war, wie wir dies von den genannten Herrn gewohnt sind, eine tadel-
lose ; die Hinzufügung von Ciaviermusik wurde von den Freunden
der Kammermusik mit grosser Befriedigung entgegengenommen.
In der Oper gastirte als Mephistopheles in Gounod's „Faust"
Herr Kögel vom Stadttheater in Basel, derselbe wird demnächst
sein Gastspiel hier fortsetzen, welches im entsprechenden Falle zu
einem Engagement an hiesiger Bühne führen soll, da der bisherige
Bassist, Herr Becker, in den nächsten Tagen dieselbe verlassen
wird. Fräulein R e i s s trat zweimal als Gast auf, in Gounod's
»Faust" als Margarethe und in der „Nachtwandlerin" als Amiua, in
welch letzterer Rolle ihre treffliche Gesangsbildung als besonders
beachtenswerth erschien, während in beiden Rollen ihr Spiel ein
sehr verständiges und wohl durchdachtes war. — Die einzige seit
meinem vorigen Bericht hier vorgekommene Opern -Novität ist die
komische Oper „die Reise nach China" von F. Bazin, welche am
29. März zum erstenmal hier aufgeführt wurde und einen entschieden
günstigen Erfolg hatte. Die Musik, von leichtgefalliger Art, passt
sich dem sehr gut bearbeiteten und unterhaltenden Sujet vollkommen
an und bietet namentlich der Coloratursängerin und dem Tenor in
Lied, Arie und Duett manche höchst dankbare Momente, deren treff-
liche Ausführung von den Zuhörern mit reichlichem Beifall belohnt
wurde, andrerseits sind es mehrere Spielpartieen, deren mit ergötz-
lichem Humor gegebene Situationen die Lachmuskelu häufig genug
in Bewegung setzten. Es ist sonach nicht zu zweifeln, dass diese
hauptsächlich heiterer Unterhaltung dienende Oper sich auf dem
Repertoir erhalten wird.
Aus Stuttgart.
T. Da Sie über die Prüfungsconcerte unseres Conservatoriums
diesmal von einer anderen Feder Bericht erhalten, so kann ich so-
gleich an die Besprechung des Palmsonntag-Oratoriums gehen, wozu
heuer Z e n g e r s „K a i n" gewählt worden war. Mehrere Wochen
hindurch waren die Chöre im Singverein und kgl. Siogchor nach
Kräften vorbereitet worden; die letzten Proben wurden vom Ton-
setzer selbst gehalten, welcher auch die Aufführung mit Feuer und
Gewandtheit dirigirte. Der Erfolg war so günstig, als er an einem
Tage sein konnte, wo zumeist geistliche Musik gegeben und desshalb
nicht applaudirt wird ; darum kam auch diesmal kein herzhafter
Beifall zu Stande; überdies war draussen das herrlichste Wetter,
innen aber drückende Hitze , die Hörerschaft wenig zahlreich und
ziemlich apathisch, zudem stark mit jenen stock schwäbischen Ele-
menten versetzt, denen das „Nette" höher gilt als das Tiefe und
Grossartige, und denen schon das Verständniss des bedeutenden, von
Th. Heigel nach Byrons gleichnamigem Mysterium geschickt bear-
beiteten Textes schwer fallen mochte. Aber alle Kenner waren da-
rüber einig, dass Zengers Musik, die in München so durchschlagenden
Erfolg gehabt hatte, gross gedacht, tief empfunden und voll edler
Melodie sei. Die Declamation ist musterhaft, die Harmonik stets
interessant, oft von frappirender Neuheit, die Instrumentation farben-
reich und effectvoll, die Stimmführung stets fliessend, und die fugirten
Chorsätze zeugen von gediegenen Studien. Die prächtigen Chöre,
bald drei-, bald vier- und sechsstimmig fanden auch den meisten
Beifall ; sie gingen durchweg vortrefflich und die frischen Stimmen
des Singvereins und Conservatoriums thaten ihre gehörige Wirkung.
Unter den Solopartieen aber waren nur „Kain" durch Hrn. Schüttky
und „Adah" durch Frl. Klettner tüchtig vertreten; die übrigen
kamen nicht vollständig zur Geltung, so dass gerade manche hoch-«
dramatisch angelegte Scene der gehörigen Zugkraft entbehrte. Sehr
brav war das Orchester, das trotz der wenigen Proben seine schwie-
rige Aufgabe meisterhaft löste. Hrn. Hofcapellmeister Abert,
welcher dieses so bedeutende Tonwerk noch auf das Programm dieser
Saison setzte, sagen wir dafür den wärmsten Dank, und sind über-
zeugt, dass jeder Dirigent, der hierin seinem Beispiele folgt, eben-
falls herzliche Anerkennung dafür finden wird.
Von unserer Hofbühne wissen wir Nichts zu vermelden, als etwa
den Abgang des Hrn. Wallenreite r, welchem die Lokalpresse
gerade keine schmeichelhaften Nachrufe widmete. Da wir aber nicht
zu jenen Kläffern gehören, welche den todten Wolf noch in die Wade
beissen so enthalten wir uns, wie seinerzeit bei Eckerts unfreiwilligem
Rücktritt aller Randglossen und begnügen uns mit der Thatsache. Im
„Teil" hörten wir Hrn. B o h 1 i g vom Mainzer Stadttheater als Arnold,
und fanden in ihm einen von der Natur mit hübschen Mitteln be-
gabten Sänger, der' bei fleissigen Studien noch Erfreuliches zu leisten
verspricht; seine Bravour-Stellen im Duett des ersten und Terzett
des zweiten Aktes fanden lebhaften Applaus, obschon das hiesige
Publikum au weniger schlanke Tenoristen gewöhnt ist; wir hoffen
ihn noch in anderen Partieen zu hören.
Eine gewaltige künstlerische That Fai ssts war die Aufführung
der vollständigen Matthäus - Passion, mit allen Da Capo's etc., am
Gründonnerstag und Charfreitag in der Stiftskirche, unter Mitwirkung
der kgl. Hofcapelle , sowie zahlreicher Singvereiusmitglieder und
Conservatoriumszöglinge, dann der Damen Winter -Werber und
Marschalk, der HH. Brandes von Carlsruhe, Schütky und
R o s n e r. Da das Meiste noch von früheren Aufführungen her sicher
sass, so genügte eine Hauptprobe, um ein gelungenes Ganzes her-
zustellen; doch dürfte sich für die Zukunft wieder manche Auslassung
empfehlen, so dass der Stoff auf einen Abend zuzammenzudrängen
— 64
vrttre, natürlich mit Beibehaltung aller jeneT unvergänglichen Meister-
stücke wie des Anfange- und Schlusschors, der Arien in H-moll (Sopran),
C-moll (Tenor), H-moll (Alt), A-moll (Sopran) und der meisten Cho-
räle. Der Zadrang war diesmal ausserordentlich, was neben der
üblichen religiösen Gewohnheit wohl auch dem erhöhten Interesse
anzuschreiben ist.
Haehriehten,
London, März 1868. (Schumann Evenings.) Unter diesem Namen
(Schumann-Abende) hat der bekannte Ciavierspieler und Com-
ponist Herr Adolph Seh loesser in diesem Monate 4 Concerte
gegeben, deren Programm, wie der Titel schon angibt, ausschliesslich
den Werken Schumann's gewidmet war, und freut es mich Ihnen
Über den glänzenden Erfolg derselben berichten zu können. Das
Unternehmen hat wahres Aufsehen in der Kunstwelt gamacht, um
80 mehr, da die Fresse im Allgemeinen höchst ungerecht gegen die
Compositionen dieses Meisters ist und jede Gelegenheit ergreift, das
Genie desselben in Frage zu stellen; und doch ist die Wirkung
auf das Publikum bei der Aufführung einer seiner Sinfonien oder
dergleichen gar nicht zu verkennen. Herr Schloesser war aber trotz
dieser Verhältnisse auf acht künstlerische Weise von der guten Sache
-durchdrungen und widmete sich mit solchem Enthusiasmus dem
Studium des grossen Meisters, dass er sein Auditorium wahrhaft be-
begeisterte. An den 4 Abenden kamen die 3 Ciavier - Trio's zur
Aufführung; die Phautasiestücke für Ciavier, Violine und Cello, die
3 Romanzen für Violine und Ciavier; die Phantasiestücke für Cla-
rinette und Clavior; Mährchenerzählungen für Clarinette, Viola und
Ciavier; Stücke im Volkston für Cello und Ciavier; das Duo für 2
Pianos ; Ciavierquartett (auf Verlangen wiederholt), das Es-dur-Quin-
tett und Streichquartett in A-moll ; die Gesangsnummern waren mit
grosser Sorgfalt gewählt und feierte Schumann einen wahren Triumph
bei einem höchst ausgewählten und zahlreichen Publikum, das mit
steigendem Interesse von einer Woche zur anderen den Concerten
entgegen sab. Herr Schloesser bewährte sich auf's Neue als einen
unsrer tüchtigsten Pianisten und brachte die verschiedenen Werke
in seltener Vollendung zur Aufführung ; der geschätzte Künstler war
aufs Vortrefflichste unterstützt von den Herrn Straus, Pollitzer,
Wiener, Joffrie, Paque, Daubert und Passe sowie von den
Damen Rüde rs dor ff, Drasdil, Bramer und Schiller. Ich
kann nur im Namen des gebildeten Publikums Herrn Schloesser für
den seltenen Kunstgenuss den er geboten danken und ihm gratuliren
zu dem Erfolge den er für sich selbst und für Schumann errungen ;
hoffentlich werden diese interessanten Abende von Jahr zu Jahr
wiederholt werden und somit diesen Werken immer mehr Eingang
und Anerkennung verschafft.
Berlin. Am 21. März fand das 40jährige Jubiläum des Hrn.
Capellmeisters H e i n r i ch D o r n als Operndirigent statt. Der
König verlieh dem verdienten Jubilar den Kronenorden und die Ca-
pellmitglieder überreichten ihm in feierlicher Weise eine werthvolle
Büste Beethoven's.
— Frl. U 1 r i 9 h s aus Wien ist zu einem dreimaligen Debüt
am kgl. Operntheater behufs Engagement hier eingetroffen.
— Die General-Intendanz hat mit den beiden Tenoristen Wach-
tel und Nie mann in der Weise contrahirt, dass von nun au ers-
tem vom 1. December bis Mitte März, der letzte aber während der
übrigen Monate der Saison dem kgl. Operntheater angehören wird.
FftriS. Rubinstein gab am 19. März sein erstes Concert in
Paris und zwar mit einem so schlagenden Erfolg, wie ihn dort
noch selten ein Virtuose bei seinem ersten Auftreten erzielt haben
dürfte. Am 25. März folgte sein zweites Concert und der Beifall,
den er durch seine genialen Leistungen errang, war ein nicht minder
enthusiastischer als in seinem ersten Concerte. Er wiederholte sein
D-moll-Concert und danu noch verschiedene kleinere Sachen von
seiner Composition. MI1. Whist, eine amerikanische Sängerin von
bedeutender Begabung, sang mit vielem Erfolg den Schattentanz aus
„Dinorah."
— Der Violoncellist Fe ri Kl etzer ist nach einer erfolgreichen
Kunstreise durch Spanien und Portugal hier eingetroffen. Auch
A Hr e d J a e 1 1, welcher in Monaco, Nizza und Lyon grosses Aufsehen
durch seine vortrefflichen Leistungen erregte, befindet sich gegen-
wärtig in Paris.
*** Der Tenorist Gustav Walter vom Hofoperntheater in
Wien hat am 1. April einen dreimonatlichen Urlaub angetreten,
welchen er zu Gastspielen in Deutschland, mit M a n n h e i m, Com
etc. benützen wird.
V Der Tenorist B o h 1 i g vom Stadttheater in Mainz hat in
Stuttgart als Arnold im „Teil" und als Faust in der Gounod'schen
Oper mit glänzendem Erfolg gastirt und wird im Monat Mai wieder»
holt dort auftreten.
*** Stock hausen und Brahm's concertiren mit enormem
Erfolge in Kopenhagen. Ebendaselbst wird auch das Floren-
tiner Quartett erwartet.
*** Das Programm des zu Pfingsten unter Ferd. Hiller's Leitung
in C ö 1 n stattfindenden diesjährigen niederrheinischen
Musikfestes ist dem Vernehmen nach folgendes: Am 1. Taget
„Messias" von Händel, mit den Solisten Frau Harr i ers- Wip-
pern aus Berlin, Frau Joachim ans Hannover, Dr. Gnnz au»
Hannover und Dr. Schmi d aus Wien. An diesem Tage wird auch
Joachim ein Violin-Solo vortragen. Der 2. Tag bringt: Ouvertüre
von N. W. G a d e unter dessen persönlicher Leitung, Pfingstcantate
von S. B a ch, der achte Psalm (Nr. 114) von Mendelssohn,.
Theile aus der ,,Vestalin u von Spontini und die 9. Sinfonie von
Beethoven. Den dritten Tag füllen eine Ouvertüre von H i 1 1 e r,
eine Sinfonie von Schumann, ein Violin-Concert von Joachim
und verschiedene Solo-Vorträge aus.
*** Am 21. März, dem 200. Geburtstage des J o h. S eb. B a cb,
wurde in Eisenach an dem Geburtshause des grossen Meisters eine
einfache Gedenktafel unter entsprechenden Feierlichkeiten angebracht.
Den ersten Anlass dazu hatte Bach's Biograph, der preussische Ge-
heimrath Bitter gegeben.
ANZEIGEN.
Für Wännergesangvereine and Concert - Institute.
Im Verlage von F. E. C* Ijeuekart in Breslau sind
erschienen :
(Salamis.
Siegesgesang der Griechen.
Gedicht von Hermann Lingg
für Solostimmen, Männerchor und Orchester
componirt von
Max II r u cli
Op. 25.
Partitur 2 1 /* Thlr. Orchesterstimmen 3 1 /* Thlr. Ciavierauszug
1*/, Thlr. Solo- und Chorstimmen 1 Thlr.
In demselben Verlage erschienen:
Brucli, Max, Op. 23, „Frithjof." Scenen aus der Frithjof-Sage
von Esaias Tegn&r für Männerchor. Chorstimmen und Orches-
ter. Partitur 7 Vi Thlr., Orchesterstimmen 8 Thlr. Ciavier •Aus-
zug 2 7» Thlr. Chorstimmen 20 Sgr.
Hieraus einzeln: Iilgehorg's „Klage," für Sopran mit
Piano 10 Sgr.
Falsst, Immanuel, Op. 25. Die Macht des Gesanges, Ge-
dicht von Schiller. Für Männerchor mit Begleitung von Blas-
instrumenten und Pauken (Preisgekrönt). Partitur 3 Tnlr*
Ciavierauszug l 9 /* Thlr. Singstimmen 1 Thlr.
Gottwald, Heinrich, Op. 11. „Ins Freie 1" Gedicht voa
H. Linke, für Männerchor mit Begleitung von Blasinstrumenten.
Partitur mit untergelegtem Ciavierauszug und Singstimmen l 1 /»
Thlr. Singstimmen apart 10 Sgr.
Hiller, Ferdinand, Op. 107. Aus der Edda (Osterfeuer und
Ostara). Zwei Gedichte vonEHar Ling, für Männerchor mit
Orchesterbegleitung. Partitur 2 Thlr. Orchesterstimmen 2. Thlr.
Ciavierauszug 1 Thlr. Singstimmen 15 Sgr.
Vterlittg, Georg, Op. 32. „Zur Weinlese" nach Anakreon
von Franz Grandaur, für Männerchöre und Orchester. Partitur
2 Thlr. Orchesterstimmen 2 7» Thlr. Ciavierauszug 15 Sgr»
Singstimmen 15 Sgr.
Verantw. Red. Ed. Föekerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
fc* 17.
27. April 1868.
SUDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
; Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
\ luugen.
V © ff II 8 g
von
B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
' Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
T "1
j PBEIS:
jfl.2.42kr.od.Th. 1. 18Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
^.■Xf ~-x-~ -~~ — . — ^. — ^ — ~^ — ,. -VV
INHALT: Eine Schubertiade. — Corresp. : Wien. Magdeburg. Berlin. — Nachrichten.
Eine Schubertiade.
(Nach Bruchstücken aus dem Nachlasse meines Grossonkels.)
(Schluss.)
Unter diesen nnd ähnlichen Schnurren waren wir endlich wie-
der in die Schlucht herabgekommen ; da richteten wir uns etwas
zusammen, um in Langbath als civilisirte Menschen auftreten zu
können. Bald sassen wir in einem traulichen „Salettl," aus dem
wir auf See, Erlakogel und Sonnenstein sahen, und bald funkelte
vor uns der purpurne Vöslauer und dampften die unvermeidlichen
Schnitzel, die uns trotz dem Parasitengeschmeiss unzähliger Fliegen
und Wespen doch köstlich mundeten und Franz oft ein behagliches
Gesumme entlockten, wobei er die runden Aeuglein muthwillig bis
an die Ohren zurückdrehte. So oft die muntere Cilly zum Ein-
schenken kam, blickte er fragend auf Vogel, der immer ruhig zu-
nickte mit den Worten : „Heut' leidet's noch viel."
Aber endlich litt's der Eopf nicht mehr. Als ich mich nun
verabschieden wollte, packte mich Vogl fest am Arme und rief mit
einer Posaunenstimme : „Nichts da, lieber Herr ! heut' bleiben Sie
noch bei der Ueberraschung, die sie meinem Franzi in Gmunden
drunten zugedacht haben , das müssen Sie sehen und hören : 's ist
immer ein Urspektakel, solch eine — flüsterte er mir noch in's
Ohr — eine Schubertiade!"
Verblüfft und fragend sah ich ihn an; er aber zwinkerte mit
den Augen und lächelte : „Werden's schon sehen ; für jetzt lassen
wir uns in einen Einbaum packen und in dem schönen Nachmittag
nach Gmunden hinabrudern."
Sprach's und pfiff einem Schiffer, der uns sofort zu seinem
„Traunerl" geleitete ; Waldl war der Erste drinnen und hatte sich 's
gleich bequem gemacht; wir Andern folgten und lustig schwamm
nun die grüne Fläche und die bunte Uferpracht uns entgegen und
vorüber ; auf den östlichen Bergen lag noch warm und golden die
Sonne, während im Westen sich schon blaue kühle Schatten herein-
legten. Als wir an Ebenzweyer hinfuhren, erhob sich Vogl und
sang mit mächtiger, weitscballender Stimme, wobei ihm Franz stel-
lenweise secundirte :
„Ueber den Wipfeln des westlichen Haines
Winket uns freundlich der röthliche Schein ;
Unter den Zweigen des östlichen Haines
Säuselt der Calmus im röthlichen Schein;
Freude des Himmels und Ruhe des Haines
Athmet die SeeP im erröthenden Schein 1"
Und wie sie geendet, schollen vielstimmige Freudenrufe vom
Gmundner Gestade, dem wir indessen nahe gekommen waren. Am
Strande sah ich es von schmuck gekleideten Frauen und Mäunern
wimmeln, uud noch ehe wir anlegten, klatschten sie in die Hände
und jubelten : „Da kommen sie, da sind sie !" Als ich ausgestie-
gen, schienen mir die beideu Freunde unter Umhalsungen und wah-
ren Wolkenbrüchen von Küssen und Händedrücken verloren, und
als ich sie endlich wieder zu Gesichte bekam, hub ein endloses
Vorstellen an ; ich machte unzählige neue Bekanntschaften, worunter
ich mich nur mehr an einen Hofrath Schiller mit seinen Töchtern,
einen uralten Hrn. Klodi, dann an die Wiener Dichter Mayerhofer
und Schober erinnere.
So viel wusste ich bald, dass unseren Frauz zu Ehren, der mit
Zunamen Schubert hiess, ein kleines Fest, eine Art Suite ver-
anstaltet war, die man eine Schubertiade nannte und mit der
man ihn gewissermassen überrascht hatte. Er wie sein Begleiter
erschienen in kurzer Frist wieder in eleganterer Toilette ; auch ich
hatte Gelegenheit gefunden, mein Aeusseres etwas sauberer umzu-
gestalten, und nun war die Gesellschaft in einem geräumigen Gar-
tenpavillon versammelt, dessen eines Flügelzimmer eine grosse ge-
deckte Tafel umfing, während das andere und der Mittelsalon nur
mit zahlreichen Sophas und Stühlen besetzt waren ; in letzterem
stand ein Streicher 'scher Flügel geöffnet, nnd auf diesen schritt
nun unser Franz los, des Hofraths Amalie am Arme führend. Als
sie und sämmtlicbe Zuhörer sassen, erhob sich der schöne, blonde
Schwede, Hr. v. S c h o b e r, und begrüsste in begeisterter Ansprache
die beiden Künstler, welche der Gesellschaft heute den vorgestern
bereits probirten Cyclus der Müllerlieder vorführen würden ; ala
Einleitung werde Frl. Amalie mit dem Componisten ein ungarisches
Divertissement vortragen. Diesen Worten folgte lebhafter Beifall;
dann begann die Musik und ich hatte während derselben Müsse die
Gesellschaft zu betrachten. Sie schien zumeist aus Sommergästen
von Wien und Honoratiorenfamilien aus der Umgegend zu bestehen ;
Mode und Frisur waren damals geschmacklos genug; die glatten
durchsichtigen Kleider mit den hohen Taillen entstellten jede Figur ;
doch wussten die jungen Mädchen, deren viele und bildhübsche da
waren, sich gleichwohl gar vortheilhaft zu präsentireu ; wegen der
Abendschwüle hatten sie die gezackten Halskrausen und unförm-
lichen Bauschärmel abgelegt und prangten nun mit dem Schimmer
ihrer Schultern und der Fülle ihrer Arme. Nach jedem der drei
Sätze des phantasiereichen, in schlagend characteristischer und doch
massvoll veredelter Weise das Wesen jener wilden, in den schfitf-
sten Contrasten spielenden Zigeunermusik wiedergebenden Tonwei-
kes erschollen laute Freudenrufe, und zuletzt konnte ich mich kaum
durch das Gedränge der Glückwünschenden hindurchwinden, um
meinem jungen Reisegefährten, der sich als ein so hochbegabter
Künstler entpuppte, auch mein Dankesscherflein darzubringen. Jetzt
erhob sich der Dichter Mayerhofer und sprach mit körniger, wohl*
thuender Stimme den Prolog W. Müller's zur „schönen Müllerin ;"
zugleich führte die Hofräthin meinen Freund Vogl am Arme an'a
Ciavier und überreichte ihm ein geschriebenes lieft; dieser legte es
dankend weg, und als man es Franz auf's Notenpult legen wollte,
schob dieser es ebenfalls bei Seite. Hochaufgerichtet stand Vogl
da, wie ein edler Improvisator; Schubert griff in die Tasten und
nun entwickelte sich ein poetisch - musikalischer Hergang, wie ich
zeitlebens nichts Idealeres, Ursprünglicheres, Wahreres uud Erschüt-
ternderes gehört habe. Man denke sich Tonsetzer und Begleiter in
einer Persou, dabei mit dem Sänger und dieser wieder mit Wort
und Musik so verwachsen, dass jede seiner Regungen in die letzte
— 66 -
Ciaviersaite .nachzittert, dass bich diese verschiedenen irdischen Fac-
toren, losgelöst von Bachstaben und Noten, zu einem höheren, un-
säglich ergreifenden Einen vergeistigen und verschmelzen — das ist
der höchste Triumph der Kunst. Dabei wechselte auch Vogl's Miene
und Stellung mit der Stimmung jedes Liedes; sein Lächeln unter
Thräoen, das Funkeln wahnsinniger Eifersucht in seinem blitzenden
Auge, das Zusammenbrechen seines titanischen Körpers unter dem
Uebermasse des Leids ~ all das wareu unwiderstehliche Wirkungen
Beines gewaltigen, dämonischen Naturells. Lautlos, iu's Tiefste ge-
röhrt, hatten wir die traurige Liebesgeschichte miterlebt; dabei
hatte uns nicht, wie es neuerdings Mode wird, das Geklapper von
Theetassen und Tellern mit kalter Küche, dieser widernatürlichsten
aller gastronomischen Combinationen, gewaltsam aus der Stimmung
gerissen ; höchstens hatte uns die stellenweise dazwischentretende
Declamation der drei von Schubert nicht componirten Gedichte, ob-
schon sie Mayerhofer gauz meisterhaft sprach, etwas fremdartig be-
rührt; als ich Schubert fragte, warum er der ästhetischen Einheit
zu liebe nicht auch diese drei Gedichte in Musik gesetzt habe ,
meinte er, die darin steckende Ironie passe nicht so recht zum Sin.
gen; wenigstens sei ihm für diese nicht wie für die andern sogleich
die Melodie gekommen; vielleicht wolle er sie später genauer darum
ansehen und sich doch dranmachen. Wir konnten nicht weiter spre-
chen, denn er ward von den jubelnden Hörern in die Mitte genom-
men und in's anstossende Zimmer zur Tafel geleitet, wo erundVogl
die Ehrenplätze einnehmen mussten. Schubert galt der erste Toast,
den der alte Klodi mit achtem perlendem Sillery ausbrachte ; damals
hatte man noch nicht die dünnen hohen Kelche, sondern jene run-
den schalenartigen, die leicht umiielen, die man also jedesmal aus-
trinken musste. Daher wurde die Stimmung bald animirt und nicht
lange stand es an, so erschollen auch Bundgesänge nach Schubert'-
Bcher Melodie, die er zum Theil selbst mit gehobenstem Humor vor-
sang, wie z. B. die drollige, von Claudius gedichtete Klage um „Ali
Bey," das saftige Trinklied „Freunde, sammelt euch itn Kreise,"
und ein neues „Punschlied" von Mayerhofer, wozu er sogleich eine
frische Melodie improvisirte. Jetzt begann überhaupt, wie mir Yogi
vertraute, Schuberts liebste Zeit, die des Punsches und Tanzes; an *
letzterem betheiligte er sich zwar nie, und auch heute sahen wir
ihn mit seinem Punschglase hinter's Ciavier gehen, den gedungenen
Spieler verabschieden und selbst, behaglich zurückgelehnt, in die
Tasten greifen. Bald führten die schlanken Paare der Ecossaise
verschlungenen Reigen; dann plötzlich schlug Franz den Rhythmus
des deutschen Ländlers an und improvisirte die herzlichsten, glück-
seligsten Melodien, so dass die Tänzerschaar innehielt und lauschte;
die schmucken Mädchen, welche, wegen Mangels an jungen Män-
nern, ohnehin grossentheils miteinander getanzt hatten, schlichen
näher, lehnten sich von alleu Seiten um Franz und sahen seinem
begeisterten Spiele zu, stritten sich auch, dem Dürstenden Punsch
einzuflössen und wühlten in seinen krausen Haaren. Dann verliess
sein Spiel wohl den Tanzrhythmus und heftigere Tonbilder bauten
sich auf, die sich zuletzt in süsses Dahinschmachten verloren ; plötz-
lich ein kecker harmonischer Ruck, und Alles wirbelte wieder in
toller Lust weiter. Lange noch dauerte der Tanz ; aber so oft ich
nach Schubert sah, kauerte irgend eine blonde oder schwarze Schöne
neben ihm und flüsterte ihm artige Dinge iu's Ohr. Zuletzt zogen
sie ihn uoch in ein Pfänderspiel, wobei die beliebte Auflösung des
„polnischen Betteins" nicht fehlte; auch ich alter Knabe Hess es
mir nicht übel gefallen ; nur unsere Catone Vogl und Mayerhofer
hatten sich ernsthaft abgewandt.
Mitten in die Lust hinein, schon lauge nach Mitternacht, er-
schollen auf einmal die Klänge eines Männerquartetts. „Ah!" sagte
Schubert gerührt, „das hat mir noch mein Hausherr, der brave Tra-
wegen zugedacht; mit meinen eigenen Noten will er mich in Schlum-
mer wiegen; gut, ich komme!" Sprach's uud schickte sich zum
Heimgehen an ; nach langen und ausführlichen Abschieden waren
wir endlich mit Yogi allein ; ich hatte Franz um ein Autograph ge-
beten ; wie freute es mich, als er ein Blättchen herauszog, das er,
wie er erzählte, mitten in dem Tanztumult schnell beschrieben habe
und ich im Mondschein jene köstliche Ländlermelodie erkannte, die
su belauschen die Täuzer heute zuerst innegehalten hatten. Sie
war mir stets ein liebes Andenken an jene „Schubertiade" und möge
diese kleine Skizze beschliessen :
■#.* «.*. #. «. ■+ f. f.
tTwvrej?
Wt-htV^ 1 1 Ifef
2
1
I I
CORRESPONDENZEN,
Aus lf i e ii.
(Schluss.)
Unter den Mäunern steht Walter obenan. Der vortreffliche
Tenor ist einer der wenigen Sänger, die an ihrer Ausbildung nie
müde werden — ein wahres Muster für den Nachwuchs. Dr. S ch mi d
der Mann mit der herrlichen sonoren Bassstimme, trat nach langer
Krankheit itn November wieder auf, vom Publikum freudig begrüsst.
Draxler, der schon in den 30er Jahren am Rhein gastirte, trotzt
mit seinem Bass noch immer der Macht der Zeit; Rokitansky,
ebenfalls Bassist, weiss seine Mittel wenig zu verwertbeu. Der
Baritonist M a y e r h o f e r, zugleich tüchtiger Schauspieler, schmiegt
sich jeder Rolle an ; gleich einem geschickten Reiter bändigt er
auch die widerhaarigsteu Partien. B e ck mit seiner gewaltigen
Baritonstimme übt in seinen Prachtrollen eine wahrhaft zündende
Gewalt auf den Zuhörer aus; wer ihn aber als Don Juan hört,
dürfte leicht an ihm irre werden. Der Tenor Erl, der seit etwa
80 Jahren sich die Sympathie des Publikums erhielt, wurde mit
ausgiebiger Pension ehrenvoll entlassen. — Die Direction ist bekannt-
lich Ende September in die Hände Dr. Dingelstädt's überge-
gangen. Als musikalischer Beirath und erster Capellmeister wurde
ihm der verdienstvolle Esser zur Seite gesetzt. Es gab viel aus-
zumerzen, manchen Schlendrian zu beseitigen. Im Chor namentlich
räumte er auf gleich Zündnadelgewehren; manche überflüssig enga-
girten Sterne zweiter und dritter Grösse sind freilich nicht so rasch
vom Halse zu schaffen. Die zwei Glanzpunkte der neuen Direction
waren bis jetzt die Aufführung der seit 1810 nicht gegebenen „Tphi-
genia in Aulis" und Gounod's „Romeo und Julie." (Die Erstgenannnte
war übrigens schon vorbereitet) Gounod dirigirte bekanntlich selbst
am ersten Abend; seine Oper bat hier viel Glück gemacht,' wird
aber auch vortrefflich gegeben. Gluck's Oper war eine Wohlthat
für den Kenner ; aber auch der Laie musste ahnen, dass er hier
die Alltagsstrasse verlassen und sich in höhern Regionen befand.
Zwei neue Opern sind nun freilich für neun Monate zuwenig; wohl
wurden einige Opern neu in Scene gesetzt (Favoritin, Rigoletto,
Zampa), das Bedürfniss darnach war aber eben kein dringendes.
Dass man vollends Wagner in neun Monaten mit einem einzigen
Abend abspeisste, sieht fast einer Demonstration gleich. Wenn schon
der Mann von Eisen sich nicht finden wollte für einen Lohengrin,
Rieuzi (der hier noch nie gegeben wurde), hätte man wenigstens mit
Wiederholungen der „fliegenden Holländer 8 auch die Wagner-Partei
wenigstens in etwas befriedigen können, um so mehr, als man in
B e ck einen Repräsentanten der Hauptrolle, wie keine Bühne be-
sitzt. Die feiuere Spieloper scheint ganz abzusterben; alles treibt
ins dramatische Holz; die Namen Boildieu, Mehul, Auber,
Adam tauchen nur sporadisch auf. Es weht übrigens im Ganzen
ein frischer Zug durch die meisten Vorstellungen und wenn zu dem
neuen Opernhaus, dessen Vollendung noch geraume Zeit in Anspruch
nehmen wird, die rechten Leute gefunden sein werden, dürfte auch
für die Oper eine neue Aera hier anbrechen.
Am heutigen Tage (Chardinstag) schlössen die Concerte der
Gesellschaft der Musikfreunde für diese Saison ab. Wie
gewöhnlich fanden vier Concerte im Abonement und ein ausseror-
dentliches Concert statt. Was die Aufführung betrifft, bieten die-
selben wohl das Beste, was Wien in diesem Fache zu bieten vermag.
- 67
Der Name Herbeck, der Leiter der Gesellschaftsconcerte und des
damit verbundenen Singvereins, bürgt für Ausführungen, die kaum
etwas ku wünschen übrig lassen. Schon die Grossartigkeit der Be-
setzung im Orchester imponirt und was Herbeck in der Schulung
eines Chores zu leisten vermag, hat er durch Jahre in überzeugend-
ster Weise gezeigt. Der Zudrang zu diesen Concerten ist denn
auch so bedeutend, dass selbst die weiten Räume des grossen Re-
douten-Saales sich als unzureichend beweisen. — Das Programm
der vier Concerte brachte Folgendes: Ouvertüre von Beethoven
Op. 115; Sinfonien von Schumann (C-dur) und Beethoven's
Neunte; Clavierconcerte von Mozart (D-moll, von Anton R üb i n-
stein gespielt) und von Beethoven (C-dur, von Epstein gespielt),
Violoncellconcert (von D av idoff gespielt). Ferner: Drei Sätze aus
dem neuen Werke „ein deutsches Requiem' 1 von B rahme; Schu-
berts vollständige Musik zu „Rosamunde" (wovon drei Nummern
zum erstenmal) ; „der Rose Pilgerfahrt" von Schubert; Marsch
und Chor aus „Medea" von Cherubini; mehrere Volkslieder;
Arie von Händel (aus l Allegro ed il Pensieroso) und schwe-
dische Lieder, gesungen von Frl. E n e q u i s t. Das Requiem von
Brahms zeigt eine, weit über die Alltags-Auffassung hinausreichende
Schöpfung, wenn auch ein darin versuchter endloser Orgelpunkt
mit Paukenwirbel auf heftige Opposition stiess. Einzelnes aus Ro-
samunde, namentlich die Balletmusik G-dur (Nr. 2) dürfte bald die
Runde in allen Musikvereinen gemacht haben, diese Nummer ist von
unwiderstehlichem Liebreiz. „Der Rose Pilgerfahrt" (hier zum ers-
tenmal mit Orchester) fand eine wahrhaft weihevolle Wiedergabe.
Die Clavier-Concerte ruhten in den besten Händen; ebenso lernte
das Publikum in David off einen Künstler ersten Ranges kennen.
Der Glanzpunkt aller Nummern aber war Beethoven's „Neunte,"
welche mit voller Hingabe vom Dirigenten und den Ausführenden
aufgeführt wurde. Die Kosten dieses einzigen Concertes betrugen
über 1600 fl. (im Orchester sassen etwa 125 Mitwirkende). — Es
erübrigt nun noch, des heutigen „ausserordentlichen" Concertes zu
erwähnen. Einige Nachzügler abgerechnet, schloss es die Saison
glänzend ab. Zuerst das gewaltige Kyrie aus B a c h's H-moIl Messe
mit seinem überwältigenden Tongewoge; dieser ernsten, gleichsam
in Erz gegrabenen Schöpfung des Nordens ein Kind des Südens fol-
gend, eine im Volkstöne gehaltene blühende: „Alte Marien-Litanei
der Hirten" (zum Erstenmal) ;Mendelssoh n's prachtvollen Psalm
„Richte mich Gott" (8stimmiger Chor) und zum Schlüsse Seh u b e r t's
„Lazarus," Ostercantate für Soli, Chor und Orchester. Die Auf-
führung war durchgehend« eine schwungvolle, meisterhafte. Repetirt
wurdeijf.Litanei und Psalm, sie gingen Beide grade ans Herz. La-
zarus war von Herbe ck, Schubert's getreuen Anwalt, bis ins klein-
ste Detail aufs sorgfältigste einstudirt. Bis zum letzten Accord folgte
das PubMÄm nw^m dach tigern If^fce^iise der edlen Schöpfung, deren
textlichCTljStoff, fast nur von* Grab** undWerwesuug handelnd, nur
durch eines Schuberts blühende, warm empfundene Muse geniessbar
wurde. g^Frau Will sang ihre" Soli mit« überraschendem Gefühlsaus-
druck, wie man ihn von der Bühne aus an ihr nicht gewohnt ist.
— Die Bauangelegenheit des neuen Gesellschaftshauses und des
damit verbundenen Conservatoriums für Musik schreitet rüstig vor-
wärts. Mit dem Neubau der innern Staatseinrichtung dürften auch
die, nun über ein halbes Jahrhundert eingebürgerten Gesellschafts*
concerte und die Pflege eines , ins Kunstleben tief eingreifenden
Conservatorium's in Jahr und Tag ihre Wirksamkeit in neuen, den
Forderungen der Jetztzeit entsprechenden Räumen entfalten.
Aus Magdeburg?.
Der Ritter'sche Gesangverein hatte im Laufe dieses Winters
drei musikalische Aufführungen verschiedener Art veranstaltet. Die
erste, bereits zu Anfang November vorigen Jahres stattgefundene,
erfreute die Zuhörer durch Fr. Seh über t's Liederkreis „die schöne
Müllerin." Die hier gewählte Art des Vortrags, durch Einschaltung
der von Schubert nicht componirten Lieder, sowie des vorausgehen-
den und beschliessenden Prologs und Epilogs, auch dem Dichter
gerecht zu werden, hatte zugleich die mittelbare Folge, dass auch
jene Gesänge des Liederkreises, die von dem Publikum, wie von
den Sängern, weniger beachtet zu werden pflegen, da sie eben ein-
sein von geringerer Wirkung sind, zu voller Geltung gelangten und
sich den bekannteren gegenüber ebenbürtig, zum Theil sogar höher
als diese stehend erwiesen. Die zweite Aufführung (in der Weih-
nachtszeit) brachte J. S. Bach's „Pastorella* für die Orgel, den
von Ritter harmonisirten böhmischen Choral : „Heilig und zart ist
Christi Menschheit" und den ersten Theil aus Handels „Messias.
Die dritte Aufführung endlich (am 29. März) enthielt in der ersten
Abtheilung einen vierhändigen wirkungsvollen Orgelsatz von Fr.
Lachner, Chor- und Solosätze aus Händers „Susanna* und eine
sehr zart und eigentümlich gehaltene lateinische Hymne für Solo-
Sopran, Chor und Orgel von Ritter. — Aus der zweiten Abtheilung,
weltlichen Inhalts, sind hervorzuheben : eine ansprechende, gesang-
reiche Arie von Ehrlich und Beethoven's „Liederkreis."
Beide Nummern sang Herr Julius Lorenz mit eben so schöner
(Bariton-) Stimme, als mit warm empfundenem, tief ergreifendem
Vortrage. ***
Aus Berlin.
Die chronologische Reihenfolge meiner Berichte (die ich in Folge
persönlicher Erlebnisse in Verbindung mit vielfachem Unwohlsein
verzögern musste) gestatte ich mir an diesem Punkte zu unterbrechen,
um die Rede auf zwei Institute zu bringen, die durch ihre ununter-
brochene Wirksamkeit und die Höhe ihrer Leistungen gleichsam als
permanente Ereignisse Anspruch auf die besondere Aufmerksamkeit
des Referenten haben, nämlich die von Hrn. Prof. Dr. Kullack
geleitete Neue Akademie der Tonkunst, und die Capelle des
kgl. Musikdirectors Hrn. Bilse. Es ist nämlich, was die erste an-
langt, von einem nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Ge-
schmacksbildung des Berliner Publikums, dass in jedem (wie im
verflossenen) Halbjahr gegen 300 Eleven diese Akademie besuchen,
von denen über die Hälfte auf die akademischen, der Rest auf die
Elementarclassen rechnen, da von ersteren insbesondere in jedem
Jahr eine nicht geringe Anzahl als durchgebildete Clavierspieler
entlassen werden. Denn das Ciavierspiel würde vom Publikum nicht
so bevorzugt und eifrig betrieben werden , wenn es nicht das Ver-
mittelungswerkzeug zwischen der hohen Kunst und dem Bildungs-
triebe der Kunstliebhaber wäre ; andererseits versteht sich von selbst,
dass von Seiten der Akademie nur gute Musik und aus dieser nur
Aufgaben gewählt werden, denen die Eleven gewachsen sind, letzterem,
anderweit nur zu oft verletzten Grundsatze, sowie der in ihrer Art
vielleicht einzig dastehenden Lehrkraft des Leiters verdankt die
Anstalt ihre nachweisbaren periodischen Resultate. Dass ihrerseits
das Clavierspiel nicht mit absichtlicher Einseitigkeit gepflegt wird,
eine Annahme, die sich wohl nur wegen der Leichtigkeit ihrer Er-
findung an die Eigenschaft des Chefs als Pianisten ersten Ranges
knüpfte, bewies die am 20. März stattgehabte öffentliche Prüfung
der Oberclassen dieser Akademie, welche im grossen Arnim'schen
Saale ein sehr zahlreiches Publikum versammelt hatte. Als Schü-
ler der Compositionsklasse des Hrn. Musikdirector Wuerst erwar-
ben die Herren Klee aus Schwerin und Kirchner aus Potsdam
sich die Anerkennung des Publikums wie der Kenner. Die Ouver-
türe des Ersteren, das Scherzo des Letzteren , beide für Orchester
geschrieben und von den Verfassern dirigirt, bewiesen eine sehr
schätzbare Gewandtheit in der Handhabung der Formen und ein
Erfindungstalent, welches sich in den Grenzen der vorgenommenen
Muster mit Geschick bewegte. — Als Geiger traten aus der Ciasse
des Hrn. Prof. Grünwald Hr. Granem aus New -York und der
jüngere Ph. Her fort auf, von welchen dem ersteren wohl der
Vorzug zugestanden werden muss ; Adagio und Finale aus dem
neunten Spohr'schen Concerte executirte er rein und mit einem an-
genehmen künstlerischen Anstand, wie das Werk ihn verlangt; Ph.
Herfort gewann die' Sicherheit und Reinheit des Vortrages wenig-
stens im Verlaufe seiner allerdings nicht leichten Leistung, er spielte
die bekannte Tartini'sche Sonate „le triUe du diahle. (i Beide Vor-
träge waren daher wohl geeignet, ihrem indirecten Erzeuger als
Lehrer alle Ehre zu machen. — Dasselbe und in noch höherem
Grade war der Fall bei den Soli der Damen, welche als Sängerin-
nen bei Hrn. G. Engel ihre Ausbildung nehmen und an diesem
Abend eine Probe davon ablegten. Fräulen Are-Lallemant aus
Lübeck sang silberrein, vielleicht etwas zu ruhig, die Arie „Tröstet
Zion" aus Handelns „Messias," und macht damit auf den Kenner
68 -
den vortheilhaftesten Eindruck, wenngleich das Publikum sich hier
wie bei Frl. Lorch etwas kühler verhielt, vermuthlich nur wegen
des strengeren Charakters der gewählten Nummern. Der Vortrag
der Arie „Ach ich habe sie verloren," von Gluck, durch Fräulein
Cathar. Lorch aus Löwenberg bot einen wahrhaften künstlerischen
Genuss dar, indem die Sängerin, welche auch schon mehrfach in
öffentlichen Concerten geglänzt hat, eine würdevolle Stilistik mit
dramatischer "Wärme aufs Beste verband ; obschon ihre Stimme von
einem gewissen rauhen Nebenklange nicht ganz frei ist. - Von der
Ciaviergarde, welche der Chef selber ins Feld stellte, sind in erster
Linie Frl. Alma Holländer und Hr. Wilh. Tietz, in zweiter
Frl. Minna Uhlich und Hr. Czarwenka zu nennen, insofern bei
beiden ersteren der Vortrag bereits — im Zusammenhange mit der
Dauer der stattgehabten Studien — ein persönlich künstlerisches
Leben bezeugt, während der Vorzug der beiden letzteren vorläufig
mehr auf Seiten der Schulfertigkeit zu suchen ist. Es kamen
folgende Stücke zur Aufführung: Frl. Holländer spielte den zweiten
und dritten Satz aus Beethovens C-moll - Concert und ist besonders
in Bezug auf das Allegro eine der Spielerin eigenthümliche witzige
Feinheit des Vortrages zu rühmen, Hr. Tietz hatte den ersten Satz
des Henselt'schen Concertes zum cheval de bataille erwählt und ritt
es mit dem sicheren Anstände, den man an den Specialschülern des
grossen Meisters zu sehen gewohnt ist, ohne dass der Vortrag dabei
dictirt geklungen hätte; Hr. Czarwenka erledigte sich mit gleich
lobenswerther Solidität der ebenfalls nicht leichten Aufgaben, welche
Schümann^ A-moll-Concert darbietet; Frl. Uhlich führte den zwei-
ten und dritten Satz aus Chopin's F-moll-Concert mit sauberem An-
schlage durch, an Stelle tieferen poetischen Glanzes trat die Politur,
an sich eine sehr schätzbare Eigenschaft, noch etwas hervor —
freilich gehört Chopin'sche Musik in jener Beziehung zu den schwer-
sten. — Allen vier Spielern secundirte das Orchester, zu einem
Theile aus Schülern der Anstalt bestehend, unter der Leitung des
Hrn. Musikdirectors Wuerst in gewandtem Anschlüsse an das Cia-
vier. — Das Publikum lohnte fast allen Solisten mit doppeltem Her-
vorruf und blieb bis zu Ende interessirt, weil in der Zusammen-
setzung des aus 11 Nummern bestehenden Programms die Klippe
eines pädagogischen Ennui mit Geschmack umgangen war.
Am 29. März fand die Prüfung der Elementarklassen der An-
stalt statt, in welcher unter 8 Lehrerinnen und 2 Lehrern 21 Schü-
ler, davon 17 junge Mädchen, mit 19 Stücken bis zur Höhe zweier
Sätze aus Beethoven's C-dur-Concert sich vor einem gleichfalls dicht-
gedrängten Publikum hören Hessen. Wer jemals Ciavierunterricht
gegeben hat und den Werth einer nachhaltigen Grundlegung zu
schätzen weiss, konnte den daran thätigen Lehrkräften nur die
grösste Anerkennung zollen; das Programm nennt Hrn. Hasse (der
durch gediegene und talentvolle Compositionen auch anderweit be-
kannt ist, Herrn Kirchner, die Damen Frau Kuppel, Fräul.
Hollaender, Francke, Gubeler, Klüver, Mützell,
Fritsche. Carl Fuchs.
HT a c U r 1 c li t e n.
Mainz. Am 17. März fand das 7. Concert des „Kunst- und
Literatur- Vereius" unter Leitung des Hrn. N. Soltan's statt. Da
vrir von hier abwesend waren, beschränken wir uns darauf, nach
Mittheilungen vou competenter Seite in Kürze mitzutheilen, dass
das von Frau Betty Schott und den HH. Popper 1, Diehl,
Sesselmann und Hom in ausgezeichneter Weise vorgetragene
Quintett für Ciavier uud Streichinstrumente von R. Schumann
(Es-dur) den Glanzpunkt des Abends bildete. Frau Schott erfreute
das zahlreiche Publikum ausserdem noch durch den ebenso brillan-
ten als geschmackvollen Vortrag einer Polonaise von Chopin uud
eines Walzers von Lisberg. Ein junger Violinist, Hr. Hachen*
berger (Schüler des Hrn. Sesselmann) spielte den ersten Theil von
Mendelssohn^ Violinconcert und Variationen von David mit
vielem Talente und zeigte anerkennenswerthe technische Fortschritte.
Hr. Ruff sang eine Arie aus „Judas Maccabäus" von Händel
und „Wanderlied" von Schumann mit Geschmack und Feuer und
die oben genannten HH. Quartettisten schlössen das Concert mit
dem recht schönen Vortrage des Kaiserquartetts von H a y d n und
bewiesen, dass ihr Ensemble sich schon sehr vervollkommnet und
befestigt hat. So fanden diese Concerte denn einen iu jeder Be-
ziehung würdigen Abschluss und lassen für die nächste Saison wie-
der reichliche Genüsse erwarten. E. F.
Mönchen. Der hier bestehende „Kamraermusikverein," welcher
mehr als 200 Mitglieder zählt, hat sich vor einigen Tagen in einen
„Münchener Tonkünstler - Unterstützungs - Verein" umgebildet, der,
wie bisher, sich die Pflege der vocalen und instrumentalen Kam-
mermusik angelegen sein lässt, ausserdem aber auch für die Unter-
stützung iu unverschuldete Noth gerathener Tonkünstler beiderlei
Geschlechts thätig wirken wird. Der gewählte Ausschuss, an dessen
Spitze der k. Hoftheaterintendant Baron von Per fall steht, wird
nun die Aufgabe haben, zu diesem Zwecke die geeigneten Einlei-
tungen zu treffen.
— Das Hoftheater soll während des Monats August zum Zwecke
der Vornahme baulicher Veränderungen und Reparaturen im Bühnen-
und Zuschauerraum geschlossen bleiben.
— Die Aufführung der „Meistersinger" ist dem Vernehmen nach
bis zum kommenden Herbst verschoben worden.
— Zu Ehren der Anwesenheit des Kronprinzen vou Preussen
fand am 17. April eine glänzende Aufführung der Oper „Lohengrin*
statt.
Stuttgart. Die diesjährigen Prüfungsconcerte des k. Conser-
vatoriums für Musik gingen wieder in höchst befriedigender Weise
vor sich und lieferten in einer Reihe von gediegenen Vorträgen aufs
Neue den Beweis, welch hohen Rang diese Kunstanstalt sowohl in
Ansehung seiner trefflichen Lehrkräfte als insbesondere seiner auf
richtigen pädagogischen Principien basirenden Organisation einnimmt.
Als fremdem und darum unparteiischem Beobachter musste dem
Schreiber dieser Zeilen in's Auge fallen, dass hier nicht, wie anderswo
der Fall, jeder oder auch nur irgend ein Lehrer seinen eigenen
Weg geht, sondern dass gerade durch das consequente Einhalten
ein und desselben von vornherein zu Grunde gelegten Lehrplans
diese glänzenden Resultate erzielt werden, welche wir in der tiefen
musikalischen Bildung aller uns vorgeführten Schüler zu erblicken
das Vergnügen hatten. Bei einer dieser Prüfungen waren die beiden
Majestäten zugegen und legten ein lebhaftes Interesse für die An-
stalt und die Schüler an den Tag.
London. Das letzte der populären Montagsconcerte in St. James-
Hall fand zum Benefiz des Directors Arth. Cbappell am 30. März
statt unter der Mitwirkung der Damen Clara Schumann, Arabella
Goddard und Miss Cecilia W est b r oo k, sowie der HH. HalleV
Joachim, Ries, Blagrove, P i a t ti, R e y n ol d s und des
Sängers Vernon Rigby. Sämmtliche Produktionen wurden vom
4
Publikum mit Enthusiasmus aufgenommen.
Paris. Das am 5. April stattgefundene Conservatoriums-Concert
hatte folgendes Programm: Sinfonie in A-duiL y^j^ßf end elssohn,
Chor aus „Armida* von* I&i 1 1 !<,..<?& viercpncert i,n^s-daji Wqjl B e e t-
hoven, gespielt von Hrrfc A. Duvernoy, Jägerchor au^p^Euryan-
the* von Weber, Ouvertüre zu „Leonore" von Beethoven.
— Das 22. populäre Concert des Hrn. P a sd el ona brachte:
die 9 Sinfonie (ohne den letzten Satz) von Beethoven; Andante
Menuett aus der Es-dur-Sinfonie von Mozart; Brucljgtüjßk aus
„Romeo und Julie" von B e r 1 i o z ; Romanze in F-dur für Violine
von Beethoven, vorgetragen von Frau Normann-Neruda;
„Einladung zum Tanze" von Weber, instrumentirt vonBerlioz.
Petersburg. Die italienische Operngesellschaft hat in 36 Vor-
stellungen 58^,000 Frcs. eingenommen, was einer Durchschnittsein-
nahme von 16,000 Frcs. per Vorstellung gleichkommt.
*** Am 28. März starb in Dresden der als Componist wie als
Dichter bekannte und geachtete Musikdirector Justus Amadeus
L e c e r f im Alter von 79 Jahren.
%• Verdi's „Don Carlos" ist im Hoftheater zu Darmstadt
mit grossem Pomp aber sehr massigem Erfolge in Scene gegangen.
Es war dies die erste Aufführung der genannten Oper in Deutschland«
Berichtigung. Nr. 15, Sp. 1, Z. 3 v. u. : verwünschten; Z. 10
v. o. ist „wie" zu streichen; S. 58, Z. 9 v. u. fehlt nach „der Klei-
ne" das Wort „ablenkend." — Nr. 16, Sp. 1, Z. 3 lies: Erlakogel;
Sp. 2, Z. 5 v. u. : „mussten;" Z. 6 v. u. : „umkrabbelt;" Z. lv.u.:
„purpurner." S, 62, Z. 2 : „Tännengebirge;" Z. 4 : „Hoehgöhl ;"
Z. 18: „Gosauseen ;" Z. 24: „Hygiea" und in der 5. Z. v. u.:
„Ripienist."
Verantw. Red. Ed. Föekerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
iW* MS.
4. Mai 1868.
SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen. |
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B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Sehott London bei Sehott & Co.
PREIS:
fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
1 60 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
INHALT: Neue Schubertausgaben. — Corresp. : Stattgart. Cola. Berlin. Paris. — Nachrichten.
Neue Schubertausgaben.
Noch vor zehn Jahren war der Besitz von Schuberts sämmtlichen
erschienenen Gesängen ein Prärogativ weniger Wohlhabender; der
meist unbemittelte Jünger der Tonkunst vermochte es kaum, sich
die notwendigsten Lieder in der theuern Wiener Ausgabe anzu-
schaffen und sah sich in der Regel auf mühsames Abschreiben an-
gewiesen. Kein Wunder, dass die plötzlich auftauchende H o 1 1 e'scbe
Ausgabe ihrer unerhörten Wohlfeilheit wegen, trotz der vielen Druck-
fehler und der augenschädlichen Unleserlichkeit allenthalben er-
wünscht kam; jeder Musiker beeilte sich, die kostbaren Schätze
endlich sein eigen zu nennen, wenn auch in dieser wenig ent-
sprechenden Hülle. Wer sich aber etwas geduldete, dem bot sich
alsbald Litolffs elegantere, auch im Format handsamere Ausgabe.
Doch waren die alten Druckfehler unversehrt mit herübergekommen,
und der Notentext durch die Varianten, welche die höchst entbehr-
liche, grossentheilti sogar verballhornisirende französische Uebersetzung
Berlangers nöthig machte, ebenso verunstaltet und fürs Lesen erschwert
wie in den früheren Ausgaben, Eine grosse Wohlthat war Rand-
hartinger's Wiederherstellung der Müllerlieder im Original; doch
kamen die betreffenden Hefte Spina's zu theuer, um sich sogleich
gehörig zu verbreiten. Das hiefür vindizirte Eigenthumsrecht Hess
sich, wie es scheint, nicht wohl aufrecht erhalten; mit dem ganzen
Schubert wurde auch die Originallesart frei, und wir hätten an der
nunmehr erscheinenden Senf f sehen Ausgabe nichts auszusetzen, als
dass der dieselbe redigirende Rietz unbegreiflicher Weise an den
corrumpirten Stellen der Müllerlieder festhält. Sehr hübsch, wenn
auch noch etwas zu theuer, ist das Breitkopf -HärteTsche Unter-
nehmen; hier scheinen ausser den grossen Cyklen die Lieder nach
den Dichtern in Einzelhefte vertheilt zu werden ; wenigstens sind
30 Göthe'sche Lieder so erschienen, denen wohl auch die Schiller-
schen, Rückert'schen u. dgl. folgen dürften, was ein interessanter
und glücklicher Gedanke wäre. Weniger entspricht die neue For-
b e r g'sche Ausgabe ihrem Preise ; dagegen hat das Bureau de musique
von Peters seiner sonstigen so verdienstlichen Thätigkeit in Her-
stellung sauberer, handsamer und enorm billiger classischer Werke
die Erone aufgesetzt durch sein neues Schubert-Album, welches
nicht nur die Müllerlieder in der Originallesart, die Winterreise
und den Schwanengesang, sondern noch 15 aufs glücklichste gewählte
populäre Lieder Schuberts gibt, und das alles für einen Thaler.
Man kann musikalischen Freunden nicht leicht ein hübscheres Ge-
schenk machen, als diesen eleganten Octavband, dessen passendes
Format wie dazu geschaffen ist, zur Vervollständigung der Müllerlieder
auch den bei Stürmer in Stuttgart erschienenen „Nachtrag" anzu-
fügen. Ueberdies ist das gleiche Album auch für die tiefe Stimm-
lage versprochen, wodurch nicht nur die theueren s. g. „ Stockhausen-
Ausgaben " entwerthet würden, sondern auch die bekannten „Immor-
tellen," von denen der sechste Holle'sche Band zwar einen bisher
faute de mieux willkommenen und brauchbaren, aber incorrecten
und unvollständigen Abdruck gab, worin z. B. Winterreise und
ßchwanengesang ganz fehlten. Sonderbar ist, dass noch kein Verleger
auf den Gedanken gerieth, eine instruetive Schubertausgabe zu
veranstalten, worin die Lieder je nach der Stimmlage und dem Grade
der Schwierigkeit angeordnet, Athem und Vortrag, welch letzterer
nur im Ciavierpart genau angegeben ist, näher bezeichnet, insbe-
sondere Vorhalte und lange Vorschläge, — Schubert schreibt meis-
tens nur ' J J > was auf dreifache Art auszuführen ist — genau
auszuschreiben wären. Vorschriften über Styl und Auffassung etc.,
Portrait und kurze Biographie Schuberts würden dazu treten, um
soieh einer Ausgabe, wofern sie von einem pädagogisch erfahrenen
Künstler redigirt würde, einen Vorzug zu sichern, durch den sie
allein die Concurrenz mit den übrigen so billigen und geschmack-
vollen Ausgaben siegreich bestehen könnte. L. St.
CORRESPONDENZEN,
Aus Stuttgart«
T. Das 10. und letzte Abonnements-Concert, in welchem eigentlich
die Wiederholung von Zengers „Kain" beabsichtigt war, welche aber
zunächst wegen Indisposition mehrerer Solisten unterbleiben musste,
hatte ein anziehenderes Programm, als bei dessen eiliger Zusammen*
Stellung zu erwarten war, und bot uns insbesondere die erwünschte
Gelegenheit, wieder einmal unseren Landsmann W. Krüger am
Piano zu begrüssen. Er spielte sein eigenes Clavierconcert, das
zahlreiche hübsche Motive und im Andante gar überraschende Klang-
effecte enthält, und S ch u m a n n' s drei in ritterlich keckem Character
gehaltene Romanzen Op. 22, Alles mit schönem Ton, correcter Tech-
nik, und Adel und Wärme der Auffassung; der Beifall war herzlich
und ungetheilt. Frl. Bär mann sang die Händel'sche Rinaldo-Arie
mit Meyerber's Instrumentirung, Herr Schütky den „Lindenbaum"
und das Mendslssohn'sche „Jagdlied", wofür sich die Hörerschaft
sehr dankbar bezeigte; doch können wir einige uns aufgefallene
Willkührlichkeiten in der Clavierbegleitung, wie z. B. die Ein-
führung von Terzen in leere s. g. Hornquinten, Verdickung der
Harmonieen etc. nicht ganz ungerügt lassen. Bei den Haydn'schen,
Kaiservariationen war einige Misshelligkeit bemerkbar zwischen den
Primen, die auch in Abwesenheit des Concertmeisters „treiben*
wollten, und den übrigen Streichern, welche das richtig angeschlagene
breite Tempo festzuhalten strebten. Die Orchesternummern, Men-
delssohn's Ouvertüre „Fingalshöhle" und Haydn's G-dur-Siu-
fonie Nr. 13 (*/*Takt) gingen unter Dopplers Leitung vortrefflich.
Die 3. Aufführung des Seh ubertv er eins zu Canstatt brachte
2 Chöre aus „Messias", Hillers „Palmsonntagmorgen", Schuberts
„Gebet" (As-dur), und die Arie: „Höre Israel", dann Beethovens
Pastoral-Sonate und zuletzt einen Cyklus Mendelssoh n'scher Wald-
und Jagdlieder für Solo und Chor, in deren sinniger Auswahl und
Anordnung der Dirigent Herr S t o t z , seinen Geschmack bewährte,
und welche bei dem zahlreichen Publikum lebhaften Anklag fanden.
Sichtlicher Theilnahme erfreute sich auch die Aufführung von
Schuberts „Winterreise" welche im 29. Concerte des hiesigen
70
Singvereins zu Gehör kam. Die 24 Lieder waren nach ihrer Stimm«
läge unter die Frl. Fischer, Hartmann und Wagner getheilt
worden, und diese entledigten sich ihrer theilweise sehr bedeutenden
Aufgaben mit solcher Correctheit und Wärme der Auffassung, dass
jede Nummer mit lebhaftem Beifall belohnt wurde. Das Accom-
pagnement war in Händen des Dirigenten, und ein Schiedmayer'
scher Stutzflügel von äusserst edlem gesangreichem Ton trug zu
dem günstigen Erfolg des Ganzen kein Geringes bei.
Der vierte Vortrag Prof. Gantters über neuere Ciaviermusik
behandelte Chopin, Heller und Henselt; namentlich der Erst*
genannte fand verdiente und ausführliche Berücksichtigung, und er-
hielten die Hörer von dessen interessantem Lebenslauf und eigen-
tümlichem Wesen ein anziehendes, durch geschickte H ereinziehung
von Heine's und Hiller's Aussprüchen gewürztes Bild. Frau H ö r n e r
spielte die Illustrationen, worunter z. B. Chopin's grosses B-moü-
Scherzo, mit grosser Virtuosität und innigem Verständniss. Die zwei
noch rückständigen Vorträge sollen wegen vorgerückter Jahreszeit
im Herbst nachgeholt werden ; möchten dann die Besucher weniger
mit Katarrh behaftet sein; diesen Winter wurde dem aufmerksamen
Hörer so manches wichtige Wort, so manches spannende Pianissimo
durch schnödes Husten u. dgl. eines Musikbarbaren elend verdorben ;
wir wollen nicht die unmenschliche Forderung stellen, dass Katarrh-
leidende fortbleiben sollten; aber einige Bücksicht und Selbstüber-
windung dürfte doch im Interesse der Sache und Mithörer zu ver-
langen sein.
Aus C 5 1 n.
April.
Am Dienstag den 17. März fand das neunte Abonnements-
coccert im Gürzenichsaale unter der Leitung des städtischen Capell*
meisters Ferd. Hiller statt. Das Programm lautete, wie folgt:
1) Ouvertüre zum ,, Schauspieldirektor tf von Mozart; 2) „Nachtigall-
Arie" mit obligater Flöte aus „VAllegro ed il pensieroso" von
Händel, vorgetragen von Frl. Mathilde Enequist aus London;
8) Violoncell-Concert, componirt und vorgetragen von Hrn. C. Davi-
doff aus Petersburg; 4) Becitativ und Arie „Non mi dir u aus
„Don Juan" (Frl. Enequist) ; Ö) dritteSuite für grosses Orchester
von Fr. L a ch n e r (zum 1. Male) ; 6) Chor von S e b. B a ch ; 7) Fan-
tasie für Violoncell von Servais (Hr. Davidoff); 8) schwedische
Volkslieder (Frl. Enequist); 9) Ouvertüre zu „Wilhelm Teil" von
Bossini.
Die Mozart'sche Ouvertüre wurde trotz der trefflichen, feinen
Aufführung vom Publikum doch nur kalt aufgenommen; vielleicht
war die Spannung mit welcher man dem Auftreten der Frl. Ene-
quist, welcher ein bedeutender Buf als Coloratursängerin voran-
ging, Schuld an dieser geringen Theilname für das reizende, leicht-
geschürzte Werk. Allein auch Frl. Enequist vermochte mit dem
Vortrag der Händel'scben Coloratur- Arie nicht recht zu erwärmen,
theils wohl weil die Composition selbst unserem heutigen Geschmacks
in Zweck und Behandlung veraltet erscheint, theils auch, weil die
Sängerin, ausser einem wirklich prachtvollen Triller, doch die schwie-
rigen Coloraturen nicht immer mit der erwünschten Vollendung der
Technik und Beinheit der Intonation (in letzterer Beziehung nahm
es auch die obligate Flöte nicht gar zu genau) durchführte und
tiberdiess auch eine gewisse Kälte des Vortrags sich bemerklich
machte, welche noch auffallender in der Mozart'schen Arie hervortrat.
Erst bei dem Vortrag der schwedischen Lieder schien sich Frl. Ene-
quist so recht in ihrem Elemente zu befinden, sie gab dieselben mit
unwiderstehlicher Natürlichkeit und Originalität wieder und das
Publikum entschädigte die Künstlerin durch stürmische Beifallssalven
reichlich für den schwächeren Erfolg ihrer vorhergehenden Leistungen.
Von augenblicklich packender Wirkung war dagegen das Spiel des
Hrn. Davidoff, welcher sowohl das von ihm selbst componirte
Concert wie auch die Fantaisie von Servais mit einer so meister-
haften Technik, mit so künstlerischem Geschmack und mit so schönem,
seelenvollen Ton vortrug dass er das gesammte Auditorium wahrhaft
entzückte. Das ist ein auserkorener Meister auf seinem Instrumente ;
das fühlte wohl jeder, der ihn hörte.
Die dritte Suite von Fr. La ebner, hier zum ersten Male
gehört, gab wieder recht klares Zeugniss für die seltene Meisterschaft,
mit welcher der Compouist alle Künste des Contrapunktes handhabt,
in welchem hohen Grade von Leichtigkeit er die Schwierigkeiten
thematischer Durchführung überwindet, und seine originell erfun-
denen Motive mit dem Zauber einer farbenreichen Instrumentation
zu umgeben weiss. Das eben so schwierige als interessante Werk
wurde aber auch von unserm Orchester mit vollendeter Meisterschaft
vorgetragen und das Publikum gab seine Freude über Composition
und Ausführung durch aufrichtigen, äusserst lebhaften Beifall kund.
Die Bach'scbe Cantate kam, durch Weglassung der Mittelsätze ge-
kürzt, nicht ganz in erwünschter Vollendung zu Gehör; namentlich
Hess der Chor mitunter die Reinheit der Intonation vermissen und
das Publikum vermochte sich an dieser Production nicht zu erwärmen.
Um so effectvoller war die Executirung der Tell-Ourertüre, obschon
das letzte Tempo doch wohl etwas zu schnell gegriffen war.
Die sechste und letzte Quartettsoir£e der HH. Jap ha, von
Königslöw, Derkum und Bensburg fand am 24. März statt,
Es wurde gespielt: 1) Streichquartett von Ernst Naumann (neu,
Manuscript); 2) Quartett in D-moll von Fr. Schubert; 3) Septuor
Op. 20 in Es-dur von Beethoven, unter Mitwirkung der Herren
Kirmse (Hörn), Kurkowsky (Clarinette), Müller, (Fagott) und
Ad. B r e u e r (Contrabass). Das Quartett von Naumann ging spur-
los am Publikum vorüber und es zeigte sich wieder klar genug,
dass alle technische und Formengewandtheit, alles Nachbilden selbst
nach den höchsten Vorbilden, nicht die innere Begeisterung, die
Poesie der Erfindung, kurz die unerlässliche geistige Belebung ent-
behrlich machen köunen. Um so wonniger drangen die Klänge des
Schubert'schen Quartetts in die Ohren und Herzen der Zuhörer und
nun vollends das Septuor von Beethoven, unvergleichlich in seiner
Art dastehend, schloss den Kreis der schönen Genüsse, welche diese
Quartettabende den Musikfreunden wieder geboten hatten, in der
würdigsten, erhabeusteu Weise. Dank den vortrefflichen Künstlern
für ihre meisterhaften Leistungen und ein herzliches Lebewohl bis
zum nächsten Winter, der ihrem edlen Streben und Wirken hoffent-
lich auch eine ergiebigere Theilnahme bringen wird.
Aus Berlin.
Wie es nach dem Euhme, der die Bilse'sche Cnpelle bei uns
einführte, vorauszusehen war, hat dieselbe in der ersten Saison ihres
Wirkens alle concurrirenden Unternehmungen von älterem und
gleichem Datum in Schatten gestellt. Seit ihrem ersten Auftreten
waren die Bäume des Concerthauses, welche au Dimension alle ahn-
liehen Localitäten Berlins übertreffen, täglich Abends während vier,
und wenn zwei Concerte einander folgten, während sieben Stunden
gefüllt, ein deutliches Zeichen, wie schnell die Capelle mit ihrem
Dirigenten sich die Bewunderung des Publikums, ausser der längst
selbstverständlichen Huldigung der Kenner, erworben hat — denn
die Musiker empfingen den Dirigenten schon in der Ueberzeugung,
dass ihm der Bang eines Orchesterkönigs gebühre. Sinnlichkeit der
Wirkung, Präcision des Ensemble, Einheit des Vortrages, bewusstes
Abwägen der Forderungen an Maass und schwungvollem Vorgehen
sind noch nie so vereint aufgetreten wie in diesem Falle. Die Fac-
toren dieses Besultates sind in der Zusammensetzung und Masse
des Orchesters ebensowohl wie in der Person des Dirigenten zu
suchen. Man erblickt auf dem Podium, wenn man die sechszig
Häupter zählt, welche den regelmässigen Bestand der Capelle bilden,
kein graues Haar, es sind Alles junge Männer, zwischen 20 und 30
Jahren, die auf das Beste disponirt sind, den Intentionen des Diri-
genten zu folgen ; noch nicht alt genug, um handwerkerlich anspruchs-
voll ihm gegenüber zu denken oder aufzutreten, nicht zu alt, dass sie
an künstlerischem Eifer und dem „reglementsmäsBigen Ungestüm der
Attaque" zu wünschen übrig Hessen, wo es sich um Anstrengungen
und Schwierigkeiten handelt, dazu mit ihrem Dirigenten durch reich-
liche Honorare (nota bene) und seinerseits wohlwollenden Umgang
im besten persönlichen Einvernehmen.
Eine Zeitlang fanden besondere Sinfonieconcerte statt, in denen
nichts gereicht noch geraucht werden durfte, jetzt ist letztere Be-
schränkung (so weit ist man nun doch schon) ein für allemal in
den ersten Theil des Concertes verlegt, der jedesmal einer Sinfonie
gewidmet ist. Alle 14 Tage haben die letzten 3 — 4 Monate hindurch
Monstreconcerte stattgefunden, in denen die Capelle auf 100 Mann
verstärkt wurde; die Besetzung in letzteren war: 40 Violinen, 13
Violen, 13 Celli, im Hintergrund die respectable Beihe von 9 Cob-
- 71 -
trabässen ; ferner 2 Harfen, 3 Flöten, je 2 Oboen, Clarinetten, Fa-
gotte, 4 HÖrner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Schlaginstrumente,
an den andern Abenden lauten die ersten sechs Zahlen: 20, 6, 6, 4,
1, 2, die übrigen gleich. Dass man annehmen müsse, es sei jeder
der Orcb es tränten auf seinem Instrumente so geübt, als es nur irgend
sein Posten erfordert, beweisen die Solovorträge, zu denen die her-
vorragendsten Mitglieder der Capelle öfters gelangten, wenn man
auch wohl vom künstlerischen Standpunkt Mancherlei gegen Solo-
vorträge auf Ripieu - Instrumenten einwenden kann. So das Or-
chester. —
Und der Dirigent, nicht nur im glücklichen Besitz allerübrigen
Eigenschaften, welche in practischen, wie auch schon in physischen
Dingen zur selbstständigen Durchführung eines so grossen Unter-
nehmens erforderlich sind, sondern auch ein Virtuos auf dem Or-
chester, so zu sagen, wie die Bülow, Rubinstein, Tausig es
nur immer auf ihrem Bechstein u. s. w. sein können, denn er er-
reicht das Höchste, was bei der Direction so grosser Massen möglich
ist, dass die Ausführung wie die Leistung eines Einzelnen klingt.
Wenn 40 Geiger ein und dieselbe noch so schnelle Figur auszu-
führen haben, so kann man sich auf Reinheit und Einheit und auf
Nervosität, wenn ich es so nenuen darf, des Klanges so gut verlassen,
wie wenn ein sicherer Ciavierspieler allein eine Scala auszuführen
hat, und die Wirkung ist eine erstaunlich eindringliche; und daher
kommt es denn auch, dass das Zusammenwirken der verschiedenen
orchestralen Kräfte bei aller Masse des Tones und der Töne immer
transparent bleibt. Aber nicht nur, dass diese technischen Voraus-
setzungen aufs Genaueste erfüllt sind, auch der Vortrag gewinnt
unter den Händen dieses Dirigenten einen individuell - ästhetischen
Zug, er ist das Werk einer persönlichen Auffassung, die das Spiel
der Mitwirkenden durchdringt, und sich unterordnet, so weit, dass
z. B. ein Schumann'sches Ciavierstück (Schlummerlied) welches in
Transcription für Orchester ausgeführt wurde, durchaus in der Auf-
fassung wie ein phantastischer Ciaviervortrag wirkte. Und wenn
man billig nicht erwartet, dass jeden Abend alle neun Musen und
drei Grazien gleich gegenwärtig seien, so legen die Monstre-Concerte
die eher Musterconcerte heissen sollten, Zeugniss davon ab, dass
der Dirigent den Persönlichkeiten der von ihm vorgeführten Com-
ponistun gerecht zu werden weiss, von Beethoven bis Strauss
— die Linie zwischen beiden übrigens unter keinem allzugros&en
Winkel als abwärts gehend gedacht. Allenfalls macht sich zuweilen
ein gewisser Cäsarismus in der Auffassung und Durchführung geltend,
eine Art virtuosischen Uebermuthes, ganz ähnlich wie in Tausig's
Ciavierspiel, so dass man Dies und Jenes sich weicher, freier wün-
schen möchte. — Noch will ich den speciellen Genuss nicht uner-
wähnt lassen, den es gewährt, Straussens geniale Tanzmusik von
der Bilse'schen Capelle zu hören : wie da die rythmisch-capriciöseste
Floskel scharf ausgeprägt zu Tage tritt, wie dabei jeder triviale
Anstrich vermieden, die ausgelassenste Walzerlust noch in das Ge-
wand naiver Grazie gekleidet erscheint, ist ein besonderes Verdienst
der Capelle in Vergleich zu anderen, die das Genre entweder igno-
riren oder verderben. Wer weiss, ob mancher gute Musiker sich
bei diesem oder jenem andächtigen Sinfoniesatz nicht nach „Acce-
lerationen," „Morgenblättern" und ähnlichen Geschenken gesehnt
hat; — meine Schwäche in diesem Punkte gestehe ich gerne ein.
(Schlnss folgt.)
Aus Paris.
37. April.
Die Saison geht zu Ende und viele Künstler und Künstlerinnen
packen bereits die Koffer, um sich in aller Herren Länder zu zer-
streuen und Gold und Lorbeern zu erndten. Die gefeierte Nilsson
tritt Dienstag zum letzte nmale in der Rolle der Ophelia auf und
verlässt Paris noch im Laufe dieser Woche. Nach ihrem Scheiden
wird die grosse Oper den „Troubadour" aufführen und dann »Her-
culanum* mit neuem Pomp wieder in Scene gehen lassen. Man
spricht viel von einer für das genannte Theater bestimmten Oper
„Cid Campeador" von Gevaert. Indessen hat der Compositeur
kaum sein Werk begonnen, zu welchem ihm der unerschöpfliche
Victorien Sardou und du Locle den Text liefern.
Wann die neue dreiactige Oper von F 1 o t o w in der Optra
Comique zur Darstellung kommt, weiss man noch nicht. Aub^er'e
„Premier jour de bonheur* macht dort noch immer volle Häuser.
Der greisse Meister schreibt in diesem Augenblick an den Recita-
tiven für den „Domino noir*, der nächstens im italienischen Theater
in London aufgeführt werden soll.
In der italienischen Oper hat vor einigen Tagen die Benefiz-
vorstellung der Patti stattgefunden und, wie es sich von selbst ver-
steht, der gefeierten Benefiziantin eine beträchtliche Summe —
17,000 Franken — und viele Kränze und Blumensträusse eingebracht.
Das The'dtre lyrique bereitet die Aufführung der „Zigeunerin"
von Balfe vor; der Compositeur ist bereits in Paris eingetroffen,
um die Proben seines Werkes zu leiten. Was die Succursale dieser
Bühne, das The'dtre de la Renaissance betrifft, so macht dieselbe
sehr mittelmässige Geschäfte. Das The'dtre de la Renaissance
wird künftige Woche eine neue Oper von Jules Beer, „Elisabeth
de HongHe^y dem Publikum vorführen.
Die Concertsäle sind noch immer allabendlich geöffnet; indessen
gelingt es doch nur wenig Concertgebern ein zahlreiches Publikum
anzuziehen. Von dem grossen Erfolg Rubinstein' s habe ich
Ihnen bereits gemeldet. Gestern Abend hat unter seiner Mitwirkung
Friedrich Gernsheim, Professor am Conservatorium zu Köln, im
Erard'schen Saal einige seiner Compositionen hören lassen. Der
junge Künstler hatte sich eines eben so grossen als wohlverdienten
Beifalls des ausgewählten Publikums zu erfreuen, unter welchem
sehr viele Celebritäten der musikalischen Welt bemerkt wurden.
Herr Gernsheim wurde zu wiederholtenmalen stürmisch gerufen.
Der Tod des Musik-Kritikers Gasperiui hat hier allgemeine
Bestürzung erregt. In ihm verliert Richard Wagner den
eifrigsten unter seinen französischen Verehrern, deren Zahl nicht
Legion ist.
— oaa<
lachrichten,
Mainz. Herr Friedrich Lux, der Dirigent der hiesigen Lieder-
tafel und des Damengesangvereins, gab am 21. April ein eigenes
Concert im städtischen Theater , unterstützt von Frau P e s ch k a-
L e u t n e r vom Hoftheater in Darmstadt, Hrn. P h i 1 i p p i , Baritonist
am k. Theater in Wiesbaden und dem hiesigen Theaterorchester.
Ausserordentlichen Beifall fanden die Leistungen der beiden ge-
nannten Gesangskünstler und das „Ave Maria 1 ' von Schubert, von
Lux in äusserst effectvoller Weise für Orchester arrangirt. Auch
dessen Ouvertüre zu „Rosamunde" wurde beifällig aufgenommen.
Weniger sprach die Aufführung der 8. Sinfonie (F-dur) von Beet-
hoven an , welche eine sorgfältige Vorbereitung vielfach vermis-
sen Hess.
Frankfurt a. M. Der Vorstand der hiesigen Musikschule
veröffentlichte seinen Bericht über das abgelaufene Schuljahr, dem
wir Folgendes entnehmen: Die Entwickelung des inneren Lebens
der Anstalt ist in stetigem Fortschritt begriffen. Dazu tragen wesent-
lich bei : die Ensemblestunden, in welchen die gereifteren Schüler
mit grösseren Werken bekannt gemacht werden und die neu einge-
richteten Wissens chaftlichen Stunden, deren Zweck in ge-
schichtlichen Vorträgen und in Erörterungen über mannigfache Gegen-
stände musikalischen Wissens besteht. Diese beiden Stunden wurden
nicht nur von den Zöglingen selbst, sondern auch von bereits Aus-
getretenen mit grossem Interesse frequentirt. Als eine weitere Ver-
besserung der Organisation werden die neu eingeführten Quartal-
prüfungen angeführt, bei welchen der Zögling in Gegenwart
der Lehrer und der nächsten Angehörigen, das, was er eben studirt,
vorträgt und sich dadurch mehr an das Spielen vor Zuhörern gewöhnt,
während zugleich Gelegenheit gegeben ist, sich öfters als bisher von
den Fortschritten der Schüler zu überzeugen. Anch die Jabresprüfung
erhält dadurch eine zweckmässigere Gestalt, indem es nicht mehr
nöthig erscheint, die schwächeren Schüler auch bei dieser Gelegenheit
vorzuführen, welche gleichwohl bei den Quartalprüfungen die Beweise
ihrer Fortschritte geben können. Das Lehrpersonal hat insofern
eine Veränderung erlitten, als Hr. F. S ch m i 1 1 ausgetreten ist und
Frl. Margarethe Zirndorfer den Gesangunterricht übernommen
hat. Die Anstalt wurde im verflossenen Schuljahre vou 48 Schülern
Und Schülerinnen besucht. Die Bibliothek wurde hauptsächlich durch
Ankauf, sowie durch einzelne; Geschenke wieder wesentlich bereichert.
T2
Die Jahrespröfungen fanden am 6. April Morgens und Nachmittags
in einem unentgeltlich bewilligten Locale des Saalbaues statt nnd
lieferten, wie wir veruommen haben, recht erfreuliche Resultate.
AttgSbUrg. Die hiesige „Liedertafel" feierte am 28. März ihr
25jähriges Bestehen durch ein Fest in dem reich geschmückten Saale
des Hotels zur „goldenen Taube." Auf einen Festmarsch ron Kam-
merlander folgte Mendelssohn'* Chor „an die Künstler" und
an diesen schlosB sich ein von Hermann Lingg gedichteter,
schwungvoller Festprolog an. Ein von Kammerlander compo-
nirter „Festgesang" und noch mehrere andere sehr gelungen vorge-
tragene Gesänge bildeten den Scbluss der schönen Feier. Das ver-
dienstliche Wirken und edle Streben des Vereins wird seit lange
allgemein anerkannt, indem derselbe viele Jahre lang es war, von
dem aus allein das musikalische Leben Augsburgs Anregung erhielt.
Am Abende des 29. März fand im Festlokale noch eine heitere
Männerunterbaltung statt, bei welcher Gelegenheit u. A. auch dem
Dichter Anastasius Grün (Grafen Anton v. Auersperg) ein Toast
ausgebracht und auch telegraphisch demselben zugesendet wurde.
Leipzig. Bei Gelegenheit des 25jäbrigen Jubiläums des hiesigen
Conservatoriums haben der Director desselben, Advokat Schleinitz
das Ritterkreuz des sächsischen Verdienstordens und Concertmeister
David das Ritterkreuz des Albrechtordens erhalten.
— Der ausgezeichnete Gesanglehrer Franz Götze, Professor
an unserem Conservatorium, hat eine kleine Brochure veröffentlicht,
in welcher er gewisse Schäden aufdeckt, die dem berühmten Insti-
tute, wenn die von dem Verfasser gegebenen Schilderungen richtig
sind, gerade nicht zur Ehre gereichen.
Magdeburg. Am Charfreitag Abends wurde in der erleuchteten
St. Johanniskircbe die Matthäus-Passion von S. Bach,
durch den Kirchengesangverein unter Leitung des Musikdirektos
R e b 1 i n g , und unter Mitwirkung von Fräulein Büschgens aus
Crefeld, Fräulein Schmidt aus Leipzig, des Herrn Rebling aus
Leipzig und des Herrn E h r k e aus Schwerin zur Aufführung gebracht.
Paris. Am 19. April fand das 24. und für diese Saison das
letzte der populären Concerte des Hrn. Pasdeloup mit folgendem
Programm statt: Schiller-Marsch von M ey e rb e er ; drei Nummern
aus Mendelssohn^ Musik zum „Sommernachtstraum ; u „Tür-
kischer Marsch" von Mozart, instrumentirt von Prosper Pascal;
Ouvertüre zu „Manfred" von Schumann; Clavierconcert in C-moll
von Beethoven, vorgetragen von Hrn. Tb. Ritter; Vorspiel
zu „Lohengrin" von R. W a g n e r; Thema mit Variationen, Scherzo
nnd Finale aus dem S e p t u o r von Beethoven.
— In diesem Monate findet der diesjährige Concurs für den
grossen Römerpreis statt, und zwar die Vorprüfung vom 4. bis 9.
Mai, welche über die Zulassung zum Haupteoneurse entscheidet:
dieser selbst ist auf die Zeit vom 19. Mai bis zum 12. Juni festge-
setzt, welche die Concurrenten bekanntlich in strenger Clausur zu-
bringen müssen.
— Am 16. April starb der ehemalige Director der grossen Oper,
Duponchel; seit einem Jahr sind nun vier der früheren Direc-
toren jenes Kunstinstituts gestorben.
— In Folge einer vom Ministerium ausgeschriebenen Concurrenz
sind 168 Opernbücher eingelaufen, von denen jedoch nur* eines
für preiswürdig erkannt wurde. Der Titel desselben ist : 1t Le Coupe
du roi de TAule" und dasselbe ist verfasstvon zwei jungen Schrift-
stellern, Louis Gallet und Edouard Blau. Ausser diesem Li-
bretto wurden noch vier andere zur Belobung empfohlen.
Amerikanischer Enthusiasmus. Zu den fabelhaftesten
Virtuosen-Erfolgen, welche jemals in Nordamerika errungen worden
sind, zählen unstreitig die des gegenwärtig dort concertirenden Pi-
anisten Leopold von Mayer, welcher seit Anfang dieses Jahres
wohl in 30 Concerten in verschiedenen Städten, wie in New-York,
Kewark, Treuton, Boston, Philadelphia, Washington etc. in den ge-
räumigsten Lokalen, in Wnjjhinivten sogar in der grossen Domkirche
(Plymouth-Church) uud stets vor einem nach Tausenden zählenden
Publikum aufgetreten ist, von dem er allenthalben mit rasenden
Beifallsstürmen und Ovationen aller Art aufgenommen wurde. Alle
diese Wunder bringt der stets schlagfertige Virtuose mit etwa vier
oder fünf Stücken eigener Composition zu Stande, unter denen wieder
eine Fantasie über Motive aus Offenbach's „Grossherzogin von Ge-
rolstein," welche in keinem seiner Concerte fehlen darf, das aller-
grösste Furore macht und die guten Yankee's jedesmal aus Rand
und Band bringt, so dass sie den Componisten und Virtuosen mit
Blumenbouquets von den gefährlichsten Dimensionen und anderen
erfreulichen mitunter auch werthvollen Missilen förmlich überschütten,
von den sonstigen klingenden Resultaten gar nicht zu reden.
*** Die renommirte schwedische Sängerin Christine N i 1 s s o n vom
Theätre lyrique, seit der Aufführung von Thomas' „Hamlet"
zur grossen Oper in Paris übergegangen , hat sich mit dem be-
rühmten Zeichner Gustav Dore" verlobt.
%* Der „Wiener Männergesangverein" hat vom Kaiser Na-
poleon, vor dem er sich bekanntlich in Salzburg producirte, die
goldene Medaille erhalten.
! *** Nie mann wird im Monat August einen Gastrollen -Cyk-
lus am Hofoperntheater in Wien beginnen.
*** Die in Prag zur Aufführung gelangte Oper „Am Runen»
stein" von A. von F 1 o t o w und R. G e n e e hat eine ausserordent-
lich günstige Aufnahme gefunden.
*** Prinz A 1 b r e ch t der Jüngere von Preussen ist mit der
Composition einer Oper für die Berliner Hofbühno beschäftigt.
*** Der in Coblenz unter dem Namen „Cäcilienverein" be-
stehende Tnstrumentalverein hat den Herrn Richard Kugler zu
seinem Dirigenten gewählt und ist derselbe bereits in Funktion
getreten.
*** Verdi hat das Ehrenbürgerdiplom von der Stadt Genua
erhalten.
*** Die Sängerin Nilsson in Paris, welcher hauptsächlich
der Erfolg der Oper „Hamlet" von A. Thomas zu verdanken ist,,
hat nach ihrem ersten Auftreten als Ophelia vom Kaiser Napoleon
einen kostbaren Schmuck, von der Kaiserin einen Veilchenstrauss*
erhalten.
*** In B ata via hat der Tenorist Moulin so sehr gefallen,
dass ihm seine Verehrer nach dem ersten Acte der „Hugenotten" eine-
Tausendguldennote in einer geschmackvollen Atrappe überreichten*
*** Unser Landsmann, der als Componist bekannte grossherzogl.
hess. HofconcertmeisterH einrichSutter, Director der Heidelberger
Musikschule, wird im Laufe des Monats Mai Europa verlassen, um
einem Rufe als Concertdirector und Stadt-Organist nach Jamestown
in Nord-Amerika zu folgen. 5
*** Am 22. April starb in München der k. Hofmusiker L u d-
wig Brandt, im 64. Lebensjahre. Der Verblichene war erster
Fagottist, der k. Hofcapelle, welche Stellung er eine lange Reihe
von Jahren hindurch in ehrenvollster Weise ausfüllte und erfreute
sich als tüchtiger Künstler wie als liebenswürdiger Mensch der all-
gemeinsten Achtung und Liebe.
%* A u b e r's neueste Oper hat der Direction der komischen
Oper bereits in den ersten 15 Vorstellungen 105,600 Frcs. eingetragen.
*** Die italienische Truppe Lorin Ts hat in Copenhagen
so entschieden Fiasco gemacht, dass den Sängern ihre Gagen zum
grössten Theile nicht ausbezahlt werden konnten.
*** Die Pariser Stimmung soll nun auch im Hoftheater zu
Brauns chweig eingeführt werden.
*** Für den von der „Gesellschaft der Musikfreunde" inWieo
begonnenen Neubau sind bereits 80,000 ff. gezeichnet worden, so
dass zum ganzen Bedarf nur noch 40,000 fl. fehlen.
*** Der königl. Musikdirector Rust in Berlin, Herausgeber
der Bach'schen Werke, hat von der philosophischen Fakultät in
Marburg das Ehren-Doctordiplom erhalten«
*** Der Violinvirtuose Leopold Auer hat vom Herzog von
Meiningen das Verdienstkreuz des sächsischen Hausordens erhalten.
*** Im königl. Theater zu C a s s e 1 kam kürzlich „Lohengrin"
zum ersten Male in sehr glänzender und durchaus gelungener Weise
zur Aufführung und fand enthusiastische Aufnahme. Bekanntlich
duldete der Kurfürst die Aufführung Wagner'scher Opern nicht.
*** Bohrer's Violoncell , das in Stuttgart zum Verkauf aus-
geböten wurde, ist von einem Amateur aus Frankfurt für 4000 Frcs*
angekauft worden.
*** Herr de Swert hat bei der Concurrenz um die Stelle
eines Concertmeisters und ersten Violoncellisten im k. Opernorchester
zu Berlin unter 26 Bewerbern den Sieg davon getragen.
*** Soeben ist der 16. Band von J. Seb. Bach's Werkea
erschienen. Derselbe enthält 10 Kirchencantaten.
Verantw. Red. Ed. Föekerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
Jf* £9.
11. Mai 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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i Diese Zeitung erscheint jeden j
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1 i
INHALT: Neue Gesaogsliteratur. — Corresp. : Berlin. Ems. Leipzig Cölu. — Nachrichten.
lene Ctesangsliteratur«
1. Zwei undmehrstimmige G e s ä n g e, vorzugsweise zum
Gebrauch in Singvereinen, Conservatorien und Pensionaten für Soli
und Chor (Sopran und Alt) mit Begleitung des Pianoforte componirt
von Ludwig Stark. — Vorliegendes Werk scheint uos ebenso
bedeutend durch seinen künstlerischen Werth als practischen Nutzen.
Aus der Wahl der Texte (von Hoflfmann v. Fallersieben, J. Kerner,
Fr. Dingelstedt, P. Heyse, Fr. Rückert) ist vor Allem ersichtlich,
dass der Autor, der seine Lieder insbesondere für die Jugend be-
stimmte, die Jugend auch wirklich kennt nnd in anregender Weise
zur natürlichen Entwicklung des Herzens und GemÜthes auf sittlicher
Grundlage beizutragen bestrebt ist. Betrachtung der Gottesnatur in
Beziehung zum Menschen, Uebung der Geduld , innerer Friede,
Freundschaft und reine Liebe sind der gesunde Stoff dieser Lieder-
sammlung. Das Werk ist in zwei Hefte geschieden, für deren
hübsche und zweckmässige Ausstattung wir zugleich den Verleger,
Falter und Sohn, alle Anerkennung zollen. Das erste enthält aus-
schliesslich zweistimmige Lieder, welche ihrer Satzweise nach von
Solostimmen ausgeführt werden könaen, das zweite besteht aus drei-
und vierstimmigen Gesängen. Was der Sammlung zunächst Eingang
sowohl in Sing-Schulen als in der Familie verschaffen dürfte, ist die
naturgemässe Behandlung der Singstimme. Die genaue Bezeichnung
der Vortragsweise deuten auf den vielerfahrenen Pädagogen; die
Selbstständigkeit der Stimmen dagegen, der Reichthum der Har-
monie, der melodische Fluss und die stets characteristische Ciavier-
begleitung lässt uns den berufenen Componisten erkennen, welcher den
Gemüthsmenschen anzusprechen, den Musiker zu interessiren vermag.
2. Von demselben Componisten: Nachtrag zu Fr. Schu-
berts Liedercyclus »Die schöne Müllerin" für eine
Singstimm e mit Begleitung desPianoforte, beiTheodor
Stürmer in Stuttgart. Dieser „Nachtrag" ist eine geistreiche
Nachbildung der Schubert'schen Liedweise, welche nur von einem
gründlichen Kenner dieses Meisters herrühren können und wozu wir
auch einen solchen berechtigt halten. Der Zweck des Componisten
war wohl, den Cyclus der Müllerlieder, in welchen Schubert viel-
leicht nur zufällig einige Lücken Hess, für diejenigen, welche auf
den Zusammenhang der Dichtung ein besonderes Gewicht legen, zu
vollenden. An sich als musikalische Schöpfung betrachtet, zeichnen
sich diese einstimmigen Lieder durch all jene technischen und poeti-
schen Vorzüge aus, welche wir an der Sammlung der zwei- und
mehrstimmigen Gesänge rühmen mussten, und empfehleu daher auch
aie der geneigten Beachtung des musikalischen Publikums.
CORRESPONDEHZEN.
Aus Berlin«
(Schluss.)
Wenn an den Programmen Etwas auszusetzen ist, so wäre ••
das in letzter Zeit etwas gehäufte Auftreten von Transcriptionen
aus Ciavier- und Gesangswerken, von Solovorträgen, wie schon be-
merkt, gelegentlich ohne gut musikalische Auswahl der Piecen und
der leidigen Potpourris, von denen eines immer so viel verdirbt, als
zwei Sinfonien gut machen ; das Publikum sollte mehr daran gewöhnt
werden, seinem schlechten Geschmack zu misstrauen, jetzt applaudirt
es a furia jedem solchen M e h lodiensalat, und wir werden es er-
leben, dass ihm Straussische Walzer, geschweige denn Schumann-
sche Ouvertüren überhaupt zu hoch hängen und bei ihm gar nichts
mehr ausrichten. Je mehr es' mit Unmusik geködert wird, desto
spröder wird es gegen die gute, selbst der Vortheil seines Beifalls
ist also da nur momentan und zweifelhaft. —
Hier aber ist die Reihe der und des Guten und Besten, je nach-
dem, womit wir in bester Form überschüttet wurden : von Cheru-
bini die Ouvertüren zu „Anacreon" und „der portugiesische Gast-
hof," von H a y d n die G - dur - Sinfonie , die Variationen aus dem,
„Kaiserquartett," das Largo in Fis-dur aus dem D-dur-Quartett op. 72 ;
ven Mozart die Ouvertüre zur „Zaubernote," (hier wäre ein Mehr
wohl an der Stelle gewesen, ohne das übliche Zuviel zu protegiren),
von Beethoven die Sinfonien Nr. I. III. IV. V. VI. VIII. in sel-
tenster Vollendung, die Ouvertüren zu Leonore, Fidelio, Egmont,
Coriolan, die Variationen aus dem A-dur-Quartett, desgleichen aus
der Fantasie C-dur, der 2te Satz des Septetts, und von T o e p 1 e r
mit vielem Geschick instrumentirt das Largo aus der Ciaviersonate
Op. 10 Nr. 3; von Schubert die Ouvertüre zu Körners „Rosa-
munde" und die selten gehörte C-dur-Sinfonie, von Weber die
Ouvertüre zu Euryanthe, Oberon, Freischütz, die Jubelouvertüre und
instrumentirt die Aufforderung zum Tanz; vonSpohr dieJessonda-
Ouvertüre, von Schumann die Sinfonien in B-dur, wohl noch das
Bedeutendste, was in diesem Fache seit Beethoven geschrieben ist,
und die in D-moll, sowie die Ouvertüre zu „Manfred" und zu „Ge-
nofeva," nebst Arrangements einiger Ciavierstücke („Abendlied,"
„Träumerei"), von Mendelssohn die A-moll-Sinfonie, die Musik
zum „Sommernachtstraum" vollständig, die Ouvertüre „Meeresstille
und glückliche Fahrt," zu den „Hebriden," zu „Athalia," „Roy Blas,"
von Meyerbeer der Fackeltauz in C-moll, aus dem „Propheten" und
den „Hugenotten" Arrangements, insbesondere die Schwerterweihe,
desgleichen aus der „ Afrikanerin," die Ouvertüre zu „Struensee" und
zu „Dinor&b," die allerdings schon mehr nur des Orchesters wegen
da zu sein scheinen; von Spontini die Ouvertüren zu „Olympia"
und „Vestalin," von Rossini die Ouvertüren zu „Teil," „Semiramis,"
i.Belagerung von Corintb," „Diebische Elster;" von Nicolai die
Ouvertüre zu den „lustigen Weiber," weitre Ouvertüren von B o i e 1-
dieu, Kreuzer, Doppler, Flotow, A. Thomas; von Glinka
die belobte „Kom&rinskaja," Gounod und Verdi waren mit Ar-
rangements „vertreten," von R. Wagner („meinen hiuüberzotreteo
in einen reineren Kreis" wie Hebbel sagt) Ouvertüren zu „Taun-
häusei" (und wie!) zu „Rienzi," Entreact und Vorspiel zu „Lohen-
grin," von Berlioz der „Römische Carneval;" — kommen die
Anderen von heute, alle willkommen : David mit Episoden aus der
nur zu selten gehörten „Wüste," Lach n er mit der vollständig auf-
geführten Suite in D-moll, Gade mit den Ouvertüren zu „Hamlet,"
— 74 -
„Nachklänge aus Ossian," „Hochland," M. Brach's Vorspiel zu
,,Loreley," A b e r t's Columbus-Sinfonie, R e i n e c k e's Ouvertüre zu
„Aladin," Kaffs Orchestersuite.
Unter den „Orchester- Idyllen," welche zwischen die grösseren
Piecen zuweilen eingeschoben werden, ist ausser der sehr reizvollen,
Serenade von Haydn, dem Sylphentanz vonBerlioz, dem Chan-
son damour von Taubert ein „Schlummerlied" von Bürgel
hervorzuheben, welches der Componist als Vorboten einer Ouvertüre
„Sappho," seinem ersten grosseren Werk für Orchester, vorausgesandt
hat. Die Aufführung derselben steht nächstens bevor und werde
ich dann auf diesen Componisten zurückkommen, der eine gerechte
Anwartschaft darauf hat, wo die besten Namen genannt werden,
auch den seinigen zu hören. Bisher sind von ihm 13 Ciavierwerke,
darunter von besonders fachlichem Werthe Variationen über ein
Originalthema und eine sehr respectable Sonate in 4 Sätzen, er-
schienen, während neuere, bisher ungedruckte Compositionen, die
ich Gelegenheit hatte zu hören, die früheren bei Weitem an Klar-
heit, ausgeprägtem Character und clavi ergerechtem Satz übertreffen,
so dass dieselben wohl die Aufmerksamkeit der Herrn Verleger ver-
dienten. —
Aus Ems.
36. April.
Heute spielte unsere Curmusik zum erstenmale: unsere dies-
jährige musikalische Saison hat mithin begonnen. Hoffen wir, dass
sich Ems in diesem Jahre wieder einer ebenso grossen Gästezahl
— wir setzen diesen nervus verum eines Curortes mit gütiger Er-
laubniss des Lesers zuerst — und ebenso brillanter Concerte wie in
der vorigen Saison erfreuen werde. Ob unsere Administration wieder
ein französisches Theater errichten wird, möchte in Betracht des
Kostenpunctes bis jetzt noch sehr zweifelhaft sein ; die verhängniss-
volle Jahreszahl 1872 schwebt derselben jedenfalls vor Augen. —
Im letzten Winter gab die Curcapelle, unter der trefflichen Leitung
ihres Directors Hempel eine Reihe Abonnementsconcerte, die sehr
besucht waren und allgemeinen Beifall fanden. Als hervorragende
Solisten hörten wir u. A. die Herren Herfurth und Lüstnen
ersteren als Virtuos auf der Violine, letzteren als solchen auf dem
Violoocell — beide bereits auch in weiteren Kreisen ehrenvoll be-
kannt. — Vor einigen Monaten starb dahier eine im ehemaligen
Herzogthum Nassau allgemein bekannte musikalische Persönlichkeit,
Sebastian Weigandt, der frühere langjährige Director derCapelle
des in Weilburg garnisonirenden 1. nass. Regimentes, in noch nicht
vollendetem 65. Lebensjahre. Aus Römhild in Meiningen gebürtig,
kam der Verstorbene, eine hochbegabte künstlerische Natur, 1819
nach Wiesbaden, wirkte daselbst als Clarinettist in der Stadtfeld-
scben Militärcapelle, bildete sich unter des Hofmusikns Heuschkel
Leitung in der Theorie weiter aus und kam 1829 auf den beregten
Posten in Weilburg. Seit 1854 wegen Kränklichkeit in den Ruhe-
stand versetzt, verwaltete er eine Brunnenmeisterstelle hierselbst,
deren Einkünfte ihm als Pension zugewiesen worden waren. Der
Haupterbe seines Talentes ist der in diesen Blättern schon einige-
mal erwähnte Pianist Ernst Weigandt.
Aus
Z i gm
L ei p
Im April 1868.
Das neunzehnte Abonnements-Concert im Saale des Gewand-
hauses am 5. März fand, wie es auf dem Programme heisst, „zur
Feier des 125jährigen Bestehens der Leipziger Abonnement-Concerte"
statt. Auf jenem befinden sich zuvörderst folgende Notizen :
„Den lt. März wurde von 16 Personen, sowohl Adel als Bürger-
lichen Standes das grosse Concert angeleger, wobey jede Person
jährlich zu Erhaltung desselben 20 Thlr., und zwar vierteljährig
1 Louisd'or erlegen inussten, die Anzahl der Musicirenden waren
gleichfalss 16 auserlesene Personen, und wurde solches erstlich in
der Grimmischen Gasse bei dem Herrn Berg Rath Seh woben, nach-
gehend» in 4 Wochen drauf, weil bey erstem der Platz zu enge,
bey Herr Gledi tz scher dem Buchführer aufgeführt und gehalten."
(»Continuatio Annalium Lips. Vogelii. anno t743.")
„Den 9. März wurde der Jahres-Tag des grossen musicalischen
Concerts mit einer Cantate, so Herr Do hl es componiret mit Trom-
peten und Pauken gefeyert."
(„Continuatio Annalium Lips. Vogelii. anno 1744."")
Am 25. November 1781 fand das erste Concert im Saale des
Gewandhauses mit folgendem Programm unter Leitung J. A. H i 1 1 e r's
statt :
Erster Theil: Sinfonie von Joseph Schmitt. Hymne an die
Musik, vonReichardt: „Schönste Tochter des Himmels." Concert
auf der Violine, gespielt von Hrn. B e r g e r. Quartett mit dem ganzen
Orchester von Stamitz.
Zweiter Theil : Sinfonie von J.S. Bacb. Arie von S a c c h i n i,
gesungen von MUe. T. Podleska: „So, che un dolor tiranno. H
Sinfonie von E. W. Wolf f.
Zur Ergänzung obiger Notizen dürften noch weiter folgende
dienen: Nachdem im Jahre 1743 in der oben angegebenen Weise
der Grund zu den „grossen Concerten" gelegt, durch den sieben-
jährigen Krieg aber eine längere Pause eingetreten war, begann
man im Jahre 63 nach dem Friedensabschluss von Neuem mit einem
Orchester von 30 Manu im Saale zu den „drei Schwäne" auf dem
Brühl unter der Direction von Johann Adam Hill er. Die eigent-
liche Gründung der Leipziger Abonnement-Concerte dürfte sich jedoch
erst vom 25. November 1781 datiren, wo das erste mit dem oben
angegebenen Programm im Saale des Gewandhauses statt fand.
Eine Schilderung der Entwicklung dieser nicht allein für Leipzig
sondern für die ganze musikalische Welt so hochwichtig gewordenen
Anstalt, würde uns zu weit führen; wir begnügen uns daher als von
allgemeinerem Interesse die Namen der jeweiligen Dirigenten anzu-
führen: Joh. Adam Hiller von 1781-85, Joh. Gottfried
Schicht von 1785-1810, Joh. Philipp Schulz 1810-27, Chris-
tian August Po h lenz 1827—35, Felix Men d eis oh n- Bart holdy
1835—43 und 46—47, Ferdinand H i 1 1 e r 1843-44, Niels W. Gad e
1844—46, Ferdinand D a v i d 1847-48 und 54-56, Julius Rietz
1848 — 54 und 1856 — 60, und von da an bis zum heutigen Tage Carl
R e i n e ck e. Ohne das verdienstvolle Wirken jedes Einzelnen dieser
Dirigenten schmälern zu wollen, wird es doch als unbestreitbare
Thatsache bleiben, dass es namentlich Felix Mendelsohn - Bartholdy
war, der den Grund zu der Höhe des Rufes legte, dessen sich noch
jetzt die Leipziger Gewandhausconcerte erfreuen.
Das Jahr 1743 als Stiftungsjahr annehmend, feierte man also
heute das 125jährige Bestehen und hatte zu dem Zwecke Compo-
sitionen von Dirigenten, die während der letzten 25 Jahre in Thä-
tigkeit gewesen waren, zur Aufführung gewählt.
Eröffnet wurde das Concert mit der Concert-Ouverture von Ju-
lius Rietz, der eine ihrem Werthe entsprechende treffliche Aus-
führung zu Theil wurde. Hierauf sang Frl. Therese Seehofer
aus Wien die Arie: „Höre, Israel, höre des Herrn Stimme" aus
Mendelsohn's „Elias." Frl. Seehofer hat seit ihrer vorjährigen
Anwesenheit offenbar Studien gemacht ; ob aber die richtigen und
für ihre Stimme zuträglichen, möchten wir bezweifeln. Was diese
an Volumen und Stärke gewonnen hat, ist sie auf dem besten Wege
an jugendlichem Reiz und sympathischem Schmelz einzubüssen; sie
klingt jetzt schon zuweilen recht hart und scharf. Wir wissen nicht,
wem oder welcher Unterrichtsmethode es vorbehalten war, das schöne
Material auf diese Abwege zu führen, rathen aber der jungen Dame
zur schleunigsten Umkehr. Ueberhaupt scheint, — wenn wir auch
von einigen kleinen Verstössen absehen wollen — in dem Vortrage
derartiger Musik nicht die Hauptstärke der Sängerin zu liegen. —
Herr Ludwig Straus aus London, der zunächst das Mendel-
s o h n'sche Violin - Concert spielte, bewährte seinen Ruf als deu
eines nach allen Seiten bin tüchtigen und fertigen Geigers, der,
alle Effecthascherei verschmähend, schon durch die solide Art und
Weise seines Spieles für sich einnimmt. Hierin blieb er sich auch
treu, als er im zweiten Theil des Concertes das die Virtuosität mehr
herausfordernde Andante und Scherzo capriccioso von Ferd. David
mit dem nöthigen Aplomb und bester Eleganz vortrug. Durch
stürmischen Beifall und mehrmaligen Hervorruf erkannte das Audi-
torium seine Vorzüge an. Noch bleibt aus dem ersten Theil G a d e's
Frühlings-Fantasie für 4 Solostimmen, Pianoforte und Orchester zu
erwähnen, ein reizendes, liebenswürdiges Stück, unbedingt seinen
besteu Schöpfungen angehörend. Der Vortrag der Soli, durch die»
Damen Seehofer und Borre, und die HH. Rebling — beson-
ders rühmend hervorzuheben — und E h r k e, letztere drei Mitglieder
des hiesigen Theaters, so wie der von Herrn Capellmeister Rein-
ecke bestens ausgeführte Ciavierpart verschafften dem Werke die
verdiente freundlichste Aufnahme. — Der zweite Theil des Concertes
- 76 -
begann mit einer Sinfonie (A-dur) von C.Reinecke, die in ihrer
brillanten Wiedergabe dem Componisten lebhaftesten Beifall und
Hervorruf verschaffte, und schloss mit drei Liedern für Sopran-Solo
und Männerchor von Ferdinand Hiller: „Lebenslust," „Abschied"
und „die Lerchen." So manch Hübsches und Reizvolles diese Lieder
enthalten, so hätten wir — und wohl Viele mit uns — sie lieber
bei anderer Gelegenheit, am wenigsten gern zum Schluss des Concertes
zur 125jährigen Jubelfeier gehört. Die Aufführung der Sopransolo-
partie verschaffte Frl. Seehofer Beifall und Hervorruf, eine Ehre }
•die mit ihr auch die anderen Solisten nach Gade's Frühlings-Fantasie
schon getheilt hatten.
(Fortsetzung folgt.)
Aus C tf 1 n.
Die dritte und letzte der für die diesjährige Winter-Saison
von dem „Cölner Männergesang-Verein" und der „Philharmonischen
•Gesellschaft" im grossen Saale des Gertrudenhofes veranstalteten
musikalischen Abendunterhaltungen brachte folgendes Programm:
Sinfonie Nr. 5, D-moll, von Ferd. Ries; vier Lieder ohne Be-
gleitung von H. Mar sehn er, Ferd. Ries, J. DiirrÄr und F.
Sucher; das Doppel-Concert für zwei Pianoforte's mit Orchesterbe-
gleitung von W. A.Mozart; und zum Schlüsse „Salamis," Sieges-
gesang der Griechen, für* Quartett-Solo, Männerchor und Orchester
von Max Bruch.
Das Concert war in jeder Beziehung ein sehr gelungene«». Der
Vorstand hatte zu der herrlichen Sinfonie unseres rheinischen Ton-
meisters eine kurze Uebersicht des Lebens und Wirkens Ferd. Ries
sowie die Entstehungsgeschichte der obigen Sinfonie, gleichsam als
erklärenden Text dem Programme beidrucken lassen, welche Notizen
das Interesse des Publikums für das Werk selbst und den Compo-
nisten sehr gehoben haben. Die Sinfonie wurde mit grosser Be-
geisterung gespielt und mit vielem Beifall begrüsst.
Bei dem Anhören eines solchen Werkes drängte sich unwill-
kürlich beim Publikum die Frage auf: „Warum hören wir in un-
serer Zeit so selten etwas von den Meisterwerken unseres berühmten
rheinischen Landsmannes, dessen classische Tonschöpfungen doch
Tausende von Erzeugnissen der Neuzeit, trotz aller Effecthascherei
und dem Pompe einer sogenannten Zukunftsmusik, bedeutend über-
ragen ? Warum achten und ehren wir nicht mehr das Andenken eines
grossen Mannes, welcher, kaum der Gegenwart entrückt, fast gänz-
lich und ebenso rasch der Vergessenheit anheimgefallen zu sein
scheint, als er noch vor wenigen Decennien in ganz Deutschland,
England und Italien der gefeiertste Meister, und namentlich der
Stolz und der Glanzpunkt unserer rheinischen Musikfeste war? —
Dem Vorstande gebührt mit Recht der Dank und die ehrenvolle
Anerkennung, dass er bei seinen diesjährigen Concerten wiederholt
Meisterwerke vorgeführt hat, welche unserer festen Ueberzeugung
nach, von einem Theile der beutigen Tonangeber allzu stiefmütter-
lich behandelt und vernachlässigt werden.
Die Lieder ohne Begleitung wurden von dem „Cölner Männer-
Gesang-Verein" mit der gewohnten Feinheit und Meisterschaft vor-
getragen und erhielten grossen Beifall. Besonders gefielen das
„Trällerliedchen" von Ries und das „Mädchen von Gawrie" von J.
Dürrner. Letzteres musste auf Verlangen wiederholt gesungen werden.
Die rühmlichst anerkannteu Ciavier- Virtuosen, Herrn J. Seiss
und F. Gernsheim, Professoren des hiesigen Conservatoriums,
spielten das herrliche Doppel-Concert für 2 Pianoforte von Mozart
mit grossem Verständniss und Wärme, und documentirten durch
ihr treuliches Zusammenspiel und den reizenden Vortrag dieses
Meisterwerkes aufs Neue den hohen Grad ihrer erworbenen Künstler-
schaft. Rauschender Beifall lohnte ihre Leistungen. Das zahlreich
anwesende Publikum war bosonders auf das neueste Werk unseres
wackeren Max Bruch, eines geborenen CÖlners, sehr gespannt und
bei der treulichen Ausführung der durch den „Cölner Männer -Ge-
sangverein" hier zum Erstenmale zu Gehör gebrachten herrlichen
Composition „Salamis* 1 voller Befriedigung. Diese neue schwung-
volle Tonschöpfung Bruch's reiht sich seinen früheren, rasch beliebt
gewordenen Compositionen für grossen Männerchor und Orchester,
wie „römischer Triumphgesang, " ) B Fritjofs Sage* etc. würdig an,
und wird von allen tüchtigen Männer-Gesaugvereiuen als eine her-
vorragende Festgabe bei ihren grösseren musikalischen Aufführungen
stets mit vieler Freude begrüsst werden. Das Werk ist breit ange-
legt, brillant und höchst effectreich, vielleicht etwas zu reich instru-
mentirt. Der Vortrag desselben erfordert, bei voller Wirkung des
Orchesters, neben kräftigen Solisten, einen wohlgeschulten zahlreichen
Chor und wird bei einer solchen Inscenesetzung allzeit des schönsten
Erfolges sicher sein.
Nach dem Concerte vereinigten sich die Gesellschaftsmitglieder
zu einem gemeinsamen Souper, welches durch Reden, Toaste, heitere
Gesangsvorträge und allgemeine Tafellieder reichlich gewürzt war.
Die Stimmung war sehr animirt und heiter; der Vorstand suchte
dem laut ausgesprochenen Wunsche um baldige Wiederholung ähn-
licher genussreicher Abendunterbaltungen dadurch zu entsprechen,
dass er für die nächste Winter-Saison solche wiederum in Aussicht
stellte.
Am 7. April veranstaltete die hiesige, unter der Leitung des
königl. Musikdirectors Herrn Fr. Weber stehende Singakademie
mit Unterstützung der Mitglieder des „Cölner Männer-Gesangvereins,"
vor einem engern Kreise der Familienangehörigen der Gesellschafts-
mitglieder, in ihrem Versammlungslokale, eine öffentliche Aufführung
des „Tod Jesu" von Graun. Der Ertrag war bestimmt zur theil-
weisen Deckung des noch fehlenden Baufonds der Anbringung einer
Gedenktafel mit Bronce-Büste Graun's an dessen Geburtshause in
Wahrenbrück. Die Aufführung war eine gelungene ; die prachtvollen
Choräle und Chöre gingen vorzüglich und suchten die Solovorträge
der Frl.Eglinger, Kuh n und F. Schreiner, sowie der Herren Jos.
Wolf und A. P e 1 1 z e r der gestellten Aufgabe nach besten Kräften
gerecht zu werden. In Frl. Kuhn, einer Schülerin des Hrn. Koch,
lernten wir eine treffliche Sopranistin kennen, welche sich besonders
in der grossen Arie: „Singt ihr göttlichen Propheten" als eine be-
deutende Sängerin mit schöner Stimme und vollendetem Vortrage
vorführte und für die Folge ganz Vorzügliches erwarten lässt.
Das 10. Gesellschaftsconcert im Gürzenicbsaale brachte eine
Aufführung der grossen Matthäus-Passion von Seb. Bach.
In Bezug auf die Chöre ist leider nicht viel Günstiges zu berichten,
da sich bei denselben fast durchgängig eine gewisse Unsicherheit,
namentlich bedeutender Mangel an Bestimmtheit bei den Eintritten
bemerklich machte, wodurch die Totalwirkung bedeutend abge-
schwächt wurde. Um so besser entledigten die Solisten sich ihrer
so schwierigen Aufgaben. Frl. Scheuerlein (Sopran) sang ihre
Arien mit klangvoller Stimme, verständniss voller Auffassung und
grosser Wärme des Ausdrucks ; auch Frau Höf ner-Harken (Alt),
obwohl manches Unschöne in ihrer Tonbildung störend wirkte, ward
ihrer Aufgabe im Ganzen ziemlich gerecht. Ganz vorzüglich waren
die Tenor- und Basspartie durch die HH. S ch i 1 d aus Leipzig und
Hill aus Frankfurt besetzt. Beide, insbesondere aber Hill, der
bewährte Meister des Oratoriengesangs, machten durch ihre Vortrags-
weise einen tiefen und nachhaltigen Eindruck auf die Zuhörer und
erwiesen sich als Künstler im echten Sinne des Wortes.
^ •eo <
Nachrichten.
Qarlsruh6. Am 22. April fand hier eine in jeder Beziehung
gelungene Aufführung des Oratoriums „der Fall Babylon's" von
L. Spohr durch den Cäcilienverein unter der Leitung des
Hrn. Hofkirchenmusikdirectors Giehne und unter Mitwirkuug der
Frau Braunhof er sowie der HH. Brandes und Br ulliot (sämmt-
lich Mitglieder unserer Hofbühne) und des kunstgeübten, mit schöner
Baritonstimme begabten Dilettanten Hrn. Bassermann aus Heidel-
berg statt. Nicht nur die genannten Solisten, sondern auch dem
Chore und Orchester, welche sich ihrer mitunter sehr schwierigen
Aufgabe in vortrefflicher Weise entledigten, die HH. Hofmusiker
Spies und W. Segisser, welche die Violin- uud Violoncellsoli
mit höchster Gediegenheit ausführten und endlich Hrn. Giehne, dem
umsichtsvollen ^und energischen Leiter der ganzen Aufführung ge-
bührt der ungeschmälerte Dank aller Zuhörer, welche durch viel-
fachen und lebhaften Beifall ihre volle Befriedigung zu erkennen
gaben, sowie denn überhaupt die so schön gelungene Vorführung
des Spohr'schen Meisterwerkes als der Glanzpunkt der abgelaufenen
Saison bezeichnet werden darf.
— 76 -
Paris. Die Einnahmen der Theater, Concerte nnd öffentlichen
Schaustellungen jeder Art in Paris betrugen im Monat März die
•Summe von 1,887,080 Frcs.
— Das am Charfreitag im Cirque de Vlmperatrice von Pag-
deloup veranstaltete Concert versammelte ein Auditorium von 3600
Personen. Den Hauptanziehungspunkt bildeten Faure und Mlle.
Nilsson, welche Stücke aus dem „Tannhäuser * und ausRossini's
„Stabat mater* und Anderes mit ungeheuerem Beifall vortrugen.
Ausserdem kamen geistliche Gesänge für Chor von S i 1 ch e r und
G o u n o d, Andante religioso von Mendelssohn, das Allegretto
aus der A-dur- Sinfonie von Beethoven und der von Prosper
P a 8 c a 1 instrumentirte Trauermarsch von Chopin zur Aufführung.
— Fritz Gernsheim, Professor am Conservatorium in Co In,
hat im Salon Erard ein Concert gegeben und als Componist wie
als Pianist sich der ehrenvollsten Anerkennung zu erfreuen gehabt.
Brüssel. Den früheren Notizen über die populären classiscben
Concerte des Hrn. Samuel ist noch beizufügen, dass am 5. April
noch ein ausserordentliches Concert unter Mitwirkung Joachim's,
der das Violinconcert von Max Bruch, Becitativ und Andante aus
dem 6. Concert von S p o h r, und endlich Sarabande und Bourre*e
von S. Bach vortrug, stattgefunden hat. Den Beifallsjubel, wel-
chen der Geigerkönig erntete, zu beschreiben ist nicht möglicht
auch nicht nöthig. Ueberhaupt wüssten wir uns kaum eines Erfolges
in Brüssel zu erinnern, welcher dem der Frau Clara Schumann
und des Hrn. J o a ch i m zu vergleichen wäre.
*** Capellmeister Franz A b t ist von Braunschweig nach
Petersburg abgereist, wo er mit den dortigen deutschen Gesang-
vereinen eine grosse Männergesangs - Production veranstalten wird.
*** Bei der nun erfolgten Preisverteilung der Societä del Quar-
tette in F lorenz für den 1867 ausgeschriebenen Compositionscon-
curs erhielt für eine Ouvertüre zu Alfieri's Tragödie „Sani" den
ersten Preis der berühmte Geiger Bazzini, den 2. Giovanni Rossi
aus Parma ; für ein Duett für Ciavier und Violine erhielt beide
Preise Filippo Fasanotti aus Florenz und für ein 4stimmiges
Madrigal ohne Begleitung wurden prämiirt Consolioi ans Bres-
cia und Stefano Tempio aus Turin.
*** Die Musikinstrumentenmacher W i e n's haben Herrn Pro-
fessor H a n s 1 i ck eine prachtvolle Adresse überreicht, welche den
Dank für sein erfolgreiches Wirken als Juror bei der Pariser Welt-
ausstellung enthält und insbesondere hervorhebt, dass es nur Herrn
Dr. Hanslick zu verdanken sei, „wenn die österreichischen Erzeug-
nisse der 10. Classe der Weltausstellung ihren alten ehrenvollen
Ruf neben jenen aller übrigen Nationen gleich ehrenvoll behaupten
konnten." Der von den besten Wiener Firmen dieses Faches unter-
zeichneten Adresse haben auch die meisten der dahin gehörigen
Aussteller aus den Provinzen sich brieflich beigesellt und sind den-
selben überdiess die Photographien der Unterzeichner beigefügt.
(Es ist dies gewiss eine erfreuliche Genugthuung für Hrn. Dr. Hans-
lick gegenüber den Anfechtungen, welche swine Wahl zum öster-
reichischen Delegirten seiner Zeit von gewisser Seite zu erleiden hatte
*** Coucertmeister Lauterbach aus Dresden, sowie die Pia"
nibten A. Bubinstein und A. J a e 1 1 werden in dieser Saison
in London concertiren.
%• Die diesjährige Tonkünstlerve'r Sammlung wird
vom 19. bis 22. Juli in Altenburg stattfinden.
*** Der Kaiser von Bussland hat dem Componisten S e r o f f
einen lebenslänglichen Jahresgehalt von 1500 Bubeln bewilligt.
*** Zu unserer bereits früher gebrachten Notiz über das dies-
jährige „Niederrheinische Musikfest" in C ö 1 n tragen wir nach, dass
mit demselben die Feier des 50jährigen Bestehens dieser schönen
Feste zusammenfällt. G a d e wird nicht, wie angekündigt, dabei er-
scheinen um eine neue Ouvertüre persönlich zur Aufführung au bringen.
*** In Beirut (Kleinasien) fand ein Wohlthätigkeitsconcert
der dortigen deutschen Diaconissenanstalt statt, welches einen Bein-
ertrag von 350 Thlrn. ergab. Das Auditorium bestand grösstentheils
aus Türken und Arabern, welchen man Compositionen von Mozart,
Beethoven, Mendelssohn, C. Hennig in Berlin, etc. zum Besten gab.
*** Ein deutscher Nabob soll dem Director des lyrischen Thea-
ters in Paris mit 300,000 Frcs. unter die Arme greifen wollen unter
der Bedingung, dass er den „Lohengrin" zur Aufführung bringe.
*** Der Herzog von Massa hat im Pariser Conservatorium
«ine von ihm componirte Oper „Dante" aufführen lassen und dieses
Vergnügen mit 30,000 Frcs. bezahlt, welche er als Honorar an die
Mitwirkenden vertbeilte.
*** Der Liederdichter Müller von der Werra hat vom
Herzog von Meiningen die grosse goldene Medaille für Kunst und
Wissenschaft erhalten.
*** In Marseille ist der Gründer und Director des dortigen
Conservatoriums, Barsotti, im Alter von 80 Jahren gestorben.
*** Dem Componisten Friedrich Kiel in Berlin ist der Pro-
fessortitel verliehen worden.
*** Der Violinvirtuose W i 1 h e 1 m j concertirt mit grossem Er-
folge in Petersburg.
* m * Frl. Carina vom Hofoperntheater in Wien ist in Leipzig
engagirt worden.
*** Die altberühmte „königl. schwedische Akademie der Musik"
in S t o ck h o 1 m, deren Präsident der Prinz Oscar ist, hat Herrn
Ferd. Hiller in Cöln zu ihrem Mitgliede ernannt und ihm das
betreffende Diplom zugesendet.
%* Die Oper „Bogneda" von Seroff wird nächsten Herbst
in Moskau in glänzender Ausstattung zur Aufführung kommen.
*** Die rühmlichst bekannte Gesanglehrerin am Musikconser-
vatorium rn Cöln, Frau M a r ch e s i, hat zu ihrem Namenstage
von ihren 32 Schülerinnen eine schöne Pendule als Geschenk er-
halten und wurde ausserdem von denselben mit der Aufführung
eines Singspiels und verschiedener Concertvorträge überrascht.
%* Dem Londoner Musikjournal „Orchestra" zufolge ist die
bis jetzt in London gewesene Gesammtcollection der Händel'schen
Partituren, aus 124 Bänden bestehend, an Dr. Chrysander, den
Herausgeber der neuen Ausgabe von „Händeis Leben und Werke,"
verkauft und nach Deutschland abgesandt worden. Man wundert
sich allgemein darüber, dass die Verwaltung des „Britich Museum"
sich diese kostbaren Reliquien des grossen Componisten habe ent-
gehen lassen.
*** Die in diesen Blättern schon öfters erwähnte jugendliche
Violinvirtuosin Therese Liebe aus Strassburg hat dieser Tage in
Paris, im Saal Erard, ein Concert gegeben und durch den Vortrag
des Concertes von Mendelssohn, dieses Prüfsteins für jeden
Geiger und anderer gutgewählter Stücke die Bewunderung aller An-
wesenden erregt und man staunte über die rapiden Fortschritte,,
welche die noch fast im Kindesalter stehende junge Künstlerin in
verhältnissmässig kurzer Zeit gemacht hat.
*** Der Tenorist Gustav Walter vom Hofoperntheater in
Wien singt jetzt , nach ausserordentlich erfolgreichen Gastspielen,
in Magdeburg, Köln und Mannheim inMünchen, wo
seine Leistungen ebenfalls ungewöhnlich lebhaften Beifall finden.
In den letzten Tagen trat neben ihm in den „Hugenotten" Fräulein
Leonoff als Page auf und wusste zu gefallen.
*** Erl. Seehofer aus Wien ist vom kommenden Herbst an
für das kgl. Hoftheater in München engagirt.
ANZEIGEN.
Verlag von F. E. €. Ijeuckart in Breslau»
Serenade von Jos. Haydn.
Aus dem Concertprogramm des
Florentiner Quartett -Vereins
Jean Becker.
A) Für 2 Violinen, Viola und Violoncello 10 Sgr.
B) Für Violine mit Pianoforte 10 Sgr.
C) Für Pianoforte allein 7 Vi Sgr.
D) Pianoforte zu vier Händdn 7 1 /, Sgr.
Gruppenbild des
Florentiner Quartett -Vereins
Jean Becker.
Originalanfnahme von
Robert Weigelt.
In Visitenkarten -Format 10 Sgr.
Verantw. Red. Ed. Feckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
M* SO.
18. Mai 1866.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
^ ^
i Diese Zeitung erscheint jeden
; MONTAG.
; Man abonnirt bei allen Post-
j ämtern, Musik- & Buchhand-
1 luiigen. |
Ve (p I i g
von
■■
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
* PBBIS:
n\2.42kr.od.Th.l.l8Sg.
für den Jahrgang.
| Durch die Post bezogen:
\ 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
i i
INHALT: Literatur. — Corresp.: Leipzig Berlin. München. Cöln. — Nachrichten.
Literatur.
Musikalische Studien, von Wilhelm Tappert.
Berlin, 1868 bei J. Guttenberg. 252 S. gr. 8°
mit vielen in den Text eingereihten Notenbeispielen.
Der Verfasser theilt sein Buch in sechs verschiedene Abhand-
lungen, betitelt: „Wandernde Melodien;" „Ein Umbildungsprozess ;"
„Der übermässige Dreiklang ;" „Die alterirten Accorde;" „Ein Dogma"
nnd „Zooplastik in Tönen." Wenn derselbe die Absicht hatte, in
den ersten Kapiteln namentlich, das Fortschreiten von den allerein-
fachsten Anfängen, aus den unscheinbarsten Keimen zu immer gros-
serer Vollkommenheit, wie dies in der ganzen Natur, wie dies bei
allen Zweigen der Wissenschaft stattgefunden hat, auch auf dem
Gebiete der Tonkunst nachzuweisen, so ist dies gewiss eine recht
verdienstliche Aufgabe die er sich gestellt hat und die Art und
WeiBe, wie er dieselbe zu lösen versuchte ist eine in hohem
Grade anziehende, unterhaltende und häufig selbst frappirende, be-
sonders für Jene, welche über derlei Dinge sich noch nicht mit
vielen Grübeleien befasst haben. Die unendliche Anzahl der von
Tappert aufgeführten Beispiele, durch welche er im ersten Capitel
eine knrze Phrase aus einem Prager Processionale des 14. Jahrhun-
derts (g a h a c h a g) als die Stammmutter einer grossen Menge
von Melodien späterer Jahrhunderte bis auf unsere Zeiten darstellt
und dann den etwa doch noch Ungläubigen in dem Capitel „Um-
bildungsprozess" abermals in zahlreichen Mustern vorführt, wie die
kleine Tonreihe c h a g abgesehen von ihrem einfachen Bestehen
selbst durch Veränderungen, Zusätze und Erweiterungen, oder U m*
b i I d u n g, wie der Verfasser es nennt, wiederum auf allen Wegen
und Stegen in der musikalischen Welt und durch alle Zeiten hin-
durch immer und überall wieder uns entgegentritt, zwingen zu dem
Zugeständniss, dass er sich keine Mühe verdriessen Hess, um die
Theorie des Entspringens aus kleinen Uranfängen und des ewig
fortschreitenden Entwickelungsprozesses auf dem Felde der Tonkunst
auch im practischen Sinne zu illustriren. Ob es zu den Zwecken
des Verfassers nothig oder geeignet war, Dawin's Um- und Fortbil-
dungslehre mit hereinzuziehen, wollen wir dahingestellt sein lassen,
auch nicht mit ihm darüber rechten, wenn manche der angeführten
Beispiele etwas sehr stark umgebildet erscheinen. Das Feld de r
Reminiscenzen bleibt eben für . Liebhaber von dergleichen Wild
immer ein sehr ergiebiger Jagdgrund. Doch wiederholen wir, dass
die Anschauungs- und Durchführungsweise des Verfassers eine recht
fesselnde, Belehrung und Unterhaltung gewährende ist.
In den folgenden, vom übermässigen Drei klang und den
alterirten Accorden handelnden Capiteln, weist der Verfasser
die Berechtigung und Nutzbarkeit solcher Accorde nach, ein Beginnen,
in welchem ihm die Componisten der neuesten Richtung bereits
practisch und gar nicht blöde vorangegangen sind, was er denn auch
mit grosser Befriedigung selbst zugesteht. Wir geben ihm in seinen
Ansichten über diesen Punkt im Allgemeinen vollkommen recht»
vrünschen aber nur, dass in der Praxis hierin ein vernünftiges Maass
eingehalten werde und man unsere Ohren nicht durch das Erheben der
bisherigen Ausnahmen zur Regel auf kakophonischem Wege für die neu-
en Lehren umzubildenversuchen möchte. Auch das Capitel „Dogma"
handelt von verschiedenen Grundregeln und Vorschriften aas früheren
Zeiten, welche die Praxis in ihrem Fortschritte nach und nach mit
Recht umgestossen hat. Einen äusserst unterhaltenden Abschluss
erhält Tappert's Buch durch das letzte Capitel „Zooplastik in Tönen,"
in welchem eine ganze Menge von Beispielen, in welchen die Laute,
Bewegungen etc. von Thieren musikalisch darzustellen versucht ist, an-
geführt werden und da es dem Verfasser ausser seinem grossen Sammler-
fleiss auch nicht an Witz und Humor fehlt, so gestaltet sich dies Capitel
wie gesagt, zu einer recht heiteren Unterhaltung. Das ganze Buch über-
haupt empfiehlt sich dem darüber Gesagten gemäss als ein geistreiches,
viel des Neuen Jund nicht minder des Unterhaltenden bietendes
Musikern und Dilettanten zur Kenntnissnahme und verdient recht
viel gelesen zu werden. E. F.
COBBESPONDENZEN.
Aus Leipzig.
(Fortsetzung.)
Zwischen dieses und das letzte Abonnement-Concert wurde am
19. März ein Concert zum Besten der hiesigen Armen eingeschoben.
Es brachte, wie meistens bei solchen Gelegenheiten, ein reiches Pro-
gramm, darauf drei Novitäten und unter diesen wiederum zwei
Orchesterwerke: Suite (Nr. 2) für Orchester von Heinrich Esser
und Ouvertüre zu „Otto der Schütz" von Ernst Rudorff. Vom
Esser erwartet man stets etwas Tüchtiges, dass man es darf, dafür
liefert auch diese Suite den Beweis: sie ist eine durch und durch
ehrenwerthe Arbeit, das Product grossen Wissens und grossen Fleisses.
Von den vier Sätzen dürfte der erste besonders hervorzuheben sein,
weil in ihm des Componisten schöpferisches Talent sich am eigensten
erweisst und die Gedanken sich am entschiedensten aussprechen.
Die Aufnahme des Werkes war die freundlichste, die Ausführung
dagegen nicht so rund und fertig, wie es zur Einführung einer
Neuigkeit wünschenswerth gewesen wäre. Besser erging es in letzter
Hinsicht der Ouvertüre des Hrn. Rudorff, die der Componist selbst
dirigirte. Es ist immer schwer, einem solchen Erstlings- oder
sagen wir Jugendwerke gegenüber feste Stellung einzunehmen; gar
oft bleibt es zweifelhaft, ob das, was der Componist bringt, Eigenes
oder Nachgeahmtes oder gar Manier ist; fast will uns das Letzte
bei Hrn. Rudorff bedünken. Wir wollen jedoch unser Urtheil über
ihn aufschieben, bis wir Gelegenheit gehabt haben, mehr von ihm
zu hören; sicherlich wird auch der jugendliche Tondichter diese
Zeit benutzen, um vor allen Dingen ernste Studien in all dem, was
wir gerade bei Esser so hochschätzen, in der Technik des Satzes,
vorzunehmen. Als dritte Novität reihte sich diesen ein Violin-
Concert an, coraponirt und vorgetragen von Hrn. Besekirksky
aus Moskau. Im leichten französischen Styl gehalten, aber voller
Effecte, gelang es dem hier noch unbekannten Virtuosen vermöge
— 78 -
•einer meisterlichen Technik mit demselben in glänzendster Weise
su debntiren und sich reichsten Applaus and wiederholten Hervor-
ruf zu verschaffen. Neben ihm wusste Herr von Inten, ein junger
Claviervirtuos aus hiesiger Schule, mit dem Vortrag einer Gigue
von J. G. HS 88 ler, eines Stückes (Nr. 2) aus den Wanderstunden
von Stephen Heller und des Präludiums mit Fuge (P-moll) von
F. Mendelsohn-Bartholdy höchst ehrenvoll sich zu behaupten.
Die Gesangsvorträge waren von Frl. Seehof er und Hrn. Hassel-
beck aus München. Letzterer, im Besitz eines angenehmen Bari-
tons, trug die Arie „Gott sei mir gnädig" recht an- und verständig
vor und erhielt dafür entsprechenden Beifall. In reicherem Maasse
wurde dieser Frl. Seehofer zu Theil, obgleich wir über ihre Leis-
tungen: Arie aus „Faust" von Spohr und Lieder von F. Schubert:
„die junge Nonne* und „Willkommen und Abschied" nur schon
früher Gesagtes wiederholen könnten. Um den Ansprüchen, welche
die Spohr'sche Arie an die Sängerin stellt, zu genügen, fehlt ihr
vor allen Dingen die nöthige Technik.
Das zwanzigste und letzte Abonnement-Concert, Donnerstag
den 26. März, fiel auf den Todestag B e e t h o v e n s (f d. 26. März 1827)
und waren daher nur Compositionen des grossen Meisters zur Auf-
führung gewählt; für den ersten Theil: Kyrie, Sanctus und Bene-
dictes aus der Misset solemnis, und Fautasie für Pianoforte mit
Chor und Orchester, für den zweiten die neunte Sinfonie. Als die
schwächste der Leistungen müssen wir die der drei Sätze aus der
Messe bezeichnen ; da hätte es unbedingt noch Proben zum innigeren
Verständniss, zu einem besseren festeren Zusammengehen bedurft;
mit den paar üblichen Concertproben ist es einem solchen Werke
gegenüber uicht gethan. Am hörbarsten trat dieser Mangel in dem
Solo- Quartettgesang hervor; denn wenn auch die HH. Hill und
R e b 1 i n g ihrer Aufgaben Herr waren und sie sicher und mit Verständ-
lössten, so Hessen hierin und noch mehr in reiner Intonation die
beiden Damen Frl. Louise Thomä aus Frankfurt a. M. und Frau
Höfner-Harken aus Iever zu wünschen übrig. Zum rechten
Genuss konnten wir wenigstens nicht kommen und, wir glauben uns
nicht zu täuschen, auch der grösste Theil des Publikums nicht,
trotz alledem und alledem, was man auch darüber sagen mag. Bei
weitem freundlicher gestaltete sich der Erfolg der Fantasie; Herr
Capellmeister R e i n e ck e am Ciavier gab durch seine Meisterschaft,
mit der er dies behandelte, eine rechte Stütze ab und Alles, Chor
und Orchester griff frischer und entschiedener ineinander. Gleiches
Lob gebührt auch der instrumentalen Wiedergabe der Neunten ; sie
war eine des Werkes wie der Ausführenden würdige. Von den So-
listen brachte Herr Hill sein Recitativ in prächtiger Weise"zur
Geltung; er und Herr Rebling hielten wacker zusammen. Die
Chöre griffen fest und sicher ein ; dass sie nicht zur vollen Wirkung
gelangten, daran trogen ihre numerische Schwäche wie die akusti-
schen Verhältnisse des Saales, die das Orchester zu prädominirend
erscheinen lassen, die Schuld.
Aus Berlin.
Das Nächste in der Reihe der Berliner Concert-Erinnerungen
vergangenen Winters ist der Abend, an welchem CT aus ig nach-
einander das F-raoll-Concert von Weber, das Es-dur-Concert von
Beethoven, und das 2te Concert von Liszt spielte, indem Pro-
fessor Stern ihm als Dirigent zur Seite stand. „Selbstverständlich
unübertrefflich" — mit diesem bequemen Compliment pflegt man
sich der Kritik zu entledigen, wenn man von Tausig spricht. Gewiss,
wenn man erwägt, wie in Berlin sonst das öffentliche Clavierspiel
gegenwärtig in den meisten Fällen gehandhabt wird — über'sKnie
nämlich — was da Alles an Unfertigkeit, Unreife, Unmaass, ge-
legentlich sogar an Unverschämtheit zu Tage kommt, wie wir, seit
K u 1 1 a k pausirt und Bülow weg ist, auf dem Sande liegen, dann
erscheint Tausig als ein strahlendes Lumen, vor dem die Uebrigen
aus unserer Berliner „Jetztzeit" alle den Hut ziehen sollen, bis ans
Herz, bis ans Knie, bis an die Erde, je nachdem, oder auch aufs
Angesicht fallen. Wenn die Kritik dagegen von ihrem Rechte Ge-
brauch macht, die Erscheinungen nicht aus dem Thale der gegen-
wärtigen Alltäglichkeit, sondern von dem kalten Gipfel der Betrach-
tung ins Auge zu fassen, so erweist sich zunächst das Wort „unüber-
trefflich" als leer. Künstler wie Tausig, Bülow, Rubinstein
sind als solche weder unübertrefflich noch das Gegentheil, es kommt
nur darauf an, wer es der Kritik am schwersten macht, die mit der
gegebenen Individualität sicher vorhandene Grenze des Werthes zu
finden, womit selbstverstanden ja auch der Umfang der Anerkennung
gefanden wäre. Dieses nun an Tausig's Spiel, wie es sich bisher
gezeigt, abschliessend vorzunehmen, ist mir so lange unmöglich, als
er sich nicht wieder öffentlich als. Solist gezeigt hat; dass er dies
versäumte, halte ich auch unter Berliner Verhältnissen für Unrecht.
Nach den bisherigen Erfahrungen habe ich mich von eigentlich
sympathisch wirkenden, den Hörer im höchsten Sinne bildenden
Eigenschaften desjjTausig'schen Spieles noch nicht überzeugen können ;
es litt (namentlich in einem früheren Soloeoncerte) ganz deutlich
an einem gewissen mathematischen Rigorismus, der mit Hülfe vol-
lendeter Technik und Rythmik über seinen Gegenstand siegt, aber
nicht wie über eine Geliebte, die gewonnen dem Freunde im Arm
ruht, sondern wie über Feinde, die ein genialer Feldherr sich zu
Füssen legt, dass sie sich gefallen lassen müssen, was er mit ihnen
macht, auch wenn er sie in Ketten wirft. — Die genaueste Ver-
ständigung mit sich selbst in Bezug auf die Verwendung der Klang-
effecte, die unerschütterliche rythmische Festigkeit von A bis Z des
Ganzen und im Einzelnen bis auf den I-Punkt, dazu die blitzblank
geschliffenen Waffen der Technik — wohlan, Tausig tritt damit in
die vorderste Reihe der Ciavierspieler von Rang, aber es ist doch
seltsam, unter seinem noblen Commando die Grazien in Uniform zu
erblicken. Dieses Eindruckes habe ich mich bei seinem Spiele
bisher nicht ganz erwehren können. Carl F u ch s.
(Schluss folgt.)
Aus München.
Anfangs Mai.
Wir stehen am Ende unserer Concertsaison und es dürfte end-
lich an der Zeit sein, auch von dem Münchner Musikleben wieder
einmal einige Mittheilungen zu machen. Die Saison war keine be-
wegte; ausser den gewohnten Concerten der „ musikalischen Akademie, 8
den Soireen unseres trefflichen Walterquartetts und der von den
Lehrern der k. Musikschule zum Besten eines Unterstützungsfonds
für bayrische Tonkünstler veranstalteten Mozartmatindes gab es ein
einziges Virtuosenconcert, das der Cellist D i e m im Museumssaale
veranstaltete, welches jedoch in jeder Beziehung das Extempore
seines kurzen Daseins auf der Stirne trug, und auf das wir auch
desswegen nicht weiter einzugehen gedenken.
Die „musikalische Akademie" gab fünf Concerte. Durch den
Zurücktritt des Generaldirectors L a ch n e r, dessen Dirigententalent
es gelungen war, diese Concerte im Odeonsaal mit zu den berühm-
testen Erscheinungen des europäischen Musiklebens zu machen,
waren die Concerte eine Weile ganz in Frage gestellt, zumal, weil
es sich noch nebenbei darum handelt, ob dieselben nicht im Hof-
theater abgehalten werden sollten. Der König ist nämlich nicht zu
bewegen, einem Concerte im Odeonsaale beizuwohnen und aus Rück-
sicht auf ihn sollten die musikalischen Aufführungen in genannter
Weise dislocirt werden. Doch die Grösse des Zuhörerraums und
die für Concerte — besonders für Virtuosenconcerte — höchst un-
günstige Akustik des Hoftheaters bewog den Ausschuss bald wieder
von dem Gedanken abzustehen. Herr von Bülow wurde mit der
Direction betraut und nach heftigen und nicht ohne Erbitterung
geführten Debatten Musikdirector Meyer als Bülows Ersatzmann
gewählt. (Die Minorität hatte den Capellmeister der k. Hofcapelle
Wüllner vorgeschlagen.) Die frische Strömung, durch Bülow
herbeigeführt, wurde sehr bald verspürt. Es kam in die Programme
eine erfreuliche Vielseitigkeit und Abwechselung. Besonders war
es der Umstand, dass jetzt für Schumann mehr geschah, der uns
mit Vergnügen erfüllt. Was die einzelnen Piecen des Programmes,
zumal jene betrifft, in welchen Hr. von Bülow selbst auftrat, so
müssen wir ihnen eine äusserst sorgfältige Vorbereitung nachrühmen.
Gewohnt, Vorzüge und Fehler mit gleich unparteiischem Auge zu
betrachten, dürfen wir aber nicht verschweigen, dass der neue Diri-
gent es noch nicht gelernt hat, mit souveräner Gewalt die Orchester-
massen zu beherrschen. Er versteht die Kunst noch nicht, die sein
Vorgänger in so seltener Weise besessen, die einzelnen Stimmen
vertreten zu lassen und durch reine Detailarbeiten den Dank der
Musikfreunde zu gewinnen. Auch die Reinheit der Stimmung, auf
die unser Hoforchester bisher stolz zu sein Grund hatte, lässt bereits
— 79 -
zu wünschen übrig. Die Ueberstürzung der Tempi, deren sieh Hr.
von Bülow nicht selten schuldig macht, verräth den Ciavierspieler,
der es noch nicht völlig gelernt hat, ein grosses Orchester zu diri-
giren, weil er sich den Unterschied zwischen einem einzelnen ihm
keine Schwierigkeiten bietenden Instrument und einem so schwer zu
bewegenden Apparat, wie es ein Orchester ist, nicht völlig klar ge-
macht hat. So kommt es, dass ein Presto unter Bülows Dirigenten-
stabe zu einem blossen unverständlichen Geräusche, zu einem Ton-
chaos wird, während gerade im bewegteren Tempo Lachner die ganze
Virtuosität unseres Hoforchesters mit feiner Berechnung der Akustik
und der Ausführungsmögltchkeit darlegte. — Doch das sind Dinge,
welche sich auch Hr. von Bülow, der nicht taub ist, wenn man ihm
in anständigem Tone abweichende Meinungen und Anschauungen
vorträgt, noch aneignen wird. Er hat ganz das Zeug, aus dem ein
tüchtiger, das ganze Orchester durch die Gewalt seiner imponirenden
Subjectivität und künstlerischen Begeisterung beherrschender Dirigent
werden wird. Vorläufig ist er mehr Dramatiker als Sinfoniker ;
hoffentlich wird er sich in seinem Amte bald so zurecht gefunden
haben, dass der erstere nicht auf Kosten des anderen gepflegt wird.
An Sinfonien horten wir in den fünf Concerten, welche die
musikalische Akademie in der abgelaufenen Saison veranstaltete,
folgende: Sinfonie D-dur (Nr. 4 der Breitkopf- und „Härtel'schen
Ausgabe) von J. Haydn, grosse Sinfonie Nr. 3 Es-dur op. 97 in
fünf Sätzen von Robert Schumann, componirt 1850; vierte Sin-
fonie B-dur op. 60 von Beethoven, zweite Sinfonie op. 36 D-dur
von Beethoven und die „Wallensteinsinfonie" von Rbeinbe/ger.
Die letztgenannte Sinfonie, au welcher der Componist tüchtige Ab-
striche, zumal im letzten Satze vorgenommen hatte uud so derselben
doppelt freundliche Aufnahme gewann, wurde von dem Componisten,
alle übrigen von Hrn. von Bülow dirigirt. Im letzten Concert führte
wegen Erkrankung des Hrn. von Bülow Musikdirector Meyer in
gewohnter Weise die Battuta.
Ferner weisen die Programme die Aufführung folgender Ouver-
türen auf: „Hamlet" Concert-Ouvertüre von Niels W. Gade, Ouver-
türe zu „Euryanthe" von C. M. von Weber, Ouvertüre zur „Ves-
talin" vonSpontini, componirt 1806, Festouvertüre C-dur („Weihe
des Hauses,* op. 124) von Beethoven, componirt 1822, Ouvertüre
zum „Beherrscher der Geister" op. 27 von C. M. von Weber und
Ouvertüre zu „Macbeth" von Chelard.
(Schluss folgt.)
Aus € 1$ 1 n.
Der Frühling mit dem jungen Laub, seinen Knospen, Blüthen
und Blumen ist erwacht; die Nachtigallen schmettern aus dem Chor
ihrer sangreichen Schwestern ihre schmelzenden Lieder durch Wald
und Flur, und ringsumher grünt und blüht die Natur in üppiger
Fülle und reizender Pracht. Bei dem Hauche der milden Frühlings-
iuft und dem hellen Sonnenscheine erbleichen die Gaslichter des
Concertsaalds ; es schliessen sich die Tempel der Kunst; Theater,
Bälle, Thee's etc. haben mit dem letzten trüben Winterabende ihr
Ende erreicht und alle Welt sehnt sich und strömt hinaus ins Freie,
um sich an der Pracht des jungen Lenzes zu erlaben und Erholung
zu finden auf luftiger Bergeshöhe, in dem Dufte idyllischer Wald-
einsamkeit oder in dem friedlichen Genüsse einer Villegiatur. Diese
wonnige Zeit des neuerwachten Naturlebens ist für den weniger be-
mittelten Fussgänger und ausübenden Musiker, wie für den Berichter-
statter oft eine trostlose Zeit, da diesem das Verdienst und jenem
der Stoff zu seinen Berichten mangelt und beide nicht in der Lage
sind Reiseeindrücke schildern und Kunstartikel aus dem Badeleben
bringen zu können.
Referent, welcher mit so vielen andern Menschenkindern das
gleiche Loos theilt , an die Scholle gebunden zu sein , wird daher
für die Sommerzeit wenig Bemerkenswerthes bringen können Und
nur ab und zu, wie sich grade eine Gelegenheit hierzu bietet, etwas
vernehmen lassen.
Gleichsam als würdiger Schlussstein der Winterconcert - Saison
wird nun um Pfingsten und zwar an den Tagen des 31. Mai, 1. und
"2. Juni in CÖln auf dem Riesensaale des Gürzenich das diesjährige
grosse Niederrheiuische Musikfest, sowie das fünfzigste Jahr seines
glanzvollen Bestehens, gefeiert und soll dasselbe als Jubelfest ganz
besonders glänzend in Scene gesetzt werden.*)
Die Proben für den Gesammtchor haben unter grosser Bethei-
ligung der sämmtlichen hiesigen Geöangeskräfte begonnen, reicher
Zuwachs von aussen steht zu erwarten und bereits treffen zahlreiche
Anmeldungen zu dem Feste, namentlich aus dem benachbarten Bel-
gien, Frankreich und Holland um reservirte Sitzplätze für die Con-
certabende hier ein.
Das diesjährige Pfingstfest verspricht demnach in jeder Beziehung
ein grossartiges und glänzendes zu werden. Die Solopartien ruhen
in den Händen wahrhafter Künstler und das sogenannte Künstler-
Concert wird auch dem Virtuosenthum gerecht werden.
Das Fest-Comite' ist eifrig bemüht, den Festtheilnehmern neben
dem hohen musikalischen Kuustgenuss noch eine ganze Reihe ge-
selliger, als Fest-Diners Ausflüge und Festivitäten aller Art vorzu-
bereiten, welche geeignet sein werden, den anwesenden Gästen und
zugeströmten Fremden die Tage ihres Aufenthaltes in dem altehr-
würdigen Cöln möglichst angenehm zu machen. Hoffentlich wird
ein heiterer Himmel das schöne Fest noch verschönern helfen.
Der „Cölner Männer-Gosangverein" wird seinen üblichen Sommer-
ausflug in diesem Jahre wiederum nach dem Oberrhein machen,
am 27. Juni Abends in Coblenz in dem grossen Saale des Lesever-
eins zum Besten des Baufonds der neuen kath. Kirche zu Braubach,
und am 28. Juni, Nachmittags 5 Uhr in dem grossen Orangerie-
Hause des grossherzoglichen Herren-Gartens in Bessungen bei
Darmstadt zum Besten des Baufonds des neu zu errichtenden Denk-
mals für Abbe" Vogler ein Concert veranstalten.
Im verflossenen Jahre hat der Verein bei seiner Anwesenheit
in Darmstadt zu dem Abt Vogler-Denkmal bereits einen soliden
Grundstein gelegt und hofft derselbe nunmehr den fehlenden Betrag
des Baufonds dem Comite zur Verfügung stellen zu können.
Dem Vernehmen nach werden in den beiden Städten Coblenz
und Darmstadt durch die betreffenden Fest-Comites die umfassensten-
Vorbereitungen getroffen, um die Cölner Sänger festlich zu em-
pfangen und gastlich aufzunehmen.
Auf die Pfingst-Concerte und die Sängerfahrt des kölner Män-
ner-Gesangvereins werde ich Gelegenheit finden später zurückzu-
kommen.
lachrichten.
München. Frl. Sophie Stehle ist von ihrer Kunstreise, zu
welcher sie ihren contractmässigen Urlaub benützte, mit reichlichen
Lorbeeren aus Süd- und Norddeutschland beladen wieder hieher
zurückgekehrt. An die glänzenden Erfolge, welche die vortreffliche
Sängerin und Darstellerin in Nürnberg und Mainz errungen (in
diesen Blättern bereits besprochen), reihten sich wahrhafte Triumphe»
welche derselben in Bremen und Hamburg bereitet wurden. In
ersterer Stadt trat Frl. Stehle als Gretchen in Gounod's „Faust,"
als Rose Friquet im „Glöckchen des Eremiten" und als Elsa in
„Lohengrin" auf. Es war das erste Mal, dass Frl. Stehle die letzt-
genannte Partie sang und die Berichte aus Bremen stimmen) darin
überein, dass diess eine ihrer bedeutendsten Leistungen ist, in wel-
cher poetische Auffassung und acht künstlerische Durchführung sich
zu einem wunderschönen Ganzen vereinigen. Die meisterhaft und
unübertreffliche Wiedergabe der beiden andern genannten Rollen
ist ohnehin schon so vielseitig anerkannt, dass es einer weiteren
Erörterung darüber wohl nicht mehr bedarf. Es möge daher nur
in Kürze constatirt werden, dass die sämmtlichen Leistungen Frl.
Stehle's von dem Bremer Publikum, das gerade nicht wegen seiner
leichten Erregbarkeit berühmt ist, mit wahrem Enthusiasmus auf-
genommen und der gefeierten Künstlerin bei jedem Auftreten die
schmeichelhaftesten Ovationen zu Theil wurden. Fast noch glän-
zender waren die Erfolge, noch stürmischer waren die Beifallsbe-
zeugungen, welche Frl. Stehle in Hamburg zu Theil wurden. Sie
trat dort als Gretchen, als Cherubin in „Figaro's Hochzeit," ala
Agathe im „Freischütz," als Selika in der „Afrikanerin" und zum.
*) Das ausführliche Programm siehe unter den Nachrichten.
Die Red.
- 80
Schlosse ihres Gastspiels nochmals als Gretchen auf und sowie das
Publikum von Hamburg bei jedem Auftreten der liebenswürdigen
Künstlerin dieselbe mit den unzweifelhaftesten Beweisen einer ent-
husiastischen Verehrung wahrhaft überschüttete, so stimmt auch die
gesammte Hamburger Presse darin überein, Frl. Stehle als Sängerin
wie als Darstellerin in die allererste Reihe unserer jetsigen deut»
sehen Operngrossen zu stellen und die Direction des Hamburger
Theaters nahm ihren Vortheil wahr, indem sie den so hoch gefeierten
Gast zur Bückkehr in der nächsten Saison engagirte. Somit wäre
denn mit der unbedingten Anerkennung der ausgezeichneten Ver-
dienste einer süddeutschen Künstlerin im hoben Norden wieder ein
kleines Stückchen deutscher Einigkeit, wenn auch nur im Gebiete
der Kunst, hergestellt.
Cöln. Das Programm für das zu Pfingsten dahier als 50jährige
Jubelfeier stattfindenden 45. Niederrheinischen Musik-
festes ist nun in folgender Weise festgestellt: I. Sonntag, den
31. Mai: 1) Prolog, 2) „Der Messias," Oratorium von G. F.Händel.
II. Montag, 1. Juni: 1) „O ewiges Feuer," Cantate zum Pfingst-
fest von J. S. Bach für Chor, Soli und Orgel (Bearbeitung von
Bober t Franz); 2) Die 2. Concertouvertüre (op. 101, A-dur) von'
F. Hiller; 3) Psalm 114 von Mendelssohn, für 8stimmigen
Chor, Orchester und Orgel; 4) Sinfonie Nr. 9 von Beethoven.
III. Dienstag, 2. Juni: 1) Festouvertüre (A-dur) vonJ. Rietz;
2) Violinconcert von Max Bruch, vorgetragen von Hrn. Joachim;
8) Sinfonie in D-moll von R. Schumann; 4) Gesang- und Instru-
mental- Solovorträge ; 5) „Hallelujah" aus dem Messias. Solisten
sind die Damen Frau Harriers-Wippern von Berlin und Frau
J o a ch i m von Hannover, sowie die HH. Dr. G u n z von Hannover,
Dr. S ch m i d t von Wien und J o a ch i m von Hannover. Die
Orgelpartie ist in den bewährten Händen des Hrn. Musikdirectors
Franz Weber in Cöln ; Ferdinand H i 1 1 e r ist der artistische
Leiter der sämmtlichen Aufführungen.
Paris. Am 30. April fand im Conservatorium ein grosses Con-
cert zum Vortheil der gewerblichen Schulen für junge Mädchen mit
folgendem Programm statt: Sinfonie in C-moll von Beethoven; Arie
aus „Semiramis" von Rossini, gesungen von Mlle. Battu; Marsch
und Finale aus dem Concertstück für Ciavier von Weber, vorge-
tragen von Hrn. Th. Ritter; Arie aus „Der neue Gutsherr" von
Boildieu, gesungen von Hrn. B a r r e ; Fragmente aus dem Septuor
von Beethoven ; „Santa Lucia," neapolitanisches Lied mit Variationen
von Braga, gesungen von Mlle. Battu; Ciavierstücke von Bach
und Ritter, vorgetragen von dem Letzteren; Ouvertüre zum „Frei-
schütz" von Weber.
— Hr. Pasdeloup hat in der Genovefa-Kirche den ersten
Theil und den Schlusschor der B a c h 'sehen „Matthäus-Passion*
und das „Alexanderfest" von Händel mit einem Personal von 400
Personen aufgeführt. Hr. Pasdeloup hat sich durch diese That neue
Verdienste um die Einführung der alten deutschen Meister in Paris
erworben.
Innsbruck. Spohr's Oratorium „Die letzten Dinge" ist hier
zum ersten Male, und zwar mit glänzendem Erfolg, zur Aufführung
gekommen. Fast jeder Nummer folgte stürmischer Beifall. Sowie
Frl. Dönig und Frl. Tiefenthaler und die HH. Kostenzer
und Vi Hunger ihre resp. Solopartien in wackerer Weise durch-
führten, so leistete auch der Chor, dem iu diesem grossartigen Werke
die grösste Aufgabe gestellt ist, mit seinen mehr als 100 kräftigen
und frischen Stimmen wirklich Vortreffliches. Der Leiter des Ganzen,
Herr Nagiller, bat sich durch dieses so schön gelungene Unter-
nehmen neue Verdienste um das hiesige Musikleben erworben.
*** Am 14., 15. und 16. Juni findet in Seh werin das sechste
Mecklenburgische Musikfest unter der Leitung des dortigen
Hofcapellmeisters A. Schmitt statt. Als Solisten wirken mit: Hr.
und Fr. Joachim, Schild aus Dresden (Tenor) und Carl Hill
aus Frankfurt a. M. (Bass).
*** Die Pianofortefabrik der HH. Boosey &Co. in London
ist vollständig abgebrannt.
%* Der in Stuttgart so plötzlich pensionirte Hofcapellmeister
Carl Eckert hat sich mit seiner Familie in Baden-Baden nieder-
gelassen.
Berichtigung. Bei den Berliner Correspondenzen in den Num-
mern 18 und 19 ist die Unterschrift des Verfassers, Carl Fuchs,
«us Versehen weggeblieben.
EI GE
Verlag von B. Schott'« Sdltnen in Mains.
Sinfonien für grosses Orchester, Partitur.
Neue billige Ausgabe in 8° auf das Sorgfältigste von anerkann-
ten Künstlern revidirt.
N* 1. Op. 21 Preis n. fl. 1. 48 kr. Thlr. 1. — Sgr.
„ 2. „ 36 „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 3. „ 55 beroique . . „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 ,,
„ 4. „ 60 „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 5. „ 67 ,, „ „ 2. 42 ,| „ 1. 15 ,,
„ 6. „ 68 pastorale . „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 7. „ 92 . . . . „ ,, ,, u. 42 ,, „ 1. 15 „
„ 8. „ 93 „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 9. „ 125 ,, „ „ 5. 24 „ „ 3. — „
Die lte, 2te, 8te und 9te Sinfonie sind bereits ausgegeben, die
übrigen werden nach und nach im Laufe des Sommers folgen.
AMSTERDAM: Th. J. ROOTHAAN * Cie.
JZ5 jfj Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst *£ 5
P3 & dankenswerthe Gabe , auf welche wir jeden Verehrer & a
ü 2 der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam •£ ^
• Ovo O *Q» Ö»
r* eoe ovo *^%
* ä machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) °£ *
.M MBr. •#. JP. MM EHE, |g
fl GRIEREEAMDS WORSTELSTRIJD |S
PQ j| (Griechenlands Kampf und Erlösung.) & oa
mS BEETHOVEN'» §~
gl Ruinen von Athen. |g
eg cg Ciavierauszug fl. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50. §|
W äE Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend,*'
O äp warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich & '
W ig der BEETHOVEN 'sehen Musik an. Möchten die deut- S %
•2 & sehen Concert- Institute recht bald mit ihr einen Versuch S gj
Tl H machen. (Allg. Musik-Ztg.) «| ►
Leipzig: FR. HOFMEISTER.
Verlag vou F. E. <C. Iieucfeart iu Breslau.
W. A. Mozarts
Clavier-Concerte, -Quartette & -Quintett
für Pianoforte zu vier Händen bearbeitet von
Hugo Ulrich.
Erste und einzig vollständige, neuerdings revidirte Ausgabe.
Nr. 1 bis 25 ä 1— 2 a /» Thlr. Alle 25 Nummern zus. genommen
anstatt 45 Thaler nur 30 Thaler.
Ludwig van Beethoven'»
CONCERTE
für Pianoforte zu vier Händen bearbeitet von
v Hugo Ulrich.
Nr. 1. Erstes Cla vier- Concert Op. 15 in C 2 Thlr.
„ 2. Zweites Clavier-Concert Op. 19 in B . . . . l'/s »
„ 3. Drittes Clavier-Concert Op. 37 in C-moll ... 2 „
„ 4. Triple- Concert Op. 56 in C 2 Vi ,.
„ 5. Viertes Clavier-Concert Op. 58 in G . . . . l'/a „
„ 6. Violin-Concert Op. 61 in D l*/e »
„ 7. Fünftes Clavier-Concert Op. 73 in Es . . . . 2 7a „
Diese erhabenen Tondichtungen erschienen hier zum ersten
Male in einer gleichmässigen Ausgabe zu vier Händen. Das meister-
hafte Arrangement ist verhältnissmässig leicht und wird nur irgend
gebildeten Spielern keine Schwierigkeiten bieten.
Verantw. Red, Ed, Föckerer. Druck ». Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
/W* 91.
25. Mai 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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} Diese Zeitung erscheint jeden J
| MONTAG. j
i Man abonnirt bei allen Post- 1
| ämtern, Musik- & Buchhand- j
( lungen. \
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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
PREIS:
n\2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
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INHALT: BeetlToven's Grossvater. — Corresp.: Leipzig. München. Mannheim. Berlin. — Nachrichten.
Beethovens Grossvater.*)
Der Musiker Ludwig van Beethoven, der Aeltere, war
geboren in Antwerpen am 23. Dezember 1712 und starb in B o n n
am 24. December 1773. Dieser Künstler stammte von einer seit dem
16. Jahrhundert iu Rostselaer, Leet'dael und B e r t h e m
in der Nähe von Löwen ansässigen Familie ab. Sein Grossvater,
Wilhelm van Beethoven, verheirathet mit Catharina Grandjean,
war 1705 Weinzapfer in Antwerpen; sein Vater, Heinrich Ade-
lard van Beethoven (geb. im Sept. 1683, gest. im Sept. 1745 in
Antwerpen), verheirathet mit Maria Catharina von Herdt (gest. im
Nov. 1753 in Antwerpen), war Schneidermeister. Dieser Letztere,
nachdem er mehrere Jahre in Wohlstand und in Behäbigkeit verlebt
und sogar 1713 das Haus genannt Sphera mundi, welches er in
der Rue neuve bewohnte, angekauft hatte, sah sein bescheidenes
Vermögen nach und nach dahinschmelzeu und bald vermochte er
kaum noch seine aus zwölf Kindern bestehende Familie zu ernähren.
Um das Elend auf den Gipfel zu treiben, traten auch noch Miss-
helligkeiten in der Hauswirthschaft ein und steigerten sieh zu einem
solchen Grade, dass der jüngste Sohn Ludwig dem väterlichen
Hause auf Nimmerwiedersehen den Bücken kehrte. Mit einer guten
Stimme und ziemlichen musikalischen Kenntnissen ausgerüstet, begab
er sich nach L Ö w e n und bot dort dem Capitel der Collegialkirche
zu St. Peter seine Dienste an, welches ihn auch am 2. December
1731 in die Zahl seiner Chorsänger aufnahm. Als einige Tage später
der Capellmeister Ludwig Colfs sich krankheitshalber auf einige
Zeit dispensiren lassen musste, wurde Ludwig van Beethoven mit
den Functionen desselben auf die Dauer von drei Monaten betraut.
— Nach Ablauf dieser Zeit begab sich unser junger Künstler nach
Bonn, wo er im Jahre 1733 seine Ernennung als wirklicher Hof-
und Capellsänger des Kurfürsten Clemens August, Prinz von Baiern
erhielt. Wahrscheinlich hatte er in herkömmlicher Weise die Func-
tionen eines solchen schon während des vorhergehenden Jahres als
Expectant ausgeübt. Er erhielt einen jährlichen Gehalt von 400 fl.,
eine für die damalige Zeit erhebliche Summe. Am 7. Sept. 1733
vermählte sich Ludwig van Beethoven, damals kaum 21 Jahre alt,
mit einem jungen Mädchen, Maria Josephine P o 1 1, welche erst 19
Jahre zählte. Von dieser Zeit an lebte er beständig in Bonn und
war während einer langen Reihe von Jahren einer der beliebtesten
Künstler an dem halb geistlichen halb weltlichen Hofe des Kur-
fürst-Erzbischofs. Dieser Fürst selbst, 1700 in Brüssel geboren, wo
«ein Vater Max Emanuel von Baiern damals als Generalstatt-
haher der Niederlande residirte, bezeigte dem Antwerpener Musiker
beständig ein grosses Wohlwollen. Nach dessen Tode setzte sein
Nachfolger Maxmilian Friedrich dessen Gunstbeweisen die
Krone auf, indem er van Beethoven im Jahre 1763 den hohen
Posten eines Generaldirectors der Hofcapelle übertrug, welchen der-
*) Diese Notizen über Beethovens Voreltern sind von Chevalier
Leon de Burbare für die in Belgien erscheinende Biographie
nationale geschrieben und in dem kürzlich ausgegebenen 2. Bande
derselben enthalten. Anm. d. Red.
selbe auch bis an sein Lebensende bekleidete. Obgleich er nun
erzbischöflicher Capellmeister war, so fuhr doch van Beethoven, der
sich die Frische seiner Stimme bewahrt hatte, noch fort, verschiedene
Rollen in den komischen Opern, welche zur Winterszeit auf dem
Theater des Kurfürsten aufgeführt wurden, zu singen. Im Jahre
1771 gab er französisch die Rolle des Vater Dolmon in „Sylvain"
von Gretry, und 1773 italienisch den Brunoro in „V Inganno Sco-
perto li von L u ch e s i.
Aus seiner Ehe mit Maria Josephine Poll (gest. in Bonn am
30. Sept. 1755) hatte Ludwig van Beethoven der Aeltere nebst
anderen Kindern einen Sohn Johann, geb. gegen 1740, der ihm 1763
als Titular-Capellsänger nachfolgte, nachdem er in der Capelle schon
seit 1759 mitgewirkt hatte. Dieser nun war der Vater des unver-
gleichlichen Meisters, des grossen Componisten, Ludwig van Beet-
hoven der Jüngere, welcher am 17. Dec. 1770 in der St. Remigius-
kirche von seinem Grossvater zur Taufe gehalten wurde und am 26.
März 1827 in Wien gestorben ist.
Das Porträt des älteren Ludwig v. B,, gegen das Ende seines
Lebens von dem Hofmaler Radoux gemalt, befindet sich gegenwärtig
in Wien im Besitze von Carl van Beethoven's Wittwe. Der alte
Herr ist halben Leibes in natürlicher Grösse abgebildet, mit einer
Pelzmütze auf dem Kopfe und ein Musikblatt in der Hand haltend.
Auch andere Beethovens vom Antwerpener Zweige habeu die
schönen Künste gepflegt, namentlich Peter v. B. , Maler und Schü-
ler Abraham GenoePs des Jüngeren um 1689 und Gerard v. B. ,
Bildhauer, welcher 1713 als Meistersohn in die Gilde von St. Lu-
cas aufgenommen wurde. Ludwig Joseph v. ß. , welcher die Zeich-
nerschule der k. Akademie in Antwerpen 1743 besuchte, war ein
jüngerer Bruder des älteren Ludwig van Beethoven,
CORRESPONDB5ZBN.
Aus Leipzig.
(Fortsetzung.)
Dön Schluss der diesjährigen Concertsaison der Musikgesellschaft
„Euterpe" machte am 9. März das 10. Concert und wenn wir haupt-
sächlich das »Wie" der Aufführung im Auge behalten, so konnten
alle Parteien, Publikum wie Director und Orchester mit diesem
Schlüsse zufrieden sein. Das Hauptverdienst dieses Resultates vin-
diciren wir in erster Reihe für den Dirigenten des Concertes, Hrn.
Musikdirector Jadassohn, der es durch Kenntniss, Umsicht und
Energie verstanden hat, in ein zierlich zusammengewürfeltes und
für einen derartigen Genre von Musik wenig oder gar nicht einge-
spieltes Orchester künstlerisches Wesen und Gebahren zu bringen»
und damit Aufführungen ermöglichte, die, den Verhältnissen nach
respectabel, dem Führer wie seinen Truppen zur Ehre gereichten.
Wenn wir uns nicht als Verehrer und Verfechter jener musika-
lischen Richtung bekennen, die gerade im ersten Theil dieses Con-
certes stark vertreten war, so sind wir doch weit entfernt, ihr das
- 82
Recht des Bestehens und des Vorgeführtwerdens zu bestreiten. Jeden-
falls wird jene Richtung in der Geschichte der Musik eine Stelle
einnehmen. Als Bossini seine Opern brachte, waren der Antago-
nismus dagegen wie der Fanatismus dafür kaum schwächer, als sie
sich jetzt, nur in einer neu bearbeiteten Ausgabe, zeigen ; von allen
jenen Opern, die damals Zorn oder Entzücken erregten, wird kaum
noch gesprochen; die Zeit ist darüber hingerauscht, der Geschmack
hat sich verändert, die Mode ist eine andere geworden. Und unter-
lagen Gluck's Opern bei ihrem Erscheinen nicht einem gleichen
Schicksal? Wir unsererseits zweifeln freilich nun sehr, dass der „Or-
pheus" von Fr. Liszt eben so alt wird wie der Gluck's. Ein Leben,
wo der Arzt fortwährend sinnen und denken muss, wie er es erhält,
wo er zu den heterogensten Mitteln greift, um es zu fristen, ist kein
rechtes Leben ; wo die Natur aufhört und das Raffinement beginnt,
ist der Zustand schon an und für sich ein ungesunder. Der Auf-
nahme nach zu schliessen, die diesem modernen Orpheus wurde,
waren der Zuhörer nicht gerade Wenige im Saal, die an dieser
Kost, genannt „sinfonische Dichtung, * Behagen und Wohlgefallen
fanden. Nun, chacun a son gout ; „Wenn auch der Sinn oft nicht
ganz klar, klingt's doch mitunter wunderbar l u Weniger wunderbar,
aber viel angenehmer und wohlthuender klang das darauf folgende
Duett aus der Oper „Beatrice und Benedict" von Hector Berlioz;
von einer reizenden, fasslicher Instrumentation gehoben tritt uns ein
wohlgeordnetes fliessendes Stück entgegen, das zwar nicht von viel
Tiefe der Empfindung und Auffassung zeigt, so vorgetragen aber,
wie es hier der Fall war, stets den besten Eindruck machen muss.
Es waren die Damen Fräulein Emilie Wigand und Frl. Clara
Martini, die uns diesen durch feines Verständniss und warmes
Gefühl vermittelten. — In gleich sinnvoller Weise wurden von ihnen
drei 2stimmige Lieder mit Pianoforte-Begleitung von R. Schumann
(op.43) behandelt; es waren: „Wenn ich ein Vöglein war," „Herbst*
lied" und „Schönblümlein, u deren Letzteres sie auf stürmisches Ver-
langen wiederholen mussten. Eben so musste auch in verdoppelter
Anflage der Entre - Act aus „Lohengrin" von Rieh. Wagner er-
scheinen, der zwischen diesen Gesangsvorträgen sich etwas recken-
haft ausnahm. Den zweiten Theil füllte Fr. Schuberts herrliche
C-dur-Sinfonie ; ihre Wiedergabe bildet, wie schon gesagt, einen
ganz würdigen Abschluss nicht allein dieses Concertes sondern der
sämmtlichen diesjährigen Concertaufführungen der Euterpe. Wie
jedes, so auch dieses Jahr gab am Busstage, d. 13. März der „Riedel-
eche Verein" ein Concert und brachte darin neben der Bach'schen
Cantate „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig" eine Wiederholung der
Missa solemnis von F. Kiel. Es ist dies um so dankenswerther,
als die Kiel'sche Messe ein Werk ist, .welches das Recht hat, sich
in den Repertoirs derartiger Concert - Aufführungen einzubürgern.
Mehr als bei der vorjährigen Aufführung traten uns seine grossen
Schönheiten entgegen, mehr noch überzeugten wir uns, dass es das
Product eminenten Fleisses, die Schöpfung eines der bedeutendsten
Talente ist, welche die Gegenwart aufweist. Die Wiedergabe beider
Werke war eine fast in allen Theilen recht gelungene; die Chöre
waren trefflich einstudirt und griffen fest und sicher ein, während
die Solopartien von den Damen Wigand, Martini und Schmidt
and den HH. Rebling und Richter zur besten Geltung gebracht
wurden.
Am 2. April fand die 25jährige Jubelfeier des hiesigen Con-
servatoriums für Musik statt. Der Abend vorher schon hatte die
Festgenossen, resp. Festgenossinnen, Lehrer wie Schüler, Einhei-
mische wie Fremde, Beschützer und Freunde der Anstalt, in den
Sälen des Schützenhauses in zwangloser Weise vereinigt, wo in
fröhlichem, geselligen Zusammensein die Stunden bis Mitternacht
schnell entschwunden waren. Zu ernsterem Thun versammelte man
sich wieder am Vormittage des 2. April im Saale des Conservatoriums.
Im Auftrage Sr. Majestät des Königs, des hohen Beschützers der
Anstalt waren von Dresden aus S. Excellenz der Htaatsminister
von Falkenstein und Hr. Geh. Hofrath Bär erschienen. Nachdem
ein Chor von Hauptmann die Feier eingeleitet und Hr. Director
Schleinitz in längerer Rede über Entwicklung und Wirken des Con-
servatoriums sich ausgesprochen hatte, ergriff der Herr Minister von
Falkenstein das Wort, hob die Verdienste der Anstalt hervor und
überreichte schliesslich als Zeichen allerhöchster Zufriedenheit und
Anerkennung von Seiten Sr. Majestät des Königs Herrn Advokat
Schleinitz, als Director der Anstalt das Ritterkreuz des Verdienst-
ordens, Hrn. Concertmeister David das Ritterkreuz des Albrecht-
ordens und Hrn. Musikdirector Richter ein Decret, durch welches
ihm der Titel K Professor" verliehen wurde. Diese drei Männer
waren seit Gründung des Conservatoriums au demselben thätig ge-
wesen; warum ein vierter keine Berücksichtigung gefunden hatte,
wussten sieb die Meisten nicht zu erklären, bedauerten es aber dafür
um so lebhafter. Nach Beendigung der Decorations-Cermonien er-
folgten Glückwünsche von allen Seiten — von der Stadt Leipzig
durch eine Adresse, überreicht vom Bürgermeister Koch — mündlich,
schriftlich und telegraphisch. Mit einem Chor von Men delsso b n
schloss die ganze Feierlichkeit.
(Fortsetzung folgt.)
A. u s München.
Anfangs Hai.
(Schluss.)
Im ersten Abonnementconcert der musikalischen Akademie
spielte Herr von Bülow das vierte Concert (G-dur op. 58) für
Ciavier und Orchester von Beethoven (componirt 1806). Das
war ein seltener Genuss für jeden Musikfreund : wir wenigstens haben
dieses Concert noch nie in solch untadelhafter Vollendung gehört.
Im dritten Concert wurde von den HH. von Bülow, Rhein berger
und Bärmann jun. das Concert in D-moll für drei Claviere mit
Streichinstrumenten von J. S.Bach ausgeführt. Wer die Schwierig-
keiten zu schätzen weiss, welche die Filigranarbeit solcher Ciavier*
concerte mit ihren unzähligen Verzierungen bei drei Spielern bietet,
der wird den Coucertanten das beste Lob zugestehen müssen, denn
nicht nur der Vortrag der streng rythmisirten Stellen Hess nichts zu
wünschen übrig, auch die musikalischen Arabesken wurden ausser-
ordentlich sauber und correct ausgeführt. In dem Tripleconcert für
Ciavier, Violine und Violoncell mit Orchester op. 56 von Beethoven,
das im letzten Abonnementconcert gespielt wurde, wirkten Frl.
H e i n t z, eine ausserordentlich begabte Schülerin Bülow's und die
HH. Hofmusiker B r ü ck n e r und Werner mit. Mit dem Vor-
trag des Mendelssoh n'schen Violinconcertes mit Orchesterbe-
gleitung op. 64 — Allegro appassionato, Andante, Allegro —
trat der neue Concertmeister Abel vor das hiesige Publikum. Längst
schon war man in den hiesigen musikalischen Kreisen gespannt,
prüfen zu können, welche Vorzüge denn der Neuberufene besitze, die
unseren in ganz Deutschland als einen der allerersten Geiger be-
kannten Walter aus der k. Musikschule verdrängten, Hrn. Walter,
der sich nicht bloss als ausserordentlicher Künstler, sondern ebenso
als ein gediegener Lehrer bewährt hatte. Die Prüfung fiel für Hrn.
Abel schlimm aus. Sein Vortrag entbehrte des Schwungs und des
Feuers, sein Ton der Kunst und Bedeutung, sein ganzes Spiel war
ähnlich einem solchen, wie wir sie an Maifesten an unseren Gym-
nasien gewohnt sind. Mit seinen Passagen hatte er ebenfalls kein
Glück, sie Hessen jene glockenreine Klarheit und Selbständigkeit
jedes einzelnen Tones vermissen, wie wir sie von Walter und auch
von Venzl und Brückner gewohnt sind. Als der Concertant seine
Aufgabe zu Eude gebracht hatte, applaudirten seine Freunde und
jener Theil des Auditoriums, welcher sich von je in seinem Urtheil
eine liebenswürdige Menschenfreundlichkeit angewöhnt hat. Man
Hess sie ruhig gewähren. Als seine übereifrigen Freunde ihn aber
noch ein zweites Mal zu rufen die Kühuheit hatten, war es der
Majorität im Saal doch zu stark, und es entstand ein so allgemeines
Zischen, dass der Applaus verstummte. Das erste Debüt Hrn. Abels
war dem zufolge kein glückliches. — Ebenfalls ohne Erfolg blieb
das von J. Venzl componirte und von dem Componisten und von
Hrn. Hofmusikus Lehuer ausgeführte Concertstück für zwei Violinen
mit Orchesterbegleitung Allegro, Andante, Allegro (zusammen-
hängend). Der Tristanstyl in einem Violinconcert war dem Audi-
torium zur Zeit noch zu neu, um gefallen zu können, besonders wo
die Composition in unglücklicher Weise zur Darstellung kam, da
Hr. Lehner seinen Compagnon oft in der schmählichsten Art im
Stiche Hess. — Grosser Beifall dagegen erregte der Hofmusiker
T i 1 1 m e t z durch den künstlerischen Geschmack und weitausgebildete
Technik verrathenden Vortrag eines Adagio für Flöte vonSpohr.
An Gesangsnummern boten die Programme keinen Mangel. Da
hörten wir zuerst eine wenig beschäftigte Hofsängerin Frl. Wilhel-
mine Ritter das Recitativ und die Arie mit obligatem (von Hrn.
83 -
Bärman n mit gewohnter Virtuosität gespieltem) Bassetborn aus
„Titus" — JEcco ilpunto — ■ vortragen. Der Glanz uod die Schön-
heit ihrer reichen Stimmmittel, die solide musikalische Bildung und
die künstlerische Weihe, welche sie bei dieser Gelegenheit darlegte,
schafften ihr reichen Beifall, der ihr auch zu Theil wurde, als sie
zwei S eh u m a n n'sche Lieder („Mondnacht" und Nr. 2 aus „Frauen-
liebe und Leben") sang. — Im dritten Abonnementconcert wurde
Frl. Therese Seehofer aus Wien, eine treffliche Sängerin mit
warmem Gefühle, mit fein gebildetem Geschmack, mit colossalen
Stimmmitteln, vorgeführt. Sie sang die Arie der Rezia aus „Oberon,"
„Ocean du Ungeheuer," und „die junge Nonne" von S ch u b e r t
und „Neue Liebe, neues Leben 11 von Beethoven mit ganz ausser-
ordentlichem Erfolge. Leider erkrankte sie bald darauf und die
Stimme war ermüdet und belegt, da sich die Künstlerin zum zweiten
Male dem Auditorium vorstellte. — Ein anderer Gast, der im Con-
certsaal besser gefiel als auf der Bühne, war der Baritonist St ä ge-
rn an n aus Hannover: er sang (hintereinander!) vier in der Stimmung
ziemlich con forme und dadurch ermüdende Seh um an n'sche Balladen
und Lieder mit schöner aber kleiner Stimme und verständigem Aus-
druck. — Beethoven's „Adelaide" wurde im letzten Concert von
Frl. Mallinger gesungen. Wenn uns Jemand von der Idee hätte
zurückbringen können, dass dieses Lied im Mund einer Sängerin
an Effect verliert, so wäre es unsere reizende Primadonna gewesen;
denn sie sang die classische Composition mit dem ganzen Zauber
ihrer schönen Stimme und ihrer unnachahmlichen Gefühlsinnigkeit
und erregte einen Beifallssturm, der ihr bewies, wie sehr man im
Auditorium ihre Kunst zu schätzen wisse. — Haben sie schon ein-
mal gehört, wie Bülow auf dem Flügel aecompagnirt? Ich glaube
nicht, dass Sie in diesem Genre schon Besseres gehört haben.
Wenn wir noch der Aufführung des frischen „Reitermarsches"
von S ch u b e r t (C-dur für Ciavier zu vier Händen) von Franz L i s z t
orchestrirt und des Adagio ed Andante quasi Allegretto aus der
Balletmusik „die Geschöpfe des Fromotheus" op. 43 Nr. 5 von
Beethoven, das aber vereinzelt und herausgerissen nicht mehr den
gewaltigen Eindruck übt, den es im Zusammenhang sonst zu erregen
gewohnt ist, Erwähnung thun, haben wir die Thätigkeit der musi-
kalischen Akademie, wie sie sich in ihren fünf Concerten darlegte,
in Kürze vollständig besprochen.
Lassen Sie mich nun noch mit wenigen Zeilen der an Genüssen
reichen drei QuartettsoirSen der HH. Walter, Closner, Tho-
mas und Müller (Mitglieder des Hoforchesters) gedenken. Diese
Quartettsoire'en gelten als der Sammelplatz der Münchener Musik-
freunde und in der That findet sich dort regelmässig eine immer
grösser werdende Schaar von Damen und Herren aus den besseren
Ständen ein, die als Musikkenner und Musikfreunde bekannt sind.
Was zur Aufführung kommt, ist ungemein sorgfältig vorbereitet und
einstudirt, ist durchaus in Fleisch und Blut der Aufführenden über-
gegangeu. Sie spielten von J. Haydn: das Quartett in G-moll
Op. 74 Nr. 74, das Quartett in G-dur Op. 77 Nr. 81 und das Quar-
tett in B-dur Op. 50 Nr. 44 ; von Beethoven das Quartett in
Es-dur Op. 127, das sie in der dritten Soir6e auf vielseitiges Ver-
langen wiederholten, und das Quartett in A-dur op. 18 Nr. 5; ferner
das C-dur- Quartett op. 10 Nr. 6 von Mozart, das A-dur- Quartett
op. 41 Nr. 3 von S ch u m a n n und unter Mitwirkung des Hof-
musikers B e n n a t das in seiner Klangschönheit unnachahmliche Quin-
tett in C-dur op. 163 von S ch u b e r t.
Ans Mannheim.
Die beiden letzten musikalischen Akademien des hiesigen Hof-
theaterorchesters, welche im Monat April stattgefunden, zeichneten
sich durch Vorführung theils bekannter, gediegener, theils für die
hiesigen musikalischen Kreise neuer Werke sehr vorteilhaft aus.
Von Letzteren wurde in der fünften Akademie Fr. Schuberts
unvollendete Sinfonie in H-moll gegeben und machte, wie auch an
andern Orten, den günstigsten Eindruck, ganz besonders fühlte man
sich allgemein von dem zweiten Satz, Andante, höchst angenehm
angesprochen. Ein weiteres für hier neues Werk war „Erlkönigs
Tochter" von G a d e, wovon die Solopartien Herr O. B., ein sehr
talentvoller Dilettant (Oluf), Frl. Hausen (Mutter Oluf s) und
Frau Ullrich-Bohn (Erlkönigs Tochter) sangen, die Chöre der
Theaterchor. Die Aufführung dieses in seiner häufig so anziehenden
Färbung eigentümlichen Werkes im Ganzen sowohl) wie die Einzel-
leistungen von Seiten der Solisten, die den Character ihrer Partien
in feiner Auffassung wiedergaben, befriedigte die Zuhörer in hohem
Grade. Die beiden übrigen Nummern dieses Concerts waren: „die
Lotosblume," von F. L a ch n e r und „der Hidalgo" von S ch u m a n n,
gesungen von Frau Ullrich -Roh n, und Beethoven's Fantasie
für Ciavier, Soli, Chor und Orchester; die Ciavierpartie spielte Hr.
Mertke mit gewohnter Meisterschaft, die Gesangsoli sangen die
Damen Ullrich-Rohn, Hausen, Ludwig-Medal, und die HH. Schüller,
Schlösser und Ditt.
Das sechste und letzte Concert hatte folgendes Programm :
Ouvertüre »Die Hebriden" von Mendelssohn; Recitativ und Arie
aus der „Schöpfung" von Haydn („mit Würd' und Hoheit ange-
than tt ); grosse Fantasie für die Harfe von Parish-Alvars; „In
dieser Stunde denkt sie mein" von Dorn; kleineres Stück für die
Harfe von G o d e f r o i d ; zum Schluss C-moll-Sinfonie von Beet-
hoven. Die beiden Gesangstücke wurden von Herrn August Ruff,
Concertsänger aus Mainz, vorgetragen, und wir freuten uns, in dem-
selben einen sehr verständigen wohlgebildeten und mit trefflichen
Stimmmitteln begabten Sänger kennen zu lernen, welcher Haydn's
Composition mit dem ihr innewohnenden Adel vortrug, während er
mit dem Liede von Dorn zeigte, dass er auch dem sentimentalen
Gefühlsausdruck vollkommen gerecht zu werden versteht, was ihm
von Seiten der dafür besonders Empfänglichen unter den Zuhörern,
deren es wohl überall nicht Wenige gibt, reichlichsten Beifall und
Hervorruf eintrug, und ihn veranlasste, das Lied zu wiederholen:
Die beiden Stücke für Harfe spielte der kön. bayr. Hofmusiker
Herr Vitzthum mit so entschiedener Meisterschaft, dass man ihm
mit wahrem Vergnügen zuhören mochte ; er beherrscht sein Instru-
ment in allen Nüancirungen des Tones vollkommen, indem er bei
starken Stellen grosse Tonfülle, und im entgegengesetzten Falle die
reizendste Feinheit entwickelt, zwischen beiden aber die Mitteltiuten
höchst massvoll anwendet. Die beiden Orchesterwerke wurden mit
gewohnter Präcision, die C-moll-Sinfonie namentlich in schwung-
voller Weise aufgeführt, und so wurden die diessjährigen Concerte
aufs würdigste geschlossen.
Vor kurzem gab der bisherige Bassist am hiesigen Theater,
Herr Becker, ein leider schwach besuchtes Abschiedsconcert unter
Mitwirkung des Herrn Nachbauer aus Darmstadt und mehrerer
Mitglieder des hiesigen Theaters. Die Quartett- und Kammermusik-
Abende der Herrn Konin g, Heidt, Mayer, Kündinger und
Mertke haben mit der 4. Aufführung ihren Abscbluss gefunden,
und nachdem noch die Liedertafel in den ersten Tagen des Mai
ein Concert gegeben, in welchem Chöre von F. Lachner, Zimmer-
mann, F. Schubert (Salve Regina) und Hetsch in sehr befriedigender
Weise zur Aufführung gelangten, dürfen wir die Concertsaison als
geschlossen betrachten und uns, so gut es in unserer weiten Ebene
gehen mag, dem Naturgenuss hingeben, neben welchem jedoch noch
immer das Theater zu Genüssen einladet, wo nach Acquirirung 1 eines
neuen Bassisten für die Oper in der Person des kürzlich schon er-
wähnten Herrn K ö g e 1 nunmehr wieder die grössern Opern wie
„Jüdin," „ Tannhäuser, a „Lohengrin," „Hugenotten," „Robert der
Teufel" u. A. gegeben werden; auch sehen wir für die nächsten
Tage dem Gastspiel des Baritonisten Hrn. Betz aus Berlin ent-
gegen, welcher als „Teil" und „Don Juan" auftreten wird. Die
Proben zu der Oper „RuyBIas vonMaxZenger sind gegenwärtig
im Gange, und soll dieselbe zu Anfang Juni zur Aufführung kommen.
Aus Berlin.
(S ch 1 u s s.)
Die am 4. d. M. durch Bilse aufgeführte Ouvertüre „Sappho"
von Const. Bürgel entsprach allen Erwartungen , welche man von
dem bereits bekannten Talente des Componisten hegen konnte , und
übertraf dieselben in Bezug auf die Gewandtheit, mit welcher die-
ser erste Versuch , für grosses Orchester zu schreiben , von ihm durch-
geführt ist. Dem Werke hat die Sage von der Sappho und ihrem
ungetreuen Phaon als Leitfaden der Erfindung gedient: Klarheit d«r
Umrisse , Breite in der Erfindung der Themata , Consequenz in ihrer
Verarbeitung, Reichthum an musikalischen Gedanken und Drama*
— 84 -
tik des Verlaufes bei lebendigem Colorit der Instrumentation sind
seine Vorzüge, welche es dem Besten in seinem Genre würdig an*
reihen. Den Namen „Ouvertüre sollte man nur aufgeben, wo keine
Handlung folgt, er macht den Eindruck einer gemalten Thür.
Eine hervorragende Stelle in den hiesigen Ereignissen der Win-
tersaison nehmen nun zunächst die „ Philharmonischen Concerte"
von B. Scholz ein, welcher in dem 7. derselben am 15. Februar
zum ersten Male eine Sinfonie in F-moll von eigner Composition
aufführte, bestehend aus Allegro appassionato , Andante , Presto
$rherzando, Finale. Wenn nicht durch Grossartigkeit, so erndete
das Werk durch Grazie der Erfindung den Beifall der Hörer, welche
Eigenschaft besonders in den zwei letzten Sätzen hervortrat. In
Bezug auf das Ganze als solches kann man sich der Wahrnehmung
nicht verschliessen, dass die Erfindung hinter der Ausführung zurück-
steht,' sie füllt die grossen Dimensionen der Sinfonie nicht mit vollen
Formen aus, und lässt der erste Satz an Grösse der Gedanken
wohl das Meiste zu wünschen übrig ; die meiste Auszeichnung verdient
das Scherzo , in welchem ein feiner lebensfrischer Humor sein Spiel
treibt ; wie dem ganzen Werke , kam insbesondere diesem Satze die
geistreiche und energische Art zu Statten , mit welcher B. Scholz
dirigirt. — Das Programm enthielt wieder eine Composition von G.
Vierling, „Zur Weinlese" (nach Anacreon) Chor mit Orchester-
begleitnng — sie hat den grossen Vorzug, dass Form und Inhalt
einander decken , wobei ich unter Form nicht die Symmetrie der
Theile , sondern das Verhältuiss des Objectes zur Darstellung ver-
stehe. (Jene Symmetrie der Theile , die man nach der Elle messen
kann, und welche in gewissen Fällen sogar von der Architektur nicht
mehr als Bedingung des Verständnisses erachtet wird, macht nach
meiner Meinung nicht die Form eines Musikstü ckes aus , sondern
nur das Schema desselben, welchem die grösste Freiheit, wofern
nur Verständlichkeit übrig bleibt, zu lassen der Umstand allein Grund
genug ist, dass die Musik nicht im Raum , sondern im Nacheinander
der Zeit erscheint.) Der Chor besteht aus 10 Zeilen dieses Vers-
ii
maasses : w _z_ w w . w p w _'_ ^ ^ j. ^
Der Uebersetzer hat beide erste Zeilen und dann auf denselben
Beim jede zweite der übrigen 8 gereimt. Abgesehen von einer Stelle,
wo sich in den Jubelschall der Winzer nach meinem Gefühl zu viel
Schalljubel des Orchesters mischte — das Triangel fängt beiläufig, wie
im 2. Concert von Liszt, einmal allein an — war Alles von dem Wohl-
klang und der freien, aber maassvolleu Lust beseelt, welche der an-
tike Text verlangt; es fand auch sehr reichen Beifall bei dem Pu-
blikum ; die Ausführung durch den academischen Gesangverein, durch
Herrn Schmidt eiustudirt, hatte dabei verdienstlichen Antheil.
Nachdem derselbe das Publikum durch diese Leistung gewonnen
hatte, erwarb er sich durch den „Gondelfahrer" von Schubert
einen da cw/?o- Ruf, während die Composition keineswegs den Vor-
zug vor der Vierling'schen verdient, da sie von ziemlich naturali-
atischer Einfachheit ist. — Weitere Gelegenheit zu excelliren bot
der Abend Herrn ß. Schmidt als Pianisten in dem Vortrag des E-
moll-Concertes vou Chopin. Das Werk an und für sich macht
allerdings nicht den Eindruck wie der Name Chopin — der Vortrag
hatte alle Vorzüge, welche gelehrt werden können und einige mehr,
z. B. persönliche Rundung und Conformität des Spieles, und war
frei von den Mängeln , mit welchen bei höheren Ansprüchen an Be-
deutung Andere sich nicht scheuen aufzutreten ; in der sympathischen
Feinheit und Freiheit des Vortrages näherte sich Herr R. Schmidt
nicht genug seinem Meister Th. Kullack, um durch den Vortrag des
.Andante anziehend zu wirken, aber das Ganze darf wohl als eine
tüchtige und verdienstliche Clavierspiel-Leistung bezeichnet werden
welcher vom Publicum mit Beifall und Hervorruf gelohnt wurde. —
Die Coriolan -Ouvertüre von Beethoven in würdiger Ausführung
Latte das Concert eingeleitet. Carl Fuchs.
Nachrichten,
Mainz. Der bisherige Director unseres Stadttheaters, Hr. Behr,
bat seinen Vertrag gekündigt. Der Stadtrath hat die Kündigung an-
genommen und es ist die weitere Verpachtung unserer Bühne zur
Coucurrenz ausgeschrieben.
Paris. Am 4. Mai hat MUe. Patti mit der Rolle der Lucia
die Vorstellungen der italienischen Oper geschlossen. Natürlich
regnete es den ganzen Abend hindurch förmlich Blumen, so dass
man am Ende unter der Fülle von Bouquets und Kränzen die Ge-
feierte kaum mehr herausfinden konnte. Auch für den Tenor N i c o-
lini fiel ein guter Theil von Blumen und Beifall ab. Gegenwärtig
singt die „Göttliche" bereits in L o n d o n unter denselben Symptomen
des enragirtesten Enthusiasmus von Seite des Publikums, wie hier
in Paris.
— Die Einnahmen der Theater, Concerte und öffentlichen Schau-
stellungen jeder Art in Paris betrugen im abgelaufenen Monat
April die Summe von 1,642,802 Frcs.
— Mme. Carvalho hat sich nach Brüssel begeben und ist
dort als Julie in Gounod's neuester Oper mit enormem Success-
aufgetreten.
— Hector Berlioz, welcher zur Erholung von den Strapazen,
seiner Reise nach Russland sich nach Monaco begeben hatte, ist
von dort in Folge eines unglücklichen Sturzes sehr leidend hieher
zurückgebracht worden und sein Zustand gibt noch immer Anlass.
zu grosser Beunruhigung in Betreff der weiteren Folgen des be-
klagonswerthen Unfalls.
*** Frl. S e s s i ist auf drei Jahre für die königl. Oper in
Berlin engagirt worden. Eben daselbst ist Frau von Voggen-
buber am 1. Mai als engagirtes Mitglied eingetreten.
*** Der Pianist Leopold von Meyer, welcher von Nord-
amerika wieder nach Europa zurückgekehrt ist, hat dort in nicht
weniger als 75 Concerten gespielt, was ihm in runder Summe 40,000
Dollars eingetragen haben soll.
*#* Bei Gelegenheit der Enthüllungsfeier des Luther-Denk-
mals in Worms (24., 25., und 26., Juni) werden Mendel ssohn's
„Paulus," eine Cantate von Vincenz Lach ner über „Ein' feste Burg
ist unser Gott" und noch andere Werke unter der Leitung Laeh-
ner's und des Wormser Gesaugsdirigenten Steiuwartz zur Auf-
führung kommen.
*** In Regensburg ist am 2. Mai der durch seine musik-
literarische Thätigkeit in weiteren Kre isen bekannte Dr. Dominicas
Metten leite r, Chorvicar bei St. Emmeran, im Alter von 46 Jahren
gestorben. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt, seine Kunst-
geschichte Baierns zu vollenden.
*** Der Director des Stadttheaters in Co In, Hr. Ernst, fei»
erte unlängst sein 25jähriges Theaterjubiläum , bei welcher Veran-
lassung ihm von dem Regisseur in Anwesenheit des gesammten Per-
sonals und im Namen desselben ein silberner Lorheerkranz und ein
photographisches Album mit den Portraits sämmtlicher Mitglieder
seiner Bühne überreicht wurde.
*** In der grossen Oper zu Petersburg wurde eine Sin-
fonie für Orchester, Soli und Chor betitelt: „Johanna d'Arc" von,
Alfred Holmes bereits zweimal unter der Leitung des Com-
ponisten mit ausserordentlichem Erfolge aufgeführt.
*** Die Kosten des neu zu erhauendeu Her Majesty' $-The&ter&
in London wurden auf 65,000 Pfd. Sterling veranschlagt. Der
Prinz von Wales wird den Grundstein zu demselben legen.
V* In Paris ist der Held der Cafe's chantants, der Ver-
fasser der berühmtesten Pariser Chansonnetten und Strassenlieder,.
Paul Balquerie, im Alter von 35 Jahren gestorben.
*** Bei G. Heinz e in Leipzig ist soeben erschienen: „Joseph
T ich at s ch e ck, eine biographische Skizze nach handschriftlichen
und gedruckten Quellen/
V Joachim hat in Copenhagen ausserordentliche Sen-
sation erregt. Eine ähnliche Enthusiasmirung des dortigen Publi-
kums ist bisher noch keinem Künstler gelungen und der allgewal-
tige Bogen des unvergleichlichen Meisters hat seine Zaubermachi
auch im hohen Norden wieder glänzend bewährt.
%* Der Baritonist der grossen Oper in Paris, Faure, der
ein grosser Jagdfreund ist, erhielt vom Kaiser Napoleon zwei sehr
schöne Gewehre zum Geschenk.
%* Der „Wiener Männergesangverein" ist der „Gesellschaft
der Musikfreunde" als Stifter mit 2000 fl. beigetreten, die in 5,
Jahresraten 4 400 fl. a bbezahlt werden.
Druckfehler. In voriger Nummer lese man im Literaturbericht.
J. Guttentag statt Guttenberg. ________^_
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
jf* 99
1. Juni 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
Dieße Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
Manabonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
-äffe'-*
'? © ff II • g
von
B.
| PREIS: i
I fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. |
für den Jahrgang.
SCHOT T'S SÖHNEN in MAINZ. ; Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. * *
INHALT: Das grosse Händelfest. — Corresp. : Mainz. Leipzig. Berlin. Paris. — Nachrichten.
Das grosse M&ndelfest im Crystal-
Palast zu Sydenliam.
Die lange bestehenden, seit 1859 sich regelmässig von drei zu
drei Jahren wiederholenden grossen Händel feste im Crystal-
Palast zu Sydenham, deren drittes im Juni dieses Jahres stattfinden
■wird, bieten durch die colossalen Mittel mit welchen dieselben durch-
geführt werden, durch die Grossartigkeit der Aufführungen und durch
die denselben in riesigstem Massstabe zugewendete Theilnahme von
Seiten des Publikums des Interessanten genug dar, dass wir hoffen
dürfen, es werde unseren Lesern die Mittheilung einiger Notizen
über diese Feste nicht unwillkommen sein. Wir entnehmen dieselben
dem von dem Londoner ComitS darüber veröffentlichten Programme.
Von dem Umfange, welchen diese Musikfeste iu England mit
der Zeit gewonnen haben, mag man sich einen Begriff machen, wenn
man erfährt, dass die letzten vier Händelfeste von ungefähr einer
Viertelmillion von Zuhörern besucht wurden und eine Einnahme von
weit über 100,000 Pfd. Sterling ergeben haben. Dabei muss erwähnt
werden, dass auch in anderen Städten Englands, wie in Birmingham,
Norwich, Worchester, und Hereford abwechselnd jährlich
grosse und ausserordentlich besuchte Musikfeste stattfinden, bei wel-
chen ebenfalls Handelns Oratorien im Vordergrunde stehen, wenn
auch die Oratorien von neueren Meistern dort abwechselnd zur Auf-
führung kommen. Die dreijährigen Händelfeste im Crystalpalast
sind jedoch ausschliesslich Händel's Werken gewidmet. Das dies-
jährige Fest findet am 15., 17. und 19. Juni statt, jedes der drei
Concerte um 2 Uhr Mittags beginnend. Der erste Tag bringt den
„Messias," der zweite eine Auswahl aus verschiedenen Händel'achen
Oratorien und der dritte Tag „Israel in Egypten." Für die Akustik
des ungeheueren Festlokals, welches das Transept des Crystalpalastes
einnimmt, ist schon bei den früheren Festen alles Mögliche mit
grossem Kostenaufwand geschehen, indem man feste Wände und eine
entsprechende Decke hergestellt und auch dieses Jahr den Erfah.
rungen der früheren zufolge noch neue Verbesserungen in diesem
Sinne angebracht bat. so dass nicht nur die grösste Deutlichkeit in
den Massenwirkungen erzielt, sondern auch den Solosängern die
Möglichkeit gegeben wird, trotz der riesigen Raumverhältnisse sich
ohne übermässige Anstrengung überall gut verständlich zu machen.
Die Leitung der Festcoucerte ist in die Hände Costa's gelegt, des
Mannes der uustreitig durch Directionstalent und durch vielfache
practische Uebung als der geeignetste erscheint, solche Massen, wie
sie hier ins Feuer geführt werden, zu lenken und im Zaum zu halten.
Der Baum, welchen die Bühne für Chor und Orchester einnimmt, um-
fasst nicht weniger als 16,000 Quadratfuss und ist bestimmt, gegen
4000 Mitwirkende aufzunehmen. Für das Orchester sind 250 Musik-
pulte aufgestellt, welche von 400 Geigern, darunter 150 Violoncells
und Contrabässe, und der entsprechenden Anzahl von Bläsern einge-
nommen werden. Der etwa 3500 Stimmen zählende Chor besteht
* um weitaus grössten Theile aus Dilettanten, doch darf man nicht
denken, dass es dort jedem quasi Sänger oder jedem Dämchen, das
eben auch gerne mit dabei sein mochte so leicht gelingt sich in den
Chor einzuschmuggeln. Nur wer wirkliche Proben seiner Befähigung
abgelegt und dann mit Eifer und Regelmässigkeit den Proben bei-
gewohnt hat, wird für würdig erachtet, bei den Festconcerten mit-
zuwirken, ein Verfahren, welches bei unsern deutschen Musikfesten
mitunter sehr zur Nachahmung zu empfehlen wäre. Der Zuhörer*
räum ist in 12 grosse Quadrate getheilt, welche durch einen von
dem Eingange gegen die Orchesterbühne führenden geräumigen Gang
in zwei gleiche Hälften getheilt werden ; die rechts liegenden sind
mit einfachen, die links liegenden mit verdoppelten Buchstaben be-
zeichnet. Links und rechts laufen längs der Seitenwände geräumige
Galerieen hin. Ausserdem hat man eine im vorigen Sommer bei
der Anwesenheit des Sultans dem Orchester gegenüber angebrachte
Emporbühne stehen lassen, welche Logen und damit verbundene
Empfangszimmer für Besucher von hohem Range enthält. Ausser-
dem gibt es im Saale noch rechts und links zwischen den Quadraten
und den Seitenwänden nichtnummerirte Sitzplätze zu billigeren Preisen*
Die Preise betragen für die drei Concerte : für die in der Mitte des
Saales liegenden Quadrate 3 Guineen, für ein einzelnes Concert 25
Schilling; für die äusseren Quadrate 2 7» Guineen und für ein ein.
zelnes Concert 1 Guinee; Galerieplätze kosten 2 Vi Guineen für 3,
oder 1 Guinee für 1 Concert. Für die nichtnummerirten Plätze im
Saalraum werden 7 1 /* Schilling für das einzelne und 1 Gninee für
die 3 Concerte bezahlt. Bei Gelegenheit dieses Händelfestes wird
ein Facsimile der im Besitz der Königin von England befindlichen
Originalpartitur des „Messias" von der „Sacred Harmonie Society*
mittelst Photo-Litographie in beschränkter Anzahl veröffentlicht und
in zweierlei Ausgaben zu 1 und 2 Guineen per Exemplar auf Sub-
scription verkauft werden.
KM»04
CORRESPONDENZEN.
Aus Mainz.
2h. Mal.
Gestern Morgens 10 7» Uhr fand im Akademiesaale des ehemals
kurfürstlichen Schlosses das dritte Vereinsconcert der Mainzer
Liedertafel und des Damengesangvereins unter der Leitung
des Vereinsdirigenten Hrn. Friedrich Lux und unter gefälliger
Mitwirkung der Frl. Ida Dannemann aus Elberfeld und Frl.
Kath. Schneider von hier mit folgendem Programm statt : 1) Zwei
Sätze (Allegro Andante) der unvollendeten Sinfonie in H-moll von
Fr. Schubert (zum 1. Male); 2) Concert- Arie von Mendelssohn,
gesungen von Frl. Dannemann; 3) Capriccio für Pianoforte mit
Begleitung des Orchesters von Mendelssohn, vorgetragen von
Frl. Schneider; 4) der 23. Psalm für vierstimmigen Frauenchor
mit Begleitung des Pianoforte von Fr. Schubert; 5) a. „Dein
Leben schied, Dein Ruhm begann" von Jul. T a u s ch, b. „Salamis"
von Fritz Gernsheim, Männerchöre mit Orchesterbegleitung (zum
1. Male) ; 6) Berceuse von Chopin und Rondo brillant in Es-dur
von Weber für Pianoforte, vorgetragen von Frl. Schneider;
- 86 -
7) „Schön Ellen," Ballade für Soli, Chor und Orchester von Max
B r u ch (zum 1. Male). Obwohl dieses Spätlingsconcert an einem
ins Freie mächtig lockenden schönen Sonntagsmorgen stattfand, so
zog doch das an interessanten Novitäten so reiche Programm eid
so zahlreiches Auditorium an, das* der sehr geräumige Saal voll-
ständig gefällt war. Da die sämmtlichen im Programme als Novh
täten bezeichneten Compositionen in diesen Blättern schon mehrmals
besprochen und nach Verdienst gewürdigt wurden, so können wir
uns auf ein Urtheil über deren hiesige Executirung und Erfolg be-
schränken. Die Fragmente der Schubert'schen H - moll - Sinfonie
wurden mit einer in Anbetracht der wenigen vorhergegangenen Proben
recht erfreulichen Abrundung zu Gehör gebracht; es wurde von den
Mitwirkenden So recht con amore gespielt und in den lebhaften
Beifall des Publikums mischte sich nur das Bedauern, dass ein so
vortreffliches, geist- und gemüthvolles Werk unvollendet bleiben
ttusste. In Frl. Ida Dannemann, welche die Concertarie von
Mendelssohn vortrug, lernten wir eine am Niederrhein wohlbekannte
Concertsängerin kennen, welche im Besitze einer klangvollen, kräf-
tigen Mezzosopranstimme ist und mit Geschmack, Verständniss und
Wärme vorzutragen versteht; doch Iässt die Deutlichkeit der Aus-
sprache zu wünschen übrig und die leider so allgemeine Unsitte des
Tremolirens hat auch diese Künstlerin sich in hohem Grade ange-
eignet. Eigentlich sollte man über dieses epidemische Gesangsübel
gar nichts mehr sagen, sondern sich auf die Hervorhebung der nur
noch sporadisch vorkommenden Fälle des Nicht- Tremolirens be-
schränken. Der Schubert'sche Psalm für Frauenchor fand eine recht
glatte, ansprechende Wiedergabe und freundlichste Aufnahme von
Seiten der Zuhörer. Die Wirkung dieser schönen Composition wäre
bedeutend erhöht worden, wenn die zahlreichen im Saale zerstreut
sitzenden Mitglieder des Damengesangvereins den Chor hätten ver-
stärken wollen. Die beiden prächtigen Männerchöre von Tausch
und Gernsheim wurden tadellos und mit lebhaftem Schwünge vor-
getragen. Unsere wackeren Säuger hatten dieselben bei dem voriges
Jahr stattgefundenen Jubiläum der „Düsseldorfer Liedertafel" mit-
gesungen und bei dieser Gelegenheit den Königspreis im Wettsingen
erobert und es schien als ob die Erinnerung an jenen schönen Sieg
noch immer begeisternd wirkte. Was die beiden Compositionen
selbst betrifft, so können wir das von vielen Seiten schon ausge-
sprochene rühmende Urtheil über dieselben nur bestätigen und auch
das Publikum wurde durch deren Schönheiten zu stürmischem Ap-
plaus hingerissen. In Frl. S ch n e i d e r, einer jungen Pianistin,
welche mit den oben angeführten Ciavierstücken zum ersten Male
vor das Publikum trat, lernten wir eine recht talentvolle und streb-
same Künstlerin mit schon ziemlich vorgeschrittener Technik, tact-
festem und sauberem Vortrag kennen; möge der ihr reichlich ge-
spendete Beifall sie zu fernerem rastlosen Streben nach der höchsten
Weihe der Kunst anspornen. Den Glanzpunkt des Concertes bildete
Max Bruch's hier noch neue Ballade „Schön Ellen," welche, mit sicht-
licher Vorliebe von sämmtlichen Mitwirkenden ausgeführt, die reiche
Erfindungsgabe sowie die meisterhafte Gewandtheit des Componisten
in Behandlung der Vocal- wie der Instrumentalmittel in das glänzendste
Licht stellte, mit ausserordentlichem Beifall aufgenommen wurde und
den lebhaften Wunsch bei jedem Musikfreunde erregte, dass man
uns auch mit anderen ähnlichen Werken des talentvollen Autors
welche seinen Euf so schnell und fest begründet haben, recht bald
bekannt machen möchte, sowie denn überhaupt die überaus günstige
Aufnahme, welche das Programm des in Bede stehenden Concertes
gefunden hat, der Vereinsdirection bei der Aufstellung künftiger
Concertprogramme als ein nicht zu verachtender Fingerzeig dienen
dürfte. Der Chor sang sicher und mit Feuer, obwohl er bei der
starken Instrumentirung mituuter zu schwach besetzt erschien, und
auch das Orchester wirkte in sämmtlichen betreffenden Nummern
mit lobenswerthem Feuer und namentlich liess auch die Stimmung
der Blasinstrumente bei dieser Gelegenheit fast nichts zu wünschen
Übrig. Die Soli wurden von Frl. Dannemann und einem sehr tüch-
tigen Vereinsmitgliede in anerkennenswerther Weise vorgetragen
und Herrn Lux gebührt das Lob sorgfältiger Vorbereitung und
energischer und geschmackvoller Leitung des ganzen Concertes«
Möchte die nächste Saison uns viele ähnliche Genüsse bringen, wel-
che sich bedeutend steigern werden, wenn die activen Mitglieder
beider Vereine ibter Verpflichtungen gewissenhafter eingedenk sein
wollen. E. F.
Aus Leipzig.
(Fortsetzung und Schluss.)
Abends 7,7 Uhr begann im Saale des Gewandhauses das Fest»
e'oncert, dessen Programm lediglich aus Compositionen von jetzt noch
an der Anstalt fungirenden Lehrern bestand und auch nur vom
Sehülern und Schülerinnen des Conservatoriums ausgeführt wurde.
Die Nummern desselben waren, wie folgt: 1. „Adoramus te, Christel
Chor von Bobert Pappe ritz, ein edel gehaltenes und formell vol-
lendetes Tonstück. 2. Quintett für Pianoforte und Streichinstrumente
(Op. 83) von Carl B e i n e ck e den besten dieser Gattung in der
Neuzeit sich anreihend , gespielt von den HH. Oscar Henning
aus Waidenburg in Schlesien, Max Brode aus Berlin, Christian
Ersfeld aus Coburg, Heinrich Kl esse ans Gleiwitz in Schlesien
und Julius He gar aus Basel. 3. Capriccio (op. 2) für 3 Violinen
von Friedrich Hermann, — ein Stückchen voll kecker Laune, aber
mit Geschmack und künstlerischem Sinn gearbeitet — gespielt von
den HH. Brode, Ersfeld, und Courvoisier ans Basel. 4. Sin-
fonische Sonate in 3 Sätzen für 3 Hände von Ignaz Mosche-
1 e s, auf 2 Flügeln aus der Fabrik von Breitkopf und Härte! vor-
getragen von Frl. Elisabeth Dannenberg aus Kursk, Frl. Maria
Thorbecker aus Osnabrück , Herrn Max W o g r i t s ch aus
Hermannstadt und Herrn Alexander Rasmadze" aus Moskau ; eigens
für das Fest componirt, konnte man nur staunen über die dem greisen
Meister uoch innewohnende Productionskraft und Leichtigkeit des
Schaffens. 5. Zwei Lieder für Frauenstimmen (Soli und Chor)
mitPianofortebegleitung für das Fest componirt von E. F. Richter
die Soli gesungen von Fräulein Büschgens aus Crefeld und Frau
Anna Werder aus Leipzig (ehemalige Schülerin des Conservatoriums)
die Pianofortepartie ausgeführt vom Sohn des Componisten Herrn
Alfred Richter. „Frühlingsglaube* und „die Elfen" (beide von
Unland) betiteln sich diese beiden reizenden Tonbilder, die sicher
in Bälde in die Repertoire aller Chorgesangvereine aufgenommen-
diese bereichern und zieren werden. 6. Drei Stücke für Vio-
line mit Pianofortebegleitung von Ferd. David, gespielt von den
Violinschülern der Anstalt: Fuge (op. 89 Nr. 16) Impromptu (op.40
Nr 2) und „Frisch und lebendig" (op. 36 Nr. 2), machten in dieser
Weise eine ganz prächtige Wirkung. Sämmtlichen Leistungen über-
haupt Iässt sich nur Gutes nachsagen, ja bei den meisten derselben
trat der Gedanke an die ausführenden Persönlichkeiten, dass es
Schüler der Anstalt wären, fast ganz in den Hintergrund. Die Auf-
nahme derselben war durchaus eine sehr beifällige, sehr oft ganz
enthusiastische, die Beifallssalven regneten nur so herab und die
Hervorrufe der Lehrer und Schüler wollten gar nicht enden. Fast
schien es, als wollte das Publikum die Ersteren entschädigen für
alle die Mühen, welche sie auszustehen haben, die Letzteren — viel-
leicht für alle die grossen und kleineu wirklichen und vermeintlichen
Leiden, die der Ernst des Studiums mit sich bringt. — Nach dem
Concert vereinigte die Festgenossen noch einmal ein Abendessen im
Schützenhause zum flöhlichen, gemüthlichen Zusammensein; eine
Reihe ernster, sinniger und humoristischer Toaste erhöhte die Freuden
des Mahles, das sich bis nach Mitternacht ausdehnte. Was dem
Mahle folgte, ist nicht schwer zuerrathen; es müsste denn nicht so
viel Jugend bei einander gewesen sein, die nicht bloss mit den
Fingern Virtuosen sein wollten! — So endigte denn dieses Fest^
das gewiss allen Theilnehmern für lange Zeit eine angenehme Er-
inuerung bleiben wird.
Schliesslich sei noch in Kürze der wie alljährlich am Charfrei-
tag stattgefundenen Aufführung der Bach'schen „Matthäus-Passion"
zum Besten der Wittwen und Waisen des hiesigen Stadt-Orchesters
gedacht. Es ist zur schönen Sitte geworden, dies herrlichste aller
Meisterwerke an dem heiligen Tage zu Gehör zu bringen und den-
selben dadurch auch musikalisch am würdigsten zu feiern. Da nun
zugleich damit ein so edler menschenfreundlicher Zweck verbunden
ist , so war es nicht zu verwundern , dass den heiligen Klängen
eine zahlreiche Zuhörerschaft mit Andacht und Bewunderung lausch-
te. War doch die Aufführung eine fast durchweg gelungene. Chor
und Orchester losten die ihnen lieb gewordeneu Aufgaben mit Fleiss
und Eifer ; von Solisten ist besonders Frau Ott o-A 1 v s 1 e b e n von
Dresden hervorzuheben, welche die Sopran-Solis mit ihrer hellen,
lieblichen Stimme so innig und verständniss voll sang, dass man
sich's gar nicht besser denken kann ; Herr Bietzacher aus Hau-
— 81 -
oover war eio ganz würdiger Christas und auch Hr. Otto, Dom-
aänger aus Berlin, entsprach nach Kräften den schwierigen Anfor-
derungen, die die Partie des Evangelisten an den Sänger stellt ?
das 8 er sich dieselbe an vielen Stellen seinen Stimmmiteln entspre-
chend zarecht gelegt hatte , darüber können ihm nur strenge Pu-
risten Vorwürfe machen. Frau Huf ner-H arken gab sich mit der
Altpartie viel Mühe ; ernste Studien werden sie wohl dem Verständ-
niss dieser Musik noch näher bringen und eine deutlichere , correc-
tere Ausprache wiederum dies Verständniss gegenüber dem Publikum
vermitteln.
Aus W i c n.
(Die Concertsaison 1867/68. — Schluss der Oper.)
Die »Saison ist zu Ende! Im Concertsaal und auf der Bühne,
dem Tummelplatz hurtiger Finger und thatendurstiger Kehlen, herrscht
die Stille des Grabes. Wenige Wochen und Monden und der Kampf
beginnt aufs Neue und vermehrt die Musikgeschichte um ein weiteres
Blatt. Ueber die Concerte der Philharmoniker, der Gesell-
schaft der Musik freunde und des mit ihr verbundenen Sing-
vereins haben diese Blätter schon berichtet. Um das Bild des
gegenwärtigen Musiklebens zu vervollständigen erübrigt nun noch,
über den Or che st er verein, die Singakademie, denHaydn-
Verein, Männergesang-Verein, über die Kammermusik,
das Co uservatorium und die hervorragenden Privat-Ooncerte
Revue zu halten.
Als Gegensatz zu den „Philharmonikern" (Verein von Fach-
musikern) besteht hier der aus Dilettanten gebildete O r ch e s t e r-
Verein. Im Jahre 1858 gegründet, bildet er einen Zweig der
Gesellschaft der Musikfreunde und wird von Carl H e i ssl e r, Pro-
fessor am Conservatorium geleitet. Die Mitglieder geben für ihre
Bekannten jeden Winter drei Concerte, in denen namentlich seltener
gehörte Musikstücke zur Aufführung kommen, wie z. ß. diesen
Winter: türkischer Marsch von M o z a r t, instrumentirt von Pros p er
Pascal; Ouvertüren zu „Semiramis" (C a t e 1), „Nurmabal" (S p o n-
tini), „Hochzeit des Gamacho" (Mendelssohn); „Turniermarsch"
von S ch u m a n n, instrumentirt von Gotthard; Sinfonien von
Mozart (A-dur), H a y d n (E-raoll). Die Wahl der letzteren war
um so willkommener, als man hier gewohnt ist, immer und immer
wieder auf dieselben 4 — 5 Sinfonien aus der Londoner Zeit Haydn's
zurückzukommeu. Als Gäste traten an den drei Abenden auf: R i e-
del, Labor, Schenner, (Clavierconcerte von Mozart, Beethoven
und Phantasie von Schubert), Benno Walter (9. Violinconcert von
Spohr) und zn Aller Freude auch Joachim (A-moll«Concert von
Viotti). — Die Singakademie, in gleichem Alter mit dem Sing-
verein, hat in der kurzen Zeit ihres Bestehens (seit 1858) ihren
Dirigenten oft gewechselt; ihr jetziger Chormeister ist Rud. Wein-
wurm. Die Singakademie verfügt über kein Orchester und bringt
neben älteren Werken a capella (Palestrina, Durante, Seb. Bach,
Händel) die gediegensten Werke neuerer Meister (Schumann, Schu-
bert, Mendelssohn, Hiller, ßrahms). Von grösseren Werken wurden
diesen Winter aufgeführt: Cantate von S.Bach (,,du Hirte Israel"),
„der Rose Pilgerfahrt," „Spanisches Liederspiel" von Schumann,
95. Psalm von Meudelssohn etc. Die Concerte finden im Fest-
saale des neuen akademischen Gymnasiums statt, wohl dem schönsten
Concertsaale Wiehs. — Der im Jahre 1771 von HofcapellmeisTer
Florian Gassmann gegründete Witwen- und Waisen- Versorgungs-
verein der Tonkünstler Wien's, oder (wie er sich seit 1862 nennt)
Haydn-Verein, brachte in der Weihuachts- und Charwoche
die „Schöpfung" und die „Jahreszeiten" zur Aufführung, jene Werke,
denen der Verein vorzugsweise sein Vermögen zu verdanken hat.
Heinrich Esser leitete die beiden Aufführungen der „Schöpfung;"
die Soli sangen Murska, Walter und S eh m i d. Wegen Un-
pässlichkeit Esser's dirigirte Otto Dessoff an beiden Abenden
die „Jahreszeiten" (mit Ida B enza, Adams und Dr. Franz Kr ükl).
Die so oft gehörten Werke füllten auch diesmal das, für musikalische
Aufführungen möglichst ungünstige Burgtheater bis zum letzten Platz.
Der Haydn-Verein, zu dessen ursprünglichen Fond Kaiserin Maria
Theresia 500 Dukaten beitrug, gebietet jetzt über ein Vermögen
▼on nahezu 460,000 fl. in Werthpapieren. — Männergesang- Vereine
schiessen noch immer gleich Pilzen aus der Erde. Was Wien deren
früher zu wenig hatte, holt es getreulich ein. Der im Jahre 1844/45
gegründete erste Wiener Mänuergesang verein behauptet sei-
nen Platz und ragt weit über die Nachkömmlinge hervor. Von
hier aas erklomm Joh. Herbeck in raschem Lauf die Stelle eines
ersten Hofcapellmeisters. Neben dem jetzigen Chormeister Bad.
Wein warm blieb Herbeck, dem der Verein seine jetzige Höhe za
verdanken hat, auch ferner demselben als „Ehren-Chormeister" er-
halten. In seinem ersten diessjährigen Concert brachte der Männer-
gesangvereiu durchweg neue Compositionen auf, die aber bewiesen,
dass die Ergiebigkeit in dieser Richtuug in starker Abnahme bei-
griffen ist; eine lange Pause muss eintreten, soll die Lebenskraft
des stark ausgebeuteten Feldes nicht ganz versiegen. Dieses Jahr
feiert der Verein sein 25jähriges Bestehen zugleich mit Grundstein-
legung eines Standbildes für Schubert.
(Fortsetzung folgt.)
ins Paris.
24. Hai.
Die grorse Oper war nahe daran einen neuen Tenoristen zu be-
sitzen. Mazzoliui, so heisst derselbe, hatte einen gewissen Ruf
aus Amerika mitgebracht und man Hess ihm hier einige Zeit Un-
terricht im Französischen geben. Die Direction setzte grosse Hoff-
nungen auf ihn , die nun vereitelt sind. Mazzolni trat vorigen Mon-
in „ Trouvere" auf und machte Fiasco. — Die Reprise „Herculanum's"
ist wegen Krankheit der Madame Gueymard aufgehoben.
Die Ope'ra comique bringt nächstens die „Dragons de Villars*
mit einer neuen und pompösen Mise en Scene zur Wiederauffübung.
Ueber das künftige Schicksal des The'äter lyrique , das schon
seit meheren Wochen geschlossen ist , hört man noch nichts Gewisses.
Man spricht davon, dasselbe in ein Schauspielhaus und das Thea-
der Porte-St. Martin in eine lyrische Scene umzuwandeln. Durch
das plötzliche Schliessen des The'dter lyrique werden mehrere
Opern, die nächstens zur Aufführung hätten kommen sollen, wie z. B.
„Elisabeth de Hongrie" , von Jules Beer, wahrscheinlich noch
lange in den Cartons schlummern müssen.
Pasdeloup hat Paris verlassen und eine Reise nach der
Schweiz angetreten. Von dort wird er nach CÖln gehen, um da-
selbst dem grossen Musikfeste beizuwohen. Er will seinen Aufent-
halt in unserm Vaterlande dazu benutzen, seine Repertoire zu be-
reichern.
Adel ine und Carlota Patti sind wie Sonne und Mond.
Wie dieser nur dann aufgeht, wenn jene untergeht, so erscheint
auch Carlota immer nur dann in Paris , wann Adeline bereits abge-
reist ist. Man erfährt, beide Schwestern seien übereingekommen,
niemals zu gleicher Zeit in einer und derselben Stadt aufzutreten.
Wie dem nun sei, Carlota ist hier eingetroffen und wird sich im
Concert der Notre-Dame-des-Arts hören lassen.
Ambroise Thomas ist in Marseille, wo dieser Tage „Mignon"
zum ersten Male aufgeführt wird.
L i s z t ist seit einigen Tagen in Paris.
Nachrichten.
*** Iu Essen wurde die „Schöpfung" von Haydn in dem
geräumigen Saale des städtischen Gartens durch den erst seit l 1 /»
Jahren bestehenden „Musikverein," der damit zum ersten Male vor
die Oeffentlichkeit trat, in recht gelungener Weise aufgeführt. Nicht
nur Chor und Orchester waren trefflich einstudirt und leisteten
wirklich Vorzügliches, sondern mau hatte um etwas Vollendetes her-
zustellen auch ausgezeichnete Solisteu, nämlich Frl. Ida D anne-
mann aus Elber.feld, sowie die HH. August Ruff aus Mainz und
Carl Hill aus Frankfurt gewonnen, welche denn freilich durch ihre
bekannten künstlerischen Leistungen sehr wesentlich zu dem herr-
liehen Gelingen des Ganzen beitrugen. Frl. Dan ne man n erwarb
sich als Gabriel und Eva den ungetheilten Beifall des äusserst zahl-
reichen Publikums, Hr. Hill wirkte wie immer begeisternd durch
seine Stimme und Vortragsweise und Hr. Ruff bewährte sich nicht
minder als ein mit schöner sympathischer Stimme begabter und in
ausgezeichneter Schule gebildeter Sänger und riss insbesondere durch
d«n herrlichen Vortrag der Arie: „Mit Würd' und Hoheit angethan"
das Auditorium zu enthusiastischem Beifall hin. Möge der „Musik-
— 88 -
verein" in seinem wackeren Streben nicht ermüden und noch manches
andere Meisterwerk der Tonkunst in gleicher Vortrefflichkeit wie
die „Schöpfung" snr Aufführung Dringen.
* m * Die renomirte Gesanglehrerin Frl. Caroline Pruckner
inWien hat unlängst im Saale der „Gesellschaft der Musikfreunde 41
eine musikalische Soiree veranstaltet, um die Resultate ihrer Unter-
richtsmethode dem allgemeinen Urtbeile unterzustellen und die Lei-
stungen ihrer Schülerinnen haben je nach Talent und stimmlicher
Begabung ein Resultat ergeben, welches in günstigster Weise fttr
das practische Wirken und für die Zweckmäßigkeit der Methode der
genannten Lehrerin spricht.
*** Der unter dem Namen „Haydn" in Wi e n bestehende Witt-
wen* und Waisenversorgungsverein für Tonkünstler besitzt dem
soeben veröffentlichten Jahresbericht (von März 1867 bis 1868) zu-
folge ein Vermögen von ff. 485,325 in Wertpapieren und fl. 267 in
Baarem. Aus den fl. 25,178 betragenden Interessen wurden an 33
Wittwen und Waisen Pensionen im Belaufe von fl. 15,297 und aus-
serdem fl. 389 an Unterstützungen bezahlt. Die zu Weihnachten
und Ostern stattgefundenen Aufführungen der „Jahreszeiten" und
der „Schöpfung" haben einen Reinertrag von fl. 3740 (sämmtliche
genannte Summen in österr. Währung) ergeben.
— Dem „Figaro" zufolge wäre nun Mlle. Adelina Patti
wirklich mit dem Marquis de Ganz, vorderhand civiliter getraut;
der kirchliche Segen soll erst erfolgen, wenn die bestehenden
Engagements der Gefeierten mit ihrem weltlichen Segen abge-
wickelt sein werden.
*** Der König von Italien hat Rossini den Grosscordon
seines neu gestifteten Ordens der italienischen Krone verliehen und
durch seinen Gesandten in Paris, Ritter Nigra, überreichen lassen.
V e r d i und Mercadante erhielten das Commandeurkreuz des-
selben Ordens.
%* Der als Meister auf seinem Instrumente rühmlichst bekannte
erste Violoncellist der Capelle des Fürsten von Hohenzollern • He-
cbingen in L'öwenberg, Hr. Popper, ist für das kaiserl. Opern-
orchester in Wien engagirt worden.
*** Frau Blnme-Santer ist in Mailand eingetroffen un#
wird sich ganz der italienischen Oper widmen.
*** Der Kaiser von Oesterreich hat dem „Wiener Männergesang-
Verein 4 * „in huldreicher Würdigung seiner vorzuglichen Leistungen"
«ine prachtvolle Fahne gespendet und zugleich dem gegenwärtigen
Dirigenten desselben, Hrn. Weinwurm, das goldene Verdienstkreue
▼erliehen. Ebenso erhielt Dr. H a n s 1 i c k für sein verdienstvolles
Wirken als Jurymitglied bei der Pariser Ausstellung das Ritterkreuz
des Franz Joseph-Ordens.
%* Am 30. April starb in Stockholm der Componist und
Dirigent des dortigen Conservatoriums , Ritter Franz Berwald,
im Alter von 71 Jahren. Sein Verlast wird schwer empfunden.
*** Der Organist und Componist Emil Hartmann aus Co-
penhagen hat iu Wien vor einem eingeladenen Zuhörerkreise
verschiedene seiner Orchestercompositionen aufführen lassen , welche
allgemein sehr gefielen.
*** Aus Constantinopel wird geschrieben, dass der Sul-
tan die Oper besucht hat I Es wurde nach einer vorangeschickten
italienischen Hymne mit türkischem Texte ans „Barbier" , „Robert,"
„Linda", „Norma" und „Martha" je ein Act aufgeführt. Der Im-
presario erhielt von Sr. Maj. ein Geschenk von 25,000 Franken.
*** Bei dem M efcklenb urger Musikfest wird auch die
Sopranistin Frl. Scheuerlin aus C ö 1 n als Solistin mitwirken.
%* Der Tenorist Gustav Walter vom Hofoperntheater in
Wien hat nach Beendigung seines, wie bereits mitgetheilt, ausser-
ordentlch erfolgreichen Gastspiels in M ü n ch e n am 21. d. M. einen
Gastrollen- Cyklus in Frankfurt a. M. als George Brown be-
gonnen.
*** Dr. Otto Bach ist zum Domcapellmeister und Director
des Mozarteums in Salzburg aus einer grossen Anzahl von Con-
eurrenten einstimmig erwählt worden und wird seine neue Stelle
mit dem 1. Juli antreten.
*** Karl Reinecke's Oper „König Manfred" kommt am
28. Mai am Stadttheater in Leipzig zur Aufführung.
%* Der Tenorist Bachmann vom Dresdener Hoftbeater ist
für die königl. Hofbühne in München engagirt worden.
*** Hr. Hugo Herrmann in Frankfurt a. M. hat vom Gross«
herzog von Baden für die Widmung eines Concertstückes für die
Violine einen kostbaren Ring mit seinem Namenszug in Brillanten
erhalten.
V In Prag wurde Kittl's im Jahre 1848 dort mit Beifall
gegebene und verschollene Oper „ Die Franzosen vor Nizza ■ neu
einstudirt mit vollständigem Erfolge wieder zur Aufführung gebracht.
Interessant ist, dass der Text dieser Oper von Richard Wagner
gedichtet ist , welcher nach dessen Vollendung sich an seinen „Tann-
häuser" machte und das erwähnte Textbuch Kittl überliess.
*** In Basel wird dieser Tage Schumann' s „Faustmusik*
uuter Stockhau sen's Mitwirkung aufgeführt.
*** Der Violinvirtuose Rappoldi ist für das deutsche Thea-
ter in P r a g als zweiter Capellmeister neben Rieh. Genee engagirt
worden.
%* Ein Aufsatz, betitelt: „ Ueber den Geschmack des Publi-
kums a , aus der Feder des ebenso geistreichen als überzeugungsmu-
thigen Musikliteraten HeinrichEhrlich läuft schon durch einige
Nummern von „Zellner's Blättern für Theater etc. etc. " und ist ge-
eignet durch Form und Inhalt die Aufmerksamkeit der musikfreund-
lichen Leser in hohem Grade auf sich zu ziehen.
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„ 6. „ 68 pastorale . „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „
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,, 8. „ 93 „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 }>
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nach op. 26," für vier Ventilhörner Part. u. St. 15 Sgr.
Jungmann, Albert« Op. 257 Nr. 1. „Du bist wie eine
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— Op. 257. Nr. 2. „Der Asra," Lied von Ant. Rubinstein, für
Pianoforte bearbeitet, 10 Sgr.
— Op. 257. Nr. 3. „O! wenn es doch immer so bliebe/* Lied
von Ant. Rubinstein, für Pianoforte bearbeitet, 10 Sgr.
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forte, Violine, 2 Bratschen, Violoncell und Contrabass. (Nr' 3»
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Schaimell, Wilhelm. „Festgruss." Dichtung von Müller
von der Werra, für vierstimmigen Männerchor mit Begleitung
von Blechinstrumenten Part. u. St. 12 Vi Sgr.
Verantw. Red. Ed, Föckerer, Druck v. Carl Wallau, Mainz,
17. Jahrgang.
m- &&.
8. Juni 1868.
SUDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
Diese Zeitung erscheint jeden j
j MONTAG.
; Man abonnirt bei allen Post-
| ämtern, Musik- & Buchhand-
1 lungen. j
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V® Hi g
von
B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
PREIS:
fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. !
INHALT: Das 45. Niederrheinische Musikfest. — Corresp.: Wien. Stuttgart. Paris. — Nachrichten.
Das 45. Niederrheinische Musikfest in Cöln, am
31. Mai, I. und 2. Juni.
Besprochen voo Eduard Föckerer.
Mit dem an den vergangenen Pfingsttagen in Cöln abgehal-
tenen 46. Niederrheinischen Musik feste verband sich das
fünfzig jährige Jubiläum dieses Instituts, indem das erste der Feste
im Jahre 1818 zu Düsseldorf stattfand. Ich werde am Schlüsse
meines Berichtes noch einige historische Notizen über Entstehung
und Fortschreiten der in Rede stehenden Feste bis zu ihrer gegen-
wärtigen Höhe mitzutheilen Veranlassung nehmen und will meine
geneigten Leser sogleich in medias res, d. h. mitten in den welt-
berühmten Gürzenichsaal zu Cöln, wo die drei Festconcerte wie
herkömmlich stattfanden, zu versetzen suchen. Das Programm ist
in Nr. 20 dieses Blattes ausführlich mitgetheilt worden, so dass ich
dasselbe hier nicht wieder voranschicken und nur die vorge-
kommenen Aenderuugen desselben im Verlaufe meines Berichts an
entsprechenderstelle andeuten werde. Bekanntlich lenkt nämlich
der Hebe Gott nicht immer ganz genau so, wie der Mensch, oder
auch das Festcomite denkt und so kam es denn, dass von den längst
für dieses Fest engagirten Gesangsolisten FrauHarriers- Wippern
vom k. Operntheater in B e r 1 i n schon etwa 14 Tage vor Pfingsten
wegen Erkrankung abschrieb und man desshalb mit Frau Dust-
mann vom Hofoperntheater in W i e n Unterhandlungen anknüpfte,
welche denn auch den gewünschten Erfolg hatten, so dass nun Frau
Dustmann als Solo-Sopran auf dem Festprogramme figurirte. Allein
damit war das Ende der solistischen Verlegenheiten noch nicht ge-
kommen ; Hr. Dr. S ch m i d vom Hofoperntheater in Wien, als
Solo-Bassist engagirt, hatte in den Vorproben schon mit merklicher
Indisposition zu kämpfeu, meldete sich bei der am Samstag Nach-
mittags stattfindenden Generalprobe für den „Messias" gänzlich un-
fähig zu singen und wäre nicht zufällig Hr. Carl H i 11 aus Frank-
furt a. M. auf der Durchreise zu dem in L e y d e n (Holland) statt-
findenden Musikfeste zugegen gewesen, Gott weiss ob es dann dem
Telegraphen gelungen wäre, irgend einen entsprechenden Ersatz-
mann in der letzteu Stunde noch herbeizuzaubern. AHein wie ge-
sagt, Hill, der Erprobte war da und — erprobte sich neuerdings
in glänzendster Weise als ein routinirter und wirklich musikalischer
Sänger, denn wenn auch die Basspartien im „Messias" und in der
9. Sinfonie ihm schon längst geläufig sind, so blieb ihm doch auch
manche ihm noch völlig fremde Aufgabe zu lösen und wie wir im
weiteren Verlaufe dieses Berichtes hören werden, hat er sich auch
hierin wieder als tüchtiger Künstler erwiesen. Für die Altpartien
war Frau J o a ch i m, für die Tenorpartien Hr. Dr. G u n z aus
Hannover gewonnen worden. Der Chor zählte nach den im Fest-
programm aufgeführten Listen 188 Sopran-, 164 Alt-, 110 Tenor-
und 16 Bass- Stimmen (im Ganzen 568 Choristen); das Orchester
bestand aus 143 Instrumentalisten, darunter öl Violinisten, 19 Brat-
schisten, 21 Violoncellisten und 18 Contrabassisten , so dass sich
mit Dirigent und Solisten die Gesammtzahl der Mitwirkenden auf
762 belief. Das Verhältniss der verschiedenen Singstimmen unter-
einander sowie dem Orchester gegenüber erschien demnach als ein
entsprechendes, was sich auch durch die erzielte Klangwirkung voll-
kommen bestätigte. Schade nur, dass durch die bei dem seiner-
zeitigen Umbau des Saales getroffene Einrichtung die Orgel auf die
Gallerie über dem Orchester zu stehen kam, während fast sämmt-
liche Contrabässe und Celli nnter der Gallerie aufgestellt waren,
was der vollen Touentwicklung derselben entschieden hinderlich
war. Keine Gallerie an diesem Ende des Saales, ein höher an-
steigendes Podium und auf dem höchsten Punkte desselben die
Orgel angebracht, würde sicherlich die akustische Wirkung bedeu-
tend erhöhen.
Das erste Festconcert, am Pfingstsonntag Abends 6 Uhr be-
ginnend, wurde mit einem, auf die Jubiläumsfeier bezüglichen, von
Hrn. Advocat Dr. H ch r i n k verfassten und vorgetragenen, recht
sinnigen Prolog eröffnet, worauf dann die Aufführung des Oratoriums
„Messias* von G. F. H ä n d e 1, nach der Mozart'schen Bearbeitung
folgte. Diese Aufführung ist als eine im Ganzen vortreffliche zu
bezeichnen und insbesondere verdient die Ausführung der Chöre das
höchste Lob. Hatte ich in meinem Berichte über die Aufführung
von Händers „Israel iu Egypten" bei dem im Jahre 1865 in Cöln
gefeierten 42. Feste über die grösstentheils matten Eintritte des
Chors zu klagen, so fällt diese Klage diesmal gänzlich weg, indem
derselbe Chor nicht nur durch die prächtige Frische der Stimmen,
sondern auch durch äusserste Präcision in den Eintritten, durch
tadellose Reinheit der Intonation sowie durch die wahrhafte Begeister-
ung für das herrliche Werk, welche sich in der schwungvollen
Vortragsweise kundgab uud durch die bewundernswerthe Ausdauer,
die selbst durch die fast ins Unerträgliche gesteigerte Temperatur
keinen Eintrag erlitt, das ganze Publikum entzückte und zu den
stürmischsten Beifallsbezeugungen hioriss. Sollte ich einige der
Chöre bezeichnen , welche in ganz besonders wirksamer Weise zn
Gehör gebracht wurden, so wären dies etwa im 1. Theil: „Denn
es ist uns ein Kind geboren 1 ' und „Ehre sei Gott in der Höhe;"
im 2. Theil: „Wahrlich! Er trug unsre Qual" mit dem anschlies-
senden „Der Heerde gleich;" ferner: „Hoch thut euch auf" und
nun gar das unvergleichliche „Halleluja," welches mit hinreissendem
Feuer gesungen, jubelnd da capo verlangt und — ■ bei der Wieder-
holung fast noch vortrefflicher vorgetragen wurde als das Erstemal.
Bei dem Quartett mit Chor im 3. Theile „Wie durch Einen der
Tod" misslangen leider die beiden Choralsätze des Quartetts durch
die Unsicherheit der Solosopranistin. Der Schlusschor „Würdig ist
das Lamm' 1 mit der gewaltigen Schlussfuge „Amen u war von wahr-
haft erschütternder Wirkung und führte die ganze Aufführung zu
einem des erhabenen Werkes und der auserlesenen mitwirkenden
Kräfte durchaus würdigen Ende.
Was die Solisten betrifft, so muss constatirt werden, dass Herr
Hill mit seinen vier Arien, die e« mit der ihm eigenen verständ-
nissvollen Auffassung, mit acht künstlerischem Geschmack und
schönem Feuer vortrug, den meisten Beifall errang, der besonders
nach der Arie im 2. Theile: „Warum entbrennen und toben die
— 90 -
Heiden" zum stürmischen Ausbruch kam und gar nicht enden
wollte. Freilich ist die Basspartie im „Messias" an and für sich
«ine sehr dankbare. Frau Joachim, welche eum ersten Male bei
dem „Niederrheinischen Musikfeste" mitwirkte, sang die Altpartie
mit wahrhaft classischer Meisterschaft und mit der tiefen Weihe
und Innigkeit, wie sie nur wenigen Auserwählten zu eigen gegeben
ist, unterstützt von einem Organe , das durch seine Reinheit, durch
seinen wohlthuenden Klang und durch vortreffliche Ausbildung an
und für sich schon jedes Qemüth ergreifen, jedes Herz gewinnen
muss. Ihre drei Arien: ,.0 du, die Wonne verkündet,'* „Er ward
verschmähet" und „Du fuhrest in die Höh" wurden mit immer
wachsendem Beifall aufgenommen und es ist zu wünschen, dass die
eben so bescheidene und liebenswürdige als hochbegabte Künstlerin
noeh recht oft diese Feste mit ihrem seltenen Talente zu verherr-
lichen berufen sein möge. Frau Dust mann, so viele Lorbeeren
ihr auch die Bühne mit Recht schon eingetragen haben mag, war
nie eine Oratoriensängerin und ist es jetzt noch weniger als früher,
da ihre Stimmittel ab- und ihre Gewohnheit zu tremolircn in Folge
davon noch zugenommen hat. Gleichwohl fehlte es auch nicht
an Momenten, in welchen sie ihre Gesangskunst durch gefühl-
vollen Vortrag in anerkennenswerther Weise zur Geltung brachte
und sich lebhaften und verdienten Beifall eroberte. Herr Dr.
G u n z ist ein im Oratorienfache vielgeübter und seit Jahren
anerkannter Kunstler, der seinem Rufe auch bei dieser Gelegenheit
wieder alle Ehre machte; nur schien es mir, der ich ihn seit eini-
gen Jahren nicht mehr gehört hatte, als ob seine hohen Töne nicht
so leicht ansprächen wie früher, so dass dieselben manchmal unan-
genehm gequetscht und erzwungen lauten. Am schönsten sang er
die zarteren Nummer» seiner Partie, wie z. B. das erste Recitativ :
„Tröstet Zioo," „Er weidet seine Heerde" etc., welche denn auch
ihren Eindruck auf die Zuhörer nicht verfehlten und stürmischen
Applaus hervorriefen. Das Orchester spielte meisterhaft, mit bewun-
derungswerthem Feuer und grosser Präcision und mit Ausnahme
von ein paar vorlauten Eintritten einzelner Geiger und Choristen
störte nichts die erhebende Gesammtwirkung der vortrefflichen Auf-
führung. Capellmeister H i 1 1 e r bewährte seinen Ruhm als aus-
gezeichneter Dirigent wieder in vollem Masse und wenn ich noch
der meisterhaften Leistung des vielbewährten Organisten, Musik-
director Franz Weber gedenke, so werde ich so ziemlich Alles
angeführt haben, was in Bezug auf das erste, so schön gelungene
Festconcert überhaupt von Interesse sein kann.
(Fortsetzung folgt.)
CORRESPONDENZEN.
Aus W i e n.
(Fortsetzung.)
Die Kammermusik nahm einen hervorragenden Platz ein
unter den musikalischen Genüssen dieses Winters. Das Floren-
tiner-Quartett, dessen schon in Nr. 11 d. Bl. erwähnt wurde,
brachte es auf zehn Quartett- Abende, von denen die letzten fünf im
kleinen Redouten -Saal abgehalten wurden, der sich für diese Pro-
ductionen in akustischer Hinsicht sehr günstig erwies. Das Ciavier
wurde nach zwei Versuchen verbannt und beschränkten die Künstler
sich wohlweisslich auf sich selbst. Nachdem alle letzten Quartette
Beethoven's vorgeführt waren, kamen auch dessen Op. 74, 59
(Nr. 3) und Op. 18 (F-dur) au die Reihe. Haydn's, durch Becker
populär gewordene „Serenade" konnte man gar nicht oft genug hören.
Der Zudrang zu diesen Quartetten war enorm und bestimmte die
Künstler, im Herbst wiederzukehren. — Dem H e 1 1 m e s b e r ge r-
scheu Quartett - Verein (es finden jährlich acht Concerte statt) warf
mau nicht mit Unrecht vor, es in der Wahl seiner Ciavierspieler
nicht strenge genug genommen zu haben. Bei dem bevorstehenden
Wettstreit Einheimischer und Fremder wird das Publikum jedenfalls
nicht den Kürzern ziehen. Aber auch Joachim gab drei Quartett-
Abende ; ohne diese hätte man ihn schwerlich von Wien ziehen
lassen. Wie sehr es Joachim um die Kunst selbst zu thun ist, be-
wies er wieder dadurch, dass er unter den neun vorgetragenen Quar-
tetten zwei der älteren, hier öffentlich gar nicht bekannten Quartette
H a y d n's vorführte. Er hatte die Wahl nicht zu bereuen, denn
auch der ältere (oder vielmehr jüngere) Haydn zeigte sich als
Sieger. — Das Conservatorium gab zwei Zöglings-Concerte,
deren Ertrag wie gewöhnlich dem Zöglings -Unterstützungsfonds be-
stimmt ist. Im Vortrag von Orchestersätzen leisteten die Zöglinge
tüchtiges ; um so schlechter war der Gesang bestellt. Seit Monaten
sind zwei Gesangsclassen ohne Lehrer. Ein tüchtiger Gesanglehrer
fände hier ein reiches Feld der lohnendsten Thätigkeit; hoffentlich
wird das Bemüheu der Direction, für diese Stelle den rechten Mann
au finden, von Erfolg gekrönt sein. Ein zweiter Wunsch wäre der,
dass man im Ciavierfache mehr der Bestimmung einer Hochschule
entspräche und bei der Aufnahme von Zögliugen wählerischer vor-
ginge. Bei der Uebertulle ohnedies bestehender Clavier-Schulen
*ist es mehr als überflüssig, auch noch am Conservatorium die Le-
gion mittelmässiger Fingerhelden zu vermehren. —
Es erübrigt nun noch, der Privatcoucerte zu gedenken. Das
Ciavier war vorzugsweise durch Rubinstein vertreten, der fünf
Concerte gab (das letzte im grossen Redoutensaal). Er spielte
mehrere seiner Concerte, namentlich gefiel Op. 70 (D-moll); von
seinen Salonstücken imponirte eine Etüde C-dur durch ihre Schwie-
rigkeit. Frühe zur abgeschlossenen Selbständigkeit gelangt, zeigte
sich Rubinsteiu fast unverändert, wie ihn Wien vor zehn Jahren
gehört hatte. Auch heute wie damals wirkt die naturkräftige Fülle
seiner meisterhaften Vorzüge unwiderstehlich auf den Zuhörer. Möchte
nur auch sein grosses Talent nicht in blosser Virtuosität aufgehen;
die Oper hat Ansprüche darauf, von ihm noch Bedeutendes zu er-
warten. Ausser Rubinstein gaben noch Clavierconcerte : der Pole
Alex, von Zarzycki, der als Spieler und Componist hübsches
Talent zeigte; Frl. Anna Mehlig, eine Pianistin von bedeutender
Fertigkeit und geschmackvollem Vortrag; ferner von den Einheimi-
schen die Herren Epstein, Labor und Riedel. J. Epstein
ist hier als Lehrer und ausübender Künstler seit Jahren beliebt;
in seinem Concert spielte er u. A. ein Clavierconcert D-dur von
J. Haydn, das seiner Zeit auch bei Schott in Mainz erschien.
Das Finale, auf ungarische Themen gebaut, bietet noch heute dem
Spieler eine dankbare Aufgabe, obwohl das Concert im Ganzen nicht
auf der Höhe der späteren ähnlichen Schöpfungen Mozarts steht.
Der blinde Pianist J. Labor gab, namentlich im Vortrag des Beet-
hoven'schen G-dur-Concertes, erneuerte Beweise seines tief empfun-
denen Vortrags und seiner ungemeinen Fertigkeit und Sicherheit.
H. Riedel, vor kurzem noch Zögling des Conservatorium's, zeigt
als Spieler und Componist ein der Aufmunterung würdiges Talent. —
Joachim, dem der Adel künstlerischer Weihe wie Keinem ver-
liehen ist, bot in seinen Concerten eine Reihe der edelsten Genüsse.
In den beiden Concerten im grossen Redouten-Saal spielte er nebst
dem Beethove n 'sehen, sein eigenes ungarisches und ein neues
Concert in G-dur. In Letzterem gibt er dem Componisten deu
Vorzug vor dem Virtuosen ; es ist mehr sinfonisch gedacht und
ausgeführt und erfordert öfters gehört zu werden. Das Publikum
zeichnete seinen Liebling auf alle nur mögliche Weise aus. In
zwei Concerten, die Joachim mit Brahms gemeinschaftlich gab,
zeigte sich Letzterer wieder als vortrefflicher Bach-Spieler. Der
Violinspieler Benno Walter aus München, ein ebenso tüchtiger
als bescheidener Künstler, fand hier sehr freundliche Aufnahme.
In Charles David off hörte Wien seit Servais wohl den be-
deutendster! jetzt lebenden Violoncellspieler. — Nur wenige Gesangs-
concerte sind zu nennen: Frl. Helena Magnus die beliebte Lieder-
sängerin, namentlich Schumann'scher Werke; Frl. Enequist aus
Schweden, die nur im Vortrag schwedischer Volkslieder gefiel ; Frl.
Jasmiude Üb rieh, die in DavidofTs Concert mit einer Arie aus
Rossini's „Barbier" un<l einigen Liedern vollständig durchgriff; end-
lich noch Frau Passy-Cornet, die in ihrem Concert zugleich ihre
Schülerinnen vorführte, was sie besser unterlassen hätte. — Grössere
gemischte Akademien zu wohlthätigen uud andern Zwecken gab es
wieder in Fülle; sie sind die Landplage des dazu gepressten Pub-
likums, das sie wie eine musikalische Steuer hinnimmt.
Dies wäre denn die Gesammtsumme aller musikalischen Pro-
duetionen Wien's im Laufe einer Saison. Es sind, um sie noch
einmal zusammen zu fassen, die folgenden Concerte : Philharmonische
(8); Gesellschaft der Musikfreunde (4); Orchesterverein (3) ; Conser-
vatoriums-ZÖglinge (2); Hellmesberger-Quartette (8) ; Singverein (ein
„ausserordentliches," von der G. d. M. gegeben); Siugakademie (3);
Haydn-Verein (2, an je 2 Abenden); grosbe gemischte Akademien,
meist an bestimmten Tagen, im Operntheater, im Carltheater und
im Theater an der Wien. (Schluss folgt.)
— 91 -
Ans Stuttgart.
toio Mai.
T. Das vierte und für diese Saison letzte Concert des Orche-
etervereins uuter D. Pruckner's Leitung hatte ein reichhal-
tiges Programm , worunter das hier noch nicht gehörte Schubert 'sehe
•Sinfoniefragment unstreitig die interessanteste Nummer war ; die
•Ausführung geschah , allerdings in sehr vorsichtigem Tempo , recht
sauber; der Dank der Hörer für diese Novität war ungetheilt und
lebhaft. Das F-molI - Quartett des Prinzen Luis Ferdinand
liatte, obschon die Ciavierpartie in Pruckner's Händen war, doch
•keinen besonderen Erfolg; es enthält zu viele Laugen und über den
damaligen eklektischen Styl eines Dussek etc. etc. sind wir Gott-
lob auch hinaus. Hr. Steidle sang die Bachearie ausHändel's
„Alexanderfest" und zwei Lieder von Schumann und Marschner
mit bestem Erfolge; Mozart's hübsche A-dur-Sinfonie , 1774 ge-
schrieben, gab dem Ganzen einen gemüthlichen Schluss.
Unsere jüngeren Künstler habeu sich diesen Winter vorzugs-
weise einer mehr produetiveu Thätigkeit beflissen: auch Früchte
früherer Jahre liegen uns vor. Dahin gehöreu A ttinger's Op. 5,
-drei Gedichte von E. Engelmann für Sopran und Tenor componirt,
wovon sich besonders Nr. 2 und 3 durch Sangbarkeit und edle Po-
tpularität auszeichnen, E. A. Tod's Op. 6, 7, 9 und 10 nämlich
eine Mazurka-Caprice und ein Fantasie- Walzer, drei Basslieder (nach
Gedichten von G. Scherer) und das hier schon oft mit Beifall auf-
geführte andante religioso für Hörn .und Orgel, lauter effectreiche,
auch in Harmonik und Melodie sehr interessante Tondichtungen,
ferner Hubert's „Melodien* für Violoncell und Ciavier, welche
durch unseren J. Goltermann mit nachhaltigstem Erfolg in die
Oeffentlichkeit eingeführt worden sind; endlich G. Linders drei
Paraphrasen über Gounod's „Romeo und Julie/ welche durch ge-
schmackvolle Auswahl der Themen , noble Behandlung derselben
und runden, ebenso leichten wie brillanten Ciaviersatz das Augen-
merk zumal der Dilettanten verdienen. — Unter dem Titel „Stim-
men der Heimat" ist bei Emil Ebner eine Sammlung 88 aus-
gewählter, grösstentheils neu vierstimmig gesetzter Volkslieder und
volkstümlicher Gesänge erschienen , wodurch der dem hiesigen
Künstlerkreise ungehörige Bearbeiter dem so vielfach wahrgenom-
menen Bedürfniss nach einer vollständigen, praktisch und sangbar
gearbeiteten, dabei billigen und portativen Ausgabe der schönsten
und beliebtesten volksmässigen Lieder gründlich abzuhelfen , und
dadurch zu dem Wiederaufleben und der Veredlung des ächten
Volksgesanges einiges beizutragen beabsichtigte.
In der achten und letzten Kammermusik - Soiree , in welcher
C. M. Singer durch ein leider sehr hartnäckiges und bereits lang-
wieriges Armleiden an der Mitwirkung verhindert war, lag die Haupt-
last auf Speidel's Schultern, welcher nicht nur mit Hrn. Pruck-
n er die Friedemann Bach 1 sehe Sonate und Reineke's
Manfred-Impromptu für zwei Claviere, sondern auch mit deu HH.
Krumbholz und Meyer (Clarinette) das Beethove n'sche B-dur-
Trio, mit ersterem seine eigene Cellosonate Op. 10 und noch zwei
Characterstücke aus W. Bargiels Op. 8 spielte und sich dieser
theils ziemlich schwierigen Aufgaben mit erstaunlicher Frische uud
Ausdauer entledigte. Hr. Krumbholz machte uns noch mit einem
nachgelassenen Me ud el ss u h n' sehen „Lied ohne Worte" für Cello
bekannt, das uns nicht «uf der gewohnten Höhe Mendelssobn'scher
Lyrik zu stehen schien, dessen Ausführung aber wiederum Zeugniss
gab von der hohen Stufe der Tüchtigkeit, welche der beliebte Künst-
ler dahier errungen hat.
Obschon nun die eigentliche Saison geschlossen ist, fehlt es
nicht an willkommenen Nachblütheu, in welchen die hochgehende
Concertfluth des Winters langsam ausklingt. Hiezu gehörte vor allem
die jüngste Aufführung des Singvereius, in welcher auf viel-
fachen Wunsch 14 der schönsteu Nummern aus Z enger 's „Kain"
wiederholt wurden; die Hauptpartie sang unser zu echten Kunst-
zwecken stets thatbereiter Schüttky mit durchgreifendem Erfolg;
die übrigen Soli waren in Händen von Vereinsmitgliedern. Alles,
insbesondere die Chöre, gingen präcis und schwungvoll, und die
Hörerschaft zeigte weit mehr Verständniss und Theilnahme für das
interessante Werk als bei der ersten Aufführung am Palmsonntag.
Eine sehr stimmbegabte Dilettantin , Frau S i m o n - H Ü n i , sang
Schubert' 8 selten gehörte „Gruppe aus dem Tartarus" und
»Schwager Chronos," Hr. Steidle zwei neue Mailieder von L.
Stark, und zwölf Vereinsmitglieder trugen zwei Vocalquartette,
Grenzebach's „Aus der Jugendzeit" und Speidel's „Aufge-
blüht" mit rühmlicher Feinheit und Innigkeit vor.
Sonntag den 24. v. M. gab eine blinde Zither- und Concertina-
Virtuosiu, Frl. Annette Cohen aus München, eine Matiuee im
Saale des Bürgermuseums vor einem zahlreichen Publicum, das so-
wohl die Leistungen der Concertgeberiu als der Mitwirkenden mit
reichlichen Beifallssalven und Hervorrufen belohnte. Die beiden
Brüder Herrmann, Zöglinge unseres Conservatoriums , glänzten
mit Piano- und Violinvorträgen; Frl. Hartmann sang die B-dur-
Arie aus den „Jahreszeiten" und „Haideröslein" von Schubert,
Hr. Steidle das neue beliebte schwäbische Volkslied „'s Wörtle du,"
das wiederholt werden musste und nächstens bei Stürmer erschei-
nen wird, endlich die Damen Fischer und Wagner das Zank-
duett aus „Maurer und Schlosser." — Das heurige Schillerfest ist bis
zum 6. Juni verschoben.
Au s Paris.
1. Jan).
Aus der hiesigen musikalischen Welt ist sehr wenig Neues zu
melden. Drei lyrische Scenen sind bereits geschlossen, und die
übrigen ziehen, bei der hier herrschenden tropischen Hitze das Pub-
likum nicht sonderlich an.
Aub er, der selbst bei der drückendsten Hitze niemals Paris ver-
lässt, arbeitet fleissig au der Oper „Reves iPAmour" zu welcher
ihm d'Ennery und Cormon das Textbuch geliefert. Der erste
Act ist bereits in Musik gesetzt. Das Werk wird in der Ope'ra
comique in Scene gehen. Am 15. dieses Monats sollen dort die
„Dragons de Villars u zur Darstellung kommen.
Francois B a z i n componirt ein von St. Georges und Jules
S a n d e a u verfasstes Libretto in drei Acten. Dieses Werk ist eben-
falls für die komische Oper bestimmt.
In der grossen Oper wird nächstens eine Fräulein H i s s o n,
eine Schwedin, debütiren Sie erhält ihre musikalische Ausbildung
von W a r t e 1, demselben Gesanglehrer, der ihre Landsmännin Nilsson
ausgebildet. Diese macht jetzt in London Furore.
Was das Theater der Porte St Martin betrifft, so soll dasselbe
in eine lyrische Scene verwandelt und mit der Direction desselben
ein Professor am hiesigen Conservatorium betraut werden.
Mach richte
ii.
Mainz. Das 45. niederrheinische Musik fest hat au
den drei Pfingsttageu in C ö 1 n stattgefunden und einen im grosseu
Gauzen befriedigenden Verlaut genommen, obwohl die eingetretene
Uupässlichkeit des Bassisten Dr. S c h m i d aus Wien mit Störung
drohte, welche jedoch durch die Schlagfertigkeit des zufällig an-
wesenden Carl Hill aus Frankfurt a. M., welcher die Stelle
Schmid's während des ganzen Festes in glänzender Weise vertrat,
glücklich beseitigt wurde. Eine schlimme Beigabe zum Feste war
die im gedrängt vollen und mit hunderteu von Gasflammen erleuch-
teten Gürzenichsaale herrschende, ans Unerträgliche gränzende Hitze.
Näheres über deu Verlauf des Festes bringt der in dieser Nummer
beginnende ausführliche Bericht.
München. Richard Wagner'g „Meistersinger 1 * sollen nun
doch am 21. Juni zur Aufführung kommen. Die Einstudirungs*
proben sind mit grösster Energie betrieben wordeu, so dass sowohl
Chor als Solisten ihrer unendlich schwierigen Aufgaben Herr sind.
Hr. B e t z von der k Oper in Berlin , welcher den Hans Sachs geben
wird, ist bereits am 20. Mai von Mannheim, wo er als Teil und
Don Juan mit ausserordentlichem Erfolg gastirt hat, hierher berufen
worden , um an den Gesammtproben für die Wagner'sche Oper Theil
zu nehmen.
— Das Hoftheater-Chorpersonal überreichte jüngst dem Intendanten.
Hrn. Baron von Perfall, dessen Bemühuugen es gelungen ist den
so sehr in Anspruch genommenen Chorsängern eine namhafte Ge-
haltserhöhung beim Könige zu erwirken , eine Dankadresse und
brachte ihm eine Serenade mit Fackelzug dar.
— • Der König hat die von der Intendanz geforderte Summe für
die Neulegung des Bühnenpodiums nicht bewilligt.
- 92 -
*** In P a r i s spricht man von einer aufgefundenen G 1 u ck'schen
Oper, die nur in einem einzigen Exemplare vorbanden, in die Hän-
de eines dortigen Musikers gelangte«
•^* In Warschau hat man bis jetzt mit wenig Erfolg den
Versuch gemacht, populäre Orchesterconcerte mit gediegenem Pro-
gramm und hilligen Eintrittspreisen zu veranstalten.
*** Der Baritonist Schaf ganz wird an der k. Oper in Berlin
als Jäger, Graf Luna und Gzaar gastiren.
*** Die Coloratursän gerin Frl. Anna Beiss ist vom Gross-
herzog von Weimar zur Kammersängerin ernannt worden.
*** Einem aus Australien kommenden Frankfurter, Carl Glogg-
ner, ist die durch den Austritt des Prof. Götze am Leipziger
Con8ervatorium vacant gewordene Gesanglehrerstelle übertragen
worden.
*** Das Hofoperntheater in Wien macht vom 1. bis 30. Juni
Ferien.
*** Das für den Monat Juni festgesetzte M e ekle nh urgische
Musikfest ist auf den Wunsch des Grossherzogs bis zum 20. Sep-
tember verschoben worden.
Paris. Am 14. Mai fand die Jahresversammlung des im Jahre
1843 von Baron Taylor gegründeten Uuterstützungsvereins der Ton-
künstler und dem der Versammlung erstatteten Berichte zufolge be-
läuft sich das Vereinsvermögen auf 800,000 Frcs. mit 34,000 Frcs.
Rente, während die Jahreseinnahme, durch Mitgliederbeiträge, Ge-
schenke, Concerte und Aufführungen etc. die Summe von 78,000 Frcs.
errreichte. Es wurden au 121 Pensionäre 27,000 Frcs. und ausser-
dem einmalige Unterstützungen im Betrag von 6000 Frcs. verausgabt,
31,000 Frcs. aber zum Kapitalstock geschlageu.
*** Der Violoncellvirtuose Grützmacher aus Dresden con-
certirt mit vielem Glück in London.
%* Frl. Geistinger hat ihren Contract mit der Direction des
Theaters an der Wien auf drei Jahre erneuert. Dieselbe erhält
nun 11,000 fl. Gehalt und hat jährlich fünf Monate Urlaub.
*** Musikdirector B i 1 s e wird vom 31. Mai angefangen, mit
seinem rühmlichst bekannten Orchester den ganzen Sommer hindurch
bis Ende August in Warschau Concerte geben und dann im Herbst
wieder seine beliebten Concerte im Berliner Coucerthause fortsetzen.
*** Der Baritouist ß e ck vom Hofoperntheater in Wien hat am
4. d. M. in der Bolle des Beiisa r ein Gastspiel auf der Hofbühne
in M ü n ch e n begonuen.
*** Am 19. Mai starb in Paris der ehmalige Balletmeister
der grossen Oper, M a z i 1 1 i e r, im Alter von 71 Jahren.
*** Der Violinvirtuose Wilbelmj ist von seiner Kuustreise
in Italien ruhmbeladeu nach seiner Vaterstadt Wi esbade n zu-
rückgekehrt, wo er nur kurze Zeit ausruhen wird um sich dann
abermals auf die Reise zu begeben.
*** Rieh. Wa g n e r's Briefe über „Deutsche Kunst und
deutsche Politik" , früher in der „Südd. Presse" deutsch und später
im „Guide musical* französisch veröffentlicht, sollen nuu gesammelt
in einer deutscheu Broschüre erscheinen. Auch ist das demnäebstige
Erscheinen einer zweiten, umgearbeiteten und mit neuem Vorworte
versehene Auflage von Wagner' s „Oper und Drama", in einem
Bande, zu erwarten.
*** Die „Neue freie Presse" enthielt unlängst folgende Notiz,
Mozart's Grab betreffend: „Grabschändungen scheinen auf den
hiesigen Friedhöfen immer weiter um sich zu greifen. Mit jedem
Tage wächst die Zahl der entwendeten Schilder, Tafeln, Handhaben
etc. Nun haben frevelhafte Häude ihre Diebswuth an Mozart's Grab
versucht. Einer der vier brouzeneu Candelaber sollte als erstes
Opfer fallen, doch widerstand er der rohen Gewalt, die nur im Stan-
de war, ihn umzubiegen. Dabei wurde aber doch der betreffende
Granit-Eckpfeiler vom Hauptsockel losgerissen. Das Denkmal wurde
»von der Stadt Wien" gewidmet. Die Stadt wird wohl auch im
Stande sein , es vor bübischen Entstellungen zu schützen."
%* Theodor Wachtel hat in Hamburg für 14 Gastrollen
einen Einnabmsantheil im Betrag von 22,000 Mark erhalten.
*** Hans Schläger 1 s Oper „Heinrich und Ilse" ist in
Salzburg wiederholt mit grossem Beifall in Scene gegangen.
*** Der Tenorist Bacbroann vom Hoftheater in Dresden
ist mit zehnjährigem Engagement für die Hofbühne in München
gewonnen worden und wird dort im kommenden Herbst eintreten.
%* Der König von Preussen hat für die Herstellung von Hof-
logen in den Theatern von Breslau, Posen und Kiel je 20O
Thaler beigesteuert.
*** Die vier neuesten Opern Offenbach's: „Die schöne,
Helena," „Blaubart," „Pariser Leben" und „Grossherzogin von Gerol-
stein" haben in Paris bereits 1000 Vorstellungen mit fast 3 l / a Mil-
lion Francs Einnahme erlebt.
*** In Leipzig starb am 15. Mai nach langen nnd schweren-
Leideu Hr. Julius Kistner, seit 1844 Vertreter der Friedrieb.
Kistner 'sehen Musikverlagshandlung, langjähriges Mitglied der
Gewandhansconcertdirection und überhaupt ein eifriger Musikfreund,,
im G3. Lebensjahre, tief betrauert von seinen Mitbürgern wie von*
seinen zahlreichen Freunden ausserhalb Leipzig.
*** Frl. Aglaja Orgeny hat in Frankfurt a. M. die Lucia,
Rosine, Agatha, Margaretha und Gilda („Rigoletto") gesungen und
vorzugsweise in jenen Bollen gefallen, in welchen sie ihre ausser*
ordentliche Coloraturfertigkeit entwickeln konnte.
*** In Wien hat sich ein Comite gebildet, um endlich dem.
grossen Tonmeister Joseph Haydn im dortigen Bezirk Mariahilf,
wo derselbe die letzte Zeit seines Lebens zubrachte und dort auch
gestorben ist, ein Monument zu errichten.
*** In den Leipziger Privatkreisen interessirt man sich immer
lebhafter für das projeetirte Mendelssohn-Denkmal und es stehen
eine Reihe von Concerten, Soireen etc. zu diesem schönen Zweck,
in Aussicht, während durch Privatsammlungen direct für Beschaffung
der nothigen Geldmittel gewirkt wird.
*** Frl. K raus s ist in Wien eingetroffen um in der schönen.
Umgebung dieser Stadt auf ihren Pariser Lorbeeren auszuruhen»
Bezeichnend für den Werth der Leistungen dieser Künstlerin ist ein«
Wort, welches Bossini, nachdem Frl. Krauss in einer seiner be-
rühmten Soireen gesungen hatte, ausgesprochen hat: „Sie singen,
mit der Seele, meine Tochter, und Ihre Seele ist schön."
*** Mlle. A rtöt hat ihr Gastspiel in M o s k a u als Bosine im*
„Barbier" beendigt und ist bei dieser Gelegenheit mit Ovationen»
aller Art in einem kaum noch dagewesenen Grade förmlich über-
schüttet worden. Ihr Garderobeziramer fand sie bei ihrem Eintritt
in reichster uud geschmackvollster Weise geschmückt und mit rei-
chen Geschenken angefüllt. Unter den zahlreichen Bouquets, welche
der gefeierten Künstlerin gespendet wurden, befand sich auch eines*
von colossaler Dimension aus den prachtvollsten Bösen zusammen-
gesetzt, auf welchem sich ein Schmetterling, aus Rubinen, Dia-
manten und Türkisen bestehend , im Wertbe von 2000 Siberrubeln.
wiegte. Als sie das Theater verHess , erwarteten sie ein paar hun-
dert junge Leute, welche sich um ihre Bouquets förmlich schlugen,,
so dass sie nur mit Mühe ihren Wagen erreichen konnte, um sich
zu einem ihr zu Ehren veranstalteten splendiden Souper zu begeben.
Die Einnahme dieser Vorstellung des „Barbier" betrug 20,000 Frcs.
ANZEIGEN.
CO
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W
O
co
CO.
AMSTERDAM: Tit. J. ROOTHAAN <fc Cie.
Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst
daukenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer
der BEET HO VEN'scheu Muse dringend aufmerksam
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) jg
J»r. t#. JP. MJEMJTJE 9
GRIEREEASDS WORSTELSTMJD
(Griechenlands Kampf und Erlösung.)
BEETHOVENS
Ruinen von Athen.
Ciavierauszug fl. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50.
Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend,
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefliieh
der BEETHOVEN'schen Musik an. Möchten die deut-
schen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch
machen. (AUg. Musik-Ztg.)
Leipzig: F£ HOFMEISTER.
«8
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
if* %S.
15. Juui 1868.
SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
^j-. — - -t-f
j Biese Zeitung erscheint jeden
| MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
; ämtern, Musik- & Buchhand- j
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B.
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<fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. LÄfÄ*..
Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Sehott & Co. j^^?^!!* 4
IHHALT: Das 45. Niederrheinische Musikfest. - Aus dem Leben berühmter Musiker. — Corresp. : Wien. — Nachrichten.
Das 45. Niederrheinische Musikfest in Cöin, am
31. Mai, I. und 2. Juni.
(Fortsetzung.)
Das zweite Festconcert wurde mit der Pfingstcantate „O ewiges
Feuer" für Soli, Chor, Orchester und Orgel von J. S. Bach in
durchweg gelungener Ausführung eröffnet. Chor und Orchester
waren tadellos, Frau Joachim wusste mit ihrer Arie „Wohl euch,
ihr auaerwählten Seelen * die tiefsten Gefühlssaiten zu bewegen und
fand stürmischen Beifall. Die HH. Hill und Gunz sangen ihre
betreffenden Recitative mit Geschmack und Verständniss, nur war
bei dem Vortrage des zuletzt Genannten das Forciren der hohen
Töne wieder recht auffällig. Hierauf folgte F. H i 1 1 e r's zweite Con-
cert-Ouvertüre (op. 101, A-dnr), eine recht schwungvolle, anregende
Compositum , welche auch ganz vortrefflich wiedergegeben wurde
und sich des lebhaftesten Beifalls erfreute. Einer der Glanzpunkte
dieses Concertes, sowie des ganzen Festes, war der 114. Psalm für
achtstimmigen Chor mit Orchester und Orgel von Mendelssohn«'
Barthold y. Die wundervollen Klangwirkungen sowie die geist-
volle Conceptiou des henlichen Werkes, in der Ausführung von
Chor und Orchester in ausgezeichneter Weise zur Geltung gebracht,
machten einen Eindruck, der den Zuhörern um so unvergesslicher
bleiben wird, als dagegen die darauf folgende Aufführung des zweiten
Actes aus der Oper „Die Vestalin" von Spontini durchaus nicht
geeignet war, befriedigende Eindrücke hervorzubringen oder zu
hinterlassen. Ich habe die „Vestalin" in früheren Zeiten und
bei vortrefflicher Besetzung mehrmals aufführen hören und mich
durch die Grossartigkeit des Stvls, die Keuschheit der Erfindung,
wenn ich mich so ausdrücken darf, sowie durch die Klarheit und
ernste Würde, die in dem schönen Werke fast durchweg herrscht,
jedesmal wahrhaft erhoben gefühlt, und doch muss ich gestehen,
dass mir, als ich in der Vormittagsprobe den 2. Act dieser Oper,
zum ersten Male im Concertsaale, hörte, die Berechtigung desselben
au dieser Stelle vorgeführt, zu werden, nicht recht einleuchten wollte.
Es handelt sich dabei nicht blos um den Werth dieses Fragments
an und für sich, der mir ganz ausser Frage zu stehen scheint, son-
dern ich sehe die Notwendigkeit nicht ein, warum man so häufig
das dramatische Element in diese Festconcerte hereinzieht und zwar
in einem so uugemessenen Umfange ! Ueberdies muss ich noch ge-
stehen, dass mich die Probeaufführung des fraglichen Opernactes
im Ganzen genommen gerade nicht sonderlich erbaute, so dass ich
nur die Leistungen der Fr. Joachim und des Hrn. Hill rühmend
hervorheben möchte, während ich mit dem Tempo sehr häufig nicht
einverstanden war und auch sonstige Mängel von allerlei Art nicht
gerade selten sich bemerkbar machten. Was ich von der abend-
lichen Aufführung dieses Werkes, der ich aus dem Wege ging, um
mich für den Genuss der 9. Sinfonie von Beethoven von der ent-
setzlichen Hitze etwas zu erholen und zu stärken, erzählen hörte,
war nicht geeignet, mich meine zeitweilige Abwesenheit sonderlich
bedauern zu lassen. Auch das Publikum, welches doch im Ganzen
ausserordentlich freigebig mit seinem Beifalle war, zeigte der in
Bede Btehenden Production gegenüber eine auffallende Kälte.
Den »weiten Theil des Concertes füllte die 9. Sinfonie von
Beethoven aus. Das in seiner Art einzig dastehende Werk er-
lebte trotz seiner colossalen Schwierigkeiten eine im grossen Ganzen
der erhabenen Tonschöpfung und der verfugbaren vortrefflichen
Kräfte würdige Aufführung ; man sah es den Mitwirkenden an, das»
sie durchdrungen waren von dem Geiste der in der sublimsten
Kundgebung des Beethoven'schen Genius weht und weder die ausser"
ordentlichen Anstrengungen, welche an diesem und den vorher-
gehenden Tagen die Kräfte der Sänger und Instrumentalisten in
ungewöhnlicher Weise auf die Probe gestellt hatten, noch die er-
drückende Hitze, die wieder im Saale herrschte, vermochten der
freudigen Begeisterung, der vollen Hingebung und euergievollen
Thätigkeit der Mitwirkenden Eintrag zu thun. Der Chor nament-
lich entfaltete eine Frische und eine selbst an den kritischsten
Stellen fast ganz tadellose Reinheit der Intonation, die wahrhaft 1
bewundernswerth war und das Publikum, nicht minder erfüllt von
der Grossartigkeit des Werkes und hingerissen von der schwang-
vollen Aufführung, brach nach jedem Satzein jubelnden, am Schlüsse
fast endlosen Beifall aus. Ich konnte mich nur mit den vom Diri-
genten beliebten Terapi's nicht überall befreunden; so schienen
mir namentlich die beiden Tempi des Scherzo zu schnell gegriffen,
da im ersten derselben die herrschende Figur J . J J häufig nicht
mehr deutlich genug ausgeprägt erschien und auch der Mittelsatz
(7s Tact) eben durch die übertriebene Schnelligkeit des Zeitmasses
an Klarheit, mitunter selbst an Sauberkeit der Ausführung einbüsste,
überhaupt viel zu unruhig und hastig klang. Ich werde nie die
Aufführung dieses Werkes vergessen, wie sie im Jahre 1864 bei
dem 41. der Feste in Aachen unter der Leitung von Jul. Rietz
stattfand, und welche im Vergleich mit der in Rede stehenden bei
gleicher Frische und begeisterter Energie der Ausführung dennoch
gerade durch das durchweg Maassvolle im Tempo einen ausser-
ordentlich tiefen, ja unvergänglichen Eindruck machte. Auch im
3. Satze hätte der Unterschied zwischen dem Adagio und Andante
moderato wohl noch etwas prägnanter hervorgehoben werden können.
Die Gesangsoli waren mit Ausnahme der Altpartie bei diesem Feste
in denselben Händen, wie damals in Aachen, nämlich in denen
der Fr. Dustmann und der HH. Dr. Gunz und C. Hill, nur
mit dem Unterschiede, dass Frau Dustmann damals ihre Stimm-
mittel noch vollkommen beherrschte, was diesmal leider nicht mehr
ganz der Fall war, so dass es namentlich in der letzten Cadenz
des Soloquartetts zu recht bedenklichen Krisen kam. Die 9. Sin-
fonie kam bei den „Niederrheinischen Musikfesten" heuer zum neun-
ten Male ganz und im Jahre 1834 theilweise zur Auffuhrung; sie
wurde bei dem 1825 in Düsseldorf gefeierten 8. Feste unter der
Direction von Ferd. Ries zum ersten Male den Besuchern dieser
Feste vorgeführt.
So hatte denn auch das zweite der Festconcerte in genussrelcber
Abwechslung des Schönen nnd Erhebenden in grösstenteils höchst
— 94 -
gelungener Ausführung Vieles gebracht und wird im Ganzen den
Zuhörern eine nicht minder schöne Erinneruug zurückgelassen haben,
als das erste Concert, denn wenn in diesem das Einheitliche des
Genusses die Intensivit&t und Nachhaltigkeit desselben noch erhöhte,
so mussten doch gewisse Momente des 2. Concertes, wie z. B. der
prachtvolle Psalm von Mendelssohn und die 9. Sinfonie sich dem
Gemflthe und der Erinnerung eben so tief einprägen wie die Auf-
führung des herrlichen „Messias."
(Schluss folgt.)
Aus dem Leben berühmter Musiker.
Den 13. Mai 1820 schrieb Karl Maria von Weber die letzten
Koten an seiner Oper : „der Freischütz" Erst nachdem dieselbe
in Wien und Berlin die glänzendsten Erfolge erlebt hatte, konnte
Weber im Jahre 1821 es durchsetzen, dass sie auch in Dresden,
wo er zu der Zeit Capellmeister war, einstudirt werden durfte. Den
Proben wohnte mit gespanntem Interesse einer der grössten Zeit-
genossen Weber's bei: Louis Spohr, welcher in demselben Jahre
von Gandersheim mit seiner Familie nach der sächsischen Residenz
übergesiedelt war und dort im Verkehr mit seinem ehemaligen
Schüler Moritz Hauptmann und anderen zahlreichen Freunden ein
musikalisch reges Privatleben führte. Das Interesse, welches Spohr
am „Freischütz" nahm, wurde noch bedeutend durch den Umstand
erhöht, dass für ihn derselbe Stoff einige Jahre früher in Frank-
furt a. M. als Libretto bearbeitet und von ihm die Composition nur
desshalb aufgegeben worden war, weil er zufällig erfuhr, dass We-
ber schon damit beschäftigt sei. Der ausserordentliche Erfolg, wel-
chen der Freischütz in der kurzen Zeit errungen hatte, und die
nähere Bekanntschaft der Oper selbst wirkten so anregend auf ihn,
dass er eine neue dramatische Composition unternahm. In Paris
hatte er zufällig einen alten Roman kennen gelernt und sich den
interessanten Stoff desselben zu einem Schema für einen etwaigen
Operntext zurechtgelegt. Diese halb vergessene Arbeit suchte jetzt
Spohr wieder hervor und Hess sich von dem Dichter Eduard Gehe,
der bereitwillig auf alle seine Ideen einging, nach seinem selbst-
entworfenen Schema einen Operntext schreiben. So entstand die
Dichtung der Oper: Jessonda. Dieselbe wurde aber nicht in
Dresden componirt, sondern in Kassel, wohin Spohr im Jahre 1822
als Capellmeister berufen wurde, und zwar durch Vermittelung We-
ber's,' der, mit seiner Stellung in Dresden vollkommen zufrieden,
denselben Ruf abgelehnt hatte.
Schon im Dezember desselben Jahres war die Oper beendet.
Spohr hatte nicht, wie Weber, nöthig, erst durch auswärtige Er-
folge unterstützt, die Einstudirung seiner Oper an der Bühne des
eignen Wirkungskreises mühevoll durchzusetzen, sondern bereits
im folgeuden Jahre 1823 wurde die Oper „Jessonda" in Kassel zum
Geburtstage des Kurfürsten, den 28. Juli, zum ersten Male aufge-
führt. Sie machte eine ausserordentliche Wirkung auf das Publikum.
Denn obgleich die Etiquette verbot an kurfürstlichen Geburtstagen
ausser beim Empfange des Hofes zu applaudiren, brach dennoch
schon vor Ende des ersten Actes ein Beifallssturm los, der sich von
Act zu Act steigerte. In den nächstfolgenden Jahren feierte „Jes-
sonda" in allen Hauptstädten Deutschlands ihre wohlverdienten
Triumphe.
Steht aber etwa „Jessonda" höher, als der „Freischütz? 1 * Spohr
schreibt über den letzteren Folgendes in seiner Selbstbiographie
(Bd. 2, S. 149): „Die nähere Bekanntschaft mit der Oper löste mir
das Räthsel ihres ungeheuren Erfolges freilich nicht, es sei denn,
dass ich ihn durch die Gabe Weber's, für die Fassungskraft des
grossen Haufens schreiben zu können, erklärt finden wollte."
(Tonhalle.)
CORRESPONDENZEK.
Aus W i e u.
(Schluss.)
Die Oper wurde Ende Mai für einen Monat geschlossen. Den
Bericht in Nr. 16 d. Z. mit den weiteren Leistungen der Oper seit
Ostern ergänzend, vervollständigen nachfolgende Zeilen damit zu-
gleich die Uebersicht über ein ganzes Theaterjahr. — In deu letz-
ten 7 Wochen wurden 37 Opern von 10 verschiedenen Componisteu
gegeben. Meyerbeer nahm wieder die höchste Zahl Abende (8)
für sich, während Mozart, Donizetti, Gounod, Halevy mit
je 4 Vorstellungen bedacht waren ; Verdi hatte 3, Rossini und
Adam je 2, Weber und Beethoven je 1 Abend. „Fidelio"
und der „Postillon von Lonjumeau" haben ihr Erscheinen nur dem
Gastspiel des Dr. Gunz zu verdanken, womit der Sänger eine
schätzbare Vielseitigkeit bot. Die leichtgeschürzte liebliche Musik
Adams war ein Sonnenblick in das dicke Gewölk so mancher soge-
nannten grossen Oper. Ausser Gunz war von den Einheitnischen
in dieser Oper nur Meyerhofer an seinem Platz — der einzige
Repräsentant der hiesigen Spieloper! Auber, Boildieu.Mehul
kommen und gebeu gleich Eintagsfliegen. Aber auch deutschen
classischen Opern geht es nicht besser. Weber brachte es in
einem vollen Jahr mit dem „Freischütz" nicht über drei Abende;
„Euryanthe" ruht schon lange. Nach der Aufführung von Gluck's
„Iphigenia in Aulis" scheint man nicht eilig, die, den heutigen
Wienern total fremde „Alceste" und ,, Armida" folgen zu lassen.
Wagner hätte alle Ursache, sich über Vernachlässigung zu be-
klagen. Eine einzige Oper («der fliegende Holländer") und diese
nur ein einzigesmal gegeben, klingt fast unglaublich ; wenigtens
hätte man diese Oper noch einigemal repetiren können, die an
Beck einen so ausgezeichneten Darsteller besitzt. Beck allein
hätte auch verdient, durch »ine neue Rolle in einer neuen Oper
seinen Wirkungskreis erweitern zu können. Neue Opern werden
wohl oft genug als „in Aussicht genommen" angekündigt, dabei
bleibt es aber. Die einzige Novität im Verlauf eines Jahres war
Gounod's ,, Romeo," den mau nicht wohl umgehen konnte. Nach-
dem Frau M u r s k a abgetreten, Hess man endlich Frl. E h n n die
von ihr zur Zeit der Murska-Nöthen einstudirte Julie singen und
wie voraus zu sehen war, gewann der dramatische Theil der Rolle
ungemein. An Unebenheiten im Gesang fehlte es freilich nicht,
doch wird ein fleissiges Studium auch diese zu überwinden wissen.
Frl. B e u z a, die bereits als Iphigenie und Alice eine Stufe höher
gestiegen, hat nun auch als Gretchen und Selica in etwas bedenk-
lich kurzen Zwischenräumen ihr Rollenfach erweitert. Obwohl Ge-
sang und Spiel noch Lücken genug zeigen, kann man doch nicht
verkennen, dass hier mit der Zeit ein wirklich dramatisches Talent
zum Durchbruch kommen muss. — Wie die Zeit vor Ostern 14
Gäste aufzuweisen hatte, so gehörten auch die 7 Wochen n a ch
dieser Zeit zum grössten Theil den Geladenen; auf jede Woche
kam richtig Ein "Gast, von denen zwei (Tel ek und Wachtel jun.)
auch nicht den bescheidensten Anforderungen entsprachen; ein drit-
ter (BrandstÖttner) vielleicht für dritte ßasspartien ein Plätz-
chen hier finden dürfte, ein vierter aber (Müller) wirklich von
Herbst an engagirt wurde. Müller trat als Manrico, Arnold und
Vasco auf, und fand nach den traurigen Gastspielerfahrungen seiner
Vorgänger anfangs glänzende Aufnahme, die sich dann aber in etwas
abkühlte. Bei ihm ist Alles noch im Werden; die Mittel sind aber
da und gilt es nur, sie klug zu verwerthen. Dr. Gunz ist hier
immer gerne gesehen; auch diesmal fand er freundliche Aufnahme.
Seine Rollen waren Tamino, Edgard, Raoul, Romeo, Chapelou und
Florestan. Romeo hatte er erst hier einstudirt; vieles gelang ihm,
vieles bedarf noch der Feile; als Raoul forcirte er seine, für hero-
ische Partien nicht geschaffene Stimme; am besten gelang ihm der
muntere Chapelou. — Und nun zu Hrn. S on th e im, der in Wahr-
heit sagen kann : „ich kam und siegte." Die Direction darf ihm
zu Dank verpflichtet sein; nicht für die vollen Häuser allein, son-
dern viel mehr noch für den Eindruck, deu sein Gastspiel überhaupt
hervorbrachte. Alle Klagen die sie im Lauf des Winters gesam-
melt hatten, verstummten vor dem augenblicklichen Erfolge eines
Einzelnen. Die markige geschmeidige Stimme Sontheims, seine
enorme Routine die ihm mit Leichtigkeit auch über Hindernisse hin-
weg hilft, die die Menge kaum ahnt, dazu ein gewandtes intelli-
gentes Spiel: kein Wunder, dass der Beifall alle Schleussen öffnete
und eine Wiederholung seines Gastspiels schon jetzt eine ausge-
machte Sache ist. Sontheim sang 8mal; Robert und Edgard waren
die schwächeren Rollen; Masaniello dagegen konnte nur von Eleazar
überboten werden , eine Rolle, in der er viermal auftrat und die
auch seiner Individualität am meisten entspricht. Ihm zur Seite
fanden aber auch Fräulein Ehnn und Dr. Schund (Recha und
95 -
Comthur) reichlichen Beifall. — Voraussichtlich wird die Oper während
•de* Schützenfestes Glanzvorstellungen geben, d. b. „Teil" und „Frei-
schütz" werden in neuem Costüme erscheinen. Das Gastspiel Nie-
mann's, zuerst für den Sommer angesagt, soll auf Herbst verschoben
sein. Als Novität der Herbstsaison wird „Mignou" (mit Frl. Ehun)
genannt; Sontheim*s Gastspiel aber dürfte eher zur Aufführung des
„Astorga" anregen. Möge das Abschiedsjahr der Oper in diesen
Bäumen, die seit mehr denn hundert Jahren so manche Glanzperiode
erlebten, ein erfreuliches sein.
IV a c li r i c li t e ii,
PäHs. Ambroise Thomas ist von seiner Reise, die er zum
Zwecke der Inspizirung der Filialen des Couservatoriums im süd-
lichen Frankreich unternommen hatte, wieder nach Paris zurückge-
kehrt. Dem Componisten der Opern „Mignon" und „Hamlet" wurden
allenthalben die unzweideutigsteu Beweise der achtungsvollen Ver-
ehrung und die aufrichtigsten Glückwünsche zu seinen jüngsten
grossartigen Erfolgen zu Theil. In M arseille hatten ihm zu Ehren
die hervorragendsten Künstler und Kunstfreunde ein glänzendes
Sanquet veranstaltet.
— Ein interessanter musikalischer Fnnd ist bei dem Abbruche
der Häuser in der Rue de Choiseul zur Verlängerung der Rue
Re'aumur gemacht worden. Man fand nämlich hinter einem Thür-
gesimse in der Mauer versteckt in einem einer Botanisirbüchse
ähnlichen Behälter das vollständige Manuscript eiuer dreiactigen
Oper, zu welcher das Gedicht Ti Didone abbandonata* von Me-
tastasio als Text benützt wurde. Der bis jetzt unbekannte
Componisfc hat sich nicht genau an Metastasio's Dichtung gehalten,
in welcher das Recitativ auf Kosten des lyrischen Elementes zu
sehr bevorzugt ist, sondern kürzte die Recitative bedeutend und
benützte die recitirenden Verse zum Theil für die Gesangstücke.
Die Singstimmen sind in der Partitur zweifach, einmal mit dem
italienischen und einmal mit französischem Text in freier Ueber-
tragung geschrieben. Sie können also in beiden Sprachen gesungen
werden, allein nach der Art wie die musikalischen Accente vertheilt
sind zu schliessen, ist leicht zu erkennen, dass der Componist die-
selben ursprünglich nach dem italienischen Texte geschrieben hat.
In jedem der beiden Zwischenacte ist ein Intermezzo eingeschaltet,
welche aber mit der Tragödie „Dido" nichts gemein haben, sondern
sich im komischen Genre bewegen, deren Text aber ebenfalls von
Metastasio ist, welcher dieselben unter dem ausdrücklichen Titel:
„Intermezzi de la Didone" geschrieben hat. Der Componist der
in Rede stehenden Partitur hat sich nun gewissenhaft an die Idee
des Dichters gehalten und sowohl die tragische Oper wie die komi-
schen Intermezzi in Musik gesetzt, wodurch er sein zweifaches Ta-
lent für das ernste wie für das komische Fach beurkundete. Die
der Oper vorangehende Ouvertüre ist dem Styl nach was die Itali-
ener eine Sinfonie nennen und vortrefflich geschrieben. Den beiden
Intermezzi gehen wieder zwei Fkleine Vorspiele voraus, leicht
und anmuthig gehalten, ganz im Style der Opera buffa. Nach der
Instrumentirung zn schliessen muss diese Oper zu der Zeit geschrie-
ben sein, als Spontini seine „Vestalin" aufführen Hess. Wer weiss,
ob der Componist nicht die Absicht hatte, um den zehnjährlichen
Preis zu concurriren und dann verletzt durch die Entscheidung der
Jury, oder entmuthigt, sein Manuscript begrub? Wer weiss, was
sonst noch Veranlassung gegeben haben mag, dass ein so werth-
volles Manuscript in einer Mauer versteckt wurde. Jedenfalls kön-
nen alle Vermuthungen darüber nicht zur Auffindung des wahren
Namens des Componisten führen. Wäre die Schrift ein Autograph,
so möchte man durch Vergleichung mit der Schrift gleichzeitiger
Meister den Autor herausfinden können ; allein das Manuscript ist
ohne Zweifel von einem Copisten geschrieben und zwar von einem
französischen, was aus den vielen ortographischen Fehlern im italie-
nischen Texte erhellt, während der französische Text fehlerfrei ge-
schrieben ist.
Wer nun der Componist dieses vorzüglichen Werkes sein mag,
welches eines Cherubini oder Spontini würdig wäre, wie die Sach-
verständigen behaupten, dürfte schwer zu bestimmen sein. Jeden-
falls wäre es interessant, wenn man die Oper, mit einer yön geübter
Hand ein wenig vervollkommneten Instrumentation, dem Publikum
vorführen würde, denn sie übertrifft an Werth weit alle bisher be-
kannten Opern über dasselbe Thema.
— Die Wiederaufnahme der Oper „Herculanum" von Fei.
David wird in deu nächsten Tagen stattfinden.
— Auber's ^Premier Jour de Boniteur" übt in der komir
sehen Oper noch immer die gleiche Anziehungskraft aus und muaste,
um dem Andränge des Publikums zu genügen, in der letzten Woche
viermal gegeben werden.
— Das neue Opernhaus hat sich bereits den Namen „Danaiden-
Oper tt erworben. Der Bau hat nämlich schon an 40 Mill. Frcs. ver-
schlungen und» die für 1868 bewilligten und für 1869 erst zu be-
willigenden Credite sind bereits erschöpft. Der Bau stockt nun we-
gen Geldmangels, und wenn nicht binnen acht Tagen Geld aufge-
trieben wird, so wird man die letzten Arbeiter abdanken müssen.
Zur Vollendung des Bau's sind noch vier Jahre erforderlich. Nimmt
man an, dass jährlich blos 4 Mill. verbaut werden, so ergibt sich
Schliesslich eine Kostensumme von 60 Mill. Frcs.
Leipzig. Hr. v. Witt e, der Director des städtischen Thea-
ters; hat um Enthebung von seinem Contracte nachgesucht und will
seinem Nachfolger das ihm gehörige Inventar zu den günstigsten
Bedingungen überlassen.
— Am 24. Mai ging die Oper „König Manfred" von dem Di-
rector der Gewaudhausconcerte, Carl Reinecke, zum ersten
Male dahier in Scene und hatte einen sehr günstigen Erfolg. Com-
ponist und Darsteller wurden nach jedem Act gerufen.
— Am 24. Mai ist das Zöllnerdenkmal, bestehend aus
einer Kolossalbüste in Marmor, unter entsprechenden Feierlichkeiten
enthüllt worden.
München. Hr. Held, der Director des hiesigen Actien- Volks-
theaters hat in Folge von Differenzen mit dem Verwaltungsrathe
seine Demission eingereicht.
*** Der bisherige Capellmeister am „Mozarteum" in Salzburg,
Hans Schläger, wird sich mit einer Gräfin Oldershausen vermäh-
len und sich in Zürich niederlassen.
*** Der Contrabassist Bottesini hat von der Königin von
Spanien das Ritterkreuz des Ordens Carls III. erhalten.
*#* Die HH. Laube, Mosenthal und Flotow haben kürz-
lich in Wien eine Besprechung gehalten zu dem Zwecke, nach
dem Vorbilde der zu Paris bestehenden Gesellschaft von dramati-
schen Dichtern und Componisten einen „Verein der dramatischen
Dichter und Tonsetzer" in's Leben zu rufen, dessen Aufgabe sein
soll, die Interessen der für die Bühne schaffenden Talente in Deutsch-
land in entsprechender Weise zu wahren.
*** Von dem bekannten Violinvirtuosen Wasielewski wird
nächstens eine „Geschichte der Geige" im Druck erscheinen.
*** Der ausgezeichnete Violinvirtuose Jos. Walter, bisher
eine der ersten Zierden der Münchener Hofcapelle, soll für das
Orchester des Hofoperntheaters in Wien engagirt worden sein. Die
Münchener Capelle verliert viel durch seinen Weggang, und der
Verlust wird durch den neuengagirten Concertmeister Abel in keiner
Weise ersetzt.
*** Frl. Carina bat ihr Gastspiel am Leipziger Stadtthea-
ter beendigt ohne ein Engagement zu erzielen.
*** Der Bassist Dr. Schmid vom Hofoperntheater in Wien
hat am Stuttgarter Hoftheater mit grossem Erfolge gastirt.
*#* Auf dem Carltheater in Wien wird demnächst eine neue
Operette von Suppe: „Tautalus-Qualeu" zur* Aufführung gelangen.
*** Professor H ä h n e 1 in Dresden hat den Auftrag erhalten,
für das neue Wiener Opernhaus fünf lebensgrosse Modelle für
die Logenöffnungen in der Loggia zu liefern. Es sind dies die
Statuen der „tragischen" und „komischen Muse", des „Heroismus*,
der „Liebe" und der „Fantasie". Dieselben sollen bis Ende Sep-
tember 1869 vollendet sein.
*** Hr. C. Vogt, Kaufmann in Leipzig hat an dem dor-,
tigen Conservatorium der Musik durch Ueberweisung eines Capitals
von 2000 Thlr. eine Freistelle für den Unterricht eines „talentvollen
unbemittelten Geigers" begründet.
*** Lortzing's „Uudine" wird im Herbst d. J. am Hofthea-
ter zu Dresden mit prachtvoller Ausstattung zum ersten Male zur
Aufführung gelangen.
— 96 —
*** Dr. Otto Bach, wie bereits mitgetbeilt, einstimmig zum
Diretor und Capellmeister des Mörsarteuros in Salt bürg erwählt,
hat wie verlautet für den nächsten Winter auch die Leitung der
dortigen Oper übernommen.
*** Der rühmlichst bekannte Orgelbauer Walker in Ludwigs-
burg hat den Auftrag erhalten, für das neue Hofoperntheater in
Wien eine Orgel herzustellen, welche 10 Stimmen im Manual und
3 im Pedal haben wird.
%* Die Singakademie in Halle sucht einen Dirigenten, da
feob. Franz diese Stelle wegen Gehörsleiden aufgegeben hat,
*** Bei dem am 30« Mai in Metz stattgehabten Preissingen
gewann die Liedertafel von Trier den ersten Preis für
das Prima-vista-Singen, bestehend in einer von der Kaiserin Eu-
g e n i e gestifteten grossen goldenen Medaille mit ihrem Bildniss
ferner errang derselbe Verein auch den ersten Preis für den Vor-
trag eines vorgeschriebenen französischen und eines selbstge-
wählten deutschen Liedes, welcher in eiuer von der Stadt Metz
gestifteten, das Bildniss des Kaisers Napoleon III. tragenden gol-
denen Medaille bestand* Es hatten 31 Gesangvereine concurrirt,
und unter diesen war die preisgekrönte Liedertafel von Trier am
wenigsten zahlreich vertreten, indem sie nur durch 24 Sänger reprä-
sentirt wurde,
*** Das Münchener Hoftheater wird während des Monats
August geschlossen werden. Die nächste Novität im Opernfache wird
dann dort die grosse vieractige Oper „Ruy Blas" von Max Z en-
ger sein, welche am 7. d.M. in Mannheim, obgleich uoch nicht
in der wünschenswerthen Abrundnng, aber dennoch mit sehr günsti-
gem Erfolge zum ersten Male über die Bretter ging. Am 14. d. M.
findet dort die erste Wiederholung dieser Oper statt.
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„ 5. „ 67 ,, „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 6. „ 68 pastorale . „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „
,, 7. „ 92 ..." . „ ,, „ 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 8. „ 93 .... „ ,, „ 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 9. „ 125 u „ „ 5. 24 „ 7, 3. — „
Die lte, 2te, 8te und 9te Sinfonie sind bereits ausgegeben, die
übrigen werden nach und nach im Laufe des Sommers folgen.
Verlag von Bob. Forlierg in Leipzig.
Mowi-Sendung ATr. 3 1868.
CSen^C) Rieh « 9 Op. 178. Der angehende Künstler. Komisches
Duett für Tenor u. Bass mit Begleitung des Pianoforte 20 Ngr.
CSrtanerj H.j Op. 58. „Das Testament des Noah," für Bass-
Solo u. Männerchor mit Begleitung des Pianoforte. Ciavier-
Auszug und Stimmen 27 Vi Ngr.
dutiiiaiiii, F., Op. 110. Sehnsucht nach der Heimath. Steyr.
Ländler f. d. Zither 7 7, Ngr.
— Op. 111. Bei guter Laune. Walzer (im Ländlerstyl) f. d.
Zither 9 Ngr.
— Op. 112. „Holdes Liebchen/ Polka. „Denke mein," Polka-
Mazurka f. d. Zither 7 Ngr.
— Op. 113. Potpourri-Quadrille f. d. Zither 9 Ngr.
— Op. 114. Jugendlust - Marsch f. d. Zither 7 Ngr.
Hjrilgfc D«j Op. 196. Hosenknospen. Leichte Tonstücke Ober
beliebte Thema ohne Octavenspannungen u. m. Fingersatzbez.
f. d. Pianoforte. Nr. 31. Boildieu, Weisse Dame, „Ha welche
Lust Soldat zu sein" 10 Ngr. — Nr. 32. Auber, Stumme von
Portici. Schlummer - Arie „Still schweb 1 mit rosigem Gefie-
der" 10 Ngr. — Nr. 83. Kreutzer, NachtJgr. v. Granada. Bo-
manze „Ein Schatz bin ich" 10 Ngr. - Nr. 84. Procb, Da»
Erkennen, „Ein Wanderbursch mit dem Stab in der Hand" 10 Ngr«
Nr. 35. Kreutzer, Nachtlager in Granada. Terzett „Trenne nicht
das Band der Liebe" 10 Ngr. — Nr. 36. Mozart, Figaro*»
Hochzeit. Aiie „Dort vergiss leises Fleh'n" 10 Ngr.
Kuntze, <?., Op. 145. Ein Stündchen im Casino. Humoristische»
Männerquartett. Part, und Stimmen 1 Thlr.
Schultert, F., Ausgewählte Lieder und Gesänge für eine Sing-
stimme mit Begl. d. Pianoforte. Mit deutschem u. franzos. Text
Nr. 3. Op. 4. Nr. 1. Der Wanderer. Le Voyageur. 4 Ngr.
Nr. 4. Op. 4. Nr. 2. Morgenlied. Chant du matin. 5 Ngr*
Nr. 3. Wanderers Nachtlied. Chant du soir.
Nr. 5. Op. 13. Nr. 2. Lob der Thränen. Eloge des Lär-
mes. 4 Ngr.
Nr. 6. Op. 13. Nr. 3. Der Alpenjäger. Le chasseur des Al-
pes. 4 Ngr.
Nr. 7. Op. 25. Nr. 1. Das Wandern. Le meunieur voya~
genr. 4 Ngr.
Nr. 8. Op. 25. Nr. 2. Wohin? Au bord de la fontaine. 4 Ngr»
Nr. 9. Op. 25. Nr. 3. Halt. Sa chaumiere. 4 Ngr.
Nr. 10. Op. 25. Nr. 4. Danksagung an den Bach. Je vais la>
voir.. 4 Ngr.
Nr. ll.Op. 25. Nr. 5. Am Feierabend. Elle ne m'a pas com-
pris. 5 Ngr.
Nr. 12. Op 25. Nr. 6. Der Neugierige. Suis-je aime\ 4 Ngr*
Nr. 13. Op. 25. Nr. 7. Ungeduld. Toute ma vie. 5 Ngr.
Nr. 14. Op- 25. Nr. 8. Morgengruss. Salut du matin. 4 Ngr*.
Nr. 15. Op. 25. Nr. 9. Des Müllers Blumen. Ne m'oubliez pas
4 Ngr.
Nr. 16.0p. 25. Nr. 18. Trockne Blumen. La fleur fanee. 4 Ngr*
Nr. 17. Op. 25. Nr. 19. Der Müller und der Bach. La voix
enchauteresse. 4 Ngr.
Nr. 18. Op. 25. Nr. 20. Des Baches Wiegenlied. I/etranger»
4 Ngr.
Nr. 19. Op. 32. Die Forelle. La truite. 4 Ngr.
Nr. 20. Op. 43. Nr. 1. Die junge Nonne. Le jeune religieuse»
5 Ngr.
Nr. 21. Op. 52. Nr. 6. Hymne an die Jungfrau. (Mit deutsch*
u. engl. Text) 5 Ngr.
Nr. 22. Op. 58. Nr. 3. Des Mädchens Klage. Les plaintes de-
la jeune fille. 5 Ngr.
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spielen (prima vista). 7. Das VierhändigBpielen 8. Musikalisches.
Talent und Behandlung desselben. 9. Vom Ueben. 10. Die Un-
terrichtsstunde. 11. Zur Pedallehre. 12. Clavierlehrerarten und
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Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
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22. Juni 1868.
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INHALT: Das 45. Niederrheinische Musikfest. - Ein überspannter Violoncellist. — Corresp.: Cassel. — Nachrichten.
Das 45. Niederrheinische Musikfest in Cöln, am
31. Mai, I. und 2. Juni.
(Fortsetzung.)
Das dritte, sogenannte „Künstlerconcert," welches am 2. Juni
stattfand, brachte, wie herkömmlich, in 2 Theilen und 10 Nummern
ein gemischtes Programm von grösseren und kleineren Iustrumental-
und Vocalcompositionen, nämlich: I. Tb eil. 1. Ouvertüre (A-dur)
von Jul. Rietz. 2. „Frühlingsnacht, * Vocal-Quartett mit Orchester- 1
begleitung, componirt von Ferd. Hiller, vorgetragen von Frau Luise
D u s t m a n n, Frau Joachim, den Herren Dr. G u n z und Carl
Hill. 3. Violin-Concert (Vorspiel, Andante und Finale) von Max
Bruch, vorgetragen von Herrn Jos. Joachim. 4. Weltliche
Cantate von Marcello, vorgetragen vou Frau Joachim. 5. a) Ro-
mauze : „Flutender Euro," b) Widmung, componirt von Rob. Schu-
mann, vorgetragen vou Herrn Carl Hill. 6. Sinfonie in D-moll
von Rob. Schumann. II. Theil 7. Recitativ, Andante und Alle-
gro aus dem Violin-Concert Nr. VI von L. Spohr, vorgetragen von
Herrn Joachim 8. a) Frühliugstraum von F. Schubert, b) Ri-
tornello von Ferd. Hiller, vorgetragen von Herrn Dr. G u n z. 9.
Lied : „Du wunderschönes Kind" von Kirchner, vorgetragen von
Frau D u s t m a u n. 10. Hallelujah aus dem „Messias" von Hän-
del. Es ist schon oft ausgesprochen worden, dass dieses dritte Con-
cert sich dem wirklich musikverständigen und verständig geniessen-
den Festbesucher meistentheils als ein Zuviel und als eine fast
immer den Eindruck der beiden eigentlichen grossartigen Festcon-
certe durch Ermüdung und Abspannung abschwächende Beigabe
fühlbar macht, selbst wenu das Programm desselben und die auf-
tretenden Virtuosen an und für sich einem noch frischen und noch
nicht gesättigten Zuhörer viel Interessantes bieten, wie es diesmal
wirklich der Fall war. Die bekannte diätetische Regel, dass man
aufhören solle zu gemessen, wenn es am Besten schmeckt, ohne bis
zur Uebersättiguug im Genüsse fortzufahren, Hesse sich gewiss auf
die bei Musikfesten gebotenen Kunstgenüsse mit gutem Rechte an-
wenden. Dabei kommt noch die dem Dirigenten, den Sängern und
Instrumentalisten zugemuthete übermässige Anstrengung in Betracht,
welche doch gar häufig eine Abspannung der Kräfte zur Folge hat,
die nicht immer ohne Einfiuss auf die Leistungen bleibt. Dass ein
drittes oder Künstlerconcert zum Glänze eines solchen Festes und
zur Befriedigung der Besucher nicht unbedingt nöthig ist, dafür
dürfte u. A. die Thatsache sprechen, dass diese Zugabe erst seit dem
Im Jahre 1839 „in Düsseldorf gefeierten 21. Feste besteht, bei
'welcher Gelegenheit überhaupt zum ersten Male sämmtliche Gesang-
soli durch Künstler und Künstlerinnen besetzt waren. Die Dirigen-
ten und Comite's der verschiedenen Musikfeste mögen am Besten dar-
über urtheilen, ob die Theilnahme des grösseren Theils des Fest-
publikums für die eigentlichen Hauptwerke, welche an den beiden
«raten Tagen aufgeführt werden, seit der Einführung der Künstler*
concerte im Allgemeinen sich gehoben hat oder auch nur unvermin-
dert geblieben ist, und ob nicht doch der Reiz, den das Virtuosen-
thum auf einen grossen Theil des Publikums ausübt, dasselbe von.
den ernsteren Genüssen der Hauptconcerte theilweise abzieht. NiciXTsT
kann mir übrigens ferner sein, als Künstler-Virtuosen, wie
z. B. Joachim, von diesen Festen ausschliessen und dem Publi-
kum einen Genuss entziehen zu wollen, der einem grossen Theile
desselben vielleicht nur bei dieser Gelegenheit zugäuglich ist; allein
gerade die diesjährigen Concertprogramme hätten meiner Ansicht
nach die einzig dastehenden Kunstleistungen Joachim's und noch
manches Andere aus dem Programme des 3. Concertes, wie z. B.
die „Frühlingsnacht" von Hiller und vielleicht auch noch die Arie
der Frau Joachim im 2. Concerte einzuschalten erlaubt, wenn man
dafür den 2. Act aus der „Vestalin" weggelassen hätte, dessen Vor-
führung sich, wie schon erwähnt, so wenig lohnend erwiesen hatte.
Vielleicht machen sich übrigens für die Aufrechterhaltung des
Künstlercoucertes auch materielle Rücksichten geltend, indem die
stets sich steigernden Honoraransprüche der Solisten wohl einen
Zuwachs der Einnahmen wünschenswert!) machen, der freilich durch
Virtuosenproductionen am sichersten erzielt wird. Ich würde meine
Ansicht über die Kunstconcerte bei Musikfesten vielleicht ganz für
mich behalten haben, wenn ich dieselbe nicht auch verschiedentlich
von wohlcompetenter Seite hätte bestätigen hören und wenn es nicht
überhaupt mit Recht für erspriesslich gälte, dass über derartige
Dinge auch dem Herkommen entgegenstehende Meinungen laut wer-
den; schliesslich wird es eben an massgebender Stelle doch stets
so gehalten werden , wie man es dort für zweckmässig erachtet»
Doch will ich nun zu meinen Bericht über das dritte Festconcert
kommen.
Die Ouvertüre in A-dur von Rietz ist ein schon bekanntes
und mit Recht beliebtes Werk des trefflichen Meisters und kam in
durchaus vollendeter , höchst effectvoller Weise zur Aufführung.
Eine interessante Novität war das von Hiller für das Fest compo-
nirte Vocalqnartett „Frühlingsnacht, " welches besonders in den
ersten Strophen in den Singstimmen wie im Orchester eine Fülle
von feinen, reizenden Details enthält, während die Schlussstrophe,
wenn auch immerhin effectvoll, so doch auch etwas phrasenhaft
behandelt ist. Das von Joachim vorgetragene Violinconcert vou
Max Bruch (Vorspiel, Andante und Finale desselben sind zusam-
menhängend geschrieben) ist eine sehr schätzbare Bereicherung der
betreffenden Compositionsgattung und zeichnet sich, besonders ia
den beiden ersten Theilen durch noble, geschmackvolle Erfindung
und äusserst geschickte Behandlung des Soloinstrumentes wie des
Orchesters höchst vortheilhaft aus. Uebrigens spricht zu Gunsten
dieses Werkes schon die Thatsache, dass Joachim dasselbe zum
Vortrag bei einem grossen Musikfeste gewählt hat. Wie er die-
ses und die zwei Sätze aus dem sechsten Concerte von Spohr
vortrug, darüber brauche ich mich wohl nicht ausführlich zu ver-
breiten. Er stand eben wieder auf dem Gipfel seiner unnahbaren
Höhe und das entzückte Pnblikum lohnte ihm den herrlichen Genuss
mit unendlichem Beifallsjubel.
Eine wundervolle Leistung war der Vortrag einer weltlichen
Cantate (Dopo {ante pene) von Marcello durch Frau Joachim»
— 98 -
welche hier wieder einen Reichthum künstlerischen Wissens und
Geschmackes und eine Gefühlstiefe verrieth, welche ihr unbedingt
in d<3r allerersten Reihe unserer heutigen Sängerinnen , und zwar
nicht blos in Deutschland eine hervorragende Stellung viudiciren.
Hr. Hill und Dr. G u n z sangen die oben im Programm ange-
führten Lieder nebst den herkömmlichen Zugaben mit vielem und
auch wohlverdienten Beifall, und auch Frau Dustmann trug ein
Lied von K i r ch n e r, von dessen beifällige Aufnahme sie zum weiteren
Vortrage des Schubert'schen „Haidenröslein" veranlasste. Ueber
ihre Auffassungs- und Vortragsweise in Betreff dieses so reizend ein-
fachen Liedchens habe ich mich schon vor vier Jahren in meinem
Berichte über das damalige Musikfest in Aachen ausgesprochen.
Der Seh um an u 'sehen Sinfonie wurde eine durchweg vortreff-
liche, von der ungeschwächten Begeisterung und Ausdauer des Diri-
genten wie des Orchesters zeugende Aufführung zu Theil, die denn
auch ihre zündende Wirkung auf das Publikum nicht verfehlte, und
Händers mächtiges ,,Hallelujah," nicht minder feurig und schwung-
voll vorgetragen als am ersten Tage, bildete den würdigen Schluss
dieses Coucertes sowie des ganzen Festes. Dass es von Seite des
Publikums nicht an den Beweisen der verdienten Anerkennungen
für die Leistung der Ausübenden wie des Dirigenten fehlte und
dass dem Letzteren auch von den Damen des Chors die herkömm-
lichen Blumenopfer , diesmal zwar in ziemlich ungraeiöser Weise,
dargebracht wurden, versteht sich von selbst. Ein Festsouper ver-
sammelte nach dem Concerte noch etwa 250 Festgäste, Mitwir-
kende etc. etc. im Casinosaale, bei welcher Gelegenheit es natürlich
nicht an ernsten und humoristischen Beden und Toasten fehlte , so
dass allgemein die grösste Heiterkeit und Ungezwungenheit herrschte
und erst das anbrechende Tagesgrauen die fröhliche Versammlung
aufzulösen vermochte. (Schluss folgt.)
Ein überspannter Violoncellist.
Schmmerczka, ein geborner Böhme und einer der ausge-
zeichnetsten Violoncellisten, war 1789 und die folgenden Jahre bei
der italienischen Oper in Paris, im Theater von Monsieur
angestellt. Hören wir, was Ferrari (in seinem Buche betitelt:
Aneddoti piacevoli e interessnnti oecorsi nella vita di G. Fer-
rari. Londra, 1830» Bd. IL. S. 26 u. ff.) von ihm erzählt:
»Schmmerczka war der sonderbarste Mensch, den ich je in
»meinem Leben gesehen habe. Er mochte ungefähr 30 Jahre alt
»sein, als ich ihn in Paris kennen lernte. Sein gebräuntes Gesiebt
»hatte uichts Angenehmes; seine braunen Augen waren klein, aber
»lebhaft uud ausdrucksvoll ; seine Unterhaltung war einförmig und
»langweilig, ausser in gewissen Momenten, von denen ich eben er-
»zäblen will. Zur Zeit als ich mit Mestroni, erster Violinist uud
»Orchesterchef der italien. Oper, zusammenlebte, kam Schmmerczka
»sowie auch andere unserer Freunde um mit uns zu diuiren, und
»wenn er dann einige Gläser Bordeaux oder Burgunder getrunken
»hatte, unterhielt er uns mit seinen fantastischen Geschichten , von
»denen einige zu erzählen ich nicht unterlassen kann, selbst auf die
»Gefahr hin, dass man mir nicht glaubt. — Schmmerczka behaup-
tete sich zu erinnern, dass er sieben Mal auf die Welt gekommen
»sei uud da38 er mit allen gekrönten Häuptern Europas sowie mit
»dem Grossmogul uud Scipio dem Afrikaner in Verbindung gestanden
-»habe. Er hatte den Tempel Salomonis anfangen und vollenden
»sehen, er hatte Duos für Harfe und Violoncell mit dem König
»David gespielt. Er hatte ferner Amerika durchwandert schon vor
»der Entdeckung dieses Welttheils durch Christoph Columbus und
»hatte dort eine Unzahl von Elephanten und wilden Bestien gejagt
.»und erlegt. Kurz, wenn mau ihu hörte, mochte man glauben, er
»sei schon vor Erschaffung der Welt geboren gewesen. Dem gemäss
»sagte man von ihm, er sei ein Mensch mit zwei verschiedenen
»Gehirnen, das eine voll von Narrheit, das andere voll von Musik.
»Er spielte ziemlich gut Violine, aber auf dem Violoncell gab es nichts,
»was er nicht ausführen konnte. Gleichwohl war es ihm nie darum zu
»tkun, den Leuten Sand in die Augen zu streuen durch eine Sündfluth
»von Noten, von Flageolettönen, oder indem er auf dem Stege spielte,
»wie so viele Andere thun. Er besass ein grossartiges Spiel; er
»zog aus seinem Iustrumente einen reinen und runden Ton, deu er
»wie eine Menscheustimme modulirte, uud er sang auf seinem In-
strumente wie ein ausgezeichneter Tenorist singt, wenn er bezau-
bern aber nicht verblüffen will. Dieser vortreffliche Künstler starb
»in Little Chelsea bei London im Jahre 1794.«
Es scheint, das Schmmerczka Frankreich im Jahre 1792 ver-
liass, denn seiu Name steht nicht mehr im Almanach von Ducbesne
»les Spectachs de Paris? 1 von 1793, Vährend er in den Jahr-
gängen desselben von 1790 bis 1792 unter dem Namen Smiezka
aufgeführt ist ; so nannten ihn nämlich seine Kameraden, welche
uiemals den Namen Schmmerczka aussprechen lernten. Er ist
weder von Choron und F a y o 1 1 e noch von F 6 t i s angeführt.
(Guide Musical.)
CORBESPONDENZEN.
Aus Cassel.
Im Juni 1868.
Ungewöhnlich gehäufte Berufsgeschäfte und andere Abhaltun-
gen verschiedener Art mögen mich entschuldigen, dass ich nicht wie
sonst am Schlüsse der Wintersaison Ihnen eine kurze Uebersicht
des hiesigen Musiklebens zukommen Hess. Vielleicht ist Ihnen aber
auch jetzt noch eiue solche in kürzester Form nicht unwillkommen
und ich theile Ihnen daher folgende Notizen über unser Concert-
und Operwesen in der letzten Saison in gedrängter Kürze mit.
Was die Oper betrifft, so nenne ich von neuen Mitgliedern der-
selben, welche sich ebensowohl als Zierden des Institutes wie als
Stützen des Repertoirs erwiesen, vor Allen Frau Soltans-Hentz,
weiche namentlich im lyrisch-dramatischen Fache keinen Vergleich
mit ihren beliebtesten Vorgängerinnen zu scheuen braucht. Ihre
Jessonda, Iphigenie etc. werden hier für alle Opernbesucher unver-
gessliche Leistungen bleiben. Frau Soltans versteht die Zuhörer
nicht uur durch eine überaus sympathische Stimme, als auch durch
ihren wahrhaft künstlerisch musikalischen Vortrag dauernd zu fes-
seln, mögen auch andere Primadonnen dem Publikum durch grössere
Leidenschaft impuniren. Wir freuen uns, die treffliche Künstlerin
der königlichen Bühne dauernd erhalten zu sehen. Nächst ihr ist
unser damaliger erster Tenor Herr Georg Müller der erklärteste
Liebling des Publikums. Derselbe besitzt die seitesten Stimmmit-
tel und dürfte in den höheren lyrischen Partien, als: Tamino,
Lyouel, Georg Brown, Manrico, namentlich auch Postillon , ausser
Theodor Wachtel keinen Rivalen zu scheuen haben. Auch sein
Raoul, Vasco und andere Partien fanden die beifälligste Aufnahme
und sein Abgaug an das Hoftheater in Wien wird allgemein und
mit Recht auf das schmerzlichste bedauert. Dagegen verbleiben
unserm Institute der treffliche Bassist Lindemann, der Baritonist
Schulze uud die Coleratursän gerin Wlczek, welche letztere in
das Fach der höheren Opernsoubretten übergehen wird, als wesent-
liche Stützen, während man die eben so tüchtige als fleissige Sou-
brette Frl. Slevogt mit Bedauern scheiden sieht. Von neuenga-
girten Mitgliedern haben bereits Frau Liss6 aus Dessau, Herr
Zottmayr aus Wien und Frl. Meissner (für das Mezzosopran-,
Heldentenor- und das colorirte Fach) die Feuerprobe glücklich be-
standen. In Frl. v. Zawisza, welche besonders als Fides, Azu-
cenna und Ortrud die allgemeinste Anerkennung gefunden, verliert
das Institut eine mit bedeutender Stimme und echtem dramatischen
Talente begabte Altistin. Frau Lisse' dürfte dieselbe lediglich
durch eiue grössere Vielseitigkeit uud Verwendbarkeit zu ersetzen
im Stande sein. Auch der Tenorist Herr Jäger, welcher sich
namentlich in der Spieloper gerechte Anerkennung zu erringeu
wusste, wird zu Anfang nächster Saison aus dem Küustlerverbande
unserer Bühne scheiden und es sind somit noch zwei Fächer, das
des lyrischen sowie des Spieltenors vacant, ohne dass es der In-
tendanz bis jetzt gelungen wäre, geeignete Vertreter für dieselben
su gewinnen.
Was nun die Thätigkeit unserer Oper im Allgemeinen betrifft,
so hatte dieselbe insofern ein sehr günstiges Resultat, als die letzte
Saison drei Opernuovitäten brachte, nämlich Gluck's „Iphigenie
in Tauris," Meyerbeer's „ Afrikanerin " und Wagner's „Lohen-
grin," welche Dank der sorgfältigen musikalischen Vorbereitung
.und einer brillanten Ausstattung eines dauernden Erfolges sich er-
freuten. Von neueinstudirten Opern erwähne ich: Spohr's „Jes-
sonda," Weber's „Oberon," Meyerbeer's „Prophet," Adam'*,
99 -
^Postillon," M o z a r t'a „Titus" und M a r s c b n e r's ,, Haas Helling.* *)
Schliesslich gebe ich Ihuea eine Uebersicht särumtlicher gegebener
Opern and musikalisch-dramatischer Werke: Mozart: Don Juan,
Figaro's Hochzeit , Zauberflöte, Titus ; Beethoven: Fidelio ;
Weber: Freischütz, Oberon; Spohr: Jessonda; Gluck: Iphi-
genie in Tauris ; Cberubini: Wasserträger; Mehul: Josef in
Egypten; Marschner: Haus Heiling ; Kreutzer: Nachtlager
von Granada; Mendelssohn: Sommernachtstraum , Lorelei-
Fragment; Wagner: Tannhäuser, Lohengrin; Lortzing: Czaar
und Zimmermann; WaffeuschmidtJ; Boieldieu: Johann von Paris,
die weisse Frau ; GoQuod: Margarethe ; A u b e r : Stumme von
Portici, Teufels Autheil; Flotow: Stradella, Martha; Meyer-
beer: Robert der Teufel, Hugenotten, Prophet, Afrikanerin, Strueu-
see; Adam: Postillon von Lonjumeau; Donizetti: Lucia von
Lammermoor, Lucrecia Borgia, Regimentstochter ; Verdi: Trou-
badour.
Was die Abonnements - Concerte des k. Orchesters betrifft, so
haben deren in der letzten Saison wieder sieben stattgefunden,
welche sich wie in früheren Jahren durch die Vielseitigkeit und
geschmackvolle Anordnung der Programme, sowie durch die vor-
treffliche Ausführung der gewählten Tonwerke auszeichneten. Herr
Hofcapellmeister R e i s s , welcher diesen Concerten mit besonderer
Vorliebe seine Thätigkeit widmet und dieselben bereits auf eine
die höchste Anerkennung verdienende Stufe gebracht hat, so dass
auch die lebhafte Theilnahme des Publikums sich denselben in
atets steigernder Progression zuwandte, hat sich durch seine so er-
folgreichen Bemühungen in dieser Richtung ein nicht hoch genug
su schätzendes Verdienst um unser Musikleben erworben. Ohne
mich jetzt noch in eine Besprechung einzelner Leistungen in den
genannten Concerten einlassen zu wollen, gebe ich nachfolgend nur
eine summarische Zusammenstellung der in denselben vorgeführten
Tonwerke sowie der betreffenden Vocal- und Instrumentalsolisten. Es
kamen nämlich in den sieben Abonnements - Concerten zur Auffüh-
rung : I. Instrumentalpiecen. a. Grössere Orch ester werke:
äinfonieen von Spohr (die Weihe der Töne), B e e th o ve n (A-dur
find B-dur), Haydn (C-dur), Mendelsohn (A-moll), Schu-
bert (zwei Sätzte aus der unvollendeten H-moll), Schumann
(D-moll). b. Ouvertüren: von Mendelssohn (Ray Blas-
und Trompeten-Ouvertüre), Cherubini (Medea), Schuman n
^Genoveva) , Niels G a d e (Hamlet) , Rubinstein (Dimitri
Donskoi), Vierling(die Hermanusschlacht). Concertpiecen
meist mit Orchester: für Piano forte: von Mozart (Es-dur für zwei
Pianoforte), Schumann (Andante und Variationen für zwei Pia-
noforte) , Beethoven (türkischer Marsch), Chopin (Etüde),
T h e r n (Romanze), B a ch (C-dur für zwei Pianoforte), R e i n e ck e
CFis-moll) ; für Violine : von Beethoven, Spohr (Gesangsscene,
Barcarole und Scherzo), Rap p (die Liebes-Fee), Ernst (Notturno);
für Violoncell : von Mollique, Servals und Bach (Air und
Gavotte); für Oboe: von Kalliwoda. II. Gesangsnumraern.
*». Arien: von Händel (Ezio), Rossini (Barbier von Sevilla), Gluck
'(Orpheus), Haydn (Schöpfung), Boildieu (Weisse Frau), Marschner
(Hans Heiling), Mozart (Entführung); b. Lieder: von Gordigiani,
Mendelssohn, Schubert, Schumann, Soltans, Grädener, Levi, Taubert;
<c. Duetten und Ensembles: von Vincenz Lachner, Rubinstein,
Schumann. III. Von Virtuosen Hessen sich hören: die Gebrüder
T h e r n aus Pesth , Hr. Jaell und Frau Jaell-Trautmann
(auf dem Pianoforte), Hr. Concertmeister Jacobsohn aas Bremen,
Herr Kammervirtuose Laub aus Moskau (auf der Vioiiue), Herr
Grützmacher aus Dresden und Hr. de Swert aas Weimar (auf
dem Violoncell), Hr. Ludwig, Mitglied des hiesigen königlichen
Orchesters (auf der Oboe). In Gesangsnummern wirkten mit: die
Damen Erna Borchard von Weimar, Soltans, v. Zawisza
und WIczek (sämmtlich von der hiesigen königl. Oper), die HH.
M a r c h e s i au» Cöln, Keller aus Hannover und Müller von
'der hiesigen königl. Oper, an zwei Abenden auch der Theaterchor.
Ihrer rühmlichen Thätigkeit in diesen Concerten haben die Mit-
glieder des königl. Theater - Orchesters noch die Aufführung des
Mendelssohn'schen Paulus hinzugefügt, welche anter gefälliger
Mitwirkung der Frau Soltans, Frl. v. Zawisza, der Herren
*) Einer solchen Rührigkeit dürften sich wohl wenige der deut-
schen Bühnenleitungen zu rühmen haben. (Anm. d. Red.)
D e n o e r und Lindemann, sowie der Mitglieder hiesiger Ge-
sangvereine am Charfreitag in der lutherischen Kirche stattfand.
Nachrichten.
Mainz, 14. Juni. Gestern hat der Gemeinderath einen neuen,
Contract mit dem Theater-Director Hrn. B e h r abgeschlossen, durch
welchen diesem die Leitung unseres städtischen Theaters auf wei-
tere drei Jahre übertragen wurde.
München. Die Hoftheater-Intendanz hat die dreiactige komische
Oper »Der Rothmantel, u gedichtet nach einem bekannten Mährchen
von Paul Heyse und componirt von Georg Krempelsetzer,
zur Aufführung angenommen, ein neuer Beweis, wie gern man an.
betreffender Stelle einheimischen Talenten entgegenkommt.
Paris. Im Theater Fantaisie Parisiennes kam am 30. Mai
eine einactige Operette: ^L'Amour mouille" 1 von J. Barbier
und A. de Beauplan, componirt von Ed. de Hartog zur Auf-
führung, jedoch ohne Erfolg.
— Am£d£e M&raux, ein ausgezeichneter Musiker und Schrift-
steller, Präsident der Akademie in R o u e n, ist bei der jüngsten
Anwesenheit des Kaisers daselbst mit dem Kreuze der Ehrenlegion
decorirt worden.
— Die Bewerber um den grossen Römerpreis haben am 12.
d. M. ihre Clausur verlassen. Der Spruch der Preisrichter wird
am 29. Juni erfolgen.
— Man spricht von einem Projecte zu einem neuen Theater,
welches man wohl ein ,, Schubladentheater" nennen könnte, denu es
soll so eingerichtet werden, dass es nach Bedarf 1000, 2000 oder
5000 Zuschauer aufnehmen kann, indem es mittelst verschiebbaren
Holzwänden vergrössert oder verkleinert wird.
— In der Opira comique sind M a i 1 1 a r t's „Dragons de
Villars" wieder aufgenommen und bereits viermal mit glänzendem
Erfolg wiederholt worden. Auber's „Premier jour de bonkeur"
wird dagegen bis zum September zurückgelegt werden, da Capoul
zu Ende dieses Monats seiueu Urlaub antreten wird.
— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris be-
tragen im Monat Mai die Summe von 1,080,712 Frcs.
*** Das „Mannheimer Journal" bringt vom 10. Juni folgenden
Bericht über eine dort aufgeführte neue Operette von dem Musik-
director Ferd. Langer: Zum ersten Mal wiederholt kam heute
eine neue Operette „Die gefährliche Nachbarschaft," Text nach
Kotzebue's gleichnamigem Lustspiel frei bearbeitet von L. Rocke,
Musik von dem hiesigen Musikdirector Ferd. Langer zur Auffüh-
rung und fand, gleich der ersten Aufführuug, eine sehr freundliche
und beifällige Aufnahme. Das Werkchen gehört unstreitig zu den
besten Erscheinungen der Neuzeit auf diesem Gebiete. Die Bear-
beitung des Textes lässt den erfahrenen, bühnenkundigen, als Säu-
ger und Schauspieler beliebten Verfasser in seinem köstlichen
Humor erkennen. Die Musik gehört der guten deutschen Schule
an, ohne eine subjective Eigenartigkeit zu entbehren und offenbart
eine klare, verständige Auffassung des Textes, sowie eine wahrheits-
getreue dramatische Zeichnung der Handlung und Handelnden. Der
junge Componist besitzt entschiedenes Talent für dramatische Musik
und eine edle Richtung an Gedankenempfindung und Erfindung und
an Verwendung und Mischung der orchestralen Klangwirkungen»
Die Ensemblestücke sind in imitatorischem Style musterhaft ange-
legt und correct und fliessend ausgeführt. Hierher gehören nament-
lich ein Terzett, ein Duett und Quartett; originell ist besonders
das Lied des Schneiders Fips; auch die Ouvertüre trägt das Ge*.
präge des Eigenartigen an sich und macht das Ganze einen freund-
lichen erheiternden und belebenden Eindruck. Die Besetzung durch,
die Damen Frln. Reiser und Hausen und die HH. Ditt und
S ch ü 1 I e r war eine vortreffliche , so dass das Werkchen dadurch
in seinem ganzen Werthe zur Geltung gelangte. Den Darstellen-,
den, sowie dem Componisten wurde die Auszeichnung des Hervor*
rufe su Theil. Nach solchen Erfolgen wird die Operette auf hie»
siger Bühne von Zeit zu Zeit stets gerne gehört werden und sioh<
auch auf andern deutschen Bühnen um so eher Eingang und Freunde
▼erschaffen, als es an besseren Erscheinungen dieser Art in der intt£
alkalischen Literatur fehlt.
— 100 -
%• Die Tbeaterferien in Berlin dauern für die Oper Tom
13. Juni bis 12. August, für das Ballet vom 24 Juni bis 3. Angnst.
%* Der Theaterdirector v. Witte in Leipzig ist mit seinem
Cresuche um Enthebung von seinen contractlichen Verbindlichkeiten
abschlägig beschieden worden.
*** Ueber die Insceuirung der „Meistersinger" in Munehen
erzählt man Fabelhaftes. Das noch nie Dagewesene wird in deco-
rativer Hinsicht geleistet werden. Zu dem Acte, welcher in den
Strassen Nürnbergs spielt, verschwinden die althergebrachten Cou-
lissen, um der verkörperten Stadt Nürnberg mit Häusern, Giebeln
und Vorsprängen Platz zu machen. Hier sieht man keine gemalten
Häuser, sondern vollständige, die Wirklichkeit imitirende Papp-
gebäude und bis zur Täuschung nachgeahmte Strassen, Plätze und
Perspectiven.
*** Der „A. A. Ztg." schreibt man aus Coburg, dass der Ge-
neralintendant Gustav v. Meyern-Hohenberg und der herzogl.
Schauspiel director Friedrich Haase mit Ende der Frühlingssaison
(14. Juni) von der Leitung des herzogl. Hoftheaters zurücktreten.
*** Die Ferien der Wiener Hofoper dauern vom 1. bis
30. Juni.
*** In Florenz wurde Cimarosa's „Matrimonio segretcP
in recht guter Besetzung mit bestem Erfolg aufgeführt.
*** Der in unserer N v 22 erwähnte Artikel: „lieber den Ge-
schmack des Publikums" von H. Ehrlich, welchen „Zellner's Blät-
ter" gebracht hatten, ist ursprünglich in der „Neuen Berl. M.-Ztg."
nach einer längere Zeit vorher in Berlin stattgefundenen Vorlesung:
„Ueber die moderne Gesellschaft und die Musik" erschienen, was
hiermit berichtigend constatirt werden soll.
*** R. Wagner's „Meistersinger" sollen auch in Dresden
zur Aufführung angenommen sein.
%• Der Tenorist Ferenczy hat in »Her Majesty's Opera"
in London als Raoul in den „Hugenotten" debütirt, ohne einen
besonderen Erfolg zu erzielen.
*** Verdi hat den ihm vom Eonig Victor Emanuel verliehe-
nen Krouenorden zurückgeschickt, weil er sich dadurch beleidigt
fühlt, dass der Unterrichtsminister an Rossini eine Aufforderung
ergehen Hess, die Mittel und Wege anzugeben, wie dem Verfall
der italienischen Musik abzuhelfen sei.
*** Hr. Scaria vom Hofthearer in Dresden bat als Bertram
im „Robert der Teufel" in Königsberg das Publikum in einen
dort noch selten vorgekommenen Enthusiasmus versetzt. Nicht min-
der gefiel derselbe als Sarastro. Caspar und van Bett.
*** Hr. Stägemann vom k. Theater in Han.nover hat in
Leipzig sein Gastspiel als Teil eröffnet und sehr grossen Beifall
errungen.
*** A. Rubinstein, der gegenwärtig in London ausser-
ordentliche Triumphe feiert, wird demnächst nach N e w - Y o r k,
abreisen.
*** Die hoffnungsvolle Debütantin der grossen Oper in Paris,
Mlle. Hisson, welche in dortigen Blättern (auch in unserer letzten
Pariser Correspondenz) als Landsmännin der Schwedin Mlle. Nilsson
bezeichnet wurde, desavouirt diese Angabe in einem Briefe und
gibt Besancon als ihre Vaterstadt an.
*** In Baden-Baden wurde die französische Operette:
„£' Ogre* von Frau Viardot-Garcia in der Villa Turgenieff,
in Gegenwart der Königin von Preussen und eines kleinen hoch-
aristocratischen Auditoriums mit grossem Beifall aufgeführt.
*** Ein in Genua im Bau begriffener Concertsaal, welcher
3000 Personen fassen soll, wird den Namen des Geigers Sivori
erhalten und zugleich mit dem grossen Sivori-Theater am 20. De-
eember d. J. eröffnet werden.
V Der „CUcilien -Verein" in Carls ruhe gab am 22. Mai
ein Gesellschaftsconcert unter Leitung des Hrn. R. K n g 1 e r , in
welchem Sinfonie in D-dur von Mozart, Sopran-Arie ans dem „Bar-
bier" von Rossini , Lieder für Tenor von Dorn und Taubert und
«um Scbluss Ouvertüre, Tenorarie und Duett aus dem zweiten Act
der „weissen Dame" von Boieldieu zur Aufführuug kamen und Hr.
und Frau A r n w i n s die betreffenden Gesangsnummern übernom-
men hatten.
*** In Folge davon , dass Hr. Director Carvalho sich vom
TMätre lyrique in Paris zurückgezogen hat, wird nun auch die
«Aufführung der Oper „Lohengrin" daselbst vorderhand unterbleiben.
*** Im Concertsaale des Palais Ducal in Brüssel ist ein»
grosse Orgel aus den Ateliers der berühmten Firma M e r k 1 i u -
Schütze auf Kosten der Regierung aufgestellt und bereits am
14. Mai feierlich eingeweiht worden.
*** Der Baritonist Lehmann ist in Leipzig nach einem
erfolgreichen Gastspiel engagirt worden.
*** Hofcapellmeister Seifriz in Löwenberg wird nächsten
Winter einer Einladung nach Petersburg folgen, um dort fünf
Concerte der „allgemeinen russischen Musikgesellschaft" zu dirigiren.
V Frl. Scheuerlein ausCÖln gastirt mit recht gün-
stigem Erfolge in Breslau.
%* A u b e r 's neueste Oper „Der erste Glückstag" wird in
München, Dresden, Wien, Prag und Pest zur Aufführuug
kommen.
V Am 27. Mai kam in Breslau die „Afrikanerin" zum erste»
Male und mit bestem Erfolg zur Aufführung.
*** Frau Posch ka- Leu tner hat ihr Engagement am
Leipziger Stadttheater am 3. Juni als Constanze in der „Ent-
führung" angetreten.
%• Hector B e r 1 i o z ist von den Folgen seines Sturzes in
Monaco wieder vollständig hergestellt.
*** Bazin's Operette „Eine Reise nach China" ist in Cola
mit bestem Erfolge zur Aufführung gelangt.
*** Abbe" L i 8 z t wird diesen Sommer in England erwartet
und soll sich dann im Herbst zu einem mehrmouatlichen Aufent-
halte nach Weimar begeben, wo während seiner Anwesenheit sein»
Oratorium „Die heilige Elisabeth" zur Aufführung käme.
V Der Wiederaufbau von Her Majesty's Theätre in Lon-
don ist in vollem Gange und muss in 40 Wochen, vom 1. Juni
an gerechnet, vollendet sein, ausserdem der Bauunternehmer für
jede weitere Woche 1000 Pfd. Sterling Strafe zahlen muss.
%* In New- York fand in dem grossartigen Saale Steinway-
Hall ein grossartiges Musikfest, welches vom 18. Mai anfangend
6 Tage dauerte , unter der Direction der HH. Th. Thomas und
Ritter und unter Mitwirkung der Harmonie Society statt. Es
wurden folgende Werke aufgeführt: „Messias" vou Händel;
„Schöpfung" von Haydn; „Elias" von Mendelssohn; D-dur-
Suite von Seb. Bach, Pastoralsiufonie und Schlacht von Victoria
von Beethoven, ferner die Sinfonie von Mendelssohn, die-
4. Sinfonie von Schumann, eine Sinfonie von Ritter, drama-
tische Sinfonie „Romeo und Julie" von Berlioz, Struenseemusik
von Meyerbeer, Ouvertüre zur „Zauberflöte" von Mozart»
Mephisto - Walzer von L i s z t , Clavierconcerte mit Orchester von
Chopin, Henselt und P e a s e. (Ein recht niedliches Mono
für musikalische Nimmersatte!)
*** Das Musikcomite' des dritten deutschen Bundesschiessen
in Wien berathet bereits eifrigst das Programm der bei dieser Ge-
legenheit zu veranstaltenden musikalischen Festproductionen. Die-
selben sollen im grossartigen Massstabe organisirt werden und wer-
den auf dem Festplatze sowohl wie im Freien wie in der Festhalte
stattfinden. Es verlautet, dass mehrere Monstre - Concerte gegeben
werden sollen, an welchen sich zu betheiligen alle Männergesang-
vereine Oesterreichs eingeladen werden und wobei überdiess acht.
Militärcapellen gleichzeitig mitwirken sollen. Ausserdem fallen die-
musikalischen Arrangements für die Begleitung des Festzuges u. s. w*
in's Bereich dieses Comit^'s.
*** In Graz starb Anselm Hüttenbrennor» ehemaliger
Musikvereinsdirector daselbst und Componist, bekannt durch seine
nahen persönlichen Beziehungen zu Beethoven und insbesondere za
Franz Schubert Ihm verdankt man die Veröffentlichung der H moll-
Sinfonie-Fragmente von Schubert, welche sich in seinem Privat-
besitze befanden und zu deren Herausgabe er sich freilich spät
genug entschlossen hat.
%* Benedict hat kürzlich in London wieder sein alljähr-
liches Riesenconcert gegeben, welches nicht weniger als dreissig
Nummern, darunter 4 grössere Orchesterwerke und Chöre enthielt,,
24 Solisten beschäftigte und um 2 Uhr Mittags beginnend s e c h a
Stunden lang die musikalische Verdauungsfähigkeit der Zuhörer auf
die Probe stellte.
Verantw. Red* Ed. Föckerer* Druck ». Carl Wallau, Mainz,
17. Jahrgang.
if * 96.
29. Juni 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
V ""?
] Diese Zeitung erscheint jeden >
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lungen.
V • p 8 a g
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50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
i
INHALT: Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg." — Corresp.: Stuttgart. Mannheim. Paris. — Nachrichten.
Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg"
von R. Wagner in München, am 21. Juni.
(Generalprobe am 19. Juni.)
Es war ein grossartiger Eindruck, den wir gestern aus der
Hauptprobe zu den „Meistersingern" von Richard Wagner
nach Hause brachten. Mit Misstrauen, ja mit Voreinnahme hatten
wir die vorausgegangenen Proben besucht und so oft wir aus einer
solchen kamen, löste sich wieder ein Stück von diesem Vorurtheil
und dem Ohr und Sinn scbloss sich immer mehr das Verständniss
dieser gewaltigen Tonmassen auf.
Es war eine Biesenarbeit, die unsere Hofbübne die letzten
Wochen über geleistet und die morgen, wo die Aufführung statt-
finden soll, gekrönt zu werden verdient. Alle Tage, die Gott gab,
waren seit Wochen her Proben für die „Meistersinger* und an
Fleiss und Ausdauer Seitens der beschäftigten Mitglieder und Gäste
hat es wahrlich nicht gefehlt. Trotz der colossalen Anstrengungen
welche die Composition an Sänger wie Orchester stellt, war überall
der beste Wille, die unbedingteste Hingabe an das Werk ersicht-
bar und die gestrige Hauptprobe brachte auch den Beweis, dass die
ausserordentliche Sorgfalt, mit welcher R. Wagner dieses sein neu-
estes ganz vollendetes Werk überwachte, die besten Früchte trug.
Wer es wie Ihr Referent mitangesehen hat, wie der Componist jede
Bewegung, jeden Accent nach seiner Intention den Sängern und
dem Orchester einstudirte, mit welcher Genauigkeit sich der Re-
gisseur Dr. Hall wachs bei seiner Thätigkeit an die Anordnungen
Wagners hielt, der hat es auch begriffen, dass gestern zum ersten
Male das Werk vor uns trat — riesengross und dabei doch so aus
einem Guss kommend, ganz nach einem einzigen, vollständig
souveränen Willen ausgeführt, dessen Befehle sowohl der Regisseur
wie der letzte Statist pünktlich und mit einer gewissen Verehrung
ausführte.
Als vor einigen Jahren der Text zu den „Meistersingern im
Buchhandel erschien, machten sich einige Flachköpfe über denselben
lustig, weil er da und dort triviale Verse oder einzelne Stellen ent-
hält, von denen sie nicht wussten, wie man diese componiren könne.
Es fällt uns nicht ein, die Wagnerische Diction durchwegs verthei-
digen zu wollen, der Knittelvers ist zuweilen doch zu miserabel:
aber die Erfindung der Fabel, die Gruppirung des Stoffes, die An-
ordnung der Handlung ist so treulich, verräth überall in solchem
Masse das grosse dramatische Talent, dass wir recht gerne über
einzelne Sünden gegen den heiligen Geist der deutschen Sprache
wegsehen und uns an den vielen Schönheiten letzen, die da gegeben
sind. Ja, wir behaupten, es sei nicht leicht ein glücklicherer Stoff
für eine komisch -romantische Oper erfunden worden als jener zu
den „Meistersingern." Hier liegt nicht nur eine vollständig neue
Handlung sondern auch ein Buch vor, das dem Auge reiche Be-
schäftigung bietet und den innern Sinn durch die Entrollung eines
interessanten Bildes aus dem deutschen Cultur- und Literaturleben
iesselt. Ernst und Humor, Adel und Plattheit, Poesie und Prosa
wechseln in den frappantesten Contrasten mit einander ab uud das
Scenar versteht es mit geübter Haud die Situationen in verschie-
dener Farbenpracht vorzuführen. Schon gleich der Anfang der Oper,
wo die gläubige Schaar in der Kirche versammelt ist und mit knappen
kurzen Zügen das heimliche Einverständuiss zwischen Evchen,
dem Bürgermädchen und W al th er von Stolzing, dem sangeskundigen
Ritter aus Franken gezeichnet wird, nimmt unser Interesse in An"
spruch und die Scene, da sich die Meister zur Freiung versammeln,
ist wie ein lebendig gewordenes Capitel aus der deutschen Literatur-
geschichte. Gerade hier war vorzüglich Gelegenheit geboten, zu
beobachten, wie sorgfältig die Oper vorbereitet war ; das lustige Trei-
ben der Lehrjungen wie das an characteristischer Abwechslung
reiche Spiel der Meistersinger bot solchen Reiz, wie wir nicht leicht
von einer Theatervorstellung gesehen. Da gab es keine conventio-
neilen Bewegungen, keine Coulissenreissereien, Alles war im Sinne
der Dichtung, im Geiste der Zeit concipirt und ausgeführt und nicht
der geringste Misaton störte das schöne Bild.
Mit innigem Behagen lauschen wir im zweiten Act dem Zwie-
gespräche zwischen Evchen und Hans Sachs und der launige
Ton, der hier angeschlagen uud festgehalten wird, bringt bei uns
dieses Duett, das sich durch seine Stimmung und Tonfarbe in
gleicher Weise auszeichnet, zu grossen Ehren; wir gestehen, dass
uns diese Nummer eine der allerliebsten der Oper geworden ist.
Man rouss aber auch Herrn Betz aus Berlin, diesen verständigen
Repräsentanten des Hans Sachs und unser Fräulein M allinger
welche das Evchen singt, zusammen spielen sehen uud singen hören,
um unsre Vorliebe begreiflich zu finden. Wenn das Evchen so ihre
Flausen macht und Hans Sachs ihre Liebe zu Stolzing mit richtigem
lnstincte erräth und wenn das in so naiver Weise gegeben ist, wie
es R. Wagner gethan, so begreifen wir, wie sich gerade hier der
Beifall, der durch die Fessel gebunden war, welche die Anwesenheit
des Staatsoberhauptes mit sich brachte, endlich doch losgerungen hat
und ein wahrer Sturm durch das Theater ging, der dem Compo-
nisten galt.
Weniger gefällt uns die Scene die darauf folgt ; dass das Liebes-
paar im Freien, vom Zuschauer immer gesehen, und von dem Hans
Sachs und dem Beckmesser, die doch ein wesentliches Interesse aa
demselben haben, mit eigenthümlicher Hartnäckigkeit nicht gesehen
werden, respective nicht gesehen werden wollen, obgleich es kaum
fünf Schritte von ihnen entfernt ist, erinnert an die Conventionellen
Operntexte und ist Wagner's unwürdig.
Der dritte Act ist derjenige, welcher die grössten Schönheiten,
die freundlichste Abwechslung bietet. Wir durchlaufen hier in ver-
hältnissmässig kurzer Zeit eine ganze Reihe von Gefühlen und ge-
rade hier müssen wir es bewundern, wie R. Wagoer es versteht,
auch im Text den Effect zu concentriren. Das macht uns kein
Mensch weiss, dass man das so nach und nach lernen könne ; dazu
bedarf es des ingeniurris das nur eine gütige Fee als Pathenge-
schenk in die Wiege zu legen pflegt ; denn da ist Kunst und Natur
zu gleicher Zeit thätig. Die Scene auf dem Festplatz ist von den
Künstlern des Münchner Hoftheaters so reich ausgestattet, ist so
— 102 -
getreu nach den alten Ueberlieferungen gehalten, dass ans die Zeit
lebhaft vor dem Auge steht, aus der uns eine kurze Oeschichte er-
zählt wird. Das alte Nürnberg, wie es leibt und lebt, tritt vor uns,
kunstsinnig, lebenslustig, stark und stolz, wie es das Bewusstsein,
eine deutsche freie Reichsstadt au sein, mit sich brachte. Jubel
und Ausgelassenheit an allen Orten und doch augenblicklich wieder
Ordnung und Verehrung, da die Meister kommen, welche in der
Kunst wie in der Stadt das Regiment führen. Und wenn der Wett-
kampf zwischen dem von der Aftermuse grossgezogenen Säugling
und dem von dem warmen Hauche der Poesie durchwehten Manne
gezeigt wird, denken wir lebhaft an ein anderes Bild, an R. Wag-
ner'a Kämpfe gegen die Mittelmässigkeit, an die ganze Klerisei,
welche seinen reformatorischen Bestrebungen nur ein leichtes Achsel-
zucken, seinem Aposteleifer nur die bequemer Gewohnheit ent.
sprossene Verneinung entgegengesetzt hat. Ja Walther von Stolzing,
der es versuchte, neue Gedanken in neue Formen zu kleiden und
dadurch so grossen Unwillen und Widerstand weckte, ist uns Richard
Wagner selbst.
Der Inhalt des Textes ist kurz folgender: Ritter Walther
von Stolzing liebt Evchen, die schöne Tochter des Goldschmieds
F o g n e r von Nürnberg. Dieser letztere, ein übereifriger Meister-
singer, erklärt in der Singschule, dass er beschlossen habe, sein
Kind dem zur Frau zu geben, welcher im Kunstgesang vor allem
Volk den Preis errang. Nun gilt es also, dass Stolzing den ge-
stellten Forderungen entspreche. Sein erstes Debnt bringt ihm bei
deu Meistersingern keine sonderlichen Lorbeeren und diese erklären,
er habe „versungen und verthan;" denn sie begriffen seine neuen
Formen und Weisen nicht. Dass Evchen neugierig ist, wie es
ihrem Herzallerliebsten ergangen, wird man um so mehr begreifen,
wenn man weiss, dass sich um ihre Hand auch noch der Stadt-
schreiber Beckmesser, ein Kerl ohne Kopf und Herz, bewirbt,
der bei den Meistern aber in absonderlicher Gunst steht und von
ihnen sogar zum M erk er erkoren wurde. Von ihrem Vater erfährt
Evchen nichts Rechtes und sucht desshalb HansSachs auf, ihren
alten Verehrer; dem streicht sie so lange um den Bart, bis sie zu
ihrem Schrecken herauskriegt, dass der Junker keine Hoffnung habe,
vor den Meistern zu bestehen, denn alle ausser ihm (Sachs) hätten
sich über seine neue Art zu singen geärgert. Das ist dem Evchen
vorläufig genug, und da der Ritter unter ihrem Fenster erscheint,
und an sie die Zumuthung stellt mit ihm zu entfliehen, macht sie
nicht lange Einwendungen und entscbliesst sich rasch zur That,
die nur durch das Auftreten des Hans Sachs, der ihr Zwiegespräch
belauscht hatte, und des Beckmesser, der dem Mädchen ein Ständ-
chen bringen will, verhindert wird. Im Hause des Evchens dient
Magdalene, Evchens Amme, in welche David, Sachsens Schuster-
junge, verliebt ist. Der meint, das zarte Ständchen gelte seiner
Braut und er prügelt den abendlichen Sänger windelweich, der
Scandal wächst, es bilden sich Parteien und der Strassentumult
wird erst geendet, da die Weiber aus den Fenstern — Giesskannen
giessen; mit der Anzeige des Nachtwächters, dass es elf Uhr ge-
schlagen habe, schliesst der zweite Act. Ritter Walther hat sich
bei Hans Sachs einquartirt und da vortrefflich geschlafen. Im dritten
Acte nun erzählt er seinem Wirthe, was er geträumt und dieser
beeilt sich, die Verse niederzuschreiben. Als er geendet und sich
das Paar entfernt hatte, kommt Beckmesser, der in grosser Aufregung
ist, weil ihm, wie es so manchem Andern auch geht, nichts einfällt.
Missmuthig und seufzend durchstreicht er die Werkstätte des verse-
kundigen Schusters. Da fällt sein^Blick auf das Manuscript und
ihn durchzuckt sofort ein Annezionsgelüste, das da und dort auch
in unserer Zeit noch nicht aus der Mode gekommen ist. Unglück-
licher Weise bemerkt der eben eintretende Hans Sachs den Dieb-
stahl schnell und Beckmessers Bitten nachgebend, dass er (Sachs)
sich nie als Dichter dieser Verse nennen wolle, beruhigt der Schuster
den Stadtschreiber.
Dem Fräulein Evchen, weiss Gott woher ihr die Kunde ge-
kommen sein mag, wird aber bekannt , dass Stolzing bei Sachs
wohne und sie hat am Johannestag, wo also die ganze Angelegen-
heit zum Schluss kommen soll, nichts Eiligeres zu thun, als dum
Hans Sachs einen Besuch zu machen. Als Vorwand hiezu mrisste
die Klage dienen, dass sie der Schuh drücke; Sachs merkt bald,
wo sie der Schuh drückt, und leistet, ein zweiter Wolfram von
Eschenbach, zu Gunsten seines Freundes Verzicht auf des Mädchens
Liebe. Walther aber findet nun in Evchens Anwesenheit die Schluss-
strophe seiner Traumweise und Sachs begeht die feierliche Taufe
der letzteren, wobei David, der zum Gesellen gemacht wird, als
Zeuge und Evchen als Pathe fungirt. Hier entwickelt sich jenes
Quintett, auf welches wir in unserem Referat noch weiter zu sprechen
kommen.
Die Scene verändert sich. Aus der schmucklosen Schuster*
werkstätte treten wir auf die Festwiese, wo sich das Volk schon
drängt und an Tanz und Musik ergötzt. Einzelne Innungen mit
ihren Standarten ziehen vor, Gäste aus Fürth kommen, es herrscht
ein buntes, lustiges, ja ausgelassenes Leben. Wie die Meistersinger
am Festplatz anlangen wird es ruhig. Hans Sachs vom Volke freu-
digst begrüsst, verkündet Zweck und Folge des beutigen Sänger-
wettkampfes und die Menge harret ruhig der Dinge, die da kom-
men sollen.
Beckmesser hat den Platz eingenommen, auf dem er sich die
Braut ersingen soll ; er steht da oben, eine rechte Jammerfigur und
das Volk hat schon im Vorhinein kein Vertrauen auf seine Poesie.
Da beginnt er. Was er aber singt, ist Unsinn, die Worte, die er
auf dem Papiere von Sachs geschrieben fand, verdreht er und deutet
sie falsch und die Zuhörer befällt Staunen und Verwunderung, die
sich jedoch bald in allgemeines rücksichtsloses Gelächter auflöst.
Er stürzt beschämt von seinem Platze und beschuldigt den Haus
Sachs, dass er es gewesen, der diese Verse geschmiedet. Sachs
aber unterrichtet das Volk, dass hier nur die Worte verdreht wurden
und er beruft sich dess zum Zeugen auf den Ritter Stolzing, der
in den Kreis tritt, und das Lied singt, wie es sein soll. Da ist das
Volk des Lobes voll und erschüttert mit Beifall die Luft. Gerührt
aber legt Pogner die Hand seiner Tochter, die den Sänger krönte,
in die des Ritters; als man jedoch den glücklichen Singer mit den
Insignien der Meistersinger ehren will, verwahrt er sich energisch
dagegen, da er von diesem kalten Formenwesen, das bei den Meis-
tern in so hoher Achtung steht, wenig zu halten sich unterfängt.
Da aber ergreift Hans Sachs die Partei der Beleidigten, spricht ein
Wort zu Gunsten der Meistersingerkunst und weist den Ritter zu-
recht, der schnell sein Unrecht einsieht und sich geduldig decoriren
lässt. Mit einer Apotheose der deutschen Kunst schliesst die Oper.
Das ist die Handlung der Novität, gewiss interessant genug,
um zu spannen, gewiss schön genug, um zu erfreuen. Wiederum
ist es ein echtnationaler Zug, welcher den Text durchweht uud der
deutsche vaterländische Character macht uns das Werk doppelt em-
pfehlenBwerth.
Die Partien sind folgendermassen vertheilt: Hans Sachs, Schuster
(Bariton) — Hr. Betz aus Berlin; Veit Pogner, Goldschmidt, (Bass,
— Hr.Bausewein; Fritz Kothner, Bäcker, (Bass) — Hr. Fischer;
(die übrigen Meistersinger übergehen wir, als ganz kleine Partien),
Walther von Stolzing (Tenor) — Hr. Nach bau er, der seit dem 1.
Mai au der Münchner Hofbühne engagirt ist; David, Sachsen's
Lehrbube (Tenor) — Hr. Schlosser, der längere Zeit beim Thea-
ter in Augsburg gewesen; Sixtus Beckmesser, Schreiber (Bass) —
Hr. Hölzl aus Wien; Eva, Pogners Tochter (Sopran) — Fräulein
M a 1 1 i n g e r ; Magdalene, Eva's Amme (Mezzosopran) — Frau D i e z ;
ein Nachtwächter (Bariton) — Hr. Ferdinand Lang (Schauspieler).
Den Chor der Lehrbuben bilden die jüngeren Mitglieder des männ-
lichen und weiblichen Singpersonals.
Nur wo sich solche Munificenz findet, wie sie unser König für
die Waguer'schen Ideen und Werke stets zur Schau getragen bat,
ist es möglich, das schwierige Opus in solcher Vollendung vorzu-
führen, wie das in der Hauptprobe geschehen. Seit Monaten er-
halten die Gäste hohe Gagen, seit Monaten leidet das Repertoir
unter den Proben, denn diese bildeten die Richtpunkte für dasselbe.
Es mögen etwa fünfzig tausend Gulden sein, um welche das Ver-
gnügen erkauft wird, die Meistersinger dreimal auf der Münchner
Hofbühne zu seheu. — Solche Thatsachen, ehren die Majestät, die.
keinen Gefallen an Offenbach und Ballet, aber desto mehr an den
echtdeutschen und musikalischen Dramen Wagner's findet.
- 103 -
COBHB8POHDENZEN.
Aus Stuttgart,
Im Juni 1868.
T. Das Programm des alljährlich durch den „Liederkranz" un-
ter W. Speidel's Leitung abgehaltenen Schillerfestes enthielt
heuer ausser dem herkömmlichen Lin dpa int ner' sehen Früblings-
liede noch eine Cantate von Hetsch, worin so ganz der rechte
einfache, für Festlichkeiten im Freien zweckmässige Ton getroffen
ist, dann die drei M e n d e I s s o h n'schen Frühlingslieder, Silcher's
schottischen Bardengesang und Schlottere r*s Ostermorgen für
achtstimmigen Männerchor, ein zwar etwas nüchternes aber immer-
hin achtbares Werk. Bei der Instrumental-Begleitung wirkten Mit-
glieder der Hofcapelle, bei den gemischten Chören zahlreiche Damen
aus dem Singverein und Conservatorium mit, und ein heiterer Him-
mel that das Seine, um das Fest vollkommen gelingen zu lassen.
Unsere Eofbübne beschenkte uns mit einer Novität, nämlich
mit Gounod's „Romeo und Julie," welche einen ganz günstigen
Erfolg hatte. Die Musik ist, mit fast alleiniger Ausnahme der lei-
digen Walzerarie, ohne welche es in Paris einmal nicht zu gehen
scheint, edel und fein gehalten, voll interessanter Details in Instru-
mentirung und Harmonik, die gar wohlthuend an Schumann und
die deutschen Neuromantiker überhaupt gemahnen; Mercutio's Lied
von der „Fee Mab" dürfte hinter dem Berlioz'schen Muster nicht zu-
rückbleiben ; die Balkonscene und das Notturno, das Lied des Pagen,
der erste Balletsatz und die Gruftscene sind höchst gelungene Num-
mern, während dagegen der Eampfchor allzusehr an den Spottchor in
den „Hugenotten" erinnert. Die Vergleiche mit „Faust fallen freilich
überwiegend zu Gunsten des letzteren aus, dessen gesunde urwüch-
sige Natursprache, wie sie die Bearbeiter mit Kecht wo möglich
beibehalten hatten, sich dem Tondichter fast von selbst in Musik
umsetzte. Dagegen war die gleiche Treue gegenüber der Shakes-
peare'schen Diction insofern ein Missgriff, als dessen scharf pointirte,
an spitzfindigen Gleichnissen und Antithesen überreiche Sprache den
Componisten zu minutiösen Ausdüfteln einlud und die Melodie nicht
zu freiem Fluge kommen liess ; was schon zu sprechen grosse Mühe
uud Geschicklichkeit erfordert, singt sich um so schwerer und wird
vom Hörer um so weniger verstanden. Ueberdies waren bei der
ersten Aufführung noch keine Textbücher zu haben, und entging
dem Publikum so das Verständniss vieler fein empfundener Stellen.
Die Einstudirung unter A b e r t war äusserst sorgfältig und liebe-
voll; Fräul. Klettner sang und spielte die Julia mit 'südlichem
Feuer, das jeden andern Romeo , als Hrn. Zinkernagel gewiss
erwärmt und fortgerissen hätte ; diesem schien jedoch weder der dra-
matische Character noch der musikalische Inhalt seiner Partie hin-
länglich klar zu sein ; seine guten Momente im zweiten Acte wur-
den durch Detoniren beeinträchtigt, und nach einem verhängniss-
vollen Ueberschreien im dritten Act war seine Kraft gänzlich
gebrochen. Vortrefflich sind Hr. Bertram (Mercutio), Fräulein
Schütky (Page) und Hr. Robicek (Lorenz«) , nicht minder die
HH. F. Jäger, Schütky und R o s n e r in ihren kleineren
Partien, endlich Chor und Orchester, und ihren Verdiensten zumeist
ist die Erhaltung dieses immerhin schätzbaren Musikdramas für un-
sere Bühne zu verdanken.
Am 25. Juni wird der „Verein für classische Kirchenmusik"
noch H ä n d e l's „Athalia" aufführen und am 1. Juli der „Sänger-
verein 4 die Nachsaison mit einem Sommerconcerte schliessen, dessen
Programm u. A. Schumann' s Cyklus „Frauenliebe" und zehn
Volkslieder für Chor und Doppelqu irtett aus den jüngst erwähnten
„Stimmen der Heimath* enthält. Dann ist der Rest vorläufig
Schweigen ; vielleicht kann ich Ihnen von anderwärts her berichten,
wenn ich etwas Interessantes vorfinde ; einstweilen vergnügte Ferien!
Aus Mannheim«
Am 7. Juni kam auf hiesiger Bühne zum erstenmale „Ruy
Blas," Oper in 4 Aufzügen, frei bearbeitet nach Victor Hugo's
gleichnamigem Drama von Theodor Heigel, Musik von Max
Zenger, zur Aufführung. Ehe wir auf eine Besprechung des mu-
alkalischen Theils eingehen, schicken wir ein Verzeichniss der Haupt-
personen sowie eine ausführlichere Angabe des Inhalts der Oper
voraus. Maria Anna von Neuburg, Königin von Spanien; Her-
zogin von Terranova, Oberhofmeisterin; Casilda, Hofdame
und Vertraute der Königin; Don Alvar de Bazan, Don Cesar
de Bazan, sein Vetter, spanische Granden; Don Guritan, Cer-
monienmeister ; R u y B 1 a s. Ausser diesen noch Hofherren und ein
Wirtb. Die Handlung begibt sich zu Ende des 17. Jahthunderts
in Madrid und deren Umgegend. Zu Anfang des ersten Acts, wel-
cher vor dem königlichen Lustschloss Buen Retizo bei Madrid
spielt, befindet sich das Volk vor demselben, um die zu einem dort
stattfindenden Hoffeste geladenen Gäste ankommen zu sehen ; nach,
kurzer Zeit tritt Don Alvar de Bazan auf, welcher, bisher der Mäch*
tigste am Hofe, nun verbannt durch die Königin, „mit der er kurze
Zeit getändelt," auf Rachepläne sinnt; er trifft vor dem Schlosse
seinen Vetter Don Cesar, welcher im Begriff den in dasselbe ein-
ziehenden Gästen sich anzuschliessen, wegen seiner Banditen-Klei-
dung von den Dienern zurückgewiesen wurde ; Don Cesar, nun den
Nameu Zafari führend, erzählt dem über dessen niedrige Kleidung
erstaunten Alvar, wie seine früheren glänzenden Verbältnisse sich
zum Gegentheil gewendet, und beschliesst den des Geldes Bedürf-
tigeu zu seinem Racheplan zu benützen, zugleich aber auch ihn
zu beseitigen, um seinen Plan ungestört ausführen zu können. Er
bittet ihn zu diesem Zwecke, ihm auf kurze Zeit seinen Namen zu
leihen und verspricht ihm dafür reiche Belohnung. Nach Abgang
der Beiden tritt Ruy Blas auf, in schwärmerischem Erguss von
seiner Liebe zur Königin sprechend, ihn erkennt der von Alvar
wieder zurückkehrende Don Cesar, welchem Ruy Blas das Geheim-
niss seiner Liebe anvertraut, sowie, dass er durch Alvar emporge-
hoben, zum Künstler gebildet worden. Alvar belauscht die Beiden
und erkennt in Ruy Blas das Werkzeug seiner Rache, welchem er,
„heute noch mächtig„ Reichthum und Macht verspricht. Das Heran-
nahen der Königin führt zuerst den Cermonienmeister auf die Scene,
welchem, erstaunt über die Anwesenheit des bereits verbannten Al-
var, dieser in Ruy Blas seinen Vetter Cesar de Bazan vorstellt,
mit der Bitte, denselben der Königtn zu empfehlen. Diess geschieht,
nachdem Letztere erschienen ist, worauf sie Ruy Blas unter seinem
durch Alvar fingirten Namen huldvoll empfängt. Ruy Blas ergiebt
sich, innerlich widerstrebend, seinem neuen Geschicke. — Der zweite
Act führt uns in die Gemächer der Königin im Palaste zu Madrid.
Nach kurzer Anwesenheit der Hofdamen befindet sich dieselbe allein
um sich dem Gebete zu weihen, doch die Stimmung dazu wird ge-
stört durch ein noch unklares Liebessehnen ; Casilda, ihre Vertraute,
die Stunde des Gebets vorüber wähnend, tritt ein, um sie durch
Gesang und der Laute Klang zu erheitern. Die Königin spricht
die Befürchtung aus, Casilda durch Werbung eines Edelmanns bald
zu verlieren, worauf diese ihr erzählt, wie sie, von eines Frechen
Hand entführt, von einem unbekannten Jüngling befreit worden,
den* sie nach ihrem Erwachen aus der Betäubung nicht mehr ge-
funden, auch dessen Namen sie nicht erfahren können, und schliesst
mit dem Bekenntnisse, nur diesem angehören zu wollen. Casilda,
der Königin trauervolle Stimmung, mit der sie selbst sympathisirt,
bemerkend, sucht sie durch ein, Beziehungen auf unerkannte Liebe
enthaltendes Lied zu zerstreuen, das jedoch nur ihre Schwermuth
erhöht, worauf die Königin verspricht, sich ihr ganz anzuvertrauen ;
da tritt die Oberbofmeisterin ein, um einen Abgesandten des Königs
anzukündigen, welchen alsdann der Cermonienmeister, nachdem er
ihn als für den Dienst bei der Königin bestimmt erklärt, in der
Person des Ruy Blas einführt. Es beginnt hier ein spannendes En-
semble, in welchem Casilda ihren Retter erkennt und zugleich die
Liebe der Königin zu demselben bemerkt, während Ruy Blas sich
von der Erfüllung seines ungehofften Liebesglücks überzeugt, und
die Oberhofmeisterin sowie der Ceremonienmeister, das neue Ver-
hältniss ahnend, sich in angemessener Entfernung gegenseitig darüber
aussprechen. Die Königin, in Ruy Blas den Geliebten erkennend,
entfernt sich verlegen und bestürzt, und Casilda, allein zurückblei-
bend, fasst den Entschluss, ihrem kaum gefundenen Geliebten aus
Liebe zur Königin zu entsagen, und diesem, den sie durch ein sol-
ches Verhältniss von Gefahr bedroht sieht, ein schützender Engel
zu sein. " (Fortsetzung folgt.)
— 104 -
Aus Paris.
12. Jant.
In diesem Augenblick sind hier nicht weniger als zwölf Thea-
ter geschlossen und dieser Tage werden noch mehrere andere Büh-
nen diesem Beispiele folgen. Wem fiele es auch ein, bei drei and
dreissig Grad Wärme im Schatten ein Theater aufzusuchen? Die
Directionen legen indessen nicht die Hände in denSchooss; sie be-
reiten vielmehr eifrigst ihr Repertoir für die kommende Saison
Tor. Die grosse Oper wird den „ Sigurd* von Ernest Beyer
zur Darstellung bringen. Der Direetor dieser Anstalt hat auch dem
Herrn D u p r a t o die Composition eines von Victorieu S a r d o u
und Du L o c 1 e verfassten Textbuches anvertraut. — Gevaert
arbeitet fleissig an seinem »&*<£;" doch wird dies Werk, das eben-
falls für die grosse Oper bestimmt ist, nicht so bald vollendet sein.
Das italienische Theater hat Fraschini, Delle
S e d i e und Tamberlick engagirt, und da Adelina Patti
erst gegen Ende der künftigen Saison auftritt, so wird sie durch
Ida von Murska ersetzt werden. Diese Sängerin, eine Schü-
lerin der Frau Maren es i, die bekanntlch längere Zeit in Paris
an der Spitze einer Gesangscbule stand, ist vor einer Reihe von
Jahren zuerst in einigen Goncerten im Solle Beethoven aufgetreten
und hat sich dann schnell einen Namen gemacht. Die Direction
des Satte Ventadour baut grosse Hoffnungen auf diese Künstlerin.
Das Schicksal des Thäätre lyrique scheint endlich entschieden.
Es wird nämlich aus guter Quelle versichert, dass Pasdeloup
die Leitung dieser Anstalt übernimmt. Ein Capital von 500,000 Frcs.
ist ihm zur Verfügung gestellt, und zwar wie es heisst, von dem
Seinepräfecten Herrn Haassmann. Möge Pasdeloup glücklicher sein
als sein Vorgänger Carvalho, der nach langen Mühen und Nöthen
sich mit einem Ungeheuern Defizit von der Direction zurückziehen
musste.
m »
Mach richte
München. Die erste Aufführung der „Meistersinger von Nürn-
berg" bat am 21. Juni, von 6 bis 11 Uhr Abends dauernd, stattge-
funden und die Aufnahme der Oper war eine sehr glänzende. Der
König berief den Componisten, R. Wagner, beim Beginn der
Aufführung zu sich in die grosse Kaiserloge, wo dieser an der Seite
seines königlichen Protectors die ganze Oper anhörte. Wagner und
die Darsteller der Hauptrollen wurden schon nach dem ersten Acte
gerufen, doch erschienen nur die letzteren auf der Bühne. Erst
nach dem 2. Acte, als Wagner wiederholt stürmisch gerufen wurde,
trat er an die Brüstung der Loge vor und verneigte sich dankend
gegen das Publikum. Auch am Schlüsse der Oper fand stürmischer
Hervorruf statt. Die Aufführung unter der Direction H. v. Bülow's
war eine durchaus gelungene.
Altenburg. Bei der vom 18. bis 23. Juli dahier stattfindenden
„Tonkünstler - Versammlung" werden folgende Werke von Vereins-
mitgliedern zur Aufführung kommen: „Liebesmahl der Apostel" von
R. Wagner; der 13. Psalm, der 137. Psalm, „Festgesang an die
Künstler," Fuge über den Namen BACH und Lieder von Fr. Liszt.
Kyrie von Theodor Seh n ei d e r ; Motette von G. Re b lin g;
Motette auf das Reformationsfest von D. H. E n g e 1 ; zwei altdeut-
sche Gesänge, Hymnus, Allegro für Orchester und Lied von W.
Stade; „Loch Lomond" (schottischer See), sinfonisches Fantasiebild
von F. Thieriot; Andante aus einer Suite für Orchester von Hu-
d e r t i ; Trio für Pianoforte und Streichinstrumente von W. S p e i d e 1 ;
Octett für Streichinstrumente von G. Hermann; Quartettsatz für
Streichinstrumente von C. v. Radecki; Arie aus der Oper: »Der
Held des Nordens" von C.Götze; Violoncellconcert von F. G r ü t z-
macher; Fuge für zwei Pianoforte von G. Zopff; Nocturno und
Scherzo für zwei Pianoforte von C. Thern; Stücke für Violoncell
von G. Huber; Lieder von A. Hörn, E. Büchner, O. Bolck,
Ph. Rufer. Ausserdem sollen zur Aufführung kommen : Requiem
(zum 1. Male vollständig in Deutschland) und Sinfonie fantastique
von H. B e r 1 i o z ; Messe von Palestrina; Motette : „Jesu,
meine Freude," Orgel-, Violin- und Gesangwerke von Seb. Bach;
„Acis und Galatea" von G. F. Händel; Arie aus dem „Stabat
mater" von C 1 a r i ; Psalm von B.Marcello; zwei geistliche Lieder
von Beethoven; sinfonische Etüden von R. S ch u m a n n. AI»
Dirigenten funetioniren : Universitätsmusikdirector Dr. Langer
und Mttsikdirector Riedel aus Leipzig, sowie Hofcapellmeister
Dr. Stade in Altenburg. An den Chören betheiligen sich : der
Ried eigene Verein, und der Pauliner Universitätsgesangverein von»
Leipzig, sowie die Altenburger Singakademie. Das Orchester be-
steht aus der herzoglichen Capelle in Altenburg, verstärkt durch
Mitglieder der Welker'schen Stadtmusikcapelle daselbst, der herzgK
Capelle in Dessau uud vielen anderen auswärtigen Künstlern.
London. Das grosse Händelfest im Crystalpalasto nahm am
15. d. M. mit der Aufführung des „Messias" von Händel seine»
Anfang. Es wohnten derselben 19,000 Zuhörer bei. Das letzte-
Concert, in welchem Händel's „Israel" zur Aufführung kam, war
von 21,000 Personen besucht.
Leipzig, 20. Juni. Der Rath der Stadt Leipzig hat heute Hrn.
Professor Richter, zur Zeit verdienten Lehrer des hiesigen Conser-
vatoriums, zum Cantor an der Thomasschule ernannt. Leipzig darf
sich zu der getroffenen Wahl gratuliren, zumal durch diese musi-
kalische Autorität der alte Ruhm des Cantorats zu St. Thomä in,
würdigster Weise erhalten bleibt.
— Zum Zwecke der Uebernahme der Direction unseres Stadt»
theaters sind Unterhandlungen mit H. Laube im Gange.
Wien. L. A. Z e 11 n e r, der Redacteur und Herausgeber der
„Blätter für Theater, Musik etc.," ist zum Professor des General-
basses am Conservatorium der „Gesellschaft der Musikfreunde" er-
nannt worden. ,
— Die Pianistin Frl. Constanze S h i v a aus Wien ist in»
heuriger Saison zum ersten Male in L o n d o n aufgetreten und zwav
mit entschiedenem Erfolg.
Innsbruck. Am 15. Juli feiert der Innsbrucker „Musik-Verein'*
seine 50jährige Stiftungsfeier, bei welcher Gelegenheit Vormittags
in der Universitätskirche feierlicher Gottesdienst mit Aufführung
der C-dur-Messe von Beethoven und Abends ein grosses Fest-
concert im k. k. Nationaltheater stattfindet, in welchem Händel'»
„Samson" mit grossartiger Besetzung vorgeführt wird. Die Partie
des Samson bat Herr B o h 1 i g vom Hoftheater iu Schwerin
übernommen.
V* Die Brüder A n to n und Ni co 1 aus Rubin stein werden
in Wien erwartet; ersterer will in Odessa, der andere in den
steierischen Alpen den Sommer zubringen.
*** G o u n o d's „Romeo und Julie" ist in Baden-Baden
mit wenig Erfolg in Scene gegangen.
%* Der neuernannte Direetor des Actien-Volkstheaters in M ü n-
chen, JohannScbweiger, eine dort seit vielen Jahren aecreditirte
Persönlichkeit, hat seine betreffenden Functionen bereits angetreten»
*** In C a s s e 1 starb am 12. Juni Hr. Carl L u ck h a r d t„
Chef der bekannten dortigen Musikalienhandlung dieser Firma.
AN ZEIGEN.
Verlag von B. Schott'a Söhnen in Mainz.
Sinfonien für grosses Orchester, Partitur.
Neue billige Ausgabe in 8* auf das Sorgfältigste von anerkann-
ten Künstlern revidirt.
N° 1. Op. 21 Preis n. fl. 1. 48 kr. Thlr. 1. - Sgs.
„ 2. „ 36 „ n » 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 3. „ 55 he>oique . . „ „ » 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 4. „ 60 „ n fi 2 - 42 » » l - 15 »»
„ 5. „ 67 „ » .» 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 6. „ 68 pastorale . » ?> » 2. 42 „ „1. 15 „
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,, 8. „ 93 » » » 2. 42 „ „ 1. 15 ,,,
„ 9. „ 125 .... • *> D ii 5. 24 „ „ 3. — „
Die lte, 2te, 8te und 9te Sinfonie sind bereits ausgegeben, die»
übrigen werden nach und nach im Laufe des Sommers folgen,
..^ „^^ BWS— — — K
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck ». Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
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6. Juli 1868.
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* i
INHALT : Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg." — Das 45. Niederrheinische Musikfest. — Das Lutherfest in Worms. — Cor-
resp. : Mannheim. — Nachrichten.
Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg"
von R. Wagner in München am 21. Juni.
(Fortsetzung.)
Wir haben nun die „Meistersinger" dreimal gesehen und ge-
hört und unser Uhrtheil über den Werth und die Bedeutung der
Oper festgestellt. Es ist etwas ganz Neues, was Wagner in diesem
Werke begonnen und wie jede Neuerung wird auch das Wagniss
verleumdet und verketzert werden. Die Wiener Presse hat darin
bereits das Mögliche geleistet und alles Gift, das sie angesammelt
hat, goss sie bereits nach der ersten Aufführung aus. Und doch ist
es — unserer Anschauung nach — auch dem geübtesteu Musik-
kritiker unmöglich, das Werk vollkommen zu würdigen und zu be-
urtbeilen, wenn man es ein einziges Mal gehört. Der Ciavierauszug
gibt nur die schwachen Conturen von dem grossartigen, farbenrei-
chen Gemälde, das R. Wagner hier vorführt uad mau muss sich
dasselbe genau betrachten, wenn man es verstehen will.
Das Vorspiel, ein Schatzkästlein der Orchestrirungskunst, ent-
hält die verschiedenen Motive, welche die einzelnen Personen und
die Vorgänge in der Oper characterisiren. Sie treten auf, bekämp-
fen sich uud schliessen ab in der kunstvollen Weise, wie wir das
Von Wagner zu hören gewohnt sind, bald klingt der festlich heitere
Marsch, der die Meistersinger zeichnet, bald schnarrt Beckmessers
süssliche, affectirte Weise darein und mit innigem Vergnügen lauscht
dann die Seele wieder dem poetisch-duftigen, in der Schönheit sei-
ner Linie wunderbaren Lied des Junkers Stolzing. Es ist ein rei-
zendes Bild, gemalt aus Tönen, voll Leben, voll dramatischer
Spannung.
Der feierlich ernste Choral der Gemeinde, womit die Oper be-
ginnt, und der halb katholisch, halb protestantisch klingt, wird bald
durch den profaneu musikalischen Dialog zwischen Evchen, Mag-
dalene und dem Junker verdrängt. Hier finden wir bereits die Ele-
mente jener wenigen Motive, mit denen Wagner seine Oper gebaut
hat. Wir bewundern die Gewandtheit der Phrase, die Schönheit,
wie er skandirt, doch lässt sich nicht leugnen, dass das Quartett
etwas zu lang ausgedehnt ist. — In dem darauf folgenden Duett
zwischen David und dem Junker, das nur hie und da von dem
Chore der Lehrjungen unterbrochen wird, zeigte der Componist seine
Kunst zu characterisiren und gerade die vielverschrieene Stelle, da
David die unterschiedlichen Weisen , die bei den Meistern im
Schwange sind, aufzählt, gibt den Beweis dafür. Man muss es hö-
ren, wie er aphoristische Phrasen für das Orchester erfindet, welche
oft nnr mit drei, vier Noten den Character der aufgezählten Weise
klar und deutlich aussprechen* Die frische lustige Melodie zu den
Worten :
„Das Blumenkränzlein aus Seiden fein,
Wird das dem Herrn Bitter beschieden sein?"
muss selbst dem orthodoxesten Freund absoluter Musik ^gefallen. ■
Die Ankunft 1 der Meister ist vom Orchester bereits signalisirt.
Gleich die ersten Worte, die P o g n e r singt, repräsentiren eine
Würde und eine stolze Manneskraft) die uns für ihn und Seines-
gleichen einnimmt. Dagegen ist Beckmesser, der Merker der
freien Singergenossenschaft, vom Componisten unbarmherzig behan-
delt. Die ganze Liebe des Autors wendet sich dem Stolzing» zu.
Seine Partie ist unsrer Anschauung nach in Stimmung und Haltung
nobler und brillanter als jede andre, selbst die des Hans Sachs
mitiubegriffen ; sie bietet einem Tenoristen, der zu spielen versteht
und dabei Geschmack uud Anstand besitzt, reiche Gelegenheit sich
Lorbeeren zu pflücken. Wir sehen den Junker jetzt unter die Mei-
ster treten und hören, dass er von ihnen verlangt, in ihre Zunft
aufgenommen zu werden. Wieder erklingt das Motiv, welches die
Ankunft der Meister bezeichnet. Von eigeuthümlicher Wirkung sind
die kurzen Parlandostellen Beckmesser's „Er gefällt mir nicht —
Was will der hier? Wie der Blick ihm lacht! - Holla! Sixtua !
Auf den bab Acht !" — Die Melodie, in welcher Poguer die Schön-
heit des Johannistages schildert, zeichnet sich durch ihre prächtige
Klangfarbe und durch eine in den neueren Schöpfungen Wagner*«
selten gewordene Breite und Gliederung aus. Die lange Bede be-
webt, wie der Dichtercomponist es versteht, derartige Nummern le-
bendig zu machen ; die Kunst mit dem Gegenmotiv zu wirken und
dieses von einem Becitativ ablösen zu lassen, das wieder von dem
schou früher gehörten Motiv verdrängt wird, zeigt sich hier in wahr-
haft brillanter Weise. Seine ersten Sporen verdient sich Hans Sachs
mit den Worten : »Ein Mädcheuherz uud Meisterkunst — erglüh'n
nicht stets von gleicher Brunst." Er zeigt sich schon da als den
Vermittler zwischen den Meistern und dem Junker und seine musi-
kalische Ausdrucksweise leidet nicht au derselben Starrheit und Un-
beholfenbeit, wie sie die der Meistersinger characterisirt, wenn sie
sich auch nicht der geschmeidigen Eleganz rühmen kann, welche
die Partie des Stolzing so angenehm auszeichnet. Es liegt bei aller
Würde ein eigenthümliches Wohlwollen, eine rührende Biederkeit,
eine herzliche Innigkeit über all dem ausgegossen, was Sachs zu
singen hat und selbst die Lichtfunken des Humors glänzen da und
dort wie die Gluthwürmchen in der Johannisnacht.
Bitterlich und von edler Würde ist das kurze Orchesterspiel,
unter welchem Pogner den Junker den Meistern vorstellt, eine köst-
liche Perle dagegen die Erzählung Stolzings wie er Dichter geworden.
Der ganze Zauber romantischer Poesie klingt durch diese Weise;
es ist ein Lied so frisch wie Morgenluft im Wald, und doch so
träumerisch süss wie ein Klang aus ferner Jugendzeit. Und wie
interessant weiss Wagner diese Melodie zu instrumentiren, welch
ein Beiz der Harmonisirung, welch ein characteristisches Colorit in
der Instrumentation! Der aufmerksame Zuhörer wird ferner die
geistvollen Combinationen bewundern, welche sich gerade an dieser
Stelle anhäufen.
Und wie fein zeichnet er die einzelnen Meister! Wie schön
characterisirt er z. B. den Nachtigal, diesen Mann, der bedächtig
und langsamen Geistes hinterher kommt
„Merkwürd'ger Fall!"
Es ist Schade, dass diese Feinheit nicht beachtet zu werden
pflegt, weil der Sänger, der den Stolzing gibt, kurz vorher von der
Menge mit Beifall überschüttet wird. Unser Theaterpublikum hat
— 106 -
es noch immer nicht gelernt, seine Gunstbezeugungen bis «um
Schluss des Acts zurückzuhalten und so kommt es, zumal bei Wag-
ner, der keine lärmenden, eigens dem Beifall Baum gebende Nach-
Bpiele geschrieben, das» manche schöne Stelle unter dem zu früh
ausgebrochenen Beifallssturm verloren geht.
Die Melodie, in welcher Eothaer die leges tabulaturae erklärt,
repräsentirt in ihrer steifeu, wie aus eckigen Eiseustangen zusammen-
gefügten Construction die Pedanterie der Siogschule und das „fanget
an," mit welchem Walther sein Probelied beginnt, steht in wunder-
barem Contrast zu dem „Fanget an! 4 des Merkers. Es ist in die-
sem Liede eine ergreifende Steigerung, die noch wächst, da das
Ensemble einfällt. \^ie ein Stern aus zerissenen Wolken tritt, so
klingt es mild und freundlich aus den wilden Lärmen, der den
Stolzing ganz bedeckt und vergräbt:
„Dahin zur grünen Vogelweid,
Wo Meister Walther einst mich freit."
Das ist in Kürze eine Blumensammlung aus dem ersten Acte,
uud wir gedenken in derselben Weise auch in der nächsten Nummer
der „Süddeutschen Musikzeitung" uns über die andern zwei Acte
auszusprechen. (Fortsetzung folgt.)
Das 45. Niederrheinische Musikfest in Cöln, am
31. Mai, I. und 2. Juni .*)
(Schluss.)
Aus dem was ich über das diesjährige Musikfest in Cöln bis
jetzt referirt habe, wird man ersehen, dass dasselbe, wenn auch
nicht alles Gebotene den Stempel der höchsten Vollkommenheit trug,
sich dennoch der langen Reihe seiner Vorgänger in würdigster
Weise anschliesst und in den Annalen der Niederrh. Musik-Feste
eine ehrenvolle Stelle einnehmen wird. Dass auch das Interesse
für diese schönen Feste auf Seite des Publikums nicht abgenommen
hat, sondern im Gegentheil beständig wächst, dafür lieferte der
ausserordentliche Zudraug von Zuhörern zu den drei Concerten den
besten Beweis. Noch nie war dieser Zudrang in Cöln so gross ge-
wesen wie diesmal, so dass Hunderte der von auswärts herbeigeeil-
ten Musikfreunde entweder gar keinen Platz für die Concerte im
Saale erhalten konnten und sich daher mit Anhörung der Proben
begnügen mussten, oder auf der Gallerie bei 38 Grad Reaumur ihre
bis zum Heroismus gesteigerte Künstliche zu betbätigen Gelegenheit
fanden. Auch von nahmhaften Tonkünstlern und Kritikern hatte
sich wieder ein so bedeutendes Contingent eingestellt, dass es nicht
wohl möglich ist, sie alle anzuführen, indem man in dem grossen
Gewühle natürlicherweise manchen derselben gar nicht zu Gesichte
bekam. Die meisten derselben hatten sich am Sonntag Morgens
in den Salons des Hrn. Capellmeisters H i 1 1 e r zusammengefunden,
wo man somit Gelegenheit fand, neben der Begrüssung alter Be-
kannten auch die interessantesten neuen Bekanntschaften aus der
Kunstwelt aller Länder zu machen. Es sind mir als anwesend fol-
gende Festgäste aus der genannten Kategorie bekannt geworden:
Die Capellmeister und Musikdirectoren: Taubert aus Berlin,
Schmitt a. Schwerin, Levy a. Carlsruhe, Rein thal er a. Bremen,
Müller a. Frankfurt a. M., Grimma. Münster, B a r g i e l a.
Amsterdam, Bruch a. Sondershausen, Brambach a. Bonn, Breu-
n u n g a. Aachen, Tausch a. Düsseldorf, Krause a. Barmen,
Schornstein a. Elberfeld, Hasenclever a. Coblenz, Samuel a.
Brüssel, Pasdeloup a. Paris, Otto Goldschmidt a. London,
*4oubre a. Lüttich, Domcapellmeister Fi« eher a. Brüssel, Rei-
ter a. Basel; die Componisten und Virtuosen: Bf ab ms, Hol a.
Utrecht, L. Brassin und Kufferath aus Brüssel, W a r n o t s
und Schubert vom Conservatorium in Brüssel, Lamoureux aus
Paris, O c k 1 e y, Musikprofessor an der Universität in Edinburg,
Gregoire aus Antwerpen, Stock hausen aus Hamburg, A s a-
s ch e w s k i aus Russland und endlich die Kritiker und Heraus-
geber musikalischer Zeitschriften: Van Baalen, Leroy, 8 malt,
Ehrlich, fi rßf", Frederix, welche sämrotlich den Proben und
Aufführungen jgstt&ttteresse und Ausdauer beiwohnten. In dem Ver-
zeichnisse der mitwirkenden Instrumentalis ten fiudeu wir diesmal
weniger Namen von Künstlern aus weiter entfernten Städten als
dies sonst wohl der Fall war, allein die Aufführungen haben be-
wiesen, dass die rheinländischen Städte instrumentale Kräfte von
hinlänglicher Anzahl und Befähigung stellen, um von einer grös-
seren Ausdehnung der Einladungen nach weiteren Entfernungen hin
absehen zu können, selbst wenn man die Kostenfrage dabei ganz
aus dem Spiele lassen wollte, was doch auch wohl nicht uubedingt
der Fall sein kann.
Indem ich nun am Schlüsse meines Berichtes nochmals sämmt-
lichen Mitwirkenden, insbesondere dem verdienstvollen Leiter F e r d.
Hill er, für ihren liebevollen Eifer uud für ihre bewuudernswertke
Ausdauer, welche zu so schönen Resultaten führteu, die unbeding-
teste Anerkenuuug und zugleich den aufrichtigsten Dank für die
eben so reichlichen als erhebenden Kunstgenüsse ausspreche, bleibt
mir nur noch übrig, die Eingangs meines Berichtes versprochenen
kurzen Notizen über Entstehung und Fortgang der in ihrer Art
einzigen Niederrh. Musikfeste aus der von Hrn. Hauchecorne
in Düsseldorf, einem der Grüuder dieser Feste, herausgegebenen
Brochüre („Blätter der Erinnerung an die 50jährige Dauer der
Niederrh. Musikfeste, • Cöln, im Verlag der M. Dumont-Schauberg-
schen Buchhandlung) nachzutragen.
Bei Gelegenheit eines im November 1817 zu Elberfeld
von dem dortigen Musikdirector uud Organisten J. Schornstein
veranstalteten Coucertes faud die erste Verabredung zu einem Mu-
sikfeste in Düsseldorf statt, welches denn auch zu Pfingsten
1818 daselbst stattfaud. Ausser Schornstein, welcher als erster
Begründer der in Rede stehenden Musikfeste zu betrachten ist, be-
theiligten sich an den Verabredungen und Vorbereitungen für das
erste derselben die HH. C. Heck er, W. Simons, Willeinsen
und Plat z ho f f von Elberfeld, sowie die HH. Gebrüder Wetschky,
von Woriugen juu., CasparyuudHaucbecorue von Düssel-
dorf. Die Feste alteruirteu zwischen Elberfeld und Düssel-
dorf, bis im Jahre 1821 Cöln hinzutrat, welche Stadt schon
1824 ihr zweites Musikfest feierte, bei welcher Gelegenheit auch
A a ch e n mit in deu Kreis der festgebenden Städte aufgenommen
wurde, und im Jahre 1825 unter Leitung von Ferd. Ries sein
erstes Musikfest ausführte . Die geuannten vier Städte alternirten
nun in Veraustaltuug der Feste, bis Elberfeld nach seinem 1827
treffenden Turnus wegen Mangels eines passenden Locals für die
unterdessen immer grösserer Theiluahme sich erfreuenden Feste sei-
nen Austritt aus dem Verbände erklärte, so dass vom Jahre 1832
an (1831 fand kein Fest statt) die drei Städte Cöln, Aachen
und Düsseldorf bis zum Jahre 1847 regelmässig in Begehung
der Musikfeste alternirten. In den Jahren 1848, 1849 und 1850
fielen die Feste der damaligen politischen Verhältnisse wegen aus,
wurden 1851 von Aachen wieder aufgenommen, und nachdem Cöln
1852 wieder aussetzte weil wegen Umbau des Gürzenich sich keine
passende Localität beschaffen Hess, bis 1857 zwischen Düsseldorf
und Aachen alternirend fortgesetzt. Im Jahre 1858 trat Cöln mit
seinem prachtvollen Gürzenichsaale uud mit dem unterdessen für
dort gewonnenen Capellmeister Ferd. H i 1 1 e r als Dirigent wieder
glänzend in die Reihe der festgebenden Städte ein. Im Jahre
1859 fiel das Düsseldorf treffende Musikfest aus nicht klar gewor-
denen Gründen aus, doch von 1860 an fanden dieselben abwechselnd
in den genannten drei Städten regelmässig statt, so dass in diesem
Jahre, dem fü n fzig st en seit ihrer Gründung, das 45. der Musik-
feste iu Cöln stattfand. Von diesen 45 Festen fallen 3 auf Elber-
feld, 13 auf Cöln, 13 auf Aachen und 16 auf Düsseldorf. Die bei
den sämmtlichen Musikfesten als Dirigenten thätig gewesenen Künstler
sind folgeude : C. Breunung (lmal), Norbert Burgmüller (4mal),
H. D o r u (2mal), Otto Golds chmidt (2mal), Ferd. H i 1 1 e r (7mal),
Bernard Klein (lmal), Cour. Kreutzer (lmal), Leibl (lmal),
Lindpaintner (2inal), Fr. Lachner (lmal), Fr. Liszt (lmal),
Frl. Mendelssohn-Bartholdy (7mal), Onslow (lmal), Reis-
siger (lmal), Ferd. Ries (8mal), Jul. Rietz (6mal), Friedr.
Schneider (lmal), S ch ornst ei n (3mal), Rob. Schumann (lmal),
L. 8 p o h r (2mal), 8 p o n t i n i (lmal), Jul. T a u s ch (3mal), Fr»
Wüllner (lmal).
•) Siebe dir Nr. 23, 24 u. 25.
- 107 -
Das Lutherfest In Worms.
Die Tage des 24., 25. und 26. Juni versammelten in der alten
Rheinstadt Worms eine unzählbare Menge von Gästen aus Nah
find Fern zur Begehung eines Festes, das wir nicht als eiu im en-
gern Sinn confessionelles, sondern im Hinblick auf die ausser-
ordentlichen Verdienste eines der grössten Männer deutscher Nation,
Dr. Martin Luther's, dessen Denkmal in diesen Tagen enthüllt
wurde, als ein nationales bezeichnen müssen. Nachdem durch eine
Beihe von Jahren dis ausgezeichnetsten Kräfte sich bemüht hatten,
•die Idee zu verwirklichen, gerade in der Stadt, wo Luther vor dem
Reichstage seine Glaubenslehre vertheidigt hatte, demselben ein
würdiges und grossartiges Denkmal zu errichten, kam endlich der
Tag heran, wo dasselbe in Gegenwart von deutschen Fürsten und
einer grossen Anzahl von Männern, die den verschiedensten Bran-
chen der Wissenschaft und Kunst angehören, feierlichst enthüllt
werden sollte, und es war nicht auders denkbar, als dass auch die-
jenige Kunst, welche Luther so von ganzem Herzen liebte und eif-
rig pflegte, die „h eilige Musica," sich an der Verherrlichung
des Festes betheiligte. Die ausführliche Mittbeilung über die An-
ordnung und den Verlauf desselben selbstverständlich aussermusi-
kalischen Blättern überlassend, wollen wir ausschliesslich nur von
•der musikalischen Betheiligung an demselben in diesen Blättern
berichten. Znr Einleitung der Enthüllungsfeier auf dem Festplatze
war eine dafür sehr geeignete Composition V. Lachner's, » Worte
des 66. Psalm" für vierstimmigen Männerchor mit Begleitung von
Blechinstrumenten gewählt, zu deren Ausführung unter Leitung des
Musikdirectors Steinwartz aus Worms zahlreiche Männergesang-
vereine aus Heidelberg, Mannheim, Speyer, Worms, Mainz, Darm-
stadt zusammengetreten waren, uud eine Gesammtzahl von 200
Sängern repräseutirten. Die Executirung des sehr wirksamen und
schwunghaften Pbalm's gelang ungeachtet der nicht ganz günstigen
wegen der dazu bestimmten Localität jedoch nicht anders zu be-
werkstelligenden Aufstellung der Sänger in befriedigender Weise.
Dem hierauf folgenden Vortrag von Oppermann aus Zittau, wel-
cher das Geschichtliche der Entstehung des Denkmals besprach,
schloss sich das „Hallelujah" aus Hän del's „Messias," vonJadas-
« o h n für vierstimmigen Männerchor mit Begleitung von Blechin-
strumenten eingerichtet, an. Wir können das Unternehmen, diesen
Chor für Männerstimmen zu bearbeiten, als kein glückliches be-
zeichnen, und zweifeln nicht, dass Jeder, der denselben genau kennt,
dieser Ansicht beipflichten wird. So konnte er auch in solcher Ge-
stalt, und auf grossem freien Platz gesungen, nicht die erhebende
Wirkung machen, von der wir uns, in seiner ursprünglichen Gestalt
ausgeführt, stets hingerissen fühlen. Weit grössere Wirkung hatte
der dem herrlichen Moment der Enthüllung folgende, höchst passend
gewählte und vom weitaus grössten Theil der um das Denkmal
Versammelten in Unisono gesungene Choral „ein 1 feste Burg ist
unser Gott." Mit nochmaligem allgemeinem Choralgesang nach der
Uebemahme des Denkmals an die Stadt Worms durch deren Bürger-
meister schloss die Hauptfeier dieses Tages.
(Schluss folgt.)
— ooo —
CORRESPONDENZEK.
Aus Mannheim*
(Fortsetzung.)
Der dritte Act beginnt mit einer Scene der Höflinge, welchen
der Cermonienmeister verkündigt, dass die Königin sie ihrer Dienste
enthoben und nur Don Cesar empfangen wolle. Dem Ausbruch der
Unzufriedenheit derselben hierüber tritt der Ceremonienmeister mit
einem Briefe Alvar's entgegen, in welchem dieser ihnen Bache ver-
spricht, und um diese zu vollführen, sie in eine nahe Posada ein-
ladet. Casilda belauscht zufällig diesen Plan. Buy Blas, von der
Königin beschieden, tritt aufgeregt ein mit Zweifeln über seine
Stellung zu derselben, die er liebt, er beschliesst auszuharren, um
sein Volk vom Drucke des Adels zu befreien; auf die Frage der
indessen von ihm unbemerkt herbeigekommenen Königin, welchen
Lohn sie ihm für seine bereits geleisteten Dienste gewähren könne,
erklärt er ihr seine Liebe, worauf die Königin, selbst übermannt
von ihren Gefühlen für ihn, ihm dieselben offenbart. Die Scene
verwandelt sich in die erwähnte Posada, wo wir den echten Don
Cesar (Zafari) wieder finden, welcher der von Alvar ihm bereiteten
Gefahr, als Sclave verkauft zu werden, entronnen, vom Wirth der
Posada die bevorstehende Ankunft von Gästen vom Hofe erfährt,
worunter auch „Don Cesar de Bazan" (Buy Blas); indem er sich
vornimmt, die hier zu erwartenden Vorgänge zu belauschen, tritt
Casilda verschleiert ein, um Buy Blas, dessen Theilnahme an der
hier stattfindenden Zusammenkunft der Höflinge sie erfahren, zu
warnen; Zafari, in zwar kecker, doch Zutrauen erweckender Weise
an sie herantretend, weiss ihr Vorhaben ihr zu entlocken, und ver-
spricht, um sich an Alvar zu rächen, ihren Geliebten aus der von
den Höflingen ihm drohenden Gefahr zu retten. Nachdem er unter
denselben, die sich indessen versammelt haben, Alvar erkennt, tritt
er, zigeunerartig vermummt, mit dem Anerbieten hervor, zur Er-
höhung der Lust ein Lied zu singen, in welchem er sofort unter
Voranstellung einer fiugirten Person das Schicksal erzählt, das ihm
durch seinen Vetter Alvar zugedacht war, indem ihn derselbe nach
Tunis als Sclave verkaufen lassen wollte. Alvar, die Stimme des
Sängers bald erkennend, sucht sich über dessen Person wieder zu
beruhigen, und tritt an Buy Blas heran, um ihm mit höhnischen
Worten das Ende seiner Bolle und seinen Untergang durch ihn, Alvar
anzukündigen ; Zafari , dazwischentretend uud von den Höflingen
erkannt, beschützt Buy Blas, welcher sich, müde seiner Maske als
„Sohn des Volks" erklärt, gegen die Augriffe Alvars, und der Act
schliesst unter dem Zuruf Zafari's an Buy Blas: „Ganz Madrid soll
dir zur Seite stehn!"
Der Anfang des vierten Acts zeigt uns Buy Blas in seinem
Gemache, sein Spiel verloren gebend und seiner Liebe entsagend.
Die Königin tritt mit Casilda und von dieser auf die Buy Blas
bedrohende Gefahr aufmerksam gemacht, zu Letzterem herein. Beide
werden von Alvar überrascht, welcher unter Vorwürfen gegen die
Königin dieser entdeckt, dass Buy Blas von niederem Stand sei,
und die Höflinge herbeiruft. Während diese eintreten, entfernt
Buy Blas die Königin und leert ein Giftfläschchen. Alvar im Be-
griff, der Königin nachzueilen, wird von Buy Blas zurückgehalten,
und indem Ersterer die Höflinge auffordert, nachzudringen, um die
Geliebte des Buy Blas zu finden, tritt ihnen Casilda entgegen, die
ihre Liebe zu demselben offenbart; Alvar jeboch, durch diese Wen-
dung nicht irre gemacht, fordert zum weitern Nachdringen auf, wo-
ran ihn aber die durch Zafari indessen zum Schutz des Buy Blas
herbeigerufene Volksmenge hiudert. Zafari tritt ein, Alvar zum
Zweikampf auffordernd, in welchem dieser unter Verwünschungen
gegen die wieder herbeigeeilte Königin fällt. Auch Buy Blas stirbt,
begleitet von den Segenswünschen der Königin und das ausserhalb
befindliche Volk preist ihn als Wolthäter des Vaterlands.
Wenden wir uns nun zum musikalischen Theil der Oper, so
finden wir, um vorerst im Allgemeinen darüber zu sprechen, in dem-
selben ein mit bestem Erfolg gekröntes Streben nach Wahrheit im
Ausdruck sowohl bei den dramatischen als lyrischen Partieen, eine
sicher treffende Zeichnung der Haupt charactere in ihrer zum Theil
weitauseiuandergehenden Individualität; aber nicht blos Wahrheit,
sondern auch Schönheit, ohne welche die Erstere in einem Kunst-
werk nicht gedacht werden kann, tritt uns namentlich in den Par-
tieen der Königin, Casilda und des Buy Blas im grösseren Ganzen
sowie in kleineren Einzelnheiten wohlthuend entgegen, während die
am meisten dramatische Partie des kecken, lebenslustigen, dabei
jedoch von wahrem Adel beseelten Don Cesar de Bazan in
ihrer wohlgelungenen, theil weise derben Characteristik zuweilen eine
gewisse Herbheit entgegenbringt, die wir gleichwohl als dieser In-
dividualität nicht unangemessen hinnehmen. Der Componist neigt
sich, wie die meisten bedeutenderen Tonsetzer der Neuzeit, ganz
besonders in den lyrischen Momenten seiner Oper der Wagner'scben
Bichtung zu, wodurch er stets festhaltend an richtigster und von
feinem Gefühl durchwehter Deklamation, ohne das melodische EIe~
ment hintanzusetzen, seinen Zweck vollständig erreicht.
(Fortsetzung folgt.)
— 108 -
iVachricliten«
KfiBOfaeB. Rieh. Wagner ist nach der ersten Aufführung der
«Meistersinger* nach der Schweiz zurückgekehrt, am sich dort mit
allem Eifer der Vollendung seiner „Nibelungen" zu widmen. Nach
4er vorletzten Probe für die Aufführung der „Meistersinger" hielt
Wagner an sämmtliche mitwirkende Künstler eine herzliche An-
sprache deren ungefähren Inhalt wir hier mittheilen wollen. „Sie
haben mir Alle eine grosse Freude bereitet," begann er, „und ich
will Ihnen sagen, was das zu bedeuten hat." Er führte dann an,
dass nach S ch i 1 1 e r 's Ausspruch immer die Künstler selbst die
Schuld getragen hätten, wenn die Kunst gesunken sei, doch wolle
er jetzt uicht untersuchen, was etwa noch für andere Ursachen bei
ihrem Verfalle mitgewirkt, jedenfalls könne aber die Kunst nur
durch die Künstler selbst wieder gehoben werden. Wenn auch die
Oper einen Theil der Schuld des Verfalles der theatralischen Kunst
trage, so sei hiefür nicht die deutsche Oper, sondern die schlechte
Nachahmung ausländischer Froducte verantwortlich. Er ging hierauf
auf sein Werk Über, dessen gediegene Ausführung die Aufgabe aller
Mitwirkenden sei, erwähnte die musikalischen Schwierigkeiten des-
selben, welche von allen Betheiligten in so vorzüglicher Weise über-
wunden worden seien, während dieselben sich nicht minder als vor-
treffliche Darsteller erwiesen hätten und gerade darin, dass nach
beiden Richtungen hin so Treffliches vollbracht werde, liege das
Ausserordentliche der gesammten Leistung. Dass Jeder an seiner
Stelle und nach Maass seiner Aufgabe zum Gelingen des Ganzen
mitgewirkt habe, erfülle ihn mit den schönsten Hoffnungen für die
Wiedergeburt der deutschen Kunst. Wiederholt seine volle Befrie-
digung aussprechend, schloss er seine Ansprache, welche von den
Mitwirkenden mit begeistertem Zurufe erwiedert wurde.
Leipzig. Am 18. Juni fand im neuen Theater ein Concert zum
Besten des Mendelssohn-Denkmals statt. Zur Aufführung
kamen unter der bewährten Direction des Hofcapellmeisters J. Rietz
die Ouvertüre zur „Athalia," Ouvertüre „Meeresstille und glückliche
Fahrt," die Reformations-Sinfonie, zwei Lieder, gesungen von Frau
Joachim, Violinconcert, gespielt von Hrn. Joachim, sowie Oc-
tett, sämmtliche Compositionen von Mendelssohn, und ausser-
dem eine Arie aus „Orpheus" von Gluck, gesungen von Frau
Joachim und Adagio aus dem 9. Violinconcert von S p o h r, vor-
getragen von Hrn. Joachim.
Paris. Am 20. Juni starb dahier die Gattin und treue Lebens-
gefährtin des berühmten Violinvirtuosen H. Vieuxtemps.
ZweibrÜCken. Am 4., 5. und 6. Juli findet in unserer Stadt
ein grosses Musikfest statt, welches von den Instrumental- und Vo-
calvereinen verschiedener Städte der Rbcinpfalz unter Mitwirkung
der Frl. Marianne Lüdecka, Hofopernsängerin aus Carlsruhe, so
wie der HH- Augustin R u f f, Concertsänger aus Mainz, Ed. M e r t k e
Pianist aus Mannheim und Otto Freiberg, Hofmusiker aus Carls-
rulre und unter der Leitung des hiesigen Musikdirectors Hrn. Ama-
deas Maczewski ausgeführt werden wird. Das Programm des
ersten, am 5. Juli in der grossen Reitschule stattfindenden Concertes
enthält: 1) Ouvertüre zu „Iphigeuia in Aulis* von Gluck; 2) Mo-
tette für Chor und Orchester vonJ. Haydn; 3) Sinfonie in C-moll
von Beethoven; 4) „Ode auf den Cäcilientag" für Soli, Chor and
Orchester von G. F. Händel, die Soli gesungen von Frl. Lüdecke
und Hrn. Ruff. Das zweite Concert, am 6. Juli, ist der Kammer«
musik und Solovorträgen gewidmet, uud findet im Fruchthall-Saale
statt.
*** Ueber die erste Aufführung der „Meistersinger" sagt ein
französischer Kritiker im Temps u. A. : „Das Stück ist mit einem
Luxus und einer Sorgfalt in Scene gesetzt, welche beweisen, dass
in München und unter König Ludwig II. R. Wagner Alles vermag
was er will. Die Sänger, die er bezeichnet hat, sind überall recru-
tirt worden. Die Aufführung war sehr schön und der sehr geräusch-
volle Sieg des Maestro ist ihm, diesmal wenigstens} nieht streitig
gemacht worden. Die „Meistersinger" enthalten unbestreitbar schöne
und gewaltige Partien. Die Opern Wagner*s tragen überdies ein
spezifisch deutsches Gepräge, und dies ist unstreitig einer der Gründe
ihres Erfolges in Deutschland, wie es meiner Ansicht nach immer
auch eine Schwierigkeit für ihren Erfolg in Ausland sein wird.
Einzelne Stellen der Oper werden gefallen und sogar sehr gefallen ;
aber um die Oper im Ganzen gemessen zu können, mnss man nieht
nur „Wagnerianer," sondern überhaupt und vor allem Deutscher
sein.
*** In Boston existirt jetzt ein Conservatorium für Musik
nach dem Muster des Leipziger. Es strebt dahin, diejenige Ausbil-
dung in der Musik, die sonst nur in Europa erlangt werden konnte»
auch in Amerika möglich zu machen. Unter den Lehrern befinden»
sich 16 Deutsche. Die Anstalt hat es in einem Jahre auf 1414
Schüler und Schülerinnen gebracht und liefert in periodischen öffent-
lichen Concerten, in denen die begabtesten der Unterrichteten auf-
treteu, die erfreulichsten Proben ihrer Fortschritte.
*** In Petersburg scheint es nun Ernst zu werden mit
der Aufführung des „Lobengrin," indem die Rollen dafür bereits
vertheilt sind und zwar an die Damen Solowioff und P 1 a t o-
n o f f und an die HH. N i k o 1 s k y und Kondeatjeff. Die-
Aufführung wird in der nächsten Herbstsaison der russischen Oper
stattfinden.
*** Hr. Beck vom Hofoperntheater in Wien gastirt gegen-
wärtig mit glänzendem Erfolg in Frankfurt a. M.
*** Die k. Intendanz in Berlin hat eine neue Oper: „Fritbjof*"
von Bernhard Hopffer zur Aufführung angenommen.
* m * Frl. Leon off ist von kommendem Juli an am k. Hofthea-
ter in München engagirt.
%* Meyerbeer's „Afrikaneriu" ist in New-Orleans unter
grossem Beifall bereits fünfmal zur Aufführung gekommen.
*** Der Tenorist S o n t h e i m ist für ein neues Gastspiel an»
Hofoperntheater in Wien, welches im Monat Juli stattfinden soll,
engagirt worden.
*** Der Bassist Bausewein in München bat einen neuen,
zehnjährigen Contract erhalten.
*** Die neue Oper „Am Runnenstein" von F 1 o t o w und G e n e e
ist bereits ins französische übersetzt und soll zur Eröffnung des
The'dtre lyrique in Paris dort aufgeführt werden.
*** Das Münchener Hoftheater wird vom 1. bis 31. August
geschlossen bleiben.
*** In Paris starb kürzlich der Musikverleger und Componist
Alphonse Leduc plötzlich im Alter von 65 Jahren.
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„ 6. „ 68 paatorale . ,, „ » 2. 42 „ „ 1. 15 „
„ 7. „ 92 . . . * . „., „ 2. 42 „ „ 1. 15 »
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13. Juli 1868.
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INHALT: Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg." — Das Lutherfest in Worms. — Corresp. : Mannheim. — Nachrichten.
Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg"
von R. Wagner in München am 21. Juni.
(Fortsetzung.)
Wenn sich nach einer kurzen Einleitung der Vorhang zum
zweiten Male erhebt, erklingt das heitere „Johannistag ! Johannis-
tag !" mit seinem lustig wiegenden Rythmus. Die Scene mit den
Lehrbuben, welche für David durch die plötzliche Erscheinung
seines Meisters so unangenehm endet, zeichnet sich in ihrer Gesammt-
haltung durch die Lustigkeit der Stimmung und Lebendigkeit der
Zeichnung aus. Nun tritt Herr Pogner mit seiner Tochter auf; er
ist wortkarg und nachdenklich , es will ihm die Geschichte von
heute früh mit dem Bitter in der Singschule nicht aus dem Kopfe.
Ein schönes Motiv, welches erst das Hörn bringt und dann von der
Clarinette weitergeführt wird, characterisirt die Stimmung und ver-
mehrt die Spannung. Bei der Unterredung zwischen Evchen und
ihrem Vater hören wir wieder in geistvollen neuen Combinationen
die Motive, welche sowohl die Meistersinger wie den Junker Stol-
zing repräsentiren.
Das kurze Duett zwischen Evchen und Magdalena hat ausser
dem knappen Vortrag keinen Werthj von besonderer dramatischer
Wirkung aber sind die darauffolgenden Parlandi, welchen wir in
dem Dialog zwischen Sachs und David begegnen: „David. Schafft
ihr noch Arbeit? Sachs. Kümmert dich das? — Was stehst noch ?
David. Schlaft wohl Meister ! S a ch s. Gut Nacht !"
Die lyrische Situation der nächsten Nummer hätte dem Com-
ponisten Gelegenheit gegeben, sich als melodienreicher Maestro Lor-
beeren zu erringen ; Wagner verzichtet darauf und gestaltet dafür
ein reizendes Bild des Kampfes und Widerstrebens zwischen Talent
und Arbeit, zwischen Broderwerb und idealer Anlage, er zeichnet
den Poeten dem das Schusterhandwerk wieder einmal nicht schmeckt :
das Lied Stolzing's liegt dem Sachs in der Seele und klingt dort
nach und quält und reizt durch seine Ungezwungenheit und Na-
türlichkeit den sonst so formenstrengen Meister.
Aus dieser in ihrer Farbenpracht so schönen Situation kommen
wir in andre, die wir ihrer Stimmung wegen ebenfalls ausserordent-
lich hoch schätzen. Evchen, das von ihrem Vater über den Aus-
gang der Singprobe ihres Junkers nichts Genaues erfahren konnte,
sucht ihren alten Freund Sachs auf und bemüht sich auf Umwegen
von ihm etwas Sicheres über die für sie so wichtige Angelegenheit
zu erfahren. Schon die Einleitung zu dieser Scene ist ein kleines
Cabinetstückchen der Instrumentationskunst. Und Schritt für Schritt
sich steigernd, die anrouthige Schalkhaftigkeit Evchens illustrirend,
die andrerseits zum Theil wieder von dem gutmüthigen Humor
Sachsens parirt wird, dem die Geschichte etwas verdächtig vor-
kommt, spiegelt die Musik die vielen Nuancen der Stimmung in
klarem Bilde wieder. Gerade diese Scene ist so recht geeigen-
«chaftet, die Intentionen der Wagnerischen Compositionsweise zu
kennzeichnen: die Musik ist ihm nicht Selbstzweck, sie dient ihm
"wie das Wort und wie die CoulisBe des Malers nur dazn, die Wir-
kung der dramatischen Darstellung zu erhöhen j wer „Musikstücke*
sucht, bemüht sich vergebens ; wer aber auch von der Oper die
Erfüllung ernster Aufgaben fordert und sich nicht mit der melo-
diösen Zeichnung hundertmal anderswo schon gesehener gleichheit-
licher Stimmungen begnügt, wer überhaupt eine dramatische Musik
auf der Bühne hören will: der wird sicher ein freundlicheres Wort
für Wagner*s Meistersinger haben, als wir esTag für Tag aus dem
Mund unserer orthodoxen Musikfreunde hören, welche ohne die Oper
nur gesehen zu haben, kurzweg über dieselbe absprechend urtheilen,
der wird dem ernsten Streben des Componisten alle Ehre zollen,
wenn er auch da und dort nicht mit dessen Anschauungen überein-
zustimmen vermag.
Das kurze Duett zwischen Evchen und Magdalene hat einige
pikante Stellen ; wir erinnern Beispiels halber an die Musik zu den
Worten „Hihi! 's war feinl" —
Weniger Geschmack fanden wir an dem Duett zwischen Eva
und Walther: es ist etwas alltäglicher Natur und wir hätten nichts
dagegen, wenn die ganze Nummer gestrichen würde. Von da an
begegnen wir überhaupt mehrern Stellen, von denen wir glauben,
dass ihr Abstrich im Interesse der Wirkung der Oper läge.
Beckmessers Ankunft auf der Bühne ist vom Orchester längst
signalisirt, er erscheint unter dem Fenster Evchens, aber in dem
Augenblick, da er sein Lied singen will, hebt Sachs, der die beab-
sichtigte Flucht Evchens und Walthers dadurch zu hintertreiben
sucht, seinen Gesang an „Als Eva aus dem Paradies — von Gott
dem Herrn Verstössen* (bekanntlich ein von Sachs selbst geschrie-
bener Text). Es gibt nun eine weit ausgesponnene, der Kürzung
bedürftige Scene zwischen Sachs und Beckmesser, wobei letzterer
schliesslich fürchterlich Prügel bekommt. Dabei steht das liebende
Paar unter der Linde vor dem Hause Pogners und sieht und hört
müssig dem grässlichen Spektakel in seiner nächsten Nähe zu.
Die meisterhafte contrapunctistische Arbeit Wagners, welche er in
dem Finale vorführt, entschädigt nicht für die schrecklichen Qualen
welche -das menschliche, an solche Attentate nicht gewohnte Ohr
hier ertragen muss ; das ist ein Balgen und Schreien und Lärmen,
welches trotz der hohen persönlichen Anwesenheit von vielen hun-
dert Schusterjuugen am Kampfplatz, welche sonst berühmt sind in
solcher Musik, im Leben nicht vorkommt. Mehrere Minuten dauert
dieses Geschrei: da öffnen sich die Fensterläden und von den ver-
schiedenen Etagen der Nachbarhäuser giessen die Frauen Wasser
auf die erhitzten Streitenden und im Nu ist die öffentliche Ruhe
hergestellt. Wie dieses geschehen, kommt der Nachtwächter und]
der langgezogene Ton seines Hornes tönt in den stillen Gassen, auf
denen der Mondschein liegt. In einer besänftigenden, nach dem
Höllenlärm von vorhin ungemein wohlthuend wirkenden Melodie
klingt die Musik aus, der Mond steigt höher am Himmel herauf,
die Strassen liegen schläfrig, aus dem Hintergrund bebt sich in
scharfen Umrissen die Burg und der Vorhang sinkt langsam. So
in entschiedenen Gegensätzen sich bewegend endet der zweite Act.
(Schluss folgt.)
— 110 -
Das Eiiitlierfest In Worms.
(Schluss.)
Die am folgenden Tage, 26. Juni, stattfindende Nachfeier bestan d
ausser einem am Morgen desselben durch Hauptpastor Dr. Baur
aus Hamburg gehaltenen Schlussgottesdienst auf dem Festplatze,
aus der Aufführung des Oratoriums „Paulus von Mendelssohn.
Die Wahl dieses Werkes war eine dem Cbaracter des ganzen Festes'
▼ollkommen entsprechende, und die Ausführung desselben unter der
höchst umsichtigen und präcisen Leitung V. Lachner's eine im
grossen Ganzen wie in allem Einzelnen wahrhaft gelungene und
▼orzügliche. Zur Uebernahme der Solopartieen waren treffliche, und
als solche zum Theil längst aufs vorteilhafteste bekannte Kräfte
gewonnen worden, Fräulein Hedwig Scheuerlein aus Magde-
burg (Sopran), Fräulein Hausen aus Mannheim (Alt), Herr Dr.
Gunz aus Hannover (Tenor), Herr Carl Hill aus Schwerin (Bass)
und Herr Ditt aus Mannheim (Bass). In Frl. Scheuerlein lernten
wir eine mit ansprechender, klangvoller Stimme begabte, für ora-
torisohen Gesang entschieden geeignete Sängerin kennen, welche
durch ihren Vortrag das wünschenswertheste Verständniss dieser
Musikgattung documentirte. Von grosser Innigkeit war derselbe
namentlich in der Arie „Jerusalem." Dasselbe haben wir auch von
Frl. Hausen zu rühmen, welche durch die Alt-Arie „doch der Herr
verläset die Seinen nicht" eine tiefergreifende Wirkung hervorbrachte.
Die Leistungen der Herrn Gunz und Hill sind allgemein so bekannt
und gewürdigt, dass wir uns eines näheren Eingehens in dieselben
entheben zu dürfen glauben, doch gedenken wir noch speciell des
trefflichen Vortrags der Cavatine „Sei getreu bis in den Tod" durch
Herrn Gunz, dem sich das begleitende von Hrn. Hofmusikus K ü n-
di n g e r meisterhaft gespielte Violoncell-Solo würdig anschloss, sowie
der feurigen Wiedergabe der Arie „Vertilge sie, Herr Zebaoth" und
der demuthsvollen Auffassung der weitern „Gott sei mir gnädig,"
durch Herrn Hill.
Die Chöre, bei welchen sich die Gesangvereine von Heidel-
berg, Mannheim, Speyer, Frankenthal, Alzey, Worms, Mainz, Darm-
stadt und Frankfurt sehr zahlreich betheiligt hatten, wurden mit
der wünsch enswerthesten Präcision und feiner Nüancirung vorge-
tragen ; während die kräftigen Chöre, wie der Eingangschor, ferner
„dieser Mensch hört nicht auf zu reden Lästerworte," „Steiniget
ihn," vor allen aber „Mache dich auf," welcher eine electrisirende
Wirkung hervorbrachte, höchst lebensvoll gesungen wurden, waren
wir nicht weniger befriedigt von der gleichmässigen Weichheit des
Tons bei dem Choral „Dir Herr, dir will ich mich ergeben" sowie
bei den Chören „Siehe , wir preisen selig die erduldet" und „der
Herr wird die Thränen von allen Angesichtern abwischen." Haben
wir hier nur Chöre des ersten Theils in den beiden angeführten
Beziehungen rühmend erwähnt, so können wir unsern Ausspruch
auch auf jene des 2. Thoils als eben so gültig übertragen; und
nachdem wir noch der wirksamen Festigkeit des Knabenchors für
den Choral in dem Chor „Aber nnser Gott ist im Himmel" die
verdiente Anerkennung gezollt, müssen wir noch constatiren, dass
die Aufmerksamkeit und Kraft des Chors bis zu Ende des Oratoriums
sich vollständig gleichgeblieben ist, was um so mehr anzuerkennen
als die Probe, welche am Vormittag etwas spät erst anfangen konnte,
über die Mittagsstunde dauerte, während die Aufführung schon nm
4 Ubr begann.
Der instrumentale Theil des Oratoriums, für welchen das Hof-
theater-Orchester von Mannheim den Hauptfond bildete, war nament-
lich in den Streichinstrumenten durch zahlreiche Betbeiligung aus
verschiedenen Städten stark besetzt, und bildete gegenüber dem aus
mehr als 200 Sängern und Sängerinnen bestehenden Chor ein rich-
tiges Verbältniss, das besonders durch die richtige Aufstellung der
einzelnen Instrumentalpartieen erzielt wurde. Die Leistungen des
Orchesters in Präcision, Kraft und Zartheit Hessen nichts zu wün-
schen übrig, und schlössen sich ebenbürtig jenen des Chors an.
Koch haben wir zu erwähnen, dass der Dirigent in richtiger Er-
wägung des Effects für manche Stellen, namentlich bei Chorälen
und den eine starke instrumentale Füllung fordernden Chören auch
die Orgel zur Anwendung brachte, was bei der nur einfachen Be-
setzung der Blasinstrumente von trefflicher Wirkung war. Die akus-
tischen Verhältnisse der nur durch Ein Gewölbe getragenen Drei-
faltigkeitskirche begünstigte die Wirkung des Ganzen aufs Vorteil-
hafteste. Hatten sich schon für die Probe zahlreiche Schaaren von
Zuhörern eingefunden, so sahen wir in der Aufführung die Kirche
in allen Plätzen, deren Anordnung mit rühmlichster Sorgfalt getroffen
war, vollständig gefüllt. In andachtsvoller Stille lauschten dieselben
der Aufführung des herrlichen Werks, und wir sind überzeugt, dass
sie in vollster Befriedigung das Gotteshaus verliessen, waren doch
vom ausführenden Personal die besten Kräfte eingesetzt worden, um
eine solche herbeizuführen. So fand das bedeutungsvolle Fest seinen
Abschluss.
*teo»
CORRESPONDENZEN.
Aus Mannheim«
(Fortsetzung.)
Nach einer nicht langen, seriösen, und wirkungsvoll instrumen-
tirten Orchester-Eiuleitung beginnt der erste Act mit einem lebhaf-
ten, heiter erregten Chor des Volks, das die zu einem Feste bei
der Königin herbeiziehenden Gäste in ihrer Pracht bewundert. Un-
mittelbar an das Ende des Chors schliesst sich der Auftritt des Don
Cesar de Bazan, welcher, von Geld gänzlich entblösst, unter dem
Vorwande von Räubern angefallen worden zu sein, seinen Vetter
Alvar zur Oeffnung seiner Kasse zu veranlassen beschliesst, um sich
dann aufs Neue dem Spiel hingeben zu können. Der kecke Ton
mit einer Beimischung von derber Lustigkeit, dessen sich hier der
Componist zur Zeichnung dieses Characters bedient, ist während
' der ganzen Oper in wirksamer und consequenter Weise festgehalten ;
derselbe tritt uns sogleich wieder entgegen, nachdem der steife, auch
durch die Musik so bezeichnete Ceremonienmeister das Volk aus
dem Garten gewiesen, indem er demselben im Namen der Königin
Geschenke und Festgelage versprochen, und das Volk in Dankes-
jubel und Segenswünschen sich äussert, (Letztere in der Art eines
kirchlichen Gesanges ausgedrückt), während Don Cesar um den Ein-
gang ins Schloss zu erzwingen, sich mit den ihn zurückweisenden
Dienern schlägt. Nach einem aus dem Schlosse erklingenden Tanz
im Rhythmus des Bolero tritt Alvar (Bass) erzürnt über die gegen
ihn ausgesprochene Verbannung auf, seiner Stimmung in einem kur-
zen energischen, theilweise recitativisch gehaltenen Satze Luft ma-
chend und der Königin Bache schwörend, worauf er den aus dem
Schlosse wieder entfliehenden Don Cesar erblickt, erstaunt zwar, da
er ihn todt geglaubt (wie man supponiren kann, durch einen von
Alvar ihm gelegten Hinterhalt), jedoch schnell entschlossen, ihn zu
seinem Bacheplan zu benützen, um ihn so wieder entfernen zu kön-
nen. In einem diese Beiden wirksam characterisirenden Duett wird
Don Cesar von Alvar durch Geld für seinen Plan gewonnen, worauf
nach einer zarten Instrumental-Einleitung, welche namentlich ein
bedeutungsvolles, edel erfundenes Motiv enthält, das später mehr-
mals wieder erscheint, Buy Blas auftritt, in Becitativ und Arie seine
schwärmerische Liebe zur Königin aussprechend. Waren die bis-
herigen Scenen theilweise mehr declamatorisch gehalten, so ergeht
sich die Arie meist in schönem melodischen Fluss, und bildet so
einen wirksamen Gegensatz zu dem Vorherigen; zudem ist sie für
den lyrischen Tenor eine äusserst dankbare Nummer. Nach dieser
Arie erscheint wieder Don Cesar vergnügt über die von Alvar er-
haltene Summe, erblickt seinen Freund Buy Blas, der ihm, im Be-
citativ seine augenblickliche Lage vertraut, und von dem im Hinter-
grunde einigen Alquazils in Betreff Cesar's Befehle gebenden Alvar
belauscht wird. Das Becitativ steigert sich allmählig von dem Punkte
an, wo Buy Blas sein allmähliges Emporkommen und die Entstehung
seiner Leidenschaft, von Cesar zuweilen auf humoristische Art unter-
brochen, erzählt, bis er endlich die Königin nennt; nach diesem
Culminationspunkt, der auch in Betreff der Musik als solcher be-
zeichnet werden muss, beginnt ein Terzett, mit Alvar beständig im
Hintergrunde. Dasselbe schliesst im Wesentlichen mit der Sing-
stimme allein ab, was die Wirkung desselben abschwächt. Noch
im nämlichen Tempo spinnt sich, nachdem Alvar von Cesar bemerkt
wurde, und Ersterer vorgetreten, eine leichtere halb recitativische
Conversation fort, welche schliesslich zu einem bedeutungsvolleren
Becitativ zwischen Buy Blas und Alvar führt, welches durch die
unter der Musik des Bolero, wozu der Chor tritt, aus dem Schlosse
kommenden Gäste unterbrochen wird, bis es Alvar durch den her-
- 111 -
l>eigeeilten Ceremonienmeister gelingt, Buy Blas der Königin vor-
stellen zu lassen, und so seinen Plan auszuführen, wodurch aber
such Buy Blas* Geschick entschieden ist. Unter Wiederholung des
vorhergegangenen Chors in Verbindung mit dem vom Orchester ge-
spielten Bolero kommt der Act zu einem lebendigen und dramatisch
befriedigenden Schluss.
Im zweiten Act, der von einem nicht eben bedeutenden Chor
•eingeleitet wird, ist es zunächst eine Arie der Königin, welche
nächst einem später stattfindenden Quartett unser Interesse am meis-
ten in Anspruch nimmt. Hier ist es auch, wo wir den Componisten
am entschiedensten aber auch mit bestem Erfolg der neuen Richtung
«ich hinneigen sehen, indem er vorzugsweise sich declamirend er-
geht, während melodische Momente seltener, dann jedoch am rich-
tigen Ort und mit sicherer Wirkung auftreten. Wir finden dies
durch die Situation und die Gefühle der Königin gerechtfertigt,
welche dem Componisten auch Veranlassung geben, die Arie mit
einem innig gefühlten Motiv emporschwingen zn lassen, und zu
einem gewissen Abschluss zu führen ; doch wird diese Stimmung
durch eine geschickte Wendung des Orchesters wieder abgeleitet,
und die Königin kehrt zu dem früher unterbrochenen, dort jedoch
nur im Orchester angedeuteten Gebet zurück, das sie nun, getragen
durch eine ruhig bewegte Begleitung, vollendet. Da wir schon oben
den weiteren Fortgang der Handlung besprochen haben, so ist in
Beziehung der nun folgenden Scene zwischen der Königin und ihrer
Vertrauten Casil da, nur zu bemerken, dass ausser einem etwas leben-
digeren Aufschwung in der Partie der Letzteren beim Schlüsse ihrer
Erzählung die Musik hier nichts Aussergewöhnliches bietet, doch
müssen wir die musikalische Diction als eine fortwährend treffende
rühmen. Das Lied, das Casilda hierauf, um die Königin zu zer-
streuen, dieser vorsingt, ist, obwohl ansprechend, doch nicht von
bedeutender Wirkung, und wir finden uns erst wieder besonders in-
teressirt durch ein in der nächsten Scene befindliches Quartett. Diese
Scene beginnt mit dem Auftritt der Oberhofmeisterin, und zwar ein-
geleitet durch ein pomphaftes Vorspiel des Orchesters, dab uns jedoch
an dieser Stelle zu lange und überhaupt nicht motivirt erscheint.
Nachdem auch der Ceremonienmeister während eines kürzeren Zwi-
schenspiels eingetreten , und endlich der von den beiden vorher
Eingetretenen angekündigte Buy Blas unter den Klängen des an-
länglichen Orchestermotivs sich der Königin genaht, beginnt ein
Ensemble, das anfänglich in Einzelstellen der verschiedenen Per-
sonen besteht, und hierauf zu einem ausgeführten Quartettsatz über-
geht, in welchem die über diesem Moment verbreitete Spannung
durch Anfangs kürzere, halb abgerissene Motive, welche allmählich
mehr und mehr in gesanglichen und melodiösen Fluss kommen, sich
erhält, bis das Quartett in einer nicht eben leichten Cadenz der
Königin und Casilda's zum Abschluss kommt. Was sich nun noch
anreiht, sind wieder einzelne kurze halb recitativisch gehaltene Stellen,
und das Musikstück schliesst beim Abgang der aufs höchste erreg-
ten Königin in sehr passender Weise mit dem schon in Buy Blas*
Becitativ und Arie des ersten Acts enthaltenen bedeutungsvollsten
Motiv, welches der Componist unter Figurirung der Violinen den
Bässen und einem Theil der dieselben unterstützenden Blasinstru-
mente zugetheilt hat, um so den Schwerpunkt der Handlung aufs
wirksamste hervorzuheben. Unmittelbar an diesen Ausgang des
Quintetts schliesst sich beim Wiederauftreten der von der Beglei-
tung der Königin zurückkehrenden Casilda ein Becitativ derselben
an, das wir zu den gelungensten der ganzen Oper zählen möchten,
indem es die gewaltige Erregung der Casilda, die in Buy Blas ihren
Geliebten erkannte, sowie ihre Ueberzeugung von der Liebe der
Königin zu ihm und hieranf ihren Kampf zwischen Liebe und Ent-
sagung zu Gunsten der Letzteren in überaus treffender Weise schil-
dert, und es folgt, nachdem am Ende des Becitativs Casilda be-
schlossen, zu entsagen und dem Geliebten in Gefahren schirmend
zur Seite zu stehen, ein arioser für die Sängerin sehr dankbarer
Satz in ruhigem Tempo voll ergebungsvoller Stimmung, der als Con-
trast gegen das vorhergegangene höchst erregte Becitativ noch be-
sonders wirksam ist. Der Eindruck, welchen dieser Act hauptsäch-
lich durch die Arie der Königin, das Quintett und die zuletzt ge-
schilderte Scene der Casilda machte, war ein entschieden günstiger,
"was wir vom ersten Act weniger rühmen können, da der dramatische
sowie musikalische Inhalt zum grössern Theil das Gemüth der Zu-
hörer wenig in Anspruch nahm. (Schluss folgt.)
laehrlehte
Vsim. Hr. Director Behr hat dem Vernehmen nach für die>
nächste Theatersaison Hrn. Wendelin Weissheimer als Capell-
meister engagirt.
MnChvn. Zum ersten Male finden in diesem Jahre an unserer
Hofbühne Ferien statt; dieselben dauern für die Oper vom 25. Juli
bis zum 25. August und für das Schauspiel vom l.bis zum letzten
August, so dass also die Mitglieder beider Branchen einen vollen
Monat Ferien haben werden. Der König hat den Maler Th. Pixis
mit der Darstellung einiger Scenen aus den „Meistersingern be-
auftragt.
— Die erste Aufführung der Oper »Buy Blas" von Max Z e n ge r
wird am 19. Juli stattfinden und sind in derselben Frl. Stehle
und die HH. Kindermann und Vogel beschäftigt.
LondOB. Das grosse dreitägige Händelfest, welches vorigen
Monat im Crystallpalast zu Sydenham unter Mitwirkung von 4000
Sängern und Instrumentalisten statt fand, hat in der Generalprobe
und den drei Festconcerten nicht weniger als 82,465 Zuhörer gezählt*
Stuttgart. Am 25. Juni wurde von dem „Verein für classische
Kirchenmusik" nnter der Leitung des Hrn. Professor Faisst und
unter Mitwirkung der Frau E Hing er, Frau Mar low, Fräulein
Marschalk und Fräulein Schütky, sowie der Herrn Hörn und
Schütky (sämmtlich vom k. Hoftheater) und des k. Hoforchesters,
ferner des Organisten Hrn. Professor Tod das Oratorium „Athalia"
von Händel in der hiesigen Stiftskirche in sehr gelungener Weise
aufgeführt.
Wien. Sontheim hat sein auf 12 Abende berechnetes Gast-
spiel am 3. Juli in der „Favoritin" eröffnet. Eine von ihm beson-
ders empfohlene Altistin, Frl. Pauli, wird Mitte dieses Monats als
Fides, Azucena und Orsino gastiren.
*** Fr)* Emma König ist inBremen als erste dramatische
Sängerin engagirt worden.
*** Die jüngst verstorbene Gattin des Geigers Vieuxtemps
war eine geborene Wienerin, Namens E d e r, und unter diesem Namen
vor ihrer Verheirathung in Wien, Mannheim und Cassel als Opern-
sängerin engagirt.
*** In Breslau starb am 23. Juni eine Celebri tat der dortigen
Musikwelt, der 80jährige k. Musikdirector und Cantor bei St. Bern-
hardin, G. Si egert.
*** Die oberste Leitung der kais. Theater in Petersburg
wird in die Hände des Geheimrath Grafen von Sollogub über-
gehen, welcher, selbst Musiker und Schriftsteller, wohl geeignet sein
dürfte, die ihm untergebenen Bühnen in einer der Kunst würdigen
Weise zu lenken.
*** Der vortreffliche Bassist Mitterwurzer in Dresden
ist nach langer Krankheit am 23. Juni dort als Teil wieder aufge-
treten und mit grossem Beifall aufgenommen worden.
*** „Hamlet," bekanntlich von A. Thomas auf die Bretter
der grossen Oper in Paris gebracht, hat nun einen singenden Bi-
valen erhalten, indem ein Hr. Aristide Hianard ebenfalls eine
Oper „Hamlet" componirt hat und dieselbe auf einem Pariser Thea-
ter aufführen lassen will.
*** Der Tenorist B o g e r wird in Prag gastiren, und Th.
Wachtel ist nach aufgehobenem Gastspiel in Pest, wo er mit
Jubel aufgenommen worden war, nach Hamburg an das Sterbelager
seiner Mutter geeilt, die er aber nur noch als Leiche antraf.
*** Der Baritonist Wallenreiter vom Hoftheater in Stutt-
gart ist in London in vielen Concerten mit entschiedenem Erfolg
aufgetreten.
*** Am 23. Juni fand am ungarischen Theater in Pest die
erste Aufführung der fünfactigen historisch - dramatischen Oper
„Zrinyi" von Aug. v. Adelburg statt. Das Werk des talent-
vollen und von ernstem Kunststreben durchdruogenen Componisten
fand eine wahrhaft enthusiastische Aufnahme.
%* In Copenhagen erlebte Bossini's „Barbier" unlängst
die hundertste Aufführung. Die erste hatte im Jahre 1822 statt-
gefunden.
*** Die Direction des Theätre lyrique in Paris hat nun
vollständig Bankerott gemacht. Die Passiva belaufen sich übet
1,000,000 Frcs.
— 113 -
*** Frau Lucca wird zu ihrer Erholung sieb vom 1. Juli bis
15. August in der Schweiz aufhalten.
*»* Auf Veranlassung des Comics für das Wormser Lutherfest
bat Heinrich Becker eine interessante „Kritische Beleuchtung
des Oratoriums Paulus von Mendelssohn " geschrieben, welche im
CommissiouBverlage von J. Stern in Worms bereits erschienen ist.
%* Bei der bevorstehenden Tonkünstler- Versammlung
in Altenburg werden folgende Solisten und Solistinnen mit*
wirken: Die Damen: Frl. Anna Drechsel und Frl. Clara Mar-
tini aus Leipzig, Frl. Louise Meyer aus Darmstadt, Frau Be*
puschinsky aus Wien, Frl. Clara Schmidt, Frl. Angioletta
und Frl. Emilie Wigand aus Leipzig. Die Herren: J. Brühl
aus Wien , die Kammermusiker Cabisius und Krumbholz,
Professor S p e i d e 1 und Hofopernsänger Wallenreiter aus
Stuttgart, J. M. Grün und Gebr. Willy und Louis T h e r n aus
Pest, Kammermusiker H a n k e 1 aus Dessau, Georg Hentschel
aus Breslau, Capellmstr. Herrmann aus Lübeck, Concertmeister
Jacobsohn aus Bremen , Hofopernsänger Krause aus Berlin,
H. M. Meyer aus Leipzig, Kammervirtuos Simon aus Sonders*
hausen , Capellmeister Dr. Stade, die Kammermusiker Stamm
und Wünsch aus Altenburg.
*** Auch in Dresden hat die Liedertafel am 19. Juni ein
Concert zum Besten des Mendelssohn-Denkmals veranstaltet, in wel-
chem das Loreley - Finale , die Musik zum „Sommernachtstraum, u
„Festgesang an die Künstler" und Chöre aus „Antigone," „Oedipus"
etc. zur Aufführung kamen,
*** Hrn. Hofcapellmeister Neswadba in Darm Stadt ist vom
Grossherzog die goldne Verdienst-Medaille verliehen worden.
•** Frl. Löffler, eine Schülerin des Hrn. Mantius in Berlin,
bat in Wiesbaden als Margarethe mit vielem Beifall debütirt.
V Die niederländische Gesellschaft zur Beförderung der Ton-
kunst hat am 23. Juni ihre 39. Generalversammlung abgehalten.
Der veröffentlichte Jahresbericht handelt von den Preisaufgaben,
welche von der Gesellschaft ausgingen, von dem Arnheimer Musik-
fest, von den verschiedenen musikalischen Instituten und auch einem
jungen Tenoristen zu seiner Ausbildung bewilligten peeuniären Un-
terstützungen, sowie von den der Vereinsbibliothek durch Kauf oder
Schenkung zugegangenen neuen Werken.
*** Die Direction des Hamburger Stadttheaters ist Herrn
R e i ch a r d, dem bisherigen Director, auf weitere fünf Jahre über-
tragen worden.
*** Wie das in London erscheinende Musikjournal „Orchestra"
berichtet, erhielt Adelina Patti kürzlich für den Vortrag von
zwei Opernarien in einem philharmonischen Concerte ein Ho-
norar von 200 Pfund Sterling, und Mlle. Nil s so n,
welche in der Generalprobe zum grossen Händelfeste mitwirkte und
am Abende ein inem aristokratischen Cirkel einige Arien sang, rea-
lisirte für diese beiden künstlerischen Anstrengungen nicht weniger
als 300 Pfund Sterling! Ein solcher Tagesverdienst, erzielt durch
blosses Singen, ruft die „Orchestra" aus, steht ohne Parallele in
der alten und modernen Geschichte. Die berühmtesten Sängerinnen
der Vorzeit, wie die Sonntag, Malibran, Grisi und Persiani, erhielten
selbst im Zenith ihrer Berühmtheit und Popularität kaum den vierten
Theil von dem, was heute den Sängerinnen der Neuzeit, einer Patti,
Lucca oder Nilsson für die Mitwirkung in einem Abendconcert ge-
zahlt wird. (Einem, der nur einzelne von den genannten früheren
oder heutigen Gesangsberühmtheiten zu hören Gelegenheit hatte,
drängt sich die Frage auf, ob nicht etwa gar die qualitativen Leis-
tungen beider Cathegorien im umgekehrten Verhältnisse mit ihren
respectiven Honoraren sich befinden?)
*** Der russische Componist Dargomischsky beschäftigt
sich gegenwärtig mit der Vollendung der Oper «Don Juan" von
P u s ch k i n. Seine beiden Opern „Bussalka" und „EsmerakU"
sind in Petersburg und Moskau auf dem Repertoire.
*** Die Direction der Leipziger Bühne soll nun doch wieder
in den Händen des Hrn. v. Witte verbleiben.
AN ZEIG E
Verlag von Roll. Forberg in Leipzig.
Nova-Sendung 136S Mr. 4U
Sehubert, F., Ausgewählte Lieder und Gesänge für eine Sing*
stimme mit Begleitung des Pianoforte. Mit deutschem u. fran-
zösischem Text.
Op. 89. Winterreise. Le voyage d'hiver: Ngr*
Nr. 24. Nr. 1. Gute Nacht, Je devais te fuir 5
Nr. 25. Nr. 2. Die Wetterfahne. Soyez heureux 4
Nr. 26. Nr. 3. Gefrorne Thränen. Les larmes . 4
Nr. 27. Nr. 4. Erstarrung. L'hiver 5
Nr. 28. Nr. 5. Lindenbaum. Le tilleul 5
Nr. 29. Nr. 6. Wasserfluth. Le ruisseau 4
Nr. 30. Nr. 7. Auf dem Flusse. Le torrent 4
Nr. 31. Nr. 8. Rückblick. Moi seul j'amais 5
Nr. 32. Nr. 9. Irrlicht. Le feu follet 27»
Nr. 33. Nr. 10. Bast. Le repos 4
Nr. 34. Nr. 11. Frühlingstraum. Un r6ve 4
Nr. 35. Nr. 12. Einsamkeit. Solitaire 2 1 /»
Nr. 36. Nr. 13. Die Post. La poste 4
Nr. 37. Nr. 14. Der greise Kopf. J'ai cru vieiliir 2 1 /»
Nr. 38. Nr. 15. Die Krähe. Le corbeau 4
Nr. 39. Nr. 16. Letze Hoffnung. La dernier feuille. .... 4
Nr. 40. Nr. 1 7. Im Dorfe. Mes rSves sont finis .4
Nr. 41. Nr. 18 Der stürmische Morgen. La matinee orageuse. 2 1 /»
Nr. 42. Nr. 19. Täuschung. L'illusion 2 1 /,
Nr. 43. Nr. 20. Der Wegweiser. Le guide .4
Nr. 44. Nr. 21. Das Wirthshaus. Poiut d asile 2 1 /,
Nr. 45. Nr. 22. Muth. Ah! laissons pleurer les fous 4
Nr. 46. Nr. 23. Die Nebensonnen. Regrets, 2 '/»
Nr. 47. Nr. 24. Der Leiermann. Le joueur de vielle .... 4
Schwanengesang. Chant du Cygne.
Nr. 48. Nr. 1. Liebesbotschaft. Le menage d'amours. ... 5
Nr, 49. Nr. 2. Kriegers Ahnung. Fressentiments d'un soldat. 5
Nr. 50. Nr. 3, Frühlingssehnsucht. Le d&sir du priutemps. . 5
Nr. 51. Nr. 4. Ständchen. Serenade 4
Nr. 52. Nr. 5. Aufenthalt. Mon sejour 4
Nr. 53. Nr. 6. An die Ferne. L'exile 5
Nr. 54. Nr. 7. Abschied. Le depart 5
Nr. 55. Nr. 8. Der Atlas. L'Atlas 4
Nr. 56. Nr. 9. Ihr Bild. Son image 2 1 /,
Nr. 57. Nr. 10. Das Fischermädchen. La rille du pecheur. . 4
Nr. 58. Nr. 11. Die Stadt, La ville 4
Nr. 59. Nr. 12. Am Meer. Au bord de la mer 2 7»
Nr. 60, Nr. 13. Der Doppelgänger. Vision , . 2 7»
Nr. 61. Nr. 17. Die Taubenpost. L'oiseau messager .... 5
AMSTERDAM: Tli. J. ROOTHAAN & Cie.
5 * Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst & £?
^B eoe St? m^
P3 3K dankenswerthe Gabe , auf welche wir jeden Verehrer «8* °
** der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam jg ^
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" *°* machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) sgs •
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ja» Ciavierauszug fl. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 60. |S
S $ Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend, §§ '
O * warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich * '
mfi 2ÄS #öe GO
der BEETHOVEN'schen Musik an. Möchten die deut- & +o
« » sehen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch «| £J
<d K machen. (AHg. Musik-Ztg.) 8 >>
Leipzig: FB. HOFMEISTER.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz,
1*. Jahrgang.
N* 29.
20. Juli 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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JA. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg.
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50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
-'V^ >
MALT: Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg." — Ein Sommerausflug des Cölner Männergesangvereins. •— Corresp. : Mann-
heim. — Nachrichten.
Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg"
von R. Wagner in München am 21. Juni.
(Schluss.)
Ein langes, erst blos von den Saiteninstrumenten ausgeführtes
Vorspiel, das sich durch seine reizende Stimmung und seine noble
Form auszeichnet, leitet den dritten Act ein. Er führt uns in nuce
die Erlebnisse der letatzen Zeit vor, wie sie sich wiederspiegeln in
dem Zauberspiegel eines an Empfindung und Poesie reichen Ge-
mtithes. Ohne scharf abgegrenzte Form, ohne vollaus klingende
Individualität, meist nebelhaft in einander ver fliessend, treten diese
Tongestalten auf, wie Traumbilder vor der Seele, bald voll süsser
Freude, bald lustig neckend, bald kräftiger sich vordrängend, bald
leise verhauchend, bis endlich ein geräuschvolles Forte diesem Traum-
leben ein Ende macht: David ist in's Zimmer getreten und Sachs,
der sinnend und gedankenvoll in seinem Buche gelesen, blättert
weiter. Aus der Anrede Davids an seinen Meister tritt vor Allem
das frische Motiv, welches die Clarinetten intoniren, bei den Worten
„Sie ist so gut so sanft für mich" hervor. Nicht minder fein und
voll Humor ist die Stelle „Auch hat's unsrer Lieb gar gut gethan!"
Gleich darauf treffen wir wieder auf ein lustiges, die Lehrbuben
characterisirendes Motiv, das in immer neuen Wendungen stets wieder-
kehrt. Plastisch hebt sich auch dieses Recitativ von der anfänglich
nur von Holzblasinstrumenten begleiteten echten Handwerkerweise
„Am Jordan Sauet Johannes stand 4 ab, die im Character und im ganzen
Aufbau viele Aehnlichkeit mit dem Schusterlied hat, welches Hans
Sachs im zweiten Acte singt. Ehe letzterer seinem Lehrbuben auf
dessen Wünsche antwortet, klingt ein kleines schönes Hornsolo herein,
das die darauffolgende Stimmung vorbereitet und aufbauen hilft.
Nun kommen wir an einen langen Monolog über den „Wahn*
den sich Hans Sachs selbst hält und der uns in seinem ersten Theile
wegen seiner vollständigen Formlosigkeit nicht gefallen will. Erst
von der Stelle an „Wie friedsam treuer Sitten," wo daB Orchester
vollständig souverän auftritt, erregt die Nummer wieder Interesse,
das sich bis zur Stelle
„Ein Glühwurm fand sein Weibchen nicht"
ausserordentlich steigert. Die Harmonisirung dort ist ein unbestreit-
bares Meisterstück.
Und wieder geht es in dem gewohnten Geleise weiter, der musi-
kalische Ausdruck schliesst sich aufs Innigste der Declamation und
der Bedeutung des Wortes an und die einzelnen feststehenden Mo-
tive tauchen da und dort in immer neuen Tougestalten auf. Das
Duett zwischen Sachs und Walther ist reich an Schönheiten, ist
reich an Melodie. Ganz feine Ohren haben bei den Worten des
Sachs „Ich lieb ein Weib und will es frei'n" Anklänge an ein in
der Ouvertüre zu den „lustigen Weibern" oft wiederholtes Motiv
herausgefunden und die Besitzer derselben haben sich unendlich
darüber gefreut, Wagner des Plagiats beschuldigen zu können. Wir
führen das hier nur an und überlassen es jedem Einzelnen sich die
nöthige Aufklärung im Ciavierauszug selbst zu holen. — Nun end-
lich stehen wir an der Melodie des Stolzing, deren Anfangsmotiv
wir schon so oft gehört und hell und ritterlich klingt die Weise
desselben durch die in Festtagsstimmung daliegende Stube des Sachs:
es ist eine sich angenehm in das Ohr schmeichelnde, in ihrer schönen
Plastik herzlich willkommene Weise, die nur durch die literarischen
Zwischenverhandlungen des Sachs unterbrochen wird. Auch auf
den Schluss des Duetts, wo Sachs den Ritter auffordert sich heraus-
zuputzen, machen wir als eine durch ihre Instrumentation reizende
Stelle ausdrücklich aufmerksam.
Sachs und Stolzing haben die Stube verlassen, in welche nun
Beckmesser tritt: er ist trostlos, weil ihm nichts einfällt, sein Sinn
ist trocken und unbeweglich und mit der Reimkunst, die er heuta
nöthiger hat als je, will es nicht vorwärts gehen. Er schnüffelt im
Zimmer umher und die Musik begleitet treu das stumme Spiel Beck*
messers. Das darauffolgende Duett mit Hans Sachs leidet unsrer
Anschauung nach an grosser Länge und dürfte die Kürzung wohl
ertragen. An dasselbe schliesst sich das vielbesprochene Quintett
an, eine der schönsten Perlen in der Oper, wo Wagner zeigt, dass
er es auch versteht, wenn es die Situation fordert, Musik nach altem
Schlag zu machen. Gerade in den Contrasten, die hier nebeneinan-
der gestellt sind, wo die Gesangsweise der Meistersinger durch die»
schon angeführte unbeholfene Melodie characterisirt ist und sich
daran der fünfstimmige Gesang schliesst, der in der Weise von Stol-
zings Lied gehalten ist, liegt ein ausserordentlicher Reiz und zu-
gleich ein grosser dramatischer Effect. Es ist das ein Rubepunkt
in dem weiten Weg durch die lange Oper, ein Plätzchen, auf dem
wir gerne verweilen, ein Plätzchen voll Anmuth und Schönheit, voll
Friede und Poesie.
Nun geht es fort auf die Festwiese und die einzelnen Details
dieses festlich bewegten Lebens sind ebenso frisch gezeichnet aU
characteristich. Die Musik zu dem Tanze ist eine Nummer von
hohem Werthe. Wahrhaft grossartig, voll idealen Schwunges, voll
imponirender Majestät ist der grosse Chor „Wach auf, es naht gen
den Tag," eine Composition, die uns mit Ehrfurcht und Hochach-
tung gegen das Ingenium des Componisten erfüllt. Dieser Chor
bildet den Höhepunkt der Situation und die nachfolgenden musika-
lischen Vorkommnisse können mit ihm keinen Vergleich mehr aus-
halten. Die Komik des Beckmessers wird Verzerrung, wird Cari-
catur, und es ist unbegreiflich, dass sich Wagner in diesem Punkte
so ungeheuer verrechnet hat. Stolzings Lied söhnt uns wieder aus
mit dem Componisten und die Schlussstellen machen noch einen
gewaltigen erhebenden Eindruck.
So steht die Oper vor uns, eine grosse That, von vielen ver-
ketzert, von vielen ihrer Kühnheit wegen angestaunt, von vielen
bewundert und mit Beifall überschüttet. Wer Recht hat, und ob
nicht wie überall das Gute in der Mitte liegt, muss erst die Zukunft
lehren: das aber können wir heute schon wissen, dass durch die
öftere Vorführung solcher Stoffe eine nationale Kunst geschaffen
würde, nach der wir Deutsche in der Poesie vergebens seufzen und
dass dadurch mehr als durch irgend etwas Anderes deutscher
Geist und Vaterlandsliebe gepflegt wird. Und einen bildenden, ver-
— 114 -
adelnden Eindruck mau jedes Kunstwerk hervorbringen und dieser
gibt uns den Gradmesser für den Werth des Kunstwerkes. Der
Eindruck, den die „Meistersinger" — die alleinige Partei der ortho-
doxen Musikfreunde ausgenommen — hervorgebracht haben, war
aber jedenfalls ein bedeutender ; das Volk, die Masse fand sich mit
fortgezogen von dem Vorgang auf der Bühne und der meiste, der
stürmischste Beifall kam von dem Parterre und der Oallerie. Und
das ist eine Thatsache, der wir grosse Bedeutung beilegen.
Und wenn mit den „Meistersingern 8 gar nichts Anderes erreicht
sein sollte, als dass in ihnen der allmäligen Verflachung der Musik
ein energisches Halt entgegengerufen würde, dass den seichten
melodischen Flüssen an denen sich die Demimonde vergnügt und die
„Gebildeten" beiderlei Geschlechts ihre Freude haben, ein Damm
gesetzt würde, so ist auch das schon ein grosser Vorzug, ist auch
das schon eine erfreuliche Thatsache, deren wegen wir die Oper
als ein ernstes Werk deutscher Kunst und deutschen Strebeos von
Herzen willkommen heissen«
Ein Soitiiiieraiisfliig des Cölner Ulänner-
gesangverelns.
Der „Cölner Männergesangverein," getreu seinem Wahlspruche :
„Durch das Schöne stets das Gute," verwendet bekanntlich die Er-
träge seiner öffentlichen Aufführungen und Concerte zu wohlthätigen
und gemeinnützigen Zwecken. Bis zum 27. April 1866, dem Tage
seines 25jährigen Stiftungsfestes, hatte der Verein, nach dem im
Druck erschienenen zweiten Bande seiner Vereins - Chronik, in 236
veranstalteten Concerten die nicht unbedeutende Summe von 53033
Thalern pr. Ort. ersungen und solche monumentalen Bauwerken,
Denkmälern, zur Linderung der Noth und sonstigen wohlthätigen
Zwecken im engeren und weiteren Vaterlande freudig zum Opfer
gebracht. Nach seiner glänzenden Jubelfeier, welche durch die
kostbaren Ehrengeschenke Seiner Majestät des Königs Wilhelm von
Preussen, des hohen Protectors des Vereins und Ihrer Majestät der
Königin Augusta, sowie durch Hunderte von Beglückwünschungs-
Bchreiben und Telegramme der ausgezeichnetsten Componisten, Mu-
siker, Virtuosen, Gesangsfreunde und Vereine eine höhere Weihe
erhielt, ist der Verein mit neuem Muthe und frischer Kraft auf der
bis heran beschrittenen Bahn seines wohlverdienten Ruhmes rüstig
vorangegangen und benutzt seine sogenannte Ferienzeit zu Sommer-
ausflügen und Erholungsreisen, bei welchen er mit besonderer Vor-
liebe an den reizendsten Punkten des Oberrheines concertirt und so
das Angenehme mit dem Nützlichen stets in Verbindung zu bringen
sucht. Die künstlerischen Leistungen des Vereins, seine muster-
haften Vorträge gediegener Männerchöre unter der trefflichen Lei-
tung seines verdienstvollen Dirigenten, des Königl. Musikdirectors
Herrn Franz Weber, seine seltene Uneigennützigkeit, kurzum die
ganze Verfassung und der Ruf dieses Vereins geben demselben sehr
oft Gelegenheit, seinen Wohlthätigkeitssinn und seine Kunstfertig-
keit gemeinnützigen Zwecken dienstbar zu machen.
Durch die im vorigen Jahre abgegebenen Versprechen gebun-
den, hat der Verein an den Tagen des 27. bis zum 29. Juni c. seine
diesjährige Sängerfahrt wiederum nach dem Mittel- und Oberrhein
gerichtet und daselbst zwei Wohlthätigkeitsconcerte veranstaltet,
Von welchen eines zum Besten des Neubaues einer katholischen
Kirche in Braubach (bei Coblenz), das andere im Grossherzog-
lichen Orangeriegebäude des Herrengartens in Bessungen (bei
Darmstadt) zum Vortheile des Fonds für ein Denkmal, welches
Abbe Vogler, dem grossen Tonmeister und Lehrer von C. M. v.
Weber und G. Meyerbeer, errichtet werden soll, wozu der Verein
im verflossenen Jahre durch eine derartige Coucertaufführung bereits
einen soliden Grundstein gelegt hatte, gegeben wurde.
Die freundlichen Einladungen des Herrn Pfarrers J. Diefeubach
in Braubach, des Festcomites in Darmstadt, die in Aussicht gestell-
ten Festlichkeiten und Vergnügungen, die freundlichst angebotenen
Privatquartiere in den besten Familien Darmstadts, die kostenfreie
Reisegelegenheit, welche mit grosser Liberalität von deh Directionen
der Rheinischen Eisenbahngesellschaft, der Hess. Ludwigs- und der
Main-Neckarbahn- Gesellschaft zugesagt worden, das herrliche Som-
merwetter, der längere Aufenthalt in der reizenden landschaftlichen
Natur der Bergstrassa etc. waren Anziehungspunkte, welche eine
grosse Betheiligung der Vereinsmitglieder um so mehr erwarten
Hessen, als die Tage des 28. und 29. Juni Sonn- und Feiertag«
waren, welche eine Urlaubsbewilligung der einzelnen Mitglieder
überflüssig machten. In beiden Städten waren dem Vernehmen
nach durch die betreffenden Comites so grossartige Vorbereitungen
getroffen, dass der Besuch des „Cölner Männergesangvereins" in
beiden Orten als ein Ereigniss betrachtet wurde. In dem Vereine
herrschte die animirteste Stimmung, und im Vorgefühl der zu er-
wartenden schönen Tage wurden die erforderlichen Vorbereitungen
getroffen und mit Lust die nöthigen Proben abgehalten.
So trat denn der Verein am Samstag den 27. Juni Nachmit-
tags 2*/i Uhr seine diesjährige Sängerfahrt mit etwa 75 seiner Mit-
glieder an und wurde am Bahnhofe zu Coblenz von dem Kirchen-
vorstande zu Braubach unjd den dortigen Säugervereinen festlich
empfangen. Nach einer herzlichen Ansprache, womit Herr Pfarrer
Diefenbach die Sänger begrüsste, ordnete sich der Zug und wurden
die Sänger unter dem Vortritte eines Musikkorps nach dem gemein-
samen Versammlungslokal, zn den festlich geschmückten Räumen
des Lütticher Hofes bei Herrn Flüchardt geführt, wo ihnen der
Ehrenwein in goldeneu und silbernen Pokalen gereicht wurde. Nach-
dem sich die Sänger, auf ihren ausdrücklichen Wunsch, in den ver-
schiedenen Gasthöfen der Stadt auf eigene Kosten einlogirt hatten,
begann Abends 7 Uhr in der geräumigen Aula des Gymnasiums das
Concert zum Besten der neu zu errichtenden Kirche in Braubach.
Das Programm enthielt folgende Piecen : 1. „Am Neckar, am Rhein!"
Chor von Fr. Kücken; 2. „Hoffnung," Chor von J. C. Schärtlich ;
3. „Hüte dich!" Chor von Girschner; 4. Sonate für 2 Pianoforte's
von Mozart; 5. „Liebesklage," Tenorsolo mit Brummchor von Neit-
bardt; <r. „Morgenlied, u Quartett und Chor von Jul. Rietz; 7. „Die
jungen Musikanten," Quartett und Chor von Kücken ; 8. „Vineta/*
Chor von Fr. Abt; 9. „Frühliugslied, tf Chor von C. Wilhelm; 10.
Andante con Variazioni für 2 Pianofortu's von Rob. Schumann ;
lt. zwei Volkslieder für Chor von Brambach; 12. „Zum Walde,"
Chor mit Hornbegleitung von J. Herbeck. In den beiden Abthei-
lungen spielten Frau Emma Ritter -Bondy und Herr
Richard Kugler die im Programm bezeichneten Clavierpiecen
von Mozart und Schumann. Sämmtlich* Gesangsnummern des
Programms gelangten, angeweht von der festlichen Stimmung
der Mitglieder, ganz vorzüglich «nd wurden mit einem ausserordent-
lichen Beifalle begrüsst, welcher sich bei dem reizenden Tenor-
solo (Liebesklage) von Hrn. Jos. Wolff und dem Soloquartette
in den jungen Musikanten, von den Herren J. Wolff, C. Thurn,
W, Lehmann und F. J. Meyer vorgetragen, bis zum Enthusias-
mus steigerte. Imgleichen ernteten die Instrumentalsolis der Frau
Emma Ritter - Bondy und des Concertmeisters Herrn Kugler durch
ein correctes, elegantes und ausdrucksvolles Spiel rauschenden Ap-
plaus. Zum erstenmale brachte der Verein 2 neue Volkslieder,
welche von dem städtischen Capellmeister Herrn J. Brambach in
Bonn reizend harmonisirt sind und zwar: „Mein Kathli" (irisch) und
„Das Bäschen <( (schottisch) zur Aufführung, von dem das erstere
sich durch eine tiefe Webmutb, das andere durch neckische Fröh-
lichkeit vortheilhaft auszeichneten. Diese Lieder siud schön, fein
und nett bearbeitet und wurden von dem Vereine mit vielem Ge-
schmack vorgetragen. Nach dem Concerte vereinigte ein gemein-
sames Souper die Cölner Sänger, das Fest-Comitd, die Mitglieder
des St. CaBtor-Chores, der Liedertafel und der übrigen Coblenzer
Männer-Gesangvereine in dem Gartensaale des Lütticher Hofes, bei
welchem schwungvolle Toaste und Danksagungen für die hoch-
herzige Unterstützung des Kirchenbaues durch den concertgebenden
Verein und Instrumentalsätze des Musikcorps, sowie Liedervorträge
der HH. Carl Hartmann und J, Wolff, und geschmackvolle
Chorgesänge des St. Castor-Gesaugvereins, unter der Leitung sei-
nes tüchtigen Dirigenten Hrn. Martin Schon s in reicher Abwechs-
lung den Stoff zur gemüthlichsten und heitersten Unterhaltung
gaben. Erst gegen 2 Uhr Nachts suchten sich die Sänger succes-
sive dem munteren, geselligen Kreise zu entziehen, um für den fol-
genden Tag, wo neue Verpflichtungen und Anstrengungen ihrer
harrten , möglichst gerüstet zu erscheinen. Die wenigen Stunden,
die dem Vereine vergönnt waren in Coblenz bei seineu Freunden
zu verweilen, waren sehr genussreich, uud werden dieselben den
Gängern stets in dankbarer Erinnerung bleiben. Am folgenden
- 115 -
Morgen brachte der erste Frühzug die Sänger weiter rheinaufwärts
und trafen dieselben nach kurzem Aufenthalte in Mainz gegen 11 Vi
Uhr auf dem Perron des Bahnhofes zu Darmstadt ein, wo der Ver-
ein unter Böllerschüssen, den rauschenden Klängen eines Musik-
corps, eines Männerchores unter Leitung des Gapellmeisters Herrn
C. Mangold und dem jubelnden Zurufe einer unabsehbaren Men-
schenmenge von dem Festcoinite" empfangen wurde.
(Fortsetzung folgt.)
CORRESPONDSNZEH.
Aus Mannheim.
(S ch 1 u s s.)
Der dritte Act, mit einem Musikstück von erregter Stimmung
beginnend, in welchem die Höflinge ihrer Unzufriedenheit über die
Bevorzugung des Ray Blas Luft machen, und den Plan fassen, unter
Beistand Alvars ihn zu stürzen, zeichnet sich besonders durch ein
Duett zwischen Köuigin und Ruy Blas aus, das nächst dem zweiten
Act mit Recht den entschiedensten Beifall erhielt ; es ist dramatisch
und musikalisch von gleich tiefer Wirkung, namentlich heben wir
aus demselben erstlich einen der Liebeserklärung Ruy Blas* gegen
die Königin folgenden Duettsatz, sehr langsames Tempo, D-dur '/*
und den Schlusssatz des ganzen Duetts hervor, in welchem wir das
schon früher mehrmals erschienene Motiv nun in seiner ganzen Aus-
dehnung wiederfinden, welches von Beiden unisono gesungen wird.
Die Scene verwandelt sich in die Posada wo sich später die
Höflinge zu einem heitern Fest mit Tanz und in der Absiebt, ihren
Anschlag gegen Ruy Blas auszuführen, einfinden. Zuerst jedoch er-
schein^ Don Cesar (Zafari), in einer Arie seiner lustig erregten
Stimmung nach Befreiung aus der Gefahr, durch den hinterlistigen
Alvar als Sclave verkauft zu werden, vollen Lauf zu lassen. Können
wir hier der Composition auch keine Originalität zuschreiben, so
finden wir doch, wie in der ganzen Oper, immer den consequent
richtigen Ausdruck für die Individualität der Person.
Nach Uebergehung einer Sceue zwischen Zafari und dem Wirth
der Posada, welche rnusikalischerseits nichts Hervorragendes bieten
kann, wenden wir uns zu Scene und Duett zwischen Zafari und
Casilda (den Grund ihres Erscheinens in der Posada haben wir
schon früher angegeben), in welchen längere Zeit das declamatorische
Element, conversationsartig, vorherrscht, bis leichtere, melodische
Phrasen eine bestimmtere Gestaltung herbeiführen. Die nun folgende
und bis zum Ende des Acts dauernde Scene beginnt beim Eintritt
der Höflinge, Soli und Chor, mit einem lustigkecken dreistimmigeu
Chor. Die Männerchöre dieses Acts sind durchgehend in dieser
Stimmanzahl, beide Tenore gleichgehend, Bässe getheilt, gehalten.
Die Musik des dem Chor folgenden Zigeunertanzes hat in ihren
hervorragenderen Motiven die nationale Färbung, wie wir sie in
den von Zigeunern selbst gespielten Tänzen gewöhnlich finden, sie
ist pikant und anregend zum Tanz. Die Melodie des sich nun an-
schliessenden Liedes Zafari's, in welches des Letzteren Beziehungen
zu dem ebenfalls anwesenden Alvar eingeflochten sind, ist der Zeich-
nung dieses Cbaracters vollkommen angemessen, wenn wir auch die
Erfindung nicht neu nennen können. Der Ausgang des Liedes gibt
zugleich das Signal zu grösserer, sich beständig steigernder Erre-
gung, welche in einem wirksamen Ensemble, während dessen Alvar
und Ruy Blas sich gegeuübertreten und das seinen bedeutendsten
dramatischen Moment durch Zafari's thatkräftiges Einschreiten er-
hält, ihren Gipfel und zugleich den Abschluss des Actes findet. Die
Musik erhebt sich in einem leidenschaftlichen Motiv, das Ruy Blas
und dem ihm seeundirenden Zafari zugetheilt ist, zu grosser Energie
und erhält durch richtige Gruppirung der Solo- und Chorstimmen
nebst wirksamer Instrumentirung die für einen solchen Punkt der
Handlung nöthige dramatische Bedeutung und hätte durch ein äus-
seres Beifallszeichen der Zuhörer besser gewürdigt zu werden ver-
dient, als es geschah.
Der vierte Act wird durch eine Orchester-Introduction einge-
leitet, welche, in ihrem kurzen Verlaufe kräftig und leidenschaftlich,
im Hinblick auf Ruy Blas 1 Ende ersterbend abschliesst. In dem hie-
rauf folgenden Recitativ, das Ruy Blas 1 Resignation zum Gegen-
stande hat, finden sich frühere Instrumental- und Gesangmotive, die
Ersteren namentlich aus der der Oper vorangehenden Einleitung,
unter den Letzteren das aus dem dritten Act angeführte, sehr pas-
send eingestreut. Hierauf entwickelt sich zwichen der von Casilda
zu Ruy Blas geleiteten Königin und dem Letzteren ein Duett voll
inniger, gegen das Ende leidenschaftlicher Stimmung. Der weitere
Verlauf dieses Actes bis zum Finale zeichnet sich besonders durch
die characteristische Zeichnung des nun hinzugetretenen Alvar aus,
und das Finale bildet zuerst durch das von Zafari zur Rettung
herbeistürmende Volk einen erregten Satz, der sich in dem folgen-
den Zweikampf zwischen Zafari und Alvar gipfelt, und nach dem
Falle des Letzteren allmählig zurücksinkt in eine mildere Stimmung,
bis nach dem Tode auch des Letztern der auf der Scene befind-
liche Chor ihm einen gebetähnlichen Nachruf weiht, zwischen den
das Volk ausserhalb ihm und der Königin seinen Dankesjubel für
die von Beiden ihm geschenkte Freiheit zuruft.
Die Oper ist entschieden den besseren Erzeugnissen unserer
neuesten Zeit in dieser Gattung beizuzählen und der Componist be-
kundet in derselben nicht nur ein tüchtiges Wissen und Können in
der Verarbeitung des Ganzen, wie in der Behandlung der Singstim-
men und des Orchesters, sondern namentlich auch eine bedeutende
Fähigkeit zu dramatischer Gestaltung. Die Leistung des ausüben-
den Personals unter der bewährten Leitung V. Lachners ist als eine
sehr tüchtige und befriedigende zu bezeichnen, der günstige Erfolg
der Oper ist jedoch hauptsächlich den mehr lyrischen Partieen zu
danken, welche in Frl. Hausen (Königin), Frl. Reiser (Casilda)
und Herrn S ch ü 1 1 e r eine ausgezeichnete Vertretung fanden, wäh-
rend für die Partie des Don Cesar de Bazan Herr Schlösser das
geeignetste Stimmmaterial besitzt, und Herr Kögel als Alvar die
in seiner Partie vorherrschende Energie vollständig zur Geltung
brachte. Die weniger bedeutenden Partien der Oberhofmeisterin
(Frau Ludwig-Medal) und des Ceremonienmeisters (Hrn. Ditt)
waren gleichwohl in befriedigendster Weise repräsentirt. Die in
Hinsicht auf Erfindung sich nicht auszeichnenden Chöre kamen den-
noch zu wirksamer Geltung, und das Orchester zeigte sich, wie wir
dies gewohnt sind, seiner nicht leichten Aufgabe vollständig ge-
wachsen. Die scenische Einrichtung zeugte von der wünschens-
wertesten Sorgfalt und erfreute durch geschmackvolle Anordnung
im Ganzen wie im Einzelnen. So dürfen wir hoffen, dass diese
Oper sich längere Zeit auf dem Repertoire erhalten wird.
Nachrichten.
Paris. Die Einnahmen der Theater, Concerte und öffentlichen
Schaustellungen jeder Art in Paris betrugen im Monte Juni 821,049
Frcs.
— Der Contract der Mlle. N i 1 s s on mit der Direction der
grossen Oper geht mit dem 1. Mai k. Jahres zu Ende. Der Di-
rector P e r r i n hat derselben schon jetzt die Erneuerung des Con-
tractes mit Erhöhung der Gage vorgeschlagen und was glaubt man
wohl, dass Mlle. Nilsson verlangt hat? Ein Hundert und
vierundzwanzig Tausend Franken und drei Mo-
nateUrlaubjährlichl Es dürfte wohl Hrn. Perrin schwerlich
möglich sein selbst einer Nilsson eine solche enorme Forderung
zu bewilligen.
— An der grossen Oper haben die Ciavierproben für die neue
Oper von Ernest Reyer („Sigurd") bereits begonnen.
— Hiesige Blätter behaupten, Rossini habe in seinem Tes-
tamente eine gewisse Summe zur Gründung eines Musik-Conserva-
toriums in P e s a r o, seiner Vaterstadt, festgesetzt. Es soll seine
Absicht sein, dass dieses Conservatorium durch Heranziehung der
berühmtestsn Meister zu einem der ersten der Welt emporgebracht
werde. Das wäre allerdings eine hübsche Antwort auf die Auffor-
derung, welche bekanntlich der Unterrichts-Minister Broglio vor
Kurzem an ihn ergehen liess.
— Der bekannte verdienstvolle Componist und Organist Stiehl
aus Petersburg ist dieser Tage in Paris angekommen.
— Der unermüdliche Sänger Roger ist nach einer zehn monat-
lichen Gastspielreise in Deutschland und Oesterreich hierher zurück-
gekehrt. Er gedenkt einige Monate zu seiner Erholung auf dem
Lande zuzubringen und dann einen letzten Ausflug anzutreten , der*
— 116 -
«ich auf die bedeutendsten Städte Ostrusslands, Bulgariens und der
Türkei erstrecken soll.
Darmstadt. Das sechste „mittelrheiniscbe Musikfest" wird nun,
nachdem der Kriegsminister die Benutzung des Zeughauses bewilligt
bat, am 28. September 1. J. hier beginnen. Von grösseren Compo-
sitionen kommen „Samson" von Händel, A-dur - Sinfonie von
Beethoven und Fragmente aus „Fritjof" von Mangold aur
Aufführung.
%* (Zu der Liste der Solisten in Altenburg) Anton Door,
Professor am Conservatorium in Moskau, Josef Schild, Hofopern-
sänger aus Dresden.
* # * Die dramatische Sängerin Frau M a r r a- V ollmar ist für
das Hoftheater in Darmstadt eogagirt worden.
%* Der neue Domcapellmeister und Director des „Mozarteums"
in Salzburg, Dr. Otto Bach, hat seine Stelle bereits angetreten
und im Dome eine Messe von Mozart dirigirt, welche unter seiner
Leiluug in ausgezeichneter Weise zur Auffuhrung kam. Am 18.
August soll unter seiner Direction ein grosses Festconcert in der
Aula mit einem sehr interessanten Programm stattfinden.
*** Die gegenwärtig in Königsberg gastirende Soubrette, Frl.
Laura S ch u b e r t, hat sich mit dem dortigen Hotelbesitzer Herrn
Gehring verlobt.
*** D*s Berliner Operntheater wird nach den Ferien mit
Wagner's „fliegendem Holländer" eröffnet. Hierauf folgen : ,, Ham-
let" von Thomas, „Romeo und Julie" von Gounod. ,.Mignon"
von Thomas und „Frithjof" von dem jungen Berliner Hopffer.
%* Die Verlagshandlung Bote und Bock in Berlin hat
eine Preisausschrei bung für eine den Abend ausfällende
komische Oper mit Ausschluss der burlesken und parodistischen
Richtung veröffentlicht. Die Preisbewerbung ist eine zweifache:
I. Für den Text. Die concurrirenden Texte müssen den Ansprüchen
an eine komische Oper durchaus entsprechen, können selbsterfunden
oder nach einer vorhandenen Idee bearbeitet sein, doch sind Ueber-
setzungen ausgeschlossen. Die Anwendung eines geistreichen Dia-
logs ist willkommen. Es sind für den Text drei Preise, von 50,
30 und 20 Friedrichsdor ausgesetzt und bleibt der preisgewährenden
Verlagshandlung das ausschliessliche Eigentumsrecht der prämiirten
Texte vorbehalten. Die Concurrenzarbeiten müssen in zwei leser-
lichen Abschriften spätestens am 31. October d. J. bei der betref-
fenden Verlagshandlang abgegeben sein, da nach diesem Tage keine
Einsendungen mehr angenommen werden. Die Preise werden am
1. Januar 1869 zuerkannt und am 1. Februar 1869 die gedruckten
Exemplare der prämiirten Texte den HH. Componisten zur Ver-
fügung gestellt werden, doch können letztere sich auch eines anderen,
selbstgewählten Textes bedienen, wenn derselbe den festgestellten
Bedingungen entspricht. IL Für die Composition. Für die Ein-
reichung der Partituren in gut leserlicher Noten- und Textschrift
ist der 30. September 1869 als Schlusstermin festgesetzt, und sind
hiefür drei Preise von 120, 50 und 30 Friedrichsdor bestimmt, wäh-
rend die Verlagshandlung sich auch hier das Eigenthumsrecht der
prämiirten Arbeiten vorbehält. Dichter und Componist participiren
ausser dem Preishonorare auch an der Hälfte des zu erzielenden
Reinertrags an Bühnenhonoraren und Tantiemen, und zwar der Dichter
zu einem Drittel und der Componist zu zwei Dritteln des entfallen-
den Betrags. Die Veröffentlichung der Preiszuerkennung erfolgt am
1. Januar 1870. Sämmtliehe Texte und Partituren müssen mit einem
Motto versehen und von einem Couverte begleitet sein, welches
aussen dasselbe Motto und innen cfen Namen des Autors enthält.
Nichterfüllung der festgesetzten Bedingungen schliesst von der Preis-
bewerbung aus. Das Preisrichteramt haben gütigst übernommen
die Herren: Hans von B ü 1 o w, Hofcapellmeister in München. Hr.
Dorn, Hofcapellmeister in Berlin. J. Heim, Hofopern-Regisseur
in Berlin. Ferd. H i 1 1 e r, Capellmeister in Cöln. Baron von Per«
fall, Hoftheaterintendant in München. G. zu Putlitz in Berlin.
Dr. J. Rietz, Hofcapellmeister in Dresden. W. Taubert, Hof-
capellmeister in Berlin. A. von Winterfeld in Berlin. A. Frei-
herr von W o 1 1 z o g e n, Hoftheaterintendant in Schwerin.
•** Die Leser d. Bl. wird es interessiren, zu erfahren, dass
Bernhard Hopffer, dessen Oper „Frithjof" die königl. General-
Intendanz in Berlin zur Aufführung angenommen, ein noch junger
Mann und geborener Berliner ist. Der Dichter des Libretto ist sein
Alterer Bruder Emil Hopffer, beides die Söhne eines in Berlin ver-
storbenen Juweliers. Aus der Feder des Dichters sind schon meh-
rere Bühnenstücke hervorgegangen, die aber bis jetzt noch keinem
nachhaltigen Erfolg errungen haben. Der Componist hat seine Stu-
dien in der neuen Akademie des Professor Theodor Kullak absol-
virt, den Compositionsunterricht speciell beim Musikdirector Riebard
Wuerst genossen. Es ist etwas Gutes von ihm zu erwarten, da er
in Berlin als einer der talentvollsten unter der jüngeren Musikge-
neration bekanut ist.
*** Der renomirte Tenorist Stigelli (von Geburt ein Deut-
scher, Namens Stieget) ist auf seiner Villa zu Monza am Corner-
See im besten Mannesalter gestorben. Er hinterlässt drei Töchter
und hat erst vor einigen Monaten seine Gattin verloren.
*** Frl. Anna Reiss, welche kürzlich in Weimar die Rolle
der „Mignon" bei den ersten Aufführungen der gleichnamigen Oper
von A. Thomas mit vielem Erfolge durchgeführt hat (sie ist be-
kanntlich eine Schülerin der MHe. Viardot-Garcia), befindet
sich gegenwärtig in Paris.
%* Die unlängst in Paris wieder aufgefundene Oper vod
Gluck „L'arbre enchante* 1 („Der Zauberbaurn"), welche nur ein
einzigesmal bei der Vermählungsfeier des Dauphin in Versailles)
gegeben worden war, wird nun am deutschen Theater in Prag zur
Aufführung vorbereitet.
*** Bei dem am 16. August in Grenoble stattfindenden Mu-
sikfest werden sich nicht weniger als 200 Musik- und Männer-
gesangvereine betheiligen.
ANZEIGEN.
Neue Musikalien.
Im Verlage von Fr. Kleiner in Leipzig sind soeben«
mit Eigenthumsrecht erschienen :
Aaaiitcliewsky, WL. V. op. 11. Vier Stücke für das Piano-
forte 20 Ngr.
Beethoveil'g, lu Tan Sinfonien für Pianoforte und Violine ein-
gerichtet von Frdr. Hermann Nr. 5 (C-moll) op. 67 Thlr. 2. 5 Ngr*
Hauptmann, M. op. 58. „Zwei Marienlieder" für eine Mez-
zosopranstimme mit Begleitung des Pianoforte (Nr. 1 der nach-
gelassenen Werke) 12 V» Ngr.
— op. 59. 25 „Album Canons,** herausgegeben von S. Jadassohn.
(Nr. 2 der nachgelassenen Werke) Thlr. 1. 5 Ngr.
— op. 60. Ouvertüre zur Oper „Mathilde/ Arrangement für da»
Pianoforte zu 4 Händen von S. Jadassohn. (N. 3 der nachge-
lassenen Werke) 20 Ngr.
Jungmann, Alliert, op. 258. Nr. 1. „Das Sternlein. a Lied
von Fr. Kücken, für das Pianoforte bearbeitet 12'/j'Ngr.
— op. 258. Nr. 2. „Schlummerlied." Lied von Fr. Kücken, für
das Pianoforte bearbeitet 12 '/> Ngr.
— op. 258. Nr. 3. „Liebesbote." Lied von Fr. Kücken, für da»
Pianoforte bearbeitet 12 Vi Ngr.
Kücken, Fr. op. 86. „Vier Gesänge." Die Nixen. Am Abend.
Frühling. Treue Liebe. „Du Tropfen Thau," etc. Für Sopran,
Alt, Tenor und Bass. Partitur und Stimmen Thlr. 1.
Kuntze, €?. op. 138. „Zwei Gesänge" für vierstimmigen Män-
nerchor. Nr. 1. Im Frühling von Julius Storm. Partitur und
Stimmen 20 Ngr.
— op. 138. N. 2. Im Walde von Schul ts. Partitur und Stim-
men 10 Ngr.
Lftw, Joaef. op. 12. „Abschiedsständchen." Salonstücke für
Pianoforte 7 1 /* Ngr.
— op. 13. „Zwei Jugendstücke." 1. Sonntags im Dorfe. (Idylle>
2. Auf der Wiese (Scherzino) für Pianoforte 10 Ngr.
— op. 25. „Lyrische Tondichtungen" (Motto: vom Herzen zum
Herzen.) Sechs Ciavierstücke: 1. Sehnsucht. 2. Nachruf. 3. Trost.
4. Erinnerung. 5. Schwermuth. 6. Liebesglück. 25 Ngr.
Sulllvan, Arth. 8. op. 12. „Twiligbt." Ciavierstücke 12 V, Ngr.
— op. 14. „Day Dreams." Sechs Stücke für das Pianoforte 25 Ngr*
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz..
17. Jahrgang.
!*■ #0.
27. Juli 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
j — *j
j Diese Zeitung erscheint jeden
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V
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
von
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
| PREIS:
fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.l5Sgr. per Quartal. ;
INHALT: Kometen. — Ein Sommerausflug des CÖlner Männergesangvereins. — Das 16. Sängerfest zu Chicago. — Nachrichten.
Kometen.
Von W. Lackowiti.
„Der Stern ist knisternd zerstoben,
Verklungen das Scbwauenlied."
H. Heine.
I.
Der Künstler " lebt in erster Linie für den Ruhm. Die Jagd
nach Ruhm und Ehre füllt einen Theil seines Sinnens und Denkens,
einen Theil seines Lebens aus, und es kann nicht wohl anders
sein. Der Lorbeer ist von Alters her das Ziel gewesen, das zu er-
reichen die Künstler wetteiferten, und wenn auch heut zu Tage
kein Dichter, kein Künstlerhaupt mehr in öffentlicher Volks* oder
Rathsversammlung mit dem Lorbeer gekrönt wird, so ist an diese
Stelle eben nur ein anderer Begriff getreten; das Streben, das Rin-
gen geht nach wie vor nach demselben Ziele, ist im Wesentlichen
dasselbe geblieben.
Indessen ist es nicht nur der ephemere Eintagsrubm, nicht der
Beifallsjubel der versammelten gegenwärtigen Menge allein, welcher
den Künstler anspornt zu immer neuen Leistungen, zu stetig erhöh-
ten Kraftanstrengungen bei seinen Productionen. Die Frage: Was
sagt die Welt dazu ? stritt ihre Bedeutung zur Hälfte ab an jene :
Was wird die Nachwelt dazu sagen? Ja, Anerkennung der Mit-
welt — Anerkennung der Nachwelt, das ist es, wonach der Künst-
ler strebt: breit sind die Hebel, welche sein Leben beherrschen,
gewissermassen dirigiren.
Mancher begnügt sich mit dem Einen. Mit dem Nachruhm
ist es ein eigen Ding und die Anerkennung der Mitwelt ist daher
sein einzig Ziel. Seine Ruhmbegierde findet volle Befriedigung,
sein — Geldbeutel kommt dabei auch zu seiner Rechnung ; was
will er mehr. Ihn kümmert nicht, was nach uns kommt, das be-
rüchtigte apres nous le deluge der Frau von Pompadour ist ihm
aus der Seele gesprochen. — Ein Anderer möchte es ihm wohl gern
nachthun, aber es fehlt ihm Dieses und Jenes dazu, er selbst weiss
nicht was, und ein Dritter kann es ihm auch nicht sageu. Kurz,
es gelingt ihm nicht, sich Bahn zu brechen. Da findet er in dem
Gedanken : Die Nachwelt wird anders urtheilen ! Beruhigung, der
Gedanke hält ihn aufrecht trotz des ungünstigen Schicksals und
gibt ihm die Kraft, rüstig weiter zu arbeiten. Wohl ihm, dass
ihm das Seherauge fehlt, er würde sonst vielleicht dennoch trostlos
die Hand sinken lassen.
Weder mit dem Einen noch mit dem Andern ist zu rechten;
Jeder mag sein Thun und Treiben vor sich, seinen Mit- und Nach-
menschen verantworten.
Glücklich aber, und im wahren Sinne ein echter Künstler ist
der, welcher schafft aus iunerem Drange, ohne zu fragen, was die
Mit- oder Nachwelt zu seinen Leistungen sagen wird. Leitet ihn
der hohe Genius der Kunst, so fiudet sich ja eben alles Uebrige
von selbst Freilich kann der Fall eintreten, dass die Mitwelt
wenig Notiz von ihm nimmt, dass Kleinlichkeit oder Eigennutz
«einer Nebenmenschen ihn um Anerkennung, Ruhm und Geld bringen.
Ob aber auf die Dauer? Diese Frage muss wohl entschieden ver-
neint werden. Mag er lange kämpfen müssen, mag er vielleicht
Zeit seines Lebens mit Anfechtungen allerlei Art, selbst mit Mangel
und Noth zu kämpfen haben, der Nachruhm wenigstens ist ihm
sicher. Allerdings ist das für den Künstler selbst ein leidiger Trost,
aber es i s t ein Trost, der ihn über die Erdensorgen hinweg zu
heben vermag,
Am besten ist in dieser Beziehung der bildende Künstler daran.
Der Bildbauer und der Maler arbeitet zum Theil schon in unver-
gänglichem Material, braucht die Ausführung seines Kunstwerke«
nicht erst Fremden zu überlassen, sondern verwirklicht sein Ideal
mit eigenen Händen. Nach Jahrtausenden noch steht die Mensch-
heit staunend vor seinem Kunstwerke, das selbst als Bruchstück, als
verstümmelter Torso noch im Stande ist, die hohe Meisterschaft
seines Urhebers zu bekundeu.
Ihnen gegenüber ist der Musiker in jeder Beziehung im Nach-
theile. Der Componist ist bei aller Grosse auf Fremde angewiesen
seine Werke zur Aufführung- zu bringen ; in ihre Hand ist es gelegt)
ihn zn heben, ihn zu stürzen. Auch seiue gelungenste Composition
verfehlt bei schlechter Ausführung ihre Wirkung und geht spurlos
an den Ohren der Hörer vorüber. Bei guter Ausführung aber ist
sein Weg zur Unsterblichkeit eben so gesichert, wie der des Bild-
hauers und Malers.
Nur der Virtuos, der zugleich Componist für sein Instrument
ist, bringt sein Ideal selbst zur Darstellung, und oftmals ist ein
anderer Virtuos, selbst bei anerkannter Meisterschaft, nicht im Stande,
die geistige Eigenthümlichkeit jenes Werkes so wiederzugeben, wie
jener es verlangte und eigenhändig vermochte. Wie oft hört man
nicht die Bemerkung: Ja, das muss man von ihm selbst spielen
gehört haben, um es ganz würdigen zu können. Aber — — —
wenn er zurückgetreten ist von seiner öffentlichen Wirksamkeit,
oder wenn der Tod ihn aus der Reihe der Lebenden gestrichen,
dann lebt er wohl noch in der Erinnerung bei denen, die ihn ge-
hört haben. Andere kennen ihn nur noch von Hörensagen, denn
was er gewesen, was er geleistet, wie er die Hörer entzückt, be-
geistert, hingerissen hat, darüber fehlt ihnen jeder Maassstab. —
Der Virtnos also ist einzig uud allein auf die Mitwelt angewiesen;
er hat keiue Rechte an die Nachwelt und sie nicht an ihn. Er
muss also darnachstreben, die Anerkennung zu erreichen, so lange
er lebt; gelingt ihm das nicht, so ist sein Leben verfehlt, all* seine
Mühen und Anstrengungen sind verloren.
Das aber ist die Stellung der nur ausübenden Künstler über-
haupt. Es sind Kometen, die da aufgehen in glänzender Pracht,
einen feurigen, strahlenden Schweif hinter sich herziehen, verschwin-
den, um vielleicht nach einem Jahrhundert erst wiederzukehren.
Der Sänger, der Schauspieler befinden sich mit dem Virtuosen in
derselbeu Lage. Hart und mitleidslos klingend, aber treffend uud
wahr ist des Dichters Wort : „Die Nachwelt flicht dem Mimen keine
Kränze." Wer kennt einen Devrient, Talma, Caffarelli, Broschi, Se-
nesino, eine Catalani, Pasta, Malibran etc.? Dem Namen nach viel-
leicht noch Mancher, aber Abtreten vom Schauplatze, der die Welt
- 118 —
bedeutet , ist für sie fast gleichbedeutend mit Vergessensein. Und
doch bat ihr Rahm einmal die Welt durchflogen, Millionen jauchzten
ihnen zu und wurden hingerissen von ihren Leistungen, dass es der
Nrtchwelt, die davon hört, fast als Uebertreibuug erscheint. Ver-
sunken und vergessen! Es ist ein traurig Loos, das sie dazu be-
stimmen muss, die Gegenwart auszukaufen bis zur Neige. — Glück-
lich derjenige von ihnen, den der Tod dahin rafft inmitten seiner
glänzenden Wirksamkeit, ein leuchtend Meteor, dessen Glanz eben
so plötzlich erloschen, wie aufgegangen. Bedauernswerth derjenige,
welcher zurücktreten muss, wenn er vielleicht noch in rüstiger Kraft
Jahre seines Lebens vor sich hat; er überlebt sich selbst, er wird
lebend zu den Todten gezählt, — ein Licht, das die Finsterniss
erhellte und langsam, allmälig, unmerklich erlosch.
Es ist aber ein grosses Unrecht, diese nur ausübenden Künst-
ler, die nicht dauernde, zur Bewunderung auf die Nachwelt kom-
mende Kunstwerke schaffen, zu vergessen. Sie tragen unstreitig
zur Entwickelung der Kunst das Ihrige redlich bei. Was sollte
aus der Musik, was aus der dramatischen Dichtkunst werden, wenn
sie nicht wären, die Tonschöpfungen dem Ohre mitzutheilen, den
dramatischen Gestalten Leben und Bewegung zu geben? Und wo
eine vorzügliche Capelle , wo ein ausgezeichnetes Opernpersonal
thätig ist, da ist musikalisches Leben, da kommen die Meisterwerke
der verschiedensten Nationen zur Geltung. Der schaffende Künstler
aber wird dadurch mitten in die Welt hinein versetzt, in welcher
einzig und allein 0er Lebensodem für ihn weht. Was als Knospe
in seiner Brust schlummerte, wirft die Schuppen ab, die Blüthen
brechen auf und entfalten sich mit ihrem Glänze, ihrem Dufte.
Lange in ihm schlummernde Ideen gewinnen Farbe und Gestalt,
neue tauchen auf, sein schaffender Geist saugt aus dieser Atmosphäre
fortdauernd neue Nahrung. Wo aber diese Verhältnisse fehlen, da
fehlt der befruchtende Hauch, der es den Knospen möglich macht,
sich zu duftenden Blüthen zu entfalten. Desshalb Ehre, dem Ehre
gebührt; Recht, dem das Recht gebührt! Die ausübenden Künstler,
Bänger und Sängerinnen, haben auch ein Recht darauf, genannt zu
werden, wo man von den Besten des musikalischen Volkes spricht.
Dieses Recht hat ihnen nun wohl nie Jemand bestritten ; so lange
sie lebten, füllten ihre Namen regelmässig die Spalten der Kunst-
und Tagesliteratur, aber — was dann? Wie in den Wassern eines
Giessbaches eine Welle die andere drängt, stets dieselbe und doch
stets eine andere, so füllen auch heut noch ihre Namen jene Spalten
aus, es sind dieselben Stellen, dieselben Productionen, und doch
stets andere, weil stets andere Personen. Die Welle, die vorüber-
gehuscht, ist dahin, — von den Zerstörungen, die sie angerichtet,
von dem Segen, den sie gespendet, spricht man wohl noch eine
Zeit lang, — und dann? — — versunken und vergessen! Der
Sänger, dessen Gesang die ganze Welt entzückte, ist verstummt, —
man klagt wohl noch eine Zeit lang um den erloschenen glänzenden
Kometen, — und dann? — — versunken und vergessen!
Sei es uns daher vergönut, im Folgenden eiuigen dieser nur
ausübenden Künstler ihr Recht werden zu Iass«n, und zwar als
galanter Autor zunächst einigeu Künstlerinnen, deneu Tausende und
aber Tausende geuussreiche Abende verdankten, die nur von We-
nigen noch genanut werden, der Mehrzahl nicht einmal dem Namen
nach mehr bekannt sind.
Kin Sommerausfliig des C'tflner jHänner-
gesangvei eins.
(Fortsetzung und Schluss.)
Nach einer herzgewinnenden Ansprache und Begrüssuag des
Vereins von einem Coinitä-Mitgliede, worauf das Vereinsmitglied
Dr. J. Fischer mit einem Hoch auf die Stadt Darmstadt erwiederte
nahmen die freundlichen Quartiergeber die ihnen zugewiesenen Sän-
ger in Empfang und geleiteten dieselben in ihre Familienkreise, um
sie dort iu herzlichster Weise zu bewtrthen. Um 5 Uhr Nachmit*
tags fand das für Abb6 Voglers Denkmal in dem Orangeriegebäude
des Grossherzoglichen Herren - Garteus zu Bessungen veranstaltete
Concert statt. Von 3 Uhr ab schon strömte processiousweise das
"Publikum in den elegantesten Toiletten hinaus. Das Concertlokal,
in welchem der reservirte Platz mit 2 Gulden bezahlt wurde, war
. nicht alleiu bis auf das letzte Stehplätzchen gefüllt, sondern es
lauschten noch viele Hunderte Zuhörer im Garten selbst, wo sie
sich auf der Terrasse unmittelbar vor dem Concertsaale niederge-
lassen hatten.
Zum Vortrage kamen: I. Abtheilung: 1. „Am Neckar, am
Rhein!" Chor von K ücken. 2. „Abendständchen," Chor von Men-
delssohn. 8. „Hüte dich!" Chor von Girschner. 4. Septett
in D-moll (Op. 74) von J. N. Hummel, a. Allegro % b. Scherzo,
vorgetragen von Frl. Wilhelmiue Döring, Grossh. Hofpianistin
und den HH. Hofmusikern Niederhof, Ohls, Harbordt, Gött-
mann, Meister, und dem Violoncellisten Hrn. Th. Sieden-
topf aus Frankfurt. 5. „Lenzfragen," Chor von Fr. L a c h n e r.
6. „Liebesklage,' 1 Tenorsolo mit Brummchor von Neidhardt.
7. „Novemberwetter," Quartett mit Chor von C. A. Mangold.
8. „Die jungen Musikanten/' Quartett uud Chor von Kücken.
9. „Abendlied," Chor mit Horuquartett vou C. A. Mangold.
10. „Schön Rothraur," Chor von W. G. Veit. 11. Septett von
Hummel. Finale. 12. „Loibeer und Rose/' Duett für 2 Tenore
und Brummchor von Ed. Grell. 13. Zwei Volkslieder, für Man»
nerchor eingerichtet vou C. J. Brambach. 14. „Zum Walde/*
Chor mit Hornbegleitung von J. H e r b e c k.
Der Verein sang seine Lieder mit bekannter Frische und Meis-
terschaft, obgleich dem geübteren Ohr bei einzelnen Stellen wohl
merkbar blieb, dass die Stimmen nach dem Coblenzer Concert, der
dortigen RSunion, der Reise und dem Genüsse eines vorzüglichen
Mittagsmahles, etwas angegriffen waren. Das Ensemble war nichts-
destoweniger voll und rund, und bekundete den hohen Grad der
Künstlerschaft mit welcher der Verein bei den Vorträgen seiner
Lieder sich stets auszuzeichnen pflegt. In das Programm waren
2 Chöre eingefügt, welche der Verein hier zum ersten Male zur
Aufführung brachte. Es waren dies die beiden Chöre, „November-
Wetter" und „Abendlied" von dem Ehrenmitgliede des Vereins, Hrn.
Hof-Capellmeister Mangold in Darmstadt. Mögen dieselben von
dem Vereine mit Berücksichtigung der Verhältnisse, zur Freude und
gleichsam als eine Concession für den Componisteu gewählt worden
sein, so viel steht aber fest, dass beide Quartette (letzteres mit
4stimmiger Hörn - Begleitung) zu den besten und schönsten des
trefflieben Tonmeisters zu zählen sind, der dieselben als Dank für
die ihm gewordene Auszeichnung der Ehrenmitgliedschaft des Ver-
eines geschrieben hat. Dieselben wurden, wie jede Nummer des
Programmes mit eiuem fast nicht enden wollenden Bei falle aufge-
nommen, und fand derselbe seineu Nachhall in dem bedeutenden
Applaus, welcher von dem Auditorium im Garten wieder iu den
Concert-Saal zurück tönte. Die Tenoristen Herr J. Wulff und
Carl Hartmann, das Vocal- Solo-Quartett und die Instrumental-
Solisten wurden mit jubelndem Applaus gleichsam überschüttet und
musste der Verein auf den besonderen Wunsch Sr. Königl. Hoheit
des Grossherzogs und der gesamraten Zuhörerschaft., dem Programme
noch das Silc herrsche Volkslied „Die drei Röslein u zugeben. Sr.
Königl. Hoheit der Grossiieizog mit hohem Gefolge beehrte das
Couceit von Anfang bis zum Schlüsse mit seiner Anwesenheit und
liess sich nach der ersten Abtheilung den köuigl. Musikdirecror
Hrn. Franz Weber wie auch da* Fest-Coraite* vorstellen. Der Gross-
herzog nahm den Dank des Vereins huldvoll entgegen für das kost-
bare Ehrengeschenk, welches er dem Verein bei Gelegenheit seiner
25jährigen Jubelfeier durch Ueberreichung der goldenen Denkmünze
für Kunst und Wissenschaft verliehen hatte. Der äusserst leutselige
Fürst unterhielt sich längere Zeit mit der Deputation und sprach
wiederholt Herrn Weber seitie ganze Zufriedenheit über die kunst-
vollen Leistungen des Vereins und insbesondere auch über die schöne
Tendenz desselben aus, welchem Darmstadt heute wieder das schöne
Coucert uud das Cotnite einen bedeutenden Zuschuss zu dem Zwecke
des Vogler- Denkmals zu danken habe. m
Am Abende waren die Sänger von dem Feat-Comite' und den
freundlichen Quartiergebern zu eiuem Souper in dem Saale des Gast-
hofes „zur Traube 4 geladen, wo dieselben vou einem reichen Kranze
von Damen in den feinsten Toiletteu begrfisst wurden. Der Saal
war mit etwa 300 Personen gefüllt uud es herrschte alsbald die
heiterste und animirteste Stimmung. Der Vorsitzende Herr Professor
F e I s i n g brachte den ersten Toast auf Sr. Königl. Hoheit d«n Gross-
herzog, an welchen sich der Toast des 81jährigeu Professors Herrn
Baur, des Zeitgenossen und intimsten Freundes des Abbe" Vogler,
auf den „Cölner Männer-Gesangverein 4 iu gebundener Rede an-
- 119 -
«chloss. Nach einem von dem Vice- Präsidenten des Vereines Hrn.
C. Krabe gedichteten allgemeinen Tafelliede, dankte Hr. Advocat-
Anwalt Dr. Fischer mit einem Toaste auf Darmstadt und seine
lieben Bewohner. Herr Hofrath Dr. Künzel sprach in längerer
"Kede Aber das Verdienst Abbe Voglers, als Künstler und Gelehrter
»und die von demselben gegründete Musikschule in Darmstadt, wo-
raus die trefflichen Schüler und nachmaligen Sterne erster Grösse,
-die Componisten C. M. von Weber und G. Meyerbeer hervor-
gegangen seien. Eine ganz besondere Wirkung auf die Lachmus-
kel q Übte der wirklich ausgezeichnete humoristische Toast des Hrn.
'Ziegler aus Cöln auf die Hofpianistin Fräulein Wilhelmine Dö-
ring und die Solisten. Die folgenden Redner hatten in so weit
■einen härtereu Standpunkt, als die bereits eingetretene Heiterkeit
ihnen die nöthige Ruhe zur Abhaltung ihrer Toaste nicht mehr
-gönnte, um so mehr war es am Platze als Herr A. Peltzer aus
"Cöln auftrat und in einem dreifachen Toaste auf Darrnstadt, die
anwesenden Damen und Gäste und schliesslich auf Hrn. Mangold
-unter dem Titel „Der Goldmann," unter donnerndem Jubel in einem
Liede für Bass singend ausbrachte. Die Gesellschaft verlangte
-stürmisch ein nochmaliges Auftreten des Vereins, was derselbe so-
fort in Vollzug setzte und das Otto'sche Lied „Nettes Diamdel"
■unter dem grÖssten Jubel zum Besten gab. Die Stimmung war in-
•dess eine so belebt^ heitere geworden, dass an eine Leitung und
Ordnung der Vorträge nicht mehr gedacht werden konnte. Es folg-
ten noch Reden, Lieder und komische Scenen von denen hier nur
■noch das Quartett „Die Weinprobe" von A. Garth genannt zu
^werden braucht.
Gegen 2 Uhr Nachts lichteten sich allmählig die bunten Reihen
indem den Anwesenden die Vorsicht eingeschärft wurde, sich früh
Morgens am Bahnhofe rechtzeitig wieder einzufinden. Am 29. Juni
"Morgens 7 Uhr brachte ein besonders eingelegter Extra-Zug die
Sänger, denen sich ein grosser Zug von Damen und Herren von
Darrnstadt und der Umgegend angeschlossen hatte, nach der Station
Auerbach an der Bergstrasse. Nach einer halbstündigen Wander-
schaft durch das schattenreiche und prächtige „Fürstenlager - stieg
<die ganze Gesellschaft unter Scherz und Heiterkeit auf dunkeln
Waldpfaden hinauf zum Auerbacher Schloss, wo zur Erquickung der
müden Wanderer alle mögliche Vorsorge getroffen war. Alsbald
freisten die Becher und es entwickelte sich sofort unter Böller-
schüssen, Höruerkiang und Hurraruf ein Stock des wundervollsten,
idyllischen Waldlebens im Angesichte des majestätischen Melibocus,
"von dem nur derjenige einen annähernden Begriff haben kann, der
bereits ähnliche Waldpartieen mitgemacht hat. Etwa 2000 Personen
foelebteu die reizende Bergeshöhe und sorgten unaufhörlich durch
Reden, Liedervorträge, komische Scenen, muntere Spiele bei Becher*
klang und allgemeinen Liedersang aufs trefflichste für die Unter-
haltung, wobei sich wiederum die urgemüthlichen, drastischen Reden
des Herrn Ziegler auszeichneten. Die köstlichen Stunden verrannen
«o rasch, der Abschied nahte, und ungern trennte sich die Gesell-
schaft von diesem reizendsten Punkte der Bergstrasse. Unter dem
Klange „Lebe wohl du deutscher Wald 4 * von Mendelssohn, be-
wegte sich der Zug auf anderen Wegen wieder nach Auerbach hi-
nab, uud in den schönen Räumen des Gasthofes „zur Krone" er-
wartete ein splendides Mittagsessen die Sänger und Festgenossen.
Hier wurde noch manches herzige Wort des Dankes und der Aner-
kennung gewechselt, uud nachdem sich ein Theil der Sänger von
'hier aus zur Rückreise fertig machte, nahmen die Festordner dem Ge-
4tmmtvereine noch das Versprechen ab, bei der späteren Enthüllung
'des Monumentes nicht fehlen zu wollet]. Der bei weitem grösste Theil
der Sänger verweilte bis spät Abends mit den Comite-Mitgliedern in
Auerbach und machte mit dem Spät- oder Frühzuge von hier
; aus die interessantesten Streifpartieen nach den schönsten Punkten
*Ier Bergstrasse, nach dem Odenwalde, uach Heidelberg, Mannheim
und Worms. Erst Mittwoch den 1. Juli brachte der letzte Abend-
aug die munteren Sänger alle wieder wohlbehalten in ihr Stand-
quartier Cöln zurück.
• Alle Theilnehmer sind mit schwärmerischer Begeisterung erfüllt
"*iber die herrliche, von keinem Missklang getrübte, von dem schön-
sten Wetter begünstigte Sängerfahrt und bewahren in ihrem Gemüthe
ein daukbares Andenken für die Fülle des ihnen gebotenen Ge-
nusses, sowie für die Liebenswürdigkeit und echt deutsche Gast-
lichkeit der Bewohner Darmstadts.
Das 10. Sfittgerfest zu Chicago.
Die deutschen Sängerfeste in Amerika sind ein Product untrer
deutschen Revolution von 1848. Vom Jahr 1830 bis 1848 hatte
das deutsche Volk von der Freiheit gesungen, bis es im Jahr 184&
das Schwert für dieses edelste aller Güter ergriff. Im Jahre 1848
und 1849 vertobte sich die ersungene Begeistrung. Bei uns lebte
das Sängerthum nur noch äusserlich fort; eine zündende, entflam-
mende Kraft hatte es uicht mehr. Das Verlangen nach Erkennt-
niss war an die Stelle der Begeisterung getreten. In Amerika
aber lebte das Sängerthum in alter Kraft fort. Dorthin waren ge-
wandert, die die höchste Begeistrung, gehegt, die ohne Befriedigung
dieses Freiheitsdrangs bei uns nicht leben mochten. Mit der alten
Glut, mit der sie hier gesungen und gestritten, sangen und kämpf-
ten sie dort weiter. Aus diesem Ringen entsprang der grosse Sänger-
bund, der sich über den Osten und die Mittel-Staaten von Nord-
Amerika ausbreitete.
Der Bund besteht jetzt aus 61 Vereinen, die über folgende
Staaten ausgebreitet sind: 4 in New-York, 2 in Penn si Iva-
nien, 18 in Ohio, 4 in Kentucky, 13 in Indiana, 2 in Mi-
chigan, 14 in Illinois, 1 inMissouri, 2 inJowa. Alljähr-
lich wird ein Sängerfest veranstaltet; das vorige war iu Indi-
anapolis (Indiana), das heurige sechszshnte ist in Chicago;
das nächste soll im Jahr 1870 in Cinncinati stattfinden. Für
dieses Fest ist auch die Gründung eines allgemeinen ameri-
kanischen Sängerbundes in Aussicht genommen; bei dem
Fest in Chicago wurde bereits ein Ausschuss zum Eutwurf des
Planes ernannt.
Bedenken wir, was das heissr, einen Sänger-Bund über die gan-
zen vereinigten Staaten von Amerika, so erkennen wir die Grösse
der amerikanischen Anschauung. Der bisherige Sängerbund er-
streckte sich schon über ein Gebiet mehr als doppelt so gross wie
ganz Deutschland. Bei uns in Deutschland bedurfte es 20 Jahre
(bis zum Jahre 1862) bis ein deutscher Sängerbund gegründet
wurde, und die amerikanischen Deutscheu machen bereits den An-
fang zu einem germanischen Netz über die ganze Erdkugel. Bei
unserm deutschen Schützenfest wurden noch die deutschen Schweizer
vom Wettkampf ausgeschlossen und die Amerikaner rechnen bereits
nicht blos Schweizer und Niederländer, sondern die Norweger und
Schweden zu den Deutschen und unterstützen in der deutschen Presse
die Gründung von schwedischen Zeitschriften.
Diese Grösse der Anschauung, verbunden mit einer grossartigen
That war es, die den Amerikanern so gewaltig imponirte, dass sie
die Sängerfeste mit wahrhafter Ehrerbietung anstaunen. Anfangs
wurden sie vielfach angefeindet; kein Fest verlief ohne Reibereien
und Raufereien; selbst die Schiller-Feier hatte den Amerikanern
noch nicht die gebührende Hochachtung zu entlocken vermocht.
Erst als die Deutschen in dem grossen Bürgerkrieg für ihr zweites
Vaterland den Sieg erringen halfen, dann wurden sie von Staunen
erfüllt über die Kraft uud Hoheit die in diesen Stimmen liegt. Die
deutsche Musik hatte es im fernen Westen in Chicago dahin ge-
bracht, dass lüderüche Kunstproducte, vor einigen Jahren von Paris
importirt, von der Polizei verboten wurden. Seit den letzten grossen
Sänger-Festen sind die Faust- und Boxerkämpfe, die noch von der
englischen Heimath stammten, so in Miss-Credit gekommen, dass
die Amerikaner sich schämten, während die Deutschen in edler
Weise sich vergnügten, in thierischen Kämpfereien ihr Amüsement
zu suchen. Jetzt bei dem Sängerfest in Chicago sprachen es die
englischen Zeitungen unverhohlen aus, dass sie bisher in thörichtetn
Wahn befangen waren, als sie die deutschen Feste befeindeten.
Nicht blos erkennen sie („Republicaa* in Chicago) „die Lehre
der Verbrüderung" an, die ihnen jetzt von ihren „deutschen
Freunden" geboten wurde, sondern auch die practische Lebens-
weisheit, die aus diesen Festen herausschaut. »Wir Amerikaner*
sagt die Chicago Tribüne, „vernachlässigen die Pflicht der Er-
holung. Wenn wir je einen Augeublick inne halten in unserer
gierigen Hast nach Erwerb, um uns zu vergnügen, so ist unser
Vergnügen von der unbehülflichsten Art; es ist eine Art Frohn-
Arbeit. Das Dankfest, Weihnachten, Neujahr und der vierte Juli,
die vier einzigen Tage im Jahr, wo wir uus des Arbeite ns zn ent-
halten und auf höchst trübselige Weise zu ergötzen suchen, sind
- 120 —
den Meisten *M>n uns vollauf so «ermüdend, wie tin Tafwerk am
Schreibtisch oder an der Hobelbank. Von den Deutschen müssen
wir das Geheim niss des Vergnügens lernen. Sie müssen
OD8 lehren wie man Jörgen und Mühsal des Lebens von sich wirft
und, mit Innerlichstem Behagen und Empfänglichkeit für den Genuas,
an unschuldigen Ergötzungen Theil nimmt, um an Leib und Seele
erfrischt und gestärkt zu seiner Pflicht zurückzukehren."
Fast noch mehr wie diese Platonische Welt-Weisheit staunen
sie die germanische Urkraft an, die aus der Fähigkeit des Ge-
biessens herausschaut. Mit einem wahren Grauen schildert ein eng-
lisches Blatt die robuste Constitution der Deuts chen
die von Morgens früh bis Abends spät auf den Beinen sind, um
Excureionen und Festlichkeiten aller Art auszuführen, Nächte über
Nächte bei fröhlichen Gelagen zubringen, dann Morgens wieder zur
festgesetzten Stunde mit dem Glockenschlag in ihren musikalischen
Proben erscheinen, mehrere Stunden bei drückender Hitze alle Stra-
patzen derselben aushalten und mit derselben Pünktlichkeit und
Verlässigkeit des Abends bei den Aufführungen zur Hand sind.
„Das bringen nur Deutsche mit ihrer unverwüstlichen jovialen
Natnr, ihrer eisernen Ausdauer fertig. Wir Amerikaner wür-
den, ehe wir halb damit durch wären, den Athem verlieren und
wie ein Taschenmesser zusammenklappen.
(Fortsetzung folgt.)
> O M»
Nachrichten.
Ems, 22. Juli. Gegen Erwarten hat die Administration des
Cursaales auch für die gegenwärtige Saison eine französische Thea-
tergesellschaft engagirt. Eine Anzahl Vorstellungen sind bereits
gegeben worden. Der seitherige Musikdirector, Herr Buziau,
leitet wieder das Orchester. — Als Concertisteu traten bis jetzt im
Cursaale auf: die Sängerinnen Frl. Brunetti und Mad. Mio 1 an
Carvalho; die Pianisten Hr. und Frl. Wülfiugboff, Herr
Sauret fein Schüler des jungen de Beriot), Hr. und Mad. Jaell;
die Violinisten S a u r e t (Bruder des Pianisten) und W i 1 h e 1 mj;
der Cellist Nathan und der Contrabassist Bottesini. Zur Un-
terhaltung des äusserst zahlreichen und glänzenden Curpublikums
— auch Se. Maj. der König verweilt wieder in unserer Mitte —
stehen sicherlich noch bedeutende Kunstgenüsse in naher Aussicht.
Leipzig. Einer der bedeutendsten Vereine unserer Stadt, der
„Universitätsgesangverein der Pauliuer" bat am 1. Juli das 46jährige
Jubiläum seines Bestehens und zugleich das 25jährige Jubiläum
seines verdienstvollen Dirigenten , Hrn. Dr. Hermann Langer
gefeiert. Am Vorabende brachten die den Verein bildenden Studi-
renden nebst vielen älteren Verehrern des Jubilars demselben ein
solennes Fackelständchen, bei welchem die jungen Sänger nach
einem feurigen, unter dem Zusammenklirren der Schläger ausge-
brachten Lebehoch das Lied: „In allen guten Stunden von Petschke
sangen, worauf der Gefeierte vom Fenster aus in einer herzlichen,
gemüthvollen Ansprache dankte und nach Absingung des Liedes :
„Noch ist die blühende, goldene Zeit" den „Paulus" hochlebeu liess.
Am andern Morgeu wurde dem Jubilar durch eine Deputation der
„Pauliner* einsehr schöner Blütbner'scher Flügel als Ehrengeschenk
überreicht. Von den Leipziger Gesangvereinen , von der Universi-
tät und von weit und breit wurde der geehrte Doctor mündlich,
brieflich und telegrapbisch beglückwünscht. Eine vormittägige
Frühkneipe im Garten des Schützenhauses und ein abendlicher
grosser Commers auf der „Insel Helgoland" iu Plagwitz bildeten
die Fortsetzung und den Schluss der durch zahlreiche Lieder und
Beden sowie durch die ungetrübteste Heiterkeit aller Theilnehmer
belebten Festlichkeiten.
Paris. Den diesjährigen Römerpreis haben zwei Schüler des
A. Thomas, Namens Rabuteau und Winzweiler erhalten.
— Der n Me'n4strel* bringt einen ausführlichen Bericht über
die „Meistersinger" aus der Feder von L£on Leroy, der als Mit-
arbeiter für das genannte Blatt an die Stelle des verstorbenen Gas-
p e r i n i . getreten ist.
— Das Debüt der Sängerin Mite. Julia Hisson im „Tro-
feadour" hat am 15. Juli in der grossen Oper stattgefunden, und
»war von einem recht glücklichen Erfolge begleitet. Die jugend-
liche Künstlerin, eine Schülerin des Hrn. Wartel, besitzt eine-
sehr schöne Stimme und einen recht anerkennenswerthen Grad von
künstlerischer Ausbildung als Sängerin wie als Darstellerin, so dass-
sich an ihre Zukunft sehr schöne Hoffnungen knüpfen lassen. MUe.
Hisson ist in Folge dessen auch bereits auf vier Jahre für die grosse
Oper engagirt mit einer von 11,000 bis zu 30,000 Frcs. steigernden
Jahresgage.
*** EinSchubert-Gemacb. Die Wiener „Neue freie Presse*
schreibt: „Wer liebt Schubert und kennt nicht das Schubert-Zimmer bei
Nicolaus Dumba, einem der besten Schubert-Sänger Wiens und
einem Kunstfreunde ersten Ranges? Jeder Mensch hat seiuen Cul-
tus, und der Gegenstand seiner Verehrung steht mit seinem Bildungs-
grade immer auf gleicher Höhe. Man wage nur getrost den Schiusa
von eiuem heiligen Apis, einem heiligen Leonhard, Rafael oder Mo-
zart zurück auf Herz und Hirn des Verehrers ; man wird nicht fehl*
gehen. Es ist ein gutes Zeichen der Zeit, dass unsere reiche Bär-
gerclasse sich mit Vorliebe dem Kunstgenüsse zuwendet, sich mit
Schöpfungen der Kunst zu umgehen trachtet und die noblen Passi-
onen für Pferde Rouge et Noir oder Julien anderen Concurrenten,
überlässt. Todesco's Beispiel wirkt nachhaltig, auch nach oben
hin. Auch auf das Schubert-Zimmer hat es Eiufluss geübt. Der
Besitzer wollte sich nicht blos an den Wundergaben des einzigen»
Minne- und Meistersängers der Neuzeit musikalisch erfreuen, auch,
bildlich sollen die Lebensbilder aus der „Winterreise, - den „Müller-
liederu," dem „ Schwanengesang, u „Erlkönig," „Atlas," „Mignon" etc.
zu seinem Herzen sprechen. Im Auftrage des Hausherrn malte
Schi Ich er an die Decke ein grosses Rundbild, eine Art Kinder*
fries, in welchem die verschiedenartigen Richtungen der Schubert-
sehen Musik eymbolisirt werden. Vier grosse Medaillons in den
Ecken und vier kleinere in den Zwischenräumen versinulichen die
Hauptchuractere der Lieder. Ferner hat Dumba, welcher in der
letzten Zeit viele Bilder ankaufte, für die Aussenwäude seiner Bib-
liothekskästen, die sich im Arbeitszimmer befiuden, die sogenannten
Rafaerscheu malen lassen. Gustav Gaul hat sie vortrefflich auf
Goldgrund ausgeführt- Dasselbe Gemach wird auch die schöne-
Tiziau'sche Venus aufnehmen, welche Gaul gegenwärtig im Auf-
trage D u m b a's in Florenz copirt.
*** Der Violinvirtuose O 1 e Bull ist von seiner Reise nach*
Amerika zurückgekehrt und bereits in seiner Vaterstadt Bergen-
eingetroffen.
%* Der „Wiener Männergesangverein" wird im Einvernehmen
mit dem ,. Musikverein" das auf dem Währinger Friedhofe befind-
liche Grabmonument Fr. Schubert'* restaurireu lassen.
*** Sontheim, dessen zweites Gastspiel am Hofoperntheater
in Wien seinem ersten Auftreten daselbst an grossartigem Erfolge
nicht nachstand, soll nun in der Weise für die genannte Bühne ge-
wonnen sein, dass er in Zukunft 6 Monate in Wien und 6 Monate
in Stuttgart singen wird.
*** Frl. Anna ßeiss vom Hoftheater in Weimar wird näch-
stens am Wiener Operntheater gastiren.
*#* A. Rubinstein hat in London drei Concerte mit enor-
mem Erfolg gegebeu und auch in einem Concerte des Violoncellisten»
P i a 1 1 i mitgewirkt.
*** Auber's reizende Oper: „Der erste Glückstag' 1 ist bereits-
von vielen der bedeutenderen Bühnen Deutschlands zur baldigen.
Aufführung bestimmt worden.
*** In Dresden werden die Votbereitungen zur Aufführung
der „Meistersinger von Nürnberg" auf der k. Hofbühne mit grossem-
Eifer betrieben, Das Werk soll dort im nächsten Winter, selbst-
verständlich mit zweckmässigen Kürzungen , und mit folgender Be-
setzung in Scene gehen: Hans Sachs — Hr. De gel e, Beckmesser
— Hr. Eichberg-er, Pogner — Hr. Scaria, Kothner — Herr
Köhler, David — Hr. Rudolph, Eva — Frl. H ä n i s ch,.
Walther von StoUing — Hr. T i ch a ts ch e ck.
*** Der Violinist Leopold A u e r hat vor seiner Abreise von
London eine Stradivarius-Violiue aus der Sammlung des Herrn
P low den (datirt 1711) für den Preis von 300 Guineeu angekauft.
*** Das Concert des Cölner „Mänoergesangvereias" für das
Abbe Vogler-Denkmal in Darmstadt hat eine Einnahme von 1800 fl.
ergeben.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v, Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
m- an.
3. Angust 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
V © fi* II a g
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? 1
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
ftmtern, Musik- & Buchhand- B. SCHOT T'S SÖHNEN \ fl MAINZ.
lungen. j
? Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
| PREIS:
fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
i 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. :
i
INHALT: Kometen. — Das 16. Säogerfest zu Chicago. — Nachrichten.
Kometen.
Von W. Lackowiti.
II.
Gehen wir um circa fünfzig Jahre ia der Zeitrechnung zurück,
so finden wir an der Berliner Bühne ein Opernpersonal beisam-
men, wie es seit der Zeit nicht wieder dagewesen ist, ein Opern-
personal, dessen Wirksamkeit ohne Frage als eine der glänzendsten
Perioden der Berliner Oper angesehen werden mnss. Es ist ja nicht
das Auftreten irgend einer Gesangsgrösse von europäischer Berühmt-
heit, welches die Leistungen einer Bühne auf den Gipfelpunkt zu
erheben vermöchte, denn man wird dann in den meisten Fällen
immer nur den Künstler an sich bewundern, und über ihm das
Kunstwerk selbst hintenan setzen, ja man wird selbst dann noch
zur Bewunderung hingerissen werden, wenn er in Kunstwerken zwei-
ten oder noch niederem Grades auftritt. Wie wäre es auch möglich,
dass eine Oper von anerkannt erstem Bange zur vollen Wirkung
kommen könnte, wenn nur eine Hauptpartie vortrefflich besetzt,
die andern dagegen höchst stiefmütterlich bedacht wären ? Wie soll
ein solches Kunstwerk zur Geltung kommen, seine vom Componisten
beabsichtigte Wirkung auf die Zuhörer ausüben können, wenn z. B.
irgend eine berühmte italienische Sängerin ihre Hauptrolle in italie-
nischer Sprache singt und die übrigen Darsteller und Chöre daneben
in deutscher Sprache agiren, wie wir diesen Unfug leider so manch-
mal Gelegenheit gehabt haben mit durchzumachen? Nein, nur das
Zusammenwirken von einer namhaften Zahl künstlerischer Notabili-
täten ersten Banges ist im Stande, eine Bühne auf die Höhe künst-
lerischer Entwickelung zu erheben, nur durch Besetzung der Bollen
mit einander ebenbürtigen Künstlern vermag ein Kunstwerk zur
vollen Wirkung zu kommen, und nur dann ist ein solches Institut
in der Lage, auf das gesammte musikalische Leben einen maass-
gebenden und nachhaltigen Einfluss auszuüben. Und ein solches
Zusammenwirken fand in der angegebenen Zeit an der Berliner
Bühne statt, sie besass damals eine ganze Anzahl von Mitgliedern
deren Namen weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes
hinaus einen gar hellen Klang hatten. Wir nennen F i s ch e r,
den berühmten Bassrivalen der Castrateu Coucialini und Tombolina,
Blume, Wauer, die Tenore Stümer und Bader, die Sängerinnen
Milder, Schulz, Seidler, Eunike, alles Gesangsgrössen ersten
Banges. Wer kennt sie noch? Wer nennt auch nur noch ihre
Kamen? Kaum dass ältere Leute sich ihrer noch aus ihrer späteren
Wirksamkeit erinnern,, wo schon jenes wundervolle Ensemble zum
Theil gesprengt war. Die genannten Sängerinnen aber sind es,
denen wir hier vorzugsweise unsere Aufmerksamkeil zuwenden wollen.
Es trafen aber auch noch manichfache andere Umstände zusam-
men, welche dieses Zusammenwirken ermöglichten und begünstigten.
Wir haben ja in jüngster Zeit erst Gelegenheit gehabt, zu erfahren,
was für ein Unheil der Krieg, was für ein Heil der Friede ist. Nun
denke mau zurück, welchen entsetzlichen Druck jene aus der fran-
zösischen Revolution hervorgegangenen furchtbaren Kämpfe mehr
«der weniger anf ganz Europa ausübten, wie dieselbe seit 1806
speciell auf Preussen lastete. Die Beendigung jenes unseligen Kam-
pfes brachte naturgemäss eine Zeit des Aufschwungs und der Neu-
blüthe für alle Gestaltungen und Segnungen des Friedens. Ein
Stern der Hoffnungen, der Freuden, des Glücks rauschte durch die
Gemüther, von dem nur derjenige eine richtige Vorstellung haben
kann, welcher jene Zeit selbst miterlebte. Das Gefühl der Rettung
und des sicheren Friedens durchzitterte alle Herzen mit nie gekannter
Seligkeit, die Brust hob sich in dem Bewusstsein. nun endlich unter
einem blauen, lächelnden Himmel zu wohnen, nachdem man neun
Jahre unter düsterem Gewölk und schweren Gewittern zugebracht.
Dieser Frühlingshimmel konnte nicht anders als im höchsten Ifaasse
segensreich auf Kunst und Künstler einwirken, jede Blüthe der
Kunst erhob in der durch die vorangegangenen donnernden Gewitter^
gereinigten Luft das Haupt frischer und üppiger, getränkt durch
den segenden Himmelsthau des Friedens und der Hoffnungen.
Dazu kam, dass im Jahre 1815 Aug. Wilh. Iffland, der
bisherige Leiter des Berliner Nationaltheaters, starb. So schwer
auch dieser Verlust die ganze dramatische Kunst traf, für die Ber-
liner Oper war sein Tod ein Vortheil. Bezeichnet der Amtsantritt
eines neuen Leiters zwar immer einen Umschwung, einen neuen
Abschnitt in der Entwickelung eines solchen Instituts, hier war es
nicht nur ein Wechsel der Personen, sondern eine gänzliche Um-
gestaltung der Verhältnisse. Iffland's Nachfolger, der Graf Carl
von Brühl, übernahm im Jahre 1815 die Leitung der königl«
Schauspiele als Generalintendant und das bisherige Nationaltheater
wurdet Hoftheater. Das hat ganz gewiss auch seine Nachtheile ge-
habt, vorläufig kamen dem Institut aber nur die Vortheile dieser
Umwandlung zu gut, Unter welchen die reichen Zuschüsse, welche
der neue General-Intendant in Folge seiner Stellung zum Hofe und
zum Könige fordern konnte und musste, gewiss nicht in letzter
Reihe stehen. Graf Brühl, ein Mann von edelster Bildung und
feinstem Kunstgeschmack, in der Musik selbst practisch tüchtig (na-
mentlich soll er als Waldhornist uicht Unbedeutendes geleistet habe« • ),
ermöglichte das Engagement eines Bader, der Milder und Sei t-
ler neben den oben genannten schon vorhandenen Kräften, uu<t
stellte dadurch ein Personal her, wie es wohl selten erreicht worden
ist. Ausser den Meisterwerken Gluck's und Mozart's suchte er
die ausgezeichnetsten Werke der Neuzeit so bald als möglich dem
Berliner Publikum vorzuführen ; so erschienen unter seiner Verwal-
tung: „Fidelio," „Undine" von Hoffmann, Spontini's „Olympia* und
„Nurmahal," Weber'« „Freischütz" und „Enryanthe," Spohr's „Jes-
sonda," Cherubini's „Abenceragen," Rossini's „Tancred," „Othello"
und „Barbier," Onslow's „Hausirer," Auber's „Maurer" u. s. w.
Bis zum Jahre 1830 führte Graf Brühl die Leitung der Schauspiele,
(er trat in die Stellung eines GeneraUutendanten der königlichen
Museen), und diese 15 Jahre sind eine Zeit immerwährender musi-
kalischer Triumphe für Berlin gewesen, da in den Leistungen eher
eine sich fortdauernd steigende Zunahme als eine Abnahme zu be-
merken gewesen ist. Mit glänzender Schrift sind die Namen jener
Künstler und Künstlerinnen in dem Tempel der dramatischen Kunst
verewigt; es wird selten "eine Bühne namentlich eine solche Gruppe
- 122 —
von 8ängerinaeu beisammen haben, für die Berliner Oper stand das
musikalische Ensemble damals auf dem höchsten Gipfel, den sie bis
dato auch noch nicht wieder erreicht hat. Damals wäre auch au
den umfassendsten Werken der Neuseit niemals eine fremde Sängerin
zur Aushälfe nötbig gewesen, und die vorhandenen hatten beim
Publikum im Allgemeinen sowie in der Kunstwelt insbesondere
einen so hoben Werth, dass es auch schwer gewesen sein würde,
für sie einen willkommenen Ersatz zu bieten.
III.
lu diesem vierblättrigen Kleeblatte war Anna Milder jeden*
falls die eigenartigste. Ihr Vater, Felix Milder, war Conditor
bei dem österreichischen Internuntius Baron Herbert in Constaoti-
nopel, als ihm am 13. December 1785 diese Tochter — Anna Pau-
line — geboren wurde. 1790 siedelte er als Dolmetscher nach Bu-
charest aber, der nachfolgende Krieg zwischen Oesterreich und der
Türkei warf ihn aber mannichfach umher, und nach schauerlichen
Irrfahrten, in türkischen Verkleidungen, unter Zigeunerbanden etc.
kam die Familie endlich um 1795 nach Wien. Hier zum ersten
Male bekam das Kind wirkliche Musik zu hören, und der Eindruck
war ein sehr tiefer und nachhaltiger. Ihre Bitten, Musikunterricht
nehmen zu dürfen, wurden erfüllt, und wenn auch ihr erster Lehrer
nur ein einfacher Dorfschulmeister war, der ihr von vorn herein
gleich grossartige Bravourarien einstudirte, so hatte sie doch bald
Gelegenheit, die Aufmerksamkeit Sigismnnd Neukomm's auf sich
zu lenken und nun übernahm dieser ihre weitere Ausbildung. Zwei
Jahre lang musste sie fast unausgesetzt Uebungen und Scala singen,
und ihre Stimme entwickelte sich namentlich in der tiefen und
Mittel-Lage zu einer seltenen Fülle und Kraft, Schwer war es je-
doch, die Einwilligung der Eltern für die Bühnencarriere zu gewin-
nen, aber Neukomm und Madame H o f f e r, die Schwägerin Mozart's,
bewerkstelligten es endlich, und die letztere leitete auch die Ver-
handlungen mit Schikaneder ein, welche schliesslich zu einem
Engagement mit 500 fl. führten. 19 Jahre alt betrat sie am 9.
April 1803 als Juno im „Spiegel von Arkadien" die Bühne und
zwar mit grossem Erfolge. Jetzt entwickelte sich ihr Talent so
überaus schnell und glänzend, dass sie schon nach einem Jahre
mit 2000 fl. Gehalt beim Kärnthnerthor-Theater engagirt wurde.
In ihr war eine Vertreterin für Gluck'sche Partien gefunden, wie
sie bis dahin noch nicht dagewesen war, und die Hoftheater-Direc-
tion säumte nicht, sofort die „Tpbigenie in Tauris" und „Alceste"
einstudiren zu lassen. Der Erfolg war ein ganz ausserordentlicher,
und das grosse Publikum wie die exclusive musikalische Welt wa-
ren gleich sehr begeistert von dem neuen Stern am Opernbimmel.
Es ist ja bekannt, dass während ihres Aufenthaltes in Wien Beethoven
seinen „Fidelio," Cherubini „Faniska," Weigl die „Schweizerfamilie"
und das „Waisenhaus" eigens für Anna Milder geschrieben iteben.
Vervollständigen wir, ehe wir die Sängerin cbaracterisiren,
erst noch in Kürze den biographischen TJeberblick. Im Jahre 1810
verheiratete sie sich mit dem Juwelier Hauptmann und trat
1812 eine Kunstreise über Breslau nach Berlin an, wo sie mit
ausserordentlichem Erfolge sang. 1813 reiste sie nach Karlsruhe,
Stuttgart und Frankfurt a. M. Der Staatskanzler Fürst
Hardenberg, welcher sie 1814 in Wien horte, machte ihr glänzende
Anträge für Berlin, nnd im Jahre 1815 reiste sie dabin ab, trat
32mal als Gast auf und wurde in Folge dessen auch mit 4000 Thlr.
Gehalt und 3 Monate Urlaub jährlich fest für die Berliner Oper
engagirt. Für ihre unglückseligen häuslichen Verhältnisse, die hier
nicht her gehören, die aber von diesem Engagement ab ihr ganzes
Leben verbitterten, fand sie Trost in der Achtung und Anerkennung,
die ihr von allen Seiten entgegengebracht wurden. Im Jahre 1831
trat sie in den Buhestand, sang nur noch vorübergebend 1834 zwei-
mal die Iphigenie und starb nach nur dreitägigem Krankenlager
ganz plötzlich am 29. Mai 1838. (Schluss folgt.)
Das IG. Säugerfegt zu Chicago.
(Schluss.)
Sehen wir so schon das Bild aus einem grossen Hintergrunde
heraustreten, dann wird es uns noch grossartiger wenn wir es selber
beschauen. Ein Ausfluss jener kühnen Gedanken war es, an 25
deute cheStädte und Körperschaften in Europa Einladung zu die-
sem Fest ergehen zulassen, zu dem die Amerikaner selbst 300 Stunden
weit reisen mussten. Sie hatten die germanische Wanderlust nicht
unterschätzt Es kamen zehn Abgesandte von Europa hinüber, von
Hamburg, Co In, Berlin, Dresden, Nürnberg aus dem
badischen Städtchen K i r ch e n (Oberkirch ?) und von dem Gesang-
Verein „Teutouia" zu Paris. Als sie in New- York ankamen,
meldete es ein Telegramm nach Chicago. Fünfzig Kanonenschüsse
waren die Antwort der Chicager. Nach vier Tagen Festlichkeiten!
Huldigungen jeder Art, ziehen sie mit den Sängergenossen von New-
Tork nach dem Westeu. Ein furchtbares Unwetter zerstörte in Ohio
die Eiseubahneu ; Brücken und Dämme brechen zusammen, auf
viele Meilen ist die Gegend unter Wasser gesetzt. Das schreckt
die Amerikaner nicht; binnen 24 Stunden sind Brücken und Däm-
me wieder hergestellt; die Züge gehen weiter auf ihr Ziel los.
Chicago selbst, seit dreissig Jahren aus dem Sumpfe heraus-
gewachsen, jetzt der „Garten des Westen" genannt, eine riesige
Stadt von 300,000 Bewohnern, die deutscheste von allen amerika-
nischen Städten, erglänzt im Hochzeitskleide, gleich der Wald- nnd
Wasserfee. Wie liebe Brüder und Freunde aus der Heimath, so
werden die Gäste empfangen. Sie schauen einander an, wie gross,
wie blühend sie geworden, die Herzlichkeit will nicht enden. Nun
gehts zum Fest, zur feierlicheu Begrüssung aller Angekommenen,
und siehe sie waren erschienen von allen Enden. Von 45 Vereinen
waren grössere Chöre oder wenigstens Abgesandte gekommen, das
grosse Fest der Verbrüderung zu feiern.
Der Mayor der Stadt, Herr Rice (wie der Name zeigt von
englischer Abkunft) begrüsst die Gäste: „Wir sind bereit und freuen
uns von den älteren gesitteten Ländern das zu erlernen, was
darauf abzielt, die Welt zu verschönern , die Last des Lebeus zu
erleichtern und uns stetig im Sonnenschein zu erhalten. In kom-
menden Zeiten vereinigen sich die Nachkommen dieser adoptirten
mit den Abkömmlingen der eingeborenen Bürger zum Bruder-
bund und sie werden singen ihre Lieder des Heldenthums und der
Hoffnung, der Liebe und des häuslichen Herdes, in Hütte und Pa-
last, in Stadt und Land, bis das Echo wiederhallt durch das ganze
Land der Freiheit und Unabhängigkeit. 41
In diesem erhabenen Sinn, wie der Stadt-Mayor, sprachen im
Verlauf des Festes auch die übrigen Redner. Einschalten müssen
wir gleich, es wurde nicht viel gesprochen ; am Abend der Begrüs-
sung sprach nur noch der Festredner, Herr Schläger, dann am
vierten Festtag beim Picnic zwei Redner, die Generale Willich
und Hasbroock Davis. Die Amerikaner machen die Feste nicht
zu einer politischen Demonstration, wie wir in Deutschland. Das
„Belletristische Journal" sagte in dieser Hinsicht ganz treffend:
„Die Deutschen drüben feiern Feste, um Politik zu treiben, die
ihnen sonst verwehrt ist. Wir feiern die Feste um uns von der
Politik auszuruhen, die uns das ganze Jahr anspannt." Die wenigen
Reden sprachen aber in kurzen Schlagwörtern den ganzen Sinn
der Versammelten aus: Vereinigung der Stammes-Angehörigen und
die Verbrüderung mit den verwandten Stämmen, die Hochachtung
vor Kunst und Wissenschaft, den Begründern edler Sitten. Den
Worten entsprach auch die äussere Haltung, der Schmuck des Fes-
tes. In der Festhalte stand die bekränzte Büste Lincolns und von
der Facade wehte das amerikanische und das deutsche Banner.
Die Fest-Concerte im Einzelnen zu schildern, kann hier
nicht unsere Aufgabe sein ; sie gleichen mehr oder weniger den
uns"rigen in Deutschland. Wir resümiren desshalb nur kurz. Es
waren drei Concerte, an jedem der drei Festtage eins. Aufgeführt
wurden von Orchesterwerken die 7. Sinfonie (A-dur) von Beethoven
Webers und Lindpaintners Jubelouvertüren, Meyerbeer's Schiller-
Marsch, Wagner's Ouvertüre, Kriegsmarsch aus „Rienzi;"von Chor-
Gesängen das Buudeslied: „Was ist des deutscheu Vaterland?" ein
„Sängergrus»" von Müller von der Werra und Reichard, „deutsches
Völker-Gebet" von Abt, "Hymne an die Tonkunst" von Billeter,
Schlacht-Hymne aus „Rienzi" dann einige Gesänge idyllischen Cha-
racters. Zwischen den Orchester- und Chor-Werken kamen noch
Quartett-Gesänge und Solo - Vorträge von Sängern und Spielern.
Das Orchester bestand aus etwa 100 Spielern, der Chor aus 1000
Sängern.*) Die Leitung des Ganzen hatte Hans Balatka, der
als tüchtiger Dirigent gerühmt wird.
*) Das scheint uns unbedeutend, gegenüber unsern oft von
mehr Sängern besuchten Beztrks-Festen. Bei uns wohnen aber oft
mehr Deutsche in Einer Stadt, als dort in einer ganzen Provinz.
- 123 -
Als characteristisch für die Auffassang der Concerte müssen
«wir hervorheben , dass die Amerikaner die von hier hiuübergebrachte
Sitte des Wettsingens beseitigt haben. Sie gab nur Anlasa
cur Ueberhebung, «um Streit und zur Störung der beabsichtigen
Verbrüderung. Künstlerisch wurde gleichfalls nichts damit erzielt,
weil die einzelnen Vereine auf Sonderbarkeiten verfielen und den
Hauptgesang, den Gesammtchor, vernachlässigten.
Am dritten Festtag war ausser dem Concert noch eine General-
versammlung der Abgesandten sämmtlicher Vereine, in der
die Gründung eines allgemeinen amerikanischenSänger-
h u ad es berathen und für das nächste Fest zur endlichen Beschluss-
fassung gesetzt wurde. Am vierten Festtag war ein grosses Picnic
in Wriffhts Grove , einem schönen Park, nordwestlich von der
•Stadt gelegeu. Es war an einem Sonntag (21 Juni.) Wir in
Deutschland denken nichts besonders, wenn wir Feste am Sonntag
feiern. Wir halten es sogar für selbstverständlich, dass wir die
Feste nur auf Sonntage legen, wo Bürger und Bauer Müsse haben.
Anders drüben. Das pietistische Element ist durch englische Theo-
logen in dem Grad eingeprägt, dass eine „weltliche Lustbarkeit"
an einem Sonntag von den Amerikanern für einen Frevel erklärt
wird. Die New-Yorker mussten z. B. ihre Gäste an dem acht Tage
später beginnenden Schützen-Fest aus der Stadt führen, um Anstoss
zu vermeiden. Im Westen ist zwar, Dank der deutschen Presse,
diese Frömmelei ziemlich ausgemerzt; aber doch lassen sichs ame-
rikanische Priester nicht nehmen, auf die barbarischen Deutschen
zu schimpfen. An jenem Sonntag hielt z. ß. ein Mr. Goodspeed
in einer Baptisten-Kirche einen heftigen Sermon gegen die deutsche
Sonntagsfeier, die er für einen Todesstreich gegen das Christenthum
•erklärte.
Eine zweite Eigentümlichkeit dieses Festtags war, dass der
Festzug mit einer Polizei-Mannschaft begonnen wurde. Bei uns
hält man Begleitung von Gensd'armen für keine ehrenvolle ; sie
gehen aber als Sauve-Garde neben dem Zug, dort gingen sie i m
Zug und zwar an der Spitze. Sie hatten auch nur die Bolle unserer
Turner, bei solchen Festen, die der Ordner, zugleich auch der
Schützer gegen Industrie-Ritter und gegen alleufallsige Störenfriede
«us den dem Deutschthum feindlichen Kreisen.
In gleicher Weise wie diese Festordner ehrte man auch die
geistigen Ordner, die Vertreter der P r e s s e. Auf dem Wormser
Lutherfest z. B. mussten die „Literaten" auf dem Festplatz unter
dem Gewühl des Volkes sitzen uud hatteu doch die Aufgabe die
pastoral en Festreden in ein gemein verständliches Deutsch zu Über-
tragen. Zwei Wirtbshaus-Tische hatte mau ihnen hingestellt und
zum Schutz gegen die Sonuengluth am Sommer-Sonnenwendtag den
Strohhut auf dem Haupt zubehalten erlaubt. In Chicago wurden
sie auf die Estrade in der Festhalle geführt und neben die Hono-
ratioren des Festes gesetzt.
Dass die Deutschen in dem schönen Park nach Herzenslust
schwelgten, commercirten, Brüderschaft tranken und „Wer hat dich
du schöner Wald" nicht vergassen, brauchen wir kaum zu erwähnen.
Beden wurden nur zwei gehalten, eine deutsche und eine eng-
lische; aber merkwürdig war, dass sie von Generalen gesprochen
wurden.
General W i 1 1 i ch und General Hasbroock-Davis waren
die beiden Festredner, welche in gleichem Geiste den ethischen Be-
ruf der Deutschen predigten. Da ihre Beden aber vorzugsweise
auf das politische Gebiet hinüber spielten, dürfte eine ausführliche
Mittheilung ihres Inhalts in diesen Blättern wohl nicht am Platze
sein.
In grossem Styl begann und endete das Fest. Als Glieder eines
grossen Ganzen umschliessen sich die über den ganzen Continent
zerstreuten Sprossen Germanias ; über das weite Meer reichen sie
die Hand ihren Brüdern in die Heimath. Sie sind versammelt im
Bewusstsein , dass sie eines Stammes , eines Sinnes sind ; was sie eint,
ist die Allen gemeinsame Kunst. So wird auch sie, die verehrte,
auf den ihr gebührenden Standpunkt erhoben. Die Kunst ist nicht mehr
leeres Phantasiegebild , zum kindischen Spiel verknöcherter Priester
dienend ; sie ist der Ausdruck einer grossen Idee, der Erguss eines
die höchsten Ziele erstrebenden Volkes.
Wir könnten eifersüchtig sein, ob dieser grossartigen Auffassung
«des Lebeos, ob dieser hehren Feier der Kunst, wenn ans nicht
der Gedanke mit Stolz erfüllte, dass diese Weltanschauung, diese Kunst
doch von uns hierüben ausgegangen. In rührender Bescheidenheit
und Ehrerbietung vor dem Mutterlande sprachen es die sämmtlichen
Redner aus : Von E u ch haben wir es empfangen, mit Hochachtung
und Dank nehmen wir die Gabe an. Das Gefühl der Verehrung
würde uns niederdrücken , wenn wir nicht die Kraft in uns ver-
spürten, euch einstens heim zu zahlen. Ihr habt den Gedanken der
Befreiung aller Völker für die Menschheit geboren ; wir machen ihn
zur That. Ihr erzeugtet die geistige Freiheit; wir schaffen die
leibliche. So geben wir euch zurück, was wir von euch empfingen ;
so zahlen wir unsere Schuld ! —
Heinrich Becker.
lachricbten.
lDDSbmck. Am 15. Juli feierte unser Musikverein das
BOjäbrige Jubiläum seines Bestehens, bei welcher Gelegenheit Mor-
gens 10 Uhr in der Jesuitenkirche die herrliche Messe in C-dur,
Op. 86, von Beethoven zu dem von dem hochwürdigen Abt
von Wilten celebrirten Hochamte unter der Leitung des Vereins*
dirigenten Hrn. Nagiller in vortrefflicher Weise zur Aufführung
kam. Frau Lutz (Sopran) , Frl. Tiefenba ch er (Alt) , Herr
V i 1 1 u n g e r (Bass) von hier und Hr. B o h 1 i g vom grossh. Hof-
theater in Schwerin (Tenor) trugen die schwierigen Solopartien in
ausgezeichneter Weise vor. Das eingelegte Graduale war von der
Composition des Tyrolers G ä n s b a ch e r, (bekanntlich Mitschüler
bei Abbe 1 Vogler und specieller Freund C. M. v. Weber's) und als
O/fertorium wurde ein Ave Maria von Mendelssohu für bechs-
stimmigen Chor und Tenor-Solo (letzteres von Hrn. Bohlig vortreff-
lich vorgetragen) zu Gehör gebracht. Die Wirkung des Beethoven-
seben Meisterwerkes in sorgfältigst vorbereiteter und höchst gelung-
ener Aufführung war eine tief ergreifende. Abends 6 Uhr fand die
Aufführung des Oratoriums Händel statt — ein Ereigniss für
Innsbruck — wo man bisher noch kein Händel'sches Werk voll-
ständig gehört hatte, und es ist hauptsächlich dem unermüdlichen
Eifer und der hingebenden Kunstliebe des Dirigenten Hrn. Nagiller
zu verdanken, dass das genannte Werk nach der von der Händel-
gesellschaft veröffentlichten Partitur und mit Aufbietung aller musi-
kalischen Kräfte Innsbrucks in so befriedigender Weise durchge-
führt wurde. Frau Lutz von hier, Frau von K r a y n a g aus
Hall und die HH. Bohlig und Vi 11 un ger hatten die Solopartien
übernommen und wetteiferten mit dem etwa 200stimmigen Chor
und dem trefflich einstudirten Orchester um die Palme des Abends.
Ehre und Lob sämmtlichen Mitwirkenden, welche dem zahlreich
versammelten Publikum so schöne, unvergessliche Genüsse bereiteten,
Ehre und Lob vor Allem Hrn. Nagiller, der sich nicht nur um die-
ses Fest, sondern um die Hebung des seiner Leitung anvertrauten
Musikvereins so grosse Verdienste erworben hat.
Wien. Am 1. Oetober wird die Bühne des neuen Opernhauses,
gegen Ende December das ganze Haus zur Verfügung der Direction
gestellt werden, die Eröffnung desselben aber wohl nicht vor Ende
Februar des nächsten Jahres stattfinden.
München. Am 23. Juli fand die erste Aufführung der grossen Oper
„Buy Blas" von Max Z e n g e r im k. Hofheater und am 26. Juli die
erste Wiederholung derselben mit sehr günstigem Erfolge statt. Der
Componist bat seit seiner ersten Oper „Die beiden Foscari" offen-
bar grosse Fortschritte gemacht und berechtigt zu den schönsten
Hoffnungen für seine künstlerische Zukunft. Die Hauptrollen der
neuen Oper befanden sich in den besten Händen, indem sie den
Damen Frl. Stehle und Frl. Leon off sowie den HH. Vogel
und Kindermann anvertraut waren und von diesen mit sichtlicher
Vorliebe durchgeführt wurden.
— Der König, welcher den letzten Vorstellungen der „Meister-
singer" nicht mehr beigewohnt hat, wird dieser Tage von Schlosa
Berg hieherkommen, um eine von ihm anbefohlene Aufführung.
Wagner'scher Compositionen im k. Besidenstheater anzuhören.
Paris. Der gesetzgebende Körper hat am 21. Juli nach leb-
haften Debatten über die den Pariser Bühnen zu gewährenden ftub-
124
ventiouen in folgender Weise abgestimmt: Das TMätre Jyrique
behält die bisherige Subvention too 100,000 Pres. } die der grossen
Oper belauft sich Alles in Allem anf 1,200,000 Frcs., die der ko-
mischen Oper auf 240,000 Frcs.
— An Hector Berlioz ist aas Altenburg, wo soeben die
„deutsche Tonkünstler-Versammlung" stattfindet, folgendes von Dr.
W. Stade, Hofcapellmeister in Altenburg und Carl Riedel,
Director des „Riedel'schen Vereins" in Leipzig aasgehende Tele-
gramm gelangt: „Wir haben die Ehre Ihnen mitzutheilen, däss Ihre
Sinfonie fantaslique und Ihr Requiem, welche beide Werke hier
vollständig aufgeführt wurden, den glänzendsten Erfolg vor einem
aus Musikern aller Länder bestehenden Publikum gehabt haben.
Im Namen von Deutschtand, Oesterreich, Frankreich, Russland,
Ungarn, Belgien, der Schweiz, Amerika etc. drücken wir Ihnen die
Achtung und die tiefe Verehrung aus, welche Ihre Werke ans
einflössen."
— Mlle. Marie Lefebure-Wely, eine Tochter des rühmlich
bekannten Organisten zu Saint-Sulpice und selbst eine ausgezeich-
nete Pianistin, hat sich diese Woche mit dem Bergwerks-Ingenieur
Ch. Videcoq vermählt.
*** Während die General-Direction des königl. Hoftheaters in
Dresden soeben die höchst dankenswerthe Verordnung erlassen
hat, dass die Mitglieder genannter Bühne den Hervorrufen bei offener
Scene fortan keine Folge mehr zu geben haben, (ausgenommen in
der Gesangsposse, im Ballet und bei sonstigen Tänzen), klagt Dr.
Hanslick in Wien in der „N. f. Pr., K dass die jetzige Direction
des Hofoperntheaters die von ihren Vorgängern mit grosser Mühe
zur Geltung gebrachten Theatergesetze, gemäss welcher das Hervor-
rufen der Sänger bei offener Scene sowie das Wiederholen der Ge-
sangstücke untersagt und die Zahl der Hervorrufe nach dem Act-
schlusse auf 3 beschränkt wurde, wieder fallen lasse, so dass ein-
heimische wie fremde Sänger bei offener Scene gerufen werden, und
auch erscheinen, so oft man nur will ; bisher wurden den Sängern
in solchem Falle Geldstrafen auferlegt. Möge Dresden's Beispiel
allgemeine Nachahmung finden.
*** N i e m a n n hat von der ihm im vorigen Winter vom Dres-
dener Hoftheater auferlegten Conveutionalstrafe von 4000 Thlrn.
nunmehr 2000 Thlr. bezahlt.
*#* In Turin ist das Theater Alberto-Nota vollständig
abgebrannt. Man gab „Crispino e la Comare" bei übervollem
Hause, als in der Mitte des 3. Actes ein durchdringender Schrei
aus den Coulissen gehört wurde. Eine Tänzerin, welche aus ihrer
Garderobe auf die Bühne getreten war, hatte an einer Lampe ihre
Kleider in Braud gesteckt und im Schrecken herumlaufend auch
einigen Coulissengegenständen das Feuer mitgetheilt, welches so
schnell um sich griff, dass in unglaublich kurzer Zeit die ganze
Bühne in Flammen stand und das Publikum in schrecklicher Angst
den Ausgängen zudrängte. Glücklicherweise wurde ein Theil der
Zuschauer durch beruhigende Zurufe noch eine Weile zurückge-
halten, wodurch ein zu grosses Gedränge und damit wohl auch gros-
ses Unglück verhütet wurde. Es ist kein Menschenleben zu bekla-
gen und auch die unglückliche Veranlasserin des traurigen Ereig-
nisses kam mit wenig bedeutenden Brandwunden davon. Um 11 Vi
Uhr war das gauze Theater vollständig niedergebrannt.
*** Der Liederdichter Müllejr von der Werra hat vom
Herzog von Meiningen die goldene Medaille für Kunst und Wissen*
Schaft erhalten.
*** Am 16. Juli starb in Teplitz der beliebte Gesangkomiker
und Possendichter Gustav Räder vom Hoftheater in Dresden.
*** Der neue Director des Mozarteums in Salzburg, Dr. Otto
B a ch, wurde von der dortigen Liedertafel einstimmig zu ihrem
Chormeister erwählt.
*** Die Vermählung der Adelina Patti mit dem Marquis
de Cauz wird dieser Tage in London stattfinden.
%* Die Schauspielerin Frau Ristori hat von ihrer ameri-
kanischen Kunstreise, auf welcher sie 120mal in New -York und
360mal in Amerika Überhaupt auftrat, nicht weniger denn 3,700,000
Frcs. mitgebracht; ungefähr ein Drittel dieser Summe ist, wie
verlautet, zum Ankauf einer prachtvollen Besitzung, „Villa Ristori 11 ,
verwendet worden. (A. A. Ztg.)
*** Der berühmte Contrabassist Bottesini ist gegenwärig
in Paris damit beschäftigt zur Oper „Die Gans von Cairo" von
Mozart an die Stelle des Dialogs Parlando-Recitative zu setzen, da
dieses Werk auf verschiedenen italienischen Bühnen zur Aufführung;
kommen soll.
*** Die vortreffliche Gesanglehreriu Frau M a r ch e s i wird
im September Co In verlassen um die ihr in schmeichelhafter Weise-
angebotene Lehrstelle am Cooservatorium in W i e n anzutreten. Ihr
Gatte wird sodann am Conservatorium in C ö 1 n sämmtliche Gesangs»
classen für männliche und weibliche Eleven bis zum April künftigen
Jahres fortführen, um hierauf ebenfalls nach Wien zu übersiedeln ..
*** Das grosse Sängerfest in Chi cago hat einen sehr gJän»
senden und von hoher Begeisterung der Tbeilnehmer und des Pub-
likums getragenen Verlauf gehabt. Die Ausführung des musikalischer*
Programms in vocaler und instrumentaler Beziehung wird von allen.
Seiten als eine durchaus gelungene bezeichnet.
*** Man schreibt aus Altenburg vom 21. Juli : „Die beide»
ersten Tage der seit dem 19. d. M. hier eröffneten sechstem
Tonkünstlerversammlung sind unter einer sehr regen Theilnahme-
des Publikums verflossen. Die Stadt ist durch eine grosse Anzahl
Fremder belebt; von den mitwirkenden Tonkünstlern haben die
meisten gastliche Aufnahme in Familien gefunden. Das Fest wurdo
am 19. Morgens sehr würdig durch Aufführung der B a ch'schen
Motette: „Jesu, meine Freude" in der Brüderkirche eröffnet. Mittags-
12 Uhr erfolgte die mündliche Eröffnung der Versammlung durch
eine Begrüssungsrede des Vorsitzenden des allgemeinen deutschen
Musikvereines, Dr. Brendel von Leipzig, und einen sich dieser
Rede anschliessenden Vortrag des Hofrathes Professor Dr. Oswald
M a r b a ch ebendaher ,,über die Wiedergeburt der dramatischen
Kunst durch die Musik" in der Aula des Josephinums. Am Abend
folgte das erste grosse geistliche Concert in der Brüderkirche unter
der Leitung des Musikdirektors Riedel von Leipzig, bei welchem
zum ersten Male in Deutschland das grosse Requiem von Hector
Berlioz für Tenorsolo, Chor und Orchester, nach einer Umarbei-
tung der Instrumentation von Professor C. Götze aus Weimar
und der 13. Psalm von Franz L i s z t zur Aufführung gelangten-
Der gestrige Tag führte in einer Matinee in dem Saale der „Concordia'*
die bedeutendsten Virtuosen der Versammlung vor. Es Hessen sich
dabei besonders die HH. Professor S p e i d e 1 von Stuttgart, Con~
certmeister Jacobsohn von Bremen und Kammermusiker Krumb-
holz von Stuttgart, die vorzüglichsten Pianisten Gebrüder Willi
und Louis T h e r n aus Pesf, Meyer aus Leipzig, W ü n s ch und
Stamm von hier, Cabisius und Simon von Sondershausen,.
S t e i n b r e ch e r aus Dessau, die Damen M. A. Wie de mann
von Leipzig, und L. Meyer aus Darmstadt hören. Am Abend
hatte das zweite grosse geistliche Concert unter Leitung des Hof-
capellmeisters Dr, Stade in der Schlosskirche eine ausserordent-
lich zahlreiche Zuhörermenge herbeigezogen. Auch der Herzog war
zur Anhörung desselben von Hummelsheim eingetroffen. Das Pio-
gramm des Concertes bildeten besonders mehrere Compositionen
von Bach, ein Kyrie und Gloria von Palestrina, mehrere alt-
deutsche Gesänge und religiöse Lieder von Dr. Stade, Präludium
und Fuge über den Namen Bach von Franz Li szt, der 126. Psalm
von R e b 1 i n g und eine Motette auf das Reformationsfest von
Engel. Den Schluss des Festtages machte ein sehr heiteres Fest-
mahl im Saale des M Preussischen Hofes."
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10. Augast 1868.
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Diese Zeitung erscheint jeden >
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Man abonnirt bei allen Postr
ämtern, Musik- & Bucbhand- 1
laugen. j
fiHig
von
B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
| PBBIS:
fl.2.42kr. od. Th.l.l8Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
i^ ^
INHALT: Kometen, — Corresp.: Neuss. Wien. — Nachrichten.
H o m c t e
Von W. Lackowiti.
(Fortsetzung.)
Anna Milder vereinigte zwei Bedingungen in sich, welche
sie für die Bühne, die ja für Auge und Ohr gleichzeitig die künst-
lerische Erregung zu bewirken hat, zu einer Künstlerin ersten Ban-
ges machen mussten. Das waren ibre colossale Stimme und ihre
wahrhaft majestätische Gestalt. Es hat wohl nie eine Alceste, eine
Statyra (Olympia von Spontini) gegeben, welche in diesem Maasse
den Ausdruck königlicher und priester lieber Würde mit mütterlicher
Hoheit so verschwistert plastisch wiedergeben konnte, als sie. Ihr
wahrhaft edler Sinn für einfache Kunstschönheit, z. B. für die Tiefen
der Gluck'schen Musik, die ernste, dramatische Buhe, welche den
Grundzug ihres Characters bildete, Hessen solche Bollen wie nur
eigens für sie geschaffen erscheinen. Sonderbar freilich klingt es,
wenn man damit einige Bollen zusammenhält, welche in Wahrheit
für sie componirt sind, wie z. B. die Leonore im „Fidelio;" denn
nach der Dichtung ist in ihr wohl ein Weib gedacht von edlem
Wüchse, edler Haltung, nicht aber eine Persönlichkeit, die nur
Macht, Hoheit und Würde im vollendetsten Maasse repräsentirte.
Anna Milder's Erscheinung hatte nichts Jungfräuliches, aber jeder
Zoll an ihr war eine Königin, daher war sie eine Herrscherin, eine
Obervestalin, eine Priesterin, wie die Bühne weder vor noch nach
ihr gesehen hat.
Die Stimme unserer Sängerin war an Macht und Fülle in die-
sem Jahrhunderte die zweite in Europa, sie wurde einzig und allein
übertroffen durch die der Angelica Catalani. Sehen wir auf
die Wirkung, so müssen wir allerdings Nanette Schechn er noch
die Palme vor ihr zuerkennen; sie allein war im Stande, ihre Stimme
neben einer Anna Milder geltend zu machen, stand ihr aber an
Tonfülle bedeutend nach. Dafür aber entwickelte sie eine geistige
Energie, hauchte jedem Tone eineu Schmelz, einen Seelenreiz ein,
wie es der Milder niemals zu Gebote stand. Diese drei Sängerinnen
sind in Bezug auf das Material, die Stimme an sich, unstreitig die
ersten drei Enropa's gewesen und wohl heute noch unerreicht. Schon
der jungen Schülerin Sig. Neukomm's sagte der Altvater Joseph
Haydn, als er Bie auf seinen Wunsch hörte: Liebes Kind, Sie
haben eine Stimme wie ein Haust* und J. C. Fr. Bell st ab, der
sie 1811 in Wien hörte, berichtet über sie: „Wenn man den Be-
richten des Hrn. Capellmeister Beichardt und mehrerer Tonkünstler
trauen soll, so kann man sich ihre ausgezeichnet schöne Stimme
nicht anders denken, als ein schönes, volles Orgelregister, aber
auch ebenso flach, ebenso ungünstig und ebenso monoton wie jenes.
Das ist aber in den letzten drei Eigenschaften keineswegs der Fall.
Es kann keine Sängerin und Tonkünstlerin geben, auf welche so-
wohl meine Neugier mehr gespannt gewesen wäre, als meine Auf-
merksamkeit iu grösserer Erwartung. Bei meiner ersten Anwesen-
heit in Wien war sie verreist, bei meiner Bückkehr aus Italien
fand ich sie. aber und .hörte undstüdirte ich ihre Stimme alle Tage.
Sie hat einen Umfang von a bis dreigestrichen c. Iu diesem Um-
fange sind sämmtliche Töne gleich schön, gleich stark, gleich voll;
sollte man jedoch einige vorziehen können, so wären es die bei
andern Stimmen so selten schönen Mitteltöue von d bis zweige-
strichen d. Es ist der Ton einer wirklich ersten Steiner-Geige,
die ich noch der Cremoneser vorziehe. Triller, Pralltriller und
Mordenten macht sie nicht, aber den Doppelscblag, Schleifer und
Anschlag sehr gut punktirt und gleich. Eigentlich grosse Bravour-
Fassagen macht sie eben so wenig, aber sanfte gute Volaten, vo-
lubel und deutlich, auch bat sie alle Nuancen der Stärke und
Schwäche. — — I 8 Es war kein Wunder, dass selbst ein Napoleon
vor dem sie 1809 in Schönbrunn singen musste, hingerissen wurde,
und er Hess der Sängerin, von deren Stimme er sagte : „ Voilä une
voix, depuis longtemps je riai pas entendu une teile voix\ a ein
Engagement nach Paris antragen, nach welchem sie 30,000 Frcs.
Gehalt, drei Monate Zeit zum Einstudiren jeder Bolle, alle Meister
zur ferneren Ausbildung erhalten sollte, während ihr für das zweite
Jahr von vornherein ein Gehalt von 40,000 Frcs., für die Mitwir-
kung in den kaiserlichen Concerten extra 6000 Frcs. und diese"
Summe ihr auch nach zweijähriger Dienstzeit als Pension zugesichret
wurde. Oben angedeutete, anderweitige trübe Verhältnisse zwangen
sie, diesen Gontract, wie er wohl noch nie einer Sängerin geboten
worden ist, nicht anzunehmen, wie sie auch später (1813) durch
ein ähnliches erzwungenes Ausschlagen eines andern Antrages des
König von Württenberg sich dermassen verfeindete, dass dieser
ihr sogar den Aufenthalt in seinen Staaten verbieten Hess. Wie
sie als Sängerin allgemein ge feiert wurde, mag schliesslich noch
der Spruch bezeugen, welchen ihr Goethe bei ihrer 25jährigen
Dienstfeier 1828 mit einem Prachtexemplar seiner „Tphigenie" über-
sandte :
„Dies unschuldvolle, fromme Spiel,
Das edlen Beifall sich errungen,
Erreichte doch noch höh'res Ziel,
Betont von Gluck, von Dir gesungen. —
Josephine Schulze, geb. Killitschgy, war das ergänzende
Gegenstück der vorigen Sängerin auf dem Felde der grossen Oper ;
war jene die verkörperte plastische Buhe, so war diese die nie ver-
löschende Leidenschaft, kannte jene keinen Sporn, so diese keinen
Zügel, sie war Bravoursängerin im eigentlichsten Sinne des Wortes.
Sie war geboren um 1790 in Wien und soll ihren ersten Gesang-
unterricht von Salieri erhalten haben. Von 1810 — 13 war sie
in Breslau engagirt, gastirte aber auch gleichzeitig mit grossen Er-
folge in Berlin. Diesen Aufenthalt in der Besidenz benutzte die
fieissige junge Künstlerin dazu , um noch den Unterricht Vicenzo
Bighini's zu benutzen, der damals noch immer ala Capellmeister
der italienischen Oper in Berlin lebte, obwohl diese seit 1806 ei-
gentlich ganz aufgehört hatte. Durch diesen Unterricht aber bilde-
te sie sich erst zu einer so ausgezeichneten Bravoursängerin. Die
»Leipziger allgemeine musikalische Zeitung" berichtete damals über
sie: „Sie ist eiu junges, sehr vortheilhaft gebildete«, blühendes Mäd-
- 126 —
eben mit einer vollen, schönen*, metallreichen Stimme, reiner Into-
nation und gntem Vortrage nach italienischer Weise. 8ie umfasst
zwar nur zwei Octaven, vom eingestrichenen bis dreigestrichenen c.
Hier «od aber auch alle Töne rein und schön, und wer wollte da-
für nicht hingeben , was über diese Sphäre hinausgehen könnte?
Sie versteht, ihre schöne, von Natur sehr starke Stimme vortrefflich
zu massigen, so dass sie zu tragende Stellen, auch Passagen mezza
voce sehr zart, lieblich und fertig vorträgt, dann aber, wo es gilt,
mit ganzer, voller Stimme selbst durch das Foite des Orchesters
dringt, ohne dass ihr Ton darum gellend oder schneidend würde."
Am 6. Mai 1813 trat sie als neues Mitglied der Berliner Bühne
zum ersten Male in der königlichen Oper auf, nachdem sie sich
1812 mit dem Justizrath Schulze verheirathet hatte, und gehörte
diesem Institute bis zum Jahre 1831 an, wo sie fast gleichzeitig
mit Anna Milder auf ihren Wunsch pensionirt wurde.
Ein Hauptvorzug dieser Sängerin war ihre grosse musikalische
Sicherheit, mit der sie bei ihrem eifrigem Willen, immer auszu-
helfen, wo es irgend die künstlerische Ehre erforderte, die aller ver-
schiedenartigsten Partien übernahm. Ihr eigentliches Fach waren
die colorirten, heroischen und tragischen Bollen, die Donna Anna
im „Don Juan", die Amazily im „Cortez", Eglantina in der „Eu-
ryanthe* und drgl. Diese Sicherheit machte sie unschätzbar nament-
lich für alle Ensembles, und ihre prächtigen Mittel, ihre ausgezeich-
nete Fertigkeit Hessen sie oft Erstaunenwürdiges leisten , wenn
auch die Schönheit ihrer Leistungen oft durch zu grosse Leiden-
schaftlichkeit nicht wenig beeinträchtigt wurde. Sie konnte es
wagen, selbst mit einer Catalani in die Schranken zu treten.
Angelica Catalani kam im Jahre 1827 zum dritten Male nach
Berlin, wo sie bei ihrem ersten Auftreten 1816 , wie überall , als
das grösste Gesangswunder bejubelt worden war, während sie bei
ihrem zweiten Besuch 1819 nur noch den Eindruck einer Ruine
machte. Wunderbarer Weise aber strahlte sie beim dritten Male
fast wieder in ihrem alten Glänze, so dass sie trotz der inzwischen
erstandenen Nebenbuhlerinnen wie Nanette Schechner, Sabine Heine-
fetter, Henriette Sontag, Alles zur Bewunderung fortriss. Bei einem
Concerte, welches für sie im Opernhause gegeben wurde, wünschte
sie, dass auch einige einheimische Sänger und Sängerinnen sich
daran betheiligen möchten. Niemand aber wagte den hingeworfenen
Fehdehandschuh aufzuheben, bis sich Josephine Schulze dazu be*
reit erklärte, und in dem Turniere , wenn auch nicht als Siegerin
glänzte, doch neben der übermächtigen Gegnerin einen ausserordent-
lichen Triumph feierte , als eine ächte Verfechterin heimathlicher
Kunst gegenüber dem ausländischen Virtuosenwunder. Selbst die
Catalani erkannte den Muth und die seltene Geschicklichkeit ihrer
deutschen Collegin willig an und äusserte über sie in ihrem selt-
samen französisch italienischen Jargon: r ,Ah, c'est une femme e-
tonnante! que cette femme a des pouvoirs!"
(Schluss folgt.)
CORRBSPOKDENZEH.
Aus N c 11 8 *•
Weun man die vielen Ankündigungen und Berichte über die
vielen Sänger -Bundes- und Vereins - Gesangfeste ansieht, welche
rechts und links im deutschen Vaterlande alljährlich gefeiert werden,
so hält es schwer sich dabei zu orientiren und es gehört schon
eine ziemlich genaue Kenntniss der musikalischen Zustände und
Verhältnisse des Landes dazu , sich darin zurecht zu finden und
dieselben von einander zu unterscheiden.
Auch heute haben wir wieder über eia solches Fest zu berich-
ten, welches der Rheinische Sang er verein, bestehend aus
den fünf renommirtesten Gesangvereinen des Niederrheins, dem
„Cölner Männergesangverwin ," den „Liedertafeln* zu Aachen
und Crefeld, der „Concordia* zu Bonn und dem „städtischen
Männergesang verein" zu Neuss, als sein fünftes Bundesfest am 26.
Juli c« zu Neuss mit glänzendem Erfolge gefeiert hat. Die Feste
des Rheinischen Sängervereins unterscheiden sich von vielen anderen
wesentlich dadurch, dass die betheiligten Corporationen erprobte,
unter der Leitung anerkannt tüchtiger Dirigenten stehende, den
höheren Stiflden angehörige, gut geschulte und diseiplinirte Dilet-
tantenvereine sind, deren künstlerisches Streben neben der Pfleg«
ihres eigenen Vereinslebens vorzüglich darauf gerichtet ist, wirklich
gute und classische Musikstücke sorgfältig zu studiren und in jähr-
lich wiederkehrenden gemeinsamen Coucert - Aufführungen Proben
ihres Kunstfleisses durch möglichst vollendeten Vortrag grosserer
Meisterwerke für Männerchor mit Orchesterbegleitung abzulegen.
Der Gesammt-Verein verfolgt hierbei den doppelten Zweck, das
Kunststreben der einzelnen Vereine wach zu erhalten und die Leis-
tungen des Chores auf den Höhepunkt der möglichsten Vollkommen-
heit zu bringen, wie auch die Componisten und Tonkünstler zur
Schaffung neuer, gediegener, auf Massenwirkung berechneter grös-
serer Meisterwerke für Männergesang mit Soli's und Orchesterbe-
gleitung dnreh periodische Preisausschreibungen anzuregen.
Den Reigen dieser Gesangfeste eröffnete 1863 der „Cölner
Männergesangverein;* es folgten alternirend die Städte Aachen,
Crefeld, Bonn, und feierte heute als Vorort der Männergesangverein
zu Neuss, unter der Leitung seines Dirigenten, des Musikdirectors
Herrn F. Hart mann, in der neuen Tonhalle der städtischen An-
lagen daselbst das fünfte Jahresfest des „Rheinischen Sänger-
vereins.
Bei dem Festconcerte kamen znr Ausführung: Ouvertüre zu
Ruy Blas you Fr. Mendelssohn; „Nacbtbelle,* Tenor-Solo und
Männerchor von F. S ch u b e r t, mit der Instrumentirung von F.
Weber; Recitativ und Arie aus „Figaro'a Hochzeit" für Bariton
von W. A. Mozart; „Schottischer Bardenchor* von F. Sucher
und A Morgenständchen " von H. Mar sehn er, im Einzelvortrage
a capella von der „Bonner Concordia ;" Recitativ und Arie aus
„Fidelio" für Sopran von L. v. Beethoven; Tedeum für Männer-
stimmen von Jul. Rietz und „Alcestis" nach J. G. Herdeas „Ad-
metus Haus" für Männerchor, Soli und Orchester von C. J. B r a m-
bach, unter Leitung des Componisten. An Solokräften waren ge-
wonnen : Sopran — Fräulein Hedwig Scheuerlein aus Breslau,
Tenor — Herr Concertsänger A. Ruff aus Mainz, Bariton — Herr
Hofopernsänger Schaffganz aus Berlin. Nach dem Textbuche
war der Chor zusammengesetzt aus 52 Tenore 1. 55 Tenore II. 68
Bassi I. 50 Bassi IL Das Orchester 50, in Summa aus 275 Mit-
wirkenden.
Das treffliche Programm, das schöne Stimmen- Verhältniss, die
anerkannt tüchtigen Cborkräfte, die künstlerischen Leistungen nam-
hafter Solisten und ein geübtes Orchester Hessen Vorzügliches er-
warten. Mit Bezug auf das Programm hätten wir zwischen der
Ouvertüre und der S ch u b e r fachen „Nachthelle" die Einschie-
bung eines kräftigen Gesammt-Chores gewünscht, welcher nach der
schwungvollen Ouvertüre an richtiger Stelle gewesen und dazu bei-
getragen haben würde, die sentimentale zarte „Nachthelle" desto
lieblicher abzuheben. War auch der Rheinische Sängerverein mit
Bezug auf seine wiederholten Preisausschreibungen nicht besonders
glücklich gewesen, so dass es ihm nicht hat gelingen wollen, nach
dem Urtheile der bewährtesten Kunstrichter aus der Menge der
eingelaufenen Concurrenz- Arbeiten, auch nur ein einziges Werk,
als des Preises würdig, sieggekrönt herrorgegangen zu sehen, so
waren die Vorstände doch desto eifriger bestrebt, das Würdigste
und Beste aus der Tagesliteratur des Männergesangs auszuwählen
und bei ihren Festen zu verwenden !
Seinem Streben verdanken wir eine Reihe der trefflichsten Ton-
schöpfungen der hervorragendsten Meister, welche theilweise auf
speciellen Wunsch und Bestellung eigens für die Feste des Vereins
geschrieben worden sind. Wir erinnern hier nur an die trefflichen
Werke: aus der „Edda," den 93. Psalm und die Cantate „Oster-
morgen" von F. H i 1 1 e r, der 150. Psalm von Fr. Lachner,
deu „römischen Triumphgesang/' vou B r a m b a ch ; „Thurmwäcbter-
lied" und „Salamis" von F. Gernsheim, und ganz besonders an
die beiden Preis - Compositionen „Heinrich der Finkler" von F.
Wüllner und „Velleda" von C. J. Brambach, welche beide
letzteren sieggekrönt aus dem Privat-Preisausschreiben der „Aachener
Liedertafel" hervorgegangen, durch deu „Rheinischen Sängerverein"
zum erstenmale zur Aufführung gebracht worden sind.
Bei dem diesjährigen Feste begrüssen wir wiederum zwei neue
grössere Werke für Männerchor mit Orchester, Te Deum von J.
Riete und „Alcestis* von C. J. B r a m b a ch, welche hier zum
erstenmale zur Aufführung kamen und auf dem Gebiete des Männer-
gesaages zu den hervorragendsten Erscheinungen gehören, für deren
- 127 -
ionern musikalischen Werth and Gehalt, künstlerische Form und
Grossartigkeit des Styls die Namen Riet« nnd B r a m b a ch die
ai-cherste Bürgschaft leisten. Das Te Deum ist eine anf Massen-
•wirkang berechnete grossartige Composition , welche durch eine
^schwungvolle Instrumentation unterstützt, ihre Wirkung niemals ver-
fehlen wird« wenn es uns auch bedünken will, dass dieses neueste
Werk unseres genialen Rietz seine früheren Compositionen für
Männerchor nicht übersteigt und die Höhe der B. Klein'schen
Chöre dieser Art nicht ganz erreicht. Die „Aicestis" dagegen ist
■eine frische, lebenswarme Kunstschöpfung unseres strebsamen Capell-
meisters Brambach in Bonn, welche in Form und Gehalt seiner
früheren Preis-Composition „Velleda" sehr ähnelt. Tritt hier bei
4er mehr weichen und elegischen Stimmung der Dichtung, die
frische markige Kraft der prächtigen Kriegerchöre nicht so sehr in
den Vordergrund wie bei der „Velleda," so lassen doch die Chöre
„Ihr Götter, rettet den König,* „ Welch ein grosses Herz," der
Schlusschor: „Schwester „Aicestis" komm" und das herrliche Duett:
„O welch' ein Glück," an Kraft und Lieblichkeit nichts zu wün-
scheu übrig und werden sich bei jedesmaligem Hören stets des
lebhaftesten Beifalls zu erfreuen haben. Die „Aicestis" ist ein ab-
gerundetes, fleissig gearbeitetes , sinnig gedachtes , gemüthvolles,
trefflich instrumentirtes Kunstwerk, welches dem Componisten wie
dem Sängervereine, welcher dasselbe zur schönsten Aufführung ge-
bracht hat, alle Ehre macht.
Was nun die Aufführung des übriges Concert-Programms an-
belangt, so glauben wir uns darüber kurz fassen zu können, indem
wir einfach documentiren, dass der Chor Meisterhaftes und das Or-
chester sein Möglichstes geleistet hat. Fräulein H. Scheuerlein
brachte sowohl bei der Arie wie bei der „Aicestis," ihre klangvolle
Stimme und ihren künstlersch vollendeten Vortrag zur vollen Gel-
tung. Herr A. Ruff schien indess nicht gutdisponirt gewesen zu
«ein, denn wir haben bei frühern Gelegenheiten schon bessere Leis-
tungen von ihm gehört. Herr Schaffganz sang seine Partie
•mit vielem Geschmack, Verständniss, schönem Organ und kann mit
Bezug auf seine klare Aussprache für manchen Gesangskünstler als
Muster aufgestellt werden. Sämmtliche Solisten fanden ein dank-
bares Publikum und den lautesten Beifall. Ingleichen erfreute sich
die Bonner „Concordia" bei dem Einzel-Vortrage der beiden Lieder
€t capella des wohlverdienten Beifalls. Das Concert war in jeder
Beziehung ein sehr gelungenes, wie es bei einer Temperatur zwi-
schen 24 und 26 Grad Reaumur kaum erwartet werden konnte. Um
ao mehr gebührt den beiden Festdirigenteu der verbündeten Ge-
eaugvereine und dem geschäftsleitenden Comite* für ihre Bemühun-
gen und Anstrengungen und die getroffenen Arrangements unsere
ganze Anerkennung und der beste Dank. Herr Brambach wurde
"beim Schlüsse der „Aicestis" durch stürmischen Hochruf mit Or-
chestertusch ausgezeichnet.
Nachdem der Kunst durch das prachtvolle Concert volle Ge-
nüge geleistet, kam auch der gemüthlich gesellige Theil des Festes
zur Geltung. Die Räunion am Vorabende im Reiniscben Hofe bei
Herrn Weistaus, sowie das nach dem Concerte in der Tonhalle ar-
rangirte, von Damen und Herren zahlreich besuchte Banket, waren
allerliebst und boten eine Fülle der heitersten Unterhaltung, welche
in Reden, Toasten, Sang und Klang, Liedervorträgen und muntern
Scherzen die gemüthüchste Stimmung hervorrief.
Die für Montag den 27. Juli arrangirte Festfahrt mit Damen
per Dampfboot nach Bonn, zur Besichtigung der im Bau begriffenen
neuen Rheinbrücke und das damit verbundene ländliche Fest in dem
Hecker'schen Gartenlokale daselbst, wurde theilweise durch den ein-
getreteneu, langentbehrten Gewitterregen gestört, doch der rheinische
Humor weiss sich überall zu helfen, so auch hier. Die Damen
•und Herrn zogen per Wagen, ein Musikcorps voran, hinaus und
verbrachten in der erfrischten, kühlen Natur einen recht genussrei-
•chen Abend. Die auswärtigen Sangesgenossen kehrten mit vieler
Befriedigung und den besten Eindrücken eines verlebten schönen
Festes in ihre Heimath zurück und verabschiedeten sich von den
Neusser Freunden mit dem Grusse : „Bis auf eiu fröhliches Wieder-
sehen im nächsten Jahre in Aachen!"
Aus W I e
Im ersten Theatermonat nach den Ferien ging ei ziemlich
rührig zu. Dank den vielen Fremden, die dem Schützenfeste zu-
strömten, war auch die Theilnahme des Publikums eine bedeutendere
als sonst im Zenit der heissen Jahreszeit. Das Hauptinteresse con-
centrirte sich in dem Gastspiel des so rasch beliebt gewordenen
Tenoristen Sontheim. Derselbe trat in diesem Monat in den
folgenden Rollen auf: Fernando (Favoritin), Robert, Eleazar, Masa-
niello, Vasco de Gama, Florestan, Maurico (Troubadour), im Ganzen
lOmal. Unter den für Wien neuen Rollen fand sein Vasco ein-
stimmig Anerkennung; im Troubadour stand ihm eine merkliche
Indisposition hinderlich im Wege ; am wenigsten gelungen war sein
Florestan, eine Rolle, die seinem Naturell wenig zusagt. Der be-
reits zugesagte Fra Diavolo soll einem späteren Gastspiel vorbe-
halten bleiben. Eine Hauptzierde der hiesigen Oper, Beck, war
in diesem Monat noch auf Urlaub. Für ihn saug v. B i g n i o,
der namentlich als Teil, Nelusco reichen Beifall erhielt. Der Te-
norist Walter, etwas siegesmüde von seiner Gastreise, trat als
Arnold, Romeo, Faust und Raoul auf und Hess dem letzten gegen-
wärtigen Tenor Zottmayr den Rest der Tenorpartien. Als Sever,
Gennaro, Johann von Leyden, Max füllte er, bescheidenen Mitteln
entsprechend, seinen Platz genügend aus. Frl. E h n n, deren glän-
zendes Auftreten im Juli vorigen Jahres zu ihrem jetzigen Engage-
ment führte, zeigte sichtliche Fortschritte als Leonore (Favoritin),
Recba, Julie und Selika. Frau Witt, die trefflich geschulte Sän-
gerin, trat erst in der zweiten Hälfte des Monats als Valentine und
Leonore (Troubadour) auf. Frau Dustmann sah sich vielfach
beschäftigt: als Mathilde, Norma, Lucrezia, Fidelio, Agathe zeigte
sie guten Willen, wenn auch die Mittel nicht immer ausreichten.
Als Page Oscar, Isabella, Ines, Bertha gefiel Frl. v. Rabatinsky
in jeder dieser Rollen ; auch Frl. Tellheim, Siegstädt und
Gindele sind nicht zu vergessen; doch griff letztere als Azucena
und namentlich als Selika zu weit aus ; letzterer Rolle wenigstens
zeigte sie sich nicht gewachsen. Als Gast trat Frl. P a u 1 y vom
Bremer Stadttheater einigemal auf (Orsini und Fides) ; ein beab-
sichtigtes Engement kam aber nicht zu Stande. Ihre Stimme, ein
Mezzosopran von kräftiger Tiefe, etwas dumpf in der Mittellage,
heller doch öfters scharfer Höhe, zeigte mangelhafte Durchbildung;
doch fehlte es nicht an dramatischem Ausdruck. Die vielbesprochenen
Vorstellungen des Teil und Freischütz zur Feier des Schützenfestes
neu in Scene gesetzt, liefen ohne besondere Aufregung ab. Auf-
fallend war im Freischütz die Besetzung der Agathe und des Max
durch Frau Dustmann und Zottmayr, da doch mit Frl. Ehnn und
Walter für eine „Festvorstellung" anziehendere Kräfte zur Hand
waren. Passender war die Rolle des Kaspar durch Draxler,
einen Schützen in und ausser dem Theater, besetzt. Chor uud
Orchester wirkten in dieser Vorstellung kräftig zusammen. Die
innere Einrichtung des neuen Opernhauses schreitet rüstig vorwärts
doch ist es müssiges Gerede, auch nur annähernd die Zeit bestim-
men zu wollen, wann dasselbe eröffnet werden soll. Die Haupt-
sache, eine acustische Probe, hat es noch zu bestehen.
» ■•■>
Nach richte
London. Die Trauung der Sängerin A d e 1 i n a Patti mit dem
Marquis de Caux hat in der Capelle der Redemptoristen-Väter in
Clapham stattgefunden. Schon lange vor der festgesetzten Stund«
hatten sich dichte Zuschauermassen vor der Capelle eingefunden,
unter denen Damen nicht gerade die Minderzahl bildeten. Als Zeugen
von Seiten des Bräutigams waren der französische Botschafter Fürst
de la Tour d'Auvergne, der Herzog von Manchester und Hr. Mure
von der französischen Gesandtschaft erschienen. Die junge Künst-
lerin- Marquise wird vorderhand ihrer Kunst getreu bleiben und
fortfahren, die so überaus reichen Glücks- und Ruhmesspenden
welche ihr dieselbe gewährt, — con grazia zu acceptiren.
— Vom 8. bis 11. September wird das 155. der zwischen Glouces-
ter, Worcheater und Hereford alternirenden Musikfeste in Glou-
cester stattfinden. Zur Auffuhrung kommen: Die „Schöpfung" von
H ay d n, die C-dur-Messc von Beethoven, „Elisa" , „Sauna«,"-
- 128 —
und „Messias", das ,;Loreley" »finale von Mendelssohn und
Einzelnes aus „Freischütz" and „Don Juan". Solisten sind die
Damen: Tietjens, Liebhart, Edith Wynne, Sainton-
Dolby, Z an d ri n a und dieHH: Sims Beeres, Veonon
Bigby, Lewis Thomas und S a n 1 1 e y. Als Dirigent wird
Dr. Wesley, der Organist der dortigen Cathedrale, fungiren.
— Hr. Otto Golds chmidt hat auf seine Stelle als Vice-
Präsident der königl. Academie verzichtet.
Wien. Die Direction des Hofoperntheaters bat nun auf Befehl
der General-Intendanz die Verordnung vom 25. October 1865 wie-
der aufgefrischt, gemäss welcher es den Mitgliedern des k. k. Hof-
operntheaters untersagt ist, Hervorrufen bei offener Scene Folge zu
geben, was bei Vermeidung von empfindlichen Ordnungsstrafen nur
in den Zwischenacten erlaubt ist. Nur wenn ein engagirtes Mit-
glied zugleich mit einem Gaste bei offener Scene gerufeu wird,
darf es, aber auch nur einmal während der Vorstellung erscheinen.
Augsburg, 3. Aug. Gestern feierten die hiesigen Männergesang-
vereine „Amicitia," „Cäcilia," „Concordia," „Liederkranz" und „Lie-
dertafel" ' ein Waldfest auf der sogenanuten „Insel," einer von Lech-
canälen umflossenen Waldpartie, welche zu Volksfesten vorzüglich
geeignet ist. Wenigstens 5000 Stadtbewohner folgten den Sängern
dahin, welche das Fest mit Ubland's „Dir möcht' ich diese Lieder
weihen" eröffneten. Acht grosse Chöre wurden unter allgemeinem
Beifall vorgetragen, und dazwischen spielte die Musik des k. 4.
Artillerieregiraents unter Leitung des Stabstrompeters Carl. Von
den durch ihn arrangirten und meisterhaft geleiteten Tonstücken
fanden besondes die „Sturmesmythe" von Fr. Lachner und das
Lenzlied aus den „Meistersingern von Nürnberg" stürmischen Bei-
fall. Die Einnahme .,zum Besten des in Nürnberg zu errichtenden
Hans-Sachs-Denkmals" beträgt nach Abzug der Auslagen 242 fl. 55 kr.
PaHs. Es scheint nun sicher zu s»in, dass Hr. Pasdeloup
die Direction des The'dtre lyrique übernehmen wird.
— Die Gesellschaft dramatischer Dichter und Componisten hat
ihre Fehde mit der Verwaltung der komischen Oper durch folgenden
Vertrag beendet: 1. Die Gesellschaft erhält 12 Procente von der
Bruttoeinnahme unbeschadet des Abzuges für die Armencommission.
2. Die komische Oper verpflichtet sich, jährlich wenigstens 12 neue
Acte aufzuführen , worunter 3 einactige Opern sind. 3. und —
hauptsächlich : Auch für die alten, verjährten Werke wird, wie bei
den neueren, 12 Procent Tantieme au die Gesellschaft gezahlt. —
Dieser neue Vertrag tritt mit dem 1. August d. J. in Kraft und
erlischt mit diesem Tage der alte Contract, welcher eigentlich noch
18 Monate lang bindend war.
*** R. Wagner's „Meistersinger" werden wie in Dresden,
so auch iu Dessau zur Aufführung definitiv in Angriff genommen,
nachdem der Componist sich zu zweckmässigen Kürzungen herbei-
gelassen hat.
"V* Zum zweiten Male hat die k. Akademie der Künste in
Berlin Concurrenz für angehende Componisten um das von Meyer-
beer gestiftete Reisestipendium ausgeschrieben. Der Sieger bei
dieser Concurrenz erhält 1000 Thlr. zu einer 18monatIichen Studien-
reise durch Italien, Frankreich und Deutschland und ist verpflichtet
sechs Monate in Italien, sechs Monate in Paris und sechs Monate
abwechselnd in Wien, München, Berlin und Dresden zum Studium
der musikalischen Zustände der genannten Orte zuzubringen.
*** Hr. Hollmann, ein verdienstvolles Mitglied des k.- Hof-
theaters in Dresden, feierte am 16. Juli eine Art von Jubiläum,
indem er an diesem Abende die Partie des Kilian im „Freischütz"
zum 100. Male sang.
*** Das Journal »VArt musical," dem R. Wagner's Versuche,
steh in Paris geltend zu machen, schon so viele Unruhe verur-
sacht hatte, sieht sich nun neuerdings veranlasst, gegen eine beab-
sichtigte Invasion des Tanzcomponisten Johann Strauss von
Wien, welcher im nächsten Winter in Paris Concerte zu geben
oder gar Bälle zu veranstalten gesonnen sein soll, zu protestiren,
da die Pariser ja auch ihren Strauss, Arban und Musard besässen.
„Französisches Volk," heisst es ungefähr in jenem Journal, „willst
Du ewig in der Ferne schweifen, und das Gute liegt so nah*!' 1
'\ ' *** Müncbener Blättern wird aus Dresden vom 3. Aug.
geschrieben : ÜV1. Mallinger Vom Müuchener Hoftheater , deren
erstes Auftreten auf hiesiger kgl. Bühne durch Unwohlsein um.
eine ganze Woche sich verzögert hatte, eröffnete ihren Gastrollen-
Cyklus gestern im „Luhengrin" als Elsa und erregte einen Beifalls-
sturm des übervollen Hauses, wie er hier wohl nur selten gehört
worden. Das Publikum war von der in allen Theilen schönen
Leistung förmlich hingerissen und es wird hiernach das Gastspiel
ein Epoche machendes werden.
*** Der Herzog von Altenburg hat dem Musikdirector Carl
Riedel und dem Musikalienhändler C. F. K a h n t in Leipzig'
den Sachs. Ernestiuischen Hausorden verliehen.
*** Der bisherige Director des Mozarteu m's in Salzburg»
Hans S ch 1 ä g e r, hat sich in Stuttgart niedergelassen.
*** Bei dem im vorigen Monate inSolothurn stattgefundenen»
schweizerischen Sängerfeste erhielt die „Baseler Liedertafel" den
ersten Preis im Kunstgesange mit dem Liede „Maienzeit" von J.
Rietz. Bemerkenswerth ist, dass genannte Liedertafel nun bereita
zum drittenmale mit Compositionen von Rietz den ersten Preis auf
schweizerischen Sängerfesteu davongetragen hat.
*** Abbe* L i s z t hat sich in das Seebad Grottamare in der
Delegation F e r m o begeben und soll später nach Deutschland,
kommen.
*** Der Bassist S c a r i a vom Hoftheater in D r e s d e n gastirfc
mit günstigem Erfolg in Prag.
*** Die Opernvorstellungen des Stuttgarter Hoftheatera
sollen nach beendigten Ferien mit „Lohengrin" und „Mignon'* von
A. Thomas eröffnet werden.
*** Mlle. N i 1 8 s o n von der grossen Oper in Paris ist für
die nächste Saison am Berliner Operntheater auf zwei Monate*
mit 30,000 Frcs. engagirt.
*** Dem Sänger Niemann ist die Hälfte seiner Convention
nalstrafe, die er an die Dresdener Intendanz zu bezahlen hatte
von dem Könige von Sachsen auf Verwendung des Hrn. v. Hülsen
erlassen worden. Die ganze Strafsumme betrug bekanntlich 400O
Thaler.
*„* In Essen au der Ruhr ist die Capellmeisterstelle vacant.
Der Gehalt beträgt 6—700 Thlr. und ausserdem ist viel Gelegenheit
zu Privatunterricht geboten. Darauf reflectirende tüchtige Dirigen-
ten, welche zugleich gute Geiger und Theoretiker sein müssen,,
haben sich an die dortige Buchhandlung von G. D. Bade ck er
zu wenden.
%* Hofcapellmeister Dr. Stade hat vom Herzog von Alten-
burg das Ritterkreuz und der Kammermusikus Grützmacber in
Dresden das Verdienstkreuz des Sachs. Ernestinischen Hausordens,
erhalten.
\* In Neapel sind wieder zwei junge Tänzerinnen des Thea-
ters „Partenope," Amalia Tromba und Emilia Alsaniello ver-
unglückt, iudem sie, nach einem Tanze hervorgerufen, der Rampe
zu nahe kamen, so dass ihre Kleider Feuer fingen und beide ihren
Brandwunden erlagen.
*** Unlängst wurde in Wien das Modell des S ch u b e r t-
Denkmals im Stadtpark nächst dem, dem Palais des Erzherzog»
Wilhelm gegenüberliegenden Bosquet aufgestellt und es fand die
Wahl dieses Platzes die ungetheilte Billigung aller Zeugen dieser
Probeaufstellung.
*** In Wien starb am 17. Juli in einer Irrenanstalt Joseph»
Bacher, eine durch ihre Beziehungen zu Meyerbeer in der musi-
kalischen Welt bekannte Persönlichkeit. Bacher unterhielt einen
lebhaften Briefwechsel mitLiszt, Berlioz, Rachel, Rossini etc., aber
alle diese mitunter sehr werthvollen Künstlerbriefe sind leider in
Verlust gerathen. Vor mehreren Jahren schrieb Bacher eine Ge-
schichte der Musik in Oesterreich, welche er der Wiener Univer-
sität widmete, allein das Werk ist wegen der vollständigen Unles-
barkeit des Manuscripts unbrauchbar. Die letzten Jahre seine»
Lebens in einer Irrenanstalt untergebracht, machte der Tod den
Leiden des 65jährigen Mannes ein Ende. Er wurde am 19. Juli
auf dem jüdischen Friedhofe beerdigt.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
HP ##.
17. August 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
r "?
Diese Zeitung erscheint jeden j
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
V © ff II a g
von
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ,
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
^ PREIS:
fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
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^j,^.^. — . — ,^.^^^~. ... -t^-jg^
INHALT: Kometen. — Literatur. — Corresp.: Bamberg. — Nachrichten.
H o m c t c ii.
Von W. Lackowitz.
(Schluss.)
IV.
In einem ähnlichen Verbältnisse, wie die beiden genannten
Sängerinnen in der grossen Oper zu einander standen, gesellten sich
eigenthümlicher Weise auch die beiden folgenden, Caroline Seidler
und Jobanna Eunike, in der heiteren Oper und Operette zu einander.
Caroline Seidler, Tochter des Concertmeisters Ant. Wra-
nitzki in Wien, wurde dort um 1790 geboren. Der Vater Hess ihre
ungemein Hebliche Stimme schon frühe ausbilden und dem Betreten
der Bühne stand Nichts im Wege. Im Jahre 1812 verheirathete sie
sich mit dem Berliner Violinisten Seidler, welcher in Folge der
1806 eingetretenen Reduction der kgl. Capelle nach Wien gekom-
men war, wo er sich niederliess, nachdem er noch mit dem russi-
schen Grafen Yermoloff, einem eifrigen Kunstenthusiasten, eine
Kunstreise durch die russischen Hauptstädte unternommen hatte. Im
Jahre 1816 aber erhielt er einen neuen Ruf als erster Violinist und
Concertmeister an der kgl. Capelle nach Berlin und seine Gemah-
lin folgte ihm dahin. Ihre Gastdarstellungen führten zu einem
festen Engagement, welches sie am 3. Juni 1817 antrat. 1838 Hess
sie sich pensioniren.
Ihre Begabung für die Bühne war eine ausserordentliche. Sie
war eine der anmuthigsten, reizendsten Erscheinungen und für ihren
Gesang gibt es gleichfalls keine passendere Bezeichnung, als reizend.
Ihre Stimme war nicht von jener Mächtigkeit, wie die einer Anna
Milder, aber immerhin stark genug, um das Opernhaus zu füllen;
dabei besass sie eine Geläufigkeit, die mehr angeboren, als anstu-
dirt war. Darin lag auch wohl eiu Haupthebel für den Enthusias-
mus, mit welchem sie als schöne Müllerin, Zerline u. s. w. gehört
wurde. Sie verschonte das Publikum mit jenen sichtbaren Kehl-
und Gesichtsmuskelanstrengungen, welche heut zu Tage fast unzer-
trennlich zu sein scheinen von Gesangsvirtuosität; es ist, als ob un-
sere Sängerinnen die Hörer wollten empfinden lassen, unter welchen
Muhen und Anstrengungen ihre Fertigkeit erlernt sei. Die Geläu-
figkeit war Caroline Seidler angeboren, und wenn auch Kunst und
eifriges Studium nicht unwesentlich nachgeholfen hatten, so machte
ihre Kehlfertigkeit einen wahrhaft wohlthuenden, einen erquicken-
den Eindruck, was man von unsern Sängerinnen leider so selten
sagen kann. Es ist aber nicht zu leugnen, dass sie ihre Erfolge
vorzugsweise dem Zauber ihrer ganzen Persönlichkeit verdankte.
Sie war der gefeierte Liebling, die von allen Seiten umflatterte Rose,
und wir haben als zweites Beispiel von solcher durch die Persön-
lichkeit fesselnden und eine wahre Macht im Publikum ausübenden
Erscheinung nur noch die spätere Henriette S o n t a g zu nennen, bei
welcher dies in noch bedeutend höherem Grade der Fall war. Bei
der allbezwingenden Macht einer Nanette S ch e ch n e r und Jenny Lind
steht die Persönlichkeit erst in zweiter Reihe, hier war es die zau-
berische Gewalt der Kunst, welche hinriss bis zum enthusiastisch-
sten Jubel. Welcher Erfolg aber der künstlerisch höhere ist, unter-
liegt natürlich keinem Zweifel.
Dessen ungeachtet war Caroline Seidler eine Sängerin ersten
Ranges. Ihre Passagen waren durch die vollen zwei Octaven ihres
Stimmumfanges hindurch flüssig wie der sprudelnde Quell, die Töne
reihten sich leicht und ungezwungen, in reinster Gleichmässigkeit
an einander und behielten dabei stets den wunderbar schönen Sil-
berklang, der ihr eigentümlich war. Dieser prachtvolle Klang
verlor sich auch nicht mit den Jahren, wenn er auch schwächer
und weniger voll wurde, und noch in ihrer letzten Rolle war der
Ton so rein und klar wie jemals. Wenn man unsere Sängerinnen
dagegen hält, so kommt man doch schliesslich zu der Ueberzeugung,
dass die Gesangsunter Weisung von ehemals eine durchaus andere
gewesen ist, dass sie es verstand, von vornherein, in den elemen-
tarsten Grundlagen dergleichen Auswüchse und Muskelverrenkungen
zu ertödten, welche heut zu Tage leider so an der Tagesordnung
sind. Diese gewaltsame Einübung der Muskeln im unnatürlichen
Gebrauche muss eben eine baldige Erschlaffung und den schnellen
Ruin der Stimme herbeiführen; daher auch diese angezwungenen,
gequälten Töne unserer abwärtssteigenden Sängerinnen, welche selbst
das ungeübte Ohr stutzig machen, das künstlerische aber zur Ver-
zweiflung bringen können. Was Caroline Seidler gänzlich fehlte,
das war das geistige Element, und in dieser Beziehung ist sie in
Parallele zu stellen mit Anna Milder, nur war das Resultat ein ge-
rade umgekehrtes. Bei der letzteren war jede Bewegung plastisch,
classisch, es lag aber in ihrer Natur, sie konnte gar nicht anders,
und Rollen, welche dies nicht ausdrücklich verlangten, schob sie
sicher in eine falsche Richtung, sie passten nicht für sie. Caroline
Seidler dagegen vermochte sich niemals zu einem Bewusstsein hö-
heren Kunstausdrucks im Gesänge, zu einem Adel oder auch nur zu
einer eleganten Feinheit ihrer äusseren Erscheinung aufzuschwingen,
es lag nicht in ihrer Natur; sie blieb immer die reizende Wienerin,
auf der Bühne wie im Leben.
Johanna Eunike ist unter den vier Sängerinnen, welche
hier zum Gegenstande der kleinen kunstgeschichtlichen Excursion
in die Vergangenheit gewählt worden sind, die jüngste und hat der
Bühne die kürzeste Zeit angehört. Sie wurde geboren ausgangs der
neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und erregte schon als
elfjähriges Mädchen in der Rolle des Hannchens (Deserteur) Sen-
sation. Ihr Vater war der ausgezeichnete Tenorist an der königl.
Bühne zu Berlin, Friedrich Eunike und ihre Mutter Therese die
unübertroffene Soubrette (zugleich auch Schauspielerin) an derselben
Bühne. Es lässt sich denken, dass Eltern, welche selbst eine so
hervorragende Stellung in der Kunstwelt einnahmen, dem reichbe-
gabten Mädchen und ihrer Ausbildung alle mögliche Sorgfalt an-
gedeihen Hessen, und Johanna brachte deshalb unter allen vier ge-
nannten Sängerinnen unstreitig das höchste Maass des geistigen
Künstlerbewusstseins mit. Wenn sie ihnen auch an Naturgaben
nachstand, so ersetzte sie diesen Mangel durch die feinere, geistige,
künstlerische Organisation, und ihr durchdachtes, geistvolles Spiel
rief stets enthusiastischen Beifall hervor, ja man kann sagen, dass
- 130
sie uuter den vieren die einzige war, welche auch durch ihr Spiel
etwas 8el bstständiges leistete. Ihre zierliche Gestalt und die aus-
drucksvollen Gesichtszüge bestimmten sie für das Soubrettenfach,
doch war es ihr vermöge ihrer ausgezeichneten musikalischen Bil-
dung möglich, ffir einzelue Fälle auch in die grosse Oper hinüber
zu greifen. Unvergesslich bleibt gewiss einem jeden, der Bie als
Zerline hörte, welche wunderbar feinen Nuancen von Schmeichelei,
Schalkhaftigkeit, Spott sie in die Arie'* Schmäle, tobe, lieber Junge!
zu legen wusste, niemals nach ihr ist so etwas wieder gehört wor-
den, und Caroline Seidler, ihre Nachfolgerin in dieser Rolle, hatte
gerade darin anfänglich eiuen schwierigen Stand. Johanna Eunike
nahm auch den ganzen zauberhaften Eindruck mit von der Bühne
hinweg, denn noch in der Blüthe der Jugend, im Vollbesitze aller
Kunstmittel, sagte sie schon im Jahre 1825 den Brettern, die die
Welt bedeuten, Lebewohl, indem sie den berühmten Maler, Prof.
Franz Kruger, beirathete. Sie starb am 26. August 1856 zu Berlin
und ruht mit ihrem Gatten und ihren beiden Eltern in ein und dem-
selben Erbbegräbnisse. — — —
Wenn im Eingange gesagt wurde, dass diese Zeit der Berliner
Oper eine ihrer glänzendsten Perioden gewesen ist, so wird dies
nach dem Angeführten Niemand gut anzweifeln können. Der unge-
heure Yortheil, dass eine Bühne über solche Kräfte gleichzeitig ver-
fügen kann, möchte sich nicht gerade oft bieten. Bei alledem ist
aber nicht zu leugnen, dass dieser Glanz doch eigentlich nur ein
einseitiger war, gerechtfertigt in vollstem Maasse für den musikali-
schen, gesanglichen Theil, nicht gerechtfertigt aber für den darstel-
lenden. Musikalische Ensembles sind weder vor- noch nachher in
solcher Vollkommenheit gehört worden, wie damals, für die Darstel-
lung würde aber nur Johanna Eunike unsern heutigen Anforderungen
an eine Opernsängerin ersten Ranges genügt haben. Was Anna
Milder durch ihr plastisches Naturell leistete, kann nicht im Ent-
ferntesten verglichen werden mit dem, was schon eine Jenny Lind
geleistet hat. Die so viel höhere Stufe, welche die Kunst heute
einnimmt, fordert von dem dramatischen Sänger aber beides, und
wenn dieser Anforderung in Bezug auf die Darstellung nicht nur in
einzelnen hervorragenden Erscheinungen, sondern auch im Allgemei-
nen heute sehr, sehr viel besser genügt wird, namentlich von den
Sängerinnen, so steht unsere Zeit in Bezug auf die musikalischen
Leistungen jener entschieden nach. Möchte es bald besser werden,
möchte nicht nur von den Sängern, sondern namentlich von den
Gesanglehrern mehr und mehr erkannt werden, dass die Kunst des
Gesanges eine der schwersten Künste ist, die Jahre, lange Jahre
gebraucht, um einen jenen alten Meistern des Gesanges nach allen
Seiten ebenbürtigen Künstler zu erziehen. Dann erst, wenn bei aus-
gezeichneten Naturmitteln der Gesangunterricht keine Parforcejagd
mehr ist, die den Schüler nur so schnell als möglich in Stellung
und Brod bringen, sein Licht vor den Leuten leuchten lassen will,
dann erst ist ein Heil für die Kunst zu erwarten, ist dem Verfall
der Gesangskunst, uher den ja so vielfach geklagt wird, ein wirk-
samer Damm entgegen gesetzt.
Literatur,
Die Auffin düng der Voix mixte der Sopran-
stimme von Friedrich Schmitt, Verfasser der
grossen Gesangschule für Deutschland. München,
1868. Verlag von E. H. Gummi.
Der Verfasser dieses Schriftchens (22 S, in 8°) hat durch seine
im Jahre 1854 zn München im Selbstverlage erschienene, insbeson-
dere auf den deutschen Gesang berechnete grosse Gesangschule,
sowie als practischer Gesanglehrer nach einer von der italienischen
Schule in Vielem abweichenden Methode sich eiuen gewissen Na-
men gemacht, einerseits Anerkennung seiner Prinzipien gefunden (so
ist z. B. seine Gesangsmethode an der neuen kgl. Musikschule in
München, welche unter der Direction des Herrn Hans v. B ü 1 o w
steht, eingeführt und auch von einzelnen Gesanglehrern angenom-
men worden), aber auch andererseits schon mancherlei Anfechtungen
zu erdulden gehabt. Der Verfasser, der viele neue Entdeckungen
im Bereiche der Gesangskunst, resp. der darauf bezüglichen Didak-
tik gemacht und in der Praxis bewährt gefunden zu haben behaup-
tet, hatte vor mehreren Monaten eine Einladung an die Gesangs-
kundigen erlassen, um über den Tonansatz der hohen Lage der
Sopranstimme zu berathen und einen der deutschen dramatischen
Gesangskunst förderlichen Austausch der gegenseitigen Erfahrungen
und Kenntnisse herbeizuführen.
„Die Gesanglehrer in Deutschland haben das Zutrauen verloren
und es war Ehrensache, meinem Rufe zu folgen, — aher es kam
Niemand. Für dieses gewissenlose Fernbleiben von gemeinschaft-
lichen Berathungen sind blos zwei Gründe denkbar: Man will sein
vermeintliches Wissen geheim halten und damit Wucher treiben
oder man will seine Unwissenheit nicht zur Schau tragen ; jeder
Eingeweihte wird errathen, welcher von beiden der wahre Grund
ist. 1 * So schreibt der Verfasser in der in Rade stehenden Schrift
und will also durch die zuletzt angeführte Phrase gewiss nichts
Anderes andeuten, als dass eben in Deutschland effectiv Niemand
Gesang zu lehren versteht, weil Niemand der von ihm ausgegange-
nen Einladung Folge gegeben hat. In Anbetracht, dass die Gesang-
schule des Verfassers, wie er selbst klagt, „mit ihren methodischen
Neuerungen, mit ihren reformatorischen Prinzipien des organischen
Theils der Gesangskunst sich bis auf den heutigen Tag so geringer
Anerkennung und Benutzung von Seiten der Fachmänner
erfreut, u #,durfte sich der Verfasser eigentlich nicht wundern, wenn
dieselben Fachmänner nicht begierig waren, sich über weitere Ent-
deckungen desselben auf dem fraglichen Gebiete belehren zu lassen
und so sehr wir auch mit Schmitt darin übereinstimmen, dass die
gesanglich technische Ausbildung unserer dramatischen Sänger und
Sängerinnen heut zu Tage gar Vieles zu wünschen übrig lässt, so
sind wir doch der Meinung, dass dies nicht blos den Lehrern, son-
dern hauptsächlich den Zöglingen selbst zur Last fallt, welche durch
die geringen künstlerischen Ansprüche des Publikums, das mehr auf
Stimme als auf Gesaugskunst sieht, ermuthigt, der Schule vor der
Zeit entspringen, um nur recht bald ihr natürliches Material mög-
lichst zu verwerthen.
Früher war das freilich anders, als das Publikum nicht nur
die Stimme, sondern auch den Sänger zu beurtheilen wusste, allein
da die Kunstgrössen jener Zeit zu ihrer unbestrittenen Meisterschaft
ohne die Kenntniss der Schmitt'schen Entdeckungen in ihrem Fache
gelangt waren, so lässt sich doch nicht wohl annehmen, dass sämrat-
liche Lehrer, welche nach den früheren, namentlich nach den Prin-
cipien der italienischen Schule Gesanguntericht ertheilen, geradezu
unverbesserliche Ignoranten sind. Es lässt sich dies um so weniger
annehmen, als die Resultate der Schmitt'schen Methode uuseres
Wissens bisher noch nicht als epochemachend aufgetreten sind.
Uebrigens geben wir gerne zu, dass eine Besprechung, resp. Ver-
ständigung der bedeutendsten deutschen Gesanglehrer über die zweck-
mässigste Unterrichtsmethode der Sache selbst wohl nützlich sein
könnte.
Was nun das von Hrn. Schmitt entdeckte neue Stimmregister
der Voix mixte für die hohe Sopranlage betrifft, so sind wir nicht
in der Lage, ein bestimmtes Urtheil über den Werth dieser Ent-
deckung abzugeben, da uns die nöthige practische Erfahrung dafür
fehlt. Es ist dies neue Register nach Angabe des Verfassers eine
Mischung der Kopfstimme mit der Bruststimme und wird hervor-
gebracht, indem die Sängerin von beiden Naturorganen Etwas
entlehnt und dieselben in näher angegebener Weise verschmilzt.
Der Beschreibung nach ist die Anwendung, resp. Aneignung dieses
neuen Registers nicht ohne Schwierigkeit für die angehende oder
auch schon routinirte Sängerin, allein es soll durch dasselbe vielen
Talenten die bisher ihnen verschlossene dramatische Kunst zugäng-
lich gemacht und die sogenannten Mezzo-Soprane, „Bastarde in der
Musik" ganz abgeschafft werden, da ihnen ja durch die Aneignung
der Voix mixte auch die hohe Sopranlage dienstbar wird. Jeden-
falls dürfte die Scbmitt'sche Entdeckung, wenn sie wirklich neu ist,
geeignet sein, die Aufmerksamkeit der betreffenden Fachleute auf
sich zu ziehen und sie zu den entsprechenden Versuchen verarf-
lassen, wesshalb wir das fragliche Schriftchen denselben, wie Allen
die sich für die Gesangskunst interessiren, zur Beachtung empfehlen
möchten.
Gymnastik der Stimme. Anweisung zum
Selbstunterricht in der Uebung und dem
richtigen Gebrauche der Sprach- und Ge-
~ 131
sangsorgane, von Oskar Guttmann. Zweite,
verbesserte Auflage. Leipzig, 1868. Verlags-
handlung von J. J.Weber. (XXX u. 169 S. in 8°).
Ein vortreffliches Werk, welches Jedem, der seine Stimmor-
gane kunstgerecht ausbilden will, also nicht nur dem Sänger, son-
dern Allen, deren Beruf ein öffentliches Sprechen mit sich bringt,
also dem Schauspieler, dem Prediger wie dem Advokaten etc. in ausführ-
licher und anschaulicher Weise die Regeln über den richtigen Ge-
brauch der Stimmorgane, über Athem, Aussprache etc. klar macht,
und ihm einerseits zur Schonung, andererseits zur wirksamsten, den
Regeln der Natur und Kunst entsprechenden Verwendung seiner
Stimme die geeigneten Mittel an die Hand gibt. Die in verhält-
nissmässig kurzer Zeit riöthig gewordene und bedeutend verbesserte
«weite Auflage spricht für den practischen Werth des Buches.
E. F.
CORRESPONDENZEK.
Aus Bamberg;*
Am 9. August fand hier das IL fränkische Bundes-
»äängerfest statt. Der Festplatz war auf dem Michaelsberg,
-einem der Hügel , auf welche die Stadt gebaut ist. Von hier hat
man eine reizende Aussicht auf die Stadt, auf das Regnitz- und
Mainthal bis zu den Fichtelbergen hinauf. Der Festplatz war mit
Laubwerk, bayrischen und fränkischen Fahnen geschmückt. Die
Freitreppe vor der Michaelskirche war zu einem Sänger-Podium
umgewandelt. Am Abend vorher waren die Sänger von Nürnberg
Fürth, Erlangen, Bayreuth, Schweinfurt, Würzburg und den klei-
neren Orten Frankens, zusammen an 50 Vereine angekommen, und
mit Musik nach dem Festplatz geleitet worden. Dann ward das
Fest durch einen Chor-Gesang und eine Begrüssungsrede eröffnet.
Landrichter Schneider aus Bamberg sprach die UVberzeugung
aus, dass die im Jahr 1866 am Main gezogene blutige Linie keine
bleibende Scheidewand zwischen den deutschen Stämmen bilden
-werde. Arndts Vaterlandsli«d veranlasste dann Dr. Gerster zu
einem Hoch auf das einzige ungetheilte Vaterland.
Am Morgen des 9. August war die Hauptprobe; am Mittag
■das Concert. Das Programm umfasste folgende Compositionen : I. Ab-
theilung: 1) Festspruch: „Eintracht hält Macht!" componirt von
Gg. Emmerling. 2) „Mit dem Herrn faug Alles an," componirt
von Jul. Grobe, und in dessen Verhinderung dirigirt von G. Em-
merling. (Solo : Liederkranz und Singverein Nürnberg). 3) „Sonn-
tagsmorgen," Chor von L. Seh äffer in Nürnberg, in dessen Ver-
hinderung dirigirt von S ch r ü f e r, Director des Bamberger
Liedeikranzes. 4) „Das deutsche Herz," von J. V. Becker, diri-
girt vom Componisten. (Solo: Liederkranz B ay reu th). 5) „Wald-
kirche," Chor von Sigmund von H a 1 1 e r, dirigirt vom Componis-
ten. (Solo: Singvereine F ü r t h und Nürnberg). XI. Abtheilung:
6) „Siegesgesang der Deutschen nach der Hermanusschlacht," compo-
nirt von Fr. Abt, dirigirt von Höchstetter aus Fürth. (Sulo: 3
Vereine von Fürth). 7) „Im Walde" von H e r b e ck in Wien,
in Vertretung des leider erkrankten Musikdirectors Geisser aus Bay-
reuth dirigirt von Schrüfer. 8) „Römischer Triumphgesang" von
Max Bruch, dirigirt von Preiss aus Erlangen. (Halbchor: Män-
nergesangverein Würzburg und die 4 Vereine von Erlangen).
3). „Normannssang" von Fr. Kücken, dirigirt von Schrüfer. 10)
»Der 150. Psalm" von Bern er, dirigirt von G. Emmerling aus
Nürnberg. (Solo: Liederkranz von Bamberg).
Nach dem Festspruch begrüsste der Bürgermeister von Bam-
berg die Sänger. An den Chor „Mit dem Herrn fang Alles an"
knüpfte der Fest-Vorstand ein Hoch auf den König Ludwig. Nach
-dem dritten Chor sprach Dr. Gerster die Fest-Rede. Die Mission
<ier Sänger sei nicht, religiöse oder politische Sonder-Interessen zu
verfolgen, sondern die Idee der Zusammengehörigkeit, der Einheit
und Freiheit im Volk wach zu erhalten. In ähnlicher Weise sprach
in einer späteren Pause auch der Vorstand des Turnvereins sich
aus, indem er auf den innigen Zusammenhang von Turn- und
Säogerthum hinwies. Nach dem Programme folgte noch eine ganze
Seihe von Vorträgen der einzelnen Vereine ; dazwischen wurden
Reden gehalten und Musikstucke vom Orchester gespielt. Um dte
Einigkeit, wenn auch nicht Zusammengehörigkeit zu demonstriren r
trafen dabei nicht selten Sänger, Musiker und Redner mit ihren
verschiedenen Weisen zusammen. Die künstlerische Differenz löste
sich indess in der Consonanz des Humors. Am Abend war der
Festplatz beleuchtet; das Portal der Michaelskirche erglänzte in
buntem Farbenspiel, ein zauberisches Bild in der schönen Sommer -
Nacht.
Nachrichten.
Mainz. Das sechste Mittelrheinische Musikf est fin-
det in Darmstadt am 27. und 28. September d. J. statt und ist für
dasselbe folgendes Programm festgestellt: I. Tag: „Samson," Ora-
torium von Händel. II. Tag: Sinfonie in A-dur von Beethoven;
Gesangvorträge der Solisten; „Dank, Preis und Ehr, 8 Motette von
J. S. Bach und der 2. Theil von „Frithjof" von C. Mangold. Die
artistische Leitung des ganzen Festes ist Herrn Hofmusik-Director
C« Mangold in Darmstadt übertragen.
Paris. Der Director der italienischen Oper, Hr. B agier, hat
für die nächste Saison folgende Gesangskräfte eugagirt: die Damen
Adelina Patti, Ilma von Murska, Kraus s, Gross i, Ricci,
Rosel lo und die HH. Tamberlik, Nicolini, Fraschini,
Palermi, Ubaldi (Tenore) ; Delle Sedie, Agnes i, Ver-
ger, Steller (Baritone); C i a m p i, Zimelli, W alle n reite r,
Mercuriali, Fallar (Bässe).
— Vorige Woche kam hier der Prozess zur Verhandlung, wel-
chen Herr Blaze de Bury gegen die Erben Meyerbeer's
wegen der Auslieferung der Meyerbeerschen Compositionen zu dem
von dem Kläger verfassten Texte „Göthe's Jugend" angestrengt hat.
Das Urtheil ist auf die nächste Woche vertagt worden.
— Marschall Vaillant hat als Minister des kaiserl. Hauses
und der schönen Künste wiederum der Preisverteilung für die
Schüler und Schülerinnen des Conservatoriums beigewohnt, die üb-
liche Festrede gehalten und dem Componisten Ambroise Thomas.
Professor des Conservatoriums, das Commandeurkreuz der Ehren-
legion überreicht. Thomas war 1845 zum Ritter und 1858 zum
Offizier der Ehrenlegion ernannt worden.
— Der ehemals berühmte Hornist Dauprat, früher Solist der
königl. Capelle und einer der Gründer der grossen Concertgesell-
schaft des Conservatoriums, ist im Alter von 87 Jahren gestorben.
Er war seit einigen Jahren erblindet.
BrÜSSel, 10. Aug. Die Herren Preisrichter für das von dem Hause
Schott freres in Brüssel, unter Betheiligung des Belgischen
Ministeriums , publicirte Preisausschreiben einer Messe für 3 Stim-
men mit Orgelbegteitung, versammeln sich im Laufe nächster Woche,
um ihr Urtheil über die eingelaufenen Compositionen (101 an der
Zahl) zu fällen. Es sind die Herren: Franz Lach n er aus Mün-
chen; C. Kammerlander aus Augsburg; Lefe bore- Nieder-
meyer, Vervoitze und G e v a e r t aus Paris ; B e n o i t und
de Burbure aus Antwerpen; Ferd. Kufferath in Brüssel an-
sässig ; de V r o y e (le Chanoine) und S o u b r e aus Lüttich. Hr.
F6tis (Vater) wird der Versammlung präsidireu und Hr. Chevalier
Van Elewyck hat die Functionen des Secretärs übernommen.
*#* Das Alter der Musikfeste. (W. F.-Bl.) Musikfeste
im grossen Massstabe gab es bereits vor Jahrhunderten. Kurfürst
Johann Georg von Sachsen veranstaltete am 13. Juni 1615 ein
Monstreconcert in Dresden, bei dem eine Art von Oratorium „Ho-
lofernes" zur Aufführung kam. Der Text dieses grossen Werkes
war vom Dichter Pflaumen kern, die Musik von Grund-
mauer. Es kamen zu diesem Feste nicht weniger als 1495
deutsche, italienische, polnische und schweizer Musiker — oder wie
man damals sagte, Spielleute — nach Dresden. Aus Krackau kam
der Contrabassist Rakotzky mit einer über 7 Fuss hohen BabS-
geige. Die Hauptpartie sang ein Wittenberger Student, Namens
R u u d e r. Anstatt der Pauken bediente man sich eines grossen
Mörsers, der rechtzeitig an den betreffenden Stellen von den kur-
fürstlichen Constablers abgefeuert w^rde.
%* Von dem vor Kurzem in Rom verstorbenen Maestro Gio-
vanni Pacini hat sich eine der vollkommensten, aus seiner Blüthe-
- 132 —
seit herstammenden Compositionen wiedergefunden. Es ist das Origi-
nal-Manuscript einer achtstiromigen Messe, die Pacini im Jahre 1831
dem Pabste Gregor XVI. aur Huldigung überreichte. Dieser war
ein gelehrter Theolog, der aber für die Kirchenmusik weniger Sinn
hatte als mancher ander« Pabst; er verehrte das Werk dem Mon-
signor Alfieri, nach dessen Tod es in den Besitz seiner Schwester
tiberging. Alfieri selber, einer der bewährtesten Kenner der alten
Kirchenmusik, hinterliess ein Antiphonarium, Graduale und Hym-
narium nebst den Litaneien der in der Neuzeit hinzugekommenen
canooisirten Heiligen im Gregorianischen Gesänge. Es war die
Arbeit eines Lebens. Pabst Pius IX. Hess sie durch eine Comission
revidiren und die Congregation der heiligen Riten empfahl ihre
Veröffentlichung. Allein es fanden sich nicht die Mittel zur Be-
strettung der allerdings nicht geringen Kosten, und so hat man,
was sicherlich zu bedauern ist, darauf verzichtet.
*** Varnhagen von Eose über Beethoven. Das fol-
gende in doppelter Beziehung durch seinen Verfasser, sowie durch
den Umstand, dass derselbe nicht musikalisch war, merkwürdige
Schriftstück, welches bis jetzt in Varnhagen's Werken noch
nicht abgedruckt worden ist, wurde uns durch die Güte des Herrn
R. Zeune, Inhaber eines Antiquariums für Autographen und Por-
träts in Berlin, zu Theil. Wir unterlassen bei dieser Gelegenheit
nicht, auf dieses überaus reichhaltige und interessante Etablisse-
ment aufmerksam zu machen, indem wir noch besonders anerken-
nend des vortrefflichen Materials gedenken, welches uns Hr. Zeune
einst bei Abfassung unserer Biographie Otto Nicola Ts geboten
hat.
Varnhagen's Brief*) lautet an den betreffenden Stellen folgen-
dermassen: „. . . . Die letzten Tage im Ausgang des Sommers
lernte ich in Tölpitz Beethoven kennen, und fand in dem als
wild und ungesellig verrufenen Manne den herrlichsten Küntler von
goldenem Gemüth, grossartigem Geist und gutmüthiger Freundlich*
keit. Was er Fürsten abgeschlagen hatte, gewährte er uns beim
ersten Sehen, er spielte auf dem Pianoforte. Ich war bald mit ihm
vertraut, und sein edler Character, das ununterbrochene Ausströmen
eines göttlichen Hauchs, das ich in seiner übrigens sehr stillen
Nähe immer mit heiliger Ehrfurcht zu empfinden glaubte, zogen
mich so innig an ihn, dass ich tagelang der Unbequemlichkeit sei-
nes Umgangs, der durch sein schweres Gehör bald ermüdend ward,
nicht achtete, und besonders die letzten nur mit ihm und seinem
Freunde Oliva, einem der besten Menschen, den Körner auch ge-
kannt hat, zubrachte. Wosste ich es nicht durch unverwerfliche
Zeugnisse, dass Beethoven der grösste, tiefsinnigste und reichste
der deutschen Tonkünstler ist, so hätte der Anblick seines Wesens
es mir, sonst in Musik ganz Unkundigen, unwiederspsrechlich dar-
gethan. Er lebte nur für seine Kunst, und keine irdische Leiden-
schaft entstellt ihre Ausübung bei ihm, unglaublich fleissig und
fruchtbar ist er. Er suchte das Weite auf seinen Spaziergängen,
und auf einsamen Wegen zwischen Bergen und im Wald, beruhigt
in die grossen Züge der Natur blickend, denkt er Töne, freut er
sich seines eigenen Herzens. Ich erwähne solcherlei, damit Du ja
nicht versuchen mögest, ihn mit einem anderen Musiker zu ver-
gleichen, sondern ihn bestimmt absondern mögest. Könnte ich Dir
sagen, wie schön, wie rührend, fromm und ernst, als küsse ihn ein
Gott, der Mann aussah, als er uns auf dem Fortepiano himmlische
Variationen vorspielte, die so reines Erzeugniss eines waltenden
Gottes waren, dass der Künstler sie dem Verhallen überlassen musste,
und, wie gern er auch gewollt, sie nicht auf dem Papier festhalten
konntet Diesem nun, mein theurer Freund, habe ich alle Deine
Gedichte, die abzuschreiben leider nicht Zeit war, auf sein Begehren
geschenkt, und Du kannst hoffen, bald einen Theil davon compo-
nirt zu sehen. Ich freue mich dabei, als wären sie von mir. a
Den beredten, begeisterten Worten Varnhagen's ist nichts hin-
zuzufügen; sie sprechen für sich und werden jeden Musiker mit
Freude erfüllen. Wir finden in ihnen den Extract alles dessen,
was .über Beethoven zu sagen ist, niedergeschrieben von einem
Manne, der also auch in dieser Beziehung sich als Autorität zeigt.
Mag Beethoven auch bei Lebzeiten vielfach verkannt und verketzert
worden sein, ein Schicksal, welches er mit allen Grossen der Erde
theilt: das Urtheil aus solchem Munde, so innig durchdrungen,
*) An L. Unland vom Jahre 1811.
warm und wahr ausgesprochen, wiegt alle absprechenden Wort»
jener Zeit auf. Es sollte in Zukunft in keiner Beethoven-Biographie»
fehlen, denn es ehrt ebensowohl den Schreiber und den Adressaten»
wie unseren Meister, drei Männer, welche das deutsche Vaterland
in die erste Reihe der Seinigen stellt.
H. M. (Musica Sacra v. Fr. Witt.)
*** Der italienische Tanzcomponist Gungl gibt mit seinem treff-
lich geschulten Orchester sogenannteTromenade-Concerte in Genf,
welche dort eine ausserordentlich beifällige Aufnahme finden.
*** Der bekannte Orchesterdirigent und Componist A r d i t i
ist vom Sultan zum Offizier des Medjidieh-Ordens, dessen Ritter-
kreuz er schon früher erhalten hatte, befördert worden.
*** Die Aufführungen der „Meistersinger," deren 8 e ch s t fr
am 16. Juli in München stattgefunden hat, sollen im nächsten-
Winter wieder aufgenommen und die Rollen des Hans Sachs und
Beckmesser von Mitgliedern der dortigen Hofbühne ausgeführt
werden.
%• Ferdinand Hill er hat von der Universität Bonn da»
Ehrendiplom als Doctor philos. erhalten.
*** Hr. U 1 1 m a n n hat in W i e n eine hübsche, junge Ungarin
mit einer prächtigen Stimme und ungewöhnlichem Talente entdeckt
und dieselbe der Frau M a r ch e s i in Cöln zur Ausbildung anver-
traut. Der unermüdliche Impresario wird im November eine Concert-
tour in Belgien mit folgenden Künstlern unternehmen : Gesang: Mllo.
Carlotta P a 1 1 i, die HH. G e r a 1 d y und Leon; Piano : A.Jaell;
Harfe: Felix Godefroid; Flöte: De Vroye; Violine: H. Vi-
euxtemps; Violoncell: L. J a q u a r d; Harmonium : F r 6 n k a
aus Wien.
*** In C o nsta nt in op el ist der Gründer des dortigen.
Operntheaters und Vater des jetzigen Dirigenten desselben , Hr*
Michel Naum gestorben.
*** Am 27. Juli fand in Nürnberg ein Concert aller dor-
tigen Gesangskräfte für das Hans Sachs-Denkmal statt. Man führt»
auf: Ouvertüre zu „Rienzi" von R. Wagner; „Römischer Triumpb-
gesang" von Max Bruch; „Es muss doch Frühliug werden" voa
Ferd. Hiller; H-moll-Sinfonie von Schubert; „Siegesgesang der Deut-
schen nach der Hermannsschlacht" von Fr. Abt; „Normannssang*
von Kücken; „Das Dichtergrab am Rhein" von Möhring; Trom-
petenouvertüre von Mendelssohn u. A.
*** Iu Bielefeld ist die Sängerin Frl. Marie Crüwell (Schwe-
ster der berühmteu Cruvelli) plötzlich gestorben.
*** Dem technischen Dirigenten der musikalischen Akademie
in Königsberg, Heinrich Lau dien, ist das Prädikat Mu»ikdi-
rector verliehen worden.
ANZEIGEN.
AMSTERDAM: Th. J. ROOTHAAN * Gie.
&
Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst
dankenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer
der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.)
MBr. «7. J>. MMEMJTJE,
GRJMENLAMS WORSTELSTRIJD
(Griechenlands Kampf und Erlösung.)
BEETHOVENS
Ruinen von Athen.
Clavierauszup fl. J. 60. (netto) Stimmen fl. 1. 60.
Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend,
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich
der BEETHOVEN'scben Musik an. Möchten die deut-
schen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch
machen. (AHg. Musik-Ztg.)
Leipzig: FR. HOFMEISTER.
K
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz*
17. Jahrgang.
M* Sd.
24. August 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
tr
-1
*
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAGk
Manabonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
Ton
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co.
Art
PREIS:
fl.2.42kr.od.Th.l.l8Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
-trfc
INHALT: Simon Sechter. — Aus Paris über die „Meistersinger." — Literatur. — Nachrichten.
Simon Seeliter.«)
(Biographische Skizze.)
Sechter' s Name wird in der Kunst des Tonsatzes für alle
Zeiten neben den grössten Meistern in diesem Fache genannt wer-
den. Wer von seiuen Schülern die nöthige Ausdauer hatte, an sei-
ner Hand die Fundamentallebre, die Lehre der chromatischen Har-
monik, Enharmonik, den einfachen und doppelten Contrapunkt,
Canon und Fuge durchzumachen, wird zwar die unerbittliche Strenge,
mit der der Meister jeden einzelnen Gegenstand erschöpfte, im
Augenblicke mitunter wohl schwer empfunden , sich aber überzeugt
haben, dass sein System von einer Einfachheit, Klarheit und Con-
sequenz ohne Gleichen dasteht und auch dem kühnsten Aufbau zum
mauerfesten Fundamente dient.
Dem Wunsche eines ehemaligen Schülers nachkommend, hat
Sechter ein halbes Jahr vor seinem Tode in flüchtigen Zügen eine
Skizze seines Lebenslaufes entworfen, die bereits in den „Signalen"
(Jahrgang 1867 N° 40) benutzt, auch den nachfolgenden Zeilen, mit
wesentlichen Zusätzen ergänzt, zu Grunde gelegt sei.
Simon Sechter wurde am 11. October 1788 in dem kleinen
Städtchen Fridberg im Budweiser Kreise in Böhmen geboren.
Seine Eltern waren nicht musikalisch; Lesen und Schreiben
lernte Sechter von seinem Bruder Bartholomäus; ging dann auch
zur Schnle bis zu seinem eilften Jahre, wo er anfing Musik zu ler-
nen, anfangs mit Widerwillen, später mit Lust, so dass er schon im
zweiten Jahre aus eigenem Antrieb Versuche zu componiren machte
und im dritten Jahre sogar einige Messen schrieb. Sein Lehrer war
der Regens chori Johannes M a x a n d t , der ausser Sechter noch
viele Musikschüler hatte und auf den einzelnen nicht viel Zeit ver-
wenden konute Eine ordentliche Anleitung gab es da nicht, weder
im Violin- noch Ciavier- uud Orgelspiel, die Hauptsache blieb dem
Privatfleiss des Einzelnen überlassen. Im 14. Lebensjahre wurde
Sechter Schulgehülfe zu Pfarrkirchen in Oberösterreich, ohne im
mindesten für die Stelle vorbereitet zu sein. „Zum Glücke" war
im Winter nicht viel zu thun, da Pfarrkirchen hoch gelegen, von
Kälte und Schnee viel zu dulden hatte, und die zur Pfarre gehöri-
gen Ortschaften ihre Kinder im Winter gar nicht zur Schule schick-
ten. So blieb Sechter auf den Organistendienst beschränkt und
studirte fleissig die vorfindlichen Musikwerke bewährter Meister.
Nach abermaligem Aufenthalt zu Hause, wo Sechter ohne jede An-
leitung sich auch auf dem Contrabass einübte, kam er nach Linz,
wo er die Normalschule besuchte, nm sich der Präparandenprüfung
zu unterziehen, jede freie Zeit aber zum componiren benutzte. Im
Jahre 1804 nahm ihn der Güterdirector des Fürsten Starhemberg
als Correpetitor für seine Kinder mit nach Wien, das dann Sechter,
einige kurze Ausflüge nach Linz und seiner Heimath abgerechnet,
nicht mehr verliess. Er hatte gleich Anfangs ein Engagement bei
*) Von C F. Pohl für den Jahresbericht des „Wiener Musik-
Conservatoriums" geschrieben und mit des Verfassers Bewilligung
hier reproducirt. (Anm. d. Red.)
einer Dame, die er, in gleicherweise wie Haydn in seiner Prüfungs-
zeit, in der italienischen Singstunde am Piano begleitete, wobei er
aber, mit mehr Vorkenntnissen ausgerüstet, selber mehr profitirte,
als die Schülerin. Lectionengeben half ihm weiter, bis er im Jahre
1809 beim Einzug der Franzosen sein bischen Habe verlor. In die-
ser Zeit lernte er auch den berühmten Contrabassisten Dragonetti
kennen, der sich damals in Wien aufhielt, zum öffentlichen Auftre-
ten aber nicht zu bewegen war. Sechter setzte zu dessen Concerten
die Ciavierbegleitung und blieb mit ihm auch später in schriftlichem
Verkehr. Dragonetti, ein Original in jeder Beziehung, vergass sei-
nen Wiener Frennd auch im Tode nicht und reihte ihn unter die
Erben seines nicht unbeträchtlichen Vermögens.
Durch Empfehlung eines Freundes kam Sechter im Jahre 1810
als Ciavier- und Gesanglehrer ins Blindeninstitut. Da er keinen
Anspruch auf Bezahlung machte, bescheiden sich äussernd t er müsse
erst etwas geleistet haben, wurde er wenigstens regelmässig zu
Tische geladen. Nun gab es wieder neue Aufgaben, wie den Blin-
den das Ciavierspielen am sichersten beizubringen sei. Zugleich
componirte Sechter für seine Zöglinge Lieder, ein- und mehrstimmige
und sogar zwei Messen, und war die Singstunde immer ein Fest,
worauf sich alle freuten. Bald durfte es Sechter wagen, sich mit
seinen Zöglingen des Blindeninstitutes auch öffentlich hören zu las-
sen. So gab er u. A. im Mai 1813 im landständischen Saale ein
Concert, dessen Programm ein Septett für drei Harfen, zwei Violi-
nen, zwei Clarinett und Fagott; ferner „die Glocke" von Schiller,
von sämmtlichen Zöglingen gesungen, nennt; beides von Sechter
componirt. Ein ähnliches Concert fand im November 1815 statt,
und die adelige Damengesellschaft übergab nun dem Lehrer 100
Gulden als Geschenk und wies ihm einen monatlichen Gehalt an.
In demselben Institute lernte Sechter Catharina H eckmann kennen,
die er im Jahre 1816 heirathete.
Nach und nach mehrte sich die Zahl einträglicher Lectionen,
was aber Sechter nicht abhielt, seine theoretischen Studien fortzu-
setzen und fleissig zu componiren. Namentlich waren es die Werke
Bach's und Mozart's, die er gründlich studirte und wer Sechter
kannte, weiss, mit welch 1 unbegrenzter Verehrung er diesen beiden
Tonheroen bis an sein Ende huldigte. An Abbe" Stadler fand
Sechter einen thätigen Freund. Auf dessen Anregung schrieb er
eine Messe für die kais. Hofcapelle, die auch aufgeführt wurde.
Da sie aber mit zu vielen Fugen „gespickt" war, musste er eine
zweite schreiben ohne diesen Schmuck, die auch Kaiser Franz so
wohl gefiel, dass er eine Wiederholung verlangte , aber — Partitur
und Auflagestimmen waren nicht zu finden. „Wie dies geschehen
(schreibt Sechter) ist mir noch heute ein Räthael." Es folgte noch
eine dritte Messe und für jede erhielt der Componist 60 fl. Auch
anderwärts wurden damals Arbeiten von Sechter aufgeführt, so in
den Concerts spirituels im Stadtsaal zur Mehlgrube unter Ge-
baue r's Leitung ein Requiem (Mai 1821) und ein Chor aus Schil-
lert „Braut von Messina" (April 1822), beide Werke eines „tüch-
tigen Contrapunctisten" in ehrenvollster Weise in den Zeitungen
besprochen.
4U4
- 134
Im Jahre 1824 ward« die Stelle eines zweiten Hoforganisten
an Secbter vergeben und ein Jahr später rückte er nach Worzi-
scheek's Tode als erster Hoforganist vor. Sein Ruf als Lehrer
der Harmonielehre und des Contrapunktes muss schon damals be-
deutend gewesen sein. Selbst Franz Schubert, nachdem er
bereits seine unvergänglichen Werke geschaffen, hielt es nicht für
überflüssig, die Methode Sechter's durch eigene Erfahrung kennen
au lernen. Schon hatte er sich mit einem zweiten Schüler (Ciavier-
lehrer L a n z) verabredet, gemeinschaftlich bei Sechter zu studiren ;
zur ersten Lection aber kam nur Lanz und entschuldigte den Mit-
schüler wegen Unwohlseins. Bald darauf war Schubert verschieden.
Kaiser Ferdinand hatte ein Requiem von Sechter's Composition
gehört, das ihm sehr wohl gefiel. Dies war die Veranlassung, dass
der Componist ihm eine grosse Messe widmete, wofür er durch die
grosse goldene Medaille ausgezeichnet wurde. Bald darauf erhielt
er auch den herzoglichen Lucca'schen Ludwig-Orden „ae? onorevole
attestato dei distinti meriti, che adornano la persona del Pro-
fessore Simone Sechter pel suo profondo sapere nell arte della
musica. n (Fortsetzung folgt.)
Aus Paris über die ««Meistersinger".*)
Wie die Wagner'sche Musik immer mehr aufhört, eine rein
deutsche Angelegenheit zu sein, davon habe ich hier in Paris seit
Jahren, und auch während meines letzten Aufenthaltes in London
zahlreiche Beweise gehabt. Dort feierte man das Händel-Fest, und
zwar mit einer Grossartigkeit, dass die musikalischen Gemüther
wohl ausschliesslich davon erfüllt sein konnten; dennoch drehte
sich das Gespräch bald um die „Meistersinger", sobald zwei Musi-
kantenköpfe beisammen waren. Hier, wo man der Gegenwart einen
ungleich wichtigern Platz einräumt, auf dem revolutionären Boden,
welcher die Tannhäuser-Schreckenstage und später die Lohengrin-
Volkserhebungen im Circus möglich machte, war die Theilnahme
für die Münchener Ereignisse noch weit lebhafter, und unser Aller-
weltsblatt, der „Figaro," hielt sich seinen fünfzigtausend Abonnen-
ten gegenüber für verpflichtet, seinen musikalischen Berichterstatter,
Herrn Leroy, kaum von der Aufführung des Schumann'schen
„Faust" aus Basel zurückgekehrt, wiederum auf Reisen, und zwar
direct nach München zu schicken. Da in dem mächtigen? Chorus
von kritischen Stimmen, die sich bei dieser Gelegenheit erheben)
auch ein Urtheil aus Frankreich Gehör verdient, so theile ich Eini-
ges aus Leroy's Bericht mit, umsomehr, da dieser Kritiker als war-
mer Freund des Fortschritts und gründlicher Musiker weit über
seine Collegen hervorragt. Mit dem zu früh verstorbenentG a s p e-
rini aufs Innigste verbunden, hat er dessen geistige Erbschaft an-
getreten und sich muthig auf einen Posteu gestellt, der hierorts
ohne einen starken Vorrath von Hingebung und Selbstverleugnung
kaum zu behaupten ist. „Wollte ich hier Alles sagen," so beginnt
»»<.<. der Bericht, „was ich über den musikalischen Werth der „Meister-
singer" denke, so würde sicherlich mehr als einer meiner Leser
über mich lächeln, besonder*» von denen, welche den „Tannhäuser"
auszischten — ohne ihn recht anzuhören. Diesen™ und manchen
Anderen möchte ich beiläufig bemerken, dass wohl niemals eine
unglücklichere Wahl getroffen ist, als die, welche dem Helden des
Venusbergs die Thore der französischen Oper öffnete. Es gehörte
wahrlich eine vollständige Unkenntniss unseres Geschmacks und
unserer Sitten dazu, um gerade auf dieser Bühne das urdeutscheste
Werk Wagner's zu riskiren, dasjenige, welches am sichersten unsere
nationalen Neigungen in Bezug auf Musik und Drama verletzen
musste.
Glücklicherweise fehlt es den Parisern seit jenem denkwürdigen
Falle nicht an Gelegenheit, die Wagner'sche Musik genauer zu
prüfen. Sie haben in den Volksconcerten Stücke aus „Rienzi," dem
„fliegenden Holländer," „Lohengrin" und selbst „Tannhäuser" gehört
und nicht wenig applaudirt. Es ist also heute möglich, laut seine
*) Wir entuehmen der „Neuen Zeitschrift für Musik" folgenden
Artikel, welcher einerseits einen Auszug aus der Kritik eines Pari-
ser Referenten über die neueste Oper Wagner's, andererseits eine
berechtigte Zurückweisung der von demselben Kritiker in herkömm-
licher Weise betonten Suprematie des Pariser Urtheils über jedes
andere enthält.
Bewunderung für den Autor des „Tristan" auszusprechen, ohne sich
einer ernstlichen Gehirnzerrüttung verdächtig zu machen.
Darauf hin behaupte ich getrost, dass die gestern in Mün-
chen dargestellte Oper ein Meisterwerk ist, sowohl wegen der hohen
Schönheiten,, welche sie enthält, als auch wegen der glücklichen
Modifikationen in der Schaffensweise des deutschen Meisters. Sein
Styl hat sich in merklichem Grade abgeklärt, seine Phrase ist
schärfer begrenzt, die Tonarten treten entschiedener auf, als in frü-
heren Werken, und ungeachtet der Mannichfaltigkeit der melodi-
schen und harmonischen Elemente, deren gleichzeitige Anwendung
noch immer den Hauptcharacter der Wagnerischen Musik bildet,
strahlt das Licht klarer hervor aus der symphonischen Masse, welche
er mit so überraschender Sicherheit und Macht haudhabt. Uebrigens
füge ich hinzu, dass Wagner trotz aller Bewegung und jugendlichen
Frische, trotz aller Wahrheit des Ausdrucks, welche in den kleinsten
Details hervorleuchtet, sich auch in den „Meistersingern" noch nicht
hat frei machen können von jener, seinen früheren Werken nach-
theiligen Tendeuz der Weitschweifigkeit. Dieser Mann, welcher an
Alles denkt und Alles überwacht, scheiut gewissen Gesetzen des
Gleichgewichts, welche der dramatische Autor nie ungestraft über-
schreitet, keinerlei Rechnung zu tragen. So dauerte die gestrige
Vorstellung, ungeachtet kurzer Entreacte, vier und eine halbe Stunde,
während sie ohne jeden Nachtheil auf drei und eine halbe Stunde
hätte reducirt werden können."
In diesem speciellen Falle möchte ich protestiren und Hrn.
Leroy bemerken, dass vielleicht ein mangelhaftes Verständniss der
deutschen Sprache seinen freien Blick über die Proportionen des
neuen Werkes beschränkte. In abstracto jedoch und auf diesen
deutschen Character überhaupt angewendet, muss ich seinen Tadel
nur zu sehr beherzigen, und jeder deutsche Landsmann, der in in-
timen Verkehr mit dem Auslande die Nachtheile der deutschen
Weitschweifigkeit in Redeweise und Ideengang empfunden hat, wird
auf meiner Seite sein.
Leroy schliesst mit folgender Bemerkung: „In seiner Zurück-
gezogenheit, am Ufer des Luzerner Sees, denkt Wagner noch immer
an Frankreich, an Paris. Er weiss genau, wie es Meyerbeer, Ros-
sini und Verdi wussten , dass der Hauptsadt Frankreichs allein die
endgültige Entscheidung über den Werth einer neuen Kunstrichtung
zusteht. Wie auch seine Freunde und er selbst sich darüber äussern,
Paris ist es, wohin er mit allen Kräften strebt." Noch einmal muss
ich mir einen Einwurf erlauben. Ich kenne Paris zu genau, um
die Wirkung einer, mit hiesigen grandiosen Mitteln unternommenen
Aufführung zu unterschätzen, sowie ich auch der leidenschaftlichen
Theilnahme des Publikums pro und contra (diesmal besonders pro)
gewiss bin. Ferner ist nicht zu leugnen, dass eine starke Majorität
des deutschen Publikums noch immer mit Spannung den Orakel-
sprüchen der Pariser Presse horcht, — trotzdem steht fest, dass
Deutschland seit 1866 nicht allein in politischer Beziehung selbst-
ständiger geworden und dass es weit entfernt ist, die „endgültige
Entscheidung" in irgend welcher Angelegenheit einem Nachbar zu
Überlassen. Das oben besprochene Interesse der Nachbarn an den
Münchener Aufführungen dürfte allein schon als Beweis meiner Be-
hauptung gelten. W. Langhans.
Literatur,
Der Ciavierunterricht. Studien, Erfahrungen
und Rathschläge von Louis Köhler, Verfas-
ser der „Systematischen Lehrmethode für Clavierspiel
und Musik.'* Dritte, verbesserte und vermehrte
Auflage. Leipzig, 1868, bei J. J. Weber.
Die erste Auflage dieses Werkes erschien im Jahre 1860, die
zweite 1861 und wie des Verfassers instructive Ciavierstücke und
Etüden sich durch ihren practischen Werth immer mehr Bahn ge-
brochen haben und heute keinem intelligenten Lehrer mehr unbe-
kannt sind, so haben auch .die in dem uns vorliegenden Buche ent-
haltenen und begründeten Ansichten und Belehrungen, welche das
Ergebniss der gewissenhaften Beobachtungen eines geistvollen Prac-
tikers sind, immer mehr Anerkennung und das Buch selbst immer
weitere Verbreitung gefunden, in Folge deren diese dritte, aber-
- 135
in als in vieler Hinsicht geläuterte und verbesserte Auflage nöthig
geworden ist. Dies ist an und für sich Empfehlung genug für die
in jeder Beziehung wertbvolle Arbeit des Verfassers. Für jene
Fachleute, denen das in Bede stehende Buch noch unbekannt sein
sollte, theilen wir über den Inhalt desselben Folgendes mit. Der
1. Theil enthält auf 252 Seiten folgende Abschnitte: Allgemeine
Grundzüge. 1. Die Wahl der Musikstücke. 2. Zur Unterrichtsweise.
3 Zur musikalischen Erziehung. 4. Das Vorspielen. 5. Das Aus-
wendigspielen. 6. Das Vomblattspielen. 7. Das Vierhändigspielen.
8. Musikalisches Talent und Behandlung desselben. 9. Vom Ueben.
10, Die Unterrichtsstunde 11. Der Pedalgebrauch. 12. Ciavier*
iehrarten und Clavierlebrerwnhl. Der II. Theil bringt von Seite
253 bis 334 „Besondere Beobachtungen, '* in denen nichts vergessen
ist, was auf das Ciavierspielen, dessen Erlernung und den Unter-
•riebt darin abgesehen von dem Inhalt des I. Theils irgendwie Bezug
hat, so dass es für Lehrer wie für Lernende in diesem Fache kaum
einen ausführlicheren , verlässigeren Führer geben dürfte , als das
hiermit empfohlene Buch.
Katechismus der Musik von J. L. Lobe. Zehnte
Auflage. Leipzig, Verlag von J. J. "Weber.
Dieser „Katechismus der Musik," der wegen seines practischen
Zweckes, den er durch die zweckmässige Anordnung seines Inhal-
tes und durch die fassliche Darstellungsweise desselben in vollstem
Maasse erfüllt und vollkommen geeignet ist, insbesondere der so
krassen Unwissenheit vieler Dilettanten in Bezug auf die unentbehr-
lichsten Elemente der musikalischen Theorie abzuhelfen, hat sich
bereits einer seltenen Verbreitung zu erfreuen, und wenn das Werk-
chen eines so tüchtigen alten Practikers, wie der Verfasser dieses
Büchleins, noch einer besonderen Empfehlung bedürfte , so möchte
-dieselbe schon in der Thatsache enthalten sein, dass überhaupt das
Erscheinen der vorliegenden zebuteu Auflage nöthig geworden
ist. Das Büchlein wird sich auch jedem Lehrer als Leitfaden beim
Unterricht als vollkommen practisch bewähren.
Nachrichten.
Darmstadt. Die in unserem Opernpersonal entstandenen em-
pfindlichen Lücken sind durch das Engagement der Damen : Frl.
Asmine Üb rieh, Fr. Mayr-Olbrich und Frl. Perl, sowie
der Herren Lederer von Hamburg (Heldentenor) und Mayr
von Riga (lyrischer Tenor) in erfreulicher Weise ausgefüllt worden.
München. Am 2., 4. und 5. d. M fanden die Prüfungsconcerte
der kgl. Musikschule unter Mitwirkung eines Theiles des kgl. Hof-
orchesters und unter der Leitung der HH. Hofcapellmeister von
Bülow und W tillner statt. Das reichhaltige und mannigfaltige
Programm dieser Concerte gab den Zöglingen der jungen Kunst-
anstalt, welche dieselbe natürlich grossentheils mit schon vorge-
schrittener technischer Ausbildung betreten haben, Gelegenheit, ihre
verschiedenen Talente und ihre künstlerischen Fortschritte zu er-
proben. Es kamen in den 3 Concerten folgende Werke zur Auf-
führung: Chöre a capella von Palestrina und Roselli; die Cantate
^Gottes Zeit" von Seb. Bach ; Doppelconcert für zwei Violinen von
Seb. Bach; Orgelpräludium; Violinconcerte von Viotti, Rode, Vieux-
temps, Beriot und Hermann; Ciavierwerke von Liszt, Haydn, Beet-
hoven, Mozart, Hummel, Moscheies, Mendelssohn, Schumann, Chopin
Weber ; Stücke für Fagott von Romberg und Cramer, für Clarinette
von Bärmann, für Violoncell von Mendelssohn; Trio von Haydn;
Orgelsonate von Mendelssohn ; Sologesänge von Weber, Schubert,
Schumann etc ; Chorlieder von Julius Mayer, Schumann, Hauptmann
und verschiedenen Schülern der Compositionsclasse, sowie auch De-
clamations-Vorträge.
Cassel. Herr Hofcapellmeister Reis hatte das Unglück beim
Kachhausegehen aus dem Theater in der Nähe seiner Wohnung von
'einer Droschke überfahren zu werden und den rechten Oberarm zu
brechen, so dass er wohl mehrere Wochen lang dem Directions-
-pulte wird fern bleiben müssen. Die Theilnahme an dem Unfall
-des mit Recht beliebten und geachteten Meisters ist eine allgemeine.
— Frau S o 1 t a n s trat nach den Ferien zum ersten Male wieder
als Jessonda auf. Es ist dies eine der besten Partien der vor-
trefflichen Künstlerin und sagt ihrer Stimme und ihrem ganzen
Wesen ganz besonders zu. Reichlicher Beifall wurde ihrer schönen
Leistung zu Theil. Auch Hr. Müller (Nadozi), Hr. Lindemann
(Dandau) und Frl. S 1 e v o g t (Amazili) füllten ihre Rollen zur Zu-
friedenheit aus und Chor nnd Orchester wirkten zu einem tüchtigen
Ensemble bestens mit.
Chemnitz. Der durch seine Reisen in Süddeutschland und den
Rheingegenden rühmlich bekannte Pianist und Organist Julius
Buckel, gegenwärtig hier als Organist an der St. Jakobi-Kircbe
angestellt, hat in der kurzen Zeit seines Hierseins es sich eifrig 1
angelegen sein lassen , zur Verfeinerung des hiesigen Musikge-
schmackes und namentlich zur grösseren Würdigung der hier ver-
hältnissmässig wenig gekannten Kammermusik, nach seinen besten
Kräften beizutragen. So wird derselbe u. A» in der Jacobi-Kirche
eine Reihe von musikalischen Productionen veranstalten, in welchen
Orgelvorträge mit der Aufführung von Gesangs- und Instrumental-
werken gediegener älterer und neuerer Meister abwechseln sollen.
Dass es dem hiesigen Publicum im Ganzen nicht an dem Sinne für
solche Productionen fehlt, das beweisst die Thatsache , dass die
erste derselben, welche am 30. Juli stattfand, von nahezu 900 Per-
sonen besucht war und dass man die in gediegener Auswahl und in
zweckmässiger Abwechslung vorgeführten Meisterwerke mit grossem
und allgemeinem Wohlgefallen aufnahm. Möge Hr. Buckel fort-
fahren, auf dem von ihm betretenen Wege den Geschmack für die
ächte Kunst zu beleben und es wird ihm der Beifall und die Unter-
stützung der wahren Musikfreunde gewiss niemals fehlen.
Paris. In Folge der Preisausschreibung für die beste Compo-
situm zu der komischen Oper „le Florentin" von Saint- Georges
sind nicht weniger als 63 Concurrenz - Arbeiten eingelaufen. Von
den 63 Bewerbern haben sich 43 persönlich gestellt, um nach der
Anordnuug des Ministers des Innern selbst die Mitglieder des Preis-
gerichts zu erwählen und diese haben nun in Folge getroffener
Uebereinkunft 18 Sachverständige bestimmt, aus deren Zahl nach
erhaltener Zusage der Annahme von Seiten der betreffenden Per-
sönlichkeiten das eigentliche, aus 9 Personen bestehende Preis-
gericht gewählt werden soll.
— Man sagt, dass Herr Pasdeloup in dem Falle, dass er
sich mit dem Eigenthümer des Cirque de V Imperatrice in Betreff
seiner diesjährigen populären Concerte nicht verständigen sollte,
gesonnen sei, dieselben in das Tke'ätre lyrique zu transferiren.
— Am 15. August fanden wie gewöhnlich Gratisvorstellungen
auf den bedeutenderen Bühnen von Paris statt. Man gab in der
grossen Oper „Hamlet" von A. Thomas und die Hymne von Ros-
sini; in der komischen Oper „les Dragons de Villars" und „le
Docteur Mirobolan" nebst einer Cantate ,7a Bonne Moisson" von
Charlot. Die übrigen Theater gaben die gerade im Zuge befind-
lichen Vorstellungen.
— • In der komischen Oper ist „Zampa" mit A c h a r d in der
Titelrolle mit grossem Erfolge wieder auf die Bühne gebracht worden.
— Die Einnahmen der Theater etc. in Paris betrugen im Mo-
nat Juli nicht mehr als 643,806 Frcs.
%* Der Tenorist Wachtel hat in Wiesbaden eine schöne
Villa um den Preis von 50,000 fl. angekauft.
*** Der junge Banquier Hermann Cohn, Bräutigam der
Violinvirtuosin Charlotte Deckner, wird , da man bei ihm
eine prächtige Tenorstimme entdeckt hat , nach hinreichenden
Vorstudien im nächsten Winter in Königsberg auftreten.
*** Die Coloratursängerin Frl. M a r e k ist mit bedeutendem
Gehalt für die Oper in Mailand engagirt worden.
*** In dem Privatbesitze eines Berliner Musikers, Hr. Mendel,
befindet sich ein sehr interessantes Original-Manuscript von Felix
Mendelssohn-Bartholdy, bestehend aus drei Liedern von
hohem Kunstwerthe, von denen zwei noch nicht gedruckt, überhaupt
noch unbekannt sind. Der Titel dieses Werkes, wie alles Andere
vom Componisten selbst geschrieben, heisst: „Drei Lieder für eine
Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, von Felix Mendelssohn-
Bartholdy. Dem Maler Schramm zu freundlichem Andenken und
bestem Danke. F. M. B. Leipzig, den 4. November 1840," Diese
Lieder sind also genau 7 Jahre vor seinem Todestage und in seiner
besten Zeit geschrieben. Die Ueberschriften sind: 1. Im Kahn („Mein
Liebchen, wir sassen beisammen.") 2. „O könnt' ich zu dir fliegen.' 1
3. Des Hirten Winterlied. („O Winter, schlimmer Winter.")
(Zellner's Bl. f. M.)
— 136 —
*«* Mao schreibt der „ A, A. Ztg." aus Dresden: In den
Kreieeu der hiesigen Bühnenkünstler macht gegenwärtig, die mehr-
malige Iaeognito * Anwesenheit des Hrm v. Hülsen viel too sich
reden, da er dnreh unterderhand gestellte Engagementsanträge die
besten Kräfte von hier abzuziehen sucht. Gibt doch die Vereini-
gung von fünf Hoftheatern in seiner Hand Hrn. v. Hälsen gaut
enorme pecuniäre Hülfsmittel, so dass er Gagen an bieten vermag,
gegen welche kein Theater aufkommen kann. Dresden allein, wo
jetat übrigens, beiläufig erwähnt, die Bewohner der Neu- und Anton-
stadt die Concession zur Errichtung eines aweiten Stadttheaters an
erlangen suchen, macht Hrn v. Hülsen noch einige Sorgen, man
kann hier allenfalls noch hervorragende Kräfte fesseln, ist in
Geschmack, Mode etc. unabhängig von Berlin, ja in mancher Be-
siehung diesem Centralisationspunkte sogar überlegen. Daher glaubt
man denn eben auch, dass es darauf abgesehen ist , das hiesige
Hoftheater in eine abhängige Stellung zu Berlin zu bringen, was
freilich nicht gelingen dürfte. So viel ich höre, soll auch Fränlein
Mallinge r, welche jetzt durch vier Gastrollen das hiesige Publi-
kum ganz enthusiasmirt hat, keine Lust verspürt haben, sich für
Berlin engagiren zu lassen, vielmehr soll sie für unsere Hofbühne
gewonnen worden sein.
*** Das Münchener Blatt „Neueste Nachrichten" schreibt: Wie
weit es der Mensch durch die Kraft seines Willens bringen kann,
davon hat man sich vorgestern in dem Concerte, welches der ohne
Arme geborne Violinist Hermann Unthan im Cafe Holzinger
gegeben, wieder überzeugen können. Es ist staunsnerregend , was
dieser junge Künstler leistet] Er ersetzt die ihm von der Natur
versagten Arme derart durch die Füsse, dass man die natürlichen
Hindernisse kaum mehr bemerkt. Die Violine ist auf einem Piede-
stale wagrecht festgeschraubt, der linke Fuss führt den an die grosse
Zehe befestigten Bogen sicher, leicht und kräftig, während die wie
Finger ausgebildeten Zehen des rechten Fnsses das Griffbrett so
gewandt und genau behandeln, dass schnelle Passagen, Flageolet-
töne und selbst Doppelgriffe dem Gehör in meist reiner Intonation
vermittelt werden.
%* Im Hoftheater zu Weimar werden während der gegen-
wärtigen Ferien zweckmässige bauliche Veränderungen im Zuschauer-
raum vorgenommen.
*** Der Niederländische Verein zur Beförderung
der Tonkunst" hat Ende Juni in Amsterdam seine 39. or-
dentliche Generalversammlung unter dem Vorsitze des Hrn. Profes-
sors Schueevoogt abgehalten Es wurden die HH. G. A. H e i n-
ze in Amsterdam und W. F. G. Nicolai in Gravenhage zu
Ehren-Mitgliedern und die HH. W. A. A m b r o s (Prag), Hans von
Biilow (München) und Anton Rubinstein (Petersburg) zu
correspondirenden Mitgliedern ernannt. Der Verein zählt in 13 Ab-
theilungen 2082 contribnirende Mitglieder, darunter 115 Künstler;
ausserdem 34 Ehren- und 40 correspondirende Mitglieder. Die Fi-
nanzen des Vereins, befinden sich in sehr erfreulichem Zustande und
insbesondere hat die von dem Vereine begründete und unterhaltene
Künstler-Stiftung schon ziemlich ansehnliche Unterstützungen und
Pensionen an Künstler oder deren Wittwen vergeben können. Die
Vereinsbibliothek enthält 2000 grössere und kleinere Werke. Die
Musikschulen des Vereins zählten im Jahre 1867/68 706 Zöglinge,
— die Gesangvereine 772 Mitglieder. In demselben Jahre wurden
von den Abtheilungen des Vereins 32 grössere Tonwerke zur Auf-
führung gebracht. Als Preisaufgabe wurde für das laufende Jahr
aufgestellt — für Bewerber aller Länder — eine Monographie über
den niederländischen Organisten und Gründer der deutschen Orgel-
schule, J. P. S w e 1 i n k (geboren in Deventer 1540) mit beigefüg-
ter Sammlung 111 ) seiner in Druck oder als Manuscript vorhandenen
Compositionen. Prämie nach Umständen 100 bis 350 fl. Die zweite
Preisanfgabe, für niederländische Componisten, besteht in
einem Concertwerk für gemischten Chor, Soli und Orchester,
mit holländischem, deutschem oder französischem Texte, in den letztge-
nannten Fällen mit beigefügter holländisch-metrischer Uebersetzung.
1. Prämie 200 fl ; 2, Prämie 100 fl. Einsendung Dezember 1868.
Die Concurrenzarbeiten sind längstens bis zum 30. September 1869
deutlich geschrieben (die deutsohen mit lateinischer Schrift) porto*
frei zu senden an Dr. J. P. Hei je in Amsterdam.
*) Soll wohl beissen „Verzeicbniss" ?
(Anm. d. Red.)
*** Der Capellmeister des österreichischen Infanterie-Regiment»
„Herzog von Würtemberg", Hr. Zimmermann, der sich durch
die Preisleistungen seiner Capelle in Paris einen weitbekannten
Namen erworben, hat sich in die Stellung eines Stadtcapellmeistera
in Kronstadt (Siebenbürgen) zurückgezogen.
*«* Der Gesanglehrer Friedrich Schmitt ist von München«
nach Wien übergesiedelt.
*** Das „Conservatorium für Musik" in Wien zählte laut
Jahresbericht in dem abgelaufenen Schuljahre 1867/68 204 weib-
liche und 230 männliche, im Ganzen 434 Zöglinge. Es waren an
der Anstalt unter der artistischen Leitung des Hrn. Concertmeister»
Jos. Hellmesberger 24 Professoren thätig ; die dem Conser-
vatorium vorgesetzte Direction der „Gesellschaft der Musikfreunde"
besteht aus einem Präses (Hr. Dr. Franz Egg er, k. k. Hof- und
Gerichtsadvokat), einem Präses - Stellvertreter (Hr. Nik. Dumba,
Gutsbesitzer) und zwölf Directions-Mitgliedern.
*** Herr Capellmeister Reinecke in Leipzig hat seine Gat-
tin, geb. Scharnke, unter welchem Namen dieselbe als vortreff-
liche Coloratursängerin bekannt war, durch den Tod verloren.
*** Die Leipziger Bühne wird wohl die erste in Deutsch-
land sein, welche A üb er 's Oper „Der erste Glückstag tt zur Auf-
führung bringt, indem dieselbe dort bereits am 15. September in
Scene gehen soll.
*** Die Brendel'sche „Neue Zeitschrift für Musik" enthält in
ihrer letzten Nummer folgende Correspondenz aus Paris: „Herr
Pasdeloup, welcher Carvalho's Erbschaft als Director des
Thedtre lyrique angetreten hat und mit R. Wagner's „Rienzi" den
Anfang seiner Verwaltung einweihen will, hat Hrn. Hof capellmeister
Dr. Hans v. Bülow zur Uebernahme der Stellung eines ersten
Capellmeisters an diesem Operntheater unter den glänzendsten Be-
dingungen und mehrjährigem Contract aufgefordert. Wie wir ver-
nehmen, ist Hr. v. Bülow nicht abgeneigt, nach Paris überzusiedeln,
wo gegenwärtig der Boden für deutsche Musik — vornehmlich durch
Hrn. Pasdeloup — so günstig vorbereitet ist.
*** Der Professor des Pianofortespiels am Conservatorium in
Leipzig, Herr E. F. Wenzel, hat bei Gelegenheit seines
25jährigen Jubiläums „in Anerkennung seiner vorzüglichen und ver-
dienstlichen Wirksamkeit" vom König von Sachsen das Ehrenkreuz
des Albrechtordens erhalten.
*** Der Pianist und Componist Gottschalk hat eine Kunstreise
nach Buenos- Ayres unternommen und ist dort in einem Concerte
zum Besten einer neugegründeten Waisenanstalt mit ungeheuerem
Erfolge aufgetreten. Beiuahe wäre ihm jedoch die Reise dahin ver-
hängnissvoll geworden, indem der Dampfer, auf den er sich einge-
schifft hatte, unterwegs mit eiuem Dreimaster zusammenstiess , wo-
durch beide Schiffe bedeutend beschädigt wurden ; es wurden jedoch
sämmtliche Passagiere glücklich ans Land gebracht.
*** Der ehemalige Director des Conservatoriums in Prag,
J. F. Kittl, ist unlängst in Polnisch- Lissa gestorben.
ANZEIGEN.
Verlag von B. SelioU'a Salinen in Mainz.
Sinfonien für grosses Orchester, Partitnr.
Neue billige Ausgabe in 8° auf das Sorgfältigste von anerkann-
ten Künstlern revidirt.
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Die lte, 2te, 8tc, 4te, 8te und 9te Sinfonie sind bereits ans*
gegeben, die übrigen werden nach und nach im Laufe des Som-
mers folgen.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
i7. Jahrgang.
m- &s.
31. Augast 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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*
Diese Zeitung erscheint jeden
| MONTAG.
\ Man abonnirt bei allen Postr
j ämtern, Musik- & Buchhand-
\ lungen. |
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von
PREIS:
fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg.
B. SCHOT T'S SÖHNEN lll MAINZ. Durch die Post bezogen:
i 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
INHALT: Simon Sechter. — Preissiogen in Amsterdam. — Nachrichten.
Simon Sechter«
(Biographische Skizze.)
(Fortsetzung und Schluss.)
In die von Dr. Aug. Schmidt herausgegebene „Allg. Wiener
Musik-Zeitung" lieferte Sechter sehr schätzenswertbe Beiträge, Apho«
rismen, Rhapsodien, die in gedrängter Kürze manch 1 lehrreichen
Wink für Musiker enthalten. Wir finden darin auch einer Ange-
legenheit erwähnt, die ihn in den 40er Jahren als Lehrer lebhaft
anregte. Sechter, der es tief verabscheute, ein Kind durch Abquälen
zum „Wunder" abrichten zu wollen, befand sieb plötzlich selbst
einem Wunderkinde gegenüber, bei dem aber von einer sogenannten
Dressur gar keine Bede sein konnte. Wie mag dem in Lectionen
vergrabenen Manne zu Muth gewesen sein, als er unter der Legion
seiner Tagsschüler plötzlich einen Knaben findet, in dessen zarter
Brust, ihm selbst unbewusst, die gotterfüllten Keime der edelsten
Frucht schlummerten und nur der kundigen Hand bedurften, um
zum höchsten Lichte entgegen geführt zu werden. „Der Lehrer
(schreibt Sechter), der ein solches Kind findet, das aus freier Nei-
gung und mit ganzem Eifer, ja mit ganzer Seele sich einer Kunst
hingibt, fühlt sich sehr oft überrascht, wie im Kinde eine Menge
Ideen schon bereit liegen, die er nur zu entwickeln und zu ordnen
braucht. Und wenn nun das Kind zugleich gutwillig ist und sein
ganzes Vertrauen in (»einen Lehrer setzt, so kanu er wohl gegrün-
det auf etwas Ausserordentliches hoffen und er wird dasselbe wie
ein geheiligtes Kleinod ansehen, welches seiner heiligsten Menschen-
pflicht anvertraut ist."
Diese Zeilen und mehr noch die folgenden gewähren uns einen
tiefen Einblick in das innerste Wesen des Meisters, der sein Lehrer-
amt nicht für schnöden Tageslohn sondern als echter Priester der
Kunst vertritt. Sechter schreibt einige Monate später (22 Mai 1843):
„Lieber Freund! Ich habe über den kleinen Julius B e noni einige
Zeit nichts berichtet, weil ich mich von seinem Fortgange in der
Harmonie genau überzeugen wollte; nun aber kann ich Sie versichern,
dass er mir immer lieber wird, und dass ich fest überzeugt bin,
dass dieser Unterricht ihm nicht allein keine Anstrengung macht,
sondern dass er allein durch ihn befriedigt wird, weil Musik das
Element ist, worin er sich ganz frei bewegt. Weder von mir, noch
von seiner hohen Gönnerin wird ihm der geringste Zwang angethan,
denn Alles geht ganz frei und freudig von ihm selbst aus. Ich
habe eine zu grosse Achtung für seinen ihm von Gott gegebenen
Genius, als dass ich ihm irgend einen Zwang auflegen wollte, den
er nicht selbst aus freiem Antriebe sich auflegen will* Um zu wis-
sen; dass er sich sehr wohl befinde, darf mau nur sein heiteres Ge-
sicht, seinen freudigen Blick sehen, seine freundlichen Scherze hören.
Mir ist durch diesen Knaben ein neues Leben aufgegangen, dessen
ich mich wahrhaft freue."
Kurze Zeit darauf wurde von dem damals 8jährigen Knaben
«ine Messe an der St. Peterskirche aufgeführt, die bei Kennern und
Laien Staunen erregte ; dann folgte (wenn ich nicht irre) eine Oper.
Und doch! Heute wird Jeder fragen: Wer ist Benoni? ! — Zugleich
mit ihm hatte auch der jugendliche Pianist Carl F i 1 1 s ch Unter-
richt bei Sechter genommen, auf denjjdie Kunst mit Recht grosse
Hoffnungen baute, die aber die rauhe Hand des Todes gar bald zu
nichte machte.
Im Jahre 1850 erhielt Sechter die Stelle eines Professors der
Compositionslehre am Wiener Conservatorium, die er bis zu seinem
Tode inne hatte. Die Zahl seiner Schüler aus aller Herren Länder
war nun so bedeutend, dass es monatlanger Vormerkung bedurfte
um in eine freigewordene Stunde einrücken zu können. Kaum,
dass sich der rastlos thätige Mann an Abenden Erholung gönnte,
indem er bewährte Freundeskreise aufsuchte. Zu diesen zählten
vor allen derk. RathHölzel und die Capellmitglieder Staudigl
und Lutz. Staudigl als Bassist, Lutz als Tenor sangen mit ihm
alle Compositionen durch und Sechter suchte von ihren Erfahrungen
zu profitiren. Für einen geschlossenen Familienkreis bearbeitete
er auch eine Anzahl deutscher Volkslieder eontrapun-ctisch, denen
dann bald komische Situationen, Operetten, folgten, die meist auf
einen Scherz ausliefen. Eine derselben fand ohne Sechter's Zuthun
ihren Weg in die Oeffentlichkeit und machte seinerzeit viel reden.
Im Privatleben war Sechter die Anspruchslosigkeit selbst ; aus
seinen treuherzigen Augen sprach die vollste Gutmüthigkeit. Was
„practisch Leben* heisst, kannte er nicht; er Hess sich leiten wie
ein Kind, zufrieden wenn er ausser seinen Lectionen dem Tag sein
musikalisches Opfer bringen konnte an Canons, Präludien und na*
mentlich Fugen, deren er eine erstaunliche Menge lieferte und wo-
zu er sich die Thema's auf die wunderlichste Art erfand. Sein mu-
sikalischer Nachlass in Autographen zeigt, dass er seit dem Jahre
1850 es sich zur technischen Aufgabe stellte, täglich und unbeirrt
durch was immer für eine augenblickliche Gemüthsstimmung, wenig-
stens eine Fuge zu schreiben. Die bare Unmöglichkeit, in den
Thema's, deren Zahl auf viele Tausende hinauslief, immer Neues
bringen zu können, zwang ihn, sich selbst Fesseln anzulegen. Die
erste beste Zeitungsnotiz diente als Folie, durch entsprechende He-
bung und Senkung, Länge und Kürze, nach allen Gesetzen der
musikalischen Declamation, die unerwartetsten Notengruppen her-
beizuzaubern.
Es bildete sich daraus von selbst eine Art musikalisches Tage-
buch, in dem Scherz und Ernst sich wunderlich kreuzen. Die bei-
gefügten Daten zeigen auch, dass der Meister öfter eine wichtige
Tagsbegebenheit, einen Erinnerungstag zum Grunde des Thema
legte. Eine Fuge aber musste daraus werden, denn „Nie ohne
dieses! 11 , wie eine der Ueberschriften sagt. Gleich jenem gefeierten
Tondichter, der selbst eine Speisekarte für componirbar erklärte,
schrieb Sechter „Auch ein Wäschzettel kann zu einer neuen Com-
positum dienen/' Nichts was er sah und hörte, war sicher vor
ihm. Rollte der Donner, so hiess es : „beute steht ein Gewitter
am Himmel." Spielereien mit Wörtern nnd ihre Wiedergabe in
Noten z. B. Cassa, Hass, Abgabe, Es geschehe, Ade, Bagdad, Affe,
Baggesen, Bach, Fesca etc. dienten nur als bescheidene Ahwechs*
lung; und als ein Herr erklärte „Er (sein Name) laste sich nicht
138 —
in Musik setzen," half sich Sechter mit „Singet darum seine Worte,
dann ist er doch in Musik gesetzt!" Ueberall witterte er eine Ge-
genstimme, denn der Contrapunct besteht nicht allein in der Musik)
sondern zwischen Lehrer ued Schüler, zwischen Herr und Diener,
zwischen Mann und Frau; überall heisst es: verträglich sein."
Seinen Nachstellungen war selbst das eigene Ich nicht sicher ; so
brachte er dem Schöpfer an seinem Geburtstag (11. October 1865)
sein musikalisches Opfer: „Gott hat mich behütet mein ganzes
Leben hindurch, dafür sei ihm unendlicher Dank!" Und am 24.
Dezember mitten unter dem Fugenfeld gedenkt ein frommes Lied
der Eltern: „Liebe Mutter! Die du mir schon in meiner Jugend
entrissen worden, noch lebt Dein mildes Gemüth in meinen Ge-
danken und deinem Beispiele sowie jenem meines Vaters verdanke
ich es, dass ich die Lehren des Christentbums noch in meinem
Herzen trage." — Selbst am Sarge* der Gattin sucht sein Herz
Trost in einer Fuge: „Ausgelitten hat sie, die sanfte und geduldige
Frau, nun wird ihre Geduld belohnt."
Bezeichnend sind namentlich nachfolgende Ausrufungen, die
ein düsteres Bild entrollen und auf jeue Zeit (1865) deuten, in der
der würdige Greis, ein missbrauchtes Opfer seiner Gutmüthigkeit,
eine harte Prüfungszeit durchzukämpfen hatte. „Entsagen heisst
es, entsagen und wieder entsagen." — „Die Hoffnung auf Gott
läset nicht zu Schanden werden." — „Die Zeit rückt heran, jetzt
heisst es: stehe fest!" — „Wenn es draussen stürmt, ist es am
nöthigsten, sich mit seinem Innern zu beschäftigen." — »Wir stehen
alle in Gottes Hand." — „Wenn man Schulden fordert, wird man
ausgelacht." — „Das Leben ist ein' verteufelt schwere Kunst." —
— — — „Herr! hilf uns, wir gehen zu Grunde!" — —
Wir stehen am Jahre 1867, Sechters Sterbejahr. Der Meister
fing bedenklich zu kränkeln an, er musste sogar mit seiner ihm so
lieb gewordenen Beschäftigung aussetzen. Doch siegte diesmal noch
die Lebenskraft. Und gleich dem Hirsch, der nach frischen Quellen
schmachtet, trieb es den Meister zu seinem lieben Contrapuncte.
In schlichten innigen Worten feierte er den 13. Januar : „Wie der-
jenige , der lange nicht bei seiner Geliebten war , sich nach ihr
sehnt, so sehnen wir uns nach der Fuge."
Aber die Freude war von kurzer Dauer; diesmal gewann die
Krankheit die Oberhand. Der Meister fühlte, dass es zu Ende gehe-
Noch einmal, am 20. April, führt die welke Hand die Feder und
dient zum Ausdruck frommer Ergebenheit: »Wie Christus von dem
Tode erstanden ist, so hoffeu auch wir vom Tode zum Leben über-
zugehen !"
Es war die letzte, die Schlussfuge ! Noch eine kurze Spanne
Zeit und der grösste Theoretiker, den Oesterreich seit F u x be-
sessen, hauchte am 12. September seinen müden Geist aus.
Sechter, der als Wittwer starb, hinterliess einen Sohn und eine
verheirathete Tochter. Dem feierlichen Leichenbegängnisse im St,
Stephansdome wohnten zahlreiche ehemalige Collegen, Schüler und
Freunde des Verblichenen bei, Ebenso seiner Gedäcbtnissfeier am
16. September, wobei unter Gottfried Preyer's Leitung des Ver-
blichenen Requiem in würdiger Weise aufgeführt wurde. — Sechter
starb arm wie eine Kirchenmaus. Der Mann, dessen ganzes Leben
eine ununterbrochene Kette von Arbeit gewesen, sah sich am Ende
seiner Tage in hohem Stockwerk wieder zum „Zimmerherrn" degra-
dirt. Wem mochte es nicht eisig kalt anwehen, wenn er den fast
80jährigen Greis — ein sprechendes Beispiel vom Wandel der Ge-
schicke — getrennt von seinen nächsten Angehörigen, im schmuck-
losen Zimmer, beim matten Licht einer einzigen Kerze seine Augen
mit rastlosem Schreiben sich abmüden sah. Vermögen; Effecten,
Orden, goldene Medaillen, ja selbst Uniform und Degen (womit zum
Schmuck der Leichenfeier eine treue Freundeshand aushelfen musste!)
hatte längst jenes Jahr verschlungen, in dem Sechter ausrief: „Herr
hilf uns, wir gehen zu Grunde!" —
Ein Verzeichniss seiner Schüler hat sich unter Sechter's Papieren
nicht vorgefunden, es hätte nach Tausenden zählen müssen. Wohl
macht der schon erwähnte handschriftliche Entwurf am Schlüsse
damit einen Versuch, bringt es aber kaum über die Zahl zwanzig.
So seien wenigstens diese hier namhaft gemacht : Gottfried P r e y e r,
Hof- und Domcapellmeister, die Fürsten Georg und Constantin
Czartoryski, Gustav Nottebohm, Anton Brückner, Engel-
bert Aigner, Carl und Franz Frisach, Baron Gudenus, Otto
Bach, Th. Dirzka, Job. Ruf inatscha, Thomas Löwe, Th.
Derffl, Th. Döhler, Oscar M o n tl o n g, C. F. P o h 1, Frl.
Rosa Kastner, v. Perisutti, Frl. Stametz-Maier.Stan-
z i e r i, Carl F i 1 1 s ch, H o v e u (Vesque v. PÜttlingen), Selmar
B a g ge, Leopold und Rudolf B i b 1, Julius ßenoni, S t a n k o-
vitz, Eugenio Galli, Henri Vieuxtemps, Ernst Pauer und
Sigismund T h a 1 b e r g.
Trotz der zahlreichen Lectionen, die Sechter täglich in dem
Zeitraum von über 60 Jahren ertheilte, entwickelte er auch im
Componiren einen fabelhaften Fleiss. Nur der allerkleinste Theil
seiner Werke erschien im Stich. Alles Uebrige, darunter nament-
lich Orgelwerke, Messen und verschiedene Kircheucompositionen
ist zerstreut im Privatbesitz Einzelner. Die grösseren Werke schenkte
Sechter noch bei Lebzeiten der k. Hofbibliothek und dem Archiv
der „Gesellschaft der Musikfreunde." Dort ist auch sein musika-
lischer Nachlass hinterlegt. Zu seinen veröffentlichten weitaus be-
deutungsvolleren theoritischen Schriften ist auch die von ihm neu
bearbeitete „Abhandlung von der Fuge" von Friedr. Wilh.
Marpurg (Wien, bei Spiua) zu zählen, die im zweiten Theil von
Sechter eine ausgezeichnete Analyse der grossen Fuge in Mozart's
„Jupitersinfouie" enthält.
Sein bedeutendstes Werk aber, „die Grundzüge der
musikalischen Compositio n," in drei Bänden bei Breit-
kopf und Härtel erschienen, sichert ihm für alle Zeiten einen Ehren
platz neben den grössten Contrapunctisteu
Preissingen in Amsterdam.
In Amsterdam fand am 8. und 9. August ein nationa-
les und internationales Preissingen statt, veranstaltet
von der seit 1848 dort bestehenden Liedertafel „Euterpe," woran
sich etwa 800 Sänger (darunter 250 aus Amsterdam) betheiligteo.
Es waren im Ganzen 16 Männergesangvereine vertreten, welche
mehr oder minder stark an Zahl in Einzelvorträgen um die aus-
gesetzten Preise rangen. Das Preissingen fand am 8. August in
den Räumen des Park's statt. Als Preisrichter fungirten die HH.
J. H. V e r h u 1 s t, J. G. Bastiaans, W. F. G. Nicolai aus
Holland, Fr, Weber (Director des „Cölner Männergesangvereins")
und Chazotte aus Paris, welche in folgender Weise entschieden:
In der niederländischen Abtheilung: I. Preis, eine goldene
Medaille und 100 fl., „Rotte's Männerchor" aus Amsterdam (Di-
rigent Herr C A. de Vliegh); II. Preis, eine gekrönte silberne
Medaille, der „Utrechter Männergesangverein" (Dirigent Herr
A. J. van Schaik); III. Preis, eine silberne Medaille, der Männer-
gesangverein „Amphion" aus Rotterdam (Dirigent Herr Alex.
W. A. Heyblom. In der internationalen Abtheilung erhielt
den I. Preis, eine goldene Medaille und 300 fl., die „Socie'te des
Orphäomstes' 1 von Ar ras iu Belgien (Dirigent Herr Albert Du-
haupas); den II. Preis, eine gekrönte silberne Medaille und 100
fl., »Amstels Mannenkoor H (Amsterdamer Männerchor, Dirigent
Herr Richard Hol); der Ifl. Preis, eine silberne Medaille und 50
fl., die Liedertafel „Oefening haart Kunst" (Uebung führt zur
Kunst) aus Amsterdam (Dirigent Herr Robert C o 1 1 i n. Ausser-
dem erhielt Arras auch noch, als die am weitesten hergekommene
Liedertafel, eine silberne Denkmünze. Es wurden am selben Tag«
auch die Männergesänge, welche unter den, iu Folge einer früher
von der „Euterpe" ausgeschriebenen Preisbewerbung, eingelaufenen
100 Concurrenzarbeiten als preiswürdig nach dem Ausspruch der
biezu bestellten Jury (Ferd. H i 1 1 e r stand an deren Spitze) erkannt
worden waren, vorgetragen und sodann die Namenzettel geöffnet
und die Namen der Preisträger ausgerufen. Es sind dies die Her-
ren: Ludwig Stark von Stuttgart, Eugen Drobisch von Minden
G. Hamm von Venlo, als Componisten, von : „Volker's Nacht-
gesang ,• „Ergo bibamus" und »Goeden Nacht 11 (Gute Nacht).
Jeder der drei Sieger erhielt eine goldene Medaille und 100 fl.
Die Theilnahme des Publikums war bei dem Preissingen, sowie
bei den öffentlichen Unterhaltungen und musikalischen Productionen
des zweiten Tags im sogenannten Paleis voor Volksvlijt eine
ausserordentlich zahlreiche und lebhafte und die allgemeine Stim-
mung war eine freudig gehobene und durch keinen Missklang ge«
störte. Rühmlichste Erwähnung verdienen auch noch die an beiden
- 139 —
Festtagen zwischen den Gesängen eingeschalt eten Orchestervorträge
unter der Leitung der Herren W. Stumpf und J. M. Coenen.
lachrichten.
Darmstadt. Das Groash. Hoftheater ist am 20. d M. mit Mo*
zart's „Zauberflöte" wieder eröffnet worden und die Aufführung war
eine sehr gelungene. Die neuengagirten Mitglieder, Frau Mayr-
Olbrich (Königin der Nacht) und Herr Leder er (Tamino) fan-
den eine recht günstige Aufnahme, sowie auch die Träger der
Übrigen Partien, Chor und Orchester zur Abrundung des Ganzen
recht wacker zusammenwirkten ; nur die drei Damen Hessen in Be-
zug auf reine Intonation sehr zu wünschen übrig.
— Die Vorbereitungen zu dem 6. mittel rheinischen Musikfeste
werden mit allem Eifer betrieben. Die Concerte werden, wie bei
dem ersten dieser Feste im Jahre 1856, im Zeughause stattfinden
und an denselben sich über 700 Sänger und ungefähr 130 Instru«
meutalisten betheiligen. Mannheim hat nun entschieden seine Nicht-
betheiligung an dem Feste, hauptsächlich wegen der zu kurz anbe-
raumten Zeit, ausgesprochen.
Melbourne (Australien). Hr. Musikdirector Schott, einer der
besten hier lebenden deutschen Künstler, wurde von einem bekla-
genswerthen Unfall betroffen, indem, als er in der Nacht des 13.
Juni, nach einem von ihm veranstalteten Concerte, zu Wagen mit
anderen Kunstgenossen nach Hause zurückkehrte, in der durch kein
einziges Licht erhellten Dunkelheit der Strassen der Vorstadt sein
Cab mit einem Holzkarren zusammenstiess, so dass der Kutscher
vorwärts fiel. Herr Schott sprang heraus, um die Zügel zu er-
haschen, fiel und die Kader des Wagens gingen ihm über den Leib
-und beide Beine. Glücklicherweise wurde ihm kein Knochen zer-
brochen, allein er erlitt bedeutende Quetschungen und seine Nerven
sind in Folge des ausgestandenen Schreckens sehr angegriffen. Das
Coucert des Hrn. Schott hatte sich in Bezug auf das Programm
wie auf die treffliche Ausführung desselben des ungetheilten Beifalls
aller Zuhörer zu erfreuen gehabt.
Brüssel. Bei dem in voriger Woche stattgefundenen, von dem
Hause Schott und dem „Congress für Kirchenmusik in Belgien"
unter dem Patronat der belgischen Regierung stattgefundenen Con-
curse für eine für drei Männerstimmen mit Orgelbegleitung in ein-
fachem, leicht ausführbaren Style geschriebenen lateinischen Messe
wurdeu die von den HH, Edmund Kretzschmer, Hoforganist in
Dresden, Jos. L ö b m a n n, Chordirigent in Ostritz bei Zittau in Sach-
sen und S. Summers aus Paris eingesendeten Arbeiten unter
100 Concurrenten mit Preisen gekrönt. Bei der nur für belgische
Componisten zugänglichen Preisbewerbung, für vier Kirchengesänge
für drei Männerstimmen mit Orgelbegleitung, siegte unter 18 Con-
currenten Hr. Cäsar Lust, Organist an der Jesuskirche in Brüssel.
Die Namen der Preisrichter sind bereits in Nr. 33 dieses Blattes
aufgeführt worden und bitten wir dort Lefebure, statt Lefebore
und Vervoitte, statt Vervoitze zu lesen.
*** Devrient — Laube — Wagner — drei voraussicht-
lich interessante Werke. Devrient: „Meine Erinnerungen an Felix
Mendelssohn • Bartholdy und seine Briefe an mich ;" Laube : „Das
Bnrgtheater, ein Beitrag zur deutschen Theater - Geschichte," und
die zweite vermehrte Auflage von Richard Wagner's „Oper und
Drama" werden von der Verlagsbuchhandlung von J. J.Weber in
Leipzig, als in Kürze erscheinend, angekündigt.
*** Herr Friedrich Grützmacher, erster Violoncellist der
kgl. Hofcapelle zu Dresden, erhielt vom Herzoge von Altenburg
das Verdienstkreuz des Sachsen - Ernestinischen Hausordens. Der-
selbe Künstler wird Mitte September eine grössere Concertreise
-durch Dänemark, Schweden und Norwegen (im Vereine
mit Carlotta Patti, Vieuxtomps und J a e 1 1) antreten.
*** Der frühere Hofcapellmeister in Sondershausen, Hr.
Friedrich M a r p u r g, hat eine Anstellung als Capellmeister in
D a r m s t a d t erhalten.
*** Mlle. N i 1 s s o n wird im Monat September ein Concert in
"Wiesbaden geben. Es ist dies ihr erstes Auftreten in Deutsch-
land.
*** In Prag wird im September eine neue Oper von F 1 o t-
t o w, „Die beiden Componisten/ zur Aufführung kommen.
*** Capellmeister Heine fetter aus Mainz, der Dirigent der
Curcapelle in Kissingen, hat vom Kaiser von Russland in An-
erkennung der vortrefflichen Leistungen seines Orchesters einen
kostbaren Brillantring zum Geschenk erhalten.
*** Das k. Hoftheater in München wurde am 25. August zur
Feier des Geburts- und Namensfestes des Königs mit der Oper
„Teil" wieder eröffnet. Am 27. soll Zenger's „Ruy Blas'* und am
30. die „Hugenotten" folgen.
*** Für die in Hamburg neu zu gründende musikalische
Bibliothek ist die in London verkäuflich gewesene Sammlung von
H ä n d e l's Partituren in den von Schmidt aus Ansbach, dem
vierzigjährigen treuen Gefährten und Amanuensis des Meisters in
London, angefertigten Abschriften und mit den eigenhändigen
Abänderungen und Zusätzen Händel's, wie diese Manuscripte dem
Componisteu selbst als Directionsexemplar bei seinen Aufführungen
gedient haben, erworben worden. Der eigentliche Werth dieser
kostbaren Sammlung, welche 127 Bände umfasst, übertrifft weit den
dafür bezahlten Kaufpreis von 11,200 Mark Bco. und es ist höchst
ertreulich, dass dieser Schatz für Deutschland bleibend gewonnen wurde.
*** Suppe hat für das Wiener Carlthealer zwei Oppperetten
betitelt: „Tantalus-Qualen" und ,, Schwindel" vollendet.
*#* Am 4. October wird der Wiener Männergesang-
verein sein 25jähriges Jubiläum feiern und bei diesem Anlass
ein Monstreconcert veranstalten.
*** Frau W i 1 1 vom Wiener Operntheater hat in Mannheim
mit glänzendem Erfolge gastirt.
%* Die zwei Monate umfassende italienische Opernsaison in
Homburg fordert von der Verwaltung des Kurhauses grosse Opfer.
So erhält z. B. Adelina Patti für 10 Vorstellungen 50,000 Frcs.,
N a u d i n 1500 Frcs., V e r g e r 1000 Frcs., die G r o s s i 800 Frcs.
und A g n e s i 1000 Frcs. für jede Vorstellung.
*#* Musikdirector Voretzsch in Glogau ist zum Director der
Singakademie in Halle erwählt worden und wird schon im September
dorthin übersiedeln.
*** Ueber ein sehr talentvolles Kind, welches von Herrn Alvin
Wieck in Dresden unentgeltlich unterrichtet wird und dessen
fernere Ausbildung wohlwollenden Kunstfreunden ans Herz zu legen
ist, berichtet der musikalische Pädagog Herr Friedrich Wieck,
Vater der Frau Clara Schumann, folgendermassen: „Die kleine
achtjährige Paula Swab möchte ich das Wunderkind unter den
musikalischen Wunderkindern nennen. Dem Psychologen bietet sie
seltene Data, namentlich durch ihre harmonische, wohlthuende, nie-
mals anstössige Erscheinung, soweit als möglich als Künstlerin und
als Kind zugleich. Ihren Leistungen als Ciavierspielerin (alles aus-
wendig : Stücke von Mozart, Schumann, Franz Schubert u. A.) sieht
man nichts An* und Eingelerntes, Erzwungenes, Schülerhaftes mehr
an, sie bewegt sich in ihren Vorträgen frei und sicher, ich möchte
sagen mit künstlerischem Vertrauen zu sich und mit Bewusstsein,
so dass man an ihrem innern musikalischen Verständniss kaum
zweifeln sollte. Sie betont und accentuirt mit solcher Leichtigkeit
und Natürlichkeit, als wenn Alles aus ihrer innern Ueberzeugung
hervorginge, was bei jugendlichen Talenten so selten (weil auch,
zu oft Kampf mit den Schwierigkeiten) der Fall ist, sie hat unschul-
dige Freude an ihren Leistungen, strebt nicht möglichst bald fertig
zu werden, zu eilen und sich zu überstürzen, sondern bewahrt dabei
eine künstlerische Ruhe, die ja äusserst wohlthuend auf den unbe«
fangenen Zuhörer wirken muss. — Man denkt, als wenn es gar
nicht anders sein könnte. Für den Psychologen scheint die Musik
ihre zweite Musiksprache mit allen Ergebnissen zu sein : nichts Ge-
machtes, Voreiliges, Altkluges, Eitles, Kokettes, Unnatürliches ist
dabei zu tadeln; wie gesagt, es ist eine erfreuliche, durch nichts
Unschönes gestörte „künstlerisch harmonische Erschei-
n u n g," deren glückliche Entfaltung freilich in einer von den Gra-
zien bewachten und von Lehrern mit ästhetischem Gewissen gelei-
teten Zukunft Hegt.
Dass eine vorsichtige, sorgsame und geschickte musikalische
Erziehung über diese zarte, anmuthige, kindliche Erscheinung die
Hand hält, ist nicht zu bezweifeln; — mögen störende Elemente»
die der Neid, die Vielwisserei und allerhand gute Freunde in Ueber*
floss zu bereiten wissen, immer fern von ihr bleiben. (Tonhalle.)
140 -
%* Der Pianist R. Willmers gab in Carlsbad ein brillan-
tes Concert, welchem die anwesenden hohen nnd höchsten Herr-
schaften, Oberhaupt die ganze Elite des dortigen Badepublikums
beiwohnten nnd den eleganten und geschmackvollen Vorträgen den
lebhaftesten Beifall bezeigten.
*** Adelina Patti's Abschiedsbenefiz in London ergab eine
Einnahme von 30,000 Frcs.
*** DerComponist Flotto w, der sich vor etwa einem Jahre
von seiner Frau scheiden Hess, hat sich nun mit der Schwester der-
selben verheirathet.
\* Frl. Pauli, welche unlängst am Hofoperntheater in Wien
mit günstigem Erfolg gastirte, ist für das städtische Theater in
B r ü n n engagirt.
*** Herr Sontheim hat am 15. August sein Gastspiel in
Wien als Eleazar in glänzender Weise beschlossen.
*** An die Stelle des Hrn. Dr. Damrosch ist Hr. Dumont
vom Cölner Stadttheater als Capellmeister der Oper in Breslau
engagirt worden.
*** Amalie Strakosch, die Oattin des bekannten Impresario
und die dritte der Schwestern Patti, wird diesen Winter als
Contraaltistin in der italienischen Oper in Paris auftreten.
*** Der Tenorist Ferenczy ist am Stadttheater in Ham-
burg engagirt worden.
*** Für die nächste Saison der italienischen Oper in Madrid
ist folgendes Personal engagirt: Die Damen Gueymard, Kraus s,
C. Marchisio, Tiberini, Sonieri (Sopran); B. Marchisio,
Maren si (Alt); die HH. Tamberlik, Naudin, Tiberini,
B a r a g 1 i (Tenor) ; Boccolini, Everardi (Bariton); S e 1 v a,
Medini (Bass); Scalese (Buffo); Velasco (Director).
*** Die Direction des Hofoperntheaters in Wien machte einen
Versuch, die schwedische Nachtigall Frl. Nilsson für ein Gastspiel
zu gewinnen; da diese aber für sechs Abende 50,000 Frcs. ver-
langt, so lässt man den kostbaren Vogel vor der Hand noch fliegen.
*** Vor Kurzem wurde in Abbäville die Bronzestatute
L e s u e u r's, des Capellmeisters Napoleons I. enthüllt. Seine Schüler
Berlioz, Thomas, Gounod, Boisselot und Pr6vost
wohnten der Feierlichkeit bei.
*** Dr. Ludwig N o h 1 hielt am 18. August inBadenw eiler
eine Vorlesung über R. Wagners „Meistersinger von Nürnberg."
*** Der Baritonist B e t z aus Berlin, der gegenwärtig in
Mannheim und Carlsruhe vor überfüllten Häusern singt, er-
hielt von Pasdeloup, Director des Tke'dtre lyrique in Paris,
glänzende Engagementsanträge zur Uebernahme der Baritonpartien
der in nächstem Winter beabsichtigten Wagner-Vorstellungen. Pas-
deloop soll auch mit R. Wagner einen Contract abgeschlossen
haben, nach welchem ihm dieser binnen Jahresfrist eine neue Oper
zu liefern und Pasdeloup dieselbe sogleich zur Aufführung zu brin-
gen verpflichtet wäre.
*** Der Violinist Leopold A u e r ist auf drei Jahre am Con-
servatorium der Musik in Petersburg und als Concertmeister der
russischen Musikgesellschaft engagirt worden.
*„* Die überseeische wissenschaftliche und Handelsexpedition,
welche Oesterreich absendet, wird unter anderen Geschenken aueh
einen von der Wiener Handelskammer eigens beim Hofclaviermacher
Hrn. Bösendorfer bestellten kostbaren Flügel, der für den Kai-
ser von China bestimmt ist, mitnehmen.
*** Die Wiener Pianistin Frl. S k i w a hat sich bleibend in
London niedergelassen und wird dort Unterriebt geben.
*„• Für die kommende Saison der italienischen Oper in Paris
ist folgendes Personal engagirt: Die Damen Adelina Patti, Irma
von Murska, Grossi, Krauss, Fricci, Rosella und Ernestina
Urban; die Tenore: Tamberlik, Nicolini, Fraschini, Pa-
lermi, Ubaldi; die Baritonisten : Della Sedie, Verger, Stel-
ler, Agnesi; die Bassisten: Ciampi, Zimelli, Wall an-
reite r, Mercuriali und F o 1 1 a r.
*** Der musikalische Kritiker der Londoner Zeitschrift „Athe-
näum," Hr. C h o r 1 e y, ein eifriger Gegner Schumann's und Wag-
ner's, hat sich zurückgezogen und Hr. Francis Barnett wird
nun seine Stelle einnehmen.
%* Dr. Heinrich Laube erklärt im Wiener „Fremdenblatt' 1
dass er auf dem Punkte stehe, die Direction des Leipziger
Stadttheaters definitiv zu übernehmen, und zwar für sich
allein und nicht im Vereine mit dem bisherigen Director Herrn
von Witte.
\* Der Sänger Roger wird nächstens in Paris in einem»
neuen Stücke von George Sand, betitelt „Cadio," als Schau-
spieler auftreten. Bekanntlich hat auch Carl Formes in jüngster
Zeit sich dem Schauspiel zugewendet, aber bis jetzt als Mime wenig
Glück gemacht.
*** Der Componist Robert von Hornstein hat unlängst io>
Baden-Baden im Saale der Frau Viardot-Garcia mehrere sei»
ner Lieder durch den Hofopernsänger Lang aus München vortra-
gen lassen und selbst auf dem Ciavier begleitet. Die Lieder selbst
sowie der ausgezeichnete Vortrag derselben hatten sieb von Seit»
der auserlesenen Zuhörerschaft des lebhaftesten Beifalls zu erfreuen«
*** Das Operntheater in Berlin ist am 17. d. M. mit „Fi-
delio" wieder eröffnet worden.
London. Am 10. August fand hier zum ersten Male ein d e u t-
sches Sängerfest zum Besten des deutschen Hospitals statt,.
an welchem etwa 2000 Personen, meistens deutsche Handwerker
mit ihren Familien Theil nahmen. Das Fest wurde in der Nähe
von Loughton im Freien abgehalten und es wurden nach einer
Ansprache des Festpräsidenten, Hrn. J. V. Weber, Gesammtchöre
von Becker, Kreutzer, Schaff er und Ast holz recht wacker
vorgetragen und theil weise von einer italienischen Musikbande be-
gleitet.
MavMBBBVBJMnjaaaflaaBiBneMa^BHMaMMBiBMBVBiBHBvaSBvMeMBaaMSieanavBiBneuBVH
ANZEIGEN.
Verlag von R0B. F0RBERB in LEIPZIG.
Kova !• 5. 1868.
Baumfelder , F. Op. 170. Variationen über ein Ori-
ginalthema (A-moll) für das Pianoforte . . . , lfr
— Op. 171. Glöckchenspiel. Ciavierstück . . . .1fr
— Op. 172. Songe du bonheur. (Glückstraura.) Melodie
pour Piano 12'/»
— Op. 173. Les Hirondelles. (Die Schwalben.) Morceau
brillant pour Piano .1fr
Jensen, A. Op. 30. Dolorosa. Sechs Gesänge nach Dich-
tungen von A. v. Chamisso für eine Singstimme mit Be-
gleitung des Pianoforte
N° 1. Was ist's, o Vater etc 10
„ 2. Ich habe bevor der Morgen 7 1 /*
„ 3. Nicht "der Thau und nicht der Regen . . .10
„ 4. Denke, denke, mein Geliebter . . . .10
„ 5. Ich hab' ihn im Schlafe zu sehen gemeint . 10
„ 6. Wie so bleich ich geworden bin . . . 7 7*
Oertel» CJ« A# Motetten für gemischten Chor und Solo.
N° 2. Ps. 62. „Meine Seele ist stille zu Gott." Partitur
und Stimmen 127»
RftflT 9 J« Op. 114. Zwölf zweistimmige Gesänge mit Be-
gleitung des Pianoforte.
N° 1. Die Kapelle, von Uhland 77»
2. Frühlingsmorgen von Justinus Kerner . . 127»
3. „Glücklich, wer auf Gott vertraut" v. Huffmann
v. Fallersleben 10
4. Gate Nacht! von Bob. Reinick . . . .10
5. „Ich bindein, du bist mein" — Alter Liebesspruch fr
6. „Nach diesen trüben Tagen" von Hoffmann V.
Fallersleben 10
7. Rosenlied von Clemens Brentano * • .10
8. „Vergissmeinnicht" von Hoffmann v. Fallersleben 10
9. Vögleins Frage von Hoffmann v. Fallersleben . 10
10. Wallfahrtslied von Hoffmann v. Fallersleben . 77»
11. Wie singt die Lerche so schön! von Hoffmann
v. Fallersleben 77,
12. Zum neuen Jahr von Ed. Möricke . . .77s
Robertl, S» H. Soirees musicales. Duos faciles pour
Violon et Piano.
N° 14. Neumann, Lied: „Wenn du noch eine Mutter hast" 77»
Verantw. Red* Ed. Föckerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz*
t>
ii
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»
17. Jahrgang.
m- ae.
7. September 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
!nh|
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG. von
Ämtern, Musik- & Buchhand- ! B. SCHOTlS SÖHNEN \ LI MAINZ.
*
**,-
lungen.
!
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
; PREIS:
'fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
INHALT: Literatur. — Händel in Dresden. — Corresp. : Mainz. Stttttgait. — Nachrichten.
Literatur,
Handbuch der Musik. Für Musiker und Musik-
freunde, Musiklehrende und Lernende, von Hermann
Franke. Glogau bei Carl Flemming, 1867.
394 Seiten in 8°.
Es gibt der musikalischen Nachschlagebücher eine nicht kleine
Anzahl, gleichwohl hält der Verfasser des genannten Buches seine
Mühe für keine überflüssige, indem die Werke dieser Art theils
veraltet, theils zu umfangreich und darum des hohen Preises wegen
nicht für Jedermann zugängig seien. Er hat auch sein Möglichstes
gethan, um namentlich Dilettanten und Musikbeflissenen über vieles
Nothige in Kürze Aufklärung zu geben. Wir können in dieser
Beziehung insbesondere den ersten Theil seines Buches empfehlen,
welcher die musikalischen Formen in zwar gedrängter, aber klarer
und fasslicher Weise behandelt und dem Neuling in solchen Dingen
jeden wünschenswerten Aufschluss zu geben geeignet ist. Auch
die Erklärung der technischen Kunstausdrücke und Benennungen,
welche das II. Capitel des Buches ausmachen, ist recht vollständig
und in leicht übersichtlicher Weise angeordnet. Dass das III. Ca-
pitel, „Biographische Skizzen," keinen Anspruch auf Vollständigkeit
machen kann, ist leicht zu begreifen, da dies auch bei grösseren
Werken dieser Art mehr oder minder der Fall ist; doch wird man
wenige bedeutende Namen vermissen, eher einige minder bedeu-
tende zu viel finden uud kann also im Ganzen mit dem Gebotenen
zufrieden sein (Zweck und Umfang des Buches im Ange behaltend^,
wenn man auch mit der näheren Characterisirung der einzelnen
Musiker nicht immer einverstanden sein sollte.
Grundzüge der musikalischen Klanglehre. Für
Musiklehrer, Schüler und jeden gebildeten Musik-
freund leicht fasslich dargestellt, von Benedict Wid-
mann. Mit 20 Holzschnitten im Texte. Leipzig,
1868, bei C. Merseburger. 168 S. in 8°.
Ueber Akustik und was sich darauf bezieht ist ein grosser
Theil der Mnsiktreibenden noch viel zu wenig unterrichtet und es
mag ein Grund dafür wohl darin liegen, dass die über solche Ge-
genstände geschriebenen Werke im Allgemeinen zu trocken und zu
wenig fasslich uud anziehend geschrieben, zum Theil auch zu um-
fangreich sind, als dass ein Neuling sich mit Lust und Ausdauer
damit beschäftigen sollte. Der Verfasser des vorbezeichneten Buches
hat es verstanden, Seinen Gegenstand in angemessener Kürze und
doch ohne Oberflächlichkeit, klar und für Jedermann verständlich,
das Interesse des Lesers weckend und wachhaltend, zu behandeln.
Staues zu geben lag nicht in der Absicht des Verfassers, aber das
Vorhandene ist nach den besten Quellen verständig und zweck-
gemäss ausgewählt und zusammengestellt Im ersten, physiologischen
Theile «s. B. werden die Geh'ör- und Stimmorgane in sehr gelun-
genen, naturgetreuen Abbildungen dargestellt und ihre Thätigkeit
«uf das Anschaulichste erklärt, sowie denn auch die ganze Einthei-
>
hing des Stoffes und die Erläuterungen nach physiologischen, phy-
sikalischen, mathematischen und ästhetischen Grundlagen als durch-
aus sachgemäss und logisch entwickelt zu bezeichnen sind. Wir
wünschen daher dem Buche recht viele Leser, besonders unter der
Zahl der jüngeren Musiker und der Dilettanten, deneu es wirklich
um Belehrung zu thuu ist.
DieElementartheorie derMusik und dieLehre
von den Accorden. Ein Lehrbuch für Musiker
und Musikfreunde, von Richard Wüerst Verlag
von Ed. Bote & G. Bock in Berlin. 39 Seiten
gr. 8°
An Lehrbüchern für musikalische Theorie, grossen und kleinen
Umfanges, ist wahrlich kein Mangel und ein dringendes Bedürfuiss
die Zahl derselben durch ein neues zu vermehren kann daher den
Verfasser des vorliegenden Büchleins nicht zu dessen Herausgabe
veranlasst haben, wohl aber der Wunsch, die einfachsten Elemente
der musikalischen Theorie und Accordenlehre in der Form, wie er
als Lehrer in denselben zu unterrichten seit Jahren gewohnt ist,
seinen Schülern in die Hand zu geben uud sich damit den Unter-
richt zu erleichtern und so ist das Werkchen denn auch andern
Lehrern zum Gebrauche als practisch und leicht verständlich zu
empfehlen. Zum Selbstunterricht ohne Lehrer ist es jedoch nicht
ausführlich und descriptiv genug, aber für Musikschulen und Privat-
unterricht ganz empfehlenswerth, wie es denn auch in den höheren
musikalischen Unterrichtsanstalten Berlin's bereits eingeführt ist.
Händel in Dresden.
Ueber einen Besuch, den Händel in geschäftlicher Absicht der
Stadt Dresden abstattete, gibt Fürstenau in seiner „Geschieh .:
der Musik uud des Theaters am Hofe der Kurfürsten von Sachsen
und Könige von Polen" (Dresden, bei Rudolf Kuntze, 1862) folgend»
Details :
— — — Selbst nach England war der Ruf der damaligen Dres-
dner Oper gedrungen, denn von ihren Mitgliedern holte sich Hän-
del die Besten für die von ihm gestiftete sogenannte königliche
Academie nach London. Er kam desshalb im Herbst 1719 selbst
nach Dresden, um die Opernvorstellungen zu hören und trat bei
dieser Gelegenheit t.uch bei Hofe als Klavierspieler auf, wofür er
100 Ducaten erhielt. Wahrscheinlich eröffnete er schon damals mit
der Durastanti und Salvay, mit Senesio, Berselli
und B o s ch i wegen des Londoner Engagements Unterhandlungen.
Ein Abschlnss kann jedoch kaum erfolgt sein, da die Sänger ihre
Contracte vom 1. October 1719 ab noch auf ein Jahr verlängert er-
hielten und erst am 1. October 1721 bei der Händerschen Oper ein-
traten.
Die Verordnung, die Auszahlung von 100 Ducaten an „de'n K3o#
Engl. Capellmeister Händel, welcher vor Sr. KÖnigl. Majestät Und
- 142 -
Sr. Hoheit dem Königl. Prinzen sich hören lassen," betreffend, da-
tirt erst vom Februar 1720. Daraus geht jedoch nicht hervor, dass
Händel damals noch in Dresden gewesen sei. Das Bescript euthält
die summarische Erledigung einer Menge Theater- und Capellange-
legeuheiten, welche meist in den vorhergehenden Monaten vorge-
kommen waren, — verfügt also wahrscheinlich nur die nachträgliche
geschäftliche Bewilligung des Präseutes. Das interessanteste Docu-
inent über Handelns Aufenthalt in der sächsischen Hauptstadt ist
ein Brief des damals so mächtigen und einflussreichen Generalfeld-
marachalls Grafen Jacob Heiurich von Flemming an ein Fräulein
v. Schuleuburg, welcher Bemerkungen über Händel's zurückhaltendes
Benehmen in Dresden enthält, das freilich wohl aus seiner damals
schwierigen Mission mit hervorgehen mochte, welche ihn zu Vor-
sicht uöthigte. Der Brief lautete:
„A Mademmaelle de Srhulenburg.
Dresden, le 6 e Octbr. 1719.
Mademoisellel
Je vous envoye cy Joint Vope'rette de Vienne dont fax eu
l'honneur de vous parier. Je rCai pas pu avoir encore les ope'ras
d'icy, car on est si rare avec, qu'on neu laisse pas meme les
röles aux chanteurs et chanteuses, dont ceux cy enragent. J'ai
souhaitte ä Mr. Händelf et lui ai voulu faire quelque honet tete's
ä votre egard, mais il n'y a pas eu moyens; je me suis servi
de votre nom pour le faire venir chez moi, mais tantöt il »V toit
pas au logis tantöt il e'toit malade; il est uh peu fol ä ce qu'il
me semble , ce que cependant il ne devoit pas etre ä mon egard,
vu que je suis musicien c. a, d. (c'est ä dire) par inclination,
et que je fait gloire d'etre un des plus fideles servileurs de vous,
Mademoiselle, qui etesla plus aimable de ses ecolier es ; fai voulu
vous dire tout ceci pour qu'ä votre tour vous puissez donner
des lerons ä votre maitre. Jai l'honneur ctetre etc."
Graf Flemming war übrigens einsichtsvoll genug, Händel diese
damals ungewöhnliche Art nicht nachzutragen. Als der Kammerherr
A. de Fabrice ihm d. d. Londres le 21 d* April 1721 schrieb, dass
in dem neuen Pasticcio ,Mutius Scaevola" von welchem der
erste Act von Pipo, der zweite von Bononcini nnd der dritte von
Händel war, Letzterer den Preis davongetragen habe, — antwortete
Flemming: , Je suis bien aiseaussi de ce queVAllmand V empörte
dans la composition sur tous les autres musiciens." Vergleiche
Chrysander's G. F. Händel. Leipzig 1860. II.
• M i
COKRESPOXDEXZBX.
Aus Mainz»
Am 17. September findet die Wiedereröffnung unserer städti-
sehen Bühne unter der Leituug des bisherigen Directors, Herrn
B e h r statt und ist bereits die Abonnementsliste für die 120 abo*
nirten Vorstellungen der diesjährigen Saison in Umlauf gesetzt,
welcher das Verzeichniss des für Schauspiel und Oper engagirten
Persouals beigegeben ist. Für die Oper sind demnach engagirt
die Damen: Frau Bertram-Mayer (dramatisches Fach), Frl.
Holland, (Coloratur und jugendliches Fach) , Frl. H a s s e 1 1-
Barth (Soubrette und jugendlich - dramatische Sängerin), Frau
Hagen (komische Alte), Frl. Weyher (kleine Partien); die HH.
R u 1 f (Heldentenor), B r u n n e r (lyrischer Tenor), Schweigbofer
(Tenor-Buffo) , Scheidweiler (für kleine Tenorpartien), Fray
(I. Baritonist), Swirceny (II. Baritonist), C a r n o r (I. Bassist),
O e s e r (II. Bassist), Baumaun (III. Bassist), B e h r (Bass-Buffo
und Opernregisseur). Herr Wendelin Weissheim er ist als erster,
Hr. Victor Hempel als zweiter Capellmeister und Cbordirector
engagirt. Ausserdem figurirt auf der Personalliste auch ein Solo-
tänzer-Paar, Hr. K 1 a s s und Frl. O s t r a d t.
Die Leistungen der Damen Bertram-Mayer und Hagen, sowie
der HH. Carnor uud Behr sind hier vou voriger Saison her in vor-
teilhafter Erinnerung auch Hr. Oeser hat sich schon früher als
ein brauchbares Mitglied unserer Oper bewährt, uud auch den
neuengagirten Mitgliedern geht zum grössten Theile schon ein ehren-
voller Ruf voraus, so dass man sowohl tüchtiger Einzelleistungen
als auch eiues befriedigenden Ensemble's gewärtig sein darf, voraus*
gesetzt, dass Hr. Behr auch dem Chor jene Aufbesserung hat ange-
deihen lassen, welche sich in voriger Saison als so dringend noth-
wendig erwies. Da heuer nur 120 Abonnemementsvorstellungen
gegen 150 im vorigen Jahre stattfinden werden, so kann wohl auch
das unverhältnissmässige Aufeinanderdrängen von Opernaufführungen
▼ermieden uud dem Einstudiren um so grössere Sorgfalt zugewen-
det werden. Kurz, wir wollen das Beste hoffen von der Einsicht
und der practischeu Gewandtheit des Hru. Director Behr einerseits
und andererseits von der Leistungsfähigkeit und dem guten Willen
des gesammten Gesang- und Orchesterpersonals, wogegen aber auch
daa Publikum seine Ansprüche in billiger Weise auf das Maass des
unter den hiesigen Verhältnissen Möglichen einschränken möge.
Was im Opernfach während der letzten Saisou in Bezug auf
Novitäten versäumt wurde will die Direction in diesem Jahre reich-
lich nachholen, indem sie, wie wir aus verlässiger Quelle erfahren,
folgende hier noch neue Opern vorzuführen beabsichtigt: „Der erste
Glückstag" von Auber, „Dou Pasquale" von Donizetti, „Die
Opernprobe" von L o r t z i n g, .,Gott und Bajadere" von Auber
und um dem unvermeidlichen Offenbach sein Recht wiederfahren
zu lassen, sollen „Die schöne Helene" und „Der Blaubart" auch
an unserem Publikum ihre vielbewährte Anziehungskraft versuchen.
Noch interessanter sind jedoch für einen soliden Geschmack die
Werke, deren Neueinstudirung vou der Direction ins Auge gefasst
wird; es sind dies die Opern: „Euryanthe" von Weber, „Lohen-
grin" von Wagner, „Der Blitz" von Halevy, ,.Lestocq" von
Auber, „Die Weibertreue" (Cosi fan tutte) von Mozart nnd
„Othello" von Rossini.
>oo»<
Aus Stuttgart.
Prof. L. Stark hat von der „Euterpe" zu Amsterdam für
die Composition des Geibel'schen Gedichtes „Volkers Nachtgesang"
den ersten Preis mit der goldenen Medaille erhalten. Aber dieser
erfreulichen Nachricht folgt die weniger angenehme, dass derselbe
die Direction des von ihm gegründeten Singvereins, der in
einer Reihe interessanter Concerte die Perlen der weltlichen Vocal-
musik vorgeführt und sich bei allen unbefangenen Kunstfreunden
die dankbarste Anerkennung erworben hat, zunächst aus Gesund»
heitsrncksichten und wegen Ueberhäufung mit Berufs?eschäften de-
finitiv niedergelegt hat; vermuthlich wird die musikalische Leitung
auf Hrn. Speidel übergehen, von dessen Routine am ehesten ein
günstiger Fortgang dieses schönen Unternehmens zu hoffen steht.
Am Conservatorium hat Prof Stark diesen Sommer einen ständigen
Freiplatz für einen unbemittelten talentvollen Gesangzögling gestif-
tet; bereits ist eine vielversprechende Sängerin im Genüsse dieses
s. g. Statischen Freiplatzes. Unsere Oper beginnt am 1. Septbr.
wieder mit „Tannhäuser;" die Titelrolle singt Hr. Braun, ein
stimmbegabter routinirter Repertoirsänger, durch dessen Acquisition
nun endlich auch „Lohen gl in" und manches Audere in die Sphäre
des Erreichbaren gerückt ist. Von etwaigen Personalveränderungen
ist noch nichts bekannt; wünschenswerth wäre die Reactivirung
einiger, unter Eckert 1 « Regime bedauerlicher Weise brach gele-
gener Opernkräfte ersten Ranges; hoffen wir auf die Einsicht und
das Billigkeitsgefühl unseres Intendanten, sowie unserer vortreffli-
chen Hofcapellmeister Ab ert und Doppler, die gewiss Alles recht
machen werden.
Mach richten.
Frankfurt a. M., 27. August. Heute Vormittags verschied
in dem hohen Alter vou 82 Jahren und 4 Monaten der ausge-
zeichnete Componist und Tonkünstler Schnyderv. Warten-
see. Der Verstorbene, in der Schweiz geboren, lebte seit 1817
ununterbrochen in unserer Stadt, und widmete seine anerkannten
Talente sowohl dem musikalischen Unterricht als dem Erziehungs-
wesen nach Pestalozzi'schen Grundsätzen. Er war es, der den Pä-
dagogen Fröbel veranlasste, eine weit berühmte Erziehungsanstalt
auf seinem Stammschlosse Wartensee am Sempacher See zu gründen.
Sein Aufenthalt in Frankfurt und seine Reisen in Deutschland
- 143 —
brachten ihn in engere Verbindungen mit Göthe, Jean Paul, Lud-
wig Spohr, Döbereiner und Ludwig Börne. Auch als Dichter (hu-
moristische Lieder) und als kenntnissreicher Musikkritiker hat der
Veistorbene seinen Namen in den weitesten Kreisen bekannt ge-
macht, und seine zahlreichen Compositionen, namentlich seine vier-
«timmigen Männergesänge, sein Oratorium „Zeit und Ewigkeit" und
seine Schweizeroper („Heimweh und Heimkehr 4 ') sichern ihm in
•der Geschichte der Musik eine anerkannte Stellung. Als Contra-
pur ctist gilt er selbst den neueren Schulen als Autorität.
— Der rühmlichst bekannte ConcertsUnger Herr Carl Hill
bat dieser Tage unsere Stadt verlassen, um seine neue Stel-
lung als grossh. mecklenburgischer Hofkammersänger in Schwerin
Anzutreten. Der „Liederkranz" veranstaltete ihm ein Abschiedsfest,
bestehend in einer Nacheufahrt nach dem Sandhofe und einem im
'Saale des Forsthauses arraugirten Souper, woran auch die Directo-
ren des Theaterorchesters, des Museums und Cäcilienvereins , des
Rühl'schen und philharmonischen Vereins und 'der Vorsitzende der
Mozartstiftuug theilnahmen. Hill daukte für die ihm in reichem
Masse gewordenen Huldigungen in einfachen, aus warmen Herzen
kommenden Worten, denen er im Laufe des wirklich schönen, stim-
mungsvollen Abends noch eine Reihe seiner besten Lieder folgen
liess. Hoffen wir, dass die Musen, die ihn bisher so treulich beglei-
teten, ihn auch auf der neuen Laufbahn nicht verlassen , und dass
«r, wie einer der Redner mit Recht hervorhob, stets das bleiben
möge, was er ist — ein echter Künstler, dessen ganzes Streben
-dahin geht, das Höchste in der Kunst uur um der Kunst selbst
willen zu erreichen! Der Cäcilienvereiu hat Hrn. Hill in Anerken-
nung seiner Verdienste um den Verein zu seinem Ehrenmitgliede
ernannt.
Darmstadt. Am 30. August kam die „Afrikanerin" von Meyer-
leer zur Aufführung. Frau Fabbri-Mulder von Frankfurt und
Hr. Becker wurden für ihre schönen Leistungen mit reichlichstem
Beifall belohnt. Auch Frau Mayr-Olbrich und Hr. Leder er
fanden gebührende Anerkennung, sowie Hr. Dr. P o c k h als „Don
Pedro" recht Anerkennenswerthes leistete. Das Ensemble blieb
«licht hinter dem der früheren Aufführungen dieser Oper zurück,
indem auch Chor und Orchester in vortrefflicher Weise wirkten.
Die Ausstattung war eben so glänzend wie immer und riss das
Publikum zur lauten Bewunderung hin.
Carlsrahe. Am 9. d. M. kommt am hiesigen Hoftheater zur
Feier des Geburtsfestes des Grossherzogs die 3actige Oper „Die
Braut von Azola" von Louis Liebe, (ehemals Musikdirector in
•Strassburg, jetzt in Paris domizilirend) zur erstmaligen Aufführung.
Dies neue Werk ist von Hrn. Capellmeister Levi mit grosser
■Sorgfalt einstudirt und wird auch von ihm dirigirt werden.
Berlin. Im Friedrich- Wilhelmstädter Theater wurde am 16. Aug.
«um ersten Male die komische Operette „Coscoletto, der Lazarone",
von Offenbach aufgeführt und fand ziemlich günstige Aufnahme.
Hauchen. Die Mitglieder der Hofmusik, welche bei dem Con-
-certe mitwirkten, das der König kürzlich für sich allein auf-
führen liess, erhielten von S. Majestät ein Geschenk von 1000 fl.
Hr. Nachbaur, welcher einige Stücke aus den „Meistersingern"
vorgetragen hatte , wurde mit einem lebensgrosseu Oelbilde des
Monarchen überrascht.
— Unsere gefeierte Sängerin, Frl. M a 1 1 i ug e r, hat wie zuerst
in Dresden, nun auch in Leipzig grosse Triumphe gefeiert.
London. Die königliche Musikakademie, welcher von
Seiten der Staatsregierung der jährliche Zuschuss von 5000 Pfd. St.
entzogen wurde, florirt nach dem Appell dss Directors Sterndale
Bennet au das kunstsinnige Publikum der englischen Metropole.
Von allen Seiten her flössen dem Kunstinstitut ansehnliche Beiträge
zu. Mehrfach wurde die Befähigung des Instituts als eine Musik-
schule angezweifelt, jedoch hat das am 29. August in Hannover-
Square-Rooms unter Leitung des Vicedirectors Otto Goldschmidt,
Gatten von Jenny Lind, stattgefundene Concert der Zöglinge der
Akademie genügend bewiesen, dass die Leistungsfähigkeit der An-
stalt gegenwärtig eine sehr bedeutende ist. Dieselbe hat seit 1822,
ihrem Gründungsjahre, an 1500 Zöglinge ausgebildet, darunter 400
gratis, oder zu reducirten Honoraren.
Paris. Hr. P e r r i n hat einen Vertrag abgeschlossen, welcher
ihm das Recht gibt, Gounod's „Faust" in der grossen Oper auf-
zuführen. Ausser einer dieses Instituts würdigen Inscenirung wird
die Oper Gounod's sich auch einer grösseren Ausdehnung der Wal*
purgisnachtsscene, in welcher der Componist ein Ballet einschalten
will, zu erfreuen haben und natürlich wird der Dialog durch Reci-
tative ersetzt werden. MUe. Nilsson ist die Rolle Margarethena
Hrn. Faure die des Mephistopheles, die er in London mit ao
grossem Erfolge gegeben hat, zugedacht.
— Die gerichtliche Ehescheidung des Herrn und der Frau
Gueymard ist soeben bekannt gemacht worden.
— Zwei preisgekrönte Zöglinge des Conservatoriums, Herr
Aubery (Bariton) und Hr. Bacqui6 (Bass) sind für das Theätre
lyrique engagirt worden.
— Bei Gelegenheit des 15. August wurdeu u. A. zu Rittern
der Ehrenlegion ernannt: George Hai nl, Capellmeister der grossen
Oper und Dirigent der Conservatorium-Concerte, der Pianist und
Componist Saint-Saens und die Professoren am Conservatorium :
Gautier und Dauverue.
— - Das Civil-Tribunal der Seine bat in seiner Sitzung vom
28. August in der Klagsache des Hrn. Blaze de Bury gegen
die Erben Meyerbeer's, wegen Herausgabe der von Letzterem zu
dem Stücke de Bury's, „Göthe's Jugendzeit' geschriebenen Musik,
den Kläger abschlägig beschieden und zur Tragung der Kosten
verurtheilt.
— Hr. Pasdeloup hat als Orchester-Dirigenten am Thedtre
lyrique Hrn. Capellmeister Carl Eckert engagirt.
Wien. Der Violinist Grün aus Pest und der Violincellist Popper,
bisher Mitglied der fürstl. Hechingen'schen Capelle in Löwenberg
wurden für unser Opernorchester gewonnen und zwar ersterer als
Concertmeister, in welcher Eigenschaft derselbe mit dem Director
Hellmesberger alterniren wird.
%* Die „Leipziger Allgemeine Musik-Ztg." bringt folgende An-,
zeige: »Wir können unseren Lesern die Nachricht mittheilen, dass
endlich nach vielen Mühen der Plan, eine Gesellschaft für
Musikforschung iu's Leben zu rufen , seiner Verwirklichung
entgegen geht. Es haben sich zum Behufe dessen eine Anzahl mu-
sikalischer Schriftsteller , darunter die ersten Notabilitäten , Musik-
freunde, die grössten Antiquar- und Musik-Handlungen Deutschlands
vereinigt , in Gemeinschaft ein Monatsheft herauszugeben , welches
sich ganz allein den Quellenforschungen der alten und neueren Musik
widmen soll. Alle diejenigen, welche mit ihrer Anmeldung noch
rückständig sind, werden ersucht dieselbe binnen 14 Tagen nach
Berlin an die Buch- und Antiquar-Handlung von A. Asher&Comp.
(Unter den Linden Nr 11) zu senden. Ebenso sind alle diejenigen,
welche etwa bei der persönlichen Aufforderung übergangen sein
sollten oder sich für das Unternehmen interessiren, ohne gerade sich
ausübend zu betheiligen, freundlichst eingeladen sich demselben au-
zuschliessen. Der Jahresbeitrag beträgt 2 Thlr. und schliesst zu«
gleich das Abonnement für das Monatsheft ein. In der obengenannten
Buchhau dlung liegt das Programm zur Einsicht aus, welches seiner
Zeit gedruckt und der Oeffentlichkeit übergeben werden soll."
*** Hofcapellmeister Proch in Wien feierte dieser Tage sei-
ne silberne Hochzeit.
* m * Die diesjährigen Prüfungen des unter der Direction dea
Hrn. P r a n z stehenden Conservatoriums in Coburg haben ein
sehr günstiges Resultat ergeben ; besonders sind einzelne Gesang-
Schülerinnen schon so weit vorgeschritten, dass sie nächstens auf
der Bühne debütiren werden.
*** Der bekannte Liedercomponist Graben-Hoffmann iu
Dresden hat einen Ruf als Professor des Gesanges am Conser-
vatoriums iu Boston erhalten, wird aber demselben nicht nachkom-
men, da er von einem grösseren Werke über die Gesangskunst,
welches er soeben veröffentlicht hat, sich grossen Erfolg, und zwar
in pecuniärer Hinsicht verspricht und daher auf heimischem Boden
auf ein sorgenloses Alter rechnen zu dürfen glaubt.
*** Die Direction des Co In er Stadttheaters, welches am 1.
September wieder eröffnet wurde, stellt folgende Opern-Novitäten in
Aussicht: „Mignon" und „Hamlet" von T homas, „die Gans von
Cairo" von Mozart, „Der erste Glückstag" von Auber, „Die
Katakomben" von Ferd. H i 1 1 e r, „Das schönste Mädchen im Städt-
chen" von Conradi, „Urlaub nach dem Zapfenstreich" von O f-
f e n b a ch und endlich auch das Trauerspiel „Phädra" von G. Con-
rad mit Musik von Taubert.
*** Zum Schluss der Ausstellung in H a v r e findet am 80; Aug.
- 144
«in grosses Musikfest statt, an welchem sich 143 Gesang- und Har-
monie-Vereine betheiligen,
*** Der Violinist Henry Schradieck ist in die durch Leo-
pold Au er 's Uebersiedeluog nach Petersburg erledigte Stelle eines
Concertmeisters bei den philharmonischen Concerten in Hamburg
eingetreten«
*** Der Harfen-Virtuos Thomas hat in L o n d o n ein grosses
Concert gegeben, in welchem u. A. von circa 26 — 30 Harfenisten
ein Chor aus Bellini's „Pirat" und eine Fantasie „Blewelin" von
Thomas ausgeführt wurden. Die Klangwirkungen dieses Orche-
sters sollen einen fremdartigen, jedoch keineswegs angenehmen Ein-
druck hervorbringen.
%* Herr Musikdirector Rebling in Magdeburg wird im
Monat November eine Aufführuug zum Besten des Denkmals für
Felix Mendelssohn -Barthol dy, welches in Leipzig er-
richtet werden soll, mit den Kräften des dortigen Kirchengesang-
vereins veranstalten. Möchten alle Städte ein Gleiches thun.
*** Der 82jährige Compouist Albert Methfessel ist in
Heckenbeck bei Gandersheim, wo er bei seinem Schwiegersohne
lebt, von einem Nervenschlage betroffen worden und liegt in Folge
dessen hoffnungslos darnieder. •
*** Der Tenorist Z Ott mayr, bisher am Operntheater in Wien,
ist in C a 8 s e 1 engagirt worden.
*** Im Verlag von L. Heimann in Berlin ist soeben eine
Biographie Meyerbeer's vou Hermann Mendel im Druck
erschienen.
*** Die Direction des Theaters F e n i c e in Venedig ist
dem dortigen Pianofortefabrikanten Herrn M a 1 i p i e r o übertragen
worden.
*** Frau L u c c a eröffnete am 1. September einen Cyclus
von sechs Gastrollen am Leipziger Stadttheater.
*** Der Pianist Klindworth, ein Schüler Liszt's, ist als
Professor des Ciavierspiels an das Conservatorium in Moskau
berufen worden.
4
*** Auch in Carlsruhe hat man nuu das Hervorrufen der
Sänger und Schauspieler bei offener Scene abgeschafft und,
nebst dem betreffenden Verbote an die Darsteller auf einen solchen
Buf zu erscheinen, auch in öffentlicher Bekanntmachung an den
Kunstsinn des Publikums folgendermassen appellirt: „Um eine
empfindliche Störung der künstlerischen Täuschung und des Fort-
ganges der dramatischen Handlung zu vermeiden,, ist es den Mit-
gliedern des grossh. Hoftheaters nicht mehr gestattet, einem Her-
vorruf bei offener Scene Folge zu leisten. Das hochverehrte Publi-
kum wird daher ersucht, die Ehre des Hervorrufens den Mitgliedern
nur angedeiben zu lassen, sobald der Haupt- oder Zwischenvorhang
gefallen ist. Carlsruhe, den 20. August 1868. Die Direction/
*** Die Mitglieder der Bouffes Parisiens geben gegen-
wärtig Vorstellungen in Ems.
*** Ueber das erste Auftreten des Frl. Anna Reiss vom Hof-
theater in Schwerin im kaiserl. Operntheater in Wien als Maria
in der „ Regiments tochter" sprechen sich die dortigen Journalkritiker
wenig günstig aus. Auch mit ihrer zweiten Gastrolle , der fsabella
im „ Robert" konnte es Frl. Reiss zu keinem durchgreifenden Erfolge
bringen. Als ihre letzte Gastrolle war die Donna Anna in „Don
Juan" angekündigt.
*** Die vortreffliche Umarbeitung des Textbuches zu Beetho-
ven's „Ruinen von Athen" durch Hrn. J. P. Hei je (in niederlän-
discher Sprache, ins Deutsche übersetzt von Frau Heinze-Berg) ist
nun wohl einem grossen Theil unserer Leser durch den mit den
neuen Texten bei Th. J. Roothaan & Co. in Amsterdam erschie-
nenen Clavieranszug des ganzen Werkes bekannt geworden. Herr
Heije wird indessen nicht müde, seine internationalen Kunstbestre-
bungen fortzusetzen, die er übrigens schon früher auch auf das
nichtmusikalische Gebiet erstreckt hat, indem er meisterhafte nieder-
ländische Uebersetzungen der Mährcheu „Aschenbrödel" und „Der
gestiefelte Kater'* in Prachtausgaben erscheinen Hess. Seine neue-
sten Leistungen, nicht minder anerkennenswerth als seine früheren,
bestehen in den niederländischen Uebersetzungen der Texte zu
Mendelssohn^ „Paulus" und Haydn's „Jahreszeiten/ 1 welche den
gegenüberstehenden Originaltexten bei J. H. & G. v. H e t e r e n
in Amsterdam erschienen sind.
*** Der Compouist Westmeyer befindet sich in Leipzig,
wo unter der Leitung des Capellmeisters Mühldorfer seine Oper
„Die Brandschatzung" einstudirt wird.
%* Der Violinvirtuose Leonard aus Paris hat sich in Wies-
baden mit ausserordentlichem Erfolg hören lassen.
%* Die Berliner Oper hat im Jahre 1867 im Ganzen 16&
Opernvorstellungen gegeben, welche 48 Opern umfassten. Neu war
nur die komische Oper „Don Bucefalo" von Cagnoni; neu ein-
studirt waren: „Othello," „Teufels Antheil," „Iphigenie in Aulis"
und „Johann von Paris.' Die classische Oper war durch 66 Auf-
führungen vertreten; davon fallen 7 auf Gluck, 23 auf Mozart,.
11 auf B e e t b o v e n , 13 auf Weber, 4 auf Mebul, 5 auf
Cherubini und 2 auf Spontini.
*** Das „Florentiner Streichquartett" gibt am 4. September
ein Concert in Wiesbaden.
*** Die reiche städtische Bibliothek in Brauns chweig*
besitzt unter ihren Schätzen eine höchst bemerkenswertheCuriosität.
Es sind dies 40,000 Theaterzettel, welche zugleich mit einer Samm-
lung von Portäts von Componisten, Sängern und Schauspielern au»
dem Nachlasse des am 26. December 1865 verstorbenen Major»
Häusler hierher vererbt sind. Dieser seltsame Mann hatte die
Manie, von allenthalben her diese scheinbar werthlosen Papiere zu
sammeln, zu ordnen und sich zum Vergnügen aufzustellen, und hat
damit der Chronik des Theaters sicherlich wesentliche Dienste er-
wiesen. Man findet demzufolge in dieser Sammlung deutsche, ital-
ienische, französische, englische, russische, amerikanische u. s. w-
Theaterzettel. Vollständig und lückenlos sind die braunschweigischen
Zettel, nach Jahrgängen geordnet und von dem Jahre 1638 begin-
nend. Diesen reihen sich die Concertzettel an, welche als Ankün-
digungen aller musikalischen Veranstaltungen Braunschweigs in die-
sem Jahrhunderte sicherlich ein werthvolles statistisches Material
zu liefern im Stande sind.
*** Der Tenorist F i s ch e r - A ch t e n hat in Leipzig ein.
Gastspiel als Nadori in „Jessouda" begonnen.
*** Ein Pfarrer Zacbariä bei Giessen hat ein neues „Kunst-
pedal," wie er es nenut, für Flügel erfunden. Es lässt sich jede-
Octave dadurch selbständig an- und abdämpfen; der Erfolg, ais-
akustische und orchestrirende Wirkung ist überraschend.
*** Das Engagement der Frl. Malliuger am Hoftheater in.
Dresden soll an den übertriebenen Anforderungen der mit so-
grossem Enthusiasmus aufgenommenen Künstlerin gescheitert sein.
*#* Zur Vervollständigung unserer vor Kurzem gebrachten No-
tiz über die Subventionen der kaiserl. Theater iu Paris tragen
wir Folgendes nach: Die grosse Oper erhält 1,200,000 Pres., das
Thtätre francais 254,000 Frcs., die komische Oper 240,000 Frcs.»
Ode'on und Thtötre lyrique je 100,000 Frcs. und das Conserva-
torium 220,000 Frcs.
*** Das Centralcomitä des nordamerikanischen Sängerbunde»
in dessen Händen ein Ueberschuss vom Ertrage des Festes ver-
blieben, hat goldene Sterne für die Dichter Emil Ritter haus,
Müller von der Werra, sowie für den Componisten Kai-
c h a r d t anfertigen lassen, als Anerkennung der Verdienste, welche-
dieselben sich um das Fest durch Gedicht und Compositionen er-
worben haben.
*** In P a r i s ist der berühmte Hornist Dauprat im Alter
von 87 Jahren gestorben.
%* Capellmeister Zi ehrer in Wien hat eine Operette: „Mar-
quis Vergissmeinnicht" von Poly Henrion in Musik gesetzt und ist
dieselbe von der Direction des Carltheaters zur Aufführung
angenommen worden.
*** Der König von Italien hat den Componisten P etrella und 1
den Violinvirtuosen B a z z i n i zu Offizieren des Ordens der ita-
lienischen Krone ernannt.
V Die Oper „Mignon" von Thomas soll am 18. October
im Wiener Operntheater zur erstmaligen Aufführung gelangen.
*** Der Wittwe des unlängst verstorbeneu Komikers Räder
in Dresden wurde vom König von Sachsen auf Antrag des Inten-
danten Graf Platen eine ansehnliche Pension aus der königlichen»
Civilkasse gewährt.
*** in Neapel ist der Operncompouist und Conservatoriums-
Professor Carlo Conti gestorben. ^^
Verantw. Red. Ed, Föckerer. Druck v. Carl Walletu, Mainz-
17. Jahrgang.
it* S9.
14. September 1863.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
Verlig
von
•v-4
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
? PREIS: ^
>fl.2.42kr. od. Th. 1.18
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
INHALT: Die Kinderjahre Gretry's. — Corresp.: Paria. Wien. — Nachrichten.
Hie Kinder jalire Gretry's.*)
Einem Kinde, welches bestimmt ist ein grosser Musiker zu
werden, ist die Musik so zu sagen angeboren. Es begreift, es geniesst
sie, ohne sich über seinen Genuas Rechenschaft geben zu können.
Alles fällt ihm auf an einer Sprache, die, obschon der seinigen
fremd, ihm dennoch vertraut erscheint. Häufig hat ein solches
Kind eine schöne, weiche Stimme und singt so rein und richtig,
dass Alle, welche es singen hören, darüber erstaunen. Wenn es
seinen Gesang zu verzieren sucht , so sind seine improvisirten Ver-
änderungen immer richtig und seinem Stimmregister angemessen,
ohne dass es selbst dies wusste. Es begreift die Harmonie aus
Instinkt ; kaum sitzt es vor einem Claviere , so finden seine Finger
rasch auf demselben die Accorde, welche zu seiner Melodie passen.
Später sind dann die Lectionen seiner Lehrer nur ein Spiel für
dasselbe und in einem Alter, in welchem andere Musiker noch
Schüler sind, verdunkelt es durch seine Erfolge jene, die lange vor
ihm die musikalische Laufbahn betreten haben.
Woher kömmt nuu aber diese Frühreife? Warum ist die
Musik, welche doch als die coniplicirteste unter den Künsten er-
scheint, dennoch diejenige, iu welcher ein ganz junger Mensch , ja
selbst ein Kind sich besonders bervorthun kann?
Diese Besonderheit hängt ebenso von der Natur der Kunst selbst,
wie von der des Künstlers ab. Einerseits ist ein zum Musiker ge-
borenes Menschenkind immer mit einer ausserordentlichen Empfind-
samkeit begabt, welche sich bei ihm sehr rasch entwickelt. An-
dererseits ist die Musik eine Kunst voller Gemüthsbewegungen, bei
welchem die überlegende Beobachtung nur eine untergeordnete
Stellung einnimmt. Die Unbestimmtheit der Sprache der Töne ge-
stattet dem Musiker Ideen auszudrücken, deren Entwurf weder
langwierige Naturstudien, wie bei der Malerei, noch tiefe moralische
Forschungen, wie bei der dramatischen Kunst,' erfordert. Die Eigen-
schaften mit denen er ausgestattet ist, sind fast schon hinreichend,
um Meisterwerke hervorzubringen.
Gleichwohl haben jedoch von allen jenen Kindern, welche zu
den grössten Hoffnungen berechtigten, nur sehr wenige dieselben
erfüllt. Um ein tüchtiger Musiker zu sein, genügt es nämlich nicht,
durch forcirtes Ueben und unablässiges Studiren sich die Gewandt-
heit des schuellen Ablösens der Noten oder die unentbehrliche Fer-
tigkeit und Sicherheit der Finger angeeignet zu haben, um die
halsbrechendsten Passagen auf dem Instrumente auszuführen. Auch
die Unkenntniss des Publikums ist mit eine Hauptursache jener
Erfolge von sogenannten Wunderkindern. ' Sowie nur so ein un-
glückseliger Pianist seiue Finger mit der Geschwindigkeit von 70
Sechzehntelsnoten in der Secunde über die Tasten laufen lässt, ohne
einmal in diesem rasenden Dahinrennen über eine Note zu stolpern,
so schreit gleich die ganze Welt Mirakel! Hat er auch die Nuan-
cen beobachtet, wenn es überhaupt in der Absicht des Componisten
lag, deren iu seinen gymnastischen Stücken anzubringen? Hat er
auch verstanden den harmonischen Styl und die Verschlingung der
*) Aus der „France musicah."
Accorde, welche er vor Augen hat, zu würdigen? Wer fragt dar-
nach? Das Thema wurde zwar recht schlecht vorgetragen, aber
die Variationen waren gar so prächtig ! Wenn nun das Alter kommt,
in welchem das Genie mannbar uud selbstschöpferisch wird, welche
Enttäuschungen gibt es denn dal Von dem glänzenden Musiker,
bisher so voller Hoffnungen und Erfolge, bleibt nichts übrig, als
ein eibärmlicher Notenfresser, der froh sein kann, wenn seine Eltern
ihm noch für ein anderes Auskommen gesorgt haben, als das Ver-
gängliche, welches ihm sein Talent gewähren kann. Ganz anders
verhält es sich mit dem wirklich musikalischen Kinde. Schlecht
geleitete Studien, üble Behandlung können vielleicht für einen
Augenblick die Fortschritte seines erwachenden Genie's aufhalten,
aber der kleinste Funke entzündet wieder das Feuer, welches schon
erloschen schien.
Andrä Ernest Modeste Gretry wurde am 8. Februar 1741
in Lütt ich geboren! Sein Vater, ein guter Musiker, war erster
Violinist an der Kirche zu Saint-Denis in Lüttich. Seine Kindheit
ist vollständig beschrieben in seinen Essais, auf welche wir uns
häufig bezieben werden. Diese Memoiren, ein Meisterstück voll
Feinheit, Gutmüthigkeit und geistiger Naivität, sollen nach den
Ideen Gretry's von einem dem Componisten befreundeten Professor
abgefasst sein , wenn man Herrn Fetis glauben wollte ; wenn man
sich aber das Vergnügen machen will, dieselben durchzulesen, so
wird man sehen, dass möglicherweise Alles, was nach dem Urtheil
jener Epoche riecht, von einem pedantischen Zeitgenossen hinzuge-
fügt wurde, Alles hingegen, was den Stempel der richtigen Beob-
achtung, des wahren und gefühlsten Ausdrucks trägt, ganz sicher
dem Autor von „Zemire und Azor" angehört, wie es sich denn auch
bereits durch die Forschungen eines Hrn. Emil Regnard, dessen
Vater ein Freund Gretry's war, evident herausgestellt hat, dass der
ehemalige Advocat L e g r a r d (nicht Professor , wie Hr. Fetis an-
gibt) niemals eine Hand an die Essais sur la musique von Gretry
gelegt hat. Ausserdem sagt Gretry, der nicht gewohnt war sich
anzueignen was ihm nicht gehörte, in seinem Vorworte kein Wort
von irgend einer Hülfe, die ihm zu Theil geworden sei.
In seinem vierten Jahre wäre Gretry beinahe das Opfer seiner
musikalischen Neugierde geworden. Er befand sich allein in einem
durch ein Stei nkoblenfeuer geheizten Zimmer. An diesem Feuer
stand ein mit Wasser gefüllter Topf. Nach und nach zog nun das
brodelnde Geräusch des kochenden Wassers die Aufmerksamkeit des
Knaben auf sich. Er fing an zu dem Geräusche dieses improvisir-
ten Instrumentes zu tanzen; doch blieb es dabei nicht, sondern er
wollte auch die Ursache jenes Geräusches kennen, und als er des-
halb den Deckel des Topfes abnahm, ergoss er den ganzen Inhalt
desselben in das Feuer. Es erfolgte natürlich eine Explosion,
welche den kleinen Neugierigen arg verbrannte. Einige Jahre nach
diesem Zufalle bemerkte Gretry's Vater, dass sein Sohn eine sehr
Bchöiie und umfangreiche Stimme besass und wollte ihn deshalb in
der Musik unterrichten lassen, zu welchem Zwecke er ihn der Lei-
tung des Musikdirectors an der Collegialschule von Saint-Denis
übergab. —
146
War« Gretry nicht mit einer jener echten Musikernaturen
begabt geweseu, welche nichts zerstören kann, so würde ihn die
Behandlung, welche er während Ö bis 6 Jahren in jener Schule
zubrachte, veranlasst haben, die Musik auf ewig zu verwünschen,
Die Mittel, welche man damals in den Schulen anwandte, um die
Kinder zum Lernen anzutreiben, waren nicht gerade die zartesten.
Man hat den Stock aufbewahrt, mit welchem der Papst Gregor der
Grosse seine Zöglinge schlug. Carl der Grosse verfuhr nicht mil-
der gegen die jungen Musiker seiner Zeit; Prügel war ein Lehr*
mittel. Wir finden einen Beweis dafür bei einem alten Autor des
10. Jahrhunderts, Namens Odon von Cluny. Der Lehrer erklärt
seinem Schüler- die Anwendung eines Instruments, mit Hülfe dessen
man ganz allein solfeggiren lernen kann. „Wie!" rief der Schüler
höchst uaiv aus, „ich soll einen Lehrer haben der mir gehorcht
und der mich nicht prügelt, wenn mein Gedächtniss mich im Stiche
lässt?" Man sieht daraus, welche Gewohnheiten bei dem unter-
richte in den Schulen herrschten; allein Gretry's Lehrer übertrieb
noch die in den Singschulen herkömmliche Grausamkeit. Die Zeit,
welche Gretry als Chorknabe zubrachte, war die unglücklichste sei-
nes Lebens. Eines Tages war die Standuhr seines Vaters stehen
geblieben ; er kam zu spät und wurde empfindlich gestraft. Seit
dieser Zeit hatte er keine ruhige Nacht mehr. Um die Stunde
nicht zu verfehlen, ging er im Winter um 3 Uhr Morgens trotz
Schnee und Sturm von Hause weg. „Ich setzte mich," so erzählt
er selbst, „vor die Kirchthüre, und hielt meine kleine Laterne vor
mir auf den Knieen, um meine Finger daran zu erwärmen. Dann
schlief ich beruhigt ein, denn ich war sicher, dass Niemand die
Tbüre öffnen konnte, ohne mich zu wecken." Ein Beispiel genüge,
um einen Begriff von der Strenge des Musikmeisters zu geben.
Gretry schreibt: „Ich sah, wie er einem Knaben von 10 Jahren
den Kopf in eine grosse alte Perrücke einhüllte, ihn in diesem Zu-
stande mehrere Fuss hoch über dem Boden an die Wand befestigte
und ihn da mit Ruthenstrichen zwang, seine Musik zu singen, das
Notenblatt in der einen Hand haltend und mit der andern den
Tact st;hlagend. tt (Schluss folgt.)
<<o»« >
COBBESPONDENZEN.
Aus Wien.
Für das hiesige Operntheater fielen diesmal die sonst so ge-
fürchteten Sommermonate glücklich aus. Monat Juli und Hälfte
August belebte das Repertoir Sontheim, der im Ganzen etwa 15
mal auftrat. Nebst dem „Eleazar" hatte sein „Vasco de Gama"
den meisten Erfolg. Während seinem nächsten Gastspiel soll end-
lich auch die Oper „Astorga" aufgeführt werden, wenigstens wird
dies oft genug versichert. Zunächst wird nun der Tenor Wachtel
hier gastiren und in den Wintermonaten mit N i e m a n n auch der
Wagner'schen Opern gedacht werden. Man hatte dieser Tage den
„fliegenden Holländer" gegeben, der ein eiuzigesmal zu Weihnachten
aufgeführt wurde — dies war seit Jahresfrist das einzige, was man
von Wagner zu hören bekam. Und doch binderte nichts die Wie-
derholung der Oper, da dasselbe Personul zur Hand war und oben-
drein Beck die Titelrolle zu seineu besten Partien zählt. Dieser
vielgeschätzte Sänger trat nach seinem Unwohlsein als Rigoletto,
Teil, Don Juan und dem erwähnten Holländer auf, wie immer
mit Beifall ausgezeichnet. Der Tenor Adams, Bassist Roki-
tanski und FrauWilt sind nach ihrer Ferienzeit wiederholt auf-
getreten ; Dr. S ch m i d wird zu Anfang September erwartet. Dagegen
erhielt Frl. von Rabatinsky einen Urlaub und werden ihreRollen
so gut wie möglich besetzt. Die fleisstge Sängerin hatte sich in
letzterer Zeit in mehreren Hauptrollen der Frau Murska mit Glück
versucht, so z. B. als Page Oskar (Maskenball), Gilda (Rigoletto).
Nachträglich wurde in der Schützenfest -Vorstellung „Freischütz"
doch noch in den Hauptrollen der gewünschte Wechsel vorge-
nommen; Agathe und Max mit Frl. Ehnn und Walter zierten
die Oper mehr de der ganze Aufwand an Deeorationen und neuem
Costume. -— Die Kette verunglückter Gastspiele wurde nach dem
Abtreten der Frl. Pauli durch Frl. Anna Beiss weitergeführt;
sie überfiel (mau kann dies mit Recht sagen) das geduldige Publi-
kum als Regimeutstochter, Isabella und Amina. Sie zeigte sich
als eine Soubrette mit einem guten Theil Keckheit ausgestattet;
die Stimme nicht mehr frisch, die Mittellage stumpf, die Höhe
scharf; der ganze Gesang, Spiel, kurz Alles durchaus ungenügend;
ein beabsichtigtes viertes Auftreten als Zerline im Don Juan unter*
blieb glücklicherweise. Einen vortheilhaften Eindruck im Ballet
machte das Auftreten der Frl. S a 1 v i o n i aus Paris. Sie tritt an
die Stelle der Frl. Couqui, welche nach mehrjährigem Engagement
von der hiesigen Bühne Abschied nahm. — Im Orchester dieses
Theaters wurde Grün aus Pest als zweiter Concertmeister ange-
stellt. Auch der Cellist Popper tritt in den Verband dieses Or-
chesters, das schon jetzt im Hinblick auf das neue grössere Opern-
haus entsprechend vervollständigt wird.
Aus Paris.
7 September.
Ich bin mit ihrer Zeitung sehr im Rückstand. Eine mehr-
wöchentliche Abwesenheit von Paris hat mich genöthigt, meine Be-
richte zu unterbrechen; es hat sich indessen während dieser Zeit
nichts Bedeutendes auf dem hiesigen musikaliscken Gebiete ereignet.
Selbst in diesem Augenblick werden unsere lyrischen Bühnen nur
spärlich und grösstentheils blos von Ausländern besucht. Die grosse
Oper, die seit der Rückkehr der Nilsson von London den Hamlet
wieder aufs Repertoire gesetzt hat, bereitet die Reprise der Huge-
notten vor und zwar mit sehr glänzender Mise en Scene. Dieselbe
Bühne geht auch damit um, Verdi's „Don Carlos" im Laufe des
bevorstehenden Herbstes wieder zur Darstellung zu bringen. Nun,
das Publikum wird bei dieser Nachricht just nicht vor Entzücken
ausser sich gerathen. Von der Aufführung der „Armide" ist vor-
läufig nicht mehr die Rede.
Die Ope'ra comique lebt gegenwärtig ebenfalls von ihrem alten
Repertoire. Es wurde in der That auch zu viel von ihr verlangt,
bei der hier herrschenden tropischen Hitze mit neuen Werken
aufzutreten. Sie hat indessen eiue Reihe neuer Hervorbringungen
in petto, unter anderen eine Oper von dem unerschöpflichen Offen-
bach, Vert- Vert. Das ist das dritte Werk, mit welchem Offenbach
einen glänzenden Erfolg in der Opera comique zu erreichen hofft.
Die ersten zwei Versuche, „Roi Barkouf ,i und „Robinson Crusoe,"
sind eben nicht günstig für ihn ausgefallen. Offenbach hat auch
noch eine zweiactige Opera buffa, „la Perichole" geschrieben, die
bereits im VarieteV Theater einstudirt wird. Der Text ist dem
The'ätre de Clara Gazul, von Prosper Merime'e, entnommen.
Das kleine Boulevard-Theater Fantaisies-Parisiennes hat mit
dem italienischen Componisten Fr. Ricci einen Vertrag abgeschlossen,
demzufolge sich diese Bühne alle Erzeugnisse der Gebtüder Ricci
erwirbt. Dieselbe wird nächstens ein neues Werk von Fr. Ricci,
Monsieur de la Calisse in Scene setzen. Auch eine dreiactige
Oper von Flotow soll dort in der kommenden Wintersaison dem
Publikum vorgeführt werden.
Pasdeloup, den die Bedingung, das Material des The'dtre lyrique
anzukaufen, vor der Uebernahme der Direction dieser Bühne nicht
ohne Grund zurückschreckte, wird sich nun doch dazu verstehen,
da ihm, wie es heisst, bedeutende Erleichterungen zugestanden
werden. Desto besser!
Henri Blaze de Bury, der mit seiner Klage gegen die Wittwe
und Erben Meyerbeei's wegen der Auslieferung der Composition zu
der Jeunesse de Göthe abgewiesen wurde, hat bereits appellirt. Es
ist jedoch sehr zweifelhaft, ob er in der zweiten Instanz glücklicher
sein wird, als in der ersten.
i » ee»
!¥ a e li r I e li t e n.
BrfiSSel. Das königliche Theater de la Monnaie ist am 1.
September mit zwei kleinen Opern „/e Maitre de Chapelle" und
„CrUpiuo" wieder eröffnet worden. Das Opernpersonal für die dies-
jährige &*ieon 1868/69 ist folgendes: DieTenore: Massy, Jour-
dau, Bajrfeet, Lapissida; Bnffo-Tenore Tournade und
Lallemand; Bässe und Baritone: Giraudet, Jamet, Du-
- 147 —
uestre, Lopera, Chapuy, E. Terrain, Ferraad, Blon-
de au, Vermatte, Thomas; Sängerinnen, die Damen: Mari-
m o n , S a 1 1 a r d , M a r t y, Lambia, Dumestre, Fanline
K i 1 1 i a n, N e u 1 a t, A u r e 1 i e ; Orchestercbef Ch. L. H a n s s e n s,
«weite Dirigenten Bosselet und B u z i o. Die diesjährige Saison
wird um einen Monat abgekürzt und schliesst mit dem 30. April 1869*
— Vor einigen Tagen befand sich der Pianist Leopol d von
Meyer in Brüssel, welcher nach einer in Ostende gebrauchten Bade-
kur sich nach Deutschland begibt.
Baden -Baden. Am 5. d, M. fand die mit so grosser Spannung
«rwartete Aufführung von Wagner's „Lohengrin" statt und das ge-
nilae Werk fand bei dem zum grossen Theile aus Franzosen beste-
henden Publikum eine wahrhaft enthusiastische Aufnahme. Die Be-
setzung war aber auch eine ganz auserlesene, denn es wirkten dabei
mit: Nachbaur aus München (Lohengrin), Frl. Mailing er aus
München (Elsa), F. Betz aus Berlin (Telraraund), Fr. Bertram-
Mayer aus Mainz (Ortrud), Frick aus Cassel (König Heinrich).
State des in Folge seines erlittenen Unfalles krank darniederliegen-
den Hofcapellmeisters Carl E e i s s in Cassel dirigirte Hofcapell-
meister Carl Eckert, welcher bei dieser und den ferneren deut-
schen Opernvorstellungen von dem tüchtigen Capellmeister Schön-
■eck von Freiburg i. Br. unterstützt wird. — In dem am 11. d. M.
stattfindenden Concerte werden Frl. Nilsson, Fr. von Murska
und Hr. F a u r e mitwirken.
Dresden. Hr. Hoforganist E. Kretschmer gedenkt demnächst
nach Brüssel zu reisen, um der Aufführung seiner dort vor Kur-
-zem mit dem ersten Preise gekrönten Messe beizuwohnen.
— Von L. Meinardus, Professor des hiesigen Conservato-
riums, erscheint demnächst ein Oratorium „Gideon" und ein Werk
für Soli, Chor und Orchester, „Schön Ellen." Von demselben ist
bereits früher ein Oratorium „Salomon" bei Leukardt in Breslau
•erschienen, welches die besondere Berücksichtigung der Concert-
nud Oratorienvereine verdient.
Salzburg. Am 18. August fand in der Aula zur Feier des
<j»eburts festes des Kaisers von Seite des Mozarteums ein grosses
Festconcert unter der Leituug des neuen Directors Dr. Otto Bach
etatt. Das Programrii enthielt: I. Abthlg. 1. Ouvertüre zu „Eury-
antbe'' von Weber. 2. Recitativ und Arie aus „Titus" von Mo-
zart, gesungen von Frl. Kitt er, köuigl. baier. Hofopernsängerin.
4J. Gesangsscene für die Violine mit Orchesterbegleitung von Spobr
vorgetragen von Hrn. Concertmeister Blau. 4. Grosse Scene für
AHsolo, Chor und Orchester aus „Orpheus" von G 1 u ck, vorgetragen
von Frl. Ritter, der Singakademie und dem Orchester. II. Abthlg.
B moll-Sinfonie von Beethoven.
München. Am 3. Sept. kamBoieldieu's liebliche Oper „Das
Rothkäppchen" wieder einmal zur Aufführung und wurde von dem
■sehr zahlreichen Publikum wie immer mit grossem Beifall aufge-
nommen. Vor einigen Jahren von der hiesigen Intendanz der langen
Vergessenheit entrissen, verdankt dieses Werk seineu grossen und
bisher stets sich gleichbleibenden Erfolg vorzugsweise der unver-
gleichlich vollendeten und poesievollen Durchführung der Titelrolle
•durch Frl. Stehle, welche denn auch gestern bei ihrem Auftreten
vom Publikum mit lebhaftem Applause empfangen wurde, der sich
während der Vorstellung bestäudig steigerte. Auch die Herren
V o g 1 und Kindermann leistetet) Vortreffliches und fanden ent-
sprechenden Beifall. Der junge Dirigent Hr. Rieh t e r leitete die
Aufführung mit Sicherheit und Verständnis», so dass das Ensemble
in keiner Beziehung etwas zu wünschen übrig Hess.
Paris. Die Säugerin Mme. Gueymard von der grossen Oper
welche kürzlich von ihrem Gemahl, der als Tenorist an demselben
Institut engagirt ist, gerichtlich geschieden wurde, war in erster
Ehe mit dem belgischen Baritonisten Delibert verbeirathet, von
<dem sie ebenfalls durch gerichtliche Scheidung getrennt wurde. Mit
'Gueymard war sie acht Jahre verheiraihet, als sie anf einmal, ohne
einen andern Grund als ihren grossen Hang zur Unabhängigkeit,
«ein Haus verliess, was denn sofort Veranlassung zur Scheidung
gab. Da das getrennte Paar nicht in Gütergemeinschaft gelebt
liatte, bo wurden Mme. Gueymard vorläufig nur die zu ihrem Ge-
brauche bestimmten Möbel, ihr Piano und ihre Gesangrollen aus-
geliefert.
— In der grossen Oper haben in voriger Woche „Hamlet,*-
«Troubadour und „Jüdin" abgewechselt. Brillante Aufführungen
der „Hugenotten" und des „Don Carlos" werden vorbereitet* Die?
komische Oper bereitet die Wiederaufnahme der Auber'schea
Oper „Der erste Glückstag". Das Theatre lyrique wird, wie be-
reits gemeldet, mit Wagner's „Rienzi" unter der Direction von
Carl Eckert eröffnet werden.
— Unser berühmtester Decorationsmaler, Cicäri Vater, ist in
Saint-Cheron, 86 Jahre alt, gestorben. Ciceri hatte seine Laufbahn
als Geiger im Orchester des Theater SSraphin begonnen und wurde
dann auf Empfehlung seiner Verwandten, Martin und Ellevion,
in das Conservatorium aufgenommen, wo seine hübsche Stimm«
einen bedeutenden Tenoristen erwarten Hess. Allein ein Sture aus
einem Wagen, in Folge dessen er hinkend blieb, schnitt ihm diese
Laufbahn ab und er widmete sich deshalb der Decorations-Malerei.
400 Decorationen gingen aus seiner kunstreichen Hand hervor. Er
lässt zur Fortpflanzung seines Ruhmes und seiner Geschicklichkeit
vier Schüler, Meister in ihrem Fache, zurück, nämlich : seinen Sohn
Cambon, Desplechin und S Seh an.
*** Von der Persönlichkeit des bekannten Componisten G o u-
n o d's gibt Professor Hanslik in Wien , der den Meister unlängst
in Paris besucht, folgende anziehende Schilderung. Gounod ist ein
sehr ernsthafter, etwas zur Schwärmerei geneigter Mensch, der die
Mission der Kunst vom höchsten Standpunkte auffasst und ihr mit
einem fast religiösen Eifer dient. An der Composition des „Romeo,"
die er unmittelbar nach dem „Faust" begann, hat Gounod (mit
wenigen für kleinere Werke nöthigen Unterbrechungen) acht Jahre
gearbeitet, und gewiss mit dem reinsteu Streben, sein Bestes zu
leisten. Wir dürfen darüber allerdings nicht vergessen, dass Gou-
nod Franzose ist und sich von der Anschauungs- und Empfindungs-
weise seiner Nation unmöglich ganz emanzipiren kann. Gounod —
ein begeisterter Verehrer und Kenner deutscher Meister -— hat sich
übrigens dem deutschen Opern -Ideal und dem gemüthvoll sin-
genden Charakter unserer Musik mehr als irgend ein zweiter
Franzose genähert. Dass es endlich in einer französicheu Oper
ohne einige Concessioneu an den Theaterdirector und die Sänger
nicht abgeht , ist sattsam bekannt. Welch 1 innere und äussere
Kämpfe Gounod bei solchen Anlässen zu bestehen hat, davon konnte
iöh mich eines Tages selbst überzeugen. Gounod war von einer
der letzten Proben zum „Romeo" eben nach Hause gekommen und
begann, durch die Aufregung noch belebter und gesprächiger als
gewöhnlich, über die Hindernisse zu klagen, welche die leidige
Theaterwirklichkeit den besten Intentionen des Componisten bereite.
Der Director hatte eine Ensemble -Nummer, als die Handlung auf-
haltend, streichen wollen, und die Primadonna bestärkte ihn durch
ihre Unlust, darin mitzusingen. Gounod setzt sich also erzählend
rasch au's Ciavier und spielt und singt uns das betreffende Musik*
stück — es war das „Epithalame" im 3. Act („0 Juliette, sois
heureuse/ 1 '), ein edler, breit ausströmender Chorsatz, in der That
der besten Nummern eine — vor. „Verleugnung," ruft Gounod,
»Verleugnung heisst die erste Tugend des Sängers, wie sie die erste
Pflicht des Componisten ist! Den achte ich nicht als Künstler, der
sich nicht mit dem Kunstwerk identifizirt, der, statt in seiner Rolle
gänzlich aufzugehen, immer daneben die eigene Persönlichkeit im
Auge hat. Wenn ein Sänger die Composition anders vorträgt, als
der Tondichter sie geschrieben, so ist dies nichts Anderes als eine
Verleumdung; im Privatleben gibt es Rechtsmittel gegen die Ver-
leumdung, in der Kunst nicht. Der Componist hat keine Appella-
tion und ist doch schon geschädigt, wenn eine Sängerin ihre Arie
auch nur mit Uulust vorträgt. — „Wahr Bein und sich verleugnen,"
fuhr er dann mit gesteigerter Wärme fort, „das ist die erste und
höchste Pflicht des dramatischen Componisten. Wehe ihm, wenn
er den höchsten Lohn nicht im eigenen Schaffen fiudetl Die Com-
position des „Romeo" bat jahrelang Tag und Nacht meine ganze
Seele erfüllt, wonnevoll, schmerzvoll; ihr verdanke ich die selig-
sten Stunden meines Lebens und habe meinen Lohn dahin. Waa
nach Vollendung des Werkes folgt, die Proben, die Aufführung, der
Erfolg — das ist nur Mühsal und Enttäuschung. Gäbe mir ein
Gott die Kraft, ein Meisterwerk zu schaffen, vollendet und unsterb-
lich wie Shakespeare's unter der Bedingung, dass niemals ein Sterb-
licher den Namen des Autors erfahre oder vermuthe, ich war«
tausendmal glücklicher, als mit den höchsten Erfolgen meiner Werk*
und der Ueberseugung von ihrer Mangelhaftigkeit." Diese und
ähnliche in lebhaftester Erregung ausgeführten , Reden zeugten vo»
- 148 -
€em idealen Feuer, das Gounod durchlodert, and Hessen den Schwär-
mer wiedererkennen, der als Jüngling sieb ganz der religiösen Kunst
hingab, die ersten Weihen nahm und noch tot 12 oder 15 Jahren
in geistlichen* Kleide einherging. Letztere Schwärmerei hat er
überwunden und lebt seit zehn Jahren als glücklicher Qatte und
Vater in der erfreulichsten Unabhängigkeit. Fein und weltmännisch
in seinen Formen, von offener, intelligenter Gesichtsbildung, gehört
Gounod nacht zu der Klasse der Schweigsamen, erst am Ciavier
aufthauende Tondichtern, sondern zu den lebhaften, mittheilsamen,
denen eine fliessende Beredsamkeit und vielseitige Bildung erlauben,
über ihr Streben und Schaffen Rechenschaft zu geben.
*** Von der Direction des Wiener Operntheaters ist Hr. Pro-
fessor L e w y, der Lehrer des Frl. Mallinge r, nach München
geschickt worden, um mit seiner ehemaligen Schülerin bezüglich
eines Engagements derselben für die Wiener Oper zu unterhandeln.
Das Resultat seiner Bemühungen besteht darin, dass Frl. Mallinger,
nach Ablauf ihres Contracts in München, im Herbst 1869, kein an-,
derweitiges Engagement annimmt, bevor sie in Wien 6 Gastrollen
gegeben haben wird, von dessen Ausfall das auf vorläufig bespro-
chene Bedingungen basirte Engagement daselbst abhängig sein soll.
*** Der Opernsänger Jos. Reichmann in Brunn ist von
dort heimlich entwichen und einen von der Theatercasse erhaltenen
Baarvorschuss schuldig geblieben.
*** Der Impresario Grau hat für seine französischen Operet-
ten in N e w - Y o r k die Damen Rose Bell, Desclausaz,
Goby-Fontanel, Alard-Gueretti, Victoria Maurice
und die HH. Carrier, Beckers und G o b y, sowie den Musik-
director Robert S t r e p e 1 engagirt.
*** Die Sängerin Frl. Löwe vom Leipziger Stadttheater hat
ihr Engagement in Nürnberg am 1. Sept. angetreten.
%* Dr. Robert Pappe ritz ist an die Stelle des nunmehrigen
Cantors an der Thomasschule, Prof. Richter, als Organist an der
Nicolaikiiche in Leipzig angestellt worden.
%* Der bekannte Componist und Capellmeister Rieh. Gen6e,
bisher am deutschen Theater in Prag, ist vom 1. d. M. an als Ca-
pellmeister am Theater au der Wien engagirt.
***
Die neue Oper „Am Runenstein" von Flotow und Geuee
»>
ist soeben im Verlag von Bartholf Senff in Leipzig erschienen.
•** Frl. Lina F r i e b hat mit der Rolle der Marie in „Czaar
und Zimmermann" ihr Engagement in Leipzig angetreten.
%* Am 3. Oct beginnen in London wieder die Samstags-
concerte im Crystallpalast.
V Bei der im Octbr. stattfindenden 25jährigen Jubelfeier der
„musikalischen Academie" in Königsberg sollen die Oratorien
Jsrael in Egypten" von Händel und „Das verlorene Paradies" von
A. Rubinstein zur Aufführung kommen. Rubinstein wird sein Werk
persönlich leiten.
\* Fr. L u c c a hat ihr Gastspiel in Leipzig am 1. Sept.
als Gretchen in Gounod's „Faust" eröffnet und die hinreissende Ge-
walt ihrer Gesangs- und Darstellungskunst hat sich auch dort wie-
der glänzend bewährt.
*** In Wien concertirt gegenwärtig ein Damen-Orchester
unter der Leitung des Frl. Josephine W e i n 1 i eh.
*** Beethoven'« Geburtshaus in B o n n , an welchem eine
Gedenktafel angebracht ist, wird zum Verkaufe ausgeboten.
V Im Theater-Orchester zu F r a n k f u r t a. M. ist die Stelle
eineB ersten Violoncellisten erledigt.
%* Mme. M a r c b e s i hat von ihren Schülerinnen in C ö I n
bei ihrem Abgang nach Wien als Gesanglehrerin am dortigen Con-
servatorium ein schweres silbernes Tafelservice als Zeichen der
Dankbarkeit und Verehrung erhalten.
*** Die New - Torker Zeitung „Albion' 4 versichert, Hr. Map-
leson, der Director vom Her Majesty's -Theater in London habe
die Academy of Music inNew-York gemiethet, um dort Anfangs
Winter eine italienische Opernsaison zu eröffnen. Das Personal
soll aus den Damen Titjens, Kellogg und der Elite seiner
Truppe bestehen. Frl. Titjens erhält für drei Monate 75,000 Free.
%* Von Albert MethfesseH — Der alte ehrwürdige Ton-
und Liederdichter, von dessen plötzlicher schwerer Erkrankung all*
Seitungen berichteten, sendet der „Gartenlaube" folgende Zuschrift
rar Veröffentlichung und bittet zugleich die übrige gesammte Presse
Weiterverbreitung derselben:
„An alle meine Freunde in der Nähe und Ferne! Endlich
habe ich so viel Ruhe wieder gewonnen, Euch durch einen mir
nahestehenden Freund die authentische Mittbeilung machen zu müssen,,
dass mich in der Nacht vom 3. zum 4. Augnst ein Nervenschlag
getroffen, der in seinen Anfängen meinen linken Arm leicht und
meinen linken Fuss schwer lähmte, in seinen Folgen aber aueb
mein linkes Auge so entzündlich gemacht hat, dass ich nun fast
ganz erblindet bin. Auch sind meine Sprachorgane so sehr gelähmt,,
dass ich kaum sechs Worte zusammenhängend dictiren kann.
Drei Dinge, die zum Fortkommen in der Welt gehören, habe
ich verloren: das Gehen, das Sehen, das Sprechen (Dictiren). Ein
Trost ist mir jedoch geblieben : ich kann mein Clavierspiel noch
hören, ich kann meinen treulichen Vorleser noch verstehen, so das»
ich durch Mittheilungen und Zusendungen von Freunden vor Ver-
einsamung bewahrt bleibe. Tief empfundenen Gruss an Alle ! Geist
und Muth ist mir geblieben.
Heckenbeck, am 24. August 1868. Dr. A. Methfessel."
Für solche Verehrer unseres vielgeprüften und der ehrendste»
Theilnahme würdigen alten Meister, welche ihn durch Zusendungen
erfreuen wollen, setzen wir die vollständige Adresse her: Herrn
Hofcapellmeister Dr. Albert Methfessel, dermalen in Heckenbeck
bei Gandersheim im Herzogthum Braunschweig. Tausenden hat er
in ihren schönsten Stunden des Liedes Freuden bereitet: möchte»
wenigstens Hunderte dafür dankbar sein!
*** Die Componisten Jremonger und G a 1 1 i e r i haben die-
Direction des Teatro JRe in Mailand übernommen und beabsich-
tigen, dort u.A. auch ihre Buffo- Opern : „Una notte de novembre^
und „Ser Matteo" aufzuführen.
*** Die Opernsaison in Moskau wird am 6. September be-
ginnen und 32 Vorstellungen umfassen. Zu den Eugagirten gehören
die Damen A r t o t, G e nat i und Fr erucci und die HH. Stau io,.
Padilla und Possi. An der Spitze des Orchesters steht Herr
Jos. D u p o n t.
*** Im Her Majesty^s- Theater hat ein neuer Tenorist, Herr
Bulterini, grosses Aufsehen gemacht.
*** Die Wiederaufnahme der Aufführungen der „Meistersinger"
in München dürfte in nicht ferner Zeit stattfinden, da Hr. Siegt
den Beckmesser bereits vollständig eiastndirt hat und Hr. Kinder-
mann nun ebenfalls bereit ist, die Rolle des Hans Sachs zu
übernehmen.
*** Herr Jäger vom Hoftheater in Cassel hat als Max im
„Freischütz" ein Gastspiel an der Berliner Oper mit sehr güns-
tigem Erfolge eröffnet.
*#* In Paris starb der einst berühmte Tenorist Perouet.
im Alter von 78 Jahren.
ANZEIGEN.
AMSTERDAM: Th. J. ROOTHAAN * Cie.
d*
Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst
dankenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer
der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.)
MBr. Jf. M». MM EM JT JE,
GRIEKEEANDS WORSTELSTRÜD
(Griechenlands Kampf und Erlösung.)
BEETHOVENS
Ruinen von Athen.
Clavierauszup fl. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50.
Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend,
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich
der BEETHOVEN'sehen Musik an. Möchten die deut-
schen Concert-Institnte recht bald mit ihr einen Versuch
machen. (AUg. Musik-Ztg.)
OB
a
w
o
CG
50.
■
CO
Leipzig: FB. HOFMEISTER:
Verantw. Red. Ed. Föckere*. Druck v. Carl Wallau, Mainz-
17. Jahrgang.
Afc SS.
21. September 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
? Diese Zeitung erscheint jeden T
| MONTAG. 1
5 Man abonnirt bei allen Post-
| ämtern, Musik- & Buchhand-
> lungen.
r
Verlas
*
von
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co.
PEEIS:
fl.2.42kr. od. Th.l.l8Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
INHALT: Die Kinderjahre Gretry's. — Corresp.; Mainz. — Nachrichten.
Die Kinderjahre Gretry's.
(Schluss.)
Der junge Gretry wendete alles Mögliche an, um seinen fürch-
terlichen Lehrer zu besänftigen: unermüdlichen Eifer, Genauigkeit,
fiebriges Ueben ; wenn der Meister ihn beauftragte Tabak zu holen,
legte der arme Junge Geld darauf, damit die Dose mehr gefüllt
wurde, aber Alles vergebens. Mit 11 oder 12 Jahren verliess er
die Schule. Als er auf dem Chor singen sollte, versagte ihm aus
Angst und Schüchternheit die Stimme und er sang schlecht. Nach
einem zweiten ebenso verunglückten Versuche ersuchten die Cano-
niker den Vater, sein Kind zurückzunehmen. Um diese Zeit begeg-
nete dem jungen Andre ein Zufall, der, wie er in seinen Essais
erzählt, einen grossen Einfluss auf sein Schicksal hatte.
Am Tage seiner ersten Commuiiiou bat er Gott, er möge ihn
öterbeu lasseu, „wenn nicht ein ehrenhafter und in seinem Berufe
ausgezeichneter Mann aus ihm werden soll. 44 Einige Stunden dar-
auf fiel ihm eine grosse schwere Bütte auf den Kopf Man hielt
ihn für todt, allein er war nur betäubt und der Unfall hatte keine
weiteren Folgen. Gretry aber blieb von da an stets überzeugt, dasi
ihn Gott am Tage seiner ersten Commuuion würde haben sterben
lassen, wenn er nicht bestimmt wäre, ein braver Mann und tüchti-
ger Musiker zu werden. Nachdem der Vater Gretry's seinen Sohn
aus der Schule genommen hatte, vertraute er ihn einem Lehrer
Namens L e c 1 e r c an, unter dessen sanfter uud liebevoller Leitung
der Schüler reissende Fortschritte machte.
Ein zufälliger Umstand zeigte unserem jungen Musiker die
Bahn, welche er später beständig verfolgen sollte. Es war unge-
fähr um jene Zeit, dass die italienische Buffo - Oper in Frankreich
eingeführt wurde. Dauvergne hatte mit seinen Troqueurs die
komische Oper geschaffen. La Servante Maitresse von Per«
golese gab mit ihren frischen Melodien und ihrer Wahrheit des
Aasdrucks der französischen Oper einen neuen Impuls. Der Gesang,
bisher schwerfällig und ohne Anmuth , hatte sich durch die Berüh-
rung mit jener italienischen Schule , deren Sänger in der ganzen
Welt berühmt waren, gereinigt. Die französische Musik nahm
jenen Character des Ausdrucksvollen und der Feinheit an, welcher
st« vor Allem auszeichnet und wovon la Fetusse Magie von Gretry
noch immer "ein Muster ist.
Im Jahre 1755 Hess sich iu Lüttich eine italienische Truppe
nieder, welche die Opern von Pergolese und Buranello spielte.
Ihr Dirigent war ein gewisser Besta, der sich mit Gretry's Vater
verband und dem Knaben den Eintritt in das Orchester gestattete,
welcher denn auch während eines Jahres keine einzige Vorstellung
versäumte. Hier schöpfte er die Bewunderung, welche er stets für
die italienische Musik und insbesondere für Pergolese hegte. Die*
8en Studien verdankte er auch jene ausgesuchte Richtigkeit der
Declamation, die er mitunter bis ins Kleinliche trieb, und welche
den unterscheidenden Character der Musik Gretry's bildet.
Nach Verlauf eines Jahres hielt ihn sein Vater für reif genüg,
um in der Kirche von Saint -Denis wieder aufzutreten, ßr begab
«ich zu jenem gefürchteten Musikmeister, um ihn zu bitten, dass er
seinen Sohn während der Messe singen lassen möchte. Nach eini-
gen Schwierigkeiten willigte der Meister endlich ein. Der Erfolg
war ein vollständiger. „Ich hatte kaum vier Tacte gesungen,"
schreibt Gretry, „als das Orchester bis zum Pianissimo erlosch,
nur um mich besser hören zu können. Ich warf zu diesem Augen-
blicke meinem Vater einen Blick zu und er antwortete mir mit
einem Lächeln. Die Chorknaben zogen sich respectvoll zurück ; die
Canoniker traten fast alle ans ihren Stühlen heraus und überhörten
das GlÖckchen, welches das Zeichen zur Wandlung gab." Zur Be-
lohnung für den, welchen er als seinen Schüler betrachtete, gab
Resta allen Chorknaben der Stadt freien Eintritt zu seinen Vorstel-
lungen. „So sah man denn jeden Tag eine Schaar kleiner Abbes,
welche um Gott zu preisen in des Theater kamen." Als die
Zeit des Mntirens schou herankam, wollte Gretry eine sehr hoch
liegende Arie von Galuppi singen, allein diese Anstrengung zog
ihm einen Blutsturz zu, dessen Folgen er sein ganzes Leben
lang verspürte und welcher seinem Singen ein Ende machte und
ihn ausschliesslich auf das Componiren verwies.
Andre" hatte in der Schule die musikalischen Elemente gelernt;
sein musikalisches Gedächtuiss und seine glücklichen Anlagen thaten
das Uebrige. Er fing mit ein paar glücklichen Nachahmungen an,
welche ihn in seiner Heimath berühmt machten. Er nahm nämlich
eine vierstimmige Fuge , welche er besass, zum Muster und schrieb
dieselbe ab, indem er nur das Stück transponirte und die Folge der
einzelnen Stimmen umkehrte. Sodann setzte er ein Mottet wie Mo-
saik zusammen, indem er einige Tacte aus diesem, einige ans einem
anderen und wieder einige aus einem dritten Stücke entnahm. Nach-
dem Gretry's Vater seinem Sohne Harmonieunterricht von dem Lüt-
ticher Organisten R e n e k i n hatte geben lassen, Hess er ihn auch
Contrapunct und Compositionslehre unter einem gewissen Moreau
studiren. Kanm hatte unser junger Mann , „dessen Kopf schon mit
tausend musikalischen Gedanken angefüllt war," die ersten Prin*
cipien inne, als er auch schon sechs Sinfonien schrieb, welche Bti.
fall fanden. Dieser Erfolg, den er in seinem 15. Jahre erzielte,
brachte ihn anf die Idee nach Rom zn gehen. Es bestand dort ein
von einem Lütticher gegründetes Collegium, in welchem jeder
Landsmann des Stifters die Aufnahme beanspruchen konnte, sobald '
ein Platz frei war. Um das nöthige Reibegeld zu erhalten, präsen-
tirte Gretry dem Lütticher Capitel eine Messe von seiner Compo« '
sition. Die Messe wurde angenommen, aufgeführt, belohnt und un- '
ser Componist schickte sich an , seine Vaterstadt zu verlassen. Er
war damals 18 Jahre alt. Der Abschied von seiner Familie war
ein äusserst zärtlicher, aber besonders interessant waren die Ermah*
nungen, welche ihm der zweite Mann seiner Grossmutter mit auf
den Weg gab. „Er führte mich in seinen Garten, und nachdem «r
mir seinen Hut auf meinen Kopf gedrückt hatte, sagte er zu mir:"
Nun! Rodrigo, hast du Courage? — Ja freilieb, mein Grossvater.—
Schau, sagte er, indem er in seinen Taschen suchte, hier ist Am
Geschenk, das ich dir geben, will, und damit zog er ein paar Pisto- *
len aus der Tasche und hielt sie mir bin. — Gieb Acht, sagte er,
sie sind geladen, treibe keinen Unfug damit, mein Sohn, - ich bitte
dich darum; aber wenn dich Jemand angreift ... — Ja, ja, mein
150
Grossvater, ich werde mich schon tu vertheidigen wissen. — Also,
lass sehen; ich nehme an, dieser Baum sei ein Dieb, der dein
Geld oder dein Blut fordert. Was wirst da tbun? — Ich werde
ihm sagen : Mein Herr, wenn Sie in Verlegenheit sind, so will ich
Sie gerne unterstützen; aber meine ganze Börse, in der Lage in
der ich mich befinde, das wäre soviel wie mein Leben selbst. —
Neiu, antwortete mein Grossvater anstatt des Baumes, ich will Alles
haben, was du besitzest. — Paff! feure ich eine Pistole gegen den
Baum ab. — Er zieht den Säbel, ruft mein Grossvater . . . und ich
feure einen zweiten Schuss ab. Meine Grossmutter eilt erschrocken
ans Fensler und ruft: Um Gottes willen, was macht ihr denn da? —
Ich bringe die Diebe um, meiue Grossmutter, antwortete ich ihr. —
Ihr Gatte steckte mir die zwei Pistolen in die Tasche nnd wir gin-
gen in das Haus zurück/ 1
Zu Ende MSrz 1759 reiste endlich Gretry ab unter der Füh-
rung einer Art von Schmuggler, Namens Remacle nnd mit zwei
jungen Leuten, welche nach Rom gingen, der eine um Medizin, der
andere um Theologie zu studiren. Der junge Theologe kam kaum
25 Meilen weit, als er auch schon ganz erschöpft von Müdigkeit
wieder nach Lüttich zurückkehrte. Nun kann man sich nichts Un-
terhaltenderes denken, als die Reise der beiden anderen jungen
Leute, so reich an Hoffnungen und so arm an Geld.
Eines Tages kehrten sie in einem Wirthshause in der Nähe
von Trier ein; kaum waren sie angekommen, als die Wirthin sich
auch schou mit besonderer Sorgfalt Gretry's annahm und ihm und
seinen Reisegefährten zu essen gab, ohne Geld dafür zu nehmen,
und als der junge Reisende, erstaunt über diesen Empfang, den
Grund dafür wissen will, erfährt er, dass die gute Frau die Mutter
eines jungen Menschen ist, der ihm ausserordentlich ähnlich sieht
und der nach Trier gegangen ist, um dort seine Studien zu machen.
Ein andermal übernimmt es der junge Chirurg, für ein Abendessen
zu sorgen. Remacle, welcher das Essen bestellt hatte, sieht da
Gerichte und Weiue auftragen, die er nicht bestellt hatte ; neugierig
auf die Lösung dieses Räthsels, stellt er mit Gretry Nachforschun-
gen an. »Wir fanden die Wirthin mit ihrem 80jährigen Manne,
welchem der Chirurg zwei Zähne ausgezogen hatte, dann hatte er
der Frau, die auch nicht mehr jung war, und einem jungen Mäd-
chen, welches an Gelbsucht litt, zur Ader gelassen." Der Spass
war ein Bischen stark, aber er hatte keine anderen Folgen, als dass
er unser n Reisenden ein gutes Nachtessen verschaffte.
Als sie nach Tyrol kamen, wurden sie durch die Geistesgegen-
wart Gretry's aus einer sehr kitzlichen Lage gezogen, ja selbst vor
dem Gefängnisse bewahrt. Sie waren in einem Wirthshause einge-
kehrt, in welchem sich schon mehrere Reisende befanden. Später
traten noch weitere vier Personen ein , welche ganz das Aussehen
von Zollwächtern hatten. Dur eine ging gerade auf den Pack des
Remacle los , welcher darüber sehr beunruhigt schien. Nachdem
der Zollwächter einige Frageu an Remacle gestellt hatte, wandte er
sich an Gretry und Hess sich in eine Unterhaltung mit ihm ein.
Dieser weiss den Zöllner so gut zu unterhalten , dass Remacle sich
beruhigt, seinen Sack vor Aller Augeu Öffnet, Wäsche, Kleider und
endlich auch einen halbvollendeten Strickstrumpf herausnimmt und
zu stricken anfängt. Anf einmal fällt ihm der Wollkuäuel und rollt
uuter die Beine des Wächters. „Remacle schnitt ein fürchterliches
Gesiebt. Ich erhebe mich ganz langsam und sende ihm mit einem
Fussstosse seinen Knäuel zurück, während ich zugleich den Zoll-
wächtern eine Flasche Wein zuschob und sie einlud, ihn zn kosten,
was diese auch ohne Weiteres annahmen. Nachdem die Flasche
geleert war, gingen sie fort ohne irgend Jemand zu belästigen, in-
dem sie in ihrem halb wälschen, halb deutschen Jargon wiederhol-
ten, wir seien ganz prächtige junge Leute." Am Abend fragten
die beiden jungen Leute Remacle, warum er wegen seines Woll-
knäuels so ängstlich gewesen sei. „Ihr sollt es wissen," sagte er,
„vor Euch habe ich kein Geheimniss mehr." Und er zeigte uns,
dass die Wolle dazu diente, um prächtige Spitzen zu verbergen,
welche er als Contrebande mit sich führte. — Einige Tage später
befanden sich unsere Reisende in Italien. Hier endet Gretry's Ju-
gendzeit. Seine Seele öffnet sich neuen Eindrücken, das Studium
reift nach und nach sein erwachendes Genie, er ist kein Kind mehr,
er ist ein Mann.
CORBESPOKDENZEN.
IL ii g Mainz.
Am 16. d* M. wurde das hiesige Stadttheater mit einer Extra-
vorstellung eröffnet, für welche man das Vorspiel zu R. Wagner's
„Meistersinger von Nürnberg 1 und das Schauspiel „Der Zunftmeister
von Nürnberg" von R e d w i t z gewählt hatte. Wir beschäftigen
uns nur mit den musikalischen Leistungen unserer Bühne, und so
möge denn gesagt sein, dass die Aufführuug des so schwierigen Or-
chesterwerkes von Wagner unter der Leitung des Hrn. Weissheimer, sei-
nes begeisterten Jüngers und nunmehrigen Capellmeisters der Mainzer
Oper, eine ungeachtet der wenigen Proben im Ganzen nicht übel gelun-
gene war, obwohl nicht zu läugnen ist, dass das Streichquartett den
Masseneffecten des Bläserchors gegenüber häufig viel zu schwach
erschien und dass die von Wagner so gerne angewendeten polypho-
nen und contrapunetischen Verwickelungen nicht zu jeuer klaren
Ausführung gediehen waren, die hier allein dem Zuhörer das Ver-
ständniss wenigstens bis zu einem gewissen Grade möglich machen
kann. Ob dieses Verständniss selbst bei einer raffinirt vollendeten
Aufführung des in Rede stehenden Musikwerkes bis zur vollen Klar-
heit möglich wird, müssen wir dahingestellt sein lassen, bis wir so
glücklich sein werden, einer derartig vollkommenen Aufführung
beizuwohnen.
Am darauffolgenden Tage begannen die Abonnements Vorstel-
lungen mit Verdi's „Troubadour," in welchem die Damen Frau
Bertram-Mayer (Azucena), Frl. Holland (Leonore) und die
HH. Brunn er (Manrico) und Frey (Luna) auftraten. Ueber die
Leistung der Frau Bertram, welche schon in voriger Saison eine
Hauptstütze unserer Oper war, können wir heute, einfach anerken-
nend, hinweggehen, um uns das .von den neuengagirten Mitgliedern
Gebotene ein wenig näher zu besehen. Fräulein Holland macht
es uns schwer, etwas über sie zu sagen, indem sie eigentlich gar
nicht sang, sondern wie auf einer Probe nur markirte und auch ihrem
Spiele die dem entsprechenden Fesseln anlegte, welche sie nie-
mals aus ihrem Gleichmuth gerathen Hessen. Man sagte uns, die
Dame sei nicht disponirt gewesen und daher wollen wir unser de-
finitives Urtheil über dieselbe vorderhand noch suspendiren, wenn-
gleich wir nicht umhin können zu bemerken, dass Frl. Holland von
dem den Coloratursän gerinnen in einem gewissen Grade zugestan-
denen Vorrechte der philosophischen Beherrschung aller leiden-
schaftlichen Erregungen einen fast zu ausgedehnten Gebrauch zu
machen scheint. Hr. Brunner ist hier kein Fremder mehr, da er
früher, an benachbarten Bühnen engagirt, schon öfters auf unserer
Bühne gastirt hat. Seine Stimme hat eine gewisse Scharfe, die
besonders im Anfange nicht gerade augenehm berührt, allein er
besitzt viel jRoutine, hat eine noch immer leicht ansprechende Höhe
und singt mit Ausdruck und Verständniss. Eine sehr gute Acqui-
sition scheint die Direction an dem Baritonisten Hrn. Frey gemacht
zu haben, der mit einer metallreichen, sympathischen, kräftigen und
wohlgeschulten Stimme eine sehr hübsche, von den herkömmlichen
Sängerunarten fast ganz freie Vortragsweise, deutliche Aussprache
und natürliche Gefüblswärme zu verbinden scheint, so dass ihm das
Publikum sofort die lebhaftesten Sympathien entgegentrug. Was
den Chor betrifft, so ist derselbe in Bezug auf Stimmen viel besser,
der Anzahl naeh aber, wie es scheint, leider noch schwächer bestellt
als im vorigen Jahre, so dass grössere Opern wohl kaum mit dem
im „Troubadour" vorgeführten Personalbestand desselben genügend
durchzuführen sein möchten. Doch lässt sich von der Umsicht und
dem guten Willen des Hrn. Director Behr erwarten, dass er allen-
falls wirklich noch bestehenden Mängeln in dieser Branche gewiss
baldigst abzuhelfen suchen wird. & F.
N a c Ii r I c li t e n.
Darmstadt. Die Vorbereitungen für unser bevorstehendes Mu-
sikfest werden auf das Eifrigste betrieben. Dasselbe wird, wie das
im Jahre 1856 hier stattgefundene erste Mittelrheinische Musik-
fest, im Grossh. Zeughause stattfinden, welches zu diesem Zwecke
grösstenteils geräumt wurde, so dass nun für etwa 3000 Personen
151
Platz vorhanden ist. Die Gesangsoli werden vorgetragen von Frau
Peschka-Leutner vom Stadttbeater in Leipzig, Frl. Helene
Haussen vom Hoftheater in Mannheim, Herrn A. Ruff, Concert-
aänger aus Maine und Herrn G r e g e r vom Grossh. Hoftheater in
Darmstadt. Die beiden Festconcerte finden am 27. und 28. Sept.,
die betreffenden Generalproben am 26. Sept. Nachmittags und am
27. Sept. Vormittags statt.
München. Die Gebrüder Säuret, welche zuerst im Actien-
volkstheater und sodann im Museumssaale mit Erfolg concertirt hat-
ten, hatten für Sonntag den 13. d. Mts. eine Matinee im Museum
unter Mitwirkung der Frau Adelina Patti angekündigt, wobei
das Entree auf 2 Thlr. und 2 fl. festgestellt war. Kurz vor Beginn
des Concertes hörte man, die Patti singe nicht, sie habe von Stutt-
gart aus abtelegraphirt. Selbstverständlich wollte sich das getäuschte
Publikum das Geld wieder herausgeben lassen, aber — Cassirer und
Casse waren nach einigen Auszahlungen sehr bald verschwunden.
Wie man hört, ist wegen dieses argen Schwindels Seitens der
Staatsanwaltschaft Untersuchung eingeleitet.
Leipzig. Nach der „D. Allg. Ztg." will Laube das Theater
«Hein und für eigene Rechnung vom 29. Jan. 1869 an übernehmen,
— hat auch für diesen Fall sich schon bereit erklärt, der jetzigen
Direction das gesammte Inventar für 30,000 Thlr. abzukaufen —
unter der Bedingung, dass die Stadt ihm beide Theater pachtfrei
überlässt und die Contractzeit vom 29. Januar 1869 bis 30. Juni
1876 ausdehnt. Die freie Verfügung auch über das alte Theater
ist von ihm als eine conditio sine qua non aufgestellt. Der Rath
hat beschlossen, diese Bedingungen zu genehmigen; die Sache
geht nun an die Stadtverordneten.
Baden -Baden. Herr Betz aus Berlin erhielt in besonderer
Anerkennung seiner mustergiltigen Leistungen als Telramund, Don
Juan und Plumket in den Mustervorstellungen vom Director der
Administration , Herrn Dupressoir, eine kostbare Brillantnadel.
Herr N i e m a n n blieb ohue Entschuldigung aus und soll nun
10,000 Frcs. Schadenersatz zahleu.
Paris. Unter dem Patronate des Kaisers Napoleon und des
Königs von Italien hat sich in Paris eine Commission gebildet zu
dem Zwecke der Errichtung eines Denkmals zum Gedächtniss des
Guido d'A r e z z o, des gelehrten Mönchs, welcher vor mehr als
800 Jahren die diatonische Tonleiter erfand. Das Monument wird
von einer Art von Nischen umgeben sein , welchen die Wap-
pen der Nationen und Souveraine, die dem Unternehmen ihren be-
sonderen Schutz werden angedeihen lassen, sowie die Namen der
wichtigsten Mitarbeiter an demselben angebracht werden sollen.
Man subscribirt bei dem Vicepräsidenten der Commission, Herrn
Costa, Componist, rue Cler f 43.
— Die Einnahmen der Theater, Cafes chantants und Schau-
stellungen aller Art in Paris betrugen im Monat August 849,655 Frcs.
— Eine musikalische Gesellschaft, bestehend aus ausgezeich-
neten Virtuosen, deren Repertoir ausschliesslich aus den hervor-
ragendsten Tonwerken ältorer und neuerer Zeit bestehen soll, bildet
sich soeben in Paris unter der Leitung des Hrn. Thibaut, Musik*
meieter der Nationalgarde von Paris. Diese Gesellschaft beabsich-
tigt Concertreisen in den Provinzen zu unternehmen und auf diese
Weise für Ensemblemusik dasselbe zu thun, was Ulimann so ge-
lungen für einige Gesangs- und Instrumental - Berühmtheiten durch-
geführt hat.
— Der Pianist Gottschalk, der in fremden Welttbeilen so
grosse Triumphe gefeiert hat, wird im November nach Paris zurück-
kehren und daselbst mehrere Concerte veranstalten.
— In der Opera comique ist man soeben mit Einstudiren einer
neuen dreiactigen Oper der HH. Labich e, Delacour und Poise,
'betitelt; „Le Corricolo" beschäftigt.
— ■ Pasdeloup hat sich nach längerem S träuben entschlos-
sen, das ganze Inventar des Theatre lyrique um den Preis von
336,000 Frcs. abzulösen. Es wird diese Bühne kaum vor Mitte
Oct. eröffnet werden können und der „Barbier von Sevilla" von
Kossiai, sowie das „Thal von Andora" von Halevy sind als erste
Vorstellungen bestimmt.
— Das Debüt der Mlle. Minnie Hauck, des neuen Strakosch'*
sehen Wundervogels in der italienischen Oper, soll in einer neuen
dreiactigen Oper des Fürsten Poniatowski stattfinden.
*** Gestorben sind: in Arnstadt der ehemalige Opernregis-
seur des Leipziger Theaters, Jos. Sickert; in Et r etat der Com-
poaist Rene" Favarger.
*** Der Componist Joachim Raff hat vom Fürst von Hohen-
zollern-Hechingen das Ehrenkreuz III. Classe des Hohenzollern'schen
Hausordens erbalten.
*** Mercadante, der greise Director des Conservatoriums
in Neapel, hat vom König von Italien den Civilverdienstorden
erhalten, mit dem der persönliche Adel verknüpft ist
*** Von dem als tüchtige künstlerische wie* journalistische Kraft
wohlbekannten Dr. K. Zop ff erscheint binnen Kurzem im Verlage
der Amol d'schen Verlagshandlung in Leipzig der erste (der
Production gewidmete) Band einer „Theorie der Oper," ein prac-
tisches Handbuch für Alle, welche als Künstler oder Kunstfreunde,
als Dichter, Componisten, Sänger, Capellmeister, Regisseure oder
Directoren mit der Oper zu thun haben, basirt auf die Anforderun-
gen der Gegenwart und auf zahlreiche, in den Text verwebte Aus-
sprüche hervorragender Geister.
*** Die Dresdener „Const. Ztg." schreibt: Wir können den in
der Presse mannigfach verbreiteten Gerüchten, die Aufführung der
„Meistersinger" sei in Dresden durch die unglaublichen Forderun-
gen Richard Wagner's gefährdet gewesen, mit der authentischen*
Versicherung entgegentreten, dass hier jedenfalls eine Uebertreibung
vorliegt. Bei dem Stande des Werthes und Schutzes geistigen
Eigenthums in Deutschland ist, wie vielfache Versammlungen von
Dichtern und Componisten laut bezeugen, eine Besserstellung der
letzteren gewiss dringend zu wünschen. Es wäre mithin nicht ver-
wunderlich gewesen, wenn R. Wagner die Ueberlassung der „Mei-
stersinger," eines mit ungemeiner Hingebung gearbeiteten Werkes
echt deutschen Kunstfleisses , an hohe Forderungen geknüpft hätte.
Aber 1500 Thlr. einmaliger Zahlung sind an sich eine verschwin-
dend kleine Forderung. Hat doch Gounod für seinen „Romeo"
hierselbst 1200 Thlr. empfangen. Die nunmehr mit Wagner 'ver-
einbarte Tantieme von 7% der Einnahme, nach den Berliner Tau-
ti&megesetzen bemessen, berechnet sich auf ziemlich ähnliche Höhe.
Dass" Wagner die Kürzungen an einem mit fast beispielloser Sub-
tilität gearbeiteten Werke nicht eben leicht wurden — er bat sie
auf Vorstellung seines Freundes Tichatscheck sofort unternommen, —
dass ferner zur Unterstützung der musikalischen Leitung (nicht zu
ihrem Entsatz, wie geschrieben wird) ein Mann anhier empfohlen
ward, dem die Partitur und die Intentionen Wagner's aufs Genaueste
vertraut waren (Herr Correpetitor Richter aus München) — darin
kann doch unmöglich eine anroassliuhe Forderung des Componisten
erblickt werden, um so weniger, da keiner der Dresdner Capellmei-
ster der Münchener Aufführung des in seiner Art völlig neuen Wer-
kes beigewohnt hat, „Intentionen" aber häufig für den Erfolg aus-
schlaggebend zu sein pflegen,
*** Ein junger italienischer Maestro aus Bologna, Namens
Dall'^ Argine, hatte die naiv kühne Idee, den durch Rossini
bereits ziemlich bekannten und beliebten „Barbiere di Seviglia"
aufs Neue in Musik zu setzen und so den genialen Pesareser ge-
wissermassen zu 'einem musikalischen Zweikampfe herauszufordern.
Was thut nun der junge, pfiffige Maestro, der, nebenbei gesagt, bis-
her nur durch seine musikalische Farce „Die beiden Bären"
(Idue orsi) einen noch dazu äusserst bescheidenen Erfolg errungen
hatte? Angesichts der Gefahr, in die er sich muthwillig gestürzt,
appellirt er an Rossini selbst, indem er ihm seinen neuen „Barbier"
dedicirt, um auf diese Weise seine Kühnheit möglichst zu bemän-
teln. Papa Rossini empfängt das an ihm gerichtete Schreiben des
Maestro Dali 1 Argine (vom 2. August) mit gewohnter Bonhommie
und beantwortet dasselbe in nachfolgender geistreich - sarkastischer
Weise: „Herr Maestro Dali' Argine! Ich bestätige Ihnen den
Empfang Ihres sehr geschätzten Schreibens vom 2. d. M. Obwohl
Ihr Name mir nicht ganz unbekannt ist, da der glänzende Erfolg
Ihrer Oper „Die beiden Bären" auch bereits bis zu mir gedrungen
ist, gewährt es mir eine wahre Befriedigung, zu sehen, dass 8ie,
„kühner junger Mann" (wie Sie sich selbst nennen!!), mir durah
die beabsichtigte Widmung Ihrer eben vollendeten Oper einiger-
massen Ihre Achtung bezeigen wollen. In Ihrem liebenswürdigen
Schreiben finde ich nur das Wörtchen »kühn" überflüssig; ich hielt
mich wahrlich nicht für „kühn," als ich nach dem Vater Paitiello
das reisende Sujet von Beaumarchais (binnen zwölf Tagen) in Musik
152 -
seist«. Warum sollen Sie sieh dafür halten, da Sie nach einem
halben Jahrhundert und noch dazu mit neuen musikalischen For-
men einen „Barbier" schaffen wollen? Jener Paisiello*s wurde erst
unlängst in einem der Pariser Theater aufgeführt, und swar mit
einem Erfolge, wie ihn dieses geist- und melodienreiche musikalische
Kleinod vollkommen verdient. Viel wurde bereits und wird noch
zur Stunde «wischen den Kunstfreunden über den Vorzug der Site»
reu und neueren Tonkunst polemisirt. Sie, mein Herr, sollten sich,
ich rathe es Ihnen , an das alte Sprüchwort halten , dass zwischen
zwei Streitenden der Dritte am besten fährt. Euer Wohlgeboren
sind, Sie dürfen davon überzeugt sein, und ich wünsche es auch
von ganzem Herzen, jener glückliche Dritte. Möge denn Ihr neuer
„Barbiere," als ein grosser Bär, im Vereine mit Ihren bereits com-
ponirten »Die beiden Bären" ein musikalisches Triumphirat bilden
und Ihnen, sowie unserem gemeinsamen Vaterlande einen unver-
gänglichen Ruhm sichern. Diese innigen Wünsche hegt für Sie der
greise PeBarese, der sich nennt Rossini. — P. S. Die Widmung
Ihres neuen Werkes nehme ich recht gerne an. Empfangen Sie in-
dessen meinen verbindlichsten Dank. Passy, 8. August 1868."
V* Der Tonkünstlervereiu in Dresden bat den als vor-
züglicher Pianist bekannten und als College allgemein beliebten
Musikdirector Adolf Blassmann zu seinem Vorstandspräsidenten
erwählt.
%* Die neueste Oper A u b e r's, „Der erste Gftickstag," welche
in Prag die erste Aufführung ausserhalb Frankreich erlebte, hat
dort nach der Brendel'schen Musikzeitung einen vollständigen Erfolg
gehabt, nach einer Notiz der „Signale" dagegen Fiasco gemacht
Eine Correspondenz in Zelluer's „Blättern für Th., M. und bildende
Kunst" bestätigt das Letztere in ausführlichem Berichte, wogegen
die „Neue Berliner Mus.-Ztg." wieder einen Bericht aus der „Prager
Zeitung" bringt, der für das Werk förmlich schwärmt. „Wem soll
man glauben hier?" sagt Don Ottavio.
V Die renommirte Fabrik der HH. Seh äffer & Buden-
berg in Buehau bei Magdeburg hat die Anfertigung des vom
Lehrer Sehmeil daselbst erfundenen und patentirten Notographen,
welcher Alles auf dem Ciavier Gespielte in Linieuschrift mit gross-
ter Genauigkeit notirt, übernommen und das erste Exemplar bereits
an den Prinzen Albert (Sohn) von Preussen abgeliefert. Das nächste
Exemplar ist für den Grafen d'Asmont in Paris bestimmt.
*** Bei Gelegenheit der Jubelfeier seines 50jährigen Bestehens
wird der Cäcilienverein in Frankfurt a. M. die H-moll-
Messe von Bach zur Aufführung bringen.
*** Von C. A. Bitter, dem Biographen Seb. Bach's, wird
demnächst eine Biographie der beiden bedeutendsten Söhne dessel-
ben, E manu et und Friedemann, erscheinen.
*** Das erste Heft der „Lieder ohne Worte" sandte Mendels-
so h n nach London an Moscheies, damit derselbe einen Ver-
leger für England ausfindig mache. Aber man war wenig geneigt,
es für 30 Pfd. St., welche Moscheies forderte, zu edireo; Cramer,
Beale & Co. lehnten ab, auch Novello. Da liess Moscheies das
Heft im Einverstäudniss mit dem Componisten auf eigene Rechnuug
drucken, und schon im ersten Jahre hatte man einen Gewinn von
40 Pfd. St., im zweiten den doppelten — dann kaufte Novello das
Eigentumsrecht nachträglich um hoben Preis au sich.
*** In der Pianofortefabrik von Ernst Rosenkranz in Dres-
den, welche bereits im Jahre 1797 gegründet wurde, ist dieser
Tage das siebentausendste Instrument , ein Pianino , fertig-
geworden.
%• Vom 20. bis 22. Sept. wird in Schwerin das fünfte
Mecklenburgische Musikfest gefeiert werden. Am ersten
Tage wird Häodel's Oratorium „Israel in Egypteo" zur Auffüh-
rung kommen. Der zweite Tag bringt : Ouvertüre und Scenen aus
Olnek's „Iphigenie in Aulis," die Sinfonie in A-dur und Kyrie,
Sanetus • Benedict™ und Gloria aus der Missa solennis von
Beethoven. Das Programm für das dritte, sogenannte Künstler-
conoert ist noch nicht festgestellt. Als Solisten wirken mit, die
Damen : Frau Harriers-Wippern und Frau Joachim;
die Herren : Schild, Hill und Krause und der Geigerkönig
J o-a c b i m. Die Direction sämmtlicber Aufführungen ist in die
Hände des Hofcapellmeisters AI. Schmidt gelegt.
%* Die Orchestermitglieder der grossen Oper haben ihrem Di-
rigenten Hrn. O. H a i n 1 ans Anlass ssiner Decorirung ein Bankefc
veranstaltet, bei welchem swar nicht musicirt aber viel gesprochen
und getoastet wurde. Es herrschten Heiterkeit und Gemüthlichkeit
bei dem Feste, welches die Gäste bis zur späten Stunde versam-
melt hielt.
*** Auch in Prag ist das Hervorrufen der Darsteller bei offe-
ner Scene abgeschafft worden. Möchte diese vernünftige Neuerung;
doch recht bald bei allen Bühnen eingeführt werden.
*«* Musikdirektor B i 1 s e wird mit seinem Orchester am>
17. d. M. sein letztes Concert in Warschau geben und sodann
nach Berlin zurückkehren , wo am 1. October seine Concerte-
wieder beginnen werden.
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Theil II. 2 Thlr. 10 Sgr., Singstimme 15 Sgr.
Theil III. 2 Thlr. 10 Sgr., Singstimme 17 1 /* Sgr.
Hiller» Ferdinand. Op. 126. Drei Phantasiestücke. (1. An»
Meeresstrande. 2. Lamentation. 3. Waffentanz) für das Pianoforte«
Complet 1 Thlr. 5 Sgr. N # 1. 15 Sgr., N # 2. lOSgY., N* 3. 15 8gr.
Harn, A«S* Op. 23. Frühlingslied für das Fianoforte. 7 Vi Sgr.
— Op. 28. „Sinke hinab, ambrosische Nacht." Lied für eine Sing-
stimme (mittlere Stimmlage) mit Begl. des Pianoforte. 10 Sgr..
Jtodaasonn, S. Op. 38. Sechs Lieder für zwei hohe Stimmea
(Canons) mit Begleitung des Pianoforte. 25 Sgr.
Kücken, Fr. Op. 87. Neue Puette. N # 1. „Schöner Stern.*
«• 2. „Im Mai." N* 3. „Es fuhr ein Fischer." — Dichtungen
von Julius Sturm, — für Singstimmen, (Sopran oder Tenor und
Alt), (Sopran oder Tenor u. Bass) m. Begl. des Pianoforte. 1 Thlr..
Ro«en. Walther von. Op. 12. Zwei Lieder: 1. Ich trag*
eine Liebe im Herzen. 2. Stille Liebe, — für Sopran o3es-
Tenor mit Begleitung des Pianoforte. 15 Sgr.
Leipzig, im September 1868.
JFr. Kistner*
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl. Wallau, Main*.
17. Jahrgang.
il* &9.
28. September 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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PREIS:
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| Durch die Post bezogen:
' 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
INHALT : Zur Geschichte des deutschen Männergesanges. Die Braut von Azola. — Corresp.: Paris. — Nachrichten.
Zur Geschichte des deutschen Männer-
Gesanges*
Von W. lackowitz.
I.
Der deutsche Männergesang ist heut zu Tage eine
Macht geworden, fast konnte man sagen eine weltbewegende Macht.
Tausende und aber Tausende von Menschen schaaren sich um sein
Banner, vergessen alles Grolles, aller Parteibestrebungen, und singen
ein Lied, das gemeinsam aus Aller Mnnde frisch und fröhlich gen
Himmel schallt. Wohl gab es eine Zeit, in welcher das Wort aus-
gesprochen werden durfte : „Deutschland hat keine Zeit zum Sin-
gen" — und doch hat gerade jene Zeit selbst nur zu deutlich den
Irrthum dieses Ausspruches gezeigt. Nimmer hat der Deutsche sich
so zum deutschen Stammesbruder hingezogen gefühlt, als wenn er
mit ihm gemeinsam singen konnte. Nirgends zeigt sich das Band,
das die grosse, leider so sehr verzweigte Familie einigend um-
schlingt, so deutlich, als wenn irgend eines der urdeutschen Xiieder
angestimmt wird, das mit „urkräftigem Behagen die Herzen aller
Hörer zwingt," sie mögen aus Nord und Süd, Ost und West, dies-
seits oder jenseits des Oceans versammelt sein. Der Deutsche hat
immer Zeit zum Singen gehabt, und er hat auch immer gesun-
gen. Freilich ist sein Singen ein anderes geworden, weil die Zeit
eine andere geworden ist. Ihr Zug hat ihn zur Vereinigung, zum
Sichanlehnen an den Nachbar gedrängt, wie in allen Sachen, so
auch im Gesänge, uud es ist gar keine Frage, dass der deutsche
Männergesang eine mächtige, ergreifende Wirkung hat, wenn die
ihm von der Natur scharf gezogene Grenzlinie nicht überschritten
und seine Eigentümlichkeit richtig erkannt wird. Er ist daher dem
Volke gegenüber eine Macht geworden, der Kun&t gegenüber aber
eine besondere Kunstgattung, deren Berechtigung nicht mehr bestrit-
ten werden kann. Mögen sich auch noch ab und zu Stimmen da-
gegen erheben! Was sie wollen, trifft nicht den Kern der Sache.
Ein Weizenfeld ohne Unkraut ist eben ein Unding; das Unkraut
hat nicht Mark noch Dauer, es wächst, blüht und verdorrt, der Wei-
zen aber trägt köstliche Früchte und wird eingeerntet.
Das Volk hat immer gesungen, wenn auch nicht in vierstim-
migem Männerchor. Was es sang, waren Weisen, die in rührender
Einfachheit der Liebe Leid und Lust, in sprudelnder Laune des
Lebens Freuden zum Ausdrucke brachten, und was dem Volke in
dieser Einfachheit entgegen gebracht wird, das nimmt es zweifels-
ohne heut noch mit derselben Freude auf. Die verzwickte Raffi-
nirtheit und Blasirtheit der heutigen Zeit lässt es nur leider selten
noch zu so einfachem Herzensergüsse kommen ; es ist aber jeden-
falls gänzlich uubegründet, zu behaupten, dass heut 1 keine Volks-
lieder mehr entstehen könnten. Sie entstehen, behaupte ich, heut'
noch eben so gut, wie jemals, denn das Volk dürfte in seiner Ge-
sammtheit wohl kaum jemals anders gewesen sein. Nur — andere
Zeiten, andere Verhältnisse, daher auch andere Lieder. „Das Volks-
lied," sagt A. ß. Marx irgendwo, „ist die Unsterblichkeit der Mn-
»ifc. Es ist ewig dasselbe, wenngleich es in seiner Ausprägung
nach Zeit und Ort wechselt. Es gehört der grauesten Vergangen-
heit an, wie der blühenden oder bestaubten Gegenwart, und zugleich
ist es die eigentliche Zukunftsmusik. Es ist die unantastbare Musik
von Gottes Gnaden. Denn sein Schöpfer und sein Inhalt ist überall
uud alle Zeit derselbe: das Volk selber und der in das Lied über-
gehende Inhalt des Volkslebens. Was das Volk mit regem Gemüths-
antheil an Ereignissen erlebt oder an Stimmungen durchlebt, oder
in sinniger Betrachtung sich zum Schatz seiner Seele zurücklegt:
das ist der unversiegbare Inhalt seines Liedes und seines Lebens.
Die Volksstimmung — die Stimmung jedes Volkes für sich und in
jedem seiner Lebensmomente, in jeder Richtung seines Gemüths —
das ist der Grundgehalt des Volksliedes . . . Aus dieser seiner Natur
ist auch zu begreifen, wesshalb die tiefem Componisten es wohl
lieben, selten aber hervorbringen ; der Inhalt ihres Geistes ist eben
nicht der allgemeine, sondern ein ihnen eigentümlicher, eigenster
Gesang. Der alte H il 1 e r, Schulz, der alte Reichard t, viele
achtbare neuere Sänger haben Volksliedern Entstehung gegeben,
andere Lieder sind von Nichtmusikern, andere von ungenannten
Aelplern , Jägern , Kriegsgenossen ausgegangen. Bach dagegen,
Gluck, Beethoven haben das Volkslied geliebt, denn sie haben
es in ihren Werken vielfach benutzt ; aber dagegen gaben sie ihm
nichts, eben so wenig wie Mozart; nur Haydn bat ein Lied und
Weber einige Melodien (die er zum Theil wieder dem Volke
dankt) beigesteuert. Das ist das Volkslied. Unberechenbar ist seine
Wichtigkeit."
Gewiss ist seine Wichtigkeit unberechenbar. Das Volkslied ist
der nie versiegende Born, aus welchem das Volk seinen Bedarf an
Poesie und Musik schöpft; nur was einfach und schön ist, dem Ge-
müthsleben, den Stimmungen des Volkes entspricht, wird von ihm
aufgenommen, in treuer Liebe bewahrt, gehegt und gepflegt und
sorgsam fortgepflanzt. So ist es gewiss immer gewesen, und der
Ausdruck, wie ihn auch Marx in Vorstehendeftr^gebraucht, das Volk
sei der Selbstschöpfer seiner Lieder, ist zum mindesten unklar. Wie,
wenn ich so sagen darf, das Volk in Masse sich befruchten und ein
Lied componiren soll, ist mehr oder minder schwer zu begreifen.
Es kann nur aufnehmen, ihm Zusagendes zusammentragen, je nach
Umständen variiren, und was so recht frisch und frei der jeweiligen
Stimmung entspricht, ist ihm das Liebste. Es ist aber sicherlich
immer nur ein Einzelner, von welchem der Impuls ausgeht, und
bedenken wir das Wesen der musikalischen Kunst, so kann es im-
mer nur ein Musiker oder doch ein musikalisch sehr begabter Mensch
gewesen sein. Diese Zweifel näher zu beleuchten, würde indessen
hier zn weit führen und mich in Gefahr bringen, von meinem eigent-
lichen Thema allzuweit abzuschweifen. Ich behalte mir eine solch«
nähere Betrachtung für eine besondere Gelegenheit vor, stimme aber
in obigen Ruf: „Unberechenbar ist der Volkslieder Wichtigkeit," aus
vollem Herzen ein.
Unberechenbar ist aber auch der Schatz, den das Volk an seinen
Liedern besitzt. Jahrhunderte haben daran gesammelt und aufge-
speichert, und den Forschern bietet sich hier ein geradezu unerschöpf-
liches Feld. Aber nur den Forschern? Was bat das Volk davon?
— 154 —
Vom Forsche u freilich nichts, wohl aber vom Mittheilen des
Erforschten. Dam bedarf es aber wieder eines Mediums , und ich
glaube, dass der Mänuergesang ein nicht hoch genug anzuschlagen-
des Medium ist. Ich weiss sehr wohl, dass ich damit anf Wider-
sprach stossen werde, denn die Zahl derer ist nicht klein, welche
•ine mehr« timmige Bearbeitung der Volkslieder durchaas verwerfen*
Ich meine, das thun sie mit Unrecht. Der Männergesang hat nun
einmal in einer ungeheuren Uebermächtigkeit Platz gegriffen und
stellenweis das ehemalige einmüthige Zusammensingen unter der
Dorflinde fast, ganz verdrängt. Der eigentliche Volksgesang ver-
stummt mehr und mehr, und was der Männergesang dafür bietet,
ist leider — leider nur zu häufig ein Ersatz der allererbärm-
lichsten Art. Ueber die Bemühungen einiger eifriger Sammler, un-
ter welchen der uorddeutsche Ludwig Erk in erster Reihe zu
nennen ist, durch mehrstimmige, dem Bedürfnisse entsprechende
Bearbeitungen die Volkslieder in die Männergesangvereine einzu-
führen und durch diese dem Volke erhalten zu lassen , ist des-
halb keineswegs so leichtfertig der Stab zu brechen, wie es wohl
geschehen ist. Es kennzeichnet sich darin eine tiefernste Auffassung
des Volksgesanges, ein inniges Eingehen anf die Bedürfnisse des
Volkes, und das edle Bestreben, den köstlichen Born fortwährend
frisch sprudelnd zu erhalten und das stagnirende Sumpfgewässer
einer überwiegenden Sorte von Männergesang mit seinen Geist und
Qemüth ertödtenden Miasmen fortzuschwemmen. — Es kann Einem
— um mich eines hierorts üblichen Volksausdrucks zu bedienen —
ganz „himmelblau zu Muthe" werden , wenn man diese thränen-
drüsenquetscherlichen Baritonsolis mit Brumm- oder Flüsterstim-
menbegleitung, oder G angliche Walzer u. dergl. hören muss, und
es ist auch dem schärfsten Verstände unerklärbar, wie sonst ganz
verständige Männer und Familienväter diesem „höheren Blödsinn"
stundenlang die ernsteste Aufmerksamkeit widmen und dabei noch
obenein ihr gutes Geld für bairisch Bier hingeben können. Man ist
"versucht, mit E. T. A. Hoff mann auszurufen: „O schreie, quicke,
miaue, gurgle, stöhne, tremulire, quinckelire; — o Satan! Satan!
welche deiner höllischen Geister sind in diese Kehlen gefahren!"
Die Männergesangvereine sind ein Erzeugniss der Neuzeit, sie
haben kaum ihr 50jähriges Jubiläum gefeiert. Ausgegangen von
dem geselligen Kreise einiger geistvollen Männer zeigen sie noch
heut den Stempel ihrer Entstehung, nämlich den vorwiegend gesel-
ligen Character. Ihre beispiellos schnelle Ausbreitung verdanken
sie aber wohl ohne Zweifel dem Umstände, dass die musikalische
Bildung sich in unendlich erweiterten Kreisen verbreitet hatte. Denn
noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts war es oft unmöglich, selbst
in grösseren Städten nur einen Chor überhaupt zusammen zu brin-
gen; nun gar einen Männer chor zu organisiren, lag gänzlich aus-
ser der Möglichkeit der Verhältnisse. Wir sind bei unserm
Ueberreichthum an dergleichen Veranstaltungen kaum im Stande,
uns in diese Lage unserer Väter hinein zu denken und möchten
ihre Klagen fast lächerlich finden. Setzt doch J. C. F Bell st ab,
der Vater des bekannten Musikkritikers Ludwig Rellstab, in einer
eigenen Broschüre weitläuftig die Gesichtspunkte fest und gibt die
Wege an, auf welchen es möglich sein dürfte, in Berlin einen stän-
digen Chor von wenigstens 30 Personen zusammen zu stellen. Das
geschah in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, und
jetzt? —
Bach, Händel, Gluck, Haydn, Mozart kennen den
Männergesang nicht, er ist ihnen wenigstens als Gattung unbekannt,
wenn *uch einzelne Beispiele der Anwendung vorkommen. Schon
Michael Haydn hat 1788 in Salzburg 14 selbstständige Man-
nerqiartette drucken lassen , es existirten ausserdem italienische
Kirchenstücke für Männerstimmen , und Mozart hat auch in der
Zauberflöte (Priesterchöre) davon Gebrauch gemacht. Beethoven
war zwar noch Zeitgenosse der ersten selbstständigen Entwickelung
des Männerchors, sein Biesengeist aber musste sich in anderen,
grösseren, viel bedeutenderen Formen und Elementen bewegen, und
er schenkte deshalb dem Aufkeimenden keine Aufmerksamkeit. Die
Männer also, welche sich des jungen Kindes annahmen, konnten
auf keine Vergangenheit zurückblicken, sie fanden nichts vor, uud
waren daher gänzlich auf ihre eigene Schaffenskraft angewiesen.
öle Braut von Jazola«
Oper in 3 Acten.
Text von Adrian Linden und Adolph Ratsch,
Musik von Ludwig Liebe.
Zum erstes Male aufgeführt zu Carlsruhe am 9. September 186t.
Das Geburtsfest des Grossherzogs von Baden, vom ganzen Lande
mit so grosser Begeisterung gefeiert, fand wie immer auch in diesem
Jahre seinen Abschluss in der Festvorstellung des grossherz. Hof-
theaters zu Carlsruhe. Wie gewöhnlich bei derartigen Veranlassungen,
war auch diesmal ein bedeutendes neues Werk zur Aufführung vor-
bereitet worden. Die Wahl eines solchen wird immer eine schwie-
rige sein, aber sie darf im vorliegenden Falle als eine glückliche
bezeichnet werden, denn sie fiel auf eine solcher Auszeichnung wür-
dige dramatische musikalische Schöpfung. Wir kennen Liebe (geb.
1819 iu Magdeburg, seit einigen Jahren in Paris lebend) längst als
einen fruchtbaren und talentvollen Componisten. Seine zahlreichen
Lieder, seine vielen Chorsachen haben ihm viele Freunde und einen
bedeutenden Namen erworben. Nun hat es der strebsame Tonsetzer
versucht einen Schritt weiter zu thun und zum ersten Male mit
einem grösseren und umfangreicheren Werke vor das Publikum zu
treten. Es ist kein Nachtheil, wenn ein Tonsetzer zuerst in kleine-
ren Formen sich versucht und es darin zu einer gewissen Meister-
schaft bringt. Schönheit der Melodie, Klarheit der Harmonie, feste
Begranzung der Form, Dinge die man zunächst an weniger umfang-
reichen Toosätzen üben und anwenden lernen muss, werden auch
stets die Grundlagen grösserer Compositionen bilden. Besonders
aber braucht ein dramatisches Werk mehr als jedes andere
schöne Melodien, klare Harmonien und straffe Formen. Allerdings
wird damit allein noch immer nichts erreicht sein. Die Melodien
müssen warm, zu Herzeu gehend und weithinaustragend, die Har-
monien tief, characteristisch uud der Situation angemessen sein, die
Musik soll der Handlung von der weichsten lyrischen Stimmung bis
zu tosender Leideuschaft und zu bezauberndem Humor folgen. Es
ist daher ein weiter Abstand von einem Lieder- bis zu einem 0-
perncomponisten und nicht jeder der gute und ansprechende Lieder
zu schreiben vermochte, hat sich mit gleichem Erfolge auf die Bühne
wagen dürfen. Wir sind in der Lage in dem von uns zu bespre-
chenden Falle bestätigen zu können, dass L i e b e mit seiner neuen
Oper sich weit über seine bisherigen Leistungen hinausgeschwuugen
und ein Werk geliefert hat, welches des allgemeinen Beifalls, den
es fand, vollständig würdig war.
Die Handlung der Oper ist eine sehr einfache. Ein braves
liebeswürdiges Landmädchen liebt einen armen aber hübschen Gärt-
nerburschen. Die beiden Leutchen, eben im Begriffe zur Kirche zu
gehen, um sich trauen zu lussen, werden plötzlich getrennt: Der
Bräutigam (Henry), eines gemeinen Verbrechens beschuldigt, wird
arretirt, die trostlose Braut (Joanne) bleibt allein zurück. Dies ist
die Handlung des ersten Actes. Im zweiten Acte, der einige Jahre
später spielt, sehen wir Jeanne vou einem zudringlichen alten Lieb-
haber (Postmeister Benoit) belästigt uud fast mit Gewalt zu einer
Verbindung mit ihm gedrängt. Die rechtzeitige Rückkehr Henry**
vereitelt noch im letzten Augenblicke die Intrigue, in welche Benoit
die noch immer trauernde Jeanne verwickelt hat. Der dritte Act
versetzt uns in das Schloss des Marquis von Azola. Es ist Fa-
schingszeit; nach langjähriger Abwesenheit ist wieder ein Besitzer
Azola's auf dem alten Familiengut eingekehrt; eine fröhliche Gesell-
schaft ist vers mmelt, um dies Ereigniss zu feiern; besang und Tanz
füllen die Räume des Schlosses. Jeaune sieht sich jetzt aber nicht
nur vom alteu Benoit, sondern auch vom jungen Gutsherrn verfolgt.
Ihre Liebe zu Henry lägst sie jedoch alle Prüfungen bestehen, alle
Anträge zurückweisen und als ihre Noth am Höchsten gestiegen ist,
verwandelt sich der Marquis in ihren so treu geliebten Henry und
ihre Ausdauer uud Anhänglichkeit wird durch den Besitz desselben
schliesslich belohnt. Das Sujet hat zwar noch einige Längen, aber
es ist unläugbar mit grosser Geschicklichkeit und Bühnenkenntniss
bearbeitet, durch zahlreiche hübsche Episoden bereichert und fort-
während interessant gebalten. Die Handlung entwickelt sich mit
eiuer gewissen Würde und Noblesse, die Verse sind gut und sowohl
die lyrischen, wie die dramatischen und komischen Momente bilden
angenehme Gegensätze. Die Herren Linden uud Katsch haben also»
155 -
dem Tousetzer glücklich vorgearbeitet. Die Musik ist durchweg
melodisch, ohne oberflächlich, leicht, ohne flüchtig zu werden. Die
lyrischen Stellen erscheinen besonders gelungen, doch sind auch die
•drainatiscbeu von hinreissender Leidenschaftlichkeit und namentlich
ist die Steigerung in den Finalen des ersten und des dritten Actes
eine meisterhafte. Zu den schönsten Partien der Oper sind die fri-
schen Chöre, die tiefempfundenen Lieder und Cavatinen, die sehr
gut ausgeführten Arien su zählen. Die Gesangpartien sind sämmt-
lich äusserst sangbar gehalten, ohne an die Darsteller besondere
Ansprüche zu machen oder haitibrechende Schwierigkeiten ihnen zu-
zumuthen. Man erkennt aus der Stimmführung sofort den Kenner
■der Stimme und den practischen Gesangscomponisten. Die Instru-
mentation ist durchweg fein und mit grossem Geschicke ausgeführt.
Nirgends findet sich eine Ueberladung oder eine Leere. Die Ge-
sangspartien vertheilen sich auf zwei Soprane, zwei Tenöre und
«inen Bass. Nachdem wir vorstehend die der Oper günstigen Mo-
mente zusammengefasst haben, bemerken wir, dass der erste Act
einige Laugen, namentlich im grossen Duett (Nr. 2) hat und dass
■die Wirkung gerade dieses Actes durch zahlreiche getragene Melo-
dien etwas beeinträchtigt wird. Die in der Oper angebrachten Par-
lando's bewegen sich noch n ; cht mit völliger Freiheit und in den
komischen Partien, mit Ausnahme eines ganz reizenden Duettinos
(Nr. 16), vermissen wir Neuheit und einen gewissen zündenden
Humor.
Ehe wir nun zur Aufzählung der vorzüglichsten Nummern der
Oper schreiten, sei noch bemerkt, dass durch das ganze Werk eine
glückliche Steigerung gehe. Je weiter die Musik vorschreitet, um
so mehr Interesse gewinnt sie ; die Melodien werden immer leben-
diger und ausdrucksvoller und im letzten Act, eigentlich nur einem
grossen Ensemble, findet sich mit Erfolg Alles vereinigt, was den
Hörer befriedigen und erfreuen, ja entzücken kann. Es ist daher
begreiflich, das»- der Beifall bis zum Schlüsse mehr und mehr sich
•steigerte und dass nicht nur die Laien einen höchst genussreichen
Abend der Aufführung zu dauken hatten, sondern dass auch die Mu-
sikkenner, die ja stets durch die erstmalige Darstellung eines neuen
Werkes angelockt werden und ihm in der Regel mit einigem Miss-
trauen entgegentreten, volle Befriedigung fanden. Das Stück bot in
-seiner Ausstattung nichts Anspruchsvolles und Ueberladenes, aber es
war mit grossem Verstäudniss und feiuem Geschmacke in Scene ge-
setzt, wie das denn auch von einer Bühne, die unter E. De vrient's
Leitung steht, nicht anders zu erwarten steht Herr Hofcapellmeister
Levi hatte sich der Einstudirung der Oper mit grösstem Fleisse und
rühmenswerther Sorgfalt hingegeben, so dass eine bis in die klein-
sten Details fein ausgearbeitete Vorstellung ermöglicht wurde. Die
Vertreter der Gesangspartien Frl. Formanek und Hr. Stolzen-
berg, Frau Haus er und die Herren Kürner und Oberhofer,
wenn auch nicht aus den besten Kräften der Carlsruher Hofbühne
ausgewählt, hatten ihre Partien fleissig studirt und sangen mit Lust
und Begeisterung. Der Chor, in Carlsruhe zahlreicher und vortreff-
licher als anderswo, war tadellos; das Orchester entzückte nament-
lich durch die grosse Discretion, mit der es accompagnirte.
Die Oper beginnt mit einem sehr schönen „Chor" (Nr. 1), dem
ein lebendiges „Trinklied" eingewebt ist. Von grosser Wirkung ist
die darauf folgende „Arie" der Jeanne (Nr. 3) und in ihr besonders
wieder das „Lied der Mutter." Zu den besonders gelungenen Num-
mern des ersten Actes dürfte noch zu zählen sein : „Recitativ und
Chor" (Nr. 10) und das „Finale" (Nr. 11), letzteres ein prachtvolles
Tonstück von der packendsten Gewalt. Die erste Nummer des zwei-
ten Actes bringt einen sehr lieblichen „Frauenchor" (Nr 12), dann
die grosse „Arie" Henry's (Nr. 13), welche durch Mannigfaltigkeit
der Stimmungen und glücklichen Ausdruck hervorragt. Nicht min-
der gelungen ist die folgende tiefempfundene „Cavatiue" der Jeanne
(Nr. 14). Des ganz vortrefflichen „Duettino's (Nr. 16) haben wir
bereits gedacht. Die sehr hübsche „Walzerarie" (Nr. 17) wird bald
■eine Lieblingspiece unserer Sängerinnen sein; sie eignet sich vor-
trefflich als Einlagsarie. Ein „Trio" (Nr. 17) und der „Chor der
Postülone" (Nr. 19), mit dem der Act schliesst, reihen sich den vor-
ausgegangenen Nummern vollkommen ebenbürtig an. Alle diese
Piecen faudeu reichen, sich steigernden Beifall. Der dritte Act
zeichnet sich besonders durch schöne Chöre und Tänze aus ; vor
Allem aber erhält er grossen Reiz durch eine „Romanesca" aus der
2. Hälfte des 16. Jahrb., die dem „Finale** (Nr. 25) zu Grunde liegt.
Dieses Finale ist wieder ganz entzückend und von grösster Wir-
kung. Der Componist wird nach den Erfahrungen der ersten Auf-
führung einige Kürzungen sich gefallen lassen müssen, aber alsdann
wird sein Werk auch ein durchaus bühnengerechtes genannt werden
können und jede Bühne, die zu dessen Aufführung sich entschliesst
— und eine solche ist ohne Kosten und hervorragende Kräfte zu
ermöglichen — wird ein dankbares Repertoirestück in ihm gewin-
nen. Wünschen wir dem Tonsetzer auch anderswo allen den Er-
folg, den sein schönes Werk so sehr verdient.
H. M. Schletterer.
CORRESPONDENZEN.
Aus Paris.
21. September.
Die Wintersaison ist vor der Thüre ; die lyrischen Scenen sind
daher in voller Thätigkeit. Was die grosse Oper betrifft, so hat
sie gestern bereits die erste Supplementsvorstellung gegeben. Diese
Vorstellungen werden während des Winters abwechselnd Sonnabends
und Sonntags stattfinden.
Vorgestern hat die Opera romique Auber's jüngstes Musen-
kind, Le Premier jour de bonheur, wieder dem Publikum vorge-
führt. Die Rolle der Djelma, die bisher von der schönen Marie
Boze gegeben wurde, gab diesmal eine Debütantin, Frl. Moisset,
ein erster Preis des Conservatoriuras. Die Debütantin kann mit
ihrem Erfolg vollkommen zufrieden sein.
Pasdeloup hat bereits die Direction des The'dlre lyrique
angetreten und wird wahrscheinlich am 15. October mit „Le Val
d Alidorre" das Haus eröffnen. Die armen Compositeure, die der
frühem Direction ihre Werke zur Aufführung eingesendet, sind auf-
gefordert worden, dieselben wieder abzuholen. Man kann sich
denken, welche Bestürzung diese Aufforderung erregt, wie viel Hoff-
nungen sie gestört. Pasdeloup wäre, beiläufig gesagt, vor einigen
Tagen durch den Sturz einer Decoration beinahe erschlagen wor-
den; er kam glücklicherweise mit einigen leichten Contusionen am
Kopfe davon.
Adelina Patti trifft nächsten Donnerstag von Hamburg
hier ein und wird im Italienischen Theater als Lucia von
Lamermoor den Cyclus ihrer Gastrollen eröffnen. Sie bleibt nur
bis Mitte November hier und geht dann nach Petersburg.
Offenbach, der, wie ich Ihnen berichtet, schon wieder ein
Viertel Dutzend Operetten aus dem Aermel geschüttet, studirt in
diesem Augenblick eines dieser Werke in den Bouffes Parisiens
ein, mit denen er sich vollständig wieder ausgesöhnt. Der Saal
dieses kleinen Theaters ist neu decorirt worden. — Auf der ge-
nannten Bühne soll im Laufe des bevorstehenden Winters eine Ope-
rette von H a 1 £ v y, „Le Dilettante cPAvignon," zur Darstellung
kommen. Dieselbe wurde 1827 zum ersten Male in der Opera
comique aufgeführt.
In dem Athe'nee erlebt dieser Tage die Opera buffa „Fleur
de The" die hundertste Vorstellung.
Tamberlick ist seit voriger Woche in Paris ; seine Gast-
rollen wird er hier erst im Januar eröffnen.
*OOtl
I H c h r i c h t e n.
Mainz. Am 17. d. M. brachte der Nachmittags von Ludwigs-
hafen hier eintreffende Eisenbahnzug die Leiche des Herrn Eduard
Frech, Mitglied der Hofcapelle in Mannheim mit, welcher an-
scheinend im besten Wohlsein von Mannheim abgereist, sich unter-
wegs lebhaft mit seinen Reisegefährten unterhalten hatte und erst
kurz vor der Ankunft in Mainz mit der Bemerkung, er fühle sich
plötzlich unwohl, seine Cigarre weglegte und in demselben Mome nte,
ohne das geringste Zeichen eines Todeskampfes, verscheidend zu-
rücksank. Der so unerwartet Geschiedene war erst 49 Jahre alt
und in Mannheim als tüchtiger Künstler uud liebenswürdiger Mensch
allgemein gekannt und geachtet.
Wiesbaden. Hr. Capellmeister Keler-Bela gab kürzlich ein
Coucert im Kursaale unter Mitwirkung der HH. Pallat (Ciavier),
- 156 —
Stein bar dt (Violine) und Borehers (Tenor) sowie der Damen
Frl. Clara Perl, der trefflichen Altistin des Darmstädter Hofthea-
ters, nnd Frl. Johanna Buska, welche ein paar recht ansprechende
Gedichte mit Anmnth nnd Geschmack vortrug. Sammtliche Vor-
träge, insbesondere die neuen Walser von dem Concertgeber cqm-
ponirt nnd von seinem Orchester mit bekanntem Schwünge ausge-
führt, fanden den lebhaftesten Beifall.
Berlin. Am ll. gastirte in Meyerbeer's „Robert der Teufel"
Frl. Kropp vom Wiener Operntbeater als Isabella. Die Sängerin,
die wir schon vor einigen Jahren auf der hiesigen Bühne gehört
haben, überwand die Schwierigkeiten der Bravourarie im zweiten
Act ohne Anstrengung, doch gelang es ihr nicht, den poetischen
Passus durch leidenschaftlicheren Vortrag su beseelen. Frau von
Voggenhuber als Alice hatte mit der hohen Lage der Partie
su kämpfen und brachte nur in den Kraftstelren ihre Stimme zur
Geltung. Die glänzende Leistung des Herrn Woworsky als
Robert wurde, wie der Bertram des Herrn F r i c k e, mit Beifall
überhäuft.
München. Die dritte Aufführung der Oper „Ruy Blas" von
Max Z enger, unter der Leitung des Componisten, hatte wieder
ein zahlreiches Publikum angezogen, welches oftmals den lebhaf-
testen Beifall spendete, obwohl die Executirung an auffallenden
Mängeln, besonders im Orchester, litt. Es ist wohl nicht zu zwei-
feln, dass das vielfach interessante Werk sich auf dem Repertoire
erhalten wird.
— Am 27. September kommt im königl. Hoftheater A u b e r's
neueste Oper «Der erste Glückstag" zum ersten Male zur Auf-
führung.
CftSSel. Bis zur Wiederherstellung des Hrn. Hofcapellmeisters
C. Reiss ist die Direction der grösseren Opern Hrn. Capellmeister
L a m p e r t von Gotha übertragen worden.
Wien. Hr. Director Hellmesberger wird in kommender
Saison seine so sehr beliebten Quartettunterbaltungen wieder geben
und zwar im Verein mit den Herren Bachrich, Brodsky und
Popper.
P&ris. Vom 1. Jannar bis zum 3l. Juli wurden in Paris 618
Concerte gegeben; davon kommen 144 auf den Monat März und
128 anf den Monat April.
— Auf Grund des neuen Gesetzes über das literarische Eigen-
thum hat der „Vereiu der dramatischen Schriftsteller uud Compo-
nisten" 4000 Frcs. an die Erben C. M. von Weber's ausbezahlt,
als die ihnen gebührende Tantieme für die Aufführung Weber'-
scher Opern im The'dtre lyrique,
— Pasdeloup beabsichtigt im Monat Februar des kommen-
den Jahres im The'dtre lyrique deutsche Aufführungen der Opern
„ Tannhäuser," „Lohengrin" und „Der fliegende Holländer" zu ver-
anstalten. Frl. Stehle vom Hoftheater in München hat eine Eiu-
ladung erhalten, die Partien der Elisabeth, Elsa und Senta zu über-
nehmen.
Brüssel. In Folge des von der Musik Verlagshandlung der
„Gebrüder Schott" und dem „Congres de musique religieuse du
Belgique" veranstalteten Concurs für Kirchenmusik hat der Ritter
X. van Elewyck, als Secretair des Comites die Mitglieder des
Preisgerichts in seiner Wohnung in Lüttich zu einem wahrhaft
fürstlichen Bankett versammelt, bei welchem u. A. von Herrn
Vervoitte ein Toast auf Hrn. van Elewyck, den ausgezeichneten
Künstler, Schriftsteller und Amphitryon ausgebracht wurde. Es gibt
wohl wenig Männer, die wie van Elewyck ihre Zeit und ihr Ver-
mögen in so edler Weise der Kunst zum Opfer bringen.
Pest. Am 12. d. Mts. eröffnete Herr Niemann einen Gast-
rollencyclns anf hiesiger Bühne mit der Rolle des Masaniello. Das
zahlreiche und von den höchsten Erwartungen erfüllte Publicum
fand jedoch diese durch die Leistung des Gastes bei weitem nicht
befriedigt und es bleibt zu wünschen, dass der berühmte Gast seinen
grossen Ruf im weiteren Verlaufe seines Gastspiels besser geltend
machen werde, als ihm dies bei dem ersten Auftreten gelungen ist.
*** Frau Passy-Cornet, Gesanglehrerin am Conservatorium
in Wien, hat sich mit einem dortigen Kaufmann, Hrn. Köhler,
verheirathet.
*** Die Hofopernsängerin Frl. Mallinge r in München hat
sich mit dem baierischen Hofschauspieler O. F. Schimmelpfen-
nig, genannt von Düringsfeld, verlobt.
V* Die älteren Opern Rieh. Wagner'e werden bei Lucca
in Mailand, der das Verlagsrecht derselben für Italien erworben,
hat, mit italienischem Text erscheinen.
*** In Aachen kam Meyerbeer's „Afrikanerin" zum ersten
Male zur Aufführung und wurde mit grossem Beifall aufgenommen»
Als ganz besonders verdienstvoll muss die Leistung der Fräul. von
Edelsberg als Selica bezeichnet werden.
*** Am Hoftheater in S ch w e r i n wird in kommender Saison»
Mozart's „Don Juan" mit neuem Texte und völlig neuer Insceni-
rung zur Aufführung kommen.
%* Der Componist und Professor am Conservatorium in Pariser
Hr. El wart, hat ein von Hogarth im Jahre 1743 gemaltes Portrait
Handelns entdeckt. Es war in sehr schlechtem Zustande und
Hr. Elwart hat dasselbe restauriren lassen.
* m * In Frankfurt a. M. gastirt gegenwärtig der berühmte
Tenorist N a u d i n aus Paris mit ausserordentlichem Erfolg. Der-
selbe ist bereits in der „Favoritin" von Donizetti, in „Rigoletto"
von Verdi und in Gounod's „Faust" aufgetreten.
*** Baron von Perfall, Intendant des Hoftheaters und der
Hofmusik in München, hat den preussischen Kronenorden 2. CL
erhalten.
*** In Prag ist man auf das Eifrigste mit den Proben zum
„fliegenden Holländer" beschäftigt. Auch im Berliner Opern-
hause wird diese Oper demnächst neueinstudirt zur Aufführung
kommen.
*** Der preussische General-Militärmusik-Director Wi ep recht
gibt in Hamburg fünf Militärmusik - Concerte, deren Programm,
mehrere der 1867 beim internationalen Concours in Paris aufge-
führten Stücke enthält.
*** Liszt wird im kommenden Januar in Weimar zu einem
längeren Besuche erwartet.
Berichtigung. In Nr. 37 dieses Blattes, Seite 147, lese man in,
den Nachrichten aus Baden-Baden statt : Frick aus C a s s e 1 —
F r i c k e aus Berlin.
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17. Jahrgang.
jf* so.
5. October 1868.
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j Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
I Man abonnirt bei allen Post
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V^Hig
ron
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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
[ PREIS: *
fl.2.42kr.od.Th.l.l8Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 ty:. od.15 Sgr. per Quartal ^
INHALT; Zar Geschichte des deutschen Männergesanges. — Das VI. Mittelrheinische Musikfest in Darmstadt. — Eine Anecdote ausWeber's
Leben. — Nachrichten.
Zur Cresehielite des deutseben Männer«
Gesanges.
Von W. Lackowitz.
II.
Der Ausgangspunkt der Männergesangvereine (wenigstens der
norddeutschen) ist die Zelter'sche Liedertafel in Berlin.
Carl Friedrich Zelter, geboren am 11. December 1758 zu
Berlin, war der Sohn eines Maurermeisters und von seinem Vater
selbst zu einem solchen bestimmt. Er musste auch trotz seiner
ausgesprochenen Neigung zur Musik alle Stadien des Handwerks
bis zum Meister durchmachen, und der Vater durfte kaum ahnen,
dass der Sohn nebenbei sich mehr und mehr auch in den musika-
lischen Disciplinen ausbildete. Erst nachdem er selbstständig ge-
worden und sein Vater gestorben war, durfte er daran denken, die
Musik mehr in den Vordergrund treten zu lassen, und vom Jahre
1800 ab, in welchem Carl Fasch, der Stifter der „Berliner Sing-
Academie," starb und die Direction derselben in Zelter's, seines
bisherigen treuen Assistenten, Hände niederlegte, widmete er sich
ausschliesslich der geliebten Kunst. Es ist hier nicht der Ort, die
näheren Umstände des merkwürdigen Mannes anzuführen, es sei
nur erwähnt, dass sein Einfluss auf die Entwickelung der Musik
in den preussischen Staaten sehr bedeutend gewesen ist, dass er bei
allen Fragen, die sich auf dieselbe bezogen , zu Bathe gezogen
wurde. Er stand in Briefwechsel mit fast allen bedeutenden Män-
nern seiner Zeit, mit Jos. Haydn, Beethoven, Qoethe, Schiller, Fichte,
Hegel, Schleiermacher, Theodor Körner nnd dessen Vater u. s. w.,
und starb am 15. Mai 1832 als Professor bei der konigl. Academie
der Künste, . Doctor der Musik bei der Universität , Director der
Singacademie, Bitter etc. Hier geht uns des Näheren nur die Stif-
tung der Liedertafel an.
Die Stiftung fällt in das Jahr 1809. Der äussere Hergang der-
selben war (nach Ledebour) ungefähr folgender. Unter den
Freunden Zelter's befand sich auch der treffliche Sänger Otto
Grell, welcher im Jahre 1808 einen Ruf nach Wien erhielt und
demselben auch Folge leistete. Die Freunde vereinigten sich ihm
zu Ehren zu einem Abschiedsmahle, bei welchem unter andern auch
von Zelter, Wollank und L. Hellwig componirte Männer-
gesänge ausgeführt wurden. Das fröhliche, durch Gesang verschönte
Mahl fand allgemeinen Anklang und ' es wurde der Wunsch rege,
sich allmonatlich in gleicher Weise zu versammeln. Jene Festtheil-
uehmer vereinigten sich daher am 21. December 1808 zu einer Be-
rathung unter Vorsitz Zelter's, besprachen den Vorschlag und fass-
ten den Entschluss, in der angegebenen Weise monatlich einmal
beim Vollmonde an einem Dienstage zu einer heitern Abendmahlzeit
nach der Weise von „König Arthur's Tafelrunde" zusammen zu
kommen. Es wurden Statuten entworfen, die in einer Versammlung
am 24. Januar 1809 bestätigt wurden, worauf Zelter zum Meister
der Liedertafel erwählt ward. Die erste wirkliche Liedertafel er-
folgte aber erst am 2. Mai 1809. Die Mitglieder hatten sich näm-
lich auch einen patriotischen Zweck gesetzt ; Berlin war damals
noch, ungeachtet der Friede lange abgeschlossen war, von den Fran-
zosen besetzt, jetzt endlich sollte die langersehnte Bückkehr des
Königs nach seiner Hauptstadt erfolgen, und die erste Versammlung
der Liedertafel sollte nach dem Eintreffen des Königs stattfinden
und dies Ereigniss feiern. Ein Paragraph der von den Mitgliedern
entworfenen Statuten lautete ausdrücklich: „Die Liedertafel sieht
sich als eine Stiftung an, welche die ersehnte Zurückkunft des Kö-
niglichen Hauses feiert und verewigt, wie überhaupt das Lob des
Königs zu den ersten Geschäften der Tafel gehört." Nun verzögerte
sich aber die Bückkehr des Königlichen Hauses in Folge einer Reise
des Königs nach Petersburg, und so konnte die erste Versammlung
der Liedertafel erst am 2. Mai (im Lokale des Englischen Hauses)
stattfinden.
Dies die äussere Constituirung. Es würde aber jedenfalls ein
Irrthum sein, wollte man annehmen, dass das^lles durch einen blos-
sen Zufall so ohne weiteres sich wie von selbst gemacht hätte. Wir
haben es in der ersten Liedertafel keineswegs mit einer Minerva zu
thuu, die, als ihre Zeit gekommen, fix und fertig aus dem Haupte
Jupiter's entsprungen. Es sind auch ihr Gedanken, Ueberlegung,
Versuche mancherlei Art vorangegangen, und darüber möge hier zu-
nächst noch Einiges folgen.
In der Vorrede zur Sammlung der von ihm für die in Rede
stehende Liedertafel gedichteten Gesänge erzählt der rühmlichst be-
kannte Dichter Wilhelm Bornemann (General-Lotterie-Director zu
Berlin) den Hergang etwa folgendermassen : Er (Bornemann) habe im
Jahre 1807 zu Tilsit russische Militärsänger in solcher Art von
Gesängen zu hören Gelegenheit gehabt, und diese noch nie gehörte
Weise habe einen eigenthümlichen Eindruck auf ihn gemacht. Er
habe darauf die Sache Zelter mitgetheilt, dieser aber die Möglich-
keit eines solchen begleitungslosen Männergesanges zunächst bezwei-
felt. Indessen habe der Gedanke ihn doch lebhaft ergriffen, er sei
sofort an's Werk geschritten, habe einen Versuch gemacht, zunächst
aber doch noch mit Begleitung und zwar, da kein Pianoforte zur
Hand war, mit Begleitung einer Guitarre. Und siehe da, es ging.
Darauf nun habe Zelter erst den reinen Männergesang beim Fest-
mahle angewendet. — * Es ist sehr denkbar, dass hier mancher un-
befangene Leser ein leises Lächeln nicht unterdrücken kann, wenn
er sich diese mühsam ängstlichen Versuche vergegenwärtigt. Und
doch gibt es so Vieles, was wir spielend bandhaben, was uns unsre
Väter als reiche Ernte hinterlassen haben, und wir können uns kei-
nen Begriff machen von der Mühseligkeit der Aussaat, von der ängst-
lichen Ueberwachung des allmählichen Heranwachsens der Keimlinge.
Ohne Zweifel ist die von Bornemann mitgetheilte Tbatsache
vollkommen richtig ; die äussere Veranlassung zu einem Versuche
mit unbegleiteten Männerquartetten hat wohl diese Beobachtung an
russischen Militärsängern gegeben. Nach vielen literarischen No-
tizen, namentlich wenn man die Beziehungen Zelter's mit Goethe
schärfer in's Auge fasst, war der Gedanke zur Herstellung solcher
Gesänge (wenn auch nicht ohne Begleitung) für Zelter schon damals
nicht mehr neu. Als er, lange vor der Stiftung der Liedertafel,
- 158
seinen Dichterfreund in Jena und Weimar besuchte, war er natür-
lich steter Gast in den Versammlungen, deren Mittelpunkt die bei-
den grossen Dichterfürsten bildeten. Die Zusammenkünfte der geist-
vollen Männer wurden auch durch Musik verschönt, und hierin gab
Zelter selbstverständlich den Hauptführer ab. Die Gesänge sind
wohl von Gesangeskundigen, die man desshalb mit in den heiteren
Kreis einlud, ausgeführt worden, aber es möchte auch wohl kaum
zu bezweifeln sein, dass sich ihnen der Chor der Versammelten in
freudiger Rückeriunerung an die studentische Zeit angeschlossen
hat Das hat unzweifelhaft Zelter den Hauptimpuls gegeben, dieses
ganz neue Element der Geselligkeit künstlerisch zu organisiren. Aus
diesen Anregungen entsprang der Gedanke au einen Männergesang
zur Verschönerung geselliger Zusammenkünfte, und es bedurfte da
eben nur jenes von Bornemann erwähnten thatsächlichen äusseren
Anstosses, um den Gedanken in voller Klarheit zur That werden zu
lassen. Der absolute Männerchor erstand , die erste Liedertafel
wurde gegründet und damit das Stämincheu gepflanzt, das jetzt zu
einem mächtigen Baume erwachsen ist, der seine Aeste weithin über
alle deutschen Gauen und noch darüber hinaus erstreckt. Der gei-
stige Schwung, den Goetbe's Persönlichkeit dem geselligen Leben
verlieh, die sprühenden Funken, die sein Geist namentlich beim
Becher schleuderte, waren es, die den herzensfrischen, geistesver-
wandten musikalischen Freund entzündeten. Die unsterblichen Dich-
tungen, welche solchen Stimmungen entsprangen, waren es, die die
Zelter'sche Muse erfasste, und Goethe'sche Lieder sind es vorzugs-
weise gewesen, die Zelter componirte, Goethe'sche Lieder haben das
erste Repertoir der ersten Liedertafel gebildet.
Das gepflanzte Stämmchen war aber so vollständig eingehegt,
dass es sehr schwer, fast unmöglich war, ihm beizukommen. Die
Statuten hatten die Grenzen des Vereins so eng gezogen, dass zu-
nächst nur Mitglieder der Sing - Akademie, und deren ausser dem
Meister auch nicht mehr als 24, zur Liedertafel gehören konnten.
Zelter, der das Jt Odi profanum vulgus et arceo u in der Kunst
gern und streng übte, hatte eine grosse Neigung zum künstlerischen
Absolutismus und hielt seine Liedertafel in möglichster Abgeschlos-
senheit. Das lag aber auch zum grossen Theile in seinem frischen,
lebendigen Geiste. Bin geistloses Beisammensein wäre ihm ein
Gräuel gewesen ; es musste ausser dem Gesänge ein frisches, gei-
stiges Leben in der kleinen Gesellschaft walten, so dass sie sich
ihrer erhöhten Stellung über die Kreise gewöhnlicher Geselligkeit
bewusst wurde. Das Statut schrieb desshalb genau vor, dass der
Aspirant entweder Sänger oder Dichter oder Componist sein müsse,
und es wurde lange, lange gewählt, ehe aus der Zahl der Meldun-
gen zur Aufnahme eine Persönlichkeit herausgegriffen wurde, um
der Ehre theilhaftig zu werden, Mitglied heissen und sein zu dür-
fen ; dabei wurde eine Anciennität in der Meldung durchaus nicht
berücksichtigt. Der Mann allein, der geistige Fonds gab den Aus-
schlag. Kein Wunder, dass unter solchen Umständen die Lieder-
tafel bald eines ausgezeichneten Rufes genoss. Eine Einladung zu
ihren Versammlungen zu erhalten, war eine Ehre, nach der man
geizte ; sie ward von den höchsten Personen besucht. Sie wurde
sogar eingeladen, in dem Palais des kunstsinnigen Fürsten Anton
Badziwill, der auch zu ihren Ehrenmitgliedern gehörte, vor dem
Könige Friedrich Wil hei m III. ihre Gesänge vorzutragen. Keine
Persönlichkeit von irgend welcher künstlerischen oder geistigen Be-
deutung berührte Berlin, ohne sich als Gast in die Liedertafel ein-
führen zu lassen, und auch Goethe blieb in fortwährendem regem,
geistigem Zusammenbange mit ihr. Er war gewissermassen ein un-
sichtbares Mitglied und fand durch Zelter's Vermittlung darin viel-
fache Anregung zu poetischen Productionen, die wiederum in der
Liedertafel zuerst ihre göttlichen Funken leuchten Hessen Diese
Wechselwirkung war dem herrlichen Geiste gewiss der schöuste
Lohn für die durch seiuen belebenden Eiufluss indirect in's Leben
gerufene Schöpfung. Zelter aber sorgte unermüdlich dafür, dass
dieses geistige, frische Leben erhalten bliebe, stets hatte er Gäste
von Bedeutung, von hervorragender Geistes- oder Lebensstellung.
Ebenso unermüdlich schuf er für den kleinen Kreis; er hat allein
für die Liedertafel 95 Lieder für Männerstimmen compouirt, die
alle, frei von jeder Sentimentalität, die schönste Laune athmen, zum
Theil höchst originelle, echt deutsche Kernlieder sind.
I>as Tl. Mittclrlieiiiisclte Miigikfest in
Darmstadt
am Sonntag den 27. und Montag den 28. Sept. 1868.
Seit dem Jahre 1861, in welchem das V. Mittelrheinische Mu-
sikfest nach dem zwischen den betheiligten Städteu Darmstadt,
Mainz, Mannheim und Wiesbaden getroffenen Ueberein-
kommen in Darmstadt stattfinden sollte, war unsere Haupt- und
Residenzstadt dasselbe schuldig geblieben unter dem allerdings be-
gründeten Vorwande, dass das früher zu gleichem Zwecke benützte
Grossh. Zeughans nicht geräumt, also auch nicht zur Abhaltung des
Musikfestes überlassen werden könne, so dass endlich die Stadt
Mainz, welche 1860 mit dem daselbst stattgefundenen IV. Mittel-
rheinischen Musikfeste den ersten Cyclus dieser Feste abschloss, sich
1864 entschloss, den zweiten Cyclus derselben zu beginnen, nach-
dem die verbündeten Städte durch ihre üelegirten beschlossen hat-
ten, dass die in Rede stehenden Musikfeste fortan nur mehr jedes
zweite Jahr in einer der betreffenden Städte stattfinden sollten. Wenn
nun auch die Ereignisse des Jahres 1866 die Abhaltung eines Mu-
sikfestes in Darmstadt ausser Frage stellteu, so haben dieselben
doch einer spätem Räumung des Grossh. Zeughauses bedeutend vor-
gearbeitet und nachdem man im Laufe des Jahres 1867 die Kriegs-
kosten verschmerzt und sich an die Aussicht auf neue Steuern ge-
wöhnt hatte, hörte man schon im Frühling des laufenden Jahres
1868, dass man in Darmstadt nun wirklich ernstlich an Abhaltung
eines Musikfestes denke, und nach erlangter Bewilligung zur Be-
nützung des mehrerwähnten Lokals, rüstig an die Ausführung dieses
Planes gehen wolle. Allein diese Bewilligung wurde so lange ver-
zögert, dass erst im Monat Juli die Delegirten der verbündeten
Städte zusammengerufen und die nöthigen Verabredungen für das
VI. Mittelrh. Musikfest, welches auf die letzten Tage des Monats
September anberaumt wurde, stattfinden konnten. Mainz und Wies-
baden gingen eifrig auf den Vorschlag Darmstadt's ein, nur die
Mannheimer Vereine erklärten, sich nicht an dem Feste betheiligen
zu wollen, weil sie bei der herrschenden grosseu Hitze keine Pro-
ben halten könnten. Zum Ersatz für den Entgang so treulicher
Kräfte erklärten sich zur Mitwirkung bereit: Der „Akademische
Gesangverein" inGiessen (Director Mick le r), der „Musikverein"
in Worms (Director Stein war z) uud der „Casino-Gesangverein"
in Alzey (Director Felchner). Für die Gesang-Soli wurden en-
gagirt: Frau Peschka-Leutner, Opernsängerin aus Leipzig,
Frl. Helene Hausen, Hoftheatersängerin aus Mannheim, Hr. A.
Ruff, Coucertsänger aus Mainz und Hr. Greger, Hofopernsänger
in Darmstadt. Der Chor bestand aus 609 Stimmen, das Orchester
aus den Mitgliedern der Hofcapellen von Darmstadt und Mannheim,
des Stadtorchesters von Heidelberg und vielen anderen tüchtigen
Künstlern und Dilettanten, in der Gesammtzahl von 128 Instrumen-
talisten. Die Leitung der beiden Festconcerte war dem Grossh.
Hofmusikdirector Hrn. C. Mangold übertragen worden. Das Pro-
gramm bestand für den ersten Tag aus dem Oratorium „Samson"
von Händel, für den zweiten Tag aus: Sinfonie in A-dur von Beet-
hoven ; Recitativ und Sopranarie aus der „Schöpfung" von Jos.
Haydn ; Motette : „Lob und Ehre und Weisheit" für 8stimraigen
Chor und 4 Soli mit Orchesterbegleitung von Seb. Bach und in der
2 Abtheilung : Ouvertüre und Sceuen aus ,,Frithjof" für Soli, Chor
und Orchester, compouirt von C. A. Mangold.
Wir bestiegen am Sonntag den 27. Morgens in Mainz den nach
Darmstadt abgehenden, ausserordentlich stark besetzten Eisenbahn-
zug, aufrichtig gesagt, mit nicht allzuhoch gespannten Erwartungen
i6. Bezug auf die bevorstehenden musikalischen Genüsse, da wir die
zum Eiustudiren der angeführten Werke so kurz zugemessene Zeit
und die sonstigen Störungen, an welchen überdies die Proben in
der heissen Jahreszeit wohl zu leiden haben mochten, billigerweise
mit in Rechnung brachten. Der herabströmende Regen drohte frei-
lich der festlichen Stimmung einigen Eintrag zu thun, doch
wurde dieselbe bald wieder gehoben, als wir an jeder Station, die
wir passirteu, eine Menge von Passagieren, grösstenteils dem Laud-
volke augehörend, sich mit grösster Eile auf unsern Zug stürzen
und die noch freien Plätze wie im Sturme erobern sahen. Mit heim-
lichem Stolz erfreuten wir uns au dem selbst die weniger gebilde-
ten Classen der Bevölkerung uuseres engeren Vaterlandes erfüllen-
159 —
den Sinne für das Höhere und an der regen Theilnahme, mit wel-
cher unser intelligentes Landvolk den Genüssen entgegeneilte, welche
die Werke unserer grossen Tonmeister zu gewähren versprachen;
aber ich sah mich .gewaltig enttäuscht, als ein mitreisender Freund
mich belehrte, dass in Darmstadt eben eine grosse Ausstellung von
lebendigem Vieh aller Art, von Landesproducten und landwirth-
schaftlichen Maschinen stattfinde, und dass diese es sei, welcher das
biedere Landvolk und wohl auch der grösste Theil der in Mainz
«ingestiegenen Passagiere mit solchem Eifer zubtröme. Aber es fiel
mir zugleich ein, dass die Darmstädter es waren, welche dem am
31. Aug. und 1. Sept. in ihrer Stadt abgehaltenen ersten Mittel-
rbein. Musikfeste am dritten Tage ein grosses Volksfest anhängten,
mit welchem sie zwar viele Tausende von Schaulustigen aus Stadt
und Land herbeizogen und einem für die Verhältnisse ihrer sonst
so ruhigen und nüchternen Stadt schier ungeheuerlichen Consura
von Lebensmitteln aller Art, aber auch ein recht anständiges Defi-
zit für die Festeasse erzielten, die verbündeten Städte mit ihren
nachfolgenden Festen auf gleiche Irrwege führten, in gleiche finan-
zielle Bedrängnisse brachten und damit dem ganzen jungen Insti-
tute unserer Musikfeste von vorneherein einen höchst empfindlichen
und in seinen Folgen nachhaltigen Stoss versetzten. Und darum,
dachten wir fast grimmig, geschiebt es euch schon recht, ihr Darm-
städter, wenn jetzt das liebe Landvolk von euch ungerufen kommt,
und eurem Feste mit der Ausstellung von allerlei nützlichem Ge-
thier, Früchten und Maschinen Concurrenz macht. Bei dieser Con-
currenz hat auch wirklich das Musikfest den Kürzern gezogen; denn
während der Ausstellung in ihrer ganzen achttägigen Dauer die Be-
sucher massenhaft zuströmten, so dass dieselbe noch um zwei Tage
verlängert wurde, waren die Zuschauerräume im Zeughaus in bei-
den Coucerten nur mittelmässig besetzt, was sicherlich dem zu ho-
hen Eintrittspreise grossentheils zuzuschreiben ist. Doch nun wollen
wir zu den Aufführungen selbst kommen. (Schluss folgt.)
ISine Anekdote aus Weher'« lieben.
Der grosse Componist verfiel eines Tages auf den sonderbaren
Einfall, sich für todt auszugeben. Die Sache hing so zusammen:
Obgleich noch jung, stand Weber doch bereits hoch unter den
Künstlern seines Vaterlandes und seiner Zeit. Sein Name war
ausserordentlich populär und seine mit dem Stempel des Genies
bezeichneten Werke hatten ihm die Bewunderung aller ausgezeich-
neten Musikkenner iu Europa erworben. Wie es aber immer zu
geschehen pflegt, so war er auch desto mehr dem Neide derMittel-
mässigkeit ausgesetzt, je weiter sich der Ruf seines Talentes ver-
breitete. Weber war ausserordentlich empfindlich gegen die Angriffe
der Kritik, und wiewohl er sich das Ansehen gab, seine Neider zu
verlachen, so sah er seine Ueberlegenheit doch nicht ohne eiu ge-
heimes Missbehageu und tiefen Unwillen in Zweifel gezogen. Die
Diatriben des erbärmlichsten Feuilletonisten waren für ihn eine Mar-
ter", und die Stiche der gemeinsten literarischen Wespe raubten ihm
die nächtliche Buhe. So reizbar er indess war, so war es ihm doch
endlich gelungen, die Myriaden obscurer Kritiker, deren Unfähigkeit
in der Beurtheilung musikalischer Leistungen anerkannt war, zu
verachten, und nur einer noch war Gegenstand seiner Schrecknisse ;
dies war ein gewisser Müller, der die Theaterkritiken in der
„Leipziger Zeitung" schrieb. Die Urtheile dieses Müller hatten be-
deutende Autorität, nicht nur unter den Kunstkennern, sondern auch
in der Küustlerwelt selbst. In mehrfacher Hinsicht verdienten sie
diesen Erfolg, denn der Kritiker unterschied sich, wenn auch nicht
in Urbanität der Formen, so doch durch sein ausgezeichnetes Schrift-
stellertalent und die Tendenz seiner Bemerkungen über musikalische
Gegenstände sehr vortheilhaft von der Mehrzahl seiner Collegen;
aber neben diesen Vorzügen fand sich ein sehr arger Mangel, der
den Glanz jener verdunkelte. Müller trieb seine Strenge mitunter
bis zur Ungerechtigkeit; beissend, kaustisch, fand. er ein Vergnü-
gen daran, die glänzendsten Reuomme's unter seinen Zeitgenossen
mit den Zähnen zu zerfleischen, und Weber empfand insbesondere
schmerzhaft die Wunden der Giftpfeile, welche jener auf ihn abge-
schossen hatte, um der Eifersucht irgend eines obskuren Coroponi-
sten zu dienen, dem der Ruhm des ausgezeichneten Maestro im
Wege stand. Ohue Unterlass gequält durch diesen unermüdlichen
Bekämpfer seiner Berühmtheit, wusste Weber kein Mittel, sich vor
ihm zu schützen. Mittelst der Presse mit gleichen Waffen gegen
ihn kämpfen, hiess ein Gefecht zu provociren, welches zu keinem
Resultate führen konnte, überdies würde daraus das Eingeständnis»
hervorgegangen sein, dass er sich verletzt fühle. Zu Mitteln grei-
fen, welche bei Andern unwiderstehlich gewesen wären, dem Cerberus
Etwas in den Rachen werfen, war ebenfalls unausführbar, denn
Müller galt für einen unbestechlichen Kritiker. Aus seiner Ver-
legenheit half sich Weber daher folgendermassen : Während seiner
einige Tage währenden Anwesenheit in einem in der Nähe Münchens
gelegenen Dorfe, schickte er an die hauptsächlichsten deutschen
Zeitungen einen detaillirten Bericht über seinen Tod. Niemand
zweifelte an der Wahrheit der Nachricht, die Tagesblätter nahmen
die Notiz auf und fügten ihr eine pomphafte Lebensbeschreibung;
Weber's hinzu; unter allen Blättern aber zeichnete sich keines durch
seinen Enthusiasmus so sehr aus, wie die Leipziger Zeitung. Der
in derselben enthaltene Artikel war von Müller selbst geschrieben
und unterzeichnet, der, durch das frühe Hinsterben des Maestro ent-
waffnet, endlich dem ausgezeichneten Künstler, den er den „Fürsten
der deutschen Componisten" nannte, Gerechtigkeit widerfahren Hess.
Wenige Tage darauf liess Weber dem Gerüchte von seinem Tode
widersprechen und kam selbst nach Leipzig, um allen Zweifel ein
Ende zu machen. Wie sehr sich Müller durch die Nachricht von
dieser Auferstehung iu Verlegenheit gebracht sah, lässt sich begrei-
fen. Er fand sich nun durch das von ihm gezollte Lob gefesselt,
und an einer Zurücknahme des in so überaus bestimmten Aus-
drücken ausgesprochenen Urtheils war nicht zu denken. Uebrigens
zog er sich sehr gut aus der Sache. Er legte fortan seiner bissigen
Kritik Zügel an , und bei der ersten Aufführung des „Freischütz"
befand er sich unter den eifrigsten Bewunderern dieses Meisterwer-
kes von Weber.
Nachrichten.
Mainz. Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass der
mit H. M. unterzeichnende Rundschauer der im Verlag der Schle-
singer'schen Musikhandlung in Berlin erscheinenden musikalischen
Zeitschrift „Echo" sich das Vergnügen gemacht hat, den Verfasser
der in Nr. 36 unseres Blattes enthaltenen Rezension über ein kleines
theoretisches Werkchen von R. Wüerst abzukanzefn, weil er die
betreffende Schrift nicht in den Schmutz gezogen hat, wie es H. M.
gewünscht hätte, dessen eigenes neuestes Opusculum Hr. Wüerst in einem
anderen Berliner Blatt, wie es scheint, mit Recht, gar arg mitgenom-
men hat, so dass nun der racheschnaubende Zeitungsschauer vor In-
grimm gar nicht weiss, was er seinem unliebenswürdigen Kritiker
nur anthun soll. Wer die so objeetiv und ruhig gehaltene Kritik
über die Schrift von Wüerst in unserm Blatte nachlesen will, wird
nur mit Hülfe der eben gegebenen Aufklärung begreifen können,
wie H. M. über jene paar Zeilen in solche Woth gerathen konnte.
Wir haben schon einen in der ersten diesjährigen Nummer des „Echo"
enthaltenen, ebenso büttelhaften Ausfall des H. M. auf unser Blatt,
als der gegenwärtige, stillschweigend hingenommen und überlassen
es auch jetzt Hrn. Wüerst, auf den ja doch eigentlich die ganze
Expectoration gemaust ist, sich gegen seinen feinen Gegner zu
wehren — d. h. wenn er es überhaupt der Mühe werth findet.
Die Red. der Südd, Mus.-Ztg.
Ems, im Sept. Am 27. Juli concertirten dahier : Frl. Mari-
m o n (Gesang), Hr. Vieuxtemps (Violine), A B a 1 1 a (Cello),
Hr. Geraldy (Gesang) und Hr. de Vroye (Flöte); am 18. Aug.:
Mad. Leonard (Gesang), Frl. M. Deschamps (Harmonium), Hr.
Ch. de B 6 r i o t (Piauo) und Hr. Leonard (Violine) ; an eben-
demselben Tage: Frl. Elise Hoffmann (Gesang), Mad. Zirpel
(Piauo) und Hr. A. Zirpel (Violine); am 27. Aug.: Frl. Simoni
(Gesang), Hr. Sivori (Violine), Hr. Piatti (Cello) und Hr. Arban
(Piston). Am 12. Sept. erhielt unsere eigentliche musikalische Sai-
son einen höchst würdigen Schluss durch ein Concert des „Floren-
tiner Quartetts" unter der Leitung des Hrn. Jean Becker. Noch
erwähnen wir die trefflichen Gartenconcerte der Musikcapelle des
Garde-Reg. „Königin Augusta" unter dem Musikdirector K e i p e r,
der Musikcapelle des 19. Inf. - Reg. unter dein Musikdirector Phi-
lipp und der Musikcapelle des 34. Füsilier-Reg. unter dem Musik-
- 160 -
tUrector Pailew. Die friff hiesig» Cursftalbühne engagirte französi-
sche „Soc&ttfi d*$ Artiites" verlies* aus, nachdem sie« wie ge-
wöhnlich* cirea 16 Vorstellungen gegeben hatte. Unsere Curcapelle
wird noeb bis zum 15. Oct. ectiv bleiben.
Weimer. Musikdirector Ed. Lassen ist zun Hofcapellmeister
ernannt worden, welcher Titel seit Liszt's Abgang nicht mehr
verlieben worden war.
Leipzig. Die Gewandfcauscooeerte werden am 8. Oct. wieder
beginnen. Frau Lucca hat sieb in der Rolle der Zerline in „Fra
Diavoio" von dem hiesigen Publikum, welches das Haus wieder in
allen Bäumen überfüllt und die gefeierte Künstlerin mit Beifalls-
bezeugungen nnd Ovationen aller Art überschüttet hatte, verabschie-
det und rief dem enthusiasmirten Auditorium ein tröstendes „Auf
Wiedersehen/ zu.
Bonn. Schon Anfangs Juli wurde von dem hiesigen Orgelbauer
Herrn Ad. Ibacb eine Orgel verladen, welche bestimmt ist, den
weiten Weg um die Erde zu unsern Antipoden zu machen. Der
Bestimmungsort dieses von unserm Mitbürger erbauten Instruments
ist nämlich die Stadt Wellington auf Neu - Seeland ; ein neuer Be-
weis, dass die genannte Fabrik bedeutenden Ruf und Zutrauen im
fernen Auslande geniesst.
Wien» Bas vorläufig festgestellte Programm für das bevor-
stehende Jubelfest des „Männergesangvereins" ist folgendes:
Samstag den 10 October um 7 Uhr Abends ist feierlicher Empfang
der beim Jubelfest erscheinenden Vereine, von denen sich bisher
nahe an achtzig gemeldet haben — in der Oartenbaugesellscbaft.
Bach Beendigung dieser Ceremonie wird der Wahlspruch gesungen,
dann folgt die Begrüasung durch den Vorstand und das Bundeslied
von Lenz. An diese schliessen sich komische Vorträge und Lieder
an, und mit dem „deutschen Lied" findet der erste Abend seinen
Abschluss. — Sonntag den 11. October ist um 11 Uhr Vormittag
die FeBtmesse in der Augustinerkircbe mit Einlagen von Stegmayer
und einem „Asperges" vou Storch. Abends um 7 Uhr ist das Fest-
concert im grossen Redoutensaale mit einem anziehenden und höchst
interessanten Programme. Als Prolog wird ein, Gedicht von Rick von
Lewinsky vorgetragen, hierauf folgen t Der „Psalm" von Fr Liszt,
das „Ritornell" von Schumann, „Naturgenuss" von Schubert, „Abend-
feiex" von Lachner, das Quintett aus der Oper „Graf von Gleichen"
von Schubert und 9 Mohamed*s Gesang" von Esser. Ende der ersten
Abtbeilung. Panse von 20 Minuten. Diu zweite Abtheilung beginnt
mit: „Waldscene" von Herbeck, dann folgen: „Träumende See" von
Schumann, „Altrussisches Ständchen mit kleinem Orchester' von
Weinwurm (wahrscheinlich eine Tenorpartie), „Nachtgesang" von
Schubert, „ Winzerlied" aus der unvollendeten Oper „Loreley" von
Mendelssohn. Schluss. — Montag den 12. Oct. um 11 Uhr Vormit-
tags erfolgt die feierliche Grundsteinlegung zu dem Schubert -Mo-
nument auf der bereits bezeichneten Stelle im Stadtparke. Es wird
der Wahlspruch gesungen, vom Vorstand eine Ansprache gehalten
und ein Gedicht von Silberstein vorgetragen. In den Stein werden
in üblicher Weise die Widmungsurkunde mit den Unterschriften, die
gangbaren Münzen u. s. w., die in einem Glascylinder verwahrt sind,
versenkt. Am Schlüsse dieser Festlichkeit wird der „Festgesang"
von Herbeck gesungen. Abends um 7 Uhr (am 12. Oct.) ist Lieder-
tafel im Sophienbadsaale. Diese beginnt mit dem Chor „Stiftungs-
feier" von Mendelssohn; darauf folgt: „Hochländers Abschied" von
Warth, „Einst, jetzt und künftig," komischer Chor von Genee, „Am
Königsee" von Engelsberg, „Eine Polka" (Gesang) von Job. Strauss
mit Ciavier-, Harmonium- und Orchesterbegleitung, „Walzer" (Ge-
sang) von Abt und zum Schlüsse das „deutsche Lied." Zwischen den
einzelnen Gesangsnummern werden die geladenen Gäste und die ko-
mischen Kräfte des Vereins verschiedene Vorträge halten.
(Zellner's Bl. f. Th. etc.)
Paris. Hrn. Pasdeloup'f» populäre Concerte für classische
Musik werden unter seiner Leitung am Sonntag den 18. Oct. wieder
beginnen.
— Die deutsche Sängerin Frl. Orgeny ist in Paris angekom-
men. Sie ist eine Lieblingsschülerin der Frau Viardot-Garcia,
welche sie dem Componisten des „Hamlet" als eine vortreffliche
Ophelia empfohlen hat.
*** In den kgl. Theatern in Berlin ist eine Bekanntmachung
angeschlagen, deren Inhalt besagt : „Es sei die Bemerkung gemacht,
dass die Inhaber von Freibillets bei den Vorstellungen sich durch
Beifallsbezeugungen besonders laut hervorthäten. Dies sei störend
und gebe ausserdem dem Argwohn Raum, dass diese Beifallsbezeu»
gungen unlauterer Natur seien. Die Inhaber von Freibillets würden
deshalb ersucht, sich ruhig zu verhalten und laute Beifallsäusseruu-
gen denen zu überlassen, welche ihre Billete bezahlt haben " Ei»
unbekannter Schalk machte sich den Spass, diesen Anschlag vom
Corridor des zweiten Ranges wegzunehmen und im ersten Rang»
vor der Loge des Polizei - Präsidenten aufzuhängen, zum grossen.
Aerger des Herrn von Hülsen und noch grösserem Gaudium der
Berliner.
*** Ullmann hat mit seiner Künstlergesellschaft in Copen*
bagen bereits drei Concerte mit enormem Erfolge gegeben. Dia-
Einnahmen beliefen sich auf 18,000 Frcs.
*** Am 3. Oct. wird das in seinem Innern glänzend restaurirte
Hoftheater in Weimar mit Göthe's „Ipbigenia" eröffnet werden.
*** Der Kaiser von Russland bat bei seinem letzten Aufenthalte-
in Kissingen dem Capellmeister der dortigen Curcapelle, M. Heine-
fetter, sowie dem Musikdirector V« Hamm von Würzburg, letz«
terem für die Dedication von drei Märschen, werthvolle Brillantringe«
zustellen lassen. Hamm's Märsche sollen bei der russischen Armee-
eingeführt werden.
*** In Paris starb am 3. d. M. der Gesanglehrer und musi-
kalische Schriftsteller Stephen de la Madeleine im Alter von
67 Jahren; desgleichen Mlle. Blanchard, ehemalige Sängerin der
Optra comique, 72 Jahre alt.
*** Auch in Deutschland tönender Sand. Die Naturerscheinung
des tönenden Sandes, welche man zuerst am Dschebel Nakus und
Beg-Banvan in Arabien wahrnahm und die vor einigen Jahren auf
der schottischen Insel Eigg beobachtet worden, ist neuerdings auch
im Strandsande bei Kolberg bemerkt worden. Das Phänomen
tritt dort nicht immer und nur unter der Vorbedingung ein, dass der
Sand von den brandenden Wellen zuerst durchfeuchtet und dann von
der darauf scheinenden Sonne bis zur Tiefe von etwa einem Fuss
wieder ausgetrocknst worden ist. Das tönende Klingen wird dann
beim blossen Darübergehen wahrnehmbar; stösst man aber mit dem
Fuss in schiefer Richtung auf den Sand, dann werden die Töne so
laut, dass sie weithin hörbar sind.
*** Ullmann hat den Pianisten Theodor Bitter auf drei
Monate und den Contrabassvirtuosen Bottesini auf zwei Monate
engagirt.
*** Die Dresdener Naturforscherversammlung wurde bei ihrem
Ausfluge nach M e i s s e n daselbst mit einem vortrefflich durchge-
führten Domconcert überrascht. Das Programm enthielt: Choral
von Graun; Adoramus von Palestrina; Ave verum von Mo-
zart; Frauenterzett aus „Elias;" „Es ist ein Eos' entsprungen" von
Prätorius und „Halleluja" aus dem „Messias."
*** In Mannheim wurde Mozart's ,sCosi fan tutte" in
vorzüglich gelungener Weise aufgeführt und von dem zahlreichen
Publikum in einer Weise aufgenommen , welche das fernere Ver-
bleiben dieses an Schönheiten so überreichen Werkes auf dem dor-
tigen Repertoir mit Zuversicht erwarten lässt.
*** Auch im Berliner Opernhause wird „Cosi fan tuttef*
und ausserdem „Templer und Jüdin," „Jessonda," „Johann von
Paris" und „Der fliegende Holländer" in dieser Saison neu ein-
studirt in Scene gehen.
*** In Bonn fand zu Ehren der dort tagenden Versammlung
der Alterthumsforscher ein Concert unter Mitwirkung der Sängerin
Frl. Bad ecke von Cöln und des Violinvirtuosen Ludwig Strauss
aus London statt.
*** Der Tenorist Theodor F o r m e s, früher Mitglied der kgL
Oper in Berlin, ist jetzt in C a s s e 1 engagirt.
*** Professor J. M o s c h e 1 e s ist von seiner Belse nach Eng-
land, wo er als Pianist und Orgelspieler grosse Triumphe feierte,
wieder nach Leipzig zurückgekehrt.
*** Frau Pauline Lucca hat eine Einladung erhalten, bei
der Eröffnung des neuen Opernhauses in Paris die Bolle der
Selica in der „Afrikanerin" zu singen.
*i* Frau Bürde-Ney hat nun der Bühne für immer entsagt,
wir aber in Dresden wohnhaft bleiben und sich dem Gesangs-
unterrichte widmen.
Verantw. Red, Ed, Föckerer. Druck i>. Carl Wallau, Mainz»
17. Jahrgang.
i§* di.
12. Od ober 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
V © IT 1 1 g
^ ™^h.
Diese Zeitung erscheint jecfön j
MONTAG-. I von
i&mtern, Musik- ÄBuchband- B. SCHOTTS SÖHNEN III MAINZ.
msea ' ? Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
-v4
\
PREIS:
fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
INHALT: Zur Geschichte des deutschen Männergesanges. — Das VI. Mittelrheinische Musikfest in Darmstadt. — Corresp.: Wien. Paris.
Nachrichten.
Zur Geschickte des deutschen Männer«
f»es«nges«
Von W. Lackowiti.
in.
Die bedeutsame Stellung der Liedertafel in der Musikwelt Ber-
lins hatte den Wunsch, Mitglied des Vereins zu werden, in gar vie*
len Musikern und Musikfreunden erregt. Zelter's Abschliessungs-
system machte ihnen den Eintritt wenn auch nicht unmöglich, so
doch so ausserordentlich schwer, dass ein Expectant jahrelang warten
konnte, ehe an seine Aufnahme' nur gedacht wurde. Das erregte
ganz naturgemäss den Wunsch, aus diesen wartenden, zum Theil
ausgezeichneten Kräften eine zweite Vereinigung ähnlicher Art zu
stiften, es bedurfte nur eines Mittelpunktes, um den sich die Wün-
schenden schaaren konnten. Die ganze Eigentümlichkeit Zelter's,
diese Mischung von Kunst und Geselligkeit, von dichterischer und
musikalischer Kraft, von derbem Humor und leutseligster Heiterkeit,
war freilich nicht zum zweiten Male vorhanden.
Ludwig Berger, der in der Mitte der Wünschenden stand,
War nicht der Mann, ihn zu ersetzen. Berger lebte seit 1815 als
Musiklehrer in Berlin und hatte sich lange vergeblich bemüht, Mit-
glied der Liedertafel zu werden. Er war ein Künstler von grosser
Bedeutung, der aber alles, was das Leben anbetraf, aus einem höhe-
ren Gesichtspunkte betrachtete. Er schwärmte daher auch in be-
geistertster Weise für die Gründung einer zweiten Liedertafel, ent-
warf Pläne über Pläne , von denen aber keiner zur Ausführung
kam, weil er nie die Energie zur That finden konnte. Da trat ein
zweiter Mann in diesen Kreis, und mit seinem Erscheinen gewann
die Sache sofort Gestalt. Das war Bernhard Klein.
Berg er und Klein lebten in Berlin als zwei sich gegenseitig
ergänzende Gegensätze in innigster Freundschaft neben einander.
Ludwig Berger, geboren am 18. April 1777 zu Berlin, ver-
lebte seine Jugendjahre in Provinzialstädten, wohin seinen Vater,
einen Architecten, Amtsgeschäfte gerufen hatten. Im Jahre 1799
kam er wieder nach Berlin , um sich ganz der Musik zu widmeu.
1801 vertauschte er diesen Aufenthalt mit Dresden, kehrte aber bald
nach Berlin zurück, wo er sich als Musiklehrer uiederliess. Nach-
dem er 1804 noch Cleraenti 1 s Unterricht genossen, ging er auf lange
Jahre nach Petersburg, Stockholm und Loudon, wo er überall als
tüchtiger Lehrer viel Beschäftigung fand. 1815 kam er abermals
nach Berlin zurück und wirkte nun hier als sehr gesuchter Clavier-
lehrer bis au seinen Tod, welcher am 16. Februar 1839 ganz plötz-
lich während einer Unterrichtsstunde erfolgte. — Bernhard Klein,
geboren am 6. März 1793 zu Co In, kam 1812 nach Paris, wo er
Cherubini's Unterricht genoss, und bekleidete dann die Stelle eines
Domcapellmeisters in seiner Vaterstadt. Von dort ßiedelte er (1819)
als Lehrer an dem neugegründeten Institute für Kirchenmusik nach
Berlin über und wurde zugleich zum Musikdirector und Gesaugleh-
xer bei der Köoigl. Universität ernannt. Er wurde als Lehrer für
Berlin von grosser Wichtigkeit, starb aber schon am 9. September
1832 an einer Brustkrankheit.
Bernhard Klein war in gewissem Sinne das gerade Gegentheil
von Ludwig Berger. Begabt mit dem Feuer der Rede, fortreissen-
der, brausender, sprühender Darstellung, mit feinem Witz, noch fei«
nerer Ironie und mit zündendem Humor, riss er Alles hin. Es ist
unmöglich, diesen eigentümlichen, wunderbar begabten Menschen
und seine Stellung in Berlin, welcher er dieser seiner Eigentüm-
lichkeit einzig und allein zu danken hatte, und welche auch die
Grüudung einer zweiten Liedertafel zur That werden Hess, besser
zu characterisiren, als es sein Freund und Genosse Ludwig Rell-
stab gethan hat: „— — Bei seinem Erscheinen in Berlin trat
eine durchgreifende Umbildung der musikalischen Zustände zunächst
in den geselligen Kreisen der Kunst ein, indem er sich gewisser-
xnassen der Privat-Singvereine bemächtigte; nicht nur, dass er sie
am Instrumente beherrschte, sie mit Sicherheit, Leichtigkeit, mit
Freude und entflammtem Feuer dahin führte, wohin sie sonst nur
schwankend, mühselig, ohne entschiedene Farbe in der Auffassung
gelangt waren: sondern sein überlegener Geist führte auch in an-
deren Beziehungen die Herrschaft. Man hatte bis dahin wohl Män-
ner als Führer derselben gekannt, welche gute musikalische Kennt-
nisse mit einer schicklichen Bildung für das Leben, für die Gesel-
ligkeit vereinten: allein jetzt erschien plötzlich ein Musiker vom
höchsteu Wissen und Können, zugleich ein Künstler und eine gei-
stige Organisation, die hoch über alle gewöhnlichen Verhältnisse
des Lebens hicausgriff. Zuerst verwehte sein mächtiger Athemzug
wie ein Sturm alle Spreu aus dem musikalischen Treiben. Man
hatte bis dahin noch viel Mittelmässiges, Productionen des Tages,
Compositionen der Mode abwechselnd mit denen der Unvergäng-
lichkeit ausgeführt Durch die feine Ironie, mit der Klein diese
geringeren Erzeugnisse behandelte, theils durch persiflirenden Vor-
trag, wenn es Gesangstücke waren, in denen er mitwirkte, theils
durch die mit Witz und Humor enthüllten Schwächen derselbe i.,
verscheuchte er sie sehr schnell." „Oft hatte er sich anf solche
Weise in wenigen Augenblicken als junger, unbekannter Küustler,
der zum ersten Male in einen ihm ganz fremden Kreis ei u geführt
war, zum geistigen Gebieter desselben gemacht. Die durch ihn ver-
drängten älteren Autoritäten sahen dazu freilich zuweileu etwas
missmuthig, allein da sie der Kunst warm angehörten , überwog
die Freude an dem Schatz, den sie für diese in dem jungen Frem-
deu so unvermuthet entdeckten, meist schnell jede Empfindlichkeit,
und sie wetteiferten in freudiger Anerkennung seiner Uebermachr.
Die musikalische Befähigung allein hätte indessen ein solches
Resultat nicht erzeugen können, wiewohl sie nothwendig dazu war.
Freilich musste man ein solcher Meister des Pianofortes und Ge-
sanges sein wie er, um mit solchem Absolutismus des musikalischen
Führers aufzutreten. Allein diese Eigenschaften roussten zugleich
von den grösser 'entfalteten Schwingen des Geistes Oberhaupt ge-
tragen werden ; ja in der Weise , wie Klein sie besass und geltend
machte, konnten sie gar nicht vorhanden sein ohne jene. Das
empfand sich dann, wenn die Musik vorüber war, und das gedan-
162 —
kenströmende Wort, dar ewig blitzend« and leuchtende Humor des
wunderbar Begabten sieh entfaltete and er in dieser Unmittelbar»
keit geistiger Entwickelungen den Männern von höchster Bedeutung
die Waage hielt, wenn nicht sie überflügelte. Klein bewegte sich
hauptsächlich in Kreisen, wo ein Schleiermacher, Wolf, Buttmann,
Hegel, kurz die bedeutendsten geistigen Notabilitäten verkehrten;
es lag in seiner Natur, diese vor Allen aufzusuchen und zu finden,
und er fühlte sich ihnen gegenüber keineswegs gedruckt, sondern
in dem ihm zusagenden Elemente. Er war allerdings schaffen*
der Künstler nur im Gebiete der Musik, allein von dem allge-
meinen künstlerischen Elemente und namentlich von demjenigen,
welches die innerste Seele der Kunst überhaupt in sich trägt, von
dem dichterischen — die Dichtkunst, so stellt sie die Allegorie
dar, ertheilt den andern Künsten ihre Aufgabe — so erfüllt, geläu-
tert, gehoben, dass seine Auffassung , stets unter der Anschauung
des Höchsten (sub specie aeterni), oft die der erzeugenden Kunst-
ler hob und adelte. Solchen Geistern wohnt die Gewalt der Un-
mittelbarkeit inne; — Bernhard Klein war zugleich der Herrscher
des Augenblicks. Sein phantastisch - electrisches Feuer loderte in
blendenden Witzfunken oder wunderbar romantisch - phantastischem
Flammenschimmer bei jeder verwandten Berührung. — — "
Das war Bernhard Klein! Die Pläne, welche Berger lange
mit sich herumgetragen, erfasste er mit jugendlichem Ungestüm,
als er sab, ein wie fruchtbarer Boden für dieselben vorhanden war,
und die Sache selbst bedurfte ja nicht mehr der bedächtigen Er-
wägung, es waren ja nicht mehr die herben Schmerzen des Erfin-
ders, nicht mehr die bangen Zweifel, ob das Kind auch lebensfähig
sei, zu überwinden : Es war ja eine Liedertafel vorhanden , ein
Männergesangverein, der sich eines immensen Rufes erfreute. Ein
kleiner Kreis musikalischer Freunde, in welchem von Berger die
Idee von neuem angeregt wurde, gab die Grundlage, Klein's Feuer-
eifer riss Alle hin, und so wurde die Stiftung einer zweiten Lieder-
tafel definitiv beschlossen. Ludwig Berger, Bernhard Klein,
Gustav Reichardt (der Componist des Liedes : Was ist des
Deutschen Vaterland ?) (Ist von J. F. R e i c h a r d componirt.
Anmerk. d. Red.), Ludwig Rellstab (der bekannte Berliner
Musikkritiker, t 1860) und August Wilhelm Bach (jetzt
Professor, Königl, Musik director, Director des Instituts für Kirchen-
musik etc.) waren die Stifter, welche schon zu der ersten Vorver-
sammlung sich in ihren specielleren Bekanntenkreisen nach geeig-
neten, tüchtigen Kräften umsehen wollten. Auch für entsprechenden
Stoff sollte schon dazu gesorgt werden, Rellstab sollte Gedichte,
Berger und Klein Compositionen liefern, und als die erste wirkliche
Tafelsitzung in dem wundervollen Frühlinge des Jahres 1819, am
24. April, abgehalten wurde , war schon eine Anzahl von sieben
Liedern vorhanden, die sich mit grosser Schnelligkeit von Monat
zu Monat vermehrte. Viele Lieder, die sich nachmals eines grossen
Rufes zu ei freuen gehabt haben, sind innerhalb dieser Liedertafel
entstanden und hier zuerst und oft lange schon gesungen worden,
ehe sie ihren Weg hinaus nahmen in die Weite. So z, B. lebten
Andreas Hofer, Neue Pfingsten (Berger), Blücherlied (Klein), Mar*
schall Vorwärts (Rungeuhageu), Was ist des Deutschen Vaterland?
(Reichardt) lange schon dort, bevor sie in die Herzen des Volkes
eindrangen. (Schluss folgt.)
Das VI. Mittclrheinisclie Musikfest In
Harmstadt
am Sonntag den 27. und Montag den 28. Sept. 1868.
(Fortsetzung.)
Am Sonntag den 27. um ll'/s Uhr Morgens begann die Auf-
führung des Oratoriums „Samson" von G. F. Händel mit den
bereits angegebenen Vocal- und Tnstrumentalkräften und nach der
Mosel'scheu Bearbeitung, welcher, da leider die Orgel fehlte, noch
hie und da durch Hrn. Maugold ergänzend nachgeholfen worden
sein mochte. Wir haben bereits hervorgehoben, dass das ganze
Muaikfest in unverhältnissmässig kurzer Zeit in Scene gesetzt und
zur Aufführung gebracht wurde und wenn wir dann noch beifügen,
dass auch für die eigentlich entscheidenden Proben mit vereintem
Chor und Orchester gar wenig Zeit eingeräumt war, so mag es
wohl erklärlich und entschuldbar sein, wenn im Anfange nicht Alles
so sicher und präcis ineinandergriff, als man dies wohl "von der
Leistungsfähigkeit der vortrefflichen disponiblen [Kräfte, welche
wirklich durch das prekäre Resultat der Generalprobe etwas ein-
geschüchtert sein mochten, hätte erwarten dürfen. Allein nachdem
das erste Zagen überwunden war, erhob sich dennoch die Auffüh-
rung im grossen Ganzen zu einer nicht nur im Allgemeinen befrie-
digenden, sondern besonders durch die prachtvollen Chöre mitunter
wahrhaft hinreissenden Wirkung. Das Publikum, welches sich lei-
der auffallend spärlich eingefunden hatto, schien unsere Ansicht
au theilen, indem es nur allmählig sich an den gebotenen Leistun-
gen erwärmte und seinen Beifall mit der zunehmenden Sicherheit
und Schwunghaftigkeit derselben bis zum donnernden Applause nach
und nach anwachsen Hess. Der Schlusschor der ersten Abtheilung,
„Zum glanzerfüllten Sternenzelt" war es, der, nach einigen den So-
listen wohlverdienterweise gespendeten Ovationen, die Schleussen des
allgemeinen Beifalls öffnete und denselben zum stürmischen Durch-
bruch kommen Hess. Fräulein Hausen (Micah) und Herr
Ruff (Samson), dieser besonders mit der Arie „Nacht ist's umher,"
bewiesen von vornherein, dass sie ihrer Aufgabe gewachsen seien,
und dass der Geist Häudel's über ihren Leistungen schwebe.
In der zweiten Abtheilung waren vorzugsweise die Arie der
Dalila (Frau Peschka-Leutner) mit Frauenchor „Vertraue, Theu-
rer, meinem Wort," das Duett zwischen Dalila und Samson und der
Doppelchor „Ehret auf seinem ew'gen Thron* diejenigen Nummern,
welche durch ihren eigenen Gehalt sowie durch die treuliche Auf-
führung den lebhaftesten Beifall hervorriefen.
In der dritten Abtheilung beben wir vor Allem dem mit so
schöner Beherrschung seiner sympathischen Stimme und mit ergrei-
fender Gefühlstiefe ausgeführten Vortrag der Arie Samson's „Herr-
lich erscheint im Morgenduft" mit vorausgehendem Recitativ durch
Hrn. Ruff hervor. Die Wirkung war aber auch eine tiefgehende
uud stürmischer Beifall ward dem jungen, strebsamen Künstler zu
Theil. Mächtig auch ergriff Fr. Peschka-Leutner die Zuhörer durch
den Vortrag der Arie mit Chor „GottDagon hat den Feind besiegt."
Auch Hr. G r e g e r gab die Partie des Manoah mit recht anerkennens-
werthem Eifer und wirksamen dramatischen Feuer, wenn anch seine
Stimmmittel, besonders in den tieferen Lagen in dem grossen Räume
nicht immer ausreichend erschienen. Auch der Chor der Philister:
„Hör mich, o Gott!" wurde sehr wirksam ausgeführt und fand leb-
haften Beifall. Eine wahre Perle aber war der Vortrag der Arie:
„Ihr Söhne Israels klagt nun," durch Fräulein Hausen, in wel-
chem sie den Schmelz ihrer Stimme, sowie die ihr eigene Tiefe
der Empfindung zur vollsten Geltung brachte. Der Chor leistete
noch Vortreffliches in dem Chor der Israeliten : „Ihr Thränen fliesst
in Strömen hin!« und namentlich im Schlusschor: „Laut schalle
unsrer Stimmen voller Chor." Auch der Trauermarsch wurde sehr
beifällig aufgenommen, obwohl die Präcision des Vortrages bie und
da zu wünscheu übrig liess. Der Totaleindruck des ersten Con-
certes war also ein im Ganzen genommen günstiger und wenn auch
nicht das Höchste erreicht wurde, so war die Gesammtleistung doch
eine sehr gelungene, den Mitwirkenden wie dem Dirigenten zur
Ehre gereichende. (Schluss folgt.)
COfiRESPONDENZEN.
Aus Wien.
Im Monat September waren der Oper 21 Abende eingeräumt;
die übrigen gehörten dem Ballet. Fünfzehn Opern waren durch
acht Componisten vertreten, nämlich: Mozart, Wagner, Flo-
tow, Gounod, Meyerbeer, Donizetti, Verdi uud Rossini.
Die „Afrikanerin" und „Romeo" wurden je 3 mal, „Lucrezia" und
„Faust" je 2 mal, alle Uebrigen je einmal gegeben. Unter Letztere
gehören „Don Juan," „Zauberflöte," „Figaros Hochzeit," „Teil,"
„Hugenotten ," „Rigoletto" und einige weiter unten bezeichnete
Opern. Die endliche Aufführung des „Fliegenden Holländer" und
namentlich „Lohengrin" waren das einzige Hervorragende ; im übri-
gen schleppte sich das Repertoir mühsam weiter, was auch von
allen Hauptjournalen gerügt wurde. Es verlohnte sich mitunter
eher von jenen Opern zu reden, die nicht gegeben, aber ahwech*
selnd als in Aussicht stehend in Erinnerung gebracht werden. AU
— 163 —
vor Jahresfrist mit Gluck's „Iphigenie in Aulis" ein Lichtstrahl in
das Einerlei der Repertoire fiel, träumte man auch schon von „Orfeo"
und „Armida, tt beide der jetzigen Generation Wiens nur aus den
Büchern bekannt. Keine von Beiden erlebte eine Wiedergeburt
und obendrein kehrte „Iphigenie" seit Januar wieder zu ihrer Ruhe
aurück. Opern, die ein leichtgeschürztes Spiel verlangen, sind dem
Publikum vollends zur Mythe geworden ; der Sängernachwuchs strebt
nur immer den dickfarbigen sogenannten heroischen Rollen zu.
Frl. v. Rabatinsky, die einzige, die das Coloraturfach vertritt,
versuchte sich nicht ohne Glück in den besten Rollen der geschie-
denen Frau Murska, so als Gilda (Rigoletto), Lucia und auch als
Königin der Nacht wusste sie ihr Feld zu behaupten. Frl. E h n n
wechselt mit den Opern „Faust," „Romeo" und „Afrikanerin;" ein-
mal sang sie auch den Pagen in „Figaros Hochzeit." Sie strebt
sichtbar vorwärts; nun soll ihr auch die Mignon zufallen, die
erste Novität nach so vielen Monaten. Frau W i 1 t zeigt in allen
Rollen, Lucrezia, Gräfin, Donna Anna, Leonore (Troubadour) die
stimmbegabte, musikalisch durchgebildete Sängerin. Dass sie nun
«uch die Ortrude in „Lohengrin" sang, war mehr ein Opfer von
ihrer Seite, da diese Partie ihrer Stimme zu tief liegt. Leidenschaft
ist ihr nicht gegeben, aber anerkennenswerth ist der Fleiss, den sie
auch auf diese ihr nicht zusagende Partie verwandt hatte. Diese
Aufführung des lange vermissten „Lohengrin" wurde mit grosser
Theilnahme begrüsst, dies bezeugte das volle Haus und der warme
Beifall. Elsa wurde von Frau Dustmann vorzüglich gegeben,
wenn auch ihr Organ seit ihrem ersten Auftreten in dieser Rolle
etwas gelitten hat. Telramund, früher durch Beck besetzt, war
diesmal v. B i g n i o zugefallen , der für diese Partie das richtige
Yerständniss mitbrachte. Doch übertraf ihn sein Vorgänger an
Wucht und Stimme, über welchen Besitzt sich die HH. Schmid
und Hrabanek (König und Heerrufer) noch immer nicht beklagen
.können. Am schlechsten war Lohengrin selbst besetzt. Herrn
Walter fehlt dazu der nöthige Adel, doch sang er vieles mit
Wärme und Zartheit. Der Chor, durch Zuwachs aufgefrischt, griff
iebendig in die Handlung ein. Der Preis des Abends aber gebührt
«dem Orchester unter Esser's Leitung. Als Ganzes vorzüglicher
wurde der „Fliegende Holländer" gegeben, indem die Rollenbe-
setzung mehr zu einander harmonirte. Beck in der Titelrolle,
Dustmann (Seuta), Walter (Erik), Mayerhofer (Dolond)
bildeten ein vortreffliche* Ensemble. Wagner's „Rienzi" scheint
■dem neuen Haus vorbehalten, denn „Mignon" wird als letzte neue
Oper im alten Theater geuannt. Die nächste Anwartschaft zur Auf-
führung hat bis jetzt noch immer „Astorga." —
Den Beschluss der vielen hiesigen Festlichkeiten in diesem
Jahre bildet die Feier des 25jährigen Bestehens des Männer-
gesang-Vereins. Kirchliche Aufführung (Messe von Schubert),
Concert und Liedertafel bilden die Hauptmomente, denen sich die
Grundsteinlegung eines Monuments für Schubert im freundlichen
Stadtparke anschliesst. Zahlreiche Vereine haben Deputationen an-
gesagt und soll der Verein auch durch Ehrengaben aller Art aus-
gezeichnet werden, Liszt, Herbeck, Lachner, Esser haben
«igens Chöre für das Festconcert geliefert; die beiden Letzteren
-werden ihre Compositionen auch selbst dirigiren. Der eigentliche
Gründer des Vereins, Dr. Aug. S ch m i d t bereitet eine Denkschrift
vor, die auch für weitere Kreise von Interesse zu werden verspricht.
Als die ersten Zeichen der Winter - Saison geben die „Philhar-
moniker" eine vorläufige Anzeige ihres Programms: Nebst Mozart,
Beethoven, Mendelssohn werden genannt: Clavierconcert
von Schumann, „Fee Mab" von Berlioz, Ouvertüre (Sakun*
tala) von Goldmark, tes Priludes von Liszt, Entreact aus
-„Medea" von Cherubini. Unter den Sinfonien sind neu eine
von Esser und die jetzt häufig genannte Oxford-Sinfonie von
Raydn. — Hell mesberger und Laub werden Beide Quartette
veranstalten ; ob die Florentiner wiederkommen , ist noch Ge*
■heimniss. —
>• •< ■
Aus Paris.
$ October.
Wie es heisst, wird der Minister der schönen Künste auf höhere
Veranlassung nächstens die hervorragendsten Dichter und Compo-
«iteure zusammenberufen, um sich mit ihnen über die Ausschrei-
bung eines auf eine Nationalhymue zu setzenden Preises zu berathenv
Frankreich hat zwar die Marseillaise, die fast die Hymne aller
Nationen geworden, und den Chant du depart, der auch nicht so
übel ist; allein man hat diese beiden Gesänge aus leicht begreifli-
ehen Gründen unterdrückt, und was des „Partant pour la Syrie*
betrifft, so ist diese Compositum immer nur officiell geblieben und
auch allzusehr abgeleiert worden. Es fragt sich nun, ob man durch
die Preisausschreibung den Zweck erreichen werde. Es ist sogar
anzunehmen, dass viele Poeten und Componisten viel Schweiss ver-
giessen werden, ohne etwas Rechtschaffenes zu Stande zu bringen.
Eine Regierung kann wohl Chassepotgewehre , Kugelspritzen und
sonstige herrliche Dinge verfertigen lassen , aber Meisterwerke der
freien Kunst kann sie doch nicht so leicht hervorrufen. Warten
wir indessen den Erfolg ab.
Die hiesigen lyrischen Scenen sind sämmtlich, bis auf das
Thidtre lyrique, bereits eröffnet. Das neu verzierte Italienische
Theater hat vorigen Dienstag die Winter Vorstellungen mit „Lucia
von Lammermoor" eingeleitet. Adelina Patti und Fraschioi
theilten die Lorbeeren, mit denen sie das Publikum verschwende-
risch bedachte.
Die Bouffes-Parisiens haben ebenfalls ihre Pforten dem Publi-
kum erschlossen und demselben zwei Operetten von Offenbach,
»Le Fifre enchante' und »Ulle de Tulipatan" vorgeführt und
zwar mit glänzendem und wohlverdienten Beifall.
Die FantaisiesParisienn.es haben die Saison mit dem „Barbier
von Sevilla" begonnen, aber nicht mit dem R o ss i n i' sehen, son-
dern mit dem von Paisiello.
Das Theätre lyriquh wird am 15. oder spätestens am 20. Oc-
tober mit dem „Thal von Andorra" eröffnet werden; hierauf sollen
der „Barbier von Sevilla," „Iphigenia in Tauris" und „Don Juan*
aufs Repertoir kommen. Einstweilen sucht Pasdeloup so viel
Kunstkräfte als möglich für seine Anstalt zu gewinnen. Er will,
dass sein Theater dem Volke zugänglich werde und deshalb hat er
auch die Preise der Plätze bedeutend ermässigt. Die unermüdliche
Thätigkeit, die er der Leitung dieser Bühne widmet, wird ihn
jedoch nicht hindern, seine populären Concerte am 18. d. Mts. zu
beginnen.
Nachrichten.
Mainz. Am 2. d. M. veranstaltete der „Philharmonische Ver-
ein" ein grosses Concert im Saale des Frankfurter Hofes, welches
durch die Mitwirkung der jugendlichen Violinvirtuosin Fräulein
Therese Liebe aus Paris ein ganz besonderes Interesse ge-
wann. Sie spielte ein „Pastorale" von Leonard, „Elegie" von Ernst,
Kirchenscenen und Terzett aus Gounod's „Faust" für Violine, Har-
monium und Piano arrangirt und „IS Aragonesa" von Alard, wel-
cher sie nach stürmischem Dacaporuf noch ein kleines, mit grosser
Feinheit vorgetragenes Cantabile folgen liess. Frl. Liebe hat, seit
sie vor ein paar Jahren als Kind zum ersten Male hier auftrat und
durch ihr frühreifes Talent allgemeine Bewunderung erregte, in
Paris den Unterricht Alard's und Leonard's genossen und ganz
ausserordentliche Fortschritte gemacht. Sie überwindet nicht nur
spielend Schwierigkeiten aller Art, sondern es ist auch Seele in
ihrem Spiel und sie singt mit einer Gefühlstiefe auf ihrer Violine»
die man ihrer noch so zarten Jugend gar nicht zutrauen sollte. Der
Beifall der Zuhörer steigerte sich demnach auch mit jedem ihrer
Vorträge und wurde am Schluss ein so stürmischer, wie er hier in
Concerten nnr äusserst selten vorkommt.
Der concertgehende Verein bewies durch den wackeren Vortrag
der Sinfonie in D-dur (ohne Menuett) von Mozart und der Beetho-
ven'äcben „Prometheus"-Ouverture, dass er in seinem Streben nach
Vervollkommnung nicht stille steht. — Eine weitere interessante Er-
scheinung war das zweimalige Auftreten der schwedischen Quartett-
sänger, HH. H. Lutteman, Z. Köster, E. Eiberg und G.
R y b e r g im Stadttheater, welche durch die schöne Verschmelzung
der Stimmen, durch die ausserordentliche Reinheit, Präzision und von
feinem Verständniss zeugende Vortragsweise Kennern und Laien
einen wahrhaften Genuss gewährten und sich mit ausserordentlichen
Beifallsbezeugungen und häufigen Hervorrufen beehrt sahen. Noch
grösser mttsste die Wirkung dieser schönen Gesangsleistangen in
164 -
einem geschlossenen Saalraume seid and 68 verlautet auch, das» die
trefflichen Künstler gesonnen seien, ein eigenes Concert im'Casino-
saale tu veranstalten
Frankfurt a. M. Die Herren Hugo Herrmann, Ruppert
B e k e r , Ernst Welker und der an der Stelle des von hier
geschiedenen Louis Lübeck engagirte treffliebe Violoncellist Va-
lentin Müller (früher Mitglied des Morin'schen Quartetts in Paris)
werden die hiesigen Kunstfreunde mit einer Beibe von Quartett'
Soireen erfreuen.
Beflift. Marschner's Oper „Templer und Jüdin," seit dem
Abgänge der Frau Scblegel-Köster von der Bühne hier
nicht mehr gegeben, ist nun wieder, und zwar mit bestem Erfolge,
in Seene gegangen. Hr. Betz als Templer und Frau v. Voggen*
huber als Rebecca leisteten Vorzügliches. Hr. Wowonkj,
obwohl als heiser gemeldet und B o st als Bruder Tuck erwarben
Sich gleichfalls grossen Beifall und auch die kleinen Rollenjwaren
recht gut vertreten.
— ■ R. Wüerst's Opef „Der Stern von Turau" wird an der
k. Oper neu einstudirt. Die Hauptrollen werden Frau Lucca nnd
die HH. Niemann, Betz und Salomon singen.
Wtoft'. In den Concerten der „Gesellschaft der Musikfreunde 8
soll, ausser einigen grösseren Werken von alten Meistern, auch
das Oratorium ,,Elisabefh* von L i s z t zur Aufführung kommen.
Paris. Der letzte Samstags- Abend bei Rossini zählt zu den
glänzendsten dieser Saison. Es sangen dort Mlle Nilsson, Mme.
A 1 b o n i und F a u r e. Die Alboni sang, wenigstens zum 20. Male,
eine wunderliche Melodie von Rossini, welche über eine aus
lauter ganzen Tönen bestehende Tonleiter, von. dem Maestro „Chi-
nesische Tonleiter" benannt, geschrieben ist und die sonderbarsten
harmonischen Combinationen enthält.
— Herr B a g i e r , Director der italienischen Oper, sieht die
Sorgfalt, welche er auf die Organisation der diesjährigen Saison
verwendet hat, schon jetzt ihre Früchte tragen, indem das Abonne-
ment ein äusserst ergiebiges ist und die ganze feine Welt sich zu
den Vorstellungen drängt. Adelina Fatti und der Tenorist
Fraschini werden zusammen vor ihrem Abgang nach Petersburg
in den verschiedensten Opern auftreten , um sodanu den Damen
Miunie Uauck und Ilma von M urska mit dem alten , aber im-
mer noch thatkräftigen Tamberlik Platz zu machen.
— Paris besitat gegenwärtig 28 Cafe'- concerts, welche über
den ganzen Umfang der Hauptstadt zerstreut liegen.
*** Von Carlo Pedrotti, dem Capellmeister im Teatro
regio in Turin, wird diesen Wiuter in Venedig eine neue vier-
actige Oper, „Ulema la schiava" aufgeführt werden.
*** Bei Gelegenheit der Anwesenheit des Königs von Preussen
in Hamburg fand als Festvorstellung die 110. Aufführung der
Oper „Faust" von Gounod statt.
*** Die komische Oper „Am Runnenstein" von Flotow und
R. Genee wird im Theater an der Wien znr Aufführung vorbereitet.
*** Im Nachlass des kürzlich in Graz verstorbenen Compo-
nisten Anselm Hüttenbrenner haben sich folgende als Andenken
ihm verehrte und von ihm bewahrte Autographe vorgefunden und
«war von Mozart: die „Bergknappenmusik" in acht Stücken; ein
Lied mit italienischem Text ; von Beethoven ein Lied ; von Sehn«
bert die Lieder „die Forelle," „die zürnende Diana," „Gretchen
am Spinnrade," „dieses ist das Brod," Sympboniesätze in E-dur,
Thema von Hüttenbrenner; „Ein Deutscher" mit der Nachschrift
„Geschrieben für mein Kaffee-, Punsch- und Weinbrüderl Anselm
Hüttenbrenner, weltberühmten Compositeur. Im Jahre ß.es Herrn
1818 in der höchsteigenen Behausung 30 fl. Wiener Währung.
%* Der ehemalige durch die Auflösung der österreichischen
Blilitärcapellen ausser Dienst gekommene Capellmeister des k. k.
ttadetzky-Husarenregimeuts, Stephan Schramm, ein Salzburgef,
dessen Wirken für das Gebiet der classischen Musik in musikali-
schen Fachblättern seinerzeit eine sehr anerkennende Würdigung
fand, folgt einem ebenso ehrenvollen als materiell begünstigten
Rufe nach England, wo er die Leitung der Militärcapelle des ersten
fcgl. Dragoner Garderegiments zu Sheffield übernehmen wird.
***• In E 1 b e r f e 1 d ist der als tüchtiger Orgelspieler und
Componist auch in weiteren Kreisen bekannte Organist der dorti-
gen reformirteu Kirche, Hr. J. A. van Eycken im Alter von 45
Jahren am 24. September gestorben.
***- Den Nachrichten verschiedener Blätter zurblge hat die»
Aufführung der Oper „Der erste Glückstag ■ von A u b e r in Mün-
chen keinen durchschlagenden Erfolg gehabt, trotzdem die Ausstat-
tung eine sehr glänzende und die Durchführung der Hauptpartien
(Frl; Stehle, Hr. Vogl und Hr. Kindermann) eine vorzügliche war.
•** In Brüssel wird „Lohengrin" zur Aufführnng vorbereitet
und in Mailand sollen „Rienzi" und „Freischütz" dem dortiger*
Publikum vorgeführt werden. (Warum auch nicht, da man doch
die Meyerbeer'schen Opern auf allen italienischen Bühnen gibt?)
*** Frau Clara Schumann beabsichtigt sich in Wien»
bleibend niederzulassen.
\* Der Componist J. P. Gottharjl hat in Wien eine neue
Musikalienhandlang etablirt und bereits eröffuet.
V Die Berliner Singakademie kündet für die be-
vorstehende Saison vorläufig drei Abonnementsconcerte an , in wel-
chen sie folgende nicht mehr ganz unbekannte Werke zur Auffüh-
rung bringen wird: „Weihnächte Ouvertüre" von Seb. Bach, „Die-
Jahreszeiten" von Haydn und „Messias" von Händel.
\* Es steht das baldige Erscheinen einer Biographie Josef
Haydn's von C. F. Pohl, Archivar und Bibliothekar der Gesell-
schaft der Musikfreunde in Wien, in Aussicht und von dem uner-
müdlichen Sammlerfleisse und der seltenen Gewissenhaftigkeit des-
Autors lässt sich nur Gediegenes erwarten, so dass man eine bedeu-
tende Lücke in der musikalischen Kunst- und Cul turgeschichte durch
das erwartete Werk ausgefüllt sehen dürfte.
*** Die Coloratursängerin Sgra. Brunetti und der bekannte
Flöten virtuose De V r o y e haben in Aachen mit ausserordent-
lichem Erfolg concertirt.
*** Die neuerbante grossartige Tonhalle in Zürich wurde
durch ein Concert der dortigen Männergesangvereine mit Orchester
eröffuet.
%* Mme. S a s s von der grossen Oper in Paris ist für das
Scala-Theater in Mailand ein zweimonatliches Engagement mit
25,000 Frcs. als Honorar angeboten worden.
*** Frl. Aglaja Orgeny ist von Hrn. Pasdeloup für da»
The'dtre lyrique in Paris engagirt worden.
*** Auch am IToftbeater in München ist nun Sängern und
Schauspielern untersagt worden, den Hervorrufen bei offener Scene
Folge zu leisten.
*n* Im Pest er Nationaltheater wurde die Oper „Zriny" von.
R. v. Adelberg zum ersten Male aufgeführt und fand beifällige
Aufnahme.
* m * Frl. H ä n i s c h vom Hoftheater iu Dresden hat am
deutschen Landestheater in Prag ein Gastspiel als Martha
mit sehr gutem Erfolge begonnen.
ANZEIGEN.
AMSTERDAM: Th. J, ROOTHAAN ir Cie.
Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst
daukenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer
der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.)
J»r. J. JP. MM EM JE,
GMEIMLANDS WORSTELSTRIJD
(Griechenlands Kampf und Erlösung.)
BEETHOVEJVS
Ruinen von Athen.
Clavierauszup fi. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50.
Jedenfalls passt sich die fiiessend und wohlklingend,
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich
der BEETHOVEN'schen Musik an. Möchten die deut-
schen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch
machen. (AUg. Musik-Ztg.)
Leipzig: FR. HOFMEISTER.
K
<
8
Vertxntw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz*
17. Jahrgang.
i¥* £9
19. Ocfober 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
Y* ^t
Diese Zeitung erscheint jeden \
MONTAG.
\ Man abonnirt bei allen Post- \
J ämtern, Musik- & Buchhand-
< lungen.
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*-»/ -- -i/-4
? © P I M
^./V
?
von
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
PREIS:
fl. 2. 42 kr. od. Th.l.l8Sg.|
für den Jahrgang. j
Durch die Post bezogen: j
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 1
IHHALT: Zur Geschichte des deutschen Männergesauges. — Das VI. Mittelrheiuische Musikfest in Darmstadt. — Corresp.: Cöln. München. —
Nachrichten.
Zur Geschichte des deutschen Mämier-
Gesanges«
Von W. Lackowitz.
(Schluss.)
Mit ungeheurer Begeisterung wurde die neue Stiftung in Ber-
lin überall begrüsst, von allen Seiten meldeten sich Theilnehmer,
namentlich lieferten die Studentenkreise, in denen die Stifter viel
▼erkehrten und grossen Auhang hatten, tüchtige und ausübende
Kräfte. Es wurde aber auch nicht verabsäumt, dem jungen Unter-
nehmen eine würdige Unterlage zu gaben, und altern Herren*, von
literarischer und sonstiger Bedeutung, die mit freilich ewig jugend-
lichem Geiste jedes frisch aufstrebende Geistesleben von vornher-
ein sauctionirten und, unterstützten, wurden dem Vereine gewonnf».
E. T. A. Hoffmann, Streck fuss sowie der Vater Theodor
Körner's waren bald Mitglieder, und Zelter, der von allen Stif-
tern so hoch gehaltene Zelter, wurde zum Ehrenmitgliede
ernannt, womit zugleich der Schein vermieden wurde, als beabsich-
tige die jüngere Liedertafel eine Concurrenzanstalt der älteren zu
werden.
Das war der erste Zweig, den der sorgsam gehütete Baum ge-
trieben. Er entwickelte sich aber, vielleicht sogar zum geheimen
Schrecken des Gärtners, in solcher Ueppigkeit, dass er in dem klei-
nen Häuschen, welches dem Mutterstamme bisher zum Aufenthalts-
orte gedient hatte, nicht mehr Platz fand. Gewaltsam bahnte er
sich deu Ausgang iu's Freie, streckte seine üppig grünen Blätter
in die frische Luft hinaus und dehnte sich hier mit immer sicht-
barer werdendem Wohlbefinden mit staunenswürdiger Schnelligkeit
aus. Jetzt sah mau erst die Kraft, welche in dem Baume gesteckt
hatte, dieser Zweig erst zeigte die ausserordentliche Lebens- und
Entwickelungsthätigkeit der neuen Kunstgattung. Die jüngere Lie-
dertafel verwarf das strenge Abschliessungssystem und huldigte dem
Satze: Leben uud leben lassen. Das gegebene Beispiel schlug wie
ein Blitz in die geselligen Kunstverhältnisse, selbst in Berlin ent-
standen in verhältnisfimässig kurzer Zeit ähnliche Vereinigungen,
bald folgten die grösseren Provinzialstädte nach, und — nun, das
Weitere ist ja aller Welt bekannt genug: die kleineren, kleinen
und kleinsten uud selbst Dörfer blieben nicht zurück und gründeten
ihre Liedertafel. Das war an und für sich eine gewiss gute Sache.
Zwar hat eine Stimme auf Grund dieser Erscheinung von einem
Männergesangvereinsfieber als von einer grassirenden epidemischen
Krankheit gesprochen; allein ein unbefangener Beobachter kann
, «ich wohl kaum diesem herben Ausspruche anschließen, nur Kurz-
r sichtigkeit und Befangenheit können ihn veranlasst und den Ur-
heber verhindert haben, in dieser rapiden Entwickelung viel mehr
;*den in ungeheuren Kreisen erweiterten Musiksinn und das drän-
: gende Musikbedürfuiss des Volkes zu erkennen.
? i, Ueberall machte sich der Einfluss der jüngeren Liedertafel gel-
tend. Namentlich waren es die Compositionen Bernhard Klein'*,
welche fast in allen norddeutschen Gesangvereinen gewissermassen
als das canonische Recht, von welchem ausgegangen werden müsse,
angesehen und den Uebnngen zu Grunde gelegt wurden. Das war
der erste Feuereifer, die Pietät gegen den jungen Stammvater.
Bernhard Klein verstand seine Zeit vollkommen, er konnte und
wollte sich ihr nicht entziehen, und darauf gründet sich sein gros-
ser Erfolg. Diese Zeit staud unter dem fast uneingeschränkten Ein-
flüsse Carl Maria v. Weber'«. Von der Bühne herab hatte
Weber zündend in alle Kreise eingegriffen , der berückende Zauber
seiner Klänge hatte alle Ohren und Herzen bestochen, sein „Frei-
schütz" beherrschte ganz Deutschland vom Palast bis zur Hütte,
von der Oper bis zur Drehorgel. Der Männergesang, der bei aller
Kraft das weiche Grundgepräge nicht verleugnen kann, eignete sich
ganz besonder», dergleichen Klaugeffecte in sich aufzunehmen, den
Zauber sinnlich berauschender Klänge auf Ohr . «od Herz wirken
zu lassen, und Beruhard Klein verstand es, sich dieses Mittel ganz
zu eigen zu machen. Er war aber ein Künstler von Gottes Gnaden,
ein Künstler, dessen Kunstsinn nur dem Höchsten zustrebte, der
mit aller Kraft darauf hinarbeitete, auch den Männergesang auf die
möglichste künstlerische Höhe zu erhebeu. Seine Schöpfungen ver-
rathen sämmtlich diesen tiefen Ernst, diesen Adel der Gesinnung,
namentlich die acht Hefte religiöser Gesänge. Die Polyphonie gab
ihm dazu die Mittel an die Hand, und er behandelte dieselbe in
dem eng begrenzten Räume der Männerstimmen mit seltener Mei-
sterschaft; allerdings standen ihm auch die zur Ausführung nöthigen
Kräfte zu Gebote , denn bei der musikalischen Bildungsstufe, auf
welcher sich Tausende von Gesangvereinlern dermalen befindeo,
möchte eben bei ihnen eine Klein'sche Motette zur Unmöglichkeit
gehören.
Nur wenige Männer haben sich später dieser edlen, nach wah-
rer Kunst strebenden Auffassung des Männergesanges angeschlossen,
denken wir hier vor allen an Carl Löwe (geb. am 30. Novem-
ber 1796 zu Löbejün bei Halle, lebt seit 1821 als Musikdirector in
Stettin). Er hat sogar versucht, grössere Musikwerke, Oratorien,
für Männerstimmen zu schreiben, um den Männergesang ganz in
das Gebiet der Kunst überzuziehen. Mit welchem Erfolge? — Die
meisten Componisten nach Bernhard Klein trugen kein solch Ideal
in der Brust, begnügten sich mit dem blossen Wohlklange, wollten
vor allen Dingen nur Gesang und fragten nicht darnach, ob dieser
auf der Höhe der Kunst stehe oder nicht, fragten nicht einmal, ob
er überhaupt kunstgemäss sei. Sie beruhigten sich mit dem aller-
dings 'richtigen Urtheil, dass zur Ausführung von Gesängen in
Klein'scher Anschauungsweise eine nicht unbedeutende musikalische
Bildung gehöre, eine Bildung, die unte'r all den sangeslustigen Men-
schen nur eine verschwindende Minderzahl haben kann. Sie tröste-
ten sich mit dem Gedanken, dass es ja Leute des Volkes seien, die
da sängen, die nicht nach kunstgemässem Gesänge, sondern nur
nach Gesang überhaupt verlangen, und zwar je einfacher desto bes-
ser. So Manche brauchten auch den Hinweis auf das einfache
Volkslied nur als Deckmantel für ihre eigene Unfähigkeit, Besseres
als gewöhnlichen Bäukelgesang zu liefern. So ist es gekommen,
- 166
dass in Wahrheit der Männergesang heut zu Tage nur noch verein-
zelt als wahrhafter Kunstgesang auftritt, dass er in seiner Mehrheit
nur dem Klange als solchem fröhnt, und es sind leider niedrig-
deakende Geister genug «fa, welche dieser Lust immer neue Nah-
rung zuführen, welche aus der Hinneigung des gemeinen Manne»
zu elenden Kneipeawitzen und halben oder ganzen Zotea hmsum
Münze zu schlagen suchen ; sie können wenigstens immer sicher
sein, dass sie eine ganz erkleckliche Zahl von Abnehmern für ihre
Sudeleien finden.
Das hat aber leider so manchen tüchtigen Musiker abgeschreckt ;
Mancher hat sich vom Männergesange zurückgezogen , Mancher hat
sich ihm als einer ganz unwürdigen Kunstgattung gar nicht zuge-
wendet. Das ist nicht recht, in keiner Weise, denn da kann aus der
Hebung des Männergesanges nie etwas werden ; und doch ist er
einmal da, doeh ist der Männergesang ein Bedürfniss, ein wesent-
liches Moment im Leben des Volkes geworden, und ich sollte mei-
nen — abusus non tollit usum! Desshalb frisch an 1 s Werk.
Es wäre jedenfalls ein Unrecht, wollte ich zum Schlüsse nicht
wenigstens noch mit einigen Worten der Erscheinung gedenken,
welche unabhängig von der Zelter'schen Liedertafel, bald nach ihrer
Stiftung, unabhängig und ohne Verbindung mit Norddeutschland
überhaupt, in der Schweiz die Gründung von Männergesangvereinen
veranlasste. Während aber Zelter und auch die jungem Lieder-
tafeln noch sich vorzugsweise dem Kunstgesange anschlössen, zur
Ausführung ihrer Gesänge mehr oder weniger musikalisch gebildete
Leute verlangten , wendete sich Hans Georg Nägeli in der
Schweiz dem Volke selbst zu, dessen Bedürfniss und Verlangen ihn
selbstständig auf die Entdeckung der Möglichkeit eines unbegleite-
ten, mehrstimmigen Männergesanges führte. Er hatte daher auch
nur das Bedürfniss des Volkes vor Augen, nur dafür wirkte, schaffte,
'arbeitete er; wie und unter welchen Umständen? ' — das darzu-
legen, muss ich mir für ein ander Mal vorbehalten.
Das VI. UliUclrlieiiiiscIie Ifluslkfest in
HaraistfMlt
am Sonntag dea 27. und Montag den 28. Se.pt. 1868.
(S c h 1 u s s.)
Das zweite Festconcert begann am Montag den 28. September
Mittags l 1 /» Uhr, nachdem die Generalprobe für dasselbe bis 12
Uhr Mittags gedauert hatte, so dass den Mitwirkenden kaum Zeit
blieb, sich einigermassen zu stärken und für das Concert umzuklei-
den« Dennoch sah die obengenannte Stunde wieder die ganze
Schaar der Säuger und Musiker versammelt und bereit, mit uner-
müdlichem Eifer das Fest seinem Ende entgegen zu führen. Wer
aber, wieder sich gar spärlich eingefunden hatte, das war das Publi-
kum, welches uns fast noch weniger zahlreich erschien, als am ersten
Tage. Und, es war wieder nicht etwa das biedere Landvolk allein,
welches die landwirtschaftliche Ausstellung dem Concerte vorzog,
was wir ihm, von seinem Standpunkte aus betrachtet, nicht einmal
übel nehmen, kcmuen, sondern auch die Bewohner der so nahe lie-
genden Städte hatten ein .nur gar zu schwaches Contingent gestellt.
So sahen wir z. B. unsere kunstsinnigen Mainzer und Mainzerinnen,
. welche doch sonst in rauher Winterszeit mit Extrabahuzügen nach
Darmstadt eilen, um bei einer Vorstellung der „Sicilianiacben Ves-
pe*," der „Afrikauerin" oder des »Romeo" von Gounod das Theater
zu füllen , nur sporadisch auf den zahlreichen Bänken zerstreut
sitzen und selbst die festgebenden Darmstädter schienen sich der
Mehrzahl nach ihren bescheidenen Antbeil an den gebotenen Kunst-
genüssen in den Generalproben geholt zu haben, obwohl auch diese
nicht sonderlich stark besucht waren. Kurzum, das ganze Publikum
hätte recht wohl in den Zuschauerräumen des Hoftheaters unterge-
bracht und die trotz der sichtbaren Sparsamkeit doch sehr erheb-
lichen Kosten für Einrichtung und Decorirung des Zeughauses hät-
ten somit erspart werden können. Das ganze Fest brach eben zu
plötzlich über das musikliebende Publikum herein v und diesem
fehlte darum der rechte atlimus, es fehlte der Glauben daran, und
— noch einmal sei es gesagt — die Eintrittspreise waren entschie-
den, zu hoch gestellt.
Das zweite Concert wurde mit der Sinfonie Nr. 7 in A-dur von
Beethoven eröffnet, welche, abgesehen von dem wohl ein wenig zu
langsamen Tempo im ersten und zu Anfang des letzten Satzes, in
recht anerkennenswerther Weise executirt wurde, so dass jedem der
einzelne« Ätz© stürmischer Beifall folgte. Hierauf sang Frau
PescbJca-Leutner die Sopran- Arie „Auf starkem Fittich" mit
vorangehendem Recitativ aus der „Schöpfung" von J. Haydn,
welche ihr Gelegenheit bot, nicht nur ihre schönen Stimmmittel,
sondern auch ihre Kunstfertigkeit gläuzeu zu lassen, so, dass ihr
die wohlverdiente Anerkennung in reichlichem Maasse zu Theil
wurde. Zu den gelungensten Produktionen des ganzen Festes ge-
hörte unstreitig die nun folgende Motette: „Lob und Ehre und
Weisheit" von J. S Bach. Die Soli wetteiferten mit dem pracht-
vollen Doppelchor, um das wundervolle Werk in seiner ganzen er-
greifenden Schönheit wiederzugeben. Die Wirkuug war eine wahr*
haft grossartige und würde vielleicht noch intensiver gewesen sein,
wenn man es gewagt hätte, das Werk der Intention des Compoui-
sten gemäss 'ohne Orchesterbegleitung aufzuführen, was bei deu
disponiblen trefflichen Gesangskräften sicherlich ausführbar gewe-
sen wäre.
Die zweite Abtheilung des Concerts wurde ausgefüllt durch
Ouvertüre und Sceueu aus „Frithjof," für Soli, Chor und Orchester
componirt von C. A. Mangold. Dieses Werk leidet von vorüber-
ein au dem Fehler, dass die Dichtung zu weit ausgesponnen ist
und darum das Ganze entschiedene Längen enthält, die um so
mehr auffallen, als es der Componist an der hier so nahe liegenden
und durchaus erforderlichen characteristischeo Gegensätzigkeit in
seiner Musik hat fehlen lassen. Jedenfalls war mit dem, was davon
in den Rahmen dieses Concertes gedrängt wurde, den ohnedies über
Gebühr angestrengten Mitwirkenden sowie den Zuhörenden zu viel
zugemuthet. Das Werk enthält übrigens viele unbestreitbare Schön-
heiten und Mangold zeigt, dass er grosse Tonmassen wirksam zu
behandeln weiss und mit den Künsten der Orchestrirung vollkom-
men vertraut ist, auch über ein respectables Maass von Erfindungs-
gabe verfügt.
Zu den hervorragenden Nummern zählen wir ausser der schön
gearbeiteten Ouvertüre den äusserst lieblichen Frauenchor: „Seid
gegrüsst in sonnigen Höhen," Ingeborg's Recitativ und Arie Nr. 23
und 24, Scenen mit Chor Nr. 25, Quintett mit Chor Nr. 27, Früh-
lingschor Nr. 30, Ring's Tod Nr. 34, Duett zwischen Frithjof und
Ingeborg Nr. 85 b und den sehr effectvollen Schlusschor. Die Soli-
sten, dieselben wie im ersten Concerte, führten ihre Partien mit
Eifer und Verständniss durch und sowohl die Damen Peschka-
Leutner und Hausen als auch Hr. Ruff ernteten reichlichen
Beifall für ihre trefflichen Leistungen. Selbst Hr. G r e g e r , ob-
wohl durch Proben, Concerte und Oper auffällig ermüdet, hatte
manche schöne und dankenswerthe Momente. Von dem was uns
an Mangold's Werk weniger zusagte, heben wir vorzugsweise her-
vor, dass in Nr. 20, „Wikingerbalk" betittelt, für Chor und Soli,
der in punktirtem Rhythmus gehaltene und an und für sich nicht
sonderlich interessante Gesang mit Refrain sich offenbar zu oft wie-
derholt und dadurch zu unerquicklicher Länge ausgesponnen wird.
Ferneres wäre das Tiiukiied mit Chor, Nr. 20, wie man uns sagte,
einer norddeutschen Volksweise nachgebildet, besser weggeblieben,
denn es bedurfte wirklich die anregende Frische des darauffolgen-
den Frühlingschors, um- den tristen Eindruck jener geradezu lang-
weiligen Nummer zu paralysireu. Soviel in Kürze über ein Werk,
welches seinem Urheber unzweifelhaft zur Ehre gereicht, und wenn
dieser sich zu deu nöthigen Kürzungen und Auslassungen verstehen
will, au allgemeinem Interesse noch bedeutend gewinnen wird. Das
ganze Musikivst hat, wenn es auch im Allgemeinen nicht ganz auf
der Höhe seiner Vorgänger steht, dennoch recht schöne und erhe-
bende Momente geboten und obgleich die mit Insceuirung und
Durchführung desselben Betrauten mit Recht mancher Vorwurf tref-
fen mag, so darf doch an ihrem guten Willen nicht gezweifelt wer-
den und gerade die hier begangenen Fehler könneu den kunstsin-
nigen Veranstaltern folgender Feste zur Lehre dienen im InteresSe
des Instituts der Mittel* heiu. Mutikfeste selbst. Jedenfalls dörfte
eine Kritik des in Rede stehenden Festes, wie wir sie in der „Zu-
kunft" gelesen haben, und welche mehr persönlicher Gehässigkeit,
als wirklichem Kunsteifer entsprungen scheint und in einem wo*l
niemals zu billigendem Tone geschrieben ist, von unbefangenen
Festtheilnehmeru in keiner Weise gebilligt werden könneu. E. F.
- 167 —
CORRESPONDENZEN.
Aus Cüln,
October 1868.
Nachdem uns nun auch die letzten Schwalben verlassen und die
trüben Herbsttage sich eingefunden, rüsten sich Theater, Concerte
und Bälle, um den heimgekehrten Städtern die langen Winterabende
durch Kunstgenüsse aller Art in geschlossenen, prachtvoll decorirten
Bäumen verkürzen zu helfen und für die Beize der heurigen wun-
dervolIengSommer-Villegiatur zu entschädigen.
Das hiesige Stadttheater, unter der Leitung seines tüchtigen
Directors Ernst, hat seine Abonnement - Vorstellungen begonnen«
Die uns bis jetzt vorgeführten Opern und Schauspiele haben das
zahlreich sich wieder eingefundene Publikum befriedigt, und lassen
die Leistungen des engagirten Personals für den bevorstehenden
Winter manchen schönen Kunstgenuss erwarten. Der hiesige Ge-
xneinderath hat endlich nach langen Debatten den Wegfall der hier
noch nach altfranzösischem Gesetze zu erhebenden Armen-Abgaben
für öffentliche Lustbarkeiten beschlossen und ist hierdurch den Büh-
nen und Coucert - Gesellschaften eine wesentliche Erleichterung zu
'Theil geworden. Dieser freisinnige Beschluss der Väter unserer
Stadt ist allseitig freudig begrüsst worden, zumal es bei bewandten
Umständen immerhin ein Bäthsel geblieben ist, wie die Directionen
•solcher Kunstinstitute bei den zu zahleuden enormen Kosten und
alles Maass übersteigenden Gagen für Sängerinnen, Sänger und re-
nommirte Gäste, ohne bedeutende Subvention noch haben existiren
köunen. Hoffen wir, dass bei dem in gleichem Schritte sich ent-
wickelnden Luxus unserer Zeit die Theater uud Concerte durch desto
grössere Betheiligung eines genusssüchtigen Publikums dennoch ihre
Rechnung finden werden Der Tenorist Herr Theodor Wachtel
gastirt gegen wärt ig hier mit grossem Erfolg.
Im Thalia-Theater, unter Leitung des Directors Julius Witt,
reihen sich Lustspiele, Operetten, Schwanke und Burlesken in bun-
ter Reihe an einander; das lachlustige Publikum erfreut sich an den
komischen Humoresken und zollt dem darstellenden Personale rei-
chen Beifall.
Herr Capellmeister Ferd. H i 1 1 e r, welcher gleich nach dem
Bonner Universitäts-Jubiläum, wo ihm der Ehrentitel eines Dr. Phi-
losophiae zu Theil geworden, ernstlich erkrankt war, hat sich wieder
erholt und ist, vollständig wieder genesen, aus einer stärkenden See-
bad-Cur zurückgekehrt. Derselbe kündigt durch die hiesige Cou-
cert- Gesellschaft für den kommenden Winter wiederum 10 Abonne-
ment - Concerte an, welche unter so bewährter Leitung bei den
hiesigen vorzüglichen Kräften eines tüchtigen Orchesters und treff-
lichen Chores und den vorhandenen Mitteln zur Vorführung nam-
hafter Künstler und Solisten auch in diesem Winter ihre alte An-
ziehungskraft aasüben werden.
Der „Cölner Männer - Gesangverein," unter der bewährten Lei-
tung des fcönigl. Musikdirektors Herrn Franz Weber, hat in Ver-
bindung mit dem Orchester der „Philharmonischen Gesellschaft
•ebenfalls wieder drei musikalische Abendunterhaltungen im Ger-
trudenhofe arrangrrt, deien gesellig heiterer Ton neben einem ge-
diegenen Concert-Programme im vorigen Jahre so grosse Theilnahme
gefunden und welche auch zuversichtlich in diesem Winter wieder-
um eine Fülle des Schönen bieten werden, so dass eine zahlreiche
Betheiligung des Publikums zu erwarten steht«
In dem ersten Concerte wird Herr Concertmeister Otto van
Koenigslöw das Violiuconcect von Spohr und einige Salonstücke
«um Vortrag bringen.
Die von dem „Cölner Männer - Gesangverein" und der »Phil-
harmonischen Ge# ellschaft" gemeinsam arrangirten Familien • Feste
sind in kurzer Zeit sehr beliebt geworden und finden bei einem
grossen Tbeile des Publikums freudige Theilnahme, weil dieselben,
neben dem Ernste der classischen Kunstproduction, auch dem gesel-
ligen Vergnügen durch veranstaltete gemeinschaftliche Souper's, den
herrschenden hvitern Humor, eingelegte Liedervorträge und komische
Scenen Rechnung tragen and den Zuhörern manchen schönen Ge-
nuas bereiten.
Ausser diesen bereits angekündigten Kunstgenüssen werden auch
•och die* thtatrrösch-kamiachen Darstellungen der Gesellschaft „Fi-
äelio," sowie eine Reihe von Künstler - Concerte n, öffentliche Vor-
lesungen, zu wohlthätigen Zwecken veranstaltete Kc»i.vitäteu, -Baue,
Carnevals - Coraite's, sowie sonstige Belustigungen aller Art dafür
Sorge tragen, dem Publikum die langen Winterabende auf das An-
genehmste ausfüllen zu helfen.
Auf die einzelnen hervorragenden Erscheinungen im Gebiete
der Kunst werde ich mir erlauben s. Z. zurückzukommen und werde
ich nicht verfehlen, die Leistungen der betreffenden Künstler und
Kunstiustitute einer nähern Besprechung zu unterziehen.
Aus M ti n c li e n.
i. October 1S68.
Es ist bezeichnend, dass in der jetzigen Zeit jede bedeutendere
Novität in der Musikiiteratur die Freunde der Musik in zwei Lager
sondert, von denen das eine das neue Stück bis in den Himmel
erhebt, das andere es mit Koth bewirft. Aehnlich ging es auch
jüngst wieder mit dem „Ersten Glückstag" von Auber. Es wur-
den Stimmen laut, welche die Oper als den Preis aller französi-
schen Musik erklärten und sie als das Ideal einer komischen Oper
hinstellten, während die Gegner von der Nüchternheit der Erfin-
dung, von der Kraftlosigkeit der Gestaltung, von der Inhaltslosig-
keit der ganzen Oper declamirten. Wie in der Regel das der Fall
ist, findet der unbefangene Musikfreund, dass auch hier die goldeue
Mittelstrasse der rechte Weg sei. Die Novität besitzt keineswegs
die Frische und den Melodienreichthum wie „Teufel's Antheil," sie
ist arm an phantastisch sich erhebenden, noblen Melodien, ja es
finden sich Stellen, die entschieden an Offen bach und seine
Demimondemusik gemahnen; der Humor in dieser komischen Oper
gewinnt keinen rechten Ausdruck-* kommt nicht zur Erscheinung
und wo einmal ein lustiger Ton angeschlagen werden will, hören
wir keine Verwandschaft mit dem „Schwarzen Domino," sondern
eher mit der „Herzogin von Gerolstein." In dieser Beziehung haben
wir vorzüglich das Lied Helenen's im 2. Acte — „Susanne, last
ein Wörtchen dir sagen" — im Auge. Aber Auber bleibt nicht
in diesen Schichten musikalischer Gemeinheit haften, denn schon
bringt uns der nächste Augenblick eine Harmonisirung, eine Modu-
lotion, welche uns des Componisten hohe musikalische Begabung
beweist, welche uns von der Genialität des Leichtsinns erzählt,
nachdem sie uns kurz vorher von dem Leichtsinn des Genies eine
Probe gegeben hat. Von einem eigentlichen dramatischen Leben
ist keine Spur: die vorgeführten Nummern entbehren zuweilen so-
gar eines eigentlichen Characters, und mit Verwnuderung hörten
wir, dass Auber, der iu „Gott und Bajadere" den Localtou doch
in so vorzüglicher Weise zu treffen verstand, im „Ersten Glückstag*
fast gänzlich darauf verzichtet hat, das Publikum an das Land zu
mahnen, in welchem die Handlung vorgeht. Nur die Dijelma singt
im 2. Act eine Romanze: „Horch! durch die Schatten tönt ver-
lockender Schall," welche durch ihr eigentümliches Colorit inter-
essant und durch die Schöuheit ihrer Melodie entzückt, fm Uebri-
gen jedoch lässt sich über diese Seite der Musik nicht viel Rühm-
liches sagen.
Der Componist aber, der studiren will, wie der Effect zuwege
gebracht wird, kann vom „Ersten Glückstag" viel lernen; wir
möchten uns jedoch gleich von vornherein verwahren, als laden
wir hierzu eiu. Denn die hier vorgeführten Effecte beruhen in
der Regel nicht auf künstlerischen Principien sondern blos auf der
langjährigen Erfahrung, welche dem Componisten des Glückstags
die Art und Weise gelehrt hat, wie man das Publikum zum Applaus
herauskitzelt. Da finden sich grosse, langweilige, inhaltslose For-
men,, die nicht erwärmen, nicht gefallen können. Aber um den
Sängern doch einen Beifall zu schaffen, hängt Auber der Melodie
lange Coda's an, welche wie Stimmraketen steigen und fallen, sprü-
hen und glänzen und schliesslich das Publikum ganz darauf ver-
gessen lassen, dass es vorher gelang weilt worden. Stürmischer
Applaus erhebt sich und der Componist verzeichnet wieder eine«
Triumph mehr. Eigentümlicher Weise finden wir aber wieder —
es ist das im 3. Acte — eine Nummer (18.-Stanzen) , welche unge-
mein stimmungsvoll ist und sich den besten Nummern der Oper
anreiht und dadurch auffällt, dass sie keinen Abschluss findet. Sonst
zu viel Scbluss — hier gar keiner: in mcdio virtus.
- 168 —
Die grösste Genialität entwickelt der Componist in der musi-
kalischen Illustration lyrischer Situationen. Die Nocturne im 3.
Act ist eine wahre Perle französischer Musik und hier gibt Anber
mit voller Hand Probe seiner grossartigen, ausdauernden und nach-
baltigen Begabung. Helene (Sopran) und Dijelma (Alt), zwei Mäd-
chen verliebt in den Colonel Gaston, der in einigen Stunden er-
schossen werden soll, weinen darüber, dass der junge Tag bald
heraufkommen werde, welcher den Geliebten dem Tode überliefert
und flehen die Nacht an, sie möchte ihnen den Gefallen erweisen,
diesen selben jungen Tag in ihren Armen zurückzuhalten. Gedämpft
begleitet vom Streichquartett klingen die beiden Stimmen in so
reizender Führung, in so wunderbar schöner Klangfarbe, dass wir
schon dieser Stimmen wegen der Oper ein langes Leben im Reper-
toire der deutschen Bühnen wünschen. Es ist ungemein interessant,
wie Anber die zweite Stimme gehen lässt, wie er die Terz ver-
meidet und immer wieder Mittel uud Ausweg findet, ihr auszuwei-
chen; die beiden Stimmen treten ganz in den Character und das
Verhältniss zu einander, wie das Violoncell zur Violine. Und neben
dieser nur für das aufmerksamere Ohr zugänglichen Thatsache tritt
die tiefpoetische, bezauberndschöne Stimmung so wirkungsvoll her-
vor, dass der Athem des Zuhörers leiser weht, aus Furcht, dieselbe
zu stören. Zweimal wurde bis jetzt die Oper bei uns aufgeführt
und jedesmal musste diese Nummer da capo gesungen werden.
(Schluss folgt.)
I¥ a c H r I c li t e u.
CftSStl. Zum Geburtstag der Königin wurde im k. Hoftheater
die hier seit einer Reihe von Jahren nicht mehr gehörte Oper »Die
Entführung aus dem Serail" von Mozart gegeben und fand eine
so freudige, enthusiastische Aufnahme, dass dieselbe wohl nicht
leicht mehr vom Repertoire verschwinden dürfte. An dem schönen
Erfolge hat die Aufführung selbst, welche eine wirklich vortreffliche
war, gewiss nicht den geringsten Antheil gehabt, denn die Besetzung
war eine in allen Theilen vortreffliche. Hr. Müller (Belmonte),
Hr. Lindemann (Osmin), Hr. Form es (Pedrillo) und Fräuiejn
Winkler (Blonde) führten ihre betreffenden Partien in einer Weise
durch, welche das Auditorium zu vielfäll tigern und lebhaftem Beifall
hinriss und auch vor einer strengeren Kritik mit allen Ehren be-
stehen konnte. Die glänzendste Leistung unter allen war aber die der
Tr> Sol tans, welcher die Partie der Constanze in Bezug auf Stimme,
Gefühlsinnigkeit und technische Gewandtheit ganz besonders zusagt
und den besten Rollen dieser ausgezeichneten Künstlerin sich voll-
kommen ebenbürtig anreiht. Die Oper war Oberhaupt vortrefflich
einstudirt und ging wie am Schnürchen. Zum Schluss dieser kur-
zen Notiz noch die Nachricht, dass Hr. Hofcapellmeister Reiss
von seinem Unfälle bereits so weit hergestellt ist, dass er am 6.
d. M. die Direction der Oper wieder selbst übernehmen konnte.
Man gab die „Jüdin," und als Hr. Reiss an dem mit Blumen und
Kränzen geschmückten Dirigenten pulte erschien, wurde er von dem
äusserst zahlreichen Publikum mit lautem Jubel begrüsst. Da Hr.
Reiss den rechten Arm noch in der Binde trägt, so muss er mit
der linken Hand dirigiren, was indessen seiner gewohnten Energie
nnd Sicherheit keinen Abbruch thut. Die Oper ging sehr präcis
von statten. Die Träger der Hauptrollen, die Damen Frau Lisse
(Recha) nnd Frl. Meissner (Eudopia) sowie die HH. Zottmayr
(Eleazar), Müller (Leopold) und Lindemann (Cardinal) entledig-
ten sich ihrer Aufgaben in befriedigendster Weise und Chor und
Orchester lieferten ein vortreffliches Ensemble.
Gttln. Die diesjährigen Abonnementsconcerte im Gttrzenichsaale
werden unter der Leitung des städtischen Capellmeisters Ferd.
H i 1 1 e r am 20. October beginnen.
Leipzig. Das e r 8 t e diesjährige Gewandhausconcert
brachte: Ouvertüre zu „Anacreon" von Cherubini; Yiolinconcert
von Max Bruch und Concertstück für die Violine, Op. 20 von
Camille Saint-Saens, vorgetragen von Herrn Conceitmetster
David. Recitativ und Arie: „Die stille Nacht entweicht" aus
der Oper „Faust" von S p o h r und Recitativ und Arie : „Er geht,
er hört nicht mehr" ans der Oper „Sylvana" von CM. v. Weber,
gesungen von Frau Peschka-Leutner und endlich die Sinfonie
in A-dur von Beethoven.
München. Dr. Ludwig Nohl wird im Anschluss an seine-
letzten Vorlesungen am 19. Octbr. im chemischen Hörsaale einen
Cyclus von 6 Vorlesungen über Richard Wagner eröffnen. —
Capellmeister Gungl, der während des Sommers mit seiner Capelle-
in Genf grossen und verdienten Beifall errang, ist nun hieher zu-
rückgekehrt und hat seine beliebten Concerte bereits wieder be-
gonnen. Am 18. Oct. werden die „Meistersinger" wieder gegeben*
Coburg. Am 27. Sept. wurde im hiesigen Hoftheater die Oper
„Mignon" von A. Thomas, deren Text nach Göthe's „Wilhelm
Meister" herzlich schwach bearbeitet ist, zum zweiten Mal in Deutsch-
land überhaupt aufgeführt; die erste Aufführung fand bekanntlich
in Weimar und die allererste ausserhalb Frankreichs in Prag
statt. Die sehr ansprechende Musik errang der Oper trotz der
Mängel des Textes einen glänzenden Erfolg.
Berlin. Man geht hier mit der Absicht um, ein neues Opern-
haus zu bauen. Hr. v. Hülsen, der die Einrichtungen des neuen
Operutheaters in Wien gesehen, soll es namentlich sein, der auf
die Verwirklichung dieser Absicht dringt.
Wien. Hofoperndirector H. Esser ist wegen Ueberhäufung mit
Geschäften in seiner Stellung am Hofoperntheater aus der Direction
der „Gesellschaft der Musikfreunde" ausgetreten und an seine Stell»
Dr. Heinrich von Kreissie, der Biograph Schubert's, in den Vor-
stand gewählt worden.
Paris. Am Sonntag den 28. October findet im Cirque Napo-
leon das erste populäre Concert für classiscbe Musik unter der Lei-
tung des Unternehmers Hrn. Pasdeloup mit folgendem Programm
statt: Ouvertüre zu „Ruy Blas" von Mendelssohn; Sinfouie in
A-dur von Beeth oven; Andante und Menuett von H a y d n j
Bruchstücke aus „Die Meistersinger von Nürnberg" von R. Wag-
ner, (Entreact zum 3. Act, Walzer, Marsch und Einzug der Mei-
stersinger.)
*** Das V. Mecklenburgische Musikfest fand vom 20. bis 22.
September in Schwerin statt unter Mitwirkung der Damen Frau
Harriers-Wippern aus Berlin, Frau Joachim aus Hannover»
der HH. Schild (Tenor) aus Dresden, Hill aus Schwerin und
Krause aus Berlin, sowie des Hrn. Joachim für Violinsolo.
Der Chor bestand aus 247 Stimmen, das Orchester aus 77 Instru-
mentalisten, Dirigent war Hr. Hofcapellmeister A. »S c h m i 1 1 in
Schwerin. Man gab am ersten Tage: „Israel in Egypten" von
Händel; am zweiten Tage : Ouvertüre und Scene aus „Iphigenie
in Aulia" von Gluck; Sinfonie in A-dur von Beethoven;
Kyrie % Sancfus, Benedictus und Gloria aus der Missa solennis
von Beethoven. Am dritten Tage spielte Joachim das Violin-
concert von Beethoven und „Sarabande" von Seb. Bach;
Frau Joachim sang eine Cantate von Marcello uad „An die Leier"
von Schubert; Frau Harriers-Wippern die Brief-Arie aus „Don
Juan" nnd ein Lied „Der Vogel im Walde" von T a u b e r t ; Hr.
Schild trug eine Arie aus „Paulus," „Dein Angesicht" von Schu-
mann und „Die böse Farbe" von Schubert vor und Hr. Hill
sang eine Arie aus „Lazarus" von Schubert und „Gut 1 Nacht,
fahr* wohl" von Kücken
*** Frl. B a 1 b o, erste Solotänzerin in Wiesbaden, hat in
Mannheim als Helene im „Robert der Teufel" ausserordentlichen
Beifall erhalten.
*** Im letzten Lob-Concert in Sondershausen kamen Schü-
manns Manfred-Ouvertüre, Einleitung zu „Loreley" von M. Bruch,
A-moll-Sinfonie von Mendelssohn, Ouvertüre zu „Otto der Schütz"
von Rudorff, Concertstück für 4 Hörner von Schumann und Ouver-
türe zur „Zauberflöte" zur Aufführung.
*,* Den ältesten Organisten hat wohl jetzt die Allerheiligen-
Kirche in Hertford. Es ist dies Mr. Charles Bridge man, der
neulich seinen 90. Geburtstag feierte, aber trotzdem noch mit Rüstig-
keit und Eifer seines Amtes wartet.
*** Glinka's „Russlan und Lndmilla" ist kürzlich in Moskau
in sehr glänzender Ausstattung und mit eben so glänzendem Erfolge-
wieder aufgeführt worden.
*** Der Orchesterverein in Fran kfurt a. M. hat den abge-
tretenen Dirigenten, Concertraeister Max Woi ff, zum Ehrenmitglied
ernannt und an seine Stelle den Tonkünstler Carl d'E ster zum
Dirigenten gewählt. ' ■>
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz*
17. Jahrgang.
Jt* d&.
26. October 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG.
« Diese Zeitung erscheint jeden ,
j MONTAG. |
{ Man abonnirt bei allen Post- j
ämtern, Musik- & Buchhand- 1
lungen.
V@H ig
von
B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co.
PREIS:
;fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
i für den Jahrgang.
\ Durch die Post bezogen:
< 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
^-v -- ~- — — — — -~ — •. — - - -v4
INHALT: Franz Xavier Schnyder von Wartensee. — Corresp.: Müuchen. Stuttgart. Paris. — Nachrichten.
Franz Xavier Schnyder von Wartensee.*)
(Nekrolo g.)
Am 27. August, Morgens 7 l /s Uhr, riss der Tod diese Säule
um. Ja, eine Säule war Schnyder von Wartensee, die ein
halbes Jahrhundert hindurch den Stürmen des Lebens getrotzt, dem
Anpralle falscher und verderbter Kunst kräftig Widerstand geleistet
hat. Und gerade als grossen Theoretiker und vielseitigen Compo-
nisten wollen wir ihn in diesen Blättern , die schon manche Kunst-
notiz von ihm gebracht, zu zeichnen versuchen, indem wir die ver-
ehrten Leser, welche eine eingehendere Characteristik seines reichen
Lebens kennen zu lernen wünschen, auf den ausgezeichneten Ne-
krolog, den die „Didaskalia" iu Nr. 246 u. ff. von diesem bedeu-
lendeu Manne gebracht hat, verweisen. Einige Lineamente werden
jedoch auch hier am Platze sein.
Franz Xavier Jose p~h Peter Schnyder, von einem
alten Luzernischen Patriciergeschlecbte aus Sursee abstammend, das
von dem am Sempacher-See gelegenen Scbloss das Prädicat »von
Warteusee" anzunehmen berechtigt war, wurde in Luzern am 18ten
April 1786 geboren. Jn seinem neunten Jabre lernte er nach dem
Willen seines Vaters, der „etwas Musik treiben zu können" zur
guten Erziehung rechnete, Violiue spielen ; erst später erlaubte ihm
der Vater, der das Pianoforte ein „Weiberinstrument" uaunte und
eines Maunes unwürdig erklärte, Ciavier spielen zu lernen. Im
Coutrabass, Violoncello und in der Clariuette war Schnyder sein
eigener Lehrer; auch componirte er schon frühzeitig ohne alle An-
leitung und bekundete dadurch sein entschiedenes Talent für Musik.
Im Jahre 1810 kam er zu Vater N ä g e 1 i nach Zürich und ein
Jahr später nach Wieu, wo er mit Beethoven, Hummel,
Kreutzer uiid auderen Coriphäeu damaliger Zeit zusammentraf.
In Baden bei Wien, wohin er sich im Jahre 1812 begab , um dort
uugestört arbeiten zu können und zugleich die herrliche Natur zu
geniessen, wurde er durch den furchtbaren Brand , der das ganze
Städtchen und auch seine Wohnung in Schutt legte, bestimmt, in
die Schweiz zurückzukehren, wo er sich dann am 1. August 1814
mit Fräulein von Hartenstein verheirathete. Das glückliche Paar
lebte nun, sich selbst überlassen, auf dem alten Schlosse Warten-
see, aber durch widrige Umstände gezwungen, musste er diese Be-
sitzung verlassen. Er trat im Jahre 1816 als Lehrer bei Pesta-
lozzi ein; der Streit des letzteren mit Niederer, au dessen
Mädcheninstitute Schnyder auch als Lehrer beschäftigt war, bestimmte
auch ihn* wie die übrigen besser gesinnten Lehrer, das Iustitut in
Ifferten zu verlassen. Er wandte sich im Herbste 1817 nach Frank-
furt a. M., wo ihm erst ein rechtes Kunstleben im freundschaft-
lichen Umgange mit Spohr, Guhr, Schelble, Meudelssohn
und andern hervorragenden Tonkünstlern erwuchs. Von dieser Zeit
an datiren seine meisten und grösseren Compositiontn, die wir spä-
ter zusammenstellen werden.
*) Auszug aus der „Euterpe.'
Den grössten Theil des Tages widmete Schnyder übrigens dem
Unterrichte im Gesang, Ciavierspiel und in der Theorie. Da er
stets haushälterisch mit der Zeit war, so blieb ihm ausserdem noch
Müsse zu mancherlei wissenschaftlichen Beschäftigungen, zu Spazier-
gängen, für gesellige Unterhaltung, Theater- und Coucertbesuch.
Im Jahre 1827 starb seiue liebe Frau, und es scheint, dass ihn die
dadurch entstandene Einsamkeit veranlasst hat, Ausflüge in's Rhein-
gau, nach der Schweiz, sowie selbst grössere Reisen, wie nach Prag,
Holland, Italien und England zu unternehmen, die ihn stets mit be-
rühmten Gelehrten und Künstlern iu Berührung brachten. In diesem
Jahre gründete Schnyder auch unter Mitwirkung tüchtiger Künstler
eine „Gesang-BildungS'Anstalt" und im Jahre 1831 mit Friedrich
Fr ö bei eine Erziehungs-Anstalt auf seinem Schlösschen Warten-
see. Schnyder kehrte wieder nach Frankfurt zurück und lebte, wie
schon angedeutet, der Kunst und Wissenschaft. Da er besonders
den Gesangvereinen eine grosse Aufmerksamkeit schenkte, so konnte
es nicht fehlen, dass Schnyder bald zu diesem, bald zu jenem Sänger-
feste eingeladen wurde, wo er dann entweder als Präsident, wie bei
dem grossen Sängerfeste in Frankfurt im Jahre 1838, oder als Preis-
richter, wie bei den Sängerfesten in der Schweiz, fungiren musste.
Im Jahre 1844 nahm Schnyder wieder seinen längeren Aufenthalt
in seinem schön gelegeneu Neuwartensee in der Nähe Luzerns, und
verheirathete sich im Jahre 1847 mit Fräulein Josephine Jahn
aus St. Gallen, einer ausgezeichneten Pianistin, die er in Zürich kennen
gelernt hatte. Das Jahr 1849 führte Ihn wiederholt nach Frankfurt
zurück, wo er von da an bis zu seinem Tode lebte ; die zwei
letzten Lebensjahre war er durch Altersschwäche an das Bett
gefesselt. Seine Gattin pflegte ihn in diesem liülflosen Zustande
mit ausdauernder Hingebung. Aber selbst jetzt noch nahm der
rührige Greis lebhaft Antheil an allem, was Kunst, Wissenschaft
und Politik betraf. An das Bett liess sich der hinfällige Altmeister
die Partituren der Classiker bringen; und so genoss er, während
ein bedeutendes Werk im Theater oder in einem hiesigen Vereine
zur Aufführung kam, beim Durchlesen im Geiste das, was unsere
Ohren entzückte. Immer mehr kehrten sich seine äusseren Sinne
von der Aussenwelt ab; immer mehr trat die Sehnsucht nach dem
ewigen Leben in sein He'z. Schreiber dieses Nekrologes besuchte
seinen alten Meister und Freund fast jeden Mittwoch Nachmittag,
und als ich (der geehrte Leser gestatte mir, nur in der Einzahl zn
schreiben) Anfang Juli vor dem Antritte einer Erholungsreise in die
Schweiz, ihm noch einen Besuch abstattete , drückte er mir zum
letzteu Male recht herzlich die Hand und gab mir noch freundliche
Grüsse mit. Zurückgekehrt von der Reise, war einer meiner ersten
Ausgänge zu meinem ehrwürdigen Lehrer; ich fand ihn sehr ver"
ändert und sanft schlafend ; — er war für mich schon gestorben ;
denn kein liebevolles Wort, kein freundlicher Blick wie sonst, wurde
mir mehr zu Theil. Sein Geist schien sich in allerletzter Zeit
einzig allein mit dem Ewigen zu beschäftigen. „Koramt denn bald
die Ewigkeit? — Wie schön wird es im Himmel sein!** — das
waren seine letzteu Worte. Und der Herr erhörte sein Gebet und
stillte seine Sehnsucht. Zahlreiche Leidtragende, Deputationen der
- 170 -
Vereine, Freunde und Verehrer geleiteten seine Leiche zu Grabe,
wo sein Wirken in begeisterten Reden anerkannt wurde.
So ruht nun die irdische Hülle des Meisters im Grabe, seine
Seele in Gott; sein Geist aber lebt fort in seinen Tonschöpfungen
und in seinen Schälern. Und nach diesen beiden Seiten wollen
wir nun seine Thätigkeit etwas näher beleuchten.
Seine Compositionen zählen zwar nicht nach Hunderten;
aber dafür sind sie meist originell, immer klar, melodisch und dabei
ron seltener Correctheit. „Als Musiker" , schreibt von ihm das
„Universal- Lexikon der Tonkunst von Dr. F. S. Gassner", möchten
wir ihn unbedingt in die Reihe unserer ersten Contrapuuctisten stellen,
der aber nicht einseitig an der todten Formel klebt, sondern auch
hier in reinster Begeisterung für alles Erhabene und Schöne sich
hoch emporschwingt über jeden Materialismus, und den Ton, auch
in seinen wunderbarsten Combinationen, nie entrückt seiner eigent-
lichen Natur als stumm - beredte Sprache der Seele. In diesem
Sinne sind alle seine Compositionen abgefasst ; frisch gesungen die
Lieder aus tiefem Gemüth , und der Chor der Instrumente innig
belebt von einem klaren Geiste, der, schlicht und einfach, wie
Scbnyder selbst, aber auch stets rege und neu, immer tief innig zum
Herzen redet, wo nur der Sinn für die Kunst sich über alltäglichen
Flitter hinaus zu ihm zu erheben vermag."
Uüd so ist es auch; vom einfachsten, volkstümlichen Liede
an bis zum grossen polyphonen Chore ist sein Schaffen das des
ächten, tiefdenkenden Künsters. Leider ist ein vollständiges Ver-
zeichniss seiner Compositionen nicht vorhanden , und wir können
hier nur die hervorragendsten erwähnen, die auch seine treue Gattin
verzeich uet und chronologisch geordnet hat. Im Jahre 1820 er-
schienen Compositionen zu Uhland's Liedern, 1822 die C-dur-Sonate,
und in demselben Jahre wurde seine A-dur-Siufonie im Museum zu
Frankfuit a. M. mit grossem Beifalle aufgeführt; 1825 vollendete
Scbnyder die Oper „Estella", eine Sonate für Ciavier und Violine
und ein Rondo brillant; 1827 erschienen die wandervollen Com-
positionen zu Novalis geistlichen Liedern, zum Besten der Griechen.
E. Hentschel sagt in der „Euterpe", 17. Jahrgang, S. 6 in dem
Artikel: „Alphabete über Gesaogleben und Gesanglehre" unter X —
Xavier Scbnyder v. W. : „Wer kennt nicht seine schönen Compositio-
nen geistlicher Lieder von Novalis für eine SingsUmme mit Piano-
forte! Möchten sie in jeder Pfarrer- und Lehrerfamilie gesungen
werden! — In demselben Jahre wurde auch seine Sinfonie in C-moll
im Museum zu Frankfurt a. M. aufgeführt und wurde die Märchen-
Oper „Fortunat" fertig. 1829 enstand die „zarteste und reinste
Perle seiner Göthe'schen Musikdichtungen", Wandere rsNachtlied.
Im Jahre 1838 componirte Schnyder für das Sängerfest in Frank-
furt a. M. das Oratorium »Zeit und Ewigkeit". Die Frankfurter
Jahrbücher, 12. Bd Nr. 7, fällen über diese Tonschöpfung folgendes
Urtheil: „Gerade so wie dieser Mann ist seine Compositum Gross,
markig, gemüthlich, freundlich, offen und Jedem zugänlich. Eiue
Ueberraschung folgt der andern, Schlag auf Schlag lässt er dem
Herzen zur Ader, das Blut der Freude strömt fluthend hervor, und
nur in den Solis hat man Pausen, um ihm einen Verband anzulegen.
Kaum aber ertönen die Chöre wieder, so springt auch dieser wieder
ab, und Herzenslust schwimmt in einem Meere von Entzückungen.
Wie Blitze durch den Donner schlägt die Instrumentation durch die
Chöre und wetterleuchtet beständig. Hier bedarf es keiner Vor-
bereitung. Ohr, Auge, Herz, Kopf, Hände und Beine, alles ist in
Bewegung, und die Chore lassen sich mit den Händen greifen." —
Eine seiner letzteren bedeuteten Compositionen ist die Operette
„Heimweh und Heimkehr." Ausser diesen erwähuten Werken er-
schienen noch manche Edelsteine in Sammlungen , Almanachen und
Zeitschriften, viele sind noch ungedruckt , aber wohl werth , durch
den Druck verbreitet zu werden. (Schluss folgt.)
COBBESPONDENZEN.
Aus M ü ii © li e ii.
(Schluss.)
Einen weiteren iu der Waagschale der Kritik schwer wiegen-
den Vorzug bildet die Novität in ihrer Instrumentirung uud in dem
Beichthum interessanter musikalischer Combinationen. Hier lässt
der Franzose wieder io. vollen Strahlen sein Licht glänzen und da
gibt es wohl nur ganz wenige Stellen, welche einen Tadel recht-
fertigten. Im Gegentheile findet sich eine grosse Menge interessan-
ter Hsrmonisirungen und die Instrumentation ist durchgehende ele-
gant und graziös. Und darin unterscheidet sich Auber immer wieder
aufs Entschiedenste von Offenbach, wenn er mit ihm auch hie und
da Hand in Hand eine Strecke Weges zu waudeln liebt.
Die Oper hat drei Acte ; der erste ist jedenfalls der schwächste,
der inhaltsloseste und fiele hier der Vorhang für immer — die No-
vität würde ohne Sang und Klang begraben. Die Chöre, die wir
treffen, sind uubedeutend, eine Menge musikalischer Gemeinplätze
tritt uns in den eingestreuten Melodien entgegen und nur die vor-
erwähnten, überall auftauchenden Vorzüge bleiben lebendig.
Bedeutend interessanter ist der zweite Act. Schon gleich das
Vorspiel ist ein liebliches, graziös einherschreitendes Musikstück,
au dem wir unsere Freude haben. Bald darauf hören wir die schon
gerühmte Nummer 9, Lied der Dijelma, das sich durch seinen Cha*
racter und seine reizende Melodie in gleicher Weise auszeichnet.
Eine der beste u Nummern der Oper, wir möchten behaupten, die
einzige, welche den Titel „komische Oper" rechtfertigt, ist das
Terzett (Nr. 12), in welchem Gaston, der Pechvogel, sich über sein
plötzliches ungewohntes Glück verwundert, während er doch schon
zum Tod durch Erschiessen verurtheilt ist. Das darauffolgende
Finale verletzt uns durch seinen ausgesprochenen Mazurkarhythmus,
der durch den Mangel an graziöser Tournnre unserer Sänger noch
offenbarer und unangenehmer wird.
Der dritte Act beginnt mit der oben erwähnten Nocturne. Die
Oper hat nichts mehr, was sich dieser Nummer ebenbürtig an die
Seite stellen könnte. Das Duett zwischen Gaston und Helene ist
ziemlich dürftig, wird aber vom grossen Publikum schliesslich doch
applaudirt, da es durch die Coda in seinem Urtheil dupirt wird.
Das Schlussfinale endlich zeichnet sich wieder durch mehrere schöne
Details aus, welche einen wohlthuenden Eindruck gestalten und der
Oper verdienten Beifall gewinnen.
Aus dem Gesagten ersehen Sie, dass die Novität keine epoche-
machende ist, aber in unserer an Productivität so überaus armen
Zeit doch mit Freuden auf der Bühne begrüsst werden muss: sie
ist die spätgereifte und darum doppeltinteressante Frucht eines an
Lebenskraft noch überraschend reichen, an Schöpfungskraft ge-
schwächten aber nicht schwachen musikalischen Spätsommers und
da diese Musik immer an der Seite der Grazie einherschreitet, sei
sie uns willkommen!
Die Direction des neuen Werkes war dem Benjamin unter den
deutschen Capellmeistern, Hrn. Richter, anvertraut: er löste seiue
Aufgabe mit ausserordentlichem Glück und Geschick und er bewies
bei dieser Gelegenheit, dass die Protection Bülow's , durch die er
in so jungen Jahren schon zum kg!. Musikdirector ernannt wurde,
keinem Uuwürdigen geschenkt ist.
Unter den Mitwirkenden errang sich Frl. Stehle (Helene) die
Palme des Abends. Sie verstand es, die Lücken in der Charcater-
zeichnuug, die sich der Dichter zu Schulden kommen Hess, zu ver-
decken und die Schauspielerin wie die Sängerin wurde mit gleichen
Ehren überhäuft. — Auch Frl. Ritter, deren schöne Altstimme
mit ihrem elegischen Zauber ganz wie für die Partie der Dijelma
geschaffen ist, fand häufig Gelegenheit, den Wohllaut ihres Alts zu
verwerthen und ins beste Licht zu setzen. Hr. N a c h b a u e r ist
uns nicht das Musterbild für einen singenden französischen Cava»
lier : die Leichtigkeit des Benehmens ist gesucht uud unecht und
nicht fein genug. Doch mussteu wir vorlieb nehmen, denn wo diese
gegeben ist, fehlt wahrscheinlich die schone Stimme, welche Herr
Nachbauer producirt. — Die Ausstattung war so reich uud ge-
schmackvoll, dass sie anderswo kaum wiederum in gleicher Vor-
züglichkeit aufgewiesen werden kann.
Aus Stuttgart«
Anfangs October.
T. Um eiu gewissenhaftes Bild unserer bisherigen Musikfreu-
den zu liefern , muss ich diesmal in Cannstadt anfangen , wo die
als tüchtige Violinistin geschätzte Therese Liebe ein Concert
gab- Unter den von ihr gespielten Sachen machte eine neue Danse
espagnole von Alard die meiste Wirkung; die junge Künstlerin,
- 171
Schülerin Leonard'«» zu Pari«, zeigte darin eine erstaunliche Kraft
des Bogeng und Sicherheit im Passageuspiel; wir hoffen ihr auch
liier im Concertsaale zu begegnen. Frl. Neher, eine jugendliche,
bereits in Würzburg engagirte Sängerin, trug einige Lieder mit
Geschmack vor; Hr. Liebe pere hatte sämmtliches Accompagnement
übernommen.
Dahier erklangen als Präludium für die kommende Saison die
glänzenden Productionen der sogen. Johannisberger Capelle unter
Langenbach's Leitung, welche in der Liederhalle mehrere äusserst
zahlreich besuchte Concerte gab. Das Repertoir war zwar nicht be-
sonders reichhaltig und abwechselnd, enthielt aber viele interessante
und wirksame Piecen, freilich auch manche, deren Mache nicht
gerade^ einen geschulten Tonsetzer verrieth.
Die Hauptforce legt, wie so viele andere, auch diese Gesell-
schaft in den scharf pointirten , mit allerlei Rubatos aufgeputzten
Vortrag von Wiener Walzern, wobei freilich oft viele Theile ihren
ursprünglichen, durch das eigentliche Ländlertempo bedingten Cha-
racter in gemeinem Dahinjagen, das beim Concertvortrag von derlei
Tanzmusik leider überall eingerissen ist, völlig einbüssen. Dass bei
ernsten, classischen Werken die rechte Pietät zu vermissen war,
liegt unstreitig, wie wir schon anlässlich der Bilse'schen Concerte
erwähnten, in der Einförmigkeit des Repertoirs, dessen Parade-
stücke den Musikern durch die oftmalige Wiederholung so sehr in
den Fingern sitzen, dass ihr Geist daran kein Interesse mehr nimmt;
aber zur Seele der Hörer wird immer nur das aus der Seele Kom-
mende sprechen.
Die Abende des Conservatoriums wurden eröffnet durch
die vortrefflichen Vorträge zweier früheren Schülerinnen , der Pia-
nistin Wilhelmiue Marstran d, von dereu tüchtigen Leistungen
die Concertsäle fast aller bedeutenden Städte Deutschlands zu er-
zählen wissen, und der Concertsängerin Anua Steffau, welche
über eine wohlgescbulte, umfangreiche Sopranstimme, eine sehr sau-
bere Technik und sympathische Vortragsweise verfügt, und dazu
mit soliden Kenntnissen und Erfahrungen in Theorie, Methodik und
Literatur ausgerüstet ist, dass sie ihren neuen Wirkungskreis in
Weimar mit bester Zuversicht antreten darf.
Das alljährliche Kirchenconcert des Conservatoriums, welches
als Prüfung für das in den Frühjahrsprüfungen nicht vertretene Fach
des Orgelspiels dient, brachte heuer neben den obligaten Orgel-
sätzen von Bach, Hesse und Mendelssohn auch eine
hübsche von C. Eichhorn componirte und selbst vorgetragene
Sonate, dann V i 1 1 o r i a's Motette „duo Seraphimf' das Engelterzett
aus „Elias," ein Duett von Marcello, zwei Arien von Händel
und einige geistliche Lieder, worunter Fr. Schubert's „Himmels-
funken." Die schon oben erwähnte Pianistin Frl. W. Marstrand
gab ein sehr hübsches Concert im Museum, worin sie mit den HH.
Wehrle und Krumbholz das grosse Beetho ven'sche B-dur-
Trio, dann W e b e r's D-moll-Sonate, F i e 1 d's A-dur-Notturno, den
S c b üb e rt' sehen As -dur- Walzer in Liszt's Bearbeitung und
Chopin's G-moll-Ballade spielte und durch geistreiche Auffassung
wie schönen Ton und correcte Technik den herzlichsten Beifall
errang. Auch zu sonstiger Mitwirkung hatte die Concertgeberiu
die besten Kräfte gewonnen : unser neuer Tenor ' Herr Braun
sang Lieder von Schubert, Brandes, Curschmann und
Marschner zwar mit vielen persönlichen Licenzen, aber mit
warmem und effectreichem Ton; Frau Mar low verschwendete
ihre Kräfte an werthlosere Objecte, worin sie bewies, dass vortreff-
liche Aufführung auch Derartiges zu retten vermag. Frau Wen-
zel, unsere herrliche Tragödin, deren einzige Schwäche in einer zu
harten Aussprache der weichen Consonanteu b, d, g und besonders
s liegt, sprach Schiller's „Hero und Leander" und noch ein zwei-
tes ergreifendes Gedicht mit nachhaltigster Wirkung. — Das erste
Abonnemeutsconcert brachte Lindpaintner's immer noch packende
Faustouvertüre, die Introduction aus Spontini's „Cortez," der
eich hier mit Sontheim und Bertram trefflich besetzen Hesse,
das Mendelssohn'sche Violinconcert , von Singer mit gewohn-
ter Meisterschaft vorgetragen, zwei Lieder, von Schubert („Halde-
rösleiu") und von Mendelssohn (»Das erste Veilchen"), womit
Frl. Klettner vielen Beifall erzielte. Die zweite Abtbeilung füllte
-die neunte Sinfonie : die Chöre waren durch Mitglieder des
Vereins für classische Kirchenmusik verstärkt; besonders loben
«lochten wir die von A b e r t genommenen massigen Tempi, wodurch
manches sonst stets weniger Verstandene diesmal zu besserer Klar-
heit und Geltung kam.
Aus Paris.
lt Octtker.
Trotz der Kriegsbefiirchtungen , trotz der allgemeinen Kla-
gen über den darniederliegenden Handel, werden unsere Theater
lebhafter als jemals besucht. Es scheint fast, dass man sich aus
lauter Verzweiflung amüsiren will. Die grosse Oper macht mit
„Hamlet" noch immer sehr gute Geschäfte. Der alte Fätis, der
seit vierzehn Tagen hier weilt, um die Veröffentlichung des ersten
Bandes seiner allgemeinen Geschichte der Musik vorzubereiten, hat
vorige Woche einer Vorstellung der obengenannten Oper beigewohnt
und seinen Beifall dem Compositeur aufs wärmste ausgedrückt. —
Da Madame Sa ss damit umgeht, der französischen Oper den Rücken
zu kehren und sich ausschliesslich dem italienischen Gesang zu
widmen, so muste*h die Proben der „Armide* von Gluck einst"
weilen eingestellt werden. Scheidet die Sass wirklich, so wird die
für sie bestimmte Titelrolle des Gluck'schen Werkes einer anderen
Sängerin anvertraut werden. — Was die „Hugenotten" betrifft, so
kommen sie künftigen Monat und zwar, wie ich Ihnen bereits ge-
meldet, mit einer prächtigeu Mise en Scene zur Aufführung.
Die Opera comique wird nächstens wieder „Mignon" aufs
Repertoire bringen. Auch sollen in diesem Theater noch vor Ab-
lauf dieses Jahres zwei neue Werke vom Stapel laufen, eine Oper
von Jacques Offenbach — die dritte, mit der er dort sein Glück
versuchen will — und eine andere von P o i s e.
Gestern hat im Cirque Napole'on der Cyclus der Pasde-
loup' sehen populären Concerte begonnen. Auf dem Programm
figurirten einige Fragmente aus Richard Wag ne r's „Meistersingern."
Nachrichten.
Essen. Eine in unserem Musikleben Epoche machende That
war die am 11. October im städtischen Garten vortreffliche Auffüh-
rung des Oratoriums „Elias" von F. Mendelssohn- Bar tholdy
durch unsern „Musikalischen Verein" unter der Leitung des Herrn
Musikdirectors Helfer. Man hatte Alles aufgeboten, um diese
Aufführung zu einer des herrlichen Werkes würdigen zu gestalten ;
Chöre und Orchester waren trefflich eingeübt und für die Solopar-
tien waren die Damen Frl. Dane mann aus .Elberfeld (Sopran),
Frl. Girzik aus Wien, eine Schülerin Stockhausen's (Alt) und die
HH. A. R u f f aus Mainz (Tenor) und Julius Stockhausen
(Bass) aus Hamburg gewonnen worden. Ueber Stockhausen's
Elias noch etwas sagen zu wollen, das hiesse Eulen nach Athen
tragen. Seine Leistung war eine durch und durch vollendete und
ward mit enthusiastischem Beifall belohnt. Aber auch Herr Ruff,
am Niederrhein und in Westphalen kein unbekannter, sondern ein
Btets herzlich willkommener Gast, führte die Tenorparthie in allen
Eitizeluheiten so glücklich durch und brachte seine schöne Stimme
und vortreffliche Schule so glänzend zur Geltung, dass er schon bei
seinem ersten Auftreten mit Applaus empfangen, durch wiederhol-
ten btürmischen Beifall und mehrmaligen Hervorruf ausgezeichnet
wurde. Noch mehr als dies mag ihn vielleicht die ihm von dem
Meistersänger Stockhausen in ehrenvollster Weise ausgesprochene
Anerkennung seiner schönen Leistung erfreut habeu. Frl. Daue-
rn a n n führte ihren Part in recht anerkennenswertber Weise durch
und fand wohlverdienten lebhaften Beifall, sowie auch die wunder-
schöne und echt künstlerische Durchbildung des Frl. Girzik sich
der vollsten Anerkennung zu erfreuen hatte. Auch die Altistin Frl.
Zernial aus Cöln, eine Schülerin des vortrefflichen Gesanglehrers
Koch (der bekanntlich auch Ruffs Lehrer war), muss lobend er-
wähnt werden, da sie zu der schönen Wirkung der Solo-Ensembles
wesentlich beitrug. Chor und Orchester waren, wie schon erwähnt,
vortrefflich eingeübt und es klappte Alles, so dass es eine wahre
Freude war. Der Zudrang der Zuhörer war eiu so bedeutender,
dass der über 2000 Personen fassende Raum sie kaum alle zu fassen
vermochte und nach beendigtem Concert vereinigte sich eine grosse
Anzahl von Mitwirkenden und Kunstfreunden zu einer äusserst gs~
- 172 —
nussreichen Abendunterhaltung im Hotel Sauer. Der musikalische
Verein bat mit dieser Aufführung eine glänzende Probe seiner Lei-
stungsfähigkeit abgelegt.
Stuttgart, 6. Octbr. In den Wiuterconcerten der hiesigen Hof*
capelle wird eines von den Oratorien Michael Costa's zur Auf-
führung kommen. Costa, vou Geburt ein Neapolitaner und aus dem
Conaervatorium seiner Vaterstadt hervorgegangen, ist Capellmeister
4er Königin Victoria von England, und leitet seit einer Reihe von
Jahren neben der grossen italienischen Oper von Coventgarden die
jährlichen geistlichen Concerte in Exeter-Hall und das berühmte
Händel-Fest im Krystallpalast. Sein „Eli," zum ersten- und wieder-
holtenmal bei Musikfesten in Birmingham aufgeführt, verbindet den
'Wohllaut italienischer Kunstanlage mit einem tiefen Studium der
grossen deutschen Meister, vor allen Händeis. Der englische Text
ist neuestens von geübter Hand ins Deutsche übertragen worden. Man
hofft, dass der jetzt auf der Insel Ischia verweilende Compositeur selbst
hierherkommen und die Leitung seines Werks übernehmen werde.
Auch hat der Verein für classische Kirchenmusik seine Mitwirkung
zugesagt. Die „ Sarred Harmony Society" iu London hat mit
freundlicher Bereitwilligkeit ihre zahlreichen Chor- und Orchester-
Stimmen zur Verfügung gestellt, und bereits haben „Standard" und
andere englische Blätter ihr Publicum von der Verpflanzung des Ton-
werks auf deutschen Boden in Kenutniss gesetzt. (A. A. Z.)
Stettin. Mit dem 1. October hat Hr. Carl Kunze, der sich,
eeit einem Jahre hier als Musiklehrer etablirte, seine musikalische
Ausbildung am Leipziger Conservatorium unter M. Hauptmann
Moscheies und Rein ecke vollendet hat und bisher in Curland
und russisch Polen als Musiklehrer und Dirigent thätig war unter
Mitwirkung anderer ausgezeichneter Künstler, von denen wir vor-
zugsweise die HH. Flügl, Dr. Krause und Capellmeister Koss-
maly hervorheben, ein Conservatorium für Musik eröffnet,
bei welchem Unternehmen derselbe von den königlichen und städti-
schen Behörden in der wohlwollendsten Weise unterstützt wurde.
Der Unterrichtsplan der jungen Anstalt enthält Clavierspiel in drei
Klassen, Solo* und Chorgesang, Declamationi Violin- uud Cellospiel,
Solospiel mit Begleitung und Ensembleübung, Theorie der Musik
und Composition, Intrumentatiooslehre , endlich Vorlesungen über
„Geschichte der Musik". Das Honorar für den Gesammtunterricht
wie für einzelne Zweige deselben ist ausserordentlich billig gestellt,
so dass auch minder bemittelten, talentvollen Schülern die Mög-
lichkeit ihrer künstlerischen Ausbildung geboten ist. Die Eröffnung
der Anstalt fand in Gegenwart der Behörden in feierlicher Weise
statt und zählt bereits 100 Zöglinge. Möge dieselbe gedeihen im
Interesse der Kunst überhaupt uud zur Hebung der allgemeinen
musikalischen Bildung in unserer Stadt insbesondere!
PftriS. Die Einnahmen sämmtlicher Theater, Concerte und son-
stigen öffentlichen Productionen und Schaustellungen in Paris be-
trugen im Monat September d. J. die Summe von 1,055,829 Frcs.
— Die Eröffnung des Theatre lyrique findet nun bestimmt
am 26. Oct. mit Halevy's „Thal von Andorra* unter der persön-
lichen Direction des Hrn. Pasdeloup statt.
— Hr. Fätis pere befindet sich im Augenblick in Paris, um
mit seinen Verlegern, den Gebrüdern D i d o t das Nöthige für das
Erscheinen des ersten Bandes seiner Histoire ge'nerale de la Mu-
sique zu verabreden, deren 2. Band sich bereits unter der Presse
befindet
— Hr. v. F 1 o t o w befindet sich seit Kurzem hier und wird
den Winter in Paris zubringen um seine neue Oper K VOmbre tt zu
welcher ihm Saint-Gorges den Text geliefert hat, zu vollen-
den. Sie soll im December d. J. in der komischen Oper zur Auf»
führung kommen.
— In der italienischen Oper wird nächster Tage eine
neue Oper Ja Contessina 11 von Fürst Poniatowskv zur Auf-
führung kommen.
— Im Varietes- Tb eater macht O ff e nb ach 's neueste
Oper „la Pe'richole* ausserordentliches Glück und füllt das Haus
bei jeder Wiederholung.
*** Der als Concertsänger rühmlichst bekannte grossh. meklen-
burgische Kammersänger Karl Hill hat nun auch sein Glück
auf der Bühne versucht, indem er an dem Schweriner Hoftheater
als Jacob in Mebül's „Josef in Egypten" mit grossem Beifall
auftrat.
*„* Die erste Aufführung der Oper „Mignon" von Thomas-
hat in Hannover sehr wenig Glück gemacht.
%* Aus Anlass ihrer Leistungen bei dem jüngst stattgefundenen
Musifest in S ch w e r i u hat der Grossherzog die Damen J o a ch i m
und Harriers-Wippern mit kostbaren Armbändern , Hrn..
Joachim mit der goldenen Verdienstmedaille und den Dirigenten,.
Hrn. Hofcapellm. Alois Schmitt mit einem werthvollen Brillant-
ringe ausgezeichnet.
*** A. Lang er t, der Componist der Opern „Des Sänger*
Fluch" und „Die Fabier u ist als Capellmeister in Trier engagirt
worden.
*** Im Wiener Opernhause hat man ein altes Ballet von
Taglioni »Die festigen Musketiere" neu einstudirt und mit
grossem Beifall aufgeführt. Vorzugsweise glänzte darin die Solo-
tänzerin Frl. Judith David.
*** Das Theater in Treviso, ein geräumiges uud elegant
eingerichtetes Gebäude, ist am 1. October abgebrannt. Es sollt*
in einigen Tagen für die Herbstsaison eröffuet werden und die
Proben hatten bereits begonuen.
*** Hrn. Hofcapellmeister Nesvadba in Darmstadt ist
vom Kaiser von Russland der Stanislaus-Orden 3. Ciasse verliehen
worden.
*#* Die für den 18. October angekündigte Wiederaufnahme der
„Meistersinger" von E. Wagoer am Hoftheater in München
scheint auf Hiudernisye gestossen zu sein, da an dem genannten
Tage die „Jüdin 44 von Halevy aufgeführt wurde.
*** Der Componist und Musikkritiker Leon Kreutzer ist in
Vichy bei Paris im Alter von 51 Jahren gestorben, dessgleichen
in Paris selbst der Gesanglehrer und musikalische Schriftsteller
Stephan de la Madelei ue, 67 Jahre alt.
*** Experimente über die Tragweite des Schalles iu aufstei-
gender Richtung haben dargethan, dass man den Pfiff einer Loco-
motive auf 3000 Metres, das Bellen eines Hundes auf 1800 M., den
Trommelschlag auf 1400, den menschlichen Gesang auf 100 und die
Sprache auf 500 Metres vernimmt, während die letztere in umge-
kehrter Richtung, nämlich von der Höhe herab, uur auf 100 Metres
Entfernung verständlich ist.
*»* Das Pariser Journal „L'drt musical" berichtet: „Der
erste Glückstag" von A u b e r ist in München mit Jubel auf-
genommen worden. Seit laug»r Zeit hatte man dort keine so rei-
zende Musik, kein so interessantes Gedicht applaudirt. Hans
vou B ü 1 o w sollte die Aufführung dieser bedeutenden Nuvität
dirigireu, aber er war durch andere Geschäfte abgebalten und so
kam es, dass einer der enragirtesten Wagnerianer, Hans Richter,
die Proben und die Aufführung leitete. Sicherlich wird er gefun-
den haben, dass zwischen Waguer's und Auber's Musik ein
kleiner Unterschied besteht. Wagner's Musik, das ist das N i ch t s ^
Auber's Musik, das ist das Licht!!!
*** Joachim, der von Hannover nach Berlin übergesiedelt
ist, hat von seinen Freunden und Verehrern in Hannover einen
werthvollen silbernen Tafelaufsatz, die Harmonie, nach Thorwald-
sens bekannter Gruppe ausgeführt, darstellend, als Andenken er-
halten.
*** In N o r w e g e n ist der dort und in Schweden sehr be-
liebte Liedercomponist K j e r u 1 f gestorben.
*** Der Director des „Mozarteum" in Salzburg, Dr. Otto-
Bach, bat für die beginnende Saison auch die Leitung der Oper
und Operette übernommen.
*** In Stockholm ist ein neues Theater von den Unterneh-
mern HH. Josephson und Ahlgrenson eröffnet worden, wel-
ches mit italienischer Oper und französischer komischer Oper der
königl. Bühne Concurrenz machen wird.
\* Der Kaiser von Oesterreich hat aus Anlass des 25jährigen
Jubiläums des „Wiener Männergesangvereins" dem Vorsteher diese».
Vereins, Hrn. Nicolaus D u m b a, das Ritterkreuz des Franz-Joseph-
Ordens verliehen.
\* Im Theater Carignano in Turin werden einstudirt „Zam-
pa, u fc Dinorah" und „Don Juan u
**• Seit Anfang October erscheint in Stuttgart eine neuft-
musikalische Zeitschrift „Der Freischütz."
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz ^
17. Jahrgang.
Jf* dd.
2. November 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
5 Diese Zeitung erscheint jeden s
; MONTAG.
< Man abonnirt bei allen Post-
< '.
\ ämtern, Musik- & Buchhand-
{ lungen. :
<? ?
^■v— - — * — -v-fe
V • r I • g
t
von
B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
PREIS:
fl.2.42kr. od. Th.l.l8Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
t 1
«*• j
INHALT: Das Kunstpedal. — Franz Xavier Schnyder von Wartensee. — Corresp.: Mainz. — Nachrichten.
Das Kunst pedal.
Unter diesem Titel tritt dermalen eine Erscheinung auf, welche
auf dem Gebiete der Ciaviermusik eine besondere Bedeutung zu
gewinnen verspricht. „Kunstpedal a ist die neue Ciaviereinrichtung
wohl darum genannt, weil sie der Kunst in ganz anderer Weise,
als das bisherige, höchst primitive Clavierpedal dient, und herrliche
Dinge ermöglicht, an welche bisher auch nicht im Entferntesten
gedacht werden konnte. Der Erfinder, Herr Eduard Zachariä,
welcher eben die ersten Schritte thut, um seine wohlüberdachte und
nach allen Seiten bis ins Einzelne ausgearbeitete Sache zur öffent-
lichen Kenntniss zu bringen, hatte vor Kurzem hier in Mainz, im
Saale des Kunstvereins, einen nach seinem neuen System eingerich-
teten Flügel aufgestellt, und erläuterte dabei durch mündlichen und
musikalischen Vortrag die Wirkungen seines Werkes. Unter den
Zuhörern befand sich wohl Niemand, der nicht begriffen hätte, dass
hier nicht nur ganz Neues und Eigentümliches geboten", sondern
auch, sowohl für den Vortrag der bereits vorhandenen Musikwerke
als auch für die weitere Composition ein grosses , fruchtbares Feld
aufgethan ist.
Denken wir uns unter dem „Kunstpedsl" einen complicirten
Mechanismus, welcher keinen anderen Zweck hat, als die in acht
Theile zerlegte Dämpfung so zu regieren, dass der Pianist in der
That mit allen diesen einzelnen Theilen „spielen," das heisst
dieselben einzeln, miteinander und nacheinander auf das Genaueste
in Bewegung setzen kann. Die Dämpfung, welche bisher ein
festes Ganze war, ist hier gewissermassen flüssig geworden,
und geht wie in Wellenbewegungen bei dem raschen Spiele auf und
ab. Die beiden Füsse, welche auf einem ihre Stellung genau
aufliegenden Trittbrett stehen, theilen sich in die Regierung von
nur vier Pedaltritten, welche letztere eigenthümlich geformt und so
gestellt sind, dass jeder Fuss sowohl einen Pedaltritt für sich allein)
als auch zwei solcher Tritte wie- ein Ganzes fassen und führen
kann. Dabei ist das höchst Eigenthümliche, dass diese Pedaltritte
ebensowohl mit der Fussspitze gehoben, als auch niedergedrückt
werden können, und dass jede Bewegung des Trittes nach oben
wie nach unten wieder in mehrere Abstufungen (Stationen)
zerfällt; — - eine Einrichtung, durch welche eine ganz ausserordent-
liche Mannigfaltigkeit in Bezug auf die Behandlung der einzelnen
Dämpfergruppen erzielt wird, so dass man wohl sagen darf: der
geschickte Spieler kann jetzt mit der Dämpfung alles machen, was
er nur will. Dabei ist nach der zweckmässigen Einrichtung auch
bei den verwickeisten Passagen die Bewegung der Füsse eine so
ruhige und sanfte, dass der Zuschauer kaum darauf aufmerksam
wird. Einen grossen Vortheil bietet die neue Einrichtung auch da-
durch, dass sie dem noch nicht darauf eingeübten Spieler gestattet,
ganz in der alten Weise das Pedal zu gebrauchen und die Dämpfung
als ein festes Ganze zu regieren, so dass also das mit dem Kunst-
pedal versehene Instrument durchaus nicht für diejenigen Spieler
unzugänglich gemacht ist, welche das neue Werk noch nicht ken-
nen. Ebenso günstig ge* taltot 8ich die 8achft * ucl1 dadurch » daas
das Kunstpedalwerk au jedem fertigen Ciavierinstrument ohne
die geringste Beeinträchtigung angebracht werden kann: ein Um-
stand, welcher von der höchsten Wichtigkeit für die Verbreitung
der Sache ist.
Was nun die vortrefflichen Wirkungen des Kunstpedalspiels
betrifft, so ist hier mit Worten wenig, mit Tönen aber unedlich viel
zu sagen. Der Erfinder hat es auf drei Hauptpunkte 'abgesehen.
Vor allem ermöglicht er eine vollständige freie Beherrschung aller
Töne und Tonreihen, und somit eine tadellose Reinheit der
musikalischen Ausführung. Alle bei dem bisherigen (auch bei dem
besten) Spiel hervortretenden schweren Missstände in Bezug" auf
das Fortklingen oder das Verlorengehen der Töne sind hier-
mit gänzlich beseitigt. Der Pianist ist ein Dirigent geworden, wel-
cher gebietet, und nicht mehr, wie bisher, dem äusserst dürftigen
Mechanismus unterthanseinmuss. n
Da von den acht Theilen, in welche die Dämpfung, getheilt ist«
der eine die tiefste Tonlage bis zum grossen E, der andere die
zweigestrichene Octave und was darüber hinaus noch mit Dämpfern
versehen ist, umfasst, so bleiben für die mittleren Tonlagen lauter
kleine Gruppen von je fünf Dämpfern, wodurch die grösste Beweg-
lichkeit grade in dieser Region möglich gemacht ist. Der denkende
Musiker wird sofort einsehen, welche unendlichen Vortheile für den
Vortrag durch diese freie Herrschaft geboten sind.
Ein weiterer Zweck des Kunstpedals ist die Verstärkung und
Veredlung der mittleren und oberen Tonlagen des Instruments durch
Beihilfe der tieferen. Der Erfinder stützt sich hierbei auf das aku-
stische Gesetz der mitklingenden Saiten und benutzt dieses in einer
solchen ausgedehnten Weise, dass er hiermit die herrlichsten Effecte
erzielt. Hier gilt es vor allem zu hören, um sich zu überzeugen,
welcher neue Zauber auf diesem Wege dem Instrumente abgewon-
nen wird.
Sagen wir endlich noch, das das Kunstpedal auch ganz neun
und eigenthümliche Klangfarben des Instrumentes zur
Geltung bringt, so dass man an orchestrale Effecte erinnert und
unwillkürlich darauf hingewiesen wird, der musikalischen Phantasie
den weitesten Spielraum zu gestatten. Dabei kann zugleich eine
Klangfülle entwickelt werden, welche bisher in keiner Weise zu
erreichen war.
Mögen diese Andeutungen einstweilen dazu dienen, die Auf-
merksamkeit des musikalischen Publikums auf eine Sache zu len-
ken, die, wenn sie einmal da ist, ganz unwilkürlich zu dem Ausruf
drängt: Warum ist das nicht schon längst dagewesen, und wie hat
man bei der hohen Ausbildung der Ciavierspielkunst etwas Derar-
tiges so lange entbehren können ? !
Der Erfinder wird seiner Sache, wohin er kommt, selbst weitere
Bahn brechen, und allerwärts die Ueberzeugung erwecken, dass
durch das Kunst pedal ein ganz aussergewöbnlicher Fortschritt
für die Kunst gewonnen sei.
- 174
Franz Xavier Schnyder von Wartensee.
(SchluSS.)
Wäre der hingeschiedene Meister nun durch diese seine Werke
nicht gross und unsterblich au nennen, so ist er es unzweifelhaft
als Lehrer in der Theorie der Musik; denn eine bedeutende
Anzahl tüchtiger Künstler verdankt ihm Wissen und Können, und
verpflanzen es im Geiste ihres Meisters fort. Klar, wie seine Com-
positionen, war auch sein Unterricht ; er war ein entschiedener Feind
vom Halbwissen und ruhete daher auch nicht, bis der Schüler in
seinem Wissen ebenfalls vollkoraen sicher und klar war. Er besass
eine ungewöhnliche Gewandtheit, die schwierigste Sache anschaulich
und begreiflich zu machen.
Im Gesangunterrichte schloss er sich seinem Lehrer
und Freund Hans Georg Nägel i an, jedoch ohne sich streng
an dessen Methode zu halten. In diesem, wie bei jedem andern
Unterrichte in der Musik arbeitete Schnyder auf dieS e lbständig-
keit des Schülers hin. So sagt er in einem „Plane einer neu zu
errichtenden Gesang-Bildungs'- Anstalt" selbst: „Das Ziel aller musi-
kalischen Entwicklung in technischer Beziehung ist möglichste Selbst-
Ständigkeit. Das Streben eines Lehrers sei, sich seinen Schülern
entbehrlich zu machen, und je mehr ihm das beim Einzelnen ge-
lingt, um so entbehrlicher wird er dem Publikum. Diese musi-
kalische Selbständigkeit ist beim Singen, wo sie am nothwendigsten
ist, gerade am schwersten zu geben und zu erhalten, und liegt
ausser dem Kreise des gewöhnlichen Privat-Gesang-Unterrichts , wo
man nur auf die Entwickelung der Kehle hinarbeitet, und so die
betrübte Erscheinung alltäglich wird, dass solche , die mit grosser
Virtuosität Bravoursachen vortragen können , nicht im Staude sind,
ein einfaches Liedchen vom Blatte zu singen. Wie traurig ist es.
wenn man sich an einem Toustücke erfreuen möchte, aber die
Noten bleiben todt auf dem Papiere, und man muss vorher im
langweiligen Kampfe mit der eigenen Unbehülflichkeit langsam die
Composition einstudiren , und hat man sie in seiner Gewalt , so
kat sie schon den grössten Beiz verloren , wie ein zu Tode gejagter
Schmetterling seine Farbenpracht ! u —
In der Harmonielehre legte er Abbe Voglers System
zu Grunde, es weiter akustisch begründeud und vervollkommnend.
Was sich nicht aus den Gesetzen der Akustik erklären Iiess , hatte
für ihn keinen Werth, keinen Bestand. Gern acceptirte er desshalb
Vogler's Ausspruch: „So viel ist gewiss, dass alle Modificationen
der Musik ihren Grund in der Natur haben ; dass nichts Willkür-
liches im Tonreiche sich vorfinde , und dass alle Schönheiten der
Musik sich bestimmen, sich erklären lassen. 8 Auf etwa 20 Duodez-
Notenblättchen , die er in einer Art Brieftasche bei sich trug , sind
seine hauptsächlichsten harmonischen Uebungen verzeichnet. Diese
schätzenswerthe Reliquie schenkte mir der verehrte Altmeister noch
bei Lebzeiten nebst andern theoretischen Werken seiner reichen
Bibliothek.
Man hält Schnyder für einen der grössten Contrapunctisten
seiner Zeit , und dies mit Grund. Wie oft kamen Musiker mit
vielem Talente zu ihm, um bei ihm in zweifelhaften Fällen sich
Bath und Belehrung- zu holen ! Und gewiss gingen sie nicht un-
befriedigt von dannen. Wie viele Werke, Preisaufgaben etc. wurden
ihm zur Durchsicht und Würdigung zugesandt! Dass Schnyder
also gerade auf diesem Gebiete, nämlich in der Lehre des Contra-
punctes und der strengen Formen, ein ausgezeichneter Lehrer
gewesen sein muss, lässt sich aus dem Gesagten leicht erklären.
Nicht weniger gross, ja noch bedeutender erscheint er uns als Meister
auf dem Gebiete der freien Formen. „In der Lehre der strengen
Formen", sagte er einmal zu mir, „ist man klar, und haben tüchtige
Meister, wie Albrechtsberger, Marpurg und Fux einen
guten Grund gelegt, auf dem man weiter bauen kann; allein in
der Lehre der freien Instrumentalformen ist man zur Zeit noch sehr
unklar, und bedarf es noch sehr einer Sicherstellung der ihnen zu
Grunde liegenden Gesetze." Und ich betrachte es als ein grosses
Glück, dass der Verblichene gerade in dieser Disciplin mein Lehrer
gewesen ist. Das bei C. Merseburger in Leipzig im Jahre
1862 erschiene Werkchen : „Formenlehre der Instrumentalmusik,"
nach dem Systeme Schnyder's von Wartensee zum Gebrauche für
Lehrer und Schüler ausgearbeitet von Benedict Widmann, ist die
Frucht jener Studien, von denen ich in dem Vorworte sagen konnte:
„Was mir nun diesen Unterricht ganz intereressant und werthvoll
machte, das ist jener positive Gehalt, jene Bestimmtheit und Sicher-
heit, mit welchem letzteren der wohlberathene Meister sein System
am liebsten an den schwierigsten Tonstücken unserer musikalischen
Classiker zu erproben Gelegenheit nahm. Je mehr ich mich in
der Folge mit diesem Systeme vertraut machte, desto mehr lernte
ich dessen Werth uud Vorzüge schätzen." Zur nicht geringen
Freude des alten Meisters erschienen bald von allen Seiten aner-
kennende Becensionen. Es sei uns gestattet , nur aus einer der-
selben Einiges zu erwähnen. L. B i s ch o ff schrieb darüber in der
von ihm redigirten „Niederrheinischea Musik-Zeitung", X. Jahrgang
Nr. 37 unter der Ueberschrift : „Das Wesen und die Notwendig-
keit der musikalischen Form :" Wir haben nicht nur unsere bekann-
ten Ansichten über dieses Thema von Neuem auseinander zu
setzen, sondern die erfreuliche Beaction zu bekunden, welche sich
in den neuesten Schriften gegen die Verächter der Form offenbart."
Nun folgt der Titel. — „Der noch immer körperlich und geistig
rüstige sechsundsiebenzigjährige Veteran unter den deutschen Musik-
gelehrten, Xavier Schnyder v. W. in Frankfurt a. M. der in jeder
Hinsicht tief durchgebildete Mann der Kunst und Wissenschaft,
vorzugsweise aber einer der bedeutendsten Contrapunctisten und
Theoretiker, zu welchem seit Jahrzehuten eine Menge von Jüngern
der Tonkunst wanderte» um seinen gründlichen, anregenden und für
das Edle in der Musik begeisternden Unterricht zu geniessen, hat,
trotz seiner Gewandtheit im Schreiben, niemals die Grundsätze seiner
Lehrweise in einem besonderen Werke veröffentlicht. B, Widmann
in Frankfurt a. M. hat nun mit Bewilligung und Unterstützung
Schnyder's, dessen Unterricht er vor zwei Jahren genoss, es unter-
nommen, die Lehre von den Formen der Instrumentalmusik, als
einen Theil der Compositionslehre nach Schnyder's System, zu be-
arbeiten, und so ist das vorliegende Buch entstanden, das L. Etk,
königlichem Musikdirector und Seminarlehrer in Berlin, gewidmet ist.
Unserer Meinung nach hat er damit keineswegs eine überflüssige
Arbeit unternommen, denn obschon in den vorhandenen Compositions-
Theorien tüchtiger Musiker die Formenlehre eine Stelle einnimmt,
so müssen wir doch gestehen , dass wir das Wesentliche derselben
noch nirgends in so einfacher und leichtfasslicher Klarheit dargelegt
gelesen haben, und da heutzutage eine ganze Partei von Musikern
vorhanden ist, welche den Fortschritt in der Vernachlässigung der
Form suchen, so ist es sehr zu wünschen, dass dieses Buch, welches
ganz speciell dem Unterricht in den Kunstformen .der reinen Musik
gewidmet ist, in recht viele Hände angehender Musiker komme."
In beiden soeben betrachteten Thätigkeiten , im Selbst seh äf-
fen, wie im Lehren, knüpfte der geniale Meister an die Natur
und an göttliche Ideale an. Becht schön spricht er dies in einem
binterlassenen Manuscripte aus, wenn er sagt : »Ich bin weit entfernt
zu glauben, dass sich alles im Leben in mathematische Formeln bringen
lasse. Ich kenne die wunderbare Stimme des unbekannten Jenseits,
die mit süssen Ahnungen unser Herz erfüllet, und welche nur anzu-
deuten schon die Sprache zur Poesie wird; ich kenne die Strahlen
der geheimnissvollen Morgenröthe einer ewigen Ursonne, die uns
nur dann aufgeht, wenn wir in dem Hügel, der sie uns noch ver-
birgt, einsinken ; ich weiss, wie nur in der Kunst diese Stimmen
tönen, diese Strahlen glühen; allein ich weiss auch, dass die Kunst-
wissenschaft die Gesetze dieser Menschwerdung nachweisen kann
und soll. Das Ewige der Kunst,die Idee, kann sich uns uur durch
Vermählung mit dem Zeitlichen, Irdischen offenbaren, und dieses ge-
schieht psychisch durch die notwendigen Formen der Anschauung
etc. (in der Musik Rhythmus), und physisch durch die Bedingung
der sinnlichen Wahrnehmung (Ton)."
Deine Hülle ist nun, grosser Meister, in den Hügel eingesenkt;
mögen Dir nun die Strahlen der ewigen Ursonne leuchten !
Frankfurt a. M. im September 1868. B. W i d m a n n.
CORRESPONDENZEN.
Aus Mainz.
Am 23. October fand im Stadttheater ein grosses Concert zum
Besten des Orchester-Pension-Fonds unter der Leitung des Hrn.
- 176
Capellmeister und Liedertafeldirigenten Fr. Lax und gefälliger
Mitwirkung des Herrn Fray vom Stadttbeater und der hiesigen
Männergesangvereine mit folgendem Programm statt: Ouvertüre
an den „Abenceragen" von Cherubini; (Arie aus „Fidelio" fiel aus
wegen Unpäßlichkeit der Frau Bertram-Mayer); „Sturmesmythe"
Ton N. Lenau für Männerchor und Orchester componirt von Franz
Lachner ; „Ave Maria" von Fr. Schubert, für Orchester bearbeitet
von Fr. Lux; „Triumphgesang auf Alexander den Grossen" für
Männerchor mit Harmoniebegleitung von Hermann Zopff; Arie für
Bariton aus „Hans Heiling" von Marschner, gesungen von Hrn.
Fray; zwei Männerchöre: „Ruhe in der Geliebten" von Lux und
„Wie haV ich sie geliebt" von Möhring ; Ouvertüre zu „Euryanthe"
von Weber. Was die beiden Ouvertüren betrifft , so waren die*
selben mit Sorgfalt einstudirt, wurden mit aller wünschenswer-
then Präzision und Feinheit executirt und verfehlten auch beide
nicht, wenn auch in ganz verschiedener Weise, das Publikum zum
lebhaftesten Beifall hinzureissen. Die beiden Männerchöre mit
Instrumentalbegleitung büssten viel von ihrem Effect ein durch die
uczweckmässige Aufstellung des Sängerchors und Orchesters, indem
das letztere durch den ersteren völlig gedeckt und unterdrückt wurde.
Einer viel unbeschränkteren Wirkung hatten sich die beiden Chöre
ohne Begleitung zu erfreuen, wenn auch die Detailausführung durch
die gemischten Kräfte nicht immer tadellos war. Ueber die äusserst
effectvolle orchestrale Bearbeitung des „Ave Maria" von Lux haben
wir schon früher einmal Gelegenheit gehabt, uns mit gebührender
Anerkennung auszusprechen. Soweit war von Seiten der Concert-
geber im Ganzen genommen Alles recht hübsch und gut und es
fehlte nichts als eine zahlreiche Betheiligung des Publikums, damit
auch der pecuniäre Zweck des Concertes in gehoffter Weise erfüllt
worden wäre. Allein das Mainzer Publikum hat, wie wir schon
öfter zu bemerken uns die Freiheit nahmen, seine gar absonderlichen
Schrullen. So denkt es denn auch nicht daran, dass es eigentlich
eine Art von Verpflichtung habe, den Orchestermitgliedern, die, ohne
weitere Sicherung ihrer Existenz, während der Theatersaison im
Dienste des jeweiligen , sehr häufig wechselnden Directors und zur
Unterhaltung gedachten Publikums, ihre ganze Kraft und Zeit dem
beschwerlichen Theaterdienste widmen, auch bei seinen Bestrebun-
gen sich für die Zeiten der Dienstunfähigkeit einen Unterstützungs-
fonds zu gründen behülflich zu sein, und so kam es denn auch,
dass das Haus schmählich leer und die Einnahme eine lächerlich
geringe war. Die Schaar der Abonnenten , die z. B. zwei Saisons
hindurch mit Stücken wie „Zehn Mädchen und kein Mann" oder
„Die schöne Galathee" in unverwüstlicher Begeisterung sich erhielt,
hatte sich nur sehr spärlich eingefunden, als es sich um die För-
derung des oben bezeichneten edlen Zweckes handelte. Gott besseres!
Soviel ist aber gewiss, dass, so lange dem Orchester und Chor kein
besserer Halt geboten wird als bisher, das Ensemble unserer Oper
immer ein klägliches bleiben wird.
„Liedertafel" und „Damengesangverein" stellen für diesen Win-
ter recht schöne Genüsse in Aus&icht. Es sollen von den beiden
Vereinen vier Concerte veranstaltet und in denselben folgende
grössere Werke mit Gesang zur Aufführung kommen: Musik zu
„Die Ruinen von Athen" von Beethoven, vollständig, mit dem
von Dr, Heije in Amsterdam verfassten neuen Texte: „ Griechen-
lands Kampf und Erlösung;" das Oratorium „Samson" von Händel;
„Die erste Walpurgisnacht" von Mendelssohn ; „Mirjam's Sieges-
gesang" von Fr. Schubert und als Novitäten „Die Kreuzfahrer" von
N. W. Gade und der „67 Psalm" von Friedrich Lux. Ueber die
in diesen Concerten ferners aufzuführenden Sinfonien, Ouvertüren
etc. verlautet noch nichts Bestimmtes.
*O QQ I
Nachrichten.
München» Das Comite für Etablirung „Fröbel'scher Kinder-
gärten," deren hier bereits drei besteben, veranstaltet zum Besten
seines Fonds ein Concert im grossen Odeonsaale, bei welchem die
Damen Frau Diez und Frl. Stehle vom Hoftheater sowie die
treffliche Pianistin Frl Emmy Heintz und die HH. Hans v. Bü-
1 o w, Coucertmeister Jos. Walter (Violine) , S t r a u s s (Hörn),
Tombo (Harfe) und Hofopernsänger Nachbauer mitwirken. Als
Accompagnateurs werden ausserdem noch die HH. Hans Richter
und Georg Menter thätig sein. Das Programm ist ein sehr reich-
haltiges und abwechselndes und so lässt sich denn bei dem bevor-
stehenden seltenen Kunstgenuss und dem edlen Zwecke ein recht
zahlreicher Besuch mit Sicherheit erwarten.
Stuttgart. Am 14. October brachten die Sänger des Sing-
vereins dem zurückgetretenen Dirigenten desselben , Prof. L.
Stark, eine musikalische Serenade, welche ein zahlreiches Publikum
anzog, welches besonders das bereits volksthümlich gewordene
Freiligrath-Stark'sche Lied: „O lieb* so lang du lieben kannst" mit
warmer Sympathie aufnahm. Hr. W. Speidel, der neue Dirigent,
leitete die vorgetragenen Chöre von Schubert und Mendelssohn»
und überreichte seinem Vorgänger unter Assistenz zweier weiteren
Ausschussmitglieder einen kostbaren mit Silber und Perlmutter ein-
gelegten Tactstock sammt Lorbeerkranz als Ausdruck inniger Ver-
ehrung und Dankbarkeit für dessen langjährige Verdienste um den
von ihm anno 1861 gegründeten und seither geleiteten Verein.
Leipzig. Das zweite Gewandhausconcert, welches in Ab-
wesenheit Hrn. Rein ecke's von Hrn. Concertm. David dirigirt
wurde, enthielt in seinem Programm von Orchesterwerken die He-
briden - Ouvertüre von Mendelssohn und die B-dur-Sinfonie von
Schumann; als Sängerin gastirte Frl. Wilhelmine Ritter vom
Hoftheater in München mit zwei Arien von Mozart und Rossini
und als Instrumental-Solist Hr. Saint-Saens aus Paris, welcher
ein Clavierconcert in drei Sätzen von eigener Composition, sowie
Barcarole von Chopin, Polonaise Op. 89 von Beethoven und
Bourre'e von S. Bach vortrug.
London. Die Samstags -Concerte im Crystallpalast,
welche von Anfang October bis Ende April allwöchentlich unter der
Leitung des Hrn. Manns stattfinden, haben am 3. Octbr. in glän-
zender Weise begonnen. Das Programm enthielt: Ouvertüre zu
„Oberon" von Weber; Scene und Arie „Ah perfido" von Beetho-
ven und Cavatine „Bei raggio u von Rossini, gesungen von Frl.
Sternberg; die G-dnr-Arie des Ottavio in „Don Juan" und Lie-
der von Schubert und Schumann, gesungen von Hrn. Rigby;
Sinfonie in A-dur von Mendelssohn; Andante Spianato und
Grande Polonaise von Chopin, sowie Cascade und Galop de
Concert eigener Composition , vorgetragen von Hrn. P a u e r und
zum Schlüsse Fest-Ouvertüre von R. V o 1 k m a n n. Letztere Com-
position, als Novität vorgeführt, vermochte keinen schlagenden Er-
folg zu erringen. Frl. Sternberg, welche zum ersten Male vor dem
englischen Publikum erschien, gefiel vorzugsweise mit der Rossini'-
schen Cavatine. Hr. Pauer blieb seinem Rufe als 'gediegener und
vielseitiger Ciaviervirtuose nichts schuldig und das Publikum Hess
ihm volle Gerechtigkeit wiederfahren. Hr. Rigby sang mit vielem
Geschmack und Verständniss uud wurde bei deu Liedern durch die
Begleitung des Hrn. Pauer vortrefflich unterstützt. Die Executirung
der Sinfonie sowie der beiden Ouvertüren war eine höchst lobens-
wertbe und gereichte dem Dirigenten und seinem Orchester zu
grosser Ehre. — Das zweite dieser Concerte brachte: Marsch aus
den „Meistersingern" von R. Wagner, „Sinfonia eroica ii von
Beethoven, Ouvertüre zu „Ruy Blas" von Mendelssohn
und Vorspiel zum 5. Act der Oper „König Manfred" von Reinecke;
ferner Othello- Fantasie für Violine von Ernst, vorgetragen von
Hrn. Carrodus und einige Gesangsnummern , vorgetragen von
Fräul. Enequist und Hrn. N i 1 s o n - Var 1 e y. Neu waren der
Marsch von R. Wagner und eine Concert - Arie , „Des Seemanns
Braut," welche aber keinen besonderen günstigen Erfolg hatte, —
Das Programm des dritten Concertes enthielt von Orchester-
werken : Coriolan- Ouvertüre von Beethoven; Sinfonie in H-moll
von Schubert (unvollendet); Ouvertüre zur „Melusine" und Lorelei-
Finale von Mendelsso hn. Die gebotenen Gesangsnummern
waren mit Ausnahme des Loreley-Finale's und der von Frau R u -
dersdorff gesungenen Arie „Deh vieni" aus „Figaro's Hochzeit"
nicht von Erheblichkeit. — Die populären Montagsconcerte in
St. James* s Hall beginnen ihre 11. Saison am 16. November.
— Hr. Mapleson wird seine italienische Herbstsaison in Covent-
Garden am 24. October mit „Lucrezia Borgia" beginnen; Fräulein
Titjens singt die Titelrolle, Mongini den Gennaro, Santley
den Herzog und Mme. T r e b e 1 1 i den Orsino. Am 24. October
findet sodann in der „Sonnambula" das mit grosser Spannung er-
wartete Debüt der Mlle. Minnie Hauck statt, welche am 99.
October in „Lucia" zum «weiten Male auftreten wird.
— 176 -
Paris. Rossini hat diese Woche einen Krankheitsanfall er-
litten, der seine sahireichen Freunde und Bewunderer in lebhafte
Unruhe versetzte. Erfreulieberweise ist es der Sorgfalt und Um-
sicht der Aerzte bereits gelungen, eine entschiedene Besserung in
dem Znstande des greisen Patienten herbeizuführen.
— Im 2. populären Concerte des Hrn. Pasdeloup kam zur
Aufführung : Musik zum Trauerspiel „Struensee" , componirt von
Meyerbeer; einzelne Sätze aus der Sinfonie „Wallenstein" von J.
Rheinberger ; Sinfonie in G-moll von Mozart ; Entreact zum dritten
„Act der „Meistersinger" von B. Wagner und Variationen, Scherzo
,nnd Finale aus dem „Sextuor" von Beethoven.
*** Der ausgezeichnete Pianist Gottschalk ist von seiner
Kunstreise in der argentinischen Republik nach Montevideo zu-
rückgekehrt und hat dort am 31. August einen neuen Cyclus von
Concerten begonnen, bei welcher Gelegenheit er einige seiner be-
liebtesten Compositionen mit ausserordentlichem Erfolg vortrug.
Mehrere junge Leute der Stadt machten ihm eine schöne Garnitur
von Boutons und einen Lorbeerkranz mit goldenen Blättern zum
Geschenk.
%* Der ehemalige Director des „Mozarteums" in Salzburg,
Hr. Hans S chläger, erhielt bei seinem Scheiden von dort von
der „Singakademie" einen reich verzierten Taktstock, von der Lie-
dertafel einen kostbaren silbernen Becher und vom Orchester des
Mozarteums ein von allen Mitgliedern desselben unterzeichnetes
Memoire, welches in wärmster Weise die Verdienste des Scheiden-
den um das musikalische Leben in Salzburg hervorhob, als Ab-
schiedsgaben.
%* Das neuerbaute Theater in Kaiserslautern wurde am
11. October mit einem Concert und zwei kleinen dramatischen
Stücken eröffnet.
*#* Ein neuer italienischer Tenorist , Sgre. S t a g n o , ist in
Petersburg aufgetreten und hat durch seine schöne und mäch-
tige Stimme und seinen geschmackvollen Vortrag vielen Beifall
geerntet. „Lohengrin" wird dort in den nächsten Tagen zur Auf-
führung kommen*
*** Ueber die Triumphe der mit der Map 1 es o naschen Opern-
truppe in Dublin gastirenden Frl. Titjens wird der „A. A.Z."
berichtet: „Frl. Titjens hat das ganze Land in eine so ungestüme
Aufregung versetzt, dass die Eisenbahndirectionen genöthigt waren,
Extrazüge aus allen Theilen des Landes nach Dublin zu veranstal-
ten, um den irischen Enthusiasten Gelegenheit zu geben, die deutsche
Prima - Donna zu bewundern. Ihre Abschiedsvorstellung erregte
stürmischere Begeisterung, als je ein ähnliches Ereigniss in Dublin
gethan zu haben scheint. Mehr als 200 Personen bezahlten hohe
Preise — bis zu 10 Pf. St. — um hinter den Coulissen einen Platz
zu finden, da das Haus schon seit zwei Wochen ausverkauft war.
100 Constabler begleiteten Frl. Titjens zum Theater , um den zu-
dringlichen Haufen zu verhindern, ihre Pferde auszuspannen. Bei
ihrer Heimkehr war selbst die Polizei - Escorte zu schwach. Der
Kutscher verlor seinen Sitz, und die Constabler wurden nach einem
„fürchterlichen Zusamraenstoss" übermannt Auf beiden Seiten floss
das Blut der Verwundeten. Die Aufregung nahm so bedenkliche
Verhältnisse an, dass man befürchtete, sie könne politisch werden.
Daher wurden Telegramme nach allen Casernen befördert. Die
Militärmacht war jedoch nicht nöthig, da die Prima-Donna endlich
im Triumph zu ihrer Wohnung gezogen worden war, und so der
Anlass zu fernerem Enthusiasmus fehlte."
*** Der Bartitonist Wallenreit er wird nicht zur italienischen
Oper in Paris gehen, sondern einige Zeit in Deutschland reisen
und dann sich wieder nach England begeben , wo er bereits ausge-
zeichnet aecreditirt ist.
*** Dem „Wiener Männergesangverein" wurde bei Gelegenheit
seines 25jährigen Jubiläums von dem Gemeinderath der Stadt Wien
die grosse goldene Salvatormedaille verliehen.
%* Ul Im an n wird im November eine Concerttour in Belgien
unternehmen und in folgenden Städten Aufführungen veranstalten,
nämlich: in Verviers, Maestricht, Lüttich, Namur, Löwen, Gent,
Antwerpen, Brüssel, Brügge, Mons, Tournay. Seine Gellschaft be-
steht aus Carlotta Patti und den HH. Vieuxtemps, Leon
Jaqnard, Bottesini, Godefroid, J a e 1 1 , de Vroye
and Herrmann-Leon.
V Die Oper „Mignon" ist in C ö 1 n am 82. Octbr. mit grossem
Erfolg in Scene gegangen und Frl. Radecke, eine Schülerin der
Frau Marchesi, feierte in der Titelrolle grosse Triumphe. Auch
in Stuttgart wird diese Oper demnächst zur Feier des Geburts-
tags des Königs aufgeführt werden.
**• Im Theater de la Monnaie in Brüssel wird die Oper
„Der Sommernachtstraum" von A. Thomas mit vielem Beifall und
unter grossem Zudrang des Publikums gegeben.
*** In M a n n h e i m ist die Aufführung der „Meistersinger" von
R. Wagner auf dem dortigen Hoftheater beschlossene Sache und
es haben die Vorbereitungen für dieselbe bereits begonnen.
*** Der „Wiener Männergesangverein* hat bei Gelegenheit
seines 25jährigen Jubiläums zu Ehrenmitgliedern ernannt die HH. :
R. Wagner, Liszt, Rubinstein, Strauss, Engelsberg, Doppler, Lewy,
Dr. Zelinka, Grillparzer, Seidl , Anastasius Grün, Halm, Lewinski,
Gabillon und die früheren Chormeister des Vereins, Barth und Eckert.
*** R. Wagner hielt sich in letzter Zeit in Oberitalien auf,
und zwar theils in Mailand, theils am Lago maggiore. Die italie-
nische Uebersetzung seiner Operntexte für den Musikverleger L u c c a
in Mailand besorgt Prof. Marchesi in Cölo.
ANZEIGEN.
IM NACHRICHT.
Im Verlage der Unterzeichneten erschienen :
Tailliert, llf. 25 Variationen über ein Originalthema für gros-
ses Orchester. Op. 161
Partitur in 8* . . . fl. 5. 24 kr.
In Stimmen . . . . . „ 9. 36 „
Für das Pianoforte zu 4 Händen „ 3. 36 „
Wagner, R. Die Meistersinger von Nürnberg. Oper in 3 Acten«
Vollständige Orchester-Partitur n. fl. 60.
Unter der Presse befinden sich:
IiAClilier, Fr. Suite N° 5 in 5 Sätzen für grosses Orchester»
(N° 1. Introduction und Allegro, N° 2. Menuetto, N°3. Andante»
N° 4. Scherzo, N° 5. Finale). Op. 135.
Partitur und Orehesterstimmen.
Für das Pianoforte zu 4 Händen.
Raff, J, Symphonie K° 2 in C-dur für grosses Orchester. Op 140.
Partitur und Orshesterstimraen.
Für das Pianoforte zu 4 Händen.
Hiller, Ferci. Frühliugsnacht. Gedicht von Immergrün, für
4 Solostimmen (Sopran, Alt, Tenor und Bass) mit Orchester-
begleitung. Op. 139.
Clavier-Auszug. Partitur und Orchesterstimmen.
Mainz, October 1868.
B. Schotts Söhne.
Bei Wilhelm Eiigelniami in Leipzig ist so eben
erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
Händel und Shakespeare.
Zur Aesthetik der Tonkunst.
gr. 8.
Von
G. G. Gervinus.
1868. brosch. Preis: 2 Thlr. 15 Ngr.
INHALT.
I. Zur Aesthetik der Tonkunst. Aus der Geschichte.
Einleitung. Die Ursprünge des Gesangs. Die Tonkunst der
Griechen. Der polyphone Gesang des Mittelalters. Das Volks-
lied. Die dramatischen Musikgattungen. Die Instrumentalbe-
gleitung. Die reine fnstrumentalmusik.
IL Zur Aesthetik der Tonkunst, Aus der Natur der mensch-
lichen Seele.
Bückblick auf die musikalische Aesthetik früherer Zeiten. Musik
und Malerei. Die Tonkunst die Sprache der Gefühle.
III. Händel und Shakespeare. Eine Parallele.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
i¥* SS.
9. November 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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'Diese Zeitung erscheint jeden s
\ MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
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B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co.
* PREIS:
fl.2.42kr.od.Th.l.l8Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
60 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
t
-v-4
INHALT: Das fünfzigjährige Jubiläum. — Corresp.: Stuttgart. Mannheim. Frankfurt. Paris. — Nachrichten.
Das fünfzigjährige Jubiläum des CScilien - Vereins
in Frankfurt a. M.
Am 28. October fand die Feier des 60jährigen Bestehens un-
seres Cäcilien-Vereins in einer der Bedeutung des Festes ent-
sprechenden, würdigen und erhebenden Weise statt.
Wir wollen, nachdem wir uns der uns beherrschenden Eindrücke
dieses schönen und in seiner Erscheinung seltenen Festes enthoben
fühlen, in kurzen Umrissen eine Schilderung desselben' geben , vor-
her jedoch einen Rückblick auf die Entstehung und Gründung des
Vereins werfen, dessen lobeoswerthe Aufgabe es von Anbeginn war,
vorzugsweise die Oratorienmusik mit Liebe zu pflegen. Der nach-
malige Gründer des Cäctlien verein», Johann Nepomuk Schelble,
ein Schüler des Abt Vogler, lebte einige Zeit als Hof- und Kam-
mersänger in Stuttgart und erhielt daselbst einen Ruf an das Wie-
ner Hoftheater, blieb jedoch nur zwei Jahre dort, welche er zur
weitern Ausbildung seines Compositionstalents verwendete. Schelble
ging hierauf nach Berlin, wo man zwar seinem Gesangstalente Ge-
rechtigkeit wiederfahren liess, ohne ihn jedoch mit einer Anstellung
zu betrauen. Ein kleiner Gastrollencyclus auf der Frankfurter
Bühne führte endlich zu einem längeren Engagement und — da
man hier bei mehreren von Schelble geleiteten musikalischen Auf-
führungen seine besondere Befähigung zum Lehren und Dirigiren
erkannte, so geschah es, dass sich nach und nach ein Kreis von
Schülern um ihn schaarte, der wie Schelble von dem Wunsche be-
seelt war, einen selbständigen Verein ins Leben zu rufen. Im Jahre
1818 gründete denn auch Schelble einen gemischten Chorverein, der
sich „Cäcilien-Verein" nannte und in dessen erster Aufführung
Mozart's „Zauberflöte" gesungen wurde. Eine Reihe von Jahren
blieb Schelble die Seele des Vereins, welcher sich unter ihm immer
gedeihlicher entwickelte. Nach Schelbles am 6. August 1837 er-
folgtem Ableben blieb der Cäcilien-Verein unter den folgenden,
tbeils provisorisch, theils definitiv angestellten Directoren — F.
Mendelssohn-Bartholdy, Carl Voigt, Ferd. Hlller, Ferd.
Ries, Fr. Jos. Messer, Fr. Friedrich — seinem Programme
treu und — seit 1860 unter C Müller's Direction — steht unser
Cäcilie'nvereiu, nach 50jährigem Bestehen und Wirken, heut in der
frischesten Blüthe.
Wir gehen nun zu dem im Saalbau gegebenen Fest - Concert
über, dem am Vormittag desselben Tages eine academische Feier
vorherging, welcher ausser dem Verein alle fremden und einheimi-
schen Ehrengäste beiwohnten. Die Feierlichkeit wnrde eingeleitet
durch den meisterhaften Vortrag des n Ji>e Verum corpus" von
Mozart durch den Vereinschor, worauf Hr. Apellationsrath Eckardti
der Präsidenfdes Vereins, in einem sehr gediegenen, bis zum Schlüsse
fesselnden, Vortrage einen Abriss der Entstehung»- und Entwicke-
Itttogsge&chichte des Jubel Vereins gab und die Verdienste der Leiter
desselben Von Schelble an bis zu Müller, dem gegenwärtigen Diri-
genten 'in entsprechender Weise hervorhob. Sodann folgte noch der
Vortrag zweier Gesangscompositionen von Schelble und Messer und
eines Chorals von J. S. Bach, und wurden die Ehrengaben der hie-
sigen musikalischen Vereine überreicht, sowie die von auswärts ein-
gelaufenen Beglückwünschungen mitgetheilt. Ein wahrhaft pracht-
volles Geschenk war der von der Museumsgesellschaft gespendete
ausgezeichnete Flügel aus der Fabrik von Bechstein aus Berlin.
Die Zahl der zum Feste eingetroffenen Ehrengäste war eine bedeutende
und es befanden sich unter derselben die Brüder L a ch n e r, Ferd*
H i 1 1 e r, Max Bruch, Tb. Kirchner aus Zürich, Franz We-
ber aus Cölu und noch viele Andere, deren Namen einen guten
Klang in der musikalischen Welt hat. — Das Concertprogramm
enthielt Seb. Bach's „Hohe Messe in H-moll," deren ursprüngliche
Instrumentirung Hr. Director Müller in die jetzt allgemein gebräuch-
liche umgearbeitet hat, und die, wenn wir sie nach dem Totalein-
druck und den hie und da angebrachten überaus wirksamen Blas-
Instrumentaleffecten beurtheileu, uns das Geständniss abnothigt, dass
Hr. Möller durch diese Umarbeitung sich ein unverkennbares Ver-
dienst erworben hat.
Die hohe Messe beginnt mit dem „Kyrie" einem mächtig wir-
kenden östimmigen Chor, dem ein Duett (Sopran und Alt) „Christe
eleison" folgt und mit einem 4stimmigen Chor schliesst. Erhabe-
ner tritt hierauf das Gloria ein, welches nach mehrern Chören,
zwei Arien und einem Duett mit dem herrlichen östimmigen' Chdr
»cum sancto spiritu" schliesst. Am Bedeutendsten ist aber un-
zweifelhaft das nun folgende „Credo;" zwei Chöre, ein Duett (So-
pran und Alt), der 5stimmige sanfte Chor „et incarnatus" und
hierauf das „Crudfixus" das vollendetste Meisterwerk der hohen
Messe, ein 4stimmiger Chor in E-moll in •/■ Tact: auf einem sich
etwa 12 mal unverändert wiederholenden Bass von vier T Acten,
dessen erster Tact einen Sprung von der Tonike E in die Octave
macht und in den drei folgenden Tacten chromatisch abwärts in
die Dominante h gleitet, ist das ganze harmonische Gebäude d*<
Crucifixus aufgeführt, durch welches nns in klagenden Melodien
und rührenden Schmerzenstöuen die Leiden des Gekreuzigten vor
die Seele geführt werden. Nach dem Sanctus, dem Osanna, dem
Benedictus folgt das Agnus der — und schliesst die hohe Messe
mit dem istimmigen Chor „dona nobis"
Dass die Aufführung der hohen Messe eine in jeder Hinsicht
vollendete war, darüber herrscht nur eine Stimme. Die vom Cäci-
lienverein gesungenen, zum Theil polyphonen und gewaltigen Chöre
durchflutheten in einem Tonmeere den Concertsaal. Die Leistun-
gen der Solisten, obenan die der Frau Joachim (Alt) und Frau
Bellingrath-Wagner (Sopran) aus Dresden , verdienen un-
sere vollste Anerkennung — und wenn auch die HH. Schulze
(Bass) aus Hamburg und Otto (Tenor) ans Berlin nicht durch
Stimmenwucht iroponirten, so sangen doch fyifo mit nicht gewöhn-
lichem Verständnis». Die Violin-Soli spielte Jo a ch i m , — mehr
braucht nicht gesagt zu werden. Die Soli fu*r die Blasinstrumente
Flöte, Oboe und Hörn wurden von Orchestermitgliedern meisterhaft
executirt und das Orchester selbst wirkte' seinem alten Ruhme und
der Bedeutung des Tages entsprechend; — Da*» Hr. Director Mttl-
-• 178 -
ler diesen Tag als einen der schönsten seines Lebens in seinem
Tagebuch verzeichnen wird, ist ausser allem Zweifel.
Der zweite Festtag, an dessen Morgen sich die noch anwesen-
de* flbrvnf aste in der Wohnung des Hrn. Director Möller zu einem
gemütkllcben Dejeuner zusammengefunden hatten, fand seinen hei-
tern Absehluss durch ein gemeinsames Bankett, bei welchem man-
cher sinnreiche Toast ausgebracht wurde und dem sich selbstver-
ständlich eiu Tänzchen anreihte, dessen Wirbel die junge Welt
sich erst zu entwinden vermochte, als des Tages Herold bereits das
mahnende Frühroth zu verkünden begann.
CORBESPONDSNZEH.
Ans Stuttgart«
Bude October.
T Am 17. d. trafen zwei Concerte zusammen, welche beide von
einer dichtgedrängten Zuhörerschaft besucht waren, ein Beweis für
den empfänglichen Musikboden unserer schwäbischen Hauptstadt.
Die grössere dieser Massen fasste die Liederhalle, wo unser allbe-
liebter Sänger auf dem Home, Hofmusikus F oh mann, unter Mit-
wirkung der namhaftesten Kunstgrössen concertirte; wir erwähnen
darunter die Damen Mario w und Wahlmann, die Herren Ber-
tram, Braun, C.M.Singer, Wehrle, Meyer u. s. w.:Glanz-
punkte waren das siebenstimmige Divertimento inD-dur von Mozart,
der Preisgesang aus den „Meistersingern" und Fohmann's Solovor-
träge unter denen eine neue Idylle unseres G. Linder mit dem
sinnigen Motto „Waldestraum" für Kenner besonderes harmonisches
Interesse bot, und auch vom Gesammtauditorium mit grossem Bei*
fall aufgenommen wurde. — Die gleichzeitige erste Aufführung des
Or ehest erver eins im Museum unter Pruckner's Leitung
brachte Händeis Concert für Streichinstrumente in G-moll, wobei
ein wohlthätiger Fortschritt in Reinheit der Stimmung bemerkbar
war, dann die neu ausgegrabene s. g. Oxford-Sinfonie in G-dur
von J. Haydn, dazwischen Beetboven's Cellosonate in F , von den
HH. Pruckner und Cabisius meisterhaft vorgetragen. Frl. A.
Steffan, die wir schon im letzten Bericht anlässlich eines Abendes
im Conservatoriura erwähnten, sang die B-dur-Arie aus den „Jahres-
zeiten", deren Allegro durch das , vermuthlich der noch ziemlich
schüchternen Solo - Oboe zu liebe, allzusehr gemässigte Tempo
etwas beeinträchtigt wurde , dann ein wunderschönes Lied von
Josephine Lang: „auf dem See", in Fis-dur, und Beetboven's
„neue Liebe, neues Leben" so schulgerecht und sympathisch, dass
sie allgemeinen Beifall und Hervorruf erntete, und unserm Con-
servatorium, wo sie ihre Gesangsstudien gemacht hatte , verdiente
Ehre eintrug. Diesen Herbst überstieg die Anzahl der in genanntes
Institut neueingetretenen Zöglinge, worunter meistens auswärtige,
alles bisher Dagewesene, so dass es kaum möglich war, Alle unter-
zubringen. Für das neugeschaffene Lehrfach der Poetik, Kunst-
lehre und Literaturgeschichte ist Dr. G. Scberer gewonnen worden,
der sich durch seine Volkslieder-Sammlung und ähnliche Arbeiten,
sowie durch eigene Gedichte einen geachteten Namen erworben hat.
Bereits haben auch die Kammermusiksoiräen begonnen, eigentich
unsere Frühlingsboten, da die letzten derselben regelmässig schon
im Geleite milder Lenzwinde erscheinen ; wohl wird bis dahin noch
mancher Wintersgraus vorbeiziehen, aber schon aus der ersten klang
hoffnungduftig die Ahnung neuer Maienlust. Da zog wie ein sonn-
beglänzter Aprilsturro Schnmann's A-moll-Sonate , wie eine laue,
blütbenreifende FruhlingsnacbtSpobr's E-moll-Trio vorüber ;* während
in letzterem aber die drei Künstler sich in Einmüthigkeit zu einer
Musterleistung vereinigt hatten , erwies auch Jeder derselben in
Einzelvorträgen seine besondere Meisterschaft , so Hr. Singer in
der Ballade und Polonaise von Vieuxterops, Hr. Krumbholz, in
einer Baob'schen Sarabande und den von uns in diesen Blättern
bereits rühmlich erwähnten Cellostücken von J. Huber, wovon
namentlich das erste mächtig durchgriff, endlich Hr. Speidel in
dem Henselt'schen „Wiegenlied" und Chopin's Cis-moll- Scherzo,
welches geniale, ob seiner Schwierigkeit aber selten gehörte Werk
den nachaltigsten Eindruck binterliess.
Aus Mannheim.
Seit der Wiedereröffnung unserer Bühne hat sich zwar voll-
ständig Neues im Gebiete der Oper nicht ereignet, doch nahm die
Vorführung der neueinstndirten Oper „Cosi fan tutttP von Mozart
nach der neuen Bearbeitung von Ed. Devrient das Interesse der
Theaterbesucher und ganz speciell der wahren Musikfreunde in hohem
Grade in Anspruch. Nachdem in früheren Jahren an hiesiger Bühne
einige Versuche durch neu unterlegten Text oder vielmehr durch
eine ganz neue Handlung dieser Oper einen erhöhten Reiz zu ver-
schaffen, keinen nachhaltigen Erfolg gehabt, ruhte dieselbe während
mehr als zwanzig Jahren, bis vor Kurzem die zunächst für das Hof-
theater in Carlsruhe von Ed. Devrient geschaffene neue Bearbeitung
der ursprünglichen Handlung Veranlassung gab, sie auch hier wie-
der auf die Bühne zu bringen. Es muss Jedem, der diese Oper
genau kennt, vollständig einleuchtend sein, dass der Musik Mozart's
kein heterogener Text, wie z. B. in früherer Zeit hier unter dem
Titel „Die GuerillaV geschah, unterlegt werden kann, und wir fin-
den darin, dass Devrient die ursprüngliche Handlung im Wesent-
lichen beibehalten, nnd nur für den späteren Verlauf derselben eine
früher nicht darin befindliche Intrigne des Kammermädchens zum
Vortheil der Oper eingeflochten hat, einen Beweis von dessen rich-
tiger Ansicht des Characters derselben. Während sie nun ursprüng-
lich nur in zwei Acte eingetheilt war, deren lange Dauer die Zu-
hörer bei der wenig spannenden Handlung ermüden musste, theilte
sie Devrient in drei Acte ein, wodurch zwei Ruhepuncte entstanden,
und namentlich die beiden ersten Acte eine angemessene Kürze er-
hielten, da der erste mit dem Terzett in E-dur „Weht sanfter, o
Winde!" und der zweite mit dem grossen Finale inD-dur schliesst.
Der dritte allerdings längere Act erhält einen neuen Reiz durch
obenerwähnte Intrigue, welche darauf hinzielt, die beiden Liebhaber
für ihre mit Alfouso eingegangene Wette zu beschämen. Statt des
früher im Gebrauche gewesenen Dialogs wurden die ursprünglichen
Recitative nebst einigen durch die veränderte Handlung im dritten
Act noth wendig gewordenen Zusätzen von W. Kalliwoda eingerich-
tet. Der Erfolg dieser Oper, deren Einstudirung V. Lachner sich
mit grösster Mühe und Sorgfalt unterzogen hatte, und die bis jetzt
zweimal zur Aufführung kam, war ein so allgemein günstiger, dass
wir einer mehrfachen Wiederholung derselben entgegensehen kön-
nen. — Zu R. Wagner*s Oper „Die Meistersinger" haben die Pro-
ben bereits begonnen. Auch soll die Oper von Auber, „Der erste
Glückstag," an hiesiger Bühne gegeben werden. — Die Winter-
Concerte des Hoftheaterorchesters, des Musikvereins und verschie-
dener Männergesangvereine, sowie die Quartettauffübrungen werden
dieser Tage ihren Anfang nehmen. — Die schwedischen Quar-
tettsänger gaben im Laufe des October ein leider nur massig
besuchtes Concert, ihre Leistungen jedoch, die sich durch sehr reine
Intonation, treffliches, präcises Ensemble und gegenseitiges Unter-
ordnen aufs Vortheil hafteste auszeichnen, fanden allseitige Aner-
kennung.
Aus Frankfurt a, M.
Unsere Winterconcerte , uuter welchen die „Museumsconcerta"
wie immer obenan stehen, sind bereits in voller Blüthe. Das Mu-
seumsorchester ist bekanntlich zusammengesetzt aus den Mitgliedern
des Theaterorshesters , mehreren hiesigen und auswärtigen Künst-
lern und einigen Militärmusikern. Diese verschiedenen Elemente
zu einem wirksamen Ganzen zu verschmelzen, ist die Aufgabe des
Directors Hrn. Müller, welcher derselben auch vollkommen ge-
wachsen ist.
Das erste dieser Concerte fand am 9. October statt mit folgen-
dem Programm: 1) Sinfonie in C-dur von Fr. Schubert; 2) Arie
aus dem Oratorium „Die Schöpfung" von J. Haydn, gesungen von
Frl. Aglaja Orgeni; 3) Concert in G-moll für Pianoforte von F.
Mendelssohn, vorgetragen von Frau Clara Schumann; 4) Lieder-
vortrag von Frl. Orgeni: a. „Ich wandere nicht," b. „Mondnaeht"
von R. Schumann, c. „Frühltngslied" von Mendelssohn ; 5) a. „Ara-
beske" Op. 18 von R. Schumann, b. „Scherzo" in B-moll von F.
Chopin, vorgetragen von Frau 8 ch um an n; 6) Concert-Ouvertüre
in A-dur von Julius Riete.
- 179 —
Die Sinfonie von Schubert, in Anlage und Durchführung sehr
breit gehalten, erfordert ein durch häufiges Hören ähnlicher Werke
snm Verständnis« derselben herangebildetes Publikum, wenn sie nicht
durch ihre ungewöhnliche Länge trotz aller Schönheit der Erfindung
und Ausarbeitung ermüden soll ; dem Publikum der Museumsconcerte
kann mau zum grossen Theile jenes Verständnis* nachrühmen und
so konnte denn auch dem prachtrollen Werke, in vorzüglicher Weise
«xecutirt, der lebhafteste Beifall nicht fehlen.
Fräulein Orgeni dürfen wir in unserer Zeit, wo Singen und
Schreien fast identisch ist, als eine recht tüchtige Concertsängerin
bezeichnen, wenn wir uns mit etwas zu viel Sentimentalität und
einer bisweilen zu hohen Intonation befreunden können. — Das
jugendfrische , musterhafte Pianofortespiel der Frau Schumann
lieferte das vollgültigste Zeugniss, dass sie zu den wenigen auser-
wählten Lieblingen der Musen gehört, an denen die Jahre spurlos
vorüber geben. — Die heut den Schluss des Concerts bildende Ou-
vertüre von Rietz wurde früher unter Messer's Leitung in jeder
Coocertsaison ein Mal vorgeführt. Der Componist derselben scheint
«ich, den bekannten Anklängen nach zu urtheilen, Mendelssohn zum
Vorbild genommen zu haben. Die Ouvertüre ist übrigens muster-
haft gearbeitet und wurde vortrefflich aufgeführt
Das Programm des zweiten Museumsconcerts enthielt: 1) Sin-
fonie in D-dur von J. Haydn (zum ersten Male); 2) „An die ferne
Geliebte," Liederkreis von AI. Jeitteles, componirt von Beethoven,
gesungen von Hrn. Carl Wallenreiter aus Stuttgart; 3) Ouver-
türe „Die Fingalshöhle " von Mendelssohn; 4) „Liederkreis" von
Jos. v. Eichen dorff, componirt von R. Schumann, gesungen von Hrn.
Wallenreiter, 5) Sinfonie in B-dur Nr. 4 von Beethoven.
Die Gegenüberstellung mehrerer Kunstwerke verschiedener
Meister führt stets zu vergleichenden Betrachtungen. Obgleich die
heut zum ersten Male vorgeführte Sinfonie von J. Haydn weder
von grosser Ausdehnung noch von grosser Wirkung ist, so lächelt
uns dennoch aus ihr Haydn's kindlich reiner Genius entgegen, wel-
■cher uns uubewusst eine ganze Idylle vorzaubert, weun anders un-
ser Sinn offen und dafür empfänglich ist. Dem gegenüber entrückt
Beethoven's gigantische Phantasie unsern Geist dem irdischen Da-
sein, fuhrt uns in ungeahnte Regionen, so dass wir entzückt lau-
schend Sphärenharmonien zu vernehmen wähnen. Beide Sinfonien
wurden präcis executirt, ebenso Mendelssohn'» „Fingalshöhle." —
In Betreff des Gesangs Vortrags können wir Hrn. Wallenreiter's reine
Intonation und deutlicher Aussprache lobend erwähnen ; doch schien
eine gewisse Befangenheit im ersten Liederkreis dessen poetischen
Aufschwung zu hemmen, welcher dagegen in der zweiten Serie,
namentlich vom „Waldesgespräch" an , etwas mehr in Fluss kam.
Immerhin aber war es ein verdienstliches Unternehmen, in einem
Concerte beide Liederkreise zu Gehör zu bringen.
Wenn es gilt, Tbränen zu trocknen und Trost und Hülfe zu
spenden, da zeigt Bich die Mildthätigkeit als eine Cardinaltngend
der Frankfurter in ihrem schönsten Lichte. Den neuesten Beleg
dafür bietet das vom Frankfurter „Liederkranz" am 20. October in
der St. Catharinenkirche zum Besten der Wasserbeschädigten in der
Schweiz gegebene Goncert. Unter Leitung seines Directors Herrn
Geliert» eines tüchtigen und geschätzten Pianisten, welcher das
Concert mit einer Fantasie für die Orgel eröffnete, sang der Lieder-
kranz mit bekannter Präcision und Correctheit 1) die Hymne „Herr
unser Gott" mit Doppelchor und Instrumentalbegleitung von Franz
Schubert, 2) den Chor „Morgengebet" von Carl Zöllner, 6) Golter-
mann's herrlichen Chor „Sei du mir" und 4) den Choral „Was mein
Gott will" mit Orget- und Instrumentalbegleitung, dessen letzte
Strophe vom ganzen zahlreichen Auditorium mitgesungen wurde,
was einen wahrhaft erhebenden Eindruck machte. Unsere mit Recht
beliebte Sängerin Frl. Labitzky trug durch den Vortrag des Lie-
des „Bitten" und des „Bussliedes," beide mit Quartettbegleitung,
Ton Beethoven , sehr wesentlich zur Verherrlichung des Concertes
bei. Das von unserm ausgezeichneten Streichquartett, den Herren
Heermann, Becker, Welker und Müller, meisterhaft vorge-
tragene Andante aus Haydn's F-dur-Quartett war leider nicht ge-
eignet, den grossen Raum der Kirche auszufüllen und ging für viele
Zuhörer ganz verloren. Der Ertrag des Concerts war ein sehr er-
freulicher und berechtigt zu der Hoffnung, dass unser Liederkranz
"wie bisher so auch ferner seine schönen Kräfte solch edlen Zwecken
freudig opfern werde;
JL u 8 P n r 1 s.
3. Morember.
Rossini 's Gesundheitszustand, der seit 14 Tagen die Auf-
merksamkeit des Publikums in ängstlicher Spannung erhält, ver-
schlimmert sich leider immer mehr. Die Brustentzündung ist zwar
vollständig geheilt; allein ein anderes Uebel, das man bei der
Schwäche und dem hohen Alter des Patienten nicht energisch zu
behandeln wagt, trägt dazu bei, die Besorgniss zu vermehren. Einer
seiner Freunde, der ihn heute gesehen, theilte mir mit, dass Rossini
langsam hinsterbe» Rossini selbst, der stets so fest am Leben hing,
dass man sich in seiner Gegenwart von keinem Todesfalle zu spre-
chen getraute, scheint seinen Zustand zu erkennen und sich in den-
selben nichts weniger als ergebungsvoll zu fügen.
Während nun der greise Maestro so hart darniederliegt, werden
seine Werke fast von allen unsern lyrischen Scenen aufs Repertoir
gesetzt. Die grosse Oper gibt den „Wilhelm Teil ;" das italienische
Theater bringt „Othello" und „Moses" zur Aufführung und das
Thtätre lyrique wird im Laufe dieser Woche den „Barbier von
Sevilla" zur Darstellung bringen.
Im italienischen Theater wird künftigen Monat ein Stern erster
Grösse aufgehen. Dieser glänzende Stern heisst Minnie Hauck
und ist, wie Adelina Patti, eine Schülerin Strakosch's. Sie gibt in
diesem Augenblick eine Reihe von Gastrollen in London und zwar
mit sehr bedeutendem Erfolge. Unmittelbar nach der Abreise der
Patti wird sie im Salle Ventadour debütiren und auch in der eigends
für sie geschriebenen Rolle der neuen Oper des Fürsten Ponia-
t o w s k i auftreten. Die Opern freunde sind in der gespanntesten
Erwartung.
Die Direction des eben genannten Theaters studirt jetzt „Picco-
lini," eine Oper der Madame de Grandval, ein. Der Text ist von
dem fruchtbaren Victorien Sardou.
Pasdeloup, der, wie ich Ihnen schon berichtet, nächstens
„Iphigenie in Aulis" und „Don Juan" zur Darstellung bringt, will
auch noch in dieser Saison seinem Publikum „Idomeneus" vorfuhren.
ü a c h r i c li t e n,
Leipzig. Die Stadtverordneten haben beschlossen, Herrn G.
Laube das alte und neue Theater gegen einen jährlichen Pacht
von 6000 Thlrn. und mit Ermässigung des Gaspreises zu überlas-
sen, und derselbe wird demnach am 1. Februar 1869 die beiden
Bühnen unter persönlicher Leitung übernehmen. Hr. Laube hat
bereits nicht nur den gegenwärtigen Director des Mainzer Stadt-
theaters, Hrn. Behr, als Opernregissenr und ökonomischen Ver-
walter engagirt, sondern auch sonst für Gewinnung tüchtiger künst-
lerischer Kräfte umfassende Schritte gethan.
— Das dritte Gewandhausconcert fand am 22. October mit
folgendem Programm statt : I. Abtheilung: Leonoren - Ouvertüre
Nr. 3. von Beethoven ; Arie von Mozart , (zu „Figaro's Hochzeit"
naehcomponirt) und zwei Lieder mit Pianoforte, a) „Mainacht" von
Joh. Brabms, b) „Die Hütte" von R. Schumann, gesungen von Fr.
Amalie 'Joachim; Recitativ, Adagio und Allegro aus dem 6. Vio-
lin concerte von L. Spohr, dann Adagio und Fuge (C-dur) für die
Violine von S. Bach, vorgetragen von Hrn. Joachim. II. Ab-
theilung: Sinfonie in Es-dur, Op. 28, von Max Bruch zum ersten
Male und unter des Componisten persönlicher Leitung.
München. Die königliche Vocalcapelle , welche in den letzten
Jahren bedeutend verstärkt und durch Aufnahme frischerer Kräfte
verbessert worden ist, sowie ihr denn auch viele unserer vorzüg-
lichsten Gesangssolisten angehören, wird im Laufe des Wintert
unter der Leitung des Hofcapell meisten Wüllner vier Soireen,
nach Art der Soireen des Berliner Domchors veranstalten, in wel-
chen Meisterwerke der altitalienischen und altdeutschen Gesangs-
musik, sowie auch eine Reihe der besten modernen Gesangswerke
ohne Begleitung zur Aufführung kommen sollen. Es ist die« gewhsj
ein freudig zu begrüssendes Unternehmen.
— Am Allerheiligentage fand das erste Abonnemeotsconoert
der musikalischen Akademie unter v. Bülow's Leitung statt. Das
Programm enthielt nur Beethove n'sche Compositioueo, lad zwar s
— 180 -
Die A-dur-Sinfonie, «ine» Militärmarseb, die Leonoren- Ouvertüre in
Cdnr Nr. 1, des Ciavier concert in Ea-dur and die F-dur-Variatio-
nen Op. 34, Torgetragen von Hrn. v. B ü 1 o w , die Romanze in
F-dur für Violine, vorgetragen von Hrn. Hofmusikus Venal
und das Gesangterzett »Tremate, empi tremate" Op. 116.
Barmen. Am 25. October fand unter Leitung des Hrn. Musik*
directors A. Krause in der Concordia das erste Abonnementsconcert
statt, in welchem das Oratorium „Paulus" von Mendelssohn in sehr
würdiger Weise zur Aufführung kam. Der stark besetzte Chor und
das Orchester gaben ein rühmliches Zeugnis» für die Sorgfalt und
Umsicht, mit welcher das Einstudiren des schwierigen Werkes be-
trieben wurde. Die Gesangssoli befanden sich in den Händen der
Damen Frl. Scheuerlein und Frl. Rocholl und der HH. Ruff
aus Mainz (Tenor) und Stägemann aus Hannover (Bass). Frl.
Scheuerlein fand durch ihr schönes Organ sowie durch die Wärme
des Vortrags entschiedenen Beifall; ebenso hatte sich die Leistung
des Frl. Rocholl verdienter Anerkennung au erfreuen. Den grössten
Antheil an dem allgemeinen Beifall trug aber Hr. Ruff davon, der
nicht nur die bedeutenden Recitative , sondern anch die Cavatine
„Sei getreu bis in den Tod" in declamatorischer wie in gesang-
licher Beziehung in einer Weise vortrug, welche von seinem echt
künstlerischem Streben den schönsten Beweis lieferte. Hr. Stäge-
mann erwies sich als geschulter Sänger, war aber im Ganzen ge-
nommen etwas zu berechnend , und darum auch etwas kalt in sei-
ner Vortragsweise. Die Totalwirkung der Aufführung war eine sehr
günstige und gereichte den Executirendeu wie dem Dirigenten au
grosser Ehre.
Coblenz. Am 22. October fand ein Concert des „Cäcilienver-
eins," unter Mitwirkung des Hrn. Concertmeisters v. Königslöw
aus Coln, zum Vortheil des Vereinsdirigenten Hrn. Kugler. Man
führte eine Sinfonie von Haydn in G-dur und die Ouvertüre zur
Operette »Die Heimkehr aus der Fremde" von Mendelssohn auf;
Hr. v. Königslöw spielte die „Gesangscene" für Violine von Spohr
und mit Hrn. Kugler die Sonate in A-dur (Kreutzer - Sonate) von
Beethoven. Der Gesang war durch eine Sopranarie aus Haydn's
„Schöpfung" und die grosse Fidelio-Arie vertreteu.
Schwerin. Carl Hill's zweites Auftreten auf der Bühne fand
im „Nachtlager" von Kreutzer statt und der Debütant setzte Jeder-
mann in Erstaunen durch die Sicherheit, mit welcher er seine ge-
sangliche Aufgabe beherrschte, sowie durch seinen trefflichen Dialog
Und die Noblesse und Ungezwungenheit seines Spiels.
Brüssel. Hr. Samuel beginnt seine diesjährigen populären
Concerte am 8. November. Die erste Abtheilung des Concertes
wird durch die A-dur-Sinfonie von Beethoven ausgefüllt. In der
zweiten Abtheilung folgen dann: Die schottische Ouvertüre von N.
Gade, und als Novitäten das Andante des ersten Quartetts von
Mendelssohn, ausgeführt von sämmtlichen Streichinstrumenten, die
„Variationen für grosses Orchester" von W. Taubert (geschrieben
zur Jubelfeier der Sinfonie-Concerte der königl. Capelle in Berlin),
der „Trauermarsch" von Chopin, für das Orchester bearbeitet von
Prosper Pascal und das Vorspiel zu den „Meistersingern" von
R. Wagner.
*** Die österreichische ostasiatische Expedition hat U.A. auch
zwei prachtvolle Flügel von dem Hofclavierfabrikantea Bösen-
dorf er mitgenommen, welche die kaiserl. Regierung als Geschenke
für den Kaiser von Japan und den König von Siam bestimmt hat
*** Der Componist und Musikdirektor Theodor Kirchner
in Zürich hat sich mit der Sängerin am dortigen Theater, Fräul.
Marie Schmidt, vermählt.
*** Wagner's „Lohengrin" wurde am 16. October zum ersten
Male in Petersburg in russischer Sprache aufgeführt und von
dem äusserst zahlreichen Publikum mit lebhaftem Beifall aufge-
nommen. Die Aufführung war eine im Ganzen lobenswerthe , die
Ausstattung äusserst glänzend. Die Hauptrollen waren in folgen-
der Weise besetzt: Lohengrin, Hr. Nicolsky; Elsa, Frau P la-
to now; König Heinrich, Hr. Wassiljeff I; Ortrud, Frau Leo-
now; Telramund, Hr. Kondratjäff; Herold, Hr. Sabotaw.
Die russische Uebersetzung lieferte Hr. Swanzow und Dirigent
war Hr. Capell meist er Ljadeff.
*** In der Notre-Dame-Kirche zu P a r i s hat der renommirte
französische Orgelbauer Cavaille-Col eine neue Orgel erbaut,
»welche als das Vollkommenste gerühmt wird, was bis jetzt auf die-
sem Gebiete erreicht worden ist. Die Orgel enthält ungefähr 6000
Pfeifen, 86 klingende Stimmen, 110 Register, 6 Manualclaviere zu
5 Octaven und ein Pedalclavier von 28 Tasten. An einem der
Manuale sind alle scharfen Zungenwerke vereinigt, an zwei Ciavia-
ren Schwellen angebracht und das Hauptmanual mit einer, das Pedal
aber mit zwei 32-FuBsstimmen versehen. Ferner ist die Orgel mit
einer die Spielbarkeit des vollen Werkes erleichternden pneumati-
schen Maschine versehen. Sodann gestatten 22 Combinationstritt*
einen noch kaum zu übersehenden Reichthum von Klangwirkungen.
Endlich ist den Obertönen noch die kleine Septime hinzugefügt,,
welche im Manual wie im Pedal mehrfach disponirt, dem Ton»
selbst im halbvollen Spiele eine ungeahnte Würde und Fülle ver-
leiht, ohne seinen Glanz zu beeinträchtigen.
*** £>n amerikanisches Urtheil über die 9. Sinfo-
nie von Beethoven. Das Journal „Orchestria" bringt das Ur-
theil eines angesehenen amerikanischen Kritikers, der in seinem»
Berichte über das Musikfest in Boston, bei welchem die 9. Sin-
fonie von Beethoven zur Aufführung kam, sich über dieses Werk
des grossen Meisters in folgender Weise ausspricht: „Keiner de*
Instrumentalsätze enthält auffallende Schönheiten, obgleich man
darin eine geübte Hand erkennt; das Scherzo mit seinem munte-
ren aufgeweckten Thema erregt im Anfange unsere Aufmerksamkeit,,
aber es ist so sehr in die Länge gezogen und bietet so wenig Ab-
wechslung, dass es auf die Länge einförmig wird und man sich freut,,
wenn es zu Ende ist. Im Ganzen habe ich den instrumentalen
Theil sehr langweilig gefunden und manchmal hatte ich Mühe mich-
wachend zu erhalten. Endlich kam der Chor, auf den ich meine
ganze Hoffnung gebaut hatte. Derselbe beginnt mit einer ziemlich-
gewöhnlichen Phrase von ungefähr acht Tacten, welche viel Aehn-
lichkeit mit dem „Yankee doodle" bat. Dieselbe Phrase wirft
Andante von den 13 Cootrabässen im unisono, dann von den 10
Violoncello's, hierauf von den 42 Violinen, immer unisono, wieder-
holt, bis endlich das ganze Orchester mit der Harmonie hinzutritt.
Bis dabin war ich ziemlich befriedigt, ich fand sogar, dass die-
Massenwirkung aller dieser Leute, welche da im unisono spielten,
das Thema ziemlich angenehm machten; allein sobald die Stimmen»
hinzutraten, mit einer Art von Variation in Sechszehntelsnoten, ver-
schwand jede Spur von Melodie im Chor, der überdies sehr lang
war. Dieser Theil der berühmten Sinfonie machte mir den Eindruck
eines Gemisches von Lächerlichem, Sonderbarem, Abgerissenem,
Kreischendem, in seltenen Zwischenräumen vermengt mit den Fetzen
einer unverständlichen Melodie. Dem auf dem Programme abge-
druckten Texte zu folgen war ein Diug der Unmöglichkeit, und»
man fragte sich vergeblich, was all dieser Lärmen für einen Zweck
habe. Es war dies ein beständiger Streit zwischen den Sopranen
und Tenören, wer von beiden sich am meisten die Kehle verrenken
und am höchsten hinaufsteigen könne; ich muss sagen, dass sieb
die Tenöre von den Sopranen schlagen Hessen. Kurz der Total-
eindruck, den das Ganze auf mich hervorbrachte, war der einea
Concertes von wilden Katzen, begleitet von dem Kriegsgebeul der
Indianer!"
V* Die bisher in „Westermann's Monatheften" veröffentlichten
Studien über Liszt, Schumann und Chopin von La Mara (wahr-
scheinlich Pseudonym) werden jetzt mit vier neuen Studien über
Wagner, Weber, Schubert und Mendelssohn vermehrt und mit den
betreffenden Portraits ausgestattet, unter dem Titel „Musikalische
Studienköpfe" in Leipzig herauskommen.
*»* Die Oper „Am Runenstein" von Flotow und Genee wird*
diesen Winter auch in Stuttgart aufgeführt werden.
*** Die Opernsoubrette Frau Huttary, welche in Prag auf»
neue engagirt wurde, gab als Antrittsrolle die Angioletta in Abert's
Oper „Astorga," ward mit grossem Jubel empfangen und durch
vielfältigen Beifall ausgezeichnet.
V Am 22. October ist in Dresden die Oper „Die Haide-
schlacht" von Holstein mit entschiedenem Erfolg zum ersten Male
aufgeführt worden..
%* Die Coloratursängerin Fräul. Stella wird nächstens am
Operntheater in Wien gastiren.
V Hofcapellm. Max Seyfri» in Löwenberg hat die würtem»
bergische goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft erhalten. .
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz^
17. Jahrgang.
i\t- SG.
16. November 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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1
J,
INHALT: Stephen Heller. — Corresp. : München. Cöln. Wien. — Nachrichten.
Stephen Heller.
Es ist oft gesagt worden, die Werke eines Künstlers müssten
lange Zeit sich der Bewunderung der Menschen erfreuen, sie müss-
ten ihn selbst überleben , damit sein Ruhm endlich geheiligt sei ;
nur auf die Zeitprobe hin ist es erlaubt, von dem Vermessenen, der
das Urtheil der Nachwelt herausfordert, mit Gewissheit zu behaup-
ten: „Das ist ein Meister." Agnosco procerem .... und das
Axiom lautet also : „Niemand ist ein grosser Mann bevor seinem
Tode.* Wie jedes Axiom so hat auch dieses schon seine Ausnah-
men erlitten; sie stehen im Gedächtoiss und vor den Augen aller
Welt und wir brauchen sie daher nicht anzuführen. Allein ist es
nicht die Pflicht derjenigen, welche einen jener Ueberlegenen,
welche so mnthig an der Spitze ihrer Generation einherziehen im
Bereiche ihrer Hand haben, denselben zur Erweiterung der erwähn-
ten Ausnahmen auszurufen und seinen Zeitgenossen zu sagen : „Ihr
sucht einen Mann, da habt ihr einen ! Die Huldigungen der Menge
suchen ihn nicht auf, dazu ist er zu bescheiden oder zu wenig ge-
kannt; geht zu ihm, eure Bewunderung wird nicht fehlgehen!"
Stephen Heller lebt noch, er lebt noch sehr, und das ist
sehr Unrecht von ihm , nach dem oben aufgestellten Axiom. Aber
er hat eben soviel Anspruch als irgend einer auf die Ausnahme,
die ihn berechtigt noch da zu sein, um meisterhafte Compositionen
zu schaffen und weil wir davon überzeugt sind, möchten wir auch
ein paar Steine zum Gebäude seines Ruhmes beitragen. Er selbst
kümmert sich sicherlich sehr wenig darum und wohl kein Compo-
nist hat noch weniger nach Popularität gegeizt — ein Grund mehr
anstatt seiner zu sprechen, und zwar so laut als möglich. — Es
bleibt immer eine sehr schwierige Sache, das Talent eines Künst-
lers genau zu characterisiren und einem so flüchtigen Dinge Gestalt
zu geben, wie dies ein Eindruck ist, desseu ästhetischer Sinn
sich nicht analysiren und deduciren lässt , über den man sich manch-
mal kaum Rechenschaft zu geben weiss. Man erlasse uns daher eine
Erklärung der Musik Heller's, welche vor Allem gehört sein will*
Höchstens könnten wir auf dem Wege der Analogie sagen, auf wel-
ches andere Gefühl sich jenes bezieht, welches wir manchmal unter
der Einwirkung dieser Musik empfunden haben.
Bei dem Scheideu des Sommers, wenn die ersten " Herbstnebel
erscheinen, kommt eiue Poesie voll Melancholie über uns und durch-
dringt uns mit ihrem mächtigen Reize. Es ist dies noch uicht jene
Traurigkeit und Entmuthigung , welche der Anblick der fallenden
Blätter und des absterbenden Jahres erzeugt, es liegt im Gegen-
theil etwas Anziehendes, Stärkendes in jener Melancholie; befreit
von entnervenden Einflüssen, fühlt man das Leben auf einige Zeit
mit erhöhter Kraft zurückkehren ; es kommt über uns wie ein Echo
jener so röhrenden, mitunter so seltsamen und energischen Gesänge
der nordischen Barden, deren männliche Accente den Gegensatz zu
dem sinnlichen Wesen des Südens bilden. Gerade diese Art von
Poesie, diesen Reiz finden wir ausgeprägt in den „Nuits Manches,*
in den „Promenade* tfun Solitaire," in vielen andern Werken,
in denen Heller seine ganze Eigenartigkeit, seine ganze reiche
Fantasie, oftmals seioe Traurigkeit und eben so viel von jenem
etwas wilden Schwünge dargelegt hat, welcher hin und wieder eine
düstere Gereiztheit zu verbergen scheint und welchen die Kritiker,
verführt von der graciösen und sentimentalen Seite seines Talentes,
noch nicht haben bemerken wollen.
Unter den Künstlern werden sich wenige darüber erstaunen,
wenn wir sagen, dass die etwelchen Stücke, welche Stephen Heller
seinen Ruf bei dem Publikum gemacht haben , wie ,,/a Chasse,"
Ja Taranteile" (in As), sein „Chanson de Mai" etc. nicht die-
jenigen sind, auf die er selbst das Meiste hält. Es ist fast immer
so; jeder Autor bewahrt seine Zärtlichkeit für eine kleine Anzahl
von Werken, die er mit Liebe erdacht, deren Entstehen ihm beson-
dere Sorgfalt gekostet hat, oder die ihm irgend welche theure Er-
innerungen zurückrufen, allein gerade diesen Werken pflegt die
Menge gewöhnlich nicht ihre Huldigungen zuzuwenden. So befin-
den sich z. B. in den beiden obenerwähnten Heften „Nuits blanches*
und „Promenades aVun Solitaire" sowie in den „Pre'ludes" etwa
zwanzig kleine Dichtungen, welche Heller in seinem Künstler- und
Vaterherzen sicherlich jenen vorzieht, welche am meisten Aufseben
gemacht haben. Fügen wir dazu, unter einer hübschen Anzahl an-
derer einzelner Stücke, eine sanfte und seraphische Priere (in C-dur f
Th. G o u v y gewidmet), welche sich zu einer seltenen Höhe des
Gedankens und der Form erhebt. Man muss sie von ihm selbst
spielen hören, diese Kinder seiner besonderen Vorliebe! Wie lässt
er die Feinheiten, die Intentionen derselben hervortreten mit Hülfe
seines Talentes als Pianist ersten Ranges, das er nicht zugestehen
will und dem Publikum beständig vorenthalten hat! Wie erschei-
nen da die Kühnheiteu, ja selbst die Härten der Harmonie, vor
denen er nicht zurückschrickt, in ihrer vollen Berechtigung und
wie ist dies Alles für das Ciavier geschrieben ! Alle Vervollkomm-
nungen, welche vier Virtuosengenerationen dem Mechanismus des
Instrumentes zugetragen haben, findet mau dort angewendet, aber
keine Schwierigkeiten, die nur geschickt erfunden sind, um da«
Publikum zu verblenden; immer nur die Idee in ihrer Entwicke-
lung, nichts weiter. Um so schlimmer für euch Dilettanten , wenu
der Componist seinen Gedanken in eine capriciöse oder complicirte
Form gekleidet hat, gegen welche der Grad eurer technischen Fer-
tigkeit sich sträubt! Heller liebt die Decimen, also mögt ihr eure
Hände strecken; er verwickelt gerne die Finger, indem er einen
oder zwei der einen Hand zwischen die der anderen Hand hinein-
greifen lässt — übt sie also in diesem brüderlichen Verkehr, wel-
cher nur zum Vortheile des freien Fingersatzes und der Klangbar-
keit dient. Kurz, lernt ordentlich Ciavier spielen, denn ihr werdet
nirgends auch nur ein Jota an seinem Texte ändern können, er
wird euch nie den Gefallen thun, ein ossia oder ossia piü facile
zu schreiben, wovon die Saloncomponisten so häufig Gebrauch
machen, welche auch, beiläufig gesagt, von Heller lernen können,
wie man fremde Gedanken bearbeitet, iudem man von den eigenen
so viel hinzufügt, um doppelt zu interessiren , und denen in dieser
Beziehung seine Caprice über Felicien David's „ Wüste, u in welcher
sich überall die Meisterhand verräth, zum Studium zu empfehlen ist.
- 182 —
Htller hat sich dem Claviere gewidmet. Dieses Instrument,
welches jene, die es nur von Ferne kennen, eiu undankbares schel-
ten, hat er zu seinem immerwährenden Freund, zu seinem Vertrau-
ten gemacht; ihm gehört ausschliesslich seine Zuueigung, mehr noch
als» dies bei Chopin der Fall war, denn er hat unseres Wissens
keine Note geschrieben, ausser für das Ciavier, und da sie sich im-
xner gut mit einander vertragen haben , so wird er dem Claviere
auch niemals untreu, vielleicht aus Furcht vor Wiedervergeltung.
In seinem Privatleben ist Heller wohl der sympathischste, trotz
seiner Vorliebe für die Einsamkeit der freundlichste und wirklich
der bescheidenste unter seinen Genossen. Was seine übrigen Ge-
fühle anbetrifft, die er nicht im Umgange zeigt, so vertraut er sie
seiner Musik an, dort möge man sie suchen. Keineswegs originell
in seinen Manieren, welche gewählt und einfach sind, verachtet er
gleichwohl nicht das Malerische. Eines Tages verstieg sich seine
Fantasie bis zum Italienischen in den Titeln seiner Stücke und er
characterisirte eines derselben mit dem Beiworte »plintivof 1 ein
Wort, welches, wie wir befürchten, schwerlich von der Akademie
in Florenz anerkannt werden wird. Als der Zweifel und der Selbst-
tadel über ihn kamen, da war es zu spät, das Wort war bereits
gestochen! Leicht hätte er sich nach ungarischer Mode (er ist in
Pest geboren) Heller Istvan nennen können; allein wenn er
auch das Malerische Hebt, so hasst er dagegen alles was nach
Affectirtbeit aussieht, und so ist er denn Stephen Heller ge-
blieben
Stephen Heller wird einst seinen Biographen finden; seine
Werke werden im Ganzen wie im Einzelnen gewürdigt werden;
man wird den richtigen Massstab geben für die Beurtheilung des
thatsächlicben Einflusses, den er auf die Kunst für das Ciavier zu
schreiben ausgeübt hat. Bis die Meister der Kritik diese Aufgabe
erfülleu, haben wir uns einen kleinen Eingriff in ihr Fach erlaubt,
in der Hoffuung, sie werden dadurch aufgestachelt, recht bald den
Schaden, den wir ihnen zugefügt haben, auf die der Kunst am mei-
sten zum Nutzen gereichende Art zu repariren sich herbeilassen.
Charles Banne Her.
►♦**<
CORRESPONDENZEN.
JL ii s München.
5. November.
Der Cyelus der Münchener Concerte begann mit einem Coucert,
dessen Ertrag den neugegrüudeten hiesigen Kindergärten zu Gut
kommen sollte. Es galt also nur ein möglichst grosses Auditorium
in den Odeonsaal zu bringen und desswegen wandte sich der Aus-
echuss des Vereins zur Gründung von Kindergärten nur an solche
Mitglieder der Künstlergesellschaft Münchens, von denen er wusste,
dass bie als Magnet gelten und als Lieblinge des Publikums ver-
ehrt werden. Es war den Einzelnen, welche ihre Mitwirkung zu-
sagten, vollständig freigestellt, womit sie vor das Auditorium treten
wollten, und darum verwunderten wir uns nicht darüber, dass eiu
echtes Syrup- Programm zu Stande kam, dessen Ausführung jedoch
bei dem ausserordentlich zahlreichen Publikum ungewöhnlichen Bei-
fall gewann. Mehrere Nocturnes, ein halbes Dutzend Lieder von
Schubert, dann solche von Lachner, Weber und Kiel, Salonvirtuo-
senkunststücke auf dem Ciavier u.dgl. reihten sich aneinander und
brachten vieles Vergnügen und allgemeines Genügen — und damit
war der Zweck erreicht, der ja eigentlich ohnehin in erster Reihe
kein künstlerischer gewesen war.
Auch die musikalische Akademie hat ihr erstes Concert hinter
sich. Es führte nur Compositionen von Beethoven vor, unter ihnen
einen hier bisher vollständig uubekaunten Militärmarsch D-dur
(componirt 1816), eine für den Concertsaal fast zu lärmende, sonst
aber durch die Originalität ihrer Klangeffecte auffallende Composi-
tum. Hr. Jos. Venzl spielte die Romanze für Violine F-dur Op 50
(comp. 1802), jedoch nicht mit dem Erfolg, den wir dem fleissigen
Künstler gewünscht hätten. Dieses feine Tonstück verlangt aber
Tor Allem grossen Ton und schwungvollen Vortrag und gerade das
-sind die beiden Vorzüge eines Violinspielers, auf welche Hr. Venzl
nicht in vollem Masse Anspruch machen darf. Das bekannte Terzett
„Tremate, empi tremate" für Sopran, Tenor und Bass, Op. 116
(comp. 1801) wurde sehr matt gesungen, zumal Hessen die Einsätze
des Tenor viel zu wünschen übrig: diese Nummer war in jeder
Beziehung unbedingt die schwächste des Concerts. Hr. v. Bülow
legte in den Vortrag des fünften Clavierconcertes Es-dur Op. 73
(comp. 1809) Allegro, Adagio und Rondo und den Variationen in
F Op. #4 (comp. 1802) seine volle Meisterschaft im Clavierspiel
dar. Ist schon seine Technik von ganz ausserordentlicher Tüchtig-
keit und Solidität, so wird der Werth derselben durch den Ernst
der geistigen Arbeit noch erhöht, mit welchem der Künstler an seine
Aufgaben herantritt. — An orchestralen Compositionen hörten wir
diesen Abend unter ßülow's Direction die Ouvertüre zu „Leonore"
C-dur Nr. 1 (comp. 1805) und die siebente Sonfonie A-dur Op. 92
(comp. 1812).
R. Wagner's „Meistersinger " gingen am letzten Dienstag bei
eiuer Besetzung mit lauter Mitgliedern der Münchener Oper in
Scene. Hauptsächlich waren es die Partien des Beckmesser und
des Hans Sachs, auf deren Durchführung mau gespannt war (erstere
war in den Händen des Herrn S i g 1 , letztere in denen des Herrn
Kinder manu!) Was die früheren Träger dieser Partien (die HH.
Holze 1 von Wien und Betz von Berlin) in denselben an Spiel
und Vortrag gezeigt hatten, wurde benutzt, theils wenn es empfeh-
lenswerth war, um es nachzuahmen, theils wenn es den Massstab
der Kritik nicht vertrug, um es zu beseitigen. Und wir müssen
gestehen, dass wir zumal durch die Leistung des Hrn. Sigl als
Beckmesser bei weitem mehr befriedigt wurden als früher der Fall
war, wo Hr. Hölzel die Partie übertrieb und aus dem Merker der
Nürnberger Meisterzunft eiuen Cretin zu machen sich bemühte.
An dem Abend störte es nur, dass Frl. Mailing er, die sich in
schwierigen Contractunterhandlungeu mit der Intendanz befand, sich
veranlasst fühlte, indisponirt zu sein, weswegen sie ihre ganze Par-
tie nur markirte.
Zum Schlüsse meines heutigen Berichtes lassen sie mich etliche
sinnstörende Druckfehler berichtigen, welche in meinem Bericht über
den „Ersten Tag des Glücks" zu finden sind: Seite 167 Spalte 2
Zeile 45 v. u. steht „phantastisch sich erhebenden;" das muss beis-
sen „plastisch sich erhebenden." Seite 168 Spalte 1 Zeile 13
steht „schon dieser Stimme wegen," ich bitte zu lesen „schon die-
ser Nummer wegen." In derselben Spalte Zeile 4 muss es heis-
sen statt „Probe" — „Proben." Ue-brigens quittire ich schon im
Voraus den wegen meiner schlechten Schrift richtig empfangenen
Tadel der Redaction.
Aus € 5 1 n.
Am 20. October wurde unsere musikalische Saison mit dem
ersten Gesellsubafts- Concert im Gürzenich unter Ferd. Hiller's
Leitung eröffnet. Dasselbe begann mit Mendelssohn^ Ouvertüre
„Meeresstille und glückliche Fahrt," welche in vorzüglicher Weise
executirt wurde. Hierauf sang Hr. Carl Wallenreiter aus Lon-
don eine Arie des Lucifer aus Händers „Resurrezione" vor. Diese
Arie wurde hier wohl zum ersten Male gehört und zählt zwar nicht
zu dem Grössten, was HändeJ in dieser Art geschaffen , lässt aber
doch die „Löwenklaue" unfehlbar erkennen und fordert einen tüch-
tigen Sänger. Hr. Wallenreiter zeigte sich der Aufgabe im ganzen
gewachsen, seine schöne und gut geschulte Stimme unterstützte ihn
bei seinem Unternehmen vortrefflich, obwohl er nicht ganz disponirt
zu sein schien und auch die schwierigen Coloraturen bewältigte er in
anerkeunenswerther Weise. Hr. Besekirsky, Violinvirtuose aus
Moskau, trug ein Concert mit Orchesterbegleitung von eigener Com-
positiou vor. Die Composition selbst ist eiu recht schätzenswerther
Beitrag zur einschlägigen musikalischen Literatur und beweist,
wenn auch nicht gerade grosse Originalität der Erfindung, so doch
eine gewaudte Factur und wird, wie hier, so auch anderwärts ge-
fallen, wenn sie von einem tüchtigen Virtuosen vorgetragen wird.
Als ein solcher hat sich denn auch der Componist bewährt, wenn er
auch vielleicht nicht gerade in die allererste Reihe unserer heutigen
Meister auf der Violine zu stellen sein dürfte. Das Publikum nahm
sein Werk uud sein Spiel mit entschiedenem Beifall auf. Hierauf
folgte eine neue Composition vou Ferd. H i 1 1 e r : „Eine Prophezeiung
- 183
des Jesaja," für Bariton-Soli, Chor und Orchester (Manusoript). Die-
ses Werk war für das diesjährige Musikfest bestimmt gewesen, kam
aber dair&ls nicht zur Aufführung. Es enthält des Schönen gar
Vieles, insbesondere sind die Chöre von vortrefflicher Wirkung, die
noch grösser sein würde, wenn nicht unbestreitbar gewisse Längen
dieselbe etwas abschwächten. Die Aufführung war eine nach jeder
Seite hin vollkommen gelungene.
Den Schluss des Concertes machte die herrliche A-dur-Sinfonie
von Beethoven, welche sich einer äusserst schwungvollen Aufführung
und daher auch des lebhaftesten Beifalls zu erfreuen hatte. Man-
chem erschien das Tempo im D-dur-Trio des Scherzo etwas zu lang-
sam genommen, doch darüber lässt sich streiten und die Gesammt-
Wirkung war, wie gesagt, eine vollkommen günstige und erfreuliche.
Aus W i e ii.
Die Opernzustände, die sich hier monatelang ziemlich gleich-
förmig fortschleppten, wurden endlich durch die Novität „Mignon"
förmlich aufgeschreckt Derselben soll weiter unten noch gedacht
werden ; hier folgt vorher die Uebersicht über deu Monat October,
in dem sich 9 Componisten in 22 Opernabende theilten. Meyer-
beer, Gounod und Thomas hatten je 4 Abende, Douizetti 3, Verdi
und Bossini je 2, Mozart, Beethoven und Wagner je 1 Abend So
karg die Letzteren bedacht waren, standen sie doch noch im Vor-
theil gegen Gluck, der seit Anfang des Jahres gänzlich zur Ruhe
verwiesen ist. Es ist nun gerade ein Jahr, dass die „Iphigenie in
Aulis" aus ihrem 50jährigen Schlummer geweckt wurde. Es geschah
viel Aufhebens damit; man sprach auch schon von „Orfeo" und von
„ Armida," die folgen sollten. Wahrscheinlich sind sie für das neue
Haus aufbewahrt, die jetzige bequeme Ausrede für jede Lücke im
Eepertoir. Mozart's „Figaro's Hochzeit" war die einzige Oper, diö
von ihm gegeben wurde ; das Theater war so voll , als handle es
«ich um eine Novität. Seit dem 1. Juli waren 5 Abende mit Mo-
zart besetzt, das ist bescheiden genug. Seine „Entführung aus dem
-Serail" war im Mai zugesichert, fand aber nicht den Weg auf die
Bühne. „Idomeneus!" wer von der jetzigen Generation Wiens kennt
4äie ? Waguer war nicht glücklicher; nach vielen Hiudernissen fand
noch eine Wiederholung seines „Lohengriu" statt. Jetzt ist wieder
Alles still. Und doch zeigte das Publikum Theilnabme genug, ob-
wohl die Rollen Lohengrin und Ortrud nicht vortheilhaft besetzt
waren. Frau Wilt liegt der Part zu tief und Hr. Walter erhielt
nicht genug Beifall. So glaubte die Directton wohl bessere Tage
abwarten zu müssen. Natürlich war da auch nicht an „Rienzi" zu
denken, den Wien nur aus Berichten von auswärts kennt. Nun
werden uns noch die Mailänder darin den Rang ablaufen. — Die
in diesem Monat ihren Rundgang haltenden Opern „Faust," „Romeo*
und „ Afrikaner! n tf wurden schon unerträglich, für das Publikum so-
wohl als auch für die Sänger. Es war höchste Zeit, eine Abwechs-
lung zu bringen, die denn auch mit der Oper „Mignon" von Thomas
<lem Repertoir eine neue Wendung gab. Eine grössere Spieloper
war obendrein dem Publikum völlig fremd geworden und es staunte
um so mehr, als darin die Darsteller sich so vortheilhaft bewegten
■und sogar den Dialog mit anscheinender Leichtigkeit überwältigten.
Nach dem Ableiern der müde gehetzten grossen Opern darf man es
dem Publikum auch verzeihen, wenn es sich den Tanzrhythmen,
mit denen „Mignon" ganz gehörig ausgestattet ist, nur zu willig
hingab. Auch die abermalige Versündigung an einem Werke un-
serer grossen Dichter scheint man leichter hinzunehmen, mürbe ge-
macht durch ähnliche Versuche. Der günstigen Aufnahme nach
wird sich „Mignon" eine gute Weile halten; hoffentlich wird mit
ihr der komischen Oper überhaupt die lange verschlossene Pforte
geöffnet bleiben. Volles Lob verdient die Darstellung dieser Novität.
Fräul. E h u n als Mignon gab abermals den Beweis, dass sie mit
jeder neuen Rolle vorwärts zu streben trachte; namentlich auch im
Spiel zeigte sie die denkende Künstlerin. Herr Walter als Wil-
helm Meister fand sich in seiner neuen Sphäre vortrefflich zurecht
und auch die übrigen Betheiligten : die HH. Mayerhofer (Laertes),
Beck (Lothario) und Frl. v. Rabatinsky (Philine) sind mit An-
erkennung zu nennen.. Der erste Act, in kecken Zügen hingewor-
fen, gefiel auch hier am meisten; dem zweiten und mehr noch dem
•dritten Act hätte der Rothstift vou vornherein nur wohlthätig sein
können. — Die ärgerliche Geschichte mit dem Contractbruch de*
Frl. Benza zeigt wieder die Schäden unsere Theatersystems. Bei
solch ehrlosem Beginnen ist jeder Contract eine Illusion. Mass ein
Publikum dem sich eine, ihre Verpflichtungen vergessende Sänge-
rin an den Hals wirft, nur weil es mehr zahlt, nicht jeden Augen-
blick gewärtig sein, dass ihm mit gleicher Münze gedient wird? Man
ist dieser Sängerin hier mit Theilnabme in ihrem Vorwärtsstreben
gefolgt, man hat ihr Gelegenheit gegeben , ihr Talent zu entfalten,
man hatte ihr freiwillig Gehaltszulage gegeben; überdies stand der
Ablauf ihres Contracts in nicht weiter Ferne. Und nun Verschwin-
det das Fräulein plötzlich; lässt es darauf ankommen, dass man
ihrer Entfernung „interessante" Gründe unterlegt; begehrt aus ihrem
Versteck ganz naiv ihren Gehalt an eine dritte Person ausbezahlt
und erscheint dann unerwartet am Mailänder Theaterhimmel als
engagirt, während sie der hiesige Theaterzettel bis zur Stunde noch
unter den Beurlaubten nennt. Die Schadenersatzklage gegen Frl.
Benza ist nun im Wege des Ministeriums des Aeussern an ihren
Bestimmungsort abgegangen. Was aber frommt ein solcher Ersatz.
Muss die Direction nicht in steter Besorgniss sein, Hrn. X. oder
Frl. Y., wenn ihnen der Beifall die Köpfe verdreht, nach Nord oder
Süd entführt zu sehen? Uebrigens ist die Lücke, die FrL Benza
zurückgelassen, nicht so bedenklich, dass sie nicht auszufüllen wäre,
und für unersetzlich wird sich wohl auch dies Fräulein nicht ge-
halten haben.
Den zahlreichen Festen aller Art, mit denen Wien in diesem
Jahr so reich bedacht war, schloss sich im verflossenen Monat die
25jährige Jubelfeier des Männergesan g- Vereins an. Die
Feier theilte sich in einen Begrüssungsabend der verschiedenen De-
putationen zahlreicher Gesangvereine, Uebernahme der Ehrenge-
schenke und Auszeichnungen , unter denen die von der Stadt Wien
verliehene grosse goldene Salvator - Medaille obenan steht; in Auf-
führung einer Messe in der Kirche ; einem Festconcert im grossen
Redoutensaal, Grundsteinlegung des Schubert -Monuments im Stadt-
park und einer grossen Liedertafel. In dem Festconcert hatten,
dazu eingeladen, Lachner, Liszt, Esser, wie auch die beiden Chor-
meister des Vereins, eigens neue Compositionen geliefert; zwei
Nummern aus einer unvollendeten Oper von Schubert, von Herbeck
ausgearbeitet, gehörten ebenfalls zu den Neuigkeiten. Die meisten
dieser Compositionen zeigten das Bestreben, etwas zu liefern, das
über die Alltagsliteratur des Männergesangs hinausragt. Obgleich
für sich werthvoll und interessant, kennzeichnete sich in den ein-
zelnen Nummern der Standpunkt, den die Natur dem Männergesang
angewiesen und über welchen ßich nicht leicht schreiten lässt.
Herbeck 1 * „Waldscene," voll geistreicher Details, war mehr durch
die orchestrale Färbung von Bedeutung; „Muhameds Gesang" von
Esser, eine breit angelegte Composition , lehnt sich an die besten
ähulichen Sachen Mendelssohns. Chor und Orchester sind gleich
reich bedacht und eben nicht leicht in der Ausführung; auch will
das Werk öfter gehört sein. Lachner's „Abendempfindung" ist in
entsprechend sentimentaler Stimmung gehalten. Der 18. Psalm von
Liszt ist kräftig aber wenig erwärmend ; „Ukrainisches Ständchen*
von Weinwurm, anspruchslos und gefällig, hat den richtigen Ton
angeschlagen, den die grössere Menge vom Männergesang bean-
sprucht; obwohl von weniger innerlichem Gehalt, schlug es gleich
ein. Die ganze Feier wurde genau nach dem Programm ohne Stö-
ruug abgebalten und zeigte von umsichtiger Leitung.
(Schluss folgt.)
Nachrichten.
Mainz. Am 6. November gab der „Verein für Kunst und Lite"
ratur" sein erstes Concert in dieser Saison im Saale des Frankfur-
ter Hofes uuter Mitwirkung der Violinistin Frl. Therese Liebe aus
Paris, der Harfenistin Frl. Helene Heermann aus Baden -Baden,
der Frau Capellmeister Weissheim er, des Violoncellisten Hrn.
Louis Lübeck aus Frankfurt und unter der Leitung des Herrn
Nicolaus Soltans. Das Programm lautete: Trio (B-dur, Op. 97)
für Pianoforte, Violine und Violoncell von Beethoven, (die HH. Sol-
tans und Lübeck und Frl. Liebe); Fantasie für Harfe von Parish-
Alvars, (Frl. Heermann); der 23. Psalm für eine Singstimme mit
— 184
Begleitung von Harfe und Melodium von Fr. Liest, (Frau Weiss-
heimer, Frl. Heermann und Hr. Soltans); 1. Satz ans dem Violin-
Concert von Mendelssohn, (Frl. Liebe); Sarabande von S. Bach
und Etüde von Dnport, (Hr. Lübeck); zwei Lieder von Schubert,
(Fr. Weissheimer) ; zwei Salonstücke für die Harfe, (Frl. Heermann) ;
Fantasie für Violoncell von Servals, (Hr. Lübeck) und Fantasie
über »Die Stumme* für Violine von Alard, (Frl. Liebe). Leider
waren wir durch Unwohlsein verhindert, dem Concerte beizuwohnen,
können aber nach Mittheilungen von competenter Seite constatiren,
dass nicht nur das vortrefflich aasgeführte Trio mit grossem Beifall
aufgenommen wurde, sondern auch die nachfolgenden verschiedenen
Sololeistungen sich der wärmsten Aufnahme von Seite der zahlrei-
chen Zuhörerschaft zu erfreuen hatten. Frl. Liebe befestigte die
bei ihrem frühern Auftreten errungene allgemeine günstige Ansicht
über ihre vorzügliche Begabung und hohe technische Ausbildung;
in Frl. Heermann begrüsste das Publikum zum ersten Male ein sel-
tenes Talent und ihre vollendete Virtuosität gewährte einen in seiner
Art einzigen Qenuss. Hr. Lübeck wird hier schon länger als Mei-
ster auf seinem Instrumente verehrt und auch das, wie man uns
meldet, etwas schüchterne Auftreten der Frau Weissheimer fand
die freundlichste Aufmunterung. Hoffentlich wird Hr. Soltans, der
selbst am Ciavier und Melodium in ausgezeichneter Weise wirkte,
auch die künftigen Programme in gleich interessanter Weise zu-
sammenzusetzen bemüht sein.
Die „Liedertafel" beging am 7. November wieder einen ihrer ge-
selligen Abende, die, durch gastronomische und musikalische Genüsse
gewürzt, dem Humor uud der allgemeinen Heiterkeit ein so weites
und ergiebiges Feld einräumen, in der gelungensten Weise. Nicht
unerwähnt bleibe, dass dem seit 25 Jahren bei der Liedertafel an-
gestellten Vereinsdiener Daniel Werner bei dieser Gelegenheit
in Anerkennung seines stets unverdrossenen, redlichen Diensteifers
nach einer humoristischen Anrede des Vereinspräsidenten Herrn
Wallau ein Geschenk im Werthe von 300 fl. überreicht wurde.
Berlin. Frau Harriers-Wippern hat wegen Kränklichkeit
einen vierteljährlichen Urlaub erhalten, den sie zu einer Reise nach
dem Süden benutzen will.
Cassel. Der „Casseler Gesang-Verein," unter der Leitung des
Hm Richard Hempel, hat sich durch die Aufführung der »Jahres-
zeiten" von J. Haydn ein um so grösseres Verdienst erworben, als
dieses ewig jugendliche Werk des grossen Meisters seit fast drei
Decennien hier nicht mehr vollständig gehört wurde, und die Auf-
fuhrung selbst eine in jeder Beziehung lobenswerthe war. Nicht
nur die Chöre und das Orchester zeichneten sich durch Sicherheit,
Kraft und Frische rühmlichst ans, sondern auch die Soli, welche
sich in den Händen des Frl. Wlczeck (Sopran) und der Herren
Denn er (Tenor) und Blaue (Bass) befanden, wurde in trefflicher
Weise durchgeführt, so dass der Gesammteindruck ein überaus gün-
stiger war, wie auch die zahlreichen und überaus lebhaften Beifalls-
spenden von Seite des zahlreichen „Auditoriums bewiesen.
Wien. Auf dem prachtvollen neuen Hause der „Gesellschaft
der Musikfreunde" wird soeben der Dachstuhl aufgesetzt. Das nach
dem Plane von Hausen erbaute Gebäude enthält ausser den zahl-
reichen Administrations-Localitäten einen kleinen und einen grossen
Concertsaal, welch letzterer 3000 Zuhörer fasst, sich durch drei
Stockwerke erhebt und durch 40 Fenster von vier Seiten Tages-
beleuchtung erhält.
Paris. Das am 1 Nov. stattgehabte dritte populäre Concert
des Hrn. Pasdeloup hatte folgendes Programm : Loreley-Ouvertüre
von Wallace; Suite für grosses Orchester (Op. 101) von Joachim
Raff; Allegro un poco agitato von Mendelssohn; „Hymne" von
Haydn, für sämmtliche Streichinstrumente; C-moll - Sinfonie von
Beethoven.
— Vieuxtemps ist einige Tage hier gewesen und hat sich
sodann wieder mit der Ullmann'scben Concertgesellschaft auf die
Reise begeben, welche diesmal die bedeutenderen Städte Belgiens
.umfassen soll.
— Das Debüt des Sängers Roger als Schauspieler ist nicht
sonderlich glücklich ausgefallen, so dass der geschätzte Künstler
kaum auf dieser neuen Laufbahn beharren dürfte.
— Achtzehn Vorstellungen mit Mine. Patti in der italienischen
Oper haben der Direction 148,942 Frcs. eingetragen, was eine Durch-
schnittseinnahme von 13,449 Frcs. für jede Vorstellung ergibt.
London. Im vierten Samstagsconcert im Crystallpalast kam
folgendes Programm zur Aufführung: Ouvertüre zu „Fi gar o's Hoch-
zeit" von Mozart; Sinfonie Nr. 5 in Es-dur, Op. 97, von R. Schu-
mann; Variationen aus dem Streichquartett in D-dur von Haydn;
Ouvertüre zur „Stummen von Portici" von Auber; Arie »In diesen
heiligen Hallen" von Mozart und Lied „Die beiden Grenadiere" von
R. Schumann, gesungen von Hrn. A n g y a 1 f i vom Hoftheater in-
Hannover; Romanze von Benedict, gesungen von Hrn. Vernon
Riguy; Arie der Isabella aus „Robert der Teufel," gesungen von
Mme. Lemmens-S her rin gto n. Das fünfte dieser Concert»
brachte: Freischütz- Ouvertüre von Weber; Sinfonie in G-dur von
Haydn (mit dem Paukenschlag) ; Concert- Ouvertüre Nr. 2 in A-dur
von Ferd. Hiller ; Adagio uud Allegro für Violine von Spohr, vor-
getragen von Hrn. Sternberg; Concertarie von Mendelssohn und
Arie mit Violinsolo aus der Oper „Der Zweikampf" von Herold,
vorgetragen von Frl. und Hrn. Sternberg; Arie aus „Orpheus"
von Gluck und Lied von Benedict, gesungen von Mine. Willi ams-
*#* Abbe 1 Liszt's Geburtsfest wurde am 22. October in Rom
sehr hoch gefeiert. Nach einer Morgenandacht in der Kirche San
Andrea delle Fratte fand um 11 Uhr Vormittags im Doria- Palaste
von demCavaliere Roccotti veranstaltet eine glänzende Akademie
unter Mitwirkung der ausgezeichnetsten Künstler zu Ehren Liszt's
statt, bei welcher dieser selbst den Ciavierpart übernommen hatte.
Gegen Abend versammelte Liszt eine Anzahl seiner Freunde und
Verehrer bei sich, bei welcher Gelegenheit verschiedene Compost-
tionen von Liszt und Chopin vorgetragen wurden.
*** Der Violinvirtuose Camillo S i v o r i hat vom Könige von
Italien den Orden der italienischen Krone erhalten.
*** A. Rubinstein concertirt mit ausserordentlichem Beifall
in Berlin.
4
*** Das Central-Comite des Nordamerikanischen Sängerbünde»
hat anlässlich des grossen Sängerfestes in Chicago die Dichter
Müller von der Werra, Emil Ritterhaus und den
Componisten S. Reichardt „wegen ihrer Verdienste um den
deutschen Männergesang durch Dichtung und Compositionen" mit
goldenen Sängerorden, in kunstvoller und sinnreicher Weise ausge-
führt, decorirt.
*** Zum Dirigenten des im nächsten Jahre in Düsseldorf
stattfindenden 46. niederrheinischen Musikfestes ist Hr. Hofcape 11-
meister Julius R i e t z in Dresden gewählt worden.
*** Der Director des Theaters an der Wien, Hr. Friedrich*
Stampfer, hat vom Sultan den Medschidje-Orden erhalten.
ANZEIGEN.
ZUR NACHRICHT.
Im Verlage der Unterzeichneten erschienen:
Tailliert, W. 25 Variationen über ein Originalthema für gros-
ses Orchester. Op. 161
Partitur in 8* . . . fl. 5. 24 kr.
In Stimmen • . • . „ 9. 36 ,,
Für das Pianoforte zu 4 Händen „ 3. 36 „
Wagner, K. Die Meistersinger von Nürnberg. Oper in 3 Acten-.
Vollständige Orchester-Partitur n. fl. 60.
Unter der Presse befinden sich:
ljaelllter, Fr. Suite N* 5 in 5 Sätzen für grosses Orchester*
(N* 1. Introduction und Allegro, N* 2. Menuetto, N* 3. Andante,.
N # 4. Scherzo, N° 5. Finale). Op. 136.
Partitur und Orcbesterstimmer*..
Für das Pianoforte zu 4 Händen.
Raff, J. Symphonie N°2 in C-dur für grosses Orchester. Op 14(K
Partitur und Orshesterstimraen..
För das Pianoforte zn 4 Händen.
Hlller, Ferd. Frühlingsnacht. Gedicht von Immergrün, für
4 Solostimmen (Sopran, Alt, Tenor und Bass) mit Orchester-
begleitung. Op. 139.
Ciavier- Auszug. Partitur und Orcbesterstimme»..
Mainz, October 1868.
B. Schotts Söhne.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
i\°~ 49.
23. November 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co.
* PREIS: ?
Jfl.2.42kr.od.Th.l.l8Sg.
i für den Jahrgang.
j Durch die Post bezogen:
l 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. =
INHALT: Frankfurter Briefe. — Corresp.: Wien. Stuttgart. Berlin, Paria. — Joachim Rossini, f — Nachrichten.
Frankfurter Briefe.
(Vom 10. November.)
Herr Musikdirector Eliason, welcher es trefflich versteht,
pikante Concerte zu arrangiren, gab am 31. October im Saale des
Hotel de Vunion sein erstes sehr besuchtes Winterconcert, in wel-
chem die talentvolle Sängerin Frl. Sessi vor ihrer Abreise nach
Berlin die letzten Triumphe feierte.
Drittes Museumsconcert, den 6. (November : Duo (Op. 140 in
C-dur) von Fr. Schubert, für Orchester eingerichtet von Joseph
Joachim; nachcomponirte Arie zu „Figaro's Hochzeit" von Mozart,
gesungen von Frau Araalie Joachim; Concert für die Violine von
Beethoven, vorgetragen von Hrn. Concertdirector J. Joachim;
„An die Leyer" von Fr. Schubert und „Dunkel, wie dunkel" von
J. Brabins; Lieder, gesungeu von Frau A. Joachim; Solovortrag
des Hrn. J. Joachim: „Barcarole" von Spohr und „Sarabande*
und „Bourre'e" von Seb. Bach. Zum Schluss: Ouvertüre zu der
Oper „Euryanthe" von Weber.
Die Aufführung des schon vom Componisten orchestral an-
gelegten und von Joachim vortrefflich instrumentiiten Schumann' -
schen Duos wird immer einen gewissen Erfolg erzielen; allein im
Princip sind derartige Umaibeituugcn nicht sehr zu rechtfertigen,
am allerwenigsten aber sind sie geeignet, eine Sinfonie zu ersetzen,
wie es heut geschah. Zudem war auch die heutige Aufführung
keine sehr gelungene. Die Unterabteilungen »1er Celli und der
»weiten Violine brachten einige Notonfigureu nicht zur vollen Gel-
tung; die Posauneu und Pauken traten zu dominirend auf und die
Körner intonirten im Andante zu tief. Die von Frau Joachim
vorgetragenen Gesaugspigcen waren eiu neuer Triumph ihres herr-
lichen Talents. Hr. Joachim spielte das Beethoven'sche Violincou-
cert, sowie die Barcaroh und Sarabande mit unübertrefflicher
Meisterschaft. Leider setzte der Fagott im Violincoucert sehr stö-
rend unrichtig eiu. In der Ouvertüre wurden die Tempi vergriffen.
Das erste Attegro con fuoco trat als eiu gewöhnliches Allegro
auf, dessen schwerfälliger Aplomb die beabsichtigte Wirkung sehr
fühlbar beeinträchtigte. Das mysteriös -säuselnde Largo mit den
gedämpften Violinen ging beinahe im Andante-Tempo zu rasch vor-
über und das annähernd richtige Tempo des zweiten Allegro trat
erst gegen das Eude der Ouvertüre mit dem vollen Es-dur ein.
Am 9. November gab unser Theaterorchester mit gütiger Un-
terstützung von Frau und Hrn. Concertdirector Joachim , Hrn.
Generalrausikdirector Franz Lacbuer aus München und mehrerer
hiesigen Künstlern zum Besten seines Wittwen- und Waisenfonds
im Saalbau ein grosses Vocal- und Instrumental- Concert, welches ein
Muster - Concert geuannt zu werden verdient. Herr Capellmeister
Iguaz L a c h n e r eröffnete dasselbe mit Cherubiui's herrlicher
Ouvertüre zu „Auacreou." Hierauf sang Frau A. Joachim mit
sympathischer Stimme und mit all dem Zauber, welchen uns die
Macht des Gesanges offenbart, „Weltliche Cantate B von Marcello
uud Arie aus der Oper „Orpheus" von Gluck. Hr. Joachim spielte
(zum ersten Male) das äusserst schwierige Violincoucert von M.
Bruch mit staunenerregender Bravour. Hr. Capellmeister Go Her-
mann dirigirtc dasselbe mit der ihm eigenen Präciaion und dem
feinfühligen Eingehen in die zartesten Nuancen Ferner spielte —
oder richtiger gesagt — sang Hr. Joachim auf seiner Violine „Ro-
manze" in F-dur von Beethoven und „Abendlied" von Schumann.
Das Auditorium belohnte das glänzende Doppelgestirn Joachim mit
dem enthusiastischsten Beifalle.
Als zweiter Theil des Concerts kam die neueste aus 5 Sätzen
bestehende Suite (Manuscript) Nr. 5. für grosses Orchester von
Franz Lach n er, unter des Compouiäten persönlicher Leitung, zur
Aufführung. Dieses geniale Werk, bei dessen Vorführung Dirigent
und Orchester in der innigsten Wechselwirkung standen , machte
auf das überaus zahlreiche Auditorium einen so begeisternden Ein-
druck, dass Hr. Lachner, schon bei seinem Erscheinen am Direetious-
pulte vom Publikum und Orchester freudigst begrüsst, sowohl nach
jedem einzelnen Satze, als namentlich nach dem Finale mit einem
nicht endend wollenden Beifallssturm überschüttet wurde. Ein fri-
scher I.orbeerkrauz, den ihm das Orchester widmete, möge ihm den
Triumph, den sein Genius an jenem Abend feierte, noch oft. ins
Gedächtnis^ rufen.
Lachner arbeitet in seiuer Domäne, die er sich durch die Cre-
irung der modernen Orchester Suite geschaffen hat, rüstig und unge-
schwächt fort, wie sein fünftes Werk dieser Gattung zur Genüge
beweist; ja es scheint, dass die reichliche Müsse, welche ihm durch
die Enthebung von allen Dienstgescbäften zu Theil geworden ist,
sein Schaffens-Vermögen noch gesteigert , seine geistige Elasticität
und seine Eifinduugsgabe noch erhöht hat. Wenigstens ist seiue
5. Suite ein so durchaus frisches , trotz des überaus kunstreichen
Baues überall so klares und verständliches, Geist und Gern ütb gleich-
^mässig anziehendes und befriedigendes Werk , dass man demselben
seine vier vorgebornen Geschwister gar nicht anmerkt und dem
Componisten im Voraus ermuntern möchte, das halbe Dutzend nor'-
vollends zu completiren. Das Werk besteht, wie schon erwähnt,
aus 5 Sätzen. 1) Introduciion und Allegro, 2) Menuetto, 3> An
dantino con moto (Canon), 4) Scherzo, 5) Finale. Eine ausführ-
liche Analyse des ganzen Werkes würde den uns gestatteten Raum
in Ihrem Blatte überschreiten, darum nur einige kurze Bemerkungen.
Die einzeiueu Sätze, von verschiedenartigem Character, haben zwar
nicht wie in der Sinfonie einen logischen inneren Zusammenhang,
aber sie stehen in einer wahrhaft reizenden Wechselwirkung neben-
einander und gerade in dieser Vielseitigkeit des musikalischen Aus-
drucks, sowie der rhythmischen- uud Klangwirkungen liegt die
Stärke unseres Meisters, der mit einer äusserst natürlichen und von
aller Gesuchtheit freien Erfindungsgabe eine Beherrschung des Or-
chestralen und eine Leichtigkeit und Gewandtheit in der Handha-
bung aller Künste des Contrapunctes verbindet, wie sich deren
wohl heutzutage kaum ein anderer Componist dürfte rühmen kön-
nen. Einen Beweis dafür hat Lachner wieder im 3. Satz seiner
Suite mit dem wundervoll gearbeiteten Canon ä Votlava für Violine-
und Viola-Solo, (Es-dur) (von Hrn. Joachim und dem Orchestermit-
gliede Hrn. E. Welcker meisterhaft gespielt), und durch die in»
— 186 -
finale mit unwiderstehlicher Gewalt dabiobrausende prächtige Fuge
geliefert. Aus diesen beiden Sätzen allein könnte schon mancher
unserer modernen Himmelsstürmer sich etwelche solide Stufen für
seiue Jacobsleiter holen. Der erste Satz (C-moll) beginnt mit einer
kurzen, spannenden Einleitung, welchem ein durch energischen
Schwung und kräftigen Rhythmus packendes Jlllegro, mit einem
gar hübschen, gegensätzigen Mittelsatze folgt. Das Menuetto in
Odur mit seinem einschmeichelnden Motive ist von reizender Wir-
kung, welche durch das originelle Trio (F-dur), von den Blasinstru-
menten allein eingeführt, noch gesteigert wird. Vielstimmiger
da capo- Ruf erscholl nach diesem Satze, dem leider keine Folge
gegeben wurde. Folgt nun der oben schon erwähnten Canon für
Violine und Viola, voll melodischen Reizes und von dem Orchester
iu zartester Weise begleitet. Auch das Scherzo (G-moll) fesselt
durch die äusserst kunstreiche und doch so fliessende Verarbeitung
der au und für sich sehr einfachen Motive und erhielt ebenfalls
rauschenden Beifall. Für den Kenner bildet nächst dem Canon des
3. Satzes die Fuge des letzten Satzes die würdigste Krone des gan-
zen Werkes. Die Aufführung war eine in allen Theilen und in
jeder Beziehung vollendete und zeugte nicht nur für die hohe Lei-
stungsfähigkeit unseres Orchesters, sondern auch für den liebevol-
len Eifer, mit dem es für seine schöne als schwierige Aufgabe
durchdrungen war, wofür demselben die vollste Anerkennung gebührt.
Meister Lachner aber wünschen wir noch viele Lebensjahre in un-
geschwächter geistiger und körperlicher Kraft, der edlen Kunst zum
Nutzen, seiuen vielen Freunden und Verehrern zur aufrichtigen
Fronde!
CORRESPON0LNZEN.
Aus W i c 11.
(S eh 1 u s s.)
Seit seinem Bestehen ist der Verein 234 mal bei verschiedenen
Gelegenheiten aufgetreten. Die Einnahmen in der Zeit seines Be-
stehens betrugen 100,271 , die Ausgaben 96,947 Gulden. Der vom
Verein gegründete Schubert - Denkmal - Fonds hat eine Höhe von
30,600 Gulden erreicht; grössere Beiträge zu wohlthätigen und künst-
lerischen Zwecken betrugen 27,594 Gulden. Zahlreich sind die Aus*
Zeichnungen: Medaillen, Ehrcnpokale, silberne Kränze, Banner,
Fahnenbänder, Adressen, Diplome und Anerkennungsschreiben aller
Art, mit denen der Verein ausgezeichnet wurde. An seinem Banner
prangt die vom Kaiser verliehene grosse goldene Medaille mit der
Inschrift u Literis et arlibus. a Seine Chormoister waren der Reihe
nach: Ferd. Fuchs, Gust. Barth, Ant. Storch, Ferd. Steg-
mayer, Job. Schläger, Job. Herb eck, Fr. Mayer, Rud. Wein-
wurm. Die gegenwärtigen Dirigenten sind Joh. Herb e ck (Ehren*
Chormeister) und Wein wurm. Herbeck gehört dem Verein seit
dem Jahre 1856 au. Sowie der ehemalige Redacteur der Wiener
Musikzeitung, Dr. A. Schmidt die Ehre, den Verein gegründet zu
haben, für sich in Anspruch nehmen kann, so gebührt Herbeck das
Verdienst, den Vereiu auf seine jetzige Höhe gebracht zu haben.
Der Verein war aber auch daukbar; er diente Herbeck als Stufen-
leiter, auf der er seine jetzige Stellung erklomm — es war ein
gegenseitiges Geben und Empfangen. Die mit Aufgebot reicher
Mittel in Scene gesetzten Festtage der Jubiläumsfeier waren der
Glanzpunkt in dem thätigen Wirken des Vereins. Möge der Eifer
desselben nicht erkalten und er nicht dem Loose ähnlicher Vereine
verfallen, die sieh auf /ihrer Höhe nicht zu erhalten wussten, denn:
„Sich hinaufzuschwingen ist schwer — schweivr aber sich zu be-
haupten."
Die musikalische Saison eröffnen diesmal die „Philharmoniker"
mit ihrem ersten Coucert am 8. d. Mts. Das Programm nennt:
Ouvertüre zu „Meeresstille und glückliche Fahrt," Entreact aus
„Medea," „Fee Mab - von Berlioz, vierte Sinfonie von Beethoven.
Neu (für das heutige Wien wenigstens) ist davon nur die herrliche
Einleitung zum 3. Act der „Medea," die vielleicht doch die Direc-
tiou bei dieser Gelegenheit an eine Aufführung der Oper erinnern
wird, au der sie im Personal (obenan Frl. Ehnn) nur zuzugreifen
hätte. — Die „Gesellschaft der Musikfreunde," deron neuer Bau
bereits unter Dach gebracht ist, hat noch nicht ihr Concrfprogramm
veröffentlicht; Bach 's H-moll-Messe, Schümanns „Faust" und „Para~
dies und Peri," einer der grösseren Psalmen von Mendelssohn etc.
werden bereits vorbereitet.— Hellraesberger und Laub haben
ihre Quartette angezeigt; Frau Schumann wird Mitte November
erwartet. — Mozari's Denkmal auf dem St. Marxer Friedhof,
wiederholt von ruchloser Hand geiner Bronceverzierungen beraubt,
soll nun in Stein restuurirt werden. Die Fahrlässigkeit in Bewa-
chung der Friedhöfe bildet schon lange einen stehenden Hilfruf in
den Tagesblättern, ohne dass Abhilfe geschieht. Das entstellte Mo-
nument, eben jetzt am Allerseelentag, au dem der Friedhof von
Besuchern wimmelt, erweckte den Unwillen jedes Beschauers. Hun-
derte vou Kränzen vermögen diese, aus roher Gewinnsucht dem
Denkmal angethanene Schande nicht zu decken.
Aus Stuttgart.
Anfangs November.
T Das zweite Abouuemeuts-Concert unter Dopple r's Leitung
begann mit Weber'» auch im Concertsaale gar wirksamer Preziosa-
Ouvertüre. Hr. Bertram sang Spohr*s nachcompouirte F-dur-Arie
au „Faust," deren Erfolg durch das matte Tempo etwas beeinträch-
tigt wurde, Frl. Klettner zwei Lieder von Schumanu und Men-
delssohn, das letztere („Es weiss und räth es doch Keiner") mit
einer Innigkeit und Begeisterung, die auch kalte Fachmänner zu
herzlichem Beifall hinriss. Ein liebenswürdiger Pariser Gast, der
Pianist Saint-Saens, erfreute uns mit zwei eigenen Werken,
einem grossen melodiereichen und hübsch instrnmentirten Concert
in G-moll, wovon besonders der Scherzo und die Mittelpartie des
Finale allgemein ansprach, und einer sehr hübschen Fantasie über
Motive aus Gluck' 8 „Alceste," worin der Spieler all seine brillante
Technik entwickelte; auf die lebhaften Acclamationeu gab er noch,
wie in Leipzig, die Bach'bche Bourree in H-moll dazu. Wenig
behagte uns der Toa des von ihm mitgeführten Pleyd'bchen Flü-
gels; da klang denn doch das Schiedmayer'sche Instrument in der
orsten Kammermusikeoiree weit mächtiger und voller. Den zweiten
Theil füllte Mendelssohn's unvergleichliche Musik zum „Sommer -
iiaobtstraurn ;" das verbindende Gedicht, ein gar dilettantisches Mach-
werk, vermochte auch in eines Grunert's Munde nicht zu erwär-
men; dagegen zündeten wieder die Orcli esterstücke, wie Ouvertüre,
Scherzo, Noeturuo und Marsch, von der Capelle mit sichtbarer*Liebe
vorgetragen; uach dem sinnigen Schlüsse, wo der „Epigone" iu
einer fein gegriffenen Reminiscenz an „Oberon" seinem grossen Vor-
gänger Weber noch eine liebevolle Huldigung darbringt, löste sich
das allgemeine Wohlbehagen in lauten Beifallsrufen. - Im dritten
Abonnements-Concert hörten wir — eine Novität auf dem Continent
überhaupt — Costa'« Oratorium „Eli," zu desseu Direction der
Tondichter selbst vou London gekommen war. Wem es heutzutage
noch geliugt, zu einem Texte, der aus den gewöhnlichen, höchst
gleichgültigen Wechselroden biblischer Personen und den offic lösen
Preishymueu nicht hinauskommt, eine Musik au schaffen, die den
Hörer dennoch anzieht und befriedigt, so muss er ein tüchtiger Mei-
ster sein, und ah* solcher zeigt unser Componist sich bald durch
treffende Characteiistik, bald durch ungekünstelte Wahrheit und
Natürlichkeit; wenn aucii die Erfindung selten den Grad des in
England Gebräuchlichen und Beliebten übersteigt, ja nicht einmal
au das bei uns „interessant" Genannte streift, wenn auch nament-
lich die Fugen sich in abgenutzton Organistenphrasen ergehen , so
ist doch Factur und Ins'.rumentirung durchweg correct und wohl-
klingend; da« Publikum äusserte blonder» bei den sympathischen
Stellen des zweiten Theiles seine Achtung durch lebhaften Beifall.
Das Concert von Herrn und Frau B u s o n i (Clarinetto uud
Ciavier) iu der Liederhalle war sehr spärlich besucht, und hat das
Publikum in der That eine tüchtige Pianistin zu hören versäumt,
welche durch Kraft wie Fertigkeit ihrem Mailänder Lehrer Galli
alle Ehre macht. Bei der Clarinette war jener volle noble Tou zu
vermissen, welcher diesem Inatrumeute im Solovortrag unerlässlicb
ist. Frl. Bär manu sang einige Lieder, aecompagnirt von Herru
Pruckner, und Hess uns abermals bedauern, dass ein so bildsames
Stimmraaterial unserer Bühne entzogen werden soll.
Iu Cannstadt gab der „Schubert verein" unter Leitung von
Hrn. S tot z seiu fünftes Concert, wobei Chöre aus Gluck's „Orpheus"
- 187
und aus der schon erwähnten, weit verbreiteten Volksliedersamm-
lung „Stimmen der Heimath," dann verschiedene Gesangsoli zu ge-
lungenster Aufführung kamen.
Kritik „über Kritik" ist heutzutage um so mehr angezeigt, als
-das Abfassen einer guten Kritik ebenfalls eine Art von Kunst ist,
und darum halten wir es für Pflicht, die Recensionen unseres neueu
Kunstblattes „Freischütz" ihrer Unparteilichkeit, Sachkenntniss und
würdigen Haltung wegen lobend hervorzuheben. Auch Publicationen
jedes Musikverlegers findeu in diesem Journale eine vorurteilslose
Berücksichtigung und die anfängliche Befürchtung, es möchte das
neue Unternehmen alsbald ins Schlepptau einer Theaterclique ge-
rathen und zum Localblatt herabsinken, scheint bis jetzt durch Nichts
ffeiecbt fertigt.
A 11 s
erliu.
Das Berliner Musikleben hat sich im verwichenen October
seinem überwiegend grösseren Theile nach aus den Aufführungen
zusammengesetzt, welche in täglicher Wiederholung den Consutn
des Publikums an Musik hierselbst ausmachen ; ihre Anzahl ist seit
Bilse's Wiuderorscheinen im Concerthause, wo er als Sieger am
1. October einzog, wieder vollständig gewordeu. Es kann nicht
mehr bestritten werden , dass des Letzteren Concerte iu Bezug auf
die Vorzüglichkeit der orchestralen Leistung unter allen die bedeu-
tendsten sind. Die Lieb ig' scheu Concerte pflanzen sich noch
fort, gestützt auf die Tradition, die sie für sich haben, ihr Einfluss
ist gesunken, seitdem sie mit den anderen in den Mitteln der Aus-
führung nicht mehr rivulisiren können; Prof. Stern veranstaltete
vor October schon eine Anzahl grösserer Concerte ä la Bilse, mit
-einer bis auf 100 Mann verstärkten Capelle , die unter Anderem
-verdienstliche Aufführungen der C-moll-Stnfonie und von Schümann'«
Manfred-Ouvertüre aufzuweisen hatteu ; seine perennirendou Concerte
sind, was sie von vornherein waren, nicht weniger und nicht mehr
als ein Unternehmen von anständiger local-berlinischer Bedeutung;
nach der Inteutiou des Veranstalters soll auf sio ein höherer Glanz
von den periodischen Concerten zurückfallen, welche seinerseits alle
14 Tage in der Singacademie unter Mitwirkung virtuosischer
Solokräfte stattfinden, und in der Tbat können letztere ein künst-
lerisches Verdienst beanspruchen, die ersteren jedoch werden ebenso
wie die Liebig- Concertu an Bedeutung weit überstrahlt von dem
energischen Lichte, welches Meister Bilse den Berlinern und der
musikalischen Welt allabendlich im Concerthause anzündet. Frei-
lich ist auch diese Flamme nicht ohne Rauch, die Programme sind
nicht frei von weitgehenden Coucessionen an den Ungeschmack des
grossen Publikums; weun solche iu der That nöthig sind, um etwa
den Bestand des Unternehmens sicher zu stellen, so ist es anderer-
seits schwer, mit dem Coucerfcgeber darüber zu rechten, da er sonst
des Hochbedeutenden und Neuen so Vieles bringt, während die an-
deren Unternehmungen selten über das herkömmlich Beliebte hin-
ausgehen. Uud die Capelle ist womöglich noch vollendeter zurück-
gekehrt, als sie im vorigen Winter von uns gegangen war; man
hört, wie der enormen Sicherheit des Dirigenten nicht nur blinde
Gefügigkeit von Seiten des Spielers, sondern persönliches Talent
entgegenkommt. Wie vielen Dank die Berliuer Künstlerwelt dem
verdienten Manne schuldig sei, geht schon aus den Bereicherungen
des Repertoire hervor, von denen wir bisher Zeuge waren: die „Ni-
belungen" von Dorn, die Ouvertüre zu „Maria Stuart" von Vierling,
„Loreley- Paraphrase" von Naumaun, „König Lear- Ouvertüre" von
Bevlioz, Entreact und Vorspiel aus „Mignou" von Thomas, „Hymne
an die heilige Cäcilie" von Gounod, Beethoven's 9. Sinfonie und —
das Vorspiel zu Wagner's „Meistersingern." Prof. Stern hat es
gleichfalls aufgeführt, mit demselben Erfolge, nämlich — keinem.
Eine Besprechung des wichtigen Werkes liegt nicht im Bereiche
meiner Correspondenz, ich bin aber ohnehin der Meinung, dass die
Ursache der Erfolglosigkeit, abgesehen von dem herrschenden Vor-
urtbeil und der vorherrschenden Incompctenz der Hörer, die es hör-
ten, weder im Werke noch in der Ausführung liegt, sondern in dem
Umstände selbst, dass es zur Aufführung gewählt wurde. Es gehört
in keiueu Coucertsaal, in kein Programm. Ich erinnere mich eines
Aufsatzes in den „Grenzboten," welcher mit vielem Geschick die
Abhängigkeit des Hörers von der Grösse des Raumes deducirte; dt«
dyuamisulieu Wirkungen des Vorspiels erfordern einen noch grösse-
ren Raum als selbst das Concerthaus ihn bietet, geschweige denn
die Singakademie, uud ebenso stört das Folgen und Voraufgehen
stylverschiedener Stücke die Betrachtung, die Aufnahme von Seiteo
des Hörers. Man lächelt, auf dem Programme, zur Beruhigung
derer , euphotiici^ nach dem Vorspiel die Serenade von Haydn zn-
erblichen. Die Annahme, dass bei allen Vorzügen des Werkes die
grotesken Züge desselben wegen ihrer unentbehrlichen Beziehung
auf das folgende Drama noth wendig zur Unverständlichkeit führen,
halte ich nicht für stichhaltig; au und für sich mindestens ist es
nicht unmöglich, grotesk und musikalisch zu wirken, das Groteske
in tonkünstlerischer Form hervorzubringen, d. h. ohne den Schwer--
punkt der Bedeutung des Kunstwerks ausserhalb seiner selbst zu
verlegen — und dass es nöthig sei, eben so grotesk zu wirken,
rousste einem Componisten, der die Reflexion, auf deutsch die Ueber-
legung nicht spart, der erste Schritt in derselben zeigen. Zugege-
ben, dass das eigentlich Komische in der Musik unmöglich sei, weil
seine Wirkung auf einem Vergleich zwischen dem Object und einem
anderweitigen Begriffe beruht, — warum sollte das Groteske, wel-
ches gänzlich im Gebiet der Anschaulichkeit liegt, aus dem Bereich
der Tonkunst ausgeschlossen sein ? Wegen ihrer Würde ? Welches
ist diese besondere Würde? Haben nicht Malerei, und selbst die
Plastik, der man die Würde nicht absprechen wird, das Groteske
längst in ihre Grenzen aufgenommen? Ffaec hactenus. —
Carl Fuchs.
Aus Paris.
IS. November.
Der Tod R o s s i n i's erregt hier eine allgemeine tiefe Bestür-
zung und drängt alle Ereignisse der musikalischen Welt in de»
Hintergrund. Mit Rossini verschwindet nicht nur ein Künstler er-
ster Grösse, sondern auch ein in jeder Beziehung wunderbar begab-
ter Genius. Er läset eine weit klaffende, nicht sobald auszufüllende
Lücke zurück. Das Schicksal hatte ihm die reichste Fülle irdi-
schen Glückes verliehen. Schon in den Jahren mit dem Lorbeer-
kranz geschmückt, iu welchem andere Künstler mühsam nach einem
Lorbeerreis streben, erreichte er ein hohes Alter und erfreute sieh
ein halbes Jahrhundert hindurch eines Ruhmes, der in alle Länder
der civilisirten Welt gedrungen war, ohne zu erbleichen. Die
Höchsten dieser Erde suchten seine Freundschaft und fühlten sich
geehrt, einige Worte mit ihm wechseln zu können. Rossini hat iu
den jüngsten zwei Lustren den Musen fleissig gedient und lässt
eine grosse Zahl unveröffentlichter Werke zurück. Dieselben be-
stehen ausser der vor einigen Jahren in einem hiesigen Privathanse
aufgeführten Messe, die nun vollständig orchestrirt ist, aus Sonaten,
Quartetten, Ciavierstücken und vieleu andern Schöpfungen, welche
sich, wie seine Frennde versichern, den besten Hervorbringungen
des Meisters anreiben. Sio sind jetzt das Eigenthum der Madame
Rossini, die sie wohl bald dem Publikum überliefern wird.
Rossini, der ein bedeutendes Vermögeu hinterlässt, hat dem
französischen Institut 6000 Frcs. jährlicher Rente vermacht, von
denen die Hälfte als Preis für den besten Operntext, die andere
Hälfte für die beste Composition desselben bestimmt werden soll.
Der Compositeor muss aber, wie es ausdrücklich im Testament
heisst, Melodist sein. Er soll auch eine erkleckliche Summe zur
Erbauung eines Conservatoriums in seiner Vaterstadt P e s & r o ver-
macht haben.
Die erste Wiederaufführung der „Hugenotten" ist nichts weni-
ger als gut ausgefallen. Faure als Graf de Nevers und Madame
Sa ss als Valentine waren wie immer vorsüglich. Durch plötzli-
ches Unwohlsein V i 1 1 a r e t's musste die Rolle des Raoul eintm
jungen Sänger, C o 1 1 i u, anvertraut werden, der sich unerwarteten,
aber wohlverdienten Beifall erwarb. Die übrigen Rollen wareu
jedoch mehr als mittelmäßig besetzt, und was die Chöre betrifft,
so unter aller Kritik, dass sie besonders im dritten Acte den ge-.
rechten Unwillen des Publikums erregten. Hoffentlich werden die
folgenden Vorstellungen des Meyerbeer'schen Meisterwerkes den
Kunstfreunden weniger Stoff zum Tadel bieten.
188
Joachim Rossini. *J-
Rossini ist iu der Nacht vom 13. auf den 14. Novbr. oach
kurzem Krankenlager an deu Folgen einer Lungenentzündung, und
»war wie die Pariser Blätter melden, nach einem langen und schwe-
ren Todeskampfe in seinem Landhause zu Passy bei Paris ge-
storben. Da eine ganze Woche zwischen dem Hinscheiden des
genialen Tonmeisters und dem Erscheinen dieser Nummer unseres
Blattes liegt, während welcher Zeit wohl jedes in Deutschland er-
scheinende politische, belletristische etc. Journal seine Leser mit
einer mehr oder minder ausführlichen Biographie Rossini's bedacht
bat, so glauben wir von einer solchen umsomehr Umgang nehmen
su dürfen, als wir in den Nummern 33 bis 46 des XIII. Jahrgangs
der „Südd. Mus.-Ztg." eine umfassende Lebensbeschreibung dessel-
ben gebracht haben, in welcher auch der Entwicklungsgang seiner
schöpferischen Begabung und seine Verdienste um das italienische
Opernwesen insbesondere dargelegt sind, und auf die wir unsere
geneigten Leser hiermit verweisen Wollen. Auch in dem soeben er-
schieneuen Buche (bei Adolph Gumprecht, Leipzig) „Musikalische
Characterbilder" von Otto Gumprecht ist eine ausführliche, in
anziehender Weise geschriebene biographishe Skizze Aber Rossini
enthalten. In Kürze sei hier nur erwähnt, dass Rossini am 29. Fe-
bruar 1792 in Pesaro geboren wurde, als der Sohn des dortigen
Stadttrompeters , Orchesterhornisten und Schlachthausaufsehers Jo-
seph R o s 8 i n i und der gebornen Anna Guidarini, welche
später als Theatersängerin wirkte. Man ist sehr gespannt auf den
musikalischen Nachlass des vielgefeierten und vielfach angefeindeten
Maestro und die Pariser meinen, es müsse da noch irgend eine
Ueberraschung für die Musikwelt zu Tage kommen, da Rossini be-
kanntlich seit seiner im Jahre 1829 in Paris zum ersten Mate auf-
geführten Oper „Wilhelm Teil" kein grösseres Werk mehr ver-
öffentlicht hat.
M a c li r i c fit t e ii.
München. In Folge des dem Fil. Mailing er wegen Kränk-
lichkeit ertheilten längeren Urlaubs bat Frl. Stehle die Partie der
Eva in den „Meistersingern" übernommen und dieselbe bereits am
Sonntag den 15. d. M. mit grossem Beifall durchgeführt.
— Hr. Heinrich v. Sahr, bisher Capellmeister in Rotterdam,
ist als Lehrer der Harmonie an der hiesigen kgl. Musikschule an-
gestellt worden.
Leipzig. Das vierte Gewandhausconcertam29. Oc-
tober brachte: Ouvertüre (Op 124) von Beethoven; Scene und Arie
aus der Oster-Cantate „Die Auferstehung des Lazarus" von Franz
Schubert und Lieder von Scarlatti, Moscheies und Schumann, gesun-
gen von Herrn Wallen reiter aus Stuttgart ; Clavierconcert in
Es dar von C. M. v. Weber und Solostöcke von Moscheies, Chopin
und Mendelssohn, vorgetragen von Frl. Gabriele J o 8 1 aus Wien ;
Reformations-Sinfonie vou Mendelssohn.
Dresden. Die Oper „DerHaideschacht 8 (nicht „Haidesch lacht,"
wie es in einer früheren Nummer d. BI. irrthümlich hiess), Text und
Musik von Fr.'v- Holstein, welche in Dresden bei der ersten Auf-
führung eines so günstigen Erfolges sich zu erfreuen hatte, bewährte
sich auch bei der ersten Wiederholung als ein tüchtiges, bühnen-
gerechtes und von der entschiedenen Begabung des Componisten
zeugendes Werk und es kamen demselben auch einige wohlange-
brachte Kürzungen gar gut zu statten. Auch die Aufführung hatte
noch an Sicherheit und freier Bewegung gewonnen und es bandelt
sich hier nicht um einen blossen Sucres d'e'stime, sondern diese
Oper hat wirklich durchgeschlagen und wird ohne Zweifel auch
ihren Weg auf andere deutsche Bühnen finden. Eine interessante
Novität anderer Art war das im Concert für den Pensionsfond der
kgl. Capelle unter der Leitung des Hrn. Hofcapellmeisters Julius
R i e t z aufgerührte Oratorium „Gideon," nach den Worten der hei-
ligen Schrift componirt von Lud. Meinardus, ein höchts beach-
tenswertes und des Schönen und Wirksamen gar viel enthaltendes
Werk. Chöre wie Soli sind von dem Componisten, der bereits früher
«in Oratorium : „Salomon" geschrieben hat, und einerseits den clas-
si sehen Vorbildern in diesem Fache erfolgreich nachstrebt, anderer-
seits dem fortgeschrittenen Geschmacks der Neuzeit und den reicherem
Ausdrucksmitteln, welche diese geschaffen hat, Rechnung trägt, mi
gleicher Sorgfalt behandelt und seine Instrumentation zeugt von voll-
kommener Vertrautheit mit den orchestralen Mitteln, sowie von ge-
wandter, manchmal nur zu üppiger Benutzung derselben. Das Werk
des Hrn. Meinardus darf jedem Gesangverein mit gutem Gewissen
empfohlen werden.
Paris. Die Einnahmen der Theater, Concerte und öffentlichen
Schaustellungen jeder Art in Paris betrugen im Monat October die
Summe von 1,776,029 Frcs.
— Die Conservatoriums - Concerte werden am Sonntasr den 13.
Dezember eröffnet werden.
— Das vierte populäre Concert des Hrn. Pasdeloup fand
am 8. d. Mts. mit folgendem Programm statt: Sinfonie in C-dur
(Op. 34) von Mozart; Adagio aus der Ocean- Sinfonie von A. Ru-
binstein; Concert- Ouvertüre (Op. 7) von J. Rietz (zum ersten Male) j
Vorspiel zum 5. Act der „Afrikanerin" von Meyerbeer; Musik zum
„Sommernachtstraum" von Mendelssohn. Das fünfte Coucert (15.
Novbr.) brachte: Sinfonie in D dur (Nr. 51); von Haydn; Ouver-
türe zu „Coriolan" von Beethoven ; Sinfonie iu B-dur von Schumann ;
Larghetto aus dem Quintett Op. 108 von Mozart, für Clarinet-Solo
und Streichinstrumente; Ouvertüre zu „Tannhäuser" von R. Wagner.
— Carlotta Patti verlässt Uli mann und geht mit ihrem
Schwager Strakosch, der ihr contraetlich 20,000 Frcs. per Monat
zusichert, nach Amerika, um die Yankees zu enthusiasmiren.
*** Am 11. Nov. feierte der treffliche Bassist Dettmer sein
25jähriges Jubiläum als Mitglied des Stadttheaters in Frankfurt
a. M. Der Jubilar trat an diesem Abend als Stadinger in Lortzing's
„Waffenschmied" auf und sowohl das Publikum als auch seine Col-
legen Hessen es nicht an den Beweisen ihrer herzlichsten Theilnahme
an dem Ehrenfeste eines so verdienstvollen und hochgeachteten
Künstlers fehlen.
*** A über 's Oper „Der erste Glückstag" ging am 11. Novbr»
in Leipzig mit günstigem Erfolg in Scene.
*** Der frühere Hofcapellmeister in Stuttgart, Hr. Carl
Eckert, ist zum Hofcapellmeister und Hofconcertdirector in Ber-
lin ernannt worden und wird in ersterer Eigenschaft an der kgl.
Oper beschäftigt st-in. Derselbe wird bereits Anfangs December
nach Berlin übersiedeln.
*** A. Rubinstein hat seine Concerttour wieder begonnen
und ist bereits in Berlin, Breslau, Posen etc. mit gewohntem Er-
folge aufgetreten.
*** In Paris ist der Musikverleger Chaillot im Alter von
62 Jahreu gestorben.
*sjs* Die komische Oper ,,Hero und Leander," Musik von W. VV.
Steinhart, über deren Erfolg gelegentlich ihrer ersten Aufführung in
Magdeburg berichtet wurde, ist von dem Componisten wesentlich
umgearbeitet und soll von der Hamburger Stadttheaterdirection an*
genommen sein. Der Text hat eine sehr vorteilhafte Aenderung
erhalten, zumal durch Einfügung von sehr wirksamen Prosa-Scenen-
Dieser Arbeit hat sich Hr. W. Anthony, der in der Theaterwelt
wie in literarischen Kreisen vortheilbaft bekannte Oberregisseur des
Stadttheaters zu Magdeburg, unterzogen.
*** Hans v Bülow wird am 28. November in Augsburg
ein grosses Concert zum Besten einer dort neuerrichteten Kinder-
bewahranstalt geben. Ein von genanntem Künstler unlängst in
Nürnberg zum Besten des Hans Sachs - Denkmals gegebenes
Concert fand eine so ausserordentliche Theilnahme von Seite des
Publikums, dass der Concertsaal die herbeiströmenden Zuhörer bei
weitem nicht alle zu fassen vermochte.
V Fräul. v. Edelsberg gastirt mit schönstem Erfolge in
Augsburg. Sie ist bisher als Rosine im „Barbier" und als
Azucena im „Troubadour" mit grossem Beifall aufgetreten.
*** Auf das bekannte Preisausschreiben der Berliner Musik-
verlagshandlung „Bote & Bock" für den Text zu einer komischen
Oper sind bis zum 31. October (Schluss des Termins) 55 Concur-
renzarbeiten eingelaufen.
*** Hr. v. Hülsen hat Fräul. Leonore Hahn vom Stadt-
theater in Hamburg für die Berliner Oper engagirt.
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.
17. Jahrgang.
Jf* 48*
30. November 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
J-/V -— vf
Diese Zeitung erscheint jeden s
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchband-
lungen.
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B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
A t
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;fl.2.42kr. od.Th.L18Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
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INHALT: Literatur. — Rossini's letzte Momente und Begräbniss. — Corresp.: Leipzig. — Nachrichten.
Literatur,
Musikalische Characterbilder von Otto Garn*
brecht Leipzig, Verlag von Adolf Gumprecht.
1869.
In sogenannten „Characterbildern," „Studienköpfen" und son-
stigen Formen biographischer und kritischer Schilderungen berühm-
ter Musiker ist in letzterer Zeit viel gemacht und manches Aner-
kennenswerte, ja Verdienstvolle geleistet worden ; wenn auch nicht
alle derartigen Arbeiten ihrem vorgeblichen Zwecke getreu mit der
erwünschten Unbefangenheit und Unparteilichkeit die betreffenden 1
Tonmeister, sowohl Componisten wie Virtuosen, in ihrem Wesen'
als Menschen und in ihren Leistungen als Künstler beurtheilt, son-
dern mitunter entweder sich zur überschwänglichen Verhimmelang
der von ihnen Bevorzugten, oder auch zur einseitigen und gehässi-
gen Beurtheilung ihnen weniger sympathischer Künstlernaturen ver-
leiten Hessen. Gerade in diesem Sinne sind die „Musikalischen
Characterbilder" von O. Gumbrecht von jedem Vorwurfe der
einen oder andern Art vollständig freizusprechen und geben von
den sechs Meistern, mit denen sie sich beschäftigen, eine unbefangene
Schilderung, keinen ihrer Vorzüge übersehend , keine ihrer Schwä*
chen ignorirend, dass Lichter und Schatten in ihrem natürlichen
Gegensatze und in ihrem notwendigen Nebeneinanderstehen uns
jedesmal ein wirkliches, ein getreues Bild des betreffenden Men-
schen und Künstlers zur Anschauung bringen. Fr. Schubert,
Mendelssohn, Weber, Eossini, Auber und Mey e r b e er
sind die sechs Meister, welche uns der Verfasser in lebensvollen
Bildern vorführt, so wie sie waren und wie sie schufen.
A. Gumprecht, als geistreicher, geschmackvoller und unpar-
teiischer Kritiker schon längst geachtet und anerkannt, hat mit die-
sem Werke sich den Dank der ganzen gebildeten Welt verdient
und wenn wir daher dasselbe jedem Freunde der Kunst auf das
Wärmste empfehlen, sprechen wir zugleich die Hoffnung aus , dass
der Verfasser sich veranlasst finden möge, die interessante Gallerie
seiner „Characterbilder" noch nicht für geschlossen zu erklären,
sondern das gewiss dankbare Publikum recht bald mit einer Fort-
setzung derselben zu erfreuen.
Die kaiserliche Hof-MuBikcapelle in Wien von
1543 bis 1867. Nach urkundlichen Forschungen von
Dr. Ludwig Ritter von Köchel. Wien 1869.
Beck'sche Universitäts-Buchhandlung. (Alfred Holder.)
160 S. gr. 8°
Der Name des Verfassers dieses Buches ist kein fremder mehr
in der musikalischen Welt, seit dessen in seiner Art unübertreffli-
cher Catalog von Mozart's Werken erschienen ist. Was diesem in
Bezng auf unermüdliches und gewissenhaftes Forschen und Sam-
meln, auf sachverständiges Sichten und Ordnen sowie auf klare und
systematische Uebersicbtlichkeit mit allem Rechte nachgerühmt
wurde, das läset sich auf die vorliegende neue Arbeit des Bittet
von Köchel nicht minder richtig anwenden, und wir sehen ein so
interessantes Bild, eine so bedeutende Anzahl berühmter Namen
deutscher, italienischer und niederländischer Capellmeister und Com-
ponisten, Organisten, Sänger und Instrumentalsten aus einer mehr
als 300 Jahre umfassenden Periode vor unserm Blicke vorüber-
ziehen, gewinnen einen so sicheren Einblick in das Musikleben am
Wiener Hofe während der genannten Zeit, und nicht nur in die
künstlerischen, sondern auch in die ökonomischen Verhältnisse der
Hofcapelle in alter Zeit, dass man sich dem Verfasser für seine nach
grossentheils bis jetzt noch nicht benutzten Quellen gegebene Dar-
stellung zum lebhaftesten Danke verpflichtet fühlt.
Der Verfasser gibt zuerst einen geschichtlichen Ueberblick der
kais. Hofmusikcapelle von 1543 — 1867 und diesem folgen dann vier
erläuternde Beilagen. Die erste derselben, überschrieben: „Stände)
der k. k. Hofmusik - Capelle von 1543 bis 1867" gibt das ganze
Namen- und Personenverzeichniss aller obersten Hofmusik-Directoren Y
kais. Hofcapellmeister , Vicecapellmeister , Organisten, Instrumenta-
listen und Capellsänger, vielfach mit Angabe der Gehalts Verhält-
nisse, wie sie während der vorgenannten Zeitperiode und unter 15
Kaisern, von Ferdinand I. bis zu Franz Josef I. den Status der k.
Capelle gebildet haben. Die zweite Beilage enthält kurze biogra-
phische Notizen der in der ersten Beilage aufgeführten Capellmei-
ster, Vicecapellmeister, Compositoren und Organisten. Die dritte
Beilage bringt „Aeltere Schrift- und Druckdenkmale ausser den
Rechnungsbüchern," welche interessante Aufschlüsse über die öko-
nomischen Verhältnisse der Capelle in früheren Zeiten gewähren.
Die vierte Beilage endlich enthält einen Auszug aus dem von dem
Capellmeister Kiliaa Reinhardt im Jahre 1727 dem Kaiser
Carl VI. überreichten „Vormerkbuch für die musikalischen Kirchen-
functionen der k. k. Hofcapelle,* aus welchem ersichtlich ist, dass
damals die Capelimitglieder für verhältnissmässig wenig Geld ganz
erstaunlich viel zu leisten hatten. Den Schluss des Ganzen macht
ein alphabetisches Namensregister der Stände der Hofmusikcapelle,
welches für die Uebersicht des Ganzen sehr förderlich ist. Mögo
das interessante Buch die verdiente Theilnahme finden bei Musikern
und Musikfreunden, die sich auch für das Geschichtliche ihrer
Kunst interessiren. E. F.
Rossini'* letzte Momente und Begräbniss.
Ueber die letzten Stunden Rossinfs vernimmt man Folgendes i
Am 13. Novbr. hatte der Abbe Gallay eine lange Unterredung mit
dem Sterbenden. Der Abbe fragte ihn, ob er an die katholisch»
Religion glaube und an das, was sie lehre. Rossini antwortetet
„Celui qui a tcrit le Stabat a la foi.* Nach diesem ersten Besuch
(um 5 Vi Uhr) erhielt er die Absolution; er ward hierauf ruhig«
Dann ergriff Ihn unauslöschlicher Durst, welcher ihn schon seit zwet
Tagen plagte, und sein Angitgertön begann von Neuem. De«
Abends erthente ihm der Pfarrer von Pas*/ dl* totste Ochluag. ?«•
- 190 ^
de an beganu eiu langer und schmeralicher Todeskampf; er liebste
und röchelte und konnte kaum athmeo. £• war ein peinlieher An-
blick. Um 10 Uhr 10 Minuten verabreichte man dem Sterbenden
Eiswasser, das er gierig trank ; ein inneres Feuer schien ihn au ver-
mehren und ihm unerträgliche Schmerzen zu verursachen. Er warf
eich auf dem Schmersenslager hin und her, wobei er unverständ-
liche Phrasen ausstiess. Der letste Name, welcher von seinen Lip-
pen kam, war der seiuer Frau, deren Hand er mit Zärtlichkeit
küsste. Einen Augenblick später verlor er das Bewusstsein. Ros-
sini starb in seinem Landhause in Passy, das dicht an der Barriere
von Festungswerken liegt.
Die kirchliche Feier für den geschiedenen Meister fand in Paris
am 21. Novbr. in der Dreifaltigkeitskirche (Chaussee d Antin) un-
ter der Führung des päpstlichen Nuntius in höchst einfacher Weise
statt. Der schmucklose, nur mit einem schwarzen, sammtneu, mit
silbergestickten Sternen und zwei Lorbeerkränzen geschmückte Sarg
wurde auf einem Katafalk im Mittelschiffe der Kirche niedergesetzt,
deren Bäume etwa von 4000 Personen, welche sämmtlich der feinen
Welt von Paris angehörten, vollständig gefüllt waren. Auf dem
Chore hatten sich unter der Leitung des Hrn. Jules Cohen die
mitwirkenden Künstler versammelt; es waren dies die Chöre der
grossen und italienischen Oper, 300 Zöglinge des Conservatoriums,
die meisten der Opernsänger von Paris, Contrebassisten, Harfenisten
und der Organist Hr. Saloml. Das aufgeführte Todtenamt war
aus mehreren Nummern aus R o s s i n i's „Stabat," dem „Lacrimosa*
aus Mozart's „Requiem* uud einem Offertorium aus dem „Stabat*
von Pergolese zusammengesetzt, die Soli wurden von den ersten
Künstlern 4er italienischen und französischen Oper gesungen. Die
Probe biezu hatte am vorhergehenden Tage unter Auber's Lei-
tung stattgefunden. Nach beendigtem Gottesdienst bewegte sich der
Leichenzug unter den Klängen des Beethoven'schen Trauermarsches
nach dem Kirchhofe von Pere-La-chaise, wo der hochgeehrte Mei-
ster nun in der Nähe von Bellini, Chopin, Herold, Boieldieu und
Chernbini ruht. Ganz Paris war auf den Beinen und der Leichen-
zug hatte Mühe, sich durch die gedrängte Menschenmasse fortzube-
wegen. Am Grabe sprachen A. Thomas und der Generaladmini-
strator der Theater und des Conservatoriums, Camille Doucet
u. A. Das kaiserliche Haus war durch den Minister Marschall
V a i 1 1 a n t und den Oberstkämmerer Vicomte Laferriere
vertreten.
— eoe<
COaRESPOKDENZfiN.
Aus Leipzig.
November 1868.
Es war am 8. October, als zum Beginn dieser Saison die Pfor-
ten des Gewandhauses sich aufthaten und ein Hessen Alle, die da
wollten hören, und Alle, die da wollten kritisiren. Kritiker sind sie
ja zuletzt Alle, ob sie, wie bei weitem die Meisten, ihr Urtheil blos
aussprechen oder, wie sehr Wenige, es drucken lassen , damit es
beute gelesen und morgen vergessen wird. Freilich gibt es hier in
Leipzig Leute, die eine Kritik der Gewandhausconcerte, selbst wenn
sie mit den weichsten Sammetbandschuhen angetban auftritt, nicht
für zulässig erachten, denen Alles, was dort vorgeht, ein noü nie
tätigere ist, die nicht bedenken, dass sie selbst damit eine aller-
höchstsouveräne Kritik ausüben, und dass ein gerechtfertigter Tadel
ein Agens zum Bessern ist, ein ungerechtfertigtes Lob aber die
Wirkung des Opium nach, sieh zieht. Wenn wir uns daher zu er-
■terem veranlasst finden, so geschieht dies nur im Interesse der
Kunst und der Sache selbst; zum Lobe aber wünschen wir noch
recht oft so reiche Gelegenheit zu finden, als sie uns durch dies
erste Coacert geboten wurde. Der Löwenantbeil davon gebührt
unbedingt den orchestralen Aufführungen ; sie bestanden in Che ru-
fe i n i*s Ouvertüre zu N Anakreon" zum Beginn und Beethovens A-dur-
Sinfonie als zweiten Theil des Concertes. Beide Werke, gehoben
durch präcises, feines Zusammenspiel — wobei wir namentlich der
eisten Violine besonders rühmend gedenken — wie durch Feuer
und Schwung, ohne dass dadurch die Deutlichkeit beeinträchtigt
wurde, machten einen gewaltigen Eindruck auf die Zuhörerschaft,
die sich dafür iu Beifallsspenden höchst daukbar bewies. Die Ge-
sangsvorträge hatte Frau Peschka-Leutner, die Primadonna
des hiesigen Theaters, übernommen, eine tüchtige, echte Sanges-
Meisterin, die es mit ihrer Kunst ernst meint und darum stets nur
Fertiges, ja meistens Vollendetes bringt. Wie sehr sie in allen
Sätteln gerecht ist, das zeigte sie heute wieder im Vortrag der bei-
den Arien aus „Faust" von Spohr und aus „Sylvana" von Weber,
die, in ihren Stylen so sehr verschieden, in entsprechender Weise
wiedergegeben wurden. Wie die Sängerin die heikligen Schwierig-
keiten der ersteren mit Sicherheit wie spielend überwand, so wusste
sie durch Adel und Fülle des Tones, durch Schwung uud Feuer,
durch breiten, schönen Gesang uns über die Schwächen der etwas
antiquirten Weber'schen Arie hinwegzuhelfen. Die ihr jedesmaliges
Auftreten begleitenden Beifallsstürme blieben natürlich auch heute
nicht aus. Diesen Werken aus der klassischen und roinautischen
Zeit gegenüber brachte Hr. Concerttneister F. David zwei Novi-
täten aus der Neuzeit zu Gehör: Concert für die Violine, Op. 26,
von Max Bruch und Concertstück für die Violine, Op. 20, von
Camille Saint- Säen s, und zwar sagen wir es gleich, mit wenig Glück.
„Eines passt sich uicht für Alle" ist ein alter beherzigenswerter
Spruch. Hrn. David'* ganzes künstlerisches Wesen und Treiben
wurzelt in classischem Boden; hier hat er segensreich gewirkt und
wird es hoffentlich noch recht lange ; die Verdienste , die er sich
nach dieser Richtung erworben , werden wir stets in dankbarster
Erinnerung tragen. Möge er die Vermittelung der Bekanntschaft
eines Werkes, wie das Bruch'sche Concert, andern überlassen, die
aus demselben Born geschöpft haben, deren Anschauungsweise uud
Gebahren jenem näher liegt. Damit soll jedoch nicht gesagt sein,
dass uns die Bruch'sche Composition nicht < viel Freude gemacht
hat, im Gegentheil, wir erkennen in ihr eine schöpferische Kraft,
die ihre eigenen Wege waudelt, und zwar mit Bewusstsein und
Ueberlegung, — denn es steht ihr ein reiches Wissen zur Seite — aber
darum auch in nobler, stolzer Haltung. In wie weit der Vorwurf,
dass bei einem Coucert ein schärferes, reicheres Hervortreten der
Solostimmen wünschenswert!} gewesen wäre, Bruch mit Recht trifft,
müssen wir für diesmal dahingestellt sein lassen. — Die Vermitte-
lung der Bekauntschaft des Saiat-Saens'schen Concertstückes wollen
wir unsererseits den Andern erlassen und nichts einwenden, wenn
dies langweilige nichtssagende Product von jenseits des Rheins ruhig
in seinem Vaterlande bleibt.
Vom zweiten Abonnement-Concerte am 15. October wäre
zunächst zu notiren , dass wegen Abwesenheit des Hrn. Capell-
meister Reinecke Hr. Concertmeister David die Stelle desselben
versah. Unter seiner Leitung mit Herrn Concertmeister Röntg en
am ersten Pulte gelangten die beiden Orchesterstucke : Mendelssohn**
„Hebriden tt -Ouvertüre und R, Schumann's B-dur- Sinfonie au einer
recht tüchtigen, erfreulichen Wiedergabe; im Hinblick auf das
Ganze wollen wir ein paar kleine Schwankungen im Scherzo der
Sinfonie nicht weiter betonen. Als Sängerin machten wir eine
neue Bekanntschaft in Frl. Wilhelmiue Ritter, kgl. .Hofopern-
sängerin aus München. Wir hatten es nicht zu bereuen; Frl. Ritter
bringt viel Schönes mit, eine metallreiche, klangvolle Mezzosopran-
stimme, reine Intonation, ganz passable Manier zu singen und feines
Verstand niss. Träte zu letzterem noch etwas mehr Wärme und
Hesse Frl. Ritter von der unangenehmen Manier, die tiefen Töne
ihrer Stimme iu geschmackloser Weise zu forciren und recht breit
hinlegen zu wolleu , würde sie in der Achtung des gebildeten
Publikums noch bedeutend steigen. Uebrigens fanden ihre Vor-
träge allgemeinen grossen Beifall; sie bestanden in: Arie aus Mo-
zart'« „Titüs" „Non piu di fiori* und einer Arie aus „Mitrane"
von Rossi, auch eines von den in die Mode hineingezwängten
Stücken. — Herr Saint-Saens, den wir im vorigen Concert als
Verfasser eines Concertstückes für die Violine kennen gelernt hatten,
präsentirte sich in diesem als Componist eines Concertes für das
Pianoforte, das, aus drei Theilen bestehend : 1. Andante sostenuto
2. AlUgro scherzanio 3. Presto, nur wenig geeignet war, una
eine entschieden günstigere Meinung von seiuen Eigenschaften und
Fähigkeiten als Componist beizubringen. Am annehmbarsten er-
schien noch der zweite Satz,, der gedanklich geordnet und pikant
in klaren Formen sich bewegt, während der erste in schwülstigen
präteusiösen Phrasen, der letzte in sehr ungehobelter' Weise sieb
J ergeht, beide aber eine' höchst bedenkliche Armuth der Erfindung
- 191 -
documentiren. Dagegen verdient Hr. Saint- Saena als ausübender
Künstler unsere ganze Achtung; er gehört, was Abrundung in den
Passagen, Feinheit des Anschlags, Grazie und Sicherheit anlangt,
unbedingt su den Ersten seines Faches, als welcher er auch den
Buf von Paris aus mitbringt. Dasa er auch mit Geschmack und
Verständniss fremde Werke su interpretiren weiss, zeigte er im
Vortrage einer „Barcarole" von Chopin und einer „Polonaise" von
Beethoven. Auf allseitigen Beifall und Hervorruf gab er noch eine
von ihm arraugirte „Bourre" aus einer Violinsonate von S. Bach
su, die ihm nicht mindere Anerkennung einbrachte. Zu bedauern
war, dass seine Leistung durch den von ihm benutzten Flügel nicht
besser unterstützt wurde; wie wir hören, war dersolbe aus der
Fabrik von Pleyel in Paris. Der magere, saudige Ton würde es
uns nicht bedauern lassen, weun auch dieses Instrument jenseit des
Rheines bliebe. (Fortsetzung folgt.)
Nachrichten.
München. Am 20. Novbr. fand das erste der angekündigten
Concerte der kgl. Vocalcapelle unter Hofcapellmeister Wüllner's
Leitung mit einem reichhaltigen und anziehenden Programme statt.
(Näheres darüber wird wohl bald unsere regelmässige Correspondenz
von dort bringen. Die Eed.)
— Am 24. Novbr. veranstaltet Hr. Julius Stockhausen im
kleinen Saale des Odeon unter gefälliger Mitwirkung des Herrn
H. v. B ü 1 o w ein Concert.
— Wie man sagt, soll Wagner's „Tristan und Isolde" mit Frl.
Seehofer und Hrn. Bach mann in den Titelrollen wieder zur Auf-
führung gebracht werden.
Leipzig. Das fünfte Gewandhausconcert (5. Nov.) brachte in
•dem ersten Theile seines Programms nur M e n d e ls 8 o hn'sche
Compositionen zur Gedächtnissfeier für den am 4. Novbr. 1847 ge-
schiedenen Meister, und zwar: „Hymne" für Sopransolo und Chor;
Melusinen-Ouvertüre; „Winzerchor" für Männerchor (zum 1 Male);
Ave Maria für Sopransolo mit Fraueuchor; Loreley- Finale, für
Sopransolo und Chor — sämmtliche Sopransoli gesungen von Frau
Peschka-Leutner; der zweite Theil des Concertes enthielt
Beethovens Eroica.
Coblem. Am 20. Novbr. fand in der Aula des kgl. Gymnasi-
ums das zweite Abonnementscoucert unter Leitung des Musik-
•directors Hrn. Dr. Hasenclever und unter der Mitwirkung des
Hrn. Concertmeisters v. Königslöw aus Cölu statt. Man gab:
Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber, Violinconcert von Beetho-
ven; „Elegischer Gesaug" für Chor und Orchester von Beethoven;
„Romauze" und „Nocturne" für Violine von W. Ernst und zum
Schlüsse die C-dur-Sinfonie von Fr. Schubert.
Breslau* Für den 17. Nov. ist die erste Aufführung eines neuen
Oratoriums „Moses" von Rudolph Thoma, zu welcher Hr. Disco-
nus Fr. Zahler von hier den Text nach Worten der heiligen
Schrift bearbeitet hat, man sieht bestimmt der Aufführung dieses Werkes,
welchem von den Eingeweihten viel Gutes nachgerühmt wird, mit
Spannung entgegen. — Frau Clara Schumann hat hier einen
dyclus von musikalischen Soireen gegeben, der von Seite des kunst-
verständigen Publikums grosse Theilnahme fand, sowie die Concert-
geberiu ihrerseits ihren unbestrittenen glänzenden Ruf wieder herr-
lich bewährte.
Wien. Am 21. Nov. erstes Concert der Frau Clara Schu-
mann unter Mitwirkung von Fräul. Helene Magnus. Auch
Hellmesberger und Laub haben ihre concurrirenden Quartett-
productionen bereits begonnen.
BrllSfel. -Das zweite populäre Concert des Hrn. Samuel
fand; unter Mitwirkung des Pianisten Louis Brassin am 22. Nov.
statt. Das Programm enthielt in der ersten Abtheilung: Sinfonie
in Es-dur von Mozart; Clavierconcert in Es-dur von Beethoven,
vorgetragen von L. Brassin. In der zweiten Abtfaeilung : Ouvertüre
sur „Heimkehr aus der Fremde" von Mendelssohn; Fantasie für
Ciavier und Orchester von Fr. Schubert (Brassin); Thema und Va-
riationen aus dem Septuor von Beethoven; Ouvertüre sur Oper
«König Manfred" von Carl Reineeke.
— Der CercU artistique et litt&aire kündigte seinen Mit-
gliedern mehrere musikalische Unterhaltungen für den Monat No-
vember an. Die erste derselben wird am 19. Novbr. Hr. St<5ve-
niers, Prof. des Conservatoriums, veranstalten. Die zweite, eine
historische, gibt am 23. Nov. der Pianist Mortier de Fon-
taine, welcher eine Auswahl von Claviercompositionen aus ver-
schiedenen Jahrhunderten vortragen wird. Die dritte Unterhal-
tung wird Ferd. Hiller am 28. Novbr. veranstalten und mehrere
seiner zwei- und vierhändigen Clavier-Compositionen, nnter letzteren
namentlich seine „Operette ohne Worte" mit L. Brassin zu Gehör
bringen. Die deutschen Gesangsachen wird Professor Wernots
vortragen.
— Die hiesige Musikverlagshandlung von Gebrüder Schott
kündigt die Manuscript- Partitur der vielbesprochenen Messe für 4
Singstimmen und Orchester von Rossini an. Der Preis der Partitur
ist auf 50 Frcs. festgesetzt.
Paris. Das sechste Concert des Hrn. Pasdeloup brachte:
Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber ; Sinfonia eroica von Beetho-
ven ; Ouvertüre zu „Wilhelm Teil" von Rossini ; Andante religioso
von Mendelssohn und „Ungarischer Marsch" von Berlioz.
— Das The'ätre lyrique gab am 22. November eine Vorstel-
lung zum Gedäcbtniss Rossinis. Man gab: 1. Ouvertüre zu
„Semiramis;" 2. Gedicht von Rossini, gesprochen von Hrn. Mon-
jauze; 3. „Inflammatus* aus dem „Stabatf gesungen von MUe.
Schröder; 4 La Charite\ Chor mit Orchester. Hierauf „Der
Barbier von Sevilla."
London. Das 6. Samstagsconcert im Crystallpalast hatte fol-
gendes Programm: Ouvertüre zur „Belagerung von Corinth" von
Rossini; Arie aus Mendelssohn^ „Paulus" („Jerusalem" etc.) und
Arie von Bishop, gesungen von Miss Blanche Re eves; Sonate
für die Orgel (Nr. 4) von Mendelssohn, vorgetragen von Hrn. Dr.
Stainer; „Der Mönch" von Meyerbeer und Arie aus „Jessonda"
von Spohr, gesungen von Hrn. Angyalfi aus Hannover; Cavatine
aus Rossinis n Stabat u und Lied von Benedict, vorgetragen von
MUe. Drasdil; Sinfonie in B-dur (Nr. 4) von Beethoven und He-
briden-Ouvertüre von Mendelssohn. Das 7. dieser Concerte brachte :
Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber; Sinfonie von Mozart; der
„Schattentanz" aus Meyerbeer's „Dioorah" und Arie von Händel,
' gesungen von Mme. Lemmens-Sherington; Fantasie für Piano-
forte, Chor und Orchester von Beethoven, Ciavierpart vorgetragen
von Hrn. Ha US; Chor von Sullivan, vorgetragen von den Chor-
sängern des Crystallpalastes ; Berceuse von Henselt und Caprice
über Schuberts „Forelle" von St. Heller, vorgetragen von Hrn.
Hall 6; „Miriam's Gesang" für Solo und Chor von Schubert,
Solopart Mme. Lemmens-Sherington.
— Am 16. November fand das erste der populären Montags-
Concerte in St. James Hall unter der Leitung des Directors Arthur
C h a p p e 1 1 statt. Das Programm derselben war folgendes : Streich-
quartett in D-dur Op. 44 Nr. 1 von Mendelssohn, vorgetragen von
den HH. S ai n to n, L. Ri es, H. Blagrove und Piatti; Lie-
der von Benedict und Schubert, gesungen von Miss Wynne; So-
nate in A-dur für Violoncell mit Clavierbegleitnng von Bocberini,
vorgetragen von Hrn. Piatti; Sonate in Es-dur Op. 7 für Piano-
forte, vorgetragen von Hrn. Pauer; Ouintett für Clarinette und
Streichinstrumente in A-dur Op. 108 von Mozart, vorgetragen von
Hrn. Lazarus und den obigen Quartettisten ; Sonate in B-dur
für Pianoforte und Violine von Dussek, vorgetragen von den HH.
Pauer und Sainton. Es werden von diesen populären Concerten
in der gegenwärtigen 11. Saison derselben acht an Montags-Aben-
den und sieben an Samstags-Morgen stattfinden.
*«* Von dem Ciaviervirtuosen Gottschalk erfahren wir, dass
er in Montevideo ein grossartiges Concert mit 800 Mitwirkenden
vorbereitet, in welebem u. A. von seiner Composition eine grosse
Ouvertüre, betitelt „Montevideo" und ein „Festmarscb," dem Kai-
ser Don Pedro II. von Brasilien gewidmet, sur Aufführung kom-
men sollen
*** Der Tenscomponist Johann Strauss in Wien hat eine
dreiactige Oper, betitelt: „Die schönen Weiber von Wien," vol-
lendet, welehe im Carltbeater zur Aufführung kommen soll.
*** Im Hoftheater au Wien wird eine neue Oper von Käss-
»»7 er » »Da* Landbaus au Meudon," Text von Mosenthal, einstudJrt.
Diese Oper ist bereits in Prag mit sehr glücklichem Erfolge «af*
geführt worden..
— 192 -
VI* London wird mit Beleibt «ehr lebhaft für die Herab*
Setzung der enorm hohen Orebesterstimmung agitirt. So hatu. A.
der sehr beliebte Tenorist Sims Reeves dem Directorium der
n 8mcred Harinonte Society* mit Bestimmtheit erklärt, dass «t
nicht eher wieder in ihren Concerten singen werde, als bis sie die
Pariser Stimmung angenommen habe.
%* Die Oper „Mignon" von A. Thomas wurde am 11. Novhr.
in Hamburg mit günstigem Erfolge aufgeführt. Die Hauptrollen
sangen: Frl. Hahn (Mignon), Frl. Langlois (Philine), Hr. Vary
(Wilhelm Meister), Hr. Freny (Lothario) und Hr. Kaps (Laertes.)
*** Der ausgezeichnete Violoncellist Piatti in London ist
zum Professor an der dortigen kgl. Academie der Musik ernannt
worden.
*** In München ist die früher Darmstädtische, sodann
baierisehe Hofopernsängerin Augaste Htöger, seit nicht langer
Zeit mit dem Stallmeister des Prinzen Carl von Baiern, Hrn. L e h -
feld, vermählt, an einem Halsleiden im Alter von 30 Jahren ge-
storben.
*** Aus Shanghai in China schreibt der todtgeglaubte fran-
zösische FIStist R e* m u s a t , dass er dort eine Musikgesellschaft
gebildet habe, mit der er Orchester- und Chorwerke zur Aufführung
bringt. So hatte er bei Abgang seines Briefes u. A. die Absicht,
Roestni's Stahat Aufzuführen.
*** Der berühmte Pianist Ernst Pauer in London hat in
Jugenheim an der Bergstrasse nicht nur für sich eine prächtige
Villa, sondern auch für die Jugenheim er eine Kleinkinderschule
gebaut, zu welch letzterer er die Erträgnisse der Beit mehreren Jah-
ren zu diesem Zwecke gegebenen Concerte verwendete.
*** Der Tenorist Roger hat eine Gesangsprofessur am Pa-
riser Conservatorium erhalten.
*** Der hochbejahrte Liedercomponist Dr. A. Methfessel
Will von Braunschweig nach Leipzig übersiedeln, um seinen Lebens-
abend in der Familie selbes Freundes, des Dichters Müller von
der Werra, zu bescbliessen»
*** Der Vieekönig von Egypten läset in C a i r o ein colossales
Theater bauen, an dessen Bau 6600 Arbeiter Tag und Nacht be-
schäftigt sind.
*** Hr. Laube ist am 14; Nov. , nachdem ihm einige Tage
vorher von einem engeren Freundscfaaftskreise ein Absohiedsbankett
gegeben worden, von Wien nach Leipzig abgereist.
*** Frau Jenny-Lind hat sich mit ihrem Gatten G o 1 d -
Schmidt in Hamburg niedergelassen ; auoh Job. Brahma will
dort bleibend wohnen.
*** In Stuttgart wird in nächster Zeit eine neue Oper
„Elsa," oder „Das Lied der Mutter, " gedichtet von E. Pasque, com-
ponirt von Felix Hochstätter, einem begabten Dilettanten, zur Auf-
führung kommen.
*** Frau L n c c a ist mit zweimonatlichem Urlaub nach Peters-
burg abgereist
*** R. Wagner wird in Mailand erwartet, wo er der Auf-
führung seiner Oper „Bienzi" beiwohnen will.
*** Der Componist Alex. Dorn in Crefeld ist zum königl.
Musikdirectpr ernannt worden.
*** Der Tenorist Müller von Cassel ist auf drei Jahre für
die Wiener Oper engagirt worden.
*** Der Componist Jules Cohen iBt {zum Professor des En-
semblegesanges am Pariser Conservatorium ernannt worden.
%* Johannes Brahma und Julius Stockhausen werden in
Wien gemeinschaftlich Concerte geben.
*»* Concertmeister Eduard Singer ans Stuttgart, ein gebor-
ner Ungar, bat in Pest swei Concerte mit glänzendem Erfolg
gegeben.
V Tim- Alblim für 1869 von A. Wallerstein. Dieser
32. Jabrhaog des stets gern gesehenen Werkchens bringt eine Fülle
reizender Melodien, die sich durch Noblesse und eine nicht zu ver-
kennende Wärme der Empfindung vor anderen Compositionea die-
ser Gattung auszeichnen. Auch muss anerkannt werden, dass Wal-
lerstein es verschmäht, zu seinen Tänzen Opern- oder Liedermelodiea
an benutzen, sondern stets bemüht ist, sich den Stempel der Origi-
nalität »u wahren Die Vetlagshandlung von B. Seh Ott' s 8äh-
nVfi la Main» bat auch «lesen Jahrgang in- gewohnter eleganter
Weise ausgestattet. (Dresdener Naenr.)
ZEIGEN.
AMSTERDAM: Th. J. ROOTHAAN <t Gie.
«8
Es ist diese poetisch begeisterte Diohtung eine höchst
dankenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer
der BEETHOVEN 1 sehen Muse dringend aufmerksam
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.)
GRIEKEEANDS WORSTELSTRIJD
(Griechenlands Kampf und Erlösung.)
BEETHOVEI'S
Ruinen von Athen.
Clavierauszup fl. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50.
Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend,
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich
der BEETHOVEN'schen Musik an. Möchten die deut-
schen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch
machen. (Allg. Musik-Ztg.)
Leipzig: FB. HOFMEISTER.
3
3
Verlag von ROB. FORBERG in Leipzig.
Nova-Sendung N° 6. 1868.
Arnold * P« Op. 10. La belle Tyrolienne. Morceau pour
Piano. 10 Ngr.
Sieiiee, Rieh* Op. 179. Zündnadel und Chassepot. Komi-
sches Duett für zwei Hinterlader. (Tenor und Bass) mit Beglei-
tung des Pianoforte. 20 Ngr.
Gotthard, J. P. Op. 54. Vier Charactersthcke für das Piano-
forte. — Kr. 1. Notturno, 5 Ngr. Nr. 2. Humoreske, 10 Ngr.
Nr. 3. Scherzo, 10 Ngr. Nr. 4. Albaroblatt, 5 Ngr.
Rrugf Ä. Op. 196. Bosenknospen. Leichte Tonstücke ober
beliebte Themas ohne Octavenspanuungen und mit Fingersatz*
bezeichnung für das Pianoforte.
Nr. 37. H&lzel. Mein Liebster ist im Dorf der Schmid. 10 Ngr,
„ 38. Neuiiiailil. Wenn du noch eine Mutter hast. 10 Ngr.
„ 39. Prodi. Das Alpenhorn. „Von der Alpe tönt das
Horn. B 10 Ngr.
„ 40. UTIeoIal. Duett aus den lustigen Weibern von Wind-
sor. »Wie freu* ich mich/ 10 Ngr.
„ 41. Gumbert Die TbrSne. „Macht man in's Leben
kanm den ersten Schritt. 4 10 Ngr*
„ 42. Eilelse» Anf Wiedersehen! „Sonnenlicht, Sonnen-
schein." 10 Ngr.
UTeilinAnil, SS* Zwei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung
des Pianoforte.
Nr. 2. „Wenn Gott dir liebe Kinder gab," Gedicht von W.
Kaulisch. 5 Ngr.
— Für Alt (Bariton) oder Bass. 5 Ngr.
Oefttem» Th» Op. 406. Italienische Serenade für das Piano-
forte. 15 Ngr.
— Op. 407. Jägers Lust. Clavierstfick. 15 Ngr.
— Op. 408. Schlesische Lieder. Fantasie über schlesische Volks-
weisen für das Pianoforte. 15 Ngr.
Sehtmal&y Fred. Op. 29. Impromptu-Polka ponr Piano. 15 Ngr.
— Op. 32. Sonette pour Piano. Nr. 1. und 2. i 5 Ngr.
Zedtler, A« Op. 42. Emma. Nocturna pour Piano. 12 Vt Ngr.
Neuer Verlag von Breitkopf 6 Hftrtel in Leipzig.
SäozarVs Opern in Partitur.
Kritische Ausgabe von Juliufi Biets.
Gleichwichtig für Musiker, Sammler, Operndireetionen.
Erschienen :
Idom«B60. Preis 10 Thaler.
E&tftbrung aas dem ImlL Preis 9 Thaler.
Die Übrigen Opern sollen in angemessenen ÄeltrUumen nachfolgen.
___ , ^_£x-> — ^ ^—j ^ , — : _
Vtrcmt*. RhL Ed. FScttrer. Druck ?. Carl WaUau, Mainz.
17. Jahrgang.
fr* 49.
7. December 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
tT.
i
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
ämtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
-i/f
V © tr t ® g
von
B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
PBEIS:
fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal.
1
■vi
IRHALT: Literatur. — Neue Vocalmusik. — Corresp.: Leipzig. Cöln. Frankfurt a. M. Paris. — Nachrichten.
Literatur«
Meine Erinnerungen an Felix Mendelssohn-
Bartholdy und seine Briefe an mich. Von
Eduard Devrient. Leipzig. J. J. Weber. 1869.
In 8° VI. und 290 S. Mit dem Portrait Mendels-
sohn's in Stalstich.
Eduard Devrient, der treue Freund und Kuostgenosse
Mendelssohns, hat durch die Veröffentlichung seiner Erinnerungen
an ihn nicht blos dem Verlangen seines Herzens Genüge gethan,
und dem heimgegangenen Freunde seine Pietät bewiesen, sondern
allen Verehrern des grossen Meisters einen wesentlichen Dienst
erzeugt und in unserer musikalischen Literatur eine fühlbare Lücke
ausgefüllt, da wir bis jetzt eigentlich noch gar keine Biographie
Mendelssohn' s besitzen, denn die kritische Darstellung seiner Com-
Positionen von Beissmann kann als solche nicht gelten. Zwar
soll D e v r i e n tfs Arbeit, was schon ihr Titel sagt, die Stelle einer
Biographie gleichfalls nicht vertreten; sie enthält aber dessen un-
geachtet so interessante biographische Mittheilungen, dass wir durch
sie in den Lebensgang des Verblichenen eingeweiht werden und die
Geistes- und Gemüthseigenthümlichkeiten des Meisters kennen ler-
nen. Die Kunstschöpfungen eines Künstlerlebens stellen uns seine
höchsten Geistesblüthen dar. Sie, sowie überhaupt jede unmittel-
bare Kundgabe des künstlerischen Geistes, wozu wir auch dessen
Briefe über seine Kunst rechnen, erregen unser lebhaftes Interesse
nicht nur, weil sie uns einen Einblick in die Thätigkeit seines Gei-
stes gestatten, sondern insbesondere auch, weil sie uns seinen Le-
bensschicksalen näher bringen und uns mit dessen Charactereigen-
thümlichkeiten vertraut machen. Von doppeltem Werthe jedoch
erscheint uns Devrient's Gabe, weil er Mendelssohn von sei-
nem Knabenalter an bis zu seinem frühen Tode nahe stand und
auf dessen Kunstschöpfungen, man vergleiche nur die Bemühungen
Devrient's für den Meister einen Operntext zu gewinnen und be-
lausche die Unterredungen beider hierüber, nicht ohne Eiofluss war.
Die „Erinnerungen" Devrient's an den unvergleichlichen Freund
bilden überdies eine Ergänzung dessen, was bis jetzt über Mendels-
sohn-Bartholdy veröffentlicht wurde, und sind um desswillen für
jeden Verehrer seiner Muse eine höchst schätzenswertbe Gabe. Wir
enthalten uns jeder speciellen Mittheilung aus dem Buche und
schliessen mit der Versicherung, dass jeder Leser dasselbe wegen
seines formellen und materiellen Werthes vollkommen befriedigt
aus der Hand legen wird. Der Liebe und hohen Verehrung des
Kunstgenossen für den Hingeschiedenen gebührt unser herzlichste
Dank. — H.
Heue Vocalmusik.
Unter den jüngsten Publicationen des Schottischen Verlages
kamen uns einige zu, deren wir nicht umhin können besonders
lobende Erwähnung zu thun. Da sind zunächst C. Kammer lan-
de r's zwei Terzetten für zwei Sopran und Alt oder Tenor, Bariton
und Bass, wobei uns nur dieses „oder" nicht recht einleuchten will ;
der Satz für Frauenterzett ist nämlich sehr verschieden von jenem
für Männerterzett; dort vertritt die dritte Stimme den Tenor, hier
den wirklichen Bass: was also z. B. für Alt ganz gut klingt, wird
nicht zugleich auch dem Bass anstehen, und so umgekehrt. Sonst
aber sind die Motive gut erfunden, die Stimmen sauber geführt und
das Ganze zeigt von gesunder Begabung und natürlichem Geschmack ;
einige Schwächen und Gedankenlosigkeiten in der Declamation ge-
mahnen noch an die Provinzialstadt, wo der junge Autor seine er-
sten Flüge versuchte und die er im Verkehr mit tüchtigen stylrei-
nen Mustern am sichersten abstreifen wird.
Der Sprung von erfreulichen Erstlingen zu den Leistungen vol-
lendeter Meister ist etwas weit: wir begegnen nämlich sogleich
zwei Brüdern Lachner, deren einer Franz uns mit seinem „Zi-
geunerlied" (für Solobass, Männerchor und Pianoforte) eine gar
freundliche Gabe bietet« Mit der schlagendsten Characteristik in
Melodie und ßhythmus vereinigt sich hier als weiterer Vorzug noch
eine besondere Leichtigkeit der Ausführung, so dass ohne Zweifel
unsere Männergesangvereine eifrig nach einem Stücke greifen wer-
den, an dem sie sich ohne grosse Mühe eine höchst dankbare Pro-
grammnummer gewinnen. — Der andere Bruder, Vinco nz, ist zwar
ziemlich karg mit seinen Veröffentlichungen: bringt er aber etwas,
so darf man sicher sein, dass es vortrefflich ist Diese „zweistim-
migen Kinderlieder" sind zwar wie S c h u m a n n's „Kinderscenen*
und Aehnliches nicht so fast für Kinder als für Erwachsene be-
stimmt, wie denn der reife reflectirende Geist aus der absichtlichen
humoristischen Naivität und Ungeschicklichkeit sogar mehr Freude
zu ziehen weiss, als die Jugend selbst. Hier beschenkt uns nun
der Tondichter mit den anmuthigsten Duettinos so recht für junge
Frauen geschaffen, die für die scheinbar unbedeutendsten Aeusse-
rungen kindlicher Leiden oder Freuden Interesse fühlen. Daneben
aber fesselt er den Kenner fast in jedem Tacte durch einen jener
feinen Züge, wodurch sich der Meister von den dilettantischen
und ungeschulten Parasiten des glücklichen Zufalls unterscheidet;
bald ist es eine verborgene Nachahmung, bald eine characteristische
Stimmführung, bald wieder ein sinniges Ritornell, wo die Löwen-
klaue des scherzenden Contrapunktisten hindurchblickt ; „der Reiter-
mann," die „Engelküche" und das „Schlaf liedchen" zeichnen sich
in dieser Beziehung ganz besonders aus. Dass fast alle Nummern
im V*"Tact stehen, könnte bedenklich scheinen; doch ist der Un-
terschied immer lebhaft genug; mehr anzufechten wäre die Text«
spräche, welche weder rein hochdeutsch bleibt, noch irgend einem
bestimmten Dialecte angehört, sondern allerlei sonderliche und un-
erhörte Wortbildungen durcheinander wirft; doch stört das nicht
zu sehr.
Schliesslich sei es gestattet, auch die besten Gesangsnovitäten
anderer Verlagshandlungen in Kürze zu erwähnen ; es sind zunächst
H ille r's „Ostermorgen" für Sopransolo, Männerchor und Orchester,
Brambach'SffAlcestis" (Kistner), E. F. Eichter's Op. 86.
- 194 —
Jür Frauenstimmen (Craoz) and J. A. Josephsobn's Duetten
für Sopran und Baas (Breitkopf & Härte 1), lauter Werke,
die mit Frische der Erfindung auch Correctheit der Factur und
leichte Ausführbarkeit verbinden. L. Stark.
CORRESPONDENZEK.
Aus Leipzig.
(Fortsetzung.)
Zum dritten Abonnements - Concerte , das am 22. October
stattfand, hatten sich drei Gäste eingefunden, die dasselbe zu einem
höchst interessanten machten: Hr. Joseph Joachim mit seiner
Gattin und Hr. Capellmeister Max Bruch. Letzterer brachte eine
Sinfonie in Es-dur, Op. 28, zur erstmaligen Aufführung und appel-
lirte, indem er sich auf den heissen Boden des Gewandhauses stellte,
gleich damit an eine in solchen Dingen nur schwer zu befriedigende
Instanz. Dass der Urtheilsspruch für ihn höchst günstig ausfiel,
bewies der von allen Seiten nach jedem Satze gespendete reiche
Beifall und schliesslicher Hervorruf. Bruch ist von den jungem
Componisten der fruchtbarste, weil der begabteste; seine Oper
„Loreley," seine Scenen aus der Fritbjofssage etc. hatten ihm bereits
einen grossen Kreis von Verehrern und Freunden erworben und
einen freundlichen Empfang gesichert; die Achtung, die man seinem
künstlerischen Schaffen zollte, ist durch dies neue Werk nur ver-
mehrt worden, welches von entschiedener Bedeutung ist. Dass man
hie und da Anklänge au Mendelssohn und Schumann heraushört,
daraus machen wir ihm keinen Vorwurf; welchem Meister wäre es
in der ersten Periode seines Schaffens nicht ähnlich ergangen? Es
beweist nur, dass die Richtung, die er verfolgt, nichts mit dem
Treiben der sogenannten neueren Schule sit venia verbo zu thun
hat, dass er auf einen gesunden Boden weiter baut* Und gesund
ist Brach's Musik. Einzelne Auswüchse, wozu wir eine zuweilen
schwülstige Ausdrucksweise , ein nicht hinlänglich klares, durch
allerlei Nebenwerke verdunkeltes Hervortreten des Hauptgedankens
rechnen, werden mit der Zeit vergehen. Frisch und warm kommen
die Gedanken aus seinem eigensten Innern, Erfindungs- und Gestal-
tungsgabe ergänzen sich harmonisch, und lebendig ziehen die musi-
kalischen Bilder, oft in echt dramatischer Färbung, nie ermüdend
and abspannend an uns vorüber. Alle die reichen Hülfsmittel der
Technik bandhabt er mit Leichtigkeit, ohne damit aufdringlich zu
werden, und frei von Manier und Affeetation spricht er sich iu kräf-
tiger und entschiedener Weise aus. Von den drei — oder wenn
wir das kurze Orave vor dem Finale als einen eigenen rechnen —
von den vier Sätzen der Sinfonie haben uns besonders das Scherzo
und das Finale angemuthet, während die oben gerügten Mängel
sich in dem ersten am meisten geltend machten. Die Ausführung
unter des Componisten eigener Direction war eine fast durchweg
treffliche. Den Erfolg, den Bruch mit seiner Sinfonie errang, die
den zweiten Theil des Concertes ausfüllte , darf er übrigens um so
höher anschlagen, als der erste in glänzender Weise an uns vor-
übergegangen und die Stimmung und Erwartung des Auditoriums
dadurch bedeutend in die Höhe geschraubt war Man hatte jenen
mit einer glänzenden Wiedergabe der grossen „Leonoren"- Ouvertüre
Nr. 3 von Beethoven eröffnet; nach dieser sang Frau Joachim
eine von Mozart zu „Figaro's Hochzeit" nachcomponirte Arie :
T Al desto di chi fadora, vieni* die allerdings nicht zu den bedeu-
tendem Werken des unsterblichen Meisters gehört. Die Sängerin
entledigte sich ihrer Aufgabe in der sie characterisirenden noblen
aristoeratischen Manier, die nie verfehlen wird, ihr reichen Beifall
namentlich von Seiten des feineren Publikums einzubringen. Wär-
mer noch war der Beifall, weil auch die Vortragsweise, nach dem
zweiten der beiden Lieder : „Mainacht" von Johannes B r a h m s
und „Die Hütte" von Bob. Schumann. Während Brahms müh-
selig sucht, da hat Schumann schon den rechten Ton getroffen ; die-
sem ist die Natur ein offenes Buch , jener möchte sie sich erst zu-
rechtlegen, wie's ihm passt. Dass Frau Joachim trotz wiederholten
Hervorrufes der Mode des Zugebens nicht fröhnte, können wir ihr
nicht verargen. Zwischen den beiden Gesangsvorträgen spielte Hr.
Joachim Recitativ, Adagio und Allegro (erster Satz) aus dem
sechsten Concerte für die Violine von L. Spohr mit jener Meister-
Iicbkeit, die ihn vor allen kennzeichnet. Ihm gegenüber ist es wohl
überflüssig, der enthusiastischen Beifallsbezeugungen zu gedenken,
die seinem Vortrage nach jedem Satze folgten. Den Schluss des
ersten Tbeiles machte Adagio und Fuge (C-dur) für die Violine
von J. S. Bach. Unsere Ansicht, dass diese Solostücke für die
Violine sich nicht zum Vortrag in den Concertsaal eignen, wäre
auch nicht alterirt worden, selbst wenn uns nicht, wie es an diesem
Abende geschah, der Beweis geliefert worden wäre, dass auch ein
Meister, wie Joachim, seine schwachen oder wenigstens nicht glück-
lichen Stunden haben könne. Sie sind bestimm* für's Studium,
gehören ins Arbeitszimmer des Künstlers. Mögen sie noch so voll-
endet gespielt werden, so gewähren sie nicht den Genuss, den ein
wahres Kunstwerk uns geben soll, und wenn das Publikum schliess-
lich der Mode oder einem kleinen Autoritätsglauben huldigend nach
Herzenskräften applaudirt, so ist dieser Applaus weniger ein Dank
für das, was es gehört, als eine Anerkennung dessen, was es ge-
sehen, der Lohn für körperliche Anstrengung, für mühseliges Ab-
arbeiten. Von Hunderten wird kaum Einer rufen : „ach, wie schön l"
alle übrigen aber mit mitleidigem Ton: „wie schwer!"
(Fortsetzung folgt.)
Aus C ti 1
Das zweite Gesellschaflsconcert fand am 3. Novbr. mit fol-
gendem Programm statt: I. Abtheilung: Sinfonie in G-moll von
Mozart; Arie aus „Alcina" von Händel, gesungen von Fräul.
Valesca v. F.acius aus Berlin; Clavierconcert, componirt und vor-
getragen von Hrn. Camille Saint-Saens aus Paris; Chöre und
Soli aus „Der Sieg der Zeit und der Wahrheit" von Händel (zum
1. Male), die Soli vorgetragen von Frl. Anna Weise aus Neuss,
Schülerin des Conservatoriums. II. Abthlg.: Ouvertüre zu „Medea"
von Cherubini; Lieder von Schubert, Hiller und Schumann,
gesungen von Frl. Facius; „Barcarole" von Chopin und »Polo-
naise" von Beethoven für Pianoforte (Hr. Saint - Saeens) und
Ouvertüre „Im Hochland" von N. W. G a d e.
Die Executirung der Mozart'schen Sinfonie Hess nichts zu wün-
schen übrig; leider wurde der gebotene Genuss durch die von den
später kommenden Zuhörern verursachte Unruhe erheblich beein-
trächtigt. Vielleicht hätte überhaupt dieses reizende Werk am
Schlüsse des Concertes eine passeudere Stelle gefunden, als am An-
fange desselben. Frl. Facius vermochte mit der aus ihrem Zu-
sammenhange in dem betreffenden Werke herausgerissenen Arie von
Händel umsoweniger einen Erfolg zu erzielen, als sie auch nicht
durch hervorragende Qualitäten der Stimme oder Vortragsweise ein
über das Gewöhnliche hinausgehendes Interesse zu erwecken vermag.
Erst mit ihren Liedervorträgen gelang es ihr, das Publikum zu leb-
haften Beifallsäusserungen zu bewegen. Hr. Saint-Saens be-
währte sich als ein ganz vorzüglicher Pianist, hinter welchem
jedoch der Componist weit zurückbleibt. Am hübschesten hörte
sich noch das Scherzo seines Concertes an. Der erste Satz ist
formlos und unstät im höchsten Grade und das Schlussstück besteht
zumeist aus Tanzmelodien. Grossen und verdienten Beifall erntete
der Virtuose mit dem Vortrag der beiden Stücke von Chopin und
Beethoven, so dass er noch eine „Bourr6" von Bach zugab. Die
Händel'schen Chöre gingen, mit Ausnahme eines Jagdchors, obwohl
sehr gut aufgeführt, dennoch spurlos vorüber. Die beiden Ouver-
türen wurden vortrefflich gespielt.
Das dritte Gebellschaftsconcert , am 17. November, brachte :
Ouvertüre zu „Iphigenie in Aulis" von Gluck; die fünfte Suite
für grosses Orchester von Fr. L aebner (vom Componisten selbst
dirigirt) und „Orpheus und Euridice," Oper in 3 Acten von Gluck;
Orpheus, Frau Joachim; Euridice, Frl. Scheuerlein aus Cöln;
Amor, Frl. Beckmann aus Düsseldorf. — Die Gluck'sche Ouver-
türe fand eine höchst gediegene Wiedergabe und dieser entsprechende
Aufnahme von Seite des Publikums. Vielleicht würde jedoch ein
etwas beschleunigteres Tempo des Allegro die Wirkung noch
erhöht haben. Ausserordentlich günstigen Erfolg hatte die neu-
este Suite von Franz Lachner, welche von dem Orchester
unter der meisterhaften Leitung des Componisten mit sichtlicher
— 195 -
Freude und grosser Vollendung vorgetragen wurde. Da Ihr Blatt
bei Gelegenheit der ersten Aufführung dieses Werkes in Frankfurt
a. M. schon Ausführlicheres über dasselbe gebracht hat, so können
wir uns kurz dahin fassen, dass dem Triumphe, welchen der vor-
treffliche Meister im Jahre 1869 bei der ebenfalls unter seiner Lei-
tung stattgefundenen Aufführung seiner ersten Suite dahier gefeiert
hat, die höchst günstige Aufnahme, deren sich sein neuestes Werk
bei dem hiesigen Publikum sowie be.i der gesammten Kritik zu er-
freuen hatte, ebenbürtig zur Seite steht. Lachner wurde nach dem
Schlüsse der Aufführung jubelnd hervorgerufen und ein schmettern-
•der Orchestertusch erklang, als H i 1 1 e r dem hochverdienten Künst-
ler einen Lorbeerkranz überreichte. — Eine wahrhaft herzerquickende
"Gabe war die Aufführung des „Opheus" von Gluck, und es war
nur zu beklagen, dass die Auslassung verschiedener, zum Totalver-
ständniss nöthiger Nummern durch die Rücksicht auf die sonst über-
grosse zeitliche Ausdehnung des Concortes geboten war. Frau Joa-
chim fand hier Gelegenheit, ihren ganzen reichen Stimmfond, ihre
ganze Gefühlstiefe und Innigkeit zu entfalten, was besonders im
zweiten Theile der Fall war. Aber auch die anderen beiden Soli-
stimmen und namentlich Chor und Orchester leisteten Vortreffliches
und so trug denn das zahlreiche Publikum einen so tiefen und
nachhaltigen Eindruck von dem vielen Schönen und Erhabenen,
das dieser Abend geboten hatte, mit nach Hause, wie man ihn gerne
unter seine liebsten derartigen Erinnerungen einreiht.
Am 23. Novbr. fand die erste der Soireen für Kammermusik
statt, welche die HH. v. Königslöw, Japha, Derkum und
Bensburg zur Freude der wahren Musikfreunde wieder angekün-
digt hatten, doch trat diesmal an die Stelle des erkrankten Hrn.
Derkum als wackerer Stellvertreter bei der zweiten Violine Herr
Leonhard Wolff ein. Streichquartett, Op. 41 Nr. 3 in A-dnr, von
R. Schumann; Ciavierquartett von Ferd. Hill er (neu); Streich-
quartett, Op. 59 Nr. 8 in C-dur, von Beethoven und Fantasie
für Pianoforte, Op. 110, von F. Hiller — so lautete das Pro-
gramm. Das Schumann'sche Quartett, in gediegenster Weise exe-
•cutirt, erfreute sich sehr beifälliger Aufnahme. Bei all den vielen
■Schönheiten dieses Werkes machte uns jedoch dasselbe dennoch hie
und da den Eindruck des Gesuchten. Hiller's neues Clavierquar-
tett ist ein gar schön gearbeitetes Werk, dem natürlich auch die
bekannte Virtuosität und der feine Vortrag des Componisten gar sehr
-zu statten kam. So wie das Schumann'sche wurde auch das Beetho-
ven'scbe Quartett meisterhaft interpretirt und der hinreissende Vor-
trag der geistvollen Ciavierfantasie von Hiller durch den Compo-
nisten schloss den genussreichen Abend in befriedigendster Weise.
Noch eine kurze Bemerkung möchten wir uns erlauben. Die
Soireen finden jetzt im grossen Casinosaale statt, dessen Akustik
keine günstige ist. Dieser Missstand wird noch verstärkt durch die
gegenwärtige Aufstellung des Podiums und wir geben den betreffen-
den Herren zu bedenken, dass die Klangwirkung bedeutend erhöht
werden dürfte, wenn sie ihren Platz gerade gegenüber ihrem jetzi-
gen Standpunkt einnehmen würden. Ein Versuch in diesem Sinne
dürfte wohl anzurathen sein.
Aus Frankfurt a. M«
Am 17. Novbr. gab unser „Philharmonischer Verein" unter Mit-
wirkung von Frl. Daum und Frl. Deiner, sowie eines grossen
Theils des Museumsorchesters, im Saalbau sein erstes Concert. Zur
Eröffnung desselben hörten wir die Ouvertüre zu Web er's „Oberon,"
die für einen Verein wie der philharmonische, welcher grossentheils
«us Dilettanten besteht, schwungvoll genug executirt wurde. Frl.
Daum spielte das Capriccio brillant in H-moll für Pianoforte von
Mendelssohn nebst zwei andern Solostücken mit grosser tech-
nischer Fertigkeit und so richtigem Verständniss , dass man ihr bei
fernerem Fleiss ein sehr günstiges Prognosticon stellen kann. Frl.
Deiner versuchte sich in einer Arie aus „Idomeneus" und zwei Lie-
dern als Concertsängerin und gefiel. Es giebt keine herrlichere
Musik als die, welche sich durch die menschliche Stimme offenbart,
wenn dieselbe, von äussern Einflüssen unbeeinträchtigt, gesund
•und frei der Brust entströmt — und die Natur hat Frl. Deiner mit
einer so reichen und volltönenden Stimme begabt, dass man im In-
teresse der Kunst wünschen muss, sie möge nicht, wie so viele an-
dere schöne Stimmen, dem modernen krankhaften Tremoliren ver-
fallen und dadurch einem frühen Ruin entgegengefahrt werden. Die
Aufführung der Sinfonie in C-moll von Beethoven, welche den
zweiten Theil des Concerts bildete , Hess deutlich erkennen , wie
energisch und mit welch zäher Ausdauer Hr. Director Friedrich
den philharmonischen Verein leitet und einer steten Vervollkomm-
nung entgegenführt.
Das Programm des vierten Museumsconcerts brachte als
ersten Theil : 1) Ouvertüre zur Oper „Genoveva" von R. Schu-
mann, 2) Arie aus der Oper »Die Vestalin" von Spontini, ge-
sungen von Frl. A. Strauss aus Basel, 3) Concert für Pianoforte
in E-moll von Chopin, vorgetragen von der kgl. württemb. Hof-
pianistin Frl. A. Mehlig, 4) Liedervortrag von Fr. Strauss:
a. „Mit Myrthen und Rosen," b. „Der Hidalgo" von R. Schu-
mann, 5) Solovortrag von Frl. Mehlig: a. Präludium und Fuge
in E-moll von Mendelssohn, b. Soirdes de Vienne (A-moll)
nach Fr. Schubert, von Fr. Liszt, — und als zweiten Theil des
Concerts die Sinfonie in A-dur von Beethoven.
Man kann es nur gut heissen, dass das Concert mit der Ouver-
türe eröffnet wurde, und nicht, wie es häufig zu geschehen pflegt,
der Schwerpunkt des Concerts, die Sinfonie, an die Spitze gestellt
ward, die Ouvertüre dagegen, ganz ihrem Character zuwider, den
Schluss bilden muss. Ouvertüre und Sinfonie wurden exaet und in
kühn beschwingtem Tempo ausgeführt. Frl. Mehlig hat durch ihr
erstes Pianosolo unserm Museumspublikum schon vor Jahren ihr
Künstler- Creditiv fiberreicht und ist uns stets ein hochwillkommener
Gast. Sie beherrschte auch heut das Concert von Chopin und die
übrigen Solostücke mit gewohuter Virtuosität. Den vocalen Theil
des Concerts repräsentirte Frl. Strauss, eine Kunstnovizin — wie
es schien — mit jugendlicher Stimme von ziemlichem Umfang und
lieblichem Timbre« Unterstützt von einer guten Gesangsmethode
erntete dieselbe in den im Programm verzeichneten zwei Liedern
und in einem dritten, das sie selbst accompagnirte , vielen Beifall.
In der vorhergehenden Arie aus der „Vestalin" wäre jedoch, um
die Schmerzen eines von Liebe und Verzweiflung erfüllten weib-
lichen Herzens zum vollen Ausdruck zu bringen, eine charakteri-
stischere Auffassung und mehr Tonfülle der Stimme zu wünschen
gewesen. (Schluss folgt.)
Aus Paris.
SO. November.
Rossini ist noch immer der Gegenstand vieler Ovationen.
Die grosse Oper hat seinem Angedenken zu Ehren vorgestern „Wil-
helm Teil" aufgeführt und wie es sich von selbst versteht, vor
einem überfüllten Hause. Nach dem zweiten Acte wurde die Büste
des verewigten Compositeurs unter dem rauschenden Beifall des
Publikums bekränzt, das eine Menge Immortellenkränze auf die
Bühne warf. Während dieser Bekränzungsscene wurde das Finale
des letzten Actes von „Wilhelm Teil" unter Mitwirkung der Herren
Fau r e und Villaret und der Damen Bloch und B a t tu ge-
sungen. Die Deputation von Pesaro wohnte der Darstellung bei.
Die „Hugenotten," von deren erster misslungener Wiederauf-
führung ich Ihnen berichtete, werden jetzt weit besser und daher
mit glänzendem Erfolge dargestellt. Madame C a r v a 1 h o, die von
der Direction auf drei Jahre engagirt worden , trägt in der Rolle
der Marguerite nicht wenig zu diesem Erfolge bei.
Die neue Oper von Ferdinand Poise, „£« Corriroh," findet
in der Optra comique viel Beifall. In demselben Theater wird
„ Vert - Vert* von Offenbach einstudirt.
Das Italienische Theater hat am Tage der Beerdi-
gung Rossini's dessen Stabat aufgeführt und bringt jetzt ausschliess-
lich Rossiui'sche Opern zur Darstellung. Vorige Woche sind dort
„Semiramis" und „Barbier von Sevilla" abwechselnd gegeben worden.
Das Tkeatre lyrique hat es gewagt, dem Publikum Gluck's
„Iphigenie auf Tauris" vorzuführen. Das Publikum, an eine solche
classische Kost noch nicht gewohnt, ist ein wenig verblüfft; es
wird sich aber nach und nach gewiss daran gewöhnen.
G o u n o d , der sehr leidend ist, geht nach Rom, um dort Er*
holung zu suchen.
- 196 -
Nachrichten*
Maini. Die Liedertafel und der Damengesangverein
feierten am 28. Novbr/ ihr alljährliches Cäcilienfest mit einem don-
nerte, in welchem unter Leitung des Vereinsdirigenten Hrn. Fr.
Lux die Ouvertüre zur Oper »Der Schauspieldirector" von Mozart,
das Clavierconcert mit Orchesterbegleitnng in G-moll von Mendels-
sohn, vorgetragen von Frau Betty Schott, drei „Ausländische
Volkslieder", für gemischten Chor bearbeitet von Jul. Mai er und
Beethoven's vollständige Musik zu dem Festspiel „Die Ruinen
von Athen" mit Text und verbindender Declamation von Heller
zur Aufführung kamen. Die liebliche Mozart'sche Ouvertüre wurde
in recht gelungener Weise wiedergegeben* Frau Schott bewährte
mit dem in jeder Beziehung vortrefflichen Vortrage des Mendels*
sohn'schen Concertes sich aufs Neue als eine Virtuosin von feinem
Geschack und vollendeter Technik. Bauschender Beifall zeugte von
der freudigen Anerkennung so gediegener Leistung von Seite des
ausserordentlich zahlreichen Publikums, welches auch bei dem bril-
lanten Vortrage der beiden Solostücke : „Zur Guitarre" von Hiller
und „Walzer" von Lysberg sich nicht minder dankbar zeigte.
Eine recht interessante Gabe waren die drei originellen Volks-
lieder — ein schottisches, ein b'ömisches und ein irisches, — auch
war die Wiedergabe derselben im Ganzen eine recht anerkennens-
werte, obwohl die schwache Besetzung des Damenchors zu be-
klagen war, umsomehr, als sie ein merkliches Herabdrücken der
Intonation zur Folge hatte. Das Beethoven'sche Werk hätten wir
gar gerne mit dem neuen, von Dr. Hei je in Amsterdam verfassten
Text: „Griechenlands Kampf und Befreiung" gehört, da auch die
Heller'sche Bearbeitung die Albernheit des ursprünglichen Textes
von Eotzebue nicht ganz zu maskiren im Stande ist , doch müssen
wir dem Vorstande für die im Ganzen recht gelungene Vorführung
des interessanten und lange nicht mehr gehörten Werkes dankbar
sein. Der Saal und die Nebenzimmer waren mit Zuhörern gefüllt)
welche zum grössten Theile auch an der nach beendigtem Concerte
stattfindenden Tanzunterhaltung tbeilnahmen und in grösster Heiter-
keit bis zum nahenden Morgen versammelt blieben. E. F.
Leipzig. Das sechste Gewandhausconcert fand am 12. Nvbr.
mit folgendem Programm statt: Suite in canonischer Weise für
Streichinstrumente von J. O. Grimm; Arie aus der „Vestalin" von
S p o n t i n i und zwei Lieder von G 1 u ck und S ch u m a n n, gesungen
von Frau Sophie Förster aus München; Violinconcert von Pa-
ganini und Polonaise, componirt und vorgetragen von Hrn. Bese-
kirski aus Moskau; Sinfonie Nr. 2 von B. Schumann.
— Dr. Franz Brendel, Lehrer für Geschichte der Musik und
Declamation am hiesigen Conservatorium , Bedacteur der „Neuen
Zeitschrift für Musik" , Bitter mehrerer Orden etc. etc., ist am 25.
November Mittags 12 Uhr in Folge eines Lungenschlags gestorben.
Der Verblichene hat viel über Musik geschrieben, darunter auch
eine Geschichte der Musik, die freilich sehr das Gepräge seiner
Parteistellung trägt. Dr. Brendel war bekanntlich einer der eifrig-
sten und begabtesten Vorkämpfer für die sogenannte „neudeutsche
Schule", doch ist ihm auch seine stets bewährte, lebhafte Theil-
nahme für die Interessen der Tonkunst im Allgemeinen nach-
zurühmen.
München. Franz Lachner, mit reichlichen Lorbeern von
seiner Beise nacbFr a n kf urt a.M.,Cöln und Aachen wieder
hierher zurückgekehrt, wurde mit einem neuen Beweise der Aner-
kennung seines langjährigen verdienstvollen Wirkens in unserer
Stadt überrascht. Es wurde ihm nämlich von etwa 300 seiner hie-
eigen Verehrer am 30. Novbr. ein Ehrengeschenk bestehend in einem
kostbaren und kunstreich gearbeiteten silbernen Tafelaufsatze , der
nach dem Entwürfe des Director Dyck von dem Silberarbeiter
Harr ach in gelungenster Weise ausgeführt ist, überreicht. Das
ebenso sinnige als gemackvolle Geschenk ist reich an Beziehungen
zu Lacbner's Werken. In einer beigelegten Adresse wird dem Ge-
feierten der Dank für seine langjährige Thätigkeit im Gebiete der
Tonkunst und die Hoffnung ausgesprochen, dass seine schaffende
Kraft auoh forthin stets kühner und freier die Schwingen heben
möge, jugendfrisch und verjüngend bis ins höchste Alter. Es war
ein Act der Pietät, der einem verdienten Manne gebracht wurde.
Am Vorabende dieser Ueberraschung wurde zufällig Lachner's Oper
»Catharina Coruaro" gegeben und mit grossem Beifall aufgenommen.
— Frl. M a 1 1 i n g e r hat bei S. M. dem Könige um sofortige
Entlassung aus dem Verbände des hiesigen Hoftheaters nachgesucht»
nachdem man ihr 7000 fl. Gage, 85 fl. Spielhonorar, 1000 fl. Pension
nach sieben Dienstjahren, 3 l / a Mooate Urlaub, zwei Theaterplätze,
freie Garderobe und Heirathsconsens , sowie das Mitengagement
ihres Verlobten, des Schauspielers vonDüringsfeld angeboten hatte,
wodurch die der Donna capricciosa von Berlin aus zugesicherten
Bedingungen bedeutend übertroffen werden.
Aachen. Das am 19. Novbr. stattgefundene zweite Abonne-
mentconcert wird wohl lange Zeit in der Erinnerung unseres freund-
lichen Publikums als ein besonderer Glanzpunkt lebendig bleiben.
In diesem Concerte trat nämlich Frau J o a ch i m hier zum ersten
Male auf und kam die 5. Suite von Fr. Lachner unter dessen per-
sönlicher Leitung zur Aufführung. Ueber die Leistungen der Frau
Joachim ist nichts Neues mehr vorzubringen, es genüge daher an-
zuführen, dass dieselbe eine Arie in einer Cantate von S. Bach,,
eine Arie von Mozart und Lieder von B. S ch u m a n n und
S ch u b e r t .vortrug und zur allgemeinen Bewunderung und jubeln-
dem Beifall hinriss. Altmeister Lachner, der hier bei dem Musik-
feste im Jahre 1861 zuerst die Indroduction und Fuge seiner ersten
Suite zur Aufführung brachte und dessen 3. Suite wir ebenfalls
beim Musikfeste im Jahre 1864 unter der Leitung von Jul. B i e t a
hörten, ist uns als kein fremder, sondern als ein längst hochver-
ehrter Gast erschienen, doppelt willkommen, da er wieder eine so
erfreuliche und hochinteressante Gabe, wie seine neueste/ fünfte
Suite mitbrachte, welche unter seiner Leitung von unserm trefflichen
Orchester in wahrhaft mustergültiger Weise vorgetragen, mit jedem
einzelnem Satze enthusiastischen Beifall hervorrief, so dass der ge-
feierte Componist wohl erkennen konnte, wie lieb er uns geworden
und wie freudig wir darauf zählen, ihn recht bald mit neuen Spen-
den seines Genie's wieder in unserer Mitte zu begrüssen. — Der
Chor war ausser der Bach'schen Cantate „Ewiges Feuer" mit einem
Chore a capella von A 1 1 e g r i ( n Alla trinita beata") und dem
Hände Fachen „ AUeluja" bedacht und leistete unter B r e u n u n g's
Führung Vorzügliches« Nicht minder lobenswerth war die Durch-
führung der Leonoren-Ouvertüre Nro. 1 von Beethoven.
*** Denkmal für Ch. W. v. Gluck. Die „Augsb. A. Zgt."
bringt einen Aufruf an alle Theaterdirectionen, Gesangvereine sowie
an die Verehrer G 1 u c k's, sich durch Beiträge an der beabsichtig-
ten Errichtung eines Denkmals für den erhabenen Meister zu be-
theiligen, welches demselben in seinem Geburtsorte W e i d e n w a n g,
k. Bezirkamts Beilngries in dem baierischen Begierungsbezirke
Oberpfalz errichtet werden soll. Die Beiträge sind an den k. Be-
zirks* Amtmann Fischer in Beilngries einzusenden.
ANZEIGEN,
Musifcatien-JVova.
Im Verlage von Friedrieh Histner in Leipzig er-
schien so eben mit Eigentumsrecht:
Aftantaehewsky, JH. w, Op. 12. Fest - Polonaise für zwei
Pianoforte. 1 Thlr.
Brunner, C F* Op. 482. Trifolium. Drei leichte Bondo'a
über Motive von J. Haydn, Mozart und Beethoven für das
Pianoforte zu 4 Händen. 25 Sgr,
Hartmann, Emil* Op. 10. Trio für Pianoforte, Violine und
Violoncell. 2 Thlr. 25 Sgr.
H5lzel* Gustav. Polka für Pianoforte über das beliebte Lied:
„Mein Liebster ist im Dorf der Schmidt." 10 Sgr.
Slarcltegl, Salvatore, C. Op. 17. Secha kleine Lieder
für eine Singstimme (Sopran oder Tenor) mit Begleitung des
Pianoforte. 25 Sgr.
lEendelssohn-Bartholdy, Felix* Op. 110. Sextett für
Pianoforte, Violine, zwei Bratschen, Violoncell und Contrabass»
Partitur 2 Thlr. 15 Sgr.
— Dasselbe im Arrangement für das Pianoforte zu 4 Händen von
Aug. Hörn. 2 Thlr. 20 Sgr.
Schumann, Robert* Op. 66. Bilder aus Osten. Sechs
Impromptus für das Pianoforte zu 4 Händen. Für Pianoforte,
Violine und Violoncell, bearbeitet von Rudolph Palme. Heft
I. und II. a 1 Thlr.
Verantw, Red» Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz,
17. Jahrgang.
it* so.
14. December 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNC
Diese Zeitung erscheint j eden >
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post- \
ämtern, Musik- & Buchhand- ]
luugen.
von
r
PREIS:
B.
fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg.
für den Jahrgang.
SCHOT TS SÖHNEN in MAINZ. j Durch die Post bezogen:
Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co.
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. ,
INHALT: Literatur. — Corresp.: Frankfurt a. M, München. Wien. — Kachrichten.
Literatur,
50 ausgewählte Clavier-Etüden von J. B. Cramer,
herausgegeben für den Gebrauch in den Clavierclassen
der königl. Musikschule in München von Dr. Hans
v. Bülow. München, Jos. Aibl.
Ueber den Werth der Cramer'scheu Etüden an und für sich ist
nichts Neues zu sagen, da sie sich in der nun schon zwei Men-
schenalter andauernden beständigen Verwendung beim Unterricht
-wohl trefflich genug bewährt haben. Dass H. v. Bülow eine Aus-
wahl derselben getroffen und diese mit Fingersatz und mit höchst
schätzbaren Anmerkungen, das zweckmässige Studium einer jeden
einzelnen betreffend, versehen bat, ist ein neuer Beweis für die
classische Gediegenheit dieser Etüden , welche andererseits wie-
der durch die Anweisungen des weltberühmten Ciaviervirtuosen an
practischem Werthe bedeutend gewonnen haben. In einer ausführ-
lichen Vorrede erläutert der Herausgeber die Gründe, die ihn zur
Eevidirung der Cramer'schen Etüden bewogen und rechtfertigt die
Art und Weise, in der er dieselbe durchgeführt hat. Der Stich
zeichnet sich durch aussergewöhnliche Deutlichkeit und Schönheit
aus, sowie überhaupt die ganze Ausstattung nichts zu wünschen
übrig lässt. Möge Cramer's Werk in dieser Gestalt recht grosse
Verbreitung finden.
Etüden für den Ciavierunterricht, zur glei-
chen Ausbildung beider Hände, von Louis
Köhler. Op. 115. (Obiger Verlag).
Diese Etüden (12 an der Zahl) aus der Feder eines ausgezeich-
neten Practikers, der für den Ciavierunterricht schon so viel Vor-
treffliches geschrieben hat, sind jedem Lehrer zur Anwendung bei
Schülern, die noch in den ersten Stadien ihres Studiums sich befin-
den, bestens zu empfehlen, da sie zur Erreichung des ausgespro-
chenen Zweckes ohne allen Zweifel vieles beizutragen geeignet
sind. Die Ausstattung entspricht allen Anforderungen an Schön-
heit, Deutlichkeit und Eleganz.
Deutsche Gesänge, geistlich und weltlich, zum prac-
tischen Gebrauch für die Chorclassen der Gymnasien,
Real- und höheren Bürgerschulen, sowie für alle ge-
mischten deutschen Gesangvereine, von Ferdinand
Möhring. Op. 66. Neu-Ruppin, bei Alfred
Oehmigke. Ausgaben in Partitur und Stimmen.
V Hefte.
Diese Sammlung von geistlichen und weltlichen Gesängen für
gemischten Chor, sämmtlich von dem auch als Componist sehr be-
liebter Männerquartette in ganz Deutschland rühmlichst bekannten F.
Möhring geschrieben, halten getreulich, was der Titel verspricht.
Sie sind tbeils in strengem contrapunctischen Style geschrieben,
insbesondere die meisten der geistlichen Gesänge, (die Choräle nach
bekannten Melodien harmonisirt und zum Theil figurirt), theils in
modernem aber durchaus gediegenem Geschmack, wie namentlich
die im letzten Hefte enthaltenen 12 profanen Lieder nach auserle-
senen Gedichten. Es finden sich ausser den eigentlichen Chorälen
passende Gesänge für die verschiedensten Anlässe, sodann bibli-
sche Sprüche, Motetten und Psalmen, welche sich meistens nicht
nur zum Studium in Gesangsclassen , sondern auch zu öffent-
lichen Productionen von Gesangvereinen trefflich eignen und in die«
ser Beziehung eine grosse Mannigfaltigkeit darbieten. Die Aus-
stattung ist äusserst elegant, der Preis sehr billig gestellt, so dass
man dieser Sammlung eine recht allgemeine Theilnahme in Aus-
sicht stellen darf.
Leitfaden für den theoretischen und ersten
Gesang-Unterricht auf Gymnasien, Real-
und sonstigen Schulen, von Theodor Rode.
Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin,
bei J. Guttentag.
Eine Anleitung zum Gesangunterricht in Schulen, welche in
den städtischen Gewerbeschulen in Berlin mit bestem Erfolge ein-
geführt ist, und allen Lehranstalten als Grundlage und Vorläuferia
der vorherbesprochenen Sammlung deutscher Chorgesänge von Möh-
ring bestens empfohlen werden kann. Sie besteht in fünf Heften in
klein 8°, ist gründlich und practisch und enthält ausser dem Ele-
mentarunterricht und vielen sehr zweckmässigen Vorübungen in
Dur und Moll eine grosse Anzahl von ein- und mehrstimmigen
Chorälen, von geistlichen Gesängen aus alter und neuer Zeit für
vierstimmigen gemischten Chor, und von ebenfalls vierstimmigen
Gesängen verschiedenen Inhaltes für gemischten und Männerchor,
wobei in dieser zweiten Auflage noch besondere Bücksicht auf die
Turnvereine genommen wurde, durch Einschaltung von 16 für die-
selben besonders passenden neuen Gesängen, sowie auch viele Volks-
und Kernlieder, dreistimmig tür 1 Sopran- und 2 Altstimmen bear-
beitet. Der Preis ist äusserst billig gestellt.
Katechismus der Musik, von J. C. Lobe. Zehnte
Auflage. Leipzig, J. J. Weber.
Bei dem Erscheinen der 10. Auflage dieses trefflichen Büch-
leins von dem alten Practikus Lobe, welches längst allgemein
anerkannt ist, lässt sich nichts weiter sagen, als: Geht hin, ihr
Dilettanten Alle , die ihr wirklich musikalisch werden wollt , und
legt mit dem Inhalte dieses Buches vor Allem einen soliden Grund
zu eurer weiteren Ausbildung.
C0RRESP05DENZEN.
Aus Frankfurt a. 9f •
(Fortsetzung.)
Am 24. November gab Hr. Prof. Mnlder-Fabbri im Saal-
bau ein sehr besuchtes Concert. Dass Hr. Mulder, ein gediegener
198 -
Musiker und Kenner der älteren und neueren Musik, im Arrangement
von interessanten Concerten ein unabstreitbares savoir faire besitzt,
bewies derselbe wieder aufs Glänzendste. Mit Zuziehung von be-
deutenden Stimmkräften, wie Frl. Wey ring er von der deutschen
Oper in Rotterdam, Frl. Otto vom Hoftheater in Wiesbaden, Hrn.
L e d e r e r vom Hoftheater in Darmstadt, Frau F a b b r i vom Frank-
furter Theater, Frau Reger und Frau Lübenau von hier, —
ferner für Declamatiou Frl. Frohn vom Hoftheater in Darmstadti
für Piano-Solo Hrn. J. Sachs, für Violine Hrn. M. Wolff, sowie
einen gemischten Chor vom Gesangverein „Euterpe" von hier, hatte
Hr. Mulder, welcher zugleich als Accompagnateur und Leiter fun-
girte, ein Programm von 14 Nummern aufgestellt, von denen wieder
mehrere 2 bis 3 Nummern enthielten. Diesem Programm waren
einige hier noch nicht öffentlich aufgeführte Musikstücke eingereiht,
wie z. B. der effect volle Chor mit Soli „ Voix myste'rieuses" von
Choron, nachcomponirte Arie zu „Faust" von Gounod, „Herz,
hab' Acht," fünfstimmiges Lied von Mulder, Hymne ä St. Cdcile^
Meditation für Violine, Piano und Orgel von Gounod, „Margue-
rite" und „Die Glocke," Lieder von Mulder, Ave Maria aus
„Loreley" von Mendelssohn mit Damenchor, und Schifflied aus
„Haydee" von Auber mit Männerchor. — Die Leistungen der
Künstler im Einzelnen als in den verschiedenen Ensembles waren
überraschend. Frl. Weyringer zeigte namentlich in einer Arie aus
„Somnambula" ein ausgebildetes mezza voce, eine Volubilität der
Stimme bei immenser Tonhöhe und einen fast an Ueberladung strei-
fenden Fiorituren-Reichthum, welcher jedoch durch die Grazie der
Ausführung zur Bewunderung hinriss. Gegenüber dieser hochlie-
genden Stimme wirkte Frau Reger in einer Arie von Rossini,
bei grosser Kunstfertigkeit und Stimmschönheit mit seltenem Um-
fange nach der Tiefe zu, so dass man von diesen zwei Stimmen
behaupten konnte: „Les extremes se touchent* In der nachcom-
ponirten Arie zu „Faust" von Gounod liess uns Frl. Otto die volle
Wirkung ihrer herrlichen Mezzo- Sopranstimme vernehmen, und un-
sere Prima donna assoluta Frau Fabbri glänzte in „ Voix myste-
rieuses u in den fünfstimmigen Liedern von Mulder, im Walzer-Duo
von Rubini, in Ave Maria, im Schifflied und im Terzett von
Cimarosa. Hr. Lederer, welcher eine Romance aus „Euryanthe"
und zwei Lieder von Mulder sang, ist im Besitz einer ebenso kräf-
tigen als sonoren, weichen Tenorstimme und weiss namentlich Brust*
und Kopfstimme sehr wirkungsvoll zu verbinden. In den fünf-
stimmigen Liedern von Mulder wirkte zugleich sehr eingreifend
Frau Lübenau. Frl. Frohn sprach mit tiefem Gefühlsausdruck „Des
Kindes Zuversicht" von Saphir und „Das Orakel" von Stobbe.
Hr. Pianist J. Sachs liess uns sowohl in der Meditation für Violiue,
Piano und Orgel, sowie in seinen drei Piano-Soli seine Virtuosität
bewundern und zugleich bedauern, dass er sie so selten verwerthet,
und Hr. M. Wolff, obwohl nur in der „Meditation" beschäftigt, trat
doch als ausgezeichneter Violinist merklich hervor. Auch die
Frauen- und Männerchöre trugen zur Abruudnng des Ganzen sehr
wesentlich bei. Das Ende, Nr. 14 des Prpgramms, bildete ein Damen-
Terzett — Frl. Weyrioger, Frau Fabbri und Frl. Otto — aus Cima-
rosa's „// matrimonio segretto*
Es darf als ein ebenso erfreuliches als ehrenvolles Zeichen ge-
diegener Kunstrichtung betrachtet werden , dass sich diesen Winter
in unsern grossen Singvereineu Betreffs der Vorführung Bach' scher
Werke ein so edler Wetteifer kundgibt. Kaum waren die letzten
Accorde der hohen Messe von S. Bach verklungen, welche un-
ser „Cäcilienverein" in so schöner Vollendung aufführte, als auch
schon der Rühl'sche Verein die Vorführung der „Johannis-Passion"
vorbereitete — und es soll, wie man vernimmt, Seitens des Cäci-
lienvereins in dieser Saison auch noch die „Matthäus- Passion" zu
erwarten sein.
Es gab eine Zeit — und sie liegt nicht sehr fern — in welcher
man den nur seltenen Aufführungen Bach'scher Oratorien möglichst
fern blieb, indem man diese Meisterwerke kurzweg veraltet
nannte — und leider Gottes hört man dieses auf Unkenntniss basirte
Vorurtheil noch heutigen Tages häufig genug von sogenannten guten,
ausübenden Musikern gedankenlos nachsprechen. Freilich bekundet
das einestheils nur eine höchst einseitige musikalische Bildung,
welche dem Geiste gleicht, den sie begreift, nicht aber dem im
Reich der Töne gewaltigen Geiste Bach's — und anderntheils tru-
gen damals wohl selbst die Aufführungen mit hiezu nicht hinläng-
lich qnalificirten Sängern (Solisten) einen grossen Theil zum Nicht-
verstehen dieser Werke bei. In neuerer Zeit jedoch, wo man sich
mehr als früher mit Bach beschäftigt und mit nach höchster Voll-
kommenheit strebenden Vorführungen seiner Meisterwerke auf mög-
lichstes Verständniss hinarbeitet, was namentlich durch dazu heran-
gebildete Sänger ermöglicht wird, findet man dafür auch eine grössere*
Theilnahme und Empfänglichkeit im Publikum, so dass sich in die-
ser Richtung für die Zukunft das Erfreulichste hoffen lässt
(Schluss folgt.)
Aus München.
Anfangs Dezember 1868.
Die Concertsaison in unserer Stadt ist im besten Zuge. Ich
hatte zwar vor, der „Süddeutschen Musik-Zeitung" erst am Schlüsse
des Advents, wo auch die Concerte eine Pause machen und die
Referenten etwas zu Athem kommen lassen, weiteren Bericht zu er-
statten, doch die in der letzten Nummer der Musikzeitung Seitens
der verehrlichen Redaction leise angebrachte Herausforderung mei-
ner baldigen Thätigkeit veranlasst mich jetzt schon, über das vor-
liegende Bruchstück der Saison zu referiren. Und so komme ich
in erster Reihe auf die Soireen der k. Vocalcapelle zusprechen,
die ich gleich von vornherein als ein glückliches Unternehmen be-
zeichnen will, da sie den Musikfreunden ein bislang verschlossenes
reiches Genre von Compositioneu erschliessen und zugängig machen.
Die Vocalcapelle hatte sich vorgenommen , Tondichtungen vorzu-
führen, welche in der Allerheiligenkirche, wo sie fungirt, als profan
nicht executirt werden können, oder wenn sie auch zur Aufführung
gelangen, doch nur von einem mehr gottesfürchtigen als musiklie-
benden Publikum angehört werden. Das Programm der ersten
Soir6e war äusserst reichhaltig und wir hörten an Compositionen :
„Tu es Petrus," sechsstimmige Motette von Palestrina, ein vier-
stimmiges „Adoramus" von Ausinger (geb. 1560), ein vierstim-
miges „Jesu dulcis memoria" von T. L. de Vittoria, „Wach' auf,
du werthe Christenheit," sechsstimmiges Adventslied von Johann
Eckard (geb. 1553), der 11. Psalm für zwei Altsolostimmen und
Frauenchor von Benedetto Marcello (geb. 1680), ein vier- und
ein fünfstimmiges englisches Madrigal von John B e n n e t (1599)
und Thomas Morley (1595) nach der Ausgabe von Julius Mai er,
Mendelssohn^ „Ave Maria" für Soli, achtstimmigen Chor und
Orgel (Tenorsolo Herr Vogl — Orgel Herr Blumschein), drei
vierstimmige Lieder von M. Hauptmann („Hell in's Fenster,"
„Im Sommer" und „An der Kirche wohnt der Priester"), Ständchen
für Mezzosopran und Frauenchor von F. Seh über t („Zögernd leise")
und endlich Motette für zwei Chöre von J. S. Bach (Soli Fräul.
Ritter, Frau Seyler und die HH. Vogl und B a u s e w e i n).
Aus dem reichhaltigen Programm, das unter der Leituug des Hof-
capellmeisters Wüllner mit den besten Kräften unserer Haupt-
stadt durchgeführt wurde , können Sie schon ersehen , dass diese
Soir&e ausserordentlich interessant und genussreich gewesen sein
mag. Das Publikum, welches Zeuge davon war, in welch vorzüg-
licher Weise jede Nummer des Programms gesungen wurde, erman-
gelte nicht, bei jeder Gelegenheit seinen lebhaftesten Beifall aus-
zusprechen uud die Unternehmer zu veranlassen, baldmöglichst eine
zweite Soir£e zu arrangiren.
Auch die Quartettsoire*en der HH. Walter, Closner,
Thoms und Müller haben bereits begonnen. Sie wurden diesmal
um so freundlicher begrüsst, als eine Zeit lang Gefahr bestand, Hrn.
Walter, Münchens besten Geiger, an Wien zu verlieren. Die Sache
hatte sich jedoch durch das persönliche Dazwischentreten des Königs
so glücklich gestaltet, dass derselbe unserer Stadt erhalten bleibt.
In diesen Soireen — es haben deren bereits zwei stattgefunden —
kamen zur Aufführung: das Quartett in D-moll von Jos. Haydn
(Pariser Ausgabe) Op. 9 Nr. 22, Quartett in B-dur von Mozart
Op. 18, Quartett in G-dur von Mozart Op. 10 Nr. 1, dann von
Beethoven Quartett in Esdur Op. 74 und Grosse Fuge in
B-dur Op. 133 und endlich Quartett iu A-moll von Mendelssohn
Op. 13. Zuerst berichten wir, dass diese Herren seit Jahren die
einzige Gelegenheit geben , wo die edelsten Perlen der Kammer-
musik in meist untadelhafter Weise zur Aufführung kommen, und
mit Vergnügen constatiren wir, dass sich alljährlich ein grösserer
- 199
Kreis von andächtigen Zuhörern bei diesen kleinen musikalischen
Festen einfindet. Die Concertanten wenden aber auch den grössten
Fleiss daran, das Renommee, dessen sie sich bereits erfreuen, zu
•erweitern, und erst nach langen sorgfältigen Proben, von denen
auch die leichtesten Sätze nicht ausgeschlossen sind, treten sie vor
ihr Auditorium. Dieser Ernst, mit welchem sie ihre Kunst betrei-
ben, erhält sie frisch und gewissenhaft und bewahrt sie vor jenem
saloppen Wesen, welches wir bei Quartettpielern zu finden gewohnt
sind. (Schluss folgt.)
Aus W i e
n.
Den Concerten gebührt diesmal der Vorrang vor der Oper.
"Wir haben vor uns zwei „philharmonische" und das erste der »Ge-
sellschafts - Concerte ;" drei Quartettabende von Laub, zwei von
Helmesberger und zwei Concerte von Frau Clara Schumann.
Die philh. Concerte litten an Mangel an Neuigkeiten. Dass sie sich
Mendelssohn'« „Reformations-Sinfonie" entgehen liessen, ist un-
begreiflich. Die Engländer haben es uns darin diesmal zuvorgethan.
Mendelssohn's Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt" leitete
den ersten Cyclus dieser Concerte ein; das fantastische Paradestück
von B e r I i o z, „Fee Maab," zeigte das Orchester von seiner virtuo-
sen Seite. Der Entreact zur Oper „Medea" von Cherubini konnte
vom Publikum nicht genügend gewürdigt werden, da ihm der
Schlüssel zu dieser hochpathetischen Musik fehlte ; die Oper ist dem
jetzigen Wien fremd und der Concertsaal macht andere Ansprüche
als die Oper. Die Aufführung von Beethoven's 4. Sinfonie
genügte. Man ist hierin so verwöhnt, dass man an jede Aufführung
dieser grossen Werke den höchsten Massstab anlegt. Die Ouver-
türe „Sakuntala" von Gold mark hatte schon früher hier gefallen,
doch war es kein Bedürfniss, sie schon jetzt zu wiederholen.
Schubert 's geniale C-dur-Sinfonie fanden die Wiener auch dies-
mal zu lang. Ein Lichtpunkt war das Auftreten von Frau Schu-
mann, die statt des erkrankten Laub mit Mendelssohn's G-moll-
Concert aus der Verlegenheit half; die Aufführung dieser Nummer,
obwohl ohne Probe abgehalten, war ausgezeichnet. Erst das dritte
philh. Concert bringt Neues : eine Sinfonie in H-moll von Esser; sie
zeigte in der heutigen Probe alle Vorzüge dieses liebenswürdigen
Komponisten, Der Zudrang zu diesen Concerten ist ausserordent-
lich ; das ganze Haus bildet gleichsam Eine grosse Familie. — Das
erste „Gesellschafts-Concerb" kam diesmal etwas spät (am 29. Nov.),
fiel aber glänzend aus. Hofcapeilmeister Herbeck zeigte sich
dabei wieder als tiefdenkender energischer Dirigent. Mendels-
s o h n's 42. Psalm, so vollendet gegeben , war eine Freude anzu-
hören. Carl Reiuecke, Director der Gewandhaus-Concerte zu
Leipzig, trat mit Ouvertüre und Vorspiel zu seiner Oper „König
Manfred" zum erstenmal vor das hiesige Publikum. Beide Num-
mern sprachen durch ihre massvolle Haltung an. Die Krone des
Concertes bildete der 3. Theil von Schumann'» „Faust," den
man hier vor Jahren unter Mitwirkung von Stockhausen in
höchster Vollendung gehört hatte. Wenn auch die Soli diesmal
nicht gleichen Anforderungen entsprachen, waren doch die Leistun-
gen von Chor und Orchester ausgezeichnet zu nennen. Die näch-
sten Concerte bringen mehrere Neuigkeiten, u. A. Liszt's Orato-
rium „Die heilige Elisabeth." Auch zu diesen Concerten ist der
Andrang so stark, dass der grosse Redoutensaal längst schon für
die Zahl der Zuhörer nicht mehr genügte. — Der kais. Kammer-
virtuose Ferdinand Laub veranstaltete drei Quartettsoiröen unter
Mitwirkung der HH. Kässmayer, Hubert und Rover. Unter
den Nummern sind hervorzuheben die in echt classischem Sinne
gebildeten Quartette vonHaydu und Mozart, Schubert'sEs-dur-
Trio (das Ciavier von Epstein vorzüglich vorgetragen), Schu-
m an n's mächtig aufregende Sonate D-moll (am Piano Brüll) und
die Quartette von Beethoven C-dur Op. 59 und von Mendels-
sohn D-dur. Letzteres namentlich wurde wahrhaft glänzend ge-
spielt und beschloss diese sehr zahlreich besuchten Abende, um dem
Quartett-Cyclus von Hellmesberger Platz zu machen. Dieses
seit 18 Jahren bestehende Quartett hat sich nach mehrfachen Wand-
lungen diesmal ganz neu gebildet. Nur Hellmesberger ist geblieben ;
«eine jetzigen Mitspieler sind die HH. Brodsky, Bachrich und
Popper. Das Programm der acht Abende nennt an Neuigkeiten f
Piano-Quartett von Rein ecke, Octett von Gr ädener jun., Trios
von Speidel, Raff und Ruf inatscha. Das erstgenannte wurde
bereits aufgeführt ; der Componist selbst zeigte sich damit als gedie-
gener Clavierspieler , doch vermochte das an innerem Gehalt wenig
bedeutende Werk nicht anzusprechen. Ausser Reinecke treten zum
erstenmal hier auf: W. Speidel aus Stuttgart und Frl. Menter
aus München; Dionys Pruckner aus Stuttgart hatte sich schon
vor etwa zehn Jahren hier als tüchtiger Pianist bewährt. Von ein-
heimischen Kräften wirken noch mit: die HH. Dachs, Epstein,
Schenner, Riedel und Frl. Geissler. Auffallend sind dies-
mal unter den 24 Nummern des ganzen Cyclus Schubert, Mozart,
Mendelssohn und Schumann mit nur je einer Nummer bedacht.
(Schluss folgt.)
lachrichte
MttncheD, Ein lange vorauszusehendes Ereigniss ist nnn leider
eingetreten, indem der Ver waltun gsrath des „Actien- Volkstheaters"
die Einstellung der Zahlungen erklärt hat. Die Vorstellungen wer-
den vorderhand noch fortgesesetzt werden können.
G&rlsruhe. Der „Cäcilienverein" hatte am 9. November seine
Öffentliche Thätigkeit mit einem Concerte wieder begonnen, dessen
reichhaltiges und abwechslungvolles Programm, in durchaus gelun-
gener Weise durchgeführt, dem zahlreichen Publikum vielen Genuss
gewährte. Man gab in der ersten Abtheilung: „Zwei französische
Volkslieder" aus dem 17. Jahrhundert, für gemischten Chor ; Ciavier-
Quartett von R. Schumann, vorgetragen von Frl. v. Pfeils chift er
aus Darmstadt und den HH. Spiess, Hartnagel, Glück und
Mohr; „Ave Maria* für Sopransolo und Frauenchor aus „Loreley"
von Mendelssohn; „Hornist und Musketier)" Lied für Bassstimme
mit Hornbegleitung von Fr. Abt, gesungen von Hrn. Hofopernsän-
ger B r u 1 1 i o t ; „Gebet" für Soli und Chor von Fr. Schubert.
Zweite Abtheilung : „Serenade" für Streichquartett von Jos. Haydn,
vorgetragen von den obengenannten Hofmusikern } Lieder für Tenor :
a) „Gute Nacht" von Schubert und „Die Schildwache" von Esser,
gesungen von Hrn. Hofopernsänger Kürner; „O weint um sie,"
für Sopransolo und Chor componirt von Ferd. Hiller; zwei Solo-
stücke für Ciavier von Steph. Heller und Sidney Smith (Frl. von
Pfeilschifter), und endlich „Lauda, anima mea, Dominum" Offer-
torium für gemischten Chor von M. Hauptmann. Die verschiedenen
Sopransoli wurden von Frl. Behrens und einem Vereinsmitgliede
gesungen.
Leipzig. Das Programm des siebenten Gewandhausconcertes
(26. Nov.) war folgendes: Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber;
Concert für Violoncell von R. Schumann, vorgetr. von Herrn
Friedrich Grützmacher (zum 1. Male) ; Solostücke für Piano-
forte, a) „Wiegenlied" von Henselt, b) „Polonaise" (As-dur)
von Chopin, vorgetr. von Hrn. Friedrich C o w e n aus London ;
zwei Entreacte aus der Oper „Rosamunde" von Fr. Schubert;
drei Stücke aus den Suiten für Violoncellsolo von 8. Bach (Hr.
Grützmacher). Zum Schluss: Sinfonie in D-dur (Nr. 2) von Beet-
hoven. Im Theater kam Cherubini's „Wasserträger" neu-
einstudirt in sehr gelungener Weise zur Aufführung.
Salzbarg. Der Wunsch, Paul Hofheimer's vierstimmige
Gesänge allgemein zugänglich gemacht zu sehen , ist in Erfüllung
gegangen, und dieselben sind am hiesigen Platze (bei Pustet) in
sauberem modernen Notendruck edirt worden. Das nett ausgestat-
tete Werk führt den Titel: „Pauli Hofheimeri (Nat. U59 —
obiit 1537), Harmonias Poeticas, sive Carmino nonnulla Horatii
aliorumque Poetarum Romanorum vocum cantu accommodato
denuo edidit, atque ExceUentissimo D.\D. Carolo Comiti Coro'
nini Cronberg gubernatori ducatus Salisburgensis, 8. Maj. consi-
liario intimo actuali, Med. Doctori etc. dedicavit Innocentius
Achieitner, chori Director IL Metr. eccl. Salisburgensis. — Ein
interessanter Original-Mozarti>rief ist von den Erben
einer jüngst verstorbenen auswärtigen musikalischen Notabilität dem
hiesigen Mozarteum zum Ankauf angeboten worden. Leider kann
das gedachte Institut den geforderten Preis nicht leisten , obgleich
das durch Vergleich mit den hierortigen Handschriften Mozart's als
— 200 -
•cht befundene Schriftstück einen schätzbaren Zuwachs der bezüg-
lichen Sammlung des hiesigen Morzartenms abgeben würde. Das
verkäufliche Handschreiben ist jedoch vorläufig im hiesigen Mozar-
teum-Archiv deponirt.
Wien. Frau Clara Schumann hat bereits ein zweites
Concert mit höchst interessantem Programm und unter Mitwirkung
▼on Hrn. Joh. Brahma gegeben.
— Im „philharmonischen Concerte* kam eine neue Sinfonie
von Heinrich Esser mit äusserst glücklichem Erfolge zur Auf*
fährung. Der Componist, welcher selbst dirigirte, wurde mehrmals
hervorgerufen.
Paris. Das siebente der Pasdeloup' sehen Concerte
brachte : Reformations-Sinfonie von Mendelssohn; Adagio aus
dem Septuor von Beethoven; Sinfonie in Es-dur von Mozart;
Andante mit Variationen von H a y d n (für Streichinstrumente) ;
Ouvertüre zur Oper: „Der fliegende Holländer" von R. Wagner.
London. Der neue Stern, welcher am Himmel der italienischen
Oper in Coventgarden aufgegangen ist, wir meinen nämlich Miss
Minnie Hauck, hat seinen Glanz bisher ungetrübt erhalten.
Die liebliche Sängerin ist bereits als Gretchen und Zerline (Don
Juan) mit ungeteiltem, lebhaftesten Beifall aufgetreten und lässt
im Verlaufe ihrer weiteren Rollen noch manchen seltenen Genuss
erwarten. Auch Fr. v. M u r s k a ist endlich nach längerem Un-
wohlsein als Lucia, Donna Elvira und Königin der Nacht mit gros-
sem Erfolge aufgetreten.
— - Das zweite populäre Montagsconcert brachte : Grosses
Septett inD-moll für Pianoforte, Flöte, Oboe, Hörn, Viola, Violon-
cell und Contrebass von J. N. Hummel, mit Hrn. P a u e r am
Ciavier, welcher auch mit den HH. S a i n t o n und P i a 1 1 i das
Trio in D-dur, Op. 70 (Nr. 1) von Beethoven und allein die Sonate
in F-dur von Mozart vortrug; Violinsonate mit Ciavierbegleitung
in G-dur von P o r p o r a , vorgetr. von Hrn. Sainton ; Andante in
E-moll nnd Scherzo in A-moll für Streichquartett von Mendellssohn
(posthume), vorget. von den bekannten Quartettisten dieser Concerte ;
ferner für Gesang: Ave Maria von Schubert und ein Lied von Bene-
dict, ges. von Miss Edith W y n n e. — Das dritte dieser
Concerte hatte folgendes Programm: Octett für Streich- und Blas-
instrumente in F-dnr, Op. 116, von Fr. Schubert; Gesang,
„Dalla sua pace a von Mozart (Mr. Vernon R i g b y) ; Sonate in
As-dur, Op. 39 für Pianoforte von Weber (Hr. Paner); Andante
und Rondo für Violoncell mit Ciavierbegleitung von Molique
(Hr. P i a t tf); Lieder von Schubert und Schumann (Vernon
Rigby); Streichquartett in C-dur, Op. 64 Nr. 1 von J. Haydn.
Brüssel. Unsere treffliche Sängerin ,~ Mlle. M a r i m o n , war
nahe daran, sich selbst zu vergiften. Sie sollte vor einigen Tagen
in einem Concerte singen und da sie sich nicht ganz gut disponirt
fühlte, so wollte sie mit ein paar Tropfen Belladonna ihrer Stimme
die erforderliche Glätte geben, scheint aber von diesem Gifte eine
zu starke Dosis genommen zu haben, so dass sich einige bedenk-
liche Anfälle von Delirium einstellten, welche jedoch nun glück-
licherweise gehoben sind, und weiteren schlimmen Folgen für
die beliebte Künstlerin zu befürchten sind. Das Opernreper-
toir hat einigermassen durch das Unwohlsein derselben Störung
erlitten.
— Am 28. Novbr. gab Hr. Ferd. H i 1 1 e r eine Unterhaltung
im artistisch-literarischen Cirkel , in welchem er als Componist und
als Ciaviervirtuose gleichmässig brillirte. Der ausgezeichnete Ton-
meister gab ein Thema mit Variationen , eine Sonate, ferner eine
Gavotte, Sarabande und Courante', ein Capricciettoj eine Ber-
ceuse, ein Allegro appassionato und einige reizende Lieder, sämmt-
liche Sachen von seiner Composition, zum Besten und spielte im
zweiten Theile des Concertes seine vierhändige „Operette ohne
Worte" mit Hrn. L. B r a s s i n. Jede dieser Productionen wurde
mit dem lebhaftesten Beifall aufgenommen und Hiller mag wohl
erkannt haben, welche lebhaften Sympathien er sich hier als Com-
ponist und Virtuose erworben hat.
— Das dritte populäre Concert des Hrn. Samuel fand am
6. December unter Mitwirkung der ausgezeichneten Sängerin Frl.
Philippine v. Edelsberg statt. Das Programm war folgendes :
I. Tbeil: Sinfonie in C-dur von Fr. Schubert; II. Theil: Ouver-
türe zu „König Stephan" von Beethoven; Arie von Händel
(Frl. v. Edelsberg) ; Suite für Orchester von Saint-Saens (zum
ersten Male); Arie aus „Titus M von Mozart (Frl. v. Edelsberg);
Ouvertüre in Es-dur von Fr. L a c h n e r.
*** Die junge Violinvirtuosin Frl. Therese Liebe concertirte
mit vielem Beifall in Augsburg und München.
*** Die beiden grossen Lorbeerzweige, welche den Sarg R o s-
s i n i's schmückten, waren aus seinem eigenen Garten in Passy
von zwei Bäumen, Absenkern von den Gräbern Virgil's in Neapel
und Tasso's in Saint-Onuphre.
*** In T o r g a u kam am 22. November unter der Leitung
des Hrn. Dr. T a u b e r t das Oratorium „Die Auferweckung des
Lazarus 8 von Löwe zur Aufführung.
%* G. H. Bitter, Verfasser der höchst werthvollen Biogra-
phie S. Bach's, hat neuerdings ein Werk in zwei Bänden ver-
öffentlicht, mit dem Titel: „Carl Philipp Emanuel Bach und Wil-
helm Friedemann Bach und deren Brüder, mit Portrait und Facsi-
mile von Emanuel und Friedemann Bach, sowie zahlreichen Musik-
beilagen." Das interessante Werk ist bei Wilhelm Müller
in Berlin erschienen.
*** Es starben in jüngster Zeit: Carl Maukell, Director
der musikalischen Akademie zu Stockholm, 66 Jahre alt, und
in London der beliebte Tenorist Harrison, 55 Jahr alt.
Letzterem gebührt das Verdienst, die lyrische Oper auf die eng-
lische Bühne verpflanzt zu haben.
*** In Dresden kam von der „Singakademie" unter der Lei-
tung des Musikdirectors Pfretzschner das Oratorium „Paulus"
von Mendelssohn, mit den Frl. H ä n i s c h und S t a n i t z ,
Hrn. Schild vom Dresdener und Hrn. Stägemann vom han-
noverschen Hoftheater als Solisten, in recht befriedigender Weise
zur Aufführung. Das Auditorium war ein sehr zahlreiches und
die Einnahme für das beabsichtigte Mendelssohn-Denkmal in Leipzig
bestimmt.
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7nnff llr» 14 ^randzüge einer Theorie der Oper. Ein theo-
ftaUpiTj Uib n. 7 retisch -practisches Handbuch für Künstler
und Kunstfreunde, Dichter und Componisten, Sänger, Capellmeister,.
Regisseure und Directoren , basirt auf die Anforderungen der
Gegenwart und auf zahlreiche in den Text verwebte Aussprüche
hervorragender Geister. Erster Theil: Die Production. 8.
broch. 1 Thlr. 10 Ngr.
Gegenüber dem stets wachsenden Interesse für das umfassende
Gebiet der dramatischen Musik, gegenüber den immer brennender
entbrannten Streitfragen über endgültige Gestaltung und Bestimmung
der Oper fehlte es bisher noch immer gänzlich an einem
Werke, welches diese Fragen energisch zusammenfasst und auf
ihre begriffliche Urspünglichkeit zurückführt, welches dem fortwährend
wachsenden Verlangen nach gründlicher practischer wie theoretischer
Belehrung über dieses Kunstgebiet befriedigend Rechnung trägt.
Diese bedeutende Lücke auszufüllen, ist die Auf-
gabe des vorliegenden Werkes. Jedem der sich irgendwie-
für die Oper interessirt, sei es als Künstler oder Kunstfreund,,
als Dichter, Componist, Darsteller oder Leiter, soll es möglichst
klar und practisch belehrenden Aufschluss geben über das ihn
Angehende, ausserdem aber zugleich in anregender Weise hinleiten
zu ihrer höheren sittlichen und socialen Bestimmung.
Nach letzterer Seite hin hat der Verf. für die Bestimmung der
Oper einen neuen aus den Anforderungen der Gegenwart herge-
leiteten Gesichtspunkt aufgestellt.
Verantw. Red, Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz,
17. Jahrgang.
it* SM.
21. December 1868.
SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG
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INHALT: Literatur. — Corresp.: Frankfurt a. M. München* Wien. Leipzig, Stuttgart. Paria. — Nachrichten.
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Mit dem 1. Januar 1869 beginnt der 18. Jahr-
gang der Süddeutschen jflusik - Zeitung.
Ihrer bisherigen Haltung getreu, wird sie auch künftig ein
unparteiischer Berichterstatter aller bedeutenden Vorkomm-
nisse im musikalischen Leben sein, wichtige Fragen in
eigenen Artikeln erörtern und den Lesern durch biogra-
phische und musikgeschichtliche Aufsätze eine ebenso
angenehme wie belehrende Unterhaltung bieten.
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<£xwbiüon 5cr Jitfc&ettffdjm / 38uftfi-$rifiuiG.
Literatur.
Katechismus der Orgel. Erklärung ihrer
Structur, besonders in Bezug auf technische Be-
handlung beim Spiel, von C. F. Richter. Mit 25 in
den Text gedruckten Abbildungen. Leipzig, J. J.
- Weber. 1868.
Der Verfasser dieses Orgelkatechismus ist der gegenwärtige
Cantor an der berühmten Thomasschule und Professor am Conser-
vatorium der Musik in Leipzig, als ausgezeichneter Theoretiker und
meisterhafter Orgelspieler in der musikalischen Welt längst bekannt.
Das Werkchen enthält auf 148 Druckseiten in klein 8 ft so viel
Belehrendes, für jeden Orgelspieler zu wissen durchaus Nöthiges
über den Bau, die innere Einrichtung und Behandlungsweise der
Orgel, über Manuale und Register, über das Spiel der Orgel, über
Stimmung, Regierung derselben etc etc., dass kein angehender
Orgelspieler von Fach oder Dilettant dasselbe entbehren kann, ja
vielleicht Mancher, der schon länger auf der Orgel amtirt, ohne
sich gerade jemals viel Rechenschaft über seine Kunst oder sein
Instrument gegeben zu haben, gar Vieles darin zu seiner notwen-
digen Belehrung finden wird. Die Ausstattung ist der des Musik-
Katechismus von Lobe ganz conform.
Der Ciavierunterricht. Studien, Erfahrungen
und Rathschläge von Louis Köhler, Verfasser
der „Systematischen Lehrmethode für Clavierspiel und
Musik." Dritte, verbesserte und vermehrte Auflage.
XH. B. 334 S. in 8°. Leipzig, J. J. Weber. 1868.
Wer sich in der neueren Zeit irgendwie, als Lehrer oder Ler-
nender, mit dem Clavierspiel ernstlich beschäftigt hat, dem kann
der Name Louis Köhler nicht unbekannt geblieben sein, denn
schon seine instructiven Werke für das Ciavier haben demselben
einen gewiss wohlverdienten Ruf als einer der ersten Ciavier-
Pädagogen (wenn wir uns so ausdrücken dürfen) unserer Zeit er-
worben. Allein nicht nur seine Etüden und sonstigen practischen
Werke sind es, die dem Verfasser eiuen so bedeutenden und geach-
teten Namen verschafft haben, sondern auch als Kritiker und Musik-
schriftsteller nimmt derselbe eine hervorragende Stellung in der
Musikwelt ein und unter dem vielen Gediegenen, Nützlichen und
Lobenswerthen, was er bis jetzt geliefert bat, ist sein „Ciavierunter-
richt," der uns nun in dritter, verbesserter Auflage vorliegt, gewiss
nicht das am wenigsten Bedeutende. Im Gegentheile enthält dieses
Buch des Belehrenden, aus langer Praxis, gewissenhafter Forschung
und klarer Beobachtung Hervorgegangenen so Vieles und Mannig-
faltiges, dass dasselbe in den Händen eines jeden , für das Clavier-
spiel sich in was immer für einer Weise rnteressireuden befinden
soll. Da der Verfasser in dieser neuen Auflage nicht nur die Re-
sultate seiner wieder weiter errungenen Erfahrungen und Beobach-
tungen niedergelegt, sondern anderntheils auch manches ihm als
überflüssig Erscheinende aus den früheren Ausgaben gestrichen hat,
so dürfte wohl das treffliche Buch, wie es jetzt beschaffen ist, über
gar nichts, was irgendwie zum Clavierspielen nöthig ist, oder auf
dasselbe in Betreff des Lernens und Ausübens Bezug hat, den Leser
ohne Rath und Belehrung lassen und die Voraussetzung einer noch
viel grösseren Verbreitung desselben als bisher sich als eine rich-
tige bewähren.
CORRESPONDEN21EN.
Aus Frankfurt a* Uff«
(S c h 1 u s s.)
Die uns am 27. Novbr. vom R ü h 1' sehen Verein im Saalbau
gebrachte Aufführung der „Johannis- Passion 8 von S. Bach war
eine ebenso gediegene als zahlreich besuchte. Mag übrigens die
„Johannis-Passion," im Vergleich mit andern Werken Bach's, viel-
leicht nicht auf gleicher Höhe stehen, so ist sie doch ein von echt
evangelischem Geiste beseeltes Werk, das man nur mit hoher Be-
wunderung und Pietät anhören kann , und fühlen wir uns dem Di-
rector Hrn. Friedrich, sowie allen, welche bei der weihevollen
Aufführung mitwirkten, zu innigem Danke verpflichtet.
Die mit Ciavier begleiteten , zum Theil sehr schwer zu intoni-
renden Recitative, sowie die Arien für Bass und Tenor wurden von
den HH. Schulze aus Hamburg und Otto aus Berlin mit bewun-
derungswürdiger Reinheit und mit tiefem Verständniss gesangen.
Ein Ungenannter (Bariton) sang mit sonorer Stimme die kleineren
Recitative. Frl. Thomae von hier sang mit schöner klangvoller
Stimme die Sopranpartie und Frl. Burhenne aus Cola die des
Alt mit lobenswerthem Bestreben und verdienter Anerkennung. —
In der grossen, wunderbar schönen, den tiefsten Seelenschmerz aua-
- 202
hauchen sollenden F-moIl-Arie: „Zerfliesse mein Herz in Fluthen
der Zähren" etc. schien jedoch neben Reinheit der Intonation keine
andere Intention vorzuherrschen, als die: Eine schöne Stimme
zur möglichsten Geltung zu bringen. Die grossentheils aphoristisch
behandelten Chöre, sowie die harmoniereichen Choräle wurden vom
Verein herrlich executirt; namentlich waren die einzelnen Einsätze
in der G-moll-Arie (Bass): »Eilt, ihr angefocht'nen Seelen" etc. —
„Wohin? — Wohin?" — ferner der Chor: „Lasset uns den nicht
zertheilen" und schliesslich der Ergebung und Gottvertrauen athmende
C-moll-Chor: „Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine" etc. von über-
raschender Präcision und Wirkung. Unser Orchester bewährte sich
wie immer.
Fünftes Museums-Concert am 4, Decbr. I. Tbeil:
1) Ouvertüre zur Oper „Leonore" N° 1 in C-dur von Beetho-
ven; 2) Arie von Mozart, gesungen von Hrn. Otto; 3) Sinfonie
in G-moll von Mozart. — Die Ouvertüre N* 1 zu Beethoven's
„Leonore ,* wenn auch nicht von höchster Bedeutung, trägt
dennoch für das musikalisch geübtere Obr unverkennbar das ent-
wickelungafähige Embryo zu der grossen Leonoren-Ouvertüre N° 3
in sieb, und der Umstand) dass der grosse Tondichter dieselbe in
der uns heut reproducirteu Fassung der Kunstwelt nicht nur nicht
i vorenthielt, sondern sie sogar einer mehrmaligen Umarbeitung wür-
digte, dürfte genügend darthun, dass Beethoven in ihr wohl noch
etwas mehr als den blossen Keim zu seiner „Ouvertürenkönigin"
erblickte. Wir würden uns demnach mit manchem kühnen Laien
noch eine Stufe über den Standpunkt des genialen Beethoven er-
heben müssen, um die hier in Rede stehende Ouvertüre cavaliere-
ment als ein „schwaches Werk" bezeichnen zu dürfen. Sie wurde
übrigens sehr anerkennenswerth aufgeführt. Mit dem Vortrage der
Arie aus „Don Juan:" „Ja, ihre Ruhe ist auch die meine" würden
wir, obgleich Hr. Otto kein Opernsänger ist, ganz einverstanden
gewesen sein, wenn er in den wenigen oberen Tönen statt des
Falset durchweg Bruststimme angewendet hätte. Die Aufführung
der G-moll-Sinfonie von Mozart war eine sehr correcte.
Als IL Tbeil des Concerts wurden unter Mitwirkung vieler
Mitglieder des „Cäcilienvereius" sowie der Frl. Thomae von hier,
des Hrn. R. Otto von Berlin und des Hrn. Philipp i von Wies-
baden „Die Kreuzfahrer," dramatisches Gedicht von C Andersen,
nach Motiven aus Tasso's „befreitem Jerusalem," für Soli, Chor und
Orchester componirt von Niels W. Gade zum ersten Male auf-
geführt.
Die Einleitung, „Tn der Wüste" betitelt, führt uus in einem
Wüstenzug das von Hitze und Durst gequälte und ermattete, von
Feter dem Eremiten aber ermuthigte Kreuzfahrerheer vor. Eine
Hauptepisode der Dichtung bildet hierauf das Zusammentreffen des
ritterlichen R i n a 1 d o mit der von Geistern der Finsterniss und
Sirenen unterstützten Armida, welche den Ritter durch sinnliche
Lust berücken will, welcher bereits wankend, doch noch rechtzeitig
den Mahnruf der anderen Ritter hörend, der Armida widersteht, die
sich nun der Finsterniss weiht. Der Anfangs von Reue gequälte,
doch bald auch beruhigte Rinaldo und die durch Peter dem Ere-
miten von Hoffnung neu belebten Ritter ziehen „Gen Jerusalem."
Auffallend genug ist der im Allgemeinen ziemlich poetisch ge-
haltene Text doch hin und wieder von einer Unbeholfenheit, dass
man nicht weiss, ob es dem Dichter mit seiner versificirten Logik
Scherz oder Ernst ist. So Iässt er unter Anderm Peter den Ere-
miten sagen :
„Ob auch mächt'ger Nebel falle,
Betet zu dem Herrn jetzt Alle."
Ferner:
„Hier ist nun Erdennoth und Harm,
Der Himmel öffnet seine Arm'." etc.
Was nun die Composition Gade's betrifft, so hat sie zwar bei
wenig Neuheit der Erfindung an Melodie einige recht wirkungs-
reiche Chor- und Orchestereffecte; hierher gehören namentlich das
Gebet: „Vater aus der Ferne," Solo mit Chor, der Sirenenchor:
„Ich tauch 1 meine Brust," mit der gedämpften Violinbegleitung und
die Einleitung zu dem Chor der „Geister der Finsterniss" mit der
dominireuden Cello- Figur. Doch kann man ihr insofern einen An-
spruch auf Originalität nicht vindiciren, als ein Anlehnen des Com-
ponisteu an R. Wagner und Mendelssohn sich unabweisbar auf-
drängt. Ebenso kann von einer Characteristik im Allgemeinen nur
sehr bedingungsweis die Rede sein, da uns statt Bildern des Orients
häufig nordische Nebelbilder entgegentreten. Auch ist bei der ziem-
lich grossen Ausdehnung des Werkes der unstäte Harmonie- und
Tempowechsel nicht vermögend, unser Iuteresse für dasselbe zu er-
höhen und eine hie und da sich einschleichende Monotonie zurück-
zuhalten. Und dennoch sind wir überzeugt, dass die „Kreuzfahrer,"
wo sie mit so viel Eifer und künstlerischer Hingebung zu Gehör
gebracht werden, wie von unserin Cäcilienverein, den Solisten und
dem Orchester, überall — wie bei uns — einer freundlichen Auf-
nahme gewärtig sein dürfen.
Aus M ii fi c li e 11.
(Schluss.)
Der philharmonische Verein veranstaltete als Todten-
feier zu Ehreu des vor einem Jahre verstorbenen Grafen S t a i n -
lein, eines begabten Musikfreundes und Dilettanten, eine musika-
lische Matinäe, in welcher nur Compositionen des Verstorbenen zur
Aufführung gebracht wurden. Nur ein Trio für Pianoforte, Violine
und Violoncell war im Stand, den Grafen als respectablen Tondich-
ter zu characterisiren, die weitereu Nummern des Programms (Lie-
der: „O lieb so lang du lieben kannst" und „Treue Liebe," ferner
Romance varie'e für Violine mit Streichquartettbegleitung und schliess-
lich zwei Duetten „Frühlingsgesänge") bewiesen mehr Eifer und
guten Willen, als Begabung und Tiefe.
Das Hoftheater brachte am letzten Sonntag „Catharina Cor-
naro" von L a c h n e r (mit Frl. Stehle in der Titelrolle) unter
Bülow's Direction zur Aufführung. Bei den Proben hatte Bülow
gebeten, ihn in der Direction zu unterstützen und ihm die Tempi
zu bezeichnen,! wie sie Lachner, der leider von München ab-
wesend sei, zu nehmen pflegte. Diese Pietät, welche er für seinen
Vorgänger im Amt an den Tag legte, vermehrte nicht wenig die
Sympathien, welche das Orchester ihm entgegenträgt. Auch das
./Publikum, unter welchem sich verschiedene alte Herren befanden,
die seit Lachner' s Rücktritt das Hoftheater ängstlich gemieden hat-
ten, nahm die Oper, welche ausserordentlich sorgfältig vorbereitet
war und von Bülow mit hingebenstem Eifer dirigirt wurde, mit
seltenem Beifall auf und applaudirte fast jede Nummer. Von der
Ueberreichung eines Ehrengeschenkes an Lachner, der sich mit
grosser Befriedigung über seine jüngsten Erlebnisse in Frankfurt
und Cöln ausspricht, haben Sie wohl schon aus den Zeitungen ver-
nommen, und ich komme mit meinen Bericht hierüber zu spät. —
Lachner geht dieser Tage nach Wien, wo er sich bis zum nächsten
Frühjahr aufzuhalten gedenkt.
Aus W i e n.
(Schluss.)
Frau Schumann gab in der zweiten Hälfte November zwei
Concerte. Die edle Kunstrichtung ihrer Programme bedarf keiner
Bestätigung ; dieselben scheinen diesmal vorwiegend die romautischo
Schule zu vertreten; Beethoven und Bach waren bis jetzt nur ein-
mal erschienen. Am hervorragendsten waren die mit äusserster
Klarheit und Energie gespielten „Etudes en forme de Variations u
Op. 13 von Schumann. Von besonderem Interesse waren ferner
Schumann's Op 46, Andante mit Variationen für zwei Claviere,
diesmal nach der ursprünglichen ungedruckten Lesart (mit Beglei-
tung von 2 Cellos und Waldhorn). Die reizende Compositiou schien
in dieser neuen Gestalt erst ins rechte Licht gestellt und sprach
ungemein an. Die Ausführung an den beiden Ciavieren durch Frau
Schumann und Joh, Brahma gestaltete sich unter solchen
Händen zum edelsten Wettstreit.
Die Oper bot im Monat November wenig Anhaltspunkte zu
näherer Besprechung. Der neu engagirte Tenor Müller trat als
Lyonel, Chapelou, Manrico und Vasco de Gama auf und verspricht
bei seinem Eifer ein schätzbares Mitglied der Oper zu werden.
Seine Stimme spricht leicht an, klingt sympathisch, obwohl ein un-
angenehmer Gaumenansatz noch stört; im Spiel aber bleibt noch
viel zu thun übrig» Hr. Müller studirt nun die Rolle des Robert
**>
203 —
ein, die trotz Walter und Adams verwaist dasteht. Auch zwei
Gastspiele brachte wieder dieser Monat (nulla dies sine limea).
Ein Frl. Po Hak versnchte sich als Fides und Nancy. Ihre Stimm-
rnittel sollen noch vor kurzem vielversprechend gewesen sein ; nun
sind sie durch verfehltes Studium mit Dampfkraft dem Ruin zuge- »
führt. Ein drittes Auftreten ersparte die Direction der Sängerin
und dem Publikum. Nicht besser erging es einem Hrn. Rulf aus
Hannover, der für dritte Tenorpartbien ausersehen war. Die beiden
Bollen Feuton (lust. Weiber) und Tybald (Romeo) genügten, um
auch ihn unmöglich zu machen. Unter den gegebenen w Opern ist
eine Vorstellung von Nicolai's „Lustige Weiber von Windsor" her-
vorzuheben, die recht animirt gegeben wurde. Die HH. Schmidt
und Mayerhofer (Falstaff und Flutb), die Damen Dust mann
und Gindele (Flutb und Reich) wirkten dabei sehr verdienstlich.
Auf die Rolle des Profeten hatte der Tenorist Adams viel Stu-
dium verwendet; Frau Wilt als Bertha zeigte wieder die ge-
schulte, mit reichen Stimmmitteln begabte Sängerin. Das Reper-
toir war in letzterer Zeit mehrfach durch Krankheitsfälle gestört,
lässt aber doch in seiner Totalität die eingeschlagene Richtung
durchblicken. „Mignon" wurde 5 mal gegeben, „Martha" 3 mal
(2 mal als Aushälfe), „Hugenotten" uud „Romeo" hatten je zwei
Abende. Alle übrigen Opern wurden je 1 mal gegeben: „Don
Juan," „Figaro's Hochzeit," „Teil," „Postillon," „Troubadour,"
„Lustigen Weiber," „Maskenball," „Afrikanerin 4 und „Lucrezia."
Von Deutschen waren also nur Mozart, Flotow und Nicolai mit
vier Abenden vertreten. N i e m a n n ist bereits angekommen und
wird zunächst als Tannbäuser auftreten.
Aus Leipzig
Im November 1868.
(Fortsetzung.)
Ein eigentümliches Fatum waltete über dem am 29. October
abgehaltenen vier ten Qewandhauscoucert: gegen vier Meister der
Tonkunst, sonst erklärte Lieblinge des Gewandhaus-Publikums, ver-
hielt sich dieses, wenn auch nicht zurückweisend, doch auffallend,
kühl und nicht in allen Fällen war die Interpretation schuld daran
— Man begann mit Beethoven's Ouvertüre Op. 124, die bis
auf einiges Distoniren in den Blasinstrumenten und einem etwas
unbescheidenen Hervortreten des Bleches, namentlich der Trom-
peten, sonst gauz gut zu Gehör gebracht wurde. Hierauf folgte:
Sonate und Arie aus „Die Auferstehung des Lazarus," Oster-Cantate
von Franz Schubert, und zwar zum ersten Male. Bei Durch-
lesung des Textes kann man sich nur wuudern , wie Schubert sich
für diese schauerlichen, alle Schrecken des Grabes und des Kirch-
hofes aufdeckenden, dabei aber der Poesie baareu Worte hat be-
geistern können. Es ist ihm freilich auch nicht recht gelungen.
Die Composition, wenn sie auch im Einzelnen der Schubert eigen-
tümlichen genialen Züge nicht entbehrt, macht doch im Ganzen
einen monotonen Eindruck, der durch die motivirten und nichtmoti-
virten Abschweifungen nach allen Tonarten hin nicht gemildert
wird; namentlich aber ist der letzte Satz in Erfindung und Durch-
führung unbedeutend. Dazu kommt eine Orchestration , welche, so
interessant und geistreich sie an einzelnen Stellen auch ist, doch
ein ganz anderes Volumen von Stimme verlangt, als worüber Herr
Wallenreiter aus Stuttgart zu gebieten hat. Aber selbst mit
diesem Quantum von Stimme würde besagter Herr mehr ausrichten,
wenn er verstände, es besser technisch wie geistig zu handhaben.
In erster Beziehung erscheint vor allem eine correctere und deut-
lichere Aussprache des Textes, namentlich der Vocale wünschens-
werth, in letzterer wirkt eine Monotonie des Vortrages geradezu
lähmend und langweilend. Ueberhaupt schien es an diesem Abend
Hr. Wallenreiter darauf abgesehen zu haben , die Rolle eines sin-
genden Hölleubreugsel zu spielen; er malte schwarz auf schwarz»
Die von ihm vorgetragenen Lieder mit Pianoforte: „Canzonetta"
von Alessandro Scarlatti „0 cessate di piagarmi," „Der Ab-
schied" von Moscheies, und „Belsazar" von R. Schumann
trugen mehr oder minder einen düsteren Character, dem die dunkele
Klangfarbe der Stimme sowie die eintönige Vortragsweise des Sän-
gers kein freundlicheres Colorit zu verleihen vermochten. Kein Wun-
der, da ss sich da die Zuhörerschaft zu lebhaftem Beifall nicht an-
geregt fühlte. Einen weit günstigeren Eindruck machten dagegen
die Ciavier- Productionen der Frl. Gabriele Joel aus Wien: Concert
(Es-dur) für das Pianoforte von Weber, Concert-Etude (Op. 126)
von J. Moschelea, Andante spianato von F. Chopin und
Presto (aus der Fantasie Op. 28) von F. Mendelssohn. Frl.
Joel steht auf einer ganz respectabeln Stufe des neueren Virtuosen-
thums; -Fertigkeit, Sicherheit und ein markiger, kräftiger Anschlug
vereinigen sich bei ihr mit gutem Geschmack, und wenn bei Wie-
dergabe des Chopin'schen Andante, sowie des Meudelssohn'schen
Fantasiestütskes etwas mehr günstige Durchdringung zu wünschen
übrig blieb, so gelang ihr dagegen die des Weber'schen anmuthigen
und frischen Concertes vortrefflich Nach diesem wäre nach unserer
Ansicht ein wärmerer Beifall, wie er den Solostücken folgte, besser
am Platze gewesen. — Den zweiten Theil des Concertes füllte
M e n d e ls s o h n's „Reformations-Sinfonie aus. Anfangs der dreissiger
Jahre componirt, hat der Meister doch stets mit einer Reproduc-
tion derselben zurückgehalten. Wir glauben , dass er damit eine
Selbstkritik ausgeübt hat, der wir nichts weiter hinzuzufügen haben ;
auch das Publikum schien, den Zeichen des äusseren Beifalls nach,
ähnliche Ansicht zu hegen. (Fortsetzung folgt.)
Aus Stuttgart.
Im November.
T. Das vierte Abonnementsconcert überraschte uns mit zwei
Novitäten; wenigstens in Stuttgart war die eine derselben, Schü-
manns zweite Sinfonie (C-dur) noch nicht gegeben worden. Hof-
capellmeister A b e r t hat mit derselben einen glücklichen Wurf
gethan: besonders das geistsprühende Scherzo und das an wunder-
sam sublimen Tongebilden fast überreiche Adagio wurden mit wah-
rem Jubel aufgenommen; (im Finale stört eine Reminiscenz an den
G-moll-Satz der Mendelssohu'schen Lobgesang-Sinfonie die reine
Freude des Hörers); die Eiustudirung war eine überaus sorgfältige
uud liebevolle. Als zweite eigentliche Novität hörten wir eine
Orchesterfantasie unseres G. Lindner, wozu er zwei bei der kgl.
Familie besonders beliebte russische Volksweisen gewählt hatte.
Dieselben erschienen in geschmackvoller, stets wechselnder Harmo-
nisirung und Durchführung ; der Hauptvorzug des Ganzen liegt aber
in der glänzenden, geradezu an das Tristan Vorspiel gemahnenden
Instrumentirung, welche sich eines ungetheilteu Beifalls erfreute.
Nach Art von Liszt's ungarischen Rhapsodien wechselt darin ein
langsamer Satz (A-moll) mit einem bewegten E- und A-dur, und
treten auch einmal beide Themen zusammen. Von Mendels-
sohn' 8 Ouvertüre: „Meeresstille und glückliche Fahrt" ging
das Adagio unter dem Geräusche der zu spät Kommenden, denen
man diesmal nicht, wie sonst löblicher Weise, den Eintritt bis zum
Schlüsse der Nummer verwehrte, völlig verloren. Mozart's nach-
componirte Arie zu „Figaro," eines der letzten Muster ächten ita-
lienischen Kammerstyls, in der sich die beiden BassethÖrner mit
den Fagotten und Waldhörnern zu einer eigenthümlich warmen
Klangfarbe verschmelzen, trug diesmal deutliche Spuren der über-
eilten Einlage an sich, und zwar nicht nur in der Begleitung, son-
dern auch im Solopart, indem Frl. Bärmann ihre sonstigen Vor-
züge fast gänzlich vermissen Hess; falsche Phrasirungen, wie z. B.
Grabe |s Raub u. dgl. sollten im Concert nicht vorkommen. Unser
neuer Violinvirtuose Hr. W e h r 1 e , der neben C. M. Singer am
ersten Pulte sitzt, spielte Bpohr's Gesangscene mit grosser Sauber-
keit; die Qualität des Tones kommt bei der bekannten schlechten
Akustik unseres Königsbausaales nie geuügend zur Geltung.
Das alljährliche „Mozart - Concert" des Orchestervereins
waren wir diesmal abgehalten zu besuchen; unsere Ansicht über
derartige Ausfüllungen eines Abends mit* verschiedenen Werken
eines einzigen Meisters haben wir schon früher in diesem Blatte
ausgesprochen. Das Programm enthielt die C-dur - Sinfonie N* 10,
das B-dur-Quintett, ein Clavier-Concert in Es-dur, gespielt von dem
jungen Conservatoristen C. H e r r m a n n , und aus der spärlichen
Auswahl concertfähiger Lieder Mozart's das „Veilchen" und dia
„Abendempfindung;" die Direction war in Händen des Hrn. Hof-
pianisten Prackner.
204 -
>« Daionlte&sto Abdnnementsconcert (bereits N° 5) wird u. A. die
Otrrtrtürefzu »Amakreon," das Tristanvorspiel, die C-moll- Sinfonie
und' das G-*ur-Concert von Beethoven bringen , letzteres gespielt
vofi'Frau 1 Bfe Ito er-Hörner.
Aus Paris.
' 14. December.
- ! Gestern ist der Cyclus der Conservatoriums - Concerte eröffnet
worden. Auf dem Programm figurirten u. A. eine Sinfonie von
Gouvy und der Pilgerchor aus Wagner's „Tannhäuser." Gouvy's
Werk erfreute sich einer beifälligen Aufnahme, und was den vor-
trefflich ausgeführten Pilgerchor betrifft, so musste er auf stürmi-
sches Verlangen wiederholt werden. Man hatte erwartet, auf dem
Programm ein Werk Rossini's zu finden. Wie ich höre, hat die
Concertgesellschaft beschlossen, vorläufig wenigstens, keine Rossi-
ni'sche Composition auf ihre Programme zu setzen. Nicht so ganz
Unrecht. Hat man doch sogar vergessen, die Mitglieder dieser
Gesellschaft, die dem Maestro bei seinen Lebzeiten so häufig die
wärmstei Beweise der Bewunderung gegeben, zu dessen Leichen-
feier einzuladen!
Von unsern lyrischen Bühnen ist wenig zu melden. Die grosse
Oper studirt Gounod's „Faust" ein. Vor seiner Abreise nach
Rom hat der Compositeur dem Director zwei neue Stücke, ein Di-
vertissement für die Walpurgisnacht und wenn ich nicht irre, eine
von Mephistopheles zu singende Arie zugestellt.
' In der komischen Oper hat vor einigen Tagen die hun-
dertste Vorstellung des „Premier jour de bonheur" von A u b e r
stattgefunden. Hoffentlich wird der greise Tondichter noch die
hundertste Vorstellung des Werkes erleben, an dem er in diesem
Augenblick arbeitet.
' Das eben genannte Theater wird nach der Auffuhrung des
„ Vert- Vert* von Offenbach, H a 1 e v y's „Jaguarita* in Scene
gehen lassen.
Das Tkeätre lyrique studirt Wagner's „Rienzi" ein.
Vorgestern ist die Patti nach mehrwöchentlichem Unwohlsein
als Rosina im „Barbier von Sevilla" wieder aufgetreten. Stürmische
Bravos, Kränze, Blumensträusse in Hülle und Fülle.
Tamberlick ist bereits hier angelangt und beginnt noch im
Laufe dieser Woche die Reihe seiner Gastrollen im Salle Venta-
dour. Mina Hauck, von der ich bereits gesprochen, wird dort
gegen Ende dieses Monats debütiren.
Nachrichten*
Mainz. Am 11. Decbr. fand das zweite Concert des „Kunst-
und Literatur -Vereins" unter der Leitung des Hrn. N. Soltans
statt, in welchem Frau Betty Schott von hier, Frau Jenny
Soltans vom k. Hoftheater in Cassel, Hr. Concertmeister Hugo
Heermann aus Frankfurt a. M. und die HH. Baritonist F r a y
und Violoncellist Hörn vom hiesigen Stadttheater mitwirkten.
Die Perle des Abends war das reizende Trio in G-dur (Op. 1) für
Ciavier, Violine und Violoncell von Beethoven, welches von
Frau Schott und den HH. Heermann und Hom in vortrefflicher
Weise executirt und vom Publikum, welches Frau Schott mit leb-
hafter Acclamation empfangen hatte, mit grossem Beifall aufgenom-
men wurde. Frau Schott bewährte ihre bekannte Virtuosität aus-
serdem in dem brillanten Vortrage einer Gavotte von Bach und
des Rondo in Es-dur von Weber. Frau Soltans, ein stets will-
kommner Gast, erfreute uns durch den seelenvollen Vortrag einer
Arie aus „Jessonda" und einiger Lieder von Schumann und Sol-
tans, womit sie, wie immer, stürmischen Beifall erntete. Dagegen
wollte es Hrn. Fray mit seinen Liedervorträgen nicht recht gelin-
gen, das Publikum zu erwärmen, trotz der tropischen Temperatur,
die im dicbtgefüllten Saale herrschte. Diese schien dagegen auf
das Instrument des Hrn. Heermann nicht ohne störenden Einfluss
zu seid, wenn auch constatirt werden muss, dass dieser Künstler,
den wir im vorigen Winter bereits als tüchtigen Quartettisten
schätzen lernten, in dem Vortrag der Othello -Fantasie von Ernst
und zweier Solostücke: Adagio von Spohr und »Am Springquell*
von -David, eine sehr achtenswerthe Technik und gediegene Vor-
tragsweise kundgab und auch von Seite des Publikums sich des
lebhaftesten, wohlverdienten Beifalls zu erfreuen hatte. — Auch
Kammermusik* Soireen bringt uns diese Saison, veranstaltet von den
HH. Concertmeister Popper, F. Wolff, Busch und Frisch.
Die erste derselben fand am 7. December statt und es wurden das
Kaiserquartett von J. Haydn und das nachgelassene Sextett für
Piano, 2 Violinen, Viola, Cello und Contrabass, unter Mitwirkung
der HH. Rupp (Clavier) und Burkard (Contrabass) zu Gehör
gebracht. Wir konnten der interessanten Unterhaltung nicht selbst
beiwohnen, hörten aber aus verlässiger Quelle, dass die gebotenen
Leistungen zu recht schönen Hoffnungen für das weitere Gedeihen
des verdienstlichen Unternehmens berechtigen, welchem übrigens
eine etwas aufmunterndere Theilnahme von Seite unseres musiklie-
benden Publikums zu wünschen wäre.
München. Am Sonntag den 20. d. M. wird im k. Hoftheater
die Oper „Iphigenie in Aulis" von Gluck, nach der Bearbeitung
von R. Wagner, zum ersten Male zur Aufführung kommen.
Wien. Am 4. d.M. gab Frau Clara Schumann ihr drittes
Concert im Musikvereinssaale unter Mitwirkung des Kammersängers
Hm. Gustav Walter.
— Der Hofopernsänger Dr. Schmidt ist vor einigen Tagen
auf der Jagd von einem Schuss getroffen worden. Glücklicherweiso
ist die Verwundung nicht gefährlich und wird dem geschätzten
Künstler nicht lange in seinem Dienste hinderlich sein.
— Im Theater an der Wien wurde zum Benefice des Fräulein
G e i s t i n g e r ein neues, siebenactiges Volksstück, „Maria
Theresia und ihr Kammerheizer 8 von G. Mirani gegeben, in wel-
chem die Benefiziantin fünfmal die Roben wechselte uud in Bezie-
hung auf ihre Garderobe einen wahrhaft fürstlichen Aufwand machte,
indem die Kosten für dieselbe sich auf die enorme Summe von
8000 fl. beliefen!
Paris. Das achte populäre Concert des Hrn. Pasdeloup
brachte: Ouvertüre zu „Athalia" von Mendelssohn; Sinfonie
in F-dur (N° 8) von Beethoven; das 8. Concert für Violine von
Rode, vorgetragen von Hrn. Hey mann (I. Preisträger des Con-
servatoriums); Sinfonische Bruchstücke von Fr. Schubert; Vor-
spiel zu „Lohengrin" von R. Wagner; „Einldduug zum Tanz"
von Weber, instrumentirt von Berlioz. Im neunten dieser
Concerte wurden aufgeführt: Sinfonie in A-moll von Mendelssohn;
Adagio aus dem 36. Ouartett von Haydn (sämmtliche Streich-
instrumente); Leonoren-Ouvertüre N° 3 von Beethoven; Clavier-
Concert in G-moll , componirt und vorgetragen von Hrn. Saint-
S a e n s; Ouvertüre zu „Oberon" von Weber.
— Am 13. Decbr. fand das erste Conservatoriumsconcert mit
folgendem Programm statt : Sinfonie in F-dur von Gouvy; der
98. Psalm für Doppelchor von Mendelssohn; Adagio aus dem
S e p t u o r von Beethoven; Pilgerchor aus „Tannhäuser" von
R. Wagner; Sinfonie in C-dur (N° 1) von Beethoven.
— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris betru-
gen im Monat November die Summe von 1,783,151 Frcs.
V Die Theateragenturen der HH. RÖder und Michaelson
in Berlin haben sich vereinigt, um in Zukunft gemeinschaftlich
und einträchtig ihre bekannte Wirksamkeit fortzusetzen.
*** Herr Musikdirector Schornstein in Elberfeld bat
die durch den Tod van Eycken's erledigte Organistenstelle an
der dortigen reformirten Kirche übernommen.
*** Friedrich Schneider, der Componist des Oratoriums
„Das Weltgericht," hatte bekanntlich eine Musik zu Schiller's
„Braut von Messina" componirt, deren Partitur beim Brande de»
Dessauer Hoftheaters verloren gegangen und wovon ein zweites
Exemplar nicht zu ermitteln war. Die Originalpartitur hat sieb
nun im Besitz einer Dessauer Dame vorgefunden, welcher der Com-
ponist das Werk als Geschenk verehrt bat, mit der Bezeichnung t
„Am 30. Juli 1817 vollendet, Friedrich Schneider."
*** Der neue „Barbier von Sevilla," von Dali* Arigine
componirt (man wird sich des Billets erinnern, welches Rossini den»
Componisten auf die Widmung seines Werkes zurückschrieb), ist
nun in Bologna aufgeführt und — hat nicht gefallen.
Verantw. Red. Ed, Föckerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz*
17. Jahrgang.
if* &&.
28. December 1868.
SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNC.
tr.
Diese Zeitung erscheint jeden
MONTAG.
Man abonnirt bei allen Post-
amtern, Musik- & Buchhand-
lungen.
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VeHag
von
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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ.
Brüssel bei Gebr. Schott London bei Sehott & Co.
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/V^A
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für den Jahrgang.
Durch die Post bezogen:
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 9
INHALT: Wie den Mecklenburger Bauern der „Freischütz" gefiel. — Corresp.: Leipzig. C'öln. — Nachrichten.
ABONNEMENTS-EINLADUNG.
|C3F* Mit dem 1. Januar 1869 beginnt der 18. Jahr-
gang der Süddeutschen Musik - Zeitung.
Ihrer bisherigen Haltung getreu, wird sie auch künftig ein
^unparteiischer Berichterstatter aller bedeutenden Vorkomm-
nisse im musikalischen Leben sein, wichtige Fragen in
eigenen Artikeln erörtern und den Lesern durch biogra-
phische und musikgeschichtliche Aufsätze eine ebenso
angenehme wie belehrende Unterhaltung bieten.
Wir bitten um rechtzeitige Bestellung; alle Post-
anstalten, Buch- und Musikanstalten nehmen solche an.
Preis: fl. 2. 42 kr. od. Thlr. 1. 18 Sgr. per Jahr. Wöchent-
lich eine Nummer.
c#*peKfion 5er § ubbeuffcfiett ^nßft-$etfmt$.
Wie den Mecklenburger Bauern der „Freischütz"
gefiel, und was ihnen dabei passirte.
(Aus FritZ Reuter' S „Reise nach Belügen" (Berlin).
Wer sieb noch besinnen kann, wie er das erste Mal im Thea-
ter sass, wie der Vorhang aufging und die ganze Herrlichkeit der
Comödie an ihm vorüberzog, Geschichten, wie er sie nur in Büchern
gelesen, im Traume gesehen, aber nicht für menschenmöglich gehal-
ten hätte, der kann sich ungefähr vorstellen, wie's „ollen Sevart,"
dem „Nah wer (Nachbar) Witt" und ihren Söhnen Fritz und Carl
zu Muthe war, als sie nach Berlin kamen nnd von der Höhe des
„Ärgel-Kur" (Orgelchor) herab den „Freischütz" sahen.
Sie hatten bezahlt und die Gesellschaft, hübsch zusammen,
steigt nach dem Paradies hinauf. Der alte Witt bleibt in der
Thüre stehen, hält sich fest mit beiden Händen und starrt in den
Kronleuchter, bis ihm die Augen flimmern; dann fängt er kläglich
an zu bitten: „Ne, will'n man wedder rute gan. a Der alte Sevart
redet ihm zu und er geht herein. Wie er über die Brüstung schaut»
hinab in den Theaterraum, wie's da wühlt und wallt und dumpf
wie ferner Donner grummelt, und wie's glitzert und blitzt, da wird
ihm schwindlich und Nachbar Sevart muss nochmals hülfreich bei-
springen. Endlich beruhigt er sich und die Gesellschaft wartet mit
Spannung auf das Schauspiel.
Auf einen Stoss geht die ganze Musik auf einmal los. Das
war, als wollte der Erdboden bersten und finge der Himmel an zu
wackeln, so rasselt's und knattert's und saust's und braust's und
grummelt und rummelt und gindelt und Adelt und schreit dazwischen,
als wenn der jüngste Tag angebt. Dann wieder klingt's voll Freud'
und spielt und flötet und singt so süss, als wenn die Sonn' aufgeht
und scheint auf die grüne Erde. Dann wieder klingt's wie Som-
mernacht, wenn Mond und Sterne am Himmel wandern, und Eins
so selig sucht den Andern, als wenn die Braut so still und traut
am Herzeu liegt, „als hätt' der Himmel seine Seligkeit an dich ver-
geben und bat Bich nun bei dir zu Gast," Fritz Sevart denkt an
„sein läiw Dürten (seine liebe Dorothea); es war ihm, wie wenn'
Glocken klingen und Blutfink und die Lerche sangen, wenn Som>
merwind' durch Büsche zogen und Nachtigall und Wachtel schlu-
gen, doch Alles zusammen zu gleicher Zeit, als sängen sie ein einzig
Lied. In seinem jungen Herzen da wird's, als sollt' er nun mit
einem Male sich freuen, und bangen, vergehen vor Lust und Qual
und seligstem Verlangen. Ein Schauer übergiesst ihn, der Athem
stockt, bald glüht er, bald zittert er vor Frost, ganz still und stumm
hat er die Hände gefaltet und starrt in tiefer Andacht vor sich hin.
Nun geht der Vorhang auf, „Victoria !" da springen nnd tanzen
die Bauern, in Mitten steht der „Kerl mit den vielen Schildern;"
dies ist der König von der Schützengilde, der den Preis gewonnen,
und daneben wird Einer gehänselt, der fehl schoss. „Nu ward hei
■•"'falsch; hei ward em doch nit stecken (stechen); „I Vadder Witt,
wie kannst Du so wat sprecken? Sei dann man so; dit is man
Ogenklemmen (Augenblende), jo." Und wie der Kerl das Maul
aufreisst! „Wenn de so recht ut vulle Kehle outblare (herausblär-
ren), doo kann sik jo en Minsch verfiren (erschrecken)/ Den alten
Sevart jammert aber das junge Blnt. „Ob hei dat Frugens-Minsch
(Frauenzimmer) woll kriggt, wonach hei ämmer luthals schriggt
(aus vollem Halse schreit). 41 Endlich schlägt ihn der schwarze Kerl
doch breit; der dumme Teufel lässt sich kriegen, und „Aliens vor
dat beten Frigen" (für das bischen Freien). —
Jetzt fällt der Vorhang und Fritz holt tiefen Athem. Das war
Alles nicht wahr, das sah er ein, das konnte niemals passirt sein,
und doch war's wieder so wahr, denn es stand vor ihm so klar
wie am Himmel die Sonne. Der Vorhang hebt sich wieder und
Carl Sevart meint, das ist wirklich das Stück, das wir zu Strelitz
sahen, und „dort is de sülwige Mamsell." Fritz hört'z nur halb,
denn es war ihm, als ob „sin Dürten vor em stünn un klagte em
ihr Herzeleid." So traurig klang's und doch so süss, dass ihm die
Thrän' vom Auge floss und doch sein Herz so selig flog. Es war
nicht Dürt und doch war's Dürt; ihm war's, als sollte er für das
fremde Mädchen sein Herzblut tropfen weis vergiessen. Den alten
Sevart aber hat das Aennchen charmirt. „Ne kik dat Ding an,
wo dat lewig ward," Dem Nachbar Witt könnt sie sogar als Schwie-
gertochter gefallen. Sevart aber meint, das sei Alles nur Schein,
sie thut sich nur verstellen.
„Singt die Dirn und pfeift der Knecht,
Da wird all mein Tag nichts recht.*-
Nun kommt „die Sach zum Schwur." „De Anstalt is dann
doch taum Grugenmachen (zum Grauenmachen), mit Dodenköpp so'n,
oll Sacken;" den langen Reckel sollten sie doch an den Galgen
hängen. Der will mit dem Bösen sich bemengen und das unschuldig -
Gottesblut verführen. „Fritz," ruft Carl Witt, „dit is dat Stücky
wo wir dünn hewwen Sprüngen müsst." Nun kommt Max, dann
geht die Kugelgiesserei los. Wie das im Erdboden dröhnt, wie di«
Eni' da sitzt und speit und wie das vom Himmel blitzt und wif
206 • —
das wettert und kracht. Jetzt kommt die wilde Jagd". Dem alten
Witt dem graut, er will hinaas; jetet ruft's «Sieben! 8 Auf einmal
aehreit Carl Witt ganz laut: „Nuhollt Jug wiss, nu möt wir sprin-
gend ( Jetet halt euch fest , jetet müssen wir springen). Wutseh !
hat Jbn^ der Conetabler im Genick und bringt ihn gans sacht hin*
aus,., Der Vorhang fallt.
Sevart schilt Ober den dämlichen Junges und tröstet den alten
Witt, dem'8 gruselt und graut. Das Stück fängt wieder an. Fritz
hört sein Dürten beten, für ihn und sein ewig Glück. Old Sevart
sieht aber wieder „dat Kräten Ding" (die kleine Kröte), die umher-
springt „grad wie ne Mus uf Kindelbir (grad wie ne Maus beim
Kindbett). Jetzt werden sie aber ganz verwirrt, denn jetzt singen
eie da unten den „Jungfernkranz. „Wi kümmt de nach Berlin
hie her?" „Ib, Nahwer Sevart, det kann ja sin, dat Ein bei uns
det olle Ding hett hürt un dat sein't sik utwennig dünn hett lihrt*
(jfass er's dann auswendig gelernt hat), doch meint er, „all tau
schön bringen sei't nich rat." Jetzt kommt der König und der
ganze Schwärm und Max muss den Probeschuss thun. Nun wird's
Sevart angst, Max könnte schiessen, denn er hat „Düwelskugeln*
drin. „De Düwel kann ja dat nit weiten (wissen), wo so'n Eretur
hinfleigen kann." Und wie Max nun anlegt und losdrücken will
und Alles ist vor Angst mäuschenstill, da ruft der alte Sevat vom
„Ärgel-Kur" herab: „hei schütt! (schiesst) hei schütt! der Deuwel
kiabl 1 Du dumme Deuwel, scheit (schiess) doch nich!" Wutsch!
hat ihn der Constabler im Genick und führt ihn höflich vor die
Thür. Und Witt geht sachte hinterdrein. „Herr! sagt der alte
Sevart, dafür, dat ik nah'n Rechten seih, ward ik hier ante smeten?"
(Herr, dafür, dass ich nach dem Rechten seh', werd hier heraus
geschmissen). „Na, dit is wedder mal en Stück!"
Fritz aber blieb aHein noch drin. Fr hatte die Welt um sich
vergessen, er hörte und sah nichts Anderes mehr, als sein eigenes
Leben, als wäre dies Alles ihm selbst passirt und seiner lieben
Ij>ürt. Und als der Vorhang fiel, da war's ihm, als wäre er von
^er ganzen Welt verlassen, als war der Himmel ihm verschlossen,
als wäre Alles nun vorbei. Nur die schöne Melodie vom letzten
Lied klang in ihm fort, so traurig und so süss, wie das letzte Wort,
das seine Dort ihm sprach: „Adjül — Heinr. Becker.
CORRESPONDENZEN.
Aus Leipzig.
(Fortsetzung und Schluss.)
Auch der Musikverein „Euterpe" hat am 27. October seine
winterliche Concertsaison eröffnet und zwar in richtiger Erkenntniss,
nicht wie in den letzten Jahren in dem grossen Saale der Central-
halle, sondern in dem bei weitern kleineren der Buchbändlerbörse.
Ausführende wie Hörende befinden sich dabei jedenfalls besser und
ist ihren Interessen in zweckmässigerer Weise damit gedient. Das
Programm dieses ersten Concertes war, wie folgt, zusammengestellt :
Ouvertüre zur Oper „Euryanthe von Weber, Recitativ und Arie
aus „Robert der Teufel" von Meyerbeer, gesungen von Frl.
Helene Gerl, herzogl. sächs. Hofopernsängeria aus Coburg ; Concert
für Violine von Beethoven, vorgetragen von Hrn. Ludwig
Strauss aus London; Vorspiel zu «Tristan und Isolde von Richard
Wagner; Polacca aus der Oper „Mignon" von Thomas, ge-
sungen von Frl. Helene Gerl ; Adagio von S p o h r , vorgetragen
von Hrn. L. Strauss und Vorspiel zu „Die Meistersinger von R.
Wagner. Von alle dem, was hiermit geboten wurde, vermochte
doch nur allein das Spiel des Hrn. Strauss uns einen ungetrübten
Genuss zu verschaffen und zwar trotz der mangelhaften Begleitung
und trotz des Unfalls, der ihm im Adagio des Beethoven'schen
Concertes durch das Springen einer Saite zustiess. Schöner, nobler
7?on, eine nach allen Richtungen hin durchgebildete Technik, feines
Verständniss und seelenvoller Vortrag weisen Hrn. Strauss seinen
Iflatz unter den ersten der jetzt lebenden Geiger an. Wir gestehen,
das Beetboven*sche Concert seit lange nicht so vollendet gehört zu
haben; dem Beifall nach schien das Publikum unsere Ansicht zu
theilen. Gleich stürmisch übrigens äusserte es sich auch nach dem
t^pobr'schen Adagio. Weit unter diesen instrumentalen Solo -Vor«
trägen standen die sanglichen. Frl. Gerl, die hier zum ersten Male
auftrat, gebietet über eine nur schwache Stimme, der man hie und
da einige Ermüdung und Erschlaffung anhört. Ob letzteres von all
zu vielem Studinm herrührt, möchten wir bezweifeln; denn so ver-
schwenderisch sich Frl. Gerl im Ausgeben von Passagen, Colora-
turen und Trillern zeigte, so entsprach doch die Qualität keines-
weges der Quantität, und es war nicht immer die letzte Feile, die
daran fehlte. Geradezu geschmacklos aber waren die Cadenzen und
Verzierungen, mit welchen die Sängerin die Meyerbeer'sche Arie ver-
brämte, und seien ihr diese für alle Zukunft erlassen, wie gleich-
falls der Vortrag des Polacca aus der Oper „Miguon von Thomas,
eines höchst trivialen Machwerkes, welches uns durchaus nicht
begierig auf die Bekanntschaft der ganzen Oper gemacht hat. —
Was nun endlich die orchestralen Vorträge anlangt, so tragen wir
recht gern den Verhältnissen Rechnung; die Schwierigkeiten, mit
denen der Dirigent, Hr. S. Jadassohn, bei einem so verschieden-
artig zusammengesetzten Orchester zu kämpfen hat, erfordern zu
ihrer Ueberwindung von seiner Seite ungewöhnliche Energie, Muth
und Ausdauer. Diese Eigenschaften bewährten sich im Vortrag der
„Euryanthen-Ouvertüre" und war damit ein guter Anfang gemacht.
Dass man aber gleich für das erste Concert einem Orchester gegen-
über, das sich erst ein- und zusammenspielen soll, zwei Stücke von
so eminenter Schwierigkeit, wie die Wagnerischen Vorspiele, wählte,
war ein allzugrosses Wagniss. Wir gehören nicht zu den Ver-
ehrern dieser Emanationen der Wagner'schen Muse; bei einer,
namentlich in geistiger Beziehung, so unfertigen und mangelhaften
Wiedergabe aber verbietet sich jedes Urtheil.
Schliesslich hätten wir' aus dem Monat October noch einer
geistlichen Musik-Aufführung zu gedenken, welche die Singakademie
unter ihrem Dirigenten Hrn. Musikdirector Clauss Sonntag den
25. October veranstaltete, und zwar in der Synagoge, welche ihr
vom Vorstande der hiesigen israelitischen Gemeinde bereitwilligst
überlassen worden war. Das aus 7 Nummern zusammengesetzte
Programm war folgendes: 1) der 116. Psalm von Leonardo Leo;
2) „Toccata" und „Fuge" von J. S. Bach, vorgetragen von Hro.
Organist C. Stiller; 8) Motetten von Jos. Haydn „Herr, der du
mir das Leben ; 4) Violin-Sonate (la Didone) mit Orgelbegleitung
von G, Tartini, vorgetragen von Hrn. Concertmeister David;
6) der 51. Psalm von Orlando di Lasso, für Männerchor, vor-
getragen vom Männergesangverein „Hellas ;" 6) der 137. Psalm von
Franz Liszt für eine Singstimme (Frl. Lehmann) und Frauen-
chor mit Begleitung der Violine (Hr. David), der Harfe (Frau
Rudolph) und der Orgel (Hr. Stiller), und 7) „Talismane
von Rob. Schumann, für 2 Chöre. Im Allgemeinen lässt sich
nur sagen, dass besser gespielt, als gesungen wurde und gilt dies
vorzugsweise von der durch Hrn. Concertmeister David zu Gehör
gebrachten Sonate. Auch Hr. Stiller bewies sich als einen Orga-
nisten, der mit seinem Instrumente vertraut ist und wohl mit ihm
umzugehen weiss. Die Wirkung der Chorwerke beeinträchtigte
häufiges Detoniren und einige verfehlte Einsätze ; mehrere ganz gut
angebrachte und ausgeführte Nüancirungen konnten zwar nicht ent-
schädigen, verdienten jedoch volle Anerkennung und bewiesen, dass
man die Mühe des Einstudirens sich in keiner Weise hatte ver-
driessen lassen. Für die Dissonancen des Liszt'schen Psalm frei-
lich machen wir Niemanden verantwortlich. Friedrich der Grosse
hat gesagt: „In meinem Reiche kann Jeder nach seiner Facon selig
werden.« Warum sollten wir im Reiche der Kunst intoleranter
sein? Wem's schmeckt, wer Gefallen daran findet, der bete und
singe in dieser neuen Manier; nur muthe man uns nicht zu, da
miteinzustimroen und mit zu empfinden.
Aus €Hln.
Der „Cölner Männer - Gesangverein in Verbindung mit dem
Orchester der „Philharmonischen Gesellschaft eröffnete seine Winter-
Saison am 20. Octbr. im Gertruden-Hofe mit der ersten der arrangirten
drei gesellig- musikalischen Abendunterhaltungen. In der Concert-
Abtheilung derselben kamen unter der treulichen Leitung seines
Dirigenten, Hro. Franz Weber, zur Aufführung : Sinfonie rmlitaire
von J. Haydn, zwei Chöre a capella, „Ossian von J. Beschnitt
und „Waldvöglein von Dürrner; der „Landsknecht , für Chor
- 207
und Orchester von J. Herbeck; „Geburtsmarsch" von W.
Tanbert und „Sturmesmythe" für Chor und Orchester von *
Frans Lachner. In der ersten Abjtheilnng spielte
Herr Concertmeister Otto von Königslöw das Violinconcert Nro. 11
von L. Spahr, und im zweiten Theile „Romanze" und „Nocturne,,
von H. W. Ernst. Die Orchestersätze wurden vortrefflich und
Bchwungyoll ausgeführt und mit dem lebhaftesten Beifalle begrüsst.
Dieser Beifall steigerte sich wesentlich . bei dem von Herrn Concert-
meister O. v. Koenigslöw mit vollendeter Meisterschaft vorgetragenen
Violinconcerte von Spohr und den beiden Salonstücken von Ernst.
Die von dem „Männer Gesangverein ohne Begleitung vorgetragenen
beiden Lieder erndeten den reichsten Beifall, und fanden die künst-
lerischen Leistungen des Chores in der prachtvollen und markigen
Ausführung der „Sturmesmythe* von F. Lachner ihren würdigsten
Abqchluss. Herr Jos. Wolff erhielt für den reizenden Vortrag des
Tenor-Solo enthusiastischenBeifall. Der trefflich instrumentirte „Lands-
knecht von J. Herbeck sowie der in seiner Instrumentation so
originelle „Geburtstagsmarsch" von Taube'rt fanden eine so beifällig
günstige Aufnahme, dass vielseitig eine recht baldige Wiederholung
dieser beiden, hier zum erstenmal en zu Gehör gebrachten Musik-
stöcke gewünscht wurde. Dem Concerte folgte wie gewöhnlich ein
gemeinschaftliches Souper, welches mit Reden, Toasten und allgemeinen
Tafelliedern ausgeschmückt war, denen sich später noch ein heiteres
Tänzchen anschloss. Trotz der sehr stürmischen und regnerischen
Witterung hatte sich ein zahlreiches Publikum eingefunden und
zeigt diese lebhafte Theilnahme, wie sehr diese von beiden Gesell-
schaften arrangirten Abendunterhaltungen in ihren ernsten und heitef en
Zusammenstellungen dem Geschmacks des Publikums entsprechen.
Am 22. November gab der Verein auf bem grossen Gürzenich-
Saale zum Besten des Baufonds der St. Cnniberts Kirche ein zahl?
reich besuohtes Wohlthätigkeits-Concert und brachte in demselben
zur Aufführung:
Den 23. Psalm mit Pianoforte-Begleitung ven Fr. Schubert;
das „Kirchlein" von J. Becker; „Frühlingsglaube" für Chor von
Fr. Lach n er; „Lied der Städte", Gedicht von Herrmann Lingg,
Chor mit Begleitung von Blech-Instrumentrumenten von Max Bruch;
„Nachthelle", Tenor-Solo und Chor mit Pianofortebegleitung von
Fr. Schubert; „Das Mädchen von Gawrie", Schottisches Volks-
lied von J. Dürrner, und „Das Brünnele von St. Cunibert",
Volkslied von F. Sucher mit unterlegtem neuen Texte von Andr.
Pütz; «Die jungen Musikanten", Solo - Quartett und Chor von F.
Kücken ; und der „Siegesgesang aus der Herrmannsschlacht", Chor
mit Begleitung von Blech- Instrumenten von Fr. Lachner. Herr
Concertmeister George Jap ha spielte in der ersten Abtheilung mit
vieler Bravour und grosser Gewandheit „Romance" für die Violine
von Beethoven und „Bourre'e" von J. Seb. Bach, und im zweiten
Theile die „Fantaisie caprice" von Vieuxtemps.
Jede Nummer des Programms wurde mit gewohnter Virtuosität
executirt und fand ein dankbares Publikum. Das ausdrucksvolle
Spiel des Concertmeisters G. Japha, sowie das reizende Tenor-Solo
des Hrn. Wolff in der Nachthalle von Schubert, ernteten den reich-
sten Beifall.
Die Anwesenheit des General-Musikdirectors Herrn Fr. L achn e r
electrisirte die Mitglieder wie das Publikum und mit sichtbarer
Freude und Begeisterung wurde gesungen. Der verehrte Altmeister
gab wiederholt seine hohe Befriedigung über die in hohem Grade
vollendeten Leistungen des Chores und der Soli in den belobensten
Worten zu erkennen. Einen gewaltigen Effect riefen hervor : Bruch's
„Städtelied" und ganz besonders F. Lacbner's „Siegesgesang aus
der Hermannsschlacht", welches letztere Werk mit mächtigen Instru-
mentation unter des Componisten persönlicher Leitung von dem
Verein mit vieler Kraft und Begeisterung gesungen wurde. Der
Verein zeigte in dem heutigen Concerte einmal wieder seine alte
Kraft und Stärke. Die bewunderungswürdige Schattirung des piano
und forte, das schmelzende Cres- und Decrescendo sowie die
Fülle des Tones und das abgerundete Ensemble waren ptachtvoll und
riefen einen Sturm des Beifalls hervor.
Nach dem Concerte hatte der Verein zu Ehren der anwesenden
hohen Gäste ein kleines Souper mit Liedertafel arrangirt, an welchem
die Herren La chn er, Hiller, Japha, Weber und mehrere Damen
Antheil nahmen. • Worte der Anerkennung, bezeichnende Reden und
Toaste wechselten mit dem Vortrage Lachner'scber Quartette und
humorisch heitere Intermezzos würzten das Mahl, lieber den schönen !
Verlauf des Concertes und der Abendunterhaltung herrscht nur eine
Stimme der höchsten Befriedigung.
Dab vierte Abonnements - Concert fand mit folgendem Pro-
gramm statt: I. Theil: Ouvertüre zu „Manfred" yon Schumann;
Clavierconcert in Es-dur von Beethoven, vorgetragen von Hrn.
Carl T ausig aus Berlin; Sopran- Arie und Chor aus R o s s i n i's
„Stabat mater, tl das Solo gesungen von Frl. Anna Strauss aus
Basel; Sinfonie in A-dur von Mendelssohn. II. Theil: „Zigeu-
nerleben," Chor von Schumann (instrumentirt von G r e d n e r ) ;
„Der Erlkönig," Ballade von Göthe, declamirt vom Hrn. Friedr.
H a a s e ; Arie der Königin der Nacht aus der „Zauberflöte" von
Mozart (Frl. Strauss) ; „Don Juan-Fantasie" von L i s z t (Herr
Tausig); Ouvertüre zu „Oberon" von Weber. Die Manfred-
Ouvertüre, obwohl vortrefflich executirt, machte gleichwohl nicht
den Eindruck, den man von diesem tiefgedachten und meisterhaft
gearbeiteten Werke erwarten durfte. Das Publikum war nicht ruhig
genug, um eine so ernste und ziemlich schwer zu verstehende Com-
position in sich aufzunehmen* Um so mehr Theilnahme widmete
dasselbe dem Vortrage des Beethoven'schen Clavierconcertes durch
Hrn. Tausig. Allerdings war die eminente, nicht zu überbietende
Technik und meisterhafte Hervorhebung der dynamischen und rhyth-
mischen Gegensätze wohl geeignet, das Publikum im Allgemeinen
zur höchsten Bewunderung, zum stürmischen Beifall hinzureissen,
aber wer ein tieferes Verständniss des Beethoven'schen Meister-
werkes mitbrachte, wer nicht blos staunen und bewundern wollte,
der vermisste doch etwas recht Erhebliches, nämlich die erforder-
liche Gefühlstiefe und das innige Anschmiegen an das Orchester,
welches bei diesem Werke der Vortragende nicht als untergeordnet
und blos begleitend betrachten und den Virtuosen zu grell in den
Vordergrund drängen darf. Auch liesse sich wohl gegen den zu
häufigen Gebrauch des Verschiebungspedals mit Grund so Manches
einwenden. Etwas Anderes freilich war es mit der Don Juan-
Fantasie von Liszt; das war ein geeignetes Feld für den Mann
mit den eisernen Fingern, die gleichwohl den Saiten, welche
sie soeben mit unbegreiflicher Kraft und Ausdauer erdröhnen Hes-
sen, nicht minder auch den zartesten Hauch zu entlocken und mit
ihrer fabelhaften Geläufigkeit und Sicherheit das Unglaubliche zu
vollbringen im Stande sind. Der dieser Leistung folgende Beifalls-
sturm war ein in jeder Hinsicht wohlverdienter. Frl. Strauss, im
Besitz einer sehr schönen und wohlgebildeten Sopranstimme , sang
das Solo aus dem „Stabat" von Rossini ausgezeichnet schön und
erntete lebhaften Applaus. Anders verhielt es sich mit der Arie
der Königin der Nacht, welcher die junge Künstlerin doch nicht
ganz gewachsen zu sein schien, da ihr in den Staccatos die höch-
sten Töne fast regelmässig misslangen. Als ein unglückliches Ex-
periment müssen wir die eingeschaltete Declamation des „Erlkönigs"
durch Hrn. Haase bezeichnen, einmal weil wir von vornherein nicht
zu begreifen vermögen, wie Hr. Haase mit dem gesprochenen Erl-
könig in das Programm eines derartigen Concertes seinen Weg
finden konnte, sodann auch weil die Art und Weise, in welcher
das Gedicht aufgefasst und vorgetragen wurde, uns durchaus nicht
zusagen wollte. Freilich ist nicht zu läugnen, dass Hr. Haase recht
gut weiss, „wie es gemacht wird" und bei zartbesaiteten Gemüthern
mögen auch die Schauer, die er mit den Worten des gespenstischen
Wesens zu erregen bemüht war, recht tief gegangen sein. Schü-
mann^ „Zigeunerleben" wurde vom Chor und Orchester sehr lobens-
werth ausgeführt und fand diese Leistung auch die verdiente An-
erkennung. Befremdet hat es uns aber, dass die Tenor- und Bass-
Soli von zwei Sopranen gesungen wurden, was gewiss den Inten-
tionen des Componisten nicht entsprechend sein kann. Die Sinfonie
von Mendelssohn wurde vortrefflich executirt, nur schien uns das
Tempo hie und da zu schnell genommen. Auch das Allegro der
Oberon-Ouvertüre war etwas überhetzt, doch ging im Ganzen auch.
diese recht schwungvoll vom Stapel.
Nach richte
Leipzig. Das Programm des 8. Gewandhausconcertes war fol-
gendes: Vorspiel zu „Lohengrin" von R. Wagner; „Salamis,"
griechischer Siegesgesang von Lingg) für Mäonerchor und Or-'
- 208 -
«bester componirt von F. Gerneheim (zum 1. Male); Coneert in
C-moll ftyr Pianoforte von Beethoven und „Ungarische Rhap-
sodie" N* 2 Ton L i s e t , vorgetragen ron Frl. Holunder tue
Berlin j „StnrmeamythV von Leoan, für Mannerchor componirt
von Fr. Lachner; Matik sam „Sommernachtstraum* von M en-
de Iss oh n. Die Männerchöre worden vom akademischen Männer-
Qesangvereiu „Paulus* gesungen.
München. Im k. Hof- and Nationaltheater kam die Operette
„Der Rothmantel, a Gedicht von P. Heyse, componirt von Krem*
persetzer zur erstmaligen Aufführung; dieselbe warde vom Publi-
kum mit grossem Wohlgefallen aufgenommen und dürfte wegen
ihres gefälligen Sujets und ihrer melodiösen Musik auch anderwärts
mit Erfolg gegeben werden. — Im dritten Abonnementsconcerte
wurden hintereinander die Orchester-Suite in D-dur von S. Bach,
die Sinfonie in B-dur („La Beine" genannt) von J. Haydn, die
Sinfonie in Es-dur von Mozart uud die Sinfonie in F-dur N* 8
von Beethoven zur Aufführung gebracht.
Haestricht. Die Gesellschaft „Momus," welche hier als eine
der ältesten in Holland besteht, thut alles Mögliche für die Förde-
rung der musikalischen Kunst. Die Winterconcerte dieser Gesell-
schaft sind mit solcher Sorgfalt arrangirt und die mitwirkenden
Künstler werden mit so grosser Zuvorkommenheit aufgenommen,
dass von {eher die hervorragendsten Künstler mit besonderem Ver-
gnügen in jenen Concerten auftraten. Wenn bisher vorzugsweise
die Belgier dort das Feld behaupteten, so war es in dem am 10.
December stattgefundenen Concerte eine deutsche Künstlerin, die
Sängerin Frl. Philippine v. Edelsberg, welche man für diesen
Abend gewonnen hatte, nachdem dieselbe in dem populären Con-
certe des Hrn. Samuel in Brüssel mit ausserordentlichem Erfolge
aufgetreten war. Frl. v. Edelsberg feierte auch hier einen so voll-
ständigen Triumph, wie er wohl nur wenigen ihrer Landsmänninen
im Auslande zu Theil wurde. Der Versuch des Frl. v. Edelsberg, •
sich dem Maestrichter Publikum, welches an die durch glänzende
Technik und schwierige Coloraturen brillirenden Pariser Sängerin-
nen gewohnt ist, im ernsten classischen Fache vorzuführen, war ein
gewagter. Neben Arien aus „Nachtwandlerin," „Hochzeit der Jea-
nette," „Krondiamanten ," welche von der jugendlichen Sängerin
Frl. Gobbaerts (erste Preisträgerin des Brüsseler Conservatoriums)
mit sympathischer Stimme und grosser Kunstfertigkeit vorgetragen
wurden, trat Frl. v. Edelsberg mit der Arie des „Orpheus" von
Gluck („Ach! erbarmt" etc.) auf und bewegte die Herzen der Zu-
hörer in einem solchen Grade, dass das ganze Auditorium in wahr-
haft fanatischen Beifallssturm ausbrach und manches Auge bei den
Klagen des unglücklichen Orpheus sich mit Tbränen füllte. Die-
ser ausserordentliche Erfolg blieb der gefeierten Künstlerin auch
während des ganzen Abends treu und die Lieder von Fr. Lachner,
Eckert, Naus etc , welche sie ausserdem noch vortrug, brachten ihr
nicht enden wollende Hervorrufe ein. Die Gesellschaft „Momus,"
welche ihrem Danke und ihrer bewundernder Anerkennung gegen-
über dem schönen Talente des Frl. v. Edelsberg Ausdruck verleihen
wollte, liess derselben in Gegenwart und unter den enthusiastischen
Acclamationen des Publikums durch ihren wackern Präsidenten
Hrn. Polis das Diplom als „Ehrenmitglied der Gesellschaft" über-
reichen. So wie dieser Abend zu den schönsten in den reichhal-
tigen Annalen des „Momus" zählt, so wird ihn auch gewiss die ge-
feierte Künstlerin, um welche sich jetzt die belgischen Musikvereine
streiten, zu ihren freudigsten Erinnerungen zählen. Ausserdem hat-
ten wir in diesem Concerte Gelegenheit, das ausserordentliche
Talent der beiden Kinder des rühmlichst bekannten Brüsseler Violin-
Professors Steveniers, Marguerite (11 Jahre alt, Pianistin)
und Auguste (8 Jahre alt, Violinist), zu bewundern. Die beiden
Hebenswürdigen kleinen Künstler trugen durch ihre erstaunliche
Sicherheit und Keckheit sehr viel zu den reichlichen Genüssen des
Abends bei. Auch der Vater Steveniers liess sich hören und wurde
für den meisterhaften Vortrag einer Sonate von Tartini mit Bei-
fallsbezeugungen überschüttet.
*»* Dem Berichte des „Berliner Tonkünstler- Vereins' 1 über das
abgelaufene Vereinsjahr (vom 1. October 1867 bis 30. September
1868) entnehmen wir Folgendes: Es ist dies der erste gedruckte
und veröffentlichte Bericht seit dem 25jährigen Bestehen dieses
Vereins, aas welchem hervorgeht, dass das Wirken desselben ein
eben so gediegenes als erfolgreiches, den vorgesetzten Zwecken des
Vereins vollkommen entsprechendes war. Dieser ausgesprochene
Zweck desselben besteht darin , „alles Gute und Schöne jeder
Richtung und jeder Zeit zu pflegen und zu fördern und keiner
Parteibestrebung Vorschub zu leisten." Diesem Programm ent-
spricht vollkommen das Verzeichniss der in den öffentlichen und
nicht öffentlichen Soiräen des Vereins zur Aufführung gebrachten
Werke nicht nur von den anerkannten Meistern der älteren und
neueren Zeit, sondern auch von Compositionen talentvoller und
strebsamer Vereinsmitglieder. Der Verein zählte am 1. Oct. 1868 t
8 Ehrenmitglieder, eine Dame, die Sängerin Frl. Faccius, als ausser-
ordentliches Ehrenmitglied, 147' ordentliche Mitglieder. Die Zahl
der ausserordentlichen Mitglieder war im Juli 52, und ist beständig
im Zunehmen begriffen. Auch die Finanzen befinden sich in er-
freulichem und wohlgeregeltem Zustande und Bibliothek und Archiv,
welche jedem Mitgliede zur Benutzung offen stehen , haben wieder
reichlichen Zuwachs erhalten. Der zeitige Vorstand besteht aus den
HH. Dr. Alsleben , W. Tappert, C. Schulze I. , C. Martin, C. Lutz,
und 0. Eichberg. Möge der Verein in seinem lobenswerthen Streben
beharren und auch ferner wie bisher blühen und gedeihen.
*** Die von Heinrich Pfeil seit sieben Jahren redigirte-
Gesangvereinszeitung : „Die Sang erhalle" — das Haupt-Organ
des allgemeinen deutschen Sängerbundes — wechselt mit Ende diese»
Jahres Verlagsort und Verlagsfirma und wird von Neujahr ab in
Halle a. S. (iu H. W. Sehmidt's Verlagshandlung) erscheinen. Die.
Redaction bleibt unverändert.
*** Meyerbeer's'„Dinorah u wird in nächster Zeit im Ber-
liner Opernhause zum Erstenmale und zwar mit Frl. Sessi
in der Titelrolle zur Aufführung kommen.
*** Der Tenorist Hr. L e d e r er und die Sängerin Frl. Üb r ich»
beide am Darmstädter Hoftheater engagirt, werden sich im Frühjahr
vermählen.
*** Die beiden Hofcapellmeister Taubert und Dorn in Ber-
lin werden mit Anfang des kommenden Jahres in Pension treten
und Carl Eckart seine Functionen als erster Capellmeistsr be-
ginnen. Taubert erhält den Titel „Ober-Capellmeister" und wird)
auch ferner noch die Hofconcerte und Sinfoniesoireen dirigiren.
*** Verdi ist, wie französische Blätter melden, mit der Com- .
position einer Oper „Romeo und Julia" beschäftigt, welche in der
Saison 1869—70 in Petersburg mit der Patti zur Aufführung
kommen soll.
*** A. Rubinstein hat in Berlin vier Concerte bei über-
füll tem Saale gegeben und ging von dort nach Mecklenburg und
Königsberg.
%*.In Italien herrscht grosser Unwillen gegen die Franzosen,
welche die Auslieferung der irdischen Hülle Rossini's verweigern.
*** In Rotterdam wurde die vollständige „Faustmusik" von
R. S ch u m a n n unter der Leitung des Hrn. W. Bargiel in recht
gelungener Weise aufgeführt.
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1 ' ' ' ■
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Bruch v* Carl Wallau, Mainz.