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Full text of "Sueddeutsche Musik-Zeitung 17 Jg 1868"

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17. Jahrgang. 



3P f. 



6, Januar 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSlIfZEITUNG. 



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Diese Zeitung erscheint jeden ; 



Verlag 






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MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- j 
amtern, Musik- & Buchhand- \ 
lungen. 



von 









B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PREIS: 

ü. 2. 42kr.od.Th.l.l8Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 



\ 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 

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INHALT: Beethoven's Leben. — Corresp. : Cöln. Stuttgart. Paris. — Nachrichten. 



Beethoven's lieben. 

Von Udwfg Hohl. {Leipzig, bei Ernst Jul. Günther). 



(Fortsetzung.) 

Das dritte Capitel , betitelt „Die Kunstreise " , verbreitet sich 
über Beethoven's Leistungen als Ciaviervirtuose, über die Anfein- 
dungen, welche er von seinen Fachgenossen, den Wiener Ciavier- 
meistern, deren sich dort damals über dreihundert befanden, 
zu erdulden hatte, und über seine vorzüglichsten Rivalen, als welche 
Joseph Wölffl und in zweiter Linie Job. Nep. Hummel be- 
zeichnet werden. Die vielfachen Anfeindungen und Neckereien, 
welche Beethoven zu erdulden hatte, verleideten ihm den Aufenthalt 
in Wien, sowie ihm überhaupt das dortige Musiktreiben nicht recht 
zusagen wollte, während,, auch andere Gründe ihn zu seiner grossen 
Kunstreise nach Norddeutschland veranlassten , worüber, sowie über 
den Aufenthalt Beethoven's in verschiedenen Städten, namentlich 
aber über sein Verweilen und Wirken in Berlin und über die 
dortigen Musikzustände der Verfasser die ausführlichsten Betrach- 
tungen und Aufschlüsse mittheilt. Im Ganzen war bekanntlich Beet- 
hoven mit seinem Berliner Aufenthalt nicht sonderlich zufrieden und 
wai nie gut auf die protestantische Preussenstadt zu sprechen. Er 
kehrte wieder nach Wien zurück, um diese Stadt zum Schauplatz 
seines so grossartigen Wirkens und Schaffens und zum Mittelpunkt 
der bedeutendsten Kunstinteressen 'unseres Vaterlandes zu machen. 

Im vi erte'n, „die Taubheit 8 überschriebenen Capitel beschreibt 
der Verfasser die von Beethoven nach seiner Rückkehr nach Wien 
in den Jahren 1796 bis 1800 bewiesene schöpferische Thätigkeit, 
führt die zahlreichen in dieser Periode entstandenen grösseren 
und kleineren Werke des Meisters an, und knüpft daran interessante 
Betrachtungen über den Entwicklungsgang derBeethoven'schen Muse? 
worauf er von den Anfängen des schrecklichen Uebels, welches den 
gewaltigen Kunstheros so schwer treffen sollte, nämlich seiner Taub- 
heit, spricht, welche ihren ersten Ursprung in einer, im Jahre 1796 
durch unvorsichtiges Auskleiden im erhitzten Zustande veranlassten 
Erkältung gehabt zu haben scheint. Es werden die verschiedenen 
Mittel, welche Beethoven zur Heilung dieses Uebels anwandte und 
die Aerzte angegebeu , die er nacheinander zu gleichem Zwecke zu 
Rathe zog, aber durch seinen Eigensinn, sein Misstrauen und seine 
Launen nicht wenig quält. Wahrhaft herzzerreissend sind Beethoven's 
Klagen über seinen traurigen Zustand, wie er sie in Briefen an seine 
Freunde ausspricht. Und doch, wie unermüdlich arbeitet sein Genius 
fort und fort, die erhaben dsten Tongebilde in rascher Folge schaffend ! 
Das später von Rasumowsky auf Lebensdauer engagirte Streich- 
quartett der Künstler Scbuppanzigh, Sina, Weiss u. Kraft, 
mit Beethoven enge befreundet, führte alle seine neuen Werke 
„brühwarm von der Pfanne weg tt auf, wenn es auch nicht an Oon- 
flicten zwischen dem rüden Meister und seinen begeisterten Freun- 
den fehlte, die jedoch dem gegenseitigen Einvernehmen durchaus 
keinen Eintrag thaten. Auch ausserdem enthält dieses Capitel noch 



manches Interessante über den Verkehr Beethoven's mit Künstlern 
und Kunstfreunden. 

Mit dem fünften Capitel, „Giulietta Guicciardi" überschrieben, 
beginnt das zweite Buch, „Heldenthaten", die Periode von 1801 
bis 1806 umfassend. Dass Beethoven trotz seiner abstossenden Ma- 
nieren und seines wenig anziehenden Aeusseren dennoch den zarteren 
Regungen des Herzens dem schönen Geschlecht gegenüber nicht 
unzugänglich war, ja sogar sehr häufig sich zu hervorragenden 
Frauen hingezogen fühlte, ist wohl bekannt genug. Diese Saite in 
dem Gefühlsleben des grossen Meisters wird nun in dem 5. Capitel 
berührt und Nohl stellt darin namentlich Alles zusammen, was über 
Beethovens Verhältniss zur Grafin Giulietta Guicciardi, später 
verehelichten Gräfin von Gallenberg, aus des Meisters Briefen und 
anderen Quellen bisher bekannt geworden ist, ohne dass es ihm ge- 
, lungen wäre, in dieser Beziehung sich neuere, bisher noch unbe- 
kannte Aufschlüsse zu verschaffen. Doch lässt das Vorhandene im- 
merhin einen tiefen Blick in Beethoven's schöne Seele thun. 

Das sechste Capitel, betitelt „das Heiligstädter Testament", 
schildert zuerst Beethovens Verhältniss zu dem jungen Musiker 
Ferdinand Ries aus Bonn, der ihm von seinem Vater, einem 
kurfürstl. Hofmusiker und alten Freunde des Meisters , zur musika- 
lischen Ausbildung zugeschickt worden war und dessen sich Beet- 
hoven auch als eines wirklichen Schülers mit grosser Liebe und 
ungewohnter Geduld angenommen hat. Ferd. Ries kam gegen Ende 
März des Jahres 1800 in Wien an und ihm sind die wichtigsten 
Mittheilungen über Beethoven aus den nächsten Jahren zu verdan- 
ken, wenn auch R. seine Notizen in Bezug' 1 auf die betreffenden 
Daten nicht immer getreu wiederzugeben wusste. Eine Fülle von 
Anekdoten und characteristischen Zügen aus Beethoven's häuslichem 
und künstlerischem Leben hat Ries der Nachwelt überliefert. Na- 
türlich gibt das 6. Capitel auch wieder die erwünschteste Auskunft 
über Beethoven's schöpferische Thätigkeit in den ersten Jahren 
dieses Jahrhunderts und den Schluss desselben bildet das im Nach- 
lass des Meisters gefundene, »Für meine Brüder Carl und 
.»Johann" überschriebene Schriftstück, welches von Heiligenstadt den 
10. October 1802 datirt, allgemein das Heiligenstädter Testa- 
ment genannt wird. 

Das siebente Capitel, überschrieben: „die Helden-Sin- 
fonie", führt uns durch eine Reihe grösserer und kleinerer Com- 
positionen zu seinem am Palmsonntag (5. April) 1803 gegebenen 
grossen Concerte und endlich zu der ohne Zweifel in den Sommer 
des Jahres 1803 fallenden Schöpfung derSinfonia eroica. Nohl 
theilt alles auf dieses Werk Bezug habende mit, ohne sich natürlich 
auf eine Besprechung des Werkes selbst einzulassen, welche ja dem 
4. Bande vorbehalten bleiben muss. Andeutungen über weitere in 
jene Zeit fallende Arbeiten, Auszüge ans Briefen und Nachrichten 
über den Gesundheitszustand Beethoven's , Anekdoten etc. machen 
den weiteren Inhalt dieses Capitels aus. 

Das achte Capitel, eines der bedeutendsten in diesem 
Bande, handelt von Beethoven's einziger Oper „Fidelio* und glitt 
höchst interessante Nachrichten über die Entstehung dieses Werkes 



2 - 



über die auf die Aufführung desselben Bezug habenden und die- 
selbe begleitenden Vorfälle und Umstände in reichlicher Fülle, nebst 
einigen Betrachtungen über das Werk selbst. 

(Fortsetzung folgt.) 



CORRESP05DEKZEH. 



Aus € $ I ii, 

Im December 1S67. 

Das Programm des vierten Abonnements - Concertes enthielt 
vier Nummern, nämlich als Anfang und Schluss die Ouvertüren zur 
„Euryanthe" und zur „Vestalin* , sodann das Beet ho ve n'sche 
Violiuconcert, vorgetragen von Concertmeister Otto von Königslö w 
und ein grösseres Werk von Ferd. Hiller: „Die Weihe des Früh- 
lings u ( Ver sacrum) oder die Gründung Roms", Gedicht von L. 
Bichoff, componirt für Soli, Chor und Orchester. 

Die Euryanthen-Ouvertüre wurde glänzend und präcis ausge- 
führt, schade nur, dass die Blasinstrumente nicht genau stimmten, 
was davon herrühren mochte, dass in dem zum Einstimmen des 
Orchesters bestimmten Nebensaate eine von der des Hauptsaales ganz 
verschiedene Temperatur herrschte. Die Ouvertüre zur .„Vestalin" 
hätte füglich wegbleiben können, denn das Orchester war von den 
vorhergehenden Aufgaben , namentlich von Hillers grossem und 
schwierigen Werke sichtlich erschöpft, sowie auch das Publikum, 
welches sich vor dem Beginne dieser Ouvertüre zum grossen Theil 
entfernte. 

Was nun Hiller's „ Ver sacrum u betrifft, so scheint mir dieses 
Werk viel mehr im Opern- als im Oratorien- oder Cautatenstyl ge- 
schrieben, und würde gewiss auf der Bühne, mit scenischeu Hülfs- 
mitteln ausgestattet, eine weit grössere Wirkung machen, als im 
Concertsaale. Doch rouss freilich zugestanden werden, dass die To- 
talwirkung durch die mangelhaften Leistungen des Chores, nament- 
lich des männlichen, in hohem Grade beeinträchtigt wurde. Dagegen 
war das Orchester ganz vorzüglich und auch die Solisten , Hr. 
Bietzacher aus Hannover (Mars), Hr. Götte vom Stadttheater 
(Führer des Albanen-Heeres), Frl. Radecke (Priesterin der Vesta) 
und Frl. Scheuerlein (Camilla) lösten ihre Aufgaben mit grossem 
Eifer und künstlerischem Verständniss. 

Das fünfte Abonnementsconcert, welches am 17. December, 
Beethoven' s Geburtstag, stattfand, war ausschliesslich den Wer- 
ken des unvergleichlichen Meisters gewidmet und brachte: Leonoren- 
Ouvertüre Nr. 3; Clavier-Concert in G-dur, gegeben von Frau 
Clara Schumann; „Wonne der Wehrauth" und „Neue Liebe, 
neues Leben", Lieder gesungen von Hrn. Jul. Stockhausen; 
„Elegischer Gesang" für Chor und Streichquartett; Liederkreis „An 
die ferne Geliebte", gesungen von Hrn. Stockhausen; Fantasie für 
Piano, Orchester, Soli und Chor, die Ciavierpartie vorgetragen von 
Frau Clara Schumann, und zum Schluss die „ Pastoralsinfonie ". 

Die Leonoren-Ouvertüre, sowie die Pastoralsinfonie wurden vom 
Orchester in meisterhafter, wahrhaft hinreissender Vollendung wie- 
dergegeben, sowie auch Frau Schumann das Clavierconcert mit der 
bei ihr selbstverständlichen Meisterschaft vortrug; nur wäre bei 
einem Vortrage in dem grossen Gürzenichsaale zu bedenken , dass 
die räumliche Ausdehnung des Lokals auch mitunter eine derselben 
angemessenere Tonfülle, namentlich in den zarteren Stellen erfordert, 
wenn letztere nicht für einen grossen Theil des Auditoriums unver- 
ständlich werden solleu. 

Herr Stock hausen saug die Beethoven'schen Lieder, aber 
natürlich um 2 oder 3 Töne tiefer, was gerade nicht immer zu der 
vom Compouisten beabsichtigten Wirkung passen will. Ueberhaupt 
scheint der treffliche Sänger, dem durch diese Bemerkung durchaus 
nichts an seinen wohlverdienten Lorbeeren geschmälert werden soll, 
sich bei Schubert und Schumann heimischer zu fühlen, als bei Beet- 
hoven. Störend wirkten auch einige Differenzen zwischen Sänger 
und Accompagnateur. 

In dem „Elegischen Gesang" für Chor und Streichquartett saug 
der Chor leider fast immer zu tief und schien dieses so fein ge- 
staltet« fWerk überhaupt nicht genügend einstudirt zu sein. Die 



Fantasie mit Chor ging im Ganzen gut und brachte auch die ent- 
sprechende Wirkung hervor. 

Am 8. December fand im grossen Saale des Hotel Disch die 
erste Matinee für Kammermusik der HH. Winter, Schratten- 
holz, Krill, Bennefahrt, Kuffrath und Deppe statt, in 
welcher das Quartett in G-dur, Nr. 56 von Haydn, Trio für Piano, 
Flöte und Violoncell, op. 63 von Weber und Quartett Nr. 3 von 
Beethoven zur Aufführung kamen. Dieser junge Verein, welcher 
im vorigen Jahre seine ersten Productionen veranstaltete, hat inso- 
fern eine Veränderung erlitten , als bei der zweiten Violine Herr 
Bennefahrt und beim Violoncell Hr. Deppe an die Stelle der früheren 
Repräsentanten dieser Instrumente getreten sind. Es ist den betref- 
fenden Künstlern ein solides Streben und die Aussicht auf einen 
nachhaltigen Erfolg ihres Unternehmens nicht abzusprechen, nament- 
lich wenn dieselben sich bemühen, ihre Vortragsweise von den ge- 
wohnten Maniren des Orchesterspiels zu emancipiren und sich da- 
gegen eine feinere Behandlung der Vortrags-Nüancen anzueignen. 
Die glänzendste Leistung war das D-dur-Quartett von Beethoven, 
welches von fleissigem und verständnissvollem Studium Zeugniss 
gab. 

Am 10. December fand die zweite Quartett-Soiree der HH. 
Japha, von Königslöw, Der k um und Rensburg statt, in 
welcher Quartett in Es-dur von Mendelssohn; Quartett in F-dur, 
(op. 18, Nr. 1) von Beethoven und Divertimento in D-dur für 2 
Violinen, Viola, 2 Höruer, Cello und Contrebass von Mozart, unter 
Mitwirkung der HIT. Kirmse, Saalborn und Ad. Breuer, zur 
Aufführung gebracht wurden. Es war diese zweite Soiree besser be- 
sucht als die erste und Hr. Japha, der die erste Violine spielte, 
zeichnete sich durch schönen Ton , leichten und gefälligen Bogen- 
strich, sowie durch verständnissvolle Vortragsweise rühmlichst aus, 
während seine Genossen sich ihm in jeder Beziehung würdig an- 
schlössen. Das Mozart'sche Divertimento litt in seiner Wirkung 
durch den Eindruck des vorhergehenden Beethoven'schen Quartett's, 
trotz der ausserordentlichen Lieblichkeit der Composition und der 
vortrefflichen Executirung. 

Am 12. December gab der Pianist und Professor am Conserva- 
torium, Hr. Isidor Seiss, ein Concert im Hotel Disch mit folgen- 
dem Programm: Trio für Piano, Violine und Violoncell (Es-dur op. 
100) von Fr. Schubert; Fantasiestücke für Piano (op. 12) von 
R. Schumann; Andante spianalo und Poldhaise von Seiss; 3 
Stücke für Violoncell von Servais und Scherzo für Piauo 
(B-raoll, op. 31) von Chopiu. 

Hr. Seiss ist ein solider, nach jeder Richtuug hin gediegener 
Künstler, was er auch an diesem Abende wieder, und insbesondere 
durch den Vortrag des Schubert'schen Trio'a und der Polonaise in Es-dur, 
sowie des Scherzo in B-moll von Chopin genügend bewies. Dass Herr 
Rensburg für seinen VoVtrag auf dem Violoncell keine bessere Wahl 
zu treffen wusste, ist in seinem eigenen Interesse zu bedauern, trotz 
seiner tadellosen virtuosen Leistung. 

Die Ti Philharmonische Gesellschaft" und der „Cölner Männer- 
gesaug-Verein", beide bekanntlich unter der Leitung des k. Musik- 
directors Franz Weber stehend, beabsichtigten diesen Winter 
vereint drei Coucerte für Instrumental- und Vocalmusik zu geben 
und zwar im grossen Saale des Gertrudenbofes. Das erste dieser 
Concerte soll am 11. Januar stattfinden, für jedes derselben bedeu- 
tende Solisten gewonnen werden und am Schlüsse der Concerte 
jedesmal eine Liedertafel stattfinden, die den theiluehmenden Herren 
und Damen durch ernste und heitere Vorträge des Männergesaug- 
Vereius während des Abendessens manche genussvolle Stunde be- 
reiten wird. 



Ans Stuttgart. 

Ende December. 

T. Das fünfte am Christtag gegebene Abonnements - Concert 
begann mit Web er' s Jubel -Ouvertüre und schloss mit Beetho- 
ven's Pastoral-Sinfonie , welche sich in allen Sätzen einer muster- 
haften Wiedergabe erfreute. Auch bei uns scheint nun die Auf- 
führung von Quartettsätzen durch das gesammte Streichorchester 
eingeführt werden zu wollen, welche Neuerung wir mit Dank be- 



- 3 



grüsseu; nach dem bekannten Grandsatze jedoeb, dass, je stärker 
die Besetzung, desto breiter das Tempo werden soll, waren diesmal 
die Haydn' sehen Kaiservariationen etwas zu schnell genommen, 
was dem würdevollen Character derselben einigen Eintrag that, und 
"wenn auch nicht an Bilse , doch an das Virtuosenhafte der Solo- 
Quartettspieler erinnerte. Hr. Cabisius spielte ein Celloconcert 
von Servais mit hübschem Ton und abgerundeter Technik; Frl. 
Bärmann, Tochter des Münchener Clarinettvirtuosen , zeigte in 
der Ä-dur-Arie aus Titus schone Stimmmittel, welche bei tüchtiger 
Fortbildung ein höchst günstiges Resultat versprechen. Auch als 
Cherubin und Acuzena ist dieselbe au hiesiger Bühne mit Glück 
aufgetreten. Gleichsam als Concession an die dabier gar gewissen* 
haft respectirten Gewohnheiten der kirchlich Gesinnten gab man 
noch zwei Nummern aus Messias: die H - raoll - Arie , von Herrn 
Schüttky meisterhaft gesungen, und den Halleluja-Chor. 

Frl. Ehnn's „Abschieds - Concert" hinterliess dahier, nicht so 
fast durch seineu Inhalt , als durch die darangeknüpfte komische 
Polemik wegen Nichtbetheiligung etlicher Künstler, eine gewisse 
Sensation. Dieselben hatten nämlich ihre Mitwirkung wohl zuge- 
sagt, hatten aber triftige Gründe zum Rücktritt, so z. B. Hr. Sin- 
ger einen häuslichen Krankheitsfall, Herr Pr uckner die Er- 
schöpfung durch drei unmittelbar vorhergegangene Coucerte. Nun 
wollte aber ein den Betreffenden sonst nicht abholdes Blatt muth- 
massen, dass dieselben wegen der demonstrativen Tendenz des Con- 
certes, welche in der Vereinigung sänimtlicher notorischer Partei- 
gänger des frühem Regimes unter dessen abgetretenen Leiter aller- 
dings nicht wohl zu verkennen war, abgelehnt hätten und etwa 
gar durch Winke von oben dazu veranlasst worden wären. Abge- 
sehen davon, dass sich genannte Herren durch ihre dienstliche 
Stellung immerhin zu einer Rücksicht auf gewisse vorwaltende 
Stimmungen verpflichtet fühlen dürften, ist dahier das Absagen bei 
Concerten so häufig, dass es, ohne specielle Animosität auch in die- 
sem Falle nicht wohl vermerkt worden , und der ganze Sturm im 
Wasserglase unterblieben wäre. 



1 11 § Paris. 

30. December. 

Die neue Oper von Georges Bizet, „La jolie fille de Perth, tl 
zieht dem Theätre lyrique ein zahlreiches Publikum zu. Das 
Werk des jungen Compositeurs erhebt sich in der That über das 
Niveau der gewöhnlichen Opernnovitäten , die man seit längerer 
Zeit den Kunstfreunden auftischt. Freilich ist nicht Alles Gold, 
was in diesem vieractigen Werke glänzt. Der erste Act ist ziem- 
lich kalt; auch der dritte lässt gar viel zu wünschen übrig; der 
zweite und vierte aber bieten manche frische, sehr ansprechende 
Melodieu und werden auch von dem lebhafteu Beifall des Hauses 
reichlich belohnt. 

Die grosse Oper lebt vorläufig noch von ihrem alten Re- 
pertoire, bereitet aber, wie ich Ihnen bereits gemeldet, die Auf- 
führung des „Hamlet" von Ambroise Thomas eifrigst vor. 

In der komischen O.per wechselt Offenbach's „Robinson 
Crusoe" schon mit andern Werken, ab, und was das Italienische 
Theater betrifft, so geht es mit grossen Plänen schwanger. Es 
wird nämlich bald den „Templario" von Nicolai zur Darstellung 
bringen; dann sollen „Giovanna darco" und } ,Don\Giovanni l an 
die Reihe kommen. Hoffen wir, dass man diesmal der Aufführung 
des unvergänglichen Mozart'schen Meisterwerkes mehr Sorgfalt wid- 
men werde, als dies bisher der Fall gewesen. Wie wir hören, wird 
der neue Barytonist Steller die Titelrolle übernehmen. Die drei 
Frauenrollen sind den Frl. Adelina Patti, Krauss und Si- 
moni auvertraut. 

Der erste Opernball soll eine Einnahme von 24,666 Frauken 
erzielt haben. 

Die Direction der Scala in Mailand hat Gounod ersucht, 
für das genannte Theater eine Oper zu schreiben; allein Gounod, 
«der mit der Composition der „Francoise de RiminP beschäftigt 
und ausserdem von mehreren Engagements in Anspruch genommen 
ist, hat das Anerbieten abgelehnt. 

Der Tod George Kastners hat hier eine grosse Bestürzung 
«rregt. Der Verewigte war nicht nur als Musiker von weit um- 



fassender Gelehrsamkeit sehr geschätzt, sondern auch als biederer 
Character geliebt und geachtet. Er lässt eiue schwer auszufüllende 
Lücke zurück. 



Nachrichten. 

Wiesbaden. Am 22. Dec. starb dahier der k. Theater-Inten- 
dant Dr. Hermann von Bequignolles, ein in seinem Berufe 
äusserst thätiger und einsichtsvoller Mann, im Alter von nur 42 
Jahren. 

MÜDChen. Das Weihnachtsconcert der „musikalischen Akade- 
mie'* bot dem Publikum abermals eine Gelegenheit, den Verdien- 
sten Franz L a ch n e r's die vollste Anerkennung und seiner Per- 
son die allgemeine Verehrung durch eben so lebhafte als unzwei- 
deutige Ovationen zu erkennen zu geben. Lacbner brachte näm- 
lich, auf wiederholtes Andringen des Orchesters und dem vielfach 
geäusserten Wunsche des Publikums entsprechend, seine 1. Suite 
(D-moll) wieder zur Aufführung. Mit rauschendem Applaus wurde 
er bei seinem Erscheinen begrüsst, der sich nach jedem Satze der 
Suite steigerte und am Schlüsse derselben erst nach dreimaligem 
Hervorrufe des Meisters endigte. Eben so wollte der Beifallssturm 
nach der Leonoren - Ouvertüre am Ende des Concertes kein Ende 
nehmen, denn mau fühlte die Nähe des Verlustes eines Mannes, der 
sich seit 27 Jahren um die musikalische Kunst in München so 
grosse und unbestreitbare Verdienste erworben hat und nun trotz- 
dem sich von gewissen Seiteu her so mancher unverdienten Krän- 
kung ausgesetzt sieht. 

Leipzig. Das Programm des 10. Gewandhausconcertes war fol- 
gendes: I. Theil. Sinfonie (Nr. 3, Es-dur) von Julius Rietz; Re- 
citativ und Arie aus „Iphigenie auf Tauris" von Gluck, gesungen 
von der kÖnigl. sächs. Kammersängerin Fr. Bürde-Ney; Fan- 
tasie (op. 15) von Fr. Schubert, sinfonisch bearbeitet für Piano 
und Orchester von Fr. L i s z t , vorgetragen von Hrn. Carl Tau- 
s i g , Hofpianist des Königs von Preussen ; Ouvertüre zu ,,Geno- 
veva" von R. S ch u m a n a ; Reuitativ und Arie aus „Cosi fan tutle" 
von Mozart, gesungen von Frau Bürde-Ney; Solostücke für das 
Pianoforte, vorgetragen von Hrn. Tausig. 

Augsburg. 26. Dec. Wenn es wahr ist, dass das deutsche Lie- 
dertafelwesen seine ursprüngliche sociale Bedeutung und mithin auch 
seine eigentliche Wirkungs- und Zugkraft allgemach verloren, dass 
die politische Umgestaltung des Jahres 1866 auch dem das Vater- 
land einig ^singenden deutschen Sangesbruder den Gnadenstoss ge- 
geben hat, so verdienen jetzt unter den Männergesaugsvereinen ge- 
wiss diejenigen deu Vorzug, welche, in richtiger Würdigung der 
Zeitverhältnisse, deu unhaltbar gewordenen Standpunkt mehr und 
mehr verlassen, und ihre Kräfte einem unstreitig höhereu (und doch 
erreichbaren) Ziel — der Pflege der heiligen Musika selbst zu 
weihen bestrebt siud. Selbstverständlich wird ein solches Streben 
um so grösseren Dank in Städten verdienet!, deren Musikbedürfniss 
nicht, wie in Residenzen, von eiuem Hoforchester oder einer „musi- 
kalischen Akademie" befriedigt wird. Seit einigen Jahren schon 
hat sich die hiesige Liedertafel in diesem Sinne den Dank 
Augsburgs erworben, indem sie mit dem „Damengesangverein" in 
Verbindung trat, und dadurch die Aufführung gemischter Chöre und 
ganzer Oratorien ermöglichte. Noch ist die Erinuerung an eines 
der hervorragendsten Werke L. Spohrs, „Der Fall Babylons," weichet 
die Augsburger Liedertafel in der vorigen Saison zu voller Zufrie- 
denheit vorführte, nicht verwischt, und es freut uns berichten zu 
können, dass die gestrige Aufführung von Haydns „Schöpfung", na- 
mentlich was den gesanglichen Theil belangt , eine gelungene , ja 
theilweise vorzügliche zu nennen ist. War schon durch die sehr 
bedeutende Gesangstechnik und musikalische Durchbildung der bei- 
den Frln. Hülgerth und Hasselt-Barth, welche die Partien des Gabriel 
und der Eva zu singen die Gefälligkeit hatten , der Erfolg manch 
glänzender Nummer gesichert, so wirkte insbesondere das herzge- 
winnende Organ und der edle Vortrag des au* MUnchen berufenen 
Bassisten Hrn. Fischer (als Raphael und Adam) wahrhaft zündend 
auf die Zuhörerschaft. Die exaete Durchführung der wunderbaren 
ewig frischen Chöre, sowie die richtigen Tempi, machen dem Diri» 



— 4 — 



genten def Vereins alle Ehre. Nur eines wäre zu wünschen ge- 
wesen: eine grössere Reinheit und PrKcision des Orchesters; weit 
entfernt, den Grund dieses Mangels etwa in einem Rückschreiten 
der so tüchtigen städtischen Capelle zu suchen, sehen wir ihn viel- 
mehr in der thatsäcblieben Unmöglichkeit mehrere und eingehendere 
Probeu zu halten. Schliesslich können wir in Anbetracht der herr- 
lichen musikalischen Kräfte, welche Augsburg zu besitzen so glück- 
lich ist, einen Wunsch nicht unterdrücken, welcher gewiss allen 
wahren Kunstfreunden dieser Stadt aus der Seele gesprochen ist: 
„Möchten diese Kräfte sich einigen und zu einem grossen Ganzen 
zusammenstehen, dann wird die Musik in Augsburg aufblähen, und 
die Stadt wird mit Residenzen wetteifern können." 

Brüssel. In seinem 4. populären Concerte gab Hr. Samuel 
die „Genoveva" - Ouvertüre von Schumann, G-dur- Sinfonie von 
Haydn, Scherzo aus der 1. Sinfonie von Hiller, „Träumereien" 
von Schumann, von sämmtlichen Geigern ausgeführt, Jubel- 
Ouvertüre von Weber und zum ersten Male in Brüssel das Allegro 
concertant von S p o h r für 2 Violinen , Bratsche und Violoncell 
mit Orchester. 

Wien. Die beiden Aufführungen der „Schöpfung" zum Besten 
des Versorgungsvereius „Haydn" für Tonkünstler - Wittwen und 
-Waisen haben einen Reinertrag von 2,227 fl. geliefert, den höch- 
sten, der bisher duich diese Concerte erzielt worden ist. 

— Mit dem 1. April 1868 scheidet der Tenorist Jos. Erl aus 
dem Verbände des Ilofoperntbeaters, dem er über 30 Jahre ange- 
hörte. In Würdigung der erspriesslichen Dienste, welche Hr. Erl 
durch die lange Reihe von Jahren dem Institute geleistet, hat Se. 
M. der Kaiser dem Künstler eine bedeutende Pension bewilligt. 
Erl begann mit S t a u d i g 1 zugleich seine Künstlerlaufbahn als 
Chorist im Chore des Hofoperntbeaters , ging von hier nach Pest 
und von dort nach Berlin an das Friedrich - Wilhelmstädtische 
Theater, von wo er, nachdem Wild 's Stern im Erbleichen war, 
am hiesigen Hofoperntheater als erster Tenorist engagirt wurde 
und namentlich in Meyerbeer's Opern „Robert" und „die Hu* 
genotten", damals „Weifen und Ghibellinen" genannt, Rossini's 
„Teil", Auber's „Ballnacht'' u. s. w. die vollste Gunst des Pub- 
likums errang. (Zellnei's Bl. f. M.) 

Paris. Einem im Moniteur veröffentlichten Decrete zufolge 
haben die zwei neuen, auf das neue Opernhaus zuführenden Stras- 
sen die Namen Meyerbeer's und Gluck' s erhalten, während 
eine noch zu eröffnende dritte Strasse M o z a r t ' s Namen tragen 
wird. 

— Schumann 's B - dur - Sinfonie wurde hintereinander im 
Conservatorium und im populären Concerte des Hrn. Pas de- 
loup aufgeführt und fand an beiden Orten dieselbe Aufnahme; 
dort wie da nämlich wurde das Andante gleichgültig, Scherzo und 
Finale aber mit einhelligem Beifall aufgenommen. Es ist zu er- 
warten, dass auch das Andante nach und nach besser verstanden 
und gewürdigt wird ; die Aufführung durch Pasdeloup's Orchester 
war übrigens noch eine ziemlich unfertige, zu wenig sorgfältig vor- 
bereitete gewesen. — Das neunte Pasdeloup'sche Concert brachte: 
Ouvertüre zu „Athalia" von Men d elss o hn ; Pastoral-Sinfonie von 
Beethoven; Adagio aus der „Ocean"-Sinfonie von Rubinstein; 
Intermezzo von Fr. Lachner und „Propheten" - Ouvertüre von 
Meyerbeer. 

Pest. Die drei von dem Hei Im esberger' sehen Quartett aus 
Wien und dem Pianisten Epp"sTein dahier veranstalteten Concerte 
gewährten den Pester Musikfreunden einen nnvergesslichen Kunstge- 
nuss. Ausser Quartetten und Trio's von Mozart, Haydn, Beet- 
hoven und Schumann kamen in diesen Concerten auch die Suite 
für Ciavier und Violine von C. Gold mark und das Es-dur Quartett 
von Rob. Volkmann in höchster Vollendung und mit grossem Er- 
folge zur Aufführung. 

RiZZft. Die Concertsaison wurde von dem Weltumsegler und 
Violoncell- Virtuosen Feri Kletzer eröffnet, dessen Leistungen 
von dem hocharistokratischen Publikum mit vielem Beifall aufge- 
nommen wurden. 

Antwerpen. In dem von der königl. Harmonie-Gesell- 
seh aft gegebenen Concerte hörten wir zum ersten Male die Sin- 
fonie von F 6 1 i s. Das Werk selbst ist , vom künstlerischen 
Standpunkte betrachtet, ein sehr bedeutendes und hoebverdienstliches, 



dessen Combinationen , harmonische und instrumentale Effecte de& 
gelehrten Componisten, sowie den unterrichteten Mann erkennen 
lassen. Die Ausführung unter der Leitung des Hrn. Lemairs 
war eine vorzügliche. 

V* Die letzte Nummer der „Neuen Berliner Musik- 
Zeitung" für das abgelaufene Jabr bringt an der Spitze ihrer 
Mittheilungen einen Artikel über die Berliner Musikverhältnisse», 
über die gebotenen Leistungen auf dem Gebiete der musikalischen 
Kunst und über die in dieser Beziehung noch zu erfüllenden be- 
rechtigten Wünsche in dieser Richtung aus der Feder des geist- 
reichen Musikschriftstellers H. E h r 1 i ch , der nicht nur für die 
Berliner Interesse hat, sondern auch für die ganze deutsche Musik- 
weit, indem derselbe gar Manches enthält, was mit gutem Recht 
mutatis mutandibus auch auf musikalische Verhältnisse, Mängel 
und Wünsche'anderer grösserer Städte Deutschlands sich anwenden 
lassen dürften. 

*** Das diesjährige Musikfest in Birmingham hat nach Ab- 
zug von Honoraren für die Mitwirkenden im Betrag von 40,000 Tha* 
lern und Bestreitung aller übrigen Kosten noch einen Reinertrag von 
37,000 Tbalern ergeben. 

*** In Moskau wird Saloman's „Rose der Karpathen" 
zum Benefiz von Mine. Alexandrow mit dem neuen glänzenden 
Tenoristen Orloff und mit einem Aufwand von 15,000 Rubeln 
vorbereitet. 

*** Im neuerbauten Leipziger Theater fand vor Kurzem zur 
Prüfung der Akustik eine Orchesterprobe statt, welche zur vollsten 
Zufriedenheit ausfiel. 

*** Die bisher im Feuilleton der Münchener „Süddeutschen 
Presse 1 * vertretene Kunstrichtung wird von Neujahr an sich in einem 
eigenen Wochenblatt geltend zu machen suchen. 

*** Der Generaldirector der preussischen Militärmusiken, W ie- 
p r e ch t in Berlin, hat in Anerkennung seiner grossen Verdienste 
eine jährliche Gehaltszulage von 500 Thlrn. erhalten. 

*** Hans von Bülow beabsichtigt, im Februar drei Beethoven- 
Soireen im Bösendorfer'schen Saale in Wien zu geben. ^Der Sitzplatz 
wird per Soiree 5 fl., im Abonnement 4 fl. kosten. 

%* Frl. E h u n , ihrer Verbindlichkeit am Stuttgarter 
Hoftheater nun definitiv enthoben, wird dieser Tage in Wien ein- 
treffen, um ihr Engagement am dortigen Hofoperntheater anzutreten« 

*** Dem alten Tenoristen Mario ist es bei seinem Auftreten 
als Almaviva in Petersburg wieder einmal passirt, dass das 
Publikum seine gänzliche Stimmlosigkeit übel vermerkt und ihm 
dies durch entsprechende Kundgebungen zu erkennen gegeben hat. 

*** Ueber die am 18. und 19. Dec. stattgehabte Aufführung 
von Gounod's „Romeo uud Julie" enthält die „Neue B erl. M.- 

Ztg." folgendes: „ Dem Beispiel Dresdens, welches die 

Oper zuerst in Deutschland brachte, waren bis jetzt nur Nürnberg 
und Bremen (auch Würzburg) gefolgt und nach dem Eindrucke, 
welchen das Werk auf uns gemacht, zu urtheilen , erscheint es uns 
überhaupt zweifelhaft, ob noch viele Bühnen sich mit der Insceni- 
rung beeilen werden. Die Frage, ob der Componist in dem neuen 
Werke eine gleiche oder wohl gar eine höhere Stufe auf der zu den 
Idealen der Kunst führenden Leiter erstiegen habe, als in seiner mit 
Recht so erfolgreichen „Margarethe", ist unbedingt zu verneinen ; 
die Oper wird diesseits des Rheins immerhin als ein interessantes 
und in vielen Einzelheiten schätzbares Werk angesehen werden, 
in das Herz des Volkes wird sie nie dringen, ein geistiges Eigen- 
tum der Nation nie werden. Die Schuld trägt daran der Compo- 
nist allein, denn seine Librettisten haben einen in jeder Beziehung 
brauchbaren Text geliefert, und diese sind auch nicht für die unge- 
schickte Uebersetzung des Herrn Th. Grassmann verantwortlich. 
Was der grösste Mangel dieses Werkes ist, das ist der Mangel an 
wirklicher Inspiration und ein zweiter Cardinalfehler der Oper ist 
der Mangel an dramatischer Steigerung. Niemanden kann es daher 
Wunder nehmen, wenn das Publikum den ganzen Abend hindurch 
kalt blieb und nur selten sich zu Beifallsbezeugungen veranlasst 
fühlte, die übrigens wohl mehr den Ausführenden, als dem Werke 
galten. 



Dr. S. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz, 



17. Jahrgang. 



m 9. 



13. Januar 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 






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Diese Zeitung erscheint jeden 

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Man abonnirt bei allen Post 
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INHALT: Beethoven's Lebeo. — Corrtsp. : Frankfurt. Berlin. — Nachrichten. 



Beetlioveii'g lieben* 

Von Ludwig ÜObl. (Leipzig, bei Ernst Jul. Günther). 



(Fortsetzung.) 

Mit dem neunten Capitel („die C-moll-Sinfonie und die 
Pastorale") beginnt das d r i 1 1 e Buch, überschrieben: „Herrscher- 
seiten" und den Zeitraum von 1806 — 1814 umfassend. Pekuniäre 
Sorgen bedrängten um diese Zeit den Meister wieder besonders 
hart, nachdem die auf den Erfolg seiner Oper begründeten Hoffnun- 
gen sich in dieser Weise durchaus nicht bewährt hatten. Sie trug 
ihm kaum 200 fl. ein, und Beethoven wurde daher schon durch die 
Sorge für seine eigene Existenz zu einem eifrigen Schaffen angetrie- 
ben und vor Allem zur Vollendung der schon seit lange bestellten 
Rasumowsky-Quartetten Op. 59 veranlasst, über welche Nohl ver- 
schiedene bemerkenswerthe Betrachtungen einflicht, sowie auch über 
die «benftrlhr damals vollendete' Sonata äppassionata Op. 57, welche 
ihm von Mme. B i g o t zuerst aus dem Originalmanuscripte vorge- 
spielt wurde. Die vierte Sinfonie, das vierte Clavierconcert Op. 58, 
sein Violinconcert und die Coriolan-Ouvertüre fallen sämmtlich ihrer 
Entstehung nach in das Jahr 1806. Auch mit dem Gedanken, eine 
«weite Oper zu schreiben, trug sich Beethoven in jener Zeit sehr 
lebhaft. Seine Compositionen wurden von den Verlegern lebhaft 
begehrt und gut honorirt und er wandte sich auch wieder dem ge- 
selligen Leben zu. Der Verfasser gibt hier recht anziehende No- 
tizen über Beethoven's Verkehr mit der Familie Malfatti, wo viel 
Musik getrieben wurde und sich ein paar reizende Töchter befan- 
den, deren eine einen lebhaften Eindruck auf Beethoven's Herz 
gemacht hatte. Auch mit dem Wunsche und der Hoffnung einer 
Anstellung als kaiserl. Hofcomponist trug sich Beethoven im An- 
fange des Jahres 1807 und suchte zu diesem Zwecke sich die Gunst 
vermögender und hochgestellter Persönlichkeiten zu erwerben. Seine 
C-dur-Messe entstand um diese Zeit und wurde bei dem Fürsten 
Esterhazy in Eisenstadt aufgeführt. 

Ein von dem Meister im Dezember 1807 an die k. k. Hofthea- 
ter-Direction gerichtetes Gesuch um die oben erwähnte Anstellung 
wird trotz der grossartigen Anerbietungen, welche Beethoven in Be- 
treff seiner Leistungen machte , abschlägig beschieden ; er findet 
sich nach wie vor auf sich selbst angewiesen und es reiften zu dieser 
Zeit die Ideen zu der C-moll- und zur Pastoral-Sinfonie. Der Som- 
mer von 1808 , den Beethoven auf dem Lande in Heiligenstadt zu- 
brachte, gewährte ihm grosse Naturfreuden und gebar die Pastoral- 
sinfonie , die er eigentlich , obwohl als die s e ch s t e bezeichnet, 
doch schon vor der fünften, der C moll-Sinfonie beendet hatte. 
Kurze Betrachtungen über das letztgenannte Werk bilden den Schluss 
dieses Capitels. 

Das zehnte Capitel berichtet über den Ruf nach Cassel, 
welchen bekanntlich König J e r 6 m e au Beethoven ergehen Hess, 
nur nm seine Hörctncerte zu dirigiren, da für die Oper J. F. 
Reicbard schon früher vom König als Capellmeister engagirt 
worden war. Natürlich gab diese Aussiebt auf eine endliche An- 



stellung unserm Meister viel zu denken, zu calculiren, mit Freunden 
zu berathen etc., bis endlich einige seiner hohen Gönner, welche 
den Unvergleichlichen nicht ziehen lassen wollten, sich vereint ver- 
pflichteten, ihm einen Jahresgehalt von 4000 fl. auszubezahlen, auf so 
lange, bis Beethoven eine Anstellung erhielte, welche ihm ein 
Aequivalent genannter Summe gäbe. Es enthält dieses Capitel ferner 
Auszüge aus den „vertrauten Briefen" J. F. Reichard's an seine 
Frau, insofern dieselben sich auf seinen Umgang mit Beethoven und 
auf des Ersteren Urtheile über Beetlioven'sche Compositionen be- 
ziehen. Anccdoten, characteristische Züge Beethoven's, Aufzählung 
der in die betreffende Zeitperiode fallenden Compositionen, Nach- 
richten über ein paar Ausflüge Beethoven's u. s. w. füllen den Rest 
des zehnten Capitels. 

Das elfte Capitel, „A-dur-Sinfonie" überschrieben, beginnt 
mit Betrachtungen über Beethoven's Stellung zur Gesellschaft, wirft 
einen Blick in sein inneres, geistiges Leben und Streben, spricht 
von seiner Vorliebe für gewisse Dichter und deren Einfluss auf sein 
Schaffen, von der ersten Aufführung der „Egmont" -Musik (24. Mai 
1810), von Beethoven's Beziehungen zu und Briefwechsel mit 
Bettina, von dessen trüber Stimmung, in die er durch seine 
Taubheit versetzt wurde, und wie er trotzdem mit Heirathsgedanken 
umgeht und zu diesem Zwecke sich seinen Taufschein aus Bonn 
schicken lässt. Es folgen ausführliche Betrachtungen über dieses 
Vorhaben Beethoven's und über den wahrscheinlichen Gegenstand 
Seiner zärtlichen Neigung. Es entstehen in dieser Zeit viele Lieder 
und andere kleine Sachen, aber auch das herrliche Trio in B-dur, 
Op. 97. Im Mai 1811 trifft Beethoven ein harter Verlust, indem 
sein intimer Freund Gleichenstein sich verheirathet und Wieu 
verlässt. Dann kommen abermals Opernprojecte, Reisepläne, welche 
Alle) nicht zur Ausführung kommen. Es entsteht die Musik zu »König 
Stephan* und zu den „Ruinen von Athen 4 * und wird in Pest am 9. 
Februar 1812 aufgeführt. Abermals folgte ein Opernplan und zwar 
im Verein mit Theodor Körner, der den Text liefern soll. 
Scbnyder v. Wartensee's Zusammentreffen mit Beethoven, Finanznothj 
durch Herabsetzung des österreichischen Papiergeld-Wertbee , neue 
Compositionen und Aufführung älterer Werke Beethoveu's und endlich 
die Vollendung der siebenten Sinfonie in A-dur,, welche in Grats 
in einem Wohlthätigkeitsconcerte zum ersten Male aufgeführt wird, 
und Betrachtungen des Verfassers über dieses Werk schliessen in 
anziehender Weise dieses Kapitel. 

(Schluss folgt.) 



JVaturge&cIilelitllelieg aus der 
jUuslkwelt. 



Tn Nachfolgendem möge es gestattet sein, einige eigenthümliche 
Gattungen aus dem die eigentliche Kunstsphäre umgebenden Dunst- 
kreise, welche gewiss auch andern Beobachtern schon gewissermasea 
als stehende Charactere und Typen auffielen, in Kürze zu skiszlrsn, 



- 6 



1. Die Concertmama oder musikalische Beutelratte 
{Didelphis Communis, Linn.) Hier ist nicht eine gemiethete Con- 
certmutter oder noch öfters -Tante gemeint, welche unverheirathete 
Künstlerinnen, natürlich zur Bewachung ihrer jungfräulichen Unnah- 
barkeit, mit sich zu schleppen pflegen und die vielleicht noch unter 
einer eigenen Nummer geschildert wird, sondern die wirkliche leibhaf- 
tige Mutter eines sogenannten Wunderkindes (miraculum epido- 
nricum). Auch letztere Sorte verdiente ein besonderes Capitel : ist 
nämlich das Wunderkind männlichen Geschlechts , so wird es vom 
14. Jahre an täglich sorgfältig rasirt, um möglichst lange als zarter, 
blond- oder brnungelockter „Knabe" das Podium beschreiten zu 
können ; ist's ein Mädchen , so trägt es Höschen und ein kurzes 
Röcklein, bis das Kind „plötzlich irgend einen Hofmusikus bei- 
ratbet" ; ein „Wunderkind" war es in der. letzten Zeit nur insofern, 
als es das Publikum Wunder nahm , dass dies noch ein Kind 
sein sollte. Bei den wenigsten heisst es, wie einst bei Mozart 1 
„Das Kind entschwand, das Wunder ist geblieben 3 . Aber um wieder 
auf besagte Concertmama zu kommen, so ist sie der Schrecken aller 
Musikdirectoren, Solosänger und besonders der harmlosen Pianisten 
und Sologeiger. Hat sie einen Ort erspäht, wo etwas „zu machen" 
ist, so kann denselben nichts vor einem Concert retten. Die un- 
glücklichen Opfer, welche dabei mitwirken sollen, überfällt sie 
meistens, wenn sie's am wenigten vermuthen, bei grauendem Morgen, 
setzt ihnen in Gestalt eines schon gedruckten Zettels die Pistole 
auf die Brust, überschüttet sie mit Freikarten, besorgt ihnen im 
Nothfall sogar Frack und Glacehandschuhe und schleppt sie endlich 
siegreich zum Concertsaal. Während der Production zählt sie so- 
gleich an der Casse die Einnahme, und schilt auf den armen Be- 
gleiter, der ihrem Kinde durch falsches Tempo oder zu starkes Spiel 
den Erfolg verderbe. Fragt man sie am Schlüsse, wohin sie sich 
jetzt wohl wende, so sagt sie wie Sivori's vortrefflicher Secretair 
Belloni : „Uebermorgen siud wir nach N. eingeladen, und nächsten 
Sonnabend spielen wir in P." 

2. Der Opernschüler (Cantor Futurus Linn.) ist eine 

. weitverbreitete Species, zumal in ihren zahllosen Durchschnittsexem- 
plaren. Es ist ein junger Mensch , der als Kaufmannslehrling in 
einer Grossatadt Gelegenheit hatte, die theatralische Kundschaft sei- 
nes Prinzipals hie und da zu bedienen und dafür manches Freibillet 
zu ergattern. Da erscheint ihm dann das Leben eines Künstlers 
bald als das eines Halbgottes; Abends einen schimmernden Bitter 
zu spielen, die schönste Donna zu umarmen, mit ihr donnernd her- 
vorgerufen zu werden, dann im Champagner zu schwimmen und 
Havannah zu rauchen etc., dazu fühlt auch er Beruf. In seiner 
Dachstube hat er einige Melodien, z. B. „Ach wie so trügerisch" u. 
dgl., zur Guitarre nachgesungen; er darf sie einem seiner theatra- 
lischen Gönner vortragen und vergisst vor Wonne darüber, sich von 
demselben die gebrachte Rechnung liquidiren zu lassen ; dafür bringt 
ihn jener an die Operuschule. Unser Held vertauscht den Ellen- 
stab mit der Notenrolle; er geht die Woche mehrmals zur Gesang' 
stunde, noch Öfter aber in das Caf6 neben dem Theater, wo in 
Mussestunden die Künstler aufzuliegen pflegen ; er promenirt in den 
Alleen, wo jene vor den Proben bummeln, bis der Dirigent hinauf- 
geht; Abends vor der Vorstellung steht er mit malerisch drapirtem 
Plaid im Foyer und mustert durch ein Pince-nez die Eintretenden. 
Natürlich lässt er sich bei Unpässlichkeiten nur mehr vom Theater- 
arzt behandeln. Mit mehreren Choristen ist er bereits auf Du, und 

. lässt sich von ihnen für etliche Brüllstellen, die er ihnen in der 
Kneipe aus seinen Partieen vorträgt, endlos beklatschen. Spricht 
er von den eigentlichen Solosängern, so setzt er ihren Namen weder 
„Herr" noch „Fräulein" bei, sondern erzählt z. B. nur: gestern rieth 
ich dem A. , oder rieth mir die B. u. s. w. , obschon er mit beiden 
vielleicht noch kein Wort gewechselt hat. Da er mehr als die 
wirkliche Intimität mit den Künstlern deren Schein beim Publikum 
anstrebt, so steht er bei Concerten gern an der Thüre des soge- 
nannten Musikzimmers, wo die Mitwirkenden aufbewahrt werden, 
und sucht auch durch sonores „Burrravo" und oft verfrühtes Klat- 
schen das Augenmerk auf sich zu lenken. Damit man ihn ja zur 
Künsterschaft rechne , hält er sich auch bei sonstigen öffentlichen 
Anlässen möglichst zu den Theaterleuten. Er ist für diese höchst 
brauchbar, um unverbürgte Nachrichten, z. B. von vortheilhaften 

. Offerten , baldigen Dienstjubiläen u. dgl. weiter zu verbreiten , und 
muss oft an der Fabrioation der sogenannten Öffentlichen Meinung 



mithelfen. Natürlich verachtet er jetzt schon alle Kritik, besonders 
die tadelnde , was ihn jedoch nicht hindert , mit bekannten Recen- 
senten sich für künftige Fälle auf guten Fuss zu stellen. Da er 
gehört hat, dass jedes Echauffement der Stimme schade, schreitet 
er stets langsam und würdevoll einher; dabei aber raucht er sehr 
viel, obschon ihm auch dieses als schädlich bezeichnet wurde. 
Selbstverständlich muss er bei Zeiten auch eine Liebe haben, und 
findet diese in der Tochter seines Hauswirtbs, welche er, zwar nicht 
mit den ihm obliegenden Stimmübungen, die ihm höchst unnöthig 
scheinen, wohl aber mit Fragmenten aus „Troubadour" und „Martha" 
im Nu erobert. Schon ist auch sie entschlossen, sich beim Ballet 
zu melden. — Da kommt das Schicksal in Gestalt des strengen 
Papa's; er kündigt unserm Freund die Wohnung und dieher zieht 
nun näher ans Theater und befreundet sich ausführlicher mit einer 
Dame von Fach. Wann wird er als Sänger debütiren? Das weiss 
Niemand; mittlerweile kommt die Militärzeit, und beim Kuhfuss 
vergehen Manchem die Theatergedanken gründlich, so dass er sich 
später glücklich preist, wieder in behaglichen bürgerlichen Verhält- 
nissen unterzukommen. 

(Schluss folgt.) 



CORRESPONDENZEN, 



Aus Frankfurt. 



Das siebente Museumsconcert brachte uns in der vierten 
Orchester-Suite von Franz Lachner (Es-dur, op. 129) eine höchst 
interessante Novität. Es wurde dieses Werk im vorigen Winter 
zuerst durch die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, welchen 
dasselbe gewidmet ist und vor Kurzem in einem der populären Con- 
certe des Hrn. Samuel in Brüssel aufgeführt und von der Kritik 
wie vom Publikum mit lebhaftem Interesse aufgenommen. Lachner 
hat auch in diesem Werke wieder einen Reichthum contrapunktischen 
Wissens , eine Gewandtheit in der thematischen Durchführung und 
in der Handhabung der Formen, sowie einen Glanz und eine Man- 
nigfaltigkeit in den instrumentalen Corabinationen entfaltet, wie dies 
wohl nur sehr wenige der jetzt lebenden Componisten in ähnlichem 
Maasse im Stande sein dürften. Dabei sind die Motive glücklich 
erfunden, nobel und ansprechend. Was die in Rede stehende Auf- 
führung betrifft , so wurden die beiden ersten Sätze , nämlich die 
markige , durch ihre schwunghaften Motive und eine prachtvoll ge- 
arbeitete Fuge sich auszeichnende Ouvertüre, sowie das uns 
mitten in die träumerischen, reizerfüllten Fantasien eines orienta- 
lischen Mährchens versetzende Andantino in jeder Beziehung mei- 
sterhaft durchgeführt. 

Auch der dritte Satz, Scherzo-Pastorale, fand im Ganzen eine 
gelungene Wiedergabe, bis auf eine kleine Störung während des 
Violoncell-Solo's , welche von einer Meinungsverschiedenheit unter 
den Geigern über irgend eine Reptise herzurühren schien, allein 
umsomehr liess das nun folgende Andante zu wünschen übrig. Ab- 
gesehen davon, dass dieses Stück, in welchem der Componist in 
Bezug auf kunstreiche und höchst mannigfaltige Variirung des 
Thema's fast zu viel gethan, und dadurch eine, wenigstens für den 
Nichtkenner, der die Feinheiten der Arbeit nicht zu verfolgen und 
zu würdigen versteht, zu lange Dauer dieser Nummer herbeigeführt 
hat, kann eine derartige Coroposition überhaupt nur dann richtig 
gewürdigt werden, wenn den Intentionen des Autors durch eine mit 
grösster Sorgfalt vorbereitete und mit tadelloser Vollkommenheit 
durchgeführte Executirung entgegengekommen wird. Dies war nun 
in Bezug auf das fragliche Andante hier leider nicht der Fall, 
sondern der Mangel an gründlichem Einstudiren machte sich durch 
Unklarheit des Vortrages im Allgemeinen, besonders aber durch- die 
äusserst unsichere und sogar unreine Ausführung des in diesem 
Stücke enthaltenen Solo's für Streichquartett recht auffallend be- 
merklich. Auen der Schlusssatz, Gigue, häj|| bei etwas markir- 
terem Vortrage noch mehr Wirkung erzielen müssen. Der Gesammt* 
eindruck des Werkes war trotz der angeführten Schwächen in der 
Ausführung ein sehr günstiger und wird sieb derselbe bei- einer 



- 7 — 



"künftigen Wiederholung durch grössere Sicherheit gewiss noch 
«teigern lassen. Die den Schluss des Concertes bildende Abencera* 
gen-Ouvertüre von Ch e r üb i n i wurde von dem trefflichen Orchester 
recht schwungvoll und feurig durchgeführt. 

Frl. Helene Hausen vom Hoftheater in Mannheim, eine 
hier stets gern gesehene Erscheinung fand bei dem Vortrag der 
Mozart'schen Sextus-Arie „Ach, nur einmal noch im Leben", und 
einiger Lieder von Schumann wieder Gelegenheit, den Reiz ihrer 
schönen, klangvollen und sympathischen Altstimme, sowie ihre ge- 
diegene und geschmackvolle Vortragsweise in vollstem Masse zur 
"Geltung zu bringen und die Zuhörer zu stürmischem Applaus hin* 
Tsureissen. 

Eine recht erfreuliche Erscheinung war die in diesen Concer- 
ten schon früher gehörte junge Pianistin Fräulein Sophie 
Menter aus M ü n ch e n und der lebhafte Beifall, welcher 
ihrem technisch fertigen, verständnissvollen und brillanten Vortrage 
des Weber'schen Concertstücks mit Orchesterbegleitung und der 
.„Tarantella" von Liszt folgte, sowie die wiederholten Hervorrufe, 
mit denen die eben so bescheidene als begabte junge Künstlerin 
beehrt wurde, mögen ihr beweisen, dass sie den Frankfurter Musik- 
freunden wieder ein aufrichtig willkommener Gast war. 



Aus Berlin. 



Den musikalischen Ereignissen nachgehend , welche Berlin 
in der halbverflossenen Wintersaison aufzuweisen hat, kann man 
sich im Ganzen des Eindruckes nicht erwehren , dass ihrer unter 
den mehr oder minder erfreulichen Vorkommnissen nur wenige p. 
Ct. sind. Arm waren diese Monate nicht, wie denn überhaupt, 
'quantitativ wenigstens, das Musikleben rege genug ist — wenn der 
Berliner nur nicht so stabil dem längst Gefeierten, und darunter 
-dem Verständlichsten anhinge , und , was schlimmer ist , wenn nur 
nicht so Wenige noch den Muth hätten , der des pekuniären Mär- 
tyrerthums allerdings hierorts nun schon fast gewiss ist, den leben- 
den Componisten auch an den künstlerisch hochgelegenen Stellen 
gerecht zu werden. Soweit ist es nun freilich hier ein für alle Mal, 
'dass Berlin seinen geliebten Sand durchaus nicht mehr zur Arena 
für den Streit der Musikrichtungen hergibt, und es wäre allenfalls 
■das grösste Unglück nicht, wenn man Diejenigen draussen lassen 
müsste, welche feindlich Allem, was sie in irgend einem Sinne 
„Bchon dagewesen" nennen , die Brücke hinter sich abgebrochen 
haben; aber es ist sogar eine retrograde Richtung Mode geworden, 
welche Literaturmusik macht, und einerseits die sammtlichen T ar- 
tin i und Martini etc. gar zu oft an's Gaslicht befördert, anderer- 
seits unbedeutende Compositionen bedeutender Meister aus dem 
Staube hervorsucht und mit ihnen eine Art Mumienschacher treibt, 
damit nur der Berliner, die lieben Namen auf dem Programm, 
lesend, sich gemüthlich zn Hause fühlte, im Voraus ersehend: 
wie es auch sei, das neue alte Stück, es ist classisch, basta, möge 
der Musiker über diesen Zug auch denken wie Gottschall einst 
-über Walesrode „eine Episode In der Literatur Nur." 

So war es ein charakteristisches Zeichen, dass von der König- 
lichen Capelle, gleichsam höchsten Ortes, die Saison am 26. Sep- 
tember in der ersten Sinfonie-Soiree mit einer solchen neuen Anti- 
quität oder, wie man will, alten Novität feierlich eröffnet wurde; 
man begann mit einer Ouvertüre, die Mendelssohn schon im 
Jabre 1826 componirt hatte ; er würde jetzt über das Stück lächeln. 
' Hätte man doch lieber statt dieses Gespenstes gleich jene Geister 
«einer liebenswürdigen Jugend beschworen , die Geist haben , mehr 
**als ihre englischen Urbilder, die Sommernachts-Traumgestalten, wie 
an der nämlichen Stelle am 7. December geschah. Von den Leben- 
den wurde nur Bargiel mit seiner Ouvertüre zu „Medea" bedacht, 
'Ton Neueren einmal Schumann mit der Manfred- Ouvertüre, wei- 
terhin stehen Spohjr. und Haydn je lmal, Mozart 2mal, Beet- 
hoven 5mal auf vier Programmen — von ihm waren es die Sin- 
fonien: Eroica, D-dur, B-dur, F-dur und die Coriolan-Oavertüre. 
Ob Beethoven, sähe er die Programme seit dem langen Bestehen 



des Unternehmens, nicht selber sagen würde, aber wozu denn 
immer Ich ? 

Unter die nämlichen Gesichtspunkte fällt es, dass Julius S t o ck- 
hausen in seinem Concert mit Clara Schumann für Buoncon- 
cini und Martini mit ihren wenn schon ganz hübschen Sachen 
auftrat, dass er weiter das salva venia langweilige kleine Lied von 
Beethoven über Götheu's herrliches „Wonne der Wehmuth", und 
aus dem alten Hausrath wieder „Neue Liebe, neues Leben" — bei- 
läufig dieses mit einer etwas effeclhaschenden Bapidität — sang, 
fast, als wolle er sein Programm ironisiren. Buineu, ja, die waren 
zu bemerken, neues Leben blühte aber nicht daraus. Hat denn 
Niemand, seit Schumann, der freilich auf das Programm gehörte, 
seit Mendelssohn, den wir ja nun Alle, Alle kenneu, gute Lieder 
mehr gemacht? Aber für l 1 /« Thlr. Entr&e mussten es drei Sprachen 
sein und balsamirte Namen. Frau Clara Schumann spielte ausser 
den sinfonischen Etüden, die leider für die vornehme Welt ihr an 
einer Stelle im Finale ,,zu lang" erschienen waren, auch nur all- 
jährlich Gehörtes — neu nicht, op. 81 von Beethoven auch nicht 
fehlerfrei. Schumann 1 s Lied des Troubadour, von Stockhausen un- 
vergleichlich schön vorgetragen, war das Erste und blieb das Beste 
des Abends. 

Um auf jener Spur weiter zu gehen , die sich leider verfolgen 
lässt, auch wo wir, wie bisher, sonst dem Besten und den Besten 
begegnen — es erschien uns fast wie eine Injurie auf die Gegen- 
wart, als Bernhard S ch o 1 z im dritten der von ihm dirigirten 
philharmonischen Concerte eine „Suite" von Händel an der Spitze 
des Programmes erscheinen Hess, über welche eine Anmerkung in 
kleinen Buchstaben eingestand , dass und wie die Suite als solche 
doch nicht so recht, doch nicht so ganz von Händel herrühre ; 
das Stück sei aus Stücken verschiedener Werke Häudels zusammen» 
gesetzt, instrumentirt, „retouchirt" u. dgl. Von Musik wegen war 
man, auch nach dieser Leetüre, nicht sehr touchirt — in einer Lehr- 
anstalt , wo auch Experimente interessireu , mag Solches ganz ver- 
dienstlich sein, im Concertsaal nicht, wo es sich so zu sagen um 
wirkliche warme Musik handelt. Gar zu gemühtlich war es auch, 
dass Joseph J o a ch i m im ersten , wegen der nöthigen captatio 
benevolentiae (judicastrorum) urconservativen Concert, dem S p o hr- 
sehen E-moll-Concert das Löwengewand seiner unvergleichlichen 
Darstellung lieh. Lassen wir indessen nun , was etwa noch weiter 
in dieser Richtung an gelegentlicher literarischer Bevormundung des 
Hörers, an allzugrosser Complaisance gegen die Neigungeu des 
Publikums auszusetzen wäre , und nehmen wir das viele Lobens- 
würdige in Betracht, was die B. Scholzischen Concerte bieten. Sie 
bilden durch Umfang und Glanz der Veranstaltung, durch den Buhm 
der Betheiligten und durch die Tüchtigkeit der Ausführung die vor- 
nehmste unter den Unternehmungen , die noch durch ihre Jugend 
etwas zu riskiren haben. Ihre besonderen Verdienste um Neues 
bestehen in der Aufführung der Maurerischen Trauermusik von 
Mozart, zum ersten Male hierselbst durch Hrn. Jul. Fuchs der 
Oeffentlichkeit (1866) wiedergegeben, eines Werkes von edelster 
Bedeutung, welches vorzuführen natürlich ebensowohl ein Verdienst 
ist, wie neues Neuere; auch diesem, den Lebenden, wurde vom 
dritten Concert an, bis zum fünften incl. ihr Becht, es erschienen 
von N. W. G a d e die reizvolle „Frühlingsbotschaft" für Chor und 
Orchester, in welcher nur einige Gewaltsamkeiten der Declamation 
unangenehm berühren, von B. Scholz „Gesang des Waldes" für 
Chor und Orchester, von Max Bruch die für Männerchor und Or- 
chester componirte „Frithjofssage", von C. Bei necke die „Ouver- 
türe zu „Dame Kobold", von Hrn. Dr. E. Frank, und durch ihn 
vorgetragen, ein Clavierconcert mit Orchester; es gewann einen 
wohlverdienten succes d'estime. Mitgewirkt haben ausser den be- 
reits Genannten Frau Clara S ch u m a n n in dem A-moll-Concert 
ihres verewigten Gemahles, — es war eine vollendete Leistung, 
Fräulein Franziska Friese mit einem Violinconcert von — Viotti, 
als Sängerin Fräulein Goetze aus Dresden, im Chor der Gesang- 
verein der von Th. K u 1 1 a k geleiteten Akademie der Tonkunst, 
für Gade, Scholz und die stylvolle Motette Jusanae et vanae curae 
von Haydn — er machte einen achtungswerthen Anfang in der 
Oeffentlichkeit — , endlich der Universitäts - Gesangverein unter B. 
Schmidt, für Bruch. Die Programme weisen weiter Bach (G-dur- 
Concert für Streichorchester und „Chaconne" für Joachims Geige) 
Beethoven (die F-dur-Sinfoni« Nr. VI1L) Schubert (C : dur 



— 8 - 



tMnfohie) Mendelsseoba (Ouvertüre au Ruy Blas), das Menü 
nicht gerechnet. — Das Unternehmen ist als consolidirt anzusehen 
und ihm im Interesse der Kunst der beste Fortfang zu wihisehen. 

Carl F n eh s. 
(Fortsetzung folgt.) 



• i s>» 



Mach richte 



BeriiB. Am 2. Jan aar feierte der k'önigl. Kammermusik™ C. 
Böhmer sein oüjäbriges Jubiläum als Mitglied der köaigl. Capelle. 
Zu Neujahr 1818 trat er als 19jährig<er Violinvirtuose in diese ein, 
seit 35 Jahren fungirt er als Vorgeiger bei der zweiten Violine und 
füllt noch immer mit aller Rüstigkeit seine Stellung ans. Die Mit- 
glieder hatten sich zur Jubelfeier im Concertsaale des Opernhauses 
versammelt, wo der General-Intendant von Hülsen und der Hof- 
eapellmeister Tau bert in entsprechenden Anreden die Verdienste 
des Jubilars hervorhoben und diesem von seinen Collegen ein gol- 
dener Lorbeerkranz und eine werth volle Pendule als Festgabe über- 
reicht wurden. Vom Könige erhielt der Jubilar, dem schon früher 
der Rothe Adlerorden verliehen worden ist, ein besonderes Ehren- 
geschenk. 

BrtlsStf. Das zweite Conservatoriums-Concert , welches am 
19. Januar stattfinden wird, hat folgendes interessante Programm: 
Ouvertüre zu „Romeo und Julie" von Steibelt; Sinfonie Nr. 1 
(Es-dur) von Fe*tis; Ouvertüre Op. 124 von Beethoven; „Ma- 
drigal* für 5 Stimmen ä capella von Orlando Lasso; Hr. 
Holmes wird das Mendelssohn'sche Violinconcert spielen und 
Frl. P 1 i s n i e r die Agathen-Arie aus dem „Freischütz" singen. 

— Die „Philharmonische Gesellschaft" eröffnete am 28. Decbr. 
ihre Wintersaison mit einem glänzenden Concerte , welchem der 
König und die Königin beiwohnten. Es wirkten in demselben mit 
der berühmte Harfenist Felix Godefroid, Mme. Marie Sass, 
erste Sängerin der grossen Oper in Paris und der treffliche Tenorist 
W a r n o 1 8 vom flämmischen Theater. Das Orchester der „popu- 
lären Concerte" spielte die Ouvertüre zu Mendelssohn'« „Heimkehr", 
die „Chaconne" mit Variationen aus der dritten Suite von Fr. Lachner 
und die „Oberon"-Ouvertüre. 

Rotterdam. Am 17. December fand das erste Concert der 
Maatschappy statt, in welchem die „Auferstehung" von G. A. Heinz e 
und die „Kreuzfahrer 11 von Niels Gade, beide Werke hier zum 
erten Male, und zwar das erstgenannte unter der Leitung des Com- 
ponisten , aufgeführt wurden und allgemeinen , lebhaftesten Beifall 
fanden. Die betreffenden Soli wurden gesungen von den Damen 
Offermans van Hove von hier und Frl. W a g n e r von 
Karlsruhe und von den HH. Ben nare vom hiesigen Theater und 
Carl Hill, welche sich zwar sämmtlich ihrer bezüglichen Aufgaben 
in lobenswertester Weise erledigten, allein es darf nicht verschwie- 
gen werden, dass Hr. Hill durch seinen meisterhaften, wahrhaft hin- 
reissenden Vortrag, besonders in der „Auferstehung" alle Andern in 
den Schatten stellte. Hrn. B a r g i e 1 , der das ganze Concert mit 
grösster Gewissenhaftigkeit vorbereitet hatte und die Aufführung der 
„Kreuzfahrer" mit gewohnter Umsicht und Energie dirigirte, gebührt 
die vollste Anerkennung, ebenso wie der trefflichen Haltung des 
Chors und Orchesters. 

Paris. Da die Erbauung neuer Theater an der Tagesordnung 
ist, so wird bald die Zeit kommen, wo man auch für Herstellung 
von Zuschauern wird sorgen müssen! Hr. von Sal amanca, ein 
unmenschlich reicher Particulier, soll die Absicht haben, auf dem 
Boulevard Haussmann eine neue Bühne speziell für das Genre der 
italienischen, dramatischen und Buffo-Oper zu errichten. 

— Die Primadonna der grossen Oper, Mme. Marie Sass ist 
für den Monat April am Theater de la Monnaie in Brüssel 
engagirt. 

— Das dritte Conservatoriums-Concert brachte: A-dur-Sin- 
fonie von Beethoven; Chor aus „Psyche" von A. Thomas; D-moll- 
Concert von Mozart, vorgetragen von Mme. Tardiens de Mat- 
mille; Arie aus „Stratonice" von Mehul, gesungen von Hrn. Warot; 
Marsch aus „Tannhäuser" von R. Wagner. 

— Das Programm des zehnten populären Concertes des Hrn. 



Pasdeloup war folgendes : Ouvertüre zu „Fidelio" (E-dur) von 
Btethoven; Sinfonie in Es-dur (Nr. 53) von Haydn; Violinconcert,. 
componirt und vorgetragen von Herrn Leonard ; Ouvertüre- 
,, Meeresstille" von Mendelssohn (zum 1. Male); „Einladung zum» 
Tanze" von Weber, instrumentirt von Berlioz. 

— A u b e r 's neue Oper „ Un jour de bonkeur" soll noch im 
Laufe dieses Monats in der komischen Oper zur Aufführung 
gelangen. 

London. Die drei historischen Concerte des Hrn. Ernst P au er- 
haben ein zahlreiches und auserwähltes Publikum angezogen, welches- 
sowohl durch die getroffene Auswahl aus den Werken einer grossen» 
Anzahl hervorragender'CIaviercomponisten verschiedener Jahrhunderte,, 
sowie durch die in jeder Beziehung vollendete Executirung eich in. 
hohem Grade befriedigt fühlte, so dass der Concertgeber sich zu 
einer zweiten Serie ähnlicher Concerte veianlasst finden dürfte, für 
welche ihm noch eine ganze Reihe in den gegebenen Concerten 
nicht vertretener Componisten zu Gebote stehen. 

Row-Tork. Die italienische Oper des Impresario Maretzek 
ist zu einem unerwarteten Schlüsse gekommen, indem der männliche 
Chor derselben gerade vor Anfang der zweiten Aufführung von« 
Gounods „Romeo und Julie" sich weigerte zu singen, wenn den 
Mitgliedern desselben nicht eine höhere Gage bewilligt würde.. 
Maretzek's Vergleichsvorschläge wurden nicht angenommen und so 
musste denn die Aufführung unterbleiben und das Theater wurde- 
geschlossen. 

%* In Brauns chweig haben die Vorlesungen des Hrn.. 
Prof. Ludwig N o h 1 einen so bedeutenden Beifall gefunden , das» 
derselbe sich zu einem zweiten Cyklus von Vorlesungen veranlasst 
sah, in welchem er die moderne Oper (Beethoven, Weber, Wagner) 
besprach. Das „Braunschweiger Tagblatt" enthält einen von Noht 
verfassten Artikel über Rieh. Wagner, seine Principien und deren 
Entwickelung, der'recht geistvoll, verständlich und mit vieler Wärme- 
geschrieben ist. 

*** Dionys P r u ck n e r , Hofpianist des Königs von Würtem- 
berg, spielte im zweiten Abonnementsconcert der königl. Capelle in 
Hannover das Es-dur-Concert von Beethoven , das Notturno in 
A-dur von Chopin und eine ungarische Rhapsodie von Liszt und 
fand eine ausserordentlich beifällige Aufnahme. 

*** Das Josephstädter-Theater in Wien ist für 91,000 fl. von 
einem Hrn. Perl gesteigert und sogleich an den bisherigen Directory 
Hrn. Ballmeyer, auf sechs Jahre verpachtet worden. 

*** Das Florentiner Quartett concertirt gegenwärtig 
mit groseem Beifall in Dresden. 

%* Rieh. Wagner's Oper: „Der fliegende Holländer" ist am 
Hofoperntheater in Wien nach längerer Pause wieder zur Auffüh- 
rung gekommen und mit grossem Beifall aufgenommen worden. Hr.. 
B e ck leistete in der That Ausserordentliches. 

*** Der Musikdirector Steffens in Potsdam hat vom» 
König von Preussen den Kronenorden erhalten. 

*** Fr. Lucca ist am 18. December zum ersten Male in 
Petersburg als Gretchen aufgetreten und zwar mit enormem 
Erfolge, indem sie nicht weniger als 22mal gerufen wurde. 

*** Am 11. d. M. findet in Berlin das erste Concert A. R u- 
binstein's im Saale der Singakademie statt. 

V* In Brüssel wurde Lortzing's „Undine" mit glän- 
zender Ausstattung aufgeführt und fand eine sehr beifällige Auf- 
nahme. 

*** Zum ersten Male ist in Spanien, und zwar in Barce- 
lona, ein „Musik-Almanach" von einem jungen Kritiker und 
Componisten, Namens L. F. Luis O b i o 1 s , herausgegeben worden,, 
welcher recht interessante historische und statistische Mittheilungen 
enthält. , 

V Gonnod'i „Romeo und Julie" hat in N e w - Y o r k wenig 

Glück gemacht. 

*** Im fünften Concert der russischen Musikgesellschaft in P e t e r s- 
burg kamen unter der Leitung des Hrn. Berlioz folgende Werke 
zur Aufführung: Leonoren-Ouvertüre von Beethoven; Chöre rfus 
„Tphigenie in Tauris" von Gluck und „Episode aus dem Leben eines 
Künstlers" fantastische Sinfonie (Nr. 1, C-dur) in fünf Abtheilungen, 
von H. Berlioz. 



Yerantw. Red. Ed. Fächer er. Druck r. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



Jl* 3. 



20. Januar 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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INHALT: Beethoven's Leben. — Corresp. : Leipzig. Berlin. Coburg. — Kachrichten. 



Beetlioven's lieben. 

Von Ludwig Nobl. (Leipzig, bei Ernst Jul. Günther). 



(Schi us s. ) 

Im Beginne des zwölften Capitels („Die Reise nach Teplitz") 
schildert Nohl den Anfang der Verbreitung des Ruhmes, den Beet- 
hoven bisher in Deutschland sich errungen hatte, über England, 
Frankreich und Italien, wo nach und nach sein Genius sich Eingang 
erzwang. Beethoven wird der Gegenstand der verehrungsvollen 
Aufmerksamkeit aller nach Wien kommenden Musikfreunde, was 
ihm freilich mitunter lästig genug war. Sein leidender Zu- 
stand veranlasst den Meister zu dem ihm dringend empfohlenen 
Besuche des Bades Teplitz, wohin er denn auch nach vielen Präli- 
minarien endlich abreist, unterwegs in Linz seinen Bruder und in 
Prag seinen hohen Gönner Fürst von Kinski besucht. In Teplitz 
macht er die Bekanntschaft Gothe's und verkehrt viel mit Tiedge 
und Frau von der Recke. Nohl ergeht sich ausführlich über die 
Stellung Beethoven's zu Göthe, über das geistige Verhältniss der 
beiden grossen Männer etc. Beethoven macht Ausflüge nach Fran- 
zensbrunn u. Carlsbad undgibt an letztgenanntem Orte eine Akademie 
mit dem Turiner Capellmeister Polledro für das abgebrannte 
Baden. Auch an einem zarten Verhältnisse mit einem weiblichen 
Wesen fehlte es nicht in Teplitz, worüber wir in Nohl's Buch 
Ausführlicheres finden. Im October desselben Jahres (1812) nach 
Linz zurückgekehrt, vollendet Beethoven dort seine achte Sinfonie* 
Mit Betrachtungen über die veränderte Richtung von Beethoven's 
Geist in damaliger Zeit schliesst der Verfasser dieses Capitel. 

Das dreizehnte Capitel (mit der Ueberschrift : „Das Con- 
cert im Universitätssaale") beginnt mit bedeutender Geldnoth un- 
seres Meisters, dessen Einkünfte durch den Tod des Fürsten Kinski's 
verkümmert wurden, während die Unterstützungen für Beethoven's 
kranken Bruder bedeutende Ausgaben veranlassten. So wird denn 
Alles aufgeboten, um Geld herbeizuschaffen. Hauptsächlich zu 
diesem Zwecke will Beethoven auch eine grosse Akademie veran- 
stalten, hat sich aber durch Schwierigkeiten aller Art hindurchzu- 
arbeiten, was wieder sehr schlimm auf seinen Gemüthszustand wirkt, 
so dass er zur Erholung nach Baden geschickt wird; doch muss 
er bald wieder nach Wien zurück und die Geldnoth wird immer 
dringender. Die lange projectirte Akademie kommt endlich durch 
die aufopfernden Bemühungen seiner Freunde zu Stande und findet 
jm Universitätssaal am 8. und 12. Dec. 1813 statt, bei* welcher 
Beethoven u. A. seine Schlachtsinfonie zum ersten Male aufführte. Was 
»von .hervorragenden Musikern sich damals in Wien aufhielt, wirkte 
bei diesen Concerten im Orchester mit (Meyerbeer, Spohr, Salini, 
Romberg, Moscheies etc.) und es ist uns der Danksagungsbrief auf- 
bewahrt, den Beethoven an alle ihn bei diesem Unternehmen Un- 
terstützenden gerichtet hat. 

Der Erfolg dieser Akademien war besonders darum wichtig, 
weil dieselben die hohe Bedeutung des Meisters und seiner 
Werke dem grossen Publikum zur Anschauung brachten . und 



ein erhöhtes Interesse für dieselben wach riefen. Nohl hält 
hier noch einmal Revue Über die bedeutendsten Werke Beet- 
hoven's , womit dieses Capitel seinen Abschluss findet und es 
folgt nun das vierzehnte und letzte Capitel dieses Bandes, 
mit der Ueberschrift : „Der Wiener Congress", welches sich im 
Anfange mit einer von der „Gesellschaft der Musikfreunde" in Wien 
an Beethoven ergangenen Bestellung eines Oratoriums, mit den nun 
zu Beethoven's Vortheil stattgefundenen Wiederholungen jener 
grossen und einträglichen Concerte und zwar im grossen Redouten- 
saale beschäftigt, in welchen auch die „Schlacht bei Vittoria" 
wieder aufgeführt wurde, die nun natürlich Jedermann hören wollte, 
so dass der Zudrang ein ausserordentlicher war und die zur Auf- 
führung gelangten Werke einen bis dahin unerhörten Beifallsjubel 
hervorriefen; ferner handelt dieses Capitel von der Wiederholung 
des „Fidelio" zu Beethoven's Benefiz, welcher in der letzten Zeit noch 
viele weitere Aufführungen dieser Oper nachfolgten, sowie mit einer 
Beurtheilung derselben, ferner von Beethoven's Händeln mitMälzel 
wegen der Schlachtsinfonie, und mit der Familie des Fürsten Kinski 
wegen Ausbezahlung seines Jahrgehaltes und endlich mit den Er- 
eignissen des Wiener Congresses. Da fand nun am 29. 
Nov. 1814 eine Akademie im grossen Redoutensaale statt, in wel- 
cher die A-dur-Sinfonie, die Gelegenheitscantate „der glorreiche 
Augenblick" und die „Schlacht bei Vittoria" zur Aufführung kamen ; 
von dieser Akademie fanden noch zwei Wiederholungen statt. Er- 
hebend ist die Schilderung der ersten Akademie, bei welcher Beet- 
hoven's Genius vor einem „Parterre von Königen" und vor dem 
gebildeten Europa sich entfalten durfte, und deren Nachwirkungen 
auf Beethoven's geselliges und conventionelles Leben und Treiben 
von grossem Einfluss waren , so dass der Meister ,,auf des Dasein's 
höchsten Höhen" wandelte. Auch der Kinski'sche Streit nimmt ein 
für Beethoven's Finanzen erspriessliches Ende und eine Ausgleichung 
mit dem längere Zeit entfremdeten Fürsten Lobkowirz findet statt 
und so schliesst denn dieses Capitel und mit demselben der II. 
Band von Beethoven's Biographie wohl mit einem der glücklichsten 
Zeitabschnitte in dem Leben des grossen Meisters. 

Dem von uns hier gegebenen Umrisse des Inhaltes dieses zweiten 
Bandes fügen wir nun noch bei, dass wir von demselben in mancher 
Beziehung weit mehr befriedigt sind, als von dem im Jahre 1864 
erschienenen ersten Bande. (Siehe XIII. Jahrgang d. Bl. , Seite 
182). Der Verfasser hat sich wohl Zeit gegönnt zur Vollendung 
dieses Bandes, aber er hat seine Zeit auch gut angewendet und 
sowie er überall ein eifriges, gewissenhaftes und umsichtiges For- 
schen beurkundet, so zeigt er sich auch vou der Schwierigkeit und 
dem Umfange seiner Aufgabe durchdrungen , und lässt nichts, unbe- 
rührt, was zum Verständnisse des geistigen, sowie des äusseren 
Lebens Beethoven's dienen kann, und wenn auch vielleicht manche 
auf dessen Werke bezügliche Betrachtungen füglich dem speziell 
dafür bestimmten IV. Bande hätten überlassen bleiben können , so 
finden wir in diesem Bande doch nicht mehr jene mitunter ganz 
aus dem Bereiche des eigentlichen Gegenstandes fuhrende Weit- 
schweifigkeit, welche uns im ersten Bande so störend war. Von 



- 10 - 



grossem Werthe und reichem Iahalte sind die dem Haupttexte die- 
ses Bandes nachfolgenden Notizen, welche 316 an der Zahl und 93 
engbedruckte Seiten füllend, eine Menge von interessanten Erläu- 
terungen, Briefen, Anecdoten und zahlreichen Quellenangaben etc. 
enthalten. Wir glauben daher dem ganzen Werke, insofern die 
folgenden Bände dem vorliegenden «weiten entsprechen und nickt 
gar zu lange auf ihr Erscheinen warten lassen werden, eine freund- 
liche Aufnahme von Seiten der Verehrer Beethoven's in Aussicht 
stellen zu dürfen, die wir dem verdienstvollen Verfasser auch von 
Herzen gönnen. E. F. 

■ j > o» — 

Moritz Hauptmann f. 

Einen grossen Verlust erlitt die Musikwelt durch den am 4. Jau. 
ohne vorhergegangene Krankheit ganz unerwartet erfolgten Tod des 
Dr. Moritz Hauptmann, Cantor an der Thomasschule und 
Lehrer des Contrapunktes und der Fuge am Conservatorium in 
Leipzig. Der Verewigte war am 13. October 1792 in Dresden 
geboren und wurde von seinem Vater, welcher Oberlandbaumeister 
war, anfangs zur Carriere eines Archifcecten bestimmt; er betrieb 
auch die hierauf bezüglichen Studien, ebenso aber daneben mit 
besonderer Vorliebe Musik, bis er endlich in seinem 18. Jahre nach 
Gotha zog, um mit Bewilligung seines Vaters sich bei dem dortigen 
Concertmeister C. Spohr im Violinspiel auszubilden. Im Jahre 
1812 wurde er in der Hofcapelle zu Dresden angestellt, folgte 
aber bald seinem Lehrer Spohr nach Wien, wo dieser eine Ca- 
pellmeisterstelle erhalten hatte. 1815 ging Hauptmann mit dem 
Fürsten Eepuiu nach Russland, wo er fünf Jahre lang, in eifrige, 
wissenschaftliche uud musikalische Studien versenkt, zubrachte. 
1820 nach Dresden zurückgekehrt, zog er nach zweijährigem Auf- 
enthalte daselbst nach Cassel, wo ihm sein Freund Spohr eine 
Stelle in der unter seiner Leitung stehenden Capelle verschafft hatte. 
Nach lOjähriger Thätigkeit daselbst übersiedelte Hauptmann 1842 
nach Leipzig, wohin er als Cantor der Thomasschule berufen 
worden war und übernahm im darauffolgenden Jahre auch die Stelle 
eines Lehrers des Contrapunktes an dem ueubegründeten Conser- 
vatorium. Als Künstler wie als Mensch von Allen, die ihn kannten, 
geliebt und hochgeachtet, sah der treffliche Meister seine Aussaat 
selbst noch herrlich erblühen und Früchte tragen, und seine Ver- 
dienste als Virtuose, Lehrer, Componist und Theoretiker fanden in 
der Anerkennung der ganzen Musikwelt, in dem Danke seiner zahl- 
reichen Schüler, in der aufrichtigen Liebe und Verehrung seiner 
Freuude uud Kunstgenossen, sowie in den vielfachen Auszeichnun- 
gen, welche ihm durch Ehrendiplome vieler Gesellschaften und 
durch Ordensverleihungen von Seiten mehrerer deutschen Fürsten 
zu Theil wurden, ihre entsprechende Würdigung. Sein Andenken wird 
«in höchst ehrenvolles und unvergängliches und sein Name unauflöslich 
verknüpft bleiben mit deutscher Kunst und deutscher Bie* 
derkeit. 



> « iO<0»» 



CORÄBSPONDBNXBN. 



Aus Berlin. 



(Fortsetzung.)' 
Zu dem Berliner Musik - Apparat längeren Bestandes über« 
gehend, erwähne iefc die Singakademie, von deren stets dem 
Alten, Aeiteren und Weitesten gewidmeten Aufführungen mir indessen 
Htcbta weiteres bekannt geworden ist , als dass ihrer wieder- statt* 
gefunden haben, den Gu*ta v- Ad o l p b - Ve r e i n , der ohne 
sich besonders um den Fortschritt zu, kümmern, seine Concerte 
gleichwohl des ntusikfremd«a Zweckes anerachtet , immer auf einer 
anständigen Höhe- erftälti den Uomchor, welcher in einem eige- 
ne» Cbncert an „profaner* Stelle* ein unendlich langes Singepro» 
gramm von fast lauter vorattglichaiCen Sachen ausführte, vorzüglich, 
wia immer; d>n T o n k ü n s 1 1 e r - Fe r e i n , der in letzterer Zeit 



einen regeren Aufschwung und bessere Verfassung gewonnen hat 
und fleissig pro domo und an hohen Tagen in weiterem Horizonte 
musicirt, und um das Beste zuletzt zu nennen, die Aufführungen 
des Stern' sehen Gesangvereins. Dieser feierte am 13. 
December a. p. sein 20jähriges Bestehen, wie er es nicht würdiger 
hätte thun können, durch erneuerte Aufführung der ihm dedicirteu 
Messe von Friedrich Kiel. Dieselbe wurde eingeleitet durch 
die von W. Bast instrumentirte Fantasie aus G-moll für Orgel 
von Bach — das gab eine Vorbereitung von angenehmer Noblesse. 
In Bezug auf Kiel's Werk beschränke ich mich auf die Wieder- 
gabe meiues persönlichen Erlebnisses, dass ich, dessen atheologische 
Ueberzeugungen bis zu jener Stelle fast überall mit dem musika- 
lischen Eindruck im Streit lagen, bei dem Einsatz des Et incarnatus 
est de Maria virgine und fast noch mehr bei dem überschwänglich 
ergreifenden, stilledlen et passus etiam pro nobis et sepultus est 
der Wahrheit, mit welcher an der einen Stelle die Innigkeit der 
Hingabe an ein holdes Mysterium, an der andern das Leiden als in 
tiefster Reue mitempfunden ausgedrückt ist, keinen Augenblick wi- 
derstehen konnte. Ich erkläre mir dies daraus, dass der Darsteller 
des in irgend einem Sinne Heiligen, will er es herzergreifend vor 
unser Auge oder Ohr bringen, demselben einen menschlich wahren 
Ausdruek geben muss, der im Grunde ganz unabhängig von der 
dogmatischen Specialität der begleitenden Vorstelluug ist. Dies 
wird um so leichter — hohe Begabung vorausgesetzt — je tiefsin- 
niger jene Vorstellung war, je näher sie ihres dogmatisch geprägten 
Ausdrucks ungeachtet, der reinen Offenbarung eines der Welt- oder 
Menscbheitsgebeimnisse gekommen war. So wird das Leiden, so 
ausgedrückt, wie in jenem passus et sepultusjest gleichsam trans- 
parent; hörend sehe ich es deutlicher den Kern des Trostes in sich 
tragen, das es die Schuld sühut, weil es den Willen bricht, welches 
auch ohne die besondere christliche Vorstellungsart ein in jeder 
Menschenbrust verborgenes Mysterium ist; jene hat nur in diesem 
Falle darauf geleitet. Dieses Mitgehen des Gemüths mit dem künst- 
lerischen Eindruck würde natürlich durch jeden Makel in der Aus- 
führung desselben gestört werden und so gereicht es der Stern'schen 
Direction zum höchsten Lobe, dass sie ganz auf der Höhe des 
Werkes stand ; es war ein Musik-Abend von acht idealem Werthe. 
Es verdient im Anschluss an das bisher Bertchtete noch notirt 
zu werden, dass der Preis der Meyerb eer-Stiftung 1867 
von Wilhelm Claussen aus S ch w e r i n davongetragen wurde, 
für die Composition einer Ouvertüre, einer Cantate über „Jephtha's 
Tochter" von Grube und einer achtstimmigen Doppelfuge. Einer 
der grossen Todten , anf welche die Berliner Concertgeber ihre 
Dankbarkeit beschränken sollten, hat dem Werdenden Gunst ge- 
spendet, schade, dass er nicht auch eine officielle Aufführung der 
gekrönten Werke verfügt hatte, denn keiner der einflussreichen 
Männer, welche die Präfungs-Commission bildeten, hat sich dafür 
verwendet. Wie uud soweit Referent seinen Freund kennt, ist W. 
Claussen eine sowohl für das Erhabepe wie für das Zarte gleich - 
massig begabte produetive Natur, von angeboren feinem.Geschmack 
und klarem Urtheil geleitet, vom eähesten Fleisse, und einer äusser- 
lioh stets nobel verhaltenen, aber innen bis in die letzte Fiber 
waltenden Begeisterung beseelt, Eigenschaften, welche ihm eine 
ruhmreiche Zukunft sichern. Carl Fuchs. 

(S c h 1 u s s f o 1 gt .) 



i M t » 



SL u s Leipzig« 

1. Januar llfiS. 

Der Monat December lieferte in seinem Beginn eine reiche mu- 
sikalische Ausbeute; Concert drängte sich auf Concert, es war, als 
wenn auf einmal Alles, was Odem und Finger hat, blasen, singen 
und spielen wollte, und mancher musikalische Berichterstatter mochte 
wohl im Stillen seufzen: „Heilige Cäcilia, halt ein mit Deinem 

Segen!" 

Sonntag den 1 1. December gab das Florentiner Strei cb> 
q u a r t e 1 1 eine Soiree im Gewandhaussaale. Es ist über die Hfl. 
Jean B ecker, Masi, Chiostri und Hilpert schon so viel 
geschrieben worden, ihre Leistungen, die* was Zusammenspiel, Auf- 
fassung und Klangwirkung anlangt, als unübertroffen dastehen, sind 



11 - 



so allseitig anerkannt, dass da nichts weiteres zu bemerken ist, als 
dass sie durch den Vortrag dreier Quartette: op. 161. in G-dur von 
F. Schubert, Nr. 6 in G von Mozart und op. 130 in B von Beet- 
hoven verdienten reichsten Beifall erndteten. 

Montag: den 2. December : Concert des Hrn. Moritz N a b i eh. 
Vor längerer Zeit als einer der ersten Posaunen-Virtuosen berühmt 
und gefeiert, wusste derselbe an diese für ihn so schöne Zeit durch 
den Vortrag eines David'schen Concertinos und zweier für die Po- 
saune gesetzten Lieder von Mendelssohn und Marschner zu erinnern. 
Als besonders dankenswerth erwies sich in diesem Concerte die 
Mitwirkung des Hrn. Gapellmeister Bei necke und Concertmeister 
David. 

Dienstag den 3. December : Viertes Concert des Musikver- 
eins „Euterpe". Wohl zur Erinnerung an Mozart's Todestag, 5. 
December 1791 , hatte man zur Eröffnung dieses Concertes dessen 
Maurerische Trauermusik gewählt. Der erhabenen Würde und edlen 
Einfachheit des Stückes wollte die etwas zu derbe Behandlung von 
Seiten der noch dazu sich nicht in gehöriger Stimmung befindenden 
Blasinstrumente nicht recht entsprechen. Es folgte hierauf eine 
Concert-Arie für Sopran mit obligater Violine von Mozart, vorge- 
tragen von Frl. Clara Priwe aus Frankfurt a. O. Die junge Dame 
trat damit, wie wir hören, zum ersten Mal vor die Oeffentlichkeit, 
jedenfalls zu früh ; die Ausbildung ihrer an und für sich nicht üblen 
Stimme erwies sich nach keiner Richtung als fertig und für den 
Vortrag eines solchen Stückes geeignet. Recht gut wusste sich 
dagegen Hr. Concertmeister Heckmann mit seinem Violinpart ab- 
zufinden. Von zwei Liedern, die Frl. Priwe noch vortrug; „Im 
Freien von F. Schubert und „Intermezzo" von R. Schumann fand 
das Erstere mehr Beifall. — Als bereits rühmlichst anerkannter 
Violoncell- Virtuose führte sich Hr. Julius Goltermann, Königl. 
Hofconcertmeister aus Stuttgart, durch den Vortrag eines Con- 
eertes von B. Molique — Adagio und erster Satz — auf das 
Vorteilhafteste ein. Sein edler, voller Ton , wie seine bedeutende 
Fertigkeit erwarben ihm reichsten Beifall, der auch seinen weiteren 
Vorträgen -*— Solostück (ueu, Manuscript) von Jos. Hub er, desseu 
Bekanntschaft wir ihm gern erlassen hätten, und Arie von Pergo- 
leso — folgte. Nur die allzuhäufige Anwendung des Tremolirens 
will uns durchaus nicht behagen; wir pflegen diese über Hand neh- 
mende Unsitte aufs schärfste bei Sängern und Sängerinnen zu 
rügen, sie bleibt dieselbe auch den Streichinstrumentalisten gegen- 
über. — Eine den Kräften nach recht gute und sorgfältige Aus- 
führung fanden die beiden Orchesterwerke: Sinfonie (Nr. 1, C-dur) 
von S. Jadassohn, dem Dirigenten des Vereins und Ouvertüre 
au Calderons „Dame Kobold" von C. Rein ecke. ** 

Mittwoch den 4. December: Concert der Frl. Constanze Skiwa 
aus Wien im Saale des Conservatoriums. Die Vorträge der jungen 
Künstlerin, Quartett von W. Schumann, op. 44, Pastoral-Sonate 
von Beethoven, op. 28, der E-dur-Variationen von Händel und 
mehrere andere Solostücke von Bach, Rubinstein, Liszt und 
Wieniawsky wurden mit lebhaftem Beifall aufgenommen; ein 
gleicher wurde den Liedervorträgen der Frl. Clara Schmidt zu 
Theil, die Zeugniss einer trefflichen Schule ablegten. 

Donnerstag den 5. December: Achtes Abonnements - Concert 
im Saale des Gewandhauses. Das Andenken an Mozarts Todestag 
Zu ehren, füllten den ersten Theil des Concertes nur Werke des 
unsterblichen Meisters aus. Weit über ein halbes Jahrhundert ist 
seit seinem Dahinscheiden verflossen und noch üben seine Töne den 
gleichen allgewaltigen Zauber aus, wie zur Zeit ihres Entstehens, 
und werden ihn üben, wenn Viele der Gegenwärtigen und Zukünf- 
tigen der Vergessenheit anheimgefallen sind. Dafür legten seine 
Sinfonie in G-moll und seine Zauberflöten-OiiveWüre Zeugniss ab, 
welche beide Werke vom Orchester mit liebevoller Pietät zu herz- 
lichster Geltung gebracht wurden. Ein hier zum ersten Male zu 
Gehör gebrachtes Concertone für 2 Principal - Viofiöferi , Oboe, 2 
Violen, Violoncell Solo und Orchester lässt zwar in Vielen feinen 
und sinnigen Details seinen Ursprung nicht verkennen, steht aber 
nicht auf der Höhe jener unsterblichen Werke, so viel Mühe man 
auch auf die Ausführung verwendete , man vermochte damit nicht 
eine gewisse, namentlich durch den letzten Satz hervorgerufene 
Ermüdung zu verscheuchen. Zwischen diesen Instrumental- Werken 
aang Frau von Lichtmay, Königlicher Hofopernsängerin aus 
Wiesbaden, die Rache -Arie aus Don Juan, mit Hinweglassung 



der dazwischen eingestreuten Recitative des Ottavio, was auf uns, 
nebenbei gesagt, mindestens einen sehr störenden Eindruck machte. 
In Folge der Aufführuug der Reinecke'schen Oper „Manfred" in 
Wiesbaden war der Dame ein sehr guter Ruf vorausgegangen, den 
ihr erstes Auftreten jedoch nicht rechtfertigte. Es lässt sich zwar 
nicht in Abrede stellen, dass sie die Arie mit einer gewissen Verve, 
einem theatralischen Aplomb sang, der von den Brettern herab seine 
Wirkung auf ein derartige Effecte liebendes Publikum nicht ver- 
fehlen wird; im Concertsaale konnte dies jedoch nicht für die all- 
zugrell hervortretenden Mängel entschädigen. Zu diesen rechnen 
wir ein fortwährendes Tremoliren, uncorrecte Textaussprache, un- 
ausgebildete Verbindung der Töne und eine sich auf der Höhe der 
Aufgabe nicht entfernt bewegende Auffassung. Dass das Publikum 
unsere Ansicht theilte, bewies der dem Vortrag nur spärlich ge- 
spendete Beifall. Mit besserem Erfolge wusste sich die Dame im 
zweiten Theil mit einer Arie aus der Oper „König Manfred" von 
Reinecke abzufinden; diese entsprach mehr ihrem Naturell und 
ihren Fähigkeiten, wie ihrem Auffassungsvermögen. Aus derselben 
Oper leitete ein Entr'act den zweiten Theil des Concertes ein , der 
dem Componisten wiederholten Hervorruf brachte: Beide Nummern 
waren übrigens ganz geeignet, das günstige Urtheil des Wiesba- 
dener Publikums als gerechtfertigt erscheinen zu lassen und uns 
auf die Aufführung der Oper begierig zu machen, die dem Verneh- 
men nach für das neue Theater vorbereitet wird. — Was die fn- 
strumental-Vorträge anlangt, so wusste Herr L. Bennat, Königl. 
Bair. Hofmusiker aus München, ein veraltetes, ziemlich langweiliges 
Coucert-Allegro (H-moll) für das Violoncell von B. Romberg 
durch seinen Vortrag um nichts interessanter zu machen; der eines 
Larghetto von Mozart , das weniger Ansprüche auf Fertigkeit , wie 
auf einen schönen, edlen Ton macht, verschaffte ihm Beifall und 
Hervorruf, der in letzterer Zeit auch in den Räumen des Gewand- 
haussaales gang und gebe wird. Das Concert wurde mit der Beet- 
hoven'schen „Coriolan 8 -Ouvertüre geschlossen; sie fand eine vor- 
treffliche Wiedergabe. 



Aus Coburg. 



Die vorjährige Theatersaison war eine sehr bewegte, sie brachte 
ca. 90 Schau- und Lustspiele, sowie 35 Opern und 15 Singbpiele, 
worunter als Novitäten „Lohengrin" „Romeo und Julie" von Gou- 
nod, „die St. Johannisnacht*, komische Oper von unserem vor- 
trefflichen Basssänger Hrn. A. Eilers, und Off enbach's „Blaubart" 
dem Publikum vorgeführt wurden. 

„Lohengrin", welcher mit bekannter Meisterschaft von unserem 
genialen Hofcapellmeister L a m p e r t vortrefflich einstudirt und 
sceuirt war, bot zugleich noch durch die neuen Costüme und Dd- 
eorationen den Glanzpunkt der Saison. Die Titelrolle befand sich 
in den Händen eines jungen , talentvollen Mannes , Hrn. Hohl- 
dampf und gab sich derselbe die grösste Mühe, der vorzüglichen 
Leistung des Frl. B po h r (Elsa) würdig zur Seite zu stehen. Die 
übrigen Soli und die Chöre waren gut und das Orchester gab durch 
seine bekannte Tüchtigkeit dem Ganzen die Weihe. Die 3 malige 
Aufführung erfuhr eine immerwährende Steigerung des Beifalls. 

„Die St. Johannisnacht , komische Oper in drei Acten von 
A. Eilers, bietet musikalisch sehr viel Schönes und die Handlung 
so viel natürlich Komisches, dass dieselbe allen Theatern- mit Recht 
aufs Wärmste empfohlen zu werden verdient. 

Ferner ist noch einer zweimaligen Aufführung der Haydn*- 
schen „Schöpfung* von Seiten der hiesigen Singakademie zu ge- 
denken und verdient besonders Hr. W. Prant, Director des hie- 
sigen Conservatoriums für Gesang, welcher beide Aufführungen 
leitete, besonderen Dank für den erhebenden Genus», welchen er 
uns durch dieselben bereitete. 

Am 2» Januar fand die Uebersiedelung des Theaters nach. 
Gotha statt 



- 12 — 



Nachrichten. 



NaiDZ. Am Freitag den 10. d. M. fand im Stadttheater ein 
ursprünglich von dem Offiziercorps der k. preussischen Besatzung 
in deren Casinosaale zu geben beabsichtigtes Concert zum Besten 
der Nothleidenden in Ostpreussen statt. Die Kachfrage nach Ein- 
trittskarten hatte jedoch solche Dimensionen angenommen, dass man 
sich entschloss, das Concert im Theater zu geben, zu welchem der 
Director, Hr. Behr, das Haus, der Inhaber der Gasfabrik die Be- 
leuchtung und ein Mainzer Bürger die Beheizung gratis hergaben, 
sowie denn überhaupt der Wohlthätigkeitssinn der Mainzer sich 
wieder glänzend bewährte und das in Rede stehende Concert einen 
Eeiaertrag von mehr als 800 fl. lieferte. Das Orchester bestand 
aus der Elite der hiesigen preussischen Militärmusiken und ausser- 
dem hatteu Fr. Betty Schott, die als vortreffliche Pianistin auch 
in weiteren Kreisen bekannte Gattin unseres Bürgermeisters, nebst 
den Damen Fr. Bertram-Mayer und Frl. Winkler und dem 
Schauspieler Raberg vom Stadttheater ihre schönen Talente zur 
Verfügung gestellt, sowie es auch an einem wohlgeübten Chor von 
Herren und Damen nicht fehlte. Herr Oberstlieutenant v. Einem 
dirigirte das Orchester und aecompagnirte am Claviere und sämmt- 
liehe Leistungen wurden von dem äusserst zahlreichen Publikum 
mit verdientem reichlichen Beifall belohnt. 

Frankfurt a. M. Am 7. d. M. starb dahier nach längerem Lei- 
den Hr. Dr. Carl von G u a i t a im Alter von 58 Jahren. Der Ver- 
blichene hatte seinem Berufe als Advokat schon seit mehreren Jah- 
ren entsagt und sich als Präsident des engeren Ausschusses der 
Theateractionäre ausschliesslich der Leitung des Frankfurter Stadt- 
theaters gewidmet. 

Was man auch über seine häufig rüden and abstossenden Ma- 
nieren mit Recht einzuwenden haben mochte , seiner Thätigkeit als 
Bühnenvorstand wird man Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen, 
denn dass er als solcher Umsicht , Energie in künstlerischer wie in 
administrativer Beziehung in hohem Grade besass und entfaltete, 
dafür sprechen einmal die blühenden artistischen und finanziellen 
Verhältnisse unserer Bühne und ausser dem Urtheile aller Unbe- 
fangenen auch das des ihm untergebenen Personals, welches ihn 
als einen strengen und rücksichtslosen , aber auch gerechten und 
practischen Vorgesetzten anerkannte und achtete. 

Stuttgart. Das unter dem Protectorat Sr. Maj. des Königs 
stehende Conservatorium für Musik hat im vergangenen Herbst, 
gegenüber einem Abgang von 57 Zöglingen, 118 neu aufgenommen, 
darunter 32, welche sich der Musik berufsmässig widmen. Der Hei- 
math nach kommen von den neueingetretenen Zöglingen 59 auf 
Stuttgart, 12 auf das übrige Würtemberg, 6 auf Baden, 1 auf 
Bayern, 4 auf Preussen , 1 auf Hamburg, 1 auf Oesterreich, 7 auf 
die Schweiz, 1 auf die Niederlande, 13 auf Grossbritannien, 8 auf 
Russland, 5 auf Nordamerika. Die Anstalt, welche zu Anfang des 
Wintersemesters 1866/67 338 , zu Ende desselben 347 Zöglinge 
hatte, zählte deren nun im ersten Winterquartal 1867/68 370, und 
zwar 103 Schüler und 267 Schülerinnen — eine bisher noch nie 
erreichte Anzahl. Unter diesen Zöglingen sind 227 aus Stuttgart; 
35 aus dem übrigen Würtemberg , 15 aus Baden , 9 aus Bayern , 4 
aus Hessen, 6 aus Preussen, 3 aus den sächsischen Fürstenthümern, 
1 aus Hamburg, 4 aus Oesterreich, 20 aus der Schweiz, 2 aus den 
Niederlanden, 18 aus Grossbritannien, 13 aus Russland, 11 aus Nord- 
amerika, 2 aus Mittel- und Südamerika. Von der Gesammtzahl der 
Zöglinge widmen sich 106 (37 Schüler und 69 Schülerinnen) der 
Musik beruf massig, nämlich 41 Würtemberger (23 aus Stuttgart) und 
65 Ausländer, und zwar 15 aus Baden, 6 aus Bayern, 4 aus Hessen 
4 aus Preussen, 2 aus Sachsen-Weimar, 1 aus Hamburg, 1 aus 
Oesterreich, 15 aus der Schweiz, 7 - aus Grossbrittannien, 5 aus 
Russland, 3 aus Nordamerika, 2 aus Mittel- und Südamerika. Der 
Unterricht wird während dieses Wintersemesters in wöchentlich 414 
Stunden durch 21 Lehrer ertheilt. Unter den letzteren sind neue- 
stens die HH. Lebert, Pruckner, Speidel und Stark 
von Sr; kgl. 'Majestät in Anerkennung ihrer verdienstlichen Wirk- 
samkeit durch Verleihung des Professorstitels ausgezeichnet worden* 

Paris. Das elfte Concert des Hrn. Pasdeloup fand mit 
folgendem Programm statt : G-moll-Sinfonie von Mozart; Ouver- 
türe zu „Manfred" von R. Sehn manu (zum 1. Male); „Sicilienne 



und Menuet" von Seb. Bach (zum 1. Male); 9. Sinfonie von Beet- 
hoven (die drei ersten Sätze); Ouvertüre zu „Wilhelm Teil" von 
Rossini. 

Brüssel. Für sein fünftes populäres Concert ist es Hrn. 
Samuel gelungen , die Mitwirkung der Frau Clara Schu- 
mann zu gewinnen, welche das Capriccio mit Orchesterbegleitung 
von Mendelssohn, „Zur Guitarre" von Ferd. H i 1 1 e r und 
n Si j'e'tais oiseau", Etüde von Adolf Henselt vortragen wird, 
Ausserdem enthält das Programm die Ouvertüre zu „Egmont" und 
„Leonore" von Beethoven, das Andante aus dem Quartett 
Nr. 76 von Haydn, „Menuett" aus der 2. Suite von Fr. Lach- 
ner und die Ouvertüre zu „Hamlet" von Stadtfeld. 

— Die HH. Colinx, Firket, Schreurs, Gangler 
und Stengers beabsichtigen vier klassische Kammermusik-Con- 
certe zu geben , deren erstes am 23. d. M. und die folgenden von 
14 zu 14 Tagen stattfinden werden. Die Unternehmer beabsichtigen, 
mit Zuziehung weiterer Kräfte , wo dies nöthig sein wird , die her- 
vorragendsten Werke älterer und moderner Meister aus dem Bereiche 
der Kammermusik zur Aufführung zu bringen und haben die Namen 
Mozart, Beethoven, Spohr, Mendelssohn, Schubert, Gade und Fetis 
auf ihr Programm gesetzt. 

New- York. Der Ciaviervirtuose Leopold von Meyer, 
welcher seit einiger Zeit in verschiedenen Städten der Union con- 
certirt, wird allenthalben mit nicht minder enthusiastischem Beifall 
aufgenommen , als bei seinem ersten Besuche , den er vor einer 
Reihe von Jahren in Amerika abgestattet hat. Er spielt ausschliess-i 
lieh seine eigenen Compositionen, welche durch ihre gefällige, me« 
lodienreiche und pikante Erfindung, noch mehr aber durch die 
bekannte schwungreiche und wahrhaft electrisirende Vortragsweise 
des Componisten und Virtuosen und durch die brillante Technik, 
welche seine Stücke zu entfalten ihm Gelegenheit geben , überall 
ihre zündende Wirkung bewähren. Der Zudrang zu den Concerten, 
in welchen v. Meyer auftritt, ist daher ein ausserordentlicher, und 
an manchen Orten wurden die Eintrittskarten versteigert nnd zu 
hohen Preisen bezahlt. Am 5. December spielte Hr. v. Meyer in 
einem grossen Concerte in Washington, welchem der Präsi- 
dent Johnson und sämmtliche dort residirende Gesandten beiwohn- 
ten und den bei dem Concerte betheiligten Künstlern und Künst- 
lerinnen nach dem Schlüsse desselben ein splendides Souper gaben« 
Hier in New- York selbst gab Hr. v. Meyer drei eigene Concerte 
in Steinway-Hall vor einem eben so zahlreichen, als auserlesenen 
Publikum, welches ihn mit Beifallsbezeugungen überschüttete. Der 
gefeierte Künstler bedient sich ausschlieslich der Instrumente aus} 
der berühmten Fabrik von Steinway and Sons in New-York- 
%* Prof. Dr. Ludwig N o h 1 hat in M ü n ch e n im Liebig*- 
schen Hörsaale eine Serie von „musikgeschichtlichen Vorträgen", 
mit einer Besprechung Beethoven's, wie er in seinen späteren, rei- 
feren Werken erschien , begonnen. Seinen nächsten Vorlesungen) 
werden C. M. v. Weber's Leben und Scharfen und der Entwick- 
lungsgang R. W a g n e r 's , sowie dessen Musikdrama als Thema 
dienen. 

*„* Die k. preuss. Hofopernsängerin Frl. Hentz in C a s s e \ 
hat sich mit Hrn. Soltans in Mainz verehelicht. 

*** Die Leipziger „Signale" bringen die Fortsetzung ihres int 
teressanten Musik-Adressbuches, von welchem bisher 
Leipzig und Dresden erschienen waren , mit dem Artikel 
Berlin. Das ganze Unternehmen ist ein sehr verdienstliches, und} 
es ist zu wünschen , dass sich der ungehinderten Ausführung und 
Vollendung desselben keine zu grossen Schwierigkeiten entgegen-? 
stellen möchten. .» 

*** Im Leipziger Stadttheater wurde Schiller's „Turandot*' 
aufgeführt mit der von Vincenz Lachner dazu geschriebenen 
Musik, welche ausserordentlich ansprach. .; 

*** Gounod's Oper „Romeo und Julie" ist in Wiesbaden 
zur Aufführung gekommen und hat auch dort keinen glänzenderen 
Erfolg erzielt, als in anderen Städten Deutschlands. , 

*** A. Rubinstein gibt am 16. und 18. d. M. Concerte in 
Hamburg. 



Briefkasten. 

sind willkommen. 



An Hrn. C. S. Vn C. Fernere Mittheilungen 



Verantw. Red. Ed. Fächer er. Druck v. Carl Wallau, Mainz*. 



17. Jahrgang. 



N/*£. 



27. Januar 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Diese Zeitung erscheint jeden 
MONTAG. 

m.*-uMd.M.| ß< 8CH oTT's SÖHNEN in MAINZ. 






ton 



ämtern, Musik- & Buchhand- 
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INHALT: Wagner's Lohengrin im Gegenzsatz zur Wissenschaft. — Corresp. : Berlin. Leipzig. Stuttgart. — Nachrichten. 



Wagner's „sLoliengrin" 

im Gegensatz zur Wissenschaft. 



Wagner's „Lohengrin", seit mehreren * Jahren in Folge kri- 
tischer Kämpfe zurückgelegt, zieht wieder auf den deutschen Bühnen 
ein. Bei diesem Werk muss man die in der Kunst-Geschichte nicht 
seltene Erscheinung gewahren: vor zehn Jahren hatte man Mühe, 
dem Publikum die Schönheiten des Werks begreiflich zu machen 
und jetzt muss man den blinden Enthusiasmus bekämpfen. Der 
Grund dieser Erscheinung liegt theils in dem Werk, theils in der 
künstlerischen Entwicklung des Volks in den letzten zehn Jahren. 
Das Werk hat sinnlich berauschende Elemente, die bei seiner ersten 
Vorführung, weil sie gegea das Herkömmliehe gingen, nicht erkannt 
wurden. Jetzt spürt sie das Publikum und verschliesst die Augen vor 
dem bezaubernden Klang. Die letzten zehn Jahre brachten dann im 
Gebiet der Oper so viel Zweifelhaftes und auch wirklich Wert- 
loses (Meyerbeer's „Dinorah" und „Afrikanerin", Gounod's „Faust" 
und „Königin von Saba" , Offenbach's „Orpheus in der Unterwelt 11 
und andere Possen), dass das Publikum bei Wagner's „Lohengrin" 
wieder in den kühlen Urwald roll frischer Quellfluth versetzt zu 
sein glaubte. 

Das Werk erfüllt hiermit eine wichtige Aufgabe in der Cultur- 
geschichte ; kein einsichtiger Künstler wird diese Bedeutung des 
Werks verkennen und dem Schöpfer des Werks seinen Triumph 
missgönnen. Die Enthusiasten schiessen aber über das Ziel hinaus, 
wenn sie dem Werk eine Epoche machende Bedeutung vindiciren, 
wenn sie damit Wagner's Kunstsätze als richtige bezeichnen 
wollen. Wagner hat in dem Werk Ausserordentliches geleistet, 
aber nicht zur Bestätigung der älteren Wissenschaft, oder zur Be- 
gründung einer neuen, sondern trotz der Wissenschaft hat er eine 
grosse Wirkung hervorgebracht. Hierin nur liegt der Fehler, dass 
er der Wissenschaft entgegengearbeitet hat ; denn sein ganzer Er- 
folg ist eine, wenn auch schöne und edle, doch wohl nur vorüber- 
gehende Berauschung. Das Volk wird daraus erwachen; wie eis 
schönes Wolkenbild wird das Werk zerstieben, wenn die Zuschauer 
wieder gewöhnt sind, alle Dinge so zu betrachten, wie sie sind. 
Zut Begründung des Gesagten wollen wir nur einige Gesichtspunkte 
zur Betrachtung des Werkes aufstellen. 

Das Streben unserer ganzen Wissenschaft geht darauf hin, alle 
Dinge der Erde in ihrer ganzen Beschaffenheit, bis zu ihrer physi- 
kalischen und chemischen Zusammensetzung zu erkennen und die 
unbedingte Wahrheit herauszufinden. Die Detail-Studien in 
unseren Naturwissenschaften, in Geschichte und Alterthumskunde 
laufen darauf hinaus, den ganzen Menschen mit Allem, was um ihn 
lebt, wirklich zu verstehen. Sie liefern alle der Kunst das Material, 
aus 4?m sie mit ihrem belebenden Hauch wieder den Menschen 
und seine Umgebung aufbauen kann. Die Ortskunde lieferte der 
Malerei den Stoff zu ihren jetzt erst naturtreu werdenden Land" 



Schäften ; die Menschenkunde, das Studium der einzelnen Menschen- 
Stämme gab ihr die Möglichkeit zur Darstellung photographisch 
richtiger Characterköpfe ; die Geschichte und Alterthumskunde lie^ 
ferte der Dichtkunst die Kenntniss zur Schilderung der Menschen; 
und menschlichen Zustände, die eine Vergleichung mit den um 
uns bestehenden zulassen. Wohin wir schauen, zeigt uns jede. 
Kunst diesen Zusammenhang mit der Wissenschaft und damit das 
vereinte Streben, immer mehr zur unbedingten Wahrheit zu gelan- 
gen. Selbst die Tonkunst hat, wenn auch noch schwache Versuche 
gemacht, aus dem Studium der Orts- und Stammeskunde zu profi- 
tiren und mit Hülfe der Studien über Volkslied und Volkstanz eins 
neue Kunst vorzubereiten, welche ähnliehe Resultate wie die übrigen 
Künste liefern wird. Von der unbedingten Wahrheit ist sie freilich 
noch sehr fern. 

Wagner läugnet dje Richtigkeit dieser wissenschaftlichen und 
künstlerischen Bestrebungen an sich nicht; theoretisch arbeitet er 
sogar nach demselben Ziel hin ; practisch aber ist er an dem grade 
entgegengesetzten Ende angekommen. Anstatt die Menschen zu 
nehmen, wie sie die Wissenschaft uns überliefert, knetet er nach 
Prometheu» Art den Thon von Neuem und schafft nach einem 
idealen Modell seine Gestalten. Sein fliegender Holländer, Tann- 
häuser und Lohengrin waren noch Menschen ähnliche Halbgötter, 
seine Nibelungen-Helden sind schon zu vorsündflutblichen , für un- 
sere Menschenkunde unbestimmbaren Wesen geworden. Unsere 
Sprach- und Sangstudien führten uns zur genauen Begränzung von 
Sprache und Gesang. Wagner's Halbgötter kehrten sich schon 
nicht mehr an das menschliche Gesetz, das jede Gefühls-Aeusserung 
so verlangt, wie sie die Natur gebietet. Sie führen in der Regel 
eine Halbgott-Sprache, wie eine idealisirte, halb der Menschen" 
Sprache, halb dem Menschen-Gesang ähnliche Rede; nnr wo sie 
vom Gefühl überwältigt werden und unbewusst sprechen, da zeigen 
sie ihre halbmenschliche Abstammung und singen wie andere 
Menschen. Sein Fafnir und Regin (Nibelungen) sind aber den 
menschlichen Gefühls-Aensserungen so entfernt, dass wir uns ein 
den Ichthyosauren ähnliches Menschen-Geschlecht vorstellen müssten, 
wenn wir solche Sprache als naturgemäss erkennen wollten. 

Kurz gesagt: unsere Wissenschaft verlangt wirkliche Men- 
schen, die von unserm Fleisch und Bein sind, die reden, singen, 
handeln, wie's in des Menschen Natur liegt; die übrigen Künste 
arbeiten darauf hin, solche Menschen uus vorzuführen. Wagner's 
Kunstwerke würden, wenn ihnen Folge gegeben würde, die ge- 
sammten Errungenschaften der Wissenschaft wieder zerstören und 
die Geschichte umkehren. Sein Kunstwerk der Zukunft — , das 
principiell richtig gedacht ist, indem es jeder Kunst ihre Stelle zu- 
weist — leidet deshalb an dem Hauptfehler, dass es über-, d. b. 
unnatürliche Menschen mit unnatürlicher Sprache uns als Muster 
vorführt. 

(Fortsetzung folgt.) 



/ 



- 14 - 



CORRE8PONDEKZEN. 



Aus Serif 



(8 ch I u s.) 

Ich komme nun )zu den Aufführungen kleineren Umfanges der 
Veranstaltung, wie die vergangene Hälfte der Saison sie bot. Ruhm 
voran dem Florentiner Quartett, Jean Becker, Enrico 
M a s i , Luigi C h i o s t r i , Fr. Hilpert, die den in Berlin, wie 
gesagt, nicht unsträflichen Muth hatten, die auf wer weiss wie lange 
noch neuen Quartette op. 127, 130, 132, 135 vou Beethoven zu 
executiren. Ueber das Wie habe ich den beredten Worten Ihres 
Münchener Correspondenten Nichts hinzuzufügen. 

Ferner erfreut sich der Verein der Herren de Ah na, Espen- 
hahn, Richter und Dr. ßruns eines anständigen Rufes. In 
drei Concerten erscheint Haydn lmal, Mendelssohn lmal mit 
dem grossen A-moll- Quartett op. 13, Beethoven ömal auf dem 
Programm, mit op. 74, 95, 18, 6, 59, 3; und dem einen aus seiner 
höchsten Region, welches die Florentiner ausgelassen hatten, op. 
131 Gi8*moll. Des immerhin wohlfeilen Vergleiches mit den letz- 
teren enthalte ich mich übrigens. Der Beethoven- Abend des Ber- 
liner Quartettes hatte alle Eigenschaften, die geeignet sind, Achtung 
•inzuflösen. 

Dem Volkston um eine Stufe näher — nicht freilich, als wenn 
ich dies nach dem Tarif der Entröen beurtheilte — von den Ber- 
linern wiederum nicht mit dem Entgegenkommen belohnt, den der 
Fleiss wöchentlichen Auftretens und die Routine der Spieler wohl 
verdient hätten , haben die Herren Hellwich, Rehbaum, 
Wendt und Hof mann, gleichfalls seit läugerer Zeit vereint, 
allerdings mit übermässiger Bevorzugung des öfter Gehörten Haydn 
6mal, Mozart 4mal, Beethoven 7mal, (op. 95, op. 18. Nr. 1. 
2 3. 4. 6.) Onslow op. 21, 2, S ch u b e r t mit dem nachgelas- 
senen Quartett in D-molI , T a u b e r t op. 130 je lmal in Ausfüh- 
rung genommen. 

Ich registrire nun die Leistungen einzelner Virtuosen. Franz 
Bendel verdient hier zunächst wegen der respectablen Ausdeh- 
nung seines Repertoires genannt zu werden. In den Programmen 
— dies vorab — begegnet man indessen wieder der leidigen Lite- 
raturmusik, in einer Richtung, die früher nur selten und etwa durch 
eine als gegenwärtig fühlbare Beziehung gerechtfertigt auftrat: 
Werke, die für Orchester geschrieben und verbo terms nur eben der 
Ciaviertechnik unterworfen wurden — zu Nutz und Frommen üben- 
der Kunstjünger in einer Anwandlung von Clavierspieler-Cäsarismus 
— , Werke sogar, die man in Berlin aus dem Opernhause, oder aus 
Liebig's orchestraler Speiseanstalt sattsam kennt, wie (wenn ich nicht 
irre) die Teil-Ouvertüre von Rossini, die Tannhäuser-Ouvertüre, 
öffentlich am Ciavier auszuführen. Es gibt dafür keine andere 
Erklärung, als pianistische Selbstgefälligkeit, welche zeigen will, 
wie oft sie ihre Finger technisch zu multipliciren gelernt hat; 
ein wesentlicher Fortschritt liegt darin nur im Vergleich zu den 
früheren gar zu üblen Circusspässen, sich am Ende eines Programms 
als Sinistromanen, Sextenhexenmeister u. dgl. zu produciren. Darüber 
soll jedoch nicht vergessen werden, dass Fr. Bendel mit seinen Ma- 
tineen, deren bis Januar 4 stattfanden, er allein bis dahin conse- 
quent wiederkehrend, das Ciavierspielerschiff lustig hat über den 
Orchester-Ocean gleiten lassen; er rausste zuletzt statt des kleineren 
(Cäcilien)-Saales der Singakademie den grossen nehmen. Bendel 
allein! Denn Tausig hat bis jetzt geschwiegen; H. v. Bülow 
will, wie es scheint, sich ewig von uns wenden, Rubinstein ist 
rioch nicht da — drei Paare, um weiter mit Schiller zu reden, 
unnahbarer Hände! 

Was über Frau Clara Schumann zu referiren war, habe 
ich schon gelegentlich meiner Bemerkungen über die Paläomanie 
der Coacertgeber im Bündniss mit den Berliner Paläophilen, besser 
Paläophilistern angeführt. Wir wollen mit der verehrten Frau nun 
nicht weiter um ihr Programm rechten (von Robert immer dabei 
abgesehen) aber die Vöglein von H e n s e 1 1 , die man jetzt nicht nur 
an ihren Federn, sondern anatomisch genau kennt, auf Applaus 
„zuzugeben", — erschien gar viel frauenhafter, als aristokratisch, 
wie Sit zu verfahren dreimal befugt, ja verpflichtet war, weil „Adel 
verpflichtet". Wie Frau Clara Schumann die sinfonischen Etüden 



bei anderer Gelegenheit, an einem Sonntag in dem Kullak'schen 
Gesangverein vortrug, gehörte im besten Sinne zu den musikalischen 
Ereignissen, denn aus dem immerhin kleineren Zuhörerkreise ist 
wohl Keiner unergriffen hinweggegangen, am wenigsten Referent. 

Zu den Excellenzen in der Ausführung gehört Julius Stock- 
hausen als Gesangs virtuos in der Hauptsache noch immer, möchte 
man auch ein Sonst und Jetzt sich hie und da versucht fühlen zu 
unterscheiden — er war herrlich als „Troubadour" in dem S ch u- 
m a n n 'sehen Liede, man athmete süssen Duft in der musikalischen 
Atmosphäre, weiche sich mit dem Klange seiner sympathischen 
Stimme über dem Auditorium ausbreitete. 

Endlich Er, der Herrlichste von Allen, die man 1867 hier ge- 
holt, Joseph J o a ch i m , der selbst dem Unbedeutenden einen täu- 
schenden Hauch der Göttlichkeit anzuwehen , und wo er in den 
wahren Himmel der Tonkunst greift, — seine eigentliche Heimath 
— Thränen des Empfindenden wachzurufen weiss, jene stillen, un- 
erklärlichen, wenn es nicht die Kürze einer solchen Seligkeit ist, 
die sie im Vergleich zum Unwerth des gewöhnlichen Lebens uns 
ablockte. Sein erstes Solo-Concert ruhmreichen Angedenkens brachte 
das Coucert von Beethoven aus D-dur, das von B a ch aus 
A-moll , und Joachim's eigenes aus G-dur; das zweite: Mendels- 
sohn's Violinconcert und Joachim's Ungaiisches. Von den Volks- 
concerten die des Namens würdig, das nächste Mal. — 

Carl F u ch s. 



ins Ij e I ii z i g« 

?. Janaar 1866. 



(Schi US 8.) 

Sonnabend den 7. December : Soir6e, gegeben von Frau Clara 
S ch u m a n n und Hrn. Julius Stock hausen im Saale des Ge- 
wandhauses. In ähnlichem Verhältniss wie beim „Florentiner Quar- 
tett" befinden wir uns diesen Künstlern gegenüber; die Kritik be- 
gibt sich ihres Rechtes und freut sich des Genusses. Frau Schumann 
bleibt die Alte , das heisst bei ihr , die stets „Junge und Neue". 
Das bewies sie im Vortrag von Beethoven's Sonate , op. 81, 
der sinfonischen Etudeu von R. S ch u m a n n , einer „Gavotte* aus 
op. 115 von Hill er und einer Etüde (Cis-moll) wie eines Scherzo 
(H-moll) von Chopin. Herr Stockhausen sang zwei Romanzen 
aus Tiek's „Schöne Magelone" von B r a h m s , beide in des Compo- 
nisten geschraubter und gespreitzter Weise und darum ziemlich 
unerquicklich , zwei ältere Gesänge von Martini und B u o n- 
concini, einfach und sangbar, und Lieder aus dem Schu mani- 
schen Liedercyklus op. 21. Auch die Stimme dieses treulichen 
Sängers scheint der Zeit ihren Tribut zollen zu müssen; möge er 
dies Fehlende nicht durch eine gewisse Manierirtheit zu ersetzen 
suchen. Dass beide Künstler mit Beifallsstürmen überschüttet wur- 
den, bedarf wohl kaum der Erwähnang. 

Sonntag den 8. December: Aufführung des H ä n d e 1'schen 
„Samson" durch die „Singakademie". Von Seiten der Solisten, wie 
der Chöre und des Orchesters wohlgelungen , gab sie Gelegenheit, 
in dem neuen Dirigenten des Vereins, Herrn Clauss, einen seiner 
Aufgabe gewachsenen und dieselbe mit bestem Erfolge durchführen- 
den Künstler zu erkennen. 

Das war eine Leipziger Musikwoche, nach der zum 
Heil aller ex officio Concertbesuchenden die hochgehenden Concert- 
wogen wieder in ihr altes Bett zurückkehrten. 

Das am 10. December abgehaltene fünfte Concert der „Eu- 
terpe" brachte zur Eröffnung Richard Wagner's „Faust-Ouver- 
türe". Trotz wiederholten Hörens und trotz einer ganz leidlichen 
Wiedergabe ist es uns unmöglich, an dem Werke Gefallen zu finden. 
Noch weit weniger konnten wir dies an der den zweiten Theil des 
Concertes ausfüllenden Orchesternummer, Sinfonie (Nr. 2, B-dur) .von 
Robert Volkmann. Während Wagner mit seinen Gedanken sich 
in einer nns unverständlichen Tiefe ergeht, schwimmt Volkmann 
auf der Oberfläche, die freilich insofern auch unverständlich bleibt, 
als Volkmann schon ganz achtungswerthe Sachen geliefert hat, und 
gerade bei seinen Produktionen eine grosse Rolle der Verstand 
spielt, der ihm füglich eine schärfere Selbstkritik nicht erschweren 
würde. Dies zusammengenommen lässt uns für die Zukunft Bei- 



- 15 — 



«eres erwarten. Das Bestreben der Direetion der „Euterpe", Neues 
und Nicbtgehörtes vorzuführen, erkennen wir mit Dank und Freude 
an ; nur wünschen wir auch hier eine schärfere Kritik , damit es 
nicht um jeden Preis geschehe. 

Für uns neu war ferner ein Doppel- Concert für zwei Pianoforte 
und Orchester von Carl"T h e rn , vorgetragen von dessen beiden 
Söhnen Willi und Louis Thern (unter Leitung des Compo- 
nisten). "Wir können nicht behaupten, dass das treffliebe Zusam- 
menspiel der beiden Brüder, sowie die Neuheit des Stückes uns 
vor Langeweile geschützt haben. Gleich eng zusammenverwachsen, 
erwiesen sie sich im Vortrag von drei Solostücken für zwei Piano- 
forte : Pastorale hongroise von Carl Thern, etwas kurzweiliger, 
aber doch unerquicklich, Etüde von Chopin und „Türkischer 
Marsch" von Beethoven. Letzteres Stück mussten sie wieder- 
holen. Herr Concertmeister Robert H e ck m a n n , dessen wir schon 
bei Gelegenheit des vorigen Concertes rühmlichst gedachten, trug 
ein Concert (D-dur) für die Violine von Bazzini und eine Sonate 
(A-dur) von Händel, für Violine und Pianoforte von Ferd. David 
bearbeitet, mit grossem, vollständigst gerechtfertigtem Beifall vor. 

Das neunte Abonnements-Concert fiel auf den 12. December, 
Königs Geburtstag. Zur Feier desselben begann das Concert mit 
einem „salvum fac regem für Chor von M. H a u p t m a n n. Es 
war dies das letzte seiner Werke, dessen Aufführung der trotz hohen 
Alters der Kunst und Wissenschaft zu früh entrissene Meister er- 
leben sollte. Ihm folgte die Fest • Ouvertüre op. 124 von Beet- 
hoven, und dieser Mendelssohn 's 98. Psalm für achtstim- 
migen Chor und Orchester, zwei Werke, die ihres Erfolges, wenn 
auch aus verschiedenen Gründen, stets sicher sein werden, gelangen 
sie zu einer so braven Ausführung, wie es diesmal der Fall war. 
Vom Chor wurden im zweiten Theil noch zwei französische Volks- 
lieder aus den Jahren 1650: „O komm, mein Kind, zum Wald 
hinein" und „Schönste Griseldis" zu Gehör gebracht; ein paar Un- 
sicherheiten, die man sich hier zu Schulden kommen Hess, waren 
doch nicht von solchem Gewicht, dass die beiden reizenden Lieder 
nicht dieselbe entschieden günstige Aufnahme, wie vor ein paar 
Jahren gefunden hatten , das letztere derselben hatte sogar wieder- 
holt werden müssen. Als Instrumentalsolist fungirte an diesem 
Abend Herr Concertmeister Josef Walter aus München, ein (sehen 
wir von der zuweilen nicht ganz reinen Intonation ab) sonst nach 
allen Seiten hin tüchtiger und fertiger Geiger; seinen beiden Vor- 
trägen: Concert (A-moll) von Viotti und Variationen über ein 
Thema von Mozart, von Ferd. David folgte lebhafter Beifall 
Den Schluss dieses Concertes bildete Beethoven 's achte Sin- 
fonie, eine, bis auf das nach unserem Gefühl etwas zu schleppend 
genommene Tempo des zweiten Satzes, sehr tüchtige Leistung des 
Orchesters. 

Das zehnte Abonnementsconcert am 19. December brachte 
an seiner Spitze die Sinfonie Nr. 3, Es-dur vonBietz; das in Ge- 
danken wie Formen nobel und stramm gehaltene Werk erfreute 
sich einer eben so nobeln und strammen Wiedergabe und damit 
des freundlichsten Beifalls von Seiten des Publikums. Nicht so gut, 
was die Ausführung betrifft, erging es der den zweiten Theil des 
Concertes eröffnenden Ouvertüre zu „Genoveva" von R. 8 ch u - 
mann: es wollte da Manches nicht klappen. Desto mehr klappten 
die Hände zusammen nach den Vorträgen des Hrn. C. T a u 8 i g » 
obgleich es uns scheinen wollte, als wäre der Enthusiasmus nicht 
60 enthusiastisch, wie bei seinem ersten Auftreten im vorigen Jahre, 
als staunte und bewunderte man mehr, wie dass man hingerissen 
war, als käme der Beifall nicht von ganzem Herzen. Die Hände 
des Virtuosen freilich thaten mehr, als man von ihnen zu erwarten 
berechtigt war, sie wirkten Wunder, der Glaube aber fehlte. Viel- 
leicht lag die Schuld auch an dem, was Herr Taueig zu Gehör 
brachte. Franz Schubert's Fantasie, op. 15, hat wenigstens 
durch die sinfonische Bearbeitung für Piano und Orchester von F. 
Liszt nicht nur. nicht gewonnen, sondern im Gegentheil viel von 
ihrem ursprünglichen Charakter und Reize eingebüsst. Die „Bar- 
carole" (Nr. 4) von A. Rubin stein, ein Allegro vivacissimo 
von Scarlatti und Rhapsodie hongroise von Liszt sind nicht 
geeignet, selbst durch das Spiel Tausig's einen bedeutenden Ein- 
druck zu machen. Wiederholter Hervorruf veranlasste ihn, noch 
eine Composition von Liszt zuzugeben. Frau Bürde-Ney, 
vom Publikum bei ihrem Erscheinen mit Beifall begrüsst, hatte mit 



einem mächtigen Gegner zu kämpfen: mit der Erinnerung an sie 
selbst. Dass sie diesen Kampf mehr noch in Recitativ und Arie 
aus „Iphigenie auf Tauris" als in einer Arie aus „Cosi fatl tutte" 
von Mozart mit Glück und Erfolg bestand, spricht am deutlichsten 
dafür, welch hoben Rang von Künstlerschaft sie noch beanspruchen 
darf. 

Mit diesem Concerte schloss sich die Reihe der diesjährigen; 
möge das neue Jahr sich eben so harmonisch in jeder Beziehung 
gestalten. Vorher aber geht's in die heimathlichen Fluren zum 
Weihnachtsfeste, wo unterm Christbaum eine andere, aber gleich 
liebliche Musik unserer harrt. 



Aus Stuttgart« 

Anfangt Janaar. 

T In der dritten Soiree für Kammermusik waren es vor 
Allem die HH. Singer und Speidel, welche die Palme des 
Abends davontrugen. Mit unvergleichlichem Feuer spielten sie die 
stürmische C-moll-Sonate von Beethoven; auch dem Schu- 
mann'schen F-dur-Trio verschafften sie im Vereine mit Hrn. Gol- 
termann einen glänzenden Erfolg, besonders in den ersten drei, 
an melodischen und harmonischen Feinheiten fast überreichen 
Sätzen. An Solovorträgen hörten wir von Hrn. Singer die Rust'- 
sche Sonate, welche er uns noch stylgetreuer und technisch vollen- 
deter als unlängst J. Becker zu spielen schien; von Hrn. Speidel 
das Chopin 'sehe G-dur-Noturno und Mendelssohn 's höchst 
schwierige F-moll-Fnge, die er mit bewundernswerther Klarheit und 
Sicherheit vortrug; von Hrn. Goltermann das Schu m ann'sche 
Abendlied und (eine sehr sympathisch componirte „Melodie" von 
unserm J. Hub er, welche durch den seelenvollen Ton des Spie- 
lers zu verdienter Geltung gelangte. 

Das musikalische Interesse dieser Tage dreht sich um die »Afri- 
kanerin", welche nach langer gründlicher Einstudirung und manchen 
sanitätlichen Zwischenfällen endlich am 10. Januar vom Stapel 
gehen konnte. Füi Maschinerie, Decorationen und Costüme waren 
keine Kosten gescheut worden, um den möglichste« Glanz zu ent- 
falten; solche Ausstattungsopern erhalten sich ja meistens durch ihre- 
eigene Kostspieligkeit, wie manche Gesellschaften gerade durch ihr 
Deficit. Ueber die Musik dieser Meyerbeer'schen Spätgeburt ist 
schon erschöpfend geschrieben worden; sie enthält Grossartiges und 
Unbedeutendes in buntem Gemische ; manches widerspricht geradezu 
der Situation und scheinen die Worte einem bereits vorhandenen 
Motiv oft nur mühsam angepasst, — häufig kam es uns vor, als 
habe der Tondichter die Skizzenblätter zu seinen früheren Opern 
nochmals durchstöbert und Alles irgendwie noch Brauchbare in der 
„Afrikanerin" a tout pHx möglichst vorteilhaft verwerthen wollen, 
manchmal auch, als habe er die neuesten harmonischen Errungen- 
schaften der Schubert-Schumann'schen Schule adoptirt und wolle 
damit seinen Franzosen etwas ganz Neues vorsetzen; aber siehe da: 
mittlerweile sind wenigstens die Deutschen um etliche Jahre älter 
geworden und werden durch jene Dissonanzen nicht mehr frappirt; 
das Gute hatte die Wagner'sche Richtung jedenfalls, dass sie uns 
die Ohren gewaltig ausputzte; so gefiel denn in fraglicher Oper 
gerade das an Wagner Anklingende am meisten, wie z. B. der erste 
Theil von Vasko's Arie im vierten Akt und unser stimmgewaltiger 
Sontheim mag sich für den gerade damit erzielten Success bei 
dem ihm so antipathischen Componisten des „Lohengrin* bedanken. 
Ihm jedoch, sowie den Trägern der übrigen Hauptpartieen , Frl. 
Klettner, Frau Ellinger und Hrn. Schüttky gebührt im 
Ernste die vollste Anerkennung für ihre vorzüglichen Leistungen. 
Auch Chor und Orchester waren ganz ausgezeichnet; Abert hat; 
durch die sorgfältige Einstudirung und Leitung dieser Oper glän- 
zend bewährt, welch tüchtige Kraft man an ihm gewann; die Be- 
gabung allein macht noch nicht den Dirigenten; aber der Fielet 
und <U* Mühe , die er sich nimmt , erwerben ihm die Achtung un& 
Dankbarkeit des Publikums. 



— X6 



lachrlcli te 



Dtrmstadt. Am 6. d. M. kam im 2. Concerte des Musik- 
Vereins „Frithjof, dramatisches Gedicht nach J. Togner für 
Soli , Chor und Orchester , componirt von C. A. Mangold, zur 
Aufführung und wurde wieder mit ungeteiltem Beifall aufgenom- 
men. Die Soli befanden sich in den Händen der Damen Peschka- 
L e u t n e r und J a i d e und der Herren G r e g e r vom grossh. 
Hoftheater und A. D e n n e r aus Oassel. 

Frankfurt a. II. Der Componist und Ciaviervirtuose J, B o- 
s e n h a i n , welcher sich mehrere Tage hier aufhielt, hat vor einem 
auserwählten Kreise von Künstlern und Kunstfreunden mehrere 
seiner neuesten Compositionen vorgetragen, darunter auch mit Hrn. 
L ü b e ck eine Sonate für Ciavier und Violoncell (op. 53), welche 
sich des Beifalls aller Kenner zu erfreuen hatten. Auch die von 
ihm vorgetragenen Salonstücke fanden beifällige Anerkennung. 

München. Durch einen Erlass des Cultus-Ministers wird die 
Einführung der Pariser Orchesterstimmung, nachdem dieselbe für 
die k. Hofcapelle und das k. Hof- und Nationaltheater bereits statt- 
gefunden hat, nun auch für alle dem genannten Ministerium unter- 
gebenen Unterrichts- und Bildungsanstalten angeordnet. Es sind 
als solche die Lyceen, Gymnasien und Latein-Schulen, die musika- 
lischen Institute, Schullehrerseminarien und Präparandenschulen, 
endlich die weiblichen Erziehungs- und Unterrichtsanstalten be- 
zeichnet. Hinsichtlich der Einführung der neuen Orchesterstimmung 
beim Gottesdienst sollen mit den betreffenden kirchlichen Stellen 
und Behörden die n'öthigen Yereinbarnngen getroffen werden. 

Wien. An der Reorganisation unserer Oper wird eifrig gear- 
beitet, um in das neue Haus auch ein würdiges Ensemble hinüber- 
zubringen. So ist u. A. 36 Choristen ihr Dienstcontract gekündet 
worden, in der Art, dass nach drei Monaten die Entlassung der 
betreffenden Chormitglieder eintritt. Den im Dienste belassenen 
wird eine Gehaltserhöhung bewilligt, und es soll in Zukunft der 
monatliche Gehalt eines Chormitgliedes von 35 bis zu 60 fl. be- 
tragen. Diejenigen der entlassenen Choristen, welche bereits 10 
Dienstjahre zählen, sollen einen Pensionsgehalt bekommen. 

Paris. Die Einnahme der Theater, Concerte, Bälle etc. in 
Paris betrugen im abgelaufenen Monat December die Summe von 
1,711,663 Frcs. 

— Pasdeloup gab sein 12. populäres Concert mit folgendem 
Programm i Ouvertüre zu „Strnensee" von Meyerbeer; Sinfonie 
in F-dur (Nr. 8) von Beethoven; Adagio ans dem Quartett 
in B-dur (Nr. 50) von Haydn; „Ungarischer Marsch", instrumen- 
tirt von B e r 1 i o z ; Ouvertüre und Orchesterstücke aus Mendels- 
sobn'a Musik zum „Sommemachtstraum". 

— Die Matineen für Kammermusik , welche Hr. B o n e w i t z 
unter Mitwirkung der HH. Ch. Dancia, Norblin, Lebean 
und M a r i n i seit einiger Zeit gibt , finden verdienterweise recht 
vielen Anklang, und es hat daher bereits die zweite Serie dieser in- 
teressanten Productionen begonnen. 

— Der Musik - Kritiker P e d r o 1 i n i , welcher unter dem 
Namen F r a n ck - M a r i e für das Feuilleton der Patrie schrieb, 
ist im Alter von noch nicht 40 Jahren in Rom gestorben. 

— Die im letzten Pasdelonp'schen Concerte aufgeführte Ouver- 
türe zu „Manfred" von S ch u m a n n hat nur geringen Erfolg ge- 
habt. Dagegen hat ein in demselben Concert vorgeführter Menuett 
von S e b. B a ch recht sehr gefallen. Die Franzosen wollten es 
gar nicht glauben, dass der gefürchtete Fugenkönig etwas so Ge- 
fälliges soll geschrieben haben. 

%* Als eine Curiosität verdient mitgetheilt zu werden, dass 
Mme. Oscar Comettant, die Gattin eines bekannten Pariser 
Musik-Kritikers, in einer ihrer musikalischen Soireen in Versailles 
u. A. eine für Gesang arrangirte Sonate in A-dur von 
Mozart vorgetragen hat. 

*** Der rühmlichst bekannte Flötist De Vroyes ist von U1I- 
mann für acht Concerte seiner nächsten Wanderung engagirt 
worden. 

%* Der Tenorist Roger hat vom Kaiser von Oesterreieh für 
seine Uebersetzung des Textes von Haydn's „Jahreszeiten" in's 
Französische die grosse goldene Medaille erhalten. 

*** A. Rubinstein ist gefallen und hat sich die rechte 



Hand verrenkt. Doch ist das Uebel bereits wieder gehoben und 
hat also keine schlimmen Folgen. 

*** Gounod's Oper „Romeo und Julie" hat bei ihrer Auf- 
führung in Frankfurt a. M. blos einen succes cTtfstime erzielt. 

*** Frau Jenny Soltans, geb. Hentz, k. preuss. Hofopern- 
sängerin in Ca s sei, ist in Leipzig im 6. Euterpe-Concert auf- 
getreten und hat sich durch den Vortrag der Scene und Arie aus 
dem „Freischütz" und zweier Lieder von Schubert und Mendels- 
sohn ausserordentlichen Beifall errungen. 

%* Die »Revue et Gazette musicale" theilt einen Brief mit, 
welchen B e r 1 i o z aus Moskau an einen Pariser Freund ge- 
schrieben und worin er erzählt, dass er von dem Directorium des 
Conservatoriums in Moskau von Petersburg abgeholt worden sei, 
um dort zwei Concerte zu dirigiren. Das erste derselben fand in 
einer colossalen Reitschule mit 500 Executanten und in Gegenwart 
von etwa 12,000 Zuhörern statt, welche Berlioz, der Bruchstücke 
aus seinem Requiem und aus „Romeo und Julie'* gab , einen 
Triumph bereiteten, wie er ihn noch nie erlebt zu haben bekennt» 
Im zweiten Concerte, welches im gewöhnlichen Concertsaale mit 90 
Instrumentalisten stattfand, gab Berlioz seine „Herold"- Sinfonie, 
seine Ouvertüre zu „König Lear" und wieder das Offertorium aus 
dem Requiem. Laub spielte das Beethoven'sche Violinconcert. 
Am folgenden Tage gab man Berlioz ein Bankett, bei welchem dift 
ganze Kunstwelt von Moskau anwesend war, worauf der gefeierte- 
Meister nach Petersburg zurückkehrte, um dort seine beiden letzten* 
Concerte zu dirigiren. 

*** Im Jahre 1867 wurden in ganz Italien 30 neue Opera 
aufgeführt, von denen nicht weniger als 27 durchfielen. 

*** Niemann ist von der Direction der kaiserl. Oper in 
Wien von Eröffnung des neuen Opernhauses an auf drei Jahre 
für je drei Monate (ersten September bis letzten December) enga- 
girt. Er hat jedes Jahr 40 Mal und zwar vorzugsweise in W a g- 
ner'< Opern zu singen. 

%* Der Sänger Roger soll als Regisseur für die Spieloper 
am Hofoperntheater in Wien engagirt werden. 

*** In den Malersälen des neuen Opernhauses in Wien wird 
nicht nur bei Tage, sondern auch Abends bei Gaslicht mit allem 
Eifer an Herstellung der neuen Decorationen gearbeitet. Für den 
Salon der Kaiserin im selben Hause ist der ausgezeichnete Land- 
schaftsmaler Prof. Albrecht Zimmermann mit Herstellung 
von drei decorativen Landschaften beschäftigt. 

*** In M a d r i d ist die Signora Nantier-Didier, eine 
italienische Opernsängerin von bedeutendem Renommee, an einer 
Lungenentzündung gestorben. 

*** Der Musikinstrumenten-Fabrikant V. B. C e r v e n y in 
K ö n i g g r ä t z , für seine ausgezeichneten Blechinstrumente bereits 
mehrfach mit Orden ausgezeichnet, ist nun aus Anlass seiner Er- 
folge auf der Pariser Ausstellung auch vom Kaiser von Oesterreieh 
mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens decorirt worden. 

*„* Die schwedische Sängerin, Frl. Hebbe ist in der italie- 
nischen Oper zu Warschau wiederholt als Valentine in Meyerbeer'a 
„Hugenotten" aufgetreten und zwar mit dem glänzendsten Erfolg. 
Ihre nächste Rolle wird die Leonore im „Trovatore" sein. 

** Das „Florentiner Quartett hat auch in S ch w e r i n die Be- 
wunderung aller Musikfreunde durch seine, meisterhaften Leistungen 
erregt. Dasselbe concertirt jetzt mit bestem Erfolge in Dresden* 



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INHALT: Wagner*« Lohengrin. — Naturgescbichtliches aas der Musik weit. — Corresp. : Regensburg. Paris. — Nachrichten. 



Wagner's „liOliengrlii" 

im Gegensatz zur Wissenschaft. 



( S ch 1 u s s. ) 
Wagner 's Lohengrin ist trotzdem ein ungeheures Werk, das 
wir anstaunen, obgleich es dem realistischen Verstand entgegentritt. 
Wir bewundern es in ähnlicher Weise, wie wir Kaulbach 's „Hunnen- 
scblacht", Cornelius' „Jüngstes Gericht" und andere Werke neuerer und 
älterer Meister anstaunen, obgleich uns hier die Menschen nicht blos in 
nicht naturgemässer Bewegung, sondern in unnatürlichen Formen er- 
scheinen. In ähnlicher Weise wie jene grossen Geister hat es Wagner 
vermocht, unsere Phantasie über den gewöhnlichen Lauf der Dinge 
empor zu heben und von dem erhöhten Standpunkt ein phantastisches 
Leben für ein wirkliches halten zu lassen. Lohengrin steigt 
vor unsern Augen als leibhaftiger Gott herab; wir sehen ihn von 
dem Wunderthiere im Kahn gezogen ; wir sehen ihn als Mensch 
mit den Menschen leben, alle Kämpfe bestehen, jede Lust und jedes 
Leid empfinden, dunn wieder auf eine wunderbare Weise vor un- 
sern Augen verschwinden; wir sehen und hören das all mit eignen 
Sinnen und keinen Moment kommt uns ein Zweifel an die Recht- 
mässigkeit dieses Gebahrens, keinen Augenblick fragen wir: ist dies 
ein Mensch oder Gott!? oder: gibt es Götter? Wir hören, wie die 
böse Ortrud den jungen Gottfried verzaubert, wir sehen, wie Lo< 
bengrin den Zauber beschwört und aus dem Schwan den Herzog 
von Brabant emporsteigen Jässt; wir sehen die Natur vor unsern 
Augen die unglaublichsten Dinge vollbringen und doch wird unser 
Glaube nicht einen Augenblick erschüttert. Denn wir sehen, wie 
die Menschen in der uns vorgeführten Landschaft all das Wunder- 
bare anstaunen, davon begeistert, erschreckt werden und empfinden 
mit ihnen den Schrecken , die Begeisterung. Wir sehen nicht blos 
die Elsa, die nur ein Traumleben führt, von der Erscheinung des 
Gottes bezaubert und in fortwährendem Bann gehalten; wir sehen 
das Volk, die Bitter, den bedächtigen König Heinrich, das Gött- 
liche verehren. Selbst der von der Zauberin Ortrud in die My- 
sterien eingeweihte Telramund beugt sich thatsächlich vor dem 
Gott; denn alle Körper- und Geisteskraft erliegt in ihm, sowie er 
mit dem Gott- Gesandten zusammentrifft. Und die Einzige, die den 
ganzen Zauber mit nüchternen Sinnen durchschaut, bricht schliess- 
lich mit all ihren Zweifeln zusammen, wie der Held ihre kleinliche 
Hexerei zerstört. 

Wagner vollbringt ei« Wunder an uns, indem er uns das Alles 
" wirklich glauben macht; dieses Wunder ist aber das einfachste und 
naturgemässeste , was jeder Mensch vollbringen kann, der den un- 
erschütterlichen Glauben an die Reinheit der eigenen Seele besitzt. 
Wir Alle wollen das unbedingt Gute und verachten das 
Schlechte. Wagner hat uns in der Elsa so schnell von dem un- 
bedingt Guten und in der Ortrud und dem von ihr befangenen 
Gemahl von dem unbedingt Schlechten überzeugt, dass er mit ge- 
ringer Mühe den Wunsch in uns erweckt, unter jeder Bedingung 
Elsa gerettet und Ortrud bestraft zu sehen. Unsere eigne Ueber- 



zeugung von der göttlichen Gerechtigkeit lässt uns ein Wunder voll- 
ziehen, was eigentlich kein Wunder ist; denn die Gerechtigkeit 
lebt in der gesammten Menschheit und muss unter allen Umständen 
dem Recht endlich zum Sieg verhelfen, wenn auch der Einzelne es 
nicht immer sieht, ja oft vor dem Unrecht erliegt. 

Ausser dem Wunder in der Handlung hat Wagner aber auch 
ein Wunder in der Sprache der Menschen vollbracht. Lohen- 
grin steigt mit göttlicher Musik vom Himmel herab; in hehrer 
Weise verabschiedet er seinen göttlichen Gefährten ; dann spricht 
er zu den Menschen, doch nicht wie ein Mensch, sondern wie die 
in ewiger Gefühls-Erhabenheit lebende Elsa, die erdeutrückte, dia 
schon längst im Geist mit ihm verkehrte , versteht ihn zuerst und 
erwidert in göttlicher Rede seinen Gruss. Der König, die Ritter, 
das Volk, von dem Wunder erfasst, sprechen in gleicher Weise zu 
dem Gott- Gesandten. Selbst Telramund und Ortrud, die 
Zweifler, wagen es nicht, die Harmonie der himmlischen Reden 
durch eine irdische Sprache zu stören. Der Kampf, der ansgefochten 
wird, ist ein irdischer; es spricht aber ein Gott sein Urtheil ; keine 
Menschen-Sprache kann das Heilige entweihen : in Jubel- Weisen, 
der Götter-Hymne gleich, erhebt sich das Siegeslied des freudetrun- 
kenen Volkes. Wie ein Bann liegt das Göttliche auf der befan- 
genen Menschheit; Ortrud und Telramund, die nüchternsten, nach 
der Niederlage selbst ganz prosaisch gewordenen, sie vermögen sich 
nicht dem Zwang der götterartigen Rede zu entziehen. Mit knir- 
schenden Zähnen knurrt Telramund seinen Rede-Sang und heulend 
vor Wuth schreit Ortrud ihre Ode an Wodan. 

Ein Heer von Geistern, Elfen, Nixen, Kobolden scheint bei 
dem Orche8ter-Getöne durch Luft, Wasser und die Tiefen der Erde 
zu fahren, bald lispelnd, säuselnd, bald rauschend, brausend, knur- 
rend und brummend zu der Rede, zu allem Thun und Gebahren der 
Menschen. Was die Menschen nur halb zu denken wagen , das 
haben die Geister schon erfasst ; in tausendfachem Wiederhall tönt's 
durch alle Räume, jeder ruft's in seiner Weise, keiner dem andern 
verständlich, ein chaotisches Gewirr und doch durchzieht eine grosse 
Harmonie das Ganze. Die Menschen, wenn sie menschlich rede» 
wollten, sie können nicht, sie fürchteu sich vor dem Laut ihrer 
eignen Sprache; es ist ihnen, als träfe der Tod sie, wettn sie in 
dem Geisterreich als Menschen erkannt würden. Sie müssen ein- 
stimmen in den Geister-Chor; sie müssen mit lispeln, säuseln, rau- 
schen, brausen, knurren und brummen. Es kann hier nur ein Ge- 
töne ertöuen, ein Leben und Weben der Geister, die grosse unend- 
liche „Harmonie der Sphären", dem Menschen als Menschen unfass- 
bar, doch verständlich, wenn es vergönnt ist, durch Pegasus Flug 
zu den Höhen des Götterreiches empor zu steigen. 

So ist die Handlung, die Sprache, die Musik im „Lohengrin". 
Ungeheuer, riesenhaft, bald koboldartig, dämonisch verzerrt, bald 
nixen-elfenartig verschönt, ziehen die Bilder an uns vorüber. Wir 
stehen in stummem Staunen davor, fühlen uns bald empor gehoben 
zur Bewunderung des Erhabenen, bald erschreckt, erstarrt von dem 
Dämonischen , bald in süsse Wonne aufgelöst von dem Reinen, 
Edlen und Schönen. 



- 18 



Die Sprache ist, wie in allen Werken Wagner'», in seinen 
Dichtungen, wie in seinen Kunstschriften, eine hochpathetische. Sie 
schreitet stets auf dem Kothurn einher; es ist die stolze Sprache 
des Rednors, des Kunstphilosophen. Wenn auch der Redner, der 
Philosoph in hoher Begeisterung mit einem gewissen Ebenmaass 
in Silben-Wechsel, in wohlgegliederten Sätzen spricht, so ist dieses 
Maass meist ein sehr weit gespanntes, was sich mehr im gedruckten 
Buch, als bei der gesprochenen Rede überblicken lässt. Eine solche 
Rede in Musik gesetzt wird noch in's Ungemessene verlängert; der 
Ton-Fall, der in der Sprache erst nach einer Reihe von Silben 
hörbar ist, wird hier so weit hin gehalten, dass man den Abstand 
nicht mehr sieht; die Perioden, deren Gliederung kaum im Buch 
zu erkennen ist, werden durch minutenlange Ausspannung vollständig 
unfassbar. Wagner hat diese Sprachweise in seine Opern einge- 
führt und, indem er auf die Dichtung das Haupt-Gewicht legte, die 
musikalischen Glieder (die Melodien) zu der Spannweite redne- 
rischer Phrasen ausgereckt. Wer die Rede versteht, kann bei 
einiger Uebung im Auhören den Tonfall , die Satzgliederung er- 
kennen; wer sie nicht versteht, der hört nur ein Ton-Gemurmel, 
das stellenweise sich hebt und senkt und hier und da zu grösseren 
und kleineren Gruppen geordnet ist. Das ist ein offenbarer Fehler ; 
die Kunst soll, — wenn sie auch zum vollen Verständniss Studium 
voraussetzt, — so deutlich sprechen , dass auch der minder Geübte 
wenigstens den Sinn erratheu kann. 

Wagner hat ferner, weil er das Wort, d. h. die Idee, alles An- 
dere beherrschen lässt, nicht auf die Folgen der Harmonien ge- 
achtet. Ohne Plan, ohne logische Nothwendigkeit folgen die Accorde 
auf- und durcheinander. Bei dem einfachsten Gedanken-Gang greift 
er oft zu den allerentferntesteu Accorden; er kehrt dann freilich 
wieder auf den Grund-Accord zurück; dessen Wirkung ist aber 
durch das Gewirr von Accorden, die unterdessen das Ohr bestürm- 
ten, vollständig zerstört, so dass man wohl eine Reihe von Stim- 
mungen, aber keine Grund-Stimmung verspürt. Die häufigen 
Dissonnanzen wollen wir noch erwähnen, um den Grund der 
häufigen V er -Stimmung anzudeuten. 

Zu dieser Verwirrung in der Tou- und Accorden-Folge kommt 
noch die Häufung der Instrumente. Die einfachsten Reden sind 
oft mit dicker Instrumentation begleitet. Der Sänger, der nicht 
selten in unsangbaren Lagen, ohne Rhythmus, ohne verständliche 
Gliederung der Sätze zu siugen hat, müht sich grfr oft vergeblich, 
aus dem Gewirr nur gehört zu werden. Wagner hat, wie er Riesen 
auf die Bühne brachte, auch Riesenstimmen verlangt. Die Wirkung 
würde freilich eine ungeheure sein, wenn das beabsichtigte aus- 
führbar wäre; er bedachte aber nicht, dass selbst die griechischen 
Schauspieler, die ohne Orchester sprachen, schon ein Schallrohr 
au ihrer Maske hatten, um von den Hörern verstanden zu werden. 

Je mehr wir in das Werk eindringen, desto mehr ^Schönheiten, 
aber auch desto mehr Mängel treten uns entgegen. An den Man« 
geln sehen wir wieder, wie gewaltig der Geist ist, der hier spricht. 
Denn hätte Wagner durch ernstlicheres Studium seiner Vorgänger 
sich deren Ausdrucksfähigkeit zu eigen gemacht, er würde vollendete 
Kunstwerke geschafft haben. So bleiben sie Wunder, die wir an- 
staunen und halb mit Freude, halb mit Bedauern geniessen. Wenn 
Wagner sich mit dieser Wirkung begnügt, bezeugen wir ihm alle 
Ehrerbietung. Wenn er aber die Verkehrung der Natur zum Princip 
erheben will, muss ihm die Wissenschaft entgegen treten, weil dies 
eine Versündigung an dem menschlichen Geist wäre. Denn eher 
müsste ein ganzes Kunstweik zertrümmert werden, als dass ein 
falsches Princip zur Anerkennung gelangte. Schon Herder sagt: 
„Die Autorität des Genies muss man bekämpfen, sie selbst zerstö- 
ren, wenn sie den Geist der Menschheit in Schranken bannen oder 
in falsche Bahnen lenken wollte/ Wenn je , so würde der Satz 
auf Wagner passen ! — H e i n r i ch B e ck e r. 



IVaturgescltlchtliclies aus der 
Musikwelt *) 

ii. 

8. Die deutsche Fest Jungfrau (virgo festalis germanä) 
war bis 1866, also bis zur vorläufigen Quiescirung des armen 

*) (Siehe Nr. 2 d. Bl.) 



Schwarzrothgold, besonders in dem an Lieder-, Turn- und Schützen - 
Festen so fruchtbaren Jahrzehend von 1855 bis 1865 eine Art so- 
cialer Nothwendigkeit. Aber auch jetzt noch treffen wir, wenn auch 
mehr nur sporadisch, jenes harmlose w eissgeflügelte Insect, welche 8 
bei Festzügen in holdseligen Gruppen die Fahne umschwärmt. Es 
heisst meistens Eulalia, Emmeline oder Euphrosy n e, und 
rühmt sich, die Tochter eines höchst freisinnigen kleiueren Bürgers 
zu sein, welchem weniger der Betrieb seines Geschäfts im schlich* 
ten Kramladen, als der Vertrieb von dessen Ertrag auf der Schiess- 
stätte am Herzen liegt; dafür ist er aber auch Schriftführer 
des Schützenbundes, Tafelmeister des Sängerkranzes, erster 
Sprecher des Turnvereins und Zugführer der Feuerwehr. Sein 
jüngster Sohn ist bereits Hornist bei der Jugendartillerie, die bei- 
den älteren sind Turner und Sangesgeuossen , daher die Tochter 
auch deren sämmtliche Kameraden mit Namen kennt, einige sogar 
dutzt. In einem noch zarteren, jedoch höchst anständigen Verhält- 
niss steht sie zu dem ersten Solotenor der localen Liedertafel , in 
dessen Hände sie bei der letzten Fahnenweihe, mit einer passenden 
Anrede, ein von ihr und ihren Mitjuugfrauen gesticktes Band gelegt 
hat. Ueberhaupt ist sie stark im Rhetorischen; schon im Flügel- 
kleide durfte sie bei der Durchreise der Landesfürstin ein Gedicht 
sprechen; seit aber der Herr Bürgermeister zu derlei offiziellen 
Lichtpunkten im Leben einer Kleinstadt seine Hedwig vorzuschie- 
ben wusste, hat sich Eulalia ganz dem Dieuste des Volkes gewid- 
met und ihr Vater ist noch viel freisinniger geworden. Sie hat sich 
seitdem auch grosse Routine im Streuen von Blumen und Zusam- 
mennähen von Fahnenstreifen erworben, deren man in den süd- 
deutschen Vaterländern noch gar verschiedene nöthig hat; bei 
Festessen, an deren Tage daheim nur Kaffee gekocht wird, weiss 
sie mit Grazie einen grossen Appetit zu befriedigen und dabei noch 
die umsitzenden Sangesbrüder mit allerei landläufigen Phrasen zu 
unterhalten; sie klingt immer dreimal mit ihnen an, sorgt bei et- 
waigen Bällen mit Umsicht dafür, dass keiner , .schimmle", und 
macht auch die „Armseligkeit" des gemeinsamen Heimmarsches 
gerne mit, wobei sie, wenn etwa die Musik einer ,,Janitscharia" 
od. dgl. voranzieht, taktfesten Schritt hält. In stillerer Zeit singt 
sie auf dem Kirchenchore die Sopransoli , wäscht uud flickt das 
weisse Festkleidchen, fertigt für sich einen Maskenanzug zum näch- 
sten Carneval oder gar ein Costüm zum Liebhabertheater, wofür 
„Aurelia oder der Triumph der Tugend" einstudirt wird. In spä- 
teren Jahren heirathet sie wohl, aber nicht jenen längst untreuen 
Solotenor, sondern einen bleichen Schulamtsverweser , eine Art 
„Brackenburg" aus der Nachbarschaft ; Bchon geraume Zeit schmach- 
tete er zu jener unnahbaren Höhe hinauf, wo die Festjungfrau 
thronte, dann sang er mit ihr aus „Faust": „Folg* dem Freunde 
mit Vertrauen ! 4 * bis sie ihm endlich folgte, nämlich in seine neue 
Dienstwohnung, und nun freut er sich des kostbaren Besitzes. 



CORRESPONDENZEK. 



Aus Regensburg, 



Der hiesige Oratorienverein, als dessen Gründer Prof. Lan goth, 
Notar Bernklau und Frau Stöhr gelten dürfen, besteht nun 
fünf Quartale. Seit dieser Zeit hat derselbe besonders Mendels« 
sohn's Werke (2., 43., 114. Psalm, Finale aus „Loreley", „Athalia", 
die Quartette für gemischten Chor) zu Gehör gebracht. Die Haupt- 
leistung derselben war unter der tüchtigen Direction des Hrn. Bern- 
klau H ä u d e 1 s „Messias". Der Verein gibt nämlich jährlich zwei 
Soireen und zwei Concerte, letztere mit Orchester. Das Programm 
der letzten Soiree vom 2. Dec. lautet: 1. Psalm 2 von Mendels- 
sohn-Bartholdy (achtstimmig.) 2. Chor und Hymne der 
Priesterinnen , Recitativ und Arie nebst Schlusschor aus „Iphigenie 
in Aulis von Gluck. 3. Madrigale von John Dowland (1590.) 
4. Alt- Arie aus J. Ha'yn's »Stabat mater". 6. „Hymnus an 
Cäcilia" von M. Hauptmann (Doppelchor.) 6. Madrigale von 
John Dowland. 7. „Ständchen,, von Fr. S ch u b e r t für 
Alt-Solo mit Damen-Quartett. 8. Zwei Lieder für gemischten Chor 
von Rheinberger: a. Waldesgruss ; b. AU meine Gedanken. 
9. Psalm 43 von Mendelsso hn-Bartholdy (achtstimmig.) 



19 — 



Der Psalm 2 von Mendelssohn Hess das Publikum kalt und erst bei 
den Madrigalen von Dowland, dem Ständeben von Fr. Schubert 
erwärmte sich dasselbe zu Beifallsbezeugungen. Wir wollen diese 
Gelegenheit benutzen, um auf die Madrigalensammlung, die Julius 
Maier in München bei Leuckart herausgegeben bat, alle Gesaug- 
und Oratorien* Vereine aufmerksam zu machen,*) als auf wahre 
Ferien, Tonstücke , welche ihres Eindruckes viel weniger verfehlen 
können, als viele moderne Gesangsquartette. — Früher bestand 
dahier gar kein Verein, der den Ghorgesang gepflegt hätte. Welchen 
Dank daher die Gründer des Oratorien- Vereins verdienen, wird der 
eu würdigen wissen, der die Schwierigkeiten der Gründung und 
Erhaltung desselben in einer Stadt kennt, wo alle Kräfte zersplittert 
waren, wo im Grunde bei der grossen Anzahl selbst der Gebildeten 
doch wenig reges Interesse für die höchsten Intentionen der Kunst 
herrscht. Nun ist doch die Möglichkeit geboten, ernsteren Chor- 
gesang zu pflegen, die Kräfte haben einen Mittel- und Vereinigungs- 
punkt erhalten! Möge darum der Vereiu nicht erlahmen, und sein 
Streben immer ein recht ernstes bleiben mit Ausschluss des blossen 
schwächlichen Unterhaltungsfutters, das überall anderswo in Fülle 
geboten wird. * 

Der Chorgesang erfreut sich dahier seiner hauptsächlichsten 
Pflege durch die Kirchenchöre. Der Domchor mit seinen ca. 30, 
die Chöre zu St. Emmeran , zur alten Kapelle , zu St. Blasius mit 
ca. je 20 Sängern (nur Knaben und Männer, meist Studirende der 
4 Setninarien) stehen unter tüchtiger Leitung der HH. S ehre ms, 
Witt, Haller und M e i 1 i n g e r und führen fast ausschliesslich 
die Meisterwerke des Palestrinastils , besonders aus der P r o s k ti- 
schen Mus. dir., auf. Die Sicherheit der Chorknaben in der In- 
tonation, Transposition, im Lesen der verschiedensten Schlüssel (die 
Alten müssen den Violin-, Sopran-, Alt- und Mezzosopran-Schlüssel 
der Alten lesen können), im Treffen, Einsätze etc. ist weithin be- 
kannt. Dabei wird in den Seminarien das Ueben der Saiteninstru- 
mente, des Claviers und der Orgel nicht versäumt. Es hat sich 
dahier bereits eine Schule , ausgehend von Dr. Proske , gebildet, 
eine Tradition für die Art und Weise, die alten Meisterwerke auf- 
zufassen. Desswegen finden sich fast alljährlich seit längerer Zeit 
Gäste ein, die den Aufführungen während der Charwoche beiwohnen, 
aus Württemberg, den Rheinlanden etc. 

Vom nächsten Jahre an wird eine neue kirchenmusikalische 
Zeitschrift „fifusica sacra u , redigirt von Franz Witt, erscheinen, resp. 
dessen „Fliegende Blätter für katholische Kirchenmusik" der Art 
erweitert werden, dass sie alle 14 Tage in einem Bogen (zu 8 Sei- 
ten) und 12 Bogen Musikbeilagen erscheinen. Die genannten Blätter 
zählten gegen Ende ihres zweiten Jahrganges (Novbr. 1867) 1312 
Abonnenten, wie aus der 10. Nr. erhellt. Der Redacteur derselben 
will nun auch einen n Cäcilien-Verein (< zur Förderung und Pflege 
der kath. Kirchenmusik" in Deutschland (mit Einschluss Oesterreichs 
und der Schweiz) gründen. An Rührigkeit fehlt es also nicht. Möge 
sein Streben ein glückliches Gedeihen und guten Erfolg haben! — 



> ♦•• < 



Aus Paris. 

lt. Janaar. 

Gegen Ende künftigen Monats soll „Hamlet" von Ambroise 
Thomas in der grossen Oper zur Aufführung kommen. Gestern 
hat die erste Probe mit Orchester stattgefunden. Man verspricht 
sich sehr viel von diesem Werke. Die Rolle der Ophelia, die, wie 
ich Ihnen bereits gemeldet, dem Fräulein Nilsson anvertraut 
worden, soll besonders effectreich sein. 

Man ist sehr gespannt auf die Darstellung des „ Tempi ario" 
Von Nicolai im Italienischen Theater. Die Proben dieses 
Werkes, das unter dem Titel v Jvankoe u nächsten Sonnabend über 
die Bretter gehen soll, werden eifrigst betrieben. Einstweilen wird 
dort die n Gazza ladrä" gegeben , in welcher Adelina Patti 
eben keine neuen Lorbeeren erntet. 

Die Opera comique will um die Mitte Februar Auber's Ȇh 
jour de bonheur" in Scene gehen lassen. 

Das Theätre lyrique macht mit Clappisson's „Fan* 

*) Ist in diesem Blatte bereits bei deren Erscheinen geschehen 

(Die Redaction.) 



ckonnette" volle Häuser. Man spricht noch immer davon, dass 
diese Bühne entschlossen ist, Wag]ner's „Lohengrin" dem Publi- 
kum vorzuführen. Einstweilen bereitet es die Aufführung einer Oper 
von Saint-Saeus, it Le Timbre &argen£ % , zur Vorstellung vor. 

In dem kleinen Theater Dejazet tritt jezt eine roaskirte San* 
gerin auf, die indessen mehr die Neugierde erregt, als die Kunst- 
liebe befriedigt. 

Seit hier wieder eine mildere Temperatur herrscht, hat sich 
der Zustand Rossini 's bedeutend gebessert. 



Nachrichten. 



Mainz. Einen schönen und seltenen Genuss bot den Musik- 
freunden das am 24. Jan. im Saale des „Frankfurter Hofes" statt- 
gefundene Concert des „Vereins für Kunst und Literatur", dessen 
Programm grösstentheils durch die Vorträge der HH. Coucertmeister 
Naret-Koning, Heidt jr., Mayer und Kündinge r, 
sämmtlich Mitglieder der Hofcapelle in Mannheim, ausgefüllt 
wurde. Die genannten Künstler bewährten vor Allem in dem Vor- 
trag des Quartetts in D-dur (op. 18, Nr. 3) von Beethoven 
und des Mendelssoh n'schen Es-dur-Quartetts ein so vorzüg- 
liches, auf langem Zusammenwirken beruhendes Ensemble , eine so 
verständnissvolle Auffassung und eine solche Sicherheit und Feinheit 
in der Ausführung der genannten Werke , dass man gleich gewahr 
wurde, man habe es mit echten Künstlern zu thun. Unser Publi- 
kum, dem derartiges gar selten geboten wird, zeigte diesmal auch, 
dass es die trefflichen Leistungen der fremden Gäste zu würdigen 
verstand und liess es an reichlichem Beifall nicht fehlen. In Hrn. 
Naret-Koning, welcher als Solovortrag Adagio und Scherzo 
aus dem 4. Violinconcert von Vieuxtemps spielte, lernten wir 
einen Geiger kennen, dem eine vollendete Technik, schöner Ton 
und noble, geschmackvolle Vortragsweise zu Gebote stehen; seine 
ausgezeichnete Leistung wurde mit den lebhaftesten Beifallsbezeu- 
gungen belohnt , sowie auch der Violoncellist, Hr. Kün dinge r, 
ein uns früher schon liebgewordener Gast, durch den sangvollen 
Vortrag der „Elegie" von Ernst die Zuhörer wahrhaft entzückte. 
Ein junger Ciavierspieler von hier, H. W. Freitag, Schüler des 
Leiters dieser Concerte, Hrn. N. S o 1 1 a n s , trat mit „Sehnsucht 
am Meere" von Willmers und „Zauberflöte -Fantasie" von 
P a ch e r zum ersten Male vor das Publikum uud erwarb sich dnreh 
sein sauberes und degagirtes Spiel vielen Beifall , der ihn zu fort- 
gesetztem ernsten Streben ermuntern möge. Ausserdem hatte Frl. 
Winkler vom Stadttheater die Gefälligkeit, einige Lieder von 
Mendelssohn und S ch u m a n n in anerkennenswerther Weise 
vorzutragen. Zum Schlüsse dieses kurzen Berichtes möchten wir 
den gewiss allgemein getheilten Wunsch aussprechen, dass die ge- 
ehrten Mannheimer Gäste uns recht bald wieder mit ihrem Besuche 
erfreuen möchten. E. F. 

Wiesbaden. Unser herzogliches, jetzt königliches Hoftheater, 
hat immer einen ehrenvollen Rang unter den deutschen Theatern 
behauptet. Bei dem Uebergang des Herzogtbums an Preussen ist 
die Forterhaltung des Theaters mit einer Dotation aus der Civilliste 
ausdrücklich versprochen worden, so dass man schon daran dachte, 
der Gemeindekasse den Bau eines neuen Theatergebäudes zuzu- 
muthen. Um so mehr wurde man durch die Nachricht überrascht, 
dass die Oberintendanz der königl. Schauspiele in Berlin eine 
Herabsetzung unseres Theateretats um 22,000 fl. jährlich angeord- 
net habe. Hiezu kommt noch, dass mit Abschluss des Spielver- 
gleichs auch die Subvention von jährlich 57,000 fl., welche die 
Actiengesellschaft der öffentlichen Spiele an das Theater vertrags- 
xnä88ig zu zahlen hat, in Wegfall kommen wird, so dass unsere 
Kunstaastalt nur auf eine sehr massige Dotation aus der Civilliste 
und auf ihre Einnahmen angewiesen sein wird. Wir haben seither 
hier Künstler beschäftigen können, die 4000 bis 5000 fl. Gehalt, 
ohne die üblichen Spielgelder , bezogen haben. — Das wird nun 
aufhören müssen, denn ohne eine reichliche Hofdotation kann sich 
unser Theater auf seiner bisherigen Höhe nicht behaupten. Di* 
Bestürzung über diese Nachricht ist eine allgemeine. (A. A. Ztg.) 

■ftSChen. Max Z e n g e r , ein begabter Müncbener Comp*- 



— 20 - 



»ist, dessen vor einigen Jahren hier aufgeführte Oper: „Die beiden 
Foscari" einen sehr ehrenvollen Erfolg hatte nnd der im vorigen 
Jahre mit seinem Oratorium „Kain" ganz entschieden durchdrang, 
hat eine neue Oper, „Ruy Blas", vollendet, welche in Mannheim 
im kommenden Monat Mai zur Aufführung kommen soll und auch 
von der hiesigen Hoftheater »Intendanz bereits angenommen ist. 
Auch mit der Direction des Stadttheaters in Nürnberg steht 
Hr. Zenger in Unterhandlung, deren Resultat die baldige Auffüh- 
rung seiner Oper auch auf dortiger Bühne sein dürfte. 

Wien. Die Direction der „Gesellschaft der Musikfreunde" hat 
ein Comite* erwählt, welches einen Plan zur gänzlichen Reorgani- 
8 irung des Conservatoriums entwerfen soll. Es besteht dieses Comite 
aus den Directionsmitgliedern Dumba, Egger, Esser, Walther, 
den artistischen Directoren Herbeck und Hellmesb erger, drei 
noch nicht gewählten Professoren des Conservatoriums und den 
Musikkritikern Hanslik, Schelle, Speidl und Z e 1 1 n e r. 

Brüssel. Das 5. populäre Concert des Hrn. Samuel bringt 
uns ausser der n Eroica u von Beethoven: die Hebriden-Ouver- 
türe von Mendelssohn; ein Oboe-Concert von Hände], 
»drei deutsche Tänze", dem Orchester der populären Concerte in 
Brüssel gewidmet von Woldemar Bargiel und die Ouvertüre zur 
„Preciosa" von Weber. 

Paris. Vor Kurzem hat der Director des The'dtre Lyrique, 
Hr. Carvalho, einen Vertrag mit Hrn. Nuitter, dem Bevoll- 
mächtigten Richard Wagner's und Uebersetzer des „Lohengrin", 
unterzeichnet, kraft dessen diese Oper demnächst, voraussichtlich im 
Monat Mai dieses Jahres, auf der genannten Bühne aufgeführt 
werden soll. Eine besondere Bestimmung dieses Vertrages ermäch- 
tigt Hrn. Hans von B ü 1 o w die Proben der Oper zu überwachen. 

— Im dritten Conservatoriumsconcert , welchns am 26. Ja- 
nuar stattfand , kam zur Aufführung : Sinfonie mit Choren (Nr. 9) 
von Beethoven; andante aus der 49. Sinfonie von H a y d n ; 
Arie aus „Montano und Stephanie" von B e r t o n , gesungen von 
Mlle. Marimon; Ouvertüre zu „Oberon tf von Weber. Herr 
George Hainl dirigirte. 

— Das 15. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup brachte : 
Sinfonie in A-dur von Mendelssohn; Adagietto und Scherzo 
aus Op. 101 von Joachim Raff (zum 1. Male); Sinfonie in C-dur 
von Beethoven; Adagio aus dem Quintett (op. 108) von M o- 
zart, ausgeführt von Hrn. G r i s e z (Clarinette) und sämmtlichen 
Streichinstrumenten und zum Schluss die Ouvertüre zum „Fliegen- 
den Holländer" von R. Wagner. 

— P r u m i e r , der Vater , Professor des Harfenspiels und 
Comite'-Mitglied am Conservatorium, ist während einer Comitesitzung 
plötzlich gestorben. 

*** Ueber Verdi's »Don Carlos", dessen Aufführung in Bo- 
logna und Turin mit grossem Enthusiasmus aufgenommen 
wurde, schreibt die Mailänder Musikzeitung wie folgt: „Verdi bat 
in seinem „Don Carlos" eine neue Musik geschaffen, eine Musik, 
ho ch gepriesen von Rossini, geahnt von Meyer- 
beer, gesucht vonGounod, vergebens versucht 
Ton R. Wagner, — die Musik der Tragödie. Es ist 
dies eine herrliche Arbeit, eine erstaunliche Schöpfung und ein 
unvergängliches Kunstwerk. Der Ernst der Handlung, die Erha- 
benheit der Ideen , der Schwung der Leidenschaften , die Gewalt 
des Orchester», die absolute Neuheit der Formen, welche dem Drama 
bewunderungswürdig angepasst sind, machen „Don Carlos" zu 
mehr als einem Meisterwerke, sie stempeln ihn 
■ u einem über Alles erhabenen speciellen T y- 
p u s." Das ist starker — Weihrauch ! 

*** Ferd. H i 1 1 e r wurde vom Grossherzog von Weimar mit 
dem weissen Falkenorden decorirt. 

*** Musikhändler Wilh. Schmid in Nürnberg hat nun 
auch in M ü n ch e n ein Musikgeschäft etablirt. 

*** Musikdirector Albert Bratfisch in Stralsund hat vom 
König von Schweden die grosse goldene Medaille \ t LUteri$ et Ar- 
tibus" erhalten. 

*** H. Berlioz hat am 11. December, seinem Geburtstage, 
von der Grossfürstin Helene ein kostbares Album zum Geschenk 
-erhalten. 

*** Die Hoftheater-Intendanz in M ü n ch e n kündigt an, das« 
«ie zur Verstärkung des Opernchors für die Aufführung der „Mei- 



stersinger von Nürnberg" von R. Wagner Tenoristen und Bas- 
sisten engagirt. 

*** Das schwedische Sängerquartett der HH. Lutte mann , 
Köster, Ellberg und Rydberg hat am 17. Januar in Wien 
ein besuchtes Concert gegeben und durch ein ausserordentlich, 
schönes Ensemble, sowie durch die eigenartige Wirkung der vor- 
getragenen schwedischen National-Gesänge vielen Beifall erzielt. Sie 
wurden von den HH. Eppstein und Hellmesb erger, deren 
vortreffliche Leistungen genügend bekannt sind, in freundlichster 
Weise unterstützt. 

*** Frl. Geistin ger, die ausgezeichnete Wiener Soubrette, 
hat im M ü n ch e n e r Actien- Volkstheater eine Reihe von Gastrollen 
vorzugsweise in Offenb ach 'sehen Operetten, gegeben und glän- 
zende Triumphe gefeiert. 

*** G oun od wird die erste Aufführung seiner Oper „Romeo- 
und Julie" in Wien, welcher man bis Mitte Februar entgegen- 
sieht, persönlich dirigiren , und ist zu diesem Zwecke bereits dort 
eingetroffen. 

*** Die dramatische Sängerin Frau Michaelis-Nimbs, seit 
einigen Jahren ein lehr beliebtes Mitglied des Hofteaters in Mann- 
heim, gastirt in Leipzig auf Engagement 

V Die Altistin Frl. Weber ist am Dresdener Hoftheater 
engagirt worden. 

V Der Wiederaufbau des abgebrannten Königin-Theaters in 
London ist nun schon beschlossene Sache. Der Bau soll in der 
glänzendsten Weise mit einem Kostenaufwand von 250,000 Pfund 
Sterling ausgeführt und in längstens 15 Monaten vollendet werden. 

*** In Edinb urg ist der verdienstvolle und allgemein be- 
liebte Musiklehrer Dr. Mark gestorben. 

*** Die Violoncellvirtuosin Frau Norman-Neruda hat in 
Brunn, ihrer Vaterstadt, zwei Concerte mit grossem Erfolge ge- 
geben. , 

%* Ferd. Hill er 's Oratorium „die Zerstörung Jerusalems" ist 
in Hamburg mit grossem Beifall aufgenommen worden. 

*** Frau W i 1 t ist am W i e n e r Hofoperntheater für weitere 
drei Jahre engagirt worden. 

*** Frankreich zählt gegenwärtig nicht weniger als 22,000* 
Gesangvereine (Socie'te's chorales). 

*** Der Violinvirtuose W i 1 h e 1 m j concertirt in Florenz, 
und fiudet dort enthusiastische Aufnahme. 

*** Im Wiener Harmonietbeater wurde eine neue Operette 
von Zaytz, „Nach Mekka", mit sehr günstigem Erfolge aufge- 
führt. 



Berichtigung. In der die neue Oper Gounod's betreffenden 
Notiz auf Seite 16 dieses Bl. ist durch Uebersehen ,, Frankfurt a* 
M. u anstatt C ö 1 n stehen geblieben. Wir fügen übrigens hier bei, 
dass die Wiederholungen genannter Oper in Cöln ein lebhafteres 
Interesse für dieselbe erweckt haben. Die Red. 



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IHHALT: Literatur. — Corresp. : Berlin. München. Paris. — Nachrichten. 



Literatur. 



Briefe über Musik an eine Freundin, von Louis 
Ehlert. Berlin, bei J. Guttentag. 1868. 
Zweite Auflage. 

Ehlert'a „Briefe über Musik" haben bei ihrem ersten Erschei- 
nen lebhaftes Interesse in der musikalischen, vorzugsweise aber in 
der Dilettantenwelt erregt, so dass der ersten Auflage nach kurzer 
Zeit eine zweite folgen musste. Es ist uns bei dem Durchlesen 
dieser Briefe auch die so schnelle Verbreitung derselben ganz be- 
greiflich erschienet], denn sie sind in recht anziehender und fes- 
selnder Weise geschrieben, geistreich pikant, mitunter ein wenig 
schwärmerisch, hie und da in recht anerkeonenswerthem Freimuth 
Bemerkungen aussprechend, welche sich wohl Manchem ebenfalls 
schon aufgedrängt haben, ohne dass er sie vor lauter Autoritäts- 
glauben bei sich selbst, aoeh viel weniger aber laut auszusprechen 
wagte. Beethoven, Mozart, Havdn , Schubert, Schumann, Mendels- 
sohn, Berlioz, Franz, R. Wagner etc. etc. und ihr Schaffen geben 
den Stoff zu den 29 Briefen her, welche in ihrer Gesammtheit eine 
recht hübsche Leetüre für Musiker und Musikfreunde darbieten 
und, wenn wir nicht sehr irren, besonders bei der gebildeten Damen- 
welt viel Beifall rinden werden. 

Theoretisch-practische Orgelschule in Uebun- 
gen nebst Anweisung von Ludwig Ernst Geb- 
hardi. 12. Werk. Zweite sehr vermehrte und um- 
gearbeitete Auflage. Erste Abtheilung. Brieg, 
bei J. Gebhardi. 

Unter den vorhandenen Orgelschulen zählt die Gebhardi'sche 
im Sinne practischer Brauchbarkeit und fasslicher Darstellungsweise 
sicherlich mit zu den Besten. Sie ist das Werk eines rühmlich 
bekannten Practikers und tüchtigen Meisters auf dem herrlichsten 
aller musikalischen Instrumente uud wird nicht nur dem Anfänger 
ein sicherer Führer sein, ihn von Stufe zu Stufe seiner Ausbil- 
dung mit Sicherheit und Umsicht leitend, sondern bietet auch dem 
vorgeschrittenen Spieler in einer reichen Auswahl gediegener Orgel- 
stücke Stoff zu seiner weiteren Uebung und Ausbildung. Die vor- 
liegende erste Abtheilung der Schule enthält nach einem Vorworte 
einen kurzen Abriss der Geschichte der Orgel und gibt sodann die 
erforderliche Belehrung über die Structur der Orgel, über Registri- 
rung, Erhaltung der Orgel und über Orgelbegleitung in klarer, 
leicht fasslicher Darstellung. Der practiache Theil beginnt dann mit 
einer kleinen Vorschule, welche die Elemente der Musik und die 
n'ötbigsten ersten Fingerübungen nebst sämmtlichen Tonleitern ent- 
hält. Es folgen sodann 27 zweistimmige und 25 dreistimmige, 
meist contrapunktische Sätze mit beigefügtem Fingersatz, und nach 
diesen ein Capitel über die musikalischen Verzierungen, Triller, 
Doppelschlag etc. und deren Ausführung, sowie eine Erklärung der 
vorkommenden Fremdwörter. Der siebente Abschnitt enthält aus- 
führliche Belehrung über den Gebrauch des Pedals und eine Anzahl 



Uebungen für dasselbe. Den Rest des Buches (von Seite 50-115) 
füllen eine Reihe von 117 progressiven vierstimmigen Sätzen, Vor- 
spielen, Trios, Chorälen, Fugen und Fantasien in trefflicher Auswahl. 
So Möge denn dies Werk den des Orgelspiels Beflissenen 
mit gutem Fug und Recht bestens empfohlen sein und zur Verbrei- 
tung und Hebung dieses edlen Zweiges der musikalischen Kunst 
recht ausgiebig beitragen. 

100 Rhythmische Choräle für Schule und Haus, 
in leichtem Ciaviersatz für Pianoforte oder 
Harmonium bearbeitet von Friedrich Grell. 
München bei E. H. Gummi; Berlin bei T. 
Trautwein. 

Die Absicht des Herausgebers dieser Choräle war, wie er in 
seinem Vorworte sagt, keine andere als dazu beizutragen, dass die 
schönen alten Kircheumelodien immer populärer und dadurch für 
alle Zeiten dem Volke erhalten werden. Dies wird aber am besten er- 
reicht, wenn auch den nicht orgelkundigen Verehrern der alten Choräle, 
wenn der Schule, der Familie dieselben in einer fasslicben und leicht 
spielbarep , für das Ciavier berechneten Harmonisirung vorgelegt 
werden, so dass ihre feierlich rührenden Klänge auch von schwä- 
cheren Ciavierspielern dem Ohre und dem Herzen zugänglich ge- 
macht, ja geradezu zum Unterricht für Anfänger benützt werden 
können und so schon dem jugendlichen Gemüthe sich der Sinn da- 
für einpflanzen mag. In diesem Sinne hat Grell auch wohl recht 
Anerkennenswerthes geleistet und es ist zu wünschen, dass er sein 
Ziel, die alten Choralmelodieu in Schule und Haus recht eiuheimish 
zu machen, im weitesten Umfange erreichen möge. 

Abenteuer und Erlebnisse des kleinen Hans. 
Ein Bilderbuch mit Musik und Gesang für Kinder. Mit 
12 Illustrationen von Julius Koch. Erzählung und 
Musik von SalvatoreC. Marchesi. Deutsche Ueber- 
setzung von Wolfgang Müller von Königswin- 
ter. Leipzig, bei Alphons Dürr. 1868. 

Der als Sänger uud Gesanglehrer rühmlichst bekaunte Verfas- 
ser spendet mit diesem musikalischen Bilderbuche, welches er sei- 
nen Kindern gewidmet hat, der lieben Jugend eine so hübsche, er- 
freuende und zugleich nützliche Gabe — denn sie ist ganz dazu 
geeignet, Sinn uud Gehör für Musik bei Kindern zu wecken uud 
zu fördern — und der Uebersetzer W. Müller sowie der Illustra- 
tor Jul. Koch haben es sich so sehr angelegen sein lassen, das 
Buch so anziehend als möglich zu machen und die Ausstattung den 
lieblichen und leicht fasslichen Versen und Melodien entsprechend 
anzupassen, dass man wohl kaum ein passenderes und sinnigeres 
Geschenk für Kiuder wählen kann. Es wird auch ohne Zweifel 
seinen Weg in die Stube der Kinder uud an das Ciavier der musik- 
liebenden Mutter gar bald finden. E. F. 



- 22 



CORRESPOHDBHZSH. 



Aus Berlin. 

(Volks -Concerte.) 

Em ist neulich der treffende Vergleich aufgestellt worden «wi- 
schen den immer mehr an die Tagesordnung kommenden billigen 
Ausgaben deutscher Classiker und unseren billigen Sinfonie-Concer- 
ten; wie jene, so sind iu der That auch diese als ein Segeu für 
die Geistes* und Geschmacksbildung des Volkes anzusehen; und 
vorausgesetzt, dass sie noch einige fernere Decenuien in dem näm- 
lichen Umfange und in derselben Güte der Ausführung bestehen, so 
werden auch sie dazu beitragen, jene Kluft zwischen den gebildeten 
Classen und dem im Unterschied davon sogenannten Volke zu ver- 
mindern — vielleicht thuen auch die ersteren hier ein Uebriges 
dazu und steigen in humanem Entgegenkommen um so weit herab, 
als jene heraufkommen ; auch sie dürfen nur noch einige Decennien 
so weiter ins Rückwärts pilgern , wie jene ihrer besseren Zukunft 
entgegen, und wir , die Gebildeten (und Eingebildeten) sind eines 
schönen Tages nivellirt mit Allem, was wir heute noch unvorsichtig 
„Gevatter Schneider und Handschuhmacher" titulireu. 

Gegenwärtig wirken hier nebeneinander die „Berliner Sin- 
fonie -Capelle" unter J. Stern, welcher die Wahl der mit 
ihrem bisherigen Chef entzweiten Liebi g'schen Capelle annahm; 
G. Liebigi mit einer neuen Capelle, während sein Sohn Ju- 
li u s Liebig wiederum eine eigene dirigirt, und B i I s e , 
der Mitte December v. J. erschienen ist, vielleicht ein Hannibal 
ante portas für eine der anderen Unternehmungen. Herrn C. 
Liebig bleibe das Verdienst der Stiftung von Volksconcerten un- 
vergessen, wie viel oder wenig er auch seiner Capelle gegenüber 
im Rechte gewesen sein mag: ehe er kam, war die Bourgeoisie 
Berlins hoch entzückt, wenn sie nach dem „Hofjäger, " ins Grüne 
wallfahrend , von 18 Mann auf Geigen , Hörnern und Clarinetteu 
beliebige Ländler und Polkas Sonntags zu hören bekam. Jene drei 
Orchester unterscheiden sich nun etwa wie folgt. Während C. 
Liebig sen. bemüht ist, seine neue Capelle einzuschulen, die frei- 
lich lange zu thun haben wird , ehe sie mit der alten rivalisiren 
könnte, uud übrigens ganz im Styl seiner früheren Concerte fort- 
fährt, hat Prof. J. Stern, dessen Namen man Anfangs verwundert 
war, mit den Namen von Berliner „Lokalen" zusammen zu erblicken, 
seinen Concerten, wiewohl sie ebenfalls populär gehalten sind, doch 
in den Programmen einen höheren künstlerischen Glanz verliehen, 
und insbesondere darf man die besonderen „Soireen," welche er 
einmal wöchentlich zu erhöhtem Preise mit eingeschlossenen Vir- 
tuosen-Vorträgen und ohne das fatale Accompagnement von Bier 
und Tabak etc. veranstaltet, als einen sehr schätzbaren Vortheil für 
das mittlere Publikum bezeichnen , dasjenige , welches wenigstens 
so viel Idealfähigkeit besitzt, ats dazu gehört, vor 10 Uhr Abends 
kein Bier zu trinken und 10 Sgr. dazu für ein „unbelegtes" Con- 
cert auszugeben. Es sollten wahrlich auch Virtuosen jeder Art für 
ihre öffentlichen Leistungen massige Entreen beanspruchen, damit 
ausser dem „verehrlichen" Publikum auch die „Leute" etwas davon 
hätten, dagegen, sich als die Aristokraten des Talentes betrachtend, 
im geselligen Verkehr ihr Spiel nur gegen hohes Honorar, also der 
Aristokratie des Reichthums, der Geburt, allenfalls billiger für die 
übrige Aristokratie der Intelligenz, zugänglich erhalten, publice 
billig, privatim theuer sein, im Verhältniss von 1 Thlr. zu 1 Frd'or. 
Welchem Künstler ausser uns fällt es denn ein, seine Arbeit zu 
verschenken? 

Ein zweiter Unterschied zwischen beiden Unternehmungen ist, 
dass das neue Orchester unter dem alten Hm. L i e b i g sich zum 
Interpreten für die Werke nicht nur der bereits mehr oder minder 
anerkannten unter den lebenden Componisten macht, sondern auch 
bereitwillig den jüngeren eine Uebungsstation offeu erhält , welche 
gern einmal ihre neue Sinfonie oder Ouvertüre hören wollen , wäh- 
rend Stern sich hierin spröder verhält, uud ohne die Lebenden 
abzuweisen, doch bisher nur die Fertigen unter ihnen gewählt hat. 
In diesem Sinne sind aus den Programmen C. Liebig's namhaft 
zu machen: die Columbus- Sinfonie von Abert, mehrfach ausge- 
führt, H. Ulrich's Sinfonie triomphale, von C. Rein ecke: Sin- 
fonie in A-dur und Ouvertüre zu „Dame Kobold," von Vieriin g 



Ouvertüre zu „Maria Stuart,", von R ubinstein die Ocean-Sinfonie, 
von Norb, Burgmüller die Ouvertüre zu „Dionys," von Jul. 
Rietz Concert - Ouvertüre ; Sinfonien von Walter, L. Maurer, 
Ad. Fischer („In stiller Nacht*'), G. Lieb ig (auch ein Sohn C. 
Liebig's), L. Deppe — von demselben auch Ouvertüren zu „Don 
Carlos" und „Iring;" Ouvertüre „Italia" von Dupont, „Romun- 
tische Suite" von G. Huberti (in Brüssel preisgekrönt, hier ohne 
besonderen Erfolg geblieben) und andere, kleinere Compositionen. 

Prof. Stern hat in demselben Sinne nur N. W. Gade dies- 
mal seine besondere Zuneigung geschenkt uud von demselben zwei 
Sinfonien (in C-moll und A-moll) und drei Ouvertüren : „Ossians- 
klänge," „Im Hochlande" und „Hamlet" aufgeführt, weiter R. 
Wu erstes Preissinfonie, gelegentlich vom Componisten selbst diri- 
girt , desselben Phantasiestück „Mährchen," und ziemlich häufig 
Compositionen von Lach n er und Taubert. 

Es ist also im Ganzen der seltene Fall eingetreten, dass aus 
persönlichem Streit zwischen Musikern der Sache selbst unversehens 
bedeutende Vortheile erwachsen sind, kein „plectuntur Achivi" 

Das erwähnte Orchester von Jul. Liebig, leider besser: eine 
Restauration mit Orchester, dient meist nur den Massen; zweimal 
wöchentlich erhebt es sich im sogenannten The mu&ical (sicf) un- 
gefähr bis zu dem Niveau der väterlichen Programme. 

Dem Zwecke , dem alle diese Concerte dienen , ist nun hier- 
selbst eine neue Stätte erbaut, das zweckmässig kurz sogenannte 
„Concert-Haus," von Dimensionen , wie bisher kein Musiksaal in 
Berlin sie aufzuweisen hatte ; dort versammelt B i 1 s e seit seiner 
Ankunft täglich mehrere hundert von Zuhörern ; er fing damit an, 
dass er erst Zug-Programme aufstellte, letzthin jedoch war es ganz 
im Sinne dieses gediegen schwungvollen deutschen Musikers, dass 
er auf den Anzeigezettel, wo sonst noch allerhand Geschäftsleute 
ihren Rummel treiben dürfen, selber setzen Hess: die „ernsten" Sin- 
fonie-Concerte buginnen Mitte Januar, die „gewöhnlichen" Abeud- 
Concerte werden fortgesetzt; diese letzteren sind nun in Bezug auf 
die Ausführung nichts weniger als gewöhnlich, auch sind Sonntags 
schon ernstere Programme aufgestellt und das Publikum durch die 
C • moll - Sinfonie von Beethoven und nach der „Serenade" von 
Haydn so entzückt gewesen, dass man, was sonst in derlei Con- 
certen nicht eben üblich ist, dem Dirigenten mit dreifachem Her- 
vorruf lohnte. 

So steheu diese Sachen hier; es ist abzuwarten, und nicht ohne 
sachliches Interesse , wie sie sich weiter entwickeln werden , und 
werde ich über diese Concerte daher, von Zeit zu Zeit weiter Be- 
richt erstatten. Carl Fuchs. 



A. ii s münclien. 

Ende Januar 18 SS. 

t Es könnte ein langer und interessanter Artikel über die Ver- 

suche und Anläufe geschrieben werden, welche gemacht wurden, die 
Oper „Armida" von Gluck in München zur Aufführung zu 
bringen; über die Vorarbeiten, die seit etwa 15 Jahren betrieben 
wurden und Über die Intriguen, welche gegen das Vorhaben in 
Scene gesetzt wurden. Seit langer Zeit ist für notizeubedürftige 
Münchener Correspondenten über Kunst und Wissenschaft Armida 
immer die berühmte oft gesehene Seeschlange und ihre Eiustudiruug 
wurde schon so häufig mitgetheilt, dass schliesslich kein Mensch 
mehr daran zu glauben Lust hatte. Endlich gelang es der uner- 
müdlichen Ausdauer des General - Musikdirectors L a cb n e r doch, 
das grosse Kunstwerk aufzuführen und dem Fräul. M a 1 1 i n g e r 
war es vorbehalten, die Partie der Arinida, welche gleich grosse 
Ansprüche an Stimme uud Auffassung, an Sängerin und Schauspie- 
lerin stellt, in mustergiltiger Weise vorzuführen. Eine solche Sän- 
gerin mit dieser reichen musikalisch • deklamatorischen Begabung 
musste abgewartet werden, um der Oper auch eine würdige Auf- 
nahme Seitens des Publikums zu liefern , das Gluck'sche Werk 
musste um so vollendeter zur Aufführung kommen, um das Publi- 
kum, dessen Geschmack durch brillante Ausstattungsstücke, durch 
„schöne Helena," „Pariser Leben" u. dergl. immer mehr depravirt 
wird, für die schöne Einfachheit, die ideale Grösse, den tragischen 
Ernst und die himmelentsprossene Poesie, welche durch die „Ar- 



- 23 



vnida" mit frischen, Geist und Gemütb erhebenden Zagen weht, 
empfänglich zu machen. Das Experiment ist gelungen und mit 
wahrer Andacht folgte das Publikum, welches sich zu den beiden 
«raten Aufführungen so zahlreich eingefunden hatte, dass aucjj das 
letzte Plätzchen des weiten Hauses verkauft war, den Gedanken 
des grossen deutschen Meisters. Ihren Lesern brauche ich nicht 
erst des Weiten die Schönheiten des Werkea auseinander zu setzen 
und ich begnüge mich mit der Rolle eines Referenten. 

Die Ouvertüre machte durch ihre Schlichtheit und Einfachheit 
einen guten Eindruck, ihr Char acter stimmt jedoch nicht ganz zu 
4er Oper, was leicht zu erklären ist, da sie bekanntlich nicht für 
die Armida, sondern für den „Telemach," eine an Form und Inhalt 
gänzlich verschiedene Oper, geschrieben wurde. 

Der Vorhang hebt »ich, eine prächtige Vorhalle im Palaste 
Armida's liegt vor una. Die Musik tritt einfach und gewaltig, in 
tragischem Ernst anhebend, das Wort durchgeistigend und in seiner 
Bedeutung verstärkend auf; doch erst im zweiten Acte finden wir 
den gewaltigen Meister in seiner eigentlichen Sphäre: das BeschwÖ- 
rungsduett sträubt uns die Haare zu Berg und erschüttert uns im 
innersten Herzen. Und als träten wir aus einer wilden unheim- 
lichen Waldschlucht heraus in eine sonnenhelle, friedensselige Land- 
schaft, so klingt uns die Musik der dritteu Scene im 2. Act ent- 
gegen, anmuthig, leicht dahintänzelnd, verlockend durch Wohlklang 
— echt frauzösisch. Den eigentlichen Begriff von dem schöpferi- 
schen Riesengeist des Tonheros gibt aber doch erst der 3. Act. 
Als wären sie wirklich in der Unterwelt belauscht brausen uns diese 
Chöre entgegen, voll wilder Leidenschaft, voll ergreifender Charak- 
teristik, aber doch verklärt durch die Poesie der Form. Uud wie 
reich an Empfindung und dramatischer Wirkung reibt sich an diese 
Chöre der Schmerzensruf Armida's, welche nun für den Geliebten 
bangt und die entfesselten Geister wieder kommen möchte! Das 
ist echter Gluck — ernst und einfach , mit wenigen Mitteln das 
Qrösste erreichend , gewaltig und doch immer schön, immer Musik. 
Der vierte Act ermüdet das Auge durch die Ueberladung der Hand- 
lung mit Ballet und das Ohr durch die Wiederholung ähnlicher 
Tonstücke. AU die Oper zum zweiten Male gegeben wurde , Hess 
«man auch aus gutem Grunde die Scene zwischen Melisse und Ubald 
weg. Im 5. Act hebt .der Genius des Toudichters erhöhten Flug 
an, die Leidenschaften stürmen aufs Neue gegeneinander und wie 
ein fern abdonnerndes Gewitter fährt Armida auf ihrem Drachen- 
gespann in die Lüfte. — Das ist ein kleines Bilderbuch der Oper. 

Es war Alles geschehen, um derselben eine würdige Aufführung 
«u bereiteu. Unter Leitung L a ch n e r's hatten die Proben statt- 
gefunden und das Orchester wie das Sängerpersonal war sattelfest. 
Die Maler in Berlin und München waren in Thätigkeit gesetzt, 
Decorationen zu der Oper zu schaffen, und sie thaten das mit Ge- 
«chick und Fleiss, und Maschinist und Costümier wetteiferten mit 
ihren Künsten. 

Unter den Darstellern gebührt der vollste Kranz dem Fräulein 
Malliuger, dieser auf der deutschen Bühne zur Zeit einzig dastehen- 
«deu Künstlerin. Alle Effectmittelchen verschmähend, sich ganz dem 
Dienst der Tondichtung hingebend, sucht sie nur die Ideen des 
Componisten in edelster Weise zu verkörpern und aus Spiel und 
«Gesang eine ideale Figur zu schaffen, wie sie vor der schaffenden 
Seele des Tondichters gestanden. Keusch, edel und innig empfun- 
den ist jeder Ton, den sie singt, aus ihrem Gesang «prichi; Leiden- 
schaft und Grösse der Auffassung, und über ihren Gebilden, die sie 
aus Klang und Bewegung schafft, giesst frische Jugend seine Zau- 
ber und begeisternde Poesie ihren süssen Glorienschein. So muss 
die Säugerin beschaffen sein, welche einen Gluck interpretiren will. 
Vortrefflich waren auch die HH. Vogl(Rinald) und Kindermann 
<Hydraot), und ihnen gebührt nach Fräul. Mallinger das grösste 
Lob. 2 



Aus Paris. 

3. Februar. 
Die erste Generalprobe der neuesten Oper von Auber, „üh 
Premier jour de bonheur," hat Freitag in der Opära comique 
«stattgefunden , und wie man von vielen Seiten versichert, ausser- 
ordentlichen Beifall erregt. Es wird von Allen, welciie dieser Probe 



beigewohnt, dem Werk ein ungewöhnlicher Erfolg prophezeit. Der 
Compositeur, der vor einigen Tagen sein 86. Lebensjahr zurück* 
gelegt, ist körperlich noch sehr rüstig und von einer geistigen 
Frische, die man in der That nicht genug zu bewundern vermag. An 
seinem Geburtstag wurde ihm von der Musik der Nationalgarde 
ein Ständchen gebracht. Man spielte die Ouvertüre der „Stummen 
von Portici" und einen Marsch, dessen Motiv einer Sonate entnom- 
men ist, welche der Meister in seinem 16. Jahre, also vor 70 Jah- 
ren, componirt hat. Er war durch dieses Ständchen aufs Ange- 
nehmste überrascht und drückte seinen Dank dafür in den herzlich- 
sten Worten aus. „ Un jour de bonheur u wird, wenn nicht unvor- 
hergesehene Hindernisse eintreten , gegen Mitte dieses Monats in 
Scene gehen. 

„Hamlet" von Ambroise Thomas wird in der grossen Oper 
fieissig einstudirt. Man lobt an diesem Werke besonders die Chöre, 
die einen grossen Styl verrathen sollen, und die Kirchhofscene. 

Das Italienische Theater hat vorigen Dienstag Nicolai's 
vTemplario" mit ziemlichem Erfolg zur Darstellung gebracht. Ma- 
dame Krauss als Rebecca und Stell er als Briand erwarben sich 
wohlverdienten Beifall. Zu bedauern ist, dass die Partitur nicht 
gerade im Interesse der Kunst zugestutzt worden. Das genannte 
Theater bringt nächstens „Don Juan'* mit der Patti als Zerline 
zur Aufführung. 

Man ist allgemein gespannt auf die Darstellung des „Lohen- 
grin" den das Tke'ätre lyrique in Kurzem dem Publikum vorfüh- 
ren wird. Wagner hat auch in Paris fanatische Bewunderer ; 
seinen Gegnern kann man jedoch keinen Fanatismus vorwerfen. 
Die bedauerlichen Scenen, die seiner Zeit bei der Aufführung des 
„Tannhänser" in der grossen Oper stattfanden, werden sich diesmal 
gewiss nicht wiederholen. Sie wurden auch damals weniger durch 
die Musik, als durch das unvernünftige Gebahren der Wagner'schen 
Partei hervorgerufen. Wenn diese sich ruhig verhält, wird das 
Publikum mit gewohnter Unbefangenheit sich seinen Eindrücken 
hingeben. 



laehrichten. 



München. Durch ein schmeichelhaftes königl. Handschreiben 
vom 31. Januar wurde Hr. General musikdirector Lachner auf sein 
wiederholtes Ansuchen und in Berücksichtigung seiner durch ärzt- 
liches Zeuguiss nachgewiesenen Gichtleidens auf ein Jahr , vom 
1. Februar an, in den Ruhestand versetzt. S. M. der König sprach 
zugleich die Hoffnung aus, dass das Ausscheiden des verdienstvol- 
len Meisters nur ein vorübergehendes sein werde und verlieh dem- 
selben in Anerkennung seines bisherigen erspri esslichen Wirkens 
das Comthurkreuz des Verdienstordens vom heil. Michael. 

Carlsruhe. Am 15. Januar gab der „Cäcilienverein" unter der 
Leitung des Hrn. Hofkirchenmusikdirectors G. G i e b n e ein grosses 
Concert zum Besten der hiesigen Frauen vereine vor einem äusserst 
zahlreichen, aus allen Classen der Gesellschaft zusammengesetzten 
Auditorium. Das Programm enthielt: Ouvertüre zu „Oberon" von 
Weber; Arie des Belmonte aus der „Entführung," gesungen von 
Hrn. Kammersänger Brandes; Kyrie aus der Es -dur- Messe von 
Fr. Schubert; Arie aus „Orpheus" von Gluck, gesungen von 
Frl. Bürklin, und in der zweiten Abtheilung die Wiederholung 
der „Kreuzfahrer" von N. W. G a d e. Sämmtliche Kummern wur- 
den anf das Gelungenste aufgeführt und von dem Publikum mit 
ausserordentlichem Beifall aufgenommen. Insbesondere stand die 
Aufführung der „Kreuzfahrer" der in Nr. 52 vom vorigen Jahrgang 
dieser Blätter erwähnten ersten Vorführung in einer Beziehung nach, 
Übertraf dieselbe vielleicht noch an Abrundung und sicherer, be- 
geisterter Wiedergabe von Seite der Solisten, sowie des Chors und 
Orchesters. Es war demnach nicht nur den Zuhörern ein schöner 
und mannigfaltiger Genuss geboten , sondern auch der specielle 
Zweck dieses Concertes durch eine sehr ergiebige Einnahme erreicht 
worden, ygofür allen Mitwirkenden und insbesondere Hrn. Giehne, 
dem wackern Dirigenten, der beste Dank gebührt. 

Leipzig. Am 29. Januar hat die Einweihung des neuen Stadt- 
theaters stattgefunden, welcher der ganze königl. Hof beiwohnte. 



— 24 - 



Pie Akustik des Hauses hat sich für Musik wie für das gespro- 
chene Wort vortrefflich bewährt. 

Wien. In eioer dieser Tage abgehaltenen ausserordentlichen 
Generalversammlung der „Gesellschaft der Musikfreunde" stellte 
sich zuerst das neue Directorium der Versammlung vor, worauf 
dann eiu Antrag, betreffend die Beschaffung der nöthigen Geld- 
mittel zur Fortführung und Vollendung des begonnenen Baues eines 
neuen Gesellscbaftsgebäudes vorgelegt wurde. Es wurde jedoeh die 
Debatte über diesen Antrag zum Zwecke reiflicher Prüfung der be- 
treffenden Vorlage vertagt und einer demnächst zu berufenden Gene- 
ralversammlung die Entscheidung in dieser Lebensfrage vorbehalten. 

*** Roger gastirt im deutschen Theater zu P e s t mit grossem 
Erfolg. Sein erstes Auftreten erfolgte in der Rolle des Edgar in 
„Lucia von Lammermoor. u 

*** Der ausgezeichnete Violoncellist David off, welcher seit 
seiner Berufung nach Petersburg (im Jahre 1862) als Professor 
am dortigen Conservatorium seiner Virtuosen- Carriere entsagt hatte, 
wird nun wieder eine Kunstreise durch Deutschland antreten und 
am 27. d. M. im Gewandhaus- Concert zu Leipzig auftreten, von 
wo ans er dann erst Korddeutschland und dann Süddeutschland be- 
reisen will. 

*** Concertmeister Laub in W i e n hat einen Ruf nach Peters- 
burg erhalten und angenommen, der ihm ein fünfjähriges Engage- 
ment unter glänzenden Bedingungen verbürgt. 

*** Der Tenorist Hacker von Dessau hat am Hofopern- 
theater in Wien ein Gastspiel in der Rolle des Masaniello be- 
gonnen. 

*** Der König von Preussen hat dem Generalintendanten der 
kpnigl. Theater, Hrn. v. Hülsen, eine Gehaltszulage von 1000 
Thlrn. gewährt, so dass dessen Gesammtgehalt sich nun auf 6000 
Thlr. jährlich beläuft. 

%* Der Capellmeister und Componist Benedict in London 
bat den preussisohen Kronenorden vierter Classe erhalten. 

%* Die erste Nummer der „Jlfusiea Sacra, Beiträge z,ur 
Reform und Förderung der katholischen Kirchen- 
musik," herausgegeben von Franz Witt, dem Redacteur der 
„fliegenden Blätter für kath. Kirchenmusik," ist bei Pustet in 
Regensburg erschienen und enthält: Einen Aufsatz „lieber eine 
Bearbeitung des Chorals v Pange lingua H von Liszt" von Fr. Witt; 
ferner Betrachtungen über die Kirchenmusik in Oberschlesien ; Bio- 
graphische Skizze über Abbe Vogler; Musikalisehe Miniaturbilder 
aus verschiedenen Ländern; Journalschau und allerlei Polemik. 
(Wir wünschen dem , verdienstvollen und für seine Aufgabe begei- 
sterten Herausgeber den besten Erfolg für sein Unternehmen). 

*** In Berlin, ist der erste Violoncellist des königl. Opern- 
hauses, Moritz Ganz, am. 23. Januar, 62 Jahre alt, gestorben. 
Er war ein ausgezeichneter Virtuose auf seinem Instrumente und 
seit 1827 als königlicher Kammermusiker und erster Violoncellist 
an Max Bohrer's Stelle angestellt; 1836 erhielt er- den Titel 
eines Goncertmeisters. 

*** Der königl. Musikdirector und Domcapellmeister Moritz 
Brosig in Breslau feierte kürzlich sein 25 jähriges Künstlerjubi- 
läum, bei welcher Gelegenheit ihm von dem dortigen Dorochor ein 
prachtvoller Taktstock und ein silberner Lorbeerkranz, von seiuen 
Freunden und Verehrern ein werthvoller silberner Pokal und ausser- 
dem ein Album mit den Photographien aller seiner Schüler und 
Schülerinnen als Festgeschenke überreicht, auch ein solennes Fest- 
essen ihm zu Ehren veranstaltet wurde. 

%* Eine Amati-Geige Ludwigs XIV. befindet sich im 
Besitze des zu Raab in Ungarn lebenden Finanzrathes lvanfy. 
Das Instrument wurde von Andrea Amati laut eines in Händen des 
Besitzers befindlichen Documentes für Ludwig XIV. auf Bestellung 
angefertigt. Die Violine ist in . vollkommen gutem Zustande erhal- 
ten und befindet sich an derselben kein einziger Sprung. Der Ton 
ist üherrascheud gross und gesangreich. Ueber die interessanten 
Schicksale dieses Instrumentes gibt nachstehender Brief dd. 30. Mai 
18ä5 vom Hrn. Baron P r a u n aus Tyrnau an Hrn. Mathias Knote 
in Krakau Aufscbluss: „Auch ihren zweiten Brief habe ich erhal- 
ten und bitte mich bei dem Hrn. Lipi nsky, einem so ausgezeich- 
neten Verehrer meines verblichenen Sohnes, entschuldigen zu wollen, 
dass ich in seinen nicht unbilligen Wunsch dennoch nicht einstim- 
men könne, weil die versiegelte Violine als ein theures Vermacht* 



niss eines so unersetzlichen Sohnes und als ein Cabinetsstück der 
Familie Bourbon eiuen für diese und für mich unschätzbaren Wertb 
habe, den mein sehr verehrter Freund Lipinsky zu überbieten keine 
Veranlassung haben könne. Er wird sich als Kenner dieselbe, ohne 
sie zu sehen, vorstellen können, wenn ich ihm sage, dass sie von 
dem delicatesten Modelle des Andreas Amati für Ludwig XIV. ex- 
presse gemacht ist, dessen königliches Wappen mit der darüberstehen- 
den Sonne und der stolzen Devise dieses Regenten : „Nee pluribus 
impar, u auf dem Boden der Violine von einem namhaften Maler in 
Oel gemalt ist. Der Deckel aber ist aus einem Stücke und zwar 
von Herecaholz, welches an den Mauern des Süden, jedoch nur höch- 
stens in Armsdicke, wächst und mithin dieser Stamm zu der Violine 
auch ein Phänomen unter seinem Geschlechte wegen dieser Grösse 
bildet. Uebrigens ist das ganze Instrument, welches bis zur Revo- 
lution von 1789 in der französischen Schatzkammer aufbewahrt lag,, 
so gut conservirt, dass es nicht den geringsten Sprung oder andere 
Beschädigung hat. Der Herzog von Cambridge, Bruder des jetzigen 
Königs von England und Viceköuig von Hannover, hat meinem Sohn 
800 Ducaten Gold dafür geboten etc. a 

%* Eine Invaliden -Akademie. Pietro Locatelli,. 
geb. 1690 zu Bergamo, gest. 1764, ein hervorragender Geigen- 
virtuose und Componist, war nach London gekommen und hatte 
dort ein Concert angekündigt, für welches ihm seine Freunde ein 
zahlreiches Auditorium prophezeit hatten. Allein , wie das nun in 
London und auch anderwärts häufig vorkommt, er schlug kaum 
seine Kosten heraus. Locatelli machte einen zweiten Versuch, und 
siehe, das Haus blieb fast noch leerer, als das erste Mal. Abge- 
schreckt durch diesen neuen Misserfolg, veränderte Locatelli, wel- 
cher unterdessen den Geschmack des Publikums kennen gelernt 
hatte, seine Tactik. Er holte alle krüppelhaften und kranken Mu- 
siker, die er nur finde« konnte, zusammen, um mit denselben unter sei- 
ner Leitung einen Verein zu bilden, welchen er „Akademie von Inva- 
liden" benannte ; sodann liess er eine Anzeige drucken , in welcher 
er die bevorstehende Eröffnung seines Vereins ankündigte mit dem 
Beifügen, dass man in dem ersten Concerte ein Violinduett, ausge- 
führt von zwei Buckeligen, sowie auch ein Trio hören würde,, 
vorgetragen von einem Kropfigen, einem Lang aasigen und 
einem armen Teufel , der am Veitstanz leide. Ein Au dermal kün- 
digte er ein Quartett an, von einem Kr u rnb einigen, einem Dick- 
wanst, einem Dickkopf und einem Zwerge ausgeführt. Die 
Invaliden-Akademie hatte einen unglaublichen Erfolg; der Concert- 
saal war immer voll und nach kurzer Zeit kehrte Locatelli mit vol- 
len Taschen in seine Vaterstadt zurück und lachte von Herzen über 
den lustigen Humor der Engländer. 

*** Am böhmischen Nationaltheater in Prag sind wieder zwei 
Opern mit nationalen Sujets unter grossem Beifall aufgeführt worden, 
nämlich: „Leyla" von Carl Ben dl und „Hai ka" vonMoniusko. 

*** Der Ciavierfabrikant Chickering in Boston hat seinen 
auf der Pariser Ausstellung preisgekrönten Prachtflügel dem Abbe 
Liszt zum Geschenke gemacht und ihm denselben persönlich nach 
Rom gebracht. Liszt weigerte sich anfänglich , die kostbare Gabe 
anzunehmen, musste aber endlich dem Drängen Chickering's nach- 
geben. 

*** Die Sängerin Frl. O r g e n y ist für das Leipziger Stadt- 
theater engagirt worden. 

*** Emil Büchner ist vom Herzog von Meiningen zum Hof- 
capellmeister ernannt worden. 

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17. Februar 1868. 



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PREIS: 






fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 
\ für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 
_ 50 kr. od. 15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: Neue Briefe Beethoven's. — Corresp. : München. Stuttgart. Cölu. — Nachrichten. 



Neue Briefe Beethoven'*« 

Nebst einigen ungedrnckten Gelegenheits - Compositionen und Aus- 
zügen aus seinem Tagebuch und seiner Leetüre. Herausgegeben 
von Ludwig Nohl. Stuttgart, bei J. G. Cotta. 1867. 



Vor etwa dritthalb Jahren Hess Ludwig Nohl im selben Ver- 
lage einen Band „Briefe Beethoven 's" erscheinen, welcher 399 
Briefe und Billete Beethoven's an die verschiedensten Persönlich- 
keiten und noch einen besonderen Anhang von 12 Briefen an den 
Advokaten Dr. Johann Kaula in Prag enthielt, erscheinen und 
wir verweisen in diesem Betreff die geehrten Leser dieser Blätter 
auf Nr. 37 und ff. des XIV. Jahrganges derselben. Dieser wertb- 
vollen Sammlung Hess nun der unermüdliche Herausgeber vor Kur- 
zem den oben bezeichneten weitern Band Briefe folgen, welcher 
auf XVIII. S. Vorwort und Inhaltsverzeichniss und auf 312 S. nebst 
dem Namen- nnd Sachregister 322 Briefe etc. enthält und somit 
dem zuerst "erschienenen Bande an Umfang nur wenig nachsteht. 
Aber auch in Bezug auf den Inhalt steht die neue Folge von Brie- 
fen Beethoven's der zuerst veröffentlichten in keiner Weise nach, 
sondern es ist dieselbe vielmehr eine nothwendige Ergänzung der 
ersten Sammlung (obwohl auch für sich selbst von selbststäudigem 
Interesse), und enthält Briefe au mehrere im ersten Bande nicht 
figurirende Persönlichkeiten, wie z. B. an den Componisten Fried. 
▼. Drieberg, an Step. Hummel, an Seh ny der v. Warteu- 
see, an Frau Marie Pachl e r-Roschat, an Louis Schlösser, 
jetzt Hofcapellmeister in Darmstadt u. a., welche , wie der Heraus- 
geber iu seinem Vorworte treffend bemerkt, aufs Neue die hülf- 
bereite Theilnahme bekunden, die der durch sein eigenes Schaffen 
so ganz und gar in Anspruch genommene Meister Zeit seines Lebens 
für jüngere Talente, seien es Künstler oder auch Dilettanten, be- 
wahrte, wenn sie nur irgend die Fähigkeit zeigten, .,sich immer 
weiter in den Kunsthimmel hinauf zu versetzen" und dort „auch 
das Vollkommene zu erkennen, das selbst auf uns immer wieder 
zurückstrahlt." Von nicht geringerem Interesse, sind die Briefe an 
den Maler Macco, an Theodor Körner, an den Kuustfreund 
W. Gerhard in Leipzig und insbesondere der einzige bis jetzt 
bekannt gewordene Brief Beethovens an Frau van Beethoven, 
die Wittwe seines Bruders Carl, welcher Z*eugniss ablegt für die 
milde Weise, womit der so sitteustrenge Mann diese „schamlose 
Königin der Nacht" (man vergleiche die auf diese Frau bezüg- 
lichen Stelleu iu dem ersten Bande der Beethoven'schen Biiefe) 
trotz allem Leid und aller Schmach, die sie ihm anthat, persönlich 
behandelte, sowie auch der Brief an Schindler (Nr. 268), wel- 
cher, mit Nohl zu sprecheu, „die innerlich unbehagliche Stimmung 
ausspricht, die ihm dieser banausische Geist mit seiner doch wieder 
nicht ganz zu eutbehrendeu Dienstfertigkeit im Grunde stets berei- 
tete, ohne andererseits die angeborne Neigung, dem Hülfsbedürfti- 
gen zu helfen, irgeud zu verläugnen." Von grosser Wichtigkeit 
sind ferner hier wie in der ersten Sammlung die Reihen von auf- 
einanderfolgenden Briefen uud Billeta an ein und dieselbe Persön- 
lichkeit, wie z. B. an Gleichenstein (Nr. 9-22), an die Gräfin 



£ r d ö d y (Nr. 45, 1 13 u. ff.), an den Erzherzog Rudolph 
(Nr. 57 ff.), an Frau Streicher (Nr. 155 ff), welche in das Ganz» 
eine Art von biographischem Faden bringen und uns den Menschen 
und Künstler Beethoven immer näher bringen. Die Briefe an den 
Bruder Johann sowie an die Musikverleger B r e i t k o p f und 
H ä r t e 1 uud C. F. P e t e r s in Leipzig uud S ch o 1 1 iu Mainz 
sind zum grössten Theile hier zum ersten Male veröffentlicht. Auch 
über das Verhältniss Beethoven's zu seinem Schüler Erzherzog 
Rudolph verbreiten die hier mitgetheilten Briefe ein neues, 
früher darüber aufgestellte Ansichten berichtigendes Licht. Dia 
unverkürzte Wiedergabe mancher unangenehm berührenden Stellen 
in den Briefen Beethoven's an seinen Bruder Johann rechtfertigt 
Nohl damit, „dass er die Ueberzeugung hege, dass der ganze Werth 
und die Besonderheit eines Menschen nur dann deutlich hervortreten, 
wenn man ihn in seinen wirklichen Verhältnissen enthülle, dass 
also auch die wahre Grösse eines Mannes sich erst dann darstelle, 
wenn man sehe, was er zu überwinden hatte, um gross zu sein, 
um gross zu werden." 

Zum Schlüsse der vorstehenden Bemerkungen zu dieser neuen 
ßriefsammlung wagen wir die Ueberzeugung auszusprechen , dass 
sie bei deu Freunden und Verehrern des grossen Meisters eine 
nicht minder günstige Aufnahme als der erste Band derselben finden 
und auch für die Nichtbesitzer jeues ersten Bandes ein hohes In- 
teresse, eine unwiderstehliche Anziehungskraft bewähren wird. 



CORRESPONDENZEN, 



A. u s jfl ii n c h e ii. 

1 Februar 18 SS. 

Zu Schubert's Geburtstagsfeier (31. Januar 1797) versam- 
melte das Hoftheater vorgestern die Freunde uud Verehrer diese* 
Componisten, um ihnen mehrere seiner Werke in gediegener Dar- 
stellung vorzuführen. Die Feier eröffnete die Ouvertüre zu „Alfonso- 
Estrella," ein Instrumental werk, das sich wenig über conveutiouelle 
Formen und Gedanken zu erheben vermag; vou seineu Liedern 
wurden gewählt: „Der Blumen Schmerz," „Die Forelle," „An Syl- 
via" und „Die Post" — gewiss lauter werthvolle Proben lyrischer 
Musik. Frau D i e z sang dieselben mit der gewohnten Meister- 
schaft ; ohne sich in das dramatische Gebiet zu verirren, wusste sie 
durch die Farbe des Tones zu characterisireu, die Stimmung fest- 
zuhalten und im Gesang voll auszusprechen. Die „Nacbthelle, - 
eine von Liedertafeln oft verhunzte feine delicate Gesangsnummer, 
wurde von Solisten der Hofoper und Hrn. Bachmann aus Dres- 
den, der zur Zeit hier gastirt, mit vieler Poesie gesungen und in 
der besten und wirksamsten Weise zum Ausdruck gebracht. 

An diese Musikaufführung reihte sich die reizende Operette 
„Der häusliche Krieg." Die OuvertUre zu „ Rosamund e" lei- 
tete dieselbe ein. Die Aufführung der Operette durchwehte eine 



26 - 



festtägliche Stimmung, und die Damen Die«, Stehle und Pich« 
ler, die Herren Kindermann, Yogi und Heinrich wie die 
Chöre erwarben sich ein gegründetes Anrecht auf allgemeinen Bei- 
fall. Es war ein schöner Abend voll Poesie . voll Genuas, eine 
herrliche Feier, welche einem der edelsten deutschen Tondichter 
galt. Z. 



Aus Stuttgart. 

Ende Januar. 

T. Dem Extra- Concerte, welches unsere Hofcapelle zu Gunsten 
der ostpreussischeu Nothleidenden ausführte, und worin unter 
Abert's Direction Spoutini's Ouvertüre zu „Cortez," Mendelssohn^ 
A-dur-Sinfonie, dann Solovorträge von Frl. Klettuer und von den 
BH. Singer und Bertram zu Gehör kamen , waren wir leider 
vollständig beizuwohnen verhindert. Desto unverkümmerter war 
uns der Genuss des alljährlich wiederkehrenden sogenannten Mozart« 
Concertes, in welchem unter Dopplers Leitung lauter Tunschöp- 
fungen des am 27. Januar 1756 geborenen Meisters vorgeführt wur- 
den. Da sang Schütky mit prächtigem Tone die hochedle Arie: 
Mentre di lascio, und Frl. Klettner die beiden Lieder: „An 
Chloe" und „das Veilchen" mit warmer Empfindung; der Chor: 
„Au die Sonne/' dann die C-molI-Sinfonie und die köstliche Haff- 
nerserenade wurden mit Meisterschaft ausgeführt; in der letzteren 
entzückten besonders die von Singer preiswürdig gespielten 
Violinsoli, uud darunter am meisten das launige Rondo ; das war 
wie goldiger Sonnenstrahl, durchschwirrt von tausend flimmernden 
Mücken, die da so unermüdlich , als dürft* es nicht auders sein, 
ihren lustigen Beigen vollführen. Das A-dur- Andante und der 
D-dur-Menuet blieben weg, da das Concert ohnehin lang genug 
dauerte; überhaupt wird hier bei dem so reichlich vorhandenen 
Musikstoff das für die edle Tonkunst selbst so vorteilhafte Maass 
von l l /a Stunden gern überschritten. In einer kleinen Aufführung 
des Vereins für clasaische Kirchenmusik unter Faisst's Leitung 
hörten wir mehrere sehr interessante Kirchenlieder und rhythmische 
Choräle von Schein, Schrötter , Hintze, Crüger, Eccart, Prätorius 
u. A., einen Psalm für Alt (Frl. Marschalk) von Marcello , Du- 
rante's Magnificat und zwei Orgelfugen von Bach (G-moll) und 
Händel (Fis-moll), welche Hr. Tod ganz untadelhaft ausführte. — 
Das zweite Concert des „Schubertvereins" in Cannstadt, der 
durch Tendenz und Tüchtigkeit bereits neben hiesigen Instituten 
genannt zu werden verdient, brachte verschiedene Chöre von Fr. 
Lachner, Mendelssohn, Sucher, Zenger und L. Stark, dazu Schu- 
berts Psalm für Frauenstimmen, Beethoven'* Opferlied und zwei 
Duette aus „Jessonda" und „Richard Löwenherz." Die Theilnahme 
an diesem jungen Unternehmen läset numerisch Nichts zu wünschen 
übrig und wird sich hoffentlich auch bald ein regeres Interesse für 
die hier gepflegte Musikgattung selbst einstellen. 

In Prof. Ganter 's zweitem Vortrag über neuere Ciaviermusik 
hörten wir Compositionen von Weber, Tomascheck, Kalkbrenner, 
Herz, Moscheies u. A., sämmtlich von Frau S. Hörner mit feinem 
Verständniss und virtuoser Technik vorgetragen ; insbesondere mit 
Weber's As-dur-Sonate errang sie begeisterten Beifall. Dazwischen 
wusste der Vorleser durch interessante Vergleiche und anziehende 
Details den Hörer augenehm zu fesseln; wir können diese Gattung 
von Musikabenden nur als eine sehr verdienstliche bezeichnen. Im 
Conservatorium fand seither eine Reihe gelungener Aufführun- 
gen statt, worin zahlreiche Clavierconcerte , Kammermusikwerke, 
Orgelsachen, Violin- uud Gesaugstücke von älteren und neueren 
Meistern zum Vortrag kamen, und dies nicht nur durch Zöglinge 
der Künstlerabtheilung, sondern auch durch solche der Dilettanten- 
schule, welche sich bei den besseren Ständen dahier eines grösse- 
ren Zutrauens erfreut, und Dank der opfernden Bemühung des 
Hrn. L e v i und seiner neben ihm wirkenden CoIIegen alljährlich 
die günstigsten Resultate erzielt; dieselbe hat ihr gutes Theil dazu 
beigetragen, dass sich dahier der Sinn für ernste musikalische Gei- 
stesnahrung seit einigen Jahren so sehr gehoben hat, und die her- 
vorragenden Leistungen unserer hiesigen Künstler eine so aufrich- 
tige Würdigung und Anerkennung finden. 



Aus €5ln. 



F. Auch hier, wie au allen grösseren Orten des weiten deutschen; 
Vaterlande», drängen sich in den kurzen Wintermonaten die Con- 
certe, Soireen, Theater, Abendunterbaltungen , öffentliche Vorlesun- 
gen etc. in bunter Reihenfolge aufeinander. Wir haben hier die 
üblichen 10 Winter-Concerte (Abonnemeut), 6 Soireen und 3 Ma- 
tineen der beiden hiesigen Quartett-Vereiue für Streichinstrumente, 
3 musikalische Abendunterhaltungen des ,, Cölner Männergesang- 
Vereins" in Verbindung mit der „Philharmonischen Gesellschaft," 
Woblthätigkeits-Concerte aller Art, für die Nothleidenden Ostpreus- 
sens und die verunglückten Bergleute in Iserlohn, die wöchentlich 
dreimal stattfindenden sehr beliebten Concerte der Militärchöre des 
33. und 65. Infanterie -Regiments (Laudenbach und Zerbe), 
die Oper „Romeo und Julie," öffentliche Vorlesungen, Gast- und 
Benefizvorstellungen uud hundert andere musikalisch , dramatisch- 
carnevalistische Sitzungen und Aufführungen, welche alle mehr oder 
weniger auf den Beutel des vergnügungssüchtigen Publikums specu- 
liren und mitunter recht Nettes und im Kreise der Kunst manches 
Hervorragende und Lobenswürdige bringen, worüber der Referent 
berichten soll und oft in der Verzweiflung nicht weiss , wohin er 
seine Schritte lenken und wo er in seinem Berichte beginnen oder 
aufhören soll. 

Um nun aber den eng zugemessenen Raum eines Correspondenz- 
Artikels nicht gar zu sehr zu überschreiten, werde ich mich kurz 
fassen müssen und aus der Masse des Gebotenen nur Einzelnes 
hervorheben und zu besprechen suchen. 

Am 11. Januar fand in dem geschmackvoll restaurirten Con- 
certlokale des Gertruden-Hofes die erste der für diesen Winter pro- 
jectirten drei musikalischen Abendunterhaltungen des „Cölner Män- 
nergesang- Vereins" und der „Philharmonischen Gesellschaft" statt 
das betreffende Concert-Programm brachte unter anderem die herr- 
liche Leonoren-Ouvertüre Nr. 1. von Beethoven; es folgten drei 
Lieder für Solo und Männerchor mit und ohne Begleitung von 
B e 8 ch n i 1 1 und Joh. H e r b e ck , vorgetragen von dem „Cölner 
Männergesang- Verein." Hieran reihten sich die Pianoforte-Piecen 
„Introduction und Rondo" aus der Clavier-Souate in C von Beet- . 
hoven und Polonaise in Es von Chopin, vorgetragen von Hrn. 
Isidor S e i 8 s , Professor am hiesigen Conservatorium. Den Schluss 
des Concertes machte Altmeister Louis Spohr mit seinem Werke 
„Die Weihe der Töne," characteristisches Tongemälde in Form 
eiuer Sinfonie nach einem Gedichte von Carl Pfeiffer. Die Or- 
chestersätze gingen ganz vorzüglich und machten der executirenden 
Gesellschaft alle Ehre. Die Ausführung zeigte, was Kunstsinn, Aus* 
dauer, Geschmack, guter Wille und fortgesetzte Uebung unter der 
trefflichen Leitung ihres bewäbrteu Dirigenten Frauz Weber zu 
leisten vermögen. 

Die Liedervorträge des „Cölner Mäunergesang- Vereins," dessen 
künstlerische Productionen wir in unserer Vaterstadt in der letzten 
Zeit ungern vermissten, wurden mit der diesem Vereine so oft und 
mit Recht nachgerühmten Meisterschaft und künstlerischer Vollen- 
dung ausgeführt und mit grossem Beifall begrüsst. Der Verein 
hat durch diese Vorträge neuerdings bekundet, dass er keine Rück- 
schritte gemacht und immer auf der Höhe seines altbewährten Ruh- 
mes steht und in seineu vollendeten Leistungen in Bezug auf Ton- 
fülle, Ensemble, Auffassung, frische Stimmen, Schattirung, Sprache 
und Vortrag von einem anderen Vereine sobald nicht übertroffen 
werden wird; die Soli« der beiden Vereins- Mitglieder, die Herren 
v. O r s b a ch (Tenor) und W. Lehmann (Bariton) wurden mit 
stürmischen Applaus aufgenommen. 

Herr Professor Isidor S e i s s , dieser geniale Künstler, auf des- 
sen Besitz unsere Stadt stolz sein kann, errang sich in den Piano- 
fortevorträgen durch sein meisterhaftes Spiel einen fast nicht endend 
wollenden Beifall. Das nach dem Concerte arrangirte gemeinschaft- 
liche Souper , welche noch durch eingelegte Liedervorträge der 
HH. v. Orsbach und A. Peltzer eine besondere Würze erhielt, 
sowie ein darauf folgendes Tänzchen, hielt die zahlreich anwesende 
Gesellschaft bis tief in die Nacht in der heitersten Stimmung zu- 
sammen. 

Diese Abendunterhaltungen, hervorgegangen aus dem fühlbar 
gewordenen Bedürfnisse der beiden Gesellschaften, neben dem Kunst« 



27 - 



genusse auch zeitweise ein geselliges Vergnügen für die Familien- 
angehörigen der Mitglieder und Ehrengäste zu bieten, scheinen viel 
Anklang «u finden und dem Geschmaek des Publikums zu ent- 
sprechen. Ueber 600 Personen mit einem reichen Damenflor n»b- 
inen an dieser Unterhaltung Theil und versprechen die folgenden 
Unterhaltungenluoch eine zahlreichere Betheiligung. 

(Schluss folgt.) 



laehrichten. 



Mainz. Abermals haben wir ein Concert des „Vereins für 
Kuust nnd Literatur" zu besprechen, welches am 7. d. M. stattfand 
und durch die Mitwirkung der HH. Concertmeister Hugo Heer- 
mann, Ruppert B e ck e r , Ernst Welker und Louis L ü b e ck 
aus Frankfurt a. M., sowie der kgl. Hofopernsängerin Frau Jenny 
S o 1 1 a n s (geb. Hentz) aus Cassel sich zu einem der genussreich- 
sien dieser Saison gestaltete. Die zuerst genannten Künstler trugen 
zwei Streichquartetten, nämlich das eine in D-moll von Haydn und 
das andere in G-dur von Beethoven mit einer Meisterschaft vor, 
welche das äusserst zahlreiche Publikum zu den lebhaftesten Bei- 
fallsbezeugungen hinrisa. Wir müssen dem letzteren überhaupt zu 
seiner Ehre nachsagen , dass es in Folge der ihm in letzterer Zeit 
häufiger als früher gebotenen Gelegenheit, sich an classischer Kam- 
mermusik zu erfreuen , auch wirklich schon empfänglicher für der- 
artige Genüsse geworden ist und sich denselben mit voller Auf- 
merksamkeit uud Theilnahme hingibt. Um so auffallender muss es 
erscheinen, dass ein Theil des Auditoriums, und zwar nicht etwa 
der minder gebildete, die grössere Mehrzahl der Zuhörer während 
der interessantesten Productionen durch überlaute Conversation in 
ihrem Genüsse stört, eine Unsitte, welche zwar in derselben Weise 
häufig auch in andern Städten sich bemerklich macht, aber darum 
nicht weniger tadelnswerth erscheint. Hr. Lübeck, hier schon als 
ausgezeichneter Violoncellvirtuose bekannt und beliebt, spielte eine 
Canzonetta von eigener Composition und eine „Berceuse" von H. 
Reber, ein recht originelles und feines Salonstück, mit schönem, 
edlem Ton und geschmackvollem Vortrag, und Hr. Heermann 
gab die G-dur-Romanze von Beethoven in einer Weise wieder, 
welche den technisch durchgebildeten Virtuosen und feinfühlenden 
Künstler erkennen Hess und Beide sahen sich durch reichlichen 
Beifall belohnt. Wir rufen auch den trefflichen Frankfurter Quar- 
tettisten, wie kürzlich deren Mannheimer Kunstgenossen von Her- 
zen zu: „Auf Wiedersehen!" Frau Hen t z-Sol tans, vom Publi- 
kum freundlichst empfangen, trug die grosse Sopran-Arie in F-dur 
aus Haydn's „Schöpfung" mit so klarer, prächtiger Stimme und in 
so künstlerisch durchdachter, tief empfundener Weise vor, wie wir 
dieses herrliche Gesangsstück noch selten gehört haben , wofür ihr 
auch stürmischer Beifall zu Theil wurde. Nicht minder warm und 
schön sang sie das „Busslied" von Beethoven und ein sehr an- 
sprechendes Liedchen: „Tausendschön," von ihrem Gatten com- 
ponirt. Der Vereinsvorstand hat sich durch dieses schöne Concert 
abermals das musikalische Publikum unserer Stadr zu lebhaftem 
Danke verpflichtet. 

München. Im verflossenen Jahre kamen im k. Hoftheater 120 
Opern, 1 Oratorium und 6 Ballets zur Aufführung. Neu gegeben 
wurde die „ Afrikanerin, " und einstudirt: „Jessouda," „Tannhäuser," 
„Lohengrin," und „Johann von Paris." Meyerbeer's Opern füllten 
15, Lortzing 11, Mozart 9, Bellini 6- Abende aus. 

Augsburg. Der Oratorium- Verein hracbte am 1. d. M. 
unter der Leitung des Capellmeisters Seh letter er zum Besten 
der nothleidenden Ostpreussen Mendelssohn' s „Elias" zur Auf- 
führung. Die Soli wurden von Frl. Meyer, k. Hofcapellsängerin, 
Frau v. Maugstl, k. Hof- und Kammersängerin aus München und 
Hrn. Geusendorf, Tenorist des hiesigen Theaters, in sehr gelun- 
gener Weise vorgetragen, besonders war die Leistung der Fr. von 
Mangstl (Alt) eine so vortreffliche, dass sie gewiss allen Zuhörern 
unvergesslich bleiben wird. Auch die Partie des Elias wurde in 
sehr lobenswerther Weise durchgeführt und der wohlgeübte Chor 
mit seinen frischen Stimmen und seiner herzerfreuenden Sicherheit 
und Begeisterung, sowie das Orchester, welches in uneigennützigster 
"Weise sich zur Verfügung gestellt hatte, trugen zum schönen Ge- 



lingen des Ganzen recht erheblich bei und verdienet* alles Lob. 
Sowie die musikalische Leistung eine wohlgelungene war,, ebenso 
wurde auch der besondere, peeuniäre Zweck durch einen recht hüb- 
schen Reinertrag für unser» leidenden Brüder in Ostpreussen in 
entsprechender Weise erfüllt. 

Wi6n. fm nächsten philharmonischen Concerte kommt 
u. A. Rheinberger's „Wallenstein" - Sinfonie zur Aufführung. 

— Die Aufführung der Oper „Romeo und Julie" im Hofopern- 
theater unter Gounod's persönlicher Leitung ist vom Publikum 
mit grossem Beifall aufgenommen und Gounod durch vielfältigen 
Hervorruf ausgezeichnet worden. Die Kritik jedoch ist weniger 
entzückt von dem genannten Werke, welches es als dem „Faust" 
desselben Componisten in musikalischer Beziehung nachstehend, ja 
eigentlich nur als eine schwächere Nachahmung desselben bezeichnet 
und den Erfolg weniger dem Werthe als der vortrefflichen Insce- 
nirung und Aufführung der Oper zuschreibt. 

Paris. In den Fantatsie Parisiennes ist S ch u b e r t's Operette : 
„Der häusliche Krieg" mit vollständigem Erfolge in Scene gegangen. 

— Das fünfte Conservatoriumsconcert fand am 2. d. M. mit 
folgendem Programm statt: Sinfonie mit Chor (Nr. 9) von Beetho- 
ven; Andante aus der 49. Sinfonie von Haydn; Scene und Chor 
aus „Idomeneus" von Mozart; Ouvertüre zu „Oberon" von Weber. 
— Am selben Tage gab Pasdeloup sein 14. populäres Concert 

I uud führte darin auf: Ouvertüre zur „Zauberflöte" von Mozart; 
Suite für Orchester von Massenet; Melusinen -Ouvertüre von 
Mendelssohn; „La Separation" Romanze für das Hörn von 
Lorenz, vorgetragen von Hrn. Mohr; Sinfonie in C moll von 
Beethoven. Das 15. dieser Concerte brachte: Sinfonie in 
C-moll (Nr. 41) von Haydn; Marsch aus „Lohengriu" von R. 
Wagner (zum 1. Male); „Canzonetta" aus dem Quartett Op. 12 
von Mendelssohn, ausgeführt von sämmtlichen Streichinstru- 
menten ; Musik zu „Egraont" von Beethoven; „Jubel • Ouver- 
türe" von Weber. Die Orchester - Suite von Massenet wurde 
vom Publikum höchst ungünstig aufgenommen. Ein Pariser Musik- 
Journal meint, das Werk des jungen Componisten wäre gar nicht 
so übel und wenn man demselben nur einen deutschen Namen, 
z. B. Raff, beigefügt hätte, so würde es vom Publikum des Hrn. 
'Pasdeloup gewiss freundlicher behandelt worden sein. Köunte der 
unglückliche Componist von Raff wirklich sonst nichts als dessen 
Namen sich aneignen ? 

— Am 16. Februar findet im Cirque de V Imperatrice eine 
grosse Männergesang- Production statt unter Theilnahme von 500 
Sängern der Socicte's chorales von Paris und dem Departement 
der Seine. Mehrere ausgezeichnete Künstler und die Musik der 
Garde von Paris werden dabei mitwirken. 

London. Im populären Montags -Concert vom 27. Januar trat 
Frau Clara Schumann zum ersten Male iu dieser Saison hier 
auf und spielte Beethoven 's Sonate in A-dur (Op. 101) und mit 
den HH. Strauss und Piatti das 2. Trio von Mendelssohn 
Das Concert begann mit Schumann^ 1. Quartett in C-moll. 

*** Frl. Sophie Meuter, die in diesen Blättern schon mehr- 
mals erwähnte talentvolle junge Pianistin, befindet sich gegenwärtig 
in Löwe nb er g, wo sie von dem Fürsten von Hohenzollern-Hechin- 
gen für die Dauer von zwei Monaten zur Mitwirkung in den von 
seiner Capelle zu gebenden Concerten engagirt wurde. Frl. Menter 
hat bereits iu einem dieser Concerte das Schumann'sehe Concert 
gespielt uud von Seiten des kunstliebenden Fürsten wie des Publi- 
kums lebhaften Beifall geerntet, während ihr zugleich von den 
Orchestermitgliedern die ehrenvollste Anerkennung ihrer schönen 
Leistung ausgesprochen wurde. 

V* Calcutta hat sich diesen Winter zum allerersten Male 
einer italienischen Oper zu erfreuen. 

*** Im f UnftenPrivatconeert in Bremen wirkten Joachim 
und Frl. Dann er mann aus Elberfeld mit. Ersterer spielte das neue 
Violinconcert von Max Bruch, Fuge in C-dur von S. Bach, und 
„Abendlied" von Schumann. 

*** London besitzt gegenwärtig 52 Theater mit 59,863 Zu- 
schauerplätzen. Das geräumigste ist das Br i tan nia- Theater mit 
3923 Plätzen; sodann kommen Drury-Lane mit 3808, Astley- 
Theater mit 3780, P a v i 1 1 o n mit 3500, das neu eröffnete Standard- 
Theater mit 3400 und das Victoria-Theater mit 3800 Plätzen. 
Covent-Garden fasst nur 2500 Personen ; sieben andere Theater 



28 - 



tonnen 2000 bis 2500, »wölf weitere 1000 bis 2000 und deren sechs 
860 bis 800 Zuschauer aufnehmen. Die beiden kleinsten Theater 
sind das Cabi n et- Theater und die Galery of Illustration. 
Das abgebrannte Her Majesty's- Theater fasste 1655 Personen. 

%* In Paris und seinen Vorstädten bestehen dermalen fol- 
gende Theater: 1. grosse Oper; 2. Francais; 3. Ope"ra-Comique ; 
4. Italien; 5. Odeon; 6. Lyrique ; 7. Vaudeville; 8. Varietes; 9' 
Gymnase-Dramatique ; 10. Palais- Royal ; 11. Chfttelet; 12. Porte- 
Sai nt-M artin ; 13. Gälte; 14. Ambign-Comique; 15. Folies-Drama- 
tiques; 16. Fantaisies-Parisiennes; 17. Bouffes-Parisiens ; 18. Ath£n£e; 
19. Menüs Plaisirs ; 20. Nouveautes ; 21. Prince-Eugene; 22. Luxem- 
bourg; 23. Cluny; 24. Folies-Marigny ; 25. Saint-Pierre ; 26. La- 
fayette; 27. Beaumarchais; 28. Dejazet; 29.Folies Saint-Antoine; 
30. Moliere; 31. Ecole lyrique; 32. Rossini; 33. Montparnasse ; 34. 
Belleville; 35. Batignolles; 36. Montmartre ; 37. Grenelle; 38. Cirque 
Napoleon; 39. Cirque de l'Imperatrice ; 40. Th&ttre Säraphin; 41. 
Robert Houdin (Cleverman). 

*** In Constantinopel ist der Capellmeister der dortigen 
Oper, Cas tagner i, von einem unlängst durch ihn entlassenen 
Orchestermitgliede während einer Vorstellung lebensgefährlich miss- 
handelt worden. 

*** Eine neue komische Operette von Suppe, »Die Frau Mei- 
sterin," kam im Carltheater zu Wien ohne sonderlichen Erfolg zur 
Aufführung. 

*** Die junge Sängerin Frl. Maria Bär mann aus München 
ist in Stuttgart auf 5 Jahre engagirt worden. 

%* Jul. Stock hausen wird Ende d. M. nach Petersburg 
reisen, um dort Concerte zu geben. 

Avis für Besitzer von Streichinstrumenten. 



Die geehrten Leser unseres Blattes — Musiker vom Fach, so- 
wie Dilettauten — glauben wir für den Fall erforderlicher Repara- 
turen an Streichinstrumenten auf den Instrumentenmacher Heinr. 
Eckert in Mannheim aufmerksam machen zu sollen. 

Mit vielem Geschick, was Zierlichkeit und Gediegenheit der 
Arbeit anbetrifft, verbindet derselbe eine umfassende Kenntniss in, 
Bezug auf Technik und Construction der verschiedenartigsten In- 
strumente, und Herr Eckert versteht es nicht allein, den von ihm 
reparirten Instrumenten wiederum äusserliches Ansehen zu verleihen, 
sondern er besitzt auch das seltene Talent, denselben ihren Ton zu 
erhalten und wenn möglich zu verbessern. 

Es verdienen daher die Arbeiten des Herrn Eckert, der bisher 
in aller Stille seinem Metier obgelegen, dennoch aber auch schon 
von auswärts, namentlich mehrfach von Norddeutschland, mit um- 
fassenden und ziemlich schwierigen Reparaturen meist älterer, wertb- 
voller Instrumente betraut gewesen ist, im Interesse der Kunst au 
das Tageslicht gezogen und mehr und mehr verallgemeinert zu 
werden, zumal es an geschickten, talentvollen Reparateuren fürStreich- 
Instrumente, welche bekanntlich die subtilste und acurateste Behand- 
lung erfordern, eben mangelt. 

Herr Eckert besitzt über die von ihm ausgeführten Arbeiten 
die anerkennendsten und lobenswertesten Beweise. Wir haben 
ausserdem von competenter und höchst achtbarer Seite die Beltene 
Geschicklichkeit des Hrn. Eckert, welcher im Fache der Reparatur 
und Restaurirung wirklich bewundernswerte Arbeiten geliefert hat, 
unbedingt rühmen hören, so dass wir den wackeren Meister als einem 
der besten Reparateure mit gutem Gewissen empfehlen können. 

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„ 2. Souvenier » » ?• ... 10 „ 

,, 3. L'auctäte' „ „ „ ... 10 „ 

„ 4. Nocturne „ „ „ ... 10 „ 

t , 5. Romance „ ,, ,, ... 10 „ 

„ 6. Etüde „ „ ,, ... 10 „ 

Franke » Hermann, Op. 12. Mäbrchenbuch. Leichte 
Stücke für das Piano. 

Heft I. und II a 12'/, Ngr. 

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Lied für eine Singstimme (deutscher und englischer 
Text) mit Begleitung des Pianoforte. 

Ausgabe für Alt 7 1 /, Ngr. 

— Op. 74. Ausgabe für Sopran . . . . 7 7» „ 

— Op. 79. „Deiu Name, o Herr, ist göttliche Güte!* 
Geistliches Lied von G. W. Schulze für eino Sing- 
stimme mit Begleitung des Pianoforte . . 10 Ngr. 

Handel'«, Georg Friedrich, Suiten für Pianoforte mit 
Vortragsbezeichnung und Fingersatz von G. Ad. Tho- 
mas. Nr. t— 17. ä 7'/, Ngr., 10 Ngr., 12 V, Ngr., 
15 Ngr., 17 Vi Ngr., 20 Ngr., 22 7, Ngr. 

Hffrtel, August. Op. 49. Lebensbilder. Sechs Lieder ohne 
Worte für Pianoforte. Heft I. und II. a 15 Ngr. 

Holze!, Gustav. Op. 139. „Bei dir allein." Gedicht von 
C. Weiss, in Musik gesetzt für eiue Singstimme mit 
Begleitung des Pianoforte 7'/j Ngr. 

— Op. 143. Der durstige Ritter. Komische Ballade von 
J. Ullmeyer, in Musik gesetzt für eine Baus- oder 
Baritonstimme mit Pianofortebegleitung . 77s Ngr. 

Kollier, Ii. Ulli CO. Op. 49. Taranteile -Caprice en forme 
d'une Etüde de Coucert pour le Piano . 22 '/i Ngr. 

Kuntaee, C Op. 131. Unterricht für Männer, die heirathen 
wollen. Komisches Männerquartett. Partitur und 
Stimmen 1 Thlr. 

Madewelss, Georg von. Op. 5. Kleine Lieder für eine 
Singstimme mit Begleitung des Pianoforte . 10 Ngr. 

]ffIeildelS«Olill - Bardlioldy's, Felix, zweistimmige Lie- 
der, Op. 63 und 77, als Lieder ohne Worte, für Pliys- 
harmonika mit Begleitung des Pianoforte (oder zwei 
Pianoforte) übertragen von C. Georg Lickl. 

Heft I. (Op. 63) Pr 1 Thlr. 5 Ngr. 

Heft II. (Op. 77) Pr - „ 15 „ 

Rlielnberger, Josef. Op. 11. Fünf Tonbilder. (Rund- 
gesang, Ma/urek , Reigen, Allegretto, Capriccioso, 
Elegie) für Pianoforte 25 Ngr. 

WlllmerB; Rudolf. Op 122. Oesterreichische Volksweise» 

für Piauoforte. 
Nr. 1. Oberösterreichische Fantasie ... 20 Ngr. 

„ 2. Ungarische Fantasie 15 „ 

„ 3. Rumänische Fantasie • 15 „ 

„ 4. Polnische Fantasie 15 „ 

„ 5. Böhmische Fantasie 15 „ 

Zarzyeltl, Alex. Op. 11. Drei Lieder. (Der schwere Abend» 
von Lenau. Mit schwarzen Segeln segelt mein Schiff, 
von Heine. Waldestrost, von Lenau) für eine Sing- 
stimme mit Begleitung des Pianoforte . . 15 Ngr. 

Leipzig, im Januar 1868. 

Friedrich Kistner. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



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24. Februar 1868. 



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IHHALT: Aus L. Nohl's Briefen Beethoven 1 !. - Corresp.: CÖln. Paris. — Nachrichten. 



Aus JL. Nolil's Briefen Beethoven'«.*) 



Für die Frau Johanna van Beethoven.**) 

am 8ten Januar 1824. 

Häufige Beschäftigungen machten sogar, dass Karl und ich 
Ihnen nicht am Neujahrstag unsere Glückwünsche bezeugen konn- 
ten, ich weiss aber, dass Sie ohne dieses von mir sowohl als Karl 
nichts anders als die reinsten Glückwünsche für Ihr Wohl erwar- 
ten — 

Was Ihre Noth betrift, so würde ich Ihnen gerne mit einer 
Summe überhaupt ausgeholfen haben, leider habe ich aber zu viele 
Ausgaben, Schulden, und nur manches Geld zu erwarten, um {Ihnen 
augenblicklich meine Bereitwilligkeit Ihnen zu helfen auf der Stelle 
beweisen zu können — Indessen versichere ich Sie hiermit schrift- 
lieh dass Sie die Hälfte Karls von Ihrer Pension nun auch fort- 
dauernd beziehen können, wir werden Ihnen alle Monath die Quit- 
tung einhändigen, wo Sie alsdann selbe selbst erheben können, da 
es gar keine Schande ist (und ich mehrere meiner Bekannten» 
welche ihre Pension alle Monath erhebeu) selbe monathi. zu erheben, 
sollte ich später vermögend sein, Ihnen eine Summe überhaupt zur 
Verbesserung Ihrer Umstände aus meiner Kasse zu geben im Stande 
sein, so wird es gewiss geschehen , — die 280 fl. 20 Xr., welche 
Sie Steiner schuldig sind, habe ich ebenfalls schon lange zu bezah- 
len übernommen, welches man Ihnen wohl gesagt haben wird. Sie 
haben auch keine luteressen mehr geraume Zeit bezahlen müssen — 

Sie haben von mir 2 Pensionsmonathe erhalten durch Schind- 
ler. — Diesen Monath am 26ten oder etwas später erhalten Sie den 



*) Siebe die vorige Nummer d. Bl. 

**) „Kumpfgasse [!] Nr. 825 erster Stock die Thüre rechts 
Nr. 5" steht auf der Enveloppe des im Besitz des Hrn. R. Brock* 
haus in Leipzig befindlichen Originals. — Wenn man bedenkt, wel- 
chen Aerger uud welche Schmach die „Königin der Nacht" früher 
und noch jetat durch ihr Intriguenspiel in dem Vormundschafts- 
proeees und durch ihre ungebändigte Sinnlichkeit dem Meister an- 
getban, so muss man staunen über den hohen Grad von Selbst- 
überwindung und Humanität, deren dieser Mann fähig gewesen. 
Aber man muss auch wissen, was für Briefe diese Frau zu schrei- 
den vermochte. „Himmel und Erde wusste sie in Bewegung zu 
setzen mit ihren Schreiben," erzählt die Wittwe des Neffen, „und 
verstand ihre Noth und Verzweiflung mit solch brennenden Farben 
und solcher dramatischen Kraft darzustellen , dass es dagegen kein 
Wehren gab. Jedesmal war es eine förmliche Scene, wenu ein 
Brief der Mutter ankam und mein Mann war stets mehrere Tage 
krank vor Aufregung, da sie immer mit den äussersten Entschlüs- 
sen drohte ; schon habe sie alles Versetzbare versetzt, morgen komme 
der Executor um auch noch das letzte Stück, das einzige Bett, das 
sie arme Wittwe besitze, fortzuraffen, es bleibe ihr nichts als sich 
in die Donau zu stürzen u. s. w. a Und so in der unordentlichsten 
Wirthschaft hat diese Frau durch fast drei Menschenalter gelebt, 
lebt noch heute weit über 80 Jahre alt, und hatte bis vor wenig 
w-t D ü° Ch die Reiche Leidenschaftlichkeit, die gleiche schlechte 
Wirthschaft, die gleiche eindringliche Zunge, der denn eben seiner 
Ze»t auch Beethoven nicht zu widerstehen vormochte. 



Pensionsbetrag für diesen Monath — wegen Ihrem Prozess bespreche 
ich mich nächstens mit Dr. Bach — 

Wir wünschen Ihnen alles erdenkliche Gute, Karl sowohl 
als ich. Ihr bereitwilligster 

L. v. Beethoven. 



An Schindler. *) 

[Mai 1824.] 
Ich beschuldige Sie nichts Schlechten bey der Academie, aber 
Unklugheit und eigenmächtiges Handeln hat manches verdorben* 
überhaupt aber habe ich eine gewisse Furcht vor Ihnen , dass mir 
einmal ein grosses Unglück durch Sie bevorsteht. — Verstopte 
Schleusen öffnen sich Öfter plötzlich, und den Tag im Prater glaubte 
ich mich in manchen Stücken sehr empfindlich angegriffen von ihnen ; 
überhaupt würde ich eher ihre Dienste, die Sie mir erweisen, gerne 
öfter mit einem kleinen Geschenke zu vergüten suchen, als mit 
dem Tische, dann ich gestehe es, es stört mich zu sehr in so 
vielem, sehen Sie kein heiteres Gesicht, so heisst es „heut war 
wieder übles Wetter." Denn bey Ihrer Gewöhnlichkeit, wie wäre 
es ihnen mögl. das ungewöhnliche nicht zu verkennen ? ! ! ! Kurzum 
ich liebe meine Freiheit zu sehr, es wird nicht fehlen, sie manch- 
mal einzuladen — für beständig ist es aber unmögl. , da meine 
ganze Ordnung hiedurch gestört wird. — 

Duport hat künftigen Dienstag zur Akademie zugesagt, denn 
in den laudständigen Saal , den ich morgen abends hätte haben 
können, gibt er die Sänger wieder nicht, auf die Polizey hat er 
sich auch wieder berufen, gehn Sie daher gefälligst mit dem Zettel 
und hören ob man nichts gegen das 2te mal hat — umsonst hätte 
ich nimmermehr diese mir erwiesenen Gefälligkeiten angenommen, 
und werde es auch nicht — was Freundschaft betrift, so ist dies 
eine schwierige Aufgabe mit ihnen , mein Wohl möchte ich ihnen 
auf keinen Fall anvertrauen, da es ihnen an Ueberlegung fehlt 
und sie eigenmächtig bandeln uud ich sie selbst früher schon auf 
eine nachtheilige Weise für sie kennen lernte, sowie andere 
auch; — ich gestehe es, die Reinigkeit meines Charakter lässt es 
nicht zu, blos ihre Gefälligkeiten für mich durch Freundschaft zu 
vergelten, ob ich schon bereit bin, ihnen gern zu dienen, was ihr 
Wohl betrift. - B. **) 



*) Im Besitz des Hrn. Maler Amerling in Wien. Es ist von 
der berühmten Academie vom 7. Mai 1824 die Rede, dessen Arrange- 
ment der Meister in Schindlers Hände gelegt hatte (Schindler II. 65) 
und die peeuniär schlecht ausgefallen war. Vgl. auch die Aeusse- 
rungen über Schindler Br. Beeth. Nr. 178 und 284. 

**) Die Missstimmung kam kurz darauf zum vollen Ausbruch, 
wie man aus dem Vorfall erfährt, von dem Schindler II. 87 selbst 
bemerkt, dass er in sein Verhältuiss zu dem Meister nach mehr 
denn achtjährigem ununterbrochenem Verkehr die erste empfind- 
liche Störung gebracht habe. „Beethoven glaubte" heisst es, ..Um- 
lauf, Schuppanzigh und mir für die gehabten Mühen einigen Dank 
schuldig zu sein. Er bestellte daher wenige Tage nach der zwei- 
ten Akademie ein Mahl beim „wilden Mann" im Prater. Mit einer 
von düstern Wolken umhängenden Stirne erschien er in Begleitung 
seiues Neffen unter uns, benahm sich kalt, bissig und kritisch in 



— 30 - 



CORRESPONDENZEN. 



Aus C tt 1 ii. 

(Schluss.) 

19. Januar. Zweite Quartett - Matin e e der Herren 
Krill, Rennefahrt, Kufferath, Depp e und Schratteuholz. 
Streich-Quartett Nr. 1 von Mozart; Sonate für Piano und Violine 
in A-dur von Mozart und Streichquartett Nr. 1. Op. 41 von Men- 
delssohn. Dieses junge Künstler -Quartett leistet nach seinem 
kurzen Bestehen bereits recht Schönes. Ein eifriges Kunststreben 
und das fle issige Zusammenspiel lassen recht bald auch Vorzüg- 
liches erwarten und wird der hin und wieder noch [bemerkbare 
Orchesterstrich sich mildern , das Ganze sich mehr abrunden und 
au einem prächtigen Ensemble gestalten. Wir wünschen den jungen 
Künstlern ein herzliches „Glückauf! 1 ' 

An demselben Tage, Abends 7 Uhr, gab der Cölner Männer- 
Gesang- Verein unter der Leitung seines Dirigenten, Hrn. Franz 
Weber, in dem grossen Gürzenich -Saale zum Besten der notlei- 
denden Ostpreussen ein Vocal- und Instrumental- Concert, in wel- 
chem Männerchöre von Kreutzer, Weber, Wilhelm, Neit- 
hardt, Esser, Abt, Schumann, Herbeck, Sucher und 
Franz Lachner zur Aufführung gebracht wurden und ausserdem 
sich besonders noch die Instrumental-Solovorträge der Frl. Mathilde 
Martin aus Hamburg, der Herren Professoren Isidor Seiss 
und J. Rendsburg vom hiesigen Conservatorium , durch ihren 
künstlerischen Werth und vollendeten Geschmack auszeichneten. Diese 
Instrumental-Piecen bestanden in drei Fantasie-Stücken „Bilder aus 
Osten" für Pianoforte zu 4 Händen von R. Schumann, Nocturne 
und Walzer von Chopin und Fantasie für Violoncello von 
S e r v a i s. 

In Hrn. Rendsburg, welcher vor Kurzem bei dem hiesigen 
Conservatorium an die Stelle des leider zu früh verstorbenen Alex. 
Schmit eingetreten, lernten wir einen ausgezeichneten Künstler 
kennen, welcher mit der genialen Behandlung des Violoncells eine 
vollendete Technik verbindet. Wir können das rheinische Conser- 
vatorium für diese Acquisition nur beglückwünschen. Dem Cölner 
Männer-Gesangverein und den sämmtlichen Solisten gebührt für die 
sehr gelungene Aufführung dieses Concertes der wärmste Dank ; 
möge der gespendete reiche Beifall seine Anstrengungen belohnen 
und ihn ermuthigeu auf der betretenen Bahn immer rüstig vor- 
anzuschreiten. 

Dem Referenten bleibt nur noch übrig zu sagen, dass trotz des 
edlen Zweckes, trotz des schönen Programmes und des vortreff- 
lichen Leistungen des Vereins , trotz der gelungenen Vorträge der 
verschiedenen Solisten, das Publikum nicht ganz in so grosser An- 
zahl erschienen war, wie das Concert es verdiente und der Verein 
es zu erwarten berechtigt war. Doch hat der Verein die Genug- 
thuung, dass er, seiuer Devise getreu, „durch das Schone stets 
das Gute" durch das obige Unternehmen dem edlen Zwecke noch 
einen Reinertrag von über 300 Thaler beisteuern konnte. 

21. Januar. Grosses Dilettanten - Concert auf dem grossen 
Gürzenich -Saale unter Leitung des städtischen Capellmeisters Hrn. 



allen seinen Worten. — Eine Explosion war zu gewärtigen. Kaum 
hatten wir an der Tafel Platz genommen, als er auch schon das 
Gespräch auf den pecuniären Erfolg der ersten Aufführung im Thea- 
ter lenkte, ohne Umschweife herausfahrend, dass er hiebei vom Ad- 
ministrator Duport in Gemeinschaft mit mir betrogen worden sei. 
Umlauf und Schuppanzigh bemühten sich ihm die Unmöglichkeit 
eines Betrugs damit zu beweisen, dass jedes Geldstück durch die 
Hände der beiden Theatercassirer gegangen , die Rapporte genau 
übereinstimmten, überdies noch sein Neffe zufolge Auftrags des Bru- 
der-Apothekers den Cassirern gegen alle Sitte zur Seite blei- 
ben musste: Beethoven verblieb jedoch bei seiner Beschuldigung, 
mit dem Zusätze, er sei von dem stattgefundenen Betrug von zuver- 
lässiger Seite benachrichtigt. Nun war es Zeit, für diese Kränkung 
sich Genugthuung zu geben. Eiligst entfernte ich mich mit Umlauf, 
Schuppanzigh aber, nachdem er auch einige Salven auf seine um- 
fangreiche Person ausgehalten, folgte bald nach. Im Gasthause zum 
goldenen Lamm in der Leopoldstadt fanden wir uns zu ungestörter 
Fortsetzung des unterbrochenen Mahles zusammen. Der furiose Mei- 
ster aber konnte seinen Zorn an den Kellnern und Bäumen austo- 
ben, zur Strafe noch das opulente Mahl mit dem Neffen allein ver- 
zehren. 



Ferd. Hill er, zum Besten des Sammelfonds des vaterländischen 
Frauenvereins in Berlin zur Linderung der Noth in Ostpreussen. 

Die Chöre und Solovorträge der verschiedenen Damen aus den 
höchsten Kreisen der Stadt wurden mit vieler Virtuosität und Sach- 
kenntuiss ausgeführt, und wurden neben den trefflich executirteu 
Instrumental-Solosätzen der Herren mit rauschendem Beifall aufge- 
nommen. Die Neuheit eines derartigen Dilettanten-Damen-Concertes 
sowie der edle Zweck, dem das Unternehmen gewidmet war, lassen 
das Absonderliche einer gewissen Exclusivität der Mitwirkenden 
gern übersehen , doch entziehen sich uuter derartigen Umständen, 
wie ein hiesiges Blatt sagt, die Leistungen der einzelnen Damen, 
worunter manche schöne Stimmen, gute künstlerische Begabung und 
Technik sich bemerkbar machten, dem Urtheile der Kritik. 

Es möge hier genügen zu constatiren , dass das obige Concert 
den Beweis geliefert hat, dass in Cöln ausser dem Concert -Saale 
auch in den Privatzirkeln noch viel und gut musicirt wird. 

Der Zweck des Concertes wurde vollständig erreicht, indem es 
dem Cölner Zweigverein möglich wurde , dem Sammelfonds des 
Frauenvereins in Berlin einen Beitrag von über 1900 Thalem zuzu- 
weisen. 

Die dritte und vierte Quartett-Soiree der HH. v. Köuigs- 
löw, Japha, Derckum und Rendsburg fanden am 7. und 
28. Januar statt und es wurden sämmtliche vorgeführte Werke ganz 
ausserordentlich schön vorgetragen; nur wäre zu wünschen, dass 
ein alterniren zwischen dem Hrn. v. Königslöw und Hrn. Japha 
nicht mehr stattfinden möge ; weil es nicht zum Vortheil der Ein- 
heit im Vortrage dient, dass wenn Hr. v. Königslöw die erste Vio- 
line, alsdann Hr. Japha die Bratschen-Parthie spielt und umgekehrt, 
wenn Hr. Japha die erste Violine, der Hr. v. Königslöw die Bratsche 
übernehmen muss. Früher war ein eigener Bratschist dem Quartett- 
Verein einverleibt. 

Das Programm der dritten Soir6e brachte: Streichtrio Op. 9 
Nr. 3 in C-moll von Beethoven; Sextett für 2 Violinen, 2 Vio- 
len und 2 Violoncelli, Op. 18, B-dur von Job. Brahms und Quar- 
tett für 2 Violinen, Viola und 2 Violoncelli, Op. 163, C-dur von 
Fr. S ch u b e r t. In der vierten Soiree wurden aufgeführt : 
Quartett in B-dur von Haydn; Quartett in Es, Op. 23 von Ons- 
low und Quartett in F-moll, Op. 95 von Beethoven. 



Aus Paris. 

16. Februar. 

Die eben verflossene Woche war ziemlich reich an musikali- 
schen Ereignissen. Zuvörderst ist die fünfhundertste Vorstellung 
des „Wilhelm Teil" in der grossen Oper zu erwähnen und die 
Serenade, die sie veranlasste. Nach beendigter Vorstellung begaben 
sich nämlich die vorzüglichsten Mitglieder der Oper, des Orchesters 
und das Chorpersonal unter Anführung des Capellmeisters Georg 
H a i n 1 in den Hof des von Rossini bewohnten Hauses in der 
Rue de la Chaussee d 'Antin , wo die Ouvertüre des „Wilhelm 
Teil" gespielt und einige Stücke aus demselben gesungen wurden. 
Nach dieser Serenade überreichten Faure, Villaret und Frl. 
Bat tu im Namen des ganzen Opernpersonals dem Maestro einen 
goldenen Kranz. Der Schwan von Pesaro schien sehr gerührt. 

A u b e r ' s neue Oper „Le premier jour de bonheur" ist vor- 
gestern zum ersten Male und mit ausserordentlichem Beifall aufge- 
führt worden. Freilich ist dieses Werk nicht so frisch wie die 
Jugendwerke des Meisters ; allein es ist viel reicher an lieblichen 
anmuthigen Melodien, als seine zwei vorletzten Partituren „Mianon 
Lescaut" und v La Fiame'e du Roi de Garbe" und es ist in der 
That zu bewundern, dass ein Mann, der bereits das 86. Lebensjahr 
zurückgelegt , noch einen solchen lebhaften Schöpfungsdrang ver- 
spürt und ihm mit so vieler Freudigkeit nachgibt. Auber wurde 
beim Schlüsse gerufen, erschien jedoch nicht. Das Publikum er- 
reichte ihn aber am Theatereingang und brachte ihm eine begei- 
sterte Ovation. 

Die erste Vorstellung des „Hamlet" von Ambroise Thomas 
wird in der ersten Hälfte künftigen Monats stattfinden. 

Sie werden schon gehört haben, dass der Director des The'dtre 
lyrique, Hr. Carvalho, den Saal des Italienischen Theaters ge- 
miethet bat, um an den Abenden, an welchen die Italiener nicht 



- 31 - 



fielen, dort Vorstellungen zu geben. Hr. Carvalho, der nach wie 
vor die Subvention vom Staate bezieben wird , ist gesonnen , im 
Tkedtre lyrique künftig nur komische Opern zu geben, im Saale 
Ventadour aber grosse Opern zur Darstellung bringen zu lassen. 
Im Saale Ventadour wird denn anch „Lohengrin" aufgeführt werden. 
Gestern ist im Conservatoriums-Concerte der Pilgerchor aus 
Eichard Wagner's „Tannhäuser" aufgeführt worden. Er musste 
auf stürmisches Verlangen wiederholt werden. Die Execution war 
übrigens bewunderungswürdig. 



— 9B O I 



Nachrichten. 



Mainz. Dem Opernpublikum unserer Stadt hat ein kürzlich 
stattgefundenes Gastspiel der Frau Jenny Soltans-Hentz vom 
k. Hoftheater in Cassel eine recht erfreuliche und genussreiche 
Abwechslung geboten. Frau Soltans, welche sich im vorigen Win- 
ter die Sympathien des Mainzer Publikums durch ihre, von einer 
metallreichen, jugendlich frischen Stimme, von dramatischem Feuer 
und Gefühlsinnigkeit sowie endlich von einer tüchtigen technischen 
Durchbildung getragenen Leistungen in seltenem Grade erworben 
hatte, bewies als Agathe (Freischütz), Bertha (Prophet) und Marie 
(Waffenschmied), dass ihre Stimme noch ebenso rein und klangvoll 
ist wie früher und dass ihre Auffassungs- und Vortragsweise an 
Sicherheit und Geschmack in ihrer gegenwärtigen künstlerischen 
Stellung und Umgebung noch bedeutend gewonnen hat. Es bedarf 
demnach kaum gesagt zu werden, dass die so beliebte Künstlerin 
von dem Publikum freudigst begrüsst und bei ihrem jedesmaligen 
Auftreten eben so zahlreiche als lebhafte Beifallsbezeuguogen, der 
vielen Bluraenspenden gar nicht zu gedenken , erntete. Lebhaft 
wurde bedauert, dass man die verehrte Gastin nicht in „Jessonda," 
einer ihr ganz besonders zusagenden Rolle, bewundern konnte, da 
diese Oper hier leider nicht einstudirt ist. 

Im übrigen geht unser Opernwesen seinen gleichmässigen, eigent- 
lich strenge genommen mehr geschäftsmässig als künstlerisch be- 
triebenen Gang. Der Director geniesst zwar eine bedeutende Unter- 
stützung von Seite der Stadt, allein er hat auch einen für hiesige 
Verhältnisse enormen Gageuetat zu bestreiten und da muss denn 
möglichst viel gespielt werden um nur Geld zu machen. Dass bei 
der übergrossen Quantität der Aufführungen die Qualität gar oft 
Schaden leiden muss ist sehr begreiflich, und es kommen nament- 
lich die grosssen Spectakelopern meistens dabei sehr Übel weg, 
während in der Spieloper mitunter recht Erfreuliches geleistet wird, 
was denn die Theaterbesucher für die Schwächen der grösseren Auf- 
führungen entschädigen muss. Uebrigens könnten wohl auch diese 
Schwächen mitunter, wenn nicht beseitigt, doch bedeutend gemildert 
werden, wenn in der Leitung der Opern sich etwas weniger Apathie 
und etwas mehr Energie bemerklich machen wollte. Eine sehr 
schätzenswerthe Acquisitum hat die Directio'n in der Person der un- 
längst für die abgegangene Frl. Schubert als Coloratursängerin en- 
gagirten Frau Eöske-Lund gemacht. 

Am 14. d. M. gab Hr. Chr. F r i s ch, Violoncellist des Thea- 
terorchesters im kleinen Saale des Casino ein Concert mit einem 
sehr manigfaltigen Programm, unterstützt von den besten Vocal- 
und Instrumentalkräften unseres Theaters und Orchesters. Wir 
waren dem Concert beizuwohnen verhindert, haben aber erfahren, 
dass es gut besucht war und die meisten Vorträge mit lebhaftem 
Beifall aufgenommen wurden, insbesondere aber erfreute sich eine 
Elegie für Violoncell, Pianoforte und Orgue-Melodium von einem 
hoffnungsvollen jungen Mainzer, Hrn. Oscar Jockei, componirt, 
einer sehr günstigen Aufnahme. 

München. Am 18. Februar findet im königl. Residenztheater 
die erstmalige Aufführung des „Manfred" vou Byron mit Musik 
von Rob. Schumann statt. Im Hof- und Nationaltheater gibt 
man am 20. Februar als neu einstudirt die seit Jahren nicht mehr 
gehörte Oper „Die Musketiere der Königin" von Halevy. 

Brüssel. Die Verwaltung der populären Concerte bat am 9. 
Februar ein ausserordentliches Concert zum Besten des Dirigenten 
derselben, Hrn. Adolph Samuel gegeben unter Mitwirkung des 



Pianisten Louis Brassin, welcher Mendelssohns G -moll- 
Concert mit Orchesterbegleitung und eine „Ungarische Rhapsodie" 
von Liszt vortrug. Ausserdem führte das Orchester Taubert's 
Ouvertüre zu Shakespeare's „Sturm," Andante und Finale aus der 
G-dur-Sinfonie von Haydn, Ouvertüre zu „Fidelio" von Beetho- 
ven; Andante aus der unvollendeten H-moll-Sinfonie von Schu- 
bert, Scherzo aus der Sommernachtstraura-Musik von Beetho- 
ven, „Träumerei* von Schumann und Ouvertüre zu „Ali-Baba" 
von Cherub ini auf. Der Zudrang zu diesem Concerte war ein so 
enormer, dass Huuderte von Personen zurückgewiesen werden muss* 
ten. Hr. Samuel wurde bei seinem Erscheinen mit endlosen Bei- 
fallssalven empfangen. 

Paris. Am 16. Febr. fand das 7. Conservatoriums-Concert mit 
folgendem Programm statt : Sinfonie militaire (Nr. 48) von Hay d n ; 
Pilgerchor aus „Tannhäuser" von R. Wagner; Ballet aus: „Iphi- 
genia in Aulis" von Gluck; Motette für Doppelchor ohne Beglei- 
tung von Seb. Bach; Sinfonie in F-dur (Nr. 8) von Beethoven. 

— Das 16. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup brachte: 
Ouvertüre zu „Don Juan" von Mozart; Sinfonie in Es-dur von 
Schumann; Bourre'e von Seb. Bach; Violinconcert von Men- 
delssohn, vorgetragen von Frau Norman-Neruda, Lehrerin 
am Conservatorium in Stockholm und zum Schlüsse das Septuor 
von Beethoven, vorgetragen von sämmtlichen Streichinstrumenten 
und den HH. Gr isez (Clarinette), Es p ei gn et (Fagott) und Mohr 
(Hörn). 

— Wie erst kürzlich P r u m i e r, der Professor des Havfenspiels 
am Conservatorium, so ist jetzt auch Bar thel emy, erst vor Kurzem 
an die Stelle Triebert's als Professor der Oboe ans Conserva- 
torium berufen, während der Ausübung seiner Functionen plötzlich 
gestorben. 

— Im The'dtre lyrique wird dieser Tage eine alte Oper von 
B o i e 1 d i e u : v la] Fete du Village voisin" wieder aufgeführt 
werden. 

London. Am 8. Februar spielte Frau Clara Schumanu im 
Crystalpalast das A-moll- Concert von R. Schumann. Joachim 
wird dieser Tage hier erwartet und in dem populären Montags-Con- 
cert am 17. d. M. das E-moll - Quartett und das B-dur-Trio von 
Beethoven, letzteres mit MU. Arabella Goddard und Hrn. Pi- 
atti spielen. Es wird in diesem Concert ausschliesslich B e e t h o - 
v e n gespielt. 

*** Frau Blume-Santer vom Hoftheater in Berlin wird 
dieser Tage ein Gastspiel am Hoftheater in Wien beginnen. 

*** Flotow's „Zilda" hat in Carlsruhe bei zweimaliger 
Aufführung nur geringen Erfolg erzielt. 

*** In dem am 13. d. M. stattgehabten Gewandhausconcerte in, 
Leipzig wurde Franz Lachner's Suite Nr. 4 in Es-dur unter, 
des Componisten persönlicher Leitung aufgeführt, und alb^J3e richte 
von dort stimmen darin überein, dass nicht nur dem trefflichen 
Meister bei seinem Erscheinen an dem mit einem Lorbeerkranze 
geschmückten Dirigenteupulte ein glänzender Empfang von Seite 
des Orchesters wie des Publikums zu Theil wurde , sondern dass 
auch sein Werk selbst eine ausserordentlich beifällige Aufnahme 
gefunden hat. In demselben Concerte trat auch der Violinvirtuose 
Laub aus Moskau mit grossem Erfolg auf. Näheres wird unser 
geehrter Mitarbeiter in Leipzig wohl bald darüber berichten und 
wollen wir nur noch mittheilen, dass Fr. Lach n er am 17. d. M. 
in Stuttgart ebenfalls eine seiner Suiten persönlich dirigirte und 
von der dortigen Künstlerwelt sowie vom Publikum in seltener 
Weise gefeiert und mit Ovationen jeder Art überhäuft wurde. Un- 
sere nächste Nummer wird Ausführlicheres darüber bringen. 

*** Wir lesen im „Guide musical" , dass die Wiener Pianistin 
Frl. Constanze Skiwa in Paris viel Anerkennung findet. Die 
talentvolle „Viennoise" wird viel in musikalische Kreise geladen, 
spielt häufig in den von der auserlesensten Gesellschaft besuchten 
Privatsoire'en Vieuxtemps' und hat sich kürzlich in der öffent- 
lichen Matinee des Pianisten Bonewitz in einer Sonate Beetho- 
vens und Stücken von Chopin, Händel und Schumann mit 
durchgreifendem Erfolg hören lassen. Ihr eigenes Concert, welches 
sie Ende d. M. im E r a r d'schen Saale unter der Mitwirkung V i e u x - 
temps' veranstaltet, dürfte in jeder Beziehung glänzemd werden. 



- 32 — 



*** Frau Peschka-Leutner vom Hoftheater in Darm- 
Stadt ist vom April an für das Stadttbeater in Leipzig enga- 
girt worden. 

%* Der Violon cell- Virtuose Friedrich Grützmacher ist von 
seiner Kunstreise in Holland, wo er in den bedeutendsten Städ- 
ten mit ausserordentlichem Erfolge auftrat, nach Dresden zurück- 
gekehrt. In Leyden, wo er in einem Universitätsconcerte spielte, 
wurde er vor dem Publikum unter dreimaligem Orchestertusch als 
Ehrenmitglied des akademiechen Musikvereins ausge- 
rufen und ihm das betreffende Diplom überreicht. 

%* Die dramatische Sängerin Frau v. Voggenhuber vom 
Stadttheater in Bremen hat im Berliner Opernbause ein Gast- 
spiel in der Bolle des „Fidelio" begonnen und sehr günstige Auf- 
nahme gefanden. 

*** Die Hoftheater-Intendanz iu Dresden hat die Oper „Der 
Haidescbacht,* das erste Bühnenwerk des Leipziger Componisten 
F. r. Holstein, zur Aufführung angenommen. 

*** Der Munizipalrath von Marseille hat dem Operntheater 
die von der Stadt bisher bewilligte Subvention auf zwei Jahre wei- 
ter bewilligt und zugleich das Privilegium des Hrn. Husson für 
den gleichen Zeitraum bestätiget. 

%* Adelina Patti trat in Rouen als Lucia auf und ent- 
zückte nicht nur das Publikum, sondern auch den Director des 
Theaters, welcher ihr eine Einnahme von 14,000 Frcs. zu verdanken 
hatte. 

*** Am 5. Februar vermählte sich in Botzen der österrei- 
chische Erzherzog Heinrich mit der zuletzt an der Bühne in 
Gratz engagirt gewesenen Sängerin Frl. Hofmann und reiste 
noch am selben Tage mit ihr nach Italien ab. 

*** Otto Banck, der Bruder des Dresdener Kritikers Carl 
Banck, ist für die Intendantenstelle am Wiesbadener Hoftheater in 
Aussicht genommen. 

*** Der Tenorist Niemann hat wieder einmal einen Beweis 
seiner Selbstemancipirung von der drückenden Last conventioneller 
Bücksichten geliefert, indem er Dresden, wo er ein Gastspiel be- 
gonnen hatte, sans adieu Verliese, um sich nach Petersburg zu 
begeben. 

*** Der Geiger Ole-Bull concertirte in Chicago mit gün- 
stigem Erfolg. 

*** In London ist der Musik Verleger Addison, früherer In- 
haber der bekannten Firma „Cramer, Addison und Beale," gestorben. 

%* Das nun beendigte Gastspiel der Frl. v. Edelsberg am 
Operntheater in Wien hat zu keinem Engagement geführt. 

*** Frl. Mallinger vom Hoftheater in München gastirt mit 
grossem Erfolg in Co In. 

*** Dieser Tage wird am Berliner Operntheater L a n g e r t's 
Oper „Die Fabier" in Scene gehen. 

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Verlag von ROB. FORBERG in LEIPZIG. 

Nova- Sendung 1868, I* 1. 



9 Ii. V» Op. 46. An Adelaide. Für Sopran mit 
Begleitung des Pianoforte. 7 7s Ngr. 
Op. 46. An Adelaide. Für Alt mit Begleitung des 
Pianoforte. 7 7t Ngr. 

(Mit deutschem und ital. Text.) 
V* Op. 205. Gruss an Steiermark. Zither-Ständchen für 

das Pianoforte. 15 Ngr. 
Op. 212. A la Victoire! Marche militaire pour Piano. 

127. Ngr. 
Op. 213. Dans la Gondole. Nocturne pour Piano. 

127. Sgr. 
Op. 214. Les Cblochettes d'Argent. (Silberglöckchen.) 

Morceau de Salon pour Piano. 127. Ngr. 
Op. 215. In stiller Sommernacht. Melodie (nach eiuer 

Dichtung von Alice Folmer) für Pianoforte. 

127. Ngr. 
Op. 218. Galop militaire pour Piano. 15 Ngr. 



Berlyn, A. Op. 175. An die Leyer. Gedicht von Lessing für 
vierstimmigen Männerchor. (Solo und Chor.) Parti- 
tur und Stimmen 20 Ngr. 
Hoettermann , F. A. Op. 4. An Bertba. Ueber Nacht. 
Zwei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des. 
Pianoforte. 10 Ngr. 
Keller, E* Op. 8. Drei Lieder für den Umfang jeder Stimm» 
mit Begleitung des Pianoforte. 

Nr. 1. Abendgesang, Gedicht v. E. Doesschel. 77. Ngr. 
„ 2. Nur wer die Sehnsucht kennt, Gedicht von 

Gothe. 77. Ngr. 
„ 3. Wenn zwei von einander scheiden, Gedicht von, 
H. Heine. 5 Ngr. 
Krug, D. Op. 196. Rosenknospen. Leichte Tonstücke über 
beliebte Themas ohne Octavenspannungen und mit 
Fingersatzbezeichnung für das Pianoforte. 
Nr. 21. Carneval von Venedig. 10 Ngr. 
„ 22. Robin Adair, „Treu und herzinniglich.* 
10 Ngr. 

— Op. 240. Frühlingsblüthen. Leichte Tonstücke über 
beliebte Themas für das Pianoforte zu vier Händen 
mit Fingersatzbezeichnung. 

Nr. 1. Carneval von Venedig. 127. Ngr. 
„ 2. Thüringer Volkslied „Ach wie ist es mög- 
lich dann." 127, Ngr. 
„ 3. Robin Adair, „Treu und herzinniglich. 11 ' 

127. Ngr. 
„ 4. Abt, F. Schlaf wohl, du süsser Engel du.. 

127. Ngr. 
„ 5. Weber, C M. v. Als ich jüngst verwichen» 

zu ma Dirndl g'schücben. 127. Ngr. 
„ 6. Sucher. Loreley. 127. Ngr. 
Klintze, C Op. 130b. Das klassische Kränzchen. Humori- 
stisches Lied für eine Singstimme mit Begleitung dea 
Pianoforte. 15 Ngr. 
Iiftgxlo, A. V. Op. 30. Wehmuth. Gedicht von Gothe für 
eine Altstimme mit Begleitung des Pianoforte. 77t Ngr. 
Merkel, Cu*tttV. Op. 42. Variationen für die Orgel über 
ein Thema von Beethoven zum Gebrauche bei Orgel* 
concerten. 227. Ngr. 
Atolimitlin, E. „Wenn du noch eine Mutter hast. Gedicht 
von A. Träger, für eine Singstimme mit Begleitung 
des Pianoforte. 5 Ngr. 
Für Alt (Bariton) oder Bass 5 Ngr. 

Welser, €?• Bt« V» Op. 7. Sieben Variationen über ein italie- 
nisches Thema: „Vien qua Dorina bella" für Piano- 
forte. 10 Ngr. 

— Op. 12. Capriccio für Pianoforte. 6 Ngr. 

— Op. 21. Grosse Polonaise in Es-dur für Pianoforte* 

77. Ngr. 

— Op. 24. Erste grosse Sonate iu C-dur für Pianoforte.. 

177, Ngr. 

— Op. 39. Zweite grosse Sonate in A-dur für Piano- 

forte. 20 Ngr. 

— Op. 49. Dritte grosse Sonate iu D - moll für Piano- 

forte. 17 7 t Ngr. 

— Op. 62. Rondo brillante in Es-dur für Pianoforte. 

77. Ngr. 

— Op. 65. Aufforderung zum Tanz. Rondo brillante in 

Des-dur für Pianoforte. 6 Ngr. 

— Op. 70. Vierte grosse Sonate in G-dur für Pianoforte. 

177. Ngr. 

— Op. 72. Pollacca brillante in E*dur für Pianoforte. 

6 Ngr. 

— Op. 79. Concertstück für Pianoforte. 177» Ngr. 

— Ouv. Preciosa 4 2m. 5 Ngr. 

— Jubel-Ouvertüre & 2m. 5 Ngr. 

— Ouv. Freischütz ä 2m. 5 Ngr. 

— Ouv. Oberon a 2m. 5 Ngr. 

— Ouv. Euryanthe a 2m. 5 Ngr. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



W"J 9. 



H. Mfirz 1868. 




(IDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



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i für den Jahrgang. 

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INHALT: Aus L. Nohl's Briefen Beethoveu's. — Corresp.: Stuttgart. Cöln. Magdeburg. — Nachrichten. 



Aus Wj. Holil'g Briefen Beethoven'g. 



An Erzherzog Rudolph. 

Ihro Kaiserliche Hoheit! 

Eben gestern erhalte ich die Nachricht von einer neuen An- 
erkennung und Verherrlichung Ihrer vortrefflichen 
Eigenschaften des Geistes und Herzens.*) Empfangen 
I. K. H. meine Glückwünsche und nehmen Sie selbe gnädig auf; 
sie kommen von Herzen und sind nicht nöthig gesucht zu werden. 
— Ich hoffe, es wird wohl bald auch mit mir besser gehn. So 
vieles Uebel hat wieder nachtheilig auf meine Gesundheit gewirkt, 
und ich befinde mich gar nicht gut , indem ich schon wieder seit 
einiger Zeit mediziniren muss, wo ich kaum einige Standen des 
Tages mich mit dem theuersten Geschenk des Himmels, meiner 
Kunst and mit den Musen abgeben kann.**) Ich hoffe jedoch mit 
der Messe zu Stande zu kommen, so dass selbe am 19ten, falls 
es dabei bleibt, kann aufgeführt werden ; wenigstens würde ich in 
Verzweiflung gerathen , wenn es mir durch meine üblen Gesund- 
heitszustände versagt sollte sein , bis dabin fertig zu sein. Ich 
hoffe aber, dass meine innigsten Wünsche für die Erreichung wer- 
den erfüllt werden. ***) 

Was das Meisterwerk der Variationen I. K. H. betrifft , so 
glaube, dass selbe anter folgendem Titel konnten herausgegeben 
werden, nämlich : 

Thema oder Aufgabe 

gesetzt von L. v. Beeth. 

vierzigmal verändert 

und seinem Lehrer gewidmet 

von dem durchlauchtigsten Verfasser. 

Der Anfragen deswegen sind so viele und am Ende kommt 
dieses ehrenvolle Work durch verstümmelte Abschriften doch in die 
Welt. I. K. H. selbst werden nicht ausweichen können, sie hierhin 
und dabin geben zu müssen; also in Gottes Namen bei so vielen 
Weihen, die I. K. H. jetzt erhalten und bekannt werden , werde 
denn auch die Weihung Apolls (oder christlicher Caeciliens) be- 
kannt. Zwar könnte I. K. H. vielleicht mich der Eitelkeit be- 
schuldigen; ich kann aber versichern, dass indem zwar diese Wid- 
mung meinem Herzen theuer ist und ich wirklich stolz darauf bin, 



*) Des Erzherzogs Erhebung zum Cardinal. 

**) Was die „einigen Stunden" betrifft, so stehe hier statt vie- 
ler Nachrichten über die Art, wie der Componist der Missa solenuis 
sich damals „mit seiner Kunst abgab," nur was Zelter am 16. Aug. 
dieses« Jahres an Göthe schreibt: „Letzthin ist Beethoven in ein 
Speisehaus gegangen; so setzt er sich au den Tisch, vertieft sich 
und nach einer Stunde ruft er den Kellner: Was bin ich schuldig? 
Ew. Gnaden haben noch nichts gessen , was soll ich denn brin- 
gen? — Bring was du willst und lass mich ungeschoren! — u 
(Briefw. III. 47). 

***) Am 10. Novbr. d. J. schreibt er an Ries: „melde Ihnen 
nur, dass ich eine neue grosse Messe beinahe vollendet." Die In- 
stallationsfeier sollte am 9. März 1820 stattfinden. (Notat Schind- 
lers in Beeth. Kai. von 1819). 



diese allein gewiss nicht mein Endzweck hiebei ist. — 3 Verleger 
haben sich deswegen gemeldet, Artaria, Steiner und noch ein drit- 
ter, dessen Name mich [sie] nicht einfällt. Also nur die beiden 
ersten, welchem von beiden sollen die V. gegeben werden ? Ich 
erwarte hierüber die Befehle E. K. H. Sie werden von Beiden 
auf der Verleger Kosten gestochen , hiezu haben sich beide auge- 
bothen. — Es fragt sich nun ob I. K. H. mit dem Titel zu- 
frieden sind? Ob sie herausgegeben werden sollen, darüber 
dachte ich, sollten E. K. H. gänzlich die Augen zudrücken. Ge- 
schieht es, so nennen I. K. H. es ein Unglück; die Welt wird es 
aber für das Gegentheil halten. Gott erhalte I. K. H. und 
schütte immer das Füllhorn seiner Gnaden über I. K. H. heilige» 
Haupt und mir erhalte Gott immer Ihro Gnädigen Gesinnungen. 

Ihro Kaiserlichen Hoheit 

gehorsamster treuster Diener 
Mödling am 31. August 1819. L. v. Beethoven. 

[Aussen.] Meine Kränklichkeit wird einen unordentlichen Brief 
bei I. K. H, entschuldigen. 



An Bruder Johann. 
Lieber Bruder! 

Aeusserst beschäftigt und unbequem in allem mit Wohnung 
und mit meinen Leuten , welche beyde äusserst ungeschickt sind, 
konnte ich Dir noch nicht schreiben. Meine Gesundheit betreffend, 
so geht es besser, ich muss seit einigen Tagen Johannes- Brunnen- 
wasser trinken, die Pulver des Tags 4 mal nehmen , und nun soll 
ich nach Baden dort 30 Bäder brauchen ; wenn es m ö g 1 i ch ist zu 
bewerkstelligen, so begebe ich mich bis 6 oder 7ten August dahin. 
Könntest du nur kommen auf einige Tage mir zu helfen, jedoch 
wird dir der Staub und die Hitze zu stark sein , wäre das nicht 
du könntest mit mir in Baden 8 Tage zubringen ad tuum libitum^ 
hier habe ich noch die Correcturen zu besorgen von der Messe, ich 
erhalte 1000 fl. C. M. dafür von Peters, so wie er auch noch 
von audern kleinen Werken nimmt, er hat schon hier 300 fl. CM. 
angewiesen. Könntest du nur die Briefe lesen , ich habe aber das 
Geld noch nicht genommen, auch Breitkopf und Härtel haben den 
sächsischen Charge 1 d'affaire wegen Werken zu mir geschickt, auch 
von Paris habe ich Aufforderungen wegen Werken von mir erhalten, 
auch von Diabelli in Wien, kurzum man reisst sich um Werke von 
mir, welch unglücklicher glücklicher Mensch bin ich!!! — 
auch dieser Berliner hat sich eingestellt — wird nur meine 
Gesundheit gut, so dürfte ich noch auf einen grünen Zweig kommen — 

Der Erzherzog Kardinal ist hier, ich gehe alle Woche 2 Mal 
zu ihm, von Grossmuth und Geld ist zwar nichts zu hoffen , allein 
ich bin doch auf einem so guten vertrauten Fuss mit ihm, dass es 
mir äusserst wehe thun würde, ihm nicht etwas angenehmes zu 
erzeigen, auch glaube ich ist die anscheinende Kargheit nicht seine 
Schuld. — - Ehe ich nach Baden gehe, brauchte ich Kleidungen, 
weil ich wirklich gar ärmlich dran bin, selbst auch an Hembden 
wie du schon gesehn, frag deine Frau was sie von dieser Leinwand 
hält, sie kostet die Ehle 48 Xr. W. W. ~ Wenn du kommen 



— 34 - 



kannst, so komme, jedoch ohne dir Leides zuzufügen, im September 
komme ich eu dir mit Carl, wenn frA nicht nach Ollmütz zum 
Cardinal gehe, welches er sehr wünscht. — Wegen der Wohnung, 
da sie schon genommen ist, so mag's seyn , ob sie aber eben auch 
gut für mich ist, ist eine Frage? Die Zimmer gehn in den Gar- 
ten, nun ist aber Gartenluft gerade die unvortheilhafteste für mich, 
alsdann ist der Eingang durch die Küche zu mir, welches sehr 
nuangenehm und unzuträglich ist — und nun muss ich eiu 4tel 
Jahr für nichts bezahlen, hierfür werden wir denn, Karl und ich, 
•wenns möglich, uns bei dir in Krems einfinden und wacker drauf 
los leben, bis dieses Geld wieder eingebracht ist, d. h. wenn ich 
nicht nach Mähren gehe. — Schreibe doch sogleich nach Empfang 
dieses, grüsse mir die Deinigen, müsst ich nicht nach Baden, so 
wäre ich gewiss schon künftig. Monath zu dir gekommen, wenn du 
kannst, so komme, es wäre mir grosse Erleichterung, schreibe gleich 
— lebe recht wohl, ich umarme dich von Herzen und bin 

wie immer dein treuer Bruder 
Wien am 26. Juli 1822. L. v. B. 



* o o >» 



CORRESPONDENZEN. 



Ans Stuttgart, 

MUte Februar. 

T. Endlich fand die seit mehr als 10 Wochen durch allerlei 
Hindernisse verzögerte grössere Aufführung des Vereins für klas- 
sische Kirchenmusik statt, worin unter Faiss t's Leitung, dann un- 
ter Mitwirkung der Damen Winter- Weber und Marschalk, 
sowie der HH. Hörn und Scbütky lauter Werke von J. S.Bach 
zu Gehör kamen , nämlich die|A-dur-Messe , die Cantate : „der Herr 
denket an uns" und die Trauerode in der R. Fr anziehen Bearbei- 
tung. Um den Mitgliedern des königl. Hoforchesters die Mitwir- 
kung zu ermöglichen, hatte die einschlägige Behörde dieselben in 
besonderer Rücksichtnahme vom Theaterdienste dispensirt; als Co u- 
certlokal war diesmal aus verschiedenen Gründen die Hospitalkirche 
gewählt worden , die sich in acustischer Hinsicht als höchst un- 
günstig bewährte ; sogar die Stimmung litt unter deren störendem 
Einfluss; doch ging Alles ganz präcis und schwungvoll, so dass das 
zahlreiche Auditorium äusserst zufrieden davon ging. 

In der vierten Soiree für Kammermusik spielten die HH. Sin- 
ger, Barnbeck, Wien und Gölte rmann ein Haydn'sches 
Quartett in B-dur, und mit Hrn. Krumbholz jenes unsäglich 
schöne Quintett Fr. Seh üb er t's in C-dur, das zu den eigentlichen 
•Schwan engesängen des unvergesslichen Liederfürsten zählt. Hier 
findet sich zuerst jene, von Schumann mit Vorliebe adoptirte Neue- 
rung, dem Scherzo ein ernstes Trio in anderem Tacte zu geben; 
auf das lustige C-dur folgt hier ein düsteres Des-dur in der schwer- 
müthigen Weise des ungarischen Lassan. Auch das Finale hat 
Czardas - Anklänge , wie dem deutsch-österreichischen Meister in so 
vielen Sätzen der „Ausgleich mit Ungarn" gar trefflich gelungen 
ist. Hr. S p e i d e 1 bewährte seine gediegene Technik und musi- 
kalische Vielseitigkeit in Schumann'» sinfonischen Etüden, 
welche neben hochpoetischen Gestaltungen auch manche undankbare 
Tastenquälereien enthalten , und in der A - dur - Sonate von J. S. 
Bach, worin Hr. Singer die Violinpartie mit Bravour ausführte 
und das bewunderungswerthe Ensemble der beiden Künstler zumal 
dem herrlichen Canon des zweiten Satzes einen begeisterten Beifall 
gewann. 

Das s i e b e u t e Abonnements-Concert gestaltete sich zu einem 
wahren Feste zunächst durch die Anwesenheit Franz Lachners, 
des langerwarteten hochgefeierten Gastes, der seine Suite in D-moll 
persönlich mit gewohntem Feuer dirigirte, dann durch das sonstige 
Interesse, das einzelne Programmnummern erregten. Da ertönte in 
diesen Räumen zum erstenmal das schöne, volle Organ einer jungen 
Dilettantin, Frl. Groskopf aus Heilbronn, welche die Sopran-Arie 
aus R e i n t h a 1 e r's Oratorium : Jephtas Tochter, „das erste Veilchen," 
von Mendelssohn und „Horch, horch!" von Schubert sang. 
Dann spielte Frl. Irma Steinacker, welche dieses Frühjahr ihre 
Studien am hiesigen Conservatorium abschliesst, das Mendelssohn'sche 
G - moll - Concert mit einer Reinheit , Schärfe der Gestaltung und 



Frische der Auffassung, welche ihr zweimaligen Hervorruf eintrug. 
Neu war auch die Mitwirkung der Sängerinnen des Conservatoriums 
und Singvereins bei einem grossen Frauenchor : „Gross an die Mor- 
genröthe'* von L. Stark, der durch den Vollklang so vieler jugend- 
licher und wohlgeschulten Stimmen ebenso gewann, wie durch E. A. 
T o d ' s sorgfältige und geschickte Instrumentation , noch eine 
Frucht aus dessen ebenfalls am hiesigen Conservatorium abgeschlos- 
senen Studienzeit. Auch die Executirung der Euryanthe-Ouvertüre 
unter Ab er t's Leitung wurde mit wärmstem Beifall belohnt. Lach- 
ner fand auf seinem Pulte den verdienten Lorbeerkranz und wurde 
mit vielen Ovationen überschüttet. Nach dem Concert fand ihm 
zu Ehren in der Liederhalle ein Festsouper statt, woran sich fast 
die gesamtste hiesige Künstlerschaft betheiligte , und Hoftheater- 
Intendant v. Gall wie Hofcapellmeister Abert treffende, begei- 
sterte Worte an den Gefeierten richteten , die derselbe mit sicht- 
licher Rührung erwiederte. Aber alle Ehren gelten nicht dem un- 
ersetzbaren Leiter des Münchener Hoforchesters allein und nicht 
nur dem Schöpfer der D-moll-Suite , sondern überhaupt jener noch 
in diesem letzten Ritter der Classicität verkörperten Richtung, die 
uns so viel Herrliches und Gediegenes gebracht hat, und noch 
direct aus Beethoven's , Schubert's und Weber's Vermächtniss her- 
ausgewachsen ist; immer kleiner wurde seither die Zahl ihrer Ver- 
treter und unser Nachwuchs schreitet ausschliesslich in Schumann- 
schen und Wagner'acheu , oder gar Offenbach'schen Fussstapfen. 
Tempora mutantur! 



Aus Cöl n.*) 



Etwas verspätet, aber hoffentlich doch nicht unwillkommen, er- 
halten Sie hiermit die Fortsetzung meines Berichtes über die Abon- 
nementsconcerte im Gürzenich. Das sechste derselben, welches 
am 14. Januar stattfand, hatte folgendes Programm: Ouvertüre zu 
„Hamlet" von N. W. G a d e ; Arie aus „Titus" von Mozart; 
Violinconcert (Nr. 3, D-moll) von Molique; Scene mit Chor aus 
„Orpheus* von G 1 u ck ; Concertstück für die Violine von P a g a - 
niui; zwei Lieder für gemischten Chor von M. Hauptmann; 
Ouvertüre zu „Waldmeisters Brautfahrt" von F. Gernsheim und 
Sinfonie in D-dur von J. Haydn. 

Die Hamlet-Ouvertüre von Gade ist ein schön erfundenes, mit 
feinem Geschmack durchgefühltes und vortrefflich instrumentirtes 
Werk, dessen Wirkung nur vielleicht durch den Titel beeinträch- 
tigt wird, weil derselbe den Zuhörer berechtigt, ja selbst heraus- 
fordert, sich im Voraus ein Bild dessen zurechtzulegen, was er zu 
hören erwartet; entspricht nun die Auffassung des Componisten 
nicht den Vorstellungen des Zuhörers , was wohl in ähnlichen Fäl- 
len selten der Fall sein dürfte, dann wird ein Gefühl der Nichtbefriedi- 
gung sich in höherem oder geringerem Grade einstellen. Hätte 
Gade sein Werk einfach Concertouvertüre genannt, so würde 
man sich unbefangen dem Genüsse der Schönheiten desselben hin- 
geben und der Eindruck ein ganz ungetrübter sein. Auffallend war 
mir, dass man am Schlüsse des einleitenden Andante anstatt die 
Viola im pp. auf der Fermate forttremoliren zu lassen, eine förm- 
liche Pause eintreten Hess , wodurch der prachtvolle Eintritt des 
Alltgro bedeutend abgeschwächt wurde. Die Ouvertüre von Gerns- 
heim ist ein recht sinnig angelegtes und schön durchgeführtes 
Werk, welches bei gelungener Aufführung des Erfolges sicher ist, 
nur schien mir die Instrumentation hie und da etwas überladen zu 
sein. Die Gesangsoli wurden von Fräul. Adele Assmann aus 
Bremen gesungen. Sie bat eine schöne, umfangreiche Altstimme, 
allein es fehlt ihrem Vortrage die zündende Wärme, die tiefere 
Durchgeistigung und deshalb Hess sie auch das Publikum ziemlich 
kalt. Die beiden Chorlieder von Hauptmann Hessen in ihrer 
Ausführung manches zu wünschen übrig; besonders störend war 
mir das auffallende Sinken im Ton, welches bei jeder Nummer 

stattfand. 

Hr. Concertmeister Eduard Singer aus Stuttgart spielte 
das Concert von Molique und das Concertstück von Paganini mit 



*) Von unserm gewöhnlichen Correspondenten. 

(Anraerk. der Red.) 



35 



seinen enormen technischen Schwierigkeiten mit der Vollendung 
eines gewiegten Meisters auf seinem Instrumente. Ton, Bogenfun- 
rung, Sicherheit und Reinheit der Intonation Hessen nichts zu wün- 
schen übrig und wenn man vielleicht etwas mehr Wärme gewünscht 
hätte, so mag die Schuld namentlich auch an der Trockenheit der 
Molique'schen Composition gelegen haben. Uebrigens erntete Hr. 
Singer sehr reichlichen und wohlverdienten Beifall und zählt jeden- 
falls zu den gediegensten Geigern unserer Zeit. Haydn's reizende 
Sinfonie wurde vortrefflich executirt und vom Publikum mit freu- 
digem Applause aufgenommen. 

Das Programm des siebenten Abonnementsconcertes, welches 
am 4. Februar stattfand, lautete: Concertouvertüre in A-dur von 
Ferd. Hill er; zwei Gesänge für Fraueuchor mit Begleitung von 
zwei Hörnern und Harfe, von Joh. Brahms (zum ersten Male); 
Clavierconcert Nr. 4 in D-molI, componirt und vorgetragen von 
Hrn. A. Rubinstein; „Requiem für Mignon" für Chor , Soli 
und Orchester von Rob. Schumann (zum ersten Male); a) Chro- 
matische Fantasie von Seb. Bach, b) Thema mit Variationen von 
Händel, c) Rondo in A-moll von Mozart, d) „Marcia alla 
turca" aus den „Ruinen von Athen" von Beethoven, sämmtliche 
vier Stücke vorgetragen von Hrn. A. Rub in stein. ZumSchluss: 
Sinfonie in A-moll von Mendelssohn. 

Die Hiller'sche Ouvertüre, eine frische, feurige Composition, 
wurde vortrefflich aufgeführt und mit grossem Beifall aufgenommen. 
Die beiden Frauenchöre von Joh. Brahms: a) Lied von Shakespeare 
und b) „Der Gärtner" von Eichendorff wurden mit einiger Reserve 
vom Publikum aufgenommen, jedoch gefiel das zweite mehr als das 
erste, welches mitunter gar verzwickte Modulationen enthält und 
darum auch in Bezug auf die Sicherheit und Präcision der Auffüh- 
rung zu wünschen übrig Hess. In Schumann's „Requiem für Mig- 
non" verdarb der Männerchor und insbesondere die Tenöre, bei 
welchen es auch an hübschen, frischen Stimmen fehlt, zum guten 
Theil den schönen Eindruck, welchen das im Uebrigen gut aufge- 
führte Werk zu machen schien. 

Der Löwe des Abends war natürlich A. Rubinstein, dieser 
Ciavierheld, der auf einem wahren Triumphzug durch Deutschland 
begriffen, auch jenen Theil unserer Musiker und Musikfreunde, 
welcher den von allen Seiten her ihm vorausgegangenen Lobes- 
erhebungen der Kritik gegenüber gleichwohl entschlossen waren, 
sich nicht verblüffen und das eigene Urtheil sich nicht verkümmern 
zu lassen, durch seine Leistungen hinriss und bezauberte. Ja, wirk- 
lich hinreissend is^Rubinstein's Vortragsweise, abgesehen von seiner 
fabelhaften technischen Vollendung, Kraft und Milde stehen ihm in 
gleichem Grade zu Gebot und durch seine geistvolle und originelle 
Auffassung» weise weiss er Alles, was er vorträgt, zur höchsten Gel- 
tung zu bringen; sogar sein D-moll-Concert muss gefallen, wenn er 
selbst es spielt und der Virtuose den Componisten so meisterhaft 
unterstützt. Es ist übrigens bereits unendlich viel über Rubinstein 
geschrieben worden, und ich will daher einfach nur constatiren, dass 
man auch hier die Ueberzeugung gewonnen hat, der ihm voraus- 
gegangene ausserordentliche Ruf sei ein wohlbegründeter und Ru- 
binstein einer der geistvollsten und interessantesten Ciaviervirtuosen 
aller Zeiten. 

Die Mendelssohn'sche Sinfonie wnrde in allen Theilen ganz 
vollkommen ausgeführt und bildete somit einen würdigen SchlusS 
des so viele und verschiedenartige Genüsse bietenden Concertes. 



Aus Magdeburg« 

Sonntag den 23. Februar. „Hero uud Leander". Komische 
Oper von W. W. Steinhart. Das Feld der grossen serieusen 
Oper, mag sie sich heroisch, romantisch, historisch oder alles zu- 
sammen nennen, ist von Gluck's Tagen an bis auf Wagner — und 
Langert mit einer Ausdauer und Emsigkeit angebaut worden, gegen 
welche die parallele Bemühung auf dem Gebiete der komischen Oper 
mit ihren Erträgen und Erfolgen kaum erheblich in*s Gewicht fällt. 
Seit Mozart ist die Muse edler, feiner Heiterkeit fast wieder ver- 
stummt; nur in einzelnen glücklichen Momenten hat sie einen Ros- 
sini zum beredten Interpreten ihrer schönsten, intimsten Geheimnisse 
geweiht. Erst ein Lortzing, neben ihm Flotow und Nicolai finden 



in ihren begnadetsten Stunden dafür wieder Töne und Formen, die 
in den Empfindungen der gebildeten Menge lauten , frohen Wieder- 
hall erwecken. Nicht, dass die Genannten ausschliesslich bei uns 
ihr Fach verträten: neben ihnen lassen sich Dutzende von Compo- 
nisten komischer Opern herzählen, aber — ihr Verbreitungsgebiet 
ist beschränkt, ihre Lebensdauer kurz gewesen. Und doch gibt es 
in dem weiten Umfange des Musikgebietes kaum eine Gattung, wel- 
che — ihrer ästhetischen und ihrer moralischen Wirkungen wegen 
— der liebevollen Pflege der Kunstfreunde werther und würdiger 
wäre als grade die komische Oper. So hat uns denn die obengenannte 
Novität in diesem Fache, des königlich Würtembergischen Capellmei- 
sters Herrn W. Steinhart komische Oper „Hero und Leander auch 
ganz besondre Freude gemacht. Das Auditorium, das sich sehr 
zahlreich versammelt hatte, schien diese Empfindung zu theilen; es 
zeigte sich von Anfang an theilnehmend und liebenswürdig und be- 
kundete seine Befriedigung durch stürmischen Hervorruf des Com- 
ponisten und der Darsteller nach jedem Acte. Nach vielen wesent- 
lichen Beziehungen verdient aber die Composition auch die freund- 
liche Auszeichnung , mit welcher sie am Abend der ersten Auffüh- 
rung bei uns aufgenommen wurde. Ohne jede Anregung von Seiten 
congenialer Kunstgenossen mit puritanischer Strenge abzulehnen, wan- 
delt Herr Steinhart im ganzen doch seine Wege selbstständig. Die 
Opera buffa der Italiener, die Opera comique der neuern Franzosen 
haben ihn natürlich nicht unberührt gelassen, aber in der Erfindung 
der Melodie, in der Behandlung des Orchesters wie der Stimmen 
und der Harmonie , in Anlage und Ausbau der Sätze scheinen üb- 
rigens die Traditionen der Deutschen komischen Oper resp. des 
Singspiels ihn geleitet zu haben. Die Stimmen im Orchester werden 
mit durchgehender Mässigung, aber mit vollkommener Kenntnis« 
ihrer Natur und Wirkung oft in feinen und wohllautenden Combi- 
nationen herbeigerufen, den Gesang anmuthig zn umspielen — und 
grade die fliessende gewandte Führung der Instrumentalstimmen 
dünkt uns nicht der letzte der Vorzüge , welche der Partitur Herrn 
Steinhartes sich nachrühmen lassen. Die Rythmik hat durchweg 
ganz das Leichtbeschwingte, Prickelnde, Dralle und Flinke, wie 
wir es in einer Oper von Auber und Adam zu suchen pflegen. So 
klein das Format der Oper ist — - sie wird bei glatter Aufführung 
kaum volle 2 Stunden füllen — so reich ist sie dafür an leichtfasslichen 
und wohllautenden Melodien, die, ohne ängstlich nach Originalität 
zu haschen, Sinn und Herz der Zuhörer oft sehr angenehm beschäf- 
tigen. Es sind da keine reich uud breit durchgearbeiteten kunstvollen 
Sätze, meist Lied- und Romanzenform, knapp, man mochte zuweilen 
sagen etwas kurzathmige Perioden von wenigen Tacten und un- 
gekünstelten Modulationen , aber dafür vom wärmeren Hauche 
schlichter, tiefer Empfindung durchweht. 

(Schluss folgt.) 



I¥ a c li r i c h t c n. 

Mainz, 27. Febr. Hr. Generalmusikdirector Franz Lachuer 
von München verweilte ein paar Tage dahier und begab sich heute 
nach Mannheim, wo er am Samstag den 29. d. M. seine erste 
Orchestersuite (D-moll) dirigiren wird. 

Berlin. Frau v. Voggenhuber ist im k. Opernhause zwei- 
mal als Fidelio und einmal als Donna Anna mit vielem Beifall 
aufgetreten. 

— Am 19. Februar kam im k. Opernhause zum ersten Male 
die fünfactige dramatische Oper „Die Fabier" von G. v. Meyern, 
componirt von A. Langert, zur Aufführung und fand von Seite 
des Publikums eine höchst günstige Aufnahme. In Bezug auf In- 
scenirung waren die reichen Mittel der k. Bühne ohne Rückhalt 
aufgeboten und was die Aufführung betrifft , so waren sämmtliche 
Rollen in den geeignetsten Händen und wurden von den betreffen- 
den Künstlern und Künstlerinnen in der befriedigensten Weise durch- 
geführt. Die Besetzung waren folgende: Fabia, Frl. Grün; Quin- 
tus, Frl. Horina; Icilius, Hr. Woworsky; Marcus, Hr. Betz; 
Consul, Hr. Fr icke; Sextus, Hr. Krüger; Sicanius, Hr. Salo- 
mon und ein Lictor, Hr. Barth. Auch Orchester und Chor lösten 
ihre mitunter recht schwierige Aufgabe mit gewohnter Vortrefflich- 
keit, so dass dem Componisten, welcher mit diessr Oper einen sehr 
bemerklichen Schritt vorwärts auf der dramatischer. Bahn gemacht 



36 - 



tat, nichts au wünschen bleibt, als dass aucb andere Bübnen sieb 
seinem so talentvollen Werke recht bald erscbliessen möchten , mit 
demselben günstigen Resultate wie an unserer Hofbühne. 

Karlsruhe. Das am 15. v.M. stattgefunden 3. Concert des 
Cäcilienvereins gewährte .durch das Auftreten fremder musi- 
kalischer Gäste besonderes Interesse, indem das an und für sich 
schon reichhaltige Programm eine unerwartete Vermehrung in den 
ausgezeichneten Vorträgen des zufällig hier anwesenden Künstler- 
paares Nossek aus Paris erhielt. Hr. Nossek, welcher Präludium 
u. Fuge, sowie Gavotte von Joh. Seb. 8 ach, und später den Teufels- 
triller von Tartini nebst Paganini's Hexentanz spielte, bewährte sich 
als einen hervorragenden Violinspieler, gleich gewandt in den Künsten 
der Virtuosität, wie des klassischen Vortrags, Vorzüge, welche durch 
einen innigen, durchaus edlen Ton wesentlich gehoben werden. 
Frau Nossek besitzt eine zwar nicht starke, aber gleichmässig in 
ihren Registern ausgebildete Sopranstimme von enormer Höhe und 

Ausdehnung (a bis f), welche es ihr möglich machte, sogar die Arie 
der Königin der Nacht aus Mozart's Zauberflöte ohne das bei anderen 
Sängeriunen so häufige Transponiren zu singen. Die weiter vor- 
getragenen Stücke : Romanze vouSpohr, Violinvariatiouen von Rode 
und Schattenwalzer aus Dinorah von Meyerbeer boten der Sängerin 
-wiederholte Gelegenheit, sowohl ihre Bravour im Koloraturgesang, 
u 1ö die treffliche Toubildung und naive Anrnuth ihrer Stimme glänzend 
zur Geltung zu bringen. Namentlich entzückten die Violinvariationen 
und der Schattenwalzer. Das bescheidene Künstlerpaar, welchem 
nach deu besprochenen Leistungen auf seiner eben beginnenden 
Kunstreise in Deutschland überall die beste Aufnahme gesichert er- 
scheint, gewann sich rasch die Gunst des Publikums und wurde 
durch stürmischen Beifall und Hervorruf geehrt. Grossen Erfolg 
fanden auch die Harfenvorträge einer einheimischen Künstlerin Frau 
Dr. Pohl, welche in zwei Compositionen von Parish-Alvars (Fanta- 
sie und Romanze) ihre anerkannte Meisterschaft auf's Neue entfaltete 
und dadurch lebhaft bedauern Hess, dass uns dieser Genuas so selten 
zu Theil wird. Zu Anfang des Concertes gelangte ferner ein launig 
und fein gearbeitetes Trio von Beethoven für Ciavier, Violine und 
Violoncell über das humoristische Lied : „Ich bin der Schneider Ka- 
kadu tf aus Wenzel Müller's ,, Schwestern von Prag" unseres Wissens 
das erste Mal, zu öffentlichem Vortrag. Den Ciavierpart führte eine 
junge, begabte Dame, Schülerin des Herrn Hofkirchenmusikdirectors 
Giehne, mit grosser Fertigkeit und künstlerischem Geschick aus, 
wobei sie von den Herren Freiberg und W. Se gisser vortreff- 
lich unterstützt wurde. Die Vorträge des Chors bestanden in dem 
Frühlingschor von Haydn ans dessen Jahreszeiten, einem Chor aus 
Händel's Josua, dem 23. Psalm für Frauenstimmen von Franz Schu- 
bert und Schumann's originellem Zigeunerleben und zeichneten sich 
wie immer durch Feinheit u. Genauigkeit aus. Besonders gelungen 
war jedenfalls der wunderschöne Schubert'scbe Psalm mit seinen 
ätherischen Klangwirkungen. (Bad. L.-Ztg.) 

Wien. Arn 13. Februar gab das Florentiner Streich- 
quartett seine erste Soiree im Musikvereinssaale, deren Programm 
aus Haydn's G-moll-, Schubert's D-moll- und Beuthoven's 
A-dur- Quartett (Op. 132) bestand. Der Besuch war ein schwacher 
an diesem ersten Abende ; allein bei dem ausserordentlichen Beifall, 
den die Leistungen dieser Künstler bei dem nicht zahlreichen aber 
die berufensten Beurtheiler enthaltenden Auditorium durchweg ge- 
funden haben und bei der übereinstimmenden höchst lobenden An- 
erkennung, welcheu die gesammte Kritik denselben zu Theil werden 
Hess , ist wohl nicht zu bezweifeln , dass die zweite dieser Soireen 
um so zahlreicher besucht sein wird. 

London. Im populären Montagsconcert am 15. Febr. Morgens 
spielte Frau Clara Schumann die Sonate Op. 81 in Es-dur („Les 
Adieu cc, V Absence et le Relour il ) von Beethoven und mit den 
HH. Strauss undPiatti das Trio op. 99 in B-dur von Schubert. 
Im Abendconceite desselben Tages trat Joachim zum ersten Male 
in dieser Saison auf und spielte mit den HH. L. Ries, Blagrove 
und Piatti das E-moll-Quartett (op. 59) mit den HH. Halle und 
Piatti das B-dur-Trio (op. 97) und mit Hrn. Halle die G-dur- 
Sonale (op. 30) für Piauoforte und "Violine, sämmtliche Werke von 
Beethoven. Hr. Halle spielte die Beethoven'sche G-dur-Sonate 
<Op. 79) für Pianoforte allein. 

FaHs. Das 17. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup hatte 



folgendes Programm: Sinfonie in D-dur von Beethoven; Adagio 
aus einem Quartett von Mozart (sämmtliche Streichinstrumente); 
Sinfonie in G-dur (Nr. 29) von Haydn; Violinconcert in E-dur 
(Adagio und Rondo) von Vieuxtemps, vorgetragen von Frau 
Norman Neruda; Ouvertüre zu „Tannhäuser" von R. Wagner. 
— Der Munizipalrath v. Li 1 le hat in einer seiner letzten Sitzungen 
für die siebenmonatliche diesjährige Theatersaison einen Zuschuss 
von 56,000 Frcs. bewilligt. 

— In der italienischen Oper sind „Rigoletto" und „Crispino'' 
zum letzten Male mit Adelina Patti aufgeführt worden. In den 
letzten Tagen dieses Monats wird das Ehepaar T i b e r i n i in 
„Mathilda di Shabran" debütiren. 

*** Ueber die neueste, mit so grossem Erfolge aufgeführte 
Oper des 87jährigen Auber schreibt man u. A. dem Guide musi- 
cale aus Paris: „Un premier jour de bonheur u ist im Ganzen 
genommen ein sehr anmuthiges Werk, welches drei oder wenigstens 
zwei Nummern ersteu Ranges enthält, ich meine nämlich Gesaug- 
stücke, die der schönsten Zeit Auber's würdig sind und die Allem 
an Werth gleich stehen, was er je geschrieben hat Dies Werk 
ist lieblich, reizend geschrieben, kurz äusserst anmuthig, und dies 
Wort wird wohl bezeichnend sein. Die Handlung ist interessant, 
ziemlich neu und enthält eine ziemliche Mischung vou Sentimen- 
talem und Heiterem. Kein Moment der Langweile, der Abspannung 
trübt das Anhören der drei Acte; der Abend geht gemüthlich vor- 
über und wenn die letzte Scene kommt, schwebt immer noch ein 
Lächeln auf den Lippen des Zuhörers. Ja, ihr Herren! die Werke 
werden selten, welche gefallen ohne plumpe Buffonnerie, ohne ge- 
zwungene Effectmittel , einfach nur durch ihren gemüthlichen Reiz, 
durch die interessante Intrigue uud besonders durch ihre lieblichen 
Melodien. Der Componist dieser Oper hier geht uun in sein 88. 
Lebensjahr; ist dies nicht wunderbar? Man bewundert diesen 
fruchtbaren Geist, welcher immer noch originelle Ideen findet und 
der noch drei interessante Acte schafft, die man ohne die geringste 
Langweile anhört und die ein reich begabter junger Mann geschrie- 
ben zu haben sich glücklich schätzen würde." 

Wir entnahmen absichtlich dieses Urtheil über die betreffende 
Oper dem genannten Brüsseler Blatte , weil es dem greisen Meister 
und seinem Werke alle Anerkennung wiederfahren lässt, ohne in 
die herkömmliche Ueberschwänglichkeit der Pariser Feuilletonisten 
zu verfallen. J 

*#* Herr Niemanu ist vou dem Präsidenten des Cartellver- 
eins als contraetbrüchig gegenüber der Hofbühne in Dresden er- 
klärt worden und seine projeetirten Gastspiele an Vereinsbühuen 
sind daher nicht mehr zulässig. 

*** In einem Leipziger Berichte über den gtossartigen Er- 
folg, den Franz La ebner im 17. Gewandhausconcert mit seiner 
4. Orchester-Suite errungen hat, wird u. A. auch hervorgehoben, 
dass der treffliche Meister zu deu wenigen noch Lebenden gehört, 
welche mit Beethoven und Schubert (insbesondere vielfach mit Letz- 
terem) persönlich verkehrt und schon zu deren Lebzeiten als schaf- 
fende Tonküustler Ruhm und Ansehen gewonnen haben. Vom 8. 
Dezember '1825 wird aus Wien berichtet, dass das erste Allegro 
einer Sinfonie von Fr. Lachner aufgeführt worden sei: „Dieser 
junge Künstler (Organist an der evangelischeu Kirche) wandelt die 
rechte Strasse und wird bei beharrlichem Fleisse gewiss ein schönes 
Ziel erreichen," heisst es dort und der nun schon laugst »m schönen 
Ziele der Meisterschaft angelangte Kuustjünger von damals hat diese 
Voraussage gewiss iu glänzendster Weise zur Wahrheit gemacht. 

*** Der Wiener Männergesangverein hat vou dem Rein- 
ertrag seines diesjährigen Narrenabends den Hungernden in Ost- 
preussen 230 Thlr. und den Nothleideudeu in Galziaii 400 fl. zn- 
füessen lassen. 

*** Ulhnanu hat den iu Paris beliebten Pianisten Theo- 
dor Ritter für seine nächste Concertreise mit Carlotta Patti 
durch Südfrankreich engagirt. 

*#* Gleichzeitig gastiren in Hannover Frau Schnorr von 
Carolsfeld und der Tenorist Tichatschek. 

* * Die Trojaner" von B e r 1 i o z sind bereits ins Russische 
übersetzt und werden in Petersburg zur Aufführung vorbereitet. 
Berlioz ist wieder vou Petersburg nach Paris zurückgekehrt. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



j^°- MO. 



9. März 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



T Diese Zeitung erscheint jeden j 



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PEEIS: 






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MONTAG. 



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von 



\ Man abonnirt bei allen Post- 
i ämtern, Musik- &Buchhand- \ 






lungen. 






B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ, 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



;fl. 2. 42kr.od.Th.l. IBSg.j 
\ für den Jahrgang. ■ 
\ Durch die Post bezogen: 
\ 50 kr. od. ,15 Sgr. per Quartal. \ 



INHALT: Aus L. Nohrs Briefen Beethoven's. — Sophie Schröder. — Corresp. : Magdeburg. Paris. — Nachrichten. 



Aus Ii. IV olil 9 s Briefen Beethoven's. 



Zum Schlüsse wolleu wir unsere Leser auch ein wenig mit der 
häuslichen Misere Beethoven's bekannt machen, welche in bestän- 
digem Wechsel seiner Dienstboten, in deren Betrügereien und Faul- 
heit, aber auch in des Meisters fabelhaftem, unpractischen Wesen sei- 
nen Grund hatte, so dass er immer seine Freunde und Bekannten 
zu Hülfe rufen rousste , um seine Haushaltung einigermassen im 
Gange und in Ordnung zu erhalten. Zu den in diesem Sinne von 
ihm besonders bevorzugten Personen gehörte Frau Streicher, die 
Gattin des bekannten Wiener Ciaviermachers, welche er in Bezug 
auf seine Dienstboten, auf Anschaffungen aller Art etc. mit einer 
Unzahl von längeren und kürzeren Billeten und Briefen bedachte, 
vou denen Nohl eine grosse Anzahl , und was von Wichtigkeit ist, 
da auch andere auf Beethoven's äussere Verhältnisse Bezug haben- 
den Dinge darin zur Sprache kommen, in chronologischer Folge 
mittheilt. 

An Frau Streicher. 

[Anfangs Januar 1818]. 

Es freut mich, dass Sie sich noch ferner um das Hauswesen 
annehmen wollen, ohne das alles andere vergebens wäre, beim hier 
folgenden Küchenbuch liegt ein Brief, welchen ich Ihnen noch ehe 
Sie nach K. N. *) gingen, geschrieben — mit der N. geht es jetzt, 
was ihr Betragen angebt besser und ich denke gar nicht , dass sie 
den Willen dazu hat, vielleicht ist es möglich mit dem andern 
Mädchen für unsere Haushaltung vor theilhafter zu wir- 
ken,**) doch dürfen Sie sich nicht entziehen, leicht können Sie im 
Küchenbuch sehn , ob ich allein oder zu mehreren oder gar nicht 
zu Hause gegessen habe. — Ganz ehrlich halt ich die N. nicht, 
ausserdem, dass sie noch obendrein ein schreckliches Vieh ist, 
nicht durch Liebe sondern durch Furcht müssen d. g. Leute 
gehandhabt werden , ich sehe das jetzt ganz klar ein. — Es ver- 
steht sich dass das Dienstmädchen Sonnabends früh eintreten kann, 
nur bitte ich Sie mir gütigst anzuzeigen, ob die Babdrl Freitags 
früh oder nach Tische sich zu entfernen hat ? — Das Küchenbuch 
allein kann Ihnen nicht AIIhs klar anzeigen, Sie müssen manchmal 
beim Essen als ein richtiger Engel unverhofft erscheinen, um 
auch in Augenschein zu nehmen was wir haben. — Ich speise 
nun niemals zu Hause , als wenn jemand bei mir zu Gaste ist, 
denn ich will nicht so viel für eine Person bezahlen, dass 3 oder 
4 davon essen könnten. ***) 

Meinen lieben Sohn Karl werde ich nun bald bei mir 
haben, um so mehr bedürfen wir der Oekonomie. — Ich kann mich 
nicht wohl überwinden zu Ihnen zu kommen , Sie verzeihen mir 



*) Kloster-Neuburg bei Wien. 

**) »Das Küchenmädchen erhält 60 fl. Lohn jährlich und 12 kr. 
Brotgeld täglich," steht zwischen dem 3. und 16. Januar 1818 im 
Tagebuch. 

***) Nach den im Besitz von Artaria in Wien befindlichen 
Küchenbücbern kam dem Meister ein gewöhnliches Mittagsessen im 
eigenen Hause allerdings auf mindestens 5 fl. W. W. zu stehen. 



schon ich bin sehr empfindlich u. d. g. nicht gewohnt, noch weni- 
ger mag ich mich aussetzen. — — Sobald Sie können besuchen 
Sie mich, nur lassen Sie nichts vorauswissen , ich habe viel mit 
Ihnen zu reden. Schicken sie das Büchel gegen Abend ebenso 
wieder zurück, bis die andere Person da ist, gehen wir einen stär- 
keren Weg, und mit ihrer gütigen freundschaftlichen Gefälligkeit 
wäre es doch möglich hierin fortzukommen. — Die N- hat ausser 
ihren 12 Xr. Brotgeld auch eine Semmel morgens, ist das mit der 
Küchenmagd auch der Fall, eine Semmel macht für ein Jabr 18 fl.*) 
— Leben Sie und weben Sie wohl, die Fräulein N. ist ganz um- 
geändert, seit ich Ihr das halb Dutzend Bücher an den Kopf ge- 
worfen. Es ist wahrscheinlich durch Zufall etwas davon in ihr 
Gehirn od. schlechtes Herz gerathen, wenigstens haben wir 
eine busige ßetriegerin !! ! 

in Eil Ihr 

L. v. Beethoven. 



An dieselbe. 

Was die B. betrifft, so geht sie Montag in der Früh, zu Mit- 
tage kann also die andere od. Na ch mittags gegen 2 od. 
3 U.hr, wie Sie am besten glauben, einstehen. Die N. hat mich 
heute gefragt, ob die B. bleibe, ich sagte nein, sie könne höch- 
stens bis Montag in der Frühe bleiben. Uebrigens habe ich 
guten Grund zu glauben, dass die N. oder die andere ihre Spione- 
reien in Ihrem Hause fortsetzt. — Vorgestern Abend fing die N. 
an mich auf ihre allem Mistvolk eigene Art des Läutens wegen 
aufzuziehen, sie wusste also schon dass ich Ihnen davon geschrie- 
ben. Gestern Morgen gingen die Teufeleien wieder an, ich machte 
kurzen Prozess und warf der B. meinen schweren Sessel am Bette 
auf den Leib , dafür hatte ich den ganzen Tag Ruhe. Immer neh- 
men sie Rache an mir, so oft sie eine Korresspondenz verrichten 
müssen oder sonst etwas bemerken zwischen uns. Was die Ehr- 
lichkeit der N. anbelangt, so glaube ich, sie ist nicht weit her, 
sie n a s ch t gern , dies mag dazu beitragen. Sobald das andere 
Mädchen da ist, werde ich in fhrer Gegenwart, sobald Sie 
mich besuchen, die N. hereinrufen, und meine Zweifel des Küchen - 
buchs wogen äussern. Monatrechnungen gehen bei uns nicht 
eher an, bis alle Tage eine gewisse Anzahl Personen bei uns speist, 
auch machten die Anschaffungen dies nicht möglich. Aber dass ich 
allein beinahe so viel brauche als wenn auch noch 2 Personen 
bei mir essen, das hat seine Richtigkeit. Wahrscheinlich werden 
wir zu Mittage immer zu Dreyen ausser 2 Dienstboten essen, da 
der Lehrer meines Karls zu Mittage bei mir essen wird. 

Dem Himmel muss ich danken dass ich überall Menschen finde, 
die sich besonders jetzt meiner annehmen. So hat sich einer der 
ausgezeichnetsten Professoren an der hiesigen Universität 



*) Mann darf nicht vergessen, dass durch das stete Herunter- 
gehen des Curses auch Beethoven's Gehalt bedeutend verringert 
ward und Einnahme von Werken hatte er damals ganz besonders 
wenig, weil das ganze Jahr vorher seine Lungenkrankheit ihn fast 
nichts von Bedeutung hatte schaffen lassen. 



38 - 



gefunden, der mir alles was Karls Unterricht betrifft, 
aufs Beste besorgt und anräth. Sollten Sie bei Czerny mit diesen 
Giannatasische n zusammenkommeu, so wissen Sie von gar 
nichts was mit meinem Karl geschieht, sagen es sei meine 
Gewohnheit nicht meine Vorsätze auszuplaudern, in- 
dem jeder ausgeplauderte Vorsatz einem schon nicht 
mehr zugehört. Sie möchten sich ferner noch gerne 
einmischen uud ich will sie diese Alltagsmenschen 
ebenso wenig für mich wie für meinen Karl. 

Dass Sie der N. gerne verzeihen, glaube ich auch, ich 'denke 
auch so, aber ich kann sie nun doch nicht mehr anders als eine 
unmoralische Person betrachten. Wir werden schon sehen 
wie es sonst geht, aber gemeiniglich thut das was nun schon 
vorgefallen zwischen Herrn und Dienstboten nicht gut mehr* Das 
nun eintretende Küchenmädchen bitte ich Sie so zu unterrichten, 
dass sie Ihnen und mir als Partei gegen die N. dient. 
Dafür werde ich ihr manchmal etwas schenken, welches die andere 
nicht zu wissen braucht. Ohnehin wird sie nicht so naschhaft sein 
als die N. und B. Kurzum das Küchenmädchen muss als Gegen- 
partei der N. immer sich betragen, so wird die ausserordentliche 
Frechheit Bosheit und Niedrigkeit der N. die zwar jetzt etwas ge- 
dämpft ist, auch nachlassen. Ich versichere Sie, dass das mit der 
N. Erlebte noch über manche gehabte Bediente geht. Alle 
fremde Besuche und besonders im 1. Stock habe ich der N. gänz- 
lich untersagt. 

Und nun leben Sie herzlich wohl. Was die" Dienstboten an- 
geht so ist nur eine Sprache überall über ihre Immoralität, 
welches allem übrigen Unglück allhier zuzuschreiben; und so 
dürfen Sie nie von meiner Seite hierüber eine Kränkung erleiden 
können oder erwarten.*) Dankbar werde ich alles anerkennen, was 
mir Ihre Freundschaft dargebracht. Nur ist es mir leid , dass ich 
unschuldiger Weise an einer kleinen Entzündung in Ihrem Hause 
s ch u 1 d bin. 

Statt der Klosterneuburger Geistlichkeit segne ich Sie. 

In Eil Ihr Freuud 
Beethoven. 

Die N. frug mich nebenbei, ob ich denn Jemand andern an 
der Stelle der B. habe, ich antwortete j a. 



*< a» 



Sophie Schröder, f 

Am 25. Februar starb in M ü n ch e n, 87 Jahre alt, Sophie 
Schröder, die grösste dramatische Künstlerin Deutschlands, und 
wurde am 27. Febr. in feierlicher Weise dem Grabe übergeben, an 
welchem der k. Hofschauspieler Richter an die zahlreiche Ver- 
sammlung eine ergreifende Anrede hielt. Auch diese Künstlerin 
begann ihre theatralische Laufbahn, gleich manchen anderen unserer 
bedeutendsten Mimen , bei der Oper ; ihr Lebenslauf war ein viel- 
fach bewegter und interessanter, weshalb wir denselben nach einer 
im „Nürnb. Corresp." enthaltenen Skizze auch unsern Lesern mit- 
theilen wollen. 

Sophie Schröder war geboren am 20. Februar 1781 in Pa- 
derborn, als die Tochter des Schauspielers Bürgers, dessen Witt- 
we Bich nachher mit dem einst rühmlich bekauuten Schauspieler 
Keilholz verheirathete. Als ihre Mutter 1793 bei der Tylli'schen 
Gesellschaft in St. Petersburg engagirt worden, begann dort die 
damals 12jährige Sophie in der Dittersdorf'scheu Oper „Das rothe 
Käppchen" als Lina ihre theatralische Laufbahn. In Reval hei- 
rathete sie 1795 den Director der deutschen Bühne, Stollmers. 
Hier lernte Bie auch Kotzebue kennen, uud auf seine Empfehlung 
erhielt sie eine Anstellung bei dem Wiener Hoftheater. Sie spielte 
damals noch ausschliessend naive Rollen, uud gefiel als Margarete 
in den „Hagestolzen" und als Gretchen in den „Verwandtschaften. u 
Schon nach einem Jahre ging sie nach Breslau, wo sie vorzuga- 

*) Ueber die sittliche Depravatiou, die der Wiener Congress in 
allen Schichten der Wiener Bevölkerung verbreitet hatte, wird aller- 
dings damals sehr viel geklagt. Und das Hungerjahr wie die Ver- 
schlechterung der Valuta trugen auch das ihrige dazu bei, die 
äussern Lebensverhältnisse in Wien iu jeder Weise unerträglicher zu 
machen. 



weise für die Oper engagirt wurde, und besonders als Hulda imt 
„Donauweibcheu" viel Glück machte. Ihre Ehe mit Stollmers ward 
hier getrennt, welcher die Bühne verliess, und unter seinem wirk- 
lichen Familiennamen Smetg als Hofrath des regierenden Reichs - 
grafen von Plettenberg-Ratibor in die früher von ihm verlassene 
juridisch - diplomatische Laufbahn zurücktrat. Im Jahr 1801 unter 
sehr vortbeilhaften Bedingungen nach Hamburg berufen, betrat hier 
Sophie die Bahn auf welcher sie bald als ein Stern erster Grösse 
glänzte: sie wechselte das naive Rollenfach mit dem tragischen. 
Im Jahr 1804 heirathete sie den Tenoristen Friedr. Seh r öder, und 
lebte unter den günstigsten Verhältnissen in Hamburg, bis die krie- 
gerischen Begebenheiten 1813 sie bestimmten diese Stadt heimlich 
zu verlassen , da der Marschall Davoust sie in das Innere Frank- 
reichs bringen lassen wollte, wegen der patriotischen Gesinnung wei- 
che sie bei Hamburgs Besetzung durch den General Tettenborn auf 
der Bühne hatte laut werden lassen. Nachdem sie eine glänzende 
Kunstreise gemacht, spielte sie anderthalb Jahre in Prag, und folgte 
daun einem Ruf an das Wiener Hoftheater, dessen Zierde in 
hochtragischen Rollen sie bis 1829 war. Hier sah sie auch 1816 
nach 16jähriger Trennung ihren Sohn erster Ehe, den späterhin 
durch mehrere theologische und poetische Schriften bekannt gewor- 
denen kathol. Geistlichen und Canoniker Willi. Smets wieder. 
Nachdem ihr zweiter Gatte Schröder 1818 gestorben, heirathete sie 
1825 den talentvollen Schauspieler Kunst, von dem sie sich aber 
bald wieder trenute. Im Jahr 1839 schied sie vom Wiener Hofthea- 
ter aus, und machte bedeutende Kunstreisen, bis sie 1831 Mitglied 
des Münchner Hoftheaters wurde. Von hier folgte sie im Früh- 
jahr 1836 abermals einem Ruf an das Wiener Hoftheater. Im 
Jahr 1840 wurde sie in Wien pensionirt, lebte dann in Augsburg 
und später in München. Wiewohl hoch betagt, erfreute sich die 
Künstlerin doch immer noch einer seltenen Kraft und Frische des 
Körpers uud des Geistes , so dass sie sogar zu den Vermählungs- 
feierlichkeiten des Kaisers Franz Joseph im Mai 1854 am Wiener 
Burgtheater mit grösstem Beifalle mitwirkeu konnte. Zum letzten- 
mal trat sie 1859 iu München an Schillers lOOjährigem Geburtstag 
auf, an dem sie Schillers Glocke vortrug und einen unvergesslichen 
Eindruck machte. Sie besass ein gewaltiges und doch wohlklingendes 
Organ, und ein durch Uebung zu einem erstaunenswürdigen Grad 
von Sicherheit entwickeltes Talent. Ihre bedeutendsten Rollen waren 
Phädra, Medea, Lady Macbeth, Merope, Sappho, Johannna von Mont- 
faueon und Isabella in der „Braut von Messina.* Die berühmte 
dramatische Sängerin Wilhelmine Seh röder -De vri ent war 
eine Tochter von Sophie Schröder. 



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CORRESPONDENZEK. 



Aus H 

( S ch 1 u s s. ) 

Die einzigen in grösserem Stile behandelten Nummern sind die 
bravourhafte Cavatine Leontine's in Ges-dur „Der Sonne letzter 
Strahl" und das mit echtem Wohllaute getränkte kleine Septett im 
2. Finale „l£r betet." An komischen Zügen in den Stimmen und 
im Orchester fehlt es natürlich nicht; gestern schlug besonders das 
drollige Terzett Nr. 2 von der „Po — li- zei u durch, und die folgenden 
Aufführungen werden schon herausarbeiten , was sonst noch davon 
in der Partitur steckt. Die Durchschnittsstimmung der ganzen Com- 
positiou aber ist nicht drastische, schlagende Komik, sondern heitere 
Gemüthlichkeit, wobei nach unserem Gefühle das Gemüthliche das 
Heitere fast noch überwiegt. Das Textbuch bot dem Compo- 
nisten einen leidlich unterhaltenden Stoff in ungenärter Form ; was 
es, nach unserem Ueberschlage, ihm nicht bot, ist zunächst ein Kern 
recht frischer, ungesuchter, zündender Komik, sodann hinlänglich 
scharfe Motivirung der Charaktere und Situationen und endlich Ge- 
legenheit zu grösser angelegten und durchgführten Ensembles. Und 
auf diesen Punkten , dünkt uns , würde eine anspruchsvollere oder 
peinlichere Kritik auch nicht ohne Erfolg nach der sterblichen Seite 
dieser übrigens so liebenswürdigen Schöpfung suchen. Führt ein 
glücklicher Zufall aber unserm süddeutschen Landsmann nur zu 
rechter Stunde das rechte Textbuch unter die Augen, so gibt uns 



- 39 — 



der gestrige Erfolg die Hoffnung, dass wir seiner freundlichen Muse 
noch einmal ein zweites Werk der Art, das von dem Tone der ko- 
mischen Operette zur wirklichen komischen Oper aufsteigt, 
verdanken können. Für die Aufführung bleiben uns heute nur noch 
wenige Zeilen zu unserm Bedauern; die sämmtlichen Ausführenden 
waren mit voller Liebe und Lust bei der Sache und Hessen es sich 
angelegen sein, das Werk, ihr Talent und unsere diesjährige Oper 
zu bester Geltung zu bringen. Eine Hauptlast ruhte auf Herrn 
Herrn ann's Schultern; als Bürgermeister leistete er denn wieder 
im Gesänge wie im Spiele sehr viel Beifallswürdiges, wofür das 
Auditorium ihm einen lebhaften Dank auch nicht vorenthielt. Ge- 
sanglich die dankbarste Partie hatte Fr. Burger-Weber (Leon- 
tine), die fast nach jeder Nummer einmüthig gerufen wurde; neben 
ihr Herr Lederer als Martini, Herr Lenz als Tobias, Herr Bur- 
ger als Theaterdirector, während Herr Karutz, die einzige rein 
komische Figur der Oprette, den Polizeidiener mit bestem Humor 
wiedergab. Das Ganze hinterliess den Eindruk sorglicher Vorberei- 
tung und geschickter Leitung. Wir wünschen dem anspruchlosen 
aber liebenswürdigen Werkchen noch manche gut besuchte Wieder- 
holung und die gleiche freundliche Aufnahme. 



*o »e i 



Aus Paris. 

2. März. 

Gestern Abend hat die erste Generalprobe des „Hamlet" statt- 
gefunden. Faure als Hamlet ist vorzüglich; noch vorzüglicher 
aber ist Frl. Nilsson als Ophelia. Sie gibt die übrigens sehr 
gut coroponirte Wahnsinnscene mit einer solch ergreifenden Meister- 
schaft, dass sie einen lang anhaltenden Beifallssturm erregte. Die 
Nilsson ist wie geschaffen für diese Rolle und wird nicht wenig 
zum Erfolg dieses Tonwerkes beitragen. Dasselbe ist zwar reich 
an einzelnen Schönheiten und zeugt wiederum von dem idealen 
Streben des Compositeurs , es entbehrt aber der Ursprünglichkeit. 
Der Text ist geschickt gearbeitet und was die Inscenesetzung be- 
trifft, so lässt sie Alles zurück, was bisher an Decorationskunst in 
der grossen Oper gesehen worden. 

Die erste Vorstellung des „ Hamlet" soll nächsten Freitag statt- 
finden. 

Auber, dessen „Premier jour de bonheur" eine ausser- 
ordentliche Anziehungskraft auf das Publikum ausübt, will trotz 
seiner zurückgelegten 86 Jahre nicht auf seinen Lorbeeren ruhen. 
Die Textdichter seiner obengenannten Oper haben ihm den ersten 
Act eines neuen Textbuches eingereicht, den, wie man versichert, 
der grosse Meister bereits in Musik setzt. Die Ope'ra comique 
geht auch damit um, nächstens „Des Teufels Antheil* wieder aufs 
Repertoir zu bringen. 

Die Zauberoper des jungen Saint-Saens, „ Le Timbre 
ßArgentf die im Thedtre lyrique zur Aufführung kommen sollte, 
wird nunmehr unter derselben Direction im 1 1 a 1 i e n i s ch e u 
Theater in Scene gehen. Die Hauptrollen sind der Madame 
Carvalho und dem Hra. Troy anvertraut. 

Rossini ist noch immer leidend, weshalb er am 29. Februar, 
seinem 76. Geburtstage, nicht wie gewöhnlich eine grosse Soiree 
gab. Nur die allerintimsten Freunde wurden zu einem Diner ge- 
laden. Berryer war unter denselben und brachte dem Schwan 
von Pesaro einen sehr feurigen Toast. 



Nachrichten. 

Mannheim. Am 29. Februar dirigirte Hr. Generalmusikdirec- 
tor Franz L a ch n e r in der vierten musikalischen Academie des 
Hoftheater- Orchesters in Mannheim seine erste Orchestersuite D-moll ; 
derselbe wurde bei seinem Erscheinen am Dirigeotenpulte unter 
Orchestertusch von den zahlreich versammelten Zuhörern aufs freund- 
lichste empfangen und am Schlüsse des mit grösstem Interesse an- 
gehörten Werkes durch den ungeteiltesten Beifall und Hervorruf 
ausgezeichnet. In demselben Concerte kamen noch zwei Compo- 
sitionen des Meisters zur Aufführung, nämlich zwei Terzette für 



Frauenstimmen mit Orchesterbegleitung, „Mondschein nacht" und 
„Libellentanz," welch Letzterer wiederholt werden musste. 

Dresden. Der Trompeten -Virtuos und Stabstrompeter im kgl. 
sächsischen Garde-Reiterregimeet, Friedrich Wagner, hat für 
seine Mitwirkung bei dem vor einem Jahre in Petersburg statt- 
gefundenen Concerte für die Invaliden und für seine der russischen 
Militärmusik gewidmeten vortrefflichen Compositionen vom Kaiser 
von Russland einen kostbaren Brillantring, begleitet von einem huld- 
vollen Schreiben, zugesendet erhalten. 

Brüssel. Im 8. populären Concerte des Herrn Samuel wird 
A. Rubinstein auftreten. 

— L. Brassin hat am 28. Februar seine 2. Soiree gegeben 
und die 1. Sonate von Schubert, Variationen von Brahms, Sonate 
Op. 90 von Beethoven, „Kreisleriana" von Schumann, endlich Ber~ 
ceuse und die 8. Polonaise von Chopin mit bekannter Meisterschaft 
vorgetragen. 

Utrecht. Im 2. Concert des „Collegium Musicum Ultrajec- 
tinum," am 25. Februar, wurde als Hauptwerk Abert's Columbus- 
Sinfonie aufgeführt. Auch hier, wie überall, hat das interessante 
Werk eine sehr beifällige Aufnahme gefunden. 

Paris. Rossini hat den ihn treffenden Autorenantheil .bei 
der 500. Aufführung seines „Teil" dem Pensionsfonds des Opern» 
Personals überlassen. 

— Das Thedtre lyrique wird am 2. März zum ersten Male 
Vorstellung im Saale der italienischen Oper geben. 

— Dieser Tage gab Hr. Bussmeyer, ein sehr talentvoller 
Pianist, eine Soiree im Saale Pleyel und trug eigene und andere 
Compositionen in einer Weise vor, welche ihm den ungetheilten 
Beifall des Publikums und die ehrendste Anerkennung der Musik- 
kenner erwarb. 

— Hr. B agier, der Director der italienischen Oper, hat vom 
König von Italien den Orden des heiligen Lazarus und Mauritius 
erhalten. 

— Im ersten Tuillerien-Concert werden die Sängerinnen Mll. 
Nilsson, Cabel, Marie Boze, die Sänger Capoul und Cro- 
8 1 i und die Violinvirtuosin Frau Normann-Neruda mitwirken. 

— Im 8. Conservatoriums- Concert, welches ganz dasselbe Pro- 
gramm wie das vorhergehende hatte, musste abermals der Pilger- 
chor aus dem „Tannhäuser 1 ' wiederholt werden. 

— Der Tenorist Montaubry hat seinen noch bis zum Jahre 
1870 gültigen Contract an der komischen Oper im Eiriver- 
ständniss mit der Direction gelöst und eine Entschädigungssumme 
von 30,000 Frcs. erhalten. Montaubry war seit Dezember 1858 Mit- 
glied der genannten Bühne. 

— Der letzte Opernball hat eine Einnahme von 20,600 Frcs. 
ergeben. 

— Das Programm des 18. populären Concertes des Hrn. Pas- 
deloup enthielt folgende Werke: Jupitersinfonie von Mozart; 
Nationalhymne mit Variationen von H a y d n, von sämmtlichen 
Streichinstrumenten ausgeführt; Hebriden - Ouvertüre von Men- 
delssohn; das 8. Violinconcert von Spohr, vorgetragen von 
Frau Norman -Neruda; der 2. Theil von Berlioz's „Romeo 
und Julie." 

Pest. Die Piano-Dioskuren, Willy und Louis Thern 
sind nach ihren langen und von ehrenvollen Erfolgen begleiteten 
Kunstreisen iu Deutschland, Holland, Frankreich und England wie- 
der in ihrer Heimath eingetroffen und in Pest mit ausserordent- 
lichem Beifall aufgetreten. 

*** Auber's neueste Oper. Das Sujet der mit so grossem 
Erfolge aufgeführten und schon mehrfach wiederholten Oper: n üh 
jour de bonheur" ist in Kürze Folgendes: Gas ton von Mail- 
lepre ist ein junger, hübscher, tapferer Officier, aber er ist auch, 
was man so nennt, ein Pechvogel; nichts will ihm gelingen, oder 
wenn ihm zufällig etwas gelingt, so ist gewiss ein neues Unglück 
im Anzüge. So passirt es ihm, als er das wohlverdiente Obersten- 
patent erhält, dass sein bester Freund, welcher durch Anciennität 
ein näheres Anrecht auf jene Beförderung zu haben glaubt, ihn der 
Iutrigue beschuldigt und zum Duell herausfordert. Ein Cousin 
bringt ihm die Nachricht, dass er eine unerwartete Erbschaft gemacht 
habe, die ihm aber zwanzig Processe von Seiten der Familie auf 
den Hals laden wird. Er ist verliebt in eine junge reizende Dame, 
welche er in London zufällig begegnet hat und die er nun nicht 



— 40 



wieder finden, aber auch nicht vergessen kann. Durch Zufall sieht 
er sie in Indien wieder, wo nämlich Oberhaupt die ganze Handlung 
in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, während Dupleix noch 
dem Vordringen der englischen Herrschaft wiedersteht, sich abspielt. 
Die lange Ersehnte ist die Tochter des Gouverneurs von Madras 
und wird bei einem Ausflöge mit ihrem Bräutigam, Sir Joh n Litt- 
1 e p o o 1, von den französischen Vorposten gefangen genommen. Ga- 
ston lässt sie voll Galanterie in Freiheit setzen , kann aber nicht 
dasselbe für Sir John thun und die Angebetete zerschmettert ihn 
mit ihrem Zornausbruche. 

Der 2. Act spielt in Madras, im Palais des Gouverneurs. Gaston 
von Maillepr& ist bei einer zu weit ausgedehnten Recognoscirung 
von den Engländern gefangen genommen worden und befindet sich 
in Madras; da erfährt man, dass John Littlepool von den Franzosen 
zum Tode verurtheilt wurde, weil man ihn überraschte, wie er ihre 
Fortificationen abzeichnete und nun erfordert es das Gesetz der 
Repressalien, dass auch Gaston in Madras füsillirt werde. Die Tbeil- 
nahme für ihn ist in seiner ganzen Umgebung eine grosse. Der 
zurückgesetzte Freund , mit dem er sich einst schlagen musste und 
sein processsüchtiger Cousin befinden sich zufällig in Madras, beide 
von dem französischen General mit wichtigen Aufträgen dahin ge- 
schickt. Beide sind gerührt von Gaston's Schicksal, entschuldigen 
sich bei ihm und drücken ihm die Hand, während dieser nicht weiss, 
wie ihm geschieht. Seine Ueberraschung und seine Freude erreichen ■ 
aber ihren Gipfel , als er sieht, dass Lady Helena sich für ihn in- 
teressirt und als diese auf sein Drängen ihm gesteht, sie hätte ihn 
lieben können, wenn das Schicksal es erlaubt hätte. Allein jetzt 
erst theilt man ihm sein schreckliches Verhängniss mit und er er- 
kennt seinen gewohnten Unstern. Als ein echter französischer Edel- 
mann geht er aber seinem Schicksale muthig entgegen; er will seine 
letzte Nacht auf dem Balle zubringen und ist durch seine Lebhaf- 
tigkeit und seinen galanten Humor der König des Festes. 

Im letzten Acte findet Alles eine gluckliche Lösung. Sir John 
erscheint persönlich iu Madras; der französische Commandant, wel- 
cher ihn zu dumm fand für einen Spion, liess ihn auf sein Ehren- 
wort gehen unter der Bedingung, dass er Gaston de Mallepre unver- 
sehrt in das französische Lager zurückbringe. Allein dieser ist jetzt 
zu verliebt und will nicht fort, weon nicht Helena sich mit ihm 
vermählt und so ihre süssen Geständnisse vom vorigen Tage zur 
Wahrheit macht. Sir John ist zu sehr daran gelegen, sich von dem 
französischen General loszumachen, als dass er nicht seiner Cousine 
gestattet hätte, sich von ihm loszusagen; er drängte sie die Hand 
Gaston's anzunehmen , welcher dann endlich seinen „ersten glück- 
lichen Tag" begrüsst. 

*** Die „Elberfelder Zeitung" vom 18. enthält folgendes recht 
treffende Urtheil über Anton Rubinstein: „Vorab müssen wir 
constatiren, dass unser Elberfelder Publicum dem berühmten Künst- 
ler nicht so enthusiastische Ovationen dargebracht bat, wie sie dem- 
selben anderwärts — in Paris, London. Petersburg, etc. vor Jahren 
schon, und in jüngster Zeit in unserer Nachbarschaft, Cöln und Düs- 
seldorf -— zu Tbeil geworden sind. Der Applaus, der den einzelnen 
Stücken folgte, war sehr lebhaft, aber nicht stürmisch, das Audito- 
rium befriedigt, erstaunt, aber nicht hingerissen. Wir werden nicht 
irre gehen, wenn wir die Erklärung für diese verhältnissmässig ziem- 
lich kühle Aufnahme zunächst in dem wirklich sehr langen Program- 
me und ferner in dem Umstände suchen, dass noch vor Kurzem ein 
anderer bedeutender Virtuose, Taus ig, hier öffentlich gespielt hat. 
Da liegt es nahe, Vergleiche zu ziehen, die Vorzüge dieses und 
jenes abzuwägen und aneinander zu halten und neben diesen ver- 
gleichenden Studien will der Enthusiasmus nicht aufkommen. Ru- 
binstein braucht allerdings keinen Vergleich zu scheuen ; nennt 
man die besten Namen, so wird auch der seine genannt, und mit 
vollem Rechte. Es ist richtig, dass Tausig und Bülow Eigenschaf- 
ten besitzen, die ihm abgehen; die Technik ist bei jenen vielleicht 
noch vollendeter, die Herrschaft über das Instrument noch absoluter 
während es bei Rubinsteiu allerdings vorkommen kann, dass die 
Leidenschaft mit ihm durchgeht und die Finger momentan den Ge- 
horsam aufsagen. Rubinstein's Tongemälde sind in grossen Zügen 
gemalte Charakterbilder, erfüllt von Geist und feurigem Leben — 
um den Charakter vor Allem ist's ihm zu thun und wenig küramerts 
ihn, wenn ein geringfügiges Detail verzeichnet ist. 

*** Frl. Lucca ist von Petersburg nach Berlin zurück- 



gekehrt, beladen mit unzähligen Lorbeeren, 25,000 Silberrubeln und! 
vielen Geschenken. Dass man in Russlaud mit letzterem nicht 
geizt, beweist auch das Benefiz der Tänzerin Granzow, welches 
der graciösen Künstlerin ausser einer reichlichen Baareinnahme un- 
ter auderen Geschenken ein mit Brillanten geschmücktes Diadem 
im Werthe von 1800 Rubel, ein Bracelet, 300 Rubel werth und 
einen goldenen Kranz in einem grossen silbernen Behälter eintrug. 
*** Den überaus günstigen Berichten der Berliner Musik- 
Zeitung über Langert's Oper „Die Fabier" tritt eine Kritik 
in den „Signalen" in höchst schroff absprechender Weise entgegen. 
Vor Allem wird die Verarbeitung der Freitag'schen Dichtung 
durch G. v. Meyern bitter getadelt und es werden Proben der 
Versificirung aus dem Operntexte angeführt, die freilich wunderlich 
genug lauten. So heisst es im ersten Chor der Fabier: 
„Die Fabier hoch! 
Die Wölfe, ja so heissen wir 
Und unsere Feinde beissen wir." 
Der Consul singt einmal: 

„Vom ganzen Fabierhaus 
Lade bei ihrer Pflicht 
Die Häupter vor Gericht ! 
Auch Quint und Marc don Sohn. 
Sahst du ihn schon?" 
Hierauf antwortet Sisenna: 

„Herr, Marcus Lagerstatt ist leer, 
Und am Gewand klebt Blut umher." 
Es gibt dort Verse wie: 

„Rette den Quint — 
Leb wohl mein Kind." 
oder: „Sieh, liebe Tochter, bist du da? 
Nimm den Tribunen — Fabia." 
und es sollen dies noch nicht die schlechtesten sein. Auch über 
Langert's Musik wird aber am genannten Orte erbarmungslos der 
Stab gebrochen und es wird daher abzuwarten sein, ob „die Fabier" 
sich auf dem Berliner Repertoir behaupten und welche Aufnahme 
das Werk bei der Aufführung auf anderen Bühnen finden wird. 

*** Der Componist Felix Dräseke ist von Lausanne, wo er 
als Lehrer thätig war, nach München, dem Eldorado der Zukunfts- 
musiker, übergesiedelt. 

%* Der Componist und Mustkdirector Dr. J. M u ck in Würz- 
burg hat vom Grossherzog von Hessen für die Dedication seiner 
in Darmstadt aufgeführten Oper „Die Nazarener in Pompeji" daa 
Ritterkreuz des Philippordens erhalten. 

*** Nie mann musste an die Dresdener Hofbühne zur 
Sühne für seinen Contractbruch eine Strafe von 4000 Thlrn. bezah- 
len und bleibt ihm ausserdem diese Bühne für alle Zeiten ver- 
schlossen. 

*** In Folge der Pensionirung des Generalmusikdirectors Fr. 
Lachner in München hat man die Direction der Acadeniiecon- 
certe Hans von Bülow angeboten , welcher dieselbe jedoch mit 
dem Hofcapellmeister Fr. Wüllner theilen will. 

*** Frau v. Voggenhuber ist nach ihrem von günstigem 
Erfolge begleiteten Gastspiele am k. Opernhause in Berlin enga- 
girt worden. 

*„* Die Quartettisten Gebrüder Müller, bekanntlich jetzt in 
R o s t o ck domicilirend , haben sich für ihre nächste Concerttour,, 
da ihr erster Violinist durch seine jetzige Stellung in Rostock fest- 
gehalten ist, mit dem rühmlichst bekannten Virtuosen Leopold 
A u e r verbunden. 



Briefkasten. Herr C. F. in Berliu : Warum dieses lange 
Schweigen ? 



Zur Beachtung. 



In Folge der seit HTeujahr eingetretenen 
PortoermfUsigung bitten wir alle Anzeigen 
und Beiträge für unsere IWiigikzeltiing fran- 
klrt einzusenden« 

JB. SchoM's »ohne. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



if °; MM. 



16. März 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
lungen. 



von 

B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 



"7 



^ Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. JL* 



f PREIS: 

! fl.2. 42kr.od.Th.l.l8Sg. 
für den Jahrgang. 
Durch die Post bezogen: 
50 kr. od.;15 Sgr. per Quartal. 

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INHALT: Neue Vocalmusik. — Corresp.: Berlin. Wien. Stuttgart. München. — Nachrichten. 



Neue Vocalmusik. 



1. Fünf Gesänge für Männerchor von W. E. Becker, 
Op. 29. Obschon wir die noch immer so sehr reichhaltige Männer- 
gesangsliteratur sonst nicht in den Rahmen unserer ohnehin selte- 
nen kritischen Excurse ziehen, so machen wir vorliegenden Liedern 
gegenüber doch gerne eine Ausnahme, da sie nicht nur fast alle 
frisch erfunden und sangbar gehalten, sondern auch correct gear- 
beitet und verständig declamirt sind. Am wenigsten glücklich scheint 
uns das Bierlied Nr. 4 gegriffen, wogegen aus dem Weinlied Nr. 3 
ein ganz anderer Zug haucht. Nr. 2 ist ein köstliches Ständchen 
(das As im 2. Tenor, 4. Zeile ist natürlich ein Druckfehler) ; durch 
harmonische Kraft wirken Nr. 1 and 5; alle sind sie aber, in den 
Augen vieler Dirigenten heutzutage ein Hauptvorzug, sehr leicht zu 
Studiren und einer günstigen Wirkung sicher, weshalb wir sie als Pro- 
ben einer neuerdings in die populäre Männergesangliteratur gekom- 
menen geschmackvolleren Richtung lebhaft empfehlen. Wenn wir 
uns aber freuen, dass dort die behagliche Plattheit und das gedan- 
kenlose Fortfristen von einem Gemeinplatze zum andern wieder sel- 
tener werden, so wünschen wir diese noch weniger auf dem bisher 
immer intakt erhaltenen Felde des gemischten Chores Terrain ge- 
winnen zu sehen, und sind deshalb der Nummer 

2. Das Stiftungsfest, für gemischten Chor, Soli und Piano- 
forte von Jul. Otto gegenüber in arger Verlegenheit, weil uns die Ver- 
bindung dieses hochgeschätzten Namens mit obigen Uebeln durchaus 
nicht in den Kopf will. In mehreren Tableauz: Versammlung, Probe, 
Gondelfahrt, Ankunft, Coucert — für sich selbst schon eine gehörig 
lange Frühlings-Cantate mit „Sturm" nnd sonstigen Bequemlichkei- 
ten; Erholung im Freien, Ball, Abschied, Heimfahrt und nochmals 
Abschied, wird da eine Masse Musik , die noch dazu pompös und 
interessant sein soll, zum Besten gegeben; die guten Leutchen sin- 
gen bei jedem Anlasse gleich wieder ein ganzes Lied, nnd alles in 
der gleichen farblosen Leyer; in einem langen, humoristisch sein 
sollenden Wechselgesange echauffiren sich die Männer zu Gunsten 
des Bieres, die Frauen zu Gunsten des Caffees (in den Noten 
C a f | f e!); auch die Tanzmelodien sind nicht weniger trocken 
und nüchtern. Aber die trostlose Oede des Gedichts konnte selbst 
auf einen frischen Geist erlahmend wirken ; solch ein „Libretto" 
durfte der Coroponist gar nicht wählen, ohne Gefahr zu laufen, 
Mitschuldiger an dem Gebräu eines musikalischen „Blümchencafes" 
zu werden. Und doch ist bei der verhältnismässigen Seltenheit 
begleitungsfähiger Orchester, bei der Unzulänglichkeit des zwei- 
händigen Arrangements nnd bei der unausweichlichen Monotonie 
des ausschliesslichen ä capella - Singens das Bedürfniss nach pas- 
senden Chorsachen mit obligater Ciavierbegleitung unläugbar vor- 
handen ; nur gleite man nicht ab von dem edlen, durch Schubert'sche 
und Schnmann'sche Schöpfungen vorgezeichneten Pfade. 

3. Fünf Lieder für Sopran, Alt, Tenor und Bass, componirt 
von W. S p e i d e 1 , Op. 27. — Hier athmen wir freudig auf und 
begrüssen den als Sänger kräftiger Männerchöre schon wohlbekann- 
ten Tonsetzer auch auf dem Felde des gemischten Chores als Spen- 



der gelungenster Erstlingsgaben. Schon die Wahl der Gedichte 
zeigt feinen Sinn für die hieher passende Poesie, und die musika- 
lische Einkleidung verräth in jedem Tacte den nicht nur klar den- 
kenden, sondern auch warm empfindenden Tonmeister. Durch 
Sangbarkeit und innige Melodie empfehlen sich Nr. 1 „Aufgeblüht" 
und Nr. 4 „Es haben zwei Blümlein geblühet;" Nr. 3 „Rausche, 
rausche froher Bach" ist köstlich frisch in seiner charakteristischen 
Stimmführung; endlich Nr. 2 „Schön Rohtraut" und Nr. 6 „Früh- 
lingsahnung" sind prächtig klingende , rhythmisch und harmonisch 
interessant gearbeitete Stücke, welche gewiss überall gern gesungen 
und gehört werden. An diesem trefflichen Opus sehen wir aber- 
mals, dass nicht alles Gute zugleich schwer und nicht alles Leichte 
zugleich seicht sein müsse, worauf sich so Mancher hinausredet, 
sondern dass es bei der gehörigen Begabung und Kenntniss nur 
noch der künstlerischen Gesinnung und des guten Willens bedarf, 
um Gediegenheit des Inhalts und der Form mit Leichtigkeit der 
Auffassung und Ausführung zu vereinigen. 



COHRESPONDENZEN. 



V» 



Aus Berlin. 

Aus dem verflossenen Januar d. J* ist in Bezug auf nennens- 
werte eigentliche „Concerte" kaum etwas zu vermelden, denn die 
stattgehabten Wohlthätigkeits-Concerte fallen als Compromiss zwi- 
schen der Hartherzigkeit und dem Hange zum Vergnügen und 
wiederum zwischen diesem und der gelegentlichen Harthörigkeit 
mehr unter psychologische als unter künstlerische Gesichtspunkte 
etc. etc. Indem ich mir daher vorbehalte , später die wichtigeren 
Aufführungen für Chor und Orchester summarisch zu registriren, 
wende ich mich zu den Concerten des Monats Februar. 

Der 1. Februar brachte das sechste philharmonische Concert, 
das erste des zweiten Cyclus, mit welchem leider auch B. S cb o 1 z 
vom Kunstsinn an den „Wohlthätigkeitssinn" appelliren musste ; 
leider — denn wie gross die Noth der Ostpreussen auch sei, es ist 
die andere Seite der Sache, dass es ungerecht ist, wenn der Künst- 
ler, statt wie andere Leute nach Kräften Geld beizusteuern , seine 
oft genug mit jahrelangem Fleiss zu Stande gebrachte allerpersön- 
lichste Leistung in den Dienst der Noth stellen muss. Die Be- 
setzung des Orchesters verrieth denn auch diesmal Sparsamkeits- 
rücksichten, und das Publikum, durch Nothconcerte vielfach zertheilt, 
war nicht eben zahlreich erschienen. 

Die orchestrale Leistung des Abends war ihrerseits durchaus 
musterhaft und erreichte unter B. Scholz' Direction ihren Höhepunkt 
in der Kamärinskaja von Glinka, bei welcher die dünne Besetzung 
der Transparenz des Vortrages, wie dieses feingliedrige, durchweg; 
geistreich gearbeitete Stück sie erfordert, eher noch zu Statten kam. 

Capellmeister Vierling dirigirte seine „Ouvertüre zur Her- 
mannsschlacht" selber. Die Vorzüge des Werkes bestehen meine» 



- 42 - 



Dafürhaltens in der Styleinheit, der Tüchtigkeit der Factor, der 
Positivität des Ausdrucks, die nirgends an jenen Jeanpaulinismus 
der Harmonik anstreift, wie man ihn hei Baff z. B. oft genug vor- 
findet ; andererseits schien es die Mängel so mancher Schlachten- 
gemälde an sich zu tragen, eine gewisse Monotonie des Eindrucks, 
hervorgeh rächt in diesem Falle durch eine mehr massenweise grup- 
pirende , als geistvoll mannigfaltige Benutzung der orchestralen 
Kräfte: wenn ja die Rechtfertigung dafür in der Art des Vorwurfs 
gesucht werden soll, so wäre zu erwidern , dass dann ehen dieser 
nicht gut war, meine unmaassgebliche MeinuDg dagegen ist, er ge- 
rathe wie alle diejenigen , welche so zu sagen eine starke Pression 
auf die Einbildungskraft ausüben, öfter in der Hand des Genius 
als des Taleutes. 

Ein aus dem Grabe erweckter Trauermarsch von Mendelssohn, 
der das Concert traurig eröffnete, erweckte indessen überhaupt kaum 
irgend eine höhere Vorstellung, als die einer anstandsvollen Hof- 
und Gallatrauer etwa um einen liebenswürdigen Monarchen, statt 
dessen er jedoch riskirt, sich selber zu Grabe zu singen. 

Mit der bisher noch wenig gekannten Romanze aus F-dur von 
Beethoven und dem E-moll - Concert von Mendelssohn trat Herr 
Jean de Graan hierselbst als Geiger auf. Keine künstlerische 
Persönlichkeit, wie sie aus seinem Vortrage dem Referent entgegen- 
trat, machte vorwiegend den Eindruck der elegischen Anmuth, die 
in einzelnen Zügen, manchmal an ganz unscheinbaren Stellen, beson- 
ders sympathisch wirkte und der ganzen Leistung dies für die 
Oeffentlichkeit erforderliche individuelle Recht verlieh , wenn es 
auch noch nicht das der Eroberung war; immerhin aber sollte so 
viel Talent mit mehr Selbstvertrauen auftreten, wobei die gelegent- 
lichen Mängel der Intonation dann wohl wegbleiben würden, die- 
selben zeigten sich nämlich gerade an leichten Stellen, die den 
Spieler nicht lebhaft engagirten. 

Hr. Jul. Stock hausen sang von Schubert „Greisengesang" 
und „Geheimes, a und die Scene des Lysiart aus Weber's „Euryanthe." 
Während der Sänger offenbar mit diesem letzten Vortrage ein Gebiet 
betreten hatte, auf welches die Natur oder seine gegenwärtige Kraft 
ihn nicht verweisen, waren jene Lieder ein wahres Kleinod für die 
Liebhaber der Lyrik, und hätte man nicht das Experiment gemacht, 
die Ciavierbegleitung zu instrumentiren , so wären sie ein völlig 
reiner Genuas für den Kenner gewesen. Auch so indessen bieten 
sie unzweifelhaft den höchsten Genuss unter den Nummern des 
Programms. In Betreff des Greisengesanges ist noch besonders zu' 
bemerken, wie interessant das Stück den Beweis führt , dass selbst 
ein philosophischer Text, Zeilen wie „schleuss' ihn aus, den rauhen 
Odem der Wirklichkeit" einer musikalischen Wiedergabe fähig 
sind, die den Gedankenwerth desselben zur vollsten Geltung bringt, 
man wird unwillkürlich an die Meinung Arthur Schopenhauers er- 
innert, dass Musik klingende Philosophie sei. — Wie viel Gedan- 
ken Hessen sich vielleicht an dieses eine Lied knüpfen ! — 

(Schluss folgt.) 



Aus W i e 11. 



(Philharmonische Concerte. — Florentiner üuartett) 

Am ersten März fand bereits das letzte philharmonische 
Concert der gegenwärtigen Saison statt. Die Philharmoniker (Or- 
chester-Mitglieder des Hofopern-Theaters) geben nun seit 1860 jähr- 
lich acht Concerte in zwei Cyclus. Dieselben werden an Sonntag- 
Mittagen im Hofoperntheater unter Leitung Otto Dessoffs abge- 
halten und erfreuen sich einer bis jetzt stets gleichbleibenden Beliebt- 
heit; ja, es hält für neueintretende Abonnenten überhaupt schwer, 
in den Besitz eines Sperrsitzes zu gelangen. Die Aufführungen lassen 
im Allgemeinen wenig zu wünschen übrig ; alle einzelnen Instrumente 
sind vortrefflich besetzt, obenan bei der Violine Concertmeister Jos. 
Hellmesberger, den nur zeitweise der Eifer allzusehr fortreisst 
und dem der Dirigent nur allzuwillig nachgibt, wodurch manche 
Orchestersätze überstürzt werden und an Deutlichkeit und Klang- 
wirkung verlieren. Die Zusammenstellung der Programme lässt na- 
mentlich in letzterer Zeit eine planmässige Anordnung vermissen, 
sowohl in der Gesaramtsurame des Gebotenen als in der Auswahl 



der einzelnen Concerte. An Novitäten ist entschieden Mangel ; man 
hilft sich häufig mit bequemer Benutzung wiederholt vorgeführter 
Meisterwerke, und deukt mit gewichtigen Autor-Namen allzudrängen- 
den Wünschen die Spitze abzubrechen. Ganz unpassend ist der in 
letzterer Zeit wiederholte Versuch, Liedervorträge mit Ciavierbeglei- 
tung einzuschmuggeln, womit der ganze Standpunkt dieser Concerte 
verrückt, und die Zeitdauer derselbon unnötigerweise über die Ge- 
bühr ausgedehnt wird. Es ist ferner zu bedauern, dass man nicht 
zuweilen Scenen, Ensemblestücke, Finale's aus solchen Opern vor- 
führt, die wohl als Ganzes für heutzutage nicht geeignet sind, aber 
doch so manche Schätze enthalten, die der jetzigen Generation ge- 
rade als Novität erscheinen müssten. In den ersten vier Concerteo 
(Cyclus I.) kamen an Ouvertüren zur Aufführung: Anacreon, Geno- 
veva, die neu erschienene C-dur von Mendelssohn, Coriolan und 
Schuberts Alfonso und Estrella. Mendelssohn^ Ouvertüre, 1826 com- 
ponirt, ist freilich seinen übrigen derartigen Werken nachstehend, 
bleibt aber doch interessant genug, ein weiteres Zeichen seines Bil- 
dungsganges kennen zu lernen. Warum man hier nicht dessen 
Reformations-Siofonie gebracht, nachdem sie nun in London fünf- 
mal gehört wurde, ist unerklärlich. Die aufgeführten Sinfonien waren '• 
Mendelssohn A-dur, Beethoven C-moll, Volkmann B - dur, 
Haydn B-dur, Mozart D-dur (ohne Menuett) und Schumann 
D-moll. Volkmann's Sinfonie war hier schon in den Zöglingscon- 
certen des Conservatorium's gespielt worden — ein knapp gehaltenes, 
tüchtig instrumentirtes Werk mit reizendem Scherzo. Anton Ru- 
binstein spielte sein zweites Clavierconcert mit vielem Beifall. Sein 
Namensvetter Josef, noch vor kurzem Zögling des hiesigen Conser- 
vatorium's zeigte einen hübscheu Grad von Fertigkeit mit Schuberts 
Fautasie Op. 15, von Liszt instrumentirt. Neu war ein gefällig instru- 
mentirtes Notturno von Kässmayer, Orchester-Mitglied der Oper, 
einem besonders auf dem Felde der komischen Oper glücklichen 
Componisten. Den meisten Erfolg hatte eigentlich das wahrhaft 
vollendet vorgetragene kernige Concert für Streichinstrumente von 
Händel. — Im zweiten Cyclus wurden an Ouvertüren aufgeführt: 
Festouvertüre von Beethoven, Melusine, Athalia, und Sommer- 
nachtstraum (von letzterem auch Scherzo , Notturno und Hochzeits- 
marsch) von Mendelssohn. Auch die vollendete Aufführung 
dieses Scherzo verdient besondere Erwähnung. Von Sinfonien wur- 
den gewählt: Beethoven Nr. 3 und 7, Haydn B-dur, Rhein- 
berger's „Wallenstein" und Lachner's Suite E-raoll. Haydn 
gefiel zwar sehr und musste der letzte Satz wiederholt werden; es 
wäre aber wohl zu wünschen, dass man sich nicht immer an seine 
letzten Sinfonien hielte. Es gibt aus der mittleren Periode des 
Meisters so manche wenn auch kürzere Sinfonie, welche der Jetzt- 
zeit total fremd ist und an Werth seinen späteren durchaus nicht 
nachsteht. Rheinberger's „Wallenstein" fand aufmunternden Beifall, 
obwohl man Compositionen dieser Art mit gewissem Misstrauen ent- 
gegen kommt. Jedenfalls darf man aus dieser Feder noch Bedeuten- 
des erwarten. Lachner's Suite fand auch diesmal ein sehr empfäng- 
liches Publikum. Die sichere solide und kunstgemässe Behandlung 
der jedesmaligen Aufgabe in Lachner's Werken ist eine wahre Schule 
für jeden Kunstjünger. Mozart 1 « Serenade, componirt 1776 zur 
Vermählung der Elise Haffner in Salzburg (Köchel's Moz. Cat. 250) 
war hier neu (nach 92 Jahren ! !). Nicht alles wurde davon aufge- 
führt, aber das Gehörte zeigte eine frische, sprudelnde Erfindungs- 
gabe, einen Liebreiz, wie er eben nur bei Mozart zu finden ist. Nur 
ein Concertstück, Chopin Fis-moll, wurde aufgeführt, womit sich 
Frl. Anna Mehlig aus Stuttgart hier vortheilhhft bekannt machte. 
Klarer Vortrag, vollendete Technik, voller saftiger Anschlag ver- 
einigen sich hier zu einem schönen Ganzen. Wie im ersten Cyclus 
eine Arie aus Spohr's; „Faust," von Frau Wilt mit verständiger 
Auffassung aber kalt vorgetragen , brachte auch der zweite Cyclus 
eine Arie von Mozart mit obligater Violine (Hellmesberger) aus 
„e7 re pastore, u gesungen von Frl. Asminda Ubrich aus Han- 
nover. Sie besitzt eine klangvolle Stimme, massvollen etwas sehr 
behäbigen Vortrag, hübschen Triller. Ihr Liedervortrag konnte nicht 
erwärmen. Im ersten Cyclus hatte sich der Hofopernsänger Walter 
wieder als vortrefflicher Liedersänger bewährt ; aber nochmals: Keine 
Lieder im philharmonischen Concert. Hofopern-Capellmeister Des- 
soff hat sich durch die umsichtige Führung dieser Concerte seit 
1860 verdient gemacht, wenn sich auch in manchem Einzelnen eine 
andere Auffassung denken lässt. — 



43 — 



Das Florentiner Quartett hat nun vierConcerte gegeben- 
War der erste Abend sehr schwach besucht, litt der vierte bereits 
an Ueberfülle ; der Beifall ist kaum zu überbieten. Die wackeren 
Künstler kündigen ihr fünftes Concert an und es wäre nicht zu 
verwundern, wenn sie zum Abschied den grossen Redoutensaal 
wählen würden. Das exacte Zusammenspiel, die klare Auffassung, 
die gesunde niemals kränkelnde Wiedergabe der einzelnen Autoren, 
je nach ihrem verschiedenen Character, nimmt Laien und Kunst- 
Verständige gefangen, höchstens dass man namentlich in den mittleren 
Stimmen ein etwas stärker betontes Hervortreten einzelner Gesang- 
stellen vermisst. Ein guter Theil des ungewöhnlichen Erfolgs ist 
freilich den Instrumenten zuzuschreiben , deren sich die Künstler 
bedienen. Dem Wohllaut dieses Zusammenklingens eines Guar- 
neri, Aroati und Maggini ist nicht zu widerstehen und selbst 
beim stärksten Forte weiss das Quartett die Klangwirkung zu wahren. 
Die bis jetzt aufgeführten Quartette waren: HaydnG-moll, Schu- 
bert D-moll und G-durOp. 161; Mozart B-dur Nr. 6, Schumann 
A-dur, Mendelssohn E-moll und die letzten Quartette Beetho- 
vens Op, 130-135. Ausserdem wurden noch aufgeführt: Schu- 
ni a n n's Ciavier - Quintett Es-dur (von Frl. Anna Mehlig vortefflich 
gespielt), Sonate von Lust, Serenade von Haydn (aus einem seiner 
frühesten Quartette) und Scherzo auB einem C h e r u b i n i'schen Quar- 
tett. Es wäre schwer, einer dieser Productionen den Vorzug zu geben. 
Naivetät und Lieblichkeit, Romantik und höchster Pathos gehen Hand 
in Hand. Dass jedoch die Krone der Leistungen in den Quartetten 
Beethoven's gipfelt, ist durch die riesige Aufgabe selbst bedingt. 
Im Interesse des Quartetts wäre für die ferneren Abende jede Aus- 
schliessung des Claviers zu wünschen, denn nur im Zusammenwirken 
dieses vortrefflichen Quartetts beruht ihre Stärke. 



ins m ii ti c li e n. 

10. Mfirz 1868. 

In unserem hiesigen musikalischen Leben ist durch den Tod 
des Königs Ludwig I. eine grosse Generalpause eingetreten: die 
ganze Stadt ist zu einem chaotischen Schweigen verurtheilt und die 
anbefohlene Landestrauer duldet selbst die unschuldigen Soireen in 
der Westendhalle oder beim Oberpollinger nicht. Das Hoftheater 
benützt die so gegebene Müsse zu fleissigem Studium und die Pro- 
ben zu Wagner's „Meistersingern" beschäftigen das Personal. Mit 
der Oper „Armida soll am 15. März das Theater wieder eröffnet 
werden, nachdem es gerade 14 Tage geschlossen war. Unterdessen 
ist Frl. Mallinger, unsere Primadonna, von ihrem Gastspiel in 
Nord- und Nordwestdeutschland, an Ehren reicher, wieder zurück- 
gekommen. Frl. Stehle dagegen reiste dieser Tage von hier ab, 
zunächst nach Mainz und wahrscheinlich werden diese Zeilen sie in 
der alten Mainstadt treffen; wir wünschen ihr dort dieselbe herz- 
liche Aufnahme, deren sie sich hier als das Lieblingskind des Hau- 
ses bei ihrem jedesmaligen Auftreten zu erfreuen hat. 

Das letzte musikalische Werk von Bedeutung , welches die 
Hofbühne zur Aufführung brachte, war Schumann's Musik zu „Man- 
fred." Es war ein Versuch, das Drama mit dieser Musik dem Re- 
pertoire einverleiben zu können, der aber ähnlich wie ein früherer 
in Weimar nicht von bestem Erfolg begleitet war. Dieses Byron'sche 
Trauerspiel entzieht sich ein für allemal der Aufführung, es ist 
nicht für die Bühne geschrieben und langweilt durch seinen Inhalt 
ebenso wie durch seine Form. Wir haben hier nicht die Aufgabe, 
uns über das Stück selbst weiter auszulassen, seine Mängel nach- 
zuweisen und seine Schönheiten zu beleuchten: das gehört in ein 
anderes Gebiet, das die Süddeutsche Musikzeitung nicht vertritt. 
Die Aufführung geschah hauptsächlich der Schumann'schen Musik 
zuliebe, um diese gewissermassen an Ort und Stelle zu hören und 
in ihrem Zusammenhang verstehen zu lernen. Um den Componi- 
steu besser würdigen zu können, wurde also der Dichter prostituirt. 
Schumann's Coraposition trat nun allerdings viel verständlicher in 
kräftigerem Colorit vor die Zuhörer und die hinreissende Poesie 
dieser Tongemälde, in welchen Manfred's Seelenleben mit der 
Sprache der Töne geschildert ist, machte gewaltigen Eindruck. Die 
Darstellung unter Bülow's Leitung war eine musterhafte. Wir 
glaubten nur bemerkt zu haben, dass die Ueberfülle homogener 



Gedanken, wie sie hier Dichtung und Musik in vollwichtiger Weise 
aussprechen, ermüdete, noch mehr aber die Einrichtung der zufolge 
in den Zwischenacten Bruchstücke aus sinfonischen Dichtungen 
Schumann's aufgeführt wurden und das Publikum den ganzen Abend 
über sonst keinen einzigen Ruhepunkt gewann. Bei einer zweiten 
Aufführung von Manfred's Byron — viele wird das Drama sicher 
nicht erleben — wird es gerathen sein, die Zwischenacte dem Pub- 
likum zum Selbstgebrauche zu überlassen. 

Das Actientheater, welches in neuerer Zeit zum puren Ex- 
perimentirsaal geworden, hat nun seine beiden Capellmeister die HH. 
Heber und Krempelsetzer abgedankt und sich in der Person des 
ehemaligen Capellmeisters von Augsburg E b e r 1 e den künftigeu Leiter 
seiner musikalischen Versuche engagirt. Er figurirte bereits in sei- 
ner neuen Würde, indem er jüngst, da das Actientheater mit einem 
„Promenadeconcert" gastirte, als Ceremoniar die Sängerinnen dieser 
Bühne zu dem Podium geleitete, wo ein dem Theater fremder Capell- 
meister ein fremdes Orchester dirigirte. Recht erbaulich mag ihm 
dieser Anfang seiner Thätigkeit im Actientheater nicht vorgekommen 
sein. — Die erste Novität, in welcher er als Capellmeister figuriren 
wird, ist die Grossherzogin von Gerolstein. Diese Offenbach'schen 
Buffonaden wurden an dieser Bühne fast alle mehr oder minder so 
aufgeführt, dass sie das Publikum von jedem Verlangen nach solcher 
Musik gründlich curirt haben. — Auch ein Verdienst! Z. 



Aus Stuttgart. 

Anfangs März 
T. Meinen beutigen Bericht möchte ich mit der Besprechung 
eines Mangels eröffnen, welcher sich fast in allen grösseren Städten, 
welche häufig von Concertgebern besucht werden, während der 
Saison fühlbar macht und von diesen selbst am meisten empfunden 
wird. Bei jedem Concert gibt es nämlich neben der künstlerischen 
Hauptsache, dass gut gespielt oder gesungen wird, was allein Sorge 
des Concertgebers und der übrigen Mitwirkenden sein soll, so viele 
kleinliche Nebendinge noch vorher zu erledigen, dass darüber Man- 
cher gar nicht mehr recht zum Studiren kommt und wenigstens 
viele Mühe hat, die nöthige Ruhe des Geistes zu gewinnen und zu 
bewahren. Da ist lang vorher schon das Local für einen gewissen 
Abend zu miethen, ist Orchester und sonstige Mitwirkung zu sichern, 
das Publikum in der Presse zu avertiren, vielleicht irgend ein cou- 
currirendes Hinderniss zu beseitigen u. s. w.; ferner muss das Pro- 
gramm orthographisch und grammatikalisch correct stylisirt werden, 
in welchem Punkte auch renommirte Künstler noch manchen Schnitzer 
liefern, an Journalisten und sonstige Respektspersonen sind Frei- 
karten zu couvertiren und rechtzeitig auszusenden , Flügel und an- 
dere Instrumente in den Saal zu befördern , der Concertwagen zu 
bestellen und Adresse und Zeit der Abholung aufzuschreiben , den 
Sängerinnen Bouquets zu senden, Billeteurs aufzustellen, Stimmen 
zu entlehnen etc. etc., und das Alles liegt auf dem armen Concert- 
geber, der mit gewissenhaftester Umsicht doch nicht verhindern 
kann, dass bald eine Sängerin im Ballstaat sich zu Hause mit ver- 
geblichem Warten auf den Wagen alterirt und endlich mit selbst- 
gemietheter Droschke zu spät und verstimmt anlangt, bald ein Re- 
censent einzuladen versäumt wurde, der dann in einem galligen 
Artikel das ganze Concert herunterreisst u. s. w. AU dieser Misere 
würde vorgebeugt, wenn in solchen, von zahlreichen Concerten heim- 
gesuchten Städten nach Pariser Beispiel während der Saison eine 
eigene Concertagentur eröffnet würde, deren Leitung am ehe- 
sten einem angesehenen Musikalienhändler oder Pianofabrikanten 
zustünde, an welche sich fremde, wohl auch einheimische Künstler 
mit dem Auftrag, ihnen ein Concert zu machen, wenden könnten. 
Gegen eine billige Tantieme würde die Agentur alle jene Formali- 
täten so prompt vorbereiten, dass dem Künstler ausser einigen An- 
standsbesuchen nichts mehr obläge, als Abends seinen schwarzen 
Frack anzuziehen, in den Saal zu fahren, seine Stücke loszulassen 
und seinen Reinertrag einzucassiren; was ihm jene Tantieme mehr 
kostet, würde ihm durch die umsichtigere, lucrativere Vorbereitung 
des Concertes durch die Agentur, welche in Keuntniss aller ob- 
schwebenden Verhältnisse, verwendbaren Personen u. s. w. stets 
auf dem laufenden wäre, gewiss reichlich hereinkommen. Die 
Sache ist sicherlich auch in Deutschland eines Versuches wertb, 



— 44 - 



und würde ein solcher dadurch, dass der Künstler sich, verschont 
mit jenen hässlichen Kleinigkeiten , nnr seinen Vorträgen zu wid- 
men hätte und mehr Zeit für Prohen u. dergl. erübrigte, für die 
künstlerische Qualität der Concerte selbst nur erspriesslich wirken« 
Allerdings ging bisher mancher menschenfreundliche Musikhändlef 
den fremden Künstlern uneigennützig mit Rath und That an die 
Hand ; aber solche Biedermänner existiren nicht überall, und schliess- 
lich gebührt ihnen für ihre Bemühung von Rechtswegen ein ent- 
sprechender Gewinntheil. 

(Schluss folgt.) 



W a e li r i e li t e n, 



Mainz. Frl. Stehle vom königl. Hoftheater in Müncheo 
wird am 16. d. Mts. auf hiesiger Bühne ein Gastspiel eröffnen 
und in „Faust,'" „Teufels Antheil" und „Glöckchen des Eremiten" 
auftreten. 

München, 13. März. Zur Todtenfeier für den verstorbenen 
König Ludwig I. wurden in der Basilika (Bonifaziuskirche , in 
welcher nun die irdischen Ueberreste des Verewigten neben denen 
seiner Gemalin, Königin Therese beigesetzt sind) am Dienstag 
das Cherubini 'sehe Requiem, am Mittwoch das Requiem von 
B. S ch o 1 z und am Mittwoch das von E 1 1 von der königl. Hof- 
capelle unter Leitung des Hofcapellmeisters Wüllner in vortreff- 
licher Weise aufgeführt. 

— Die HH. Instrumentallehrer der k. Musikschule geben 
unter Leitung des artistischen Directors H. v. Bülow zum Besten 
des Unterstützungsvereins für baierische Tonkünstler vier musika- 
lische Matineen, von welchen die erste am 15. d. M. im Saale des 
ehemaligen Conservatoriums stattfindet. 

Trier. Am Freitag den 28. Februar ging hier Meyerbeer's 
„Afrikanerin" mit schöner Ausstattung in Scene. Die Oper hatte 
guten Erfolg und zeichneten ganz besonders Hr. Rieck (Nelusco) 
und Frl. da Ponta (Selica) sich aus. ITr. Becker (Vasco) und 
Frl. Stübeke (Inez) waren ebenfalls sehr gute Vertreter ihrer 
weniger dankbaren Partien. 

Wien. Zu Ehren des hohen neuvermählten Paares, nämlich 
der Prinzen Luitpold von Baiern und der Prinzessin Maria Theresia 
fand in der kaiserl. Hofburg eiu Hofconcert statt, bei welchem die 
k. k. Kammersängerin Frau Gomperz-Bettelheim, die k. k. 
Kammersänger Walter und Beck, ein Theil des Männergesang- 
vereiÄs und der kaiserl. Hofcapelle mitwirkten. Hofcapellmeister 
Herb eck dirigirte. 

Paris, 11. März. Bei der gestrigen ersten Aufführung erhielt 
die Oper „Hamlet" von Ambroise Thomas in der grossen Oper 
nur einen succe's de'stime. Von den Darstellern wurde besonders 
Fräulein Nilsson, welche zum erstenmal die Bühne der Rue Le- 
pelletier betrat, und der Baritonist F a u r e ausgezeichnet. Die Rollen 
waren folgenderweise vertheilt: Hamlet, Hr. Faure; Claudius, Hr. 
Belval; Laertes, Hr. Morere; Polonius, Hr. Fröret; Horatio, 
Hr. Castelmary; Marcellus, Hr. G r i s y ; der Geist des verstor- 
benen Königs, Hr. David; erster Todtengräber, Hr. Gaspard; 
zweiter Todtengräber, Hr. Mermant; Gertrude, MU. Gueymard; 
Ophelia, Mlle. Nilsson. 

— Hr. von B e a u p 1 a n ist an die Stelle des jüngst verstor- 
benen Fd. M o n n a i s zum kaiserl. Commissär bei den Operntheatern 
und dem Conservatorium ernannt worden. An seine bisherige Stelle 
als k. Commissär am Odeon-Theater tritt Hr. AIbe*ric Second. 

— Auf dem Programme des letzten Hofconcertes befanden sich 
drei Nummern aus der neuen Oper von A u b e r. 

— Am 8. März fand das 9. Conservatoriumsconcert mit folgen- 
dem Programm statt: Sinfonie in G-moll von Mozart; der 42. 
Psalm, von Mendelssohn (zum 1. Male); Clavierconcert in C-dur 
von Beethoven, vorgetragen von Mlle. Montigny-Remaury; 
Ouvertüre mit Chor aus „Dinora" von Meyerbeer. 

— Das 19. populäre Concert des Hrn. Pasdeloup brachte an 
demselben Tage: Sinfonie in B-dur (op. 20) von Niels W. Gade; 
Adagio aus dem G-moll-Quintett von Mozart (sämmtliche Streich- 
instrumente) ; Pastoral-Siufonie von Beethoven; Gavotte von 
&. Bach; Marsch ans „Lohengrin" von R. Wagner. 



Brüssel. Das achte und letzte populäre Concert des Hrn. 
Samuel fand am 8. März unter der Mitwirkung A. Rubin stein'» 
statt, welcher sein D-moll-Concert, und verschiedene Compositionen 
von Mozart, Händel, Bach, Liszt etc. vortrug. Ausserdem enthielt 
das Programm : Ouvertüre op. 115 von Beethoven; Andantino- 
aus der 4. Suite von Fr. L a ch n e r und zwei in Brüssel noch nicht 
gehörte Werke, nämlich eine Sinfonie in C«dur von H a y d n und 
eine Concert - Ouvertüre von unserm leider zu frühe gestorbenen 
Landsmann A. Stadtfeld. 

— Das dritte Conservatoriumsconcert findet am 15. März, 
statt, und es kommen in demselben zur Aufführung: 3 Stücke aus 
einer ungedruckten Suite von Huberti, Sinfonie in D-dur von 
Mozart, die Leonoren-Ouvertüre von Beethoven, Adagio und 
Finale aus einem Quintett vonFetis, ausgeführt von sämmtlichen 
Streichinstrumenten. Hr. Libotton wird ein Concert für Violon- 
cell von Goltermann und Hr. Tilborghs einen variirteo 
Choral nebst Scherzo von eigener Compositum auf der Orgel vor- 
tragen. 

Petersburg. Das zahlreiche Publikum, welches die Sommer- 
concerte in Oranienbaum so gerne und regelmässig zu besuchen 
pflegt, hat mit grosser Befriedigung die Nachricht entgegengenommen, 
dass jene Concerte, welche sich stets durch ein gewähltes Programm 
und gediegene Ausführung auszeichneten, sowie in den beiden letzten 
Jahren, auch diesen Sommer wieder durch Hrn. Musikdirector Laa de 
aus Dresden geleitet werden sollen. 

*** Die Hofopernsängerin Frl. Deinet in München wird 
sich am 30. März in Frankfurt a. M. mit dem Münchener Hofschau- 
spieler Possart vermählen. Frl. Deinet's Contract ist auf 6 wei- 
tere Jahre verlängert worden, und auch Hr. Possart hat mit der 
Hoftheaterintendanz einen neuen Contract auf 10 Jahre mit Pen- 
sionsanspruch abgeschlossen. 

* m * Der Verein der „Zwanglosen" in Leipzig beabsichtigt 
daselbst dem Componisten Felix Mendelssohn-Bar tholdy 
wegen seiner Verdieoste um das musikalische Leben in Leipzig ein 
Denkmal zu setzen. 

*** Amerkanische Blätter erzählen, dass der italienische Te- 
norist Scoffino bei der Verlockung der Minen von Massachusets mit 
einem einzigen Loose 200,000 Dollars gewonnen habe. 

*** In Carlsruhe wird Gounod's „Romeo und Julie" bis 
Mitte März zur Aufführung kommen. 

*** Eine an Hrn. Generalintendant v. Hülsen in Berlin ab- 
gesandte Deputation der Hannoverschen Hofcapelle erhielt 
von demselben die erfreuliche Zusicherung, dass er das Gesuch der 
genannten Capelle um feste Anstellung ihrer Mitglieder höchsten 
Ortes ernstlich befürworten wolle. 

*** Nach dem ausserordentlichen Erfolge der neuesten Oper 
Auber's in Paris, hatte der Kaiser Napoleon eine längere Unter- 
redung mit dem greisen Componisten und sagte zu ihm u. A.: 
„Das ist übrigens nicht Ihr erster Glückstag," worauf Auber er- 
wiederte: „Nein, Sire, aber der heutige ist mein zweiter." 

*#* Bei Verträgen muss man sich die Amerikaner zum Muster 
nehmen, die verklausuliren sich so, dass man dem Windwerke ihrer 
Paragraphen nicht entkommen, und der „Gebundene" dieser Con- 
tractsfesseln sich nicht entledigen kann. Ja, aus einem Privatbriefe 
ersehen wir, dass sich solch ein Contrahent selbst bindet, um nur 
nicht in die Versuchung zu gerathen, dem Wortlaute seines Vertrages 
untreu zu werden. Herr Leopold von Meyer hatte mit dem berühmten 
Ciavierfabrikanten Amerikas, Herrn Steinway, den Contract abge- 
schlossen, nur auf den Pianos dieses Fabrikanten zu concertiren. 
Als er nun nach Boston kam, überhäufte ihn der Concurrent Stein- 
way's Herr Chikering, mit Aufmerksamkeiten aller Art, holte ihn 
täglich mit seiner Equipage zur Promenade ab und veranstaltete 
ihm zu Ehren die glänzendsten Diners. Schliesslich lud er ihn 
auch zu einer Soiree, von der er ihm im Vorhinein sagte, die Nota- 
bilitäten der Stadt werden derselben beiwohnen. Leopold von Meyer 
erschien, aber mit einem schwarz verbundenen Finger, und erzählte 
der Gesellschaft, kurz vor seiner Abfahrt zur Soiree habe er das 
Unglück gehabt, sich in den Finger zu schneiden und könne darum 
nicht spielen. Der Eigentliche aber, der sich „geschnitten" hatte, 
war — Chikering. ( s »g-) 



Verantw. Red» Ed. Fächer er. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



j**'#*. 



23. März 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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i Diese Zeitung erscheint jeden 
MONTAG. 



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Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co. 



PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od.Th.l. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: \ 

50 kr. od.|15 Sgr. per Quartal. * 



INHALT: An die Gesangvereine der Stadt Cöln. — Corresp.: Berlin. Stuttgart. CÖln. Paris. — Nachrichten. 



Der Redaction dieses Blattes geben beute durch Freundes Hand 
folgende beiden Schreiben zu, mit dem Ersuchen, denselben durch 
Veröffentlichung in unserem Blatte eine weitere Verbreitung zu geben. 

Central-Comite* des nordamerikanischen Sängerbundes. 

Chicago, 5. Januar 1868. 

An die Gesangvereine der Stadt Cöln. 

Sehr geehrte Herren! 

Aus dem grossen fernen Westen, von den Ufern des Michigan 
See's, ertönt an Euch, Ihr Deutschen Sängerbrüder, aus der grossen 
Inlands-Metropolis ein herzlicher Gruss fern hin über den Ocean in 
die alte gute Heimath. 

Fern ab vom Vaterlande hat der Sinn und der strebsame Geist 
der Deutschen längst schou Wurzel geschlagen und fängt an, herr- 
liche Früchte zu tragen. Was wir als Jünglinge zu Hause geliebt 
und gepflegt, wie könnten wir es hier als Männer treulos vergessen? 

Das deutsche Lied, auch hier ertönt es fröhlich wieder, und 
soll es uns in diesem Jahre besonders aus Nah und Fern die Freunde 
zuführen, mit uns im Juli dahier in Chicago das Sängerfest (das 
sechszehnte) des Nordamerikanischen Sängerbundes, in fröhlicher 
Weise, zu feiern. Bereits sind aus allen Staaten, selbst aus dem, 
durch das mit ewigem Schnee bedeckte Felsengebirge und durch 
endlose Prärien von uns getrennten Californien , die freundlichsten 
Zusagen zum Feste erfolgt. 

Gestern wurde mir nun von dem hiesigen Central-Comite der 
ehrenvolle Auftrag zu Theil , an Euch ihr lieben Sangesbrüder in 
der alten Heimath eine freundliche und herzliche Einladung er- 
gehen zu lassen, mit der zwar kühnen, jedoch wohl überlegten Bitte, 
uns zu unserm nächsten Feste wenigstens eine Delegation eures 
weltberühmten Vereins herüberzuschicken, auf dass auch sie, im 
Namen eures Vereins uns Hülfe leisten möge bei dem hohen Weihe* 
Opfer, das dem deutschen Geiste hier in fremdem Lande gebracht 
werden soll. 

Wir wissen wohl, unsere Einladung wird Euch überraschen; 
doch wer sich daran erinnert, wie deutsche Amerikaner sich in 
Menge zu dem nationalen Schützenfeste in Bremen einfanden, wird 
gewiss nicht die Annahme unserer Einladung als unausführbar be- 
lächeln. Sind doch deutsche Sänger nach London und sogar nach 
Lille gezogen, warum sollten sie nicht, wenn es gilt, dem deutschen 
Geiste zu huldigen, einmal eine Spazierfahrt über den Ocean machen 
können? 

Drum auf, ihr Sänger, zaget nicht! Gürtet Eure Lenden, ent- 
rollt Eure Fahnen und ziehet gen Westen! 

Mit offenen Armen und alter deutscher Gastfreundschaft wollen 
wir Euch empfangen, und Euch froh ins hiesige deutsche Geistesleben 
einführen, auf dass Ihr, in die Heimath zurükgekehrt, den Freunden 
sagen könnt, auch über tiem Oceane, fern vom Vaterlande, wohnen 
Männer, deren Herz noch schlägt für gute deutsche Sitte und das 
alte theure Vaterland. 



Im Auftrage des Central-Comites des nordamerikanischen Sänger- 
bundes mit herzlichem Sängergrusse 

(gez.) H. Clausenius (gez.) Emil Die tz seh 

Vorsitzender des Central-Comite's. Corr, Sekretair. 

Vorstehende offizielle Einladung ist speziell an den Kölner 
Männergesangverein und den dortigen Sängerbund gerichtet. Ein 
zweites, diese Einladung begleitendes Privatschreiben des correspon- 
direnden Secretaires Herrn Emil Dietzsch in Chicago, enthält unter 
Anderem nachfolgende Notizen von allgemeinem Interesse: Beifol- 
gendes Schreiben ersuche ich gütigst an seine Adresse gelangen zu 
lassen, mit der höflichen Bitte, dasselbe nicht einfach im Vereine) 
vorzulesen und es dann lächelnd auf den Tisch zu legen, sondern 
dessen Inhalt reiflich zu überlegen , und uns alsdann jedenfalls mit 
einer zusagenden Antwort zu erfreuen. 

Ein Schreiben desselben Inhaltes ging nach Bremen und ein 
anderes nach Hamburg ab , und würden wir noch mehrere Vereine 
eingeladen haben , wenn wir nur deren genaue Adressen erfahren 
könnten. 

Der deutsche Geist durchzieht erfrischend die weiten Lande 
unseres Adoptiy-Vaterlandes und sollte demselben aus der alten 
Heimath erfreulich Rechnung getragen werden. Ein freundschaft- 
licher Besuch von gleichgesiunten Männern würde uns hier im steten 
Kampfe für deutsches Wesen, Thun und Treiben, nur stärken und 
ermuthigen. 

Das hiesige Central-Comite' wird mit den verschiedenen Steamer 
Compagnieu von Bremen oder Hamburg im Falle Ihrer freuad- 
lichen Zusage Arrangements machen, dass eine Delegation von 10—15 
deutschen Sängern zu unserm Feste vielleicht ganz frei, oder doch 
wenigstens um eine grosse Preisermässigung, hin und zurück ge- 
langen kann; von New-York aus bis Chicago ist freieReise 
für die etwaige Delegation keine Frage. 

Das ganze wäre also nur eine Zeitfrage , und hoffentlich gibt 
es in Deutschland 10 oder 15 Sänger, die auf sieben bis 8 Wochen 
sich einmal dem „Dolce far niente" ergeben können. Haben Sie 
desshalb die Güte und besprechen Sie sich mit Ihren wertheu 
Freunden die Sache genau und lassen Sie nicht zu früh eine höf- 
liche abschlägige Antwort abgehen, denn es ist hier in Massen 
bekannt , dass deutsche Sänger eingeladen worden zum Feste , und 
Alles sieht mit der grössten Spannung Ihrer zusageuden Antwort 
entgegen. 

Am Besten würde es sein, Sie setzten sich mit den Herren in 
Bremen und Hamburg in Einvernehmen und jede Stadt schickt 
4 Sänger. 

In der Hoffnung, dass Sie ihr Möglichstes und Bestes thun, etc. 
empfieht sich 

(gez.) Emil Dietzsch. 

Indem die Redaction dem Wunsche zur Veröffentlichung der 
vorstehenden beiden Schreiben hub Chicago hiermit bereitwilligst 
entspricht, stellt dieselbe den verehrlichen Vorständen der deutschen 
Mäuuergesaugvereine des engern und weiteren Vaterlandes anheim, 
diese beiden Briefe als eine speziell an Ihre Vereine gerichtete 
Einladung zu betrachten, und für den Fall, dass sich einzeln» 



- 46 - 



Mitglieder derselben geneigt und bereit finden lassen sollten, bei 
dem grossen Sängerfeste in Chicago im Juli d. J. sich zu betheiligen, 
ihre desfallsige Anmeldung entweder direct bei dem Central-Comite' 
des nordamerikanischen Sängerbundes in Chicago einzuleiten , oder 
aber mit den Sanges genossen in Cöln , Bremen und Hamburg in 
nähere Verbindung treten zu wollen, wodurch vielleicht eine ansehn- 
liche Delegation zu Stande gebracbt werden dürfte. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Berlin. 

(Schluss.) 

Demnächst gab am 2ten Februar Herr Franz Bendel wieder 
eine Matiu£e in der Singakademie. Referent kann nach dem ge- 
habten Eindruck das günstige Vor-Urtheil, welches mit einer Aus- 
nahme die Zusammensetzung und Grösse des Repertoirs dieser Con- 
certe und manche kundgewordene Stimmen darüber ihm erregt hatten, 
nur — grossen Theils zurücknehmen. Man kann mit allem Recht 
die rhapsodistische Manier, mit welcher Herr Bendel schlechterdings 
Alles spielt, als einen Miss brauch der Technik auf Kosten der 
Rvthmik bezeichnen. Dass Jemand eine brillante Skala „am Leibe" 
hat, dass er eine Passage schneller ausführen kann, als sie an ge- 
gebener Stelle sich gehört, ist noch keine Rechtfertigung dafür, wenn 
es daselbst geschieht. Jene pianistische Selbstgefälligkeit, die ich 
früher auch iu der Wahl der Stücke zu entdecken glaubte, fand ich 
in diesem Spiele wieder, welches eigentlich nie das Werk zu Gehör 
bringt, sondern nur sich selbst zur Schau trägt. Es ist wahr, dass 
ein Spieler von geringerem Talent und einer nicht so hoch ausge- 
bildeten Fingerfertigkeit nicht auf eben solche Fehler verfällt , weil 
seine Technik dabei versagen würde ; Herr Bendel ist am Ciavier 
gleichsam ein Verschwender , der sein Gold nicht erst prägen lässt, 
sondern mit Barren um sich wirft, aber nicht um die Leute seinen 
Reichthum splendid geniessen zu lassen , sondern um zu imponiren. 
Das gelingt denn auch, das Publikum staunt, klatscht, der Kenner 
aber betrauert den Verfall des guten Geschmacks, und grollt dem 
Manne, der Talent genug hätte, um wirklich zu erbauen, zu ergreifen, 
zu entzücken, und es vorzieht zu imponiren. In gewissen Grenzen 
hörte man lieber einmal vorbeischlagen, als sich gefallen lassen zu 
müssen, dass Alles so hingerafft wird. Wie litt die keusche Sonate 
Op. 109 vou Beethoven darunter — jeder Tact fast eine Ver- 
sündigung an den Manen des Componisten — wie artete das Finale 
der sinfonischen Etüden von R. Schumann in ein ungeschlachtes 
Bachanal aus, welches man, kam es daranf an, immer noch wilder 
hätte hinwerfen könneD, wie auspruchsvoll erschien „auf Verlangen" 
das durchweg simple Präludium Des-dur von Chopin, mit lottrigen 
Cadenzen ausstaffirt, und die Taut»ig'sche Valse-Caprice C-dur! 
Alles an dem Stück ist Grazie, Rythmus, Feinheit, ästhetisirte Lust, 
und 8 o war es manchmal, als sähe man einen trunkenen Herkules 
mit der Keule über der Schulter wild einhertanzen. Gewissenhaft 
im künstlerischen Sinne spielte der Concertgeber nur sein eigenes 
Werk, eine Sonate aus vier Sätzen für Geige und Ciavier, in wel- 
cher sich, nach dem ersten Eindruck zu urtheilen, das Scherzo als 
zweiter Satz am vortheilhaftesten durch Consequenz der Gestaltung 
auszeichnete; das Ganze litt durchaus an Mangel der Mannigfaltig- 
keit des Ausdrucks, fast überall lastete auf demselben eine gewisse 
falsche Melancholie, Etwas, das ich durch den Ausdruck des Mirza- 
Scbafy «in erkünsteltem Gram sich strecken" passend bezeichnet 
finde, denn für ihren Inhalt war die Sonate sicher zu lang, wenn 
ihr auch technisches Verdienst nicht mangelte. — Dem Referenten 
liegt es hierbei fern , Herrn Bendel als Spieler ganz besonders vor 
Andern anzugreifen ; nur weil die erwähnten Fehler an einer sonst 
bedeutenden Erscheinung auftreten, erschienen sie mir lehrreich. — 
Fräulein M. Strahl sang in dem nämlichen Concert eine Arie aus 
der Oper R. Wuerst's : „Der Stern von Turan" und machte damit 
in jeder Beziehung angenehmen Eindruck, als dessen Jngredienzieu 
sich bezeichnen lassen: ein wohlthuend schöner Text, vom Compo- 
nisten in ein Gewand gekleidet, welches in declamatorischer Bezieh- 
ung den Anforderungen der Neuzeit überall entspricht und hiorin 
sowohl wie in der Erfindung die Signatur einer feinen Schule trägt; 



ferner ein Vortrag, welcher alle diese Eigenschaften des Stückes mit 
Pietät und Geschmack zur Geltung brachte, endlich der bekannte 
hell metallische Klang der schönen Stimme. — Diese Stimme wirkt 
bei der folgenden Meditation, jetzt Ave Maria, vonGounod über 
das Bach'sche Präludium besser als die n soit-disant - Composition" 
selbst, für welche Herr Gouood nun nicht bloss einen Geiger, son- 
dern auch einen Harfenisten und eine Sängerin incommodirt hat — 
ein Apparat, der fast lächerlich wirkt, besonders da die Sängerin, 
ehe mau sie hört, sich ebenso lange muss sehen lassen, aus complai- 
sance gegen den einmal von früherher angestellten Geiger. Fräulein 
Strahl sang ihre Partbie — der bekannten „Melodie ist ein Ave 
Maria „ohne Beeinträchtigung der confesstonellen Verhältnisse 41 un- 
tergeschoben — ausgezeichnet, aber man erschrickt doch fast, solchen 
Humbug in der Singakademie anzutreffen. — Die Geigenparthie 
hierin wie iu der Sonate von Bendel führte Herr de A h n a mit 
bekannter Solidität und Wärme durch, Carl Fuchs. 



Aus Stuttgart« 

(Schluss.) 

Am Aschermittwoch gab Prof. Gantter seinen dritten Vortrag 
über neuere Ciaviermusik , worin er die Mendelssohn 1 sche Schule 
behandelte. Frau S. Hörner spielte dabei von Mendelssohn 
„Drei Lieder ohne Worte" und die schöne B-dur-Sonate mit Cello 
(Herr Krumb ho I z), dann einzelne Stücke von Sterndale, 
Bennet und F. Hiller. Auch zwei in loco lebende Meister zog 
der Vorleser herein, wobei zugegen zu sein den Betreffenden etwas 
unbehaglich sein musste. Doch war es dem einen derselben , Hrn. 
Speidel, taktvoller Weise überlassen worden, durch seine Ton- 
schöpfungen und sein Spiel für sich selbst zu sprechen, und dies 
gelaug ihm denn auch so gut , dass seine vortrefflicheu Ciavier- 
sachen dreifach günstiger aufgenommen wurden, als jene C. Eckert 1 «, 
die er zwar mit gleicher Sorgfalt vortrug, welche das Publikum 
jedoch der vorangegangenen , von persönlicher Vorliebe allzusehr 
gefärbten Lobrede gar zu wenig entsprechend fand ; *) der indirecte 
Vergleich zu Ungunsten der jetzigen Direction , mit welcher Jeder- 
mann zufrieden ist, erregte manche Missstimmung, zumal bei Den- 
jeuigen, die da meinen , ein öffentlicher Vortrag sollte sich von 
allen lokalen Sym- und Antipathien fernhalten. 

Am 28. Februar gab eine Concertsängerin aus Frankfurt, Frau 
Carvelli-Adorno, zu Gunsten der Rosenfelder Abgebrannten 
ein ziemlich besuchtes Concert in der Liederhalle , worin sie die 
zu Figaro uachcomponirte Arie : „Kehre wieder," dann eine passa- 
genreiche Cavatine aus „Semiramis," endlich zwei Lieder, „Nach- 
tigallensang" und „Liebe im Hochlande" (aus L. Starks Op. 43, 
Stuttgart bei Zumsteeg) vortrug. Eine zwar zarte aber sympathisch 
klingende Stimme , reine Intonation und saubere Technik , natür- 
liche Wärme und geschmackvoller Vortrag sind die Haupteigen- 
schaften, welche der Künstlerin zur Seite stehen und dieselbe be- 
sonders als Lehrerin nachdrücklichst empfehlen dürften. Ausserdem 
hörten wir an jenem Abend noch Herrn Speidel in Chopins 
Andante spianato mit Polonaise, Hrn. Wien in einer Vieuxtemps- 
schen Fantasie und Hrn. K~umbholz in Paraphrasen des Schu- 
bert'schen Ave Maria und der Chopin'schen Es-dur-Nocturne ; alle 
drei Vorträge waren meisterhaft und errangen lebhaften Beifall, 
ebenso ein wackeres Männerquartett, das mit Liedern von Kreutzer 
und Speidel erfreute. 

Im Orchesterverein kam Gluck 's Ouvertüre zu „Ipbige- 
nia in Aulis" mit dem Mozart'schen Schluss, der wenn auch weni- 
ger stylgemäss, wie der Wagner'sche , doch für schwächere Kräfte 
der empfohlene werthere bleiben mag, und Haydn's bekannte in 
D-moll beginnende D-dur-Sinfonie zur Aufführung, welche einen 
erfreulichen Beweis von den Fortschritten dieses seit einem halben 
Jahre jetzt unter Pruckner's Führung stehenden Vereins gab. Ein 
junger Violinist, Hermann aus Atzenbach in Baden, Schüler un- 
seres Keller am hiesigen Conservatorium , spielte ein Viotti'sches 
Violinconcert mit grosser Meisterschaft. Herr Krumbholz trug 



*) Wirklich populär ist von Eckert'» Compositionen dahier nur 
die „Ellipolka" geworden. 



— 47 - 



«einige Cantilenen auf dem Cello ergreifend vor; eine junge Dilet- 
tantin aus Würzburg, Frl. Edenfeld, sang: „Ach nur einmal 
rooch im Leben," Schubert'« „Nachtstück," und mit Cellobegleitung 
«in scböues Frühlingslied von G. Qoltermann. Unpasslichkeit ver- 
hinderte uns, der heurigen Festoper zum Geburtstag des Königs, 
wozu in Boieldieu's „Rothkäppchen" eine ganz glückliche 
Wahl getroffen war und worauf wir noch später zurückzukommen 
gedenken, sowie der fünften KammermusiksoirSe beizuwohnen, worin 
Beethovens Sonate mit Cello in G, ein Mozart'sches Trio und zwei 
neue Melodien für die Violine von unsermHuber zu Gehör kamen ; 
dazu waren noch allerlei Antiquitäten producirt worden, wie n Le 
tombeau" Sonate vonLeclair (1697—1764), eine Cellosonate von 
Corelli (1653—1713) und Ciaviersoli von Bach, Händel und 
«Scarlatti. 



Aus € ö I n. 

tO Man 1868. 

Das achte Abonnementconcert im Gürzenichsaale fand am 18. 
Februar unter Frd. H i 1 1 e r's Leitung mit folgendem Programme 
statt: Ouvertüre zu „Genovefa" vonR. Schumann; Violinconcert 
"von Mozart (op. 76), vorgetragen von Hrn. Concertmeister Ferd. 
David aus Leipzig, (Zum ersten Male); erster Act aus „Alceste" 
von Gluck. (Alceste, Frl. Wagner aus Carlsruhe; Oberpriester, 
Hr. Barkowski vom hiesigen Stadttheater); Sonate für Violin- 
Solo von E. W. Rust (comp. 1795), mit Clavierbegleitung bearbeitet 
und vorgetragen von Hrn. Concertmeister David ; Sinfonie Nr. 8 
*(F-dur) von Beethoven. 

Die Genovefa-Ouvertüre wurde schwungvoll und feurig execu- 
tirt. Hr. David wurde vom Publikum mit gebührender Auszeich- 
nung empfangen und trug das ursprünglich in Es-dur geschriebene 
Mozart'sche Concert nach E-dur transponirt mit der ihm eigenen 
Meisterschaft, wenn auch nicht gerade mit jugendlichem Feuer vor, 
<das Publikum zu lebhaftem Beifalle hinreissend. Weniger wollte 
•die Sonate von Rust munden, obgleich sie, mit Hiller's vortrefflicher 
Begleitung am Ciavier, ausgezeichnet schön vorgetragen wurde. Der 
«rste Act aus Gluck's „Alceste" ward in jeder Weise gelungen auf- 
geführt; Chor und Solostimmen verdienten den gespendeten Beifall 
-und insbesondere ist die Leistung des Hrn. Barkowski anerkennend 
hervorzuheben, indem er kurz vor der Auffürung erst seinen Part 
für Hrn. Simons übernommen hatte. Aber auch Frl. Wagner ver- 
stand es, die Sympathien des hiesigen Publikums, welche sie sich 
schon früher erworben hatte , durch ihre schöne Stimme und edle 
Vortragsweise neuerdings zu befestigen. Die Executirung der Beet- 
hoven'schen Sinfonie ist als eine in jeder Beziehung mustergiltige 
zu bezeichnen. 

Vor diesem Concerte, am 9. Februar, gab A. Rubinstein ein 
Concert im Saale des Hotel Disch, welches jedenfalls zu den schön- 
sten Ereignissen dieser Saison zu zählen ist. Das Concert begann 
mit einem Trio in G-moll von der Composition des Concertgebers, 
ausgeführt mit den HH. v. Königslöw und Rensburg, einem 
vorzüglich schön gearbeiteten, effectvollen und mit grossem Beifall 
aufgenommenen Werke. Ausserdem spielte Rubinstein die Sonate 
Op. 111 von Beethoven, Etudes en forme de Variations von 
Schumann, und noch sechs kürzere Solostücke, von denen wir 
die Liszt'sche Bearbeitung des »Erlkönig" und den türkischen Marsch 
aus Beethoven's „Ruinen von Athen" besonders hervorheben möchten 
(in virtuoser Beziehung). Dass diese sämmtlichen Vorträge einen 
wahrhaft enthusiastischen Beifall hervorgerufen, ist eigentlich schon 
selbstverständlich geworden. Die ausfüllenden Gesangsvorträge der 
Frls. Kneip und Schmitz Hessen in Bezug auf Intonation und 
Vortrag gar manches zu wünschen übrig. 

Die fünfte Quartett- Soiree der HH. v. Königslöw, Japha 
D e r ck u m und Rensburg brachte : Quartetten von Mozart 
<A-dur) und Schumann (op. 41, Nr. 1, A-moll) und das Quartett 
in C-dur (op. 29) von Beethoven. Ohne mich, des beschränkten 
Raumes wegen, in Einzelnheiten einzulassen, constatire ich einfach, 
dass die betreffenden Künstler sich diesmal sozusagen selbst über- 
troffen und das , leider nicht sehr zahlreiche Auditorium zu oft wieder- 
fcoltem, stürmischen Beifall hingerissen haben. 

Nochmals zurückgreifend bis zum 8. Februar, muss ich der 2. 



musikalischen Abendunterhaltung des „Cölner-Mänuergesangvereins" 
und der „philharmonischen Gesellschaft" von jenem Tage gedenken, 
welche des Schönen , Erhebenden und Erheiternden gar Manches 
gebracht hat. Den Anfang machte die vortrefflich ausgeführte Sin- 
fonie in Es-dur von Haydn. Hierauf sang Frl. Julie Rothen- 
berger zwei Lieder von K i r ch n e r und Dorn, Hr. Concertmeister 
Japha spielte die Reverie von Vieuxtemps und beiden Vor- 
trägen wurde ungeteilter und wohlverdienter Beifall gespendet. Nun 
folgten zwei Männerchöre : „Ständchen" von Otto und „Schön Roth- 
raut" von Veit. Vor dem Beginne dieser beiden Chöre ereignete 
sich ein Unfall , der für manchen der Sänger hätte verhängnissvoll 
werden können. Als nämlich der 80 Mann starke Chor eben das 
Zeichen zum Anfange erwartete, brach plötzlich der vordere Theil 
der Orchesterbühne ein und die ganze vordere Reihe der Tenoristen 
verschwand mit furchtbarem Gepolter in der Tiefe. Ein Schrei des 
Entsetzens drang aus dem Saale. Allein die wackeren Sänger ar- 
beiteten sich schnell wieder aus der improvisirten Versenkung herauf, 
arrangirten sich so gut wie möglich auf dem verkürzten Podium 
und sangen trotz Durchfalles und Schreckens fast noch schöner 
als gewöhnlich, jubelnden Beifall hervorrufend. Keiner der Sänger 
hatte glücklicherweise bei dem Sturze Schaden genommen. 

Besonders günstige Aufnahme fanden die beiden grossen Chöre 
mit Orchester: „Osterfeuer" und „Ostara" von Hill er, welcher 
dieselben 1863 zum ersten „rheinischen Sängervereinsfest" in Cöln 
für den „Cölner Männergesangverein" geschrieben und von diesem 
mit ausserordentlichem Erfolge zum ersten Male dort aufgeführt. 
Die Wirkung der meisterhaften Compositionen war auch diesmal 
wieder eine wahrhaft grossartige. Auch die vorhergehenden zwei 
Lieder für Sopran - Solo mit Männerchor: a) „Frühlingseinzug"; 
b) „Die Lerchen/' ebenfalls von Hiller, machten einen sehr güns- 
tigen Eindruck. Zwischen diesen und den letzten Chören spielte 
Hr. Japha die Othello - Fantasie von Ernst mit wahrer Meister- 
schaft. Der ganze Saal des Gertrudenhofes war gefüllt von einem 
empfänglichen und durch die gebotenen Genüsse hochbefriedigten 
Publikum und nach dem Concerte blieben etwa 500 Personen zu 
einem gemeinsamen Souper versammelt, welches durch humoristische 
Reden, Toaste und Gesang- und Instrumentalvorträge gewürzt war. 
Auch die Verdienste des gemeinsamen Leiters der beiden Vereine, 
des Hr. FranzWeber, wurden mit gebührenderweise hervorge- 
hoben und es ist zu hoffen, dass der schöne, anregende Abend den 
activen Mitgliedern der Vereine Anlass geben wird, forthin fleissiger 
die Proben zu besuchen und dadurch das jetzt so rege Zusammen- 
wirken zu einem dauernden zu gestalten. 



n e » 



Aus Paris. 

15. Man. 

Was ich Ihnen in meinem jüngsten Bericht über „Hamlet" 
gesagt, bat sich vollkommen bestätigt. Der Erfolg der Oper von 
Ambroise T h o m a s ist kein glänzender ; der Erfolg der Mlle. N i 1 s s o n 
in der Rolle der Ophelia hingegen ist ausserordentlich. So oft sie in 
dieser Rolle auftritt, wird sie mit Blumensträussen im strengsten 
Sinne des Wortes überschüttet. Der Jockeyclub hat vorige Woche 
fast den ganzen Blumenvorrath aufgekauft und denselben zu den 
Füssen der wahnsinnigen Tochter des Polonius gelegt. Noch selten 
hat eine Sängerin einen solchen Enthusiasmus erregt. Man spricht 
wenig von dem Compositeur; man spricht nur von ihr; man über- 
schwemmt sie mit Gedichten ; man treibt die Begeisterung bis zur 
Verrücktheit. 

Morgen wird das Theätre de la Renaissance (Solle Ventadour 
unter der Direction des Herrn Carvalho) mit Gounod's „Faust" 
eröffnet. Dass daselbst auch Wag ne r's „Lohengrin" in Scene 
gehen soll, habe ich ihnen schon gemeldet. Wagner heisst es, habe 
einem Freunde geschrieben, er freue sich, dass seine Musik in der 
Hauptstadt Frankreichs jetzt sehr viele Anhänger zähle , er werde 
aber um keinen Preis nach Paris kommen und also der Aufführung 
seines genannten Werkes nicht beiwohnen. 

Das jüngste Gericht M i c h e 1 Angelo's hat den Sänger Duprez 
zur Composition eines Oratoriums in drei Theilen angeregt. Diese 
drei Theile heissen : Erde, Abgrund, Himmel. Das Werk 



- 48 — 



»©11 am 1. und 15. künftigen Monats »um Besten wohlthätiger An* 
stalten unter Mitwirkung von Hundert und sechzig Künstlern im 
Cirque de Vhnpäratrice sur Aufführung kommen. Duprez wird die 
Recitative singen. 

Rubinstein ist hier eingetroffen, nächsten Donnerstag findet 
sein Concert im Salle Herz statt. Er wird nur seine eigenen Werke 
hören lassen. 

Hector B e r 1 i o z , der sich nach seiner Bückkehr aus Rusa- 
land einige Tage hier aufgehalten, weilt jetzt in Monaco, um sich 
Ton den ausgestandenen Strapazzen auf seinen Lorbern auszuruhen. 



Nachrichten. 



MaiDX. Frl. Sophie Stehle yom königl. Hoftheater in 
München hat am Mittwoch den 18. d. M. einen Gastrolleneyklus 
an unserem Stadttheater als Gretchen in Gounod's „Faust" be- 
gonnen. Es ist dies eine der besten Partien dieser vortrefflichen 
Sängerin und Darstellerin und so war denn auch das geräumige 
Haus trotz der erhöhten Eintrittspreise und der verschiedenen eben 
im Gange befindlichen Messprodoctionen , welche für unser Pub- 
likum viel Anziehendes haben, fast ganz gefüllt und die liebens- 
würdige Künstlerin gewann bereits mit diesem ersten Auftreten die 
ungeteilten Sympathien unserer^Tbeaterfreunde, wie die stürmischen 
Hervorrufe nach jedem Acte und am Schlüsse der Oper deutlich 
genug zu erkennen gaben. Auch Herr B o h 1 i g , der junge mit 
schöner Stimme und guter Schule ausgerüstete lyrische Tenor 
unserer Bühne fand als Faust lebhaften und wohlverdienten Beifall. 

— Frl. Georgine Schubert, zu Anfang dieser Saison als 
' Coloratursängerin ein sehr beliebtes Mitglied unseres Stadttheaters, 

ist vom Grossherzog von Mecklenburg-Strelitz zur Kammersängerin 
ernannt worden. Es soll Aussicht vorhanden sein , dieselbe zur 
nächsten Saison wieder für unsere Bühne zu gewinnen, was gewiss 
allgemein freudigst begrüsst werden dürfte. 

BerliO. Am 21. März feiert Hofcapellmeister Heinrich Dorn 
sein 40jäbriges Jubiläum als Dirigent. Am 21. März 1828 dirigirte 
er in seiner Vaterstadt Königsberg zum ersten Male Auber T s „Maurer 
und Schlosser." 

Wien. Der Bussist Scaria vom Dresdener Hoftheater beginnt 
am 14. d. M. am kaiserl. Operntheater ein Gastspiel als Sarastro, 
welchem sodann der Marcell folgen wird. 

— Am 19. d. M. wird Herr Zell n er sein erstes diesjähriges 
historisches Concert im Musikvereinssaale geben. Der leitende 
Gedanke des Programms ist die Darstellung des Meistersänger- 
thums mit seinen Vorstufen. 

Salzburg. Der Director des hiesigen Mozarteums, Hr. Hans 
Schläger wird seine Stelle niederlegen und sich in das Privatleben 
zurückziehen. Zur Wiederbesetzung dieser Stelle hat das Mozarteum 
(Dommusikverein) den Termin zur Einreichung von Gesuchen, wel- 
che mit den nötbigen Zeugnissen belegt sein müssen, bis zum 15. 
April d. J. erstreckt. Der jährliche Gehalt beträgt 600 fl. östr. W. 

Paris. Am 15. d. M. fand das 20. populäre Concert des Hrn. 
Pasdeloup mit folgendem Programm statt: Sinfonie in Es-dur (Nr. 
50) von H a y d n ; Sinfoniefragmente von S ch u b e r t ; Musik zur 
Tragödie „Struensee" von Meyerbeer; Andante cantabile aus 
dem 5. und Fuge aus dem 9. Quartett von Beeth oven, vonsämmt- 
lichen Streichinstrumenten ausgeführt ; Ouvertüre zu „Ruy Blas" von 
Mendelssohn. 

— A u b e r's neueste Oper wird in der Opära comiqtte wöchent- 
lich viermal mit immer gleichem Erfolge gegeben. 

— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris betrugen 
im Monat Januar die Summe von 2,013,928 Frcs. 

London. Am 12., 15., 17. und 19. Juni d. J. findet im CrystaN- 
palaste ein grossartiges Händel-Fest unter Mitwirkung von 
4000 Sängern uud Musikern statt. Bei diesem Anlasse wird auch 
ein photo - lithographisches Facsimile von Händel'» Manuscript des 
„Messias" herausgegeben werden. Das Originalmanuscript des Ora- 
toriums ist Eigentbum der Königin und befindet sich in der könig- 
lichen Bibliothek in London. 

*#* In Ramsgate starb der 62jährige Flöten virtuose und 
.beliebte Componist für Bein Instrument, Robert Sidney-Pratten; 



in Trevi: Tib. Natalini, Kirchencomponist, ein Schüler Z i n- 
g a r e 1 1 i's. 

*** Das Theater in P a d u a wird von nun an den Namen* 
„Garibaldi" führen. 

*** B. Wagner's „Meistersinger" werden in Wien und ia 
Weimar zur Aufführung kommen. 

*»* Der Magistrat der Stadt Regensburg hat die Direction» 
des dortigen Theaters dem Director W i h r 1 e r übertragen. 

*** Max B r u cb erhielt von der Prinzessin Elisabeth von Son- 
dershausen während des letzten Hofconcertes einen silbernea 
Tactirstock für Aufführung der, der Prinzessin gewidmeten Ballade 
„Schöu Ellen." 

*** Josef Gungl in München ist mit seiner Capelle für 
Reichenhall engagirt worden. 

%* In G o t h a hat eine romantisch-komische Oper von E i 1 er s= 
„Die Sanct Johannisnacht" sehr gefallen. Der Text ist nach 
Zschokke's Novelle „Der todte Gast" bearbeitet. 

*** In Magdeburg wurde im 7. Abonnements-Concert die 
dritte Suite von Fr. L a ch n e r aufgeführt und mit grossem Bei- 
fall aufgenommen. 

*** Meyerbeer's „Afrikaneriu" ist nun auch in Stettin 
mit vollständigem Erfolg in Sceue gegangen. 

*** Frau Viardot-Garcia hat eine neue fantastische Oper t 
n Le demier sorcier" geschrieben, welche ihrer ersten Oper : »Trop 
de femmes" an Melodienreichthum nicht nachstehen soll. 

*** Mit dem am 5. März stattgefundenen 19. Gewandhauscon- 
cert in Leipzig feierte dieses Institut sein 125jäbriges Jubiläum. 
Mau brachte Compositionen von den Dirigenten der letzten 25 Jahre r 
Mendelssohn, David, Gade, Hill er, Rietz und Rein- 
ecke zur Aufführung. 

*** Das Mozart-Museum ist mit einer neuen Reliquie bereichert 
worden. Sie besteht aus einem mit goldgesticktem Einband gezierten 
französischen Taschenkalender vom Jahre 1764, welchen Wolfgang- 
Mozart von der Gräfin von Eyk auf seiner ersten Kunstreise nach 
Frankreich, zu seinem achten Geburtstage als Angebinde erhielt, und 
in welchen Mozarts Vater folgende Worte einschrieb : „Dieses Ca- 
leuderl hat der Wolfgangl den 26. January Abends von der Gräfin* 
v. Eyk bekommen. 

*** V e r d i's ,.Don Carlos" hat bei der ersten Aufführung in« 
Brüssel nur schwachen Erfolg erzielt. 

*** Musikdirector Damroth in Elbingist unlängBt ge- 
storben. 

*** In Löwenberg gab die Hofcapelle des Herzogs vom 
Hohenzollern-Hechingen am 2., 9., 15. und 23. des v. M. Concerte, 
in welchen die „Wallensteiu-Sinfonie" von R h e i n b e r g e r, die 
B-dur-Siufonie von S ch u m a n n, die Faust-Ouvertüre, sowie Ein- 
leitung und Brautchor aus „Lohengrin" von Wagner, „Preludes" 
„Mazeppa" und Paganini's „Campanella" von L i s z t, der 2. und 
3. Theil aus „Romeo und Julie" von B e r 1 i o z u. A. aufgeführt 
wurden. Als Solisten träte u auf die Pianistin Frl. Sophie Ment er, 
der Violinist R e m £ n y i und der Violoncellist Popper. 

*** Die Gesellschaft der dramatischen Schriftsteller und Ton- 
dichter in Paris ist am 3. Juli 1777 von einer Tischgesellschaft 
Beaumarchais gegründet worden. Die Zahl der Gründer betrug 21, 
jetzt hat die Gesellschaft 850 Mitglieder. Sie hat zwei General- 
agenten, welche die Tantieme von allen Vorstellungen in Frankreich 
und Belgien einziehen. In den zwei letzen Jahreu sind 482 neue 
Stücke von 335 Verfassern und Tondichtern aufgeführt worden. Vom 
1. Mai 1865 bis zum 30. April 1867 sind an Tantiemen 2,009.308 
Francs eingegangen, die unter die Autoren oder deren Erben ver- 
theilt wurden. 



Zur Beachtung. 



In Folge der seit Neujahr eingetretenen 
Portoermasslgung bitten wir alle Anzeigen 
und Beitrage für unsere Musikzeitung fr an* 
kirt einzusenden. 

MM. Schotts Söhne. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



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30. März 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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1 Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

j Man abonnirt bei allen Post- 

\ Ämtern, Musik- ÄBuchhand- 

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B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



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|fl. 2. 42 kr. od.Th.l. 18 Sg. 
\ für den Jahrgang. 
> Durch die Post bezogen: 
\ SO kr. od.J15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: R. Wagners „Meistersinger von Nürnberg." - Corresp. : Mainz. Leipzig. — Nachrichten. 



R. Wagners „Meistersinger von Nürnberg."*) 



Ueber Richard W a g n e r's dramatische Begabung, wenn wir 
dabei zunächst an den Dichter denken, ist in Hunderten von Artikeln 
hartnäckig und erbittert gestritten worden. Wir erinnern uns, im 
Jahre 1853 Rathscbläge an den grossen Künstler gelesen zu haben, 
welche ihn von der Musik hinweg zum gesprochenen Drama mit 

\dem Prognosticon verwiesen, dass er der erste Dramatiker der Neu- 

- seit werden könne. Es fehlte auf der anderen Seite nicht an kri- 
tischen Köpfen, die den Beweis zu führen gedachten, dass Wagner 
jedes, nur kein dichterisch-dramatisches Element besitze. Mit alle- 
dem war die Anarchie, die in uuseren künstlerischen Grundanschau- 
ungen herrscht,. deutlich bewiesen, die Frage selbst nichts weniger 
als gelöst. — Ein Hauptpunkt, der sich freilich der Betrachtung 
auf den ersten Blick darstellt, ist indessen von beiden Seiten 
leätgestellt worden. Wagner besitzt eine der ersten Eigenschaften 
eines grossen Dramatikers, die stets zutreffende, die andauernd glück- 
liche; Stoff wähl. Die Fühlkraft des Genius, welche so viele wackere 
Talente entbehren, und deren Mangel so zahlreiche todtgeborne Werke 
hervorruft , hat ihn vom Beginne seiner künstlerischen Laufbahn an 
geleitet. Als er in frühester Jugend , bestochen vom Glänze und 
der zündenden Wirkung der „Grossen Oper," mit einer solchen be- 
gann , ergriff er unter tausend Stoffen den schwungvollsten, den 
poetischsten („Rienzi"), welcher den prächtigen farbigen Aeusserlich- 
keiten ein höheres Moment beizufügen gestattete. Als er dann über 
die Bracke der romantischen Oper in die eigentliche Heimath seiner 
Begabung, seines Künstlerthums gelangte, liess der „Fliegende Hol- 
länder" hundert andere romautische Stoffe weit hinter sich. Und 
aus dem tiefsten Lebensgehalte unseres Volkes, aus den herrlichsten 
nationalsten Sagen und Erinnerungen, aus dem Zauber deutscher 
Empfindung erwuchsen die Dichtungen zu „Tannhäuser" und „Lohen- 
grin," während das grosse Bühuenfestspiel des „Nibelungenriuges" 

. die Götter- und Heldenmythen der ganzen germanischen Welt in 
neuer Frische und Herrlichkeit erstehen lässt. Im Augenblicke aber, 
wo Wagner zum ersten Male zu einer Art komischer Operndichtung 
achreitet, greift er frisch in das farbige, kecke deutsche Leben des 
sechszehnten Jahrhunderts, führt uns an die Stätte, wo sich dasselbe 
am meisten entfaltet, nach Nürnberg, stellt in dem Mittelpunkt seiner 
Dichtung eine der volksthümlichsteu characteristiscbsten Gestalten 

■ aus jenen Tagen, den poetischen Schuster Hans Sachs — und hat 
wiederum jene Magnete gefunden, welche das Hera von Tausenden 
an den Gebilden eines Dichters schon hinziehen, ehe sie demselben 
noch recht inVAuge geschaut. * 

Aber die „Meistersinger von Nürnberg" — die Dichtung zu 
Riehard Wagner 1 » neuestem Werke, — welche in einem Separat- 
drucke (Mainz, Scbott's Söhne) erschien, vermögen bei der näheren 
und nächsten Augeuscbau noch stärker anzuziehen, ja unWxeder- 
steblkh an fesseln. Es ist eine Frische, eine Liebenswürdigkeit 
und ein achter Lebensgehalt in dem Werke, welche uns für das 



*) Am der Berl.-Goul. 



Ganze die besten und schönsten Hoffnungen einflössen. Aller» 
dings hat es sein Bedenken, wenn eine Dichtung, die doch in jeder 
Strophe und Scene auf die Composition berechnet ist, ohne dieselbe 
an die Oeffentlichkeit gelangt. Sie wird und muss Spannung, In- 
teresse, Theilnahme wachrufen. Aber bei der deutschen Neigung zu 
Vornrtheilen können auch die Missverständnisse nicht ausbleiben, und 
den Vortheil der vollen , der totalen Ueberraschung gibt sich der 
Dichter-Componist dadurch aus der Hand. Wenn wir dies jedoch, 
bei Seite lassen, so müssen wir uns der Veröffentlichung nur freuen 
weil sie schon jetzt Gelegenheit bietet, der deutschen Bühne endlich 
wieder ein bedeutendes musikalisch-dramatisches Werk zu verheissen, 
ein Werk, dessen eine dichterische Hälfte allein der vollsten Wirkung 
gewiss sein muss. 

(Schluss folgt.) 



m qooi 



COfiRESPONDfiKZEK. 



Aus Jff a i li z. 

Fräulein Stehle setzte ihr Gastspiel au hiesiger Bühne am 
Sonntag. den 22. d. Mts. als Carlo Broschi in Auber's reizender 
Oper „des Teufels Antheil" fort. Hatte die vortreffliche Künstlerin 
als Gretchen durch den Zauber ihrer schönen, sympathischen Stimme, 
sowie durch die poesievolle Auffassung und Durchführung ihrer Rollo 
und durch das schöne Masshalten in Spiel und Gesang bewiesen, 
dass der bedeutende Ruf, welcher ihr vorausging, kein künstlich er- 
zeugter, sondern ein wohlverdienter sei, so entwickelte sie in ihrer 
zweiten Rolle wieder eine so feine Auffassungsgabe, ein so ent- 
schiedenes Darstellungstalent, während sie ihre sangliche Aufgabe 
jetzt mit virtuoser Bravour, jetzt mit ergreifender Gefühlsinnigkeit 
durchführte, duss es schwer zu entscheiden war, ob man die Sängerin 
oder die Darstellerin höher stelleu solle. Frl. Stehle's Leistungen 
sind eben das Ergebuiss einer geschmackvollen , feinsinnigen Auf- 
fassungsgabe , welche durch eine vortreffliche Schule und durch 
reichliche natürliche Mittel, wie eine schmelzreicbe Stimme und ein« 
aumuthende Persönlichkeit unterstützt wird und dazu kommt noch 
der Reiz zarter, ungekünstelter Weiblichkeit, der eben auch nicht 
gar zu oft auf der Bühne getroffen wird und darum um so anziehender 
wirkt. Das in allen Räumen gefüllte Haus erbebte aber auch von 
den wiederholten Beifallssalven und stürmischen Hervorrufen, welch« 
dem gefeierten Gaste zu Theil wurden. Neben Frl. Stehle erwarben 
sich die HH. B o h 1 i g (Rafael) und B e h r (Gil Vargas) durch die treff- 
liche Durchführung ihrer bezüglichen Partien entschiedenen Beifall, 
sowie denn überhaupt die Aufführung der ganz neu einstndirten 
Oper als eine im Ganzen recht gelungene bezeichnet werden kann. 

Am Dienstag den 84. d. Mts. gab Frl. Stehle die Rose frfquet 
in Maillart's „Glöckchen des Eremiten" als dritte und letzte $ÜV 
rolle. Man wird sich Aber die Wahl dieser Oper vielleicht verwundern, 
allein es war dies, wie wir zuverlässig wissen, nicht Frl. BtettÜs'a 
Wahl, welche gewünscht harte, in bedeutenderen Bolle« asfatftreian, 



- 50 — 



wie zum Beispiel in der „Jüdin", im „Freischütz", „Tannhäuser", 
„Lohengriii'' etc., was aber die hiesigen Theaterverhältnisse aus 
diesen und jenen Gründen nicht gestatteten. Allein so werthlos 
auch die genannte Oper sich darstellt, so wenig bedeutend die Bolle 
der Rose Friquet in musikalischer Beziehung sein mag, so muss 
man doch gerade darum mit Bewunderung anerkennen , was die 
liebenswürdige Künstlerin durch Gesang und Spiel aus derselben zu 
machen verstand, so dass sie der gewandtesten Künstlerin der Pariser 
leomischen Oper sich wohl iu jeder Beziehung kühn zur Seite stellen 
darf; das zahlreiche Publikum hat dies auch durch die lebhaftesten 
Ovationen jeder Art anerkannt. Ist uns also auch nicht der Ge- 
nuss zu Tbeil geworden , Frl. Stehle in ihren eigentlichen Glanz- 
rollen bewundern zu können: (mit Ausnahme des Gretchen im 
„Faust"), so hat sie doch in dem, was sie hier geleistet, hinlänglich 
Gelegenheit gehabt, auch dem Mainzer Publikum zu beweisen, dass 
sie als Sängerin wie als Darstellerin das Vorzüglichste zu leisten 
im Stande ist und wir sehen sie scheiden mit dem Wunsche, dass 
sie uns bald wiederkehren und ihr dann Gelegenheit geboten werden 
möge, sich in den angedeuteten grossen Rollen auf der vollen Höhe 
ihres augebornen Talentes und ihrer künstlerischen Meisterschaft zu 
sseigen. Frl. Stehle begibt sich von hier aus nach Bremen und 
Hamburg, wo sie ohne Zweifel neue Lorbeern erwarten. 

Ein anderes beachtenswerthes Ereigniss in unserem Musiktreiben 
ist das am 20. d. Mts. stattgehabte Concert des „Kunst- und Literatur- 
Vereins." Dasselbe wurde eröffnet mit dem Vortrage des C-dur- 
Quartetts von Mozart durch die HH. Popp er 1 , Die hl, Sessel- 
mann und Hom, sämmtlich Mitglieder unseres Theaterorchesters, 
welche sich ihrer Aufgabe in recht wackerer Weise entledigten und 
sich lebhaften Beifall errangen, was um so verdienstlicher erscheint, 
wenn man erwägt, dass die Erinnerung an die vorzüglichen Leistungen 
des Florentinischen, des Mannheimer und des Frank- 
furter Quartetts, welche diesen Winter in denselben Coucerten 
auftraten, noch so frisch und lebendig ist. Als Solisten traten auf 
die Pianistin Frl. v. Pfeilschif ter aus Stuttgart und der Violinist 
Br. Concertmeister Rob. Heckmann aus Leipzig. Beide spielten 
zuerst eine grosse Sonate für Piauoforte und Violine von 
A. Rubinstein, ein interessantes, geistvolles Werk mit vortreff- 
lichem Eusemble und richtigem Verstäudniss und es würde Com- 
position und Ausführung noch mehr Beifall gefunden haben, wenn 
man nicht dieses Werk unmittelbar auf das genannte Quartett hätte 
folgen lassen , was wir überhaupt und besonders unserm Mainzer 
Publikum gegenüber für einen Missgriff erklären müssen. Frl. v. 
Ffeilschifter spielte allein eine „Nocturne" von Chopin und 
v La Polka de la Reine", ein äusserst geschmackvolles und pikantes 
Salonstück von J. Raff und bewährte sich auch hier, wie in der 
Rubinstein'schen Sonate, als eine technisch sehr weit vorgeschrittene 
und mit künstlerischem Geschmacke begabte Virtuosin. Reichlicher 
Beifall ward ihrer schönen Leistung gezollt. Herr Heck mann 
spielte zuerst die Othello-Fantasie von Ernst mit einer Bravour, 
Sicherheit, Reinheit und Eleganz, welche ihm eine ehrenvolle Stelle 
in der Reihe unserer ersten Geiger anweisen. Am Schlüsse des 
Concertes trug derselbe ein Präludium und Fuge für Violine allein 
von S. Bach vor. Auch hieriu leistete Hr. Heckmann sehr Aner- 
kennenswerthes, allein dessenungeachtet hätten wir in seinem eigenen 
Interesse eine andere Wahl gewünscht, indem das Gebotene wohl 
für die wenigen wirklich Musikverständigen ein seltener Genuss, 
im Uebrigen aber Caviar, am unrechten Orte servirt, war. Frl. 
Johanna Werner, eine stimmbegabte junge Sängerin von 
hier, trug zwei Lieder von Schubert und W e i d t vor und fand 
freundlichen, ermunternden Beifall. Der beliebte Baritonist Herr 
Grünewald sang ein Lied von S o b i erey und „Frühlingsnacht" 
von R. Schumann mit grossem Erfolg. E. F. 



A ii s L e i i> z 1 9, #) 

Im Februar 1868. 

Eine über die Weihnachtszeit sich ausdehnende Abwesenheit 
von Leipzig gestattet uns nur cursorisch und nach Hörensagen über 
die beiden ersten Gewandhausconcerte in diesem Jahre zu berichten. 



*) (Kam uns nach längerer Irrfahrt erst jetzt zu. Die Red.) 



Im ersten derselben, der Reihe nach dem eil ften , am 1. Januar, 
kamen von Orchesterwerken Cherub inis Ouvertüre zu der „ Aben- 
ceragen" und Bethoven' s A-dur-Sinfonie zu Gehör ; mit dem Vor- 
trag der Gesangstoli: „Die Allmacht" von Franz Schubert, iu- 
strumentirt von Franz Hopffer, uud Recitativ und Arie aus 
„Figaros Hochzeit" soll sich Fr. Bianka Blume, kÖnigl. Hof- 
opernsängerin aus Berlin, mehr Beifall erworben haben, als wenige 
Tage vorher bei ihrem Auftreten auf dem hiesigen Theater als 
Fidelio, Herr Jaell soll seine anerkannte Meisterschaft durch den Vor- 
trag eines Concertes (Fis-moll) von C. Reinecke und dreier Solo- 
stücke: Berceuse von Chopin, Transscription über „Tristan und 
Isolde" von Jaell, und Walzer „As-dur" von Chopin bewährt, die 
eben erwähnte Transscription aber vermöge ihrer geistigen Armuth 
uud ihres gespreizten Wesens artre Bedenken erregt haben. 

Das z w ö 1 fte Abonnetnents-Concert war dem Andenken Moritz 
Hauptmann' s gewidmet. Man erfüllte damit eine Pflicht, indem 
man den schuldigen Tribut der Dankbarkeit den Manen des Meisters 
abstattete, dessen hohe Verdienste um die Kunst weit über Leipzigs 
Mauern hinaus die ganze musikalische gebildete Welt zu schätzen 
und zu ehren weiss. Den ersten Theil des Concertes füllten dem- 
nach Compositlonen Hauptmanns aus: Salve regina für Chor, Ou- 
vertüre zur Oper „Mathilde 11 und drei geistliche Lieder für gemischten 
Chor „Abendlied", „Nimm mir Alles, Gott mein Gott" und „Trauungs- 
lied". Dem Ernste des ersten Theiles entsprach auch der Inhalt 
des zweiten: Sinfonie Nr. 3. (C-moll) von L. S p oh r , „Ave verum" 
von Mozart, „Toccata" von J. S. B a c h , instrumentirt von H.Esser 
und der Chor „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben" aus 
F. Mendelsohn' s „Paulus." 

Was man so gewöhnlich unter Gelegenheitsmusik versteht, ist 
bekannt; eine zweite Species dieser Art von Musik möchten wir 
in allen jenen Productionen eiblicken, die, nicht einem innern 
Schaffensdrange entsprossen, ihr Entstehen entweder einem gewissen 
Nachahmungstriebe oder der Sucht verdanken, der Mode, dem Ge- 
schmack der Zeit, dem, was gerade en vogue ist, zu huldigen. Zu 
diesem Genre dürfen wir wohl „die Najaden", Ouvertüre von William 
Sterndale Bennett rechnen, mit welcher das dreizehnte Abonne- 
ments- Concert am 16. Januar eröffnet wurde. Die Ansicht, dass ihre 
Zeit vorüber ist, schien auch das Publikum zu theilen. Von der 
zweiten Nummer des Concert Programme«, Beethoven* s Violin- 
Concert, wird freilich eine gleiche Ansicht sobald nicht Platz greifen; 
das klingt noch so frisch und so neu, und packt so mächtig, als 
ob es eben erst geschrieben wäre; das ist die wahre Zukunftsmusik. 
Herr Concertmeister Lauterbach aus Dresden spielte es mit all 
der Sauberkeit, mit alle dem Verstäudniss, wie wir es von früher 
her von diesem gediegenen Künstler gewohnt sind. Mit gleicher 
Meistei schaft brachte er noch das Bach'sche Violin-Concert in 
A-moll zu Gehör und erwarb sich durch diesen Vortrag wie durch 
den des Beethoven'schen Concertes den wärmsten Beifall. Wie wir 
in ihm eine alte Bekanntschaft mit Freuden erneuerten, begrüssten 
wir mit noch grösserer eine neue in Frau P eschka-Le utuer, 
grossherzogl. hess. Hofopernsängerin aus Darmstadt. Ihre beiden 
Vorträge, sowohl der einer Scene und Arie von Louis Spohr, wie 
der der ersten Arie der Königin der Nacht aus Mozart's „Zauber- 
nöte", wurden mit den stürmischsten Acclamationeu aufgenommen, 
und mit Recht. Frau Peschka ist eine Gesangskünstlerin, die, was 
Stimme, Schule und Auffassung anlangt, den ersten ihres Faches 
beizugesellen ist. Als die ersten Töne dieser ausgiebigen , vollen, 
jugendlich wohllautenden Stimme erklangeu , da hätte man kaum 
geglaubt, dass sie mit so meisterlicher Sicherheit, Gefügigkeit und 
Eleganz die Schwierigkeiten der nächtlichen Königin bewältigen 
würde. Der Erfolg, den Frau Peschka mit ihren Vorträgen hatte, 
war ein so ungewöhnlich bedeutender, dass dem Vernehmen uach 
die hiesige Theater-Direction grosse Opfer nicht gescheut hat, um 
sie für die hiesige Bühne zu gewinnen; eine Acquisition, zu der 
wir ihr nur Glück wünschen könnten. — Den zweiten Theil dieses 
Concertes füllte R. Schumanns B-dur Sinfonie aus iu einer sehr 
feurigen und correcten Vorführung. 

Das Programm des vierzehnten Abonnements-Concertes 
bietet nicht Veranlassung zu einer weitläufigeren Besprechung. Es 
lautete: Sinfonie (G-dur, Nr. 6 der Breitkopf und HärtePschen Aus-, 
gäbe) von J. Haydn, Scene und Arie aus „Euryanthe* von Weber, 
gesungen von Herrn Jul. Stockhausen, Concert für das Pianoforte 



— 51 - 



von A. He'nselt, vorgetragen von Herrn Heinrich Barth aus 
Potsdam, und im zweiten Theil : Ouvertüre zu „Manfred" von 
B. Schumann, Arie aus „Johann von Paris" vou B o i e 1 d i e u 
und Lieder von Frauz Schubert gesungen von Herrn Stock- 
ii a u s e n und dazwischen Solostücke für Pianoforte, vorgetragen 
von Herrn Barth. Sinfonie uud Ouvertüre wurden in der gewohnten 
Weise ausgeführt, wie wir es vom Gewandhaus-Orchester zu erwarten 
berechtigt sind. Von Herrn Barth können wir nur bestätigen, dass 
*jr ein sehr fertiger, in technischer Hinsicht tüchtig gebildeter Kla- 
vierspieler ist, der namentlich mit den drei Solostückeu: Ballade 
<As-dur) von Chopin, „Danklied nach Sturm" von Henselt und 
_Saltarello a von Alk an gut zu effectuireu wusste. 

Dass Stockbausen durch seine Vorträge, besonders der drei 
Schubert'schen Lieder: „Dithyrambe", „Geheimes" und „Greisenge- 
sang" Enthusiasmus erregte, wird Niemanden, der weiss, wie er 
singt, überraschen. Das zweite derselbe, eine Perle im Schubertschen- 
Liederkranz, saug er geradezu unnachahmlich schön und musste es 
daher auch auf stürmisches Verlangen wiederholen. Die beiden 
Theile des fünfzehnten Abonnements- Concertes am 30. Januar 
wurden jeder durch ein grösseres Werk, ausgefüllt; der erste 
brachte: Erlkönigs Tochter, Ballade für Soli, Chor und Orchester von 
N.W.Gade, der zweite : „ Ver sacrum, oder die Gründung Roms", 
Dichtung von L. Bisch off, componirt für Soli, Chor und Orchester 
von Ferdinand H i 1 1 e r. Die Soli gesungen von Fräulein Bors, 
Frau Hüfner-Harken und Herrn Hill, denen sich für das 
Hiller'sche Werk noch Herr Rebling anschloss. 

Die Ausführung der Gade'schen Composition, die, wenn wir sie 
auch nicht zu seinen bedeutendsten rechnen können, doch vermöge 
-der an Gade bekannten und gerühmten Vorzüge, wie Schönheit des 
Ausdrucks, runde Formen, überhaupt feine Arbeit, einen freundlichen 
wohlthuenden Eindruck zu machen nie verfehlen wird, war eine bis 
-auf einige kleine Versehen sowohl von Seiten der Soli und des 
Chors, wie auch des Orchesters recht wohlgelungene. Nur die Be- 
gleitunghätten wir hie und da etwas discreter gewünscht; sie deckte 
■die Singstimmen. Noch mehr war dieser Missstand bei dem Hiller- 
«chen Werke zu rügen, welches bepanzert und beblecht, wie es 
auftritt, versehen mit allen Requisiten der modernen Schallkunst, 
in seiner Ausführung mehr Rücksichtsnah me auf die begrenzten 
Räumlichkeiten des Concertsaales , zartere Schonung unserer Ge- 
hörnerven verlangt, damit wir nicht die vielen musikalischen Schön- 
heiten, die feinen geistreichen Züge, die treffliche Factur, die den 
Meister auch in diesem Werke erkennen lassen, ob des Lärmens 
überhören. „ Ver sacrum* war für hier eine Novität; wir wünschen 
aufrichtig eine recht baldige Wiederholung des gewiss bedeutenden 
Werkes, um darnach unser Urtheil modiüciren zu können. 

Der Musikverein „Euterpe" gab im Laufe dieses Mouates nur 
ein einziges Concert am 14. Januar. Man begann mit der Ouvertüre 
zum „Freischütz", die obgleich — oder vielleicht, weil es die Frei- 
schütz-Ouvertüre war, namentlich im Anfange nicht recht gehen und 
klappen wollte. Aehnlich erging es der grossen Scene und Arie 
„Nie nahte mir der Schlummer" gesungen vou Frau Jenny Soltans, 
königl. preuss. Hofopernsängerin in Cassel ; doch wusste sich die 
Sängeriu durch ihre, wenn auch nicht grosse uud volle, doch ange- 
nehm sympathisch berührende Stimme viel Beifall zu erwerben. In 
«och reicherem Maasse gelang ihr dies durch den Vortrag zweier 
Lieder: „Sei mir gegrüsst" von Schubert und „Frühlingslied" 
vou Mendelssohn. Als Soloinstrumentalist führte sich Herr Ed. 
R e m e n y i, k. k. Kammervirtuos ans Pest, mit der „Gesangsscene" 
von S p o h r und drei Solostücken für die Violine vor. Herr Re- 
«nenyi ist ein Virtuos, der weniger vom künstlerischen, als vom 
nationalen oder equilibristischen Standpunkt betrachtet sein will. 
Wie durch sein Vaterland geht durch seine Saiten eine tiefe Ver- 
stimmung, wie seine Landsleute an den Beutel der Cisleithaner, so 
stellt er an das Gehör nicht zu rechtfertigende Forderungen , wie 
auf einer Ungarischen Haide um's Feuer herum, so wild geht's mit- 
unter auf seiner Violine zu, auf ihr macht er, wie ein Akrobat auf 
dem Seile, schwindelerregende Kunststückchen und Sprünge, purzelt 
nicht selten herunter, steht aber auch, wie jener, auf, ohne dass es 
ihn weiter gerührt hätte. So kam es denn, dass die von Seiten 
des Herrn Remenyi der Spohr'schen Gesangsscene widerfahrene Be- 
handlung schon m«hr einer Misshandlung glich, die sich Spohr, der 
immer genau zwischen Dur und Moll zu unterscheiden weiss, gewiss 



nie hätte träumen lassen. Die drei Solostücke bestanden in einer 
Hugenotten-Fantasie eigenen Fabricates — ein ebenso unwürdiges, 
wie langweiliges Machwerk — einem Nocturno, (Op. 27, Nr. 2) von 
Chopin und einem Andante mit Variationen vouPaganini. Da 
ging's toll und lnstig zu! Die Kunst hat damit nichts gemein 
und der Rest sei Schweigen! Eine recht gute Wiedergabe der 
Schumann'schen B-dur-Sinfonie, im zweiten Theil, brachte uns wieder 
in eine versöhnlichere Stimmung! 



I a c li r I c h t e n, 



Berlin. Der beliebte Tanzcomponist A. Wallerstein aus 
Dresden ist zu längerem Aufenthalt hier eingetroffen. 

Leipzig. Das Directorium der Gewaudhaus-Concerte hat dem 
Comite zur Errichtung eines Denkmals für Felix Mendelssohn-Bar- 
tholdy am Tage des 125jäbrigen Bestehens der grossen Concertauf- 
führungen 1000 Thlr. nebst den bis zum Bedarfe anlaufenden Zinsen 
zur Verfügung gestellt. 

Paris. Am 6. März ist die von dem berühmten Orgelbauer 
Cavaille-Coll restaurirte und vervollkommnete Orgel in der Kir- 
che zu Notre-Dame übergeben und eingeweiht worden. Die 
Geschichte dieser Orgel ist folgende : Die alte Orgel in Notre-Dame 
wurde unter Ludwig XV. von Thierry-Lesclope, einem der 
geschicktesten Meister seiner Zeit, gebaut. Gegen das Ende des 
vorigen Jahrhunderts hat der berühmte Orgelbauer Clicquot be- 
deutende Reparaturen und Verbesserungen an derselben angebracht. 
Von 1832 bis 1838 führten die HH. Dal er y neuerdings Repara- 
turen an diesem Instrumente aus. Im Jahre 1868 endlich beauftragte 
die Regierung das Haus CavaiI16-Coll mit der Ausbesserung 
und Vervollkommnung dieser grossen Orgel. Nach fünfjähriger Arbeit 
ist nun dieselbe vollständig umgebaut und mit allen Verbesserungen 
der neuern Zeit ausgestattet. 

Die neue Orgel von Notre-Dame ist jetzt eine der bedeutend- 
sten in Europa und sicherlich in Bezug auf harmonische Zusammen- 
stellung die vollkommenste. Sie hat 86 klingende Stimmen mit 110 
Registern , welche sich auf 5 Manuale und ein Pedal vertheilen. 
Sie enthält ferner 22 Verbindungs-Pedale und 6000 Pfeifen, von 
denen die grössteu eine Länge von 32 Fuss haben. Der Umfang 
dieses Instrumentes beträgt ungefähr 10 Octaven, d. b. er schliesst 
die äussersten Gränzen der wahrnehmbaren Töne ein. Die Manuale 
mit Pedal beiluden sich in einem vor der Orgel und von derselben 
getrennt stehenden Kasten. Die Transmission aller Bewegungen 
sowohl der Claviere wie der Register geht mit der grössten Leich- 
tigkeit vor sich mit Hülfe der pneumatischen Maschinen, welche 
der Erbauer schon früher bei der Orgel in St. Sulpice angebracht 
hat. Abgesehen aber von den in der ganzen Mechanik angebrachten 
Verbesserungen, bietet die Orgel von Notre-Dame auch durch ihre 
harmonische Zusammensetzung neue Elemente der Sonorftät dar, 
welche dem Instrumente eine bisher in der Orgelbaukunst ungekannte 
Kraft und Manigfaltigkeit der Klangfarben verleihen und welche bei 
diesem Werke zum ersten Male in Anwendung gebracht wurden. 

Eine grosse Zuhörermenge wohnte der Einweihung bei, bei 
welcher Gelegenheit neun verschiedene Organisten sich nacheinander 
hören Hessen. 

— Der ehemalige Tenorist Duprez, dessen Oper „Jeanne 
d > jirc u bekanntlich durchgefallen ist, hat nun ein Oratorium in drei 
Abtheilungeu , „Das jüngste Gericht," componirt, welches er gegen 
Mitte April zum Besten einer Wohlthätigkeitsanstalt im Cirque de 
Vlmperatrice aufführen und dabei selbst die Recitative singen will. 

London. Joachim und Clara Seh um a n n üben fortwährend 
in den populären Montagsconcerten ihre Anziehungskraft aus. In 
dem letzten Morgenconcerte spielten Beide mit Hrn. Piatti das 
grosse B-dur-Trio op. 97 von Beethoven und Fr. Schumann 
ausserdem die „Ballade" in G-moll, op. 23 von Chopin. Das Con- 
cert begann mit Mozart'« Quartett in C-dur. Im Abendconcerte 
vom 2. März, einem Beethoven- Abe n d, spielte Joachim mit den 
HH. L. Ries, Blagrove, Zerbini und Piatti das C-dur Quin- 
tett, mit Blagrove und Piatti die Trio-Serenade in D dur op. 8 
und mit Fr. Schumann die F-dur-Sonate op. 24. für Ciavier und. 
Violine und Frau Schumann ausserdem die D-moIl-Sonate des 
grossen Meisters. Im Crystallpalast kam am 29. Februar die C-möll- 



- 52 - 



Sinfonie von Schubert, von ihm selbst „tragische Sinfonie" benannt, 
«um ersten Male zur Aufführung. 

Petersburg. Das Privilegium für den Verkauf der Theaterzettel 
wurde für das Jabr 1868 dem Buchdrucker Wolf für die enorme 
Summe von 26,500 Rubel ertheilt. Sein Vorgänger, der Buchdrucker 
Stelowsky, hatte dafür bisher nur 11,000 Rubel jährlichen Facht 

bezahlt. 

%* Die Direction des Theaters in Bordeaux ist dem Hrn. 
Halanzier, früher Director in M a r s e i 1 1 e, mit einer Erhöhung 
der Subvention um 50,000 Frcs. verliehen worden. 

*** J o a ch i m hat im 4. Abonnemeotconcert in A a ch e n wieder 
das Violir.concert von MaxBruch mit grossem Erfolge vorgetragen. 

*** Naudin, der erste Tenorist der grossen Oper in Paris, 
hat vom König von Portugal den Christusorden erhalten. 

%* Das Zöllner-Denkmal wird Ende dieses Monats im 
Rosenthal zu L e i p z i g enthüllt und erhält diese Strasse den Namen 
Zolin erstrasse. 

*** Im Verlag von A. H. Payne in Leipzig erscheint vom 
1. April d. J. an eine illustrirte musikalische Zeitung unter dem 
Titel „Die Tonhalle" unter der Redactiou des bekannten geistreichen 
Musikliteraten Dr. Oscar Paul. Der Prospectus und die bereits 
ausgegebene Probenummer mit dem wohlgetroffenen Porträt des 
greisen M o s ch e 1 e s lassen von dem neuen Unternehmen Günstiges 
erwarten. 

*+* In Weimar ist am 2. März der grossherzogliche Musik* 
direktor Carl Eberwein, 81 Jahre alt, gestorben. Der Verblichene, 
seiner Zeit in mannichfachem Verkehr mit Götbe stehend, hat eine 
Musik zu dessen „Faust" geschrieben und war überhaupt ein ziem- 
lich fruchtbarer Componist. Am meisten bekannt, ja wahrhaft populär 
ist seine Musik zu Holtei's „Leonore" geworden , während seine 
beideu Opern „Graf von Gleichen" und „die Heerschau" der Ver- 
gessenheit längst verfallen sind. 

*** Für die Besetzung der im Berliner Opernorchester durch 
den Tod des Concermeisters Moritz Ganz erledigten Violoncellisten- 
stelle ist Concurrenz ausgeschrieben und es werden die Bewerber um 
diese Stelle eingeladen sich am G. April im Bureau der General-Inten- 
dantur in Berlin zu meldeu , um bei der am 7. resp. 8. April um 
11 Uhr Vormittags stattfindenden Probe spielen zu köuuen. Der 
Gehalt für diese fragliche Stelle ist 700 Thlr. uud kann nach Um- 
ständen erhöht werden. 

*** Auber's „Erster Glückstag" wird mit Recitativen, welche 
der Componist selbst dazu schreibt, in italienischer Uebersetzung 
in London aufgeführt werden. 

%* Das Florentiner Quartett, welches in Wien bereits 
sieben Concerte mit immer wachsender Theilnahme von Seite des Pub- 
likums gegeben hat, soll nach Angabe der Leipziger „Signale" eiuen 
Antrag zum Eintritt in das Orchester des Hofoperutheaters abgelehnt 
haben. 

*** Am 1. April d. J. feiert der Berliner Domebor das 25jäh- 
rige Jubiläum seines Bestehens. Derselbe wird gegenwärtig durch 
die königl. Musikdirectoren v. Hertzberg uud Kotzolt geleitet, 
und umfasst ein Personal von 27 Sängern und 60 — 70 Knaben. Kotzolt 
gehört mit zu denen, welche unter dem Musikdirector Neithardt 
den Domchor gründeten. Die Jubelfeier wird an zwei aufeinander 
folgenden Tagen festlich begangen werden , mit der Aufführung 
einer grösseren Kirchenmusik in dem Dome beginnen und mit einer 
Liedertafel schliessen. Für die Mitglieder des Domchors erhält die 
Feier dadurch noch eine grössere Wichtigkeit, da ihnen die sichere 
Aussicht eröffnet worden, dass sie von diesem Tage an, gleich den 
übrigeu königlichen Beamten, pensionsberechtigt werden sollen. 

***. In Solothurn findet am 12. und 13. Juli das diesjährige 
eidgenössische Sänger fest statt. 

*** Das Conservatorium in W a r s ch a u ist wegen mangelnder 
t Mittel zu dessen Unterhaltung nach kaum sechsjährigem Bestehen 
geschlossen worden. 

*** A. Rubinstein'* ,.Ocean-Sinfonie" ist in Holland 

vollständig populär geworden. Sie ist dieses Jahr in Amsterdam 

nicht weniger als z w ö 1 f ra a 1 aufgeführt worden und kürzlich wurde 

sie an demselben Tage an zwei verschiedenen Orten zu gleicher Zeit 

, executirt. 

*«* Der König von Baieru hat angeordnet, dass die erste Auf- 
Jfihrung von R. Wagner'i neuester Oper „die Meistersinger von 



Nürnberg" am 3. Mai im königl. Hoftheater zu München stattfinden 
soll, und es werden die Proben biefür mit grossem Eifer betrieben. 
Gleichwohl dürfte es noch fraglich sein, ob die enormen Schwierig- 
keiten, welche dieses Werk für Gesang und Orchester enthält, bis 
zu dem genannten Termine überwunden sein werden. Wagner selbst 
befindet sich im Augenblicke wieder in München. 

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pour Piano. 12'/s Ngr. 

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die Ruinen von Athen f. d. Pianoforte. 7'/, Ngr. 
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giaqae pour Piano. 12 l /j Ngr. 

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Cranier, F. In's Herz hinein! Divertissement pour Piano. 

15 Ngr. 

— Styrienne pour Piano. 12 1 /« Ngr. 
Heller, E. Op. 3. Aufwärts. Lied für eine Siugstimme mit 

Begleitung des Pianoforte. 7 ! /s Npr. 

— Op. 4. Stammbuchblätter. Zwei kleine Lieder für eine 
Singstimme mit Begl. des Pianoforte. (In die Ferne, 
Gedicht von Unland. Mädchen mit dem rothen Münd- 
chen, Gedicht von Heine.) 7 1 /* Ngr. 

— Op. 5. Rühret nicht daran ! Gedicht von E. Geibel. 
Lied für Sopran oder Tenor mit Begleitung des Piano- 
forte. 10 Ngr. 

— Op. 6. O GloekengelUute, Gedicht von Jacob Hof- 
stätter. Lied für eine Kingstimme oder weiblichen 
Chor mit Begleitung des Pianoforte. 10 Ngr. 

Krug, B. Op. 196. Rosenknospen. Leichte Tonstücke über 
beliebte Themas ohne Octavenspannungen und mit 
Fingersatzbezeichnung für das Pianoforte. 

N° 28. Wagner, Tannhäuser, Arie „O du mein hol- 
der Abeudstern. 10 Ngr. 
„ 24. Kücken, Ach wenn du wärst mein eigen. 

10 Ngr. 
„ 25. Esser, Mein Enge], „Eine Perle nenn' ich 

mein." 10 Ngr. 
„ 26. Weidt, Wie schon bist du. 10 Ngr. 
„ 27. Preyer, Jedem das Seine „Sprichst du zum 

Vogel." 10 Ngr. 
„ 28. Lortzing, Czar und Zimmermann. Lied 

„Sonst spielt ich mit Scepter. tf 10 Ngr. 
„ 29. Douizetti, Regimentstochter „Heil dir mein 

Vaterland." 10 Ngr. 
„ 30. Verdi , Rigoletto „O , wie so trügerisch 1 * 
10 Ngr. 
Selillliert, !*• Ausgewählte Lieder und Gesänge für eine Sing- 
stimme mit Begleitung des Pianoforte. Mit deutschem 
und französischem Text. 

Op. 1. Erlkönig. Le Roi des Aunes. 6 Ngr. 
Op. 2. Gretchen am Spinnrade. Marguerite. 5 Ngr. 
Selllllz-WelflA, Jo*. Op. 137. Vater Noah. Heiteres Ge- 
dicht von Dr. Joh. Fastenrath, für vier Männerstim- 
men. Part, von Stimmen 17 Vi Ngr. 
Weber, C« HI* V« Ouvertüre Preciosa für das 

Pianoforte zu vier Händen. 

— Jubel-Ouvertüre do. 

— Ouvertüre Freischütz do. -' k 10 Ngr * 

— Ouvertüre Oberon do. 

— Ouvertüre Euryanthe do. 

I Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



17. Jahrgang. 



i\°J Md. 



6. April 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
amtern, Musik- & Buchhand- 
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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



ifl. 2. 42 kr. od.Th.l. 18 Sg. 
- für den Jahrgang. 
Durch die Post bezogen: 
50 kr. od.J15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: K. Wagners „Meistersinger von Nürnberg." — Corresp. : Stattgart. Cöln. Leipzig. — Nachrichten. 



R. Wagners „Meistersinger von Nürnberg." 



(Schluss.) 
Wir sagten, die „Meistersinger" riefen vor Allem den Eindruck 
der Frische und Liebenswürdigkeit hervor. Die Fabel ist einfach, 
aber mit ausserordentlicher Kunst der Entwicklung, der Steigerung 
in Scene gesetzt. „Meister Pogner", der Goldschmied, ein eifriger 
Meistersinger, hat dem Genossen der Zunft, der im Sänge obsiegen 
wird, sein schönes Kind „Eva" verheissen. Die Jungfrau liebt 
Walther von Stolzing, einen jungen fränkischen Edlen, welcher 
Dichter, aber kein Meistersinger im Sinne der Gilde ist. Und so 
trifft er bei dem Probesingen in der edlen Genossenschaft keine der 
künstlich hervorgebrachten „Weisen , seine neue aus tiefstem Herzen 
kommende Weise aber wollen die Meister, trotz „Hans Sachsens" 
Eintreten für dieselbe, nicht gelten lassen. So hat Dichter Walther 
„versungen und verthan", und während sowohl „Eva" als auch ihr 
Vater seine Werbung begünstigten, fühlt sich der Letzere an sein 
Wort gebunden, und „Stadtschreiber Beckmesser", der rechte, dürre, 
regelrechtige Meisterzünftler , hofft die schöne „Eva" zu erdichten. 
Das Gegeneinanderwirken der verschiedenen Interessen, „Hans Sach- 
sens" wohlwollendes Eingreifen und die Charaktere der Meister- 
singer, die Stimmung des Ganzen sind mit reizenden Zügen geschil- 
dert. Keck, lebendig, bunt lustig, von übermüthigem Humor zeigen 
sich die Scenen des zweiten Actes, besonders der scherzhafte Zwist 
und Aufruhr am Schlüsse desselben, während dessen sich schon 
errathen lässt, wie „Hans Sachs" dem Geschicke des Liebespaares 
die erwünschte Wendung zu geben gedenkt. Geradezu köstlich ist 
die Anlage des Schlusses. „Beckmesser", vom Schrecken des Strassen- 
streites unfähig zu „dichten", bemächtigt sich in „Sachsens" Woh- 
nung eines Minneliedes, das „Walther von Stolzing" auf die Veran- 
lassung des poetischen Schusters gedichtet hatte, entreisst „Sachs" 
das Versprechen, sich nie als Verfasser des Liedes zu nennen, was 
der Wackere leicht geben kann, und eilt im Vorgefühle des Sieges 
davon. Als es nun aber auf der Wiese vor Nürnberg beim rau- 
schenden, fröhlichen Volksfeste zum Sangeswettkampf kommt, da 
heisst die Volksmasse wohl noch den Bewerber willkommen: 

Still doch, 's ist gar ein tüchtiger Meister ! 

Stadtschreiber ist er — Beckmesser heisst er! 
aber mit seinem Liede fällt er bei den Meistersingern, wie bei dem 
Volke kläglich durch, indem er die Dichtung nicht verstanden, ihre 
Weise nicht begriffen hat und blühenden Unsinn zu Gehör bringt. 
Wüthend stürzt er ab, — denuncirt „Sachs" als Dichter des ver- 
lachten Liedes, und dieser hat nun Gelegenheit, „Walther von 
Stolzing" zum neuen Wettkampf zu rufen, in dem dessen begeisterter 
Sang die Massen des Volkes, die widerstrebenden Meistersinger ge- 
winnt, die schöne „Eva" als Preis davon trägt. Als aber „Walther 
Stelziog" die nun angebotene Aufnahme in die Zunft im Gefühle 
der vorangegangenen Kränkung zurückweisen will, weiss ihn „Sachs" 
mit schlichtem Herzensworte zu gewinnen, und so endet das Ganze 
mit innerster Versöhnung, vollkommen harmonisch : 



Zerging in Dunst 
Das heilige römische Reich, 
Uns bliebe gleich 
Die heilige deutsche Kunst! 

Diese wenigen andeutenden Worte sind dürftig genug, dem 
Reichthume der Operndichtung gegenüber. Aber weder die Hand- 
lung, noch die unendlich gewinnende Ausführung der Einzelheiten 
lassen sich erzählen, man muss das Ganze in seinem köstlichen acht 
deutschen Humor kennen lernen. Die schlichteste Allgemeinver- 
ständlichkeit vereinigt sich hier mit den herrlichen und wahrhaft 
poetischen Grundgedanken, und wenn je eine Oper im Stoffe die 
Fähigkeit hatte, populär im besten Sinne des Wortes zu werden, 
so fehlt dieselbe den „Meistersingern von Nürnberg" nicht. 

Zweimal hat es uns beim Lesen der schönen Dichtung an- 
muthen wollen, als ob gewisse Scenen derselben zu breit augelegt 
und ausgeführt wären. Dies scheint der Fall bei den Einleitungen 
zum Probesang „Walther von Stolzing's", wo das culturhistorische 
Bild mit unendlichen Einzelnzügen vervollständigt wird, und beim 
Beginne des dritten Actes, in den Scenen zwischen „Eva", „Hans 
Sachs" und „Walther." Wir sagen scheint, weil wir uns gar wohl 
erinnern , dass seiner Zeit gegen gewisse Stellen und Scenen des 
„Lohengrin" ähnliche Bedenken obwalteten, welche dann vor der 
Composition verschwanden. Wir können uns also in einem Irr- 
thume befinden, welcher durch die Bühnenaufführung widerlegt wird. 
Die Gipfelpunkte der Oper werden aber wohl auf alle Fälle der 
Schluss des zweiten und der Schluss des letzten Actes bleiben, in 
denen volles Leben, treueste Sittenschilderung in lebendigen Scenen, 
die frischeste Empfindung und ergreifendste dramatische Steigerung, 
nach der humoristischen wie nach der ernsten Seite hin , Hand in 
Hand gehen. — Hier bethätigt Wagner die vollste Gewalt seines 
dichterischen Talents, und für Niemand, der gesunde Empfindung 
bat, kann Werth und künftiger Erfolg des Werkes zweifelhaft bleiben. 

CORBESPONDENZEN, 



Aus Stuttgart. 

T. Stuttgart, im März. Am 8. d. gab Frl. Irma Steinacker 
aus Weimar, eine mehrjährige Schülerin unseres Conservatoriums r 
ihr Abschieds-Concert im Museum, das sehr zahlreich besucht war. 
Sie machte ihren Lehrern , den Proff. P r u ck n e r und Lebert, 
alle Ehre, und wird in der Kunstwelt neben einer Mehlig und. 
Marstrand zu den berufensten Vertreterinnen der hiesigen Me- 
thode gezählt werden. Sie spielte zwei Fantasiestücke von S ch u- 
m a n n, Präludium und Fuge in E-moll von Mendelssohn, zwei 
von Liszt für die Lebert-Stark'sche Clavierscbule geschriebene) 
Concertetuden, und mit den HH. Singer und Krumbholz da» 
grosse Es-dur-Trio von Beethoven. Alles gelang nach Wunsch 
und wurde mit allgemeinem Beifall belohnt. Hr. Krumbholz 
spielte noch „Litanei" von Fr. 8 ch u b e r t und Romance von G ol- 



54 - 



ttrmaoD; Hr. F o h m an n fährte L. S t ar k's neue Nocturne für 
Hörn ror, betitelt „Jägers Ständchen, "welche vielfach da Capo ge- 
wünscht wurde, Frl. Bär mann sang ein Lied von ihrem Vater 
C. Bärmann und „Widmung* von Schubert, endlich Hr. 
Walleureiter zwei Lieder von E ck e r t , „Die Sterne" (mit 
oblig. Cello) von Frau Viardot-Garcia, und eine sehr interessante 
Composition: „Gedenk' ich Dein Mir Stunde von E. A. Tod. 

Am 17. d. fand unter D o p p 1 e r's Leitung das 8. Abonnements- 
concert statt, welches die Athaliaouvertüre und Beethovens F-dur- 
Sinfonie brachte, und zwar in sorgfältiger Ausführung; zumal die 
subtilen Tongewebe des Beethoven'schen Werkes, dieser zweiten 
Fastoralsinfonie, welche die erste und eigentliche nur noch durch 
derberen Humor übertrifft — einer unserer Lokalcorrespondenten 
zählt sie zu den „schwächeren Werken des Meisters" — kamen 
aufs Beste zur Geltung. Ausserdem war Beethoven noch vertreten 
durch eine von Frau M a r 1 o w mit Aufwand aller ihrer noch immer 
vorzüglichen Kräfte gesungenen Arie aus „Christus am Oelberg," 
deren Chorsatz gar lebhaft an die „Schöpfung" erinnert, und durch 
das wenig gehörte Tripelconcert von Beethoven, dessen Soloparthien 
durch die HH. Singer, Krumbholz, und S p e i d e 1 zwar meis- 
terhaft vertreten waren, die jedoch in dem weiten Baume des Königs- 
haus zu ihrer eigentlichen Wirkung um so weniger gelangten , als 
eich zumal die beiden Streichinstrumente grösstentheils nur in ex- 
tremen Lagen bewegen, und so neben der Orchestermasse, welche 
den musikalischen Kern des Ganzen festhält, mehr nur die Rolle 
eines ausschmückenden Beiwerkes spielen. Doch wurde das interes- 
sante Werk, besonders der rhythmisch so scharf gezeichnete Final- 
satz, mit ungetheiltem Beifall aufgenommen , ebenso das bekannte 
Bach-Gounod'sche Ave Maria, dessen Soli Frau M a r 1 o w , dann 
die HH. Singer und Krüger aufs brillanteste ausführten, end- 
lich eine Fantasie von Alvars über „Moses, worin sich Hr. G. 
Krüger abermals als einer der ersten Harfenkünstler der Gegen- 
wart bewährte. 

Die 6. Soiree für Kammermusik begann mit einem harmlosen 
H ay d n'schen Trio in As, von den HH. Pruckner, Singer und 
Krumbholz mit Beifall vorgetragen. Darauf spielten die beiden 
Letzteren mit den HH. Wien und S e i f r i z das Beethove n'sche 
G*dur-Quartett, das in jedem Satze zündende Wirkung machte, und 
später ein Quartett in G-moll von Naumann, womit die wackeren 
Künstler eine etwas undankbare Arbeit übernommen hatten. Das 
nicht ohne contrapunctische Geschicklichkeit und künstlerische Ten- 
denz gearbeitete Werk leidet, wie so viele Producte der Gegenwart, 
an der schlimmen Schwäche, dass dem Hörer durch allzuviele Syn- 
kopen und rhythmische Rückungen in jedem Satze gleich von An- 
fang das Gefühl der herrschenden Tactart abhanden kommt, dadurch 
die Auffassung erschwert und das Interesse verleidet wird, so dass 
ihm bald der Verlauf des Ganzen höchst gleichgültig dünkt; mein 
Nachbar meinte , es sei ihm bei dem Ding, als weile er allein auf 
weiter Flur und wäre ihm plötzlich die Uhr stehen geblieben, und 
wüsste er nun den ganzen Tag nimmer, wie er an der Zeit sei. Eine 
herzerfreuende Gabe zwischen beiden Quartetten waren S ch u m a n n's 
unübertreffliche Variationen für zwei Pianos, von den HH. Pruck- 
ner und S p e i d e 1 mit genauester Uebereinstimmung und dabei 
wohlthuendster Freiheit vorgetragen ; das war als ob Einer mit vier 
Händen auf beiden Flügeln spielte ; indessen wurde der Ton des 
zweiten Flügels etwas durch den geöffneten Deckel des ersten ver- 
hüllt, den man besser abgeschraubt hätte; doch ist es auch wieder 
gut, wenn beide Instrumente nicht die ganz gleiche Klangfarbe haben. 

Die heuer zum Geburtsfeste des Königs gegebene Oper: „Roth- 
käppchen" von B o i 1 d i e u findet beim Publikum keinen Anklang, 
trotz der sorgfältigen Einstudirung, trotz der musterhaften Leistungen 
der Mitwirkenden und trotz, aber besser wegen der glänzenden Aus- 
stattung. Zu den dahier aufgebotenen Effecten der modernen De- 
corationskunst und Maschinerie erwartet der Laie auch jene Instru- 
mentalfarben, welche er in anderen Opern daneben zu hören gewohnt 
ist: das hohe Geschwirr getheilter Geigen, die feuchte dämonische 
Schwüle der tiefen Clarinetten, das wilde Jauchzen der kleinen Flöte, 
die wuchtigen Würfe der schweren Blechmasse. All das findet sich, 
und zwar in seinem plumpen Extrem, höchstens in der eingelegten 
Balletmusik, welche der Lenker unseres Tanzkörpers nicht etwa, 
wie es künstlerisch geboten war, aus andern Opern von Boildieu 
oder gleichzeitig französischen Meistern, sondern aus jenen lärmenden 



Producten moderner Routiniers gewählt hatte , wo die ernsten Po* 
saunen zu nachschlagenden Begleitungen frecher Pistonmelodien 
missbraucht werden. Davon wird nun der schlichte, durchsichtige 
Satz Boildieus vollends übertäubt ; dass übrigens schon eine unver- 
hältnissmässig glänzende Ausstattung allein hinreicht, eine beschei- 
dene Musik unwirksam zu machen, zeigte sich bereits bei L o r tz i n g's 
„Undine," welche sich allenthalben zur „Decorationsoper" hergeben 
musste und richtig allenthalben wohl das Auge, nicht aber das nach 
entsprechenden Klangwirkungen lauschende Ohr befriedigte. 

In der siebenten Soiree für Kammermusik unternahm es 
Hr. W. Speidel, die boshaften Schwierigkeiten in Schub ert's 
Wanderer- Fantasie (Op. 15), zu bewältigen, was ihm aufs Beste ge- 
lang; lebhafter Applaus lohnte ihn dafür, ebenso für die kleinere 
Sonate in A-dur von Beethoven, welche er mit Hrn. Singer 
ganz tadellos vortrug. Letzterer überraschte mit einem eigenen Werk, 
einer sehr melodiereichen und interessant harmonisirten Nocturne, 
dann mit zwei höchst anmuthigen und brillanten Novitäten von 
Damrosch und Aline Hundt, endlich noch, um eine zufällig ent- 
standene Pause auszufüllen, mit der schönen G-dur-Barcarole von 
S p o h r, wofür ihn die Hörerschaft mit den wärmsten Dankeszeichen 
überschüttete. Ein am Schlüsse von den Genannten im Verein mit 
den HH. Wien und Cabisius vorgeführtes Ciavierquartett von 
Gernsheim erwarb sich nur getheilte Anerkennung, obschon in 
demselbeu ein frischer Zug herrscht und Alles in gewählter, von 
feinem Geschmacke zeugender Form auftritt. 



i^»»»i 



Aus €5)n. 

2t. März 1868. 

Eine vorurteilslose Kritik darf sich nicht ausschliesslich mit 
den hiesigen Abonnements-Concerten und Quartett-Soireen beschäf- 
tigen, sondern ist verpflichtet, um nicht einseitig zu erscheinen, ihr 
Augenmerk auch auf andere Kunstbestrebungen zu richten, welche 
in Folge ihrer Kunstleistungen einer näheren Besprechung werth sind. 
Sie wollen mir daher erlauben, wenn ich mich heute mit den Leist- 
ungen zweier Musikchöre beschäftige, welche meiner Ansicht nach 
vollständig berechtigt sind, in den Kreis der öffentlichen Besprechung 
gezogen zu werden. 

Die hiesigen Militair-Capellen des koeigl. 33. und 65. Inf. Re- 
giments, denen sich seit kurzem noch das Corps des 74. Inf. Regi- 
ments anreiht, haben seit vielen Jahren ihre Mitglieder neben der 
Cultivirung von Blasinstrumenten auch in der Handhabung der Streich- 
instrumente auszubilden und immer mehr zu vervollkommnen ge- 
sucht, so dass gegenwärtig jedes dieser Chöre ein vollständiges, 
gutbesetztes grosses Orchester bildet, welches im Interesse des Pub- 
likums und im Dienste der Kunst jedwede practische Verwendung 
zulässt. 

Die beharrlichen Bemühungen der beiden, als tüchtige Musiker 
anerkannten Capellmeister H. Lauderbach und R. Zerbe sind 
von den schönsten Erfolgen begleitet gewesen. Die Aufführungen 
dieser Corps reihen sich den rühmlichen Leistungen der früheren 
S t r a u s s 'sehen und Man n'schen Capelle würdig an und ihre 
seit mehreren Jahren veranstalteten Abonnements-Concerte sind hier- 
selbst sehr beliebt. 

Lauderbach gibt Sonntags und Donnerstags seine Concerte in 
dem Saale des Hrn. Metz im Dom-HÖtel und Mittwochs im Glaspa- 
laste der Flora. — Zerbe hat seine Tribüne in dem schönen Saale 
des Gertrudenhofes bei Hrn. Gebrüder Mosler aufgeschlagen und 
concertirt Mittwochs und Freitags daselbst so wie des Sonntags in 
dem Gartensaale des Hotels Bellevue zu Deutz. Die Mittwocbs- 
concerte desselben sind in soweit von den Freitagsconcerten ver- 
schieden, als die ersteren Familien-, letztere Sinfonie- Concerte 
benannt sind. In den Mittwochsversammlungen kommen vorwiegend 
Ouvertüren, Märsche, Tänze, Potpourri's etc., in den letzteren vor- 
züglich Ouvertüren, Solo-Vorträge, Sinfouien aus dem Bereiche rein 
classischer Musik zur Aufführung. Beide Capellen leisten Vorzüg- 
liches und haben die Musikaufführungen der B i 1 s e'schen Capelle, 
welche auf ihrer Rückreise von Paris auch hier mehremale aufge- 
treten, einen unverkennbaren günstigen Einflnss auf die hiesigen 
Chöre ausgeübt, indem die Mitglieder mit ihren Dirigenten ernstlich 
bemüht sind, diesem trefflichen Vorbilde nachzustreben, und das 



- 55 — 



▼olle, runde, exacte Ensemble, die feinen Schattirangen and das fast 
unübertreffliche Pianisaimo des Bilse'schen Chores, wie in den Lnm- 
bie'schen and Schumann'scheu Träumereien für Streichinstramente, 
in möglichst annähernder Vollkommenheit wieder zu geben. 

Die Programme sind stets unter Berücksichtigung des Zweckes 
mit vielem Geschick und Sachkenntniss aufgestellt, und tragen in 
ihrem rolksthümlichen Character dem Geschmacks des Publikums 
▼olle Rechnung ohne dabei zu ermüden und den classischen Boden 
der heiligen Musica zu vernachlässigen. 

Beide Concerte erfreuen sich, besonders aber die Sinfonie- 
Concerte, einer lebhaften Betheiligung des Publikums, und tragen 
diese Aufführungen namentlich in den Classen der Bevölkerung! 
welche nicht immer Gelegenheit haben den grössern musikalischen 
Aufführungen beizuwohnen, wesentlich dazu bei, den Geschmack zu 
bilden und zu verfeinen und den Sinn für gute Musik durch alle 
Schichten des Publikums weiter zu verbreiten. 



Aus Leipzig. 

Im März 1868. 

Wie viel oder wie lange der Mensch Musik ertragen resp. ge- 
niessen kann , das konnte Jeder der das sechszehnte Abonne- 
ment-Concert Besuchenden an sich erproben. Die so oft jetzt zu 
hörenden Klagen über Nervenschwäche schienen sich zu bestätigen ; 
denn nachdem der erste Theil des Concertes über sieben Viertel- 
stunden gedauert hatte, wollte es selbst der den zweiten Theil füllenden 
Sinfonie eroica nicht gelingen, das Häuflein der Getreuen in An- 
dacht zusammen zu halten. Und welchem anderen Werke, wenn 
diesem nicht? selbst wenn die Ausführung durch einige Schwankungen 
namentlich im Scherzo und einige Unebenheiten in der Vortrags- 
weise der Blasinstrumente getrübt wird. Besser erging's in letzter 
Beziehung der das Concert eröffnenden Ouvertüre zu „Athalia" von 
Mendelssohn. Dieser zunächst erfreuten und erwarben sich 
reichen Beifall Herr Bondgen und Concertmeister David durch 
den Vortrag der Sinfonie concertante für Violine und Viola von 
Mozart. Wenn auch nicht zu den bedeutendsten, inhaltscbwersten 
Werken des unsterblichen Meisters, gehört sie doch sicher zu den 
anmuthigeren, deren Anhören uns stets mit einem gewissen künst- 
lerischen Behagen erfüllt. Wenn aber, nach unserm bescheidenen 
Dafürhalten und mit aller Ehrfurcht vor dem Schöpfer sei es aus- 
gesprochen, der Inhalt nicht in der rechten Harmonie mit der Länge 
des Werkes steht, so möchte ss gerathen erscheinen, letztere nicht 
noch durch Einlage ziemlich umfangreicher und der Einfachheit und 
dem Character des Werkes nicht recht entsprechender Cadenzen 
auszudehnen, auch wenn dieselben so virtuos, wie in vorliegendem 
Falle ausgeführt werden. Einen weit befriedigenderen Eindruck, 
der sich auch in den lebhaftesten Acclamationen und wiederholtem 
Hervorruf kund gab, machte in dieser Beziehung die einfache und 
würdige dabei geistig belebte Weise, in welcher Herr Eöntgen eine 
Sonate für Violine und bezifferten Bass von Händel, mit Piano - 
forte-Begleitung bearbeitet von F. D a v i d, vortrug. Die dazwischen 
liegenden Gesangsnummern: Arie aus „Ezio" von Händel und 
Lieder von Schubert — „Ihr Bild," „der Doppelgänger" und das 
„Fischermädchen" — wurden von Hrn. Wallenreite r, königlich 
würtembergischer Hofopernsänger aus Stuttgart, in einer in mancher 
Beziehung recht anerkennenswerthen Weise ausgeführt. Hr. Wallen- 
reiter ist im Besitz einer weichen, wohllautenden, ziemlich ausgiebigen 
Bassstimme, der man, wenn auch in den Registern noch nicht voll- 
ständig ausgeglichen, fleissige Studien anmerkt, die er auch in sei- 
ner Macht hat und glücklich zu gebrauchen weiss. Sein Vorbild 
ist offenbar Stockhansen ; so sehr man sich damit einverstanden er- 
klären muss, so wäre doch zu wünschen, dass er auch, wie dieser, 
es verstände, seine Vorträge mit künstlerischem Feuer, mit warmer 
Empfindung von innen heraus zu beleben. Die Copie des blobs 
Aeusserlichen wird monoton und wirkt ermüdend. 

Zu einer wahren Festfeier in des Wortes bester Bedeutung ge- 
staltete sich der Abend des 13. Februar, des siebzehnten 
Abonnement - Concertes ; Franz Lachner war von München ge- 
kommen, seine neueste, vierte, Suite persönlich einzuführen. Um 
dieser einen glänzenden Erfolg zu verschaffen, hätte es allerdings des 
persönlichen Erscheinens des Meisters nicht bedurft; ihr ist der Stem- 
pel der Meisterlichkeit in einem so hohen Grade aufgedrückt, sie 



durchweht eine Geistesfrische, ein warmes Leben ; bei der sinnreich* 
sten Verwendung aller technischen Mittel und contrapanctistischer 
Gestaltungen tritt uns das Ganze so klar und stylvoll entgegen, in 
so anmuthigen and wohllautenden Klangfarben, fern von aller grellen 
Effecthascherei , dass überall da, wo sich noch ein gesunder Sinn 
für das wahrhaft Schöne in der Kunst erhalten hat, das Werk die- 
selbe enthusiastische Aufnahme finden muss, wie sie ihm hier zu 
Theil ward. Fünf Sätze sind es — Ouvertüre, Andantino, Scherzo 
pastorale, Andante und Gigue — die sich, in geistigem Zusammen- 
hange stehend, an einander reihen. DenWertb der einzelnen gegen 
einander abzuwägen, dazu bedarf es mehr, als ein einmaliges An- 
hören ; so schien auch das Publikum zu urtheilen oder vielmehr 
empfinden , denn jedem derselben folgte der gleiche begeisterte 
Applaus. Und wahrhaftig, wir wüssten unter den sämmtlichen jetzt 
lebenden Instrumentalcomponisten Keinen, der's besser machte, als 
Franz Lachner. Ob Einer, der's ihm gleich thut, das müsste sich 
erst noch erproben. Das wissen wir aber gewiss, dass dieser sich 
nicht in der Reihe derjenigen findet, die es dahin gebracht haben, 
dass Franz Lachner der Stadt den Rücken wendet, in welcher er 
die Kunst mit heiligem Eifer und voller Manneskraft gepflegt, deren 
musikalischen Sinn er in edelster Weise geweckt und gehoben hat, 
deren Zierde und Stolz er durch mehrere Decennien war. Wir 
wollen darum auch nicht in Abrede stellen, dass mindestens in dem 
rauschenden Bewillkommnissgruss , den der Meister, als er an das 
mit einem Lorbeerkranze geschmückte Dirigentenpult trat, von Seiten 
des Publikums wie des Orchesters empfing, eine gewisse Demon- 
stration lag; man wollte ihn für widerfahrene Unbill entschädigen, 
man wollte zeigen, dass der Gewandhaussaal noch eine Stätte ist, 
wo man das wahrhaft Gute, das echte künstlerische Streben zu 
schätzen und zu ehren weiss. Von diesem Gefühle war vor allem 
das Orchester durchdrungen, welches mit vollster Hingabe unter der 
feurigen, geistig belebenden Leitung des Componisten den Inten- 
tionen desselben nachzukommen suchte und dadurch eine Leistung 
gab, die wir unbedingt mit an die Spitze alles in diesem Winter 
Gebotenen stellen möchten. Das Orchester ehrte sich in dem treff- 
lichen Meister, als es am Schluss bei dem wiederholten Hervorrufen 
mit einem Tusch einfiel. — Nur einem Künstler wie Ferdinand 
Laub, konnte es gelingen , nach solchen Erfolgen das Interesse 
auch für den zweiten Theil des Concertes wach zu halten. Die 
zündende Wirkung, die er durch sein vollendetes Spiel auf das Pub- 
likum ausübte, darf er um so höher anschlagen, als das Concert 
(Nr. 5, A-moll) von M o 1 i q u e eben nicht darnach angethan ist, 
eine solche hervorzurufen. Viel mehr geeignet, die Virtuosität in 
vollstem Glänze zu zeigen, erwiesen sich die drei Solostücke für 
die Violine eigener Composition: Romanze, Ballade und Polonaise, 
nach deren Vortrage stürmischer Beifall und wiederholter Hervor- 
ruf Herrn Laub zu Theil wurden. Und damit war ja ihr Zweck 
erreicht! — Zwischen diesen Vorträgen sang Frau Jauner-Krall, 
königl. Hofsängerin aus Dresden, die Arie der Zerline: ,,Wenn 
Du fein fromm bist" aus Mozart's ,,Don Juan." Die grosse Be- 
liebtheit, deren sich die Sängerin von früherem Auftreten erfreut, 
Hess wohl darüber wegsehen, dass dieselbe geleitet von dem Drange 
recht natürlich oder auch recht pikant erscheinen zu wollen sich 
verleiten liess, die Gränzen der Wahrheit und der Schönheit zuweilen 
zu überschreiten. Denselben Vorwurf können wir auch ihrem Vor- 
trage der drei Lieder: „Ich grolle nicht" von R. Schumann, 
„der Nussbaum" von demselben und „Unbefangenheit" von C. M. 
v. Weber nicht ersparen. Abgesehen davon schätzen wir in Frau 
Jauner eine Künstlerin, die so viele sangliche wie geistige Vorzüge 
mitbringt, dass wir den ihr gespendeten reichen Beifall, der sogar 
eine Wiederholung des letzten Liedes zur Folge hatte, als vollkom- 
men verdient bezeichnen müssen. 

Wenn wir auf Besprechung des achtzehnten Abonnements« 
Concertes weniger ausführlich eingehen, so glauben wir damit nur 
im Interesse der meisten dabei Betheiligten zu handeln; es rangirte 
nicht zu den glanzvollen. Eine, bis auf ein Versehen, ganz leid- 
liche, durch Nichts aber hervorstechende, Wiedergabe der M e n d e 1 s 
sohn'schen Sinfonie in A-dur leitete dasselbe ein. Dieser folgte 
Scene und Arie mit obligatem Pianoforte von Mozart, vorgetragen 
von Frl. Madeleine Reiter aus Basel und Herrn von Inten aas 
Leipzig. Eine so anerkennenswerthe Leistung Letzterer auch 
bot, so litt sie doch zu sehr unter dem Vortrag der Sängerin, am 



— 56 - 



vur gehörigen Würdigung zu gelangen. Frl. Heiter, eine Schülerin 
der Frau Viardot-Garcia, ist nach jeder Seite hin noch zu sehr 
Anfängerin und verfügt über ein zu unbedeutendes Material, als 
dass sie es hätte wagen sollen, vor dem Publikum des Gewandhaus» 
saales aufzutreten. Die am Schiasse versuchten Beifallszeichen 
wären daher der Opposition wegen besser unterblieben. Dafür er- 
griff das Publikum um so eifriger die Gelegenheit zum Applaus 
nach dem Vortrag des Herrn Emil He gar, Mitglied des Orches- 
ters. Er spielte mit schönem vollen Ton und warmer Empfin- 
dung das Violoncell-Concert (Nr. 1, A-moll) von Goltermann 
und wus8te für seine Leistung das lebhafteste Interesse zu erwecken. 
Sehen wir von einer nicht immer unfehlbaren Intonation ab, ist 
seine Technik als eine höchst respectable zu bezeichnen. Den 
zweiten Theil des Concertes füllte die Bee thoven'sche Musik zu 
„Egmont" aus. Frl. Lemke, herzogl. sächs. Hofschauspielerin aus 
Meiningen, die das verbindende Gedicht von Mos eng eil sprach, 
verstand es nicht recht, die Langweiligkeit und Plattheit desselben 
weniger fühlbar zu machen. Frl. Reiter reussirte mit dem Vortrag 
der Lieder etwas besser, als mit jenem der Arie. Aach hier blieb 
von Seiten des Orchesters der Genuss nicht ganz ungetrübt. 

(Schluss folgt.) 



lachrichten, 



MaiDX. Mainzer Liedertafel und Damen-Gesangver- 
ein gaben am 27. März ein Coneert zum Besten der Armen, in 
welchem das Oratorium „Messias" von G. F. Händel unter Mit- 
wirkung der Frls. Elise Leiblein aus Würzburg (Sopran), M. B. 
aus Mainz, Mitglied des Damen-Gesangvereins (Alt), der HH. August 
Ruff aus Mainz (Tenor) und Theaterdirector Behr sowie des 
Theaterorchesters unter der Leitung des Vereinsdirigenten Herrn 
Friedrich Lux zur Aufführung kam. Ueber das aufgeführte Werk 
selbst etwas zu sagen, dürfte wohl überflüssig erscheinen und wir 
haben daher nur zu coastatiren, dass die Aufführung eine im Ganzen 
und den gegebenen Verhältnissen nach wohlgelungene war, denn ob- 
wohl das früher schon beklagte Missverhältniss zwischen dem zu 
schwachen Damenchor und den zu sehr dominirenden Männerstimmen 
sich leider noch nicht gebessert hat, so wurden doch die meisten 
der prachtvollen Chöre mit Präcision , Feuer und Schwung ausge- 
führt und fanden demnach entsprechenden Beifall. Was die Soli 
betrifft, so leisteten Sopran und Tenor höchst Lobenswerthes und 
auch die Basspartie hatte einen sehr respectablen Vertreter in Herrn 
Behr gefunden. Die Trägerin der Altpartie kämpfte leider mit einem 
nicht unbedeutenden Unwohlsein, wodurch sie verhindert war, ihre 
hübschen wenn auch nicht kräftigen Stimmmittel zur Geltung zu 
bringen ; doch wurde auch ihr von dem den Solisten gespendeten 
reichlichen Beifall der ihrem Streben und guten Willen gebührende 
Antheil. Das Orchester hielt sich recht wacker und es bleibt uns 
jetzt nur zu wünschen, dass uns die nächsten Concerte der beiden 
Vereine auch Einiges von den vielen interessanten Neuigkeiten im 
Fache des Männer- und gemischten Chors bringen möchten, was 
gewiss von dem betreffenden Publikum dankbar aufgenommen würde. 

E. F. 

München. Zur Inscenirung der „Meistersinger" von R. W a g n e r 
wurde der Hr. Dr. Hallwachs, Opernregisseur in Stuttgart, hieher 
berufen und hat bereits seine Thätigkeit begonnen. — Von der 
Aufführung des Requiems von B. Scholz, welches, wie bereits mit- 
getheilt wurde, bei den Exequien für König Ludwig I. zum ersten 
Male dahier gehört und von allen Musikverständigen als ein sehr 
gediegenes Werk anerkannt wurde , fand wenige Tage später , zur 
Gedächtnissfeier für den König Maximilian, in der Hofkirche zu 
St. Cajetan eine Wiederholung, in gleich vorzüglicher Weise wie 
bei der ersten Aufführung, unter der Leitung des Hofcapellmeisters 
Franz Wüllner statt. 

WOrzburg. Meyerbeer' s „Afrikanerin' 1 ist am 12. März dahier 
in recht befriedigender Weise in Scene gegangen und bereits vier- 
mal wiederholt worden. 

Leipiig. Der Tenorist Hacker vom Hoftheater zu Dessau 
und die Coloratursängerin Frl. Weyringer vom Stadttheater zu 
Rotterdam sind für das hiesige Stadttheater engagirt worden. 



Wien. Das erste der diesjährigen historischen Concerte des 
Hrn. L. A. Zellner fand, der Ankündigung gemäss am 19. März 
im Musikvereinssaale statt und das Programm desselben war ein 
höchst interessantes und seltenartiges, indem der Concertgeber be- 
absichtigte, das Meistersingerthum in seiner geschichtlichen Entwick- 
lung darzustellen. Die erste Abtheilung enthielt die V o r s t u f e n r 
nämlich das Volkslied vom 11. bis zum 15. Jahrhundert, Töne 
der Minnesinger und Töne der fahrenden Meiste r- 
sänger. In der zweiten Abtheilung wurde das zun fti ge Meister- 
singerthum dargestellt : lyrisch durch die gekrönten Meister- 
töne und gemeinsamen Lieder, dramatisch durch ein Fastnachtsspiel 
von Hans Sachs. Den Schluss machten zwei gleichzeitige Volks- 
lieder, vom Chor gesungen. 

— Das FlorentinerQuartett wird Wien verlassen, ohne 
dass der Plan gelungen, die vier Künstler dauernd zu gewinnen» 
obgleich man ihnen glänzende Bedingungen und u. A. auch einen 
längeren contractmässigen Urlanb in Aussicht gestellt hatte. Herr 
Becker zwar zeigte sich nicht abgeneigt in das Hofopernorchester 
einzutreten, allein seine Colleges wollen durchaus nicht auf die ge- 
nannte Offerte eingehen. Das nächste Ziel der berühmten Quartet- 
tisten ist Graz. 

— Der Direction des Josephstädter Theaters wurde ein Volks- 
stück mit dem Titel „Beethoven" anonym eingesendet. 

— Die Solotänzerin Frl. J a k s ch wurde am Hofoperntheater 
auf drei Jahre engagirt mit 4000 fl. Gehalt, welcher jährlich um 
600 fl. steigt. 

— Am 30. März nahm im Hofoperntheater der Tenorist E r 1 
Abschied Von dem Publikum, um nun seine Pension anzutreten. 

BrÜSS6l. Verdi's „Don Carlos" will noch immer nicht ziehen 
und hat die auf ihn gebauten Hoffnungen und Erwartungen in keiner 
Weise befriedigt. Die Administration der populären Concerte hat 
angekündigt, dass am 5. April noch ein allerletztes Coneert statt- 
findet, in welchem Joachim auftreten und das 22. Coneert von 
Viotti, das Andante aus dem 6. Coneert von Spohr für Violine 
und Orchester, sowie eine Suite von Seb.-Bach für Violine allein 
vorgetragen wird. Ausserdem spielt das Orchester die Ouvertüre 
zur „Genovefa" von Schumann, die Concert-Ouvertüre von Stadt- 
feld und die Ouvertüre zu „Athalia" von Mendelssohn; ferner 
das Scherzo aus der 1. Sinfonie von Jadassohn sowie Andante 
und Scherzo aus der „Oceansinfonie" von A. Rubin stein. Dies 
wird gewiss auch für begehrliche Gemüther hinreichend sein. Auch 
Frau Clara Schumann wird in diesen Tagen in Brüssel erwartet 
und man gibt sich der Hoffnung hin, sie werde mit Joachim eine 
oder mehrere Musik-Soir£en veranstalten. 

*„* Ffl« Philippine von Edelsberg gastirt gegenwärtig in 
Königsberg mit sehr günstigem Erfolg. 

*** Im Coneertsaale der „Sacred Harmonie Society* 1 in Exeter- 
Hall zu L o n d o n wurde kürzlich eine von dem berühmten R o u b i 1 a c 
ausgeführte Marmorstatue H ä n d e Ts aufgestellt. 

\* Dr. Ludwig Eckhardt hält in Wien Vorlesungen 
über Schumann, Wagner etc. etc. 

*** Das Conservatorium der Musik in Leipzig hat während 
seines 25jährigen Bestehens gegen 1500 Schüler und Schülerinnen 
künstlerisch gebildet, von denen ein grosser Theil eine Stellung in 
der musikalischen Welt einnimmt. 

V* M o z a r t's Oper : „Die Gans von Cairo" und „Mignon" 
von A. Thomas werden am Leipziger Stadttheater zur Auf- 
führung kommen. 

*** Die gegenwärtig in C o b u r g engagirte Sängerin £rl. Spohr 
hat sich dort mit dem Schauspieler F i ch t n e r, einem Sohne des 
berühmten Wiener Hofschauspielers dieses Namens, vermählt. 

*** Im a ch t e n und letzten Abonnementsconcert des Orchester- 
vereins in Breslau spielte die Pianistin Frl. Sophie Menter 
das A-moll - Coneert von S ch u m a n n und den „Rakoczy-Marsch" 
von L i s z t und sah ihre schöne, acht künstlerische Leistung mit 
stürmischem Beifall belohnt. 

*** Die Wiener Pianistin Frl. Constanze Skiwa ist, nach- 
dem sie in letzter Zeit in Paris die ehrenvollsten Erfolge errungen 
hatte, nun in London eingetroffen, wo sie im Crystallpalast auf- 
treten wird. 



Verantw. Red, Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



17. Jahrgang. 



jf* MS. 



13. April 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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fl. 2. 42 kr. od.Th. 1.18.8g. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 

50 kr. od.[15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: Eine Schubertiade. — Corresp. : Mannheim. Leipzig. Paris. — Nachrichten. 



Eine Schubertiade. 

(Nach Bruchstücken aus dem Nachlasse meines Grossonkels.) 



Es war am 1. Juli 1825, etwa Morgens 11 Uhr, als ich miss- 
mnthig im Gastzimmer der sogenannten Post zu Traunkirchen sass j 
nnd durch die angelaufenen Fensterscheiben wüthend an den grauen 
Regenhimmel hinaufstarrte , ob denn in der einfarbigen Bleidecke 
nicht wenigstens Contouren von Wolken erschienen oder sonst ein 
Zeichen auf Aenderung des Wetters deutete. Aber da war nichts 
Tröstliches: kalt schlugen die unendlichen Güsse ans Glas; kaum 
war die Oberfläche des lieben Traunsees an etwas bläulicherem 
Tone von der darüberhängenden Nebelwucht zu unterscheiden': die 
Insel mit dem Kloster schwebte darin nur als wie ein dunkler 
Flecken, wie wenn sie stundenweit entfernt wäre ; von allen Dächern 
wuschen klatschende Wasserströme herab ; im ganzen Hause lag ein 
hässlicher Rauch, wie ein Protest des Ofens gegen den naturwidrigen 
Frevel, dass man ihn im Hochsommer geheizt hatte; dazu schlichen 
ächzend vor Langweile etliche Sommerfrischlerinnen umher, ehrbare 
Frauen aus Wien, und zählten die Minuten bis zum Mittagessem 
dem einzigen Lichtblick in ihrer verödeten Existenz; gibt es doch 
nichts Trostloseres, wie in einem Wirthshause länger liegen zu müssen, 
als Speis 1 und Trank geradezu fordern, und nun vollends da zu 
wohnen, unter lauter zechenden Menschen nüchtern und trocken um- 
herzugehen, und wenn man je der lockenden Versuchung Gehör 
gibt, Gefahr zu laufen, die vielleicht ärztlich anempfohlene Diät 
schnöde zu übertreten. Auch ich war schon auf diesem schlimmen 
Wege, und ging eben dem dritten Seidel „Gumpoltskirchner" zu 
Leibe, als um die Uferecke ein Kahn heranrauschte, anlegte, und 
nebst den Führern zwei pudelnasse Passagiere entlud, welche unte r 
einem grünen Familiendache aufs Haus zu steuerten. Im Vorplatz 
hörte ich sie wohl eine Viertelstunde lang die Nässe abschütteln 
stampfen und bürsten; daun traten sie herein: der Erste hoch ge" 
wachsen nnd breitschulterig, schon etwas ältlich, aber entschieden 
nnd kräftig im ganzen Wesen ; hinter ihm kam ein junger Mensch 
in grauem Rocke, klein und unansehnlich, obschon etwas wohlbe- 
leibt; seine Haare waren borstig und verworren ; seiue Augen stacken 
hinter einer altmodischen Hornbrille. 

„So, Franzi ! jetzt setz* dich her a rief der Aeltere, indem er sich 
gerade in die Ecke hinter dem grossen Tische warf, „hier [ist gut 
zu sein :" und dann sang er mit prachtvollem Tenorbariton : 
„Labe dich! mir auch Mädchen 
Diesen frischen Gesundheitstrank !" 

Während er aber dabei von der „Pepi" eine Flasche „Nuss- 
berger" heischte, schnitt der Jüngere, den ich nun bei näherer Be- 
trachtung auf etwa 28 Jahre schätzte, ein saures Gesicht, und sagte . 

„Aber kannst Dn denn auch nuf bei flüchtigen Citaten nicht 
Deine erwünschten Schnörkel lassen? Es lautet ja s o I" nnd dabei 
sang er die Weise mit schüchternem, etwas gaumigem Tone. 

„O weh!" rief jetzt der Andere, „schone • meine Ohren t Ich 



kann deine miserable, verquetschte Componistenstimme nicht hören I 
Wo wäret ihr Herren Tonsetzer alle, wenn ihr uns Sänger nicht 
hättet!" 

„Vermuthlich da", erwiderte trocken der Kleine, „wo ihr Herren 
Sänger wäret, wenn's keine Componisten gäbe. 14 

„Nur sachte, Kleiner!" begann der grosse mit einer gewissen 
Ueberlegenheit ; „Eurer jungen Federn wenigstens bedarf man noch 
lange nicht ; es gibt alte Meister, die genug geschrieben haben für 
uns und sangbarer als ihr !" 

„Und die ihr souveränen Sänger ebenso misshandelt wie uns" 
entgegnete gereizt der Jüngere, „sobald Euch nicht Alles nach 
Wunsch in die Gurgel gestrichen ist." 

„Als ob" replizirte es aus der Ecke, „der Sänger nicht das 
unbedingte Recht hätte, sich das Vorzutragende nach seiner Stimm- 
lage zuzurichten ! Er gibt zunächst sein Ich der Oeffentlichkeit preis ; 
fällt er mit einem Stück durch, so trifft der Schaden vor allem ihn 
selbst und zum wenigsten den vielleicht gar nicht bekannten Com- 
ponisten. — 

„Schlägt er aber", fiel der Kleine dazwischen, „mit einem ge- 
lungenen Stück durch, so kommt auch ihm zunächst der ganze Er- 
folg zu Gute, und der arme Tondichter hat sich bei ihm zu bedanken, 
wenn sich der Sänger auch noch so viel Eigenmächtigkeiten erlaubte ." 

„Mit vollem Recht: denn diese Aenderungen, wodurch sich der 
Sänger das Stück mundgerecht machte , haben demselben vielleicht 
auf die Beine geholfen. Sprich aufrichtig : ist je eines deiner Lieder, 
das ich gesungen habe, durchgefallen, trotz meiner Eigenmächtig- 
keiten wie Du sie nennst? Haben nicht deine neuen Müllerlieder 
gestern im Gmunden fabelhaften Eindruck gemacht, sammt meinen 
Zuthaten, vielleicht sogar mit Hülfe derselben?" 

„Das ist eben der alte Materialismus" brach der Kleine los, 
„die leidige Erfolgstheorie, welche das „Was" geringschätzt und das 
„Wie" allein gelten lässt!" 

„Und das ist" brauste der Andere auf, „Euer ewiger Compo- 
nistendünkel , der das „Wie" der Ausführung nicht achtet, ohne 
welche das „Was" als todtgebornes Kind in Euerem Pulte vermo- 
dern würde!" 

„Nun ja," lieber Michael !" beschwichtigte der Jüngere mit einem 
Blick auf mich , „sei nur wieder zufrieden und schrei nicht so, als 
wenn wir allein da wären ; Dn willst eben immer Recht haben und 
so hab' es denn!' 1 

„Ich hab' auch Recht" brummte der Alte, wie ein vergrollendes 
Gewitter; „ich hab' immer Recht; ist meine Anschauung nicht von 
allem die richtige?" 

„Weil Du Alles für bo ansiehst oder Dir und Andern so vor- 
demonstrirst, wie Dn Dir's einmal in den Kopf setztest," sagte der 
Kleine. „Mich wundert nur, dass es nicht schon lange schön Wetter 
»st, wie Dn es heute früh in Gmunden prophezeitest. Es muss Dir 
ein schreckliches Gefühl sein, heute wenigstens in diesem Punkte 
einmal Unrecht zu haben." 

Da es auf dem Gesichte des Langen unmnthig bin und herzuckte, 
so hielt ich die Pause für eine angemessene Gelegenheit, vermittelnd 



58 - 



einzugreifen* und äusserte, dass ich bis zum Abend noch auf Wechsel 
des Windes und damit der Witterung hoffte. 

„Einerlei," antwortete der Aeltere, und schob dem Kleinen be- 
gütigend die Flasche hin, „mein Freund Schwammest da — so 
heissen wir ihn au Wien wegen seines BKucbleins — muss durchaus 
ein paar Tage von Gmunden fort sein, weil sie ihm dort eine Ueber* 
raschuug bereiten; er spannt schon etwas; sehen Sie wie er schmunzelt; 
ei lustig, mein Junge! stoss' an; die „schöne Müllerin" soll leben!" 

„Welche?" fragte der Kleine; „die meine, oder die von Yogi 
componirte?" 

„O Du Heidenspitzbub ! macht der Schelm naseweise Witze wegen 
einiger wohlthätigen Aenderungen, mit denen ich seine Lieder singe, 
und mit denen sie auch, wenn's nach meinem Kopf geht, gestochen 
werden sollen; denn sonst verliere ich kein T^ort dafür!"- 

„Gut;" entgegnete der Kleine j* „mein Original kriegst Du nicht 
in die Hand ; wenn D u nicht, so wird vielleicht nach meinem Tod 
einst ein Anderer die wahre Lesart wiederherstellen." 

„Mit der's kein Mensch mehr wird anhören wollen, weil sich bis 
dahin meine Verbesserungen überall eingebürgert haben !" rief der 
Alte und wandte sich an mich: Sehen Sie, lieber Herr! Das macht 
mein eigensinniger Kleiner da seinem Beethoven nach, der eben 
falls keinem Sänger mehr etwas zu liebe schreibt." 

„Weil die Sänger, denen gleich Alles zu schwer ins Ohr geht, 
seinen billigen Anforderungen entgegen waren, und ihm keine Con- 
cession machten, so hält auch er sich jetzt an keine Rücksichten 
mehr gebunden, und verwendet die Singstimmen wie Instrumente, 
in ihrem ganzen Umfange." 

„Nur schont er bei den Instrumenten die Eigentümlichkeit jedes 
Einzelnen, während er die Singstimmen despotisch misshandelt. — 
Aber auch im Ciaviersatz," fuhr der Alte fort und zog den Jüng- 
ling freundlich an sich, „möcht's mein Schwammerl gern dem Beet- 
hoven nachmachen, schreibt allerlei Unglücksfälle in B- und Cis-moll, 
und setzt das Alles natürlich so schwer und undankbar, dass unsere 
Freunde Gaby und Jenger trotz des mühsamsten Gekrabbeis doch 
keinen Effect damit erzielen. Der „Fritzi" und „Pepi" in Steyer 
drüben gelängs freilich besser — nun, Kleiner ! warum so roth ? Ein 
solcher Beethovenianer wie Du soll ihm nicht nur im Ledigbleiben 
nachfahren, sondern auch in seiner übrigen Gesinnung gegen das 
Weibervolk; darin scheinst Du Dir aber lieber den Allerweltscour- 
macher, den Weber zum Muster zu nehmen, he?" 

„Mir ist auch," sagte der Kleine, „Manches schon ganz in Weber- 
schem Styl gerathen ; sieh zum Beispiel das Scherzo der C-dur-Fan- 
tasie an: ist das nicht ein prächtiger Weber?" 

„Er ist ein Mordskerl" wandte sich der Aeltere zu mir; „auch 
den Rossini hat er, ohne sich zu nennen, mit ein paar Ouvertüren 
so glücklich parodirt, dass der süsse Publikus über diese vermeint' 
lieh Rossini'schen Novitäten ganz ausser sich war. Aber schau Franzi, 
ich hatte doch recht: wir kriegen heute Abend noch einen schönen 
Tag und könnten aufbrechen." 

(Fortsetzung folgt.) 



HB »' 



CORRESPONDENZE5. 



Aus Mannheim. 

Seit meinen letzten Mittheilungen in diesen Blättern hat eine 
ausehnliche Reihe von Concert- Aufführungen verschiedener Art hier 
stattgefunden, worunter sich bis jetzt vier vom Hoftheater-Orchester 
veranstaltete musikalische Akademien befinden, deren Anzahl 
für diese Saison auf sechs erhöht wurde, während es deren früher 
nur vier waren. Die erste dieser Akademien enthielt folgendes 
Programm: Concert-Ouvertüre, A-dur, von Rietz; Scenen aus dem 
zweiten Act von Gluck's „Orpheus," deren Titelpartie Fräulein 
Hausen trefflich ausführte; ihre vollklingende sympathische Stimme 
eignet sich ganz besonders für Musik dieser und ähnlicher Art, und 
ihre Auffassung entspricht vollkommen der tiefgedachten Gomposition. 
Herr BennoWalter aus München spielte in ausgezeichneter Weise 
das neunte Violin-Concert, D-moll von Spohr; besonders lebhaften 
Beifall erwarb sich Frl. Hausen noch durch den Vortrag zweier 
Lieder von S ch u b e r t und S ch u m a n n ; den Schluss des Concertes 
machte Beethoven'« achte Sinfonie, F-dur, welche, in schwung- 



voller Weise aufgeführt, einen höchst belebenden Eindruck auf die 
Zuhörer machte. — In der zweiten Akademie kamen zwei hier 
noch nicht gehörte Orchesterwerke zur Aufführung : Mendelssohn'* 
nachgelassene sogenannte „Trompeten- Ouvertüre " und S ch um an n's 
zweite Sinfonie C-dur, deren Wiedergabe von Seiten des Orchesters 
sowohl für dieses als für die Werke selbst mit dem allgemeinsten 
Beifall belohnt wurde. Zum erstenmale hörten wir in diesem Concert 
die ausgezeichnete Pianistin, Frl. Mehlig, welche durch den Vor- 
trag des Beethoven'schen Concerts in Es-dur ihren wohlerworbenen 
Ruf auch hier aufs glänzendste bewährte ; dieselbe spielte ausserdem 
noch Impromptu, As-dur, von Chopin, „Schlummerlied von Schu- 
mann und den Faustwalzer von Liszt, wobei wir ihrem Vortrag 
des enteren Stücks entschieden den Vorzug geben möchten. Auch 
diese Akademie erhielt eine besondere Zierde durch Vorträge von 
Frl. Hausen, welche die Alt-Arie mit Violinsolo (Hr. Concertmeister 
Koning) aus Seb. Bach's „Matthäus -Passion," ferner „die junge 
Nonne" von Schubert und „Er der Herrlichste von Allen," von 
Schumann in trefflicher Weise sang. — Die drittte Akademie 
brachte ebenfalls eine Novität für hier, das Concert in G-moll für 
Streichinstrumente mit zwei obligaten Violinen und obligatem Violon- 
cell von Händel, die drei letztgenannten Partien gespielt von den 
Herrn Concertmeister Koning und den Hofmusikern Eschrich 
und Kündinger. Es mochte wohl manchem der für Modernes 
empfänglicheren und daran gewöhnten Zuhörer befremdend erscheinen, 
eine Orchester - Composition ohne die buntere Färbung durch Blas- 
instrumente zu hören ; doch war im Allgemeinen der Eindruck wel- 
chen dieselbe namentlich durch den ersten Satz, Larghetto affet- 
tuoso und durch die zwei letzten Sätze, Allegro vivace und Finale 
machten, ein sehr günstiger, ganz besonders aber erfreuten sich an 
dem ganzen Werke die zahlreich anwesenden Freunde älterer Musik. 
— Die Gesangstücke dieses Concerts wurden ausgeführt durch Frl. 
Anna Reiss, Hofopernsängerin aus Schwerin, welche in ihrem 
Vortrag der Kirchenarie von S t r a d e 1 1 a und der letzten Arie aus 
B e 1 1 i n i's „Nachtwandlerin" einen glänzenden Beweis ihrer Aus- 
bildung sowohl im getragenen als colorirten Gesang lieferte, und sich 
dadurch die allgemeinste Anerkennung erwarb. Herr Concertmeister 
Robert Heck mann aus Leipzig spielte ein Concertstück für die 
Violine von ßazzini und die Romanze F-dur von Beethoven 
mit wünschenswerthester Vollendung sowohl in Hinsicht auf Ton- 
gebung als auf technische Ausführung; eiu besonderes Interesse 
hatte das Auftreten der beiden Letztgenannten für das hiesige Pub- 
likum, da dieselben geborene Mannheimer sind. Den zweiten Theil 
bildete Mendelssohn's frische A-dur-Sinfonie, welches Prädikat 
auch der ganzen Ausführung derselben von Seiten des Orchesters 
zuzuerkennen ist. — Die vierte Akademie gewährte dadurch ein 
besonders erhöhtes Interesse, dass Meister Franz Lachner seine, 
schon vor mehreren Jahren mit so grossem Beifall hier aufgenommene 
erste Suite in D-moll selbst dirigirte, wobei es höchst erfreulich 
war, zu bemerken , wie das Orchester mit grösster Aufmerksamkeit 
bemüht war, die Intentionen des Componisten zu verwirklichen und 
in die von demselben bezeichneten feinsten Schattirungen einzugehen. 
So war denn auch der Eindruck, den diese Production auf die Zu- 
hörer hervorbrachte, ein ausserordentlicher. Ausser diesem Werk 
wurden von F. Lachner noch zwei liebenswürdige kleinere Compo- 
sitionen, „Mondscheinnacht" und „Libellentanz," Terzette für drei 
weibliche Stimmen aufgeführt, woran sich Frau Ullrich-Roh n, 
die Fräulein Paum gar tn er und Hausen betheiligten, und wovon 
das zweite wiederholt werden musste. , Ausserdem sang Frl. Panm- 
gartner die Arie aus dem 4. Akt von F. Lachner's „Catharina Cor- 
naro"; der sowohl hier als in weiteren Kreisen seit längerer Zeit 
vortheilhaft bekannte Violin-Virtuose, Herr Heer mann ans Frank- 
furt, spielte ein Violin-Concert von Vieuxtemps zu allgemeiner 
Befriedigung, und von Seiten des Orchesters wurde zum erstenmale 
hier S ch u m a n n's Ouvertüre zu „Genofeva" aufgeführt, welehe auf 
die Zuhörer einen sehr günstigen Eindruck machte. 

(Schluss folgt.) 

Aus Leipzig 

(Schluss.) 
Ein überreiches Programm brachte das Concert, welches am 
27. Februar zum Besten des Orchester-Pensionsfonds gegeben wurde ' 



- 69 - 



dass der gute Zweck erreicht, ein übervoller Saal erzielt wurde, 
mag das Allzuviel entschuldigen and wenn, wie diesmal, das Interesse 
wach gehalten wird, so kann man sich's schon gefallen lassen. Den 
grössern Theil der Attractionskraft dürfen wir indessen wohl getrost 
für Carl Taus ig, den Berliner Hofpianisten und AU erwärt«- Tausend- 
künstler, beanspruchen; sein Name hätte vielleicht allein genügt, 
den Saal zu fällen, in so warmem, gefeierten Andenken stand er von 
seinem früheren Auftreten hier. Die begeisterte Aufnahme, welche 
er diesmal fand, der Enthusiasmus, den sein Spiel erregte, überbot, 
meinen wir, noch das was da gewesen! Mit seinen Händen, die 
das Ausserordentlichste leisteten, schienen die des beifallssüchtigen 
Auditoriums in engstem Rapport zu stehen ; denn auch sie leisteten, 
was Menschenkräfte nur irgend vermögen ; kurz, die Annahme, dass 
das Menschengeschlecht an körperlicher Kraft immer mehr abnehme 
und schwächer werde, strafte dieser Abend glänzend Lügen. Seine 
Vorträge bestanden in: Toccata und Fuge (D-moll) für die Orgel 
von S. S. Bach, frei für das Pianoforte bearbeitet von C. Tausig, 
Nocturno (op. 62, Nr. 1), Etüde (op. 2B Nr. 6), Polonaise (op. 53) 
von Chopin und Fantasie für das Pianoforte über Thema aus 
„Don Juan" von Liszt. Dass die Wiederholung der Chopin'schen 
Etüde erapplaudirt wurde, will bei Tausig um so mehr heissen, als 
er sonst eben kein Freund von Ehrenbezeugungen auf eigene Kosten 
zu sein scheint. Gegen den Schluss der Don Juan-Fantasie kam 
uns dagegen eine Ahnung, dass zuletzt doch alles Irdische vergäng- 
lich ist. Dass neben Tausig Herr Carl David off aus Petersburg 
sich ehrenvoll zu behaupten und das Interesse der Zuhörerschaft für 
seine Vorträge zu gewinnen und zu erhalten wnsste , spricht mehr 
als alles Andere zu seinem Lobe. Jene bestanden aus einem Con- 
certe (Nr. 2, A-moll) eigener Composition und einer Fantasie von 
Servais. Herr Davidoff ist Meister in Ueberwindung aller nur 
möglichen und denkbaren Schwierigkeiten und erwies sich darin 
als einen Violoncell - Virtuosen ersten Ranges; weniger möchten 
wir dies von ihm in seiner Eigenschaft als Componist behaup- 
ten. Sein Concert, brachte gar zu Vieles, was uns nicht recht 
behagen wollte. Uebrigens wäre ihm eine etwas discretere Be- 
gleitung von Seiten des Orchesters zu wünschen gewesen. — An 
Orchester werken brachte dies Concert: Ouvertüre zu „König Man- 
fred" von C. Reine cke und „Harold in Italien" Sinfonie für 
Orchester und obligate Viola von Hektor B e r 1 i o z. Die Ouvertüre, 
die hier zum ersten Mal zu Gehör kam, erwies sich, soweit ein 
Urtheil einer Neuzeit gegenüber zusteht, als ein Werk von nicht 
geringer Bedeutung; tüchtig gearbeitet, glanzvoll und wuchtig in- 
strumentirt wird dieselbe vor der Oper mächtigen Eindruck machen, 
wie sie es im Concertsaale that und dem Coraponisten gleichen 
Beifall erwerben. Er wurde wiederholt gerufen; ein Schicksal, das 
— um es noch nachträglich zu bemerken — auch die Herrn Tausig 
und Davidoff getroffen hatte, dem aber wahrscheinlich Herr Hektor 
Berlioz — wäre er anwesend gewesen — entgangen wäre. Man 
hat sich hier in Leipzig nie mit seiner Musik befreunden mögen ; 
um es jetzt noch zu thun, ist es zu spät. Als Berlioz zuerst auftrat, 
erwies er sich schöpferisch in alle dem, was wir das musikalische 
Beiwerk nennen möchten, wie Instrumentation etc. etc. ; da brachte 
er viel Neues und Originelles, weniger war das der Fall mit dem 
Gedanken, mit dem Inhalt. In ersterer Beziehung ist er von Vielen 
der Neueren bereits überboten, in letzterer freilich stehen die Meisten 
noch tief unter ihm. Nichts destoweniger bietet seine Harold-Sinfonie 
so viel des Interessanten und Köstlichen , — namentlich in den beiden 
mittleren Sätzen — dass man, statt dieselbe kühl aufzunehmen, sich 
vielmehr hätte dankbar für ihre Wiederaufnahme beweisen sollen. 
Ein eingehenderes Studium würde das Werk vielleicht noch zu bes- 
serer Geltung gebracht und besonders verhindert haben, dass die 
von Herrn Concertmeister David ausgeführte obligate Viola nicht 
so häufig von der Masse der übrigen Instrumente gedeckt worden wäre. 
Zu den Concerten des Musikvereins „Euterpe" übergehend, so 
war das siebente derselben, am 4. Februar abgehalten, in seinem 
ersten Theil der Erinnerung an Moritz Hauptmann gewidmet. 
Eine für diese Gelegenheit compooirte, im edelsten, weihevollsten 
Style gehaltene Trauermusik von F.F.Richter eröffnete dasselbe 
und verfehlte nicht, die Zuhörer in die geeignete Stimmung zu ver- 
setzen. Dieser folgten : Gr aduale % Offertorium^ Sanctus und Bene- 
dictes aus der Messe, op. 30, von Moritz Hauptmann, ein Werk, 
das wir wohl getrost an die Spitze von allen, die uns der unvergess- 



liche Meister hinterlassen, stellen können. Die Ausführung war eine 
von Seiten des Chores recht wohl vorbereitete; die Solopartieen 
waren von den Damen Nat-Schilli ng, Clara Schmidt und 
den Herrn Wiedemann und P. Richter übernommen, die sich 
sämmtlich bestrebten ihren Theil zu der würdigen Feier beizutragen. 
Der zweite Theil brachte Beethoven'« C-moll-Sinfonie, über deren 
Wiedergabe sich nur Gutes sagen läset. Welche erfreulichen Fort- 
schritte überhaupt das Orchester unter seiner jetzigen Leitung macht, 
das zeigte es im achten Concert durch die recht glatte, auch des 
Schwunges nicht entbehrende Ausführuug der Seh um an n'schen Sin- 
fonie (Nr 4) in D - moll. Weniger gelungen kam das Vorspiel zu 
„Lohengrin" zu Gehör, wo es namentlich im Anfange nicht recht 
klappen wollte. Als eine recht taleutirte Ciavierspielerin, die bei 
tüchtigen Studien zu den erfreulichsten Hoffnungen berechtigt, er- 
wiess sich Fräulein Sophie Di t tri ch von Prag. Das C h o p i n'sche 
Concert in F-moll geht freilich vor der Hand noch weitaus über 
ihre Kräfte; da fehlt's an der technischen und noch mehr an der 
geistigen Begabung. Weit besser wusste sich Fräulein Dittrich mit 
den Solostücken für's Piano abzufinden ; diese waren : Toccata con 
Fuga (C-moll) von J. S. B a ch, „In der Nacht" aus den Fantasie- 
Studien von R.Schumann und Valse caprice von J. Raff. Den 
Gesangspart hatte Fräulein S p o h r, herzogl. sächs. Hof- und Kammer- 
sängerin aus Coburg übernommen. Weder ihrem Vortrag der grossen 
Arie aus Weber's Oberon : „Ocean, Du Ungeheuer," noch dem der 
Lieder: „Sie sagen, es wäre die Liebe" von Kirchner und „die 
Post" von F. Schubert konnten wir unsrerseits einen Geschmack 
abgewinnen ; die Stimme ist verblasst, die Gesangsweise unnobel 
und dilettantenhaft. Anders schien freilich das Publikum zu urtheilen, 
welches sie besonders nach der Arie mit Beifall förmlich über- 
schüttete und Frl. Spohr hätte mit Recht sagen können, dass sie 
durch ihre Stimme Wunder gewirkt habe. 

Den Löwenantheil des Beifalls im neunten Concerte am 18. 
Februar nahm Herr L. Auer für sich hinweg. Mit der an ihm 
schon oft anerkannten und gerühmten Meisterschaft spielte er das 
fünfte Concert (A-moll) von B. Molique, ein Adagio von Spohr 
und eine Tarantella eigener Composition, ein Virtuosenstück erster 
Sorte, voll der grössten Schwierigkeiten, aber dankbar für einen 
Geiger erster Qualität, wie Auer. Dem stürmischen Verlangen des 
Auditoriums nachgebend, gab Herr Auer noch ein Stück, aber von 
anderer Sorte, wenn wir nicht irren, von J.S.Bach zu. Nur eine 
Gesangspiece — sie konnte aber schon für viele entschädigen — 
zierte das Programm, ein Chor für Frauenstimmen aus „Blanche 
de Provence" vortrefflich einstudirt, wurde er dem Geiste des Com- 
ponisten entsprechend ausgeführt. An Orchesterwerken kamen in 
diesem Concerte eine Sinfonie (G-dur, Nr. 13 der Ausgabe von Breit- 
kopf und Härtel) von J. Haydn und die Leouoren-Ouverture Nr. 3 
von Beethoven recht gelungen zu Gehör. Nur machte sich an diesem 
Abende der schon wiederholt gerügte Missstand der unreinen Stim- 
mung der Blasinstrumente mehr als sonst hörbar. 



• OOi 



Aus Paris. 

t. April. 

Hamlet bildet immer noch den Hauptanziehungspunkt in der 
grossen Oper. Die Einnahmen sind äusserst glänzend, und die Be- 
geisterung für die Nilsson hat noch nichts von der Lebhaftigkeit 
verloren. Dies verhindert indessen die Direction nicht, noch im 
Laufe künftigen Herbstes Gluck's Armide wieder zur Aufführung zu 
bringen. Des Theätre lyrique bereitet die Reprise des Brauers von 
Preston vor, während die Ope>a comique die Dragons de Villars 
einstudiren lässt. Sie sehen also, dass unsere lyrischen Scenen nicht 
sobald ein neues Werk vom Stapel laufen lassen. 

Giovanna d'Arco von Verdi hat sich im Salle Veutadour keines 
Beifalls zu erfreuen und wird sich auch gewiss nicht lange auf dem 
Repertoire erhalten. Der Text, dem Schiller'schen Drama nachge- 
arbeitet, ist unter aller Würde, die Musik trivial und die Patti, 
welche die Titelrolle gibt, durchaus nicht für dieselbe geeignet. 
Uebrigens hat die genannte Oper, die bereits vor drei und zwanzig 
Jahren in Scene ging, selbst in Italien keinen Success gehabt. 

Das Oratorium „das jüngste Gericht", Text und Musik von 
Duprez, ist bereits dreimal im Cirque de l'Imperatrice und zwar 



60 - 



mit zunehmendem Erfolg aufgeführt worden. Das Werk ist freilich 
ungleich und enthält gar manchen Gemeinplatz; deob fehlt es ihm 
auch nicht an einzelnen Schönheiten. Der Chor der thoricbten Jung* 
freuen ist besonders sehr effectreich. Die Recitative singt der Autor 
selbst und verräth dabei, trotz der unzulänglichen Stimmmitte], den 
eminenten Sänger. 

Dass die Zahl der Concertgeber in diesem Augenblick Legion 
.ist, brauche ich Ihnen wohl nicht erst besonders zu melden. Alle 
Coneertsäle sind in Anspruch genommen ; allein nur Wenige sind ge- 
füllt. Kur ein Concertgeber darf sich rühmen, das Publikum scbaarea- 
weise herbei zu ziehen, nämlich Rubinstein. Rubinstein hat Freitag 
im Herrschen Saale sein drittes Concert gegeben und mit demselben 
einen eben so grossen Triumph gefeiert als mit den zwei vorher- 
gehenden. 



lachrfchte 



Mainz, 8. April. Wer was Rechtes* von Bühnen-Betriebsamkeit 
sehen will, der braucht nur nach Mainz zu kommen, wo der Teno- 
rist Sontheim am Mittwoeb den 1. April sein Gastspiel als 
Eleazar in der „Jüdin" begann, dasselbe am darauffolgenden S o n n- 
abend als Manrico im „Trobadeur" fortsetzte, worauf am Sonntag 
„Don Juan" mit Hrn. Bertram aus Stuttgart in der Titelrolle, 
am Montag „der Postillon von Loujumeau" mit Frau Peschka- 
Leutner und Hrn.Nachbaur aus Darmstadt und amDienstag 
die „Hugenotten" mit Hrn. Sontheim als Raoul, (letzte Gastrolle) 
folgten. Das sind in 4 Tagen vier und in 7 Tagen fünf Opern. 
Die Quantität lässt also auch für den gierigsten Operngeniesser nichts 
mehr zu wünschen übrig, wenn anch die Qualität der Aufführungen, 
besonders was das Ensemble , was Chor und Orchester anbelangt, 
bedeutend durch solchen Engros - Verschleiss des musikalischen 
Drama's beeinträchtigt wird. Uebrigens muss constatirt werden, 
dass Hr. Sontheim durch die geschickte Verwerthung seiner doch 
nicht gerade mehr jugenglichen Stimmmittel, durch die weise Oeko- 
nomie, mit welcher er dieselben für die entscheidenden Momente zu 
reserviren weiss, um sie damit wirklich packender Gewalt loszulassen, 
und wohl auch ein wenig durch Reclame, welche bei unserm Publi- 
kum niemals ganz weggeworfen ist, unterstützt, ausserordentlichen, 
mitunter stürmischen Beifall fand und in dieser Beziehung alle Ursache 
hat, mit unsern Theaterbesuchern zufrieden zu sein. Im „Postillon", 
der zum Besten det» Theaterorchesters gegeben wurde, wurden Frau 
Peschka-Leutner und Hr. Nach b au r durch vielfachen, leb- 
haften Beifall und Hervorruf ausgezeichnet. Auch Hr. Bertram, 
der auf unserer Bühne kein Fremdling mehr ist, fand für seine frische 
und schwungvolle Durchführung der Partie des „Don Juan" den all- 
gemeinsten, wohlverdienten Beifall. 

Wien. Der erste k. k. Obersthofmeister Fürst Hohenlohe 
hat dem musikliebeude Könige von Hannover zu Ehren in seinen 
Salons ein grossartiges Concert veranstaltet, in welchem unter der 
Leitung des Hofcapellmeisters Herbeck die ausgezeichnetsten Kräfte 
des Hofoperntheaters mit und ohne Orchesterbegleitung mitwirkten, 
sowie auch eigentliche Orcbesterwerke zur Aufführung kamen. Das 
Programm war so reichlich ausgestattet, dass das Concert mit Ein- 
schluss einer kurzen Zwischenpause von ein Viertel auf Neun bis 
drei Viertel auf Zwölf dauerte. Viele der ausgeführten Nummern 
mussten wiederholt werden. 

— Am Palmsonntag und an dem darauf folgenden Montag fanden 
die alljährigen Akademien des Tonkünstler- Wittwen- und Waisen- 
Versorgungsvereins „Haydn" im Hofburgtheater statt und wurden 
hei diesem Anlasse „Die Jahreszeiten" von Jos. Haydn unter der 
Direction des Hofoperntheater - Cappellmeisters Herrn Esser zur 
Aufführung gebracht. 

Brüssel. B ras 8 in, der vortreffliche Pianist, gab am 21. März 
bereits «eine dritte Soiree und spielte in derselben: G-moll-Suite 
von Händel; Pastoralsonate von Beethoven; Andante und 
Variationen von Mozart; Impromptu von Schubert und noch 
verschiedenes Andere. 

Paris. Pasdeloup gab sein 21. populäres Concert am 22. 
März mit folgendem Programm : Ouvertüre zu „Preciosa" von Weber; 
„Reformations-Sinfonie von Mendelssohn (zum ersten Male) ; 
Sicilienne und Menuett von J. S. Bach; Andante für Violine mit 



Orchesterbegleitung, componirt und vorgetragen von Hrn. G a r c i a; 
Sinfonie in A-dur von Beethoven. 

— Jacques Rosenhaiu gab ein Concert im Salon Erard, 
in welchem er eine Sonate für Pianoforte und Violoncell sowie ein* 
Anzahl neuer Ciavierstücke von seiner Coinposition vortrug und sein 
Auditorium drei Stunden lange in unermüdeter Ausdauer zu fesseln 
verstand. 

*** Im deutschen Theater zu Prag kommt am Ostermontag 
eine neue romantische Oper „Am Runenstein", Text und Musik von 
Fr. v. F 1 o t o w und Rieh. G e n e e zur Aufführung und es lässt sich 
nach dem Ausspruche Aller, die nähere Kenntniss von dem neuen 
Werke zu erhalten Gelegenheit hatten, ein guter Erfolg desselben 
erwarten. 

*** Die rühmlichst bekannte Tänzerin und Balletmeisterin La- 
eillie Grahn befindet sich gegenwärtig in Wien, wo ein von 
ihr componirtes Ballet im Hofoperntheater zur Aufführung kommen soll» 

*** In Reutlingen gab der erste Violoncellist der Stuttgarter 
Hofcapelle, Hr. Krumbholz ein Concert unter Mitwirkung der 
HH. Concertmeister Singer, Hofpianist Pruckner und Hofopern- 
sänger Bertram von Stuttgart. 



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Nene Musikalien 

aus dem Verlage von Fr. Kistner in Leipzig. 

Brambaeh, <C. Jos. Op. 13. Quartett für Pianoforte, Vio- 
liue, Viola und Violoncell. Thlr. 4. 20 Ngr. 
— Acht schottische und irische Volksmelodien für Männerstimmen 
bearbeitet. Partitur und Stimmen. Heft I und II a 15 Ngr» 

Graben-Hoffmann. Op. 49. Nr. 1. Der schönste EngeL 
Lied für eine Singstimme (deutscher und englischer Text) mit 
Begleitung des Pianoferte. Ausgabe für eine tiefe Stimme- 
10 Ngr. Für mittlere Stimme. 10 Ngr. 
— Ave Maria auf eine zu dem ersten Präludium von Joh. Seb. 
Bach gesetzte Melodie. 10 Ngr. 

Hftrtel, August. Op. 50. Waldröslein. 5 Lieder ohne Wort* 
für das Pianoforte. 17'/s Ngr. 

Kücken, Fr, Op. 81. Nr. 1. Pyrmonter Marsch componirt 
und arrangirt für das Pianoforte. 7 Vi Ngr. 

IiftgCllhorn A. Op. 90. Arabesken. Sechs Ciavierstücke. 20 Ngr. 

SehlliTer, August. Op. 105. Die Frau von Dreissig. Ko- 
misches Duett gedichtet von L. Ellmar , in Musik gesetzt für 
zwei Singstimmen mit Begleitung des Pianoforte. 20 Ngr. 

Wleiilatvalii, Henri. Op. 20. Fantaisie brillante sur des 
motifs de l'Opera: „Faust" de Gounod pour le Violon avec- 
Accompagnement d'Orchestre ou de Piano. Avec. Orch. Thlr. 3.. 
5 Ngr. Avec Pianof. Thlr. 1. 20 Ngr. 

Wlllmera, Rudolphe. Op. 123. Contemplations. Fantaisie- 
Nocturne pour Piano. 25 Ngr. 

Zarzycki, Alex. Op. 10. Deux Nocturnes pour Piano. 15 Ngr. 



Zur Nachricht. 




Am 25. April wird ausgegeben: 



Oper in 3 Acten 



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Richard Wagner, 

Vollständiger Clavlerauszug. 

402 Seiten gross Folio. 

Preis netto fl. 18. 
JB. SehotVs Söhne. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz» 



1 7. Jahrgang» 



Xf± /«. 



20. April 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 






Diese Zeitung erscheint jeden 

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Man abonnirt bei allen Post- 1 p 
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lungen. . 

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Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co. 



fl. 2. 42 kr. od.Th.l. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 

50 kr. od.|15 Sgr. per Quartal. 

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INHALT: Eine Schubertiade. — Correap. : Wien. Mannheim. Stuttgart. — Nachrichten. 



Eine Schubertiade. 

(Nach Bruchstücken aus dem Nachlasse meines Grossonkels.) 



(Fortsetzung.) 
In der That hatte während des Gespräches und Mittagessens 
der Hegen aufgehört; blaue Flecken blickten durch die nassen 
Fenster und sonnig hell erhob sich der Erlakopel aus den Wolken- 
ballen. Obschon bis jetzt noch keine förmliche Vorstellung stattge- 
funden hatte — weiteres Fragen hätte zudringlich geschienen — 
wusste ich doch bereits, dass ich in dem Alten den berühmten Sänger 
Michael Vogl, und in dem Jüngeren seinen Schützling, einen 
angehenden Tonsetzer vor mir hatte ; um dessen Namen zu errathen, 
war ich in der Musikwelt zu fremd. Da ich nun in der Umgegend 
schon so ziemlich bekannt war, und die Beiden zum erstenmal da 
an sein schienen, so bot ich denselben meine Begleitung an, die der 
Grosse auch aufs Vergnügteste annahm. „Sag' Kleiner," wandte er 
sich an diesen , „wohin möchtest du gerne ? Der Herr da will uns 
führen." 

„Könnte man nicht den Traunstein hinauf?" fragte der Jüngling; 
„da oben müsste es herrlich sein." 

Ich belehrte ihn, -dass dieser Felskegel trotz der Fährlicbkeiten» 
die seine Ersteigung zumal bei dieser Nässe bereiten würde, doch 
wenig Umsicht b£te, und schlug den Kranabittsattel bei Ebensee 
■vor, der jn^ der R&ndsicht den vielgerühmten Schafberg fast übertrifft. 

Di,e> Beiden waren's zufrieden, und „so fuhren wir in einem 
„Traunerf* nach Langbath ab. Beim Einsteigen stellte mir der 
Grosse jaoch als zweiten Reisecumpan seinen schwarzen zottigen 
Vierfüssler vor, der mit Franzi auf besonders vertrautem Fusse zu 
stehen schien, denn dieser Hess sich durch „Waldl's* noch vom 

- 'S 

Regen durchnässte Wolle nicht abhalten, ihn auf die Kniee zu nehmen 
und durch feste Umarmung vor dem Hinausfallen zu hüten. Zeigte 
ich etwas Bemerkenswertes, und sah Franzi hin, so guckten auch 
Waldl's treue Augen ernsthaft darnach ; er war der Vierte im Bunde. 
Aber kaum waren wir in Ebensee gelandet, so brachte er uns in 
Streit mit einer wüsten Böhmin, die eine Nase trug, so flach als 
war 1 man mit einem Bügeleisen darübergefahren, und deren Kater 
er thatendurstig verfolgt hatte. Franzi hatte dem ganzen Auftritt 
still und zerstreut zugesehen und schien in tiefem Sinnen befangen. 
Als wir die Schlucht hinaufschritten, in welcher rechts die von den Lang- 
bathseen kommenden regen Wildwasser lärmen, begann er plötzlich : 

„Du Michael ! mir ist während des Fahrens da eine Melodie zu 
Gothe's „auf dem See" gekommen." 

„Bravo" sagte Vogl, „aber hoffentlich nicht abermals für Männer- 
quartett; sonst wird's wieder so hoch, dass es kein vernünftiger 
Mensch rausbringt; das ist der Fehler fast aller Deiner Männerchöre. 8 

„Nein" erwiederte Franzi; „diesmal wird's was für vernünftige 
Leute, das heisst zunächst für Dich Allervernünftigster ! Es geht 
ungefähr so: — * 

„Franz'l ! brav sein , lieb sein !" bat der Andere ; „nicht mehr 
singen !" und dabei streichelte er ihn wie besänftigend auf die Wange. 



Der Jüngling lächelte, nun nicht mehr empfindlieh; die freu* 
digste gehobenste Stimmung war mit dem Sonnenschein in sein Hera 
gekommen, und die Geistesblüthen, die auf dieser anregenden Wan- 
derung allmählig reichlicher seiner Rede entsprossten, Hessen auf 
ein schönes, volles Seelenleben scbliesseu. Bald hatte ich ihn recht 
lieb gewonnen ; auch Vogl mit seiner väterlichen, fast rührendem 
Fürsorge um den jungen Freund, die er unter einem rauhen Mentor- 
tone vergeblich zu verbergen suchte, wurde mir stets sympathischer; 
als wir in der Sennhütte ankamen, wo wir übernachten wollten, 
um vor Sonnenaufgang den Gipfel erreichen zu können, waren wir 
drei schon so befreundet, als kennten wir uns seit Monaten. 

In der Abenddämmerung blickten wir noch auf den zahllosen 
Berggipfeln umher; da sagte Franz: „Das ist alles wie eine ver- 
steinerte Musik; mir wenigstens weckt jede dieser rothglühen den 
Wände, dieser schwarzgähnenden Schluchten, dieser seltsamen trotz- 
igen Felsgesichter ein anderes Tonbild; bald erinnern sie mich an 
Verwandtes in Beethovens Sinfonieen; bald klingt es ars eigene 
Schöpfung mit allen Instrumenten durch meine Seele; ich möchte 
schreiben und schreiben ohn* Unterlass, und doch brächte ichs nimmer 
so schön zusammen, wie sich im Momente die ewige Schönheit der 
Natur da drinnen in Töne umsetzt; verwünscht sei unsere Noten- 
schrift, welche dem Adler Phantasie wie eine Schnecke nach- 
kriecht, und die luftigen Kinder des Geistes mit ihrem Bleigewicht 
erstickt. 

„Schreib' wenigstens was möglich," meinte Vogl, „für's Ciavier 
auf; später findest Du vielleicht Zeit zum Instrumentiren." 

„Werde ich später ruhiger sein ? u fragte Franz; „wird der Quell 
der Erfindung spärlicher fliessen? Werde ich Frieden haben vom 
Melodieenandrang, der jetzt unaufhörlich, wie jener Wasserfall, auf 
meinen Kopf hereinwälzt ?" 

„Du wirst I" tröstete Vogl; ich mach' Dich zum Hoforganisten 
und wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand und stutzt 
ihm dafür die Flügel der Phantasie; „das findet sich" sagt Weben 
Samiel." 

Ueberbaupt schien jener „Freischütz" dessen beispiellosen Erfolg 
ich in Berlin miterlebt hatte, auch bereits diesen Wienern an's Hera 
gewachsen zu sein ; beide summten abwechselnd verschiedene Melo- 
dien daraus, und Franz reimte auf „erscheinen" immer: „bei des 
Zaubrer's Hirngebeinen." 

Morgens drei Uhr weckte uns der Sennerbube , um uns den 
steilen Gipfel hinanzugeleiten. Schweigend und vorsichtig krochen 
wir ihm nach ; mir zwar, der schon auf den malitiöseu Hängen des 
Lauterbrunner Thals herumgeklettert war, wo selbst das unbedeu- 
tendste Vorberglein in boshafter Steile abstürzt, konnte hier nicht 
bange sein ; aber die beiden Wiener versicherten keuchend , dass sie 
doch den Kablenberg schon auf allen Seiten „umkrapelt" hätten» 
aber nirgends sich so plagen müssen, als auf dieser halsbrecherischen 
Partie. Zum Glücke waren wir, noch ehe ihre Jeremiade recht in 
Zug kam, oben auf der Platte angelangt, und wie sich nun die un- 
sägliche Pracht der Morgenröthe auftbat, wie vom Rinnerkogel an 
ein Berggipfel nach dem andern angezündet wurde und in purpurne 



— 62 - 



Flamme aufloderte, und wie das blutrothe Licht über die schneeige 
Dachsteinmasse und das wilde Tannengebirge gleich einer riesigen 
Feuersbrunst sich immer weiter wälzte und schnell westwärts zum 
steinernen Meer, Hochpöbl, Watzmann und Untersberg wandert«, 
indessen hinter dem Traunstein der blendende Sonnenball herauf- 
schritt und die vor uns liegenden kahlen Wände des Höllgebirges 
grell beleuchtete - so war' es rühreud, unsern Frans zu beobachten, 
der noch nie dergleichen gesehen hatte. Wenn solch ein erhabener 
Anblick schon gewöhnliche, in keiner Hinsicht productive Menschen 
wunderbar ergreift, wie muss er erst auf ein junges Dichtergemüth 
wirken, das ihm tausend empfängliche Fasern entgegenbringt; be- 
neidonswerther Künstler, der aus jedem Schönen doppelten und drei- 
fachen Genuss zieht! 

Als ich meinen Freunden nun im Einzelnen zeigte, wie alle die 
hervorragenden Gipfel hiessen, ihnen vom Hallstadter See erzählte, 
der dort in der dampfenden Wanne lag, und vom Mond- Atter- und 
8t Wolfgangersee, in deren grünen Tiefen sich der stumpfnasige 
ßchafberg spiegelt , von den einsamen Gosausern , welche dort zu 
Füssen des Thorsteins brüten, und von Aussees blauen idyllischen 
Wassern, da fasste Franz krampfhaft den Arm des Freundes und 
wollte ihn bereden, da überall hinzuwandern, und das alte Salzburg 
stecken zu lassen. Aber Yogi zeigte nach den bleich und gespenster- 
haft herüberblickenden Hörnern des Tauerugebirges ; dort liege 
Gast ein, wohin ihn Hygena, dermalen seine einzige Geliebte, 
längst beschieden habe ; auch reichten die „Späne" nur für dieses 
eine Nothwendige und nicht für weitere Expeditionen aus, die man 
auch ein andermal nachholen könne. Franz war es gleich wieder 
zufrieden und pries das Glück des unbewölkten heutigen Tages. 
„Darum mein Sohn I" sprach Vogl, „reise wo möglich bei schlechtem 
Wetter ab; sonst erlebst Du nie draussen die Aufheiterung mit, 
welche den stetigen Fortgang schöner Tage um so viel übersteigt, 
als die Versöhnung den monotonen Frieden unveränderten guten 
Einvernehmeos." 

Bei meinen neuen Freunden lag die „Monotonie solchen Frie- 
dens" nicht gar zu nahe; trotz solcher goldner Weisheitsworte 
häckelten sie sich alsbald wieder, und gerade der Jüngere schien 
mir zumeist im Recht zu sein. Zuletzt warf er sich in den Schatten, 
zog ein Skizzenbuch heraus und schrieb emsig hinein ; ich sah Vogl 
zu, wie er seinen „Waldl" neue schöne Künste lehrte; über uns 
dehnte sich die weite Bläue des strahlenden Himmels, und die reine 
herbe Alpenluft strich mit würzigem Hauche durch unsern Körper. 

Nach Verlauf einer guten Stunde kehrte Franz zu uns zurück: 
die Arbeit musste ihm gut von statten gegangen sein, denn seine^ 
Augen glänzten vergnügt, und über sein erregtes Antlitz wob und 
lief es fortwährend wie sprudelnde Melodien. „Wirst aber jetzt 
hungrig und durstig sein?" frug Vogl; „na, jetzt wollen wir dem 
Wirth in Langbath drunten eins anzechen !" Franz blickte allerdings 
noch sehnsüchtig seitwärts in das einsame Hochthal, wo die beiden 
Langbathseen ihr dunkelblaues Augenpaar aufschlagen; doch trös- 
tete ich ihn, dass wir deren Anblick im Hinabsteigen sattsam ge- 
messen würden, und so trennte sich endlich auch Franz von der 
theuren Rundsicht, trabte wohlgemuth mit bergabwärts und vergnügte 
sich an einer, von Vogl wohl zu seiner Zerstreuung gewählten ko- 
mischen Geschichte, welche unlängst im Kärnthnerthortheater vorge- 
kommen wäre. Es habe sich nämlich der erste Flötist oft gerühmt, 
dass ihn nichts im Blasen irre machen könne; als er nun kürzlich 
in der Probe eines Concertes als Solist auf der Bühne gestanden 
sei, im Begriffe sein Fürstenau'sches Concertante anzufangen, habe 
sein College als Repirnist unten im Orchester ganz geruhig eine 
Citrone aus der Tasche gezogen, sie aufgeschnitten, und den saftigen 
Anschnitt dem dies wohl bemerkenden Freunde so nahe hingeboten, 
dass diesem das Wasser im Munde zusammenlief, und selbstverständ- 
lich das Weiterblasen unmöglich wurde. (Schluss folgt.) 

COßRESPONDENZEN. 



Aus W i e n. 

(Oper. — Die Concerte der Gesellschaft der Musikfreunde.) 

Die Charwoche , mit der die Wintersaison abschliesst t bietet 
willkommne Gelegenheit, über die seitherigen Leitungen der Oper 
Revue zu halten. Der Vollständigkeit halber seien die Monate bis 



zurück incl. Juli vergangenen Jahres mit einbezogen. Eine tabel- 
larische Uebersicht alles Gebotenen sagt mehr als ganze Spalten. 
Vom 1. Juli 1867 bis 4. April d. J. waren der Oper 190 Abende 
eingeräumt. Davon kamen 53 auf italienische Kost; die übrigen 
theilten sich in die deutsche und französische Oper. Von deutschen 
Werken wurde am häufigsten „Don Juan" gegeben (8 mal); diesem 
zunächst je 6 Mal: „Fidelio," „Iphigenia in Aulis," „Zauberflöte" 
(6mal); je 4mal : „Freischütz," „Hochzeit des Figaro;" je 2mal: 
„Oberon," „Jessonda," „Ilka;" je lmal: „Fliegende Holländer," 
„Nachtlager," „lustige Weiber von Windsor." Ueberwiegend oft 
wurden gegeben: „Afrikanerin" (Umal), „Romeo und Julie" (13mal, 
seit 5. Februar), „Faust" (llroal), „Teil" (lOmal), „Robert" (9mal), 
„Hugenotten," „Troubadour," „Norma," „Martha," (je 8mal). Die 
meisten Abende hatten Meyerbeer (42 mit 6 Opern), Gounod 
(24 mit 2 Op.), Verdi (24 mit 4 Op.), Mozart (20 mit 3 Op.), 
Donizetti (14 mit 4 Op.), Bellini (11 mit 2 Op.), Rossini 
(10 mit Teil). Nur Einen Abend erlebten: Kreutzer (Nacht- 
lager), Halevy (Jüdin), Nicolai (lust. Weiber), Mehul (Josef), 
B o i 1 d i e u (weisse Frau) uud — Wagner (fliegende Holländer). 
Es traten 14 Gäste auf, von denen zwei (BerthaEhnn und Tenorist 
Adams) engagirt wurden. Mit den übrigen Gästen hatte sich die 
Direction viel Hauskreuz geschaffen. Der Tenor Hacker und 
Bassist Scaria traten jeder nur zweimal, Walter aus Graz und 
Frl. Wilde aus Hamburg gar nur einmal auf; es genügte, um die 
Direction zu überzeugen, dass sie von dieser Seite kein Heil zu 
erwarten habe. Wenn auch Frl. v. Edelsberg dagegen 16mal 
auftrat, vermochte sie doch nicht, das Publikum zu erwärmen, ob- 
wohl man in ihr die routinirte Künstlerin, namentlich ihr Schauspieler- 
talent acerkannte. Dasselbe galt von Frau Bianca Blume (Frl. 
Santner aus Berlin), in der man ebenfalls die Schauspielerin über 
die Sängerin setzte. Frl. v. Edelsberg gefiel noch am meisten als 
Azucena, Frau Blume als Pamine. Frau Pauli-Markovits aus 
Pesth fand als gewandte Coloratur-Sängerin mehr Gnade. Von Allen 
aber ist Frau v. Voggenhuber aus Bremen hervorzuheben, die 
Kritik und Publikum einstimmig lobten. Ihre Leistungen als Leo- 
nore (Fidelio), Margarethe und Selika bewiesen, dass man es hier 
mit einem wirklichen Talent zu thun hatte, dem nur die letzte Feile 
fehlte, um die Lücke einer dramatischen Sängerin auszufüllen. Leider 
zerschlugen sich die Engagements - Verhandlungen an Böswilligkeit 
oder Missverständnissen. Die von der Kunst wahrhaft durchdrungene 
Künstlerin ging und ist nun in Berlin engagirt. Frl. Carina gab 
schon im Juli ihre Antrittsrollen, wurde aber, obwohl mit hohem 
Gehalt gewonnen, nur wenig und in letzterer Zeit gar nicht mehr 
beschäftigt. Sie tritt nun im Juli ganz aus dem Verband der hie- 
sigen Oper. Frl. Bertha Ehnn gefiel gleich anfangs als Gast so 
sehr, dass man alles versuchte, sie ihrer Verbindungen in Stuttgart 
zu entledigen. Die wirklich vorteffiiche Säugerin trug ihr Möglichstes 
dazu bei und ist nun seit Januar d. J. wirkliches Mitglied*des Hof- 
operntheaters. Bei ihrer Jugend , mit reichen Mitteln begabt und 
beseelt von echtem Knnstlerdrang, berechtigt sie jedenfalls zu schönen 
Hoffnungen. Auch der Tenor A dam s wurde schon im Juli engagirt. 
Er singt mit richtigem Verständniss und wahrem Ausdruck, wenn er 
auch nicht dem entsprechend durchdringt; seine Stimme ist etwas 
spröde und wenig sympathisch. FrauWilt wurde wieder auf fünf 
Monate engagirt. Auch ihr fehlt die Wärme des Ausdrucks, die 
dramatische Gestaltungsgabe, doch ist ihr Vortrag correct, die In- 
tonation stets rein und die Stimme, namentlich in der höheren Lage, 
von seltener Fülle. Frl. v. Murska oder richtiger Frau Eder 
figurirt auf dem Theaterzettel stets als Gast, was freilich mehr auf- 
fällt und die übrigen Mitglieder gleichsam zurücksetzt. Frau Murska 
findet es besser, sich nicht auf längere Zeit zu binden ; um ihrer 
habhaft zu werden, hat die Direction viel Ungemach auszustehen. 
Frau Murska, das Enfant che'ri gewisser Kreise, vergisst, dass die 
Tage Niemanden jünger machen und dass die Zeit mit ihrer Stimme 
keine Ausnahme machen wird. Bei ihrer Lebensweise hat sie alle 
Anlage dazu, gleich so mancher dahin geschiedenen Sängerin, ihre 
Tage einst dort zu beschliessen, wo sie Niemand aufsuchen wird. — 
Von den übrigen Sängerinnen ist noch Frau Dustmann, Fräulein 
Gindele, Frl. v. Rabatinsky und Frl. Beuza zu erwähnen. 
Alle vier sind sehr verwendbare Mitglieder dieser Bühne ; letztere, 
mit einer wahrhaft üppigen Stimme begabt, hat nun auch in grösseren 
Rollen (Alice, Iphigenia) gezeigt, was man von ihr noch erwarten darf. 



- 63 - 



Aus Mannheim. 

(Schlu88.) 

Der „Musik-Verein," welcher sieb der Pflege ernsterer Mnsik, 
sowohl rein vocaler Art, als mit Begleitung, vorzugsweise widmet, 
und unter der Leitung des Concertmeisters Herrn Koning immer 
bedeutendere Resultate seines Strebens erzielt, gab diesen Winter 
zwei Concerte, in deren ersterem die Hauptnummern folgende waren: 
„Tantum ergo* Chor von Cherubini, zwei Gesänge für Frauen- 
ebor mit Begleitung von Harfe und zwei Hörnern, von Brahms, * 
„O weiut um sie," Hymne für Chor und Sopransolo von Hill er, 
und die achtstimmige Motette „Fürchte dich nicht" von Seb. Bach. 
Die Ausführung derselben zeugte von gewissenhaftem Studium und 
erlangte allseitigen Beifall, Der Eindruck, den die Frauenchöre von 
Brahms hervorbrachten, war hier ein ähnlicher, wie er seit kurzer 
Zeit auch von anderen Seiten her gemeldet wurde, nämlich der des 
Befremdens wegen der häufig unbefriedigt lassenden melodiösen und 
harmonischen Führung. — Das zweite Concert des Musik -Vereins 
bestand in der Aufführung von Mendelssohn's ,.Elias" unter Mit- 
wirkung des Herrn C. Hill aus Frankfurt, der Damen Rei s er und 
Hausen und des Hoftheater »Orchesters, die weiteren Solostimmen 
waren in den Häuden von Vereins- Mitgliedern. Diese Aufführung, 
welche zugleich einen bedeutenden Fortschritt des Vereins bekundete, 
war in allen ihren einzelnen Theilen unstreitig die gelungenste, seit 
Herr Koning die Leitung desselben übernommen , und machte auf 
die den ganzen Saal füllenden Zuhörer den günstigsten Eindruck. 

Ein Concert des „Sängerbunds" konnte Ref. nicht besuchen, 
doch kann derselbe nicht unbemerkt lassen, dass das Programm ein 
interessantes war, indem es Werke von Gade, C. Kreutzer, 
Schumann, F. Schubert {Adagio und Finale aus dem B-dur 
Trio), A. B. Marx, Brahms und M. B r u ch enthielt. 

Die „Liedertafel" trat ebenfalls mit einem Concert vor die 
Oeffentlichkeit, und brachte Chöre von Speidel, Abt, M. Haupt- 
mann, Esber und Vogel, sowie Einzelquartette von Hermes 
und Sucher zur Aufführung, wovon hauptsächlich die Motette von 
Hauptmann: „Ehre sei Gott in der Höhe" und das mit Piano be- 
gleitete Lied von Esser: „Der Frühling ist ein starker Held" den 
allgemeinsten Beifall fanden. 

Der „Dilettanten- Verein" entwickelt grosse Rührigkeit und hat 
bis jetzt drei Concerte gegeben, welchem ein weiteres durch die 
jungen Mitglieder der „Vorschule" folgte. Dieser Verein gibt, ab- 
gesehen von der Pflege der Orcbestermusik, hauptsächlich auch 
jüngeren Talenten Gelegenheit, mit Gesang-, Declamations- und In- 
strumental-Vorträgen vor die Oeffentlichkeit zu treten. 

Die früheren Quartett-Aufführungen der Herrn Koning, Heidt, ' 
Mayer und Kün ding er haben seit diesem Winter in sofern eine 
Bereicherung erhalten, als in denselben nun auch Werke für Ciavier 
und Streichinstrumente zur Aufführung kommen, wobei Hr. Mertke, 
in diesen Berichten schon öfters vortheilhaft erwähnt, die Ciavier- 
Partie übernommen hat. Bis jetzt haben drei Aufführungen stattge- 
funden, worin Quartette von H ay d n, B-dur Nr. 61 und 67, Mozart 
D-moll, Beethoven E-mollNr. 8, Es-dur Nr. 10, Mendelssohn 
Es-dur Nr. 1 Op. 12, sowie Trio's für Ciavier, Violine und Violon- 
cell von F. Schubert, B-dur, Beethoven, B-dur Op. 97 und 
Rubinstein ebenfalls in B-dur. Die Aufführung dieser Werke 
war, wie wir dies von den genannten Herrn gewohnt sind, eine tadel- 
lose ; die Hinzufügung von Ciaviermusik wurde von den Freunden 
der Kammermusik mit grosser Befriedigung entgegengenommen. 

In der Oper gastirte als Mephistopheles in Gounod's „Faust" 
Herr Kögel vom Stadttheater in Basel, derselbe wird demnächst 
sein Gastspiel hier fortsetzen, welches im entsprechenden Falle zu 
einem Engagement an hiesiger Bühne führen soll, da der bisherige 
Bassist, Herr Becker, in den nächsten Tagen dieselbe verlassen 
wird. Fräulein R e i s s trat zweimal als Gast auf, in Gounod's 
»Faust" als Margarethe und in der „Nachtwandlerin" als Amiua, in 
welch letzterer Rolle ihre treffliche Gesangsbildung als besonders 
beachtenswerth erschien, während in beiden Rollen ihr Spiel ein 
sehr verständiges und wohl durchdachtes war. — Die einzige seit 
meinem vorigen Bericht hier vorgekommene Opern -Novität ist die 
komische Oper „die Reise nach China" von F. Bazin, welche am 
29. März zum erstenmal hier aufgeführt wurde und einen entschieden 
günstigen Erfolg hatte. Die Musik, von leichtgefalliger Art, passt 



sich dem sehr gut bearbeiteten und unterhaltenden Sujet vollkommen 
an und bietet namentlich der Coloratursängerin und dem Tenor in 
Lied, Arie und Duett manche höchst dankbare Momente, deren treff- 
liche Ausführung von den Zuhörern mit reichlichem Beifall belohnt 
wurde, andrerseits sind es mehrere Spielpartieen, deren mit ergötz- 
lichem Humor gegebene Situationen die Lachmuskelu häufig genug 
in Bewegung setzten. Es ist sonach nicht zu zweifeln, dass diese 
hauptsächlich heiterer Unterhaltung dienende Oper sich auf dem 
Repertoir erhalten wird. 



Aus Stuttgart. 

T. Da Sie über die Prüfungsconcerte unseres Conservatoriums 
diesmal von einer anderen Feder Bericht erhalten, so kann ich so- 
gleich an die Besprechung des Palmsonntag-Oratoriums gehen, wozu 
heuer Z e n g e r s „K a i n" gewählt worden war. Mehrere Wochen 
hindurch waren die Chöre im Singverein und kgl. Siogchor nach 
Kräften vorbereitet worden; die letzten Proben wurden vom Ton- 
setzer selbst gehalten, welcher auch die Aufführung mit Feuer und 
Gewandtheit dirigirte. Der Erfolg war so günstig, als er an einem 
Tage sein konnte, wo zumeist geistliche Musik gegeben und desshalb 
nicht applaudirt wird ; darum kam auch diesmal kein herzhafter 
Beifall zu Stande; überdies war draussen das herrlichste Wetter, 
innen aber drückende Hitze , die Hörerschaft wenig zahlreich und 
ziemlich apathisch, zudem stark mit jenen stock schwäbischen Ele- 
menten versetzt, denen das „Nette" höher gilt als das Tiefe und 
Grossartige, und denen schon das Verständniss des bedeutenden, von 
Th. Heigel nach Byrons gleichnamigem Mysterium geschickt bear- 
beiteten Textes schwer fallen mochte. Aber alle Kenner waren da- 
rüber einig, dass Zengers Musik, die in München so durchschlagenden 
Erfolg gehabt hatte, gross gedacht, tief empfunden und voll edler 
Melodie sei. Die Declamation ist musterhaft, die Harmonik stets 
interessant, oft von frappirender Neuheit, die Instrumentation farben- 
reich und effectvoll, die Stimmführung stets fliessend, und die fugirten 
Chorsätze zeugen von gediegenen Studien. Die prächtigen Chöre, 
bald drei-, bald vier- und sechsstimmig fanden auch den meisten 
Beifall ; sie gingen durchweg vortrefflich und die frischen Stimmen 
des Singvereins und Conservatoriums thaten ihre gehörige Wirkung. 
Unter den Solopartieen aber waren nur „Kain" durch Hrn. Schüttky 
und „Adah" durch Frl. Klettner tüchtig vertreten; die übrigen 
kamen nicht vollständig zur Geltung, so dass gerade manche hoch-« 
dramatisch angelegte Scene der gehörigen Zugkraft entbehrte. Sehr 
brav war das Orchester, das trotz der wenigen Proben seine schwie- 
rige Aufgabe meisterhaft löste. Hrn. Hofcapellmeister Abert, 
welcher dieses so bedeutende Tonwerk noch auf das Programm dieser 
Saison setzte, sagen wir dafür den wärmsten Dank, und sind über- 
zeugt, dass jeder Dirigent, der hierin seinem Beispiele folgt, eben- 
falls herzliche Anerkennung dafür finden wird. 

Von unserer Hofbühne wissen wir Nichts zu vermelden, als etwa 
den Abgang des Hrn. Wallenreite r, welchem die Lokalpresse 
gerade keine schmeichelhaften Nachrufe widmete. Da wir aber nicht 
zu jenen Kläffern gehören, welche den todten Wolf noch in die Wade 
beissen so enthalten wir uns, wie seinerzeit bei Eckerts unfreiwilligem 
Rücktritt aller Randglossen und begnügen uns mit der Thatsache. Im 
„Teil" hörten wir Hrn. B o h 1 i g vom Mainzer Stadttheater als Arnold, 
und fanden in ihm einen von der Natur mit hübschen Mitteln be- 
gabten Sänger, der' bei fleissigen Studien noch Erfreuliches zu leisten 
verspricht; seine Bravour-Stellen im Duett des ersten und Terzett 
des zweiten Aktes fanden lebhaften Applaus, obschon das hiesige 
Publikum au weniger schlanke Tenoristen gewöhnt ist; wir hoffen 
ihn noch in anderen Partieen zu hören. 

Eine gewaltige künstlerische That Fai ssts war die Aufführung 
der vollständigen Matthäus - Passion, mit allen Da Capo's etc., am 
Gründonnerstag und Charfreitag in der Stiftskirche, unter Mitwirkung 
der kgl. Hofcapelle , sowie zahlreicher Singvereiusmitglieder und 
Conservatoriumszöglinge, dann der Damen Winter -Werber und 
Marschalk, der HH. Brandes von Carlsruhe, Schütky und 
R o s n e r. Da das Meiste noch von früheren Aufführungen her sicher 
sass, so genügte eine Hauptprobe, um ein gelungenes Ganzes her- 
zustellen; doch dürfte sich für die Zukunft wieder manche Auslassung 
empfehlen, so dass der Stoff auf einen Abend zuzammenzudrängen 



— 64 



vrttre, natürlich mit Beibehaltung aller jeneT unvergänglichen Meister- 
stücke wie des Anfange- und Schlusschors, der Arien in H-moll (Sopran), 
C-moll (Tenor), H-moll (Alt), A-moll (Sopran) und der meisten Cho- 
räle. Der Zadrang war diesmal ausserordentlich, was neben der 
üblichen religiösen Gewohnheit wohl auch dem erhöhten Interesse 
anzuschreiben ist. 



Haehriehten, 



London, März 1868. (Schumann Evenings.) Unter diesem Namen 
(Schumann-Abende) hat der bekannte Ciavierspieler und Com- 
ponist Herr Adolph Seh loesser in diesem Monate 4 Concerte 
gegeben, deren Programm, wie der Titel schon angibt, ausschliesslich 
den Werken Schumann's gewidmet war, und freut es mich Ihnen 
Über den glänzenden Erfolg derselben berichten zu können. Das 
Unternehmen hat wahres Aufsehen in der Kunstwelt gamacht, um 
80 mehr, da die Fresse im Allgemeinen höchst ungerecht gegen die 
Compositionen dieses Meisters ist und jede Gelegenheit ergreift, das 
Genie desselben in Frage zu stellen; und doch ist die Wirkung 
auf das Publikum bei der Aufführung einer seiner Sinfonien oder 
dergleichen gar nicht zu verkennen. Herr Schloesser war aber trotz 
dieser Verhältnisse auf acht künstlerische Weise von der guten Sache 
-durchdrungen und widmete sich mit solchem Enthusiasmus dem 
Studium des grossen Meisters, dass er sein Auditorium wahrhaft be- 
begeisterte. An den 4 Abenden kamen die 3 Ciavier - Trio's zur 
Aufführung; die Phautasiestücke für Ciavier, Violine und Cello, die 
3 Romanzen für Violine und Ciavier; die Phantasiestücke für Cla- 
rinette und Clavior; Mährchenerzählungen für Clarinette, Viola und 
Ciavier; Stücke im Volkston für Cello und Ciavier; das Duo für 2 
Pianos ; Ciavierquartett (auf Verlangen wiederholt), das Es-dur-Quin- 
tett und Streichquartett in A-moll ; die Gesangsnummern waren mit 
grosser Sorgfalt gewählt und feierte Schumann einen wahren Triumph 
bei einem höchst ausgewählten und zahlreichen Publikum, das mit 
steigendem Interesse von einer Woche zur anderen den Concerten 
entgegen sab. Herr Schloesser bewährte sich auf's Neue als einen 
unsrer tüchtigsten Pianisten und brachte die verschiedenen Werke 
in seltener Vollendung zur Aufführung ; der geschätzte Künstler war 
aufs Vortrefflichste unterstützt von den Herrn Straus, Pollitzer, 
Wiener, Joffrie, Paque, Daubert und Passe sowie von den 
Damen Rüde rs dor ff, Drasdil, Bramer und Schiller. Ich 
kann nur im Namen des gebildeten Publikums Herrn Schloesser für 
den seltenen Kunstgenuss den er geboten danken und ihm gratuliren 
zu dem Erfolge den er für sich selbst und für Schumann errungen ; 
hoffentlich werden diese interessanten Abende von Jahr zu Jahr 
wiederholt werden und somit diesen Werken immer mehr Eingang 
und Anerkennung verschafft. 

Berlin. Am 21. März fand das 40jährige Jubiläum des Hrn. 
Capellmeisters H e i n r i ch D o r n als Operndirigent statt. Der 
König verlieh dem verdienten Jubilar den Kronenorden und die Ca- 
pellmitglieder überreichten ihm in feierlicher Weise eine werthvolle 
Büste Beethoven's. 

— Frl. U 1 r i 9 h s aus Wien ist zu einem dreimaligen Debüt 
am kgl. Operntheater behufs Engagement hier eingetroffen. 

— Die General-Intendanz hat mit den beiden Tenoristen Wach- 
tel und Nie mann in der Weise contrahirt, dass von nun au ers- 
tem vom 1. December bis Mitte März, der letzte aber während der 

übrigen Monate der Saison dem kgl. Operntheater angehören wird. 
FftriS. Rubinstein gab am 19. März sein erstes Concert in 
Paris und zwar mit einem so schlagenden Erfolg, wie ihn dort 
noch selten ein Virtuose bei seinem ersten Auftreten erzielt haben 
dürfte. Am 25. März folgte sein zweites Concert und der Beifall, 
den er durch seine genialen Leistungen errang, war ein nicht minder 
enthusiastischer als in seinem ersten Concerte. Er wiederholte sein 
D-moll-Concert und danu noch verschiedene kleinere Sachen von 
seiner Composition. MI1. Whist, eine amerikanische Sängerin von 
bedeutender Begabung, sang mit vielem Erfolg den Schattentanz aus 
„Dinorah." 

— Der Violoncellist Fe ri Kl etzer ist nach einer erfolgreichen 
Kunstreise durch Spanien und Portugal hier eingetroffen. Auch 
A Hr e d J a e 1 1, welcher in Monaco, Nizza und Lyon grosses Aufsehen 



durch seine vortrefflichen Leistungen erregte, befindet sich gegen- 
wärtig in Paris. 

*** Der Tenorist Gustav Walter vom Hofoperntheater in 
Wien hat am 1. April einen dreimonatlichen Urlaub angetreten, 
welchen er zu Gastspielen in Deutschland, mit M a n n h e i m, Com 
etc. benützen wird. 

V Der Tenorist B o h 1 i g vom Stadttheater in Mainz hat in 
Stuttgart als Arnold im „Teil" und als Faust in der Gounod'schen 
Oper mit glänzendem Erfolg gastirt und wird im Monat Mai wieder» 
holt dort auftreten. 

*** Stock hausen und Brahm's concertiren mit enormem 
Erfolge in Kopenhagen. Ebendaselbst wird auch das Floren- 
tiner Quartett erwartet. 

*** Das Programm des zu Pfingsten unter Ferd. Hiller's Leitung 
in C ö 1 n stattfindenden diesjährigen niederrheinischen 
Musikfestes ist dem Vernehmen nach folgendes: Am 1. Taget 
„Messias" von Händel, mit den Solisten Frau Harr i ers- Wip- 
pern aus Berlin, Frau Joachim ans Hannover, Dr. Gnnz au» 
Hannover und Dr. Schmi d aus Wien. An diesem Tage wird auch 
Joachim ein Violin-Solo vortragen. Der 2. Tag bringt: Ouvertüre 
von N. W. G a d e unter dessen persönlicher Leitung, Pfingstcantate 
von S. B a ch, der achte Psalm (Nr. 114) von Mendelssohn,. 
Theile aus der ,,Vestalin u von Spontini und die 9. Sinfonie von 
Beethoven. Den dritten Tag füllen eine Ouvertüre von H i 1 1 e r, 
eine Sinfonie von Schumann, ein Violin-Concert von Joachim 
und verschiedene Solo-Vorträge aus. 

*** Am 21. März, dem 200. Geburtstage des J o h. S eb. B a cb, 
wurde in Eisenach an dem Geburtshause des grossen Meisters eine 
einfache Gedenktafel unter entsprechenden Feierlichkeiten angebracht. 
Den ersten Anlass dazu hatte Bach's Biograph, der preussische Ge- 
heimrath Bitter gegeben. 

ANZEIGEN. 



Für Wännergesangvereine and Concert - Institute. 

Im Verlage von F. E. C* Ijeuekart in Breslau sind 
erschienen : 

(Salamis. 

Siegesgesang der Griechen. 

Gedicht von Hermann Lingg 
für Solostimmen, Männerchor und Orchester 

componirt von 
Max II r u cli 

Op. 25. 

Partitur 2 1 /* Thlr. Orchesterstimmen 3 1 /* Thlr. Ciavierauszug 
1*/, Thlr. Solo- und Chorstimmen 1 Thlr. 
In demselben Verlage erschienen: 

Brucli, Max, Op. 23, „Frithjof." Scenen aus der Frithjof-Sage 
von Esaias Tegn&r für Männerchor. Chorstimmen und Orches- 
ter. Partitur 7 Vi Thlr., Orchesterstimmen 8 Thlr. Ciavier •Aus- 
zug 2 7» Thlr. Chorstimmen 20 Sgr. 

Hieraus einzeln: Iilgehorg's „Klage," für Sopran mit 
Piano 10 Sgr. 

Falsst, Immanuel, Op. 25. Die Macht des Gesanges, Ge- 
dicht von Schiller. Für Männerchor mit Begleitung von Blas- 
instrumenten und Pauken (Preisgekrönt). Partitur 3 Tnlr* 
Ciavierauszug l 9 /* Thlr. Singstimmen 1 Thlr. 

Gottwald, Heinrich, Op. 11. „Ins Freie 1" Gedicht voa 
H. Linke, für Männerchor mit Begleitung von Blasinstrumenten. 
Partitur mit untergelegtem Ciavierauszug und Singstimmen l 1 /» 
Thlr. Singstimmen apart 10 Sgr. 

Hiller, Ferdinand, Op. 107. Aus der Edda (Osterfeuer und 
Ostara). Zwei Gedichte vonEHar Ling, für Männerchor mit 
Orchesterbegleitung. Partitur 2 Thlr. Orchesterstimmen 2. Thlr. 
Ciavierauszug 1 Thlr. Singstimmen 15 Sgr. 

Vterlittg, Georg, Op. 32. „Zur Weinlese" nach Anakreon 
von Franz Grandaur, für Männerchöre und Orchester. Partitur 
2 Thlr. Orchesterstimmen 2 7» Thlr. Ciavierauszug 15 Sgr» 
Singstimmen 15 Sgr. 



Verantw. Red. Ed. Föekerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



fc* 17. 



27. April 1868. 



SUDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



; Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 
Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 

\ luugen. 



V © ff II 8 g 



von 



B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

' Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



T "1 

j PBEIS: 

jfl.2.42kr.od.Th. 1. 18Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 

50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 

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INHALT: Eine Schubertiade. — Corresp. : Wien. Magdeburg. Berlin. — Nachrichten. 



Eine Schubertiade. 

(Nach Bruchstücken aus dem Nachlasse meines Grossonkels.) 



(Schluss.) 

Unter diesen nnd ähnlichen Schnurren waren wir endlich wie- 
der in die Schlucht herabgekommen ; da richteten wir uns etwas 
zusammen, um in Langbath als civilisirte Menschen auftreten zu 
können. Bald sassen wir in einem traulichen „Salettl," aus dem 
wir auf See, Erlakogel und Sonnenstein sahen, und bald funkelte 
vor uns der purpurne Vöslauer und dampften die unvermeidlichen 
Schnitzel, die uns trotz dem Parasitengeschmeiss unzähliger Fliegen 
und Wespen doch köstlich mundeten und Franz oft ein behagliches 
Gesumme entlockten, wobei er die runden Aeuglein muthwillig bis 
an die Ohren zurückdrehte. So oft die muntere Cilly zum Ein- 
schenken kam, blickte er fragend auf Vogel, der immer ruhig zu- 
nickte mit den Worten : „Heut' leidet's noch viel." 

Aber endlich litt's der Eopf nicht mehr. Als ich mich nun 
verabschieden wollte, packte mich Vogl fest am Arme und rief mit 
einer Posaunenstimme : „Nichts da, lieber Herr ! heut' bleiben Sie 
noch bei der Ueberraschung, die sie meinem Franzi in Gmunden 
drunten zugedacht haben , das müssen Sie sehen und hören : 's ist 
immer ein Urspektakel, solch eine — flüsterte er mir noch in's 
Ohr — eine Schubertiade!" 

Verblüfft und fragend sah ich ihn an; er aber zwinkerte mit 
den Augen und lächelte : „Werden's schon sehen ; für jetzt lassen 
wir uns in einen Einbaum packen und in dem schönen Nachmittag 
nach Gmunden hinabrudern." 

Sprach's und pfiff einem Schiffer, der uns sofort zu seinem 
„Traunerl" geleitete ; Waldl war der Erste drinnen und hatte sich 's 
gleich bequem gemacht; wir Andern folgten und lustig schwamm 
nun die grüne Fläche und die bunte Uferpracht uns entgegen und 
vorüber ; auf den östlichen Bergen lag noch warm und golden die 
Sonne, während im Westen sich schon blaue kühle Schatten herein- 
legten. Als wir an Ebenzweyer hinfuhren, erhob sich Vogl und 
sang mit mächtiger, weitscballender Stimme, wobei ihm Franz stel- 
lenweise secundirte : 

„Ueber den Wipfeln des westlichen Haines 
Winket uns freundlich der röthliche Schein ; 
Unter den Zweigen des östlichen Haines 
Säuselt der Calmus im röthlichen Schein; 
Freude des Himmels und Ruhe des Haines 
Athmet die SeeP im erröthenden Schein 1" 
Und wie sie geendet, schollen vielstimmige Freudenrufe vom 
Gmundner Gestade, dem wir indessen nahe gekommen waren. Am 
Strande sah ich es von schmuck gekleideten Frauen und Mäunern 
wimmeln, uud noch ehe wir anlegten, klatschten sie in die Hände 
und jubelten : „Da kommen sie, da sind sie !" Als ich ausgestie- 
gen, schienen mir die beideu Freunde unter Umhalsungen und wah- 
ren Wolkenbrüchen von Küssen und Händedrücken verloren, und 
als ich sie endlich wieder zu Gesichte bekam, hub ein endloses 



Vorstellen an ; ich machte unzählige neue Bekanntschaften, worunter 
ich mich nur mehr an einen Hofrath Schiller mit seinen Töchtern, 
einen uralten Hrn. Klodi, dann an die Wiener Dichter Mayerhofer 
und Schober erinnere. 

So viel wusste ich bald, dass unseren Frauz zu Ehren, der mit 
Zunamen Schubert hiess, ein kleines Fest, eine Art Suite ver- 
anstaltet war, die man eine Schubertiade nannte und mit der 
man ihn gewissermassen überrascht hatte. Er wie sein Begleiter 
erschienen in kurzer Frist wieder in eleganterer Toilette ; auch ich 
hatte Gelegenheit gefunden, mein Aeusseres etwas sauberer umzu- 
gestalten, und nun war die Gesellschaft in einem geräumigen Gar- 
tenpavillon versammelt, dessen eines Flügelzimmer eine grosse ge- 
deckte Tafel umfing, während das andere und der Mittelsalon nur 
mit zahlreichen Sophas und Stühlen besetzt waren ; in letzterem 
stand ein Streicher 'scher Flügel geöffnet, nnd auf diesen schritt 
nun unser Franz los, des Hofraths Amalie am Arme führend. Als 
sie und sämmtlicbe Zuhörer sassen, erhob sich der schöne, blonde 
Schwede, Hr. v. S c h o b e r, und begrüsste in begeisterter Ansprache 
die beiden Künstler, welche der Gesellschaft heute den vorgestern 
bereits probirten Cyclus der Müllerlieder vorführen würden ; ala 
Einleitung werde Frl. Amalie mit dem Componisten ein ungarisches 
Divertissement vortragen. Diesen Worten folgte lebhafter Beifall; 
dann begann die Musik und ich hatte während derselben Müsse die 
Gesellschaft zu betrachten. Sie schien zumeist aus Sommergästen 
von Wien und Honoratiorenfamilien aus der Umgegend zu bestehen ; 
Mode und Frisur waren damals geschmacklos genug; die glatten 
durchsichtigen Kleider mit den hohen Taillen entstellten jede Figur ; 
doch wussten die jungen Mädchen, deren viele und bildhübsche da 
waren, sich gleichwohl gar vortheilhaft zu präsentireu ; wegen der 
Abendschwüle hatten sie die gezackten Halskrausen und unförm- 
lichen Bauschärmel abgelegt und prangten nun mit dem Schimmer 
ihrer Schultern und der Fülle ihrer Arme. Nach jedem der drei 
Sätze des phantasiereichen, in schlagend characteristischer und doch 
massvoll veredelter Weise das Wesen jener wilden, in den schfitf- 
sten Contrasten spielenden Zigeunermusik wiedergebenden Tonwei- 
kes erschollen laute Freudenrufe, und zuletzt konnte ich mich kaum 
durch das Gedränge der Glückwünschenden hindurchwinden, um 
meinem jungen Reisegefährten, der sich als ein so hochbegabter 
Künstler entpuppte, auch mein Dankesscherflein darzubringen. Jetzt 
erhob sich der Dichter Mayerhofer und sprach mit körniger, wohl* 
thuender Stimme den Prolog W. Müller's zur „schönen Müllerin ;" 
zugleich führte die Hofräthin meinen Freund Vogl am Arme an'a 
Ciavier und überreichte ihm ein geschriebenes lieft; dieser legte es 
dankend weg, und als man es Franz auf's Notenpult legen wollte, 
schob dieser es ebenfalls bei Seite. Hochaufgerichtet stand Vogl 
da, wie ein edler Improvisator; Schubert griff in die Tasten und 
nun entwickelte sich ein poetisch - musikalischer Hergang, wie ich 
zeitlebens nichts Idealeres, Ursprünglicheres, Wahreres uud Erschüt- 
ternderes gehört habe. Man denke sich Tonsetzer und Begleiter in 
einer Persou, dabei mit dem Sänger und dieser wieder mit Wort 
und Musik so verwachsen, dass jede seiner Regungen in die letzte 



— 66 - 



Ciaviersaite .nachzittert, dass bich diese verschiedenen irdischen Fac- 
toren, losgelöst von Bachstaben und Noten, zu einem höheren, un- 
säglich ergreifenden Einen vergeistigen und verschmelzen — das ist 
der höchste Triumph der Kunst. Dabei wechselte auch Vogl's Miene 
und Stellung mit der Stimmung jedes Liedes; sein Lächeln unter 
Thräoen, das Funkeln wahnsinniger Eifersucht in seinem blitzenden 
Auge, das Zusammenbrechen seines titanischen Körpers unter dem 
Uebermasse des Leids ~ all das wareu unwiderstehliche Wirkungen 
Beines gewaltigen, dämonischen Naturells. Lautlos, iu's Tiefste ge- 
röhrt, hatten wir die traurige Liebesgeschichte miterlebt; dabei 
hatte uns nicht, wie es neuerdings Mode wird, das Geklapper von 
Theetassen und Tellern mit kalter Küche, dieser widernatürlichsten 
aller gastronomischen Combinationen, gewaltsam aus der Stimmung 
gerissen ; höchstens hatte uns die stellenweise dazwischentretende 
Declamation der drei von Schubert nicht componirten Gedichte, ob- 
schon sie Mayerhofer gauz meisterhaft sprach, etwas fremdartig be- 
rührt; als ich Schubert fragte, warum er der ästhetischen Einheit 
zu liebe nicht auch diese drei Gedichte in Musik gesetzt habe , 
meinte er, die darin steckende Ironie passe nicht so recht zum Sin. 
gen; wenigstens sei ihm für diese nicht wie für die andern sogleich 
die Melodie gekommen; vielleicht wolle er sie später genauer darum 
ansehen und sich doch dranmachen. Wir konnten nicht weiter spre- 
chen, denn er ward von den jubelnden Hörern in die Mitte genom- 
men und in's anstossende Zimmer zur Tafel geleitet, wo erundVogl 
die Ehrenplätze einnehmen mussten. Schubert galt der erste Toast, 
den der alte Klodi mit achtem perlendem Sillery ausbrachte ; damals 
hatte man noch nicht die dünnen hohen Kelche, sondern jene run- 
den schalenartigen, die leicht umiielen, die man also jedesmal aus- 
trinken musste. Daher wurde die Stimmung bald animirt und nicht 
lange stand es an, so erschollen auch Bundgesänge nach Schubert'- 
Bcher Melodie, die er zum Theil selbst mit gehobenstem Humor vor- 
sang, wie z. B. die drollige, von Claudius gedichtete Klage um „Ali 
Bey," das saftige Trinklied „Freunde, sammelt euch itn Kreise," 
und ein neues „Punschlied" von Mayerhofer, wozu er sogleich eine 
frische Melodie improvisirte. Jetzt begann überhaupt, wie mir Yogi 
vertraute, Schuberts liebste Zeit, die des Punsches und Tanzes; an * 
letzterem betheiligte er sich zwar nie, und auch heute sahen wir 
ihn mit seinem Punschglase hinter's Ciavier gehen, den gedungenen 
Spieler verabschieden und selbst, behaglich zurückgelehnt, in die 
Tasten greifen. Bald führten die schlanken Paare der Ecossaise 
verschlungenen Reigen; dann plötzlich schlug Franz den Rhythmus 
des deutschen Ländlers an und improvisirte die herzlichsten, glück- 
seligsten Melodien, so dass die Tänzerschaar innehielt und lauschte; 
die schmucken Mädchen, welche, wegen Mangels an jungen Män- 
nern, ohnehin grossentheils miteinander getanzt hatten, schlichen 
näher, lehnten sich von alleu Seiten um Franz und sahen seinem 
begeisterten Spiele zu, stritten sich auch, dem Dürstenden Punsch 
einzuflössen und wühlten in seinen krausen Haaren. Dann verliess 
sein Spiel wohl den Tanzrhythmus und heftigere Tonbilder bauten 
sich auf, die sich zuletzt in süsses Dahinschmachten verloren ; plötz- 
lich ein kecker harmonischer Ruck, und Alles wirbelte wieder in 
toller Lust weiter. Lange noch dauerte der Tanz ; aber so oft ich 
nach Schubert sah, kauerte irgend eine blonde oder schwarze Schöne 
neben ihm und flüsterte ihm artige Dinge iu's Ohr. Zuletzt zogen 
sie ihn uoch in ein Pfänderspiel, wobei die beliebte Auflösung des 
„polnischen Betteins" nicht fehlte; auch ich alter Knabe Hess es 
mir nicht übel gefallen ; nur unsere Catone Vogl und Mayerhofer 
hatten sich ernsthaft abgewandt. 

Mitten in die Lust hinein, schon lauge nach Mitternacht, er- 
schollen auf einmal die Klänge eines Männerquartetts. „Ah!" sagte 
Schubert gerührt, „das hat mir noch mein Hausherr, der brave Tra- 
wegen zugedacht; mit meinen eigenen Noten will er mich in Schlum- 
mer wiegen; gut, ich komme!" Sprach's uud schickte sich zum 
Heimgehen an ; nach langen und ausführlichen Abschieden waren 
wir endlich mit Yogi allein ; ich hatte Franz um ein Autograph ge- 
beten ; wie freute es mich, als er ein Blättchen herauszog, das er, 
wie er erzählte, mitten in dem Tanztumult schnell beschrieben habe 
und ich im Mondschein jene köstliche Ländlermelodie erkannte, die 
su belauschen die Täuzer heute zuerst innegehalten hatten. Sie 
war mir stets ein liebes Andenken an jene „Schubertiade" und möge 
diese kleine Skizze beschliessen : 




■#.* «.*. #. «. ■+ f. f. 



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2 



1 




I I 



CORRESPONDENZEN, 



Aus lf i e ii. 

(Schluss.) 

Unter den Mäunern steht Walter obenan. Der vortreffliche 
Tenor ist einer der wenigen Sänger, die an ihrer Ausbildung nie 
müde werden — ein wahres Muster für den Nachwuchs. Dr. S ch mi d 
der Mann mit der herrlichen sonoren Bassstimme, trat nach langer 
Krankheit itn November wieder auf, vom Publikum freudig begrüsst. 
Draxler, der schon in den 30er Jahren am Rhein gastirte, trotzt 
mit seinem Bass noch immer der Macht der Zeit; Rokitansky, 
ebenfalls Bassist, weiss seine Mittel wenig zu verwertbeu. Der 
Baritonist M a y e r h o f e r, zugleich tüchtiger Schauspieler, schmiegt 
sich jeder Rolle an ; gleich einem geschickten Reiter bändigt er 
auch die widerhaarigsteu Partien. B e ck mit seiner gewaltigen 
Baritonstimme übt in seinen Prachtrollen eine wahrhaft zündende 
Gewalt auf den Zuhörer aus; wer ihn aber als Don Juan hört, 
dürfte leicht an ihm irre werden. Der Tenor Erl, der seit etwa 
80 Jahren sich die Sympathie des Publikums erhielt, wurde mit 
ausgiebiger Pension ehrenvoll entlassen. — Die Direction ist bekannt- 
lich Ende September in die Hände Dr. Dingelstädt's überge- 
gangen. Als musikalischer Beirath und erster Capellmeister wurde 
ihm der verdienstvolle Esser zur Seite gesetzt. Es gab viel aus- 
zumerzen, manchen Schlendrian zu beseitigen. Im Chor namentlich 
räumte er auf gleich Zündnadelgewehren; manche überflüssig enga- 
girten Sterne zweiter und dritter Grösse sind freilich nicht so rasch 
vom Halse zu schaffen. Die zwei Glanzpunkte der neuen Direction 
waren bis jetzt die Aufführung der seit 1810 nicht gegebenen „Tphi- 
genia in Aulis" und Gounod's „Romeo und Julie." (Die Erstgenannnte 
war übrigens schon vorbereitet) Gounod dirigirte bekanntlich selbst 
am ersten Abend; seine Oper bat hier viel Glück gemacht,' wird 
aber auch vortrefflich gegeben. Gluck's Oper war eine Wohlthat 
für den Kenner ; aber auch der Laie musste ahnen, dass er hier 
die Alltagsstrasse verlassen und sich in höhern Regionen befand. 
Zwei neue Opern sind nun freilich für neun Monate zuwenig; wohl 
wurden einige Opern neu in Scene gesetzt (Favoritin, Rigoletto, 
Zampa), das Bedürfniss darnach war aber eben kein dringendes. 
Dass man vollends Wagner in neun Monaten mit einem einzigen 
Abend abspeisste, sieht fast einer Demonstration gleich. Wenn schon 
der Mann von Eisen sich nicht finden wollte für einen Lohengrin, 
Rieuzi (der hier noch nie gegeben wurde), hätte man wenigstens mit 
Wiederholungen der „fliegenden Holländer 8 auch die Wagner-Partei 
wenigstens in etwas befriedigen können, um so mehr, als man in 
B e ck einen Repräsentanten der Hauptrolle, wie keine Bühne be- 
sitzt. Die feiuere Spieloper scheint ganz abzusterben; alles treibt 
ins dramatische Holz; die Namen Boildieu, Mehul, Auber, 
Adam tauchen nur sporadisch auf. Es weht übrigens im Ganzen 
ein frischer Zug durch die meisten Vorstellungen und wenn zu dem 
neuen Opernhaus, dessen Vollendung noch geraume Zeit in Anspruch 
nehmen wird, die rechten Leute gefunden sein werden, dürfte auch 
für die Oper eine neue Aera hier anbrechen. 

Am heutigen Tage (Chardinstag) schlössen die Concerte der 
Gesellschaft der Musikfreunde für diese Saison ab. Wie 
gewöhnlich fanden vier Concerte im Abonement und ein ausseror- 
dentliches Concert statt. Was die Aufführung betrifft, bieten die- 
selben wohl das Beste, was Wien in diesem Fache zu bieten vermag. 



- 67 



Der Name Herbeck, der Leiter der Gesellschaftsconcerte und des 
damit verbundenen Singvereins, bürgt für Ausführungen, die kaum 
etwas ku wünschen übrig lassen. Schon die Grossartigkeit der Be- 
setzung im Orchester imponirt und was Herbeck in der Schulung 
eines Chores zu leisten vermag, hat er durch Jahre in überzeugend- 
ster Weise gezeigt. Der Zudrang zu diesen Concerten ist denn 
auch so bedeutend, dass selbst die weiten Räume des grossen Re- 
douten-Saales sich als unzureichend beweisen. — Das Programm 
der vier Concerte brachte Folgendes: Ouvertüre von Beethoven 
Op. 115; Sinfonien von Schumann (C-dur) und Beethoven's 
Neunte; Clavierconcerte von Mozart (D-moll, von Anton R üb i n- 
stein gespielt) und von Beethoven (C-dur, von Epstein gespielt), 
Violoncellconcert (von D av idoff gespielt). Ferner: Drei Sätze aus 
dem neuen Werke „ein deutsches Requiem' 1 von B rahme; Schu- 
berts vollständige Musik zu „Rosamunde" (wovon drei Nummern 
zum erstenmal) ; „der Rose Pilgerfahrt" von Schubert; Marsch 
und Chor aus „Medea" von Cherubini; mehrere Volkslieder; 
Arie von Händel (aus l Allegro ed il Pensieroso) und schwe- 
dische Lieder, gesungen von Frl. E n e q u i s t. Das Requiem von 
Brahms zeigt eine, weit über die Alltags-Auffassung hinausreichende 
Schöpfung, wenn auch ein darin versuchter endloser Orgelpunkt 
mit Paukenwirbel auf heftige Opposition stiess. Einzelnes aus Ro- 
samunde, namentlich die Balletmusik G-dur (Nr. 2) dürfte bald die 
Runde in allen Musikvereinen gemacht haben, diese Nummer ist von 
unwiderstehlichem Liebreiz. „Der Rose Pilgerfahrt" (hier zum ers- 
tenmal mit Orchester) fand eine wahrhaft weihevolle Wiedergabe. 
Die Clavier-Concerte ruhten in den besten Händen; ebenso lernte 
das Publikum in David off einen Künstler ersten Ranges kennen. 
Der Glanzpunkt aller Nummern aber war Beethoven's „Neunte," 
welche mit voller Hingabe vom Dirigenten und den Ausführenden 
aufgeführt wurde. Die Kosten dieses einzigen Concertes betrugen 
über 1600 fl. (im Orchester sassen etwa 125 Mitwirkende). — Es 
erübrigt nun noch, des heutigen „ausserordentlichen" Concertes zu 
erwähnen. Einige Nachzügler abgerechnet, schloss es die Saison 
glänzend ab. Zuerst das gewaltige Kyrie aus B a c h's H-moIl Messe 
mit seinem überwältigenden Tongewoge; dieser ernsten, gleichsam 
in Erz gegrabenen Schöpfung des Nordens ein Kind des Südens fol- 
gend, eine im Volkstöne gehaltene blühende: „Alte Marien-Litanei 
der Hirten" (zum Erstenmal) ;Mendelssoh n's prachtvollen Psalm 
„Richte mich Gott" (8stimmiger Chor) und zum Schlüsse Seh u b e r t's 
„Lazarus," Ostercantate für Soli, Chor und Orchester. Die Auf- 
führung war durchgehend« eine schwungvolle, meisterhafte. Repetirt 
wurdeijf.Litanei und Psalm, sie gingen Beide grade ans Herz. La- 
zarus war von Herbe ck, Schubert's getreuen Anwalt, bis ins klein- 
ste Detail aufs sorgfältigste einstudirt. Bis zum letzten Accord folgte 
das PubMÄm nw^m dach tigern If^fce^iise der edlen Schöpfung, deren 
textlichCTljStoff, fast nur von* Grab** undWerwesuug handelnd, nur 
durch eines Schuberts blühende, warm empfundene Muse geniessbar 
wurde. g^Frau Will sang ihre" Soli mit« überraschendem Gefühlsaus- 
druck, wie man ihn von der Bühne aus an ihr nicht gewohnt ist. 
— Die Bauangelegenheit des neuen Gesellschaftshauses und des 
damit verbundenen Conservatoriums für Musik schreitet rüstig vor- 
wärts. Mit dem Neubau der innern Staatseinrichtung dürften auch 
die, nun über ein halbes Jahrhundert eingebürgerten Gesellschafts* 
concerte und die Pflege eines , ins Kunstleben tief eingreifenden 
Conservatorium's in Jahr und Tag ihre Wirksamkeit in neuen, den 
Forderungen der Jetztzeit entsprechenden Räumen entfalten. 



Aus Magdeburg?. 

Der Ritter'sche Gesangverein hatte im Laufe dieses Winters 
drei musikalische Aufführungen verschiedener Art veranstaltet. Die 
erste, bereits zu Anfang November vorigen Jahres stattgefundene, 
erfreute die Zuhörer durch Fr. Seh über t's Liederkreis „die schöne 
Müllerin." Die hier gewählte Art des Vortrags, durch Einschaltung 
der von Schubert nicht componirten Lieder, sowie des vorausgehen- 
den und beschliessenden Prologs und Epilogs, auch dem Dichter 
gerecht zu werden, hatte zugleich die mittelbare Folge, dass auch 
jene Gesänge des Liederkreises, die von dem Publikum, wie von 
den Sängern, weniger beachtet zu werden pflegen, da sie eben ein- 
sein von geringerer Wirkung sind, zu voller Geltung gelangten und 



sich den bekannteren gegenüber ebenbürtig, zum Theil sogar höher 
als diese stehend erwiesen. Die zweite Aufführung (in der Weih- 
nachtszeit) brachte J. S. Bach's „Pastorella* für die Orgel, den 
von Ritter harmonisirten böhmischen Choral : „Heilig und zart ist 
Christi Menschheit" und den ersten Theil aus Handels „Messias. 
Die dritte Aufführung endlich (am 29. März) enthielt in der ersten 
Abtheilung einen vierhändigen wirkungsvollen Orgelsatz von Fr. 
Lachner, Chor- und Solosätze aus Händers „Susanna* und eine 
sehr zart und eigentümlich gehaltene lateinische Hymne für Solo- 
Sopran, Chor und Orgel von Ritter. — Aus der zweiten Abtheilung, 
weltlichen Inhalts, sind hervorzuheben : eine ansprechende, gesang- 
reiche Arie von Ehrlich und Beethoven's „Liederkreis." 
Beide Nummern sang Herr Julius Lorenz mit eben so schöner 
(Bariton-) Stimme, als mit warm empfundenem, tief ergreifendem 
Vortrage. *** 



Aus Berlin. 



Die chronologische Reihenfolge meiner Berichte (die ich in Folge 
persönlicher Erlebnisse in Verbindung mit vielfachem Unwohlsein 
verzögern musste) gestatte ich mir an diesem Punkte zu unterbrechen, 
um die Rede auf zwei Institute zu bringen, die durch ihre ununter- 
brochene Wirksamkeit und die Höhe ihrer Leistungen gleichsam als 
permanente Ereignisse Anspruch auf die besondere Aufmerksamkeit 
des Referenten haben, nämlich die von Hrn. Prof. Dr. Kullack 
geleitete Neue Akademie der Tonkunst, und die Capelle des 
kgl. Musikdirectors Hrn. Bilse. Es ist nämlich, was die erste an- 
langt, von einem nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Ge- 
schmacksbildung des Berliner Publikums, dass in jedem (wie im 
verflossenen) Halbjahr gegen 300 Eleven diese Akademie besuchen, 
von denen über die Hälfte auf die akademischen, der Rest auf die 
Elementarclassen rechnen, da von ersteren insbesondere in jedem 
Jahr eine nicht geringe Anzahl als durchgebildete Clavierspieler 
entlassen werden. Denn das Ciavierspiel würde vom Publikum nicht 
so bevorzugt und eifrig betrieben werden , wenn es nicht das Ver- 
mittelungswerkzeug zwischen der hohen Kunst und dem Bildungs- 
triebe der Kunstliebhaber wäre ; andererseits versteht sich von selbst, 
dass von Seiten der Akademie nur gute Musik und aus dieser nur 
Aufgaben gewählt werden, denen die Eleven gewachsen sind, letzterem, 
anderweit nur zu oft verletzten Grundsatze, sowie der in ihrer Art 
vielleicht einzig dastehenden Lehrkraft des Leiters verdankt die 
Anstalt ihre nachweisbaren periodischen Resultate. Dass ihrerseits 
das Clavierspiel nicht mit absichtlicher Einseitigkeit gepflegt wird, 
eine Annahme, die sich wohl nur wegen der Leichtigkeit ihrer Er- 
findung an die Eigenschaft des Chefs als Pianisten ersten Ranges 
knüpfte, bewies die am 20. März stattgehabte öffentliche Prüfung 
der Oberclassen dieser Akademie, welche im grossen Arnim'schen 
Saale ein sehr zahlreiches Publikum versammelt hatte. Als Schü- 
ler der Compositionsklasse des Hrn. Musikdirector Wuerst erwar- 
ben die Herren Klee aus Schwerin und Kirchner aus Potsdam 
sich die Anerkennung des Publikums wie der Kenner. Die Ouver- 
türe des Ersteren, das Scherzo des Letzteren , beide für Orchester 
geschrieben und von den Verfassern dirigirt, bewiesen eine sehr 
schätzbare Gewandtheit in der Handhabung der Formen und ein 
Erfindungstalent, welches sich in den Grenzen der vorgenommenen 
Muster mit Geschick bewegte. — Als Geiger traten aus der Ciasse 
des Hrn. Prof. Grünwald Hr. Granem aus New -York und der 
jüngere Ph. Her fort auf, von welchen dem ersteren wohl der 
Vorzug zugestanden werden muss ; Adagio und Finale aus dem 
neunten Spohr'schen Concerte executirte er rein und mit einem an- 
genehmen künstlerischen Anstand, wie das Werk ihn verlangt; Ph. 
Herfort gewann die' Sicherheit und Reinheit des Vortrages wenig- 
stens im Verlaufe seiner allerdings nicht leichten Leistung, er spielte 
die bekannte Tartini'sche Sonate „le triUe du diahle. (i Beide Vor- 
träge waren daher wohl geeignet, ihrem indirecten Erzeuger als 
Lehrer alle Ehre zu machen. — Dasselbe und in noch höherem 
Grade war der Fall bei den Soli der Damen, welche als Sängerin- 
nen bei Hrn. G. Engel ihre Ausbildung nehmen und an diesem 
Abend eine Probe davon ablegten. Fräulen Are-Lallemant aus 
Lübeck sang silberrein, vielleicht etwas zu ruhig, die Arie „Tröstet 
Zion" aus Handelns „Messias," und macht damit auf den Kenner 



68 - 



den vortheilhaftesten Eindruck, wenngleich das Publikum sich hier 
wie bei Frl. Lorch etwas kühler verhielt, vermuthlich nur wegen 
des strengeren Charakters der gewählten Nummern. Der Vortrag 
der Arie „Ach ich habe sie verloren," von Gluck, durch Fräulein 
Cathar. Lorch aus Löwenberg bot einen wahrhaften künstlerischen 
Genuss dar, indem die Sängerin, welche auch schon mehrfach in 
öffentlichen Concerten geglänzt hat, eine würdevolle Stilistik mit 
dramatischer "Wärme aufs Beste verband ; obschon ihre Stimme von 
einem gewissen rauhen Nebenklange nicht ganz frei ist. - Von der 
Ciaviergarde, welche der Chef selber ins Feld stellte, sind in erster 
Linie Frl. Alma Holländer und Hr. Wilh. Tietz, in zweiter 
Frl. Minna Uhlich und Hr. Czarwenka zu nennen, insofern bei 
beiden ersteren der Vortrag bereits — im Zusammenhange mit der 
Dauer der stattgehabten Studien — ein persönlich künstlerisches 
Leben bezeugt, während der Vorzug der beiden letzteren vorläufig 
mehr auf Seiten der Schulfertigkeit zu suchen ist. Es kamen 
folgende Stücke zur Aufführung: Frl. Holländer spielte den zweiten 
und dritten Satz aus Beethovens C-moll - Concert und ist besonders 
in Bezug auf das Allegro eine der Spielerin eigenthümliche witzige 
Feinheit des Vortrages zu rühmen, Hr. Tietz hatte den ersten Satz 
des Henselt'schen Concertes zum cheval de bataille erwählt und ritt 
es mit dem sicheren Anstände, den man an den Specialschülern des 
grossen Meisters zu sehen gewohnt ist, ohne dass der Vortrag dabei 
dictirt geklungen hätte; Hr. Czarwenka erledigte sich mit gleich 
lobenswerther Solidität der ebenfalls nicht leichten Aufgaben, welche 
Schümann^ A-moll-Concert darbietet; Frl. Uhlich führte den zwei- 
ten und dritten Satz aus Chopin's F-moll-Concert mit sauberem An- 
schlage durch, an Stelle tieferen poetischen Glanzes trat die Politur, 
an sich eine sehr schätzbare Eigenschaft, noch etwas hervor — 
freilich gehört Chopin'sche Musik in jener Beziehung zu den schwer- 
sten. — Allen vier Spielern secundirte das Orchester, zu einem 
Theile aus Schülern der Anstalt bestehend, unter der Leitung des 
Hrn. Musikdirectors Wuerst in gewandtem Anschlüsse an das Cia- 
vier. — Das Publikum lohnte fast allen Solisten mit doppeltem Her- 
vorruf und blieb bis zu Ende interessirt, weil in der Zusammen- 
setzung des aus 11 Nummern bestehenden Programms die Klippe 
eines pädagogischen Ennui mit Geschmack umgangen war. 

Am 29. März fand die Prüfung der Elementarklassen der An- 
stalt statt, in welcher unter 8 Lehrerinnen und 2 Lehrern 21 Schü- 
ler, davon 17 junge Mädchen, mit 19 Stücken bis zur Höhe zweier 
Sätze aus Beethoven's C-dur-Concert sich vor einem gleichfalls dicht- 
gedrängten Publikum hören Hessen. Wer jemals Ciavierunterricht 
gegeben hat und den Werth einer nachhaltigen Grundlegung zu 
schätzen weiss, konnte den daran thätigen Lehrkräften nur die 
grösste Anerkennung zollen; das Programm nennt Hrn. Hasse (der 
durch gediegene und talentvolle Compositionen auch anderweit be- 
kannt ist, Herrn Kirchner, die Damen Frau Kuppel, Fräul. 
Hollaender, Francke, Gubeler, Klüver, Mützell, 
Fritsche. Carl Fuchs. 

HT a c U r 1 c li t e n. 

Mainz. Am 17. März fand das 7. Concert des „Kunst- und 
Literatur- Vereius" unter Leitung des Hrn. N. Soltan's statt. Da 
vrir von hier abwesend waren, beschränken wir uns darauf, nach 
Mittheilungen vou competenter Seite in Kürze mitzutheilen, dass 
das von Frau Betty Schott und den HH. Popper 1, Diehl, 
Sesselmann und Hom in ausgezeichneter Weise vorgetragene 
Quintett für Ciavier uud Streichinstrumente von R. Schumann 
(Es-dur) den Glanzpunkt des Abends bildete. Frau Schott erfreute 
das zahlreiche Publikum ausserdem noch durch den ebenso brillan- 
ten als geschmackvollen Vortrag einer Polonaise von Chopin uud 
eines Walzers von Lisberg. Ein junger Violinist, Hr. Hachen* 
berger (Schüler des Hrn. Sesselmann) spielte den ersten Theil von 
Mendelssohn^ Violinconcert und Variationen von David mit 
vielem Talente und zeigte anerkennenswerthe technische Fortschritte. 
Hr. Ruff sang eine Arie aus „Judas Maccabäus" von Händel 
und „Wanderlied" von Schumann mit Geschmack und Feuer und 
die oben genannten HH. Quartettisten schlössen das Concert mit 
dem recht schönen Vortrage des Kaiserquartetts von H a y d n und 
bewiesen, dass ihr Ensemble sich schon sehr vervollkommnet und 
befestigt hat. So fanden diese Concerte denn einen iu jeder Be- 



ziehung würdigen Abschluss und lassen für die nächste Saison wie- 
der reichliche Genüsse erwarten. E. F. 

Mönchen. Der hier bestehende „Kamraermusikverein," welcher 
mehr als 200 Mitglieder zählt, hat sich vor einigen Tagen in einen 
„Münchener Tonkünstler - Unterstützungs - Verein" umgebildet, der, 
wie bisher, sich die Pflege der vocalen und instrumentalen Kam- 
mermusik angelegen sein lässt, ausserdem aber auch für die Unter- 
stützung iu unverschuldete Noth gerathener Tonkünstler beiderlei 
Geschlechts thätig wirken wird. Der gewählte Ausschuss, an dessen 
Spitze der k. Hoftheaterintendant Baron von Per fall steht, wird 
nun die Aufgabe haben, zu diesem Zwecke die geeigneten Einlei- 
tungen zu treffen. 

— Das Hoftheater soll während des Monats August zum Zwecke 
der Vornahme baulicher Veränderungen und Reparaturen im Bühnen- 
und Zuschauerraum geschlossen bleiben. 

— Die Aufführung der „Meistersinger" ist dem Vernehmen nach 
bis zum kommenden Herbst verschoben worden. 

— Zu Ehren der Anwesenheit des Kronprinzen vou Preussen 
fand am 17. April eine glänzende Aufführung der Oper „Lohengrin* 
statt. 

Stuttgart. Die diesjährigen Prüfungsconcerte des k. Conser- 
vatoriums für Musik gingen wieder in höchst befriedigender Weise 
vor sich und lieferten in einer Reihe von gediegenen Vorträgen aufs 
Neue den Beweis, welch hohen Rang diese Kunstanstalt sowohl in 
Ansehung seiner trefflichen Lehrkräfte als insbesondere seiner auf 
richtigen pädagogischen Principien basirenden Organisation einnimmt. 
Als fremdem und darum unparteiischem Beobachter musste dem 
Schreiber dieser Zeilen in's Auge fallen, dass hier nicht, wie anderswo 
der Fall, jeder oder auch nur irgend ein Lehrer seinen eigenen 
Weg geht, sondern dass gerade durch das consequente Einhalten 
ein und desselben von vornherein zu Grunde gelegten Lehrplans 
diese glänzenden Resultate erzielt werden, welche wir in der tiefen 
musikalischen Bildung aller uns vorgeführten Schüler zu erblicken 
das Vergnügen hatten. Bei einer dieser Prüfungen waren die beiden 
Majestäten zugegen und legten ein lebhaftes Interesse für die An- 
stalt und die Schüler an den Tag. 

London. Das letzte der populären Montagsconcerte in St. James- 
Hall fand zum Benefiz des Directors Arth. Cbappell am 30. März 
statt unter der Mitwirkung der Damen Clara Schumann, Arabella 
Goddard und Miss Cecilia W est b r oo k, sowie der HH. HalleV 
Joachim, Ries, Blagrove, P i a t ti, R e y n ol d s und des 
Sängers Vernon Rigby. Sämmtliche Produktionen wurden vom 

4 

Publikum mit Enthusiasmus aufgenommen. 

Paris. Das am 5. April stattgefundene Conservatoriums-Concert 
hatte folgendes Programm: Sinfonie in A-duiL y^j^ßf end elssohn, 



Chor aus „Armida* von* I&i 1 1 !<,..<?& viercpncert i,n^s-daji Wqjl B e e t- 
hoven, gespielt von Hrrfc A. Duvernoy, Jägerchor au^p^Euryan- 



the* von Weber, Ouvertüre zu „Leonore" von Beethoven. 

— Das 22. populäre Concert des Hrn. P a sd el ona brachte: 
die 9 Sinfonie (ohne den letzten Satz) von Beethoven; Andante 
Menuett aus der Es-dur-Sinfonie von Mozart; Brucljgtüjßk aus 
„Romeo und Julie" von B e r 1 i o z ; Romanze in F-dur für Violine 
von Beethoven, vorgetragen von Frau Normann-Neruda; 
„Einladung zum Tanze" von Weber, instrumentirt vonBerlioz. 

Petersburg. Die italienische Operngesellschaft hat in 36 Vor- 
stellungen 58^,000 Frcs. eingenommen, was einer Durchschnittsein- 
nahme von 16,000 Frcs. per Vorstellung gleichkommt. 

*** Am 28. März starb in Dresden der als Componist wie als 
Dichter bekannte und geachtete Musikdirector Justus Amadeus 
L e c e r f im Alter von 79 Jahren. 

%• Verdi's „Don Carlos" ist im Hoftheater zu Darmstadt 
mit grossem Pomp aber sehr massigem Erfolge in Scene gegangen. 
Es war dies die erste Aufführung der genannten Oper in Deutschland« 

Berichtigung. Nr. 15, Sp. 1, Z. 3 v. u. : verwünschten; Z. 10 
v. o. ist „wie" zu streichen; S. 58, Z. 9 v. u. fehlt nach „der Klei- 
ne" das Wort „ablenkend." — Nr. 16, Sp. 1, Z. 3 lies: Erlakogel; 
Sp. 2, Z. 5 v. u. : „mussten;" Z. 6 v. u. : „umkrabbelt;" Z. lv.u.: 
„purpurner." S, 62, Z. 2 : „Tännengebirge;" Z. 4 : „Hoehgöhl ;" 
Z. 18: „Gosauseen ;" Z. 24: „Hygiea" und in der 5. Z. v. u.: 
„Ripienist." 

Verantw. Red. Ed. Föekerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



iW* MS. 



4. Mai 1868. 



SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 

1 60 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: Neue Schubertausgaben. — Corresp. : Stattgart. Cola. Berlin. Paris. — Nachrichten. 



Neue Schubertausgaben. 



Noch vor zehn Jahren war der Besitz von Schuberts sämmtlichen 
erschienenen Gesängen ein Prärogativ weniger Wohlhabender; der 
meist unbemittelte Jünger der Tonkunst vermochte es kaum, sich 
die notwendigsten Lieder in der theuern Wiener Ausgabe anzu- 
schaffen und sah sich in der Regel auf mühsames Abschreiben an- 
gewiesen. Kein Wunder, dass die plötzlich auftauchende H o 1 1 e'scbe 
Ausgabe ihrer unerhörten Wohlfeilheit wegen, trotz der vielen Druck- 
fehler und der augenschädlichen Unleserlichkeit allenthalben er- 
wünscht kam; jeder Musiker beeilte sich, die kostbaren Schätze 
endlich sein eigen zu nennen, wenn auch in dieser wenig ent- 
sprechenden Hülle. Wer sich aber etwas geduldete, dem bot sich 
alsbald Litolffs elegantere, auch im Format handsamere Ausgabe. 
Doch waren die alten Druckfehler unversehrt mit herübergekommen, 
und der Notentext durch die Varianten, welche die höchst entbehr- 
liche, grossentheilti sogar verballhornisirende französische Uebersetzung 
Berlangers nöthig machte, ebenso verunstaltet und fürs Lesen erschwert 
wie in den früheren Ausgaben, Eine grosse Wohlthat war Rand- 
hartinger's Wiederherstellung der Müllerlieder im Original; doch 
kamen die betreffenden Hefte Spina's zu theuer, um sich sogleich 
gehörig zu verbreiten. Das hiefür vindizirte Eigenthumsrecht Hess 
sich, wie es scheint, nicht wohl aufrecht erhalten; mit dem ganzen 
Schubert wurde auch die Originallesart frei, und wir hätten an der 
nunmehr erscheinenden Senf f sehen Ausgabe nichts auszusetzen, als 
dass der dieselbe redigirende Rietz unbegreiflicher Weise an den 
corrumpirten Stellen der Müllerlieder festhält. Sehr hübsch, wenn 
auch noch etwas zu theuer, ist das Breitkopf -HärteTsche Unter- 
nehmen; hier scheinen ausser den grossen Cyklen die Lieder nach 
den Dichtern in Einzelhefte vertheilt zu werden ; wenigstens sind 
30 Göthe'sche Lieder so erschienen, denen wohl auch die Schiller- 
schen, Rückert'schen u. dgl. folgen dürften, was ein interessanter 
und glücklicher Gedanke wäre. Weniger entspricht die neue For- 
b e r g'sche Ausgabe ihrem Preise ; dagegen hat das Bureau de musique 
von Peters seiner sonstigen so verdienstlichen Thätigkeit in Her- 
stellung sauberer, handsamer und enorm billiger classischer Werke 
die Erone aufgesetzt durch sein neues Schubert-Album, welches 
nicht nur die Müllerlieder in der Originallesart, die Winterreise 
und den Schwanengesang, sondern noch 15 aufs glücklichste gewählte 
populäre Lieder Schuberts gibt, und das alles für einen Thaler. 
Man kann musikalischen Freunden nicht leicht ein hübscheres Ge- 
schenk machen, als diesen eleganten Octavband, dessen passendes 
Format wie dazu geschaffen ist, zur Vervollständigung der Müllerlieder 
auch den bei Stürmer in Stuttgart erschienenen „Nachtrag" anzu- 
fügen. Ueberdies ist das gleiche Album auch für die tiefe Stimm- 
lage versprochen, wodurch nicht nur die theueren s. g. „ Stockhausen- 
Ausgaben " entwerthet würden, sondern auch die bekannten „Immor- 
tellen," von denen der sechste Holle'sche Band zwar einen bisher 
faute de mieux willkommenen und brauchbaren, aber incorrecten 
und unvollständigen Abdruck gab, worin z. B. Winterreise und 
ßchwanengesang ganz fehlten. Sonderbar ist, dass noch kein Verleger 



auf den Gedanken gerieth, eine instruetive Schubertausgabe zu 
veranstalten, worin die Lieder je nach der Stimmlage und dem Grade 
der Schwierigkeit angeordnet, Athem und Vortrag, welch letzterer 
nur im Ciavierpart genau angegeben ist, näher bezeichnet, insbe- 
sondere Vorhalte und lange Vorschläge, — Schubert schreibt meis- 
tens nur ' J J > was auf dreifache Art auszuführen ist — genau 

auszuschreiben wären. Vorschriften über Styl und Auffassung etc., 
Portrait und kurze Biographie Schuberts würden dazu treten, um 
soieh einer Ausgabe, wofern sie von einem pädagogisch erfahrenen 
Künstler redigirt würde, einen Vorzug zu sichern, durch den sie 
allein die Concurrenz mit den übrigen so billigen und geschmack- 
vollen Ausgaben siegreich bestehen könnte. L. St. 



CORRESPONDENZEN, 



Aus Stuttgart« 

T. Das 10. und letzte Abonnements-Concert, in welchem eigentlich 
die Wiederholung von Zengers „Kain" beabsichtigt war, welche aber 
zunächst wegen Indisposition mehrerer Solisten unterbleiben musste, 
hatte ein anziehenderes Programm, als bei dessen eiliger Zusammen* 
Stellung zu erwarten war, und bot uns insbesondere die erwünschte 
Gelegenheit, wieder einmal unseren Landsmann W. Krüger am 
Piano zu begrüssen. Er spielte sein eigenes Clavierconcert, das 
zahlreiche hübsche Motive und im Andante gar überraschende Klang- 
effecte enthält, und S ch u m a n n' s drei in ritterlich keckem Character 
gehaltene Romanzen Op. 22, Alles mit schönem Ton, correcter Tech- 
nik, und Adel und Wärme der Auffassung; der Beifall war herzlich 
und ungetheilt. Frl. Bär mann sang die Händel'sche Rinaldo-Arie 
mit Meyerber's Instrumentirung, Herr Schütky den „Lindenbaum" 
und das Mendslssohn'sche „Jagdlied", wofür sich die Hörerschaft 
sehr dankbar bezeigte; doch können wir einige uns aufgefallene 
Willkührlichkeiten in der Clavierbegleitung, wie z. B. die Ein- 
führung von Terzen in leere s. g. Hornquinten, Verdickung der 
Harmonieen etc. nicht ganz ungerügt lassen. Bei den Haydn'schen, 
Kaiservariationen war einige Misshelligkeit bemerkbar zwischen den 
Primen, die auch in Abwesenheit des Concertmeisters „treiben* 
wollten, und den übrigen Streichern, welche das richtig angeschlagene 
breite Tempo festzuhalten strebten. Die Orchesternummern, Men- 
delssohn's Ouvertüre „Fingalshöhle" und Haydn's G-dur-Siu- 
fonie Nr. 13 (*/*Takt) gingen unter Dopplers Leitung vortrefflich. 

Die 3. Aufführung des Seh ubertv er eins zu Canstatt brachte 
2 Chöre aus „Messias", Hillers „Palmsonntagmorgen", Schuberts 
„Gebet" (As-dur), und die Arie: „Höre Israel", dann Beethovens 
Pastoral-Sonate und zuletzt einen Cyklus Mendelssoh n'scher Wald- 
und Jagdlieder für Solo und Chor, in deren sinniger Auswahl und 
Anordnung der Dirigent Herr S t o t z , seinen Geschmack bewährte, 
und welche bei dem zahlreichen Publikum lebhaften Anklag fanden. 

Sichtlicher Theilnahme erfreute sich auch die Aufführung von 
Schuberts „Winterreise" welche im 29. Concerte des hiesigen 



70 



Singvereins zu Gehör kam. Die 24 Lieder waren nach ihrer Stimm« 
läge unter die Frl. Fischer, Hartmann und Wagner getheilt 
worden, und diese entledigten sich ihrer theilweise sehr bedeutenden 
Aufgaben mit solcher Correctheit und Wärme der Auffassung, dass 
jede Nummer mit lebhaftem Beifall belohnt wurde. Das Accom- 
pagnement war in Händen des Dirigenten, und ein Schiedmayer' 
scher Stutzflügel von äusserst edlem gesangreichem Ton trug zu 
dem günstigen Erfolg des Ganzen kein Geringes bei. 

Der vierte Vortrag Prof. Gantters über neuere Ciaviermusik 
behandelte Chopin, Heller und Henselt; namentlich der Erst* 
genannte fand verdiente und ausführliche Berücksichtigung, und er- 
hielten die Hörer von dessen interessantem Lebenslauf und eigen- 
tümlichem Wesen ein anziehendes, durch geschickte H ereinziehung 
von Heine's und Hiller's Aussprüchen gewürztes Bild. Frau H ö r n e r 
spielte die Illustrationen, worunter z. B. Chopin's grosses B-moü- 
Scherzo, mit grosser Virtuosität und innigem Verständniss. Die zwei 
noch rückständigen Vorträge sollen wegen vorgerückter Jahreszeit 
im Herbst nachgeholt werden ; möchten dann die Besucher weniger 
mit Katarrh behaftet sein; diesen Winter wurde dem aufmerksamen 
Hörer so manches wichtige Wort, so manches spannende Pianissimo 
durch schnödes Husten u. dgl. eines Musikbarbaren elend verdorben ; 
wir wollen nicht die unmenschliche Forderung stellen, dass Katarrh- 
leidende fortbleiben sollten; aber einige Bücksicht und Selbstüber- 
windung dürfte doch im Interesse der Sache und Mithörer zu ver- 
langen sein. 

Aus C 5 1 n. 

April. 

Am Dienstag den 17. März fand das neunte Abonnements- 
coccert im Gürzenichsaale unter der Leitung des städtischen Capell* 
meisters Ferd. Hiller statt. Das Programm lautete, wie folgt: 
1) Ouvertüre zum ,, Schauspieldirektor tf von Mozart; 2) „Nachtigall- 
Arie" mit obligater Flöte aus „VAllegro ed il pensieroso" von 
Händel, vorgetragen von Frl. Mathilde Enequist aus London; 
8) Violoncell-Concert, componirt und vorgetragen von Hrn. C. Davi- 
doff aus Petersburg; 4) Becitativ und Arie „Non mi dir u aus 
„Don Juan" (Frl. Enequist) ; Ö) dritteSuite für grosses Orchester 
von Fr. L a ch n e r (zum 1. Male) ; 6) Chor von S e b. B a ch ; 7) Fan- 
tasie für Violoncell von Servais (Hr. Davidoff); 8) schwedische 
Volkslieder (Frl. Enequist); 9) Ouvertüre zu „Wilhelm Teil" von 
Bossini. 

Die Mozart'sche Ouvertüre wurde trotz der trefflichen, feinen 
Aufführung vom Publikum doch nur kalt aufgenommen; vielleicht 
war die Spannung mit welcher man dem Auftreten der Frl. Ene- 
quist, welcher ein bedeutender Buf als Coloratursängerin voran- 
ging, Schuld an dieser geringen Theilname für das reizende, leicht- 
geschürzte Werk. Allein auch Frl. Enequist vermochte mit dem 
Vortrag der Händel'scben Coloratur- Arie nicht recht zu erwärmen, 
theils wohl weil die Composition selbst unserem heutigen Geschmacks 
in Zweck und Behandlung veraltet erscheint, theils auch, weil die 
Sängerin, ausser einem wirklich prachtvollen Triller, doch die schwie- 
rigen Coloraturen nicht immer mit der erwünschten Vollendung der 
Technik und Beinheit der Intonation (in letzterer Beziehung nahm 
es auch die obligate Flöte nicht gar zu genau) durchführte und 
tiberdiess auch eine gewisse Kälte des Vortrags sich bemerklich 
machte, welche noch auffallender in der Mozart'schen Arie hervortrat. 
Erst bei dem Vortrag der schwedischen Lieder schien sich Frl. Ene- 
quist so recht in ihrem Elemente zu befinden, sie gab dieselben mit 
unwiderstehlicher Natürlichkeit und Originalität wieder und das 
Publikum entschädigte die Künstlerin durch stürmische Beifallssalven 
reichlich für den schwächeren Erfolg ihrer vorhergehenden Leistungen. 
Von augenblicklich packender Wirkung war dagegen das Spiel des 
Hrn. Davidoff, welcher sowohl das von ihm selbst componirte 
Concert wie auch die Fantaisie von Servais mit einer so meister- 
haften Technik, mit so künstlerischem Geschmack und mit so schönem, 
seelenvollen Ton vortrug dass er das gesammte Auditorium wahrhaft 
entzückte. Das ist ein auserkorener Meister auf seinem Instrumente ; 
das fühlte wohl jeder, der ihn hörte. 

Die dritte Suite von Fr. La ebner, hier zum ersten Male 
gehört, gab wieder recht klares Zeugniss für die seltene Meisterschaft, 
mit welcher der Compouist alle Künste des Contrapunktes handhabt, 



in welchem hohen Grade von Leichtigkeit er die Schwierigkeiten 
thematischer Durchführung überwindet, und seine originell erfun- 
denen Motive mit dem Zauber einer farbenreichen Instrumentation 
zu umgeben weiss. Das eben so schwierige als interessante Werk 
wurde aber auch von unserm Orchester mit vollendeter Meisterschaft 
vorgetragen und das Publikum gab seine Freude über Composition 
und Ausführung durch aufrichtigen, äusserst lebhaften Beifall kund. 
Die Bach'scbe Cantate kam, durch Weglassung der Mittelsätze ge- 
kürzt, nicht ganz in erwünschter Vollendung zu Gehör; namentlich 
Hess der Chor mitunter die Reinheit der Intonation vermissen und 
das Publikum vermochte sich an dieser Production nicht zu erwärmen. 
Um so effectvoller war die Executirung der Tell-Ourertüre, obschon 
das letzte Tempo doch wohl etwas zu schnell gegriffen war. 

Die sechste und letzte Quartettsoir£e der HH. Jap ha, von 
Königslöw, Derkum und Bensburg fand am 24. März statt, 
Es wurde gespielt: 1) Streichquartett von Ernst Naumann (neu, 
Manuscript); 2) Quartett in D-moll von Fr. Schubert; 3) Septuor 
Op. 20 in Es-dur von Beethoven, unter Mitwirkung der Herren 
Kirmse (Hörn), Kurkowsky (Clarinette), Müller, (Fagott) und 
Ad. B r e u e r (Contrabass). Das Quartett von Naumann ging spur- 
los am Publikum vorüber und es zeigte sich wieder klar genug, 
dass alle technische und Formengewandtheit, alles Nachbilden selbst 
nach den höchsten Vorbilden, nicht die innere Begeisterung, die 
Poesie der Erfindung, kurz die unerlässliche geistige Belebung ent- 
behrlich machen köunen. Um so wonniger drangen die Klänge des 
Schubert'schen Quartetts in die Ohren und Herzen der Zuhörer und 
nun vollends das Septuor von Beethoven, unvergleichlich in seiner 
Art dastehend, schloss den Kreis der schönen Genüsse, welche diese 
Quartettabende den Musikfreunden wieder geboten hatten, in der 
würdigsten, erhabeusteu Weise. Dank den vortrefflichen Künstlern 
für ihre meisterhaften Leistungen und ein herzliches Lebewohl bis 
zum nächsten Winter, der ihrem edlen Streben und Wirken hoffent- 
lich auch eine ergiebigere Theilnahme bringen wird. 

Aus Berlin. 

Wie es nach dem Euhme, der die Bilse'sche Cnpelle bei uns 
einführte, vorauszusehen war, hat dieselbe in der ersten Saison ihres 
Wirkens alle concurrirenden Unternehmungen von älterem und 
gleichem Datum in Schatten gestellt. Seit ihrem ersten Auftreten 
waren die Bäume des Concerthauses, welche au Dimension alle ahn- 
liehen Localitäten Berlins übertreffen, täglich Abends während vier, 
und wenn zwei Concerte einander folgten, während sieben Stunden 
gefüllt, ein deutliches Zeichen, wie schnell die Capelle mit ihrem 
Dirigenten sich die Bewunderung des Publikums, ausser der längst 
selbstverständlichen Huldigung der Kenner, erworben hat — denn 
die Musiker empfingen den Dirigenten schon in der Ueberzeugung, 
dass ihm der Bang eines Orchesterkönigs gebühre. Sinnlichkeit der 
Wirkung, Präcision des Ensemble, Einheit des Vortrages, bewusstes 
Abwägen der Forderungen an Maass und schwungvollem Vorgehen 
sind noch nie so vereint aufgetreten wie in diesem Falle. Die Fac- 
toren dieses Besultates sind in der Zusammensetzung und Masse 
des Orchesters ebensowohl wie in der Person des Dirigenten zu 
suchen. Man erblickt auf dem Podium, wenn man die sechszig 
Häupter zählt, welche den regelmässigen Bestand der Capelle bilden, 
kein graues Haar, es sind Alles junge Männer, zwischen 20 und 30 
Jahren, die auf das Beste disponirt sind, den Intentionen des Diri- 
genten zu folgen ; noch nicht alt genug, um handwerkerlich anspruchs- 
voll ihm gegenüber zu denken oder aufzutreten, nicht zu alt, dass sie 
an künstlerischem Eifer und dem „reglementsmäsBigen Ungestüm der 
Attaque" zu wünschen übrig Hessen, wo es sich um Anstrengungen 
und Schwierigkeiten handelt, dazu mit ihrem Dirigenten durch reich- 
liche Honorare (nota bene) und seinerseits wohlwollenden Umgang 
im besten persönlichen Einvernehmen. 

Eine Zeitlang fanden besondere Sinfonieconcerte statt, in denen 
nichts gereicht noch geraucht werden durfte, jetzt ist letztere Be- 
schränkung (so weit ist man nun doch schon) ein für allemal in 
den ersten Theil des Concertes verlegt, der jedesmal einer Sinfonie 
gewidmet ist. Alle 14 Tage haben die letzten 3 — 4 Monate hindurch 
Monstreconcerte stattgefunden, in denen die Capelle auf 100 Mann 
verstärkt wurde; die Besetzung in letzteren war: 40 Violinen, 13 
Violen, 13 Celli, im Hintergrund die respectable Beihe von 9 Cob- 



- 71 - 



trabässen ; ferner 2 Harfen, 3 Flöten, je 2 Oboen, Clarinetten, Fa- 
gotte, 4 HÖrner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Schlaginstrumente, 
an den andern Abenden lauten die ersten sechs Zahlen: 20, 6, 6, 4, 
1, 2, die übrigen gleich. Dass man annehmen müsse, es sei jeder 
der Orcb es tränten auf seinem Instrumente so geübt, als es nur irgend 
sein Posten erfordert, beweisen die Solovorträge, zu denen die her- 
vorragendsten Mitglieder der Capelle öfters gelangten, wenn man 
auch wohl vom künstlerischen Standpunkt Mancherlei gegen Solo- 
vorträge auf Ripieu - Instrumenten einwenden kann. So das Or- 
chester. — 

Und der Dirigent, nicht nur im glücklichen Besitz allerübrigen 
Eigenschaften, welche in practischen, wie auch schon in physischen 
Dingen zur selbstständigen Durchführung eines so grossen Unter- 
nehmens erforderlich sind, sondern auch ein Virtuos auf dem Or- 
chester, so zu sagen, wie die Bülow, Rubinstein, Tausig es 
nur immer auf ihrem Bechstein u. s. w. sein können, denn er er- 
reicht das Höchste, was bei der Direction so grosser Massen möglich 
ist, dass die Ausführung wie die Leistung eines Einzelnen klingt. 
Wenn 40 Geiger ein und dieselbe noch so schnelle Figur auszu- 
führen haben, so kann man sich auf Reinheit und Einheit und auf 
Nervosität, wenn ich es so nenuen darf, des Klanges so gut verlassen, 
wie wenn ein sicherer Ciavierspieler allein eine Scala auszuführen 
hat, und die Wirkung ist eine erstaunlich eindringliche; und daher 
kommt es denn auch, dass das Zusammenwirken der verschiedenen 
orchestralen Kräfte bei aller Masse des Tones und der Töne immer 
transparent bleibt. Aber nicht nur, dass diese technischen Voraus- 
setzungen aufs Genaueste erfüllt sind, auch der Vortrag gewinnt 
unter den Händen dieses Dirigenten einen individuell - ästhetischen 
Zug, er ist das Werk einer persönlichen Auffassung, die das Spiel 
der Mitwirkenden durchdringt, und sich unterordnet, so weit, dass 
z. B. ein Schumann'sches Ciavierstück (Schlummerlied) welches in 
Transcription für Orchester ausgeführt wurde, durchaus in der Auf- 
fassung wie ein phantastischer Ciaviervortrag wirkte. Und wenn 
man billig nicht erwartet, dass jeden Abend alle neun Musen und 
drei Grazien gleich gegenwärtig seien, so legen die Monstre-Concerte 
die eher Musterconcerte heissen sollten, Zeugniss davon ab, dass 
der Dirigent den Persönlichkeiten der von ihm vorgeführten Com- 
ponistun gerecht zu werden weiss, von Beethoven bis Strauss 
— die Linie zwischen beiden übrigens unter keinem allzugros&en 
Winkel als abwärts gehend gedacht. Allenfalls macht sich zuweilen 
ein gewisser Cäsarismus in der Auffassung und Durchführung geltend, 
eine Art virtuosischen Uebermuthes, ganz ähnlich wie in Tausig's 
Ciavierspiel, so dass man Dies und Jenes sich weicher, freier wün- 
schen möchte. — Noch will ich den speciellen Genuss nicht uner- 
wähnt lassen, den es gewährt, Straussens geniale Tanzmusik von 
der Bilse'schen Capelle zu hören : wie da die rythmisch-capriciöseste 
Floskel scharf ausgeprägt zu Tage tritt, wie dabei jeder triviale 
Anstrich vermieden, die ausgelassenste Walzerlust noch in das Ge- 
wand naiver Grazie gekleidet erscheint, ist ein besonderes Verdienst 
der Capelle in Vergleich zu anderen, die das Genre entweder igno- 
riren oder verderben. Wer weiss, ob mancher gute Musiker sich 
bei diesem oder jenem andächtigen Sinfoniesatz nicht nach „Acce- 
lerationen," „Morgenblättern" und ähnlichen Geschenken gesehnt 
hat; — meine Schwäche in diesem Punkte gestehe ich gerne ein. 

(Schlnss folgt.) 



Aus Paris. 

37. April. 

Die Saison geht zu Ende und viele Künstler und Künstlerinnen 
packen bereits die Koffer, um sich in aller Herren Länder zu zer- 
streuen und Gold und Lorbeern zu erndten. Die gefeierte Nilsson 
tritt Dienstag zum letzte nmale in der Rolle der Ophelia auf und 
verlässt Paris noch im Laufe dieser Woche. Nach ihrem Scheiden 
wird die grosse Oper den „Troubadour" aufführen und dann »Her- 
culanum* mit neuem Pomp wieder in Scene gehen lassen. Man 
spricht viel von einer für das genannte Theater bestimmten Oper 
„Cid Campeador" von Gevaert. Indessen hat der Compositeur 
kaum sein Werk begonnen, zu welchem ihm der unerschöpfliche 
Victorien Sardou und du Locle den Text liefern. 

Wann die neue dreiactige Oper von F 1 o t o w in der Optra 



Comique zur Darstellung kommt, weiss man noch nicht. Aub^er'e 
„Premier jour de bonheur* macht dort noch immer volle Häuser. 
Der greisse Meister schreibt in diesem Augenblick an den Recita- 
tiven für den „Domino noir*, der nächstens im italienischen Theater 
in London aufgeführt werden soll. 

In der italienischen Oper hat vor einigen Tagen die Benefiz- 
vorstellung der Patti stattgefunden und, wie es sich von selbst ver- 
steht, der gefeierten Benefiziantin eine beträchtliche Summe — 
17,000 Franken — und viele Kränze und Blumensträusse eingebracht. 

Das The'dtre lyrique bereitet die Aufführung der „Zigeunerin" 
von Balfe vor; der Compositeur ist bereits in Paris eingetroffen, 
um die Proben seines Werkes zu leiten. Was die Succursale dieser 
Bühne, das The'dtre de la Renaissance betrifft, so macht dieselbe 
sehr mittelmässige Geschäfte. Das The'dtre de la Renaissance 
wird künftige Woche eine neue Oper von Jules Beer, „Elisabeth 
de HongHe^y dem Publikum vorführen. 

Die Concertsäle sind noch immer allabendlich geöffnet; indessen 
gelingt es doch nur wenig Concertgebern ein zahlreiches Publikum 
anzuziehen. Von dem grossen Erfolg Rubinstein' s habe ich 
Ihnen bereits gemeldet. Gestern Abend hat unter seiner Mitwirkung 
Friedrich Gernsheim, Professor am Conservatorium zu Köln, im 
Erard'schen Saal einige seiner Compositionen hören lassen. Der 
junge Künstler hatte sich eines eben so grossen als wohlverdienten 
Beifalls des ausgewählten Publikums zu erfreuen, unter welchem 
sehr viele Celebritäten der musikalischen Welt bemerkt wurden. 
Herr Gernsheim wurde zu wiederholtenmalen stürmisch gerufen. 

Der Tod des Musik-Kritikers Gasperiui hat hier allgemeine 
Bestürzung erregt. In ihm verliert Richard Wagner den 
eifrigsten unter seinen französischen Verehrern, deren Zahl nicht 
Legion ist. 



— oaa< 



lachrichten, 



Mainz. Herr Friedrich Lux, der Dirigent der hiesigen Lieder- 
tafel und des Damengesangvereins, gab am 21. April ein eigenes 
Concert im städtischen Theater , unterstützt von Frau P e s ch k a- 
L e u t n e r vom Hoftheater in Darmstadt, Hrn. P h i 1 i p p i , Baritonist 
am k. Theater in Wiesbaden und dem hiesigen Theaterorchester. 
Ausserordentlichen Beifall fanden die Leistungen der beiden ge- 
nannten Gesangskünstler und das „Ave Maria 1 ' von Schubert, von 
Lux in äusserst effectvoller Weise für Orchester arrangirt. Auch 
dessen Ouvertüre zu „Rosamunde" wurde beifällig aufgenommen. 
Weniger sprach die Aufführung der 8. Sinfonie (F-dur) von Beet- 
hoven an , welche eine sorgfältige Vorbereitung vielfach vermis- 
sen Hess. 

Frankfurt a. M. Der Vorstand der hiesigen Musikschule 
veröffentlichte seinen Bericht über das abgelaufene Schuljahr, dem 
wir Folgendes entnehmen: Die Entwickelung des inneren Lebens 
der Anstalt ist in stetigem Fortschritt begriffen. Dazu tragen wesent- 
lich bei : die Ensemblestunden, in welchen die gereifteren Schüler 
mit grösseren Werken bekannt gemacht werden und die neu einge- 
richteten Wissens chaftlichen Stunden, deren Zweck in ge- 
schichtlichen Vorträgen und in Erörterungen über mannigfache Gegen- 
stände musikalischen Wissens besteht. Diese beiden Stunden wurden 
nicht nur von den Zöglingen selbst, sondern auch von bereits Aus- 
getretenen mit grossem Interesse frequentirt. Als eine weitere Ver- 
besserung der Organisation werden die neu eingeführten Quartal- 
prüfungen angeführt, bei welchen der Zögling in Gegenwart 
der Lehrer und der nächsten Angehörigen, das, was er eben studirt, 
vorträgt und sich dadurch mehr an das Spielen vor Zuhörern gewöhnt, 
während zugleich Gelegenheit gegeben ist, sich öfters als bisher von 
den Fortschritten der Schüler zu überzeugen. Anch die Jabresprüfung 
erhält dadurch eine zweckmässigere Gestalt, indem es nicht mehr 
nöthig erscheint, die schwächeren Schüler auch bei dieser Gelegenheit 
vorzuführen, welche gleichwohl bei den Quartalprüfungen die Beweise 
ihrer Fortschritte geben können. Das Lehrpersonal hat insofern 
eine Veränderung erlitten, als Hr. F. S ch m i 1 1 ausgetreten ist und 
Frl. Margarethe Zirndorfer den Gesangunterricht übernommen 
hat. Die Anstalt wurde im verflossenen Schuljahre vou 48 Schülern 
Und Schülerinnen besucht. Die Bibliothek wurde hauptsächlich durch 
Ankauf, sowie durch einzelne; Geschenke wieder wesentlich bereichert. 



T2 



Die Jahrespröfungen fanden am 6. April Morgens und Nachmittags 
in einem unentgeltlich bewilligten Locale des Saalbaues statt nnd 
lieferten, wie wir veruommen haben, recht erfreuliche Resultate. 

AttgSbUrg. Die hiesige „Liedertafel" feierte am 28. März ihr 
25jähriges Bestehen durch ein Fest in dem reich geschmückten Saale 
des Hotels zur „goldenen Taube." Auf einen Festmarsch ron Kam- 
merlander folgte Mendelssohn'* Chor „an die Künstler" und 
an diesen schlosB sich ein von Hermann Lingg gedichteter, 
schwungvoller Festprolog an. Ein von Kammerlander compo- 
nirter „Festgesang" und noch mehrere andere sehr gelungen vorge- 
tragene Gesänge bildeten den Scbluss der schönen Feier. Das ver- 
dienstliche Wirken und edle Streben des Vereins wird seit lange 
allgemein anerkannt, indem derselbe viele Jahre lang es war, von 
dem aus allein das musikalische Leben Augsburgs Anregung erhielt. 
Am Abende des 29. März fand im Festlokale noch eine heitere 
Männerunterbaltung statt, bei welcher Gelegenheit u. A. auch dem 
Dichter Anastasius Grün (Grafen Anton v. Auersperg) ein Toast 
ausgebracht und auch telegraphisch demselben zugesendet wurde. 

Leipzig. Bei Gelegenheit des 25jäbrigen Jubiläums des hiesigen 
Conservatoriums haben der Director desselben, Advokat Schleinitz 
das Ritterkreuz des sächsischen Verdienstordens und Concertmeister 
David das Ritterkreuz des Albrechtordens erhalten. 

— Der ausgezeichnete Gesanglehrer Franz Götze, Professor 
an unserem Conservatorium, hat eine kleine Brochure veröffentlicht, 
in welcher er gewisse Schäden aufdeckt, die dem berühmten Insti- 
tute, wenn die von dem Verfasser gegebenen Schilderungen richtig 
sind, gerade nicht zur Ehre gereichen. 

Magdeburg. Am Charfreitag Abends wurde in der erleuchteten 
St. Johanniskircbe die Matthäus-Passion von S. Bach, 
durch den Kirchengesangverein unter Leitung des Musikdirektos 
R e b 1 i n g , und unter Mitwirkung von Fräulein Büschgens aus 
Crefeld, Fräulein Schmidt aus Leipzig, des Herrn Rebling aus 
Leipzig und des Herrn E h r k e aus Schwerin zur Aufführung gebracht. 

Paris. Am 19. April fand das 24. und für diese Saison das 
letzte der populären Concerte des Hrn. Pasdeloup mit folgendem 
Programm statt: Schiller-Marsch von M ey e rb e er ; drei Nummern 
aus Mendelssohn^ Musik zum „Sommernachtstraum ; u „Tür- 
kischer Marsch" von Mozart, instrumentirt von Prosper Pascal; 
Ouvertüre zu „Manfred" von Schumann; Clavierconcert in C-moll 
von Beethoven, vorgetragen von Hrn. Tb. Ritter; Vorspiel 
zu „Lohengrin" von R. W a g n e r; Thema mit Variationen, Scherzo 
nnd Finale aus dem S e p t u o r von Beethoven. 

— In diesem Monate findet der diesjährige Concurs für den 
grossen Römerpreis statt, und zwar die Vorprüfung vom 4. bis 9. 
Mai, welche über die Zulassung zum Haupteoneurse entscheidet: 
dieser selbst ist auf die Zeit vom 19. Mai bis zum 12. Juni festge- 
setzt, welche die Concurrenten bekanntlich in strenger Clausur zu- 
bringen müssen. 

— Am 16. April starb der ehemalige Director der grossen Oper, 
Duponchel; seit einem Jahr sind nun vier der früheren Direc- 
toren jenes Kunstinstituts gestorben. 

— In Folge einer vom Ministerium ausgeschriebenen Concurrenz 
sind 168 Opernbücher eingelaufen, von denen jedoch nur* eines 
für preiswürdig erkannt wurde. Der Titel desselben ist : 1t Le Coupe 
du roi de TAule" und dasselbe ist verfasstvon zwei jungen Schrift- 
stellern, Louis Gallet und Edouard Blau. Ausser diesem Li- 
bretto wurden noch vier andere zur Belobung empfohlen. 

Amerikanischer Enthusiasmus. Zu den fabelhaftesten 
Virtuosen-Erfolgen, welche jemals in Nordamerika errungen worden 
sind, zählen unstreitig die des gegenwärtig dort concertirenden Pi- 
anisten Leopold von Mayer, welcher seit Anfang dieses Jahres 
wohl in 30 Concerten in verschiedenen Städten, wie in New-York, 
Kewark, Treuton, Boston, Philadelphia, Washington etc. in den ge- 
räumigsten Lokalen, in Wnjjhinivten sogar in der grossen Domkirche 
(Plymouth-Church) uud stets vor einem nach Tausenden zählenden 
Publikum aufgetreten ist, von dem er allenthalben mit rasenden 
Beifallsstürmen und Ovationen aller Art aufgenommen wurde. Alle 
diese Wunder bringt der stets schlagfertige Virtuose mit etwa vier 
oder fünf Stücken eigener Composition zu Stande, unter denen wieder 
eine Fantasie über Motive aus Offenbach's „Grossherzogin von Ge- 
rolstein," welche in keinem seiner Concerte fehlen darf, das aller- 
grösste Furore macht und die guten Yankee's jedesmal aus Rand 



und Band bringt, so dass sie den Componisten und Virtuosen mit 
Blumenbouquets von den gefährlichsten Dimensionen und anderen 
erfreulichen mitunter auch werthvollen Missilen förmlich überschütten, 
von den sonstigen klingenden Resultaten gar nicht zu reden. 

*** Die renommirte schwedische Sängerin Christine N i 1 s s o n vom 
Theätre lyrique, seit der Aufführung von Thomas' „Hamlet" 
zur grossen Oper in Paris übergegangen , hat sich mit dem be- 
rühmten Zeichner Gustav Dore" verlobt. 

%* Der „Wiener Männergesangverein" hat vom Kaiser Na- 
poleon, vor dem er sich bekanntlich in Salzburg producirte, die 
goldene Medaille erhalten. 

! *** Nie mann wird im Monat August einen Gastrollen -Cyk- 
lus am Hofoperntheater in Wien beginnen. 

*** Die in Prag zur Aufführung gelangte Oper „Am Runen» 
stein" von A. von F 1 o t o w und R. G e n e e hat eine ausserordent- 
lich günstige Aufnahme gefunden. 

*** Prinz A 1 b r e ch t der Jüngere von Preussen ist mit der 
Composition einer Oper für die Berliner Hofbühno beschäftigt. 

*** Der in Coblenz unter dem Namen „Cäcilienverein" be- 
stehende Tnstrumentalverein hat den Herrn Richard Kugler zu 
seinem Dirigenten gewählt und ist derselbe bereits in Funktion 
getreten. 

*** Verdi hat das Ehrenbürgerdiplom von der Stadt Genua 
erhalten. 

*** Die Sängerin Nilsson in Paris, welcher hauptsächlich 
der Erfolg der Oper „Hamlet" von A. Thomas zu verdanken ist,, 
hat nach ihrem ersten Auftreten als Ophelia vom Kaiser Napoleon 
einen kostbaren Schmuck, von der Kaiserin einen Veilchenstrauss* 
erhalten. 

*** In B ata via hat der Tenorist Moulin so sehr gefallen, 
dass ihm seine Verehrer nach dem ersten Acte der „Hugenotten" eine- 
Tausendguldennote in einer geschmackvollen Atrappe überreichten* 

*** Unser Landsmann, der als Componist bekannte grossherzogl. 
hess. HofconcertmeisterH einrichSutter, Director der Heidelberger 
Musikschule, wird im Laufe des Monats Mai Europa verlassen, um 
einem Rufe als Concertdirector und Stadt-Organist nach Jamestown 
in Nord-Amerika zu folgen. 5 

*** Am 22. April starb in München der k. Hofmusiker L u d- 
wig Brandt, im 64. Lebensjahre. Der Verblichene war erster 
Fagottist, der k. Hofcapelle, welche Stellung er eine lange Reihe 
von Jahren hindurch in ehrenvollster Weise ausfüllte und erfreute 
sich als tüchtiger Künstler wie als liebenswürdiger Mensch der all- 
gemeinsten Achtung und Liebe. 

%* A u b e r's neueste Oper hat der Direction der komischen 
Oper bereits in den ersten 15 Vorstellungen 105,600 Frcs. eingetragen. 

*** Die italienische Truppe Lorin Ts hat in Copenhagen 
so entschieden Fiasco gemacht, dass den Sängern ihre Gagen zum 
grössten Theile nicht ausbezahlt werden konnten. 

*** Die Pariser Stimmung soll nun auch im Hoftheater zu 
Brauns chweig eingeführt werden. 

*** Für den von der „Gesellschaft der Musikfreunde" inWieo 
begonnenen Neubau sind bereits 80,000 ff. gezeichnet worden, so 
dass zum ganzen Bedarf nur noch 40,000 fl. fehlen. 

*** Der königl. Musikdirector Rust in Berlin, Herausgeber 
der Bach'schen Werke, hat von der philosophischen Fakultät in 
Marburg das Ehren-Doctordiplom erhalten« 

*** Der Violinvirtuose Leopold Auer hat vom Herzog von 
Meiningen das Verdienstkreuz des sächsischen Hausordens erhalten. 

*** Im königl. Theater zu C a s s e 1 kam kürzlich „Lohengrin" 
zum ersten Male in sehr glänzender und durchaus gelungener Weise 
zur Aufführung und fand enthusiastische Aufnahme. Bekanntlich 
duldete der Kurfürst die Aufführung Wagner'scher Opern nicht. 

*** Bohrer's Violoncell , das in Stuttgart zum Verkauf aus- 
geböten wurde, ist von einem Amateur aus Frankfurt für 4000 Frcs* 
angekauft worden. 

*** Herr de Swert hat bei der Concurrenz um die Stelle 
eines Concertmeisters und ersten Violoncellisten im k. Opernorchester 
zu Berlin unter 26 Bewerbern den Sieg davon getragen. 

*** Soeben ist der 16. Band von J. Seb. Bach's Werkea 
erschienen. Derselbe enthält 10 Kirchencantaten. 



Verantw. Red. Ed. Föekerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



Jf* £9. 



11. Mai 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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i Diese Zeitung erscheint jeden j 
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für den Jahrgang. 
| Durch die Post bezogen: 
\ 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 

1 i 



INHALT: Neue Gesaogsliteratur. — Corresp. : Berlin. Ems. Leipzig Cölu. — Nachrichten. 



lene Ctesangsliteratur« 

1. Zwei undmehrstimmige G e s ä n g e, vorzugsweise zum 
Gebrauch in Singvereinen, Conservatorien und Pensionaten für Soli 
und Chor (Sopran und Alt) mit Begleitung des Pianoforte componirt 
von Ludwig Stark. — Vorliegendes Werk scheint uos ebenso 
bedeutend durch seinen künstlerischen Werth als practischen Nutzen. 
Aus der Wahl der Texte (von Hoflfmann v. Fallersieben, J. Kerner, 
Fr. Dingelstedt, P. Heyse, Fr. Rückert) ist vor Allem ersichtlich, 
dass der Autor, der seine Lieder insbesondere für die Jugend be- 
stimmte, die Jugend auch wirklich kennt nnd in anregender Weise 
zur natürlichen Entwicklung des Herzens und GemÜthes auf sittlicher 
Grundlage beizutragen bestrebt ist. Betrachtung der Gottesnatur in 
Beziehung zum Menschen, Uebung der Geduld , innerer Friede, 
Freundschaft und reine Liebe sind der gesunde Stoff dieser Lieder- 
sammlung. Das Werk ist in zwei Hefte geschieden, für deren 
hübsche und zweckmässige Ausstattung wir zugleich den Verleger, 
Falter und Sohn, alle Anerkennung zollen. Das erste enthält aus- 
schliesslich zweistimmige Lieder, welche ihrer Satzweise nach von 
Solostimmen ausgeführt werden könaen, das zweite besteht aus drei- 
und vierstimmigen Gesängen. Was der Sammlung zunächst Eingang 
sowohl in Sing-Schulen als in der Familie verschaffen dürfte, ist die 
naturgemässe Behandlung der Singstimme. Die genaue Bezeichnung 
der Vortragsweise deuten auf den vielerfahrenen Pädagogen; die 
Selbstständigkeit der Stimmen dagegen, der Reichthum der Har- 
monie, der melodische Fluss und die stets characteristische Ciavier- 
begleitung lässt uns den berufenen Componisten erkennen, welcher den 
Gemüthsmenschen anzusprechen, den Musiker zu interessiren vermag. 

2. Von demselben Componisten: Nachtrag zu Fr. Schu- 
berts Liedercyclus »Die schöne Müllerin" für eine 
Singstimm e mit Begleitung desPianoforte, beiTheodor 
Stürmer in Stuttgart. Dieser „Nachtrag" ist eine geistreiche 
Nachbildung der Schubert'schen Liedweise, welche nur von einem 
gründlichen Kenner dieses Meisters herrühren können und wozu wir 
auch einen solchen berechtigt halten. Der Zweck des Componisten 
war wohl, den Cyclus der Müllerlieder, in welchen Schubert viel- 
leicht nur zufällig einige Lücken Hess, für diejenigen, welche auf 
den Zusammenhang der Dichtung ein besonderes Gewicht legen, zu 
vollenden. An sich als musikalische Schöpfung betrachtet, zeichnen 
sich diese einstimmigen Lieder durch all jene technischen und poeti- 
schen Vorzüge aus, welche wir an der Sammlung der zwei- und 
mehrstimmigen Gesänge rühmen mussten, und empfehleu daher auch 
aie der geneigten Beachtung des musikalischen Publikums. 



CORRESPONDEHZEN. 



Aus Berlin« 

(Schluss.) 
Wenn an den Programmen Etwas auszusetzen ist, so wäre •• 
das in letzter Zeit etwas gehäufte Auftreten von Transcriptionen 



aus Ciavier- und Gesangswerken, von Solovorträgen, wie schon be- 
merkt, gelegentlich ohne gut musikalische Auswahl der Piecen und 
der leidigen Potpourris, von denen eines immer so viel verdirbt, als 
zwei Sinfonien gut machen ; das Publikum sollte mehr daran gewöhnt 
werden, seinem schlechten Geschmack zu misstrauen, jetzt applaudirt 
es a furia jedem solchen M e h lodiensalat, und wir werden es er- 
leben, dass ihm Straussische Walzer, geschweige denn Schumann- 
sche Ouvertüren überhaupt zu hoch hängen und bei ihm gar nichts 
mehr ausrichten. Je mehr es' mit Unmusik geködert wird, desto 
spröder wird es gegen die gute, selbst der Vortheil seines Beifalls 
ist also da nur momentan und zweifelhaft. — 

Hier aber ist die Reihe der und des Guten und Besten, je nach- 
dem, womit wir in bester Form überschüttet wurden : von Cheru- 
bini die Ouvertüren zu „Anacreon" und „der portugiesische Gast- 
hof," von H a y d n die G - dur - Sinfonie , die Variationen aus dem, 
„Kaiserquartett," das Largo in Fis-dur aus dem D-dur-Quartett op. 72 ; 
ven Mozart die Ouvertüre zur „Zaubernote," (hier wäre ein Mehr 
wohl an der Stelle gewesen, ohne das übliche Zuviel zu protegiren), 
von Beethoven die Sinfonien Nr. I. III. IV. V. VI. VIII. in sel- 
tenster Vollendung, die Ouvertüren zu Leonore, Fidelio, Egmont, 
Coriolan, die Variationen aus dem A-dur-Quartett, desgleichen aus 
der Fantasie C-dur, der 2te Satz des Septetts, und von T o e p 1 e r 
mit vielem Geschick instrumentirt das Largo aus der Ciaviersonate 
Op. 10 Nr. 3; von Schubert die Ouvertüre zu Körners „Rosa- 
munde" und die selten gehörte C-dur-Sinfonie, von Weber die 
Ouvertüre zu Euryanthe, Oberon, Freischütz, die Jubelouvertüre und 
instrumentirt die Aufforderung zum Tanz; vonSpohr dieJessonda- 
Ouvertüre, von Schumann die Sinfonien in B-dur, wohl noch das 
Bedeutendste, was in diesem Fache seit Beethoven geschrieben ist, 
und die in D-moll, sowie die Ouvertüre zu „Manfred" und zu „Ge- 
nofeva," nebst Arrangements einiger Ciavierstücke („Abendlied," 
„Träumerei"), von Mendelssohn die A-moll-Sinfonie, die Musik 
zum „Sommernachtstraum" vollständig, die Ouvertüre „Meeresstille 
und glückliche Fahrt," zu den „Hebriden," zu „Athalia," „Roy Blas," 
von Meyerbeer der Fackeltauz in C-moll, aus dem „Propheten" und 
den „Hugenotten" Arrangements, insbesondere die Schwerterweihe, 
desgleichen aus der „ Afrikanerin," die Ouvertüre zu „Struensee" und 
zu „Dinor&b," die allerdings schon mehr nur des Orchesters wegen 
da zu sein scheinen; von Spontini die Ouvertüren zu „Olympia" 
und „Vestalin," von Rossini die Ouvertüren zu „Teil," „Semiramis," 
i.Belagerung von Corintb," „Diebische Elster;" von Nicolai die 
Ouvertüre zu den „lustigen Weiber," weitre Ouvertüren von B o i e 1- 
dieu, Kreuzer, Doppler, Flotow, A. Thomas; von Glinka 
die belobte „Kom&rinskaja," Gounod und Verdi waren mit Ar- 
rangements „vertreten," von R. Wagner („meinen hiuüberzotreteo 
in einen reineren Kreis" wie Hebbel sagt) Ouvertüren zu „Taun- 
häusei" (und wie!) zu „Rienzi," Entreact und Vorspiel zu „Lohen- 
grin," von Berlioz der „Römische Carneval;" — kommen die 
Anderen von heute, alle willkommen : David mit Episoden aus der 
nur zu selten gehörten „Wüste," Lach n er mit der vollständig auf- 
geführten Suite in D-moll, Gade mit den Ouvertüren zu „Hamlet," 



— 74 - 



„Nachklänge aus Ossian," „Hochland," M. Brach's Vorspiel zu 
,,Loreley," A b e r t's Columbus-Sinfonie, R e i n e c k e's Ouvertüre zu 
„Aladin," Kaffs Orchestersuite. 

Unter den „Orchester- Idyllen," welche zwischen die grösseren 
Piecen zuweilen eingeschoben werden, ist ausser der sehr reizvollen, 
Serenade von Haydn, dem Sylphentanz vonBerlioz, dem Chan- 
son damour von Taubert ein „Schlummerlied" von Bürgel 
hervorzuheben, welches der Componist als Vorboten einer Ouvertüre 
„Sappho," seinem ersten grosseren Werk für Orchester, vorausgesandt 
hat. Die Aufführung derselben steht nächstens bevor und werde 
ich dann auf diesen Componisten zurückkommen, der eine gerechte 
Anwartschaft darauf hat, wo die besten Namen genannt werden, 
auch den seinigen zu hören. Bisher sind von ihm 13 Ciavierwerke, 
darunter von besonders fachlichem Werthe Variationen über ein 
Originalthema und eine sehr respectable Sonate in 4 Sätzen, er- 
schienen, während neuere, bisher ungedruckte Compositionen, die 
ich Gelegenheit hatte zu hören, die früheren bei Weitem an Klar- 
heit, ausgeprägtem Character und clavi ergerechtem Satz übertreffen, 
so dass dieselben wohl die Aufmerksamkeit der Herrn Verleger ver- 
dienten. — 

Aus Ems. 

36. April. 
Heute spielte unsere Curmusik zum erstenmale: unsere dies- 
jährige musikalische Saison hat mithin begonnen. Hoffen wir, dass 
sich Ems in diesem Jahre wieder einer ebenso grossen Gästezahl 
— wir setzen diesen nervus verum eines Curortes mit gütiger Er- 
laubniss des Lesers zuerst — und ebenso brillanter Concerte wie in 
der vorigen Saison erfreuen werde. Ob unsere Administration wieder 
ein französisches Theater errichten wird, möchte in Betracht des 
Kostenpunctes bis jetzt noch sehr zweifelhaft sein ; die verhängniss- 
volle Jahreszahl 1872 schwebt derselben jedenfalls vor Augen. — 
Im letzten Winter gab die Curcapelle, unter der trefflichen Leitung 
ihres Directors Hempel eine Reihe Abonnementsconcerte, die sehr 
besucht waren und allgemeinen Beifall fanden. Als hervorragende 
Solisten hörten wir u. A. die Herren Herfurth und Lüstnen 
ersteren als Virtuos auf der Violine, letzteren als solchen auf dem 
Violoocell — beide bereits auch in weiteren Kreisen ehrenvoll be- 
kannt. — Vor einigen Monaten starb dahier eine im ehemaligen 
Herzogthum Nassau allgemein bekannte musikalische Persönlichkeit, 
Sebastian Weigandt, der frühere langjährige Director derCapelle 
des in Weilburg garnisonirenden 1. nass. Regimentes, in noch nicht 
vollendetem 65. Lebensjahre. Aus Römhild in Meiningen gebürtig, 
kam der Verstorbene, eine hochbegabte künstlerische Natur, 1819 
nach Wiesbaden, wirkte daselbst als Clarinettist in der Stadtfeld- 
scben Militärcapelle, bildete sich unter des Hofmusikns Heuschkel 
Leitung in der Theorie weiter aus und kam 1829 auf den beregten 
Posten in Weilburg. Seit 1854 wegen Kränklichkeit in den Ruhe- 
stand versetzt, verwaltete er eine Brunnenmeisterstelle hierselbst, 
deren Einkünfte ihm als Pension zugewiesen worden waren. Der 
Haupterbe seines Talentes ist der in diesen Blättern schon einige- 
mal erwähnte Pianist Ernst Weigandt. 



Aus 



Z i gm 



L ei p 

Im April 1868. 

Das neunzehnte Abonnements-Concert im Saale des Gewand- 
hauses am 5. März fand, wie es auf dem Programme heisst, „zur 
Feier des 125jährigen Bestehens der Leipziger Abonnement-Concerte" 
statt. Auf jenem befinden sich zuvörderst folgende Notizen : 

„Den lt. März wurde von 16 Personen, sowohl Adel als Bürger- 
lichen Standes das grosse Concert angeleger, wobey jede Person 
jährlich zu Erhaltung desselben 20 Thlr., und zwar vierteljährig 
1 Louisd'or erlegen inussten, die Anzahl der Musicirenden waren 
gleichfalss 16 auserlesene Personen, und wurde solches erstlich in 
der Grimmischen Gasse bei dem Herrn Berg Rath Seh woben, nach- 
gehend» in 4 Wochen drauf, weil bey erstem der Platz zu enge, 
bey Herr Gledi tz scher dem Buchführer aufgeführt und gehalten." 
(»Continuatio Annalium Lips. Vogelii. anno t743.") 

„Den 9. März wurde der Jahres-Tag des grossen musicalischen 
Concerts mit einer Cantate, so Herr Do hl es componiret mit Trom- 
peten und Pauken gefeyert." 

(„Continuatio Annalium Lips. Vogelii. anno 1744."") 



Am 25. November 1781 fand das erste Concert im Saale des 
Gewandhauses mit folgendem Programm unter Leitung J. A. H i 1 1 e r's 
statt : 

Erster Theil: Sinfonie von Joseph Schmitt. Hymne an die 
Musik, vonReichardt: „Schönste Tochter des Himmels." Concert 
auf der Violine, gespielt von Hrn. B e r g e r. Quartett mit dem ganzen 
Orchester von Stamitz. 

Zweiter Theil : Sinfonie von J.S. Bacb. Arie von S a c c h i n i, 
gesungen von MUe. T. Podleska: „So, che un dolor tiranno. H 
Sinfonie von E. W. Wolf f. 

Zur Ergänzung obiger Notizen dürften noch weiter folgende 
dienen: Nachdem im Jahre 1743 in der oben angegebenen Weise 
der Grund zu den „grossen Concerten" gelegt, durch den sieben- 
jährigen Krieg aber eine längere Pause eingetreten war, begann 
man im Jahre 63 nach dem Friedensabschluss von Neuem mit einem 
Orchester von 30 Manu im Saale zu den „drei Schwäne" auf dem 
Brühl unter der Direction von Johann Adam Hill er. Die eigent- 
liche Gründung der Leipziger Abonnement-Concerte dürfte sich jedoch 
erst vom 25. November 1781 datiren, wo das erste mit dem oben 
angegebenen Programm im Saale des Gewandhauses statt fand. 
Eine Schilderung der Entwicklung dieser nicht allein für Leipzig 
sondern für die ganze musikalische Welt so hochwichtig gewordenen 
Anstalt, würde uns zu weit führen; wir begnügen uns daher als von 
allgemeinerem Interesse die Namen der jeweiligen Dirigenten anzu- 
führen: Joh. Adam Hiller von 1781-85, Joh. Gottfried 
Schicht von 1785-1810, Joh. Philipp Schulz 1810-27, Chris- 
tian August Po h lenz 1827—35, Felix Men d eis oh n- Bart holdy 
1835—43 und 46—47, Ferdinand H i 1 1 e r 1843-44, Niels W. Gad e 
1844—46, Ferdinand D a v i d 1847-48 und 54-56, Julius Rietz 
1848 — 54 und 1856 — 60, und von da an bis zum heutigen Tage Carl 
R e i n e ck e. Ohne das verdienstvolle Wirken jedes Einzelnen dieser 
Dirigenten schmälern zu wollen, wird es doch als unbestreitbare 
Thatsache bleiben, dass es namentlich Felix Mendelsohn - Bartholdy 
war, der den Grund zu der Höhe des Rufes legte, dessen sich noch 
jetzt die Leipziger Gewandhausconcerte erfreuen. 

Das Jahr 1743 als Stiftungsjahr annehmend, feierte man also 
heute das 125jährige Bestehen und hatte zu dem Zwecke Compo- 
sitionen von Dirigenten, die während der letzten 25 Jahre in Thä- 
tigkeit gewesen waren, zur Aufführung gewählt. 

Eröffnet wurde das Concert mit der Concert-Ouverture von Ju- 
lius Rietz, der eine ihrem Werthe entsprechende treffliche Aus- 
führung zu Theil wurde. Hierauf sang Frl. Therese Seehofer 
aus Wien die Arie: „Höre, Israel, höre des Herrn Stimme" aus 
Mendelsohn's „Elias." Frl. Seehofer hat seit ihrer vorjährigen 
Anwesenheit offenbar Studien gemacht ; ob aber die richtigen und 
für ihre Stimme zuträglichen, möchten wir bezweifeln. Was diese 
an Volumen und Stärke gewonnen hat, ist sie auf dem besten Wege 
an jugendlichem Reiz und sympathischem Schmelz einzubüssen; sie 
klingt jetzt schon zuweilen recht hart und scharf. Wir wissen nicht, 
wem oder welcher Unterrichtsmethode es vorbehalten war, das schöne 
Material auf diese Abwege zu führen, rathen aber der jungen Dame 
zur schleunigsten Umkehr. Ueberhaupt scheint, — wenn wir auch 
von einigen kleinen Verstössen absehen wollen — in dem Vortrage 
derartiger Musik nicht die Hauptstärke der Sängerin zu liegen. — 
Herr Ludwig Straus aus London, der zunächst das Mendel- 
s o h n'sche Violin - Concert spielte, bewährte seinen Ruf als deu 
eines nach allen Seiten bin tüchtigen und fertigen Geigers, der, 
alle Effecthascherei verschmähend, schon durch die solide Art und 
Weise seines Spieles für sich einnimmt. Hierin blieb er sich auch 
treu, als er im zweiten Theil des Concertes das die Virtuosität mehr 
herausfordernde Andante und Scherzo capriccioso von Ferd. David 
mit dem nöthigen Aplomb und bester Eleganz vortrug. Durch 
stürmischen Beifall und mehrmaligen Hervorruf erkannte das Audi- 
torium seine Vorzüge an. Noch bleibt aus dem ersten Theil G a d e's 
Frühlings-Fantasie für 4 Solostimmen, Pianoforte und Orchester zu 
erwähnen, ein reizendes, liebenswürdiges Stück, unbedingt seinen 
besteu Schöpfungen angehörend. Der Vortrag der Soli, durch die» 
Damen Seehofer und Borre, und die HH. Rebling — beson- 
ders rühmend hervorzuheben — und E h r k e, letztere drei Mitglieder 
des hiesigen Theaters, so wie der von Herrn Capellmeister Rein- 
ecke bestens ausgeführte Ciavierpart verschafften dem Werke die 
verdiente freundlichste Aufnahme. — Der zweite Theil des Concertes 



- 76 - 



begann mit einer Sinfonie (A-dur) von C.Reinecke, die in ihrer 
brillanten Wiedergabe dem Componisten lebhaftesten Beifall und 
Hervorruf verschaffte, und schloss mit drei Liedern für Sopran-Solo 
und Männerchor von Ferdinand Hiller: „Lebenslust," „Abschied" 
und „die Lerchen." So manch Hübsches und Reizvolles diese Lieder 
enthalten, so hätten wir — und wohl Viele mit uns — sie lieber 
bei anderer Gelegenheit, am wenigsten gern zum Schluss des Concertes 
zur 125jährigen Jubelfeier gehört. Die Aufführung der Sopransolo- 
partie verschaffte Frl. Seehofer Beifall und Hervorruf, eine Ehre } 
•die mit ihr auch die anderen Solisten nach Gade's Frühlings-Fantasie 
schon getheilt hatten. 

(Fortsetzung folgt.) 

Aus C tf 1 n. 

Die dritte und letzte der für die diesjährige Winter-Saison 
von dem „Cölner Männergesang-Verein" und der „Philharmonischen 
•Gesellschaft" im grossen Saale des Gertrudenhofes veranstalteten 
musikalischen Abendunterhaltungen brachte folgendes Programm: 

Sinfonie Nr. 5, D-moll, von Ferd. Ries; vier Lieder ohne Be- 
gleitung von H. Mar sehn er, Ferd. Ries, J. DiirrÄr und F. 
Sucher; das Doppel-Concert für zwei Pianoforte's mit Orchesterbe- 
gleitung von W. A.Mozart; und zum Schlüsse „Salamis," Sieges- 
gesang der Griechen, für* Quartett-Solo, Männerchor und Orchester 
von Max Bruch. 

Das Concert war in jeder Beziehung ein sehr gelungene«». Der 
Vorstand hatte zu der herrlichen Sinfonie unseres rheinischen Ton- 
meisters eine kurze Uebersicht des Lebens und Wirkens Ferd. Ries 
sowie die Entstehungsgeschichte der obigen Sinfonie, gleichsam als 
erklärenden Text dem Programme beidrucken lassen, welche Notizen 
das Interesse des Publikums für das Werk selbst und den Compo- 
nisten sehr gehoben haben. Die Sinfonie wurde mit grosser Be- 
geisterung gespielt und mit vielem Beifall begrüsst. 

Bei dem Anhören eines solchen Werkes drängte sich unwill- 
kürlich beim Publikum die Frage auf: „Warum hören wir in un- 
serer Zeit so selten etwas von den Meisterwerken unseres berühmten 
rheinischen Landsmannes, dessen classische Tonschöpfungen doch 
Tausende von Erzeugnissen der Neuzeit, trotz aller Effecthascherei 
und dem Pompe einer sogenannten Zukunftsmusik, bedeutend über- 
ragen ? Warum achten und ehren wir nicht mehr das Andenken eines 
grossen Mannes, welcher, kaum der Gegenwart entrückt, fast gänz- 
lich und ebenso rasch der Vergessenheit anheimgefallen zu sein 
scheint, als er noch vor wenigen Decennien in ganz Deutschland, 
England und Italien der gefeiertste Meister, und namentlich der 
Stolz und der Glanzpunkt unserer rheinischen Musikfeste war? — 
Dem Vorstande gebührt mit Recht der Dank und die ehrenvolle 
Anerkennung, dass er bei seinen diesjährigen Concerten wiederholt 
Meisterwerke vorgeführt hat, welche unserer festen Ueberzeugung 
nach, von einem Theile der beutigen Tonangeber allzu stiefmütter- 
lich behandelt und vernachlässigt werden. 

Die Lieder ohne Begleitung wurden von dem „Cölner Männer- 
Gesang-Verein" mit der gewohnten Feinheit und Meisterschaft vor- 
getragen und erhielten grossen Beifall. Besonders gefielen das 
„Trällerliedchen" von Ries und das „Mädchen von Gawrie" von J. 
Dürrner. Letzteres musste auf Verlangen wiederholt gesungen werden. 

Die rühmlichst anerkannteu Ciavier- Virtuosen, Herrn J. Seiss 
und F. Gernsheim, Professoren des hiesigen Conservatoriums, 
spielten das herrliche Doppel-Concert für 2 Pianoforte von Mozart 
mit grossem Verständniss und Wärme, und documentirten durch 
ihr treuliches Zusammenspiel und den reizenden Vortrag dieses 
Meisterwerkes aufs Neue den hohen Grad ihrer erworbenen Künstler- 
schaft. Rauschender Beifall lohnte ihre Leistungen. Das zahlreich 
anwesende Publikum war bosonders auf das neueste Werk unseres 
wackeren Max Bruch, eines geborenen CÖlners, sehr gespannt und 
bei der treulichen Ausführung der durch den „Cölner Männer -Ge- 
sangverein" hier zum Erstenmale zu Gehör gebrachten herrlichen 
Composition „Salamis* 1 voller Befriedigung. Diese neue schwung- 
volle Tonschöpfung Bruch's reiht sich seinen früheren, rasch beliebt 
gewordenen Compositionen für grossen Männerchor und Orchester, 
wie „römischer Triumphgesang, " ) B Fritjofs Sage* etc. würdig an, 
und wird von allen tüchtigen Männer-Gesaugvereiuen als eine her- 
vorragende Festgabe bei ihren grösseren musikalischen Aufführungen 



stets mit vieler Freude begrüsst werden. Das Werk ist breit ange- 
legt, brillant und höchst effectreich, vielleicht etwas zu reich instru- 
mentirt. Der Vortrag desselben erfordert, bei voller Wirkung des 
Orchesters, neben kräftigen Solisten, einen wohlgeschulten zahlreichen 
Chor und wird bei einer solchen Inscenesetzung allzeit des schönsten 
Erfolges sicher sein. 

Nach dem Concerte vereinigten sich die Gesellschaftsmitglieder 
zu einem gemeinsamen Souper, welches durch Reden, Toaste, heitere 
Gesangsvorträge und allgemeine Tafellieder reichlich gewürzt war. 
Die Stimmung war sehr animirt und heiter; der Vorstand suchte 
dem laut ausgesprochenen Wunsche um baldige Wiederholung ähn- 
licher genussreicher Abendunterbaltungen dadurch zu entsprechen, 
dass er für die nächste Winter-Saison solche wiederum in Aussicht 
stellte. 

Am 7. April veranstaltete die hiesige, unter der Leitung des 
königl. Musikdirectors Herrn Fr. Weber stehende Singakademie 
mit Unterstützung der Mitglieder des „Cölner Männer-Gesangvereins," 
vor einem engern Kreise der Familienangehörigen der Gesellschafts- 
mitglieder, in ihrem Versammlungslokale, eine öffentliche Aufführung 
des „Tod Jesu" von Graun. Der Ertrag war bestimmt zur theil- 
weisen Deckung des noch fehlenden Baufonds der Anbringung einer 
Gedenktafel mit Bronce-Büste Graun's an dessen Geburtshause in 
Wahrenbrück. Die Aufführung war eine gelungene ; die prachtvollen 
Choräle und Chöre gingen vorzüglich und suchten die Solovorträge 
der Frl.Eglinger, Kuh n und F. Schreiner, sowie der Herren Jos. 
Wolf und A. P e 1 1 z e r der gestellten Aufgabe nach besten Kräften 
gerecht zu werden. In Frl. Kuhn, einer Schülerin des Hrn. Koch, 
lernten wir eine treffliche Sopranistin kennen, welche sich besonders 
in der grossen Arie: „Singt ihr göttlichen Propheten" als eine be- 
deutende Sängerin mit schöner Stimme und vollendetem Vortrage 
vorführte und für die Folge ganz Vorzügliches erwarten lässt. 

Das 10. Gesellschaftsconcert im Gürzenicbsaale brachte eine 
Aufführung der grossen Matthäus-Passion von Seb. Bach. 
In Bezug auf die Chöre ist leider nicht viel Günstiges zu berichten, 
da sich bei denselben fast durchgängig eine gewisse Unsicherheit, 
namentlich bedeutender Mangel an Bestimmtheit bei den Eintritten 
bemerklich machte, wodurch die Totalwirkung bedeutend abge- 
schwächt wurde. Um so besser entledigten die Solisten sich ihrer 
so schwierigen Aufgaben. Frl. Scheuerlein (Sopran) sang ihre 
Arien mit klangvoller Stimme, verständniss voller Auffassung und 
grosser Wärme des Ausdrucks ; auch Frau Höf ner-Harken (Alt), 
obwohl manches Unschöne in ihrer Tonbildung störend wirkte, ward 
ihrer Aufgabe im Ganzen ziemlich gerecht. Ganz vorzüglich waren 
die Tenor- und Basspartie durch die HH. S ch i 1 d aus Leipzig und 
Hill aus Frankfurt besetzt. Beide, insbesondere aber Hill, der 
bewährte Meister des Oratoriengesangs, machten durch ihre Vortrags- 
weise einen tiefen und nachhaltigen Eindruck auf die Zuhörer und 
erwiesen sich als Künstler im echten Sinne des Wortes. 



^ •eo < 



Nachrichten. 



Qarlsruh6. Am 22. April fand hier eine in jeder Beziehung 
gelungene Aufführung des Oratoriums „der Fall Babylon's" von 
L. Spohr durch den Cäcilienverein unter der Leitung des 
Hrn. Hofkirchenmusikdirectors Giehne und unter Mitwirkuug der 
Frau Braunhof er sowie der HH. Brandes und Br ulliot (sämmt- 
lich Mitglieder unserer Hofbühne) und des kunstgeübten, mit schöner 
Baritonstimme begabten Dilettanten Hrn. Bassermann aus Heidel- 
berg statt. Nicht nur die genannten Solisten, sondern auch dem 
Chore und Orchester, welche sich ihrer mitunter sehr schwierigen 
Aufgabe in vortrefflicher Weise entledigten, die HH. Hofmusiker 
Spies und W. Segisser, welche die Violin- uud Violoncellsoli 
mit höchster Gediegenheit ausführten und endlich Hrn. Giehne, dem 
umsichtsvollen ^und energischen Leiter der ganzen Aufführung ge- 
bührt der ungeschmälerte Dank aller Zuhörer, welche durch viel- 
fachen und lebhaften Beifall ihre volle Befriedigung zu erkennen 
gaben, sowie denn überhaupt die so schön gelungene Vorführung 
des Spohr'schen Meisterwerkes als der Glanzpunkt der abgelaufenen 
Saison bezeichnet werden darf. 



— 76 - 



Paris. Die Einnahmen der Theater, Concerte nnd öffentlichen 
Schaustellungen jeder Art in Paris betrugen im Monat März die 
•Summe von 1,887,080 Frcs. 

— Das am Charfreitag im Cirque de Vlmperatrice von Pag- 
deloup veranstaltete Concert versammelte ein Auditorium von 3600 
Personen. Den Hauptanziehungspunkt bildeten Faure und Mlle. 
Nilsson, welche Stücke aus dem „Tannhäuser * und ausRossini's 
„Stabat mater* und Anderes mit ungeheuerem Beifall vortrugen. 
Ausserdem kamen geistliche Gesänge für Chor von S i 1 ch e r und 
G o u n o d, Andante religioso von Mendelssohn, das Allegretto 
aus der A-dur- Sinfonie von Beethoven und der von Prosper 
P a 8 c a 1 instrumentirte Trauermarsch von Chopin zur Aufführung. 

— Fritz Gernsheim, Professor am Conservatorium in Co In, 
hat im Salon Erard ein Concert gegeben und als Componist wie 
als Pianist sich der ehrenvollsten Anerkennung zu erfreuen gehabt. 

Brüssel. Den früheren Notizen über die populären classiscben 
Concerte des Hrn. Samuel ist noch beizufügen, dass am 5. April 
noch ein ausserordentliches Concert unter Mitwirkung Joachim's, 
der das Violinconcert von Max Bruch, Becitativ und Andante aus 
dem 6. Concert von S p o h r, und endlich Sarabande und Bourre*e 
von S. Bach vortrug, stattgefunden hat. Den Beifallsjubel, wel- 
chen der Geigerkönig erntete, zu beschreiben ist nicht möglicht 
auch nicht nöthig. Ueberhaupt wüssten wir uns kaum eines Erfolges 
in Brüssel zu erinnern, welcher dem der Frau Clara Schumann 
und des Hrn. J o a ch i m zu vergleichen wäre. 

*** Capellmeister Franz A b t ist von Braunschweig nach 
Petersburg abgereist, wo er mit den dortigen deutschen Gesang- 
vereinen eine grosse Männergesangs - Production veranstalten wird. 

*** Bei der nun erfolgten Preisverteilung der Societä del Quar- 
tette in F lorenz für den 1867 ausgeschriebenen Compositionscon- 
curs erhielt für eine Ouvertüre zu Alfieri's Tragödie „Sani" den 
ersten Preis der berühmte Geiger Bazzini, den 2. Giovanni Rossi 
aus Parma ; für ein Duett für Ciavier und Violine erhielt beide 
Preise Filippo Fasanotti aus Florenz und für ein 4stimmiges 
Madrigal ohne Begleitung wurden prämiirt Consolioi ans Bres- 
cia und Stefano Tempio aus Turin. 

*** Die Musikinstrumentenmacher W i e n's haben Herrn Pro- 
fessor H a n s 1 i ck eine prachtvolle Adresse überreicht, welche den 
Dank für sein erfolgreiches Wirken als Juror bei der Pariser Welt- 
ausstellung enthält und insbesondere hervorhebt, dass es nur Herrn 
Dr. Hanslick zu verdanken sei, „wenn die österreichischen Erzeug- 
nisse der 10. Classe der Weltausstellung ihren alten ehrenvollen 
Ruf neben jenen aller übrigen Nationen gleich ehrenvoll behaupten 
konnten." Der von den besten Wiener Firmen dieses Faches unter- 
zeichneten Adresse haben auch die meisten der dahin gehörigen 
Aussteller aus den Provinzen sich brieflich beigesellt und sind den- 
selben überdiess die Photographien der Unterzeichner beigefügt. 
(Es ist dies gewiss eine erfreuliche Genugthuung für Hrn. Dr. Hans- 
lick gegenüber den Anfechtungen, welche swine Wahl zum öster- 
reichischen Delegirten seiner Zeit von gewisser Seite zu erleiden hatte 

*** Coucertmeister Lauterbach aus Dresden, sowie die Pia" 
nibten A. Bubinstein und A. J a e 1 1 werden in dieser Saison 
in London concertiren. 

%• Die diesjährige Tonkünstlerve'r Sammlung wird 
vom 19. bis 22. Juli in Altenburg stattfinden. 

*** Der Kaiser von Bussland hat dem Componisten S e r o f f 
einen lebenslänglichen Jahresgehalt von 1500 Bubeln bewilligt. 

*** Zu unserer bereits früher gebrachten Notiz über das dies- 
jährige „Niederrheinische Musikfest" in C ö 1 n tragen wir nach, dass 
mit demselben die Feier des 50jährigen Bestehens dieser schönen 
Feste zusammenfällt. G a d e wird nicht, wie angekündigt, dabei er- 
scheinen um eine neue Ouvertüre persönlich zur Aufführung au bringen. 

*** In Beirut (Kleinasien) fand ein Wohlthätigkeitsconcert 
der dortigen deutschen Diaconissenanstalt statt, welches einen Bein- 
ertrag von 350 Thlrn. ergab. Das Auditorium bestand grösstentheils 
aus Türken und Arabern, welchen man Compositionen von Mozart, 
Beethoven, Mendelssohn, C. Hennig in Berlin, etc. zum Besten gab. 

*** Ein deutscher Nabob soll dem Director des lyrischen Thea- 
ters in Paris mit 300,000 Frcs. unter die Arme greifen wollen unter 
der Bedingung, dass er den „Lohengrin" zur Aufführung bringe. 

*** Der Herzog von Massa hat im Pariser Conservatorium 
«ine von ihm componirte Oper „Dante" aufführen lassen und dieses 



Vergnügen mit 30,000 Frcs. bezahlt, welche er als Honorar an die 
Mitwirkenden vertbeilte. 

*** Der Liederdichter Müller von der Werra hat vom 
Herzog von Meiningen die grosse goldene Medaille für Kunst und 
Wissenschaft erhalten. 

*** In Marseille ist der Gründer und Director des dortigen 
Conservatoriums, Barsotti, im Alter von 80 Jahren gestorben. 

*** Dem Componisten Friedrich Kiel in Berlin ist der Pro- 
fessortitel verliehen worden. 

*** Der Violinvirtuose W i 1 h e 1 m j concertirt mit grossem Er- 
folge in Petersburg. 

* m * Frl. Carina vom Hofoperntheater in Wien ist in Leipzig 
engagirt worden. 

*** Die altberühmte „königl. schwedische Akademie der Musik" 
in S t o ck h o 1 m, deren Präsident der Prinz Oscar ist, hat Herrn 
Ferd. Hiller in Cöln zu ihrem Mitgliede ernannt und ihm das 
betreffende Diplom zugesendet. 

%* Die Oper „Bogneda" von Seroff wird nächsten Herbst 
in Moskau in glänzender Ausstattung zur Aufführung kommen. 

*** Die rühmlichst bekannte Gesanglehrerin am Musikconser- 
vatorium rn Cöln, Frau M a r ch e s i, hat zu ihrem Namenstage 
von ihren 32 Schülerinnen eine schöne Pendule als Geschenk er- 
halten und wurde ausserdem von denselben mit der Aufführung 
eines Singspiels und verschiedener Concertvorträge überrascht. 

%* Dem Londoner Musikjournal „Orchestra" zufolge ist die 
bis jetzt in London gewesene Gesammtcollection der Händel'schen 
Partituren, aus 124 Bänden bestehend, an Dr. Chrysander, den 
Herausgeber der neuen Ausgabe von „Händeis Leben und Werke," 
verkauft und nach Deutschland abgesandt worden. Man wundert 
sich allgemein darüber, dass die Verwaltung des „Britich Museum" 
sich diese kostbaren Reliquien des grossen Componisten habe ent- 
gehen lassen. 

*** Die in diesen Blättern schon öfters erwähnte jugendliche 
Violinvirtuosin Therese Liebe aus Strassburg hat dieser Tage in 
Paris, im Saal Erard, ein Concert gegeben und durch den Vortrag 
des Concertes von Mendelssohn, dieses Prüfsteins für jeden 
Geiger und anderer gutgewählter Stücke die Bewunderung aller An- 
wesenden erregt und man staunte über die rapiden Fortschritte,, 
welche die noch fast im Kindesalter stehende junge Künstlerin in 
verhältnissmässig kurzer Zeit gemacht hat. 

*** Der Tenorist Gustav Walter vom Hofoperntheater in 
Wien singt jetzt , nach ausserordentlich erfolgreichen Gastspielen, 
in Magdeburg, Köln und Mannheim inMünchen, wo 
seine Leistungen ebenfalls ungewöhnlich lebhaften Beifall finden. 
In den letzten Tagen trat neben ihm in den „Hugenotten" Fräulein 
Leonoff als Page auf und wusste zu gefallen. 

*** Erl. Seehofer aus Wien ist vom kommenden Herbst an 
für das kgl. Hoftheater in München engagirt. 



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17. Jahrgang. 



M* SO. 



18. Mai 1866. 



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INHALT: Literatur. — Corresp.: Leipzig Berlin. München. Cöln. — Nachrichten. 



Literatur. 



Musikalische Studien, von Wilhelm Tappert. 
Berlin, 1868 bei J. Guttenberg. 252 S. gr. 8° 
mit vielen in den Text eingereihten Notenbeispielen. 

Der Verfasser theilt sein Buch in sechs verschiedene Abhand- 
lungen, betitelt: „Wandernde Melodien;" „Ein Umbildungsprozess ;" 
„Der übermässige Dreiklang ;" „Die alterirten Accorde;" „Ein Dogma" 
nnd „Zooplastik in Tönen." Wenn derselbe die Absicht hatte, in 
den ersten Kapiteln namentlich, das Fortschreiten von den allerein- 
fachsten Anfängen, aus den unscheinbarsten Keimen zu immer gros- 
serer Vollkommenheit, wie dies in der ganzen Natur, wie dies bei 
allen Zweigen der Wissenschaft stattgefunden hat, auch auf dem 
Gebiete der Tonkunst nachzuweisen, so ist dies gewiss eine recht 
verdienstliche Aufgabe die er sich gestellt hat und die Art und 
WeiBe, wie er dieselbe zu lösen versuchte ist eine in hohem 
Grade anziehende, unterhaltende und häufig selbst frappirende, be- 
sonders für Jene, welche über derlei Dinge sich noch nicht mit 
vielen Grübeleien befasst haben. Die unendliche Anzahl der von 
Tappert aufgeführten Beispiele, durch welche er im ersten Capitel 
eine knrze Phrase aus einem Prager Processionale des 14. Jahrhun- 
derts (g a h a c h a g) als die Stammmutter einer grossen Menge 
von Melodien späterer Jahrhunderte bis auf unsere Zeiten darstellt 
und dann den etwa doch noch Ungläubigen in dem Capitel „Um- 
bildungsprozess" abermals in zahlreichen Mustern vorführt, wie die 
kleine Tonreihe c h a g abgesehen von ihrem einfachen Bestehen 
selbst durch Veränderungen, Zusätze und Erweiterungen, oder U m* 
b i I d u n g, wie der Verfasser es nennt, wiederum auf allen Wegen 
und Stegen in der musikalischen Welt und durch alle Zeiten hin- 
durch immer und überall wieder uns entgegentritt, zwingen zu dem 
Zugeständniss, dass er sich keine Mühe verdriessen Hess, um die 
Theorie des Entspringens aus kleinen Uranfängen und des ewig 
fortschreitenden Entwickelungsprozesses auf dem Felde der Tonkunst 
auch im practischen Sinne zu illustriren. Ob es zu den Zwecken 
des Verfassers nothig oder geeignet war, Dawin's Um- und Fortbil- 
dungslehre mit hereinzuziehen, wollen wir dahingestellt sein lassen, 
auch nicht mit ihm darüber rechten, wenn manche der angeführten 
Beispiele etwas sehr stark umgebildet erscheinen. Das Feld de r 
Reminiscenzen bleibt eben für . Liebhaber von dergleichen Wild 
immer ein sehr ergiebiger Jagdgrund. Doch wiederholen wir, dass 
die Anschauungs- und Durchführungsweise des Verfassers eine recht 
fesselnde, Belehrung und Unterhaltung gewährende ist. 

In den folgenden, vom übermässigen Drei klang und den 
alterirten Accorden handelnden Capiteln, weist der Verfasser 
die Berechtigung und Nutzbarkeit solcher Accorde nach, ein Beginnen, 
in welchem ihm die Componisten der neuesten Richtung bereits 
practisch und gar nicht blöde vorangegangen sind, was er denn auch 
mit grosser Befriedigung selbst zugesteht. Wir geben ihm in seinen 
Ansichten über diesen Punkt im Allgemeinen vollkommen recht» 
vrünschen aber nur, dass in der Praxis hierin ein vernünftiges Maass 



eingehalten werde und man unsere Ohren nicht durch das Erheben der 
bisherigen Ausnahmen zur Regel auf kakophonischem Wege für die neu- 
en Lehren umzubildenversuchen möchte. Auch das Capitel „Dogma" 
handelt von verschiedenen Grundregeln und Vorschriften aas früheren 
Zeiten, welche die Praxis in ihrem Fortschritte nach und nach mit 
Recht umgestossen hat. Einen äusserst unterhaltenden Abschluss 
erhält Tappert's Buch durch das letzte Capitel „Zooplastik in Tönen," 
in welchem eine ganze Menge von Beispielen, in welchen die Laute, 
Bewegungen etc. von Thieren musikalisch darzustellen versucht ist, an- 
geführt werden und da es dem Verfasser ausser seinem grossen Sammler- 
fleiss auch nicht an Witz und Humor fehlt, so gestaltet sich dies Capitel 
wie gesagt, zu einer recht heiteren Unterhaltung. Das ganze Buch über- 
haupt empfiehlt sich dem darüber Gesagten gemäss als ein geistreiches, 
viel des Neuen Jund nicht minder des Unterhaltenden bietendes 
Musikern und Dilettanten zur Kenntnissnahme und verdient recht 
viel gelesen zu werden. E. F. 

COBBESPONDENZEN. 



Aus Leipzig. 

(Fortsetzung.) 
Zwischen dieses und das letzte Abonnement-Concert wurde am 
19. März ein Concert zum Besten der hiesigen Armen eingeschoben. 
Es brachte, wie meistens bei solchen Gelegenheiten, ein reiches Pro- 
gramm, darauf drei Novitäten und unter diesen wiederum zwei 
Orchesterwerke: Suite (Nr. 2) für Orchester von Heinrich Esser 
und Ouvertüre zu „Otto der Schütz" von Ernst Rudorff. Vom 
Esser erwartet man stets etwas Tüchtiges, dass man es darf, dafür 
liefert auch diese Suite den Beweis: sie ist eine durch und durch 
ehrenwerthe Arbeit, das Product grossen Wissens und grossen Fleisses. 
Von den vier Sätzen dürfte der erste besonders hervorzuheben sein, 
weil in ihm des Componisten schöpferisches Talent sich am eigensten 
erweisst und die Gedanken sich am entschiedensten aussprechen. 
Die Aufnahme des Werkes war die freundlichste, die Ausführung 
dagegen nicht so rund und fertig, wie es zur Einführung einer 
Neuigkeit wünschenswerth gewesen wäre. Besser erging es in letzter 
Hinsicht der Ouvertüre des Hrn. Rudorff, die der Componist selbst 
dirigirte. Es ist immer schwer, einem solchen Erstlings- oder 
sagen wir Jugendwerke gegenüber feste Stellung einzunehmen; gar 
oft bleibt es zweifelhaft, ob das, was der Componist bringt, Eigenes 
oder Nachgeahmtes oder gar Manier ist; fast will uns das Letzte 
bei Hrn. Rudorff bedünken. Wir wollen jedoch unser Urtheil über 
ihn aufschieben, bis wir Gelegenheit gehabt haben, mehr von ihm 
zu hören; sicherlich wird auch der jugendliche Tondichter diese 
Zeit benutzen, um vor allen Dingen ernste Studien in all dem, was 
wir gerade bei Esser so hochschätzen, in der Technik des Satzes, 
vorzunehmen. Als dritte Novität reihte sich diesen ein Violin- 
Concert an, coraponirt und vorgetragen von Hrn. Besekirksky 
aus Moskau. Im leichten französischen Styl gehalten, aber voller 
Effecte, gelang es dem hier noch unbekannten Virtuosen vermöge 



— 78 - 



•einer meisterlichen Technik mit demselben in glänzendster Weise 
su debntiren und sich reichsten Applaus and wiederholten Hervor- 
ruf zu verschaffen. Neben ihm wusste Herr von Inten, ein junger 
Claviervirtuos aus hiesiger Schule, mit dem Vortrag einer Gigue 
von J. G. HS 88 ler, eines Stückes (Nr. 2) aus den Wanderstunden 
von Stephen Heller und des Präludiums mit Fuge (P-moll) von 
F. Mendelsohn-Bartholdy höchst ehrenvoll sich zu behaupten. 
Die Gesangsvorträge waren von Frl. Seehof er und Hrn. Hassel- 
beck aus München. Letzterer, im Besitz eines angenehmen Bari- 
tons, trug die Arie „Gott sei mir gnädig" recht an- und verständig 
vor und erhielt dafür entsprechenden Beifall. In reicherem Maasse 
wurde dieser Frl. Seehofer zu Theil, obgleich wir über ihre Leis- 
tungen: Arie aus „Faust" von Spohr und Lieder von F. Schubert: 
„die junge Nonne* und „Willkommen und Abschied" nur schon 
früher Gesagtes wiederholen könnten. Um den Ansprüchen, welche 
die Spohr'sche Arie an die Sängerin stellt, zu genügen, fehlt ihr 
vor allen Dingen die nöthige Technik. 

Das zwanzigste und letzte Abonnement-Concert, Donnerstag 
den 26. März, fiel auf den Todestag B e e t h o v e n s (f d. 26. März 1827) 
und waren daher nur Compositionen des grossen Meisters zur Auf- 
führung gewählt; für den ersten Theil: Kyrie, Sanctus und Bene- 
dictes aus der Misset solemnis, und Fautasie für Pianoforte mit 
Chor und Orchester, für den zweiten die neunte Sinfonie. Als die 
schwächste der Leistungen müssen wir die der drei Sätze aus der 
Messe bezeichnen ; da hätte es unbedingt noch Proben zum innigeren 
Verständniss, zu einem besseren festeren Zusammengehen bedurft; 
mit den paar üblichen Concertproben ist es einem solchen Werke 
gegenüber uicht gethan. Am hörbarsten trat dieser Mangel in dem 
Solo- Quartettgesang hervor; denn wenn auch die HH. Hill und 
R e b 1 i n g ihrer Aufgaben Herr waren und sie sicher und mit Verständ- 
lössten, so Hessen hierin und noch mehr in reiner Intonation die 
beiden Damen Frl. Louise Thomä aus Frankfurt a. M. und Frau 
Höfner-Harken aus Iever zu wünschen übrig. Zum rechten 
Genuss konnten wir wenigstens nicht kommen und, wir glauben uns 
nicht zu täuschen, auch der grösste Theil des Publikums nicht, 
trotz alledem und alledem, was man auch darüber sagen mag. Bei 
weitem freundlicher gestaltete sich der Erfolg der Fantasie; Herr 
Capellmeister R e i n e ck e am Ciavier gab durch seine Meisterschaft, 
mit der er dies behandelte, eine rechte Stütze ab und Alles, Chor 
und Orchester griff frischer und entschiedener ineinander. Gleiches 
Lob gebührt auch der instrumentalen Wiedergabe der Neunten ; sie 
war eine des Werkes wie der Ausführenden würdige. Von den So- 
listen brachte Herr Hill sein Recitativ in prächtiger Weise"zur 
Geltung; er und Herr Rebling hielten wacker zusammen. Die 
Chöre griffen fest und sicher ein ; dass sie nicht zur vollen Wirkung 
gelangten, daran trogen ihre numerische Schwäche wie die akusti- 
schen Verhältnisse des Saales, die das Orchester zu prädominirend 
erscheinen lassen, die Schuld. 

Aus Berlin. 

Das Nächste in der Reihe der Berliner Concert-Erinnerungen 
vergangenen Winters ist der Abend, an welchem CT aus ig nach- 
einander das F-raoll-Concert von Weber, das Es-dur-Concert von 
Beethoven, und das 2te Concert von Liszt spielte, indem Pro- 
fessor Stern ihm als Dirigent zur Seite stand. „Selbstverständlich 
unübertrefflich" — mit diesem bequemen Compliment pflegt man 
sich der Kritik zu entledigen, wenn man von Tausig spricht. Gewiss, 
wenn man erwägt, wie in Berlin sonst das öffentliche Clavierspiel 
gegenwärtig in den meisten Fällen gehandhabt wird — über'sKnie 
nämlich — was da Alles an Unfertigkeit, Unreife, Unmaass, ge- 
legentlich sogar an Unverschämtheit zu Tage kommt, wie wir, seit 
K u 1 1 a k pausirt und Bülow weg ist, auf dem Sande liegen, dann 
erscheint Tausig als ein strahlendes Lumen, vor dem die Uebrigen 
aus unserer Berliner „Jetztzeit" alle den Hut ziehen sollen, bis ans 
Herz, bis ans Knie, bis an die Erde, je nachdem, oder auch aufs 
Angesicht fallen. Wenn die Kritik dagegen von ihrem Rechte Ge- 
brauch macht, die Erscheinungen nicht aus dem Thale der gegen- 
wärtigen Alltäglichkeit, sondern von dem kalten Gipfel der Betrach- 
tung ins Auge zu fassen, so erweist sich zunächst das Wort „unüber- 
trefflich" als leer. Künstler wie Tausig, Bülow, Rubinstein 
sind als solche weder unübertrefflich noch das Gegentheil, es kommt 



nur darauf an, wer es der Kritik am schwersten macht, die mit der 
gegebenen Individualität sicher vorhandene Grenze des Werthes zu 
finden, womit selbstverstanden ja auch der Umfang der Anerkennung 
gefanden wäre. Dieses nun an Tausig's Spiel, wie es sich bisher 
gezeigt, abschliessend vorzunehmen, ist mir so lange unmöglich, als 
er sich nicht wieder öffentlich als. Solist gezeigt hat; dass er dies 
versäumte, halte ich auch unter Berliner Verhältnissen für Unrecht. 
Nach den bisherigen Erfahrungen habe ich mich von eigentlich 
sympathisch wirkenden, den Hörer im höchsten Sinne bildenden 
Eigenschaften desjjTausig'schen Spieles noch nicht überzeugen können ; 
es litt (namentlich in einem früheren Soloeoncerte) ganz deutlich 
an einem gewissen mathematischen Rigorismus, der mit Hülfe vol- 
lendeter Technik und Rythmik über seinen Gegenstand siegt, aber 
nicht wie über eine Geliebte, die gewonnen dem Freunde im Arm 
ruht, sondern wie über Feinde, die ein genialer Feldherr sich zu 
Füssen legt, dass sie sich gefallen lassen müssen, was er mit ihnen 
macht, auch wenn er sie in Ketten wirft. — Die genaueste Ver- 
ständigung mit sich selbst in Bezug auf die Verwendung der Klang- 
effecte, die unerschütterliche rythmische Festigkeit von A bis Z des 
Ganzen und im Einzelnen bis auf den I-Punkt, dazu die blitzblank 
geschliffenen Waffen der Technik — wohlan, Tausig tritt damit in 
die vorderste Reihe der Ciavierspieler von Rang, aber es ist doch 
seltsam, unter seinem noblen Commando die Grazien in Uniform zu 
erblicken. Dieses Eindruckes habe ich mich bei seinem Spiele 
bisher nicht ganz erwehren können. Carl F u ch s. 

(Schluss folgt.) 

Aus München. 

Anfangs Mai. 

Wir stehen am Ende unserer Concertsaison und es dürfte end- 
lich an der Zeit sein, auch von dem Münchner Musikleben wieder 
einmal einige Mittheilungen zu machen. Die Saison war keine be- 
wegte; ausser den gewohnten Concerten der „ musikalischen Akademie, 8 
den Soireen unseres trefflichen Walterquartetts und der von den 
Lehrern der k. Musikschule zum Besten eines Unterstützungsfonds 
für bayrische Tonkünstler veranstalteten Mozartmatindes gab es ein 
einziges Virtuosenconcert, das der Cellist D i e m im Museumssaale 
veranstaltete, welches jedoch in jeder Beziehung das Extempore 
seines kurzen Daseins auf der Stirne trug, und auf das wir auch 
desswegen nicht weiter einzugehen gedenken. 

Die „musikalische Akademie" gab fünf Concerte. Durch den 
Zurücktritt des Generaldirectors L a ch n e r, dessen Dirigententalent 
es gelungen war, diese Concerte im Odeonsaal mit zu den berühm- 
testen Erscheinungen des europäischen Musiklebens zu machen, 
waren die Concerte eine Weile ganz in Frage gestellt, zumal, weil 
es sich noch nebenbei darum handelt, ob dieselben nicht im Hof- 
theater abgehalten werden sollten. Der König ist nämlich nicht zu 
bewegen, einem Concerte im Odeonsaale beizuwohnen und aus Rück- 
sicht auf ihn sollten die musikalischen Aufführungen in genannter 
Weise dislocirt werden. Doch die Grösse des Zuhörerraums und 
die für Concerte — besonders für Virtuosenconcerte — höchst un- 
günstige Akustik des Hoftheaters bewog den Ausschuss bald wieder 
von dem Gedanken abzustehen. Herr von Bülow wurde mit der 
Direction betraut und nach heftigen und nicht ohne Erbitterung 
geführten Debatten Musikdirector Meyer als Bülows Ersatzmann 
gewählt. (Die Minorität hatte den Capellmeister der k. Hofcapelle 
Wüllner vorgeschlagen.) Die frische Strömung, durch Bülow 
herbeigeführt, wurde sehr bald verspürt. Es kam in die Programme 
eine erfreuliche Vielseitigkeit und Abwechselung. Besonders war 
es der Umstand, dass jetzt für Schumann mehr geschah, der uns 
mit Vergnügen erfüllt. Was die einzelnen Piecen des Programmes, 
zumal jene betrifft, in welchen Hr. von Bülow selbst auftrat, so 
müssen wir ihnen eine äusserst sorgfältige Vorbereitung nachrühmen. 
Gewohnt, Vorzüge und Fehler mit gleich unparteiischem Auge zu 
betrachten, dürfen wir aber nicht verschweigen, dass der neue Diri- 
gent es noch nicht gelernt hat, mit souveräner Gewalt die Orchester- 
massen zu beherrschen. Er versteht die Kunst noch nicht, die sein 
Vorgänger in so seltener Weise besessen, die einzelnen Stimmen 
vertreten zu lassen und durch reine Detailarbeiten den Dank der 
Musikfreunde zu gewinnen. Auch die Reinheit der Stimmung, auf 
die unser Hoforchester bisher stolz zu sein Grund hatte, lässt bereits 



— 79 - 



zu wünschen übrig. Die Ueberstürzung der Tempi, deren sieh Hr. 
von Bülow nicht selten schuldig macht, verräth den Ciavierspieler, 
der es noch nicht völlig gelernt hat, ein grosses Orchester zu diri- 
giren, weil er sich den Unterschied zwischen einem einzelnen ihm 
keine Schwierigkeiten bietenden Instrument und einem so schwer zu 
bewegenden Apparat, wie es ein Orchester ist, nicht völlig klar ge- 
macht hat. So kommt es, dass ein Presto unter Bülows Dirigenten- 
stabe zu einem blossen unverständlichen Geräusche, zu einem Ton- 
chaos wird, während gerade im bewegteren Tempo Lachner die ganze 
Virtuosität unseres Hoforchesters mit feiner Berechnung der Akustik 
und der Ausführungsmögltchkeit darlegte. — Doch das sind Dinge, 
welche sich auch Hr. von Bülow, der nicht taub ist, wenn man ihm 
in anständigem Tone abweichende Meinungen und Anschauungen 
vorträgt, noch aneignen wird. Er hat ganz das Zeug, aus dem ein 
tüchtiger, das ganze Orchester durch die Gewalt seiner imponirenden 
Subjectivität und künstlerischen Begeisterung beherrschender Dirigent 
werden wird. Vorläufig ist er mehr Dramatiker als Sinfoniker ; 
hoffentlich wird er sich in seinem Amte bald so zurecht gefunden 
haben, dass der erstere nicht auf Kosten des anderen gepflegt wird. 

An Sinfonien horten wir in den fünf Concerten, welche die 
musikalische Akademie in der abgelaufenen Saison veranstaltete, 
folgende: Sinfonie D-dur (Nr. 4 der Breitkopf- und „Härtel'schen 
Ausgabe) von J. Haydn, grosse Sinfonie Nr. 3 Es-dur op. 97 in 
fünf Sätzen von Robert Schumann, componirt 1850; vierte Sin- 
fonie B-dur op. 60 von Beethoven, zweite Sinfonie op. 36 D-dur 
von Beethoven und die „Wallensteinsinfonie" von Rbeinbe/ger. 
Die letztgenannte Sinfonie, au welcher der Componist tüchtige Ab- 
striche, zumal im letzten Satze vorgenommen hatte uud so derselben 
doppelt freundliche Aufnahme gewann, wurde von dem Componisten, 
alle übrigen von Hrn. von Bülow dirigirt. Im letzten Concert führte 
wegen Erkrankung des Hrn. von Bülow Musikdirector Meyer in 
gewohnter Weise die Battuta. 

Ferner weisen die Programme die Aufführung folgender Ouver- 
türen auf: „Hamlet" Concert-Ouvertüre von Niels W. Gade, Ouver- 
türe zu „Euryanthe" von C. M. von Weber, Ouvertüre zur „Ves- 
talin" vonSpontini, componirt 1806, Festouvertüre C-dur („Weihe 
des Hauses,* op. 124) von Beethoven, componirt 1822, Ouvertüre 
zum „Beherrscher der Geister" op. 27 von C. M. von Weber und 
Ouvertüre zu „Macbeth" von Chelard. 

(Schluss folgt.) 



Aus € 1$ 1 n. 

Der Frühling mit dem jungen Laub, seinen Knospen, Blüthen 
und Blumen ist erwacht; die Nachtigallen schmettern aus dem Chor 
ihrer sangreichen Schwestern ihre schmelzenden Lieder durch Wald 
und Flur, und ringsumher grünt und blüht die Natur in üppiger 
Fülle und reizender Pracht. Bei dem Hauche der milden Frühlings- 
iuft und dem hellen Sonnenscheine erbleichen die Gaslichter des 
Concertsaalds ; es schliessen sich die Tempel der Kunst; Theater, 
Bälle, Thee's etc. haben mit dem letzten trüben Winterabende ihr 
Ende erreicht und alle Welt sehnt sich und strömt hinaus ins Freie, 
um sich an der Pracht des jungen Lenzes zu erlaben und Erholung 
zu finden auf luftiger Bergeshöhe, in dem Dufte idyllischer Wald- 
einsamkeit oder in dem friedlichen Genüsse einer Villegiatur. Diese 
wonnige Zeit des neuerwachten Naturlebens ist für den weniger be- 
mittelten Fussgänger und ausübenden Musiker, wie für den Berichter- 
statter oft eine trostlose Zeit, da diesem das Verdienst und jenem 
der Stoff zu seinen Berichten mangelt und beide nicht in der Lage 
sind Reiseeindrücke schildern und Kunstartikel aus dem Badeleben 
bringen zu können. 

Referent, welcher mit so vielen andern Menschenkindern das 
gleiche Loos theilt , an die Scholle gebunden zu sein , wird daher 
für die Sommerzeit wenig Bemerkenswerthes bringen können Und 
nur ab und zu, wie sich grade eine Gelegenheit hierzu bietet, etwas 
vernehmen lassen. 

Gleichsam als würdiger Schlussstein der Winterconcert - Saison 
wird nun um Pfingsten und zwar an den Tagen des 31. Mai, 1. und 
"2. Juni in CÖln auf dem Riesensaale des Gürzenich das diesjährige 
grosse Niederrheiuische Musikfest, sowie das fünfzigste Jahr seines 



glanzvollen Bestehens, gefeiert und soll dasselbe als Jubelfest ganz 
besonders glänzend in Scene gesetzt werden.*) 

Die Proben für den Gesammtchor haben unter grosser Bethei- 
ligung der sämmtlichen hiesigen Geöangeskräfte begonnen, reicher 
Zuwachs von aussen steht zu erwarten und bereits treffen zahlreiche 
Anmeldungen zu dem Feste, namentlich aus dem benachbarten Bel- 
gien, Frankreich und Holland um reservirte Sitzplätze für die Con- 
certabende hier ein. 

Das diesjährige Pfingstfest verspricht demnach in jeder Beziehung 
ein grossartiges und glänzendes zu werden. Die Solopartien ruhen 
in den Händen wahrhafter Künstler und das sogenannte Künstler- 
Concert wird auch dem Virtuosenthum gerecht werden. 

Das Fest-Comite' ist eifrig bemüht, den Festtheilnehmern neben 
dem hohen musikalischen Kuustgenuss noch eine ganze Reihe ge- 
selliger, als Fest-Diners Ausflüge und Festivitäten aller Art vorzu- 
bereiten, welche geeignet sein werden, den anwesenden Gästen und 
zugeströmten Fremden die Tage ihres Aufenthaltes in dem altehr- 
würdigen Cöln möglichst angenehm zu machen. Hoffentlich wird 

ein heiterer Himmel das schöne Fest noch verschönern helfen. 
Der „Cölner Männer-Gosangverein" wird seinen üblichen Sommer- 
ausflug in diesem Jahre wiederum nach dem Oberrhein machen, 
am 27. Juni Abends in Coblenz in dem grossen Saale des Lesever- 
eins zum Besten des Baufonds der neuen kath. Kirche zu Braubach, 
und am 28. Juni, Nachmittags 5 Uhr in dem grossen Orangerie- 
Hause des grossherzoglichen Herren-Gartens in Bessungen bei 
Darmstadt zum Besten des Baufonds des neu zu errichtenden Denk- 
mals für Abbe" Vogler ein Concert veranstalten. 

Im verflossenen Jahre hat der Verein bei seiner Anwesenheit 
in Darmstadt zu dem Abt Vogler-Denkmal bereits einen soliden 
Grundstein gelegt und hofft derselbe nunmehr den fehlenden Betrag 
des Baufonds dem Comite zur Verfügung stellen zu können. 

Dem Vernehmen nach werden in den beiden Städten Coblenz 
und Darmstadt durch die betreffenden Fest-Comites die umfassensten- 
Vorbereitungen getroffen, um die Cölner Sänger festlich zu em- 
pfangen und gastlich aufzunehmen. 

Auf die Pfingst-Concerte und die Sängerfahrt des kölner Män- 
ner-Gesangvereins werde ich Gelegenheit finden später zurückzu- 
kommen. 



lachrichten. 



München. Frl. Sophie Stehle ist von ihrer Kunstreise, zu 
welcher sie ihren contractmässigen Urlaub benützte, mit reichlichen 
Lorbeeren aus Süd- und Norddeutschland beladen wieder hieher 
zurückgekehrt. An die glänzenden Erfolge, welche die vortreffliche 
Sängerin und Darstellerin in Nürnberg und Mainz errungen (in 
diesen Blättern bereits besprochen), reihten sich wahrhafte Triumphe» 
welche derselben in Bremen und Hamburg bereitet wurden. In 
ersterer Stadt trat Frl. Stehle als Gretchen in Gounod's „Faust," 
als Rose Friquet im „Glöckchen des Eremiten" und als Elsa in 
„Lohengrin" auf. Es war das erste Mal, dass Frl. Stehle die letzt- 
genannte Partie sang und die Berichte aus Bremen stimmen) darin 
überein, dass diess eine ihrer bedeutendsten Leistungen ist, in wel- 
cher poetische Auffassung und acht künstlerische Durchführung sich 
zu einem wunderschönen Ganzen vereinigen. Die meisterhaft und 
unübertreffliche Wiedergabe der beiden andern genannten Rollen 
ist ohnehin schon so vielseitig anerkannt, dass es einer weiteren 
Erörterung darüber wohl nicht mehr bedarf. Es möge daher nur 
in Kürze constatirt werden, dass die sämmtlichen Leistungen Frl. 
Stehle's von dem Bremer Publikum, das gerade nicht wegen seiner 
leichten Erregbarkeit berühmt ist, mit wahrem Enthusiasmus auf- 
genommen und der gefeierten Künstlerin bei jedem Auftreten die 
schmeichelhaftesten Ovationen zu Theil wurden. Fast noch glän- 
zender waren die Erfolge, noch stürmischer waren die Beifallsbe- 
zeugungen, welche Frl. Stehle in Hamburg zu Theil wurden. Sie 
trat dort als Gretchen, als Cherubin in „Figaro's Hochzeit," ala 
Agathe im „Freischütz," als Selika in der „Afrikanerin" und zum. 



*) Das ausführliche Programm siehe unter den Nachrichten. 

Die Red. 



- 80 



Schlosse ihres Gastspiels nochmals als Gretchen auf und sowie das 
Publikum von Hamburg bei jedem Auftreten der liebenswürdigen 
Künstlerin dieselbe mit den unzweifelhaftesten Beweisen einer ent- 
husiastischen Verehrung wahrhaft überschüttete, so stimmt auch die 
gesammte Hamburger Presse darin überein, Frl. Stehle als Sängerin 
wie als Darstellerin in die allererste Reihe unserer jetsigen deut» 
sehen Operngrossen zu stellen und die Direction des Hamburger 
Theaters nahm ihren Vortheil wahr, indem sie den so hoch gefeierten 
Gast zur Bückkehr in der nächsten Saison engagirte. Somit wäre 
denn mit der unbedingten Anerkennung der ausgezeichneten Ver- 
dienste einer süddeutschen Künstlerin im hoben Norden wieder ein 
kleines Stückchen deutscher Einigkeit, wenn auch nur im Gebiete 
der Kunst, hergestellt. 

Cöln. Das Programm für das zu Pfingsten dahier als 50jährige 
Jubelfeier stattfindenden 45. Niederrheinischen Musik- 
festes ist nun in folgender Weise festgestellt: I. Sonntag, den 
31. Mai: 1) Prolog, 2) „Der Messias," Oratorium von G. F.Händel. 

II. Montag, 1. Juni: 1) „O ewiges Feuer," Cantate zum Pfingst- 
fest von J. S. Bach für Chor, Soli und Orgel (Bearbeitung von 
Bober t Franz); 2) Die 2. Concertouvertüre (op. 101, A-dur) von' 
F. Hiller; 3) Psalm 114 von Mendelssohn, für 8stimmigen 
Chor, Orchester und Orgel; 4) Sinfonie Nr. 9 von Beethoven. 

III. Dienstag, 2. Juni: 1) Festouvertüre (A-dur) vonJ. Rietz; 
2) Violinconcert von Max Bruch, vorgetragen von Hrn. Joachim; 
8) Sinfonie in D-moll von R. Schumann; 4) Gesang- und Instru- 
mental- Solovorträge ; 5) „Hallelujah" aus dem Messias. Solisten 
sind die Damen Frau Harriers-Wippern von Berlin und Frau 
J o a ch i m von Hannover, sowie die HH. Dr. G u n z von Hannover, 
Dr. S ch m i d t von Wien und J o a ch i m von Hannover. Die 
Orgelpartie ist in den bewährten Händen des Hrn. Musikdirectors 
Franz Weber in Cöln ; Ferdinand H i 1 1 e r ist der artistische 
Leiter der sämmtlichen Aufführungen. 

Paris. Am 30. April fand im Conservatorium ein grosses Con- 
cert zum Vortheil der gewerblichen Schulen für junge Mädchen mit 
folgendem Programm statt: Sinfonie in C-moll von Beethoven; Arie 
aus „Semiramis" von Rossini, gesungen von Mlle. Battu; Marsch 
und Finale aus dem Concertstück für Ciavier von Weber, vorge- 
tragen von Hrn. Th. Ritter; Arie aus „Der neue Gutsherr" von 
Boildieu, gesungen von Hrn. B a r r e ; Fragmente aus dem Septuor 
von Beethoven ; „Santa Lucia," neapolitanisches Lied mit Variationen 
von Braga, gesungen von Mlle. Battu; Ciavierstücke von Bach 
und Ritter, vorgetragen von dem Letzteren; Ouvertüre zum „Frei- 
schütz" von Weber. 

— Hr. Pasdeloup hat in der Genovefa-Kirche den ersten 
Theil und den Schlusschor der B a c h 'sehen „Matthäus-Passion* 
und das „Alexanderfest" von Händel mit einem Personal von 400 
Personen aufgeführt. Hr. Pasdeloup hat sich durch diese That neue 
Verdienste um die Einführung der alten deutschen Meister in Paris 
erworben. 

Innsbruck. Spohr's Oratorium „Die letzten Dinge" ist hier 
zum ersten Male, und zwar mit glänzendem Erfolg, zur Aufführung 
gekommen. Fast jeder Nummer folgte stürmischer Beifall. Sowie 
Frl. Dönig und Frl. Tiefenthaler und die HH. Kostenzer 
und Vi Hunger ihre resp. Solopartien in wackerer Weise durch- 
führten, so leistete auch der Chor, dem iu diesem grossartigen Werke 
die grösste Aufgabe gestellt ist, mit seinen mehr als 100 kräftigen 
und frischen Stimmen wirklich Vortreffliches. Der Leiter des Ganzen, 
Herr Nagiller, bat sich durch dieses so schön gelungene Unter- 
nehmen neue Verdienste um das hiesige Musikleben erworben. 

*** Am 14., 15. und 16. Juni findet in Seh werin das sechste 
Mecklenburgische Musikfest unter der Leitung des dortigen 
Hofcapellmeisters A. Schmitt statt. Als Solisten wirken mit: Hr. 
und Fr. Joachim, Schild aus Dresden (Tenor) und Carl Hill 
aus Frankfurt a. M. (Bass). 

*** Die Pianofortefabrik der HH. Boosey &Co. in London 
ist vollständig abgebrannt. 

%* Der in Stuttgart so plötzlich pensionirte Hofcapellmeister 
Carl Eckert hat sich mit seiner Familie in Baden-Baden nieder- 
gelassen. 

Berichtigung. Bei den Berliner Correspondenzen in den Num- 
mern 18 und 19 ist die Unterschrift des Verfassers, Carl Fuchs, 
«us Versehen weggeblieben. 



EI GE 



Verlag von B. Schott'« Sdltnen in Mains. 

Sinfonien für grosses Orchester, Partitur. 

Neue billige Ausgabe in 8° auf das Sorgfältigste von anerkann- 
ten Künstlern revidirt. 

N* 1. Op. 21 Preis n. fl. 1. 48 kr. Thlr. 1. — Sgr. 

„ 2. „ 36 „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

„ 3. „ 55 beroique . . „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 ,, 

„ 4. „ 60 „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

„ 5. „ 67 ,, „ „ 2. 42 ,| „ 1. 15 ,, 

„ 6. „ 68 pastorale . „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

„ 7. „ 92 . . . . „ ,, ,, u. 42 ,, „ 1. 15 „ 

„ 8. „ 93 „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

„ 9. „ 125 ,, „ „ 5. 24 „ „ 3. — „ 

Die lte, 2te, 8te und 9te Sinfonie sind bereits ausgegeben, die 

übrigen werden nach und nach im Laufe des Sommers folgen. 

AMSTERDAM: Th. J. ROOTHAAN * Cie. 

JZ5 jfj Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst *£ 5 

P3 & dankenswerthe Gabe , auf welche wir jeden Verehrer & a 
ü 2 der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam •£ ^ 

• Ovo O *Q» Ö» 

r* eoe ovo *^% 

* ä machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) °£ * 

.M MBr. •#. JP. MM EHE, |g 

fl GRIEREEAMDS WORSTELSTRIJD |S 

PQ j| (Griechenlands Kampf und Erlösung.) & oa 

mS BEETHOVEN'» §~ 

gl Ruinen von Athen. |g 

eg cg Ciavierauszug fl. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50. §| 

W äE Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend,*' 

O äp warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich & ' 
W ig der BEETHOVEN 'sehen Musik an. Möchten die deut- S % 
•2 & sehen Concert- Institute recht bald mit ihr einen Versuch S gj 
Tl H machen. (Allg. Musik-Ztg.) «| ► 

Leipzig: FR. HOFMEISTER. 

Verlag vou F. E. <C. Iieucfeart iu Breslau. 

W. A. Mozarts 

Clavier-Concerte, -Quartette & -Quintett 

für Pianoforte zu vier Händen bearbeitet von 

Hugo Ulrich. 

Erste und einzig vollständige, neuerdings revidirte Ausgabe. 

Nr. 1 bis 25 ä 1— 2 a /» Thlr. Alle 25 Nummern zus. genommen 

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CONCERTE 

für Pianoforte zu vier Händen bearbeitet von 

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Nr. 1. Erstes Cla vier- Concert Op. 15 in C 2 Thlr. 

„ 2. Zweites Clavier-Concert Op. 19 in B . . . . l'/s » 
„ 3. Drittes Clavier-Concert Op. 37 in C-moll ... 2 „ 

„ 4. Triple- Concert Op. 56 in C 2 Vi ,. 

„ 5. Viertes Clavier-Concert Op. 58 in G . . . . l'/a „ 

„ 6. Violin-Concert Op. 61 in D l*/e » 

„ 7. Fünftes Clavier-Concert Op. 73 in Es . . . . 2 7a „ 
Diese erhabenen Tondichtungen erschienen hier zum ersten 
Male in einer gleichmässigen Ausgabe zu vier Händen. Das meister- 
hafte Arrangement ist verhältnissmässig leicht und wird nur irgend 
gebildeten Spielern keine Schwierigkeiten bieten. 

Verantw. Red, Ed, Föckerer. Druck ». Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



/W* 91. 



25. Mai 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



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für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 

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INHALT: BeetlToven's Grossvater. — Corresp.: Leipzig. München. Mannheim. Berlin. — Nachrichten. 



Beethovens Grossvater.*) 



Der Musiker Ludwig van Beethoven, der Aeltere, war 
geboren in Antwerpen am 23. Dezember 1712 und starb in B o n n 
am 24. December 1773. Dieser Künstler stammte von einer seit dem 
16. Jahrhundert iu Rostselaer, Leet'dael und B e r t h e m 
in der Nähe von Löwen ansässigen Familie ab. Sein Grossvater, 
Wilhelm van Beethoven, verheirathet mit Catharina Grandjean, 
war 1705 Weinzapfer in Antwerpen; sein Vater, Heinrich Ade- 
lard van Beethoven (geb. im Sept. 1683, gest. im Sept. 1745 in 
Antwerpen), verheirathet mit Maria Catharina von Herdt (gest. im 
Nov. 1753 in Antwerpen), war Schneidermeister. Dieser Letztere, 
nachdem er mehrere Jahre in Wohlstand und in Behäbigkeit verlebt 
und sogar 1713 das Haus genannt Sphera mundi, welches er in 
der Rue neuve bewohnte, angekauft hatte, sah sein bescheidenes 
Vermögen nach und nach dahinschmelzeu und bald vermochte er 
kaum noch seine aus zwölf Kindern bestehende Familie zu ernähren. 
Um das Elend auf den Gipfel zu treiben, traten auch noch Miss- 
helligkeiten in der Hauswirthschaft ein und steigerten sieh zu einem 
solchen Grade, dass der jüngste Sohn Ludwig dem väterlichen 
Hause auf Nimmerwiedersehen den Bücken kehrte. Mit einer guten 
Stimme und ziemlichen musikalischen Kenntnissen ausgerüstet, begab 
er sich nach L Ö w e n und bot dort dem Capitel der Collegialkirche 
zu St. Peter seine Dienste an, welches ihn auch am 2. December 
1731 in die Zahl seiner Chorsänger aufnahm. Als einige Tage später 
der Capellmeister Ludwig Colfs sich krankheitshalber auf einige 
Zeit dispensiren lassen musste, wurde Ludwig van Beethoven mit 
den Functionen desselben auf die Dauer von drei Monaten betraut. 
— Nach Ablauf dieser Zeit begab sich unser junger Künstler nach 
Bonn, wo er im Jahre 1733 seine Ernennung als wirklicher Hof- 
und Capellsänger des Kurfürsten Clemens August, Prinz von Baiern 
erhielt. Wahrscheinlich hatte er in herkömmlicher Weise die Func- 
tionen eines solchen schon während des vorhergehenden Jahres als 
Expectant ausgeübt. Er erhielt einen jährlichen Gehalt von 400 fl., 
eine für die damalige Zeit erhebliche Summe. Am 7. Sept. 1733 
vermählte sich Ludwig van Beethoven, damals kaum 21 Jahre alt, 
mit einem jungen Mädchen, Maria Josephine P o 1 1, welche erst 19 
Jahre zählte. Von dieser Zeit an lebte er beständig in Bonn und 
war während einer langen Reihe von Jahren einer der beliebtesten 
Künstler an dem halb geistlichen halb weltlichen Hofe des Kur- 
fürst-Erzbischofs. Dieser Fürst selbst, 1700 in Brüssel geboren, wo 
«ein Vater Max Emanuel von Baiern damals als Generalstatt- 
haher der Niederlande residirte, bezeigte dem Antwerpener Musiker 
beständig ein grosses Wohlwollen. Nach dessen Tode setzte sein 
Nachfolger Maxmilian Friedrich dessen Gunstbeweisen die 
Krone auf, indem er van Beethoven im Jahre 1763 den hohen 
Posten eines Generaldirectors der Hofcapelle übertrug, welchen der- 

*) Diese Notizen über Beethovens Voreltern sind von Chevalier 
Leon de Burbare für die in Belgien erscheinende Biographie 
nationale geschrieben und in dem kürzlich ausgegebenen 2. Bande 
derselben enthalten. Anm. d. Red. 



selbe auch bis an sein Lebensende bekleidete. Obgleich er nun 
erzbischöflicher Capellmeister war, so fuhr doch van Beethoven, der 
sich die Frische seiner Stimme bewahrt hatte, noch fort, verschiedene 
Rollen in den komischen Opern, welche zur Winterszeit auf dem 
Theater des Kurfürsten aufgeführt wurden, zu singen. Im Jahre 
1771 gab er französisch die Rolle des Vater Dolmon in „Sylvain" 
von Gretry, und 1773 italienisch den Brunoro in „V Inganno Sco- 
perto li von L u ch e s i. 

Aus seiner Ehe mit Maria Josephine Poll (gest. in Bonn am 
30. Sept. 1755) hatte Ludwig van Beethoven der Aeltere nebst 
anderen Kindern einen Sohn Johann, geb. gegen 1740, der ihm 1763 
als Titular-Capellsänger nachfolgte, nachdem er in der Capelle schon 
seit 1759 mitgewirkt hatte. Dieser nun war der Vater des unver- 
gleichlichen Meisters, des grossen Componisten, Ludwig van Beet- 
hoven der Jüngere, welcher am 17. Dec. 1770 in der St. Remigius- 
kirche von seinem Grossvater zur Taufe gehalten wurde und am 26. 
März 1827 in Wien gestorben ist. 

Das Porträt des älteren Ludwig v. B,, gegen das Ende seines 
Lebens von dem Hofmaler Radoux gemalt, befindet sich gegenwärtig 
in Wien im Besitze von Carl van Beethoven's Wittwe. Der alte 
Herr ist halben Leibes in natürlicher Grösse abgebildet, mit einer 
Pelzmütze auf dem Kopfe und ein Musikblatt in der Hand haltend. 

Auch andere Beethovens vom Antwerpener Zweige habeu die 
schönen Künste gepflegt, namentlich Peter v. B. , Maler und Schü- 
ler Abraham GenoePs des Jüngeren um 1689 und Gerard v. B. , 
Bildhauer, welcher 1713 als Meistersohn in die Gilde von St. Lu- 
cas aufgenommen wurde. Ludwig Joseph v. ß. , welcher die Zeich- 
nerschule der k. Akademie in Antwerpen 1743 besuchte, war ein 
jüngerer Bruder des älteren Ludwig van Beethoven, 



CORRESPONDB5ZBN. 



Aus Leipzig. 

(Fortsetzung.) 

Dön Schluss der diesjährigen Concertsaison der Musikgesellschaft 
„Euterpe" machte am 9. März das 10. Concert und wenn wir haupt- 
sächlich das »Wie" der Aufführung im Auge behalten, so konnten 
alle Parteien, Publikum wie Director und Orchester mit diesem 
Schlüsse zufrieden sein. Das Hauptverdienst dieses Resultates vin- 
diciren wir in erster Reihe für den Dirigenten des Concertes, Hrn. 
Musikdirector Jadassohn, der es durch Kenntniss, Umsicht und 
Energie verstanden hat, in ein zierlich zusammengewürfeltes und 
für einen derartigen Genre von Musik wenig oder gar nicht einge- 
spieltes Orchester künstlerisches Wesen und Gebahren zu bringen» 
und damit Aufführungen ermöglichte, die, den Verhältnissen nach 
respectabel, dem Führer wie seinen Truppen zur Ehre gereichten. 
Wenn wir uns nicht als Verehrer und Verfechter jener musika- 
lischen Richtung bekennen, die gerade im ersten Theil dieses Con- 
certes stark vertreten war, so sind wir doch weit entfernt, ihr das 



- 82 



Recht des Bestehens und des Vorgeführtwerdens zu bestreiten. Jeden- 
falls wird jene Richtung in der Geschichte der Musik eine Stelle 
einnehmen. Als Bossini seine Opern brachte, waren der Antago- 
nismus dagegen wie der Fanatismus dafür kaum schwächer, als sie 
sich jetzt, nur in einer neu bearbeiteten Ausgabe, zeigen ; von allen 
jenen Opern, die damals Zorn oder Entzücken erregten, wird kaum 
noch gesprochen; die Zeit ist darüber hingerauscht, der Geschmack 
hat sich verändert, die Mode ist eine andere geworden. Und unter- 
lagen Gluck's Opern bei ihrem Erscheinen nicht einem gleichen 
Schicksal? Wir unsererseits zweifeln freilich nun sehr, dass der „Or- 
pheus" von Fr. Liszt eben so alt wird wie der Gluck's. Ein Leben, 
wo der Arzt fortwährend sinnen und denken muss, wie er es erhält, 
wo er zu den heterogensten Mitteln greift, um es zu fristen, ist kein 
rechtes Leben ; wo die Natur aufhört und das Raffinement beginnt, 
ist der Zustand schon an und für sich ein ungesunder. Der Auf- 
nahme nach zu schliessen, die diesem modernen Orpheus wurde, 
waren der Zuhörer nicht gerade Wenige im Saal, die an dieser 
Kost, genannt „sinfonische Dichtung, * Behagen und Wohlgefallen 
fanden. Nun, chacun a son gout ; „Wenn auch der Sinn oft nicht 
ganz klar, klingt's doch mitunter wunderbar l u Weniger wunderbar, 
aber viel angenehmer und wohlthuender klang das darauf folgende 
Duett aus der Oper „Beatrice und Benedict" von Hector Berlioz; 
von einer reizenden, fasslicher Instrumentation gehoben tritt uns ein 
wohlgeordnetes fliessendes Stück entgegen, das zwar nicht von viel 
Tiefe der Empfindung und Auffassung zeigt, so vorgetragen aber, 
wie es hier der Fall war, stets den besten Eindruck machen muss. 
Es waren die Damen Fräulein Emilie Wigand und Frl. Clara 
Martini, die uns diesen durch feines Verständniss und warmes 
Gefühl vermittelten. — In gleich sinnvoller Weise wurden von ihnen 
drei 2stimmige Lieder mit Pianoforte-Begleitung von R. Schumann 
(op.43) behandelt; es waren: „Wenn ich ein Vöglein war," „Herbst* 
lied" und „Schönblümlein, u deren Letzteres sie auf stürmisches Ver- 
langen wiederholen mussten. Eben so musste auch in verdoppelter 
Anflage der Entre - Act aus „Lohengrin" von Rieh. Wagner er- 
scheinen, der zwischen diesen Gesangsvorträgen sich etwas recken- 
haft ausnahm. Den zweiten Theil füllte Fr. Schuberts herrliche 
C-dur-Sinfonie ; ihre Wiedergabe bildet, wie schon gesagt, einen 
ganz würdigen Abschluss nicht allein dieses Concertes sondern der 
sämmtlichen diesjährigen Concertaufführungen der Euterpe. Wie 
jedes, so auch dieses Jahr gab am Busstage, d. 13. März der „Riedel- 
eche Verein" ein Concert und brachte darin neben der Bach'schen 
Cantate „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig" eine Wiederholung der 
Missa solemnis von F. Kiel. Es ist dies um so dankenswerther, 
als die Kiel'sche Messe ein Werk ist, .welches das Recht hat, sich 
in den Repertoirs derartiger Concert - Aufführungen einzubürgern. 
Mehr als bei der vorjährigen Aufführung traten uns seine grossen 
Schönheiten entgegen, mehr noch überzeugten wir uns, dass es das 
Product eminenten Fleisses, die Schöpfung eines der bedeutendsten 
Talente ist, welche die Gegenwart aufweist. Die Wiedergabe beider 
Werke war eine fast in allen Theilen recht gelungene; die Chöre 
waren trefflich einstudirt und griffen fest und sicher ein, während 
die Solopartien von den Damen Wigand, Martini und Schmidt 
and den HH. Rebling und Richter zur besten Geltung gebracht 
wurden. 

Am 2. April fand die 25jährige Jubelfeier des hiesigen Con- 
servatoriums für Musik statt. Der Abend vorher schon hatte die 
Festgenossen, resp. Festgenossinnen, Lehrer wie Schüler, Einhei- 
mische wie Fremde, Beschützer und Freunde der Anstalt, in den 
Sälen des Schützenhauses in zwangloser Weise vereinigt, wo in 
fröhlichem, geselligen Zusammensein die Stunden bis Mitternacht 
schnell entschwunden waren. Zu ernsterem Thun versammelte man 
sich wieder am Vormittage des 2. April im Saale des Conservatoriums. 
Im Auftrage Sr. Majestät des Königs, des hohen Beschützers der 
Anstalt waren von Dresden aus S. Excellenz der Htaatsminister 
von Falkenstein und Hr. Geh. Hofrath Bär erschienen. Nachdem 
ein Chor von Hauptmann die Feier eingeleitet und Hr. Director 
Schleinitz in längerer Rede über Entwicklung und Wirken des Con- 
servatoriums sich ausgesprochen hatte, ergriff der Herr Minister von 
Falkenstein das Wort, hob die Verdienste der Anstalt hervor und 
überreichte schliesslich als Zeichen allerhöchster Zufriedenheit und 
Anerkennung von Seiten Sr. Majestät des Königs Herrn Advokat 
Schleinitz, als Director der Anstalt das Ritterkreuz des Verdienst- 



ordens, Hrn. Concertmeister David das Ritterkreuz des Albrecht- 
ordens und Hrn. Musikdirector Richter ein Decret, durch welches 
ihm der Titel K Professor" verliehen wurde. Diese drei Männer 
waren seit Gründung des Conservatoriums au demselben thätig ge- 
wesen; warum ein vierter keine Berücksichtigung gefunden hatte, 
wussten sieb die Meisten nicht zu erklären, bedauerten es aber dafür 
um so lebhafter. Nach Beendigung der Decorations-Cermonien er- 
folgten Glückwünsche von allen Seiten — von der Stadt Leipzig 
durch eine Adresse, überreicht vom Bürgermeister Koch — mündlich, 
schriftlich und telegraphisch. Mit einem Chor von Men delsso b n 
schloss die ganze Feierlichkeit. 

(Fortsetzung folgt.) 



A. u s München. 

Anfangs Hai. 

(Schluss.) 

Im ersten Abonnementconcert der musikalischen Akademie 
spielte Herr von Bülow das vierte Concert (G-dur op. 58) für 
Ciavier und Orchester von Beethoven (componirt 1806). Das 
war ein seltener Genuss für jeden Musikfreund : wir wenigstens haben 
dieses Concert noch nie in solch untadelhafter Vollendung gehört. 
Im dritten Concert wurde von den HH. von Bülow, Rhein berger 
und Bärmann jun. das Concert in D-moll für drei Claviere mit 
Streichinstrumenten von J. S.Bach ausgeführt. Wer die Schwierig- 
keiten zu schätzen weiss, welche die Filigranarbeit solcher Ciavier* 
concerte mit ihren unzähligen Verzierungen bei drei Spielern bietet, 
der wird den Coucertanten das beste Lob zugestehen müssen, denn 
nicht nur der Vortrag der streng rythmisirten Stellen Hess nichts zu 
wünschen übrig, auch die musikalischen Arabesken wurden ausser- 
ordentlich sauber und correct ausgeführt. In dem Tripleconcert für 
Ciavier, Violine und Violoncell mit Orchester op. 56 von Beethoven, 
das im letzten Abonnementconcert gespielt wurde, wirkten Frl. 
H e i n t z, eine ausserordentlich begabte Schülerin Bülow's und die 
HH. Hofmusiker B r ü ck n e r und Werner mit. Mit dem Vor- 
trag des Mendelssoh n'schen Violinconcertes mit Orchesterbe- 
gleitung op. 64 — Allegro appassionato, Andante, Allegro — 
trat der neue Concertmeister Abel vor das hiesige Publikum. Längst 
schon war man in den hiesigen musikalischen Kreisen gespannt, 
prüfen zu können, welche Vorzüge denn der Neuberufene besitze, die 
unseren in ganz Deutschland als einen der allerersten Geiger be- 
kannten Walter aus der k. Musikschule verdrängten, Hrn. Walter, 
der sich nicht bloss als ausserordentlicher Künstler, sondern ebenso 
als ein gediegener Lehrer bewährt hatte. Die Prüfung fiel für Hrn. 
Abel schlimm aus. Sein Vortrag entbehrte des Schwungs und des 
Feuers, sein Ton der Kunst und Bedeutung, sein ganzes Spiel war 
ähnlich einem solchen, wie wir sie an Maifesten an unseren Gym- 
nasien gewohnt sind. Mit seinen Passagen hatte er ebenfalls kein 
Glück, sie Hessen jene glockenreine Klarheit und Selbständigkeit 
jedes einzelnen Tones vermissen, wie wir sie von Walter und auch 
von Venzl und Brückner gewohnt sind. Als der Concertant seine 
Aufgabe zu Eude gebracht hatte, applaudirten seine Freunde und 
jener Theil des Auditoriums, welcher sich von je in seinem Urtheil 
eine liebenswürdige Menschenfreundlichkeit angewöhnt hat. Man 
Hess sie ruhig gewähren. Als seine übereifrigen Freunde ihn aber 
noch ein zweites Mal zu rufen die Kühuheit hatten, war es der 
Majorität im Saal doch zu stark, und es entstand ein so allgemeines 
Zischen, dass der Applaus verstummte. Das erste Debüt Hrn. Abels 
war dem zufolge kein glückliches. — Ebenfalls ohne Erfolg blieb 
das von J. Venzl componirte und von dem Componisten und von 
Hrn. Hofmusikus Lehuer ausgeführte Concertstück für zwei Violinen 
mit Orchesterbegleitung Allegro, Andante, Allegro (zusammen- 
hängend). Der Tristanstyl in einem Violinconcert war dem Audi- 
torium zur Zeit noch zu neu, um gefallen zu können, besonders wo 
die Composition in unglücklicher Weise zur Darstellung kam, da 
Hr. Lehner seinen Compagnon oft in der schmählichsten Art im 
Stiche Hess. — Grosser Beifall dagegen erregte der Hofmusiker 
T i 1 1 m e t z durch den künstlerischen Geschmack und weitausgebildete 
Technik verrathenden Vortrag eines Adagio für Flöte vonSpohr. 

An Gesangsnummern boten die Programme keinen Mangel. Da 
hörten wir zuerst eine wenig beschäftigte Hofsängerin Frl. Wilhel- 
mine Ritter das Recitativ und die Arie mit obligatem (von Hrn. 



83 - 



Bärman n mit gewohnter Virtuosität gespieltem) Bassetborn aus 
„Titus" — JEcco ilpunto — ■ vortragen. Der Glanz uod die Schön- 
heit ihrer reichen Stimmmittel, die solide musikalische Bildung und 
die künstlerische Weihe, welche sie bei dieser Gelegenheit darlegte, 
schafften ihr reichen Beifall, der ihr auch zu Theil wurde, als sie 
zwei S eh u m a n n'sche Lieder („Mondnacht" und Nr. 2 aus „Frauen- 
liebe und Leben") sang. — Im dritten Abonnementconcert wurde 
Frl. Therese Seehofer aus Wien, eine treffliche Sängerin mit 
warmem Gefühle, mit fein gebildetem Geschmack, mit colossalen 
Stimmmitteln, vorgeführt. Sie sang die Arie der Rezia aus „Oberon," 
„Ocean du Ungeheuer," und „die junge Nonne" von S ch u b e r t 
und „Neue Liebe, neues Leben 11 von Beethoven mit ganz ausser- 
ordentlichem Erfolge. Leider erkrankte sie bald darauf und die 
Stimme war ermüdet und belegt, da sich die Künstlerin zum zweiten 
Male dem Auditorium vorstellte. — Ein anderer Gast, der im Con- 
certsaal besser gefiel als auf der Bühne, war der Baritonist St ä ge- 
rn an n aus Hannover: er sang (hintereinander!) vier in der Stimmung 
ziemlich con forme und dadurch ermüdende Seh um an n'sche Balladen 
und Lieder mit schöner aber kleiner Stimme und verständigem Aus- 
druck. — Beethoven's „Adelaide" wurde im letzten Concert von 
Frl. Mallinger gesungen. Wenn uns Jemand von der Idee hätte 
zurückbringen können, dass dieses Lied im Mund einer Sängerin 
an Effect verliert, so wäre es unsere reizende Primadonna gewesen; 
denn sie sang die classische Composition mit dem ganzen Zauber 
ihrer schönen Stimme und ihrer unnachahmlichen Gefühlsinnigkeit 
und erregte einen Beifallssturm, der ihr bewies, wie sehr man im 
Auditorium ihre Kunst zu schätzen wisse. — Haben sie schon ein- 
mal gehört, wie Bülow auf dem Flügel aecompagnirt? Ich glaube 
nicht, dass Sie in diesem Genre schon Besseres gehört haben. 

Wenn wir noch der Aufführung des frischen „Reitermarsches" 
von S ch u b e r t (C-dur für Ciavier zu vier Händen) von Franz L i s z t 
orchestrirt und des Adagio ed Andante quasi Allegretto aus der 
Balletmusik „die Geschöpfe des Fromotheus" op. 43 Nr. 5 von 
Beethoven, das aber vereinzelt und herausgerissen nicht mehr den 
gewaltigen Eindruck übt, den es im Zusammenhang sonst zu erregen 
gewohnt ist, Erwähnung thun, haben wir die Thätigkeit der musi- 
kalischen Akademie, wie sie sich in ihren fünf Concerten darlegte, 
in Kürze vollständig besprochen. 

Lassen Sie mich nun noch mit wenigen Zeilen der an Genüssen 
reichen drei QuartettsoirSen der HH. Walter, Closner, Tho- 
mas und Müller (Mitglieder des Hoforchesters) gedenken. Diese 
Quartettsoire'en gelten als der Sammelplatz der Münchener Musik- 
freunde und in der That findet sich dort regelmässig eine immer 
grösser werdende Schaar von Damen und Herren aus den besseren 
Ständen ein, die als Musikkenner und Musikfreunde bekannt sind. 
Was zur Aufführung kommt, ist ungemein sorgfältig vorbereitet und 
einstudirt, ist durchaus in Fleisch und Blut der Aufführenden über- 
gegangeu. Sie spielten von J. Haydn: das Quartett in G-moll 
Op. 74 Nr. 74, das Quartett in G-dur Op. 77 Nr. 81 und das Quar- 
tett in B-dur Op. 50 Nr. 44 ; von Beethoven das Quartett in 
Es-dur Op. 127, das sie in der dritten Soir6e auf vielseitiges Ver- 
langen wiederholten, und das Quartett in A-dur op. 18 Nr. 5; ferner 
das C-dur- Quartett op. 10 Nr. 6 von Mozart, das A-dur- Quartett 
op. 41 Nr. 3 von S ch u m a n n und unter Mitwirkung des Hof- 
musikers B e n n a t das in seiner Klangschönheit unnachahmliche Quin- 
tett in C-dur op. 163 von S ch u b e r t. 



Ans Mannheim. 

Die beiden letzten musikalischen Akademien des hiesigen Hof- 
theaterorchesters, welche im Monat April stattgefunden, zeichneten 
sich durch Vorführung theils bekannter, gediegener, theils für die 
hiesigen musikalischen Kreise neuer Werke sehr vorteilhaft aus. 
Von Letzteren wurde in der fünften Akademie Fr. Schuberts 
unvollendete Sinfonie in H-moll gegeben und machte, wie auch an 
andern Orten, den günstigsten Eindruck, ganz besonders fühlte man 
sich allgemein von dem zweiten Satz, Andante, höchst angenehm 
angesprochen. Ein weiteres für hier neues Werk war „Erlkönigs 
Tochter" von G a d e, wovon die Solopartien Herr O. B., ein sehr 
talentvoller Dilettant (Oluf), Frl. Hausen (Mutter Oluf s) und 
Frau Ullrich-Bohn (Erlkönigs Tochter) sangen, die Chöre der 



Theaterchor. Die Aufführung dieses in seiner häufig so anziehenden 
Färbung eigentümlichen Werkes im Ganzen sowohl) wie die Einzel- 
leistungen von Seiten der Solisten, die den Character ihrer Partien 
in feiner Auffassung wiedergaben, befriedigte die Zuhörer in hohem 
Grade. Die beiden übrigen Nummern dieses Concerts waren: „die 
Lotosblume," von F. L a ch n e r und „der Hidalgo" von S ch u m a n n, 
gesungen von Frau Ullrich -Roh n, und Beethoven's Fantasie 
für Ciavier, Soli, Chor und Orchester; die Ciavierpartie spielte Hr. 
Mertke mit gewohnter Meisterschaft, die Gesangsoli sangen die 
Damen Ullrich-Rohn, Hausen, Ludwig-Medal, und die HH. Schüller, 
Schlösser und Ditt. 

Das sechste und letzte Concert hatte folgendes Programm : 
Ouvertüre »Die Hebriden" von Mendelssohn; Recitativ und Arie 
aus der „Schöpfung" von Haydn („mit Würd' und Hoheit ange- 
than tt ); grosse Fantasie für die Harfe von Parish-Alvars; „In 
dieser Stunde denkt sie mein" von Dorn; kleineres Stück für die 
Harfe von G o d e f r o i d ; zum Schluss C-moll-Sinfonie von Beet- 
hoven. Die beiden Gesangstücke wurden von Herrn August Ruff, 
Concertsänger aus Mainz, vorgetragen, und wir freuten uns, in dem- 
selben einen sehr verständigen wohlgebildeten und mit trefflichen 
Stimmmitteln begabten Sänger kennen zu lernen, welcher Haydn's 
Composition mit dem ihr innewohnenden Adel vortrug, während er 
mit dem Liede von Dorn zeigte, dass er auch dem sentimentalen 
Gefühlsausdruck vollkommen gerecht zu werden versteht, was ihm 
von Seiten der dafür besonders Empfänglichen unter den Zuhörern, 
deren es wohl überall nicht Wenige gibt, reichlichsten Beifall und 
Hervorruf eintrug, und ihn veranlasste, das Lied zu wiederholen: 
Die beiden Stücke für Harfe spielte der kön. bayr. Hofmusiker 
Herr Vitzthum mit so entschiedener Meisterschaft, dass man ihm 
mit wahrem Vergnügen zuhören mochte ; er beherrscht sein Instru- 
ment in allen Nüancirungen des Tones vollkommen, indem er bei 
starken Stellen grosse Tonfülle, und im entgegengesetzten Falle die 
reizendste Feinheit entwickelt, zwischen beiden aber die Mitteltiuten 
höchst massvoll anwendet. Die beiden Orchesterwerke wurden mit 
gewohnter Präcision, die C-moll-Sinfonie namentlich in schwung- 
voller Weise aufgeführt, und so wurden die diessjährigen Concerte 
aufs würdigste geschlossen. 

Vor kurzem gab der bisherige Bassist am hiesigen Theater, 
Herr Becker, ein leider schwach besuchtes Abschiedsconcert unter 
Mitwirkung des Herrn Nachbauer aus Darmstadt und mehrerer 
Mitglieder des hiesigen Theaters. Die Quartett- und Kammermusik- 
Abende der Herrn Konin g, Heidt, Mayer, Kündinger und 
Mertke haben mit der 4. Aufführung ihren Abscbluss gefunden, 
und nachdem noch die Liedertafel in den ersten Tagen des Mai 
ein Concert gegeben, in welchem Chöre von F. Lachner, Zimmer- 
mann, F. Schubert (Salve Regina) und Hetsch in sehr befriedigender 
Weise zur Aufführung gelangten, dürfen wir die Concertsaison als 
geschlossen betrachten und uns, so gut es in unserer weiten Ebene 
gehen mag, dem Naturgenuss hingeben, neben welchem jedoch noch 
immer das Theater zu Genüssen einladet, wo nach Acquirirung 1 eines 
neuen Bassisten für die Oper in der Person des kürzlich schon er- 
wähnten Herrn K ö g e 1 nunmehr wieder die grössern Opern wie 
„Jüdin," „ Tannhäuser, a „Lohengrin," „Hugenotten," „Robert der 
Teufel" u. A. gegeben werden; auch sehen wir für die nächsten 
Tage dem Gastspiel des Baritonisten Hrn. Betz aus Berlin ent- 
gegen, welcher als „Teil" und „Don Juan" auftreten wird. Die 
Proben zu der Oper „RuyBIas vonMaxZenger sind gegenwärtig 
im Gange, und soll dieselbe zu Anfang Juni zur Aufführung kommen. 



Aus Berlin. 

(S ch 1 u s s.) 

Die am 4. d. M. durch Bilse aufgeführte Ouvertüre „Sappho" 
von Const. Bürgel entsprach allen Erwartungen , welche man von 
dem bereits bekannten Talente des Componisten hegen konnte , und 
übertraf dieselben in Bezug auf die Gewandtheit, mit welcher die- 
ser erste Versuch , für grosses Orchester zu schreiben , von ihm durch- 
geführt ist. Dem Werke hat die Sage von der Sappho und ihrem 
ungetreuen Phaon als Leitfaden der Erfindung gedient: Klarheit d«r 
Umrisse , Breite in der Erfindung der Themata , Consequenz in ihrer 
Verarbeitung, Reichthum an musikalischen Gedanken und Drama* 



— 84 - 



tik des Verlaufes bei lebendigem Colorit der Instrumentation sind 
seine Vorzüge, welche es dem Besten in seinem Genre würdig an* 
reihen. Den Namen „Ouvertüre sollte man nur aufgeben, wo keine 
Handlung folgt, er macht den Eindruck einer gemalten Thür. 

Eine hervorragende Stelle in den hiesigen Ereignissen der Win- 
tersaison nehmen nun zunächst die „ Philharmonischen Concerte" 
von B. Scholz ein, welcher in dem 7. derselben am 15. Februar 
zum ersten Male eine Sinfonie in F-moll von eigner Composition 
aufführte, bestehend aus Allegro appassionato , Andante , Presto 
$rherzando, Finale. Wenn nicht durch Grossartigkeit, so erndete 
das Werk durch Grazie der Erfindung den Beifall der Hörer, welche 
Eigenschaft besonders in den zwei letzten Sätzen hervortrat. In 
Bezug auf das Ganze als solches kann man sich der Wahrnehmung 
nicht verschliessen, dass die Erfindung hinter der Ausführung zurück- 
steht,' sie füllt die grossen Dimensionen der Sinfonie nicht mit vollen 
Formen aus, und lässt der erste Satz an Grösse der Gedanken 
wohl das Meiste zu wünschen übrig ; die meiste Auszeichnung verdient 
das Scherzo , in welchem ein feiner lebensfrischer Humor sein Spiel 
treibt ; wie dem ganzen Werke , kam insbesondere diesem Satze die 
geistreiche und energische Art zu Statten , mit welcher B. Scholz 
dirigirt. — Das Programm enthielt wieder eine Composition von G. 
Vierling, „Zur Weinlese" (nach Anacreon) Chor mit Orchester- 
begleitnng — sie hat den grossen Vorzug, dass Form und Inhalt 
einander decken , wobei ich unter Form nicht die Symmetrie der 
Theile , sondern das Verhältuiss des Objectes zur Darstellung ver- 
stehe. (Jene Symmetrie der Theile , die man nach der Elle messen 
kann, und welche in gewissen Fällen sogar von der Architektur nicht 
mehr als Bedingung des Verständnisses erachtet wird, macht nach 
meiner Meinung nicht die Form eines Musikstü ckes aus , sondern 
nur das Schema desselben, welchem die grösste Freiheit, wofern 
nur Verständlichkeit übrig bleibt, zu lassen der Umstand allein Grund 
genug ist, dass die Musik nicht im Raum , sondern im Nacheinander 

der Zeit erscheint.) Der Chor besteht aus 10 Zeilen dieses Vers- 

ii 
maasses : w _z_ w w . w p w _'_ ^ ^ j. ^ 

Der Uebersetzer hat beide erste Zeilen und dann auf denselben 
Beim jede zweite der übrigen 8 gereimt. Abgesehen von einer Stelle, 
wo sich in den Jubelschall der Winzer nach meinem Gefühl zu viel 
Schalljubel des Orchesters mischte — das Triangel fängt beiläufig, wie 
im 2. Concert von Liszt, einmal allein an — war Alles von dem Wohl- 
klang und der freien, aber maassvolleu Lust beseelt, welche der an- 
tike Text verlangt; es fand auch sehr reichen Beifall bei dem Pu- 
blikum ; die Ausführung durch den academischen Gesangverein, durch 
Herrn Schmidt eiustudirt, hatte dabei verdienstlichen Antheil. 
Nachdem derselbe das Publikum durch diese Leistung gewonnen 
hatte, erwarb er sich durch den „Gondelfahrer" von Schubert 
einen da cw/?o- Ruf, während die Composition keineswegs den Vor- 
zug vor der Vierling'schen verdient, da sie von ziemlich naturali- 
atischer Einfachheit ist. — Weitere Gelegenheit zu excelliren bot 
der Abend Herrn ß. Schmidt als Pianisten in dem Vortrag des E- 
moll-Concertes vou Chopin. Das Werk an und für sich macht 
allerdings nicht den Eindruck wie der Name Chopin — der Vortrag 
hatte alle Vorzüge, welche gelehrt werden können und einige mehr, 
z. B. persönliche Rundung und Conformität des Spieles, und war 
frei von den Mängeln , mit welchen bei höheren Ansprüchen an Be- 
deutung Andere sich nicht scheuen aufzutreten ; in der sympathischen 
Feinheit und Freiheit des Vortrages näherte sich Herr R. Schmidt 
nicht genug seinem Meister Th. Kullack, um durch den Vortrag des 
.Andante anziehend zu wirken, aber das Ganze darf wohl als eine 
tüchtige und verdienstliche Clavierspiel-Leistung bezeichnet werden 
welcher vom Publicum mit Beifall und Hervorruf gelohnt wurde. — 
Die Coriolan -Ouvertüre von Beethoven in würdiger Ausführung 
Latte das Concert eingeleitet. Carl Fuchs. 



Nachrichten, 



Mainz. Der bisherige Director unseres Stadttheaters, Hr. Behr, 
bat seinen Vertrag gekündigt. Der Stadtrath hat die Kündigung an- 
genommen und es ist die weitere Verpachtung unserer Bühne zur 
Coucurrenz ausgeschrieben. 

Paris. Am 4. Mai hat MUe. Patti mit der Rolle der Lucia 
die Vorstellungen der italienischen Oper geschlossen. Natürlich 



regnete es den ganzen Abend hindurch förmlich Blumen, so dass 
man am Ende unter der Fülle von Bouquets und Kränzen die Ge- 
feierte kaum mehr herausfinden konnte. Auch für den Tenor N i c o- 
lini fiel ein guter Theil von Blumen und Beifall ab. Gegenwärtig 
singt die „Göttliche" bereits in L o n d o n unter denselben Symptomen 
des enragirtesten Enthusiasmus von Seite des Publikums, wie hier 
in Paris. 

— Die Einnahmen der Theater, Concerte und öffentlichen Schau- 
stellungen jeder Art in Paris betrugen im abgelaufenen Monat 
April die Summe von 1,642,802 Frcs. 

— Mme. Carvalho hat sich nach Brüssel begeben und ist 
dort als Julie in Gounod's neuester Oper mit enormem Success- 
aufgetreten. 

— Hector Berlioz, welcher zur Erholung von den Strapazen, 
seiner Reise nach Russland sich nach Monaco begeben hatte, ist 
von dort in Folge eines unglücklichen Sturzes sehr leidend hieher 
zurückgebracht worden und sein Zustand gibt noch immer Anlass. 
zu grosser Beunruhigung in Betreff der weiteren Folgen des be- 
klagonswerthen Unfalls. 

*** Frl. S e s s i ist auf drei Jahre für die königl. Oper in 
Berlin engagirt worden. Eben daselbst ist Frau von Voggen- 
buber am 1. Mai als engagirtes Mitglied eingetreten. 

*** Der Pianist Leopold von Meyer, welcher von Nord- 
amerika wieder nach Europa zurückgekehrt ist, hat dort in nicht 
weniger als 75 Concerten gespielt, was ihm in runder Summe 40,000 
Dollars eingetragen haben soll. 

*#* Bei Gelegenheit der Enthüllungsfeier des Luther-Denk- 
mals in Worms (24., 25., und 26., Juni) werden Mendel ssohn's 
„Paulus," eine Cantate von Vincenz Lach ner über „Ein' feste Burg 
ist unser Gott" und noch andere Werke unter der Leitung Laeh- 
ner's und des Wormser Gesaugsdirigenten Steiuwartz zur Auf- 
führung kommen. 

*** In Regensburg ist am 2. Mai der durch seine musik- 
literarische Thätigkeit in weiteren Kre isen bekannte Dr. Dominicas 
Metten leite r, Chorvicar bei St. Emmeran, im Alter von 46 Jahren 
gestorben. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt, seine Kunst- 
geschichte Baierns zu vollenden. 

*** Der Director des Stadttheaters in Co In, Hr. Ernst, fei» 
erte unlängst sein 25jähriges Theaterjubiläum , bei welcher Veran- 
lassung ihm von dem Regisseur in Anwesenheit des gesammten Per- 
sonals und im Namen desselben ein silberner Lorheerkranz und ein 
photographisches Album mit den Portraits sämmtlicher Mitglieder 
seiner Bühne überreicht wurde. 

*** In der grossen Oper zu Petersburg wurde eine Sin- 
fonie für Orchester, Soli und Chor betitelt: „Johanna d'Arc" von, 
Alfred Holmes bereits zweimal unter der Leitung des Com- 
ponisten mit ausserordentlichem Erfolge aufgeführt. 

*** Die Kosten des neu zu erhauendeu Her Majesty' $-The&ter& 
in London wurden auf 65,000 Pfd. Sterling veranschlagt. Der 
Prinz von Wales wird den Grundstein zu demselben legen. 

V* In Paris ist der Held der Cafe's chantants, der Ver- 
fasser der berühmtesten Pariser Chansonnetten und Strassenlieder,. 
Paul Balquerie, im Alter von 35 Jahren gestorben. 

*** Bei G. Heinz e in Leipzig ist soeben erschienen: „Joseph 
T ich at s ch e ck, eine biographische Skizze nach handschriftlichen 
und gedruckten Quellen/ 

V Joachim hat in Copenhagen ausserordentliche Sen- 
sation erregt. Eine ähnliche Enthusiasmirung des dortigen Publi- 
kums ist bisher noch keinem Künstler gelungen und der allgewal- 
tige Bogen des unvergleichlichen Meisters hat seine Zaubermachi 
auch im hohen Norden wieder glänzend bewährt. 

%* Der Baritonist der grossen Oper in Paris, Faure, der 
ein grosser Jagdfreund ist, erhielt vom Kaiser Napoleon zwei sehr 
schöne Gewehre zum Geschenk. 

%* Der „Wiener Männergesangverein" ist der „Gesellschaft 
der Musikfreunde" als Stifter mit 2000 fl. beigetreten, die in 5, 
Jahresraten 4 400 fl. a bbezahlt werden. 

Druckfehler. In voriger Nummer lese man im Literaturbericht. 
J. Guttentag statt Guttenberg. ________^_ 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



jf* 99 



1. Juni 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Dieße Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 
Manabonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
lungen. 



-äffe'-* 



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von 



B. 



| PREIS: i 

I fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. | 

für den Jahrgang. 



SCHOT T'S SÖHNEN in MAINZ. ; Durch die Post bezogen: 

50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. * * 



INHALT: Das grosse Händelfest. — Corresp. : Mainz. Leipzig. Berlin. Paris. — Nachrichten. 



Das grosse M&ndelfest im Crystal- 
Palast zu Sydenliam. 

Die lange bestehenden, seit 1859 sich regelmässig von drei zu 
drei Jahren wiederholenden grossen Händel feste im Crystal- 
Palast zu Sydenham, deren drittes im Juni dieses Jahres stattfinden 
■wird, bieten durch die colossalen Mittel mit welchen dieselben durch- 
geführt werden, durch die Grossartigkeit der Aufführungen und durch 
die denselben in riesigstem Massstabe zugewendete Theilnahme von 
Seiten des Publikums des Interessanten genug dar, dass wir hoffen 
dürfen, es werde unseren Lesern die Mittheilung einiger Notizen 
über diese Feste nicht unwillkommen sein. Wir entnehmen dieselben 
dem von dem Londoner ComitS darüber veröffentlichten Programme. 

Von dem Umfange, welchen diese Musikfeste iu England mit 
der Zeit gewonnen haben, mag man sich einen Begriff machen, wenn 
man erfährt, dass die letzten vier Händelfeste von ungefähr einer 
Viertelmillion von Zuhörern besucht wurden und eine Einnahme von 
weit über 100,000 Pfd. Sterling ergeben haben. Dabei muss erwähnt 
werden, dass auch in anderen Städten Englands, wie in Birmingham, 
Norwich, Worchester, und Hereford abwechselnd jährlich 
grosse und ausserordentlich besuchte Musikfeste stattfinden, bei wel- 
chen ebenfalls Handelns Oratorien im Vordergrunde stehen, wenn 
auch die Oratorien von neueren Meistern dort abwechselnd zur Auf- 
führung kommen. Die dreijährigen Händelfeste im Crystalpalast 
sind jedoch ausschliesslich Händel's Werken gewidmet. Das dies- 
jährige Fest findet am 15., 17. und 19. Juni statt, jedes der drei 
Concerte um 2 Uhr Mittags beginnend. Der erste Tag bringt den 
„Messias," der zweite eine Auswahl aus verschiedenen Händel'achen 
Oratorien und der dritte Tag „Israel in Egypten." Für die Akustik 
des ungeheueren Festlokals, welches das Transept des Crystalpalastes 
einnimmt, ist schon bei den früheren Festen alles Mögliche mit 
grossem Kostenaufwand geschehen, indem man feste Wände und eine 
entsprechende Decke hergestellt und auch dieses Jahr den Erfah. 
rungen der früheren zufolge noch neue Verbesserungen in diesem 
Sinne angebracht bat. so dass nicht nur die grösste Deutlichkeit in 
den Massenwirkungen erzielt, sondern auch den Solosängern die 
Möglichkeit gegeben wird, trotz der riesigen Raumverhältnisse sich 
ohne übermässige Anstrengung überall gut verständlich zu machen. 
Die Leitung der Festcoucerte ist in die Hände Costa's gelegt, des 
Mannes der uustreitig durch Directionstalent und durch vielfache 
practische Uebung als der geeignetste erscheint, solche Massen, wie 
sie hier ins Feuer geführt werden, zu lenken und im Zaum zu halten. 
Der Baum, welchen die Bühne für Chor und Orchester einnimmt, um- 
fasst nicht weniger als 16,000 Quadratfuss und ist bestimmt, gegen 
4000 Mitwirkende aufzunehmen. Für das Orchester sind 250 Musik- 
pulte aufgestellt, welche von 400 Geigern, darunter 150 Violoncells 
und Contrabässe, und der entsprechenden Anzahl von Bläsern einge- 
nommen werden. Der etwa 3500 Stimmen zählende Chor besteht 
* um weitaus grössten Theile aus Dilettanten, doch darf man nicht 
denken, dass es dort jedem quasi Sänger oder jedem Dämchen, das 



eben auch gerne mit dabei sein mochte so leicht gelingt sich in den 
Chor einzuschmuggeln. Nur wer wirkliche Proben seiner Befähigung 
abgelegt und dann mit Eifer und Regelmässigkeit den Proben bei- 
gewohnt hat, wird für würdig erachtet, bei den Festconcerten mit- 
zuwirken, ein Verfahren, welches bei unsern deutschen Musikfesten 
mitunter sehr zur Nachahmung zu empfehlen wäre. Der Zuhörer* 
räum ist in 12 grosse Quadrate getheilt, welche durch einen von 
dem Eingange gegen die Orchesterbühne führenden geräumigen Gang 
in zwei gleiche Hälften getheilt werden ; die rechts liegenden sind 
mit einfachen, die links liegenden mit verdoppelten Buchstaben be- 
zeichnet. Links und rechts laufen längs der Seitenwände geräumige 
Galerieen hin. Ausserdem hat man eine im vorigen Sommer bei 
der Anwesenheit des Sultans dem Orchester gegenüber angebrachte 
Emporbühne stehen lassen, welche Logen und damit verbundene 
Empfangszimmer für Besucher von hohem Range enthält. Ausser- 
dem gibt es im Saale noch rechts und links zwischen den Quadraten 
und den Seitenwänden nichtnummerirte Sitzplätze zu billigeren Preisen* 
Die Preise betragen für die drei Concerte : für die in der Mitte des 
Saales liegenden Quadrate 3 Guineen, für ein einzelnes Concert 25 
Schilling; für die äusseren Quadrate 2 7» Guineen und für ein ein. 
zelnes Concert 1 Guinee; Galerieplätze kosten 2 Vi Guineen für 3, 
oder 1 Guinee für 1 Concert. Für die nichtnummerirten Plätze im 
Saalraum werden 7 1 /* Schilling für das einzelne und 1 Gninee für 
die 3 Concerte bezahlt. Bei Gelegenheit dieses Händelfestes wird 
ein Facsimile der im Besitz der Königin von England befindlichen 
Originalpartitur des „Messias" von der „Sacred Harmonie Society* 
mittelst Photo-Litographie in beschränkter Anzahl veröffentlicht und 
in zweierlei Ausgaben zu 1 und 2 Guineen per Exemplar auf Sub- 
scription verkauft werden. 



KM»04 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Mainz. 

2h. Mal. 

Gestern Morgens 10 7» Uhr fand im Akademiesaale des ehemals 
kurfürstlichen Schlosses das dritte Vereinsconcert der Mainzer 
Liedertafel und des Damengesangvereins unter der Leitung 
des Vereinsdirigenten Hrn. Friedrich Lux und unter gefälliger 
Mitwirkung der Frl. Ida Dannemann aus Elberfeld und Frl. 
Kath. Schneider von hier mit folgendem Programm statt : 1) Zwei 
Sätze (Allegro Andante) der unvollendeten Sinfonie in H-moll von 
Fr. Schubert (zum 1. Male); 2) Concert- Arie von Mendelssohn, 
gesungen von Frl. Dannemann; 3) Capriccio für Pianoforte mit 
Begleitung des Orchesters von Mendelssohn, vorgetragen von 
Frl. Schneider; 4) der 23. Psalm für vierstimmigen Frauenchor 
mit Begleitung des Pianoforte von Fr. Schubert; 5) a. „Dein 
Leben schied, Dein Ruhm begann" von Jul. T a u s ch, b. „Salamis" 
von Fritz Gernsheim, Männerchöre mit Orchesterbegleitung (zum 
1. Male) ; 6) Berceuse von Chopin und Rondo brillant in Es-dur 
von Weber für Pianoforte, vorgetragen von Frl. Schneider; 



- 86 - 



7) „Schön Ellen," Ballade für Soli, Chor und Orchester von Max 
B r u ch (zum 1. Male). Obwohl dieses Spätlingsconcert an einem 
ins Freie mächtig lockenden schönen Sonntagsmorgen stattfand, so 
zog doch das an interessanten Novitäten so reiche Programm eid 
so zahlreiches Auditorium an, das* der sehr geräumige Saal voll- 
ständig gefällt war. Da die sämmtlichen im Programme als Novh 
täten bezeichneten Compositionen in diesen Blättern schon mehrmals 
besprochen und nach Verdienst gewürdigt wurden, so können wir 
uns auf ein Urtheil über deren hiesige Executirung und Erfolg be- 
schränken. Die Fragmente der Schubert'schen H - moll - Sinfonie 
wurden mit einer in Anbetracht der wenigen vorhergegangenen Proben 
recht erfreulichen Abrundung zu Gehör gebracht; es wurde von den 
Mitwirkenden So recht con amore gespielt und in den lebhaften 
Beifall des Publikums mischte sich nur das Bedauern, dass ein so 
vortreffliches, geist- und gemüthvolles Werk unvollendet bleiben 
ttusste. In Frl. Ida Dannemann, welche die Concertarie von 
Mendelssohn vortrug, lernten wir eine am Niederrhein wohlbekannte 
Concertsängerin kennen, welche im Besitze einer klangvollen, kräf- 
tigen Mezzosopranstimme ist und mit Geschmack, Verständniss und 
Wärme vorzutragen versteht; doch Iässt die Deutlichkeit der Aus- 
sprache zu wünschen übrig und die leider so allgemeine Unsitte des 
Tremolirens hat auch diese Künstlerin sich in hohem Grade ange- 
eignet. Eigentlich sollte man über dieses epidemische Gesangsübel 
gar nichts mehr sagen, sondern sich auf die Hervorhebung der nur 
noch sporadisch vorkommenden Fälle des Nicht- Tremolirens be- 
schränken. Der Schubert'sche Psalm für Frauenchor fand eine recht 
glatte, ansprechende Wiedergabe und freundlichste Aufnahme von 
Seiten der Zuhörer. Die Wirkung dieser schönen Composition wäre 
bedeutend erhöht worden, wenn die zahlreichen im Saale zerstreut 
sitzenden Mitglieder des Damengesangvereins den Chor hätten ver- 
stärken wollen. Die beiden prächtigen Männerchöre von Tausch 
und Gernsheim wurden tadellos und mit lebhaftem Schwünge vor- 
getragen. Unsere wackeren Säuger hatten dieselben bei dem voriges 
Jahr stattgefundenen Jubiläum der „Düsseldorfer Liedertafel" mit- 
gesungen und bei dieser Gelegenheit den Königspreis im Wettsingen 
erobert und es schien als ob die Erinnerung an jenen schönen Sieg 
noch immer begeisternd wirkte. Was die beiden Compositionen 
selbst betrifft, so können wir das von vielen Seiten schon ausge- 
sprochene rühmende Urtheil über dieselben nur bestätigen und auch 
das Publikum wurde durch deren Schönheiten zu stürmischem Ap- 
plaus hingerissen. In Frl. S ch n e i d e r, einer jungen Pianistin, 
welche mit den oben angeführten Ciavierstücken zum ersten Male 
vor das Publikum trat, lernten wir eine recht talentvolle und streb- 
same Künstlerin mit schon ziemlich vorgeschrittener Technik, tact- 
festem und sauberem Vortrag kennen; möge der ihr reichlich ge- 
spendete Beifall sie zu fernerem rastlosen Streben nach der höchsten 
Weihe der Kunst anspornen. Den Glanzpunkt des Concertes bildete 
Max Bruch's hier noch neue Ballade „Schön Ellen," welche, mit sicht- 
licher Vorliebe von sämmtlichen Mitwirkenden ausgeführt, die reiche 
Erfindungsgabe sowie die meisterhafte Gewandtheit des Componisten 
in Behandlung der Vocal- wie der Instrumentalmittel in das glänzendste 
Licht stellte, mit ausserordentlichem Beifall aufgenommen wurde und 
den lebhaften Wunsch bei jedem Musikfreunde erregte, dass man 
uns auch mit anderen ähnlichen Werken des talentvollen Autors 
welche seinen Euf so schnell und fest begründet haben, recht bald 
bekannt machen möchte, sowie denn überhaupt die überaus günstige 
Aufnahme, welche das Programm des in Bede stehenden Concertes 
gefunden hat, der Vereinsdirection bei der Aufstellung künftiger 
Concertprogramme als ein nicht zu verachtender Fingerzeig dienen 
dürfte. Der Chor sang sicher und mit Feuer, obwohl er bei der 
starken Instrumentirung mituuter zu schwach besetzt erschien, und 
auch das Orchester wirkte in sämmtlichen betreffenden Nummern 
mit lobenswerthem Feuer und namentlich liess auch die Stimmung 
der Blasinstrumente bei dieser Gelegenheit fast nichts zu wünschen 
Übrig. Die Soli wurden von Frl. Dannemann und einem sehr tüch- 
tigen Vereinsmitgliede in anerkennenswerther Weise vorgetragen 
und Herrn Lux gebührt das Lob sorgfältiger Vorbereitung und 
energischer und geschmackvoller Leitung des ganzen Concertes« 
Möchte die nächste Saison uns viele ähnliche Genüsse bringen, wel- 
che sich bedeutend steigern werden, wenn die activen Mitglieder 
beider Vereine ibter Verpflichtungen gewissenhafter eingedenk sein 
wollen. E. F. 



Aus Leipzig. 

(Fortsetzung und Schluss.) 

Abends 7,7 Uhr begann im Saale des Gewandhauses das Fest» 
e'oncert, dessen Programm lediglich aus Compositionen von jetzt noch 
an der Anstalt fungirenden Lehrern bestand und auch nur vom 
Sehülern und Schülerinnen des Conservatoriums ausgeführt wurde. 
Die Nummern desselben waren, wie folgt: 1. „Adoramus te, Christel 
Chor von Bobert Pappe ritz, ein edel gehaltenes und formell vol- 
lendetes Tonstück. 2. Quintett für Pianoforte und Streichinstrumente 
(Op. 83) von Carl B e i n e ck e den besten dieser Gattung in der 
Neuzeit sich anreihend , gespielt von den HH. Oscar Henning 
aus Waidenburg in Schlesien, Max Brode aus Berlin, Christian 
Ersfeld aus Coburg, Heinrich Kl esse ans Gleiwitz in Schlesien 
und Julius He gar aus Basel. 3. Capriccio (op. 2) für 3 Violinen 
von Friedrich Hermann, — ein Stückchen voll kecker Laune, aber 
mit Geschmack und künstlerischem Sinn gearbeitet — gespielt von 
den HH. Brode, Ersfeld, und Courvoisier ans Basel. 4. Sin- 
fonische Sonate in 3 Sätzen für 3 Hände von Ignaz Mosche- 
1 e s, auf 2 Flügeln aus der Fabrik von Breitkopf und Härte! vor- 
getragen von Frl. Elisabeth Dannenberg aus Kursk, Frl. Maria 
Thorbecker aus Osnabrück , Herrn Max W o g r i t s ch aus 
Hermannstadt und Herrn Alexander Rasmadze" aus Moskau ; eigens 
für das Fest componirt, konnte man nur staunen über die dem greisen 
Meister uoch innewohnende Productionskraft und Leichtigkeit des 
Schaffens. 5. Zwei Lieder für Frauenstimmen (Soli und Chor) 
mitPianofortebegleitung für das Fest componirt von E. F. Richter 
die Soli gesungen von Fräulein Büschgens aus Crefeld und Frau 
Anna Werder aus Leipzig (ehemalige Schülerin des Conservatoriums) 
die Pianofortepartie ausgeführt vom Sohn des Componisten Herrn 
Alfred Richter. „Frühlingsglaube* und „die Elfen" (beide von 
Unland) betiteln sich diese beiden reizenden Tonbilder, die sicher 
in Bälde in die Repertoire aller Chorgesangvereine aufgenommen- 
diese bereichern und zieren werden. 6. Drei Stücke für Vio- 
line mit Pianofortebegleitung von Ferd. David, gespielt von den 
Violinschülern der Anstalt: Fuge (op. 89 Nr. 16) Impromptu (op.40 
Nr 2) und „Frisch und lebendig" (op. 36 Nr. 2), machten in dieser 
Weise eine ganz prächtige Wirkung. Sämmtlichen Leistungen über- 
haupt Iässt sich nur Gutes nachsagen, ja bei den meisten derselben 
trat der Gedanke an die ausführenden Persönlichkeiten, dass es 
Schüler der Anstalt wären, fast ganz in den Hintergrund. Die Auf- 
nahme derselben war durchaus eine sehr beifällige, sehr oft ganz 
enthusiastische, die Beifallssalven regneten nur so herab und die 
Hervorrufe der Lehrer und Schüler wollten gar nicht enden. Fast 
schien es, als wollte das Publikum die Ersteren entschädigen für 
alle die Mühen, welche sie auszustehen haben, die Letzteren — viel- 
leicht für alle die grossen und kleineu wirklichen und vermeintlichen 
Leiden, die der Ernst des Studiums mit sich bringt. — Nach dem 
Concert vereinigte die Festgenossen noch einmal ein Abendessen im 
Schützenhause zum flöhlichen, gemüthlichen Zusammensein; eine 
Reihe ernster, sinniger und humoristischer Toaste erhöhte die Freuden 
des Mahles, das sich bis nach Mitternacht ausdehnte. Was dem 
Mahle folgte, ist nicht schwer zuerrathen; es müsste denn nicht so 
viel Jugend bei einander gewesen sein, die nicht bloss mit den 
Fingern Virtuosen sein wollten! — So endigte denn dieses Fest^ 
das gewiss allen Theilnehmern für lange Zeit eine angenehme Er- 
inuerung bleiben wird. 

Schliesslich sei noch in Kürze der wie alljährlich am Charfrei- 
tag stattgefundenen Aufführung der Bach'schen „Matthäus-Passion" 
zum Besten der Wittwen und Waisen des hiesigen Stadt-Orchesters 
gedacht. Es ist zur schönen Sitte geworden, dies herrlichste aller 
Meisterwerke an dem heiligen Tage zu Gehör zu bringen und den- 
selben dadurch auch musikalisch am würdigsten zu feiern. Da nun 
zugleich damit ein so edler menschenfreundlicher Zweck verbunden 
ist , so war es nicht zu verwundern , dass den heiligen Klängen 
eine zahlreiche Zuhörerschaft mit Andacht und Bewunderung lausch- 
te. War doch die Aufführung eine fast durchweg gelungene. Chor 
und Orchester losten die ihnen lieb gewordeneu Aufgaben mit Fleiss 
und Eifer ; von Solisten ist besonders Frau Ott o-A 1 v s 1 e b e n von 
Dresden hervorzuheben, welche die Sopran-Solis mit ihrer hellen, 
lieblichen Stimme so innig und verständniss voll sang, dass man 
sich's gar nicht besser denken kann ; Herr Bietzacher aus Hau- 



— 81 - 



oover war eio ganz würdiger Christas und auch Hr. Otto, Dom- 
aänger aus Berlin, entsprach nach Kräften den schwierigen Anfor- 
derungen, die die Partie des Evangelisten an den Sänger stellt ? 
das 8 er sich dieselbe an vielen Stellen seinen Stimmmiteln entspre- 
chend zarecht gelegt hatte , darüber können ihm nur strenge Pu- 
risten Vorwürfe machen. Frau Huf ner-H arken gab sich mit der 
Altpartie viel Mühe ; ernste Studien werden sie wohl dem Verständ- 
niss dieser Musik noch näher bringen und eine deutlichere , correc- 
tere Ausprache wiederum dies Verständniss gegenüber dem Publikum 
vermitteln. 

Aus W i c n. 

(Die Concertsaison 1867/68. — Schluss der Oper.) 

Die »Saison ist zu Ende! Im Concertsaal und auf der Bühne, 
dem Tummelplatz hurtiger Finger und thatendurstiger Kehlen, herrscht 
die Stille des Grabes. Wenige Wochen und Monden und der Kampf 
beginnt aufs Neue und vermehrt die Musikgeschichte um ein weiteres 
Blatt. Ueber die Concerte der Philharmoniker, der Gesell- 
schaft der Musik freunde und des mit ihr verbundenen Sing- 
vereins haben diese Blätter schon berichtet. Um das Bild des 
gegenwärtigen Musiklebens zu vervollständigen erübrigt nun noch, 
über den Or che st er verein, die Singakademie, denHaydn- 
Verein, Männergesang-Verein, über die Kammermusik, 
das Co uservatorium und die hervorragenden Privat-Ooncerte 
Revue zu halten. 

Als Gegensatz zu den „Philharmonikern" (Verein von Fach- 
musikern) besteht hier der aus Dilettanten gebildete O r ch e s t e r- 
Verein. Im Jahre 1858 gegründet, bildet er einen Zweig der 
Gesellschaft der Musikfreunde und wird von Carl H e i ssl e r, Pro- 
fessor am Conservatorium geleitet. Die Mitglieder geben für ihre 
Bekannten jeden Winter drei Concerte, in denen namentlich seltener 
gehörte Musikstücke zur Aufführung kommen, wie z. ß. diesen 
Winter: türkischer Marsch von M o z a r t, instrumentirt von Pros p er 
Pascal; Ouvertüren zu „Semiramis" (C a t e 1), „Nurmabal" (S p o n- 
tini), „Hochzeit des Gamacho" (Mendelssohn); „Turniermarsch" 
von S ch u m a n n, instrumentirt von Gotthard; Sinfonien von 
Mozart (A-dur), H a y d n (E-raoll). Die Wahl der letzteren war 
um so willkommener, als man hier gewohnt ist, immer und immer 
wieder auf dieselben 4 — 5 Sinfonien aus der Londoner Zeit Haydn's 
zurückzukommeu. Als Gäste traten an den drei Abenden auf: R i e- 
del, Labor, Schenner, (Clavierconcerte von Mozart, Beethoven 
und Phantasie von Schubert), Benno Walter (9. Violinconcert von 
Spohr) und zn Aller Freude auch Joachim (A-moll«Concert von 
Viotti). — Die Singakademie, in gleichem Alter mit dem Sing- 
verein, hat in der kurzen Zeit ihres Bestehens (seit 1858) ihren 
Dirigenten oft gewechselt; ihr jetziger Chormeister ist Rud. Wein- 
wurm. Die Singakademie verfügt über kein Orchester und bringt 
neben älteren Werken a capella (Palestrina, Durante, Seb. Bach, 
Händel) die gediegensten Werke neuerer Meister (Schumann, Schu- 
bert, Mendelssohn, Hiller, ßrahms). Von grösseren Werken wurden 
diesen Winter aufgeführt: Cantate von S.Bach (,,du Hirte Israel"), 
„der Rose Pilgerfahrt," „Spanisches Liederspiel" von Schumann, 
95. Psalm von Meudelssohn etc. Die Concerte finden im Fest- 
saale des neuen akademischen Gymnasiums statt, wohl dem schönsten 
Concertsaale Wiehs. — Der im Jahre 1771 von HofcapellmeisTer 
Florian Gassmann gegründete Witwen- und Waisen- Versorgungs- 
verein der Tonkünstler Wien's, oder (wie er sich seit 1862 nennt) 
Haydn-Verein, brachte in der Weihuachts- und Charwoche 
die „Schöpfung" und die „Jahreszeiten" zur Aufführung, jene Werke, 
denen der Verein vorzugsweise sein Vermögen zu verdanken hat. 
Heinrich Esser leitete die beiden Aufführungen der „Schöpfung;" 
die Soli sangen Murska, Walter und S eh m i d. Wegen Un- 
pässlichkeit Esser's dirigirte Otto Dessoff an beiden Abenden 
die „Jahreszeiten" (mit Ida B enza, Adams und Dr. Franz Kr ükl). 
Die so oft gehörten Werke füllten auch diesmal das, für musikalische 
Aufführungen möglichst ungünstige Burgtheater bis zum letzten Platz. 
Der Haydn-Verein, zu dessen ursprünglichen Fond Kaiserin Maria 
Theresia 500 Dukaten beitrug, gebietet jetzt über ein Vermögen 
▼on nahezu 460,000 fl. in Werthpapieren. — Männergesang- Vereine 
schiessen noch immer gleich Pilzen aus der Erde. Was Wien deren 
früher zu wenig hatte, holt es getreulich ein. Der im Jahre 1844/45 



gegründete erste Wiener Mänuergesang verein behauptet sei- 
nen Platz und ragt weit über die Nachkömmlinge hervor. Von 
hier aas erklomm Joh. Herbeck in raschem Lauf die Stelle eines 
ersten Hofcapellmeisters. Neben dem jetzigen Chormeister Bad. 
Wein warm blieb Herbeck, dem der Verein seine jetzige Höhe za 
verdanken hat, auch ferner demselben als „Ehren-Chormeister" er- 
halten. In seinem ersten diessjährigen Concert brachte der Männer- 
gesangvereiu durchweg neue Compositionen auf, die aber bewiesen, 
dass die Ergiebigkeit in dieser Richtuug in starker Abnahme bei- 
griffen ist; eine lange Pause muss eintreten, soll die Lebenskraft 
des stark ausgebeuteten Feldes nicht ganz versiegen. Dieses Jahr 
feiert der Verein sein 25jähriges Bestehen zugleich mit Grundstein- 
legung eines Standbildes für Schubert. 

(Fortsetzung folgt.) 



ins Paris. 

24. Hai. 

Die grorse Oper war nahe daran einen neuen Tenoristen zu be- 
sitzen. Mazzoliui, so heisst derselbe, hatte einen gewissen Ruf 
aus Amerika mitgebracht und man Hess ihm hier einige Zeit Un- 
terricht im Französischen geben. Die Direction setzte grosse Hoff- 
nungen auf ihn , die nun vereitelt sind. Mazzolni trat vorigen Mon- 
in „ Trouvere" auf und machte Fiasco. — Die Reprise „Herculanum's" 
ist wegen Krankheit der Madame Gueymard aufgehoben. 

Die Ope'ra comique bringt nächstens die „Dragons de Villars* 
mit einer neuen und pompösen Mise en Scene zur Wiederauffübung. 

Ueber das künftige Schicksal des The'äter lyrique , das schon 
seit meheren Wochen geschlossen ist , hört man noch nichts Gewisses. 
Man spricht davon, dasselbe in ein Schauspielhaus und das Thea- 
der Porte-St. Martin in eine lyrische Scene umzuwandeln. Durch 
das plötzliche Schliessen des The'dter lyrique werden mehrere 
Opern, die nächstens zur Aufführung hätten kommen sollen, wie z. B. 
„Elisabeth de Hongrie" , von Jules Beer, wahrscheinlich noch 
lange in den Cartons schlummern müssen. 

Pasdeloup hat Paris verlassen und eine Reise nach der 
Schweiz angetreten. Von dort wird er nach CÖln gehen, um da- 
selbst dem grossen Musikfeste beizuwohen. Er will seinen Aufent- 
halt in unserm Vaterlande dazu benutzen, seine Repertoire zu be- 
reichern. 

Adel ine und Carlota Patti sind wie Sonne und Mond. 
Wie dieser nur dann aufgeht, wenn jene untergeht, so erscheint 
auch Carlota immer nur dann in Paris , wann Adeline bereits abge- 
reist ist. Man erfährt, beide Schwestern seien übereingekommen, 
niemals zu gleicher Zeit in einer und derselben Stadt aufzutreten. 
Wie dem nun sei, Carlota ist hier eingetroffen und wird sich im 
Concert der Notre-Dame-des-Arts hören lassen. 

Ambroise Thomas ist in Marseille, wo dieser Tage „Mignon" 
zum ersten Male aufgeführt wird. 

L i s z t ist seit einigen Tagen in Paris. 



Nachrichten. 



*** Iu Essen wurde die „Schöpfung" von Haydn in dem 
geräumigen Saale des städtischen Gartens durch den erst seit l 1 /» 
Jahren bestehenden „Musikverein," der damit zum ersten Male vor 
die Oeffentlichkeit trat, in recht gelungener Weise aufgeführt. Nicht 
nur Chor und Orchester waren trefflich einstudirt und leisteten 
wirklich Vorzügliches, sondern mau hatte um etwas Vollendetes her- 
zustellen auch ausgezeichnete Solisteu, nämlich Frl. Ida D anne- 
mann aus Elber.feld, sowie die HH. August Ruff aus Mainz und 
Carl Hill aus Frankfurt gewonnen, welche denn freilich durch ihre 
bekannten künstlerischen Leistungen sehr wesentlich zu dem herr- 
liehen Gelingen des Ganzen beitrugen. Frl. Dan ne man n erwarb 
sich als Gabriel und Eva den ungetheilten Beifall des äusserst zahl- 
reichen Publikums, Hr. Hill wirkte wie immer begeisternd durch 
seine Stimme und Vortragsweise und Hr. Ruff bewährte sich nicht 
minder als ein mit schöner sympathischer Stimme begabter und in 
ausgezeichneter Schule gebildeter Sänger und riss insbesondere durch 
d«n herrlichen Vortrag der Arie: „Mit Würd' und Hoheit angethan" 
das Auditorium zu enthusiastischem Beifall hin. Möge der „Musik- 



— 88 - 



verein" in seinem wackeren Streben nicht ermüden und noch manches 
andere Meisterwerk der Tonkunst in gleicher Vortrefflichkeit wie 
die „Schöpfung" snr Aufführung Dringen. 

* m * Die renomirte Gesanglehrerin Frl. Caroline Pruckner 
inWien hat unlängst im Saale der „Gesellschaft der Musikfreunde 41 
eine musikalische Soiree veranstaltet, um die Resultate ihrer Unter- 
richtsmethode dem allgemeinen Urtbeile unterzustellen und die Lei- 
stungen ihrer Schülerinnen haben je nach Talent und stimmlicher 
Begabung ein Resultat ergeben, welches in günstigster Weise fttr 
das practische Wirken und für die Zweckmäßigkeit der Methode der 
genannten Lehrerin spricht. 

*** Der unter dem Namen „Haydn" in Wi e n bestehende Witt- 
wen* und Waisenversorgungsverein für Tonkünstler besitzt dem 
soeben veröffentlichten Jahresbericht (von März 1867 bis 1868) zu- 
folge ein Vermögen von ff. 485,325 in Wertpapieren und fl. 267 in 
Baarem. Aus den fl. 25,178 betragenden Interessen wurden an 33 
Wittwen und Waisen Pensionen im Belaufe von fl. 15,297 und aus- 
serdem fl. 389 an Unterstützungen bezahlt. Die zu Weihnachten 
und Ostern stattgefundenen Aufführungen der „Jahreszeiten" und 
der „Schöpfung" haben einen Reinertrag von fl. 3740 (sämmtliche 
genannte Summen in österr. Währung) ergeben. 

— Dem „Figaro" zufolge wäre nun Mlle. Adelina Patti 
wirklich mit dem Marquis de Ganz, vorderhand civiliter getraut; 
der kirchliche Segen soll erst erfolgen, wenn die bestehenden 
Engagements der Gefeierten mit ihrem weltlichen Segen abge- 
wickelt sein werden. 

*** Der König von Italien hat Rossini den Grosscordon 
seines neu gestifteten Ordens der italienischen Krone verliehen und 
durch seinen Gesandten in Paris, Ritter Nigra, überreichen lassen. 
V e r d i und Mercadante erhielten das Commandeurkreuz des- 
selben Ordens. 

%* Der als Meister auf seinem Instrumente rühmlichst bekannte 
erste Violoncellist der Capelle des Fürsten von Hohenzollern • He- 
cbingen in L'öwenberg, Hr. Popper, ist für das kaiserl. Opern- 
orchester in Wien engagirt worden. 

*** Frau Blnme-Santer ist in Mailand eingetroffen un# 
wird sich ganz der italienischen Oper widmen. 

*** Der Kaiser von Oesterreich hat dem „Wiener Männergesang- 
Verein 4 * „in huldreicher Würdigung seiner vorzuglichen Leistungen" 
«ine prachtvolle Fahne gespendet und zugleich dem gegenwärtigen 
Dirigenten desselben, Hrn. Weinwurm, das goldene Verdienstkreue 
▼erliehen. Ebenso erhielt Dr. H a n s 1 i c k für sein verdienstvolles 
Wirken als Jurymitglied bei der Pariser Ausstellung das Ritterkreuz 
des Franz Joseph-Ordens. 

%* Am 30. April starb in Stockholm der Componist und 
Dirigent des dortigen Conservatoriums , Ritter Franz Berwald, 
im Alter von 71 Jahren. Sein Verlast wird schwer empfunden. 

*** Der Organist und Componist Emil Hartmann aus Co- 
penhagen hat iu Wien vor einem eingeladenen Zuhörerkreise 
verschiedene seiner Orchestercompositionen aufführen lassen , welche 
allgemein sehr gefielen. 

*** Aus Constantinopel wird geschrieben, dass der Sul- 
tan die Oper besucht hat I Es wurde nach einer vorangeschickten 
italienischen Hymne mit türkischem Texte ans „Barbier" , „Robert," 
„Linda", „Norma" und „Martha" je ein Act aufgeführt. Der Im- 
presario erhielt von Sr. Maj. ein Geschenk von 25,000 Franken. 

*** Bei dem M efcklenb urger Musikfest wird auch die 
Sopranistin Frl. Scheuerlin aus C ö 1 n als Solistin mitwirken. 
%* Der Tenorist Gustav Walter vom Hofoperntheater in 
Wien hat nach Beendigung seines, wie bereits mitgetheilt, ausser- 
ordentlch erfolgreichen Gastspiels in M ü n ch e n am 21. d. M. einen 
Gastrollen- Cyklus in Frankfurt a. M. als George Brown be- 
gonnen. 

*** Dr. Otto Bach ist zum Domcapellmeister und Director 
des Mozarteums in Salzburg aus einer grossen Anzahl von Con- 
eurrenten einstimmig erwählt worden und wird seine neue Stelle 
mit dem 1. Juli antreten. 

*** Karl Reinecke's Oper „König Manfred" kommt am 
28. Mai am Stadttheater in Leipzig zur Aufführung. 

%* Der Tenorist Bachmann vom Dresdener Hoftbeater ist 
für die königl. Hofbühne in München engagirt worden. 



*** Hr. Hugo Herrmann in Frankfurt a. M. hat vom Gross« 
herzog von Baden für die Widmung eines Concertstückes für die 
Violine einen kostbaren Ring mit seinem Namenszug in Brillanten 
erhalten. 

V In Prag wurde Kittl's im Jahre 1848 dort mit Beifall 
gegebene und verschollene Oper „ Die Franzosen vor Nizza ■ neu 
einstudirt mit vollständigem Erfolge wieder zur Aufführung gebracht. 
Interessant ist, dass der Text dieser Oper von Richard Wagner 
gedichtet ist , welcher nach dessen Vollendung sich an seinen „Tann- 
häuser" machte und das erwähnte Textbuch Kittl überliess. 

*** In Basel wird dieser Tage Schumann' s „Faustmusik* 
uuter Stockhau sen's Mitwirkung aufgeführt. 

*** Der Violinvirtuose Rappoldi ist für das deutsche Thea- 
ter in P r a g als zweiter Capellmeister neben Rieh. Genee engagirt 
worden. 

%* Ein Aufsatz, betitelt: „ Ueber den Geschmack des Publi- 
kums a , aus der Feder des ebenso geistreichen als überzeugungsmu- 
thigen Musikliteraten HeinrichEhrlich läuft schon durch einige 
Nummern von „Zellner's Blättern für Theater etc. etc. " und ist ge- 
eignet durch Form und Inhalt die Aufmerksamkeit der musikfreund- 
lichen Leser in hohem Grade auf sich zu ziehen. 



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von Ant. Rubinstein, für Pianoforte bearbeitet, 10 Sgr. 

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Verantw. Red. Ed, Föckerer, Druck v. Carl Wallau, Mainz, 



17. Jahrgang. 



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8. Juni 1868. 



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INHALT: Das 45. Niederrheinische Musikfest. — Corresp.: Wien. Stuttgart. Paris. — Nachrichten. 



Das 45. Niederrheinische Musikfest in Cöln, am 

31. Mai, I. und 2. Juni. 

Besprochen voo Eduard Föckerer. 



Mit dem an den vergangenen Pfingsttagen in Cöln abgehal- 
tenen 46. Niederrheinischen Musik feste verband sich das 
fünfzig jährige Jubiläum dieses Instituts, indem das erste der Feste 
im Jahre 1818 zu Düsseldorf stattfand. Ich werde am Schlüsse 
meines Berichtes noch einige historische Notizen über Entstehung 
und Fortschreiten der in Rede stehenden Feste bis zu ihrer gegen- 
wärtigen Höhe mitzutheilen Veranlassung nehmen und will meine 
geneigten Leser sogleich in medias res, d. h. mitten in den welt- 
berühmten Gürzenichsaal zu Cöln, wo die drei Festconcerte wie 
herkömmlich stattfanden, zu versetzen suchen. Das Programm ist 
in Nr. 20 dieses Blattes ausführlich mitgetheilt worden, so dass ich 
dasselbe hier nicht wieder voranschicken und nur die vorge- 
kommenen Aenderuugen desselben im Verlaufe meines Berichts an 
entsprechenderstelle andeuten werde. Bekanntlich lenkt nämlich 
der Hebe Gott nicht immer ganz genau so, wie der Mensch, oder 
auch das Festcomite denkt und so kam es denn, dass von den längst 
für dieses Fest engagirten Gesangsolisten FrauHarriers- Wippern 
vom k. Operntheater in B e r 1 i n schon etwa 14 Tage vor Pfingsten 
wegen Erkrankung abschrieb und man desshalb mit Frau Dust- 
mann vom Hofoperntheater in W i e n Unterhandlungen anknüpfte, 
welche denn auch den gewünschten Erfolg hatten, so dass nun Frau 
Dustmann als Solo-Sopran auf dem Festprogramme figurirte. Allein 
damit war das Ende der solistischen Verlegenheiten noch nicht ge- 
kommen ; Hr. Dr. S ch m i d vom Hofoperntheater in Wien, als 
Solo-Bassist engagirt, hatte in den Vorproben schon mit merklicher 
Indisposition zu kämpfeu, meldete sich bei der am Samstag Nach- 
mittags stattfindenden Generalprobe für den „Messias" gänzlich un- 
fähig zu singen und wäre nicht zufällig Hr. Carl H i 11 aus Frank- 
furt a. M. auf der Durchreise zu dem in L e y d e n (Holland) statt- 
findenden Musikfeste zugegen gewesen, Gott weiss ob es dann dem 
Telegraphen gelungen wäre, irgend einen entsprechenden Ersatz- 
mann in der letzteu Stunde noch herbeizuzaubern. AHein wie ge- 
sagt, Hill, der Erprobte war da und — erprobte sich neuerdings 
in glänzendster Weise als ein routinirter und wirklich musikalischer 
Sänger, denn wenn auch die Basspartien im „Messias" und in der 
9. Sinfonie ihm schon längst geläufig sind, so blieb ihm doch auch 
manche ihm noch völlig fremde Aufgabe zu lösen und wie wir im 
weiteren Verlaufe dieses Berichtes hören werden, hat er sich auch 
hierin wieder als tüchtiger Künstler erwiesen. Für die Altpartien 
war Frau J o a ch i m, für die Tenorpartien Hr. Dr. G u n z aus 
Hannover gewonnen worden. Der Chor zählte nach den im Fest- 
programm aufgeführten Listen 188 Sopran-, 164 Alt-, 110 Tenor- 
und 16 Bass- Stimmen (im Ganzen 568 Choristen); das Orchester 
bestand aus 143 Instrumentalisten, darunter öl Violinisten, 19 Brat- 
schisten, 21 Violoncellisten und 18 Contrabassisten , so dass sich 
mit Dirigent und Solisten die Gesammtzahl der Mitwirkenden auf 



762 belief. Das Verhältniss der verschiedenen Singstimmen unter- 
einander sowie dem Orchester gegenüber erschien demnach als ein 
entsprechendes, was sich auch durch die erzielte Klangwirkung voll- 
kommen bestätigte. Schade nur, dass durch die bei dem seiner- 
zeitigen Umbau des Saales getroffene Einrichtung die Orgel auf die 
Gallerie über dem Orchester zu stehen kam, während fast sämmt- 
liche Contrabässe und Celli nnter der Gallerie aufgestellt waren, 
was der vollen Touentwicklung derselben entschieden hinderlich 
war. Keine Gallerie an diesem Ende des Saales, ein höher an- 
steigendes Podium und auf dem höchsten Punkte desselben die 
Orgel angebracht, würde sicherlich die akustische Wirkung bedeu- 
tend erhöhen. 

Das erste Festconcert, am Pfingstsonntag Abends 6 Uhr be- 
ginnend, wurde mit einem, auf die Jubiläumsfeier bezüglichen, von 
Hrn. Advocat Dr. H ch r i n k verfassten und vorgetragenen, recht 
sinnigen Prolog eröffnet, worauf dann die Aufführung des Oratoriums 
„Messias* von G. F. H ä n d e 1, nach der Mozart'schen Bearbeitung 
folgte. Diese Aufführung ist als eine im Ganzen vortreffliche zu 
bezeichnen und insbesondere verdient die Ausführung der Chöre das 
höchste Lob. Hatte ich in meinem Berichte über die Aufführung 
von Händers „Israel iu Egypten" bei dem im Jahre 1865 in Cöln 
gefeierten 42. Feste über die grösstentheils matten Eintritte des 
Chors zu klagen, so fällt diese Klage diesmal gänzlich weg, indem 
derselbe Chor nicht nur durch die prächtige Frische der Stimmen, 
sondern auch durch äusserste Präcision in den Eintritten, durch 
tadellose Reinheit der Intonation sowie durch die wahrhafte Begeister- 
ung für das herrliche Werk, welche sich in der schwungvollen 
Vortragsweise kundgab uud durch die bewundernswerthe Ausdauer, 
die selbst durch die fast ins Unerträgliche gesteigerte Temperatur 
keinen Eintrag erlitt, das ganze Publikum entzückte und zu den 
stürmischsten Beifallsbezeugungen hioriss. Sollte ich einige der 
Chöre bezeichnen , welche in ganz besonders wirksamer Weise zn 
Gehör gebracht wurden, so wären dies etwa im 1. Theil: „Denn 
es ist uns ein Kind geboren 1 ' und „Ehre sei Gott in der Höhe;" 
im 2. Theil: „Wahrlich! Er trug unsre Qual" mit dem anschlies- 
senden „Der Heerde gleich;" ferner: „Hoch thut euch auf" und 
nun gar das unvergleichliche „Halleluja," welches mit hinreissendem 
Feuer gesungen, jubelnd da capo verlangt und — ■ bei der Wieder- 
holung fast noch vortrefflicher vorgetragen wurde als das Erstemal. 
Bei dem Quartett mit Chor im 3. Theile „Wie durch Einen der 
Tod" misslangen leider die beiden Choralsätze des Quartetts durch 
die Unsicherheit der Solosopranistin. Der Schlusschor „Würdig ist 
das Lamm' 1 mit der gewaltigen Schlussfuge „Amen u war von wahr- 
haft erschütternder Wirkung und führte die ganze Aufführung zu 
einem des erhabenen Werkes und der auserlesenen mitwirkenden 
Kräfte durchaus würdigen Ende. 

Was die Solisten betrifft, so muss constatirt werden, dass Herr 
Hill mit seinen vier Arien, die e« mit der ihm eigenen verständ- 
nissvollen Auffassung, mit acht künstlerischem Geschmack und 
schönem Feuer vortrug, den meisten Beifall errang, der besonders 
nach der Arie im 2. Theile: „Warum entbrennen und toben die 



— 90 - 



Heiden" zum stürmischen Ausbruch kam und gar nicht enden 
wollte. Freilich ist die Basspartie im „Messias" an and für sich 
«ine sehr dankbare. Frau Joachim, welche eum ersten Male bei 
dem „Niederrheinischen Musikfeste" mitwirkte, sang die Altpartie 
mit wahrhaft classischer Meisterschaft und mit der tiefen Weihe 
und Innigkeit, wie sie nur wenigen Auserwählten zu eigen gegeben 
ist, unterstützt von einem Organe , das durch seine Reinheit, durch 
seinen wohlthuenden Klang und durch vortreffliche Ausbildung an 
und für sich schon jedes Qemüth ergreifen, jedes Herz gewinnen 
muss. Ihre drei Arien: ,.0 du, die Wonne verkündet,'* „Er ward 
verschmähet" und „Du fuhrest in die Höh" wurden mit immer 
wachsendem Beifall aufgenommen und es ist zu wünschen, dass die 
eben so bescheidene und liebenswürdige als hochbegabte Künstlerin 
noeh recht oft diese Feste mit ihrem seltenen Talente zu verherr- 
lichen berufen sein möge. Frau Dust mann, so viele Lorbeeren 
ihr auch die Bühne mit Recht schon eingetragen haben mag, war 
nie eine Oratoriensängerin und ist es jetzt noch weniger als früher, 
da ihre Stimmittel ab- und ihre Gewohnheit zu tremolircn in Folge 
davon noch zugenommen hat. Gleichwohl fehlte es auch nicht 
an Momenten, in welchen sie ihre Gesangskunst durch gefühl- 
vollen Vortrag in anerkennenswerther Weise zur Geltung brachte 
und sich lebhaften und verdienten Beifall eroberte. Herr Dr. 
G u n z ist ein im Oratorienfache vielgeübter und seit Jahren 
anerkannter Kunstler, der seinem Rufe auch bei dieser Gelegenheit 
wieder alle Ehre machte; nur schien es mir, der ich ihn seit eini- 
gen Jahren nicht mehr gehört hatte, als ob seine hohen Töne nicht 
so leicht ansprächen wie früher, so dass dieselben manchmal unan- 
genehm gequetscht und erzwungen lauten. Am schönsten sang er 
die zarteren Nummer» seiner Partie, wie z. B. das erste Recitativ : 
„Tröstet Zioo," „Er weidet seine Heerde" etc., welche denn auch 
ihren Eindruck auf die Zuhörer nicht verfehlten und stürmischen 
Applaus hervorriefen. Das Orchester spielte meisterhaft, mit bewun- 
derungswerthem Feuer und grosser Präcision und mit Ausnahme 
von ein paar vorlauten Eintritten einzelner Geiger und Choristen 
störte nichts die erhebende Gesammtwirkung der vortrefflichen Auf- 
führung. Capellmeister H i 1 1 e r bewährte seinen Ruhm als aus- 
gezeichneter Dirigent wieder in vollem Masse und wenn ich noch 
der meisterhaften Leistung des vielbewährten Organisten, Musik- 
director Franz Weber gedenke, so werde ich so ziemlich Alles 
angeführt haben, was in Bezug auf das erste, so schön gelungene 
Festconcert überhaupt von Interesse sein kann. 

(Fortsetzung folgt.) 

CORRESPONDENZEN. 



Aus W i e n. 

(Fortsetzung.) 
Die Kammermusik nahm einen hervorragenden Platz ein 
unter den musikalischen Genüssen dieses Winters. Das Floren- 
tiner-Quartett, dessen schon in Nr. 11 d. Bl. erwähnt wurde, 
brachte es auf zehn Quartett- Abende, von denen die letzten fünf im 
kleinen Redouten -Saal abgehalten wurden, der sich für diese Pro- 
ductionen in akustischer Hinsicht sehr günstig erwies. Das Ciavier 
wurde nach zwei Versuchen verbannt und beschränkten die Künstler 
sich wohlweisslich auf sich selbst. Nachdem alle letzten Quartette 
Beethoven's vorgeführt waren, kamen auch dessen Op. 74, 59 
(Nr. 3) und Op. 18 (F-dur) au die Reihe. Haydn's, durch Becker 
populär gewordene „Serenade" konnte man gar nicht oft genug hören. 
Der Zudrang zu diesen Quartetten war enorm und bestimmte die 
Künstler, im Herbst wiederzukehren. — Dem H e 1 1 m e s b e r ge r- 
scheu Quartett - Verein (es finden jährlich acht Concerte statt) warf 
mau nicht mit Unrecht vor, es in der Wahl seiner Ciavierspieler 
nicht strenge genug genommen zu haben. Bei dem bevorstehenden 
Wettstreit Einheimischer und Fremder wird das Publikum jedenfalls 
nicht den Kürzern ziehen. Aber auch Joachim gab drei Quartett- 
Abende ; ohne diese hätte man ihn schwerlich von Wien ziehen 
lassen. Wie sehr es Joachim um die Kunst selbst zu thun ist, be- 
wies er wieder dadurch, dass er unter den neun vorgetragenen Quar- 
tetten zwei der älteren, hier öffentlich gar nicht bekannten Quartette 
H a y d n's vorführte. Er hatte die Wahl nicht zu bereuen, denn 
auch der ältere (oder vielmehr jüngere) Haydn zeigte sich als 
Sieger. — Das Conservatorium gab zwei Zöglings-Concerte, 



deren Ertrag wie gewöhnlich dem Zöglings -Unterstützungsfonds be- 
stimmt ist. Im Vortrag von Orchestersätzen leisteten die Zöglinge 
tüchtiges ; um so schlechter war der Gesang bestellt. Seit Monaten 
sind zwei Gesangsclassen ohne Lehrer. Ein tüchtiger Gesanglehrer 
fände hier ein reiches Feld der lohnendsten Thätigkeit; hoffentlich 
wird das Bemüheu der Direction, für diese Stelle den rechten Mann 
au finden, von Erfolg gekrönt sein. Ein zweiter Wunsch wäre der, 
dass man im Ciavierfache mehr der Bestimmung einer Hochschule 
entspräche und bei der Aufnahme von Zögliugen wählerischer vor- 
ginge. Bei der Uebertulle ohnedies bestehender Clavier-Schulen 
*ist es mehr als überflüssig, auch noch am Conservatorium die Le- 
gion mittelmässiger Fingerhelden zu vermehren. — 

Es erübrigt nun noch, der Privatcoucerte zu gedenken. Das 
Ciavier war vorzugsweise durch Rubinstein vertreten, der fünf 
Concerte gab (das letzte im grossen Redoutensaal). Er spielte 
mehrere seiner Concerte, namentlich gefiel Op. 70 (D-moll); von 
seinen Salonstücken imponirte eine Etüde C-dur durch ihre Schwie- 
rigkeit. Frühe zur abgeschlossenen Selbständigkeit gelangt, zeigte 
sich Rubinsteiu fast unverändert, wie ihn Wien vor zehn Jahren 
gehört hatte. Auch heute wie damals wirkt die naturkräftige Fülle 
seiner meisterhaften Vorzüge unwiderstehlich auf den Zuhörer. Möchte 
nur auch sein grosses Talent nicht in blosser Virtuosität aufgehen; 
die Oper hat Ansprüche darauf, von ihm noch Bedeutendes zu er- 
warten. Ausser Rubinstein gaben noch Clavierconcerte : der Pole 
Alex, von Zarzycki, der als Spieler und Componist hübsches 
Talent zeigte; Frl. Anna Mehlig, eine Pianistin von bedeutender 
Fertigkeit und geschmackvollem Vortrag; ferner von den Einheimi- 
schen die Herren Epstein, Labor und Riedel. J. Epstein 
ist hier als Lehrer und ausübender Künstler seit Jahren beliebt; 
in seinem Concert spielte er u. A. ein Clavierconcert D-dur von 
J. Haydn, das seiner Zeit auch bei Schott in Mainz erschien. 
Das Finale, auf ungarische Themen gebaut, bietet noch heute dem 
Spieler eine dankbare Aufgabe, obwohl das Concert im Ganzen nicht 
auf der Höhe der späteren ähnlichen Schöpfungen Mozarts steht. 
Der blinde Pianist J. Labor gab, namentlich im Vortrag des Beet- 
hoven'schen G-dur-Concertes, erneuerte Beweise seines tief empfun- 
denen Vortrags und seiner ungemeinen Fertigkeit und Sicherheit. 
H. Riedel, vor kurzem noch Zögling des Conservatorium's, zeigt 
als Spieler und Componist ein der Aufmunterung würdiges Talent. — 
Joachim, dem der Adel künstlerischer Weihe wie Keinem ver- 
liehen ist, bot in seinen Concerten eine Reihe der edelsten Genüsse. 
In den beiden Concerten im grossen Redouten-Saal spielte er nebst 
dem Beethove n 'sehen, sein eigenes ungarisches und ein neues 
Concert in G-dur. In Letzterem gibt er dem Componisten deu 
Vorzug vor dem Virtuosen ; es ist mehr sinfonisch gedacht und 
ausgeführt und erfordert öfters gehört zu werden. Das Publikum 
zeichnete seinen Liebling auf alle nur mögliche Weise aus. In 
zwei Concerten, die Joachim mit Brahms gemeinschaftlich gab, 
zeigte sich Letzterer wieder als vortrefflicher Bach-Spieler. Der 
Violinspieler Benno Walter aus München, ein ebenso tüchtiger 
als bescheidener Künstler, fand hier sehr freundliche Aufnahme. 
In Charles David off hörte Wien seit Servais wohl den be- 
deutendster! jetzt lebenden Violoncellspieler. — Nur wenige Gesangs- 
concerte sind zu nennen: Frl. Helena Magnus die beliebte Lieder- 
sängerin, namentlich Schumann'scher Werke; Frl. Enequist aus 
Schweden, die nur im Vortrag schwedischer Volkslieder gefiel ; Frl. 
Jasmiude Üb rieh, die in DavidofTs Concert mit einer Arie aus 
Rossini's „Barbier" un<l einigen Liedern vollständig durchgriff; end- 
lich noch Frau Passy-Cornet, die in ihrem Concert zugleich ihre 
Schülerinnen vorführte, was sie besser unterlassen hätte. — Grössere 
gemischte Akademien zu wohlthätigen uud andern Zwecken gab es 
wieder in Fülle; sie sind die Landplage des dazu gepressten Pub- 
likums, das sie wie eine musikalische Steuer hinnimmt. 

Dies wäre denn die Gesammtsumme aller musikalischen Pro- 
duetionen Wien's im Laufe einer Saison. Es sind, um sie noch 
einmal zusammen zu fassen, die folgenden Concerte : Philharmonische 
(8); Gesellschaft der Musikfreunde (4); Orchesterverein (3) ; Conser- 
vatoriums-ZÖglinge (2); Hellmesberger-Quartette (8) ; Singverein (ein 
„ausserordentliches," von der G. d. M. gegeben); Siugakademie (3); 
Haydn-Verein (2, an je 2 Abenden); grosbe gemischte Akademien, 
meist an bestimmten Tagen, im Operntheater, im Carltheater und 
im Theater an der Wien. (Schluss folgt.) 



— 91 - 



Ans Stuttgart. 

toio Mai. 
T. Das vierte und für diese Saison letzte Concert des Orche- 
etervereins uuter D. Pruckner's Leitung hatte ein reichhal- 
tiges Programm , worunter das hier noch nicht gehörte Schubert 'sehe 
•Sinfoniefragment unstreitig die interessanteste Nummer war ; die 
•Ausführung geschah , allerdings in sehr vorsichtigem Tempo , recht 
sauber; der Dank der Hörer für diese Novität war ungetheilt und 
lebhaft. Das F-molI - Quartett des Prinzen Luis Ferdinand 
liatte, obschon die Ciavierpartie in Pruckner's Händen war, doch 
•keinen besonderen Erfolg; es enthält zu viele Laugen und über den 
damaligen eklektischen Styl eines Dussek etc. etc. sind wir Gott- 
lob auch hinaus. Hr. Steidle sang die Bachearie ausHändel's 
„Alexanderfest" und zwei Lieder von Schumann und Marschner 
mit bestem Erfolge; Mozart's hübsche A-dur-Sinfonie , 1774 ge- 
schrieben, gab dem Ganzen einen gemüthlichen Schluss. 

Unsere jüngeren Künstler habeu sich diesen Winter vorzugs- 
weise einer mehr produetiveu Thätigkeit beflissen: auch Früchte 
früherer Jahre liegen uns vor. Dahin gehöreu A ttinger's Op. 5, 
-drei Gedichte von E. Engelmann für Sopran und Tenor componirt, 
wovon sich besonders Nr. 2 und 3 durch Sangbarkeit und edle Po- 
tpularität auszeichnen, E. A. Tod's Op. 6, 7, 9 und 10 nämlich 
eine Mazurka-Caprice und ein Fantasie- Walzer, drei Basslieder (nach 
Gedichten von G. Scherer) und das hier schon oft mit Beifall auf- 
geführte andante religioso für Hörn .und Orgel, lauter effectreiche, 
auch in Harmonik und Melodie sehr interessante Tondichtungen, 
ferner Hubert's „Melodien* für Violoncell und Ciavier, welche 
durch unseren J. Goltermann mit nachhaltigstem Erfolg in die 
Oeffentlichkeit eingeführt worden sind; endlich G. Linders drei 
Paraphrasen über Gounod's „Romeo und Julie/ welche durch ge- 
schmackvolle Auswahl der Themen , noble Behandlung derselben 
und runden, ebenso leichten wie brillanten Ciaviersatz das Augen- 
merk zumal der Dilettanten verdienen. — Unter dem Titel „Stim- 
men der Heimat" ist bei Emil Ebner eine Sammlung 88 aus- 
gewählter, grösstentheils neu vierstimmig gesetzter Volkslieder und 
volkstümlicher Gesänge erschienen , wodurch der dem hiesigen 
Künstlerkreise ungehörige Bearbeiter dem so vielfach wahrgenom- 
menen Bedürfniss nach einer vollständigen, praktisch und sangbar 
gearbeiteten, dabei billigen und portativen Ausgabe der schönsten 
und beliebtesten volksmässigen Lieder gründlich abzuhelfen , und 
dadurch zu dem Wiederaufleben und der Veredlung des ächten 
Volksgesanges einiges beizutragen beabsichtigte. 

In der achten und letzten Kammermusik - Soiree , in welcher 
C. M. Singer durch ein leider sehr hartnäckiges und bereits lang- 
wieriges Armleiden an der Mitwirkung verhindert war, lag die Haupt- 
last auf Speidel's Schultern, welcher nicht nur mit Hrn. Pruck- 
n er die Friedemann Bach 1 sehe Sonate und Reineke's 
Manfred-Impromptu für zwei Claviere, sondern auch mit deu HH. 
Krumbholz und Meyer (Clarinette) das Beethove n'sche B-dur- 
Trio, mit ersterem seine eigene Cellosonate Op. 10 und noch zwei 
Characterstücke aus W. Bargiels Op. 8 spielte und sich dieser 
theils ziemlich schwierigen Aufgaben mit erstaunlicher Frische uud 
Ausdauer entledigte. Hr. Krumbholz machte uns noch mit einem 
nachgelassenen Me ud el ss u h n' sehen „Lied ohne Worte" für Cello 
bekannt, das uns nicht «uf der gewohnten Höhe Mendelssobn'scher 
Lyrik zu stehen schien, dessen Ausführung aber wiederum Zeugniss 
gab von der hohen Stufe der Tüchtigkeit, welche der beliebte Künst- 
ler dahier errungen hat. 

Obschon nun die eigentliche Saison geschlossen ist, fehlt es 
nicht an willkommenen Nachblütheu, in welchen die hochgehende 
Concertfluth des Winters langsam ausklingt. Hiezu gehörte vor allem 
die jüngste Aufführung des Singvereius, in welcher auf viel- 
fachen Wunsch 14 der schönsteu Nummern aus Z enger 's „Kain" 
wiederholt wurden; die Hauptpartie sang unser zu echten Kunst- 
zwecken stets thatbereiter Schüttky mit durchgreifendem Erfolg; 
die übrigen Soli waren in Händen von Vereinsmitgliedern. Alles, 
insbesondere die Chöre, gingen präcis und schwungvoll, und die 
Hörerschaft zeigte weit mehr Verständniss und Theilnahme für das 
interessante Werk als bei der ersten Aufführung am Palmsonntag. 
Eine sehr stimmbegabte Dilettantin , Frau S i m o n - H Ü n i , sang 
Schubert' 8 selten gehörte „Gruppe aus dem Tartarus" und 
»Schwager Chronos," Hr. Steidle zwei neue Mailieder von L. 



Stark, und zwölf Vereinsmitglieder trugen zwei Vocalquartette, 
Grenzebach's „Aus der Jugendzeit" und Speidel's „Aufge- 
blüht" mit rühmlicher Feinheit und Innigkeit vor. 

Sonntag den 24. v. M. gab eine blinde Zither- und Concertina- 
Virtuosiu, Frl. Annette Cohen aus München, eine Matiuee im 
Saale des Bürgermuseums vor einem zahlreichen Publicum, das so- 
wohl die Leistungen der Concertgeberiu als der Mitwirkenden mit 
reichlichen Beifallssalven und Hervorrufen belohnte. Die beiden 
Brüder Herrmann, Zöglinge unseres Conservatoriums , glänzten 
mit Piano- und Violinvorträgen; Frl. Hartmann sang die B-dur- 
Arie aus den „Jahreszeiten" und „Haideröslein" von Schubert, 
Hr. Steidle das neue beliebte schwäbische Volkslied „'s Wörtle du," 
das wiederholt werden musste und nächstens bei Stürmer erschei- 
nen wird, endlich die Damen Fischer und Wagner das Zank- 
duett aus „Maurer und Schlosser." — Das heurige Schillerfest ist bis 
zum 6. Juni verschoben. 

Au s Paris. 

1. Jan). 

Aus der hiesigen musikalischen Welt ist sehr wenig Neues zu 
melden. Drei lyrische Scenen sind bereits geschlossen, und die 
übrigen ziehen, bei der hier herrschenden tropischen Hitze das Pub- 
likum nicht sonderlich an. 

Aub er, der selbst bei der drückendsten Hitze niemals Paris ver- 
lässt, arbeitet fleissig au der Oper „Reves iPAmour" zu welcher 
ihm d'Ennery und Cormon das Textbuch geliefert. Der erste 
Act ist bereits in Musik gesetzt. Das Werk wird in der Ope'ra 
comique in Scene gehen. Am 15. dieses Monats sollen dort die 
„Dragons de Villars u zur Darstellung kommen. 

Francois B a z i n componirt ein von St. Georges und Jules 
S a n d e a u verfasstes Libretto in drei Acten. Dieses Werk ist eben- 
falls für die komische Oper bestimmt. 

In der grossen Oper wird nächstens eine Fräulein H i s s o n, 
eine Schwedin, debütiren Sie erhält ihre musikalische Ausbildung 
von W a r t e 1, demselben Gesanglehrer, der ihre Landsmännin Nilsson 
ausgebildet. Diese macht jetzt in London Furore. 

Was das Theater der Porte St Martin betrifft, so soll dasselbe 
in eine lyrische Scene verwandelt und mit der Direction desselben 
ein Professor am hiesigen Conservatorium betraut werden. 



Mach richte 



ii. 



Mainz. Das 45. niederrheinische Musik fest hat au 
den drei Pfingsttageu in C ö 1 n stattgefunden und einen im grosseu 
Gauzen befriedigenden Verlaut genommen, obwohl die eingetretene 
Uupässlichkeit des Bassisten Dr. S c h m i d aus Wien mit Störung 
drohte, welche jedoch durch die Schlagfertigkeit des zufällig an- 
wesenden Carl Hill aus Frankfurt a. M., welcher die Stelle 
Schmid's während des ganzen Festes in glänzender Weise vertrat, 
glücklich beseitigt wurde. Eine schlimme Beigabe zum Feste war 
die im gedrängt vollen und mit hunderteu von Gasflammen erleuch- 
teten Gürzenichsaale herrschende, ans Unerträgliche gränzende Hitze. 
Näheres über deu Verlauf des Festes bringt der in dieser Nummer 
beginnende ausführliche Bericht. 

München. Richard Wagner'g „Meistersinger 1 * sollen nun 
doch am 21. Juni zur Aufführung kommen. Die Einstudirungs* 
proben sind mit grösster Energie betrieben wordeu, so dass sowohl 
Chor als Solisten ihrer unendlich schwierigen Aufgaben Herr sind. 
Hr. B e t z von der k Oper in Berlin , welcher den Hans Sachs geben 
wird, ist bereits am 20. Mai von Mannheim, wo er als Teil und 
Don Juan mit ausserordentlichem Erfolg gastirt hat, hierher berufen 
worden , um an den Gesammtproben für die Wagner'sche Oper Theil 
zu nehmen. 

— Das Hoftheater-Chorpersonal überreichte jüngst dem Intendanten. 
Hrn. Baron von Perfall, dessen Bemühuugen es gelungen ist den 
so sehr in Anspruch genommenen Chorsängern eine namhafte Ge- 
haltserhöhung beim Könige zu erwirken , eine Dankadresse und 
brachte ihm eine Serenade mit Fackelzug dar. 

— • Der König hat die von der Intendanz geforderte Summe für 
die Neulegung des Bühnenpodiums nicht bewilligt. 



- 92 - 



*** In P a r i s spricht man von einer aufgefundenen G 1 u ck'schen 
Oper, die nur in einem einzigen Exemplare vorbanden, in die Hän- 
de eines dortigen Musikers gelangte« 

•^* In Warschau hat man bis jetzt mit wenig Erfolg den 
Versuch gemacht, populäre Orchesterconcerte mit gediegenem Pro- 
gramm und hilligen Eintrittspreisen zu veranstalten. 

*** Der Baritonist Schaf ganz wird an der k. Oper in Berlin 
als Jäger, Graf Luna und Gzaar gastiren. 

*** Die Coloratursän gerin Frl. Anna Beiss ist vom Gross- 
herzog von Weimar zur Kammersängerin ernannt worden. 

*** Einem aus Australien kommenden Frankfurter, Carl Glogg- 
ner, ist die durch den Austritt des Prof. Götze am Leipziger 
Con8ervatorium vacant gewordene Gesanglehrerstelle übertragen 
worden. 

*** Das Hofoperntheater in Wien macht vom 1. bis 30. Juni 
Ferien. 

*** Das für den Monat Juni festgesetzte M e ekle nh urgische 
Musikfest ist auf den Wunsch des Grossherzogs bis zum 20. Sep- 
tember verschoben worden. 

Paris. Am 14. Mai fand die Jahresversammlung des im Jahre 
1843 von Baron Taylor gegründeten Uuterstützungsvereins der Ton- 
künstler und dem der Versammlung erstatteten Berichte zufolge be- 
läuft sich das Vereinsvermögen auf 800,000 Frcs. mit 34,000 Frcs. 
Rente, während die Jahreseinnahme, durch Mitgliederbeiträge, Ge- 
schenke, Concerte und Aufführungen etc. die Summe von 78,000 Frcs. 
errreichte. Es wurden au 121 Pensionäre 27,000 Frcs. und ausser- 
dem einmalige Unterstützungen im Betrag von 6000 Frcs. verausgabt, 
31,000 Frcs. aber zum Kapitalstock geschlageu. 

*** Der Violoncellvirtuose Grützmacher aus Dresden con- 
certirt mit vielem Glück in London. 

%* Frl. Geistinger hat ihren Contract mit der Direction des 
Theaters an der Wien auf drei Jahre erneuert. Dieselbe erhält 
nun 11,000 fl. Gehalt und hat jährlich fünf Monate Urlaub. 

*** Musikdirector B i 1 s e wird vom 31. Mai angefangen, mit 
seinem rühmlichst bekannten Orchester den ganzen Sommer hindurch 
bis Ende August in Warschau Concerte geben und dann im Herbst 
wieder seine beliebten Concerte im Berliner Coucerthause fortsetzen. 
*** Der Baritouist ß e ck vom Hofoperntheater in Wien hat am 
4. d. M. in der Bolle des Beiisa r ein Gastspiel auf der Hofbühne 
in M ü n ch e n begonuen. 

*** Am 19. Mai starb in Paris der ehmalige Balletmeister 
der grossen Oper, M a z i 1 1 i e r, im Alter von 71 Jahren. 

*** Der Violinvirtuose Wilbelmj ist von seiner Kuustreise 
in Italien ruhmbeladeu nach seiner Vaterstadt Wi esbade n zu- 
rückgekehrt, wo er nur kurze Zeit ausruhen wird um sich dann 
abermals auf die Reise zu begeben. 

*** Rieh. Wa g n e r's Briefe über „Deutsche Kunst und 
deutsche Politik" , früher in der „Südd. Presse" deutsch und später 
im „Guide musical* französisch veröffentlicht, sollen nuu gesammelt 
in einer deutscheu Broschüre erscheinen. Auch ist das demnäebstige 
Erscheinen einer zweiten, umgearbeiteten und mit neuem Vorworte 
versehene Auflage von Wagner' s „Oper und Drama", in einem 
Bande, zu erwarten. 

*** Die „Neue freie Presse" enthielt unlängst folgende Notiz, 
Mozart's Grab betreffend: „Grabschändungen scheinen auf den 
hiesigen Friedhöfen immer weiter um sich zu greifen. Mit jedem 
Tage wächst die Zahl der entwendeten Schilder, Tafeln, Handhaben 
etc. Nun haben frevelhafte Häude ihre Diebswuth an Mozart's Grab 
versucht. Einer der vier brouzeneu Candelaber sollte als erstes 
Opfer fallen, doch widerstand er der rohen Gewalt, die nur im Stan- 
de war, ihn umzubiegen. Dabei wurde aber doch der betreffende 
Granit-Eckpfeiler vom Hauptsockel losgerissen. Das Denkmal wurde 
»von der Stadt Wien" gewidmet. Die Stadt wird wohl auch im 
Stande sein , es vor bübischen Entstellungen zu schützen." 

%* Theodor Wachtel hat in Hamburg für 14 Gastrollen 
einen Einnabmsantheil im Betrag von 22,000 Mark erhalten. 

*** Hans Schläger 1 s Oper „Heinrich und Ilse" ist in 
Salzburg wiederholt mit grossem Beifall in Scene gegangen. 

*** Der Tenorist Bacbroann vom Hoftheater in Dresden 
ist mit zehnjährigem Engagement für die Hofbühne in München 
gewonnen worden und wird dort im kommenden Herbst eintreten. 
%* Der König von Preussen hat für die Herstellung von Hof- 



logen in den Theatern von Breslau, Posen und Kiel je 20O 
Thaler beigesteuert. 

*** Die vier neuesten Opern Offenbach's: „Die schöne, 
Helena," „Blaubart," „Pariser Leben" und „Grossherzogin von Gerol- 
stein" haben in Paris bereits 1000 Vorstellungen mit fast 3 l / a Mil- 
lion Francs Einnahme erlebt. 

*** In Leipzig starb am 15. Mai nach langen nnd schweren- 
Leideu Hr. Julius Kistner, seit 1844 Vertreter der Friedrieb. 
Kistner 'sehen Musikverlagshandlung, langjähriges Mitglied der 
Gewandhansconcertdirection und überhaupt ein eifriger Musikfreund,, 
im G3. Lebensjahre, tief betrauert von seinen Mitbürgern wie von* 
seinen zahlreichen Freunden ausserhalb Leipzig. 

*** Frl. Aglaja Orgeny hat in Frankfurt a. M. die Lucia, 
Rosine, Agatha, Margaretha und Gilda („Rigoletto") gesungen und 
vorzugsweise in jenen Bollen gefallen, in welchen sie ihre ausser* 
ordentliche Coloraturfertigkeit entwickeln konnte. 

*** In Wien hat sich ein Comite gebildet, um endlich dem. 
grossen Tonmeister Joseph Haydn im dortigen Bezirk Mariahilf, 
wo derselbe die letzte Zeit seines Lebens zubrachte und dort auch 
gestorben ist, ein Monument zu errichten. 

*** In den Leipziger Privatkreisen interessirt man sich immer 
lebhafter für das projeetirte Mendelssohn-Denkmal und es stehen 
eine Reihe von Concerten, Soireen etc. zu diesem schönen Zweck, 
in Aussicht, während durch Privatsammlungen direct für Beschaffung 
der nothigen Geldmittel gewirkt wird. 

*** Frl. K raus s ist in Wien eingetroffen um in der schönen. 
Umgebung dieser Stadt auf ihren Pariser Lorbeeren auszuruhen» 
Bezeichnend für den Werth der Leistungen dieser Künstlerin ist ein« 
Wort, welches Bossini, nachdem Frl. Krauss in einer seiner be- 
rühmten Soireen gesungen hatte, ausgesprochen hat: „Sie singen, 
mit der Seele, meine Tochter, und Ihre Seele ist schön." 

*** Mlle. A rtöt hat ihr Gastspiel in M o s k a u als Bosine im* 
„Barbier" beendigt und ist bei dieser Gelegenheit mit Ovationen» 
aller Art in einem kaum noch dagewesenen Grade förmlich über- 
schüttet worden. Ihr Garderobeziramer fand sie bei ihrem Eintritt 
in reichster uud geschmackvollster Weise geschmückt und mit rei- 
chen Geschenken angefüllt. Unter den zahlreichen Bouquets, welche 
der gefeierten Künstlerin gespendet wurden, befand sich auch eines* 

von colossaler Dimension aus den prachtvollsten Bösen zusammen- 
gesetzt, auf welchem sich ein Schmetterling, aus Rubinen, Dia- 
manten und Türkisen bestehend , im Wertbe von 2000 Siberrubeln. 
wiegte. Als sie das Theater verHess , erwarteten sie ein paar hun- 
dert junge Leute, welche sich um ihre Bouquets förmlich schlugen,, 
so dass sie nur mit Mühe ihren Wagen erreichen konnte, um sich 
zu einem ihr zu Ehren veranstalteten splendiden Souper zu begeben. 
Die Einnahme dieser Vorstellung des „Barbier" betrug 20,000 Frcs. 

ANZEIGEN. 





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AMSTERDAM: Tit. J. ROOTHAAN <fc Cie. 

Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst 
daukenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer 
der BEET HO VEN'scheu Muse dringend aufmerksam 
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) jg 

J»r. t#. JP. MJEMJTJE 9 

GRIEREEASDS WORSTELSTMJD 

(Griechenlands Kampf und Erlösung.) 
BEETHOVENS 

Ruinen von Athen. 

Ciavierauszug fl. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50. 
Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend, 
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefliieh 
der BEETHOVEN'schen Musik an. Möchten die deut- 
schen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch 
machen. (AUg. Musik-Ztg.) 

Leipzig: F£ HOFMEISTER. 



«8 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



if* %S. 



15. Juui 1868. 



SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



^j-. — - -t-f 

j Biese Zeitung erscheint jeden 
| MONTAG. 

Man abonnirt bei allen Post- 
; ämtern, Musik- & Buchhand- j 
lungen. i 



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<fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. LÄfÄ*.. 

Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Sehott & Co. j^^?^!!* 4 



IHHALT: Das 45. Niederrheinische Musikfest. - Aus dem Leben berühmter Musiker. — Corresp. : Wien. — Nachrichten. 



Das 45. Niederrheinische Musikfest in Cöin, am 

31. Mai, I. und 2. Juni. 



(Fortsetzung.) 
Das zweite Festconcert wurde mit der Pfingstcantate „O ewiges 
Feuer" für Soli, Chor, Orchester und Orgel von J. S. Bach in 
durchweg gelungener Ausführung eröffnet. Chor und Orchester 
waren tadellos, Frau Joachim wusste mit ihrer Arie „Wohl euch, 
ihr auaerwählten Seelen * die tiefsten Gefühlssaiten zu bewegen und 
fand stürmischen Beifall. Die HH. Hill und Gunz sangen ihre 
betreffenden Recitative mit Geschmack und Verständniss, nur war 
bei dem Vortrage des zuletzt Genannten das Forciren der hohen 
Töne wieder recht auffällig. Hierauf folgte F. H i 1 1 e r's zweite Con- 
cert-Ouvertüre (op. 101, A-dnr), eine recht schwungvolle, anregende 
Compositum , welche auch ganz vortrefflich wiedergegeben wurde 
und sich des lebhaftesten Beifalls erfreute. Einer der Glanzpunkte 
dieses Concertes, sowie des ganzen Festes, war der 114. Psalm für 
achtstimmigen Chor mit Orchester und Orgel von Mendelssohn«' 
Barthold y. Die wundervollen Klangwirkungen sowie die geist- 
volle Conceptiou des henlichen Werkes, in der Ausführung von 
Chor und Orchester in ausgezeichneter Weise zur Geltung gebracht, 
machten einen Eindruck, der den Zuhörern um so unvergesslicher 
bleiben wird, als dagegen die darauf folgende Aufführung des zweiten 
Actes aus der Oper „Die Vestalin" von Spontini durchaus nicht 
geeignet war, befriedigende Eindrücke hervorzubringen oder zu 
hinterlassen. Ich habe die „Vestalin" in früheren Zeiten und 
bei vortrefflicher Besetzung mehrmals aufführen hören und mich 
durch die Grossartigkeit des Stvls, die Keuschheit der Erfindung, 
wenn ich mich so ausdrücken darf, sowie durch die Klarheit und 
ernste Würde, die in dem schönen Werke fast durchweg herrscht, 
jedesmal wahrhaft erhoben gefühlt, und doch muss ich gestehen, 
dass mir, als ich in der Vormittagsprobe den 2. Act dieser Oper, 
zum ersten Male im Concertsaale, hörte, die Berechtigung desselben 
au dieser Stelle vorgeführt, zu werden, nicht recht einleuchten wollte. 
Es handelt sich dabei nicht blos um den Werth dieses Fragments 
an und für sich, der mir ganz ausser Frage zu stehen scheint, son- 
dern ich sehe die Notwendigkeit nicht ein, warum man so häufig 
das dramatische Element in diese Festconcerte hereinzieht und zwar 
in einem so uugemessenen Umfange ! Ueberdies muss ich noch ge- 
stehen, dass mich die Probeaufführung des fraglichen Opernactes 
im Ganzen genommen gerade nicht sonderlich erbaute, so dass ich 
nur die Leistungen der Fr. Joachim und des Hrn. Hill rühmend 
hervorheben möchte, während ich mit dem Tempo sehr häufig nicht 
einverstanden war und auch sonstige Mängel von allerlei Art nicht 
gerade selten sich bemerkbar machten. Was ich von der abend- 
lichen Aufführung dieses Werkes, der ich aus dem Wege ging, um 
mich für den Genuss der 9. Sinfonie von Beethoven von der ent- 
setzlichen Hitze etwas zu erholen und zu stärken, erzählen hörte, 
war nicht geeignet, mich meine zeitweilige Abwesenheit sonderlich 
bedauern zu lassen. Auch das Publikum, welches doch im Ganzen 



ausserordentlich freigebig mit seinem Beifalle war, zeigte der in 
Bede Btehenden Production gegenüber eine auffallende Kälte. 

Den »weiten Theil des Concertes füllte die 9. Sinfonie von 
Beethoven aus. Das in seiner Art einzig dastehende Werk er- 
lebte trotz seiner colossalen Schwierigkeiten eine im grossen Ganzen 
der erhabenen Tonschöpfung und der verfugbaren vortrefflichen 
Kräfte würdige Aufführung ; man sah es den Mitwirkenden an, das» 
sie durchdrungen waren von dem Geiste der in der sublimsten 
Kundgebung des Beethoven'schen Genius weht und weder die ausser" 
ordentlichen Anstrengungen, welche an diesem und den vorher- 
gehenden Tagen die Kräfte der Sänger und Instrumentalisten in 
ungewöhnlicher Weise auf die Probe gestellt hatten, noch die er- 
drückende Hitze, die wieder im Saale herrschte, vermochten der 
freudigen Begeisterung, der vollen Hingebung und euergievollen 
Thätigkeit der Mitwirkenden Eintrag zu thun. Der Chor nament- 
lich entfaltete eine Frische und eine selbst an den kritischsten 
Stellen fast ganz tadellose Reinheit der Intonation, die wahrhaft 1 
bewundernswerth war und das Publikum, nicht minder erfüllt von 
der Grossartigkeit des Werkes und hingerissen von der schwang- 
vollen Aufführung, brach nach jedem Satzein jubelnden, am Schlüsse 
fast endlosen Beifall aus. Ich konnte mich nur mit den vom Diri- 
genten beliebten Terapi's nicht überall befreunden; so schienen 
mir namentlich die beiden Tempi des Scherzo zu schnell gegriffen, 
da im ersten derselben die herrschende Figur J . J J häufig nicht 
mehr deutlich genug ausgeprägt erschien und auch der Mittelsatz 
(7s Tact) eben durch die übertriebene Schnelligkeit des Zeitmasses 
an Klarheit, mitunter selbst an Sauberkeit der Ausführung einbüsste, 
überhaupt viel zu unruhig und hastig klang. Ich werde nie die 
Aufführung dieses Werkes vergessen, wie sie im Jahre 1864 bei 
dem 41. der Feste in Aachen unter der Leitung von Jul. Rietz 
stattfand, und welche im Vergleich mit der in Rede stehenden bei 
gleicher Frische und begeisterter Energie der Ausführung dennoch 
gerade durch das durchweg Maassvolle im Tempo einen ausser- 
ordentlich tiefen, ja unvergänglichen Eindruck machte. Auch im 
3. Satze hätte der Unterschied zwischen dem Adagio und Andante 
moderato wohl noch etwas prägnanter hervorgehoben werden können. 
Die Gesangsoli waren mit Ausnahme der Altpartie bei diesem Feste 
in denselben Händen, wie damals in Aachen, nämlich in denen 
der Fr. Dustmann und der HH. Dr. Gunz und C. Hill, nur 
mit dem Unterschiede, dass Frau Dustmann damals ihre Stimm- 
mittel noch vollkommen beherrschte, was diesmal leider nicht mehr 
ganz der Fall war, so dass es namentlich in der letzten Cadenz 
des Soloquartetts zu recht bedenklichen Krisen kam. Die 9. Sin- 
fonie kam bei den „Niederrheinischen Musikfesten" heuer zum neun- 
ten Male ganz und im Jahre 1834 theilweise zur Auffuhrung; sie 
wurde bei dem 1825 in Düsseldorf gefeierten 8. Feste unter der 
Direction von Ferd. Ries zum ersten Male den Besuchern dieser 
Feste vorgeführt. 

So hatte denn auch das zweite der Festconcerte in genussrelcber 
Abwechslung des Schönen nnd Erhebenden in grösstenteils höchst 



— 94 - 



gelungener Ausführung Vieles gebracht und wird im Ganzen den 
Zuhörern eine nicht minder schöne Erinneruug zurückgelassen haben, 
als das erste Concert, denn wenn in diesem das Einheitliche des 
Genusses die Intensivit&t und Nachhaltigkeit desselben noch erhöhte, 
so mussten doch gewisse Momente des 2. Concertes, wie z. B. der 
prachtvolle Psalm von Mendelssohn und die 9. Sinfonie sich dem 
Gemflthe und der Erinnerung eben so tief einprägen wie die Auf- 
führung des herrlichen „Messias." 

(Schluss folgt.) 



Aus dem Leben berühmter Musiker. 

Den 13. Mai 1820 schrieb Karl Maria von Weber die letzten 
Koten an seiner Oper : „der Freischütz" Erst nachdem dieselbe 
in Wien und Berlin die glänzendsten Erfolge erlebt hatte, konnte 
Weber im Jahre 1821 es durchsetzen, dass sie auch in Dresden, 
wo er zu der Zeit Capellmeister war, einstudirt werden durfte. Den 
Proben wohnte mit gespanntem Interesse einer der grössten Zeit- 
genossen Weber's bei: Louis Spohr, welcher in demselben Jahre 
von Gandersheim mit seiner Familie nach der sächsischen Residenz 
übergesiedelt war und dort im Verkehr mit seinem ehemaligen 
Schüler Moritz Hauptmann und anderen zahlreichen Freunden ein 
musikalisch reges Privatleben führte. Das Interesse, welches Spohr 
am „Freischütz" nahm, wurde noch bedeutend durch den Umstand 
erhöht, dass für ihn derselbe Stoff einige Jahre früher in Frank- 
furt a. M. als Libretto bearbeitet und von ihm die Composition nur 
desshalb aufgegeben worden war, weil er zufällig erfuhr, dass We- 
ber schon damit beschäftigt sei. Der ausserordentliche Erfolg, wel- 
chen der Freischütz in der kurzen Zeit errungen hatte, und die 
nähere Bekanntschaft der Oper selbst wirkten so anregend auf ihn, 
dass er eine neue dramatische Composition unternahm. In Paris 
hatte er zufällig einen alten Roman kennen gelernt und sich den 
interessanten Stoff desselben zu einem Schema für einen etwaigen 
Operntext zurechtgelegt. Diese halb vergessene Arbeit suchte jetzt 
Spohr wieder hervor und Hess sich von dem Dichter Eduard Gehe, 
der bereitwillig auf alle seine Ideen einging, nach seinem selbst- 
entworfenen Schema einen Operntext schreiben. So entstand die 
Dichtung der Oper: Jessonda. Dieselbe wurde aber nicht in 
Dresden componirt, sondern in Kassel, wohin Spohr im Jahre 1822 
als Capellmeister berufen wurde, und zwar durch Vermittelung We- 
ber's,' der, mit seiner Stellung in Dresden vollkommen zufrieden, 
denselben Ruf abgelehnt hatte. 

Schon im Dezember desselben Jahres war die Oper beendet. 
Spohr hatte nicht, wie Weber, nöthig, erst durch auswärtige Er- 
folge unterstützt, die Einstudirung seiner Oper an der Bühne des 
eignen Wirkungskreises mühevoll durchzusetzen, sondern bereits 
im folgeuden Jahre 1823 wurde die Oper „Jessonda" in Kassel zum 
Geburtstage des Kurfürsten, den 28. Juli, zum ersten Male aufge- 
führt. Sie machte eine ausserordentliche Wirkung auf das Publikum. 
Denn obgleich die Etiquette verbot an kurfürstlichen Geburtstagen 
ausser beim Empfange des Hofes zu applaudiren, brach dennoch 
schon vor Ende des ersten Actes ein Beifallssturm los, der sich von 
Act zu Act steigerte. In den nächstfolgenden Jahren feierte „Jes- 
sonda" in allen Hauptstädten Deutschlands ihre wohlverdienten 
Triumphe. 

Steht aber etwa „Jessonda" höher, als der „Freischütz? 1 * Spohr 
schreibt über den letzteren Folgendes in seiner Selbstbiographie 
(Bd. 2, S. 149): „Die nähere Bekanntschaft mit der Oper löste mir 
das Räthsel ihres ungeheuren Erfolges freilich nicht, es sei denn, 
dass ich ihn durch die Gabe Weber's, für die Fassungskraft des 
grossen Haufens schreiben zu können, erklärt finden wollte." 

(Tonhalle.) 



CORRESPONDENZEK. 



Aus W i e u. 

(Schluss.) 
Die Oper wurde Ende Mai für einen Monat geschlossen. Den 
Bericht in Nr. 16 d. Z. mit den weiteren Leistungen der Oper seit 
Ostern ergänzend, vervollständigen nachfolgende Zeilen damit zu- 



gleich die Uebersicht über ein ganzes Theaterjahr. — In deu letz- 
ten 7 Wochen wurden 37 Opern von 10 verschiedenen Componisteu 
gegeben. Meyerbeer nahm wieder die höchste Zahl Abende (8) 
für sich, während Mozart, Donizetti, Gounod, Halevy mit 
je 4 Vorstellungen bedacht waren ; Verdi hatte 3, Rossini und 
Adam je 2, Weber und Beethoven je 1 Abend. „Fidelio" 
und der „Postillon von Lonjumeau" haben ihr Erscheinen nur dem 
Gastspiel des Dr. Gunz zu verdanken, womit der Sänger eine 
schätzbare Vielseitigkeit bot. Die leichtgeschürzte liebliche Musik 
Adams war ein Sonnenblick in das dicke Gewölk so mancher soge- 
nannten grossen Oper. Ausser Gunz war von den Einheitnischen 
in dieser Oper nur Meyerhofer an seinem Platz — der einzige 
Repräsentant der hiesigen Spieloper! Auber, Boildieu.Mehul 
kommen und gebeu gleich Eintagsfliegen. Aber auch deutschen 
classischen Opern geht es nicht besser. Weber brachte es in 
einem vollen Jahr mit dem „Freischütz" nicht über drei Abende; 
„Euryanthe" ruht schon lange. Nach der Aufführung von Gluck's 
„Iphigenia in Aulis" scheint man nicht eilig, die, den heutigen 
Wienern total fremde „Alceste" und ,, Armida" folgen zu lassen. 
Wagner hätte alle Ursache, sich über Vernachlässigung zu be- 
klagen. Eine einzige Oper («der fliegende Holländer") und diese 
nur ein einzigesmal gegeben, klingt fast unglaublich ; wenigtens 
hätte man diese Oper noch einigemal repetiren können, die an 
Beck einen so ausgezeichneten Darsteller besitzt. Beck allein 
hätte auch verdient, durch »ine neue Rolle in einer neuen Oper 
seinen Wirkungskreis erweitern zu können. Neue Opern werden 
wohl oft genug als „in Aussicht genommen" angekündigt, dabei 
bleibt es aber. Die einzige Novität im Verlauf eines Jahres war 
Gounod's ,, Romeo," den mau nicht wohl umgehen konnte. Nach- 
dem Frau M u r s k a abgetreten, Hess man endlich Frl. E h n n die 
von ihr zur Zeit der Murska-Nöthen einstudirte Julie singen und 
wie voraus zu sehen war, gewann der dramatische Theil der Rolle 
ungemein. An Unebenheiten im Gesang fehlte es freilich nicht, 
doch wird ein fleissiges Studium auch diese zu überwinden wissen. 
Frl. B e u z a, die bereits als Iphigenie und Alice eine Stufe höher 
gestiegen, hat nun auch als Gretchen und Selica in etwas bedenk- 
lich kurzen Zwischenräumen ihr Rollenfach erweitert. Obwohl Ge- 
sang und Spiel noch Lücken genug zeigen, kann man doch nicht 
verkennen, dass hier mit der Zeit ein wirklich dramatisches Talent 
zum Durchbruch kommen muss. — Wie die Zeit vor Ostern 14 
Gäste aufzuweisen hatte, so gehörten auch die 7 Wochen n a ch 
dieser Zeit zum grössten Theil den Geladenen; auf jede Woche 
kam richtig Ein "Gast, von denen zwei (Tel ek und Wachtel jun.) 
auch nicht den bescheidensten Anforderungen entsprachen; ein drit- 
ter (BrandstÖttner) vielleicht für dritte ßasspartien ein Plätz- 
chen hier finden dürfte, ein vierter aber (Müller) wirklich von 
Herbst an engagirt wurde. Müller trat als Manrico, Arnold und 
Vasco auf, und fand nach den traurigen Gastspielerfahrungen seiner 
Vorgänger anfangs glänzende Aufnahme, die sich dann aber in etwas 
abkühlte. Bei ihm ist Alles noch im Werden; die Mittel sind aber 
da und gilt es nur, sie klug zu verwerthen. Dr. Gunz ist hier 
immer gerne gesehen; auch diesmal fand er freundliche Aufnahme. 
Seine Rollen waren Tamino, Edgard, Raoul, Romeo, Chapelou und 
Florestan. Romeo hatte er erst hier einstudirt; vieles gelang ihm, 
vieles bedarf noch der Feile; als Raoul forcirte er seine, für hero- 
ische Partien nicht geschaffene Stimme; am besten gelang ihm der 
muntere Chapelou. — Und nun zu Hrn. S on th e im, der in Wahr- 
heit sagen kann : „ich kam und siegte." Die Direction darf ihm 
zu Dank verpflichtet sein; nicht für die vollen Häuser allein, son- 
dern viel mehr noch für den Eindruck, deu sein Gastspiel überhaupt 
hervorbrachte. Alle Klagen die sie im Lauf des Winters gesam- 
melt hatten, verstummten vor dem augenblicklichen Erfolge eines 
Einzelnen. Die markige geschmeidige Stimme Sontheims, seine 
enorme Routine die ihm mit Leichtigkeit auch über Hindernisse hin- 
weg hilft, die die Menge kaum ahnt, dazu ein gewandtes intelli- 
gentes Spiel: kein Wunder, dass der Beifall alle Schleussen öffnete 
und eine Wiederholung seines Gastspiels schon jetzt eine ausge- 
machte Sache ist. Sontheim sang 8mal; Robert und Edgard waren 
die schwächeren Rollen; Masaniello dagegen konnte nur von Eleazar 
überboten werden , eine Rolle, in der er viermal auftrat und die 
auch seiner Individualität am meisten entspricht. Ihm zur Seite 
fanden aber auch Fräulein Ehnn und Dr. Schund (Recha und 



95 - 



Comthur) reichlichen Beifall. — Voraussichtlich wird die Oper während 
•de* Schützenfestes Glanzvorstellungen geben, d. b. „Teil" und „Frei- 
schütz" werden in neuem Costüme erscheinen. Das Gastspiel Nie- 
mann's, zuerst für den Sommer angesagt, soll auf Herbst verschoben 
sein. Als Novität der Herbstsaison wird „Mignou" (mit Frl. Ehun) 
genannt; Sontheim*s Gastspiel aber dürfte eher zur Aufführung des 
„Astorga" anregen. Möge das Abschiedsjahr der Oper in diesen 
Bäumen, die seit mehr denn hundert Jahren so manche Glanzperiode 
erlebten, ein erfreuliches sein. 



IV a c li r i c li t e ii, 



PäHs. Ambroise Thomas ist von seiner Reise, die er zum 
Zwecke der Inspizirung der Filialen des Couservatoriums im süd- 
lichen Frankreich unternommen hatte, wieder nach Paris zurückge- 
kehrt. Dem Componisten der Opern „Mignon" und „Hamlet" wurden 
allenthalben die unzweideutigsteu Beweise der achtungsvollen Ver- 
ehrung und die aufrichtigsten Glückwünsche zu seinen jüngsten 
grossartigen Erfolgen zu Theil. In M arseille hatten ihm zu Ehren 
die hervorragendsten Künstler und Kunstfreunde ein glänzendes 
Sanquet veranstaltet. 

— Ein interessanter musikalischer Fnnd ist bei dem Abbruche 
der Häuser in der Rue de Choiseul zur Verlängerung der Rue 
Re'aumur gemacht worden. Man fand nämlich hinter einem Thür- 
gesimse in der Mauer versteckt in einem einer Botanisirbüchse 
ähnlichen Behälter das vollständige Manuscript eiuer dreiactigen 
Oper, zu welcher das Gedicht Ti Didone abbandonata* von Me- 
tastasio als Text benützt wurde. Der bis jetzt unbekannte 
Componisfc hat sich nicht genau an Metastasio's Dichtung gehalten, 
in welcher das Recitativ auf Kosten des lyrischen Elementes zu 
sehr bevorzugt ist, sondern kürzte die Recitative bedeutend und 
benützte die recitirenden Verse zum Theil für die Gesangstücke. 
Die Singstimmen sind in der Partitur zweifach, einmal mit dem 
italienischen und einmal mit französischem Text in freier Ueber- 
tragung geschrieben. Sie können also in beiden Sprachen gesungen 
werden, allein nach der Art wie die musikalischen Accente vertheilt 
sind zu schliessen, ist leicht zu erkennen, dass der Componist die- 
selben ursprünglich nach dem italienischen Texte geschrieben hat. 
In jedem der beiden Zwischenacte ist ein Intermezzo eingeschaltet, 
welche aber mit der Tragödie „Dido" nichts gemein haben, sondern 
sich im komischen Genre bewegen, deren Text aber ebenfalls von 
Metastasio ist, welcher dieselben unter dem ausdrücklichen Titel: 
„Intermezzi de la Didone" geschrieben hat. Der Componist der 
in Rede stehenden Partitur hat sich nun gewissenhaft an die Idee 
des Dichters gehalten und sowohl die tragische Oper wie die komi- 
schen Intermezzi in Musik gesetzt, wodurch er sein zweifaches Ta- 
lent für das ernste wie für das komische Fach beurkundete. Die 
der Oper vorangehende Ouvertüre ist dem Styl nach was die Itali- 
ener eine Sinfonie nennen und vortrefflich geschrieben. Den beiden 
Intermezzi gehen wieder zwei Fkleine Vorspiele voraus, leicht 
und anmuthig gehalten, ganz im Style der Opera buffa. Nach der 
Instrumentirung zn schliessen muss diese Oper zu der Zeit geschrie- 
ben sein, als Spontini seine „Vestalin" aufführen Hess. Wer weiss, 
ob der Componist nicht die Absicht hatte, um den zehnjährlichen 
Preis zu concurriren und dann verletzt durch die Entscheidung der 
Jury, oder entmuthigt, sein Manuscript begrub? Wer weiss, was 
sonst noch Veranlassung gegeben haben mag, dass ein so werth- 
volles Manuscript in einer Mauer versteckt wurde. Jedenfalls kön- 
nen alle Vermuthungen darüber nicht zur Auffindung des wahren 
Namens des Componisten führen. Wäre die Schrift ein Autograph, 
so möchte man durch Vergleichung mit der Schrift gleichzeitiger 
Meister den Autor herausfinden können ; allein das Manuscript ist 
ohne Zweifel von einem Copisten geschrieben und zwar von einem 
französischen, was aus den vielen ortographischen Fehlern im italie- 
nischen Texte erhellt, während der französische Text fehlerfrei ge- 
schrieben ist. 

Wer nun der Componist dieses vorzüglichen Werkes sein mag, 
welches eines Cherubini oder Spontini würdig wäre, wie die Sach- 
verständigen behaupten, dürfte schwer zu bestimmen sein. Jeden- 



falls wäre es interessant, wenn man die Oper, mit einer yön geübter 
Hand ein wenig vervollkommneten Instrumentation, dem Publikum 
vorführen würde, denn sie übertrifft an Werth weit alle bisher be- 
kannten Opern über dasselbe Thema. 

— Die Wiederaufnahme der Oper „Herculanum" von Fei. 
David wird in deu nächsten Tagen stattfinden. 

— Auber's ^Premier Jour de Boniteur" übt in der komir 
sehen Oper noch immer die gleiche Anziehungskraft aus und muaste, 
um dem Andränge des Publikums zu genügen, in der letzten Woche 
viermal gegeben werden. 

— Das neue Opernhaus hat sich bereits den Namen „Danaiden- 
Oper tt erworben. Der Bau hat nämlich schon an 40 Mill. Frcs. ver- 
schlungen und» die für 1868 bewilligten und für 1869 erst zu be- 
willigenden Credite sind bereits erschöpft. Der Bau stockt nun we- 
gen Geldmangels, und wenn nicht binnen acht Tagen Geld aufge- 
trieben wird, so wird man die letzten Arbeiter abdanken müssen. 
Zur Vollendung des Bau's sind noch vier Jahre erforderlich. Nimmt 
man an, dass jährlich blos 4 Mill. verbaut werden, so ergibt sich 
Schliesslich eine Kostensumme von 60 Mill. Frcs. 

Leipzig. Hr. v. Witt e, der Director des städtischen Thea- 
ters; hat um Enthebung von seinem Contracte nachgesucht und will 
seinem Nachfolger das ihm gehörige Inventar zu den günstigsten 
Bedingungen überlassen. 

— Am 24. Mai ging die Oper „König Manfred" von dem Di- 
rector der Gewaudhausconcerte, Carl Reinecke, zum ersten 
Male dahier in Scene und hatte einen sehr günstigen Erfolg. Com- 
ponist und Darsteller wurden nach jedem Act gerufen. 

— Am 24. Mai ist das Zöllnerdenkmal, bestehend aus 
einer Kolossalbüste in Marmor, unter entsprechenden Feierlichkeiten 
enthüllt worden. 

München. Hr. Held, der Director des hiesigen Actien- Volks- 
theaters hat in Folge von Differenzen mit dem Verwaltungsrathe 
seine Demission eingereicht. 

*** Der bisherige Capellmeister am „Mozarteum" in Salzburg, 
Hans Schläger, wird sich mit einer Gräfin Oldershausen vermäh- 
len und sich in Zürich niederlassen. 

*** Der Contrabassist Bottesini hat von der Königin von 
Spanien das Ritterkreuz des Ordens Carls III. erhalten. 

*#* Die HH. Laube, Mosenthal und Flotow haben kürz- 
lich in Wien eine Besprechung gehalten zu dem Zwecke, nach 
dem Vorbilde der zu Paris bestehenden Gesellschaft von dramati- 
schen Dichtern und Componisten einen „Verein der dramatischen 
Dichter und Tonsetzer" in's Leben zu rufen, dessen Aufgabe sein 
soll, die Interessen der für die Bühne schaffenden Talente in Deutsch- 
land in entsprechender Weise zu wahren. 

*** Von dem bekannten Violinvirtuosen Wasielewski wird 
nächstens eine „Geschichte der Geige" im Druck erscheinen. 

*** Der ausgezeichnete Violinvirtuose Jos. Walter, bisher 
eine der ersten Zierden der Münchener Hofcapelle, soll für das 
Orchester des Hofoperntheaters in Wien engagirt worden sein. Die 
Münchener Capelle verliert viel durch seinen Weggang, und der 
Verlust wird durch den neuengagirten Concertmeister Abel in keiner 
Weise ersetzt. 

*** Frl. Carina bat ihr Gastspiel am Leipziger Stadtthea- 
ter beendigt ohne ein Engagement zu erzielen. 

*** Der Bassist Dr. Schmid vom Hofoperntheater in Wien 
hat am Stuttgarter Hoftheater mit grossem Erfolge gastirt. 

*#* Auf dem Carltheater in Wien wird demnächst eine neue 
Operette von Suppe: „Tautalus-Qualeu" zur* Aufführung gelangen. 

*** Professor H ä h n e 1 in Dresden hat den Auftrag erhalten, 
für das neue Wiener Opernhaus fünf lebensgrosse Modelle für 
die Logenöffnungen in der Loggia zu liefern. Es sind dies die 
Statuen der „tragischen" und „komischen Muse", des „Heroismus*, 
der „Liebe" und der „Fantasie". Dieselben sollen bis Ende Sep- 
tember 1869 vollendet sein. 

*** Hr. C. Vogt, Kaufmann in Leipzig hat an dem dor-, 
tigen Conservatorium der Musik durch Ueberweisung eines Capitals 
von 2000 Thlr. eine Freistelle für den Unterricht eines „talentvollen 
unbemittelten Geigers" begründet. 

*** Lortzing's „Uudine" wird im Herbst d. J. am Hofthea- 
ter zu Dresden mit prachtvoller Ausstattung zum ersten Male zur 
Aufführung gelangen. 



— 96 — 



*** Dr. Otto Bach, wie bereits mitgetbeilt, einstimmig zum 
Diretor und Capellmeister des Mörsarteuros in Salt bürg erwählt, 
hat wie verlautet für den nächsten Winter auch die Leitung der 
dortigen Oper übernommen. 

*** Der rühmlichst bekannte Orgelbauer Walker in Ludwigs- 
burg hat den Auftrag erhalten, für das neue Hofoperntheater in 
Wien eine Orgel herzustellen, welche 10 Stimmen im Manual und 
3 im Pedal haben wird. 

%* Die Singakademie in Halle sucht einen Dirigenten, da 
feob. Franz diese Stelle wegen Gehörsleiden aufgegeben hat, 

*** Bei dem am 30« Mai in Metz stattgehabten Preissingen 
gewann die Liedertafel von Trier den ersten Preis für 
das Prima-vista-Singen, bestehend in einer von der Kaiserin Eu- 
g e n i e gestifteten grossen goldenen Medaille mit ihrem Bildniss 
ferner errang derselbe Verein auch den ersten Preis für den Vor- 
trag eines vorgeschriebenen französischen und eines selbstge- 
wählten deutschen Liedes, welcher in eiuer von der Stadt Metz 
gestifteten, das Bildniss des Kaisers Napoleon III. tragenden gol- 
denen Medaille bestand* Es hatten 31 Gesangvereine concurrirt, 
und unter diesen war die preisgekrönte Liedertafel von Trier am 
wenigsten zahlreich vertreten, indem sie nur durch 24 Sänger reprä- 
sentirt wurde, 

*** Das Münchener Hoftheater wird während des Monats 
August geschlossen werden. Die nächste Novität im Opernfache wird 
dann dort die grosse vieractige Oper „Ruy Blas" von Max Z en- 
ger sein, welche am 7. d.M. in Mannheim, obgleich uoch nicht 
in der wünschenswerthen Abrundnng, aber dennoch mit sehr günsti- 
gem Erfolge zum ersten Male über die Bretter ging. Am 14. d. M. 

findet dort die erste Wiederholung dieser Oper statt. 

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„ 2. „ 36 ,i ,, „ 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

„ 3. „ 55 heroique . . „ „ „ 2. 42 „ ,, 1. 15 „ 

„ 4. ,j 60 . . . . . „ •, » 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

„ 5. „ 67 ,, „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

„ 6. „ 68 pastorale . „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

,, 7. „ 92 ..." . „ ,, „ 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

„ 8. „ 93 .... „ ,, „ 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

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dutiiiaiiii, F., Op. 110. Sehnsucht nach der Heimath. Steyr. 
Ländler f. d. Zither 7 7, Ngr. 

— Op. 111. Bei guter Laune. Walzer (im Ländlerstyl) f. d. 
Zither 9 Ngr. 

— Op. 112. „Holdes Liebchen/ Polka. „Denke mein," Polka- 
Mazurka f. d. Zither 7 Ngr. 

— Op. 113. Potpourri-Quadrille f. d. Zither 9 Ngr. 

— Op. 114. Jugendlust - Marsch f. d. Zither 7 Ngr. 

Hjrilgfc D«j Op. 196. Hosenknospen. Leichte Tonstücke Ober 
beliebte Thema ohne Octavenspannungen u. m. Fingersatzbez. 
f. d. Pianoforte. Nr. 31. Boildieu, Weisse Dame, „Ha welche 
Lust Soldat zu sein" 10 Ngr. — Nr. 32. Auber, Stumme von 
Portici. Schlummer - Arie „Still schweb 1 mit rosigem Gefie- 
der" 10 Ngr. — Nr. 83. Kreutzer, NachtJgr. v. Granada. Bo- 



manze „Ein Schatz bin ich" 10 Ngr. - Nr. 84. Procb, Da» 
Erkennen, „Ein Wanderbursch mit dem Stab in der Hand" 10 Ngr« 
Nr. 35. Kreutzer, Nachtlager in Granada. Terzett „Trenne nicht 
das Band der Liebe" 10 Ngr. — Nr. 36. Mozart, Figaro*» 
Hochzeit. Aiie „Dort vergiss leises Fleh'n" 10 Ngr. 
Kuntze, <?., Op. 145. Ein Stündchen im Casino. Humoristische» 

Männerquartett. Part, und Stimmen 1 Thlr. 
Schultert, F., Ausgewählte Lieder und Gesänge für eine Sing- 
stimme mit Begl. d. Pianoforte. Mit deutschem u. franzos. Text 
Nr. 3. Op. 4. Nr. 1. Der Wanderer. Le Voyageur. 4 Ngr. 
Nr. 4. Op. 4. Nr. 2. Morgenlied. Chant du matin. 5 Ngr* 

Nr. 3. Wanderers Nachtlied. Chant du soir. 
Nr. 5. Op. 13. Nr. 2. Lob der Thränen. Eloge des Lär- 
mes. 4 Ngr. 
Nr. 6. Op. 13. Nr. 3. Der Alpenjäger. Le chasseur des Al- 
pes. 4 Ngr. 
Nr. 7. Op. 25. Nr. 1. Das Wandern. Le meunieur voya~ 

genr. 4 Ngr. 
Nr. 8. Op. 25. Nr. 2. Wohin? Au bord de la fontaine. 4 Ngr» 
Nr. 9. Op. 25. Nr. 3. Halt. Sa chaumiere. 4 Ngr. 
Nr. 10. Op. 25. Nr. 4. Danksagung an den Bach. Je vais la> 

voir.. 4 Ngr. 
Nr. ll.Op. 25. Nr. 5. Am Feierabend. Elle ne m'a pas com- 

pris. 5 Ngr. 
Nr. 12. Op 25. Nr. 6. Der Neugierige. Suis-je aime\ 4 Ngr* 
Nr. 13. Op. 25. Nr. 7. Ungeduld. Toute ma vie. 5 Ngr. 
Nr. 14. Op- 25. Nr. 8. Morgengruss. Salut du matin. 4 Ngr*. 
Nr. 15. Op. 25. Nr. 9. Des Müllers Blumen. Ne m'oubliez pas 

4 Ngr. 
Nr. 16.0p. 25. Nr. 18. Trockne Blumen. La fleur fanee. 4 Ngr* 
Nr. 17. Op. 25. Nr. 19. Der Müller und der Bach. La voix 

enchauteresse. 4 Ngr. 
Nr. 18. Op. 25. Nr. 20. Des Baches Wiegenlied. I/etranger» 

4 Ngr. 

Nr. 19. Op. 32. Die Forelle. La truite. 4 Ngr. 

Nr. 20. Op. 43. Nr. 1. Die junge Nonne. Le jeune religieuse» 

5 Ngr. 

Nr. 21. Op. 52. Nr. 6. Hymne an die Jungfrau. (Mit deutsch* 

u. engl. Text) 5 Ngr. 
Nr. 22. Op. 58. Nr. 3. Des Mädchens Klage. Les plaintes de- 

la jeune fille. 5 Ngr. 
Nr. 23. Op. 72. Auf dem Wasser zu singen. Barcarolle. 5 Ngr* 
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4. Das Vorspielen. 5. Das Auswendigspielen. 6. Das Vomblatt- 
spielen (prima vista). 7. Das VierhändigBpielen 8. Musikalisches. 
Talent und Behandlung desselben. 9. Vom Ueben. 10. Die Un- 
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INHALT: Das 45. Niederrheinische Musikfest. - Ein überspannter Violoncellist. — Corresp.: Cassel. — Nachrichten. 



Das 45. Niederrheinische Musikfest in Cöln, am 

31. Mai, I. und 2. Juni. 



(Fortsetzung.) 

Das dritte, sogenannte „Künstlerconcert," welches am 2. Juni 
stattfand, brachte, wie herkömmlich, in 2 Theilen und 10 Nummern 
ein gemischtes Programm von grösseren und kleineren Iustrumental- 
und Vocalcompositionen, nämlich: I. Tb eil. 1. Ouvertüre (A-dur) 
von Jul. Rietz. 2. „Frühlingsnacht, * Vocal-Quartett mit Orchester- 1 
begleitung, componirt von Ferd. Hiller, vorgetragen von Frau Luise 
D u s t m a n n, Frau Joachim, den Herren Dr. G u n z und Carl 
Hill. 3. Violin-Concert (Vorspiel, Andante und Finale) von Max 
Bruch, vorgetragen von Herrn Jos. Joachim. 4. Weltliche 
Cantate von Marcello, vorgetragen vou Frau Joachim. 5. a) Ro- 
mauze : „Flutender Euro," b) Widmung, componirt von Rob. Schu- 
mann, vorgetragen vou Herrn Carl Hill. 6. Sinfonie in D-moll 
von Rob. Schumann. II. Theil 7. Recitativ, Andante und Alle- 
gro aus dem Violin-Concert Nr. VI von L. Spohr, vorgetragen von 
Herrn Joachim 8. a) Frühliugstraum von F. Schubert, b) Ri- 
tornello von Ferd. Hiller, vorgetragen von Herrn Dr. G u n z. 9. 
Lied : „Du wunderschönes Kind" von Kirchner, vorgetragen von 
Frau D u s t m a u n. 10. Hallelujah aus dem „Messias" von Hän- 
del. Es ist schon oft ausgesprochen worden, dass dieses dritte Con- 
cert sich dem wirklich musikverständigen und verständig geniessen- 
den Festbesucher meistentheils als ein Zuviel und als eine fast 
immer den Eindruck der beiden eigentlichen grossartigen Festcon- 
certe durch Ermüdung und Abspannung abschwächende Beigabe 
fühlbar macht, selbst wenu das Programm desselben und die auf- 
tretenden Virtuosen an und für sich einem noch frischen und noch 
nicht gesättigten Zuhörer viel Interessantes bieten, wie es diesmal 
wirklich der Fall war. Die bekannte diätetische Regel, dass man 
aufhören solle zu gemessen, wenn es am Besten schmeckt, ohne bis 
zur Uebersättiguug im Genüsse fortzufahren, Hesse sich gewiss auf 
die bei Musikfesten gebotenen Kunstgenüsse mit gutem Rechte an- 
wenden. Dabei kommt noch die dem Dirigenten, den Sängern und 
Instrumentalisten zugemuthete übermässige Anstrengung in Betracht, 
welche doch gar häufig eine Abspannung der Kräfte zur Folge hat, 
die nicht immer ohne Einfiuss auf die Leistungen bleibt. Dass ein 
drittes oder Künstlerconcert zum Glänze eines solchen Festes und 
zur Befriedigung der Besucher nicht unbedingt nöthig ist, dafür 
dürfte u. A. die Thatsache sprechen, dass diese Zugabe erst seit dem 
Im Jahre 1839 „in Düsseldorf gefeierten 21. Feste besteht, bei 
'welcher Gelegenheit überhaupt zum ersten Male sämmtliche Gesang- 
soli durch Künstler und Künstlerinnen besetzt waren. Die Dirigen- 
ten und Comite's der verschiedenen Musikfeste mögen am Besten dar- 
über urtheilen, ob die Theilnahme des grösseren Theils des Fest- 
publikums für die eigentlichen Hauptwerke, welche an den beiden 
«raten Tagen aufgeführt werden, seit der Einführung der Künstler* 
concerte im Allgemeinen sich gehoben hat oder auch nur unvermin- 
dert geblieben ist, und ob nicht doch der Reiz, den das Virtuosen- 



thum auf einen grossen Theil des Publikums ausübt, dasselbe von. 
den ernsteren Genüssen der Hauptconcerte theilweise abzieht. NiciXTsT 
kann mir übrigens ferner sein, als Künstler-Virtuosen, wie 
z. B. Joachim, von diesen Festen ausschliessen und dem Publi- 
kum einen Genuss entziehen zu wollen, der einem grossen Theile 
desselben vielleicht nur bei dieser Gelegenheit zugäuglich ist; allein 
gerade die diesjährigen Concertprogramme hätten meiner Ansicht 
nach die einzig dastehenden Kunstleistungen Joachim's und noch 
manches Andere aus dem Programme des 3. Concertes, wie z. B. 
die „Frühlingsnacht" von Hiller und vielleicht auch noch die Arie 
der Frau Joachim im 2. Concerte einzuschalten erlaubt, wenn man 
dafür den 2. Act aus der „Vestalin" weggelassen hätte, dessen Vor- 
führung sich, wie schon erwähnt, so wenig lohnend erwiesen hatte. 

Vielleicht machen sich übrigens für die Aufrechterhaltung des 
Künstlercoucertes auch materielle Rücksichten geltend, indem die 
stets sich steigernden Honoraransprüche der Solisten wohl einen 
Zuwachs der Einnahmen wünschenswert!) machen, der freilich durch 
Virtuosenproductionen am sichersten erzielt wird. Ich würde meine 
Ansicht über die Kunstconcerte bei Musikfesten vielleicht ganz für 
mich behalten haben, wenn ich dieselbe nicht auch verschiedentlich 
von wohlcompetenter Seite hätte bestätigen hören und wenn es nicht 
überhaupt mit Recht für erspriesslich gälte, dass über derartige 
Dinge auch dem Herkommen entgegenstehende Meinungen laut wer- 
den; schliesslich wird es eben an massgebender Stelle doch stets 
so gehalten werden , wie man es dort für zweckmässig erachtet» 
Doch will ich nun zu meinen Bericht über das dritte Festconcert 
kommen. 

Die Ouvertüre in A-dur von Rietz ist ein schon bekanntes 
und mit Recht beliebtes Werk des trefflichen Meisters und kam in 
durchaus vollendeter , höchst effectvoller Weise zur Aufführung. 
Eine interessante Novität war das von Hiller für das Fest compo- 
nirte Vocalqnartett „Frühlingsnacht, " welches besonders in den 
ersten Strophen in den Singstimmen wie im Orchester eine Fülle 
von feinen, reizenden Details enthält, während die Schlussstrophe, 
wenn auch immerhin effectvoll, so doch auch etwas phrasenhaft 
behandelt ist. Das von Joachim vorgetragene Violinconcert vou 
Max Bruch (Vorspiel, Andante und Finale desselben sind zusam- 
menhängend geschrieben) ist eine sehr schätzbare Bereicherung der 
betreffenden Compositionsgattung und zeichnet sich, besonders ia 
den beiden ersten Theilen durch noble, geschmackvolle Erfindung 
und äusserst geschickte Behandlung des Soloinstrumentes wie des 
Orchesters höchst vortheilhaft aus. Uebrigens spricht zu Gunsten 
dieses Werkes schon die Thatsache, dass Joachim dasselbe zum 
Vortrag bei einem grossen Musikfeste gewählt hat. Wie er die- 
ses und die zwei Sätze aus dem sechsten Concerte von Spohr 
vortrug, darüber brauche ich mich wohl nicht ausführlich zu ver- 
breiten. Er stand eben wieder auf dem Gipfel seiner unnahbaren 
Höhe und das entzückte Pnblikum lohnte ihm den herrlichen Genuss 
mit unendlichem Beifallsjubel. 

Eine wundervolle Leistung war der Vortrag einer weltlichen 
Cantate (Dopo {ante pene) von Marcello durch Frau Joachim» 



— 98 - 



welche hier wieder einen Reichthum künstlerischen Wissens und 
Geschmackes und eine Gefühlstiefe verrieth, welche ihr unbedingt 
in d<3r allerersten Reihe unserer heutigen Sängerinnen , und zwar 
nicht blos in Deutschland eine hervorragende Stellung viudiciren. 
Hr. Hill und Dr. G u n z sangen die oben im Programm ange- 
führten Lieder nebst den herkömmlichen Zugaben mit vielem und 
auch wohlverdienten Beifall, und auch Frau Dustmann trug ein 
Lied von K i r ch n e r, von dessen beifällige Aufnahme sie zum weiteren 
Vortrage des Schubert'schen „Haidenröslein" veranlasste. Ueber 
ihre Auffassungs- und Vortragsweise in Betreff dieses so reizend ein- 
fachen Liedchens habe ich mich schon vor vier Jahren in meinem 
Berichte über das damalige Musikfest in Aachen ausgesprochen. 

Der Seh um an u 'sehen Sinfonie wurde eine durchweg vortreff- 
liche, von der ungeschwächten Begeisterung und Ausdauer des Diri- 
genten wie des Orchesters zeugende Aufführung zu Theil, die denn 
auch ihre zündende Wirkung auf das Publikum nicht verfehlte, und 
Händers mächtiges ,,Hallelujah," nicht minder feurig und schwung- 
voll vorgetragen als am ersten Tage, bildete den würdigen Schluss 
dieses Coucertes sowie des ganzen Festes. Dass es von Seite des 
Publikums nicht an den Beweisen der verdienten Anerkennungen 
für die Leistung der Ausübenden wie des Dirigenten fehlte und 
dass dem Letzteren auch von den Damen des Chors die herkömm- 
lichen Blumenopfer , diesmal zwar in ziemlich ungraeiöser Weise, 
dargebracht wurden, versteht sich von selbst. Ein Festsouper ver- 
sammelte nach dem Concerte noch etwa 250 Festgäste, Mitwir- 
kende etc. etc. im Casinosaale, bei welcher Gelegenheit es natürlich 
nicht an ernsten und humoristischen Beden und Toasten fehlte , so 
dass allgemein die grösste Heiterkeit und Ungezwungenheit herrschte 
und erst das anbrechende Tagesgrauen die fröhliche Versammlung 
aufzulösen vermochte. (Schluss folgt.) 

Ein überspannter Violoncellist. 



Schmmerczka, ein geborner Böhme und einer der ausge- 
zeichnetsten Violoncellisten, war 1789 und die folgenden Jahre bei 
der italienischen Oper in Paris, im Theater von Monsieur 
angestellt. Hören wir, was Ferrari (in seinem Buche betitelt: 
Aneddoti piacevoli e interessnnti oecorsi nella vita di G. Fer- 
rari. Londra, 1830» Bd. IL. S. 26 u. ff.) von ihm erzählt: 

»Schmmerczka war der sonderbarste Mensch, den ich je in 
»meinem Leben gesehen habe. Er mochte ungefähr 30 Jahre alt 
»sein, als ich ihn in Paris kennen lernte. Sein gebräuntes Gesiebt 
»hatte uichts Angenehmes; seine braunen Augen waren klein, aber 
»lebhaft uud ausdrucksvoll ; seine Unterhaltung war einförmig und 
»langweilig, ausser in gewissen Momenten, von denen ich eben er- 
»zäblen will. Zur Zeit als ich mit Mestroni, erster Violinist uud 
»Orchesterchef der italien. Oper, zusammenlebte, kam Schmmerczka 
»sowie auch andere unserer Freunde um mit uns zu diuiren, und 
»wenn er dann einige Gläser Bordeaux oder Burgunder getrunken 
»hatte, unterhielt er uns mit seinen fantastischen Geschichten , von 
»denen einige zu erzählen ich nicht unterlassen kann, selbst auf die 
»Gefahr hin, dass man mir nicht glaubt. — Schmmerczka behaup- 
tete sich zu erinnern, dass er sieben Mal auf die Welt gekommen 
»sei uud da38 er mit allen gekrönten Häuptern Europas sowie mit 
»dem Grossmogul uud Scipio dem Afrikaner in Verbindung gestanden 
-»habe. Er hatte den Tempel Salomonis anfangen und vollenden 
»sehen, er hatte Duos für Harfe und Violoncell mit dem König 
»David gespielt. Er hatte ferner Amerika durchwandert schon vor 
»der Entdeckung dieses Welttheils durch Christoph Columbus und 
»hatte dort eine Unzahl von Elephanten und wilden Bestien gejagt 
.»und erlegt. Kurz, wenn mau ihu hörte, mochte man glauben, er 
»sei schon vor Erschaffung der Welt geboren gewesen. Dem gemäss 
»sagte man von ihm, er sei ein Mensch mit zwei verschiedenen 
»Gehirnen, das eine voll von Narrheit, das andere voll von Musik. 
»Er spielte ziemlich gut Violine, aber auf dem Violoncell gab es nichts, 
»was er nicht ausführen konnte. Gleichwohl war es ihm nie darum zu 
»tkun, den Leuten Sand in die Augen zu streuen durch eine Sündfluth 
»von Noten, von Flageolettönen, oder indem er auf dem Stege spielte, 
»wie so viele Andere thun. Er besass ein grossartiges Spiel; er 
»zog aus seinem Iustrumente einen reinen und runden Ton, deu er 
»wie eine Menscheustimme modulirte, uud er sang auf seinem In- 



strumente wie ein ausgezeichneter Tenorist singt, wenn er bezau- 
bern aber nicht verblüffen will. Dieser vortreffliche Künstler starb 
»in Little Chelsea bei London im Jahre 1794.« 

Es scheint, das Schmmerczka Frankreich im Jahre 1792 ver- 
liass, denn seiu Name steht nicht mehr im Almanach von Ducbesne 
»les Spectachs de Paris? 1 von 1793, Vährend er in den Jahr- 
gängen desselben von 1790 bis 1792 unter dem Namen Smiezka 
aufgeführt ist ; so nannten ihn nämlich seine Kameraden, welche 
uiemals den Namen Schmmerczka aussprechen lernten. Er ist 
weder von Choron und F a y o 1 1 e noch von F 6 t i s angeführt. 

(Guide Musical.) 

CORBESPONDENZEN. 



Aus Cassel. 

Im Juni 1868. 

Ungewöhnlich gehäufte Berufsgeschäfte und andere Abhaltun- 
gen verschiedener Art mögen mich entschuldigen, dass ich nicht wie 
sonst am Schlüsse der Wintersaison Ihnen eine kurze Uebersicht 
des hiesigen Musiklebens zukommen Hess. Vielleicht ist Ihnen aber 
auch jetzt noch eiue solche in kürzester Form nicht unwillkommen 
und ich theile Ihnen daher folgende Notizen über unser Concert- 
und Operwesen in der letzten Saison in gedrängter Kürze mit. 

Was die Oper betrifft, so nenne ich von neuen Mitgliedern der- 
selben, welche sich ebensowohl als Zierden des Institutes wie als 
Stützen des Repertoirs erwiesen, vor Allen Frau Soltans-Hentz, 
weiche namentlich im lyrisch-dramatischen Fache keinen Vergleich 
mit ihren beliebtesten Vorgängerinnen zu scheuen braucht. Ihre 
Jessonda, Iphigenie etc. werden hier für alle Opernbesucher unver- 
gessliche Leistungen bleiben. Frau Soltans versteht die Zuhörer 
nicht uur durch eine überaus sympathische Stimme, als auch durch 
ihren wahrhaft künstlerisch musikalischen Vortrag dauernd zu fes- 
seln, mögen auch andere Primadonnen dem Publikum durch grössere 
Leidenschaft impuniren. Wir freuen uns, die treffliche Künstlerin 
der königlichen Bühne dauernd erhalten zu sehen. Nächst ihr ist 
unser damaliger erster Tenor Herr Georg Müller der erklärteste 
Liebling des Publikums. Derselbe besitzt die seitesten Stimmmit- 
tel und dürfte in den höheren lyrischen Partien, als: Tamino, 
Lyouel, Georg Brown, Manrico, namentlich auch Postillon , ausser 
Theodor Wachtel keinen Rivalen zu scheuen haben. Auch sein 
Raoul, Vasco und andere Partien fanden die beifälligste Aufnahme 
und sein Abgaug an das Hoftheater in Wien wird allgemein und 
mit Recht auf das schmerzlichste bedauert. Dagegen verbleiben 
unserm Institute der treffliche Bassist Lindemann, der Baritonist 
Schulze uud die Coleratursän gerin Wlczek, welche letztere in 
das Fach der höheren Opernsoubretten übergehen wird, als wesent- 
liche Stützen, während man die eben so tüchtige als fleissige Sou- 
brette Frl. Slevogt mit Bedauern scheiden sieht. Von neuenga- 
girten Mitgliedern haben bereits Frau Liss6 aus Dessau, Herr 
Zottmayr aus Wien und Frl. Meissner (für das Mezzosopran-, 
Heldentenor- und das colorirte Fach) die Feuerprobe glücklich be- 
standen. In Frl. v. Zawisza, welche besonders als Fides, Azu- 
cenna und Ortrud die allgemeinste Anerkennung gefunden, verliert 
das Institut eine mit bedeutender Stimme und echtem dramatischen 
Talente begabte Altistin. Frau Lisse' dürfte dieselbe lediglich 
durch eiue grössere Vielseitigkeit uud Verwendbarkeit zu ersetzen 
im Stande sein. Auch der Tenorist Herr Jäger, welcher sich 
namentlich in der Spieloper gerechte Anerkennung zu erringeu 
wusste, wird zu Anfang nächster Saison aus dem Küustlerverbande 
unserer Bühne scheiden und es sind somit noch zwei Fächer, das 
des lyrischen sowie des Spieltenors vacant, ohne dass es der In- 
tendanz bis jetzt gelungen wäre, geeignete Vertreter für dieselben 
su gewinnen. 

Was nun die Thätigkeit unserer Oper im Allgemeinen betrifft, 
so hatte dieselbe insofern ein sehr günstiges Resultat, als die letzte 
Saison drei Opernuovitäten brachte, nämlich Gluck's „Iphigenie 
in Tauris," Meyerbeer's „ Afrikanerin " und Wagner's „Lohen- 
grin," welche Dank der sorgfältigen musikalischen Vorbereitung 
.und einer brillanten Ausstattung eines dauernden Erfolges sich er- 
freuten. Von neueinstudirten Opern erwähne ich: Spohr's „Jes- 
sonda," Weber's „Oberon," Meyerbeer's „Prophet," Adam'*, 



99 - 



^Postillon," M o z a r t'a „Titus" und M a r s c b n e r's ,, Haas Helling.* *) 
Schliesslich gebe ich Ihuea eine Uebersicht särumtlicher gegebener 
Opern and musikalisch-dramatischer Werke: Mozart: Don Juan, 
Figaro's Hochzeit , Zauberflöte, Titus ; Beethoven: Fidelio ; 
Weber: Freischütz, Oberon; Spohr: Jessonda; Gluck: Iphi- 
genie in Tauris ; Cberubini: Wasserträger; Mehul: Josef in 
Egypten; Marschner: Haus Heiling ; Kreutzer: Nachtlager 
von Granada; Mendelssohn: Sommernachtstraum , Lorelei- 
Fragment; Wagner: Tannhäuser, Lohengrin; Lortzing: Czaar 
und Zimmermann; WaffeuschmidtJ; Boieldieu: Johann von Paris, 
die weisse Frau ; GoQuod: Margarethe ; A u b e r : Stumme von 
Portici, Teufels Autheil; Flotow: Stradella, Martha; Meyer- 
beer: Robert der Teufel, Hugenotten, Prophet, Afrikanerin, Strueu- 
see; Adam: Postillon von Lonjumeau; Donizetti: Lucia von 
Lammermoor, Lucrecia Borgia, Regimentstochter ; Verdi: Trou- 
badour. 

Was die Abonnements - Concerte des k. Orchesters betrifft, so 
haben deren in der letzten Saison wieder sieben stattgefunden, 
welche sich wie in früheren Jahren durch die Vielseitigkeit und 
geschmackvolle Anordnung der Programme, sowie durch die vor- 
treffliche Ausführung der gewählten Tonwerke auszeichneten. Herr 
Hofcapellmeister R e i s s , welcher diesen Concerten mit besonderer 
Vorliebe seine Thätigkeit widmet und dieselben bereits auf eine 
die höchste Anerkennung verdienende Stufe gebracht hat, so dass 
auch die lebhafte Theilnahme des Publikums sich denselben in 
atets steigernder Progression zuwandte, hat sich durch seine so er- 
folgreichen Bemühungen in dieser Richtung ein nicht hoch genug 
su schätzendes Verdienst um unser Musikleben erworben. Ohne 
mich jetzt noch in eine Besprechung einzelner Leistungen in den 
genannten Concerten einlassen zu wollen, gebe ich nachfolgend nur 
eine summarische Zusammenstellung der in denselben vorgeführten 
Tonwerke sowie der betreffenden Vocal- und Instrumentalsolisten. Es 
kamen nämlich in den sieben Abonnements - Concerten zur Auffüh- 
rung : I. Instrumentalpiecen. a. Grössere Orch ester werke: 
äinfonieen von Spohr (die Weihe der Töne), B e e th o ve n (A-dur 
find B-dur), Haydn (C-dur), Mendelsohn (A-moll), Schu- 
bert (zwei Sätzte aus der unvollendeten H-moll), Schumann 
(D-moll). b. Ouvertüren: von Mendelssohn (Ray Blas- 
und Trompeten-Ouvertüre), Cherubini (Medea), Schuman n 
^Genoveva) , Niels G a d e (Hamlet) , Rubinstein (Dimitri 
Donskoi), Vierling(die Hermanusschlacht). Concertpiecen 
meist mit Orchester: für Piano forte: von Mozart (Es-dur für zwei 
Pianoforte), Schumann (Andante und Variationen für zwei Pia- 
noforte) , Beethoven (türkischer Marsch), Chopin (Etüde), 
T h e r n (Romanze), B a ch (C-dur für zwei Pianoforte), R e i n e ck e 
CFis-moll) ; für Violine : von Beethoven, Spohr (Gesangsscene, 
Barcarole und Scherzo), Rap p (die Liebes-Fee), Ernst (Notturno); 
für Violoncell : von Mollique, Servals und Bach (Air und 
Gavotte); für Oboe: von Kalliwoda. II. Gesangsnumraern. 
*». Arien: von Händel (Ezio), Rossini (Barbier von Sevilla), Gluck 
'(Orpheus), Haydn (Schöpfung), Boildieu (Weisse Frau), Marschner 
(Hans Heiling), Mozart (Entführung); b. Lieder: von Gordigiani, 
Mendelssohn, Schubert, Schumann, Soltans, Grädener, Levi, Taubert; 
<c. Duetten und Ensembles: von Vincenz Lachner, Rubinstein, 
Schumann. III. Von Virtuosen Hessen sich hören: die Gebrüder 
T h e r n aus Pesth , Hr. Jaell und Frau Jaell-Trautmann 
(auf dem Pianoforte), Hr. Concertmeister Jacobsohn aas Bremen, 
Herr Kammervirtuose Laub aus Moskau (auf der Vioiiue), Herr 
Grützmacher aus Dresden und Hr. de Swert aas Weimar (auf 
dem Violoncell), Hr. Ludwig, Mitglied des hiesigen königlichen 
Orchesters (auf der Oboe). In Gesangsnummern wirkten mit: die 
Damen Erna Borchard von Weimar, Soltans, v. Zawisza 
und WIczek (sämmtlich von der hiesigen königl. Oper), die HH. 
M a r c h e s i au» Cöln, Keller aus Hannover und Müller von 
'der hiesigen königl. Oper, an zwei Abenden auch der Theaterchor. 
Ihrer rühmlichen Thätigkeit in diesen Concerten haben die Mit- 
glieder des königl. Theater - Orchesters noch die Aufführung des 
Mendelssohn'schen Paulus hinzugefügt, welche anter gefälliger 
Mitwirkung der Frau Soltans, Frl. v. Zawisza, der Herren 



*) Einer solchen Rührigkeit dürften sich wohl wenige der deut- 
schen Bühnenleitungen zu rühmen haben. (Anm. d. Red.) 



D e n o e r und Lindemann, sowie der Mitglieder hiesiger Ge- 
sangvereine am Charfreitag in der lutherischen Kirche stattfand. 



Nachrichten. 



Mainz, 14. Juni. Gestern hat der Gemeinderath einen neuen, 
Contract mit dem Theater-Director Hrn. B e h r abgeschlossen, durch 
welchen diesem die Leitung unseres städtischen Theaters auf wei- 
tere drei Jahre übertragen wurde. 

München. Die Hoftheater-Intendanz hat die dreiactige komische 
Oper »Der Rothmantel, u gedichtet nach einem bekannten Mährchen 
von Paul Heyse und componirt von Georg Krempelsetzer, 
zur Aufführung angenommen, ein neuer Beweis, wie gern man an. 
betreffender Stelle einheimischen Talenten entgegenkommt. 

Paris. Im Theater Fantaisie Parisiennes kam am 30. Mai 
eine einactige Operette: ^L'Amour mouille" 1 von J. Barbier 
und A. de Beauplan, componirt von Ed. de Hartog zur Auf- 
führung, jedoch ohne Erfolg. 

— Am£d£e M&raux, ein ausgezeichneter Musiker und Schrift- 
steller, Präsident der Akademie in R o u e n, ist bei der jüngsten 
Anwesenheit des Kaisers daselbst mit dem Kreuze der Ehrenlegion 
decorirt worden. 

— Die Bewerber um den grossen Römerpreis haben am 12. 
d. M. ihre Clausur verlassen. Der Spruch der Preisrichter wird 
am 29. Juni erfolgen. 

— Man spricht von einem Projecte zu einem neuen Theater, 
welches man wohl ein ,, Schubladentheater" nennen könnte, denu es 
soll so eingerichtet werden, dass es nach Bedarf 1000, 2000 oder 
5000 Zuschauer aufnehmen kann, indem es mittelst verschiebbaren 
Holzwänden vergrössert oder verkleinert wird. 

— In der Opira comique sind M a i 1 1 a r t's „Dragons de 
Villars" wieder aufgenommen und bereits viermal mit glänzendem 

Erfolg wiederholt worden. Auber's „Premier jour de bonkeur" 
wird dagegen bis zum September zurückgelegt werden, da Capoul 
zu Ende dieses Monats seiueu Urlaub antreten wird. 

— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris be- 
tragen im Monat Mai die Summe von 1,080,712 Frcs. 

*** Das „Mannheimer Journal" bringt vom 10. Juni folgenden 
Bericht über eine dort aufgeführte neue Operette von dem Musik- 
director Ferd. Langer: Zum ersten Mal wiederholt kam heute 
eine neue Operette „Die gefährliche Nachbarschaft," Text nach 
Kotzebue's gleichnamigem Lustspiel frei bearbeitet von L. Rocke, 
Musik von dem hiesigen Musikdirector Ferd. Langer zur Auffüh- 
rung und fand, gleich der ersten Aufführuug, eine sehr freundliche 
und beifällige Aufnahme. Das Werkchen gehört unstreitig zu den 
besten Erscheinungen der Neuzeit auf diesem Gebiete. Die Bear- 
beitung des Textes lässt den erfahrenen, bühnenkundigen, als Säu- 
ger und Schauspieler beliebten Verfasser in seinem köstlichen 
Humor erkennen. Die Musik gehört der guten deutschen Schule 
an, ohne eine subjective Eigenartigkeit zu entbehren und offenbart 
eine klare, verständige Auffassung des Textes, sowie eine wahrheits- 
getreue dramatische Zeichnung der Handlung und Handelnden. Der 
junge Componist besitzt entschiedenes Talent für dramatische Musik 
und eine edle Richtung an Gedankenempfindung und Erfindung und 
an Verwendung und Mischung der orchestralen Klangwirkungen» 
Die Ensemblestücke sind in imitatorischem Style musterhaft ange- 
legt und correct und fliessend ausgeführt. Hierher gehören nament- 
lich ein Terzett, ein Duett und Quartett; originell ist besonders 
das Lied des Schneiders Fips; auch die Ouvertüre trägt das Ge*. 
präge des Eigenartigen an sich und macht das Ganze einen freund- 
lichen erheiternden und belebenden Eindruck. Die Besetzung durch, 
die Damen Frln. Reiser und Hausen und die HH. Ditt und 
S ch ü 1 I e r war eine vortreffliche , so dass das Werkchen dadurch 
in seinem ganzen Werthe zur Geltung gelangte. Den Darstellen-, 
den, sowie dem Componisten wurde die Auszeichnung des Hervor* 
rufe su Theil. Nach solchen Erfolgen wird die Operette auf hie» 
siger Bühne von Zeit zu Zeit stets gerne gehört werden und sioh< 
auch auf andern deutschen Bühnen um so eher Eingang und Freunde 
▼erschaffen, als es an besseren Erscheinungen dieser Art in der intt£ 
alkalischen Literatur fehlt. 



— 100 - 



%• Die Tbeaterferien in Berlin dauern für die Oper Tom 

13. Juni bis 12. August, für das Ballet vom 24 Juni bis 3. Angnst. 

%* Der Theaterdirector v. Witte in Leipzig ist mit seinem 

Cresuche um Enthebung von seinen contractlichen Verbindlichkeiten 

abschlägig beschieden worden. 

*** Ueber die Insceuirung der „Meistersinger" in Munehen 
erzählt man Fabelhaftes. Das noch nie Dagewesene wird in deco- 
rativer Hinsicht geleistet werden. Zu dem Acte, welcher in den 
Strassen Nürnbergs spielt, verschwinden die althergebrachten Cou- 
lissen, um der verkörperten Stadt Nürnberg mit Häusern, Giebeln 
und Vorsprängen Platz zu machen. Hier sieht man keine gemalten 
Häuser, sondern vollständige, die Wirklichkeit imitirende Papp- 
gebäude und bis zur Täuschung nachgeahmte Strassen, Plätze und 
Perspectiven. 

*** Der „A. A. Ztg." schreibt man aus Coburg, dass der Ge- 
neralintendant Gustav v. Meyern-Hohenberg und der herzogl. 
Schauspiel director Friedrich Haase mit Ende der Frühlingssaison 
(14. Juni) von der Leitung des herzogl. Hoftheaters zurücktreten. 

*** Die Ferien der Wiener Hofoper dauern vom 1. bis 
30. Juni. 

*** In Florenz wurde Cimarosa's „Matrimonio segretcP 
in recht guter Besetzung mit bestem Erfolg aufgeführt. 

*** Der in unserer N v 22 erwähnte Artikel: „lieber den Ge- 
schmack des Publikums" von H. Ehrlich, welchen „Zellner's Blät- 
ter" gebracht hatten, ist ursprünglich in der „Neuen Berl. M.-Ztg." 
nach einer längere Zeit vorher in Berlin stattgefundenen Vorlesung: 
„Ueber die moderne Gesellschaft und die Musik" erschienen, was 
hiermit berichtigend constatirt werden soll. 

*** R. Wagner's „Meistersinger" sollen auch in Dresden 
zur Aufführung angenommen sein. 

%• Der Tenorist Ferenczy hat in »Her Majesty's Opera" 
in London als Raoul in den „Hugenotten" debütirt, ohne einen 
besonderen Erfolg zu erzielen. 

*** Verdi hat den ihm vom Eonig Victor Emanuel verliehe- 
nen Krouenorden zurückgeschickt, weil er sich dadurch beleidigt 
fühlt, dass der Unterrichtsminister an Rossini eine Aufforderung 
ergehen Hess, die Mittel und Wege anzugeben, wie dem Verfall 
der italienischen Musik abzuhelfen sei. 

*** Hr. Scaria vom Hofthearer in Dresden bat als Bertram 
im „Robert der Teufel" in Königsberg das Publikum in einen 
dort noch selten vorgekommenen Enthusiasmus versetzt. Nicht min- 
der gefiel derselbe als Sarastro. Caspar und van Bett. 

*** Hr. Stägemann vom k. Theater in Han.nover hat in 
Leipzig sein Gastspiel als Teil eröffnet und sehr grossen Beifall 
errungen. 

*** A. Rubinstein, der gegenwärtig in London ausser- 
ordentliche Triumphe feiert, wird demnächst nach N e w - Y o r k, 
abreisen. 

*** Die hoffnungsvolle Debütantin der grossen Oper in Paris, 
Mlle. Hisson, welche in dortigen Blättern (auch in unserer letzten 
Pariser Correspondenz) als Landsmännin der Schwedin Mlle. Nilsson 
bezeichnet wurde, desavouirt diese Angabe in einem Briefe und 
gibt Besancon als ihre Vaterstadt an. 

*** In Baden-Baden wurde die französische Operette: 
„£' Ogre* von Frau Viardot-Garcia in der Villa Turgenieff, 
in Gegenwart der Königin von Preussen und eines kleinen hoch- 
aristocratischen Auditoriums mit grossem Beifall aufgeführt. 

*** Ein in Genua im Bau begriffener Concertsaal, welcher 
3000 Personen fassen soll, wird den Namen des Geigers Sivori 
erhalten und zugleich mit dem grossen Sivori-Theater am 20. De- 
eember d. J. eröffnet werden. 

V Der „CUcilien -Verein" in Carls ruhe gab am 22. Mai 
ein Gesellschaftsconcert unter Leitung des Hrn. R. K n g 1 e r , in 
welchem Sinfonie in D-dur von Mozart, Sopran-Arie ans dem „Bar- 
bier" von Rossini , Lieder für Tenor von Dorn und Taubert und 
«um Scbluss Ouvertüre, Tenorarie und Duett aus dem zweiten Act 
der „weissen Dame" von Boieldieu zur Aufführuug kamen und Hr. 
und Frau A r n w i n s die betreffenden Gesangsnummern übernom- 
men hatten. 

*** In Folge davon , dass Hr. Director Carvalho sich vom 

TMätre lyrique in Paris zurückgezogen hat, wird nun auch die 

«Aufführung der Oper „Lohengrin" daselbst vorderhand unterbleiben. 



*** Im Concertsaale des Palais Ducal in Brüssel ist ein» 
grosse Orgel aus den Ateliers der berühmten Firma M e r k 1 i u - 
Schütze auf Kosten der Regierung aufgestellt und bereits am 
14. Mai feierlich eingeweiht worden. 

*** Der Baritonist Lehmann ist in Leipzig nach einem 
erfolgreichen Gastspiel engagirt worden. 

*** Hofcapellmeister Seifriz in Löwenberg wird nächsten 
Winter einer Einladung nach Petersburg folgen, um dort fünf 
Concerte der „allgemeinen russischen Musikgesellschaft" zu dirigiren. 

V Frl. Scheuerlein ausCÖln gastirt mit recht gün- 
stigem Erfolge in Breslau. 

%* A u b e r 's neueste Oper „Der erste Glückstag" wird in 
München, Dresden, Wien, Prag und Pest zur Aufführuug 
kommen. 

V Am 27. Mai kam in Breslau die „Afrikanerin" zum erste» 
Male und mit bestem Erfolg zur Aufführung. 

*** Frau Posch ka- Leu tner hat ihr Engagement am 
Leipziger Stadttheater am 3. Juni als Constanze in der „Ent- 
führung" angetreten. 

%• Hector B e r 1 i o z ist von den Folgen seines Sturzes in 
Monaco wieder vollständig hergestellt. 

*** Bazin's Operette „Eine Reise nach China" ist in Cola 
mit bestem Erfolge zur Aufführung gelangt. 

*** Abbe" L i 8 z t wird diesen Sommer in England erwartet 
und soll sich dann im Herbst zu einem mehrmouatlichen Aufent- 
halte nach Weimar begeben, wo während seiner Anwesenheit sein» 
Oratorium „Die heilige Elisabeth" zur Aufführung käme. 

V Der Wiederaufbau von Her Majesty's Theätre in Lon- 
don ist in vollem Gange und muss in 40 Wochen, vom 1. Juni 
an gerechnet, vollendet sein, ausserdem der Bauunternehmer für 
jede weitere Woche 1000 Pfd. Sterling Strafe zahlen muss. 

%* In New- York fand in dem grossartigen Saale Steinway- 
Hall ein grossartiges Musikfest, welches vom 18. Mai anfangend 
6 Tage dauerte , unter der Direction der HH. Th. Thomas und 
Ritter und unter Mitwirkung der Harmonie Society statt. Es 
wurden folgende Werke aufgeführt: „Messias" vou Händel; 
„Schöpfung" von Haydn; „Elias" von Mendelssohn; D-dur- 
Suite von Seb. Bach, Pastoralsiufonie und Schlacht von Victoria 
von Beethoven, ferner die Sinfonie von Mendelssohn, die- 
4. Sinfonie von Schumann, eine Sinfonie von Ritter, drama- 
tische Sinfonie „Romeo und Julie" von Berlioz, Struenseemusik 
von Meyerbeer, Ouvertüre zur „Zauberflöte" von Mozart» 
Mephisto - Walzer von L i s z t , Clavierconcerte mit Orchester von 
Chopin, Henselt und P e a s e. (Ein recht niedliches Mono 
für musikalische Nimmersatte!) 

*** Das Musikcomite' des dritten deutschen Bundesschiessen 
in Wien berathet bereits eifrigst das Programm der bei dieser Ge- 
legenheit zu veranstaltenden musikalischen Festproductionen. Die- 
selben sollen im grossartigen Massstabe organisirt werden und wer- 
den auf dem Festplatze sowohl wie im Freien wie in der Festhalte 
stattfinden. Es verlautet, dass mehrere Monstre - Concerte gegeben 
werden sollen, an welchen sich zu betheiligen alle Männergesang- 
vereine Oesterreichs eingeladen werden und wobei überdiess acht. 
Militärcapellen gleichzeitig mitwirken sollen. Ausserdem fallen die- 
musikalischen Arrangements für die Begleitung des Festzuges u. s. w* 
in's Bereich dieses Comit^'s. 

*** In Graz starb Anselm Hüttenbrennor» ehemaliger 
Musikvereinsdirector daselbst und Componist, bekannt durch seine 
nahen persönlichen Beziehungen zu Beethoven und insbesondere za 
Franz Schubert Ihm verdankt man die Veröffentlichung der H moll- 
Sinfonie-Fragmente von Schubert, welche sich in seinem Privat- 
besitze befanden und zu deren Herausgabe er sich freilich spät 
genug entschlossen hat. 

%* Benedict hat kürzlich in London wieder sein alljähr- 
liches Riesenconcert gegeben, welches nicht weniger als dreissig 
Nummern, darunter 4 grössere Orchesterwerke und Chöre enthielt,, 
24 Solisten beschäftigte und um 2 Uhr Mittags beginnend s e c h a 
Stunden lang die musikalische Verdauungsfähigkeit der Zuhörer auf 
die Probe stellte. 

Verantw. Red* Ed. Föckerer* Druck ». Carl Wallau, Mainz, 



17. Jahrgang. 



if * 96. 



29. Juni 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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INHALT: Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg." — Corresp.: Stuttgart. Mannheim. Paris. — Nachrichten. 



Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg" 
von R. Wagner in München, am 21. Juni. 

(Generalprobe am 19. Juni.) 



Es war ein grossartiger Eindruck, den wir gestern aus der 
Hauptprobe zu den „Meistersingern" von Richard Wagner 
nach Hause brachten. Mit Misstrauen, ja mit Voreinnahme hatten 
wir die vorausgegangenen Proben besucht und so oft wir aus einer 
solchen kamen, löste sich wieder ein Stück von diesem Vorurtheil 
und dem Ohr und Sinn scbloss sich immer mehr das Verständniss 
dieser gewaltigen Tonmassen auf. 

Es war eine Biesenarbeit, die unsere Hofbübne die letzten 
Wochen über geleistet und die morgen, wo die Aufführung statt- 
finden soll, gekrönt zu werden verdient. Alle Tage, die Gott gab, 
waren seit Wochen her Proben für die „Meistersinger* und an 
Fleiss und Ausdauer Seitens der beschäftigten Mitglieder und Gäste 
hat es wahrlich nicht gefehlt. Trotz der colossalen Anstrengungen 
welche die Composition an Sänger wie Orchester stellt, war überall 
der beste Wille, die unbedingteste Hingabe an das Werk ersicht- 
bar und die gestrige Hauptprobe brachte auch den Beweis, dass die 
ausserordentliche Sorgfalt, mit welcher R. Wagner dieses sein neu- 
estes ganz vollendetes Werk überwachte, die besten Früchte trug. 
Wer es wie Ihr Referent mitangesehen hat, wie der Componist jede 
Bewegung, jeden Accent nach seiner Intention den Sängern und 
dem Orchester einstudirte, mit welcher Genauigkeit sich der Re- 
gisseur Dr. Hall wachs bei seiner Thätigkeit an die Anordnungen 
Wagners hielt, der hat es auch begriffen, dass gestern zum ersten 
Male das Werk vor uns trat — riesengross und dabei doch so aus 
einem Guss kommend, ganz nach einem einzigen, vollständig 
souveränen Willen ausgeführt, dessen Befehle sowohl der Regisseur 
wie der letzte Statist pünktlich und mit einer gewissen Verehrung 
ausführte. 

Als vor einigen Jahren der Text zu den „Meistersingern im 
Buchhandel erschien, machten sich einige Flachköpfe über denselben 
lustig, weil er da und dort triviale Verse oder einzelne Stellen ent- 
hält, von denen sie nicht wussten, wie man diese componiren könne. 
Es fällt uns nicht ein, die Wagnerische Diction durchwegs verthei- 
digen zu wollen, der Knittelvers ist zuweilen doch zu miserabel: 
aber die Erfindung der Fabel, die Gruppirung des Stoffes, die An- 
ordnung der Handlung ist so treulich, verräth überall in solchem 
Masse das grosse dramatische Talent, dass wir recht gerne über 
einzelne Sünden gegen den heiligen Geist der deutschen Sprache 
wegsehen und uns an den vielen Schönheiten letzen, die da gegeben 
sind. Ja, wir behaupten, es sei nicht leicht ein glücklicherer Stoff 
für eine komisch -romantische Oper erfunden worden als jener zu 
den „Meistersingern." Hier liegt nicht nur eine vollständig neue 
Handlung sondern auch ein Buch vor, das dem Auge reiche Be- 
schäftigung bietet und den innern Sinn durch die Entrollung eines 
interessanten Bildes aus dem deutschen Cultur- und Literaturleben 
iesselt. Ernst und Humor, Adel und Plattheit, Poesie und Prosa 



wechseln in den frappantesten Contrasten mit einander ab uud das 
Scenar versteht es mit geübter Haud die Situationen in verschie- 
dener Farbenpracht vorzuführen. Schon gleich der Anfang der Oper, 
wo die gläubige Schaar in der Kirche versammelt ist und mit knappen 
kurzen Zügen das heimliche Einverständuiss zwischen Evchen, 
dem Bürgermädchen und W al th er von Stolzing, dem sangeskundigen 
Ritter aus Franken gezeichnet wird, nimmt unser Interesse in An" 
spruch und die Scene, da sich die Meister zur Freiung versammeln, 
ist wie ein lebendig gewordenes Capitel aus der deutschen Literatur- 
geschichte. Gerade hier war vorzüglich Gelegenheit geboten, zu 
beobachten, wie sorgfältig die Oper vorbereitet war ; das lustige Trei- 
ben der Lehrjungen wie das an characteristischer Abwechslung 
reiche Spiel der Meistersinger bot solchen Reiz, wie wir nicht leicht 
von einer Theatervorstellung gesehen. Da gab es keine conventio- 
neilen Bewegungen, keine Coulissenreissereien, Alles war im Sinne 
der Dichtung, im Geiste der Zeit concipirt und ausgeführt und nicht 
der geringste Misaton störte das schöne Bild. 

Mit innigem Behagen lauschen wir im zweiten Act dem Zwie- 
gespräche zwischen Evchen und Hans Sachs und der launige 
Ton, der hier angeschlagen uud festgehalten wird, bringt bei uns 
dieses Duett, das sich durch seine Stimmung und Tonfarbe in 
gleicher Weise auszeichnet, zu grossen Ehren; wir gestehen, dass 
uns diese Nummer eine der allerliebsten der Oper geworden ist. 
Man rouss aber auch Herrn Betz aus Berlin, diesen verständigen 
Repräsentanten des Hans Sachs und unser Fräulein M allinger 
welche das Evchen singt, zusammen spielen sehen uud singen hören, 
um unsre Vorliebe begreiflich zu finden. Wenn das Evchen so ihre 
Flausen macht und Hans Sachs ihre Liebe zu Stolzing mit richtigem 
lnstincte erräth und wenn das in so naiver Weise gegeben ist, wie 
es R. Wagner gethan, so begreifen wir, wie sich gerade hier der 
Beifall, der durch die Fessel gebunden war, welche die Anwesenheit 
des Staatsoberhauptes mit sich brachte, endlich doch losgerungen hat 
und ein wahrer Sturm durch das Theater ging, der dem Compo- 
nisten galt. 

Weniger gefällt uns die Scene die darauf folgt ; dass das Liebes- 
paar im Freien, vom Zuschauer immer gesehen, und von dem Hans 
Sachs und dem Beckmesser, die doch ein wesentliches Interesse aa 
demselben haben, mit eigenthümlicher Hartnäckigkeit nicht gesehen 
werden, respective nicht gesehen werden wollen, obgleich es kaum 
fünf Schritte von ihnen entfernt ist, erinnert an die Conventionellen 
Operntexte und ist Wagner's unwürdig. 

Der dritte Act ist derjenige, welcher die grössten Schönheiten, 
die freundlichste Abwechslung bietet. Wir durchlaufen hier in ver- 
hältnissmässig kurzer Zeit eine ganze Reihe von Gefühlen und ge- 
rade hier müssen wir es bewundern, wie R. Wagoer es versteht, 
auch im Text den Effect zu concentriren. Das macht uns kein 
Mensch weiss, dass man das so nach und nach lernen könne ; dazu 
bedarf es des ingeniurris das nur eine gütige Fee als Pathenge- 
schenk in die Wiege zu legen pflegt ; denn da ist Kunst und Natur 
zu gleicher Zeit thätig. Die Scene auf dem Festplatz ist von den 
Künstlern des Münchner Hoftheaters so reich ausgestattet, ist so 



— 102 - 



getreu nach den alten Ueberlieferungen gehalten, dass ans die Zeit 
lebhaft vor dem Auge steht, aus der uns eine kurze Oeschichte er- 
zählt wird. Das alte Nürnberg, wie es leibt und lebt, tritt vor uns, 
kunstsinnig, lebenslustig, stark und stolz, wie es das Bewusstsein, 
eine deutsche freie Reichsstadt au sein, mit sich brachte. Jubel 
und Ausgelassenheit an allen Orten und doch augenblicklich wieder 
Ordnung und Verehrung, da die Meister kommen, welche in der 
Kunst wie in der Stadt das Regiment führen. Und wenn der Wett- 
kampf zwischen dem von der Aftermuse grossgezogenen Säugling 
und dem von dem warmen Hauche der Poesie durchwehten Manne 
gezeigt wird, denken wir lebhaft an ein anderes Bild, an R. Wag- 
ner'a Kämpfe gegen die Mittelmässigkeit, an die ganze Klerisei, 
welche seinen reformatorischen Bestrebungen nur ein leichtes Achsel- 
zucken, seinem Aposteleifer nur die bequemer Gewohnheit ent. 
sprossene Verneinung entgegengesetzt hat. Ja Walther von Stolzing, 
der es versuchte, neue Gedanken in neue Formen zu kleiden und 
dadurch so grossen Unwillen und Widerstand weckte, ist uns Richard 
Wagner selbst. 

Der Inhalt des Textes ist kurz folgender: Ritter Walther 
von Stolzing liebt Evchen, die schöne Tochter des Goldschmieds 
F o g n e r von Nürnberg. Dieser letztere, ein übereifriger Meister- 
singer, erklärt in der Singschule, dass er beschlossen habe, sein 
Kind dem zur Frau zu geben, welcher im Kunstgesang vor allem 
Volk den Preis errang. Nun gilt es also, dass Stolzing den ge- 
stellten Forderungen entspreche. Sein erstes Debnt bringt ihm bei 
deu Meistersingern keine sonderlichen Lorbeeren und diese erklären, 
er habe „versungen und verthan;" denn sie begriffen seine neuen 
Formen und Weisen nicht. Dass Evchen neugierig ist, wie es 
ihrem Herzallerliebsten ergangen, wird man um so mehr begreifen, 
wenn man weiss, dass sich um ihre Hand auch noch der Stadt- 
schreiber Beckmesser, ein Kerl ohne Kopf und Herz, bewirbt, 
der bei den Meistern aber in absonderlicher Gunst steht und von 
ihnen sogar zum M erk er erkoren wurde. Von ihrem Vater erfährt 
Evchen nichts Rechtes und sucht desshalb HansSachs auf, ihren 
alten Verehrer; dem streicht sie so lange um den Bart, bis sie zu 
ihrem Schrecken herauskriegt, dass der Junker keine Hoffnung habe, 
vor den Meistern zu bestehen, denn alle ausser ihm (Sachs) hätten 
sich über seine neue Art zu singen geärgert. Das ist dem Evchen 
vorläufig genug, und da der Ritter unter ihrem Fenster erscheint, 
und an sie die Zumuthung stellt mit ihm zu entfliehen, macht sie 
nicht lange Einwendungen und entscbliesst sich rasch zur That, 
die nur durch das Auftreten des Hans Sachs, der ihr Zwiegespräch 
belauscht hatte, und des Beckmesser, der dem Mädchen ein Ständ- 
chen bringen will, verhindert wird. Im Hause des Evchens dient 
Magdalene, Evchens Amme, in welche David, Sachsens Schuster- 
junge, verliebt ist. Der meint, das zarte Ständchen gelte seiner 
Braut und er prügelt den abendlichen Sänger windelweich, der 
Scandal wächst, es bilden sich Parteien und der Strassentumult 
wird erst geendet, da die Weiber aus den Fenstern — Giesskannen 
giessen; mit der Anzeige des Nachtwächters, dass es elf Uhr ge- 
schlagen habe, schliesst der zweite Act. Ritter Walther hat sich 
bei Hans Sachs einquartirt und da vortrefflich geschlafen. Im dritten 
Acte nun erzählt er seinem Wirthe, was er geträumt und dieser 
beeilt sich, die Verse niederzuschreiben. Als er geendet und sich 
das Paar entfernt hatte, kommt Beckmesser, der in grosser Aufregung 
ist, weil ihm, wie es so manchem Andern auch geht, nichts einfällt. 
Missmuthig und seufzend durchstreicht er die Werkstätte des verse- 
kundigen Schusters. Da fällt sein^Blick auf das Manuscript und 
ihn durchzuckt sofort ein Annezionsgelüste, das da und dort auch 
in unserer Zeit noch nicht aus der Mode gekommen ist. Unglück- 
licher Weise bemerkt der eben eintretende Hans Sachs den Dieb- 
stahl schnell und Beckmessers Bitten nachgebend, dass er (Sachs) 
sich nie als Dichter dieser Verse nennen wolle, beruhigt der Schuster 
den Stadtschreiber. 

Dem Fräulein Evchen, weiss Gott woher ihr die Kunde ge- 
kommen sein mag, wird aber bekannt , dass Stolzing bei Sachs 
wohne und sie hat am Johannestag, wo also die ganze Angelegen- 
heit zum Schluss kommen soll, nichts Eiligeres zu thun, als dum 
Hans Sachs einen Besuch zu machen. Als Vorwand hiezu mrisste 
die Klage dienen, dass sie der Schuh drücke; Sachs merkt bald, 
wo sie der Schuh drückt, und leistet, ein zweiter Wolfram von 



Eschenbach, zu Gunsten seines Freundes Verzicht auf des Mädchens 
Liebe. Walther aber findet nun in Evchens Anwesenheit die Schluss- 
strophe seiner Traumweise und Sachs begeht die feierliche Taufe 
der letzteren, wobei David, der zum Gesellen gemacht wird, als 
Zeuge und Evchen als Pathe fungirt. Hier entwickelt sich jenes 
Quintett, auf welches wir in unserem Referat noch weiter zu sprechen 
kommen. 

Die Scene verändert sich. Aus der schmucklosen Schuster* 
werkstätte treten wir auf die Festwiese, wo sich das Volk schon 
drängt und an Tanz und Musik ergötzt. Einzelne Innungen mit 
ihren Standarten ziehen vor, Gäste aus Fürth kommen, es herrscht 
ein buntes, lustiges, ja ausgelassenes Leben. Wie die Meistersinger 
am Festplatz anlangen wird es ruhig. Hans Sachs vom Volke freu- 
digst begrüsst, verkündet Zweck und Folge des beutigen Sänger- 
wettkampfes und die Menge harret ruhig der Dinge, die da kom- 
men sollen. 

Beckmesser hat den Platz eingenommen, auf dem er sich die 
Braut ersingen soll ; er steht da oben, eine rechte Jammerfigur und 
das Volk hat schon im Vorhinein kein Vertrauen auf seine Poesie. 
Da beginnt er. Was er aber singt, ist Unsinn, die Worte, die er 
auf dem Papiere von Sachs geschrieben fand, verdreht er und deutet 
sie falsch und die Zuhörer befällt Staunen und Verwunderung, die 
sich jedoch bald in allgemeines rücksichtsloses Gelächter auflöst. 
Er stürzt beschämt von seinem Platze und beschuldigt den Haus 
Sachs, dass er es gewesen, der diese Verse geschmiedet. Sachs 
aber unterrichtet das Volk, dass hier nur die Worte verdreht wurden 
und er beruft sich dess zum Zeugen auf den Ritter Stolzing, der 
in den Kreis tritt, und das Lied singt, wie es sein soll. Da ist das 
Volk des Lobes voll und erschüttert mit Beifall die Luft. Gerührt 
aber legt Pogner die Hand seiner Tochter, die den Sänger krönte, 
in die des Ritters; als man jedoch den glücklichen Singer mit den 
Insignien der Meistersinger ehren will, verwahrt er sich energisch 
dagegen, da er von diesem kalten Formenwesen, das bei den Meis- 
tern in so hoher Achtung steht, wenig zu halten sich unterfängt. 
Da aber ergreift Hans Sachs die Partei der Beleidigten, spricht ein 
Wort zu Gunsten der Meistersingerkunst und weist den Ritter zu- 
recht, der schnell sein Unrecht einsieht und sich geduldig decoriren 
lässt. Mit einer Apotheose der deutschen Kunst schliesst die Oper. 

Das ist die Handlung der Novität, gewiss interessant genug, 
um zu spannen, gewiss schön genug, um zu erfreuen. Wiederum 
ist es ein echtnationaler Zug, welcher den Text durchweht uud der 
deutsche vaterländische Character macht uns das Werk doppelt em- 
pfehlenBwerth. 

Die Partien sind folgendermassen vertheilt: Hans Sachs, Schuster 
(Bariton) — Hr. Betz aus Berlin; Veit Pogner, Goldschmidt, (Bass, 
— Hr.Bausewein; Fritz Kothner, Bäcker, (Bass) — Hr. Fischer; 
(die übrigen Meistersinger übergehen wir, als ganz kleine Partien), 
Walther von Stolzing (Tenor) — Hr. Nach bau er, der seit dem 1. 
Mai au der Münchner Hofbühne engagirt ist; David, Sachsen's 
Lehrbube (Tenor) — Hr. Schlosser, der längere Zeit beim Thea- 
ter in Augsburg gewesen; Sixtus Beckmesser, Schreiber (Bass) — 
Hr. Hölzl aus Wien; Eva, Pogners Tochter (Sopran) — Fräulein 
M a 1 1 i n g e r ; Magdalene, Eva's Amme (Mezzosopran) — Frau D i e z ; 
ein Nachtwächter (Bariton) — Hr. Ferdinand Lang (Schauspieler). 
Den Chor der Lehrbuben bilden die jüngeren Mitglieder des männ- 
lichen und weiblichen Singpersonals. 

Nur wo sich solche Munificenz findet, wie sie unser König für 
die Waguer'schen Ideen und Werke stets zur Schau getragen bat, 
ist es möglich, das schwierige Opus in solcher Vollendung vorzu- 
führen, wie das in der Hauptprobe geschehen. Seit Monaten er- 
halten die Gäste hohe Gagen, seit Monaten leidet das Repertoir 
unter den Proben, denn diese bildeten die Richtpunkte für dasselbe. 
Es mögen etwa fünfzig tausend Gulden sein, um welche das Ver- 
gnügen erkauft wird, die Meistersinger dreimal auf der Münchner 
Hofbühne zu seheu. — Solche Thatsachen, ehren die Majestät, die. 
keinen Gefallen an Offenbach und Ballet, aber desto mehr an den 
echtdeutschen und musikalischen Dramen Wagner's findet. 



- 103 - 



COBHB8POHDENZEN. 



Aus Stuttgart, 

Im Juni 1868. 

T. Das Programm des alljährlich durch den „Liederkranz" un- 
ter W. Speidel's Leitung abgehaltenen Schillerfestes enthielt 
heuer ausser dem herkömmlichen Lin dpa int ner' sehen Früblings- 
liede noch eine Cantate von Hetsch, worin so ganz der rechte 
einfache, für Festlichkeiten im Freien zweckmässige Ton getroffen 
ist, dann die drei M e n d e I s s o h n'schen Frühlingslieder, Silcher's 
schottischen Bardengesang und Schlottere r*s Ostermorgen für 
achtstimmigen Männerchor, ein zwar etwas nüchternes aber immer- 
hin achtbares Werk. Bei der Instrumental-Begleitung wirkten Mit- 
glieder der Hofcapelle, bei den gemischten Chören zahlreiche Damen 
aus dem Singverein und Conservatorium mit, und ein heiterer Him- 
mel that das Seine, um das Fest vollkommen gelingen zu lassen. 

Unsere Eofbübne beschenkte uns mit einer Novität, nämlich 
mit Gounod's „Romeo und Julie," welche einen ganz günstigen 
Erfolg hatte. Die Musik ist, mit fast alleiniger Ausnahme der lei- 
digen Walzerarie, ohne welche es in Paris einmal nicht zu gehen 
scheint, edel und fein gehalten, voll interessanter Details in Instru- 
mentirung und Harmonik, die gar wohlthuend an Schumann und 
die deutschen Neuromantiker überhaupt gemahnen; Mercutio's Lied 
von der „Fee Mab" dürfte hinter dem Berlioz'schen Muster nicht zu- 
rückbleiben ; die Balkonscene und das Notturno, das Lied des Pagen, 
der erste Balletsatz und die Gruftscene sind höchst gelungene Num- 
mern, während dagegen der Eampfchor allzusehr an den Spottchor in 
den „Hugenotten" erinnert. Die Vergleiche mit „Faust fallen freilich 
überwiegend zu Gunsten des letzteren aus, dessen gesunde urwüch- 
sige Natursprache, wie sie die Bearbeiter mit Kecht wo möglich 

beibehalten hatten, sich dem Tondichter fast von selbst in Musik 
umsetzte. Dagegen war die gleiche Treue gegenüber der Shakes- 
peare'schen Diction insofern ein Missgriff, als dessen scharf pointirte, 
an spitzfindigen Gleichnissen und Antithesen überreiche Sprache den 
Componisten zu minutiösen Ausdüfteln einlud und die Melodie nicht 
zu freiem Fluge kommen liess ; was schon zu sprechen grosse Mühe 
uud Geschicklichkeit erfordert, singt sich um so schwerer und wird 
vom Hörer um so weniger verstanden. Ueberdies waren bei der 
ersten Aufführung noch keine Textbücher zu haben, und entging 
dem Publikum so das Verständniss vieler fein empfundener Stellen. 
Die Einstudirung unter A b e r t war äusserst sorgfältig und liebe- 
voll; Fräul. Klettner sang und spielte die Julia mit 'südlichem 
Feuer, das jeden andern Romeo , als Hrn. Zinkernagel gewiss 
erwärmt und fortgerissen hätte ; diesem schien jedoch weder der dra- 
matische Character noch der musikalische Inhalt seiner Partie hin- 
länglich klar zu sein ; seine guten Momente im zweiten Acte wur- 
den durch Detoniren beeinträchtigt, und nach einem verhängniss- 
vollen Ueberschreien im dritten Act war seine Kraft gänzlich 
gebrochen. Vortrefflich sind Hr. Bertram (Mercutio), Fräulein 
Schütky (Page) und Hr. Robicek (Lorenz«) , nicht minder die 
HH. F. Jäger, Schütky und R o s n e r in ihren kleineren 
Partien, endlich Chor und Orchester, und ihren Verdiensten zumeist 
ist die Erhaltung dieses immerhin schätzbaren Musikdramas für un- 
sere Bühne zu verdanken. 

Am 25. Juni wird der „Verein für classische Kirchenmusik" 
noch H ä n d e l's „Athalia" aufführen und am 1. Juli der „Sänger- 
verein 4 die Nachsaison mit einem Sommerconcerte schliessen, dessen 
Programm u. A. Schumann' s Cyklus „Frauenliebe" und zehn 
Volkslieder für Chor und Doppelqu irtett aus den jüngst erwähnten 
„Stimmen der Heimath* enthält. Dann ist der Rest vorläufig 
Schweigen ; vielleicht kann ich Ihnen von anderwärts her berichten, 
wenn ich etwas Interessantes vorfinde ; einstweilen vergnügte Ferien! 



Aus Mannheim« 

Am 7. Juni kam auf hiesiger Bühne zum erstenmale „Ruy 
Blas," Oper in 4 Aufzügen, frei bearbeitet nach Victor Hugo's 
gleichnamigem Drama von Theodor Heigel, Musik von Max 
Zenger, zur Aufführung. Ehe wir auf eine Besprechung des mu- 
alkalischen Theils eingehen, schicken wir ein Verzeichniss der Haupt- 



personen sowie eine ausführlichere Angabe des Inhalts der Oper 
voraus. Maria Anna von Neuburg, Königin von Spanien; Her- 
zogin von Terranova, Oberhofmeisterin; Casilda, Hofdame 
und Vertraute der Königin; Don Alvar de Bazan, Don Cesar 
de Bazan, sein Vetter, spanische Granden; Don Guritan, Cer- 
monienmeister ; R u y B 1 a s. Ausser diesen noch Hofherren und ein 
Wirtb. Die Handlung begibt sich zu Ende des 17. Jahthunderts 
in Madrid und deren Umgegend. Zu Anfang des ersten Acts, wel- 
cher vor dem königlichen Lustschloss Buen Retizo bei Madrid 
spielt, befindet sich das Volk vor demselben, um die zu einem dort 
stattfindenden Hoffeste geladenen Gäste ankommen zu sehen ; nach, 
kurzer Zeit tritt Don Alvar de Bazan auf, welcher, bisher der Mäch* 
tigste am Hofe, nun verbannt durch die Königin, „mit der er kurze 
Zeit getändelt," auf Rachepläne sinnt; er trifft vor dem Schlosse 
seinen Vetter Don Cesar, welcher im Begriff den in dasselbe ein- 
ziehenden Gästen sich anzuschliessen, wegen seiner Banditen-Klei- 
dung von den Dienern zurückgewiesen wurde ; Don Cesar, nun den 
Nameu Zafari führend, erzählt dem über dessen niedrige Kleidung 
erstaunten Alvar, wie seine früheren glänzenden Verbältnisse sich 
zum Gegentheil gewendet, und beschliesst den des Geldes Bedürf- 
tigeu zu seinem Racheplan zu benützen, zugleich aber auch ihn 
zu beseitigen, um seinen Plan ungestört ausführen zu können. Er 
bittet ihn zu diesem Zwecke, ihm auf kurze Zeit seinen Namen zu 
leihen und verspricht ihm dafür reiche Belohnung. Nach Abgang 
der Beiden tritt Ruy Blas auf, in schwärmerischem Erguss von 
seiner Liebe zur Königin sprechend, ihn erkennt der von Alvar 
wieder zurückkehrende Don Cesar, welchem Ruy Blas das Geheim- 
niss seiner Liebe anvertraut, sowie, dass er durch Alvar emporge- 
hoben, zum Künstler gebildet worden. Alvar belauscht die Beiden 
und erkennt in Ruy Blas das Werkzeug seiner Rache, welchem er, 
„heute noch mächtig„ Reichthum und Macht verspricht. Das Heran- 
nahen der Königin führt zuerst den Cermonienmeister auf die Scene, 
welchem, erstaunt über die Anwesenheit des bereits verbannten Al- 
var, dieser in Ruy Blas seinen Vetter Cesar de Bazan vorstellt, 
mit der Bitte, denselben der Königtn zu empfehlen. Diess geschieht, 
nachdem Letztere erschienen ist, worauf sie Ruy Blas unter seinem 
durch Alvar fingirten Namen huldvoll empfängt. Ruy Blas ergiebt 
sich, innerlich widerstrebend, seinem neuen Geschicke. — Der zweite 
Act führt uns in die Gemächer der Königin im Palaste zu Madrid. 
Nach kurzer Anwesenheit der Hofdamen befindet sich dieselbe allein 
um sich dem Gebete zu weihen, doch die Stimmung dazu wird ge- 
stört durch ein noch unklares Liebessehnen ; Casilda, ihre Vertraute, 
die Stunde des Gebets vorüber wähnend, tritt ein, um sie durch 
Gesang und der Laute Klang zu erheitern. Die Königin spricht 
die Befürchtung aus, Casilda durch Werbung eines Edelmanns bald 
zu verlieren, worauf diese ihr erzählt, wie sie, von eines Frechen 
Hand entführt, von einem unbekannten Jüngling befreit worden, 
den* sie nach ihrem Erwachen aus der Betäubung nicht mehr ge- 
funden, auch dessen Namen sie nicht erfahren können, und schliesst 
mit dem Bekenntnisse, nur diesem angehören zu wollen. Casilda, 
der Königin trauervolle Stimmung, mit der sie selbst sympathisirt, 
bemerkend, sucht sie durch ein, Beziehungen auf unerkannte Liebe 
enthaltendes Lied zu zerstreuen, das jedoch nur ihre Schwermuth 
erhöht, worauf die Königin verspricht, sich ihr ganz anzuvertrauen ; 
da tritt die Oberbofmeisterin ein, um einen Abgesandten des Königs 
anzukündigen, welchen alsdann der Cermonienmeister, nachdem er 
ihn als für den Dienst bei der Königin bestimmt erklärt, in der 
Person des Ruy Blas einführt. Es beginnt hier ein spannendes En- 
semble, in welchem Casilda ihren Retter erkennt und zugleich die 
Liebe der Königin zu demselben bemerkt, während Ruy Blas sich 
von der Erfüllung seines ungehofften Liebesglücks überzeugt, und 
die Oberhofmeisterin sowie der Ceremonienmeister, das neue Ver- 
hältniss ahnend, sich in angemessener Entfernung gegenseitig darüber 
aussprechen. Die Königin, in Ruy Blas den Geliebten erkennend, 
entfernt sich verlegen und bestürzt, und Casilda, allein zurückblei- 
bend, fasst den Entschluss, ihrem kaum gefundenen Geliebten aus 
Liebe zur Königin zu entsagen, und diesem, den sie durch ein sol- 
ches Verhältniss von Gefahr bedroht sieht, ein schützender Engel 
zu sein. " (Fortsetzung folgt.) 



— 104 - 



Aus Paris. 

12. Jant. 

In diesem Augenblick sind hier nicht weniger als zwölf Thea- 
ter geschlossen und dieser Tage werden noch mehrere andere Büh- 
nen diesem Beispiele folgen. Wem fiele es auch ein, bei drei and 
dreissig Grad Wärme im Schatten ein Theater aufzusuchen? Die 
Directionen legen indessen nicht die Hände in denSchooss; sie be- 
reiten vielmehr eifrigst ihr Repertoir für die kommende Saison 
Tor. Die grosse Oper wird den „ Sigurd* von Ernest Beyer 
zur Darstellung bringen. Der Direetor dieser Anstalt hat auch dem 
Herrn D u p r a t o die Composition eines von Victorieu S a r d o u 
und Du L o c 1 e verfassten Textbuches anvertraut. — Gevaert 
arbeitet fleissig an seinem »&*<£;" doch wird dies Werk, das eben- 
falls für die grosse Oper bestimmt ist, nicht so bald vollendet sein. 

Das italienische Theater hat Fraschini, Delle 
S e d i e und Tamberlick engagirt, und da Adelina Patti 
erst gegen Ende der künftigen Saison auftritt, so wird sie durch 
Ida von Murska ersetzt werden. Diese Sängerin, eine Schü- 
lerin der Frau Maren es i, die bekanntlch längere Zeit in Paris 
an der Spitze einer Gesangscbule stand, ist vor einer Reihe von 
Jahren zuerst in einigen Goncerten im Solle Beethoven aufgetreten 
und hat sich dann schnell einen Namen gemacht. Die Direction 
des Satte Ventadour baut grosse Hoffnungen auf diese Künstlerin. 

Das Schicksal des Thäätre lyrique scheint endlich entschieden. 
Es wird nämlich aus guter Quelle versichert, dass Pasdeloup 
die Leitung dieser Anstalt übernimmt. Ein Capital von 500,000 Frcs. 
ist ihm zur Verfügung gestellt, und zwar wie es heisst, von dem 
Seinepräfecten Herrn Haassmann. Möge Pasdeloup glücklicher sein 
als sein Vorgänger Carvalho, der nach langen Mühen und Nöthen 
sich mit einem Ungeheuern Defizit von der Direction zurückziehen 
musste. 



m » 



Mach richte 



München. Die erste Aufführung der „Meistersinger von Nürn- 
berg" bat am 21. Juni, von 6 bis 11 Uhr Abends dauernd, stattge- 
funden und die Aufnahme der Oper war eine sehr glänzende. Der 
König berief den Componisten, R. Wagner, beim Beginn der 
Aufführung zu sich in die grosse Kaiserloge, wo dieser an der Seite 
seines königlichen Protectors die ganze Oper anhörte. Wagner und 
die Darsteller der Hauptrollen wurden schon nach dem ersten Acte 
gerufen, doch erschienen nur die letzteren auf der Bühne. Erst 
nach dem 2. Acte, als Wagner wiederholt stürmisch gerufen wurde, 
trat er an die Brüstung der Loge vor und verneigte sich dankend 
gegen das Publikum. Auch am Schlüsse der Oper fand stürmischer 
Hervorruf statt. Die Aufführung unter der Direction H. v. Bülow's 
war eine durchaus gelungene. 

Altenburg. Bei der vom 18. bis 23. Juli dahier stattfindenden 
„Tonkünstler - Versammlung" werden folgende Werke von Vereins- 
mitgliedern zur Aufführung kommen: „Liebesmahl der Apostel" von 
R. Wagner; der 13. Psalm, der 137. Psalm, „Festgesang an die 
Künstler," Fuge über den Namen BACH und Lieder von Fr. Liszt. 
Kyrie von Theodor Seh n ei d e r ; Motette von G. Re b lin g; 
Motette auf das Reformationsfest von D. H. E n g e 1 ; zwei altdeut- 
sche Gesänge, Hymnus, Allegro für Orchester und Lied von W. 
Stade; „Loch Lomond" (schottischer See), sinfonisches Fantasiebild 
von F. Thieriot; Andante aus einer Suite für Orchester von Hu- 
d e r t i ; Trio für Pianoforte und Streichinstrumente von W. S p e i d e 1 ; 
Octett für Streichinstrumente von G. Hermann; Quartettsatz für 
Streichinstrumente von C. v. Radecki; Arie aus der Oper: »Der 
Held des Nordens" von C.Götze; Violoncellconcert von F. G r ü t z- 
macher; Fuge für zwei Pianoforte von G. Zopff; Nocturno und 
Scherzo für zwei Pianoforte von C. Thern; Stücke für Violoncell 
von G. Huber; Lieder von A. Hörn, E. Büchner, O. Bolck, 
Ph. Rufer. Ausserdem sollen zur Aufführung kommen : Requiem 
(zum 1. Male vollständig in Deutschland) und Sinfonie fantastique 
von H. B e r 1 i o z ; Messe von Palestrina; Motette : „Jesu, 
meine Freude," Orgel-, Violin- und Gesangwerke von Seb. Bach; 
„Acis und Galatea" von G. F. Händel; Arie aus dem „Stabat 



mater" von C 1 a r i ; Psalm von B.Marcello; zwei geistliche Lieder 
von Beethoven; sinfonische Etüden von R. S ch u m a n n. AI» 
Dirigenten funetioniren : Universitätsmusikdirector Dr. Langer 
und Mttsikdirector Riedel aus Leipzig, sowie Hofcapellmeister 
Dr. Stade in Altenburg. An den Chören betheiligen sich : der 
Ried eigene Verein, und der Pauliner Universitätsgesangverein von» 
Leipzig, sowie die Altenburger Singakademie. Das Orchester be- 
steht aus der herzoglichen Capelle in Altenburg, verstärkt durch 
Mitglieder der Welker'schen Stadtmusikcapelle daselbst, der herzgK 
Capelle in Dessau uud vielen anderen auswärtigen Künstlern. 

London. Das grosse Händelfest im Crystalpalasto nahm am 
15. d. M. mit der Aufführung des „Messias" von Händel seine» 
Anfang. Es wohnten derselben 19,000 Zuhörer bei. Das letzte- 
Concert, in welchem Händel's „Israel" zur Aufführung kam, war 
von 21,000 Personen besucht. 

Leipzig, 20. Juni. Der Rath der Stadt Leipzig hat heute Hrn. 
Professor Richter, zur Zeit verdienten Lehrer des hiesigen Conser- 
vatoriums, zum Cantor an der Thomasschule ernannt. Leipzig darf 
sich zu der getroffenen Wahl gratuliren, zumal durch diese musi- 
kalische Autorität der alte Ruhm des Cantorats zu St. Thomä in, 
würdigster Weise erhalten bleibt. 

— Zum Zwecke der Uebernahme der Direction unseres Stadt» 
theaters sind Unterhandlungen mit H. Laube im Gange. 

Wien. L. A. Z e 11 n e r, der Redacteur und Herausgeber der 
„Blätter für Theater, Musik etc.," ist zum Professor des General- 
basses am Conservatorium der „Gesellschaft der Musikfreunde" er- 
nannt worden. , 

— Die Pianistin Frl. Constanze S h i v a aus Wien ist in» 
heuriger Saison zum ersten Male in L o n d o n aufgetreten und zwav 
mit entschiedenem Erfolg. 

Innsbruck. Am 15. Juli feiert der Innsbrucker „Musik-Verein'* 
seine 50jährige Stiftungsfeier, bei welcher Gelegenheit Vormittags 
in der Universitätskirche feierlicher Gottesdienst mit Aufführung 
der C-dur-Messe von Beethoven und Abends ein grosses Fest- 
concert im k. k. Nationaltheater stattfindet, in welchem Händel'» 
„Samson" mit grossartiger Besetzung vorgeführt wird. Die Partie 
des Samson bat Herr B o h 1 i g vom Hoftheater iu Schwerin 
übernommen. 

V* Die Brüder A n to n und Ni co 1 aus Rubin stein werden 
in Wien erwartet; ersterer will in Odessa, der andere in den 
steierischen Alpen den Sommer zubringen. 

*** G o u n o d's „Romeo und Julie" ist in Baden-Baden 
mit wenig Erfolg in Scene gegangen. 

%* Der neuernannte Direetor des Actien-Volkstheaters in M ü n- 
chen, JohannScbweiger, eine dort seit vielen Jahren aecreditirte 
Persönlichkeit, hat seine betreffenden Functionen bereits angetreten» 

*** In C a s s e 1 starb am 12. Juni Hr. Carl L u ck h a r d t„ 
Chef der bekannten dortigen Musikalienhandlung dieser Firma. 



AN ZEIGEN. 



Verlag von B. Schott'a Söhnen in Mainz. 



Sinfonien für grosses Orchester, Partitur. 

Neue billige Ausgabe in 8* auf das Sorgfältigste von anerkann- 
ten Künstlern revidirt. 

N° 1. Op. 21 Preis n. fl. 1. 48 kr. Thlr. 1. - Sgs. 

„ 2. „ 36 „ n » 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

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Die lte, 2te, 8te und 9te Sinfonie sind bereits ausgegeben, die» 
übrigen werden nach und nach im Laufe des Sommers folgen, 

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Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck ». Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



jt* 99. 



6. Juli 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



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Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co. 



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INHALT : Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg." — Das 45. Niederrheinische Musikfest. — Das Lutherfest in Worms. — Cor- 
resp. : Mannheim. — Nachrichten. 



Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg" 
von R. Wagner in München am 21. Juni. 

(Fortsetzung.) 

Wir haben nun die „Meistersinger" dreimal gesehen und ge- 
hört und unser Uhrtheil über den Werth und die Bedeutung der 
Oper festgestellt. Es ist etwas ganz Neues, was Wagner in diesem 
Werke begonnen und wie jede Neuerung wird auch das Wagniss 
verleumdet und verketzert werden. Die Wiener Presse hat darin 
bereits das Mögliche geleistet und alles Gift, das sie angesammelt 
hat, goss sie bereits nach der ersten Aufführung aus. Und doch ist 
es — unserer Anschauung nach — auch dem geübtesteu Musik- 
kritiker unmöglich, das Werk vollkommen zu würdigen und zu be- 
urtbeilen, wenn man es ein einziges Mal gehört. Der Ciavierauszug 
gibt nur die schwachen Conturen von dem grossartigen, farbenrei- 
chen Gemälde, das R. Wagner hier vorführt uad mau muss sich 
dasselbe genau betrachten, wenn man es verstehen will. 

Das Vorspiel, ein Schatzkästlein der Orchestrirungskunst, ent- 
hält die verschiedenen Motive, welche die einzelnen Personen und 
die Vorgänge in der Oper characterisiren. Sie treten auf, bekämp- 
fen sich uud schliessen ab in der kunstvollen Weise, wie wir das 
Von Wagner zu hören gewohnt sind, bald klingt der festlich heitere 
Marsch, der die Meistersinger zeichnet, bald schnarrt Beckmessers 
süssliche, affectirte Weise darein und mit innigem Vergnügen lauscht 
dann die Seele wieder dem poetisch-duftigen, in der Schönheit sei- 
ner Linie wunderbaren Lied des Junkers Stolzing. Es ist ein rei- 
zendes Bild, gemalt aus Tönen, voll Leben, voll dramatischer 
Spannung. 

Der feierlich ernste Choral der Gemeinde, womit die Oper be- 
ginnt, und der halb katholisch, halb protestantisch klingt, wird bald 
durch den profaneu musikalischen Dialog zwischen Evchen, Mag- 
dalene und dem Junker verdrängt. Hier finden wir bereits die Ele- 
mente jener wenigen Motive, mit denen Wagner seine Oper gebaut 
hat. Wir bewundern die Gewandtheit der Phrase, die Schönheit, 
wie er skandirt, doch lässt sich nicht leugnen, dass das Quartett 
etwas zu lang ausgedehnt ist. — In dem darauf folgenden Duett 
zwischen David und dem Junker, das nur hie und da von dem 
Chore der Lehrjungen unterbrochen wird, zeigte der Componist seine 
Kunst zu characterisiren und gerade die vielverschrieene Stelle, da 
David die unterschiedlichen Weisen , die bei den Meistern im 
Schwange sind, aufzählt, gibt den Beweis dafür. Man muss es hö- 
ren, wie er aphoristische Phrasen für das Orchester erfindet, welche 
oft nnr mit drei, vier Noten den Character der aufgezählten Weise 
klar und deutlich aussprechen* Die frische lustige Melodie zu den 
Worten : 

„Das Blumenkränzlein aus Seiden fein, 
Wird das dem Herrn Bitter beschieden sein?" 
muss selbst dem orthodoxesten Freund absoluter Musik ^gefallen. ■ 

Die Ankunft 1 der Meister ist vom Orchester bereits signalisirt. 
Gleich die ersten Worte, die P o g n e r singt, repräsentiren eine 
Würde und eine stolze Manneskraft) die uns für ihn und Seines- 



gleichen einnimmt. Dagegen ist Beckmesser, der Merker der 
freien Singergenossenschaft, vom Componisten unbarmherzig behan- 
delt. Die ganze Liebe des Autors wendet sich dem Stolzing» zu. 
Seine Partie ist unsrer Anschauung nach in Stimmung und Haltung 
nobler und brillanter als jede andre, selbst die des Hans Sachs 
mitiubegriffen ; sie bietet einem Tenoristen, der zu spielen versteht 
und dabei Geschmack uud Anstand besitzt, reiche Gelegenheit sich 
Lorbeeren zu pflücken. Wir sehen den Junker jetzt unter die Mei- 
ster treten und hören, dass er von ihnen verlangt, in ihre Zunft 
aufgenommen zu werden. Wieder erklingt das Motiv, welches die 
Ankunft der Meister bezeichnet. Von eigeuthümlicher Wirkung sind 
die kurzen Parlandostellen Beckmesser's „Er gefällt mir nicht — 
Was will der hier? Wie der Blick ihm lacht! - Holla! Sixtua ! 
Auf den bab Acht !" — Die Melodie, in welcher Poguer die Schön- 
heit des Johannistages schildert, zeichnet sich durch ihre prächtige 
Klangfarbe und durch eine in den neueren Schöpfungen Wagner*« 
selten gewordene Breite und Gliederung aus. Die lange Bede be- 
webt, wie der Dichtercomponist es versteht, derartige Nummern le- 
bendig zu machen ; die Kunst mit dem Gegenmotiv zu wirken und 
dieses von einem Becitativ ablösen zu lassen, das wieder von dem 
schou früher gehörten Motiv verdrängt wird, zeigt sich hier in wahr- 
haft brillanter Weise. Seine ersten Sporen verdient sich Hans Sachs 
mit den Worten : »Ein Mädcheuherz uud Meisterkunst — erglüh'n 
nicht stets von gleicher Brunst." Er zeigt sich schon da als den 
Vermittler zwischen den Meistern und dem Junker und seine musi- 
kalische Ausdrucksweise leidet nicht au derselben Starrheit und Un- 
beholfenbeit, wie sie die der Meistersinger characterisirt, wenn sie 
sich auch nicht der geschmeidigen Eleganz rühmen kann, welche 
die Partie des Stolzing so angenehm auszeichnet. Es liegt bei aller 
Würde ein eigenthümliches Wohlwollen, eine rührende Biederkeit, 
eine herzliche Innigkeit über all dem ausgegossen, was Sachs zu 
singen hat und selbst die Lichtfunken des Humors glänzen da und 
dort wie die Gluthwürmchen in der Johannisnacht. 

Bitterlich und von edler Würde ist das kurze Orchesterspiel, 
unter welchem Pogner den Junker den Meistern vorstellt, eine köst- 
liche Perle dagegen die Erzählung Stolzings wie er Dichter geworden. 
Der ganze Zauber romantischer Poesie klingt durch diese Weise; 
es ist ein Lied so frisch wie Morgenluft im Wald, und doch so 
träumerisch süss wie ein Klang aus ferner Jugendzeit. Und wie 
interessant weiss Wagner diese Melodie zu instrumentiren, welch 
ein Beiz der Harmonisirung, welch ein characteristisches Colorit in 
der Instrumentation! Der aufmerksame Zuhörer wird ferner die 
geistvollen Combinationen bewundern, welche sich gerade an dieser 
Stelle anhäufen. 

Und wie fein zeichnet er die einzelnen Meister! Wie schön 
characterisirt er z. B. den Nachtigal, diesen Mann, der bedächtig 
und langsamen Geistes hinterher kommt 

„Merkwürd'ger Fall!" 

Es ist Schade, dass diese Feinheit nicht beachtet zu werden 
pflegt, weil der Sänger, der den Stolzing gibt, kurz vorher von der 
Menge mit Beifall überschüttet wird. Unser Theaterpublikum hat 



— 106 - 



es noch immer nicht gelernt, seine Gunstbezeugungen bis «um 
Schluss des Acts zurückzuhalten und so kommt es, zumal bei Wag- 
ner, der keine lärmenden, eigens dem Beifall Baum gebende Nach- 
Bpiele geschrieben, das» manche schöne Stelle unter dem zu früh 
ausgebrochenen Beifallssturm verloren geht. 

Die Melodie, in welcher Eothaer die leges tabulaturae erklärt, 
repräsentirt in ihrer steifeu, wie aus eckigen Eiseustangen zusammen- 
gefügten Construction die Pedanterie der Siogschule und das „fanget 
an," mit welchem Walther sein Probelied beginnt, steht in wunder- 
barem Contrast zu dem „Fanget an! 4 des Merkers. Es ist in die- 
sem Liede eine ergreifende Steigerung, die noch wächst, da das 
Ensemble einfällt. \^ie ein Stern aus zerissenen Wolken tritt, so 
klingt es mild und freundlich aus den wilden Lärmen, der den 
Stolzing ganz bedeckt und vergräbt: 

„Dahin zur grünen Vogelweid, 

Wo Meister Walther einst mich freit." 

Das ist in Kürze eine Blumensammlung aus dem ersten Acte, 
uud wir gedenken in derselben Weise auch in der nächsten Nummer 
der „Süddeutschen Musikzeitung" uns über die andern zwei Acte 
auszusprechen. (Fortsetzung folgt.) 



Das 45. Niederrheinische Musikfest in Cöln, am 
31. Mai, I. und 2. Juni .*) 



(Schluss.) 
Aus dem was ich über das diesjährige Musikfest in Cöln bis 
jetzt referirt habe, wird man ersehen, dass dasselbe, wenn auch 
nicht alles Gebotene den Stempel der höchsten Vollkommenheit trug, 
sich dennoch der langen Reihe seiner Vorgänger in würdigster 
Weise anschliesst und in den Annalen der Niederrh. Musik-Feste 
eine ehrenvolle Stelle einnehmen wird. Dass auch das Interesse 
für diese schönen Feste auf Seite des Publikums nicht abgenommen 
hat, sondern im Gegentheil beständig wächst, dafür lieferte der 
ausserordentliche Zudraug von Zuhörern zu den drei Concerten den 
besten Beweis. Noch nie war dieser Zudrang in Cöln so gross ge- 
wesen wie diesmal, so dass Hunderte der von auswärts herbeigeeil- 
ten Musikfreunde entweder gar keinen Platz für die Concerte im 
Saale erhalten konnten und sich daher mit Anhörung der Proben 
begnügen mussten, oder auf der Gallerie bei 38 Grad Reaumur ihre 
bis zum Heroismus gesteigerte Künstliche zu betbätigen Gelegenheit 
fanden. Auch von nahmhaften Tonkünstlern und Kritikern hatte 
sich wieder ein so bedeutendes Contingent eingestellt, dass es nicht 
wohl möglich ist, sie alle anzuführen, indem man in dem grossen 
Gewühle natürlicherweise manchen derselben gar nicht zu Gesichte 
bekam. Die meisten derselben hatten sich am Sonntag Morgens 
in den Salons des Hrn. Capellmeisters H i 1 1 e r zusammengefunden, 
wo man somit Gelegenheit fand, neben der Begrüssung alter Be- 
kannten auch die interessantesten neuen Bekanntschaften aus der 
Kunstwelt aller Länder zu machen. Es sind mir als anwesend fol- 
gende Festgäste aus der genannten Kategorie bekannt geworden: 
Die Capellmeister und Musikdirectoren: Taubert aus Berlin, 
Schmitt a. Schwerin, Levy a. Carlsruhe, Rein thal er a. Bremen, 
Müller a. Frankfurt a. M., Grimma. Münster, B a r g i e l a. 
Amsterdam, Bruch a. Sondershausen, Brambach a. Bonn, Breu- 
n u n g a. Aachen, Tausch a. Düsseldorf, Krause a. Barmen, 
Schornstein a. Elberfeld, Hasenclever a. Coblenz, Samuel a. 
Brüssel, Pasdeloup a. Paris, Otto Goldschmidt a. London, 
*4oubre a. Lüttich, Domcapellmeister Fi« eher a. Brüssel, Rei- 
ter a. Basel; die Componisten und Virtuosen: Bf ab ms, Hol a. 
Utrecht, L. Brassin und Kufferath aus Brüssel, W a r n o t s 
und Schubert vom Conservatorium in Brüssel, Lamoureux aus 
Paris, O c k 1 e y, Musikprofessor an der Universität in Edinburg, 
Gregoire aus Antwerpen, Stock hausen aus Hamburg, A s a- 
s ch e w s k i aus Russland und endlich die Kritiker und Heraus- 
geber musikalischer Zeitschriften: Van Baalen, Leroy, 8 malt, 
Ehrlich, fi rßf", Frederix, welche sämrotlich den Proben und 
Aufführungen jgstt&ttteresse und Ausdauer beiwohnten. In dem Ver- 



zeichnisse der mitwirkenden Instrumentalis ten fiudeu wir diesmal 
weniger Namen von Künstlern aus weiter entfernten Städten als 
dies sonst wohl der Fall war, allein die Aufführungen haben be- 
wiesen, dass die rheinländischen Städte instrumentale Kräfte von 
hinlänglicher Anzahl und Befähigung stellen, um von einer grös- 
seren Ausdehnung der Einladungen nach weiteren Entfernungen hin 
absehen zu können, selbst wenn man die Kostenfrage dabei ganz 
aus dem Spiele lassen wollte, was doch auch wohl nicht uubedingt 
der Fall sein kann. 

Indem ich nun am Schlüsse meines Berichtes nochmals sämmt- 
lichen Mitwirkenden, insbesondere dem verdienstvollen Leiter F e r d. 
Hill er, für ihren liebevollen Eifer uud für ihre bewuudernswertke 
Ausdauer, welche zu so schönen Resultaten führteu, die unbeding- 
teste Anerkenuuug und zugleich den aufrichtigsten Dank für die 
eben so reichlichen als erhebenden Kunstgenüsse ausspreche, bleibt 
mir nur noch übrig, die Eingangs meines Berichtes versprochenen 
kurzen Notizen über Entstehung und Fortgang der in ihrer Art 
einzigen Niederrh. Musikfeste aus der von Hrn. Hauchecorne 
in Düsseldorf, einem der Grüuder dieser Feste, herausgegebenen 
Brochüre („Blätter der Erinnerung an die 50jährige Dauer der 
Niederrh. Musikfeste, • Cöln, im Verlag der M. Dumont-Schauberg- 
schen Buchhandlung) nachzutragen. 

Bei Gelegenheit eines im November 1817 zu Elberfeld 
von dem dortigen Musikdirector uud Organisten J. Schornstein 
veranstalteten Coucertes faud die erste Verabredung zu einem Mu- 
sikfeste in Düsseldorf statt, welches denn auch zu Pfingsten 
1818 daselbst stattfaud. Ausser Schornstein, welcher als erster 
Begründer der in Rede stehenden Musikfeste zu betrachten ist, be- 
theiligten sich an den Verabredungen und Vorbereitungen für das 
erste derselben die HH. C. Heck er, W. Simons, Willeinsen 
und Plat z ho f f von Elberfeld, sowie die HH. Gebrüder Wetschky, 
von Woriugen juu., CasparyuudHaucbecorue von Düssel- 
dorf. Die Feste alteruirteu zwischen Elberfeld und Düssel- 
dorf, bis im Jahre 1821 Cöln hinzutrat, welche Stadt schon 
1824 ihr zweites Musikfest feierte, bei welcher Gelegenheit auch 
A a ch e n mit in deu Kreis der festgebenden Städte aufgenommen 
wurde, und im Jahre 1825 unter Leitung von Ferd. Ries sein 
erstes Musikfest ausführte . Die geuannten vier Städte alternirten 
nun in Veraustaltuug der Feste, bis Elberfeld nach seinem 1827 
treffenden Turnus wegen Mangels eines passenden Locals für die 
unterdessen immer grösserer Theiluahme sich erfreuenden Feste sei- 
nen Austritt aus dem Verbände erklärte, so dass vom Jahre 1832 
an (1831 fand kein Fest statt) die drei Städte Cöln, Aachen 
und Düsseldorf bis zum Jahre 1847 regelmässig in Begehung 
der Musikfeste alternirten. In den Jahren 1848, 1849 und 1850 
fielen die Feste der damaligen politischen Verhältnisse wegen aus, 
wurden 1851 von Aachen wieder aufgenommen, und nachdem Cöln 
1852 wieder aussetzte weil wegen Umbau des Gürzenich sich keine 
passende Localität beschaffen Hess, bis 1857 zwischen Düsseldorf 
und Aachen alternirend fortgesetzt. Im Jahre 1858 trat Cöln mit 
seinem prachtvollen Gürzenichsaale uud mit dem unterdessen für 
dort gewonnenen Capellmeister Ferd. H i 1 1 e r als Dirigent wieder 
glänzend in die Reihe der festgebenden Städte ein. Im Jahre 
1859 fiel das Düsseldorf treffende Musikfest aus nicht klar gewor- 
denen Gründen aus, doch von 1860 an fanden dieselben abwechselnd 
in den genannten drei Städten regelmässig statt, so dass in diesem 
Jahre, dem fü n fzig st en seit ihrer Gründung, das 45. der Musik- 
feste iu Cöln stattfand. Von diesen 45 Festen fallen 3 auf Elber- 
feld, 13 auf Cöln, 13 auf Aachen und 16 auf Düsseldorf. Die bei 
den sämmtlichen Musikfesten als Dirigenten thätig gewesenen Künstler 
sind folgeude : C. Breunung (lmal), Norbert Burgmüller (4mal), 
H. D o r u (2mal), Otto Golds chmidt (2mal), Ferd. H i 1 1 e r (7mal), 
Bernard Klein (lmal), Cour. Kreutzer (lmal), Leibl (lmal), 
Lindpaintner (2inal), Fr. Lachner (lmal), Fr. Liszt (lmal), 
Frl. Mendelssohn-Bartholdy (7mal), Onslow (lmal), Reis- 
siger (lmal), Ferd. Ries (8mal), Jul. Rietz (6mal), Friedr. 
Schneider (lmal), S ch ornst ei n (3mal), Rob. Schumann (lmal), 
L. 8 p o h r (2mal), 8 p o n t i n i (lmal), Jul. T a u s ch (3mal), Fr» 
Wüllner (lmal). 



•) Siebe dir Nr. 23, 24 u. 25. 



- 107 - 



Das Lutherfest In Worms. 



Die Tage des 24., 25. und 26. Juni versammelten in der alten 
Rheinstadt Worms eine unzählbare Menge von Gästen aus Nah 
find Fern zur Begehung eines Festes, das wir nicht als eiu im en- 
gern Sinn confessionelles, sondern im Hinblick auf die ausser- 
ordentlichen Verdienste eines der grössten Männer deutscher Nation, 
Dr. Martin Luther's, dessen Denkmal in diesen Tagen enthüllt 
wurde, als ein nationales bezeichnen müssen. Nachdem durch eine 
Beihe von Jahren dis ausgezeichnetsten Kräfte sich bemüht hatten, 
•die Idee zu verwirklichen, gerade in der Stadt, wo Luther vor dem 
Reichstage seine Glaubenslehre vertheidigt hatte, demselben ein 
würdiges und grossartiges Denkmal zu errichten, kam endlich der 
Tag heran, wo dasselbe in Gegenwart von deutschen Fürsten und 
einer grossen Anzahl von Männern, die den verschiedensten Bran- 
chen der Wissenschaft und Kunst angehören, feierlichst enthüllt 
werden sollte, und es war nicht auders denkbar, als dass auch die- 
jenige Kunst, welche Luther so von ganzem Herzen liebte und eif- 
rig pflegte, die „h eilige Musica," sich an der Verherrlichung 
des Festes betheiligte. Die ausführliche Mittbeilung über die An- 
ordnung und den Verlauf desselben selbstverständlich aussermusi- 
kalischen Blättern überlassend, wollen wir ausschliesslich nur von 
•der musikalischen Betheiligung an demselben in diesen Blättern 
berichten. Znr Einleitung der Enthüllungsfeier auf dem Festplatze 
war eine dafür sehr geeignete Composition V. Lachner's, » Worte 
des 66. Psalm" für vierstimmigen Männerchor mit Begleitung von 
Blechinstrumenten gewählt, zu deren Ausführung unter Leitung des 
Musikdirectors Steinwartz aus Worms zahlreiche Männergesang- 
vereine aus Heidelberg, Mannheim, Speyer, Worms, Mainz, Darm- 
stadt zusammengetreten waren, uud eine Gesammtzahl von 200 
Sängern repräseutirten. Die Executirung des sehr wirksamen und 
schwunghaften Pbalm's gelang ungeachtet der nicht ganz günstigen 
wegen der dazu bestimmten Localität jedoch nicht anders zu be- 
werkstelligenden Aufstellung der Sänger in befriedigender Weise. 
Dem hierauf folgenden Vortrag von Oppermann aus Zittau, wel- 
cher das Geschichtliche der Entstehung des Denkmals besprach, 
schloss sich das „Hallelujah" aus Hän del's „Messias," vonJadas- 
« o h n für vierstimmigen Männerchor mit Begleitung von Blechin- 
strumenten eingerichtet, an. Wir können das Unternehmen, diesen 
Chor für Männerstimmen zu bearbeiten, als kein glückliches be- 
zeichnen, und zweifeln nicht, dass Jeder, der denselben genau kennt, 
dieser Ansicht beipflichten wird. So konnte er auch in solcher Ge- 
stalt, und auf grossem freien Platz gesungen, nicht die erhebende 
Wirkung machen, von der wir uns, in seiner ursprünglichen Gestalt 
ausgeführt, stets hingerissen fühlen. Weit grössere Wirkung hatte 
der dem herrlichen Moment der Enthüllung folgende, höchst passend 
gewählte und vom weitaus grössten Theil der um das Denkmal 
Versammelten in Unisono gesungene Choral „ein 1 feste Burg ist 
unser Gott." Mit nochmaligem allgemeinem Choralgesang nach der 
Uebemahme des Denkmals an die Stadt Worms durch deren Bürger- 
meister schloss die Hauptfeier dieses Tages. 

(Schluss folgt.) 



— ooo — 



CORRESPONDENZEK. 



Aus Mannheim* 

(Fortsetzung.) 
Der dritte Act beginnt mit einer Scene der Höflinge, welchen 
der Cermonienmeister verkündigt, dass die Königin sie ihrer Dienste 
enthoben und nur Don Cesar empfangen wolle. Dem Ausbruch der 
Unzufriedenheit derselben hierüber tritt der Ceremonienmeister mit 
einem Briefe Alvar's entgegen, in welchem dieser ihnen Bache ver- 
spricht, und um diese zu vollführen, sie in eine nahe Posada ein- 
ladet. Casilda belauscht zufällig diesen Plan. Buy Blas, von der 
Königin beschieden, tritt aufgeregt ein mit Zweifeln über seine 
Stellung zu derselben, die er liebt, er beschliesst auszuharren, um 
sein Volk vom Drucke des Adels zu befreien; auf die Frage der 
indessen von ihm unbemerkt herbeigekommenen Königin, welchen 
Lohn sie ihm für seine bereits geleisteten Dienste gewähren könne, 
erklärt er ihr seine Liebe, worauf die Königin, selbst übermannt 



von ihren Gefühlen für ihn, ihm dieselben offenbart. Die Scene 
verwandelt sich in die erwähnte Posada, wo wir den echten Don 
Cesar (Zafari) wieder finden, welcher der von Alvar ihm bereiteten 
Gefahr, als Sclave verkauft zu werden, entronnen, vom Wirth der 
Posada die bevorstehende Ankunft von Gästen vom Hofe erfährt, 
worunter auch „Don Cesar de Bazan" (Buy Blas); indem er sich 
vornimmt, die hier zu erwartenden Vorgänge zu belauschen, tritt 
Casilda verschleiert ein, um Buy Blas, dessen Theilnahme an der 
hier stattfindenden Zusammenkunft der Höflinge sie erfahren, zu 
warnen; Zafari, in zwar kecker, doch Zutrauen erweckender Weise 
an sie herantretend, weiss ihr Vorhaben ihr zu entlocken, und ver- 
spricht, um sich an Alvar zu rächen, ihren Geliebten aus der von 
den Höflingen ihm drohenden Gefahr zu retten. Nachdem er unter 
denselben, die sich indessen versammelt haben, Alvar erkennt, tritt 
er, zigeunerartig vermummt, mit dem Anerbieten hervor, zur Er- 
höhung der Lust ein Lied zu singen, in welchem er sofort unter 
Voranstellung einer fiugirten Person das Schicksal erzählt, das ihm 
durch seinen Vetter Alvar zugedacht war, indem ihn derselbe nach 
Tunis als Sclave verkaufen lassen wollte. Alvar, die Stimme des 
Sängers bald erkennend, sucht sich über dessen Person wieder zu 
beruhigen, und tritt an Buy Blas heran, um ihm mit höhnischen 
Worten das Ende seiner Bolle und seinen Untergang durch ihn, Alvar 
anzukündigen ; Zafari , dazwischentretend uud von den Höflingen 
erkannt, beschützt Buy Blas, welcher sich, müde seiner Maske als 
„Sohn des Volks" erklärt, gegen die Augriffe Alvars, und der Act 
schliesst unter dem Zuruf Zafari's an Buy Blas: „Ganz Madrid soll 
dir zur Seite stehn!" 

Der Anfang des vierten Acts zeigt uns Buy Blas in seinem 
Gemache, sein Spiel verloren gebend und seiner Liebe entsagend. 
Die Königin tritt mit Casilda und von dieser auf die Buy Blas 
bedrohende Gefahr aufmerksam gemacht, zu Letzterem herein. Beide 
werden von Alvar überrascht, welcher unter Vorwürfen gegen die 
Königin dieser entdeckt, dass Buy Blas von niederem Stand sei, 
und die Höflinge herbeiruft. Während diese eintreten, entfernt 
Buy Blas die Königin und leert ein Giftfläschchen. Alvar im Be- 
griff, der Königin nachzueilen, wird von Buy Blas zurückgehalten, 
und indem Ersterer die Höflinge auffordert, nachzudringen, um die 
Geliebte des Buy Blas zu finden, tritt ihnen Casilda entgegen, die 
ihre Liebe zu demselben offenbart; Alvar jeboch, durch diese Wen- 
dung nicht irre gemacht, fordert zum weitern Nachdringen auf, wo- 
ran ihn aber die durch Zafari indessen zum Schutz des Buy Blas 
herbeigerufene Volksmenge hiudert. Zafari tritt ein, Alvar zum 
Zweikampf auffordernd, in welchem dieser unter Verwünschungen 
gegen die wieder herbeigeeilte Königin fällt. Auch Buy Blas stirbt, 
begleitet von den Segenswünschen der Königin und das ausserhalb 
befindliche Volk preist ihn als Wolthäter des Vaterlands. 

Wenden wir uns nun zum musikalischen Theil der Oper, so 
finden wir, um vorerst im Allgemeinen darüber zu sprechen, in dem- 
selben ein mit bestem Erfolg gekröntes Streben nach Wahrheit im 
Ausdruck sowohl bei den dramatischen als lyrischen Partieen, eine 
sicher treffende Zeichnung der Haupt charactere in ihrer zum Theil 
weitauseiuandergehenden Individualität; aber nicht blos Wahrheit, 
sondern auch Schönheit, ohne welche die Erstere in einem Kunst- 
werk nicht gedacht werden kann, tritt uns namentlich in den Par- 
tieen der Königin, Casilda und des Buy Blas im grösseren Ganzen 
sowie in kleineren Einzelnheiten wohlthuend entgegen, während die 
am meisten dramatische Partie des kecken, lebenslustigen, dabei 
jedoch von wahrem Adel beseelten Don Cesar de Bazan in 
ihrer wohlgelungenen, theil weise derben Characteristik zuweilen eine 
gewisse Herbheit entgegenbringt, die wir gleichwohl als dieser In- 
dividualität nicht unangemessen hinnehmen. Der Componist neigt 
sich, wie die meisten bedeutenderen Tonsetzer der Neuzeit, ganz 
besonders in den lyrischen Momenten seiner Oper der Wagner'scben 
Bichtung zu, wodurch er stets festhaltend an richtigster und von 
feinem Gefühl durchwehter Deklamation, ohne das melodische EIe~ 
ment hintanzusetzen, seinen Zweck vollständig erreicht. 

(Fortsetzung folgt.) 



— 108 - 



iVachricliten« 



KfiBOfaeB. Rieh. Wagner ist nach der ersten Aufführung der 
«Meistersinger* nach der Schweiz zurückgekehrt, am sich dort mit 
allem Eifer der Vollendung seiner „Nibelungen" zu widmen. Nach 
4er vorletzten Probe für die Aufführung der „Meistersinger" hielt 
Wagner an sämmtliche mitwirkende Künstler eine herzliche An- 
sprache deren ungefähren Inhalt wir hier mittheilen wollen. „Sie 
haben mir Alle eine grosse Freude bereitet," begann er, „und ich 
will Ihnen sagen, was das zu bedeuten hat." Er führte dann an, 
dass nach S ch i 1 1 e r 's Ausspruch immer die Künstler selbst die 
Schuld getragen hätten, wenn die Kunst gesunken sei, doch wolle 
er jetzt uicht untersuchen, was etwa noch für andere Ursachen bei 
ihrem Verfalle mitgewirkt, jedenfalls könne aber die Kunst nur 
durch die Künstler selbst wieder gehoben werden. Wenn auch die 
Oper einen Theil der Schuld des Verfalles der theatralischen Kunst 
trage, so sei hiefür nicht die deutsche Oper, sondern die schlechte 
Nachahmung ausländischer Froducte verantwortlich. Er ging hierauf 
auf sein Werk Über, dessen gediegene Ausführung die Aufgabe aller 
Mitwirkenden sei, erwähnte die musikalischen Schwierigkeiten des- 
selben, welche von allen Betheiligten in so vorzüglicher Weise über- 
wunden worden seien, während dieselben sich nicht minder als vor- 
treffliche Darsteller erwiesen hätten und gerade darin, dass nach 
beiden Richtungen hin so Treffliches vollbracht werde, liege das 
Ausserordentliche der gesammten Leistung. Dass Jeder an seiner 
Stelle und nach Maass seiner Aufgabe zum Gelingen des Ganzen 
mitgewirkt habe, erfülle ihn mit den schönsten Hoffnungen für die 
Wiedergeburt der deutschen Kunst. Wiederholt seine volle Befrie- 
digung aussprechend, schloss er seine Ansprache, welche von den 
Mitwirkenden mit begeistertem Zurufe erwiedert wurde. 

Leipzig. Am 18. Juni fand im neuen Theater ein Concert zum 
Besten des Mendelssohn-Denkmals statt. Zur Aufführung 
kamen unter der bewährten Direction des Hofcapellmeisters J. Rietz 
die Ouvertüre zur „Athalia," Ouvertüre „Meeresstille und glückliche 
Fahrt," die Reformations-Sinfonie, zwei Lieder, gesungen von Frau 
Joachim, Violinconcert, gespielt von Hrn. Joachim, sowie Oc- 
tett, sämmtliche Compositionen von Mendelssohn, und ausser- 
dem eine Arie aus „Orpheus" von Gluck, gesungen von Frau 
Joachim und Adagio aus dem 9. Violinconcert von S p o h r, vor- 
getragen von Hrn. Joachim. 

Paris. Am 20. Juni starb dahier die Gattin und treue Lebens- 
gefährtin des berühmten Violinvirtuosen H. Vieuxtemps. 

ZweibrÜCken. Am 4., 5. und 6. Juli findet in unserer Stadt 
ein grosses Musikfest statt, welches von den Instrumental- und Vo- 
calvereinen verschiedener Städte der Rbcinpfalz unter Mitwirkung 
der Frl. Marianne Lüdecka, Hofopernsängerin aus Carlsruhe, so 
wie der HH- Augustin R u f f, Concertsänger aus Mainz, Ed. M e r t k e 
Pianist aus Mannheim und Otto Freiberg, Hofmusiker aus Carls- 
rulre und unter der Leitung des hiesigen Musikdirectors Hrn. Ama- 
deas Maczewski ausgeführt werden wird. Das Programm des 
ersten, am 5. Juli in der grossen Reitschule stattfindenden Concertes 
enthält: 1) Ouvertüre zu „Iphigeuia in Aulis* von Gluck; 2) Mo- 
tette für Chor und Orchester vonJ. Haydn; 3) Sinfonie in C-moll 
von Beethoven; 4) „Ode auf den Cäcilientag" für Soli, Chor and 
Orchester von G. F. Händel, die Soli gesungen von Frl. Lüdecke 
und Hrn. Ruff. Das zweite Concert, am 6. Juli, ist der Kammer« 
musik und Solovorträgen gewidmet, uud findet im Fruchthall-Saale 
statt. 

*** Ueber die erste Aufführung der „Meistersinger" sagt ein 
französischer Kritiker im Temps u. A. : „Das Stück ist mit einem 
Luxus und einer Sorgfalt in Scene gesetzt, welche beweisen, dass 
in München und unter König Ludwig II. R. Wagner Alles vermag 
was er will. Die Sänger, die er bezeichnet hat, sind überall recru- 
tirt worden. Die Aufführung war sehr schön und der sehr geräusch- 
volle Sieg des Maestro ist ihm, diesmal wenigstens} nieht streitig 
gemacht worden. Die „Meistersinger" enthalten unbestreitbar schöne 
und gewaltige Partien. Die Opern Wagner*s tragen überdies ein 
spezifisch deutsches Gepräge, und dies ist unstreitig einer der Gründe 
ihres Erfolges in Deutschland, wie es meiner Ansicht nach immer 
auch eine Schwierigkeit für ihren Erfolg in Ausland sein wird. 
Einzelne Stellen der Oper werden gefallen und sogar sehr gefallen ; 
aber um die Oper im Ganzen gemessen zu können, mnss man nieht 



nur „Wagnerianer," sondern überhaupt und vor allem Deutscher 
sein. 

*** In Boston existirt jetzt ein Conservatorium für Musik 
nach dem Muster des Leipziger. Es strebt dahin, diejenige Ausbil- 
dung in der Musik, die sonst nur in Europa erlangt werden konnte» 
auch in Amerika möglich zu machen. Unter den Lehrern befinden» 
sich 16 Deutsche. Die Anstalt hat es in einem Jahre auf 1414 
Schüler und Schülerinnen gebracht und liefert in periodischen öffent- 
lichen Concerten, in denen die begabtesten der Unterrichteten auf- 
treteu, die erfreulichsten Proben ihrer Fortschritte. 

*** In Petersburg scheint es nun Ernst zu werden mit 
der Aufführung des „Lobengrin," indem die Rollen dafür bereits 
vertheilt sind und zwar an die Damen Solowioff und P 1 a t o- 
n o f f und an die HH. N i k o 1 s k y und Kondeatjeff. Die- 
Aufführung wird in der nächsten Herbstsaison der russischen Oper 
stattfinden. 

*** Hr. Beck vom Hofoperntheater in Wien gastirt gegen- 
wärtig mit glänzendem Erfolg in Frankfurt a. M. 

*** Die k. Intendanz in Berlin hat eine neue Oper: „Fritbjof*" 
von Bernhard Hopffer zur Aufführung angenommen. 

* m * Frl. Leon off ist von kommendem Juli an am k. Hofthea- 
ter in München engagirt. 

%* Meyerbeer's „Afrikaneriu" ist in New-Orleans unter 
grossem Beifall bereits fünfmal zur Aufführung gekommen. 

*** Der Tenorist S o n t h e i m ist für ein neues Gastspiel an» 
Hofoperntheater in Wien, welches im Monat Juli stattfinden soll, 
engagirt worden. 

*** Der Bassist Bausewein in München bat einen neuen, 
zehnjährigen Contract erhalten. 

*** Die neue Oper „Am Runnenstein" von F 1 o t o w und G e n e e 
ist bereits ins französische übersetzt und soll zur Eröffnung des 
The'dtre lyrique in Paris dort aufgeführt werden. 

*** Das Münchener Hoftheater wird vom 1. bis 31. August 
geschlossen bleiben. 

*** In Paris starb kürzlich der Musikverleger und Componist 
Alphonse Leduc plötzlich im Alter von 65 Jahren. 



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„ 4. „ 60 „ „ „ 2. 42 „ „ 1. 15 , r 

„ 5. „ 67 , „ » 2. 42 „ „ 1. 15 „ 

„ 6. „ 68 paatorale . ,, „ » 2. 42 „ „ 1. 15 „ 
„ 7. „ 92 . . . * . „., „ 2. 42 „ „ 1. 15 » 

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17. Jahrgang. 



JHP 28. 



13. Juli 1868. 



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INHALT: Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg." — Das Lutherfest in Worms. — Corresp. : Mannheim. — Nachrichten. 



Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg" 
von R. Wagner in München am 21. Juni. 

(Fortsetzung.) 

Wenn sich nach einer kurzen Einleitung der Vorhang zum 
zweiten Male erhebt, erklingt das heitere „Johannistag ! Johannis- 
tag !" mit seinem lustig wiegenden Rythmus. Die Scene mit den 
Lehrbuben, welche für David durch die plötzliche Erscheinung 
seines Meisters so unangenehm endet, zeichnet sich in ihrer Gesammt- 
haltung durch die Lustigkeit der Stimmung und Lebendigkeit der 
Zeichnung aus. Nun tritt Herr Pogner mit seiner Tochter auf; er 
ist wortkarg und nachdenklich , es will ihm die Geschichte von 
heute früh mit dem Bitter in der Singschule nicht aus dem Kopfe. 
Ein schönes Motiv, welches erst das Hörn bringt und dann von der 
Clarinette weitergeführt wird, characterisirt die Stimmung und ver- 
mehrt die Spannung. Bei der Unterredung zwischen Evchen und 
ihrem Vater hören wir wieder in geistvollen neuen Combinationen 
die Motive, welche sowohl die Meistersinger wie den Junker Stol- 
zing repräsentiren. 

Das kurze Duett zwischen Evchen und Magdalena hat ausser 
dem knappen Vortrag keinen Werthj von besonderer dramatischer 
Wirkung aber sind die darauffolgenden Parlandi, welchen wir in 
dem Dialog zwischen Sachs und David begegnen: „David. Schafft 
ihr noch Arbeit? Sachs. Kümmert dich das? — Was stehst noch ? 
David. Schlaft wohl Meister ! S a ch s. Gut Nacht !" 

Die lyrische Situation der nächsten Nummer hätte dem Com- 
ponisten Gelegenheit gegeben, sich als melodienreicher Maestro Lor- 
beeren zu erringen ; Wagner verzichtet darauf und gestaltet dafür 
ein reizendes Bild des Kampfes und Widerstrebens zwischen Talent 
und Arbeit, zwischen Broderwerb und idealer Anlage, er zeichnet 
den Poeten dem das Schusterhandwerk wieder einmal nicht schmeckt : 
das Lied Stolzing's liegt dem Sachs in der Seele und klingt dort 
nach und quält und reizt durch seine Ungezwungenheit und Na- 
türlichkeit den sonst so formenstrengen Meister. 

Aus dieser in ihrer Farbenpracht so schönen Situation kommen 
wir in andre, die wir ihrer Stimmung wegen ebenfalls ausserordent- 
lich hoch schätzen. Evchen, das von ihrem Vater über den Aus- 
gang der Singprobe ihres Junkers nichts Genaues erfahren konnte, 
sucht ihren alten Freund Sachs auf und bemüht sich auf Umwegen 
von ihm etwas Sicheres über die für sie so wichtige Angelegenheit 
zu erfahren. Schon die Einleitung zu dieser Scene ist ein kleines 
Cabinetstückchen der Instrumentationskunst. Und Schritt für Schritt 
sich steigernd, die anrouthige Schalkhaftigkeit Evchens illustrirend, 
die andrerseits zum Theil wieder von dem gutmüthigen Humor 
Sachsens parirt wird, dem die Geschichte etwas verdächtig vor- 
kommt, spiegelt die Musik die vielen Nuancen der Stimmung in 
klarem Bilde wieder. Gerade diese Scene ist so recht geeigen- 
«chaftet, die Intentionen der Wagnerischen Compositionsweise zu 
kennzeichnen: die Musik ist ihm nicht Selbstzweck, sie dient ihm 
"wie das Wort und wie die CoulisBe des Malers nur dazn, die Wir- 
kung der dramatischen Darstellung zu erhöhen j wer „Musikstücke* 



sucht, bemüht sich vergebens ; wer aber auch von der Oper die 
Erfüllung ernster Aufgaben fordert und sich nicht mit der melo- 
diösen Zeichnung hundertmal anderswo schon gesehener gleichheit- 
licher Stimmungen begnügt, wer überhaupt eine dramatische Musik 
auf der Bühne hören will: der wird sicher ein freundlicheres Wort 
für Wagner*s Meistersinger haben, als wir esTag für Tag aus dem 
Mund unserer orthodoxen Musikfreunde hören, welche ohne die Oper 
nur gesehen zu haben, kurzweg über dieselbe absprechend urtheilen, 
der wird dem ernsten Streben des Componisten alle Ehre zollen, 
wenn er auch da und dort nicht mit dessen Anschauungen überein- 
zustimmen vermag. 

Das kurze Duett zwischen Evchen und Magdalene hat einige 
pikante Stellen ; wir erinnern Beispiels halber an die Musik zu den 
Worten „Hihi! 's war feinl" — 

Weniger Geschmack fanden wir an dem Duett zwischen Eva 
und Walther: es ist etwas alltäglicher Natur und wir hätten nichts 
dagegen, wenn die ganze Nummer gestrichen würde. Von da an 
begegnen wir überhaupt mehrern Stellen, von denen wir glauben, 
dass ihr Abstrich im Interesse der Wirkung der Oper läge. 

Beckmessers Ankunft auf der Bühne ist vom Orchester längst 
signalisirt, er erscheint unter dem Fenster Evchens, aber in dem 
Augenblick, da er sein Lied singen will, hebt Sachs, der die beab- 
sichtigte Flucht Evchens und Walthers dadurch zu hintertreiben 
sucht, seinen Gesang an „Als Eva aus dem Paradies — von Gott 
dem Herrn Verstössen* (bekanntlich ein von Sachs selbst geschrie- 
bener Text). Es gibt nun eine weit ausgesponnene, der Kürzung 
bedürftige Scene zwischen Sachs und Beckmesser, wobei letzterer 
schliesslich fürchterlich Prügel bekommt. Dabei steht das liebende 
Paar unter der Linde vor dem Hause Pogners und sieht und hört 
müssig dem grässlichen Spektakel in seiner nächsten Nähe zu. 
Die meisterhafte contrapunctistische Arbeit Wagners, welche er in 
dem Finale vorführt, entschädigt nicht für die schrecklichen Qualen 
welche -das menschliche, an solche Attentate nicht gewohnte Ohr 
hier ertragen muss ; das ist ein Balgen und Schreien und Lärmen, 
welches trotz der hohen persönlichen Anwesenheit von vielen hun- 
dert Schusterjuugen am Kampfplatz, welche sonst berühmt sind in 
solcher Musik, im Leben nicht vorkommt. Mehrere Minuten dauert 
dieses Geschrei: da öffnen sich die Fensterläden und von den ver- 
schiedenen Etagen der Nachbarhäuser giessen die Frauen Wasser 
auf die erhitzten Streitenden und im Nu ist die öffentliche Ruhe 
hergestellt. Wie dieses geschehen, kommt der Nachtwächter und] 
der langgezogene Ton seines Hornes tönt in den stillen Gassen, auf 
denen der Mondschein liegt. In einer besänftigenden, nach dem 
Höllenlärm von vorhin ungemein wohlthuend wirkenden Melodie 
klingt die Musik aus, der Mond steigt höher am Himmel herauf, 
die Strassen liegen schläfrig, aus dem Hintergrund bebt sich in 
scharfen Umrissen die Burg und der Vorhang sinkt langsam. So 
in entschiedenen Gegensätzen sich bewegend endet der zweite Act. 

(Schluss folgt.) 



— 110 - 



Das Eiiitlierfest In Worms. 

(Schluss.) 

Die am folgenden Tage, 26. Juni, stattfindende Nachfeier bestan d 
ausser einem am Morgen desselben durch Hauptpastor Dr. Baur 
aus Hamburg gehaltenen Schlussgottesdienst auf dem Festplatze, 
aus der Aufführung des Oratoriums „Paulus von Mendelssohn. 
Die Wahl dieses Werkes war eine dem Cbaracter des ganzen Festes' 
▼ollkommen entsprechende, und die Ausführung desselben unter der 
höchst umsichtigen und präcisen Leitung V. Lachner's eine im 
grossen Ganzen wie in allem Einzelnen wahrhaft gelungene und 
▼orzügliche. Zur Uebernahme der Solopartieen waren treffliche, und 
als solche zum Theil längst aufs vorteilhafteste bekannte Kräfte 
gewonnen worden, Fräulein Hedwig Scheuerlein aus Magde- 
burg (Sopran), Fräulein Hausen aus Mannheim (Alt), Herr Dr. 
Gunz aus Hannover (Tenor), Herr Carl Hill aus Schwerin (Bass) 
und Herr Ditt aus Mannheim (Bass). In Frl. Scheuerlein lernten 
wir eine mit ansprechender, klangvoller Stimme begabte, für ora- 
torisohen Gesang entschieden geeignete Sängerin kennen, welche 
durch ihren Vortrag das wünschenswertheste Verständniss dieser 
Musikgattung documentirte. Von grosser Innigkeit war derselbe 
namentlich in der Arie „Jerusalem." Dasselbe haben wir auch von 
Frl. Hausen zu rühmen, welche durch die Alt-Arie „doch der Herr 
verläset die Seinen nicht" eine tiefergreifende Wirkung hervorbrachte. 
Die Leistungen der Herrn Gunz und Hill sind allgemein so bekannt 
und gewürdigt, dass wir uns eines näheren Eingehens in dieselben 
entheben zu dürfen glauben, doch gedenken wir noch speciell des 
trefflichen Vortrags der Cavatine „Sei getreu bis in den Tod" durch 
Herrn Gunz, dem sich das begleitende von Hrn. Hofmusikus K ü n- 
di n g e r meisterhaft gespielte Violoncell-Solo würdig anschloss, sowie 
der feurigen Wiedergabe der Arie „Vertilge sie, Herr Zebaoth" und 
der demuthsvollen Auffassung der weitern „Gott sei mir gnädig," 
durch Herrn Hill. 

Die Chöre, bei welchen sich die Gesangvereine von Heidel- 
berg, Mannheim, Speyer, Frankenthal, Alzey, Worms, Mainz, Darm- 
stadt und Frankfurt sehr zahlreich betheiligt hatten, wurden mit 
der wünsch enswerthesten Präcision und feiner Nüancirung vorge- 
tragen ; während die kräftigen Chöre, wie der Eingangschor, ferner 
„dieser Mensch hört nicht auf zu reden Lästerworte," „Steiniget 
ihn," vor allen aber „Mache dich auf," welcher eine electrisirende 
Wirkung hervorbrachte, höchst lebensvoll gesungen wurden, waren 
wir nicht weniger befriedigt von der gleichmässigen Weichheit des 
Tons bei dem Choral „Dir Herr, dir will ich mich ergeben" sowie 
bei den Chören „Siehe , wir preisen selig die erduldet" und „der 
Herr wird die Thränen von allen Angesichtern abwischen." Haben 
wir hier nur Chöre des ersten Theils in den beiden angeführten 
Beziehungen rühmend erwähnt, so können wir unsern Ausspruch 
auch auf jene des 2. Thoils als eben so gültig übertragen; und 
nachdem wir noch der wirksamen Festigkeit des Knabenchors für 
den Choral in dem Chor „Aber nnser Gott ist im Himmel" die 
verdiente Anerkennung gezollt, müssen wir noch constatiren, dass 
die Aufmerksamkeit und Kraft des Chors bis zu Ende des Oratoriums 
sich vollständig gleichgeblieben ist, was um so mehr anzuerkennen 
als die Probe, welche am Vormittag etwas spät erst anfangen konnte, 
über die Mittagsstunde dauerte, während die Aufführung schon nm 
4 Ubr begann. 

Der instrumentale Theil des Oratoriums, für welchen das Hof- 
theater-Orchester von Mannheim den Hauptfond bildete, war nament- 
lich in den Streichinstrumenten durch zahlreiche Betbeiligung aus 
verschiedenen Städten stark besetzt, und bildete gegenüber dem aus 
mehr als 200 Sängern und Sängerinnen bestehenden Chor ein rich- 
tiges Verbältniss, das besonders durch die richtige Aufstellung der 
einzelnen Instrumentalpartieen erzielt wurde. Die Leistungen des 
Orchesters in Präcision, Kraft und Zartheit Hessen nichts zu wün- 
schen übrig, und schlössen sich ebenbürtig jenen des Chors an. 
Koch haben wir zu erwähnen, dass der Dirigent in richtiger Er- 
wägung des Effects für manche Stellen, namentlich bei Chorälen 
und den eine starke instrumentale Füllung fordernden Chören auch 
die Orgel zur Anwendung brachte, was bei der nur einfachen Be- 
setzung der Blasinstrumente von trefflicher Wirkung war. Die akus- 
tischen Verhältnisse der nur durch Ein Gewölbe getragenen Drei- 
faltigkeitskirche begünstigte die Wirkung des Ganzen aufs Vorteil- 



hafteste. Hatten sich schon für die Probe zahlreiche Schaaren von 
Zuhörern eingefunden, so sahen wir in der Aufführung die Kirche 
in allen Plätzen, deren Anordnung mit rühmlichster Sorgfalt getroffen 
war, vollständig gefüllt. In andachtsvoller Stille lauschten dieselben 
der Aufführung des herrlichen Werks, und wir sind überzeugt, dass 
sie in vollster Befriedigung das Gotteshaus verliessen, waren doch 
vom ausführenden Personal die besten Kräfte eingesetzt worden, um 
eine solche herbeizuführen. So fand das bedeutungsvolle Fest seinen 
Abschluss. 



*teo» 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Mannheim« 

(Fortsetzung.) 

Nach einer nicht langen, seriösen, und wirkungsvoll instrumen- 
tirten Orchester-Eiuleitung beginnt der erste Act mit einem lebhaf- 
ten, heiter erregten Chor des Volks, das die zu einem Feste bei 
der Königin herbeiziehenden Gäste in ihrer Pracht bewundert. Un- 
mittelbar an das Ende des Chors schliesst sich der Auftritt des Don 
Cesar de Bazan, welcher, von Geld gänzlich entblösst, unter dem 
Vorwande von Räubern angefallen worden zu sein, seinen Vetter 
Alvar zur Oeffnung seiner Kasse zu veranlassen beschliesst, um sich 
dann aufs Neue dem Spiel hingeben zu können. Der kecke Ton 
mit einer Beimischung von derber Lustigkeit, dessen sich hier der 
Componist zur Zeichnung dieses Characters bedient, ist während 
' der ganzen Oper in wirksamer und consequenter Weise festgehalten ; 
derselbe tritt uns sogleich wieder entgegen, nachdem der steife, auch 
durch die Musik so bezeichnete Ceremonienmeister das Volk aus 
dem Garten gewiesen, indem er demselben im Namen der Königin 
Geschenke und Festgelage versprochen, und das Volk in Dankes- 
jubel und Segenswünschen sich äussert, (Letztere in der Art eines 
kirchlichen Gesanges ausgedrückt), während Don Cesar um den Ein- 
gang ins Schloss zu erzwingen, sich mit den ihn zurückweisenden 
Dienern schlägt. Nach einem aus dem Schlosse erklingenden Tanz 
im Rhythmus des Bolero tritt Alvar (Bass) erzürnt über die gegen 
ihn ausgesprochene Verbannung auf, seiner Stimmung in einem kur- 
zen energischen, theilweise recitativisch gehaltenen Satze Luft ma- 
chend und der Königin Bache schwörend, worauf er den aus dem 
Schlosse wieder entfliehenden Don Cesar erblickt, erstaunt zwar, da 
er ihn todt geglaubt (wie man supponiren kann, durch einen von 
Alvar ihm gelegten Hinterhalt), jedoch schnell entschlossen, ihn zu 
seinem Bacheplan zu benützen, um ihn so wieder entfernen zu kön- 
nen. In einem diese Beiden wirksam characterisirenden Duett wird 
Don Cesar von Alvar durch Geld für seinen Plan gewonnen, worauf 
nach einer zarten Instrumental-Einleitung, welche namentlich ein 
bedeutungsvolles, edel erfundenes Motiv enthält, das später mehr- 
mals wieder erscheint, Buy Blas auftritt, in Becitativ und Arie seine 
schwärmerische Liebe zur Königin aussprechend. Waren die bis- 
herigen Scenen theilweise mehr declamatorisch gehalten, so ergeht 
sich die Arie meist in schönem melodischen Fluss, und bildet so 
einen wirksamen Gegensatz zu dem Vorherigen; zudem ist sie für 
den lyrischen Tenor eine äusserst dankbare Nummer. Nach dieser 
Arie erscheint wieder Don Cesar vergnügt über die von Alvar er- 
haltene Summe, erblickt seinen Freund Buy Blas, der ihm, im Be- 
citativ seine augenblickliche Lage vertraut, und von dem im Hinter- 
grunde einigen Alquazils in Betreff Cesar's Befehle gebenden Alvar 
belauscht wird. Das Becitativ steigert sich allmählig von dem Punkte 
an, wo Buy Blas sein allmähliges Emporkommen und die Entstehung 
seiner Leidenschaft, von Cesar zuweilen auf humoristische Art unter- 
brochen, erzählt, bis er endlich die Königin nennt; nach diesem 
Culminationspunkt, der auch in Betreff der Musik als solcher be- 
zeichnet werden muss, beginnt ein Terzett, mit Alvar beständig im 
Hintergrunde. Dasselbe schliesst im Wesentlichen mit der Sing- 
stimme allein ab, was die Wirkung desselben abschwächt. Noch 
im nämlichen Tempo spinnt sich, nachdem Alvar von Cesar bemerkt 
wurde, und Ersterer vorgetreten, eine leichtere halb recitativische 
Conversation fort, welche schliesslich zu einem bedeutungsvolleren 
Becitativ zwischen Buy Blas und Alvar führt, welches durch die 
unter der Musik des Bolero, wozu der Chor tritt, aus dem Schlosse 
kommenden Gäste unterbrochen wird, bis es Alvar durch den her- 



- 111 - 



l>eigeeilten Ceremonienmeister gelingt, Buy Blas der Königin vor- 
stellen zu lassen, und so seinen Plan auszuführen, wodurch aber 
such Buy Blas* Geschick entschieden ist. Unter Wiederholung des 
vorhergegangenen Chors in Verbindung mit dem vom Orchester ge- 
spielten Bolero kommt der Act zu einem lebendigen und dramatisch 
befriedigenden Schluss. 

Im zweiten Act, der von einem nicht eben bedeutenden Chor 
•eingeleitet wird, ist es zunächst eine Arie der Königin, welche 
nächst einem später stattfindenden Quartett unser Interesse am meis- 
ten in Anspruch nimmt. Hier ist es auch, wo wir den Componisten 
am entschiedensten aber auch mit bestem Erfolg der neuen Richtung 
«ich hinneigen sehen, indem er vorzugsweise sich declamirend er- 
geht, während melodische Momente seltener, dann jedoch am rich- 
tigen Ort und mit sicherer Wirkung auftreten. Wir finden dies 
durch die Situation und die Gefühle der Königin gerechtfertigt, 
welche dem Componisten auch Veranlassung geben, die Arie mit 
einem innig gefühlten Motiv emporschwingen zn lassen, und zu 
einem gewissen Abschluss zu führen ; doch wird diese Stimmung 
durch eine geschickte Wendung des Orchesters wieder abgeleitet, 
und die Königin kehrt zu dem früher unterbrochenen, dort jedoch 
nur im Orchester angedeuteten Gebet zurück, das sie nun, getragen 
durch eine ruhig bewegte Begleitung, vollendet. Da wir schon oben 
den weiteren Fortgang der Handlung besprochen haben, so ist in 
Beziehung der nun folgenden Scene zwischen der Königin und ihrer 
Vertrauten Casil da, nur zu bemerken, dass ausser einem etwas leben- 
digeren Aufschwung in der Partie der Letzteren beim Schlüsse ihrer 
Erzählung die Musik hier nichts Aussergewöhnliches bietet, doch 
müssen wir die musikalische Diction als eine fortwährend treffende 
rühmen. Das Lied, das Casilda hierauf, um die Königin zu zer- 
streuen, dieser vorsingt, ist, obwohl ansprechend, doch nicht von 
bedeutender Wirkung, und wir finden uns erst wieder besonders in- 
teressirt durch ein in der nächsten Scene befindliches Quartett. Diese 
Scene beginnt mit dem Auftritt der Oberhofmeisterin, und zwar ein- 
geleitet durch ein pomphaftes Vorspiel des Orchesters, dab uns jedoch 
an dieser Stelle zu lange und überhaupt nicht motivirt erscheint. 
Nachdem auch der Ceremonienmeister während eines kürzeren Zwi- 
schenspiels eingetreten , und endlich der von den beiden vorher 
Eingetretenen angekündigte Buy Blas unter den Klängen des an- 
länglichen Orchestermotivs sich der Königin genaht, beginnt ein 
Ensemble, das anfänglich in Einzelstellen der verschiedenen Per- 
sonen besteht, und hierauf zu einem ausgeführten Quartettsatz über- 
geht, in welchem die über diesem Moment verbreitete Spannung 
durch Anfangs kürzere, halb abgerissene Motive, welche allmählich 
mehr und mehr in gesanglichen und melodiösen Fluss kommen, sich 
erhält, bis das Quartett in einer nicht eben leichten Cadenz der 
Königin und Casilda's zum Abschluss kommt. Was sich nun noch 
anreiht, sind wieder einzelne kurze halb recitativisch gehaltene Stellen, 
und das Musikstück schliesst beim Abgang der aufs höchste erreg- 
ten Königin in sehr passender Weise mit dem schon in Buy Blas* 
Becitativ und Arie des ersten Acts enthaltenen bedeutungsvollsten 
Motiv, welches der Componist unter Figurirung der Violinen den 
Bässen und einem Theil der dieselben unterstützenden Blasinstru- 
mente zugetheilt hat, um so den Schwerpunkt der Handlung aufs 
wirksamste hervorzuheben. Unmittelbar an diesen Ausgang des 
Quintetts schliesst sich beim Wiederauftreten der von der Beglei- 
tung der Königin zurückkehrenden Casilda ein Becitativ derselben 
an, das wir zu den gelungensten der ganzen Oper zählen möchten, 
indem es die gewaltige Erregung der Casilda, die in Buy Blas ihren 
Geliebten erkannte, sowie ihre Ueberzeugung von der Liebe der 
Königin zu ihm und hieranf ihren Kampf zwischen Liebe und Ent- 
sagung zu Gunsten der Letzteren in überaus treffender Weise schil- 
dert, und es folgt, nachdem am Ende des Becitativs Casilda be- 
schlossen, zu entsagen und dem Geliebten in Gefahren schirmend 
zur Seite zu stehen, ein arioser für die Sängerin sehr dankbarer 
Satz in ruhigem Tempo voll ergebungsvoller Stimmung, der als Con- 
trast gegen das vorhergegangene höchst erregte Becitativ noch be- 
sonders wirksam ist. Der Eindruck, welchen dieser Act hauptsäch- 
lich durch die Arie der Königin, das Quintett und die zuletzt ge- 
schilderte Scene der Casilda machte, war ein entschieden günstiger, 
"was wir vom ersten Act weniger rühmen können, da der dramatische 
sowie musikalische Inhalt zum grössern Theil das Gemüth der Zu- 
hörer wenig in Anspruch nahm. (Schluss folgt.) 



laehrlehte 



Vsim. Hr. Director Behr hat dem Vernehmen nach für die> 
nächste Theatersaison Hrn. Wendelin Weissheimer als Capell- 
meister engagirt. 

MnChvn. Zum ersten Male finden in diesem Jahre an unserer 
Hofbühne Ferien statt; dieselben dauern für die Oper vom 25. Juli 
bis zum 25. August und für das Schauspiel vom l.bis zum letzten 
August, so dass also die Mitglieder beider Branchen einen vollen 
Monat Ferien haben werden. Der König hat den Maler Th. Pixis 
mit der Darstellung einiger Scenen aus den „Meistersingern be- 
auftragt. 

— Die erste Aufführung der Oper »Buy Blas" von Max Z e n ge r 
wird am 19. Juli stattfinden und sind in derselben Frl. Stehle 
und die HH. Kindermann und Vogel beschäftigt. 

LondOB. Das grosse dreitägige Händelfest, welches vorigen 
Monat im Crystallpalast zu Sydenham unter Mitwirkung von 4000 
Sängern und Instrumentalisten statt fand, hat in der Generalprobe 
und den drei Festconcerten nicht weniger als 82,465 Zuhörer gezählt* 

Stuttgart. Am 25. Juni wurde von dem „Verein für classische 
Kirchenmusik" nnter der Leitung des Hrn. Professor Faisst und 
unter Mitwirkung der Frau E Hing er, Frau Mar low, Fräulein 
Marschalk und Fräulein Schütky, sowie der Herrn Hörn und 
Schütky (sämmtlich vom k. Hoftheater) und des k. Hoforchesters, 
ferner des Organisten Hrn. Professor Tod das Oratorium „Athalia" 
von Händel in der hiesigen Stiftskirche in sehr gelungener Weise 
aufgeführt. 

Wien. Sontheim hat sein auf 12 Abende berechnetes Gast- 
spiel am 3. Juli in der „Favoritin" eröffnet. Eine von ihm beson- 
ders empfohlene Altistin, Frl. Pauli, wird Mitte dieses Monats als 
Fides, Azucena und Orsino gastiren. 

*** Fr)* Emma König ist inBremen als erste dramatische 
Sängerin engagirt worden. 

*** Die jüngst verstorbene Gattin des Geigers Vieuxtemps 
war eine geborene Wienerin, Namens E d e r, und unter diesem Namen 
vor ihrer Verheirathung in Wien, Mannheim und Cassel als Opern- 
sängerin engagirt. 

*** In Breslau starb am 23. Juni eine Celebri tat der dortigen 
Musikwelt, der 80jährige k. Musikdirector und Cantor bei St. Bern- 
hardin, G. Si egert. 

*** Die oberste Leitung der kais. Theater in Petersburg 
wird in die Hände des Geheimrath Grafen von Sollogub über- 
gehen, welcher, selbst Musiker und Schriftsteller, wohl geeignet sein 
dürfte, die ihm untergebenen Bühnen in einer der Kunst würdigen 
Weise zu lenken. 

*** Der vortreffliche Bassist Mitterwurzer in Dresden 
ist nach langer Krankheit am 23. Juni dort als Teil wieder aufge- 
treten und mit grossem Beifall aufgenommen worden. 

*** „Hamlet," bekanntlich von A. Thomas auf die Bretter 
der grossen Oper in Paris gebracht, hat nun einen singenden Bi- 
valen erhalten, indem ein Hr. Aristide Hianard ebenfalls eine 
Oper „Hamlet" componirt hat und dieselbe auf einem Pariser Thea- 
ter aufführen lassen will. 

*** Der Tenorist B o g e r wird in Prag gastiren, und Th. 
Wachtel ist nach aufgehobenem Gastspiel in Pest, wo er mit 
Jubel aufgenommen worden war, nach Hamburg an das Sterbelager 
seiner Mutter geeilt, die er aber nur noch als Leiche antraf. 

*** Der Baritonist Wallenreiter vom Hoftheater in Stutt- 
gart ist in London in vielen Concerten mit entschiedenem Erfolg 
aufgetreten. 

*** Am 23. Juni fand am ungarischen Theater in Pest die 
erste Aufführung der fünfactigen historisch - dramatischen Oper 
„Zrinyi" von Aug. v. Adelburg statt. Das Werk des talent- 
vollen und von ernstem Kunststreben durchdruogenen Componisten 
fand eine wahrhaft enthusiastische Aufnahme. 

%* In Copenhagen erlebte Bossini's „Barbier" unlängst 
die hundertste Aufführung. Die erste hatte im Jahre 1822 statt- 
gefunden. 

*** Die Direction des Theätre lyrique in Paris hat nun 
vollständig Bankerott gemacht. Die Passiva belaufen sich übet 
1,000,000 Frcs. 



— 113 - 



*** Frau Lucca wird zu ihrer Erholung sieb vom 1. Juli bis 
15. August in der Schweiz aufhalten. 

*»* Auf Veranlassung des Comics für das Wormser Lutherfest 
bat Heinrich Becker eine interessante „Kritische Beleuchtung 
des Oratoriums Paulus von Mendelssohn " geschrieben, welche im 
CommissiouBverlage von J. Stern in Worms bereits erschienen ist. 

%* Bei der bevorstehenden Tonkünstler- Versammlung 
in Altenburg werden folgende Solisten und Solistinnen mit* 
wirken: Die Damen: Frl. Anna Drechsel und Frl. Clara Mar- 
tini aus Leipzig, Frl. Louise Meyer aus Darmstadt, Frau Be* 
puschinsky aus Wien, Frl. Clara Schmidt, Frl. Angioletta 
und Frl. Emilie Wigand aus Leipzig. Die Herren: J. Brühl 
aus Wien , die Kammermusiker Cabisius und Krumbholz, 
Professor S p e i d e 1 und Hofopernsänger Wallenreiter aus 
Stuttgart, J. M. Grün und Gebr. Willy und Louis T h e r n aus 
Pest, Kammermusiker H a n k e 1 aus Dessau, Georg Hentschel 
aus Breslau, Capellmstr. Herrmann aus Lübeck, Concertmeister 
Jacobsohn aus Bremen , Hofopernsänger Krause aus Berlin, 
H. M. Meyer aus Leipzig, Kammervirtuos Simon aus Sonders* 
hausen , Capellmeister Dr. Stade, die Kammermusiker Stamm 
und Wünsch aus Altenburg. 

*** Auch in Dresden hat die Liedertafel am 19. Juni ein 
Concert zum Besten des Mendelssohn-Denkmals veranstaltet, in wel- 
chem das Loreley - Finale , die Musik zum „Sommernachtstraum, u 
„Festgesang an die Künstler" und Chöre aus „Antigone," „Oedipus" 
etc. zur Aufführung kamen, 

*** Hrn. Hofcapellmeister Neswadba in Darm Stadt ist vom 
Grossherzog die goldne Verdienst-Medaille verliehen worden. 

•** Frl. Löffler, eine Schülerin des Hrn. Mantius in Berlin, 
bat in Wiesbaden als Margarethe mit vielem Beifall debütirt. 

V Die niederländische Gesellschaft zur Beförderung der Ton- 
kunst hat am 23. Juni ihre 39. Generalversammlung abgehalten. 
Der veröffentlichte Jahresbericht handelt von den Preisaufgaben, 
welche von der Gesellschaft ausgingen, von dem Arnheimer Musik- 
fest, von den verschiedenen musikalischen Instituten und auch einem 
jungen Tenoristen zu seiner Ausbildung bewilligten peeuniären Un- 
terstützungen, sowie von den der Vereinsbibliothek durch Kauf oder 
Schenkung zugegangenen neuen Werken. 

*** Die Direction des Hamburger Stadttheaters ist Herrn 
R e i ch a r d, dem bisherigen Director, auf weitere fünf Jahre über- 
tragen worden. 

*** Wie das in London erscheinende Musikjournal „Orchestra" 
berichtet, erhielt Adelina Patti kürzlich für den Vortrag von 
zwei Opernarien in einem philharmonischen Concerte ein Ho- 
norar von 200 Pfund Sterling, und Mlle. Nil s so n, 
welche in der Generalprobe zum grossen Händelfeste mitwirkte und 
am Abende ein inem aristokratischen Cirkel einige Arien sang, rea- 
lisirte für diese beiden künstlerischen Anstrengungen nicht weniger 
als 300 Pfund Sterling! Ein solcher Tagesverdienst, erzielt durch 
blosses Singen, ruft die „Orchestra" aus, steht ohne Parallele in 
der alten und modernen Geschichte. Die berühmtesten Sängerinnen 
der Vorzeit, wie die Sonntag, Malibran, Grisi und Persiani, erhielten 
selbst im Zenith ihrer Berühmtheit und Popularität kaum den vierten 
Theil von dem, was heute den Sängerinnen der Neuzeit, einer Patti, 
Lucca oder Nilsson für die Mitwirkung in einem Abendconcert ge- 
zahlt wird. (Einem, der nur einzelne von den genannten früheren 
oder heutigen Gesangsberühmtheiten zu hören Gelegenheit hatte, 
drängt sich die Frage auf, ob nicht etwa gar die qualitativen Leis- 
tungen beider Cathegorien im umgekehrten Verhältnisse mit ihren 
respectiven Honoraren sich befinden?) 

*** Der russische Componist Dargomischsky beschäftigt 
sich gegenwärtig mit der Vollendung der Oper «Don Juan" von 
P u s ch k i n. Seine beiden Opern „Bussalka" und „EsmerakU" 
sind in Petersburg und Moskau auf dem Repertoire. 

*** Die Direction der Leipziger Bühne soll nun doch wieder 
in den Händen des Hrn. v. Witte verbleiben. 



AN ZEIG E 

Verlag von Roll. Forberg in Leipzig. 

Nova-Sendung 136S Mr. 4U 

Sehubert, F., Ausgewählte Lieder und Gesänge für eine Sing* 
stimme mit Begleitung des Pianoforte. Mit deutschem u. fran- 
zösischem Text. 
Op. 89. Winterreise. Le voyage d'hiver: Ngr* 

Nr. 24. Nr. 1. Gute Nacht, Je devais te fuir 5 

Nr. 25. Nr. 2. Die Wetterfahne. Soyez heureux 4 

Nr. 26. Nr. 3. Gefrorne Thränen. Les larmes . 4 

Nr. 27. Nr. 4. Erstarrung. L'hiver 5 

Nr. 28. Nr. 5. Lindenbaum. Le tilleul 5 

Nr. 29. Nr. 6. Wasserfluth. Le ruisseau 4 

Nr. 30. Nr. 7. Auf dem Flusse. Le torrent 4 

Nr. 31. Nr. 8. Rückblick. Moi seul j'amais 5 

Nr. 32. Nr. 9. Irrlicht. Le feu follet 27» 

Nr. 33. Nr. 10. Bast. Le repos 4 

Nr. 34. Nr. 11. Frühlingstraum. Un r6ve 4 

Nr. 35. Nr. 12. Einsamkeit. Solitaire 2 1 /» 

Nr. 36. Nr. 13. Die Post. La poste 4 

Nr. 37. Nr. 14. Der greise Kopf. J'ai cru vieiliir 2 1 /» 

Nr. 38. Nr. 15. Die Krähe. Le corbeau 4 

Nr. 39. Nr. 16. Letze Hoffnung. La dernier feuille. .... 4 

Nr. 40. Nr. 1 7. Im Dorfe. Mes rSves sont finis .4 

Nr. 41. Nr. 18 Der stürmische Morgen. La matinee orageuse. 2 1 /» 

Nr. 42. Nr. 19. Täuschung. L'illusion 2 1 /, 

Nr. 43. Nr. 20. Der Wegweiser. Le guide .4 

Nr. 44. Nr. 21. Das Wirthshaus. Poiut d asile 2 1 /, 

Nr. 45. Nr. 22. Muth. Ah! laissons pleurer les fous 4 

Nr. 46. Nr. 23. Die Nebensonnen. Regrets, 2 '/» 

Nr. 47. Nr. 24. Der Leiermann. Le joueur de vielle .... 4 

Schwanengesang. Chant du Cygne. 
Nr. 48. Nr. 1. Liebesbotschaft. Le menage d'amours. ... 5 
Nr, 49. Nr. 2. Kriegers Ahnung. Fressentiments d'un soldat. 5 
Nr. 50. Nr. 3, Frühlingssehnsucht. Le d&sir du priutemps. . 5 

Nr. 51. Nr. 4. Ständchen. Serenade 4 

Nr. 52. Nr. 5. Aufenthalt. Mon sejour 4 

Nr. 53. Nr. 6. An die Ferne. L'exile 5 

Nr. 54. Nr. 7. Abschied. Le depart 5 

Nr. 55. Nr. 8. Der Atlas. L'Atlas 4 

Nr. 56. Nr. 9. Ihr Bild. Son image 2 1 /, 

Nr. 57. Nr. 10. Das Fischermädchen. La rille du pecheur. . 4 

Nr. 58. Nr. 11. Die Stadt, La ville 4 

Nr. 59. Nr. 12. Am Meer. Au bord de la mer 2 7» 

Nr. 60, Nr. 13. Der Doppelgänger. Vision , . 2 7» 

Nr. 61. Nr. 17. Die Taubenpost. L'oiseau messager .... 5 

AMSTERDAM: Tli. J. ROOTHAAN & Cie. 

5 * Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst & £? 

^B eoe St? m^ 

P3 3K dankenswerthe Gabe , auf welche wir jeden Verehrer «8* ° 
** der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam jg ^ 

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" *°* machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) sgs • 

"** Mir. Jf. J». HEIJTJE, Ig 

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S $ Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend, §§ ' 

O * warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich * ' 

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der BEETHOVEN'schen Musik an. Möchten die deut- & +o 
« » sehen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch «| £J 
<d K machen. (AHg. Musik-Ztg.) 8 >> 

Leipzig: FB. HOFMEISTER. 
Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz, 



1*. Jahrgang. 



N* 29. 



20. Juli 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



r 1 

Diese Zeitung erscheint jeden 

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Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
lungen. 



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von 



B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



PREIS: 

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MALT: Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg." — Ein Sommerausflug des Cölner Männergesangvereins. •— Corresp. : Mann- 
heim. — Nachrichten. 



Erste Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg" 
von R. Wagner in München am 21. Juni. 

(Schluss.) 

Ein langes, erst blos von den Saiteninstrumenten ausgeführtes 
Vorspiel, das sich durch seine reizende Stimmung und seine noble 
Form auszeichnet, leitet den dritten Act ein. Er führt uns in nuce 
die Erlebnisse der letatzen Zeit vor, wie sie sich wiederspiegeln in 
dem Zauberspiegel eines an Empfindung und Poesie reichen Ge- 
mtithes. Ohne scharf abgegrenzte Form, ohne vollaus klingende 
Individualität, meist nebelhaft in einander ver fliessend, treten diese 
Tongestalten auf, wie Traumbilder vor der Seele, bald voll süsser 
Freude, bald lustig neckend, bald kräftiger sich vordrängend, bald 
leise verhauchend, bis endlich ein geräuschvolles Forte diesem Traum- 
leben ein Ende macht: David ist in's Zimmer getreten und Sachs, 
der sinnend und gedankenvoll in seinem Buche gelesen, blättert 
weiter. Aus der Anrede Davids an seinen Meister tritt vor Allem 
das frische Motiv, welches die Clarinetten intoniren, bei den Worten 
„Sie ist so gut so sanft für mich" hervor. Nicht minder fein und 
voll Humor ist die Stelle „Auch hat's unsrer Lieb gar gut gethan!" 
Gleich darauf treffen wir wieder auf ein lustiges, die Lehrbuben 
characterisirendes Motiv, das in immer neuen Wendungen stets wieder- 
kehrt. Plastisch hebt sich auch dieses Recitativ von der anfänglich 
nur von Holzblasinstrumenten begleiteten echten Handwerkerweise 
„Am Jordan Sauet Johannes stand 4 ab, die im Character und im ganzen 
Aufbau viele Aehnlichkeit mit dem Schusterlied hat, welches Hans 
Sachs im zweiten Acte singt. Ehe letzterer seinem Lehrbuben auf 
dessen Wünsche antwortet, klingt ein kleines schönes Hornsolo herein, 
das die darauffolgende Stimmung vorbereitet und aufbauen hilft. 

Nun kommen wir an einen langen Monolog über den „Wahn* 
den sich Hans Sachs selbst hält und der uns in seinem ersten Theile 
wegen seiner vollständigen Formlosigkeit nicht gefallen will. Erst 
von der Stelle an „Wie friedsam treuer Sitten," wo daB Orchester 
vollständig souverän auftritt, erregt die Nummer wieder Interesse, 
das sich bis zur Stelle 

„Ein Glühwurm fand sein Weibchen nicht" 
ausserordentlich steigert. Die Harmonisirung dort ist ein unbestreit- 
bares Meisterstück. 

Und wieder geht es in dem gewohnten Geleise weiter, der musi- 
kalische Ausdruck schliesst sich aufs Innigste der Declamation und 
der Bedeutung des Wortes an und die einzelnen feststehenden Mo- 
tive tauchen da und dort in immer neuen Tougestalten auf. Das 
Duett zwischen Sachs und Walther ist reich an Schönheiten, ist 
reich an Melodie. Ganz feine Ohren haben bei den Worten des 
Sachs „Ich lieb ein Weib und will es frei'n" Anklänge an ein in 
der Ouvertüre zu den „lustigen Weibern" oft wiederholtes Motiv 
herausgefunden und die Besitzer derselben haben sich unendlich 
darüber gefreut, Wagner des Plagiats beschuldigen zu können. Wir 
führen das hier nur an und überlassen es jedem Einzelnen sich die 
nöthige Aufklärung im Ciavierauszug selbst zu holen. — Nun end- 



lich stehen wir an der Melodie des Stolzing, deren Anfangsmotiv 
wir schon so oft gehört und hell und ritterlich klingt die Weise 
desselben durch die in Festtagsstimmung daliegende Stube des Sachs: 
es ist eine sich angenehm in das Ohr schmeichelnde, in ihrer schönen 
Plastik herzlich willkommene Weise, die nur durch die literarischen 
Zwischenverhandlungen des Sachs unterbrochen wird. Auch auf 
den Schluss des Duetts, wo Sachs den Ritter auffordert sich heraus- 
zuputzen, machen wir als eine durch ihre Instrumentation reizende 
Stelle ausdrücklich aufmerksam. 

Sachs und Stolzing haben die Stube verlassen, in welche nun 
Beckmesser tritt: er ist trostlos, weil ihm nichts einfällt, sein Sinn 
ist trocken und unbeweglich und mit der Reimkunst, die er heuta 
nöthiger hat als je, will es nicht vorwärts gehen. Er schnüffelt im 
Zimmer umher und die Musik begleitet treu das stumme Spiel Beck* 
messers. Das darauffolgende Duett mit Hans Sachs leidet unsrer 
Anschauung nach an grosser Länge und dürfte die Kürzung wohl 
ertragen. An dasselbe schliesst sich das vielbesprochene Quintett 
an, eine der schönsten Perlen in der Oper, wo Wagner zeigt, dass 
er es auch versteht, wenn es die Situation fordert, Musik nach altem 
Schlag zu machen. Gerade in den Contrasten, die hier nebeneinan- 
der gestellt sind, wo die Gesangsweise der Meistersinger durch die» 
schon angeführte unbeholfene Melodie characterisirt ist und sich 
daran der fünfstimmige Gesang schliesst, der in der Weise von Stol- 
zings Lied gehalten ist, liegt ein ausserordentlicher Reiz und zu- 
gleich ein grosser dramatischer Effect. Es ist das ein Rubepunkt 
in dem weiten Weg durch die lange Oper, ein Plätzchen, auf dem 
wir gerne verweilen, ein Plätzchen voll Anmuth und Schönheit, voll 
Friede und Poesie. 

Nun geht es fort auf die Festwiese und die einzelnen Details 
dieses festlich bewegten Lebens sind ebenso frisch gezeichnet aU 
characteristich. Die Musik zu dem Tanze ist eine Nummer von 
hohem Werthe. Wahrhaft grossartig, voll idealen Schwunges, voll 
imponirender Majestät ist der grosse Chor „Wach auf, es naht gen 
den Tag," eine Composition, die uns mit Ehrfurcht und Hochach- 
tung gegen das Ingenium des Componisten erfüllt. Dieser Chor 
bildet den Höhepunkt der Situation und die nachfolgenden musika- 
lischen Vorkommnisse können mit ihm keinen Vergleich mehr aus- 
halten. Die Komik des Beckmessers wird Verzerrung, wird Cari- 
catur, und es ist unbegreiflich, dass sich Wagner in diesem Punkte 
so ungeheuer verrechnet hat. Stolzings Lied söhnt uns wieder aus 
mit dem Componisten und die Schlussstellen machen noch einen 
gewaltigen erhebenden Eindruck. 

So steht die Oper vor uns, eine grosse That, von vielen ver- 
ketzert, von vielen ihrer Kühnheit wegen angestaunt, von vielen 
bewundert und mit Beifall überschüttet. Wer Recht hat, und ob 
nicht wie überall das Gute in der Mitte liegt, muss erst die Zukunft 
lehren: das aber können wir heute schon wissen, dass durch die 
öftere Vorführung solcher Stoffe eine nationale Kunst geschaffen 
würde, nach der wir Deutsche in der Poesie vergebens seufzen und 
dass dadurch mehr als durch irgend etwas Anderes deutscher 
Geist und Vaterlandsliebe gepflegt wird. Und einen bildenden, ver- 



— 114 - 



adelnden Eindruck mau jedes Kunstwerk hervorbringen und dieser 
gibt uns den Gradmesser für den Werth des Kunstwerkes. Der 
Eindruck, den die „Meistersinger" — die alleinige Partei der ortho- 
doxen Musikfreunde ausgenommen — hervorgebracht haben, war 
aber jedenfalls ein bedeutender ; das Volk, die Masse fand sich mit 
fortgezogen von dem Vorgang auf der Bühne und der meiste, der 
stürmischste Beifall kam von dem Parterre und der Oallerie. Und 
das ist eine Thatsache, der wir grosse Bedeutung beilegen. 

Und wenn mit den „Meistersingern 8 gar nichts Anderes erreicht 
sein sollte, als dass in ihnen der allmäligen Verflachung der Musik 
ein energisches Halt entgegengerufen würde, dass den seichten 
melodischen Flüssen an denen sich die Demimonde vergnügt und die 
„Gebildeten" beiderlei Geschlechts ihre Freude haben, ein Damm 
gesetzt würde, so ist auch das schon ein grosser Vorzug, ist auch 
das schon eine erfreuliche Thatsache, deren wegen wir die Oper 
als ein ernstes Werk deutscher Kunst und deutschen Strebeos von 
Herzen willkommen heissen« 



Ein Soitiiiieraiisfliig des Cölner Ulänner- 

gesangverelns. 

Der „Cölner Männergesangverein," getreu seinem Wahlspruche : 
„Durch das Schöne stets das Gute," verwendet bekanntlich die Er- 
träge seiner öffentlichen Aufführungen und Concerte zu wohlthätigen 
und gemeinnützigen Zwecken. Bis zum 27. April 1866, dem Tage 
seines 25jährigen Stiftungsfestes, hatte der Verein, nach dem im 
Druck erschienenen zweiten Bande seiner Vereins - Chronik, in 236 
veranstalteten Concerten die nicht unbedeutende Summe von 53033 
Thalern pr. Ort. ersungen und solche monumentalen Bauwerken, 
Denkmälern, zur Linderung der Noth und sonstigen wohlthätigen 
Zwecken im engeren und weiteren Vaterlande freudig zum Opfer 
gebracht. Nach seiner glänzenden Jubelfeier, welche durch die 
kostbaren Ehrengeschenke Seiner Majestät des Königs Wilhelm von 
Preussen, des hohen Protectors des Vereins und Ihrer Majestät der 
Königin Augusta, sowie durch Hunderte von Beglückwünschungs- 
Bchreiben und Telegramme der ausgezeichnetsten Componisten, Mu- 
siker, Virtuosen, Gesangsfreunde und Vereine eine höhere Weihe 
erhielt, ist der Verein mit neuem Muthe und frischer Kraft auf der 
bis heran beschrittenen Bahn seines wohlverdienten Ruhmes rüstig 
vorangegangen und benutzt seine sogenannte Ferienzeit zu Sommer- 
ausflügen und Erholungsreisen, bei welchen er mit besonderer Vor- 
liebe an den reizendsten Punkten des Oberrheines concertirt und so 
das Angenehme mit dem Nützlichen stets in Verbindung zu bringen 
sucht. Die künstlerischen Leistungen des Vereins, seine muster- 
haften Vorträge gediegener Männerchöre unter der trefflichen Lei- 
tung seines verdienstvollen Dirigenten, des Königl. Musikdirectors 
Herrn Franz Weber, seine seltene Uneigennützigkeit, kurzum die 
ganze Verfassung und der Ruf dieses Vereins geben demselben sehr 
oft Gelegenheit, seinen Wohlthätigkeitssinn und seine Kunstfertig- 
keit gemeinnützigen Zwecken dienstbar zu machen. 

Durch die im vorigen Jahre abgegebenen Versprechen gebun- 
den, hat der Verein an den Tagen des 27. bis zum 29. Juni c. seine 
diesjährige Sängerfahrt wiederum nach dem Mittel- und Oberrhein 
gerichtet und daselbst zwei Wohlthätigkeitsconcerte veranstaltet, 
Von welchen eines zum Besten des Neubaues einer katholischen 
Kirche in Braubach (bei Coblenz), das andere im Grossherzog- 
lichen Orangeriegebäude des Herrengartens in Bessungen (bei 
Darmstadt) zum Vortheile des Fonds für ein Denkmal, welches 
Abbe Vogler, dem grossen Tonmeister und Lehrer von C. M. v. 
Weber und G. Meyerbeer, errichtet werden soll, wozu der Verein 
im verflossenen Jahre durch eine derartige Coucertaufführung bereits 
einen soliden Grundstein gelegt hatte, gegeben wurde. 

Die freundlichen Einladungen des Herrn Pfarrers J. Diefeubach 
in Braubach, des Festcomites in Darmstadt, die in Aussicht gestell- 
ten Festlichkeiten und Vergnügungen, die freundlichst angebotenen 
Privatquartiere in den besten Familien Darmstadts, die kostenfreie 
Reisegelegenheit, welche mit grosser Liberalität von deh Directionen 
der Rheinischen Eisenbahngesellschaft, der Hess. Ludwigs- und der 
Main-Neckarbahn- Gesellschaft zugesagt worden, das herrliche Som- 
merwetter, der längere Aufenthalt in der reizenden landschaftlichen 



Natur der Bergstrassa etc. waren Anziehungspunkte, welche eine 
grosse Betheiligung der Vereinsmitglieder um so mehr erwarten 
Hessen, als die Tage des 28. und 29. Juni Sonn- und Feiertag« 
waren, welche eine Urlaubsbewilligung der einzelnen Mitglieder 
überflüssig machten. In beiden Städten waren dem Vernehmen 
nach durch die betreffenden Comites so grossartige Vorbereitungen 
getroffen, dass der Besuch des „Cölner Männergesangvereins" in 
beiden Orten als ein Ereigniss betrachtet wurde. In dem Vereine 
herrschte die animirteste Stimmung, und im Vorgefühl der zu er- 
wartenden schönen Tage wurden die erforderlichen Vorbereitungen 
getroffen und mit Lust die nöthigen Proben abgehalten. 

So trat denn der Verein am Samstag den 27. Juni Nachmit- 
tags 2*/i Uhr seine diesjährige Sängerfahrt mit etwa 75 seiner Mit- 
glieder an und wurde am Bahnhofe zu Coblenz von dem Kirchen- 
vorstande zu Braubach unjd den dortigen Säugervereinen festlich 
empfangen. Nach einer herzlichen Ansprache, womit Herr Pfarrer 
Diefenbach die Sänger begrüsste, ordnete sich der Zug und wurden 
die Sänger unter dem Vortritte eines Musikkorps nach dem gemein- 
samen Versammlungslokal, zn den festlich geschmückten Räumen 
des Lütticher Hofes bei Herrn Flüchardt geführt, wo ihnen der 
Ehrenwein in goldeneu und silbernen Pokalen gereicht wurde. Nach- 
dem sich die Sänger, auf ihren ausdrücklichen Wunsch, in den ver- 
schiedenen Gasthöfen der Stadt auf eigene Kosten einlogirt hatten, 
begann Abends 7 Uhr in der geräumigen Aula des Gymnasiums das 
Concert zum Besten der neu zu errichtenden Kirche in Braubach. 
Das Programm enthielt folgende Piecen : 1. „Am Neckar, am Rhein!" 
Chor von Fr. Kücken; 2. „Hoffnung," Chor von J. C. Schärtlich ; 
3. „Hüte dich!" Chor von Girschner; 4. Sonate für 2 Pianoforte's 
von Mozart; 5. „Liebesklage," Tenorsolo mit Brummchor von Neit- 
bardt; <r. „Morgenlied, u Quartett und Chor von Jul. Rietz; 7. „Die 
jungen Musikanten," Quartett und Chor von Kücken ; 8. „Vineta/* 
Chor von Fr. Abt; 9. „Frühliugslied, tf Chor von C. Wilhelm; 10. 
Andante con Variazioni für 2 Pianofortu's von Rob. Schumann ; 
lt. zwei Volkslieder für Chor von Brambach; 12. „Zum Walde," 
Chor mit Hornbegleitung von J. Herbeck. In den beiden Abthei- 
lungen spielten Frau Emma Ritter -Bondy und Herr 
Richard Kugler die im Programm bezeichneten Clavierpiecen 
von Mozart und Schumann. Sämmtlich* Gesangsnummern des 
Programms gelangten, angeweht von der festlichen Stimmung 
der Mitglieder, ganz vorzüglich «nd wurden mit einem ausserordent- 
lichen Beifalle begrüsst, welcher sich bei dem reizenden Tenor- 
solo (Liebesklage) von Hrn. Jos. Wolff und dem Soloquartette 
in den jungen Musikanten, von den Herren J. Wolff, C. Thurn, 
W, Lehmann und F. J. Meyer vorgetragen, bis zum Enthusias- 
mus steigerte. Imgleichen ernteten die Instrumentalsolis der Frau 
Emma Ritter - Bondy und des Concertmeisters Herrn Kugler durch 
ein correctes, elegantes und ausdrucksvolles Spiel rauschenden Ap- 
plaus. Zum erstenmale brachte der Verein 2 neue Volkslieder, 
welche von dem städtischen Capellmeister Herrn J. Brambach in 
Bonn reizend harmonisirt sind und zwar: „Mein Kathli" (irisch) und 
„Das Bäschen <( (schottisch) zur Aufführung, von dem das erstere 
sich durch eine tiefe Webmutb, das andere durch neckische Fröh- 
lichkeit vortheilhaft auszeichneten. Diese Lieder siud schön, fein 
und nett bearbeitet und wurden von dem Vereine mit vielem Ge- 
schmack vorgetragen. Nach dem Concerte vereinigte ein gemein- 
sames Souper die Cölner Sänger, das Fest-Comitd, die Mitglieder 
des St. CaBtor-Chores, der Liedertafel und der übrigen Coblenzer 
Männer-Gesangvereine in dem Gartensaale des Lütticher Hofes, bei 
welchem schwungvolle Toaste und Danksagungen für die hoch- 
herzige Unterstützung des Kirchenbaues durch den concertgebenden 
Verein und Instrumentalsätze des Musikcorps, sowie Liedervorträge 
der HH. Carl Hartmann und J, Wolff, und geschmackvolle 
Chorgesänge des St. Castor-Gesaugvereins, unter der Leitung sei- 
nes tüchtigen Dirigenten Hrn. Martin Schon s in reicher Abwechs- 
lung den Stoff zur gemüthlichsten und heitersten Unterhaltung 
gaben. Erst gegen 2 Uhr Nachts suchten sich die Sänger succes- 
sive dem munteren, geselligen Kreise zu entziehen, um für den fol- 
genden Tag, wo neue Verpflichtungen und Anstrengungen ihrer 
harrten , möglichst gerüstet zu erscheinen. Die wenigen Stunden, 
die dem Vereine vergönnt waren in Coblenz bei seineu Freunden 
zu verweilen, waren sehr genussreich, uud werden dieselben den 
Gängern stets in dankbarer Erinnerung bleiben. Am folgenden 



- 115 - 



Morgen brachte der erste Frühzug die Sänger weiter rheinaufwärts 
und trafen dieselben nach kurzem Aufenthalte in Mainz gegen 11 Vi 
Uhr auf dem Perron des Bahnhofes zu Darmstadt ein, wo der Ver- 
ein unter Böllerschüssen, den rauschenden Klängen eines Musik- 
corps, eines Männerchores unter Leitung des Gapellmeisters Herrn 
C. Mangold und dem jubelnden Zurufe einer unabsehbaren Men- 
schenmenge von dem Festcoinite" empfangen wurde. 

(Fortsetzung folgt.) 



CORRESPONDSNZEH. 



Aus Mannheim. 

(S ch 1 u s s.) 

Der dritte Act, mit einem Musikstück von erregter Stimmung 
beginnend, in welchem die Höflinge ihrer Unzufriedenheit über die 
Bevorzugung des Ray Blas Luft machen, und den Plan fassen, unter 
Beistand Alvars ihn zu stürzen, zeichnet sich besonders durch ein 
Duett zwischen Köuigin und Ruy Blas aus, das nächst dem zweiten 
Act mit Recht den entschiedensten Beifall erhielt ; es ist dramatisch 
und musikalisch von gleich tiefer Wirkung, namentlich heben wir 
aus demselben erstlich einen der Liebeserklärung Ruy Blas* gegen 
die Königin folgenden Duettsatz, sehr langsames Tempo, D-dur '/* 
und den Schlusssatz des ganzen Duetts hervor, in welchem wir das 
schon früher mehrmals erschienene Motiv nun in seiner ganzen Aus- 
dehnung wiederfinden, welches von Beiden unisono gesungen wird. 

Die Scene verwandelt sich in die Posada wo sich später die 
Höflinge zu einem heitern Fest mit Tanz und in der Absiebt, ihren 
Anschlag gegen Ruy Blas auszuführen, einfinden. Zuerst jedoch er- 
schein^ Don Cesar (Zafari), in einer Arie seiner lustig erregten 
Stimmung nach Befreiung aus der Gefahr, durch den hinterlistigen 
Alvar als Sclave verkauft zu werden, vollen Lauf zu lassen. Können 
wir hier der Composition auch keine Originalität zuschreiben, so 
finden wir doch, wie in der ganzen Oper, immer den consequent 
richtigen Ausdruck für die Individualität der Person. 

Nach Uebergehung einer Sceue zwischen Zafari und dem Wirth 
der Posada, welche rnusikalischerseits nichts Hervorragendes bieten 
kann, wenden wir uns zu Scene und Duett zwischen Zafari und 
Casilda (den Grund ihres Erscheinens in der Posada haben wir 
schon früher angegeben), in welchen längere Zeit das declamatorische 
Element, conversationsartig, vorherrscht, bis leichtere, melodische 
Phrasen eine bestimmtere Gestaltung herbeiführen. Die nun folgende 
und bis zum Ende des Acts dauernde Scene beginnt beim Eintritt 
der Höflinge, Soli und Chor, mit einem lustigkecken dreistimmigeu 
Chor. Die Männerchöre dieses Acts sind durchgehend in dieser 
Stimmanzahl, beide Tenore gleichgehend, Bässe getheilt, gehalten. 
Die Musik des dem Chor folgenden Zigeunertanzes hat in ihren 
hervorragenderen Motiven die nationale Färbung, wie wir sie in 
den von Zigeunern selbst gespielten Tänzen gewöhnlich finden, sie 
ist pikant und anregend zum Tanz. Die Melodie des sich nun an- 
schliessenden Liedes Zafari's, in welches des Letzteren Beziehungen 
zu dem ebenfalls anwesenden Alvar eingeflochten sind, ist der Zeich- 
nung dieses Cbaracters vollkommen angemessen, wenn wir auch die 
Erfindung nicht neu nennen können. Der Ausgang des Liedes gibt 
zugleich das Signal zu grösserer, sich beständig steigernder Erre- 
gung, welche in einem wirksamen Ensemble, während dessen Alvar 
und Ruy Blas sich gegeuübertreten und das seinen bedeutendsten 
dramatischen Moment durch Zafari's thatkräftiges Einschreiten er- 
hält, ihren Gipfel und zugleich den Abschluss des Actes findet. Die 
Musik erhebt sich in einem leidenschaftlichen Motiv, das Ruy Blas 
und dem ihm seeundirenden Zafari zugetheilt ist, zu grosser Energie 
und erhält durch richtige Gruppirung der Solo- und Chorstimmen 
nebst wirksamer Instrumentirung die für einen solchen Punkt der 
Handlung nöthige dramatische Bedeutung und hätte durch ein äus- 
seres Beifallszeichen der Zuhörer besser gewürdigt zu werden ver- 
dient, als es geschah. 

Der vierte Act wird durch eine Orchester-Introduction einge- 
leitet, welche, in ihrem kurzen Verlaufe kräftig und leidenschaftlich, 
im Hinblick auf Ruy Blas 1 Ende ersterbend abschliesst. In dem hie- 
rauf folgenden Recitativ, das Ruy Blas 1 Resignation zum Gegen- 
stande hat, finden sich frühere Instrumental- und Gesangmotive, die 



Ersteren namentlich aus der der Oper vorangehenden Einleitung, 
unter den Letzteren das aus dem dritten Act angeführte, sehr pas- 
send eingestreut. Hierauf entwickelt sich zwichen der von Casilda 
zu Ruy Blas geleiteten Königin und dem Letzteren ein Duett voll 
inniger, gegen das Ende leidenschaftlicher Stimmung. Der weitere 
Verlauf dieses Actes bis zum Finale zeichnet sich besonders durch 
die characteristische Zeichnung des nun hinzugetretenen Alvar aus, 
und das Finale bildet zuerst durch das von Zafari zur Rettung 
herbeistürmende Volk einen erregten Satz, der sich in dem folgen- 
den Zweikampf zwischen Zafari und Alvar gipfelt, und nach dem 
Falle des Letzteren allmählig zurücksinkt in eine mildere Stimmung, 
bis nach dem Tode auch des Letztern der auf der Scene befind- 
liche Chor ihm einen gebetähnlichen Nachruf weiht, zwischen den 
das Volk ausserhalb ihm und der Königin seinen Dankesjubel für 
die von Beiden ihm geschenkte Freiheit zuruft. 

Die Oper ist entschieden den besseren Erzeugnissen unserer 
neuesten Zeit in dieser Gattung beizuzählen und der Componist be- 
kundet in derselben nicht nur ein tüchtiges Wissen und Können in 
der Verarbeitung des Ganzen, wie in der Behandlung der Singstim- 
men und des Orchesters, sondern namentlich auch eine bedeutende 
Fähigkeit zu dramatischer Gestaltung. Die Leistung des ausüben- 
den Personals unter der bewährten Leitung V. Lachners ist als eine 
sehr tüchtige und befriedigende zu bezeichnen, der günstige Erfolg 
der Oper ist jedoch hauptsächlich den mehr lyrischen Partieen zu 
danken, welche in Frl. Hausen (Königin), Frl. Reiser (Casilda) 
und Herrn S ch ü 1 1 e r eine ausgezeichnete Vertretung fanden, wäh- 
rend für die Partie des Don Cesar de Bazan Herr Schlösser das 
geeignetste Stimmmaterial besitzt, und Herr Kögel als Alvar die 
in seiner Partie vorherrschende Energie vollständig zur Geltung 
brachte. Die weniger bedeutenden Partien der Oberhofmeisterin 
(Frau Ludwig-Medal) und des Ceremonienmeisters (Hrn. Ditt) 
waren gleichwohl in befriedigendster Weise repräsentirt. Die in 
Hinsicht auf Erfindung sich nicht auszeichnenden Chöre kamen den- 
noch zu wirksamer Geltung, und das Orchester zeigte sich, wie wir 
dies gewohnt sind, seiner nicht leichten Aufgabe vollständig ge- 
wachsen. Die scenische Einrichtung zeugte von der wünschens- 
wertesten Sorgfalt und erfreute durch geschmackvolle Anordnung 
im Ganzen wie im Einzelnen. So dürfen wir hoffen, dass diese 
Oper sich längere Zeit auf dem Repertoire erhalten wird. 



Nachrichten. 



Paris. Die Einnahmen der Theater, Concerte und öffentlichen 
Schaustellungen jeder Art in Paris betrugen im Monte Juni 821,049 
Frcs. 

— Der Contract der Mlle. N i 1 s s on mit der Direction der 
grossen Oper geht mit dem 1. Mai k. Jahres zu Ende. Der Di- 
rector P e r r i n hat derselben schon jetzt die Erneuerung des Con- 
tractes mit Erhöhung der Gage vorgeschlagen und was glaubt man 
wohl, dass Mlle. Nilsson verlangt hat? Ein Hundert und 
vierundzwanzig Tausend Franken und drei Mo- 
nateUrlaubjährlichl Es dürfte wohl Hrn. Perrin schwerlich 
möglich sein selbst einer Nilsson eine solche enorme Forderung 
zu bewilligen. 

— An der grossen Oper haben die Ciavierproben für die neue 
Oper von Ernest Reyer („Sigurd") bereits begonnen. 

— Hiesige Blätter behaupten, Rossini habe in seinem Tes- 
tamente eine gewisse Summe zur Gründung eines Musik-Conserva- 
toriums in P e s a r o, seiner Vaterstadt, festgesetzt. Es soll seine 
Absicht sein, dass dieses Conservatorium durch Heranziehung der 
berühmtestsn Meister zu einem der ersten der Welt emporgebracht 
werde. Das wäre allerdings eine hübsche Antwort auf die Auffor- 
derung, welche bekanntlich der Unterrichts-Minister Broglio vor 
Kurzem an ihn ergehen liess. 

— Der bekannte verdienstvolle Componist und Organist Stiehl 
aus Petersburg ist dieser Tage in Paris angekommen. 

— Der unermüdliche Sänger Roger ist nach einer zehn monat- 
lichen Gastspielreise in Deutschland und Oesterreich hierher zurück- 
gekehrt. Er gedenkt einige Monate zu seiner Erholung auf dem 
Lande zuzubringen und dann einen letzten Ausflug anzutreten , der* 



— 116 - 



«ich auf die bedeutendsten Städte Ostrusslands, Bulgariens und der 
Türkei erstrecken soll. 

Darmstadt. Das sechste „mittelrheiniscbe Musikfest" wird nun, 
nachdem der Kriegsminister die Benutzung des Zeughauses bewilligt 
bat, am 28. September 1. J. hier beginnen. Von grösseren Compo- 
sitionen kommen „Samson" von Händel, A-dur - Sinfonie von 
Beethoven und Fragmente aus „Fritjof" von Mangold aur 
Aufführung. 

%* (Zu der Liste der Solisten in Altenburg) Anton Door, 
Professor am Conservatorium in Moskau, Josef Schild, Hofopern- 
sänger aus Dresden. 

* # * Die dramatische Sängerin Frau M a r r a- V ollmar ist für 
das Hoftheater in Darmstadt eogagirt worden. 

%* Der neue Domcapellmeister und Director des „Mozarteums" 
in Salzburg, Dr. Otto Bach, hat seine Stelle bereits angetreten 
und im Dome eine Messe von Mozart dirigirt, welche unter seiner 
Leiluug in ausgezeichneter Weise zur Auffuhrung kam. Am 18. 
August soll unter seiner Direction ein grosses Festconcert in der 
Aula mit einem sehr interessanten Programm stattfinden. 

*** Die gegenwärtig in Königsberg gastirende Soubrette, Frl. 
Laura S ch u b e r t, hat sich mit dem dortigen Hotelbesitzer Herrn 
Gehring verlobt. 

*** D*s Berliner Operntheater wird nach den Ferien mit 
Wagner's „fliegendem Holländer" eröffnet. Hierauf folgen : ,, Ham- 
let" von Thomas, „Romeo und Julie" von Gounod. ,.Mignon" 
von Thomas und „Frithjof" von dem jungen Berliner Hopffer. 

%* Die Verlagshandlung Bote und Bock in Berlin hat 
eine Preisausschrei bung für eine den Abend ausfällende 
komische Oper mit Ausschluss der burlesken und parodistischen 
Richtung veröffentlicht. Die Preisbewerbung ist eine zweifache: 
I. Für den Text. Die concurrirenden Texte müssen den Ansprüchen 
an eine komische Oper durchaus entsprechen, können selbsterfunden 
oder nach einer vorhandenen Idee bearbeitet sein, doch sind Ueber- 
setzungen ausgeschlossen. Die Anwendung eines geistreichen Dia- 
logs ist willkommen. Es sind für den Text drei Preise, von 50, 
30 und 20 Friedrichsdor ausgesetzt und bleibt der preisgewährenden 
Verlagshandlung das ausschliessliche Eigentumsrecht der prämiirten 
Texte vorbehalten. Die Concurrenzarbeiten müssen in zwei leser- 
lichen Abschriften spätestens am 31. October d. J. bei der betref- 
fenden Verlagshandlang abgegeben sein, da nach diesem Tage keine 
Einsendungen mehr angenommen werden. Die Preise werden am 
1. Januar 1869 zuerkannt und am 1. Februar 1869 die gedruckten 
Exemplare der prämiirten Texte den HH. Componisten zur Ver- 
fügung gestellt werden, doch können letztere sich auch eines anderen, 
selbstgewählten Textes bedienen, wenn derselbe den festgestellten 
Bedingungen entspricht. IL Für die Composition. Für die Ein- 
reichung der Partituren in gut leserlicher Noten- und Textschrift 
ist der 30. September 1869 als Schlusstermin festgesetzt, und sind 
hiefür drei Preise von 120, 50 und 30 Friedrichsdor bestimmt, wäh- 
rend die Verlagshandlung sich auch hier das Eigenthumsrecht der 
prämiirten Arbeiten vorbehält. Dichter und Componist participiren 
ausser dem Preishonorare auch an der Hälfte des zu erzielenden 
Reinertrags an Bühnenhonoraren und Tantiemen, und zwar der Dichter 
zu einem Drittel und der Componist zu zwei Dritteln des entfallen- 
den Betrags. Die Veröffentlichung der Preiszuerkennung erfolgt am 
1. Januar 1870. Sämmtliehe Texte und Partituren müssen mit einem 
Motto versehen und von einem Couverte begleitet sein, welches 
aussen dasselbe Motto und innen cfen Namen des Autors enthält. 
Nichterfüllung der festgesetzten Bedingungen schliesst von der Preis- 
bewerbung aus. Das Preisrichteramt haben gütigst übernommen 
die Herren: Hans von B ü 1 o w, Hofcapellmeister in München. Hr. 
Dorn, Hofcapellmeister in Berlin. J. Heim, Hofopern-Regisseur 
in Berlin. Ferd. H i 1 1 e r, Capellmeister in Cöln. Baron von Per« 
fall, Hoftheaterintendant in München. G. zu Putlitz in Berlin. 
Dr. J. Rietz, Hofcapellmeister in Dresden. W. Taubert, Hof- 
capellmeister in Berlin. A. von Winterfeld in Berlin. A. Frei- 
herr von W o 1 1 z o g e n, Hoftheaterintendant in Schwerin. 

•** Die Leser d. Bl. wird es interessiren, zu erfahren, dass 
Bernhard Hopffer, dessen Oper „Frithjof" die königl. General- 
Intendanz in Berlin zur Aufführung angenommen, ein noch junger 
Mann und geborener Berliner ist. Der Dichter des Libretto ist sein 
Alterer Bruder Emil Hopffer, beides die Söhne eines in Berlin ver- 



storbenen Juweliers. Aus der Feder des Dichters sind schon meh- 
rere Bühnenstücke hervorgegangen, die aber bis jetzt noch keinem 
nachhaltigen Erfolg errungen haben. Der Componist hat seine Stu- 
dien in der neuen Akademie des Professor Theodor Kullak absol- 
virt, den Compositionsunterricht speciell beim Musikdirector Riebard 
Wuerst genossen. Es ist etwas Gutes von ihm zu erwarten, da er 
in Berlin als einer der talentvollsten unter der jüngeren Musikge- 
neration bekanut ist. 

*** Der renomirte Tenorist Stigelli (von Geburt ein Deut- 
scher, Namens Stieget) ist auf seiner Villa zu Monza am Corner- 
See im besten Mannesalter gestorben. Er hinterlässt drei Töchter 
und hat erst vor einigen Monaten seine Gattin verloren. 

*** Frl. Anna Reiss, welche kürzlich in Weimar die Rolle 
der „Mignon" bei den ersten Aufführungen der gleichnamigen Oper 
von A. Thomas mit vielem Erfolge durchgeführt hat (sie ist be- 
kanntlich eine Schülerin der MHe. Viardot-Garcia), befindet 
sich gegenwärtig in Paris. 

%* Die unlängst in Paris wieder aufgefundene Oper vod 
Gluck „L'arbre enchante* 1 („Der Zauberbaurn"), welche nur ein 
einzigesmal bei der Vermählungsfeier des Dauphin in Versailles) 
gegeben worden war, wird nun am deutschen Theater in Prag zur 
Aufführung vorbereitet. 

*** Bei dem am 16. August in Grenoble stattfindenden Mu- 
sikfest werden sich nicht weniger als 200 Musik- und Männer- 
gesangvereine betheiligen. 

ANZEIGEN. 



Neue Musikalien. 



Im Verlage von Fr. Kleiner in Leipzig sind soeben« 
mit Eigenthumsrecht erschienen : 

Aaaiitcliewsky, WL. V. op. 11. Vier Stücke für das Piano- 
forte 20 Ngr. 

Beethoveil'g, lu Tan Sinfonien für Pianoforte und Violine ein- 
gerichtet von Frdr. Hermann Nr. 5 (C-moll) op. 67 Thlr. 2. 5 Ngr* 

Hauptmann, M. op. 58. „Zwei Marienlieder" für eine Mez- 
zosopranstimme mit Begleitung des Pianoforte (Nr. 1 der nach- 
gelassenen Werke) 12 V» Ngr. 

— op. 59. 25 „Album Canons,** herausgegeben von S. Jadassohn. 
(Nr. 2 der nachgelassenen Werke) Thlr. 1. 5 Ngr. 

— op. 60. Ouvertüre zur Oper „Mathilde/ Arrangement für da» 
Pianoforte zu 4 Händen von S. Jadassohn. (N. 3 der nachge- 
lassenen Werke) 20 Ngr. 

Jungmann, Alliert, op. 258. Nr. 1. „Das Sternlein. a Lied 
von Fr. Kücken, für das Pianoforte bearbeitet 12'/j'Ngr. 

— op. 258. Nr. 2. „Schlummerlied." Lied von Fr. Kücken, für 
das Pianoforte bearbeitet 12 '/> Ngr. 

— op. 258. Nr. 3. „Liebesbote." Lied von Fr. Kücken, für da» 
Pianoforte bearbeitet 12 Vi Ngr. 

Kücken, Fr. op. 86. „Vier Gesänge." Die Nixen. Am Abend. 
Frühling. Treue Liebe. „Du Tropfen Thau," etc. Für Sopran, 
Alt, Tenor und Bass. Partitur und Stimmen Thlr. 1. 

Kuntze, €?. op. 138. „Zwei Gesänge" für vierstimmigen Män- 
nerchor. Nr. 1. Im Frühling von Julius Storm. Partitur und 
Stimmen 20 Ngr. 

— op. 138. N. 2. Im Walde von Schul ts. Partitur und Stim- 
men 10 Ngr. 

Lftw, Joaef. op. 12. „Abschiedsständchen." Salonstücke für 
Pianoforte 7 1 /* Ngr. 

— op. 13. „Zwei Jugendstücke." 1. Sonntags im Dorfe. (Idylle> 
2. Auf der Wiese (Scherzino) für Pianoforte 10 Ngr. 

— op. 25. „Lyrische Tondichtungen" (Motto: vom Herzen zum 
Herzen.) Sechs Ciavierstücke: 1. Sehnsucht. 2. Nachruf. 3. Trost. 
4. Erinnerung. 5. Schwermuth. 6. Liebesglück. 25 Ngr. 

Sulllvan, Arth. 8. op. 12. „Twiligbt." Ciavierstücke 12 V, Ngr. 

— op. 14. „Day Dreams." Sechs Stücke für das Pianoforte 25 Ngr* 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz.. 



17. Jahrgang. 



!*■ #0. 



27. Juli 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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j Diese Zeitung erscheint jeden 
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Man abonnirt bei allen Post- 
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Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



| PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 
Durch die Post bezogen: 
50 kr. od.l5Sgr. per Quartal. ; 



INHALT: Kometen. — Ein Sommerausflug des CÖlner Männergesangvereins. — Das 16. Sängerfest zu Chicago. — Nachrichten. 



Kometen. 

Von W. Lackowiti. 



„Der Stern ist knisternd zerstoben, 
Verklungen das Scbwauenlied." 

H. Heine. 
I. 

Der Künstler " lebt in erster Linie für den Ruhm. Die Jagd 
nach Ruhm und Ehre füllt einen Theil seines Sinnens und Denkens, 
einen Theil seines Lebens aus, und es kann nicht wohl anders 
sein. Der Lorbeer ist von Alters her das Ziel gewesen, das zu er- 
reichen die Künstler wetteiferten, und wenn auch heut zu Tage 
kein Dichter, kein Künstlerhaupt mehr in öffentlicher Volks* oder 
Rathsversammlung mit dem Lorbeer gekrönt wird, so ist an diese 
Stelle eben nur ein anderer Begriff getreten; das Streben, das Rin- 
gen geht nach wie vor nach demselben Ziele, ist im Wesentlichen 
dasselbe geblieben. 

Indessen ist es nicht nur der ephemere Eintagsrubm, nicht der 
Beifallsjubel der versammelten gegenwärtigen Menge allein, welcher 
den Künstler anspornt zu immer neuen Leistungen, zu stetig erhöh- 
ten Kraftanstrengungen bei seinen Productionen. Die Frage: Was 
sagt die Welt dazu ? stritt ihre Bedeutung zur Hälfte ab an jene : 
Was wird die Nachwelt dazu sagen? Ja, Anerkennung der Mit- 
welt — Anerkennung der Nachwelt, das ist es, wonach der Künst- 
ler strebt: breit sind die Hebel, welche sein Leben beherrschen, 
gewissermassen dirigiren. 

Mancher begnügt sich mit dem Einen. Mit dem Nachruhm 
ist es ein eigen Ding und die Anerkennung der Mitwelt ist daher 
sein einzig Ziel. Seine Ruhmbegierde findet volle Befriedigung, 
sein — Geldbeutel kommt dabei auch zu seiner Rechnung ; was 
will er mehr. Ihn kümmert nicht, was nach uns kommt, das be- 
rüchtigte apres nous le deluge der Frau von Pompadour ist ihm 
aus der Seele gesprochen. — Ein Anderer möchte es ihm wohl gern 
nachthun, aber es fehlt ihm Dieses und Jenes dazu, er selbst weiss 
nicht was, und ein Dritter kann es ihm auch nicht sageu. Kurz, 
es gelingt ihm nicht, sich Bahn zu brechen. Da findet er in dem 
Gedanken : Die Nachwelt wird anders urtheilen ! Beruhigung, der 
Gedanke hält ihn aufrecht trotz des ungünstigen Schicksals und 
gibt ihm die Kraft, rüstig weiter zu arbeiten. Wohl ihm, dass 
ihm das Seherauge fehlt, er würde sonst vielleicht dennoch trostlos 
die Hand sinken lassen. 

Weder mit dem Einen noch mit dem Andern ist zu rechten; 
Jeder mag sein Thun und Treiben vor sich, seinen Mit- und Nach- 
menschen verantworten. 

Glücklich aber, und im wahren Sinne ein echter Künstler ist 
der, welcher schafft aus iunerem Drange, ohne zu fragen, was die 
Mit- oder Nachwelt zu seinen Leistungen sagen wird. Leitet ihn 
der hohe Genius der Kunst, so fiudet sich ja eben alles Uebrige 
von selbst Freilich kann der Fall eintreten, dass die Mitwelt 
wenig Notiz von ihm nimmt, dass Kleinlichkeit oder Eigennutz 
«einer Nebenmenschen ihn um Anerkennung, Ruhm und Geld bringen. 



Ob aber auf die Dauer? Diese Frage muss wohl entschieden ver- 
neint werden. Mag er lange kämpfen müssen, mag er vielleicht 
Zeit seines Lebens mit Anfechtungen allerlei Art, selbst mit Mangel 
und Noth zu kämpfen haben, der Nachruhm wenigstens ist ihm 
sicher. Allerdings ist das für den Künstler selbst ein leidiger Trost, 
aber es i s t ein Trost, der ihn über die Erdensorgen hinweg zu 
heben vermag, 

Am besten ist in dieser Beziehung der bildende Künstler daran. 
Der Bildbauer und der Maler arbeitet zum Theil schon in unver- 
gänglichem Material, braucht die Ausführung seines Kunstwerke« 
nicht erst Fremden zu überlassen, sondern verwirklicht sein Ideal 
mit eigenen Händen. Nach Jahrtausenden noch steht die Mensch- 
heit staunend vor seinem Kunstwerke, das selbst als Bruchstück, als 
verstümmelter Torso noch im Stande ist, die hohe Meisterschaft 
seines Urhebers zu bekundeu. 

Ihnen gegenüber ist der Musiker in jeder Beziehung im Nach- 
theile. Der Componist ist bei aller Grosse auf Fremde angewiesen 
seine Werke zur Aufführung- zu bringen ; in ihre Hand ist es gelegt) 
ihn zn heben, ihn zu stürzen. Auch seiue gelungenste Composition 
verfehlt bei schlechter Ausführung ihre Wirkung und geht spurlos 
an den Ohren der Hörer vorüber. Bei guter Ausführung aber ist 
sein Weg zur Unsterblichkeit eben so gesichert, wie der des Bild- 
hauers und Malers. 

Nur der Virtuos, der zugleich Componist für sein Instrument 
ist, bringt sein Ideal selbst zur Darstellung, und oftmals ist ein 
anderer Virtuos, selbst bei anerkannter Meisterschaft, nicht im Stande, 
die geistige Eigenthümlichkeit jenes Werkes so wiederzugeben, wie 
jener es verlangte und eigenhändig vermochte. Wie oft hört man 
nicht die Bemerkung: Ja, das muss man von ihm selbst spielen 
gehört haben, um es ganz würdigen zu können. Aber — — — 
wenn er zurückgetreten ist von seiner öffentlichen Wirksamkeit, 
oder wenn der Tod ihn aus der Reihe der Lebenden gestrichen, 
dann lebt er wohl noch in der Erinnerung bei denen, die ihn ge- 
hört haben. Andere kennen ihn nur noch von Hörensagen, denn 
was er gewesen, was er geleistet, wie er die Hörer entzückt, be- 
geistert, hingerissen hat, darüber fehlt ihnen jeder Maassstab. — 
Der Virtnos also ist einzig uud allein auf die Mitwelt angewiesen; 
er hat keiue Rechte an die Nachwelt und sie nicht an ihn. Er 
muss also darnachstreben, die Anerkennung zu erreichen, so lange 
er lebt; gelingt ihm das nicht, so ist sein Leben verfehlt, all* seine 
Mühen und Anstrengungen sind verloren. 

Das aber ist die Stellung der nur ausübenden Künstler über- 
haupt. Es sind Kometen, die da aufgehen in glänzender Pracht, 
einen feurigen, strahlenden Schweif hinter sich herziehen, verschwin- 
den, um vielleicht nach einem Jahrhundert erst wiederzukehren. 
Der Sänger, der Schauspieler befinden sich mit dem Virtuosen in 
derselbeu Lage. Hart und mitleidslos klingend, aber treffend uud 
wahr ist des Dichters Wort : „Die Nachwelt flicht dem Mimen keine 
Kränze." Wer kennt einen Devrient, Talma, Caffarelli, Broschi, Se- 
nesino, eine Catalani, Pasta, Malibran etc.? Dem Namen nach viel- 
leicht noch Mancher, aber Abtreten vom Schauplatze, der die Welt 



- 118 — 



bedeutet , ist für sie fast gleichbedeutend mit Vergessensein. Und 
doch bat ihr Rahm einmal die Welt durchflogen, Millionen jauchzten 
ihnen zu und wurden hingerissen von ihren Leistungen, dass es der 
Nrtchwelt, die davon hört, fast als Uebertreibuug erscheint. Ver- 
sunken und vergessen! Es ist ein traurig Loos, das sie dazu be- 
stimmen muss, die Gegenwart auszukaufen bis zur Neige. — Glück- 
lich derjenige von ihnen, den der Tod dahin rafft inmitten seiner 
glänzenden Wirksamkeit, ein leuchtend Meteor, dessen Glanz eben 
so plötzlich erloschen, wie aufgegangen. Bedauernswerth derjenige, 
welcher zurücktreten muss, wenn er vielleicht noch in rüstiger Kraft 
Jahre seines Lebens vor sich hat; er überlebt sich selbst, er wird 
lebend zu den Todten gezählt, — ein Licht, das die Finsterniss 
erhellte und langsam, allmälig, unmerklich erlosch. 

Es ist aber ein grosses Unrecht, diese nur ausübenden Künst- 
ler, die nicht dauernde, zur Bewunderung auf die Nachwelt kom- 
mende Kunstwerke schaffen, zu vergessen. Sie tragen unstreitig 
zur Entwickelung der Kunst das Ihrige redlich bei. Was sollte 
aus der Musik, was aus der dramatischen Dichtkunst werden, wenn 
sie nicht wären, die Tonschöpfungen dem Ohre mitzutheilen, den 
dramatischen Gestalten Leben und Bewegung zu geben? Und wo 
eine vorzügliche Capelle , wo ein ausgezeichnetes Opernpersonal 
thätig ist, da ist musikalisches Leben, da kommen die Meisterwerke 
der verschiedensten Nationen zur Geltung. Der schaffende Künstler 
aber wird dadurch mitten in die Welt hinein versetzt, in welcher 
einzig und allein 0er Lebensodem für ihn weht. Was als Knospe 
in seiner Brust schlummerte, wirft die Schuppen ab, die Blüthen 
brechen auf und entfalten sich mit ihrem Glänze, ihrem Dufte. 
Lange in ihm schlummernde Ideen gewinnen Farbe und Gestalt, 
neue tauchen auf, sein schaffender Geist saugt aus dieser Atmosphäre 
fortdauernd neue Nahrung. Wo aber diese Verhältnisse fehlen, da 
fehlt der befruchtende Hauch, der es den Knospen möglich macht, 
sich zu duftenden Blüthen zu entfalten. Desshalb Ehre, dem Ehre 
gebührt; Recht, dem das Recht gebührt! Die ausübenden Künstler, 
Bänger und Sängerinnen, haben auch ein Recht darauf, genannt zu 
werden, wo man von den Besten des musikalischen Volkes spricht. 
Dieses Recht hat ihnen nun wohl nie Jemand bestritten ; so lange 
sie lebten, füllten ihre Namen regelmässig die Spalten der Kunst- 
und Tagesliteratur, aber — was dann? Wie in den Wassern eines 
Giessbaches eine Welle die andere drängt, stets dieselbe und doch 
stets eine andere, so füllen auch heut noch ihre Namen jene Spalten 
aus, es sind dieselben Stellen, dieselben Productionen, und doch 
stets andere, weil stets andere Personen. Die Welle, die vorüber- 
gehuscht, ist dahin, — von den Zerstörungen, die sie angerichtet, 
von dem Segen, den sie gespendet, spricht man wohl noch eine 
Zeit lang, — und dann? — — versunken und vergessen! Der 
Sänger, dessen Gesang die ganze Welt entzückte, ist verstummt, — 
man klagt wohl noch eine Zeit lang um den erloschenen glänzenden 
Kometen, — und dann? — — versunken und vergessen! 

Sei es uns daher vergönut, im Folgenden eiuigen dieser nur 
ausübenden Künstler ihr Recht werden zu Iass«n, und zwar als 
galanter Autor zunächst einigeu Künstlerinnen, deneu Tausende und 
aber Tausende geuussreiche Abende verdankten, die nur von We- 
nigen noch genanut werden, der Mehrzahl nicht einmal dem Namen 
nach mehr bekannt sind. 



Kin Sommerausfliig des C'tflner jHänner- 

gesangvei eins. 

(Fortsetzung und Schluss.) 
Nach einer herzgewinnenden Ansprache und Begrüssuag des 
Vereins von einem Coinitä-Mitgliede, worauf das Vereinsmitglied 
Dr. J. Fischer mit einem Hoch auf die Stadt Darmstadt erwiederte 
nahmen die freundlichen Quartiergeber die ihnen zugewiesenen Sän- 
ger in Empfang und geleiteten dieselben in ihre Familienkreise, um 
sie dort iu herzlichster Weise zu bewtrthen. Um 5 Uhr Nachmit* 
tags fand das für Abb6 Voglers Denkmal in dem Orangeriegebäude 
des Grossherzoglichen Herren - Garteus zu Bessungen veranstaltete 
Concert statt. Von 3 Uhr ab schon strömte processiousweise das 
"Publikum in den elegantesten Toiletten hinaus. Das Concertlokal, 
in welchem der reservirte Platz mit 2 Gulden bezahlt wurde, war 
. nicht alleiu bis auf das letzte Stehplätzchen gefüllt, sondern es 



lauschten noch viele Hunderte Zuhörer im Garten selbst, wo sie 
sich auf der Terrasse unmittelbar vor dem Concertsaale niederge- 
lassen hatten. 

Zum Vortrage kamen: I. Abtheilung: 1. „Am Neckar, am 
Rhein!" Chor von K ücken. 2. „Abendständchen," Chor von Men- 
delssohn. 8. „Hüte dich!" Chor von Girschner. 4. Septett 
in D-moll (Op. 74) von J. N. Hummel, a. Allegro % b. Scherzo, 
vorgetragen von Frl. Wilhelmiue Döring, Grossh. Hofpianistin 
und den HH. Hofmusikern Niederhof, Ohls, Harbordt, Gött- 
mann, Meister, und dem Violoncellisten Hrn. Th. Sieden- 
topf aus Frankfurt. 5. „Lenzfragen," Chor von Fr. L a c h n e r. 

6. „Liebesklage,' 1 Tenorsolo mit Brummchor von Neidhardt. 

7. „Novemberwetter," Quartett mit Chor von C. A. Mangold. 

8. „Die jungen Musikanten/' Quartett uud Chor von Kücken. 

9. „Abendlied," Chor mit Horuquartett vou C. A. Mangold. 

10. „Schön Rothraur," Chor von W. G. Veit. 11. Septett von 
Hummel. Finale. 12. „Loibeer und Rose/' Duett für 2 Tenore 
und Brummchor von Ed. Grell. 13. Zwei Volkslieder, für Man» 
nerchor eingerichtet vou C. J. Brambach. 14. „Zum Walde/* 
Chor mit Hornbegleitung von J. H e r b e c k. 

Der Verein sang seine Lieder mit bekannter Frische und Meis- 
terschaft, obgleich dem geübteren Ohr bei einzelnen Stellen wohl 
merkbar blieb, dass die Stimmen nach dem Coblenzer Concert, der 
dortigen RSunion, der Reise und dem Genüsse eines vorzüglichen 
Mittagsmahles, etwas angegriffen waren. Das Ensemble war nichts- 
destoweniger voll und rund, und bekundete den hohen Grad der 
Künstlerschaft mit welcher der Verein bei den Vorträgen seiner 
Lieder sich stets auszuzeichnen pflegt. In das Programm waren 
2 Chöre eingefügt, welche der Verein hier zum ersten Male zur 
Aufführung brachte. Es waren dies die beiden Chöre, „November- 
Wetter" und „Abendlied" von dem Ehrenmitgliede des Vereins, Hrn. 
Hof-Capellmeister Mangold in Darmstadt. Mögen dieselben von 
dem Vereine mit Berücksichtigung der Verhältnisse, zur Freude und 
gleichsam als eine Concession für den Componisteu gewählt worden 
sein, so viel steht aber fest, dass beide Quartette (letzteres mit 
4stimmiger Hörn - Begleitung) zu den besten und schönsten des 
trefflieben Tonmeisters zu zählen sind, der dieselben als Dank für 
die ihm gewordene Auszeichnung der Ehrenmitgliedschaft des Ver- 
eines geschrieben hat. Dieselben wurden, wie jede Nummer des 
Programmes mit eiuem fast nicht enden wollenden Bei falle aufge- 
nommen, und fand derselbe seineu Nachhall in dem bedeutenden 
Applaus, welcher von dem Auditorium im Garten wieder iu den 
Concert-Saal zurück tönte. Die Tenoristen Herr J. Wulff und 
Carl Hartmann, das Vocal- Solo-Quartett und die Instrumental- 
Solisten wurden mit jubelndem Applaus gleichsam überschüttet und 
musste der Verein auf den besonderen Wunsch Sr. Königl. Hoheit 
des Grossherzogs und der gesamraten Zuhörerschaft., dem Programme 
noch das Silc herrsche Volkslied „Die drei Röslein u zugeben. Sr. 
Königl. Hoheit der Grossiieizog mit hohem Gefolge beehrte das 
Couceit von Anfang bis zum Schlüsse mit seiner Anwesenheit und 
liess sich nach der ersten Abtheilung den köuigl. Musikdirecror 
Hrn. Franz Weber wie auch da* Fest-Coraite* vorstellen. Der Gross- 
herzog nahm den Dank des Vereins huldvoll entgegen für das kost- 
bare Ehrengeschenk, welches er dem Verein bei Gelegenheit seiner 
25jährigen Jubelfeier durch Ueberreichung der goldenen Denkmünze 
für Kunst und Wissenschaft verliehen hatte. Der äusserst leutselige 
Fürst unterhielt sich längere Zeit mit der Deputation und sprach 
wiederholt Herrn Weber seitie ganze Zufriedenheit über die kunst- 
vollen Leistungen des Vereins und insbesondere auch über die schöne 
Tendenz desselben aus, welchem Darmstadt heute wieder das schöne 
Coucert uud das Cotnite einen bedeutenden Zuschuss zu dem Zwecke 
des Vogler- Denkmals zu danken habe. m 

Am Abende waren die Sänger von dem Feat-Comite' und den 
freundlichen Quartiergebern zu eiuem Souper in dem Saale des Gast- 
hofes „zur Traube 4 geladen, wo dieselben vou einem reichen Kranze 
von Damen in den feinsten Toiletteu begrfisst wurden. Der Saal 
war mit etwa 300 Personen gefüllt uud es herrschte alsbald die 
heiterste und animirteste Stimmung. Der Vorsitzende Herr Professor 
F e I s i n g brachte den ersten Toast auf Sr. Königl. Hoheit d«n Gross- 
herzog, an welchen sich der Toast des 81jährigeu Professors Herrn 
Baur, des Zeitgenossen und intimsten Freundes des Abbe" Vogler, 
auf den „Cölner Männer-Gesangverein 4 iu gebundener Rede an- 



- 119 - 



«chloss. Nach einem von dem Vice- Präsidenten des Vereines Hrn. 
C. Krabe gedichteten allgemeinen Tafelliede, dankte Hr. Advocat- 
Anwalt Dr. Fischer mit einem Toaste auf Darmstadt und seine 
lieben Bewohner. Herr Hofrath Dr. Künzel sprach in längerer 
"Kede Aber das Verdienst Abbe Voglers, als Künstler und Gelehrter 
»und die von demselben gegründete Musikschule in Darmstadt, wo- 
raus die trefflichen Schüler und nachmaligen Sterne erster Grösse, 
-die Componisten C. M. von Weber und G. Meyerbeer hervor- 
gegangen seien. Eine ganz besondere Wirkung auf die Lachmus- 
kel q Übte der wirklich ausgezeichnete humoristische Toast des Hrn. 
'Ziegler aus Cöln auf die Hofpianistin Fräulein Wilhelmine Dö- 
ring und die Solisten. Die folgenden Redner hatten in so weit 
■einen härtereu Standpunkt, als die bereits eingetretene Heiterkeit 
ihnen die nöthige Ruhe zur Abhaltung ihrer Toaste nicht mehr 
-gönnte, um so mehr war es am Platze als Herr A. Peltzer aus 
"Cöln auftrat und in einem dreifachen Toaste auf Darrnstadt, die 
anwesenden Damen und Gäste und schliesslich auf Hrn. Mangold 
-unter dem Titel „Der Goldmann," unter donnerndem Jubel in einem 
Liede für Bass singend ausbrachte. Die Gesellschaft verlangte 
-stürmisch ein nochmaliges Auftreten des Vereins, was derselbe so- 
fort in Vollzug setzte und das Otto'sche Lied „Nettes Diamdel" 
■unter dem grÖssten Jubel zum Besten gab. Die Stimmung war in- 
•dess eine so belebt^ heitere geworden, dass an eine Leitung und 
Ordnung der Vorträge nicht mehr gedacht werden konnte. Es folg- 
ten noch Reden, Lieder und komische Scenen von denen hier nur 
■noch das Quartett „Die Weinprobe" von A. Garth genannt zu 
^werden braucht. 

Gegen 2 Uhr Nachts lichteten sich allmählig die bunten Reihen 
indem den Anwesenden die Vorsicht eingeschärft wurde, sich früh 
Morgens am Bahnhofe rechtzeitig wieder einzufinden. Am 29. Juni 
"Morgens 7 Uhr brachte ein besonders eingelegter Extra-Zug die 
Sänger, denen sich ein grosser Zug von Damen und Herren von 
Darrnstadt und der Umgegend angeschlossen hatte, nach der Station 
Auerbach an der Bergstrasse. Nach einer halbstündigen Wander- 
schaft durch das schattenreiche und prächtige „Fürstenlager - stieg 
<die ganze Gesellschaft unter Scherz und Heiterkeit auf dunkeln 
Waldpfaden hinauf zum Auerbacher Schloss, wo zur Erquickung der 
müden Wanderer alle mögliche Vorsorge getroffen war. Alsbald 
freisten die Becher und es entwickelte sich sofort unter Böller- 
schüssen, Höruerkiang und Hurraruf ein Stock des wundervollsten, 
idyllischen Waldlebens im Angesichte des majestätischen Melibocus, 
"von dem nur derjenige einen annähernden Begriff haben kann, der 
bereits ähnliche Waldpartieen mitgemacht hat. Etwa 2000 Personen 
foelebteu die reizende Bergeshöhe und sorgten unaufhörlich durch 
Reden, Liedervorträge, komische Scenen, muntere Spiele bei Becher* 
klang und allgemeinen Liedersang aufs trefflichste für die Unter- 
haltung, wobei sich wiederum die urgemüthlichen, drastischen Reden 
des Herrn Ziegler auszeichneten. Die köstlichen Stunden verrannen 
«o rasch, der Abschied nahte, und ungern trennte sich die Gesell- 
schaft von diesem reizendsten Punkte der Bergstrasse. Unter dem 
Klange „Lebe wohl du deutscher Wald 4 * von Mendelssohn, be- 
wegte sich der Zug auf anderen Wegen wieder nach Auerbach hi- 
nab, uud in den schönen Räumen des Gasthofes „zur Krone" er- 
wartete ein splendides Mittagsessen die Sänger und Festgenossen. 
Hier wurde noch manches herzige Wort des Dankes und der Aner- 
kennung gewechselt, uud nachdem sich ein Theil der Sänger von 
'hier aus zur Rückreise fertig machte, nahmen die Festordner dem Ge- 
4tmmtvereine noch das Versprechen ab, bei der späteren Enthüllung 
'des Monumentes nicht fehlen zu wollet]. Der bei weitem grösste Theil 
der Sänger verweilte bis spät Abends mit den Comite-Mitgliedern in 
Auerbach und machte mit dem Spät- oder Frühzuge von hier 
; aus die interessantesten Streifpartieen nach den schönsten Punkten 
*Ier Bergstrasse, nach dem Odenwalde, uach Heidelberg, Mannheim 
und Worms. Erst Mittwoch den 1. Juli brachte der letzte Abend- 
aug die munteren Sänger alle wieder wohlbehalten in ihr Stand- 
quartier Cöln zurück. 

• Alle Theilnehmer sind mit schwärmerischer Begeisterung erfüllt 
"*iber die herrliche, von keinem Missklang getrübte, von dem schön- 
sten Wetter begünstigte Sängerfahrt und bewahren in ihrem Gemüthe 
ein daukbares Andenken für die Fülle des ihnen gebotenen Ge- 
nusses, sowie für die Liebenswürdigkeit und echt deutsche Gast- 
lichkeit der Bewohner Darmstadts. 



Das 10. Sfittgerfest zu Chicago. 



Die deutschen Sängerfeste in Amerika sind ein Product untrer 
deutschen Revolution von 1848. Vom Jahr 1830 bis 1848 hatte 
das deutsche Volk von der Freiheit gesungen, bis es im Jahr 184& 
das Schwert für dieses edelste aller Güter ergriff. Im Jahre 1848 
und 1849 vertobte sich die ersungene Begeistrung. Bei uns lebte 
das Sängerthum nur noch äusserlich fort; eine zündende, entflam- 
mende Kraft hatte es uicht mehr. Das Verlangen nach Erkennt- 
niss war an die Stelle der Begeisterung getreten. In Amerika 
aber lebte das Sängerthum in alter Kraft fort. Dorthin waren ge- 
wandert, die die höchste Begeistrung, gehegt, die ohne Befriedigung 
dieses Freiheitsdrangs bei uns nicht leben mochten. Mit der alten 
Glut, mit der sie hier gesungen und gestritten, sangen und kämpf- 
ten sie dort weiter. Aus diesem Ringen entsprang der grosse Sänger- 
bund, der sich über den Osten und die Mittel-Staaten von Nord- 
Amerika ausbreitete. 

Der Bund besteht jetzt aus 61 Vereinen, die über folgende 
Staaten ausgebreitet sind: 4 in New-York, 2 in Penn si Iva- 
nien, 18 in Ohio, 4 in Kentucky, 13 in Indiana, 2 in Mi- 
chigan, 14 in Illinois, 1 inMissouri, 2 inJowa. Alljähr- 
lich wird ein Sängerfest veranstaltet; das vorige war iu Indi- 
anapolis (Indiana), das heurige sechszshnte ist in Chicago; 
das nächste soll im Jahr 1870 in Cinncinati stattfinden. Für 
dieses Fest ist auch die Gründung eines allgemeinen ameri- 
kanischen Sängerbundes in Aussicht genommen; bei dem 
Fest in Chicago wurde bereits ein Ausschuss zum Eutwurf des 
Planes ernannt. 

Bedenken wir, was das heissr, einen Sänger-Bund über die gan- 
zen vereinigten Staaten von Amerika, so erkennen wir die Grösse 
der amerikanischen Anschauung. Der bisherige Sängerbund er- 
streckte sich schon über ein Gebiet mehr als doppelt so gross wie 
ganz Deutschland. Bei uns in Deutschland bedurfte es 20 Jahre 
(bis zum Jahre 1862) bis ein deutscher Sängerbund gegründet 
wurde, und die amerikanischen Deutscheu machen bereits den An- 
fang zu einem germanischen Netz über die ganze Erdkugel. Bei 
unserm deutschen Schützenfest wurden noch die deutschen Schweizer 
vom Wettkampf ausgeschlossen und die Amerikaner rechnen bereits 
nicht blos Schweizer und Niederländer, sondern die Norweger und 
Schweden zu den Deutschen und unterstützen in der deutschen Presse 
die Gründung von schwedischen Zeitschriften. 

Diese Grösse der Anschauung, verbunden mit einer grossartigen 
That war es, die den Amerikanern so gewaltig imponirte, dass sie 
die Sängerfeste mit wahrhafter Ehrerbietung anstaunen. Anfangs 
wurden sie vielfach angefeindet; kein Fest verlief ohne Reibereien 
und Raufereien; selbst die Schiller-Feier hatte den Amerikanern 
noch nicht die gebührende Hochachtung zu entlocken vermocht. 
Erst als die Deutschen in dem grossen Bürgerkrieg für ihr zweites 
Vaterland den Sieg erringen halfen, dann wurden sie von Staunen 
erfüllt über die Kraft uud Hoheit die in diesen Stimmen liegt. Die 
deutsche Musik hatte es im fernen Westen in Chicago dahin ge- 
bracht, dass lüderüche Kunstproducte, vor einigen Jahren von Paris 
importirt, von der Polizei verboten wurden. Seit den letzten grossen 
Sänger-Festen sind die Faust- und Boxerkämpfe, die noch von der 
englischen Heimath stammten, so in Miss-Credit gekommen, dass 
die Amerikaner sich schämten, während die Deutschen in edler 
Weise sich vergnügten, in thierischen Kämpfereien ihr Amüsement 
zu suchen. Jetzt bei dem Sängerfest in Chicago sprachen es die 
englischen Zeitungen unverhohlen aus, dass sie bisher in thörichtetn 
Wahn befangen waren, als sie die deutschen Feste befeindeten. 

Nicht blos erkennen sie („Republicaa* in Chicago) „die Lehre 
der Verbrüderung" an, die ihnen jetzt von ihren „deutschen 
Freunden" geboten wurde, sondern auch die practische Lebens- 
weisheit, die aus diesen Festen herausschaut. »Wir Amerikaner* 
sagt die Chicago Tribüne, „vernachlässigen die Pflicht der Er- 
holung. Wenn wir je einen Augeublick inne halten in unserer 
gierigen Hast nach Erwerb, um uns zu vergnügen, so ist unser 
Vergnügen von der unbehülflichsten Art; es ist eine Art Frohn- 
Arbeit. Das Dankfest, Weihnachten, Neujahr und der vierte Juli, 
die vier einzigen Tage im Jahr, wo wir uus des Arbeite ns zn ent- 
halten und auf höchst trübselige Weise zu ergötzen suchen, sind 



- 120 — 



den Meisten *M>n uns vollauf so «ermüdend, wie tin Tafwerk am 
Schreibtisch oder an der Hobelbank. Von den Deutschen müssen 
wir das Geheim niss des Vergnügens lernen. Sie müssen 
OD8 lehren wie man Jörgen und Mühsal des Lebens von sich wirft 
und, mit Innerlichstem Behagen und Empfänglichkeit für den Genuas, 
an unschuldigen Ergötzungen Theil nimmt, um an Leib und Seele 
erfrischt und gestärkt zu seiner Pflicht zurückzukehren." 

Fast noch mehr wie diese Platonische Welt-Weisheit staunen 
sie die germanische Urkraft an, die aus der Fähigkeit des Ge- 
biessens herausschaut. Mit einem wahren Grauen schildert ein eng- 
lisches Blatt die robuste Constitution der Deuts chen 
die von Morgens früh bis Abends spät auf den Beinen sind, um 
Excureionen und Festlichkeiten aller Art auszuführen, Nächte über 
Nächte bei fröhlichen Gelagen zubringen, dann Morgens wieder zur 
festgesetzten Stunde mit dem Glockenschlag in ihren musikalischen 
Proben erscheinen, mehrere Stunden bei drückender Hitze alle Stra- 
patzen derselben aushalten und mit derselben Pünktlichkeit und 
Verlässigkeit des Abends bei den Aufführungen zur Hand sind. 
„Das bringen nur Deutsche mit ihrer unverwüstlichen jovialen 
Natnr, ihrer eisernen Ausdauer fertig. Wir Amerikaner wür- 
den, ehe wir halb damit durch wären, den Athem verlieren und 
wie ein Taschenmesser zusammenklappen. 

(Fortsetzung folgt.) 



> O M» 



Nachrichten. 



Ems, 22. Juli. Gegen Erwarten hat die Administration des 
Cursaales auch für die gegenwärtige Saison eine französische Thea- 
tergesellschaft engagirt. Eine Anzahl Vorstellungen sind bereits 
gegeben worden. Der seitherige Musikdirector, Herr Buziau, 
leitet wieder das Orchester. — Als Concertisteu traten bis jetzt im 
Cursaale auf: die Sängerinnen Frl. Brunetti und Mad. Mio 1 an 
Carvalho; die Pianisten Hr. und Frl. Wülfiugboff, Herr 
Sauret fein Schüler des jungen de Beriot), Hr. und Mad. Jaell; 
die Violinisten S a u r e t (Bruder des Pianisten) und W i 1 h e 1 mj; 
der Cellist Nathan und der Contrabassist Bottesini. Zur Un- 
terhaltung des äusserst zahlreichen und glänzenden Curpublikums 
— auch Se. Maj. der König verweilt wieder in unserer Mitte — 
stehen sicherlich noch bedeutende Kunstgenüsse in naher Aussicht. 

Leipzig. Einer der bedeutendsten Vereine unserer Stadt, der 
„Universitätsgesangverein der Pauliuer" bat am 1. Juli das 46jährige 
Jubiläum seines Bestehens und zugleich das 25jährige Jubiläum 
seines verdienstvollen Dirigenten , Hrn. Dr. Hermann Langer 
gefeiert. Am Vorabende brachten die den Verein bildenden Studi- 
renden nebst vielen älteren Verehrern des Jubilars demselben ein 
solennes Fackelständchen, bei welchem die jungen Sänger nach 
einem feurigen, unter dem Zusammenklirren der Schläger ausge- 
brachten Lebehoch das Lied: „In allen guten Stunden von Petschke 
sangen, worauf der Gefeierte vom Fenster aus in einer herzlichen, 
gemüthvollen Ansprache dankte und nach Absingung des Liedes : 
„Noch ist die blühende, goldene Zeit" den „Paulus" hochlebeu liess. 
Am andern Morgeu wurde dem Jubilar durch eine Deputation der 
„Pauliner* einsehr schöner Blütbner'scher Flügel als Ehrengeschenk 
überreicht. Von den Leipziger Gesangvereinen , von der Universi- 
tät und von weit und breit wurde der geehrte Doctor mündlich, 
brieflich und telegrapbisch beglückwünscht. Eine vormittägige 
Frühkneipe im Garten des Schützenhauses und ein abendlicher 
grosser Commers auf der „Insel Helgoland" iu Plagwitz bildeten 
die Fortsetzung und den Schluss der durch zahlreiche Lieder und 
Beden sowie durch die ungetrübteste Heiterkeit aller Theilnehmer 
belebten Festlichkeiten. 

Paris. Den diesjährigen Römerpreis haben zwei Schüler des 
A. Thomas, Namens Rabuteau und Winzweiler erhalten. 

— Der n Me'n4strel* bringt einen ausführlichen Bericht über 
die „Meistersinger" aus der Feder von L£on Leroy, der als Mit- 
arbeiter für das genannte Blatt an die Stelle des verstorbenen Gas- 
p e r i n i . getreten ist. 

— Das Debüt der Sängerin Mite. Julia Hisson im „Tro- 
feadour" hat am 15. Juli in der grossen Oper stattgefunden, und 
»war von einem recht glücklichen Erfolge begleitet. Die jugend- 



liche Künstlerin, eine Schülerin des Hrn. Wartel, besitzt eine- 
sehr schöne Stimme und einen recht anerkennenswerthen Grad von 
künstlerischer Ausbildung als Sängerin wie als Darstellerin, so dass- 
sich an ihre Zukunft sehr schöne Hoffnungen knüpfen lassen. MUe. 
Hisson ist in Folge dessen auch bereits auf vier Jahre für die grosse 
Oper engagirt mit einer von 11,000 bis zu 30,000 Frcs. steigernden 
Jahresgage. 

*** EinSchubert-Gemacb. Die Wiener „Neue freie Presse* 
schreibt: „Wer liebt Schubert und kennt nicht das Schubert-Zimmer bei 
Nicolaus Dumba, einem der besten Schubert-Sänger Wiens und 
einem Kunstfreunde ersten Ranges? Jeder Mensch hat seiuen Cul- 
tus, und der Gegenstand seiner Verehrung steht mit seinem Bildungs- 
grade immer auf gleicher Höhe. Man wage nur getrost den Schiusa 
von eiuem heiligen Apis, einem heiligen Leonhard, Rafael oder Mo- 
zart zurück auf Herz und Hirn des Verehrers ; man wird nicht fehl* 
gehen. Es ist ein gutes Zeichen der Zeit, dass unsere reiche Bär- 
gerclasse sich mit Vorliebe dem Kunstgenüsse zuwendet, sich mit 
Schöpfungen der Kunst zu umgehen trachtet und die noblen Passi- 
onen für Pferde Rouge et Noir oder Julien anderen Concurrenten, 
überlässt. Todesco's Beispiel wirkt nachhaltig, auch nach oben 
hin. Auch auf das Schubert-Zimmer hat es Eiufluss geübt. Der 
Besitzer wollte sich nicht blos an den Wundergaben des einzigen» 
Minne- und Meistersängers der Neuzeit musikalisch erfreuen, auch, 
bildlich sollen die Lebensbilder aus der „Winterreise, - den „Müller- 
liederu," dem „ Schwanengesang, u „Erlkönig," „Atlas," „Mignon" etc. 
zu seinem Herzen sprechen. Im Auftrage des Hausherrn malte 
Schi Ich er an die Decke ein grosses Rundbild, eine Art Kinder* 
fries, in welchem die verschiedenartigen Richtungen der Schubert- 
sehen Musik eymbolisirt werden. Vier grosse Medaillons in den 
Ecken und vier kleinere in den Zwischenräumen versinulichen die 
Hauptchuractere der Lieder. Ferner hat Dumba, welcher in der 
letzten Zeit viele Bilder ankaufte, für die Aussenwäude seiner Bib- 
liothekskästen, die sich im Arbeitszimmer befiuden, die sogenannten 
Rafaerscheu malen lassen. Gustav Gaul hat sie vortrefflich auf 
Goldgrund ausgeführt- Dasselbe Gemach wird auch die schöne- 
Tiziau'sche Venus aufnehmen, welche Gaul gegenwärtig im Auf- 
trage D u m b a's in Florenz copirt. 

*** Der Violinvirtuose O 1 e Bull ist von seiner Reise nach* 
Amerika zurückgekehrt und bereits in seiner Vaterstadt Bergen- 
eingetroffen. 

%* Der „Wiener Männergesangverein" wird im Einvernehmen 
mit dem ,. Musikverein" das auf dem Währinger Friedhofe befind- 
liche Grabmonument Fr. Schubert'* restaurireu lassen. 

*** Sontheim, dessen zweites Gastspiel am Hofoperntheater 
in Wien seinem ersten Auftreten daselbst an grossartigem Erfolge 
nicht nachstand, soll nun in der Weise für die genannte Bühne ge- 
wonnen sein, dass er in Zukunft 6 Monate in Wien und 6 Monate 
in Stuttgart singen wird. 

*** Frl. Anna ßeiss vom Hoftheater in Weimar wird näch- 
stens am Wiener Operntheater gastiren. 

*#* A. Rubinstein hat in London drei Concerte mit enor- 
mem Erfolg gegebeu und auch in einem Concerte des Violoncellisten» 
P i a 1 1 i mitgewirkt. 

*** Auber's reizende Oper: „Der erste Glückstag' 1 ist bereits- 
von vielen der bedeutenderen Bühnen Deutschlands zur baldigen. 
Aufführung bestimmt worden. 

*** In Dresden werden die Votbereitungen zur Aufführung 
der „Meistersinger von Nürnberg" auf der k. Hofbühne mit grossem- 
Eifer betrieben, Das Werk soll dort im nächsten Winter, selbst- 
verständlich mit zweckmässigen Kürzungen , und mit folgender Be- 
setzung in Scene gehen: Hans Sachs — Hr. De gel e, Beckmesser 
— Hr. Eichberg-er, Pogner — Hr. Scaria, Kothner — Herr 
Köhler, David — Hr. Rudolph, Eva — Frl. H ä n i s ch,. 
Walther von StoUing — Hr. T i ch a ts ch e ck. 

*** Der Violinist Leopold A u e r hat vor seiner Abreise von 
London eine Stradivarius-Violiue aus der Sammlung des Herrn 
P low den (datirt 1711) für den Preis von 300 Guineeu angekauft. 

*** Das Concert des Cölner „Mänoergesangvereias" für das 
Abbe Vogler-Denkmal in Darmstadt hat eine Einnahme von 1800 fl. 
ergeben. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v, Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



m- an. 



3. Angust 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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INHALT: Kometen. — Das 16. Säogerfest zu Chicago. — Nachrichten. 



Kometen. 

Von W. Lackowiti. 



II. 

Gehen wir um circa fünfzig Jahre ia der Zeitrechnung zurück, 
so finden wir an der Berliner Bühne ein Opernpersonal beisam- 
men, wie es seit der Zeit nicht wieder dagewesen ist, ein Opern- 
personal, dessen Wirksamkeit ohne Frage als eine der glänzendsten 
Perioden der Berliner Oper angesehen werden mnss. Es ist ja nicht 
das Auftreten irgend einer Gesangsgrösse von europäischer Berühmt- 
heit, welches die Leistungen einer Bühne auf den Gipfelpunkt zu 
erheben vermöchte, denn man wird dann in den meisten Fällen 
immer nur den Künstler an sich bewundern, und über ihm das 
Kunstwerk selbst hintenan setzen, ja man wird selbst dann noch 
zur Bewunderung hingerissen werden, wenn er in Kunstwerken zwei- 
ten oder noch niederem Grades auftritt. Wie wäre es auch möglich, 
dass eine Oper von anerkannt erstem Bange zur vollen Wirkung 
kommen könnte, wenn nur eine Hauptpartie vortrefflich besetzt, 
die andern dagegen höchst stiefmütterlich bedacht wären ? Wie soll 
ein solches Kunstwerk zur Geltung kommen, seine vom Componisten 
beabsichtigte Wirkung auf die Zuhörer ausüben können, wenn z. B. 
irgend eine berühmte italienische Sängerin ihre Hauptrolle in italie- 
nischer Sprache singt und die übrigen Darsteller und Chöre daneben 
in deutscher Sprache agiren, wie wir diesen Unfug leider so manch- 
mal Gelegenheit gehabt haben mit durchzumachen? Nein, nur das 
Zusammenwirken von einer namhaften Zahl künstlerischer Notabili- 
täten ersten Banges ist im Stande, eine Bühne auf die Höhe künst- 
lerischer Entwickelung zu erheben, nur durch Besetzung der Bollen 
mit einander ebenbürtigen Künstlern vermag ein Kunstwerk zur 
vollen Wirkung zu kommen, und nur dann ist ein solches Institut 
in der Lage, auf das gesammte musikalische Leben einen maass- 
gebenden und nachhaltigen Einfluss auszuüben. Und ein solches 
Zusammenwirken fand in der angegebenen Zeit an der Berliner 
Bühne statt, sie besass damals eine ganze Anzahl von Mitgliedern 
deren Namen weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes 
hinaus einen gar hellen Klang hatten. Wir nennen F i s ch e r, 
den berühmten Bassrivalen der Castrateu Coucialini und Tombolina, 
Blume, Wauer, die Tenore Stümer und Bader, die Sängerinnen 
Milder, Schulz, Seidler, Eunike, alles Gesangsgrössen ersten 
Banges. Wer kennt sie noch? Wer nennt auch nur noch ihre 
Kamen? Kaum dass ältere Leute sich ihrer noch aus ihrer späteren 
Wirksamkeit erinnern,, wo schon jenes wundervolle Ensemble zum 
Theil gesprengt war. Die genannten Sängerinnen aber sind es, 
denen wir hier vorzugsweise unsere Aufmerksamkeil zuwenden wollen. 
Es trafen aber auch noch manichfache andere Umstände zusam- 
men, welche dieses Zusammenwirken ermöglichten und begünstigten. 
Wir haben ja in jüngster Zeit erst Gelegenheit gehabt, zu erfahren, 
was für ein Unheil der Krieg, was für ein Heil der Friede ist. Nun 
denke mau zurück, welchen entsetzlichen Druck jene aus der fran- 
zösischen Revolution hervorgegangenen furchtbaren Kämpfe mehr 
«der weniger anf ganz Europa ausübten, wie dieselbe seit 1806 



speciell auf Preussen lastete. Die Beendigung jenes unseligen Kam- 
pfes brachte naturgemäss eine Zeit des Aufschwungs und der Neu- 
blüthe für alle Gestaltungen und Segnungen des Friedens. Ein 
Stern der Hoffnungen, der Freuden, des Glücks rauschte durch die 
Gemüther, von dem nur derjenige eine richtige Vorstellung haben 
kann, welcher jene Zeit selbst miterlebte. Das Gefühl der Rettung 
und des sicheren Friedens durchzitterte alle Herzen mit nie gekannter 
Seligkeit, die Brust hob sich in dem Bewusstsein. nun endlich unter 
einem blauen, lächelnden Himmel zu wohnen, nachdem man neun 
Jahre unter düsterem Gewölk und schweren Gewittern zugebracht. 
Dieser Frühlingshimmel konnte nicht anders als im höchsten Ifaasse 
segensreich auf Kunst und Künstler einwirken, jede Blüthe der 
Kunst erhob in der durch die vorangegangenen donnernden Gewitter^ 
gereinigten Luft das Haupt frischer und üppiger, getränkt durch 
den segenden Himmelsthau des Friedens und der Hoffnungen. 

Dazu kam, dass im Jahre 1815 Aug. Wilh. Iffland, der 
bisherige Leiter des Berliner Nationaltheaters, starb. So schwer 
auch dieser Verlust die ganze dramatische Kunst traf, für die Ber- 
liner Oper war sein Tod ein Vortheil. Bezeichnet der Amtsantritt 
eines neuen Leiters zwar immer einen Umschwung, einen neuen 
Abschnitt in der Entwickelung eines solchen Instituts, hier war es 
nicht nur ein Wechsel der Personen, sondern eine gänzliche Um- 
gestaltung der Verhältnisse. Iffland's Nachfolger, der Graf Carl 
von Brühl, übernahm im Jahre 1815 die Leitung der königl« 
Schauspiele als Generalintendant und das bisherige Nationaltheater 
wurdet Hoftheater. Das hat ganz gewiss auch seine Nachtheile ge- 
habt, vorläufig kamen dem Institut aber nur die Vortheile dieser 
Umwandlung zu gut, Unter welchen die reichen Zuschüsse, welche 
der neue General-Intendant in Folge seiner Stellung zum Hofe und 
zum Könige fordern konnte und musste, gewiss nicht in letzter 
Reihe stehen. Graf Brühl, ein Mann von edelster Bildung und 
feinstem Kunstgeschmack, in der Musik selbst practisch tüchtig (na- 
mentlich soll er als Waldhornist uicht Unbedeutendes geleistet habe« • ), 
ermöglichte das Engagement eines Bader, der Milder und Sei t- 
ler neben den oben genannten schon vorhandenen Kräften, uu<t 
stellte dadurch ein Personal her, wie es wohl selten erreicht worden 
ist. Ausser den Meisterwerken Gluck's und Mozart's suchte er 
die ausgezeichnetsten Werke der Neuzeit so bald als möglich dem 
Berliner Publikum vorzuführen ; so erschienen unter seiner Verwal- 
tung: „Fidelio," „Undine" von Hoffmann, Spontini's „Olympia* und 
„Nurmahal," Weber'« „Freischütz" und „Enryanthe," Spohr's „Jes- 
sonda," Cherubini's „Abenceragen," Rossini's „Tancred," „Othello" 
und „Barbier," Onslow's „Hausirer," Auber's „Maurer" u. s. w. 
Bis zum Jahre 1830 führte Graf Brühl die Leitung der Schauspiele, 
(er trat in die Stellung eines GeneraUutendanten der königlichen 
Museen), und diese 15 Jahre sind eine Zeit immerwährender musi- 
kalischer Triumphe für Berlin gewesen, da in den Leistungen eher 
eine sich fortdauernd steigende Zunahme als eine Abnahme zu be- 
merken gewesen ist. Mit glänzender Schrift sind die Namen jener 
Künstler und Künstlerinnen in dem Tempel der dramatischen Kunst 
verewigt; es wird selten "eine Bühne namentlich eine solche Gruppe 



- 122 — 



von 8ängerinaeu beisammen haben, für die Berliner Oper stand das 
musikalische Ensemble damals auf dem höchsten Gipfel, den sie bis 
dato auch noch nicht wieder erreicht hat. Damals wäre auch au 
den umfassendsten Werken der Neuseit niemals eine fremde Sängerin 
zur Aushälfe nötbig gewesen, und die vorhandenen hatten beim 
Publikum im Allgemeinen sowie in der Kunstwelt insbesondere 
einen so hoben Werth, dass es auch schwer gewesen sein würde, 
für sie einen willkommenen Ersatz zu bieten. 

III. 
lu diesem vierblättrigen Kleeblatte war Anna Milder jeden* 
falls die eigenartigste. Ihr Vater, Felix Milder, war Conditor 
bei dem österreichischen Internuntius Baron Herbert in Constaoti- 
nopel, als ihm am 13. December 1785 diese Tochter — Anna Pau- 
line — geboren wurde. 1790 siedelte er als Dolmetscher nach Bu- 
charest aber, der nachfolgende Krieg zwischen Oesterreich und der 
Türkei warf ihn aber mannichfach umher, und nach schauerlichen 
Irrfahrten, in türkischen Verkleidungen, unter Zigeunerbanden etc. 
kam die Familie endlich um 1795 nach Wien. Hier zum ersten 
Male bekam das Kind wirkliche Musik zu hören, und der Eindruck 
war ein sehr tiefer und nachhaltiger. Ihre Bitten, Musikunterricht 
nehmen zu dürfen, wurden erfüllt, und wenn auch ihr erster Lehrer 
nur ein einfacher Dorfschulmeister war, der ihr von vorn herein 
gleich grossartige Bravourarien einstudirte, so hatte sie doch bald 
Gelegenheit, die Aufmerksamkeit Sigismnnd Neukomm's auf sich 
zu lenken und nun übernahm dieser ihre weitere Ausbildung. Zwei 
Jahre lang musste sie fast unausgesetzt Uebungen und Scala singen, 
und ihre Stimme entwickelte sich namentlich in der tiefen und 
Mittel-Lage zu einer seltenen Fülle und Kraft, Schwer war es je- 
doch, die Einwilligung der Eltern für die Bühnencarriere zu gewin- 
nen, aber Neukomm und Madame H o f f e r, die Schwägerin Mozart's, 
bewerkstelligten es endlich, und die letztere leitete auch die Ver- 
handlungen mit Schikaneder ein, welche schliesslich zu einem 
Engagement mit 500 fl. führten. 19 Jahre alt betrat sie am 9. 
April 1803 als Juno im „Spiegel von Arkadien" die Bühne und 
zwar mit grossem Erfolge. Jetzt entwickelte sich ihr Talent so 
überaus schnell und glänzend, dass sie schon nach einem Jahre 
mit 2000 fl. Gehalt beim Kärnthnerthor-Theater engagirt wurde. 
In ihr war eine Vertreterin für Gluck'sche Partien gefunden, wie 
sie bis dahin noch nicht dagewesen war, und die Hoftheater-Direc- 
tion säumte nicht, sofort die „Tpbigenie in Tauris" und „Alceste" 
einstudiren zu lassen. Der Erfolg war ein ganz ausserordentlicher, 
und das grosse Publikum wie die exclusive musikalische Welt wa- 
ren gleich sehr begeistert von dem neuen Stern am Opernbimmel. 
Es ist ja bekannt, dass während ihres Aufenthaltes in Wien Beethoven 
seinen „Fidelio," Cherubini „Faniska," Weigl die „Schweizerfamilie" 
und das „Waisenhaus" eigens für Anna Milder geschrieben iteben. 
Vervollständigen wir, ehe wir die Sängerin cbaracterisiren, 
erst noch in Kürze den biographischen TJeberblick. Im Jahre 1810 
verheiratete sie sich mit dem Juwelier Hauptmann und trat 
1812 eine Kunstreise über Breslau nach Berlin an, wo sie mit 
ausserordentlichem Erfolge sang. 1813 reiste sie nach Karlsruhe, 
Stuttgart und Frankfurt a. M. Der Staatskanzler Fürst 
Hardenberg, welcher sie 1814 in Wien horte, machte ihr glänzende 
Anträge für Berlin, nnd im Jahre 1815 reiste sie dabin ab, trat 
32mal als Gast auf und wurde in Folge dessen auch mit 4000 Thlr. 
Gehalt und 3 Monate Urlaub jährlich fest für die Berliner Oper 
engagirt. Für ihre unglückseligen häuslichen Verhältnisse, die hier 
nicht her gehören, die aber von diesem Engagement ab ihr ganzes 
Leben verbitterten, fand sie Trost in der Achtung und Anerkennung, 
die ihr von allen Seiten entgegengebracht wurden. Im Jahre 1831 
trat sie in den Buhestand, sang nur noch vorübergebend 1834 zwei- 
mal die Iphigenie und starb nach nur dreitägigem Krankenlager 
ganz plötzlich am 29. Mai 1838. (Schluss folgt.) 

Das IG. Säugerfegt zu Chicago. 

(Schluss.) 
Sehen wir so schon das Bild aus einem grossen Hintergrunde 
heraustreten, dann wird es uns noch grossartiger wenn wir es selber 
beschauen. Ein Ausfluss jener kühnen Gedanken war es, an 25 
deute cheStädte und Körperschaften in Europa Einladung zu die- 
sem Fest ergehen zulassen, zu dem die Amerikaner selbst 300 Stunden 



weit reisen mussten. Sie hatten die germanische Wanderlust nicht 
unterschätzt Es kamen zehn Abgesandte von Europa hinüber, von 
Hamburg, Co In, Berlin, Dresden, Nürnberg aus dem 
badischen Städtchen K i r ch e n (Oberkirch ?) und von dem Gesang- 
Verein „Teutouia" zu Paris. Als sie in New- York ankamen, 
meldete es ein Telegramm nach Chicago. Fünfzig Kanonenschüsse 
waren die Antwort der Chicager. Nach vier Tagen Festlichkeiten! 
Huldigungen jeder Art, ziehen sie mit den Sängergenossen von New- 
Tork nach dem Westeu. Ein furchtbares Unwetter zerstörte in Ohio 
die Eiseubahneu ; Brücken und Dämme brechen zusammen, auf 
viele Meilen ist die Gegend unter Wasser gesetzt. Das schreckt 
die Amerikaner nicht; binnen 24 Stunden sind Brücken und Däm- 
me wieder hergestellt; die Züge gehen weiter auf ihr Ziel los. 

Chicago selbst, seit dreissig Jahren aus dem Sumpfe heraus- 
gewachsen, jetzt der „Garten des Westen" genannt, eine riesige 
Stadt von 300,000 Bewohnern, die deutscheste von allen amerika- 
nischen Städten, erglänzt im Hochzeitskleide, gleich der Wald- nnd 
Wasserfee. Wie liebe Brüder und Freunde aus der Heimath, so 
werden die Gäste empfangen. Sie schauen einander an, wie gross, 
wie blühend sie geworden, die Herzlichkeit will nicht enden. Nun 
gehts zum Fest, zur feierlicheu Begrüssung aller Angekommenen, 
und siehe sie waren erschienen von allen Enden. Von 45 Vereinen 
waren grössere Chöre oder wenigstens Abgesandte gekommen, das 
grosse Fest der Verbrüderung zu feiern. 

Der Mayor der Stadt, Herr Rice (wie der Name zeigt von 
englischer Abkunft) begrüsst die Gäste: „Wir sind bereit und freuen 
uns von den älteren gesitteten Ländern das zu erlernen, was 
darauf abzielt, die Welt zu verschönern , die Last des Lebeus zu 
erleichtern und uns stetig im Sonnenschein zu erhalten. In kom- 
menden Zeiten vereinigen sich die Nachkommen dieser adoptirten 
mit den Abkömmlingen der eingeborenen Bürger zum Bruder- 
bund und sie werden singen ihre Lieder des Heldenthums und der 
Hoffnung, der Liebe und des häuslichen Herdes, in Hütte und Pa- 
last, in Stadt und Land, bis das Echo wiederhallt durch das ganze 
Land der Freiheit und Unabhängigkeit. 41 

In diesem erhabenen Sinn, wie der Stadt-Mayor, sprachen im 
Verlauf des Festes auch die übrigen Redner. Einschalten müssen 
wir gleich, es wurde nicht viel gesprochen ; am Abend der Begrüs- 
sung sprach nur noch der Festredner, Herr Schläger, dann am 
vierten Festtag beim Picnic zwei Redner, die Generale Willich 
und Hasbroock Davis. Die Amerikaner machen die Feste nicht 
zu einer politischen Demonstration, wie wir in Deutschland. Das 
„Belletristische Journal" sagte in dieser Hinsicht ganz treffend: 
„Die Deutschen drüben feiern Feste, um Politik zu treiben, die 
ihnen sonst verwehrt ist. Wir feiern die Feste um uns von der 
Politik auszuruhen, die uns das ganze Jahr anspannt." Die wenigen 
Reden sprachen aber in kurzen Schlagwörtern den ganzen Sinn 
der Versammelten aus: Vereinigung der Stammes-Angehörigen und 
die Verbrüderung mit den verwandten Stämmen, die Hochachtung 
vor Kunst und Wissenschaft, den Begründern edler Sitten. Den 
Worten entsprach auch die äussere Haltung, der Schmuck des Fes- 
tes. In der Festhalte stand die bekränzte Büste Lincolns und von 
der Facade wehte das amerikanische und das deutsche Banner. 

Die Fest-Concerte im Einzelnen zu schildern, kann hier 
nicht unsere Aufgabe sein ; sie gleichen mehr oder weniger den 
uns"rigen in Deutschland. Wir resümiren desshalb nur kurz. Es 
waren drei Concerte, an jedem der drei Festtage eins. Aufgeführt 
wurden von Orchesterwerken die 7. Sinfonie (A-dur) von Beethoven 
Webers und Lindpaintners Jubelouvertüren, Meyerbeer's Schiller- 
Marsch, Wagner's Ouvertüre, Kriegsmarsch aus „Rienzi;"von Chor- 
Gesängen das Buudeslied: „Was ist des deutscheu Vaterland?" ein 
„Sängergrus»" von Müller von der Werra und Reichard, „deutsches 
Völker-Gebet" von Abt, "Hymne an die Tonkunst" von Billeter, 
Schlacht-Hymne aus „Rienzi" dann einige Gesänge idyllischen Cha- 
racters. Zwischen den Orchester- und Chor-Werken kamen noch 
Quartett-Gesänge und Solo - Vorträge von Sängern und Spielern. 
Das Orchester bestand aus etwa 100 Spielern, der Chor aus 1000 
Sängern.*) Die Leitung des Ganzen hatte Hans Balatka, der 
als tüchtiger Dirigent gerühmt wird. 



*) Das scheint uns unbedeutend, gegenüber unsern oft von 
mehr Sängern besuchten Beztrks-Festen. Bei uns wohnen aber oft 
mehr Deutsche in Einer Stadt, als dort in einer ganzen Provinz. 



- 123 - 



Als characteristisch für die Auffassang der Concerte müssen 
«wir hervorheben , dass die Amerikaner die von hier hiuübergebrachte 
Sitte des Wettsingens beseitigt haben. Sie gab nur Anlasa 
cur Ueberhebung, «um Streit und zur Störung der beabsichtigen 
Verbrüderung. Künstlerisch wurde gleichfalls nichts damit erzielt, 
weil die einzelnen Vereine auf Sonderbarkeiten verfielen und den 
Hauptgesang, den Gesammtchor, vernachlässigten. 

Am dritten Festtag war ausser dem Concert noch eine General- 
versammlung der Abgesandten sämmtlicher Vereine, in der 
die Gründung eines allgemeinen amerikanischenSänger- 
h u ad es berathen und für das nächste Fest zur endlichen Beschluss- 
fassung gesetzt wurde. Am vierten Festtag war ein grosses Picnic 
in Wriffhts Grove , einem schönen Park, nordwestlich von der 
•Stadt gelegeu. Es war an einem Sonntag (21 Juni.) Wir in 
Deutschland denken nichts besonders, wenn wir Feste am Sonntag 
feiern. Wir halten es sogar für selbstverständlich, dass wir die 
Feste nur auf Sonntage legen, wo Bürger und Bauer Müsse haben. 
Anders drüben. Das pietistische Element ist durch englische Theo- 
logen in dem Grad eingeprägt, dass eine „weltliche Lustbarkeit" 
an einem Sonntag von den Amerikanern für einen Frevel erklärt 
wird. Die New-Yorker mussten z. B. ihre Gäste an dem acht Tage 
später beginnenden Schützen-Fest aus der Stadt führen, um Anstoss 
zu vermeiden. Im Westen ist zwar, Dank der deutschen Presse, 
diese Frömmelei ziemlich ausgemerzt; aber doch lassen sichs ame- 
rikanische Priester nicht nehmen, auf die barbarischen Deutschen 
zu schimpfen. An jenem Sonntag hielt z. ß. ein Mr. Goodspeed 
in einer Baptisten-Kirche einen heftigen Sermon gegen die deutsche 
Sonntagsfeier, die er für einen Todesstreich gegen das Christenthum 
•erklärte. 

Eine zweite Eigentümlichkeit dieses Festtags war, dass der 
Festzug mit einer Polizei-Mannschaft begonnen wurde. Bei uns 
hält man Begleitung von Gensd'armen für keine ehrenvolle ; sie 
gehen aber als Sauve-Garde neben dem Zug, dort gingen sie i m 
Zug und zwar an der Spitze. Sie hatten auch nur die Bolle unserer 
Turner, bei solchen Festen, die der Ordner, zugleich auch der 
Schützer gegen Industrie-Ritter und gegen alleufallsige Störenfriede 
«us den dem Deutschthum feindlichen Kreisen. 

In gleicher Weise wie diese Festordner ehrte man auch die 
geistigen Ordner, die Vertreter der P r e s s e. Auf dem Wormser 
Lutherfest z. B. mussten die „Literaten" auf dem Festplatz unter 
dem Gewühl des Volkes sitzen uud hatteu doch die Aufgabe die 
pastoral en Festreden in ein gemein verständliches Deutsch zu Über- 
tragen. Zwei Wirtbshaus-Tische hatte mau ihnen hingestellt und 
zum Schutz gegen die Sonuengluth am Sommer-Sonnenwendtag den 
Strohhut auf dem Haupt zubehalten erlaubt. In Chicago wurden 
sie auf die Estrade in der Festhalle geführt und neben die Hono- 
ratioren des Festes gesetzt. 

Dass die Deutschen in dem schönen Park nach Herzenslust 
schwelgten, commercirten, Brüderschaft tranken und „Wer hat dich 
du schöner Wald" nicht vergassen, brauchen wir kaum zu erwähnen. 
Beden wurden nur zwei gehalten, eine deutsche und eine eng- 
lische; aber merkwürdig war, dass sie von Generalen gesprochen 
wurden. 

General W i 1 1 i ch und General Hasbroock-Davis waren 
die beiden Festredner, welche in gleichem Geiste den ethischen Be- 
ruf der Deutschen predigten. Da ihre Beden aber vorzugsweise 
auf das politische Gebiet hinüber spielten, dürfte eine ausführliche 
Mittheilung ihres Inhalts in diesen Blättern wohl nicht am Platze 
sein. 

In grossem Styl begann und endete das Fest. Als Glieder eines 
grossen Ganzen umschliessen sich die über den ganzen Continent 
zerstreuten Sprossen Germanias ; über das weite Meer reichen sie 
die Hand ihren Brüdern in die Heimath. Sie sind versammelt im 
Bewusstsein , dass sie eines Stammes , eines Sinnes sind ; was sie eint, 
ist die Allen gemeinsame Kunst. So wird auch sie, die verehrte, 
auf den ihr gebührenden Standpunkt erhoben. Die Kunst ist nicht mehr 
leeres Phantasiegebild , zum kindischen Spiel verknöcherter Priester 
dienend ; sie ist der Ausdruck einer grossen Idee, der Erguss eines 
die höchsten Ziele erstrebenden Volkes. 

Wir könnten eifersüchtig sein, ob dieser grossartigen Auffassung 
«des Lebeos, ob dieser hehren Feier der Kunst, wenn ans nicht 



der Gedanke mit Stolz erfüllte, dass diese Weltanschauung, diese Kunst 
doch von uns hierüben ausgegangen. In rührender Bescheidenheit 
und Ehrerbietung vor dem Mutterlande sprachen es die sämmtlichen 
Redner aus : Von E u ch haben wir es empfangen, mit Hochachtung 
und Dank nehmen wir die Gabe an. Das Gefühl der Verehrung 
würde uns niederdrücken , wenn wir nicht die Kraft in uns ver- 
spürten, euch einstens heim zu zahlen. Ihr habt den Gedanken der 
Befreiung aller Völker für die Menschheit geboren ; wir machen ihn 
zur That. Ihr erzeugtet die geistige Freiheit; wir schaffen die 
leibliche. So geben wir euch zurück, was wir von euch empfingen ; 
so zahlen wir unsere Schuld ! — 

Heinrich Becker. 



lachricbten. 



lDDSbmck. Am 15. Juli feierte unser Musikverein das 
BOjäbrige Jubiläum seines Bestehens, bei welcher Gelegenheit Mor- 
gens 10 Uhr in der Jesuitenkirche die herrliche Messe in C-dur, 
Op. 86, von Beethoven zu dem von dem hochwürdigen Abt 
von Wilten celebrirten Hochamte unter der Leitung des Vereins* 
dirigenten Hrn. Nagiller in vortrefflicher Weise zur Aufführung 
kam. Frau Lutz (Sopran) , Frl. Tiefenba ch er (Alt) , Herr 
V i 1 1 u n g e r (Bass) von hier und Hr. B o h 1 i g vom grossh. Hof- 
theater in Schwerin (Tenor) trugen die schwierigen Solopartien in 
ausgezeichneter Weise vor. Das eingelegte Graduale war von der 
Composition des Tyrolers G ä n s b a ch e r, (bekanntlich Mitschüler 
bei Abbe 1 Vogler und specieller Freund C. M. v. Weber's) und als 
O/fertorium wurde ein Ave Maria von Mendelssohu für bechs- 
stimmigen Chor und Tenor-Solo (letzteres von Hrn. Bohlig vortreff- 
lich vorgetragen) zu Gehör gebracht. Die Wirkung des Beethoven- 
seben Meisterwerkes in sorgfältigst vorbereiteter und höchst gelung- 
ener Aufführung war eine tief ergreifende. Abends 6 Uhr fand die 
Aufführung des Oratoriums Händel statt — ein Ereigniss für 
Innsbruck — wo man bisher noch kein Händel'sches Werk voll- 
ständig gehört hatte, und es ist hauptsächlich dem unermüdlichen 
Eifer und der hingebenden Kunstliebe des Dirigenten Hrn. Nagiller 
zu verdanken, dass das genannte Werk nach der von der Händel- 
gesellschaft veröffentlichten Partitur und mit Aufbietung aller musi- 
kalischen Kräfte Innsbrucks in so befriedigender Weise durchge- 
führt wurde. Frau Lutz von hier, Frau von K r a y n a g aus 
Hall und die HH. Bohlig und Vi 11 un ger hatten die Solopartien 
übernommen und wetteiferten mit dem etwa 200stimmigen Chor 
und dem trefflich einstudirten Orchester um die Palme des Abends. 
Ehre und Lob sämmtlichen Mitwirkenden, welche dem zahlreich 
versammelten Publikum so schöne, unvergessliche Genüsse bereiteten, 
Ehre und Lob vor Allem Hrn. Nagiller, der sich nicht nur um die- 
ses Fest, sondern um die Hebung des seiner Leitung anvertrauten 
Musikvereins so grosse Verdienste erworben hat. 

Wien. Am 1. Oetober wird die Bühne des neuen Opernhauses, 
gegen Ende December das ganze Haus zur Verfügung der Direction 
gestellt werden, die Eröffnung desselben aber wohl nicht vor Ende 
Februar des nächsten Jahres stattfinden. 

München. Am 23. Juli fand die erste Aufführung der grossen Oper 
„Buy Blas" von Max Z e n g e r im k. Hofheater und am 26. Juli die 
erste Wiederholung derselben mit sehr günstigem Erfolge statt. Der 
Componist bat seit seiner ersten Oper „Die beiden Foscari" offen- 
bar grosse Fortschritte gemacht und berechtigt zu den schönsten 
Hoffnungen für seine künstlerische Zukunft. Die Hauptrollen der 
neuen Oper befanden sich in den besten Händen, indem sie den 
Damen Frl. Stehle und Frl. Leon off sowie den HH. Vogel 
und Kindermann anvertraut waren und von diesen mit sichtlicher 
Vorliebe durchgeführt wurden. 

— Der König, welcher den letzten Vorstellungen der „Meister- 
singer" nicht mehr beigewohnt hat, wird dieser Tage von Schlosa 
Berg hieherkommen, um eine von ihm anbefohlene Aufführung. 
Wagner'scher Compositionen im k. Besidenstheater anzuhören. 

Paris. Der gesetzgebende Körper hat am 21. Juli nach leb- 
haften Debatten über die den Pariser Bühnen zu gewährenden ftub- 



124 



ventiouen in folgender Weise abgestimmt: Das TMätre Jyrique 
behält die bisherige Subvention too 100,000 Pres. } die der grossen 
Oper belauft sich Alles in Allem anf 1,200,000 Frcs., die der ko- 
mischen Oper auf 240,000 Frcs. 

— An Hector Berlioz ist aas Altenburg, wo soeben die 
„deutsche Tonkünstler-Versammlung" stattfindet, folgendes von Dr. 
W. Stade, Hofcapellmeister in Altenburg und Carl Riedel, 
Director des „Riedel'schen Vereins" in Leipzig aasgehende Tele- 
gramm gelangt: „Wir haben die Ehre Ihnen mitzutheilen, däss Ihre 
Sinfonie fantaslique und Ihr Requiem, welche beide Werke hier 
vollständig aufgeführt wurden, den glänzendsten Erfolg vor einem 
aus Musikern aller Länder bestehenden Publikum gehabt haben. 
Im Namen von Deutschtand, Oesterreich, Frankreich, Russland, 
Ungarn, Belgien, der Schweiz, Amerika etc. drücken wir Ihnen die 
Achtung und die tiefe Verehrung aus, welche Ihre Werke ans 
einflössen." 

— Mlle. Marie Lefebure-Wely, eine Tochter des rühmlich 
bekannten Organisten zu Saint-Sulpice und selbst eine ausgezeich- 
nete Pianistin, hat sich diese Woche mit dem Bergwerks-Ingenieur 
Ch. Videcoq vermählt. 

*** Während die General-Direction des königl. Hoftheaters in 
Dresden soeben die höchst dankenswerthe Verordnung erlassen 
hat, dass die Mitglieder genannter Bühne den Hervorrufen bei offener 
Scene fortan keine Folge mehr zu geben haben, (ausgenommen in 
der Gesangsposse, im Ballet und bei sonstigen Tänzen), klagt Dr. 
Hanslick in Wien in der „N. f. Pr., K dass die jetzige Direction 
des Hofoperntheaters die von ihren Vorgängern mit grosser Mühe 
zur Geltung gebrachten Theatergesetze, gemäss welcher das Hervor- 
rufen der Sänger bei offener Scene sowie das Wiederholen der Ge- 
sangstücke untersagt und die Zahl der Hervorrufe nach dem Act- 
schlusse auf 3 beschränkt wurde, wieder fallen lasse, so dass ein- 
heimische wie fremde Sänger bei offener Scene gerufen werden, und 
auch erscheinen, so oft man nur will ; bisher wurden den Sängern 
in solchem Falle Geldstrafen auferlegt. Möge Dresden's Beispiel 
allgemeine Nachahmung finden. 

*** N i e m a n n hat von der ihm im vorigen Winter vom Dres- 
dener Hoftheater auferlegten Conveutionalstrafe von 4000 Thlrn. 
nunmehr 2000 Thlr. bezahlt. 

*#* In Turin ist das Theater Alberto-Nota vollständig 
abgebrannt. Man gab „Crispino e la Comare" bei übervollem 
Hause, als in der Mitte des 3. Actes ein durchdringender Schrei 
aus den Coulissen gehört wurde. Eine Tänzerin, welche aus ihrer 
Garderobe auf die Bühne getreten war, hatte an einer Lampe ihre 
Kleider in Braud gesteckt und im Schrecken herumlaufend auch 
einigen Coulissengegenständen das Feuer mitgetheilt, welches so 
schnell um sich griff, dass in unglaublich kurzer Zeit die ganze 
Bühne in Flammen stand und das Publikum in schrecklicher Angst 
den Ausgängen zudrängte. Glücklicherweise wurde ein Theil der 
Zuschauer durch beruhigende Zurufe noch eine Weile zurückge- 
halten, wodurch ein zu grosses Gedränge und damit wohl auch gros- 
ses Unglück verhütet wurde. Es ist kein Menschenleben zu bekla- 
gen und auch die unglückliche Veranlasserin des traurigen Ereig- 
nisses kam mit wenig bedeutenden Brandwunden davon. Um 11 Vi 
Uhr war das gauze Theater vollständig niedergebrannt. 

*** Der Liederdichter Müllejr von der Werra hat vom 
Herzog von Meiningen die goldene Medaille für Kunst und Wissen* 
Schaft erhalten. 

*** Am 16. Juli starb in Teplitz der beliebte Gesangkomiker 

und Possendichter Gustav Räder vom Hoftheater in Dresden. 

*** Der neue Director des Mozarteums in Salzburg, Dr. Otto 

B a ch, wurde von der dortigen Liedertafel einstimmig zu ihrem 

Chormeister erwählt. 

*** Die Vermählung der Adelina Patti mit dem Marquis 
de Cauz wird dieser Tage in London stattfinden. 

%* Die Schauspielerin Frau Ristori hat von ihrer ameri- 
kanischen Kunstreise, auf welcher sie 120mal in New -York und 
360mal in Amerika Überhaupt auftrat, nicht weniger denn 3,700,000 
Frcs. mitgebracht; ungefähr ein Drittel dieser Summe ist, wie 
verlautet, zum Ankauf einer prachtvollen Besitzung, „Villa Ristori 11 , 
verwendet worden. (A. A. Ztg.) 

*** Der berühmte Contrabassist Bottesini ist gegenwärig 
in Paris damit beschäftigt zur Oper „Die Gans von Cairo" von 



Mozart an die Stelle des Dialogs Parlando-Recitative zu setzen, da 
dieses Werk auf verschiedenen italienischen Bühnen zur Aufführung; 
kommen soll. 

*** Die vortreffliche Gesanglehreriu Frau M a r ch e s i wird 
im September Co In verlassen um die ihr in schmeichelhafter Weise- 
angebotene Lehrstelle am Cooservatorium in W i e n anzutreten. Ihr 
Gatte wird sodann am Conservatorium in C ö 1 n sämmtliche Gesangs» 
classen für männliche und weibliche Eleven bis zum April künftigen 
Jahres fortführen, um hierauf ebenfalls nach Wien zu übersiedeln .. 

*** Das grosse Sängerfest in Chi cago hat einen sehr gJän» 
senden und von hoher Begeisterung der Tbeilnehmer und des Pub- 
likums getragenen Verlauf gehabt. Die Ausführung des musikalischer* 
Programms in vocaler und instrumentaler Beziehung wird von allen. 
Seiten als eine durchaus gelungene bezeichnet. 

*** Man schreibt aus Altenburg vom 21. Juli : „Die beide» 
ersten Tage der seit dem 19. d. M. hier eröffneten sechstem 
Tonkünstlerversammlung sind unter einer sehr regen Theilnahme- 
des Publikums verflossen. Die Stadt ist durch eine grosse Anzahl 
Fremder belebt; von den mitwirkenden Tonkünstlern haben die 
meisten gastliche Aufnahme in Familien gefunden. Das Fest wurdo 
am 19. Morgens sehr würdig durch Aufführung der B a ch'schen 
Motette: „Jesu, meine Freude" in der Brüderkirche eröffnet. Mittags- 
12 Uhr erfolgte die mündliche Eröffnung der Versammlung durch 
eine Begrüssungsrede des Vorsitzenden des allgemeinen deutschen 
Musikvereines, Dr. Brendel von Leipzig, und einen sich dieser 
Rede anschliessenden Vortrag des Hofrathes Professor Dr. Oswald 
M a r b a ch ebendaher ,,über die Wiedergeburt der dramatischen 
Kunst durch die Musik" in der Aula des Josephinums. Am Abend 
folgte das erste grosse geistliche Concert in der Brüderkirche unter 
der Leitung des Musikdirektors Riedel von Leipzig, bei welchem 
zum ersten Male in Deutschland das grosse Requiem von Hector 
Berlioz für Tenorsolo, Chor und Orchester, nach einer Umarbei- 
tung der Instrumentation von Professor C. Götze aus Weimar 
und der 13. Psalm von Franz L i s z t zur Aufführung gelangten- 
Der gestrige Tag führte in einer Matinee in dem Saale der „Concordia'* 
die bedeutendsten Virtuosen der Versammlung vor. Es Hessen sich 
dabei besonders die HH. Professor S p e i d e 1 von Stuttgart, Con~ 
certmeister Jacobsohn von Bremen und Kammermusiker Krumb- 
holz von Stuttgart, die vorzüglichsten Pianisten Gebrüder Willi 
und Louis T h e r n aus Pesf, Meyer aus Leipzig, W ü n s ch und 
Stamm von hier, Cabisius und Simon von Sondershausen,. 
S t e i n b r e ch e r aus Dessau, die Damen M. A. Wie de mann 
von Leipzig, und L. Meyer aus Darmstadt hören. Am Abend 
hatte das zweite grosse geistliche Concert unter Leitung des Hof- 
capellmeisters Dr, Stade in der Schlosskirche eine ausserordent- 
lich zahlreiche Zuhörermenge herbeigezogen. Auch der Herzog war 
zur Anhörung desselben von Hummelsheim eingetroffen. Das Pio- 
gramm des Concertes bildeten besonders mehrere Compositionen 
von Bach, ein Kyrie und Gloria von Palestrina, mehrere alt- 
deutsche Gesänge und religiöse Lieder von Dr. Stade, Präludium 
und Fuge über den Namen Bach von Franz Li szt, der 126. Psalm 
von R e b 1 i n g und eine Motette auf das Reformationsfest von 
Engel. Den Schluss des Festtages machte ein sehr heiteres Fest- 
mahl im Saale des M Preussischen Hofes." 

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10. Augast 1868. 



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INHALT: Kometen, — Corresp.: Neuss. Wien. — Nachrichten. 



H o m c t e 

Von W. Lackowiti. 



(Fortsetzung.) 

Anna Milder vereinigte zwei Bedingungen in sich, welche 
sie für die Bühne, die ja für Auge und Ohr gleichzeitig die künst- 
lerische Erregung zu bewirken hat, zu einer Künstlerin ersten Ban- 
ges machen mussten. Das waren ibre colossale Stimme und ihre 
wahrhaft majestätische Gestalt. Es hat wohl nie eine Alceste, eine 
Statyra (Olympia von Spontini) gegeben, welche in diesem Maasse 
den Ausdruck königlicher und priester lieber Würde mit mütterlicher 
Hoheit so verschwistert plastisch wiedergeben konnte, als sie. Ihr 
wahrhaft edler Sinn für einfache Kunstschönheit, z. B. für die Tiefen 
der Gluck'schen Musik, die ernste, dramatische Buhe, welche den 
Grundzug ihres Characters bildete, Hessen solche Bollen wie nur 
eigens für sie geschaffen erscheinen. Sonderbar freilich klingt es, 
wenn man damit einige Bollen zusammenhält, welche in Wahrheit 
für sie componirt sind, wie z. B. die Leonore im „Fidelio;" denn 
nach der Dichtung ist in ihr wohl ein Weib gedacht von edlem 
Wüchse, edler Haltung, nicht aber eine Persönlichkeit, die nur 
Macht, Hoheit und Würde im vollendetsten Maasse repräsentirte. 
Anna Milder's Erscheinung hatte nichts Jungfräuliches, aber jeder 
Zoll an ihr war eine Königin, daher war sie eine Herrscherin, eine 
Obervestalin, eine Priesterin, wie die Bühne weder vor noch nach 
ihr gesehen hat. 

Die Stimme unserer Sängerin war an Macht und Fülle in die- 
sem Jahrhunderte die zweite in Europa, sie wurde einzig und allein 
übertroffen durch die der Angelica Catalani. Sehen wir auf 
die Wirkung, so müssen wir allerdings Nanette Schechn er noch 
die Palme vor ihr zuerkennen; sie allein war im Stande, ihre Stimme 
neben einer Anna Milder geltend zu machen, stand ihr aber an 
Tonfülle bedeutend nach. Dafür aber entwickelte sie eine geistige 
Energie, hauchte jedem Tone eineu Schmelz, einen Seelenreiz ein, 
wie es der Milder niemals zu Gebote stand. Diese drei Sängerinnen 
sind in Bezug auf das Material, die Stimme an sich, unstreitig die 
ersten drei Enropa's gewesen und wohl heute noch unerreicht. Schon 
der jungen Schülerin Sig. Neukomm's sagte der Altvater Joseph 
Haydn, als er Bie auf seinen Wunsch hörte: Liebes Kind, Sie 
haben eine Stimme wie ein Haust* und J. C. Fr. Bell st ab, der 
sie 1811 in Wien hörte, berichtet über sie: „Wenn man den Be- 
richten des Hrn. Capellmeister Beichardt und mehrerer Tonkünstler 
trauen soll, so kann man sich ihre ausgezeichnet schöne Stimme 
nicht anders denken, als ein schönes, volles Orgelregister, aber 
auch ebenso flach, ebenso ungünstig und ebenso monoton wie jenes. 
Das ist aber in den letzten drei Eigenschaften keineswegs der Fall. 
Es kann keine Sängerin und Tonkünstlerin geben, auf welche so- 
wohl meine Neugier mehr gespannt gewesen wäre, als meine Auf- 
merksamkeit iu grösserer Erwartung. Bei meiner ersten Anwesen- 
heit in Wien war sie verreist, bei meiner Bückkehr aus Italien 
fand ich sie. aber und .hörte undstüdirte ich ihre Stimme alle Tage. 



Sie hat einen Umfang von a bis dreigestrichen c. Iu diesem Um- 
fange sind sämmtliche Töne gleich schön, gleich stark, gleich voll; 
sollte man jedoch einige vorziehen können, so wären es die bei 
andern Stimmen so selten schönen Mitteltöue von d bis zweige- 
strichen d. Es ist der Ton einer wirklich ersten Steiner-Geige, 
die ich noch der Cremoneser vorziehe. Triller, Pralltriller und 
Mordenten macht sie nicht, aber den Doppelscblag, Schleifer und 
Anschlag sehr gut punktirt und gleich. Eigentlich grosse Bravour- 
Fassagen macht sie eben so wenig, aber sanfte gute Volaten, vo- 
lubel und deutlich, auch bat sie alle Nuancen der Stärke und 
Schwäche. — — I 8 Es war kein Wunder, dass selbst ein Napoleon 
vor dem sie 1809 in Schönbrunn singen musste, hingerissen wurde, 
und er Hess der Sängerin, von deren Stimme er sagte : „ Voilä une 
voix, depuis longtemps je riai pas entendu une teile voix\ a ein 
Engagement nach Paris antragen, nach welchem sie 30,000 Frcs. 
Gehalt, drei Monate Zeit zum Einstudiren jeder Bolle, alle Meister 
zur ferneren Ausbildung erhalten sollte, während ihr für das zweite 
Jahr von vornherein ein Gehalt von 40,000 Frcs., für die Mitwir- 
kung in den kaiserlichen Concerten extra 6000 Frcs. und diese" 
Summe ihr auch nach zweijähriger Dienstzeit als Pension zugesichret 
wurde. Oben angedeutete, anderweitige trübe Verhältnisse zwangen 
sie, diesen Gontract, wie er wohl noch nie einer Sängerin geboten 
worden ist, nicht anzunehmen, wie sie auch später (1813) durch 
ein ähnliches erzwungenes Ausschlagen eines andern Antrages des 
König von Württenberg sich dermassen verfeindete, dass dieser 
ihr sogar den Aufenthalt in seinen Staaten verbieten Hess. Wie 
sie als Sängerin allgemein ge feiert wurde, mag schliesslich noch 
der Spruch bezeugen, welchen ihr Goethe bei ihrer 25jährigen 
Dienstfeier 1828 mit einem Prachtexemplar seiner „Tphigenie" über- 
sandte : 

„Dies unschuldvolle, fromme Spiel, 
Das edlen Beifall sich errungen, 
Erreichte doch noch höh'res Ziel, 
Betont von Gluck, von Dir gesungen. — 

Josephine Schulze, geb. Killitschgy, war das ergänzende 
Gegenstück der vorigen Sängerin auf dem Felde der grossen Oper ; 
war jene die verkörperte plastische Buhe, so war diese die nie ver- 
löschende Leidenschaft, kannte jene keinen Sporn, so diese keinen 
Zügel, sie war Bravoursängerin im eigentlichsten Sinne des Wortes. 
Sie war geboren um 1790 in Wien und soll ihren ersten Gesang- 
unterricht von Salieri erhalten haben. Von 1810 — 13 war sie 
in Breslau engagirt, gastirte aber auch gleichzeitig mit grossen Er- 
folge in Berlin. Diesen Aufenthalt in der Besidenz benutzte die 
fieissige junge Künstlerin dazu , um noch den Unterricht Vicenzo 
Bighini's zu benutzen, der damals noch immer ala Capellmeister 
der italienischen Oper in Berlin lebte, obwohl diese seit 1806 ei- 
gentlich ganz aufgehört hatte. Durch diesen Unterricht aber bilde- 
te sie sich erst zu einer so ausgezeichneten Bravoursängerin. Die 
»Leipziger allgemeine musikalische Zeitung" berichtete damals über 
sie: „Sie ist eiu junges, sehr vortheilhaft gebildete«, blühendes Mäd- 



- 126 — 



eben mit einer vollen, schönen*, metallreichen Stimme, reiner Into- 
nation und gntem Vortrage nach italienischer Weise. 8ie umfasst 
zwar nur zwei Octaven, vom eingestrichenen bis dreigestrichenen c. 
Hier «od aber auch alle Töne rein und schön, und wer wollte da- 
für nicht hingeben , was über diese Sphäre hinausgehen könnte? 
Sie versteht, ihre schöne, von Natur sehr starke Stimme vortrefflich 
zu massigen, so dass sie zu tragende Stellen, auch Passagen mezza 
voce sehr zart, lieblich und fertig vorträgt, dann aber, wo es gilt, 
mit ganzer, voller Stimme selbst durch das Foite des Orchesters 
dringt, ohne dass ihr Ton darum gellend oder schneidend würde." 
Am 6. Mai 1813 trat sie als neues Mitglied der Berliner Bühne 
zum ersten Male in der königlichen Oper auf, nachdem sie sich 
1812 mit dem Justizrath Schulze verheirathet hatte, und gehörte 
diesem Institute bis zum Jahre 1831 an, wo sie fast gleichzeitig 
mit Anna Milder auf ihren Wunsch pensionirt wurde. 

Ein Hauptvorzug dieser Sängerin war ihre grosse musikalische 
Sicherheit, mit der sie bei ihrem eifrigem Willen, immer auszu- 
helfen, wo es irgend die künstlerische Ehre erforderte, die aller ver- 
schiedenartigsten Partien übernahm. Ihr eigentliches Fach waren 
die colorirten, heroischen und tragischen Bollen, die Donna Anna 
im „Don Juan", die Amazily im „Cortez", Eglantina in der „Eu- 
ryanthe* und drgl. Diese Sicherheit machte sie unschätzbar nament- 
lich für alle Ensembles, und ihre prächtigen Mittel, ihre ausgezeich- 
nete Fertigkeit Hessen sie oft Erstaunenwürdiges leisten , wenn 
auch die Schönheit ihrer Leistungen oft durch zu grosse Leiden- 
schaftlichkeit nicht wenig beeinträchtigt wurde. Sie konnte es 
wagen, selbst mit einer Catalani in die Schranken zu treten. 

Angelica Catalani kam im Jahre 1827 zum dritten Male nach 
Berlin, wo sie bei ihrem ersten Auftreten 1816 , wie überall , als 
das grösste Gesangswunder bejubelt worden war, während sie bei 
ihrem zweiten Besuch 1819 nur noch den Eindruck einer Ruine 
machte. Wunderbarer Weise aber strahlte sie beim dritten Male 
fast wieder in ihrem alten Glänze, so dass sie trotz der inzwischen 
erstandenen Nebenbuhlerinnen wie Nanette Schechner, Sabine Heine- 
fetter, Henriette Sontag, Alles zur Bewunderung fortriss. Bei einem 
Concerte, welches für sie im Opernhause gegeben wurde, wünschte 
sie, dass auch einige einheimische Sänger und Sängerinnen sich 
daran betheiligen möchten. Niemand aber wagte den hingeworfenen 
Fehdehandschuh aufzuheben, bis sich Josephine Schulze dazu be* 
reit erklärte, und in dem Turniere , wenn auch nicht als Siegerin 
glänzte, doch neben der übermächtigen Gegnerin einen ausserordent- 
lichen Triumph feierte , als eine ächte Verfechterin heimathlicher 
Kunst gegenüber dem ausländischen Virtuosenwunder. Selbst die 
Catalani erkannte den Muth und die seltene Geschicklichkeit ihrer 
deutschen Collegin willig an und äusserte über sie in ihrem selt- 
samen französisch italienischen Jargon: r ,Ah, c'est une femme e- 
tonnante! que cette femme a des pouvoirs!" 

(Schluss folgt.) 



CORRBSPOKDENZEH. 



Aus N c 11 8 *• 

Weun man die vielen Ankündigungen und Berichte über die 
vielen Sänger -Bundes- und Vereins - Gesangfeste ansieht, welche 
rechts und links im deutschen Vaterlande alljährlich gefeiert werden, 
so hält es schwer sich dabei zu orientiren und es gehört schon 
eine ziemlich genaue Kenntniss der musikalischen Zustände und 
Verhältnisse des Landes dazu , sich darin zurecht zu finden und 
dieselben von einander zu unterscheiden. 

Auch heute haben wir wieder über eia solches Fest zu berich- 
ten, welches der Rheinische Sang er verein, bestehend aus 
den fünf renommirtesten Gesangvereinen des Niederrheins, dem 
„Cölner Männergesangverwin ," den „Liedertafeln* zu Aachen 
und Crefeld, der „Concordia* zu Bonn und dem „städtischen 
Männergesang verein" zu Neuss, als sein fünftes Bundesfest am 26. 
Juli c« zu Neuss mit glänzendem Erfolge gefeiert hat. Die Feste 
des Rheinischen Sängervereins unterscheiden sich von vielen anderen 
wesentlich dadurch, dass die betheiligten Corporationen erprobte, 
unter der Leitung anerkannt tüchtiger Dirigenten stehende, den 
höheren Stiflden angehörige, gut geschulte und diseiplinirte Dilet- 



tantenvereine sind, deren künstlerisches Streben neben der Pfleg« 
ihres eigenen Vereinslebens vorzüglich darauf gerichtet ist, wirklich 
gute und classische Musikstücke sorgfältig zu studiren und in jähr- 
lich wiederkehrenden gemeinsamen Coucert - Aufführungen Proben 
ihres Kunstfleisses durch möglichst vollendeten Vortrag grosserer 
Meisterwerke für Männerchor mit Orchesterbegleitung abzulegen. 
Der Gesammt-Verein verfolgt hierbei den doppelten Zweck, das 
Kunststreben der einzelnen Vereine wach zu erhalten und die Leis- 
tungen des Chores auf den Höhepunkt der möglichsten Vollkommen- 
heit zu bringen, wie auch die Componisten und Tonkünstler zur 
Schaffung neuer, gediegener, auf Massenwirkung berechneter grös- 
serer Meisterwerke für Männergesang mit Soli's und Orchesterbe- 
gleitung dnreh periodische Preisausschreibungen anzuregen. 

Den Reigen dieser Gesangfeste eröffnete 1863 der „Cölner 
Männergesangverein;* es folgten alternirend die Städte Aachen, 
Crefeld, Bonn, und feierte heute als Vorort der Männergesangverein 
zu Neuss, unter der Leitung seines Dirigenten, des Musikdirectors 
Herrn F. Hart mann, in der neuen Tonhalle der städtischen An- 
lagen daselbst das fünfte Jahresfest des „Rheinischen Sänger- 
vereins. 

Bei dem Festconcerte kamen znr Ausführung: Ouvertüre zu 
Ruy Blas you Fr. Mendelssohn; „Nacbtbelle,* Tenor-Solo und 
Männerchor von F. S ch u b e r t, mit der Instrumentirung von F. 
Weber; Recitativ und Arie aus „Figaro'a Hochzeit" für Bariton 
von W. A. Mozart; „Schottischer Bardenchor* von F. Sucher 
und A Morgenständchen " von H. Mar sehn er, im Einzelvortrage 
a capella von der „Bonner Concordia ;" Recitativ und Arie aus 
„Fidelio" für Sopran von L. v. Beethoven; Tedeum für Männer- 
stimmen von Jul. Rietz und „Alcestis" nach J. G. Herdeas „Ad- 
metus Haus" für Männerchor, Soli und Orchester von C. J. B r a m- 
bach, unter Leitung des Componisten. An Solokräften waren ge- 
wonnen : Sopran — Fräulein Hedwig Scheuerlein aus Breslau, 
Tenor — Herr Concertsänger A. Ruff aus Mainz, Bariton — Herr 
Hofopernsänger Schaffganz aus Berlin. Nach dem Textbuche 
war der Chor zusammengesetzt aus 52 Tenore 1. 55 Tenore II. 68 
Bassi I. 50 Bassi IL Das Orchester 50, in Summa aus 275 Mit- 
wirkenden. 

Das treffliche Programm, das schöne Stimmen- Verhältniss, die 
anerkannt tüchtigen Cborkräfte, die künstlerischen Leistungen nam- 
hafter Solisten und ein geübtes Orchester Hessen Vorzügliches er- 
warten. Mit Bezug auf das Programm hätten wir zwischen der 
Ouvertüre und der S ch u b e r fachen „Nachthelle" die Einschie- 
bung eines kräftigen Gesammt-Chores gewünscht, welcher nach der 
schwungvollen Ouvertüre an richtiger Stelle gewesen und dazu bei- 
getragen haben würde, die sentimentale zarte „Nachthelle" desto 
lieblicher abzuheben. War auch der Rheinische Sängerverein mit 
Bezug auf seine wiederholten Preisausschreibungen nicht besonders 
glücklich gewesen, so dass es ihm nicht hat gelingen wollen, nach 
dem Urtheile der bewährtesten Kunstrichter aus der Menge der 
eingelaufenen Concurrenz- Arbeiten, auch nur ein einziges Werk, 
als des Preises würdig, sieggekrönt herrorgegangen zu sehen, so 
waren die Vorstände doch desto eifriger bestrebt, das Würdigste 
und Beste aus der Tagesliteratur des Männergesangs auszuwählen 
und bei ihren Festen zu verwenden ! 

Seinem Streben verdanken wir eine Reihe der trefflichsten Ton- 
schöpfungen der hervorragendsten Meister, welche theilweise auf 
speciellen Wunsch und Bestellung eigens für die Feste des Vereins 
geschrieben worden sind. Wir erinnern hier nur an die trefflichen 
Werke: aus der „Edda," den 93. Psalm und die Cantate „Oster- 
morgen" von F. H i 1 1 e r, der 150. Psalm von Fr. Lachner, 
deu „römischen Triumphgesang/' vou B r a m b a ch ; „Thurmwäcbter- 
lied" und „Salamis" von F. Gernsheim, und ganz besonders an 
die beiden Preis - Compositionen „Heinrich der Finkler" von F. 
Wüllner und „Velleda" von C. J. Brambach, welche beide 
letzteren sieggekrönt aus dem Privat-Preisausschreiben der „Aachener 
Liedertafel" hervorgegangen, durch deu „Rheinischen Sängerverein" 
zum erstenmale zur Aufführung gebracht worden sind. 

Bei dem diesjährigen Feste begrüssen wir wiederum zwei neue 
grössere Werke für Männerchor mit Orchester, Te Deum von J. 
Riete und „Alcestis* von C. J. B r a m b a ch, welche hier zum 
erstenmale zur Aufführung kamen und auf dem Gebiete des Männer- 
gesaages zu den hervorragendsten Erscheinungen gehören, für deren 



- 127 - 



ionern musikalischen Werth and Gehalt, künstlerische Form und 
Grossartigkeit des Styls die Namen Riet« nnd B r a m b a ch die 
ai-cherste Bürgschaft leisten. Das Te Deum ist eine anf Massen- 
•wirkang berechnete grossartige Composition , welche durch eine 
^schwungvolle Instrumentation unterstützt, ihre Wirkung niemals ver- 
fehlen wird« wenn es uns auch bedünken will, dass dieses neueste 
Werk unseres genialen Rietz seine früheren Compositionen für 
Männerchor nicht übersteigt und die Höhe der B. Klein'schen 
Chöre dieser Art nicht ganz erreicht. Die „Aicestis" dagegen ist 
■eine frische, lebenswarme Kunstschöpfung unseres strebsamen Capell- 
meisters Brambach in Bonn, welche in Form und Gehalt seiner 
früheren Preis-Composition „Velleda" sehr ähnelt. Tritt hier bei 
4er mehr weichen und elegischen Stimmung der Dichtung, die 
frische markige Kraft der prächtigen Kriegerchöre nicht so sehr in 
den Vordergrund wie bei der „Velleda," so lassen doch die Chöre 
„Ihr Götter, rettet den König,* „ Welch ein grosses Herz," der 
Schlusschor: „Schwester „Aicestis" komm" und das herrliche Duett: 
„O welch' ein Glück," an Kraft und Lieblichkeit nichts zu wün- 
scheu übrig und werden sich bei jedesmaligem Hören stets des 
lebhaftesten Beifalls zu erfreuen haben. Die „Aicestis" ist ein ab- 
gerundetes, fleissig gearbeitetes , sinnig gedachtes , gemüthvolles, 
trefflich instrumentirtes Kunstwerk, welches dem Componisten wie 
dem Sängervereine, welcher dasselbe zur schönsten Aufführung ge- 
bracht hat, alle Ehre macht. 

Was nun die Aufführung des übriges Concert-Programms an- 
belangt, so glauben wir uns darüber kurz fassen zu können, indem 
wir einfach documentiren, dass der Chor Meisterhaftes und das Or- 
chester sein Möglichstes geleistet hat. Fräulein H. Scheuerlein 
brachte sowohl bei der Arie wie bei der „Aicestis," ihre klangvolle 
Stimme und ihren künstlersch vollendeten Vortrag zur vollen Gel- 
tung. Herr A. Ruff schien indess nicht gutdisponirt gewesen zu 
«ein, denn wir haben bei frühern Gelegenheiten schon bessere Leis- 
tungen von ihm gehört. Herr Schaffganz sang seine Partie 
•mit vielem Geschmack, Verständniss, schönem Organ und kann mit 
Bezug auf seine klare Aussprache für manchen Gesangskünstler als 
Muster aufgestellt werden. Sämmtliche Solisten fanden ein dank- 
bares Publikum und den lautesten Beifall. Ingleichen erfreute sich 
die Bonner „Concordia" bei dem Einzel-Vortrage der beiden Lieder 
€t capella des wohlverdienten Beifalls. Das Concert war in jeder 
Beziehung ein sehr gelungenes, wie es bei einer Temperatur zwi- 
schen 24 und 26 Grad Reaumur kaum erwartet werden konnte. Um 
ao mehr gebührt den beiden Festdirigenteu der verbündeten Ge- 
eaugvereine und dem geschäftsleitenden Comite* für ihre Bemühun- 
gen und Anstrengungen und die getroffenen Arrangements unsere 
ganze Anerkennung und der beste Dank. Herr Brambach wurde 
"beim Schlüsse der „Aicestis" durch stürmischen Hochruf mit Or- 
chestertusch ausgezeichnet. 

Nachdem der Kunst durch das prachtvolle Concert volle Ge- 
nüge geleistet, kam auch der gemüthlich gesellige Theil des Festes 
zur Geltung. Die Räunion am Vorabende im Reiniscben Hofe bei 
Herrn Weistaus, sowie das nach dem Concerte in der Tonhalle ar- 
rangirte, von Damen und Herren zahlreich besuchte Banket, waren 
allerliebst und boten eine Fülle der heitersten Unterhaltung, welche 
in Reden, Toasten, Sang und Klang, Liedervorträgen und muntern 
Scherzen die gemüthüchste Stimmung hervorrief. 

Die für Montag den 27. Juli arrangirte Festfahrt mit Damen 
per Dampfboot nach Bonn, zur Besichtigung der im Bau begriffenen 
neuen Rheinbrücke und das damit verbundene ländliche Fest in dem 
Hecker'schen Gartenlokale daselbst, wurde theilweise durch den ein- 
getreteneu, langentbehrten Gewitterregen gestört, doch der rheinische 
Humor weiss sich überall zu helfen, so auch hier. Die Damen 
•und Herrn zogen per Wagen, ein Musikcorps voran, hinaus und 
verbrachten in der erfrischten, kühlen Natur einen recht genussrei- 
•chen Abend. Die auswärtigen Sangesgenossen kehrten mit vieler 
Befriedigung und den besten Eindrücken eines verlebten schönen 
Festes in ihre Heimath zurück und verabschiedeten sich von den 
Neusser Freunden mit dem Grusse : „Bis auf eiu fröhliches Wieder- 
sehen im nächsten Jahre in Aachen!" 



Aus W I e 



Im ersten Theatermonat nach den Ferien ging ei ziemlich 
rührig zu. Dank den vielen Fremden, die dem Schützenfeste zu- 
strömten, war auch die Theilnahme des Publikums eine bedeutendere 
als sonst im Zenit der heissen Jahreszeit. Das Hauptinteresse con- 
centrirte sich in dem Gastspiel des so rasch beliebt gewordenen 
Tenoristen Sontheim. Derselbe trat in diesem Monat in den 
folgenden Rollen auf: Fernando (Favoritin), Robert, Eleazar, Masa- 
niello, Vasco de Gama, Florestan, Maurico (Troubadour), im Ganzen 
lOmal. Unter den für Wien neuen Rollen fand sein Vasco ein- 
stimmig Anerkennung; im Troubadour stand ihm eine merkliche 
Indisposition hinderlich im Wege ; am wenigsten gelungen war sein 
Florestan, eine Rolle, die seinem Naturell wenig zusagt. Der be- 
reits zugesagte Fra Diavolo soll einem späteren Gastspiel vorbe- 
halten bleiben. Eine Hauptzierde der hiesigen Oper, Beck, war 
in diesem Monat noch auf Urlaub. Für ihn saug v. B i g n i o, 
der namentlich als Teil, Nelusco reichen Beifall erhielt. Der Te- 
norist Walter, etwas siegesmüde von seiner Gastreise, trat als 
Arnold, Romeo, Faust und Raoul auf und Hess dem letzten gegen- 
wärtigen Tenor Zottmayr den Rest der Tenorpartien. Als Sever, 
Gennaro, Johann von Leyden, Max füllte er, bescheidenen Mitteln 
entsprechend, seinen Platz genügend aus. Frl. E h n n, deren glän- 
zendes Auftreten im Juli vorigen Jahres zu ihrem jetzigen Engage- 
ment führte, zeigte sichtliche Fortschritte als Leonore (Favoritin), 
Recba, Julie und Selika. Frau Witt, die trefflich geschulte Sän- 
gerin, trat erst in der zweiten Hälfte des Monats als Valentine und 
Leonore (Troubadour) auf. Frau Dustmann sah sich vielfach 
beschäftigt: als Mathilde, Norma, Lucrezia, Fidelio, Agathe zeigte 
sie guten Willen, wenn auch die Mittel nicht immer ausreichten. 
Als Page Oscar, Isabella, Ines, Bertha gefiel Frl. v. Rabatinsky 
in jeder dieser Rollen ; auch Frl. Tellheim, Siegstädt und 
Gindele sind nicht zu vergessen; doch griff letztere als Azucena 
und namentlich als Selika zu weit aus ; letzterer Rolle wenigstens 
zeigte sie sich nicht gewachsen. Als Gast trat Frl. P a u 1 y vom 
Bremer Stadttheater einigemal auf (Orsini und Fides) ; ein beab- 
sichtigtes Engement kam aber nicht zu Stande. Ihre Stimme, ein 
Mezzosopran von kräftiger Tiefe, etwas dumpf in der Mittellage, 
heller doch öfters scharfer Höhe, zeigte mangelhafte Durchbildung; 
doch fehlte es nicht an dramatischem Ausdruck. Die vielbesprochenen 
Vorstellungen des Teil und Freischütz zur Feier des Schützenfestes 
neu in Scene gesetzt, liefen ohne besondere Aufregung ab. Auf- 
fallend war im Freischütz die Besetzung der Agathe und des Max 
durch Frau Dustmann und Zottmayr, da doch mit Frl. Ehnn und 
Walter für eine „Festvorstellung" anziehendere Kräfte zur Hand 
waren. Passender war die Rolle des Kaspar durch Draxler, 
einen Schützen in und ausser dem Theater, besetzt. Chor uud 
Orchester wirkten in dieser Vorstellung kräftig zusammen. Die 
innere Einrichtung des neuen Opernhauses schreitet rüstig vorwärts 
doch ist es müssiges Gerede, auch nur annähernd die Zeit bestim- 
men zu wollen, wann dasselbe eröffnet werden soll. Die Haupt- 
sache, eine acustische Probe, hat es noch zu bestehen. 



» ■•■> 



Nach richte 



London. Die Trauung der Sängerin A d e 1 i n a Patti mit dem 
Marquis de Caux hat in der Capelle der Redemptoristen-Väter in 
Clapham stattgefunden. Schon lange vor der festgesetzten Stund« 
hatten sich dichte Zuschauermassen vor der Capelle eingefunden, 
unter denen Damen nicht gerade die Minderzahl bildeten. Als Zeugen 
von Seiten des Bräutigams waren der französische Botschafter Fürst 
de la Tour d'Auvergne, der Herzog von Manchester und Hr. Mure 
von der französischen Gesandtschaft erschienen. Die junge Künst- 
lerin- Marquise wird vorderhand ihrer Kunst getreu bleiben und 
fortfahren, die so überaus reichen Glücks- und Ruhmesspenden 
welche ihr dieselbe gewährt, — con grazia zu acceptiren. 

— Vom 8. bis 11. September wird das 155. der zwischen Glouces- 
ter, Worcheater und Hereford alternirenden Musikfeste in Glou- 
cester stattfinden. Zur Auffuhrung kommen: Die „Schöpfung" von 
H ay d n, die C-dur-Messc von Beethoven, „Elisa" , „Sauna«,"- 



- 128 — 



und „Messias", das ,;Loreley" »finale von Mendelssohn und 
Einzelnes aus „Freischütz" and „Don Juan". Solisten sind die 
Damen: Tietjens, Liebhart, Edith Wynne, Sainton- 
Dolby, Z an d ri n a und dieHH: Sims Beeres, Veonon 
Bigby, Lewis Thomas und S a n 1 1 e y. Als Dirigent wird 
Dr. Wesley, der Organist der dortigen Cathedrale, fungiren. 

— Hr. Otto Golds chmidt hat auf seine Stelle als Vice- 
Präsident der königl. Academie verzichtet. 

Wien. Die Direction des Hofoperntheaters bat nun auf Befehl 
der General-Intendanz die Verordnung vom 25. October 1865 wie- 
der aufgefrischt, gemäss welcher es den Mitgliedern des k. k. Hof- 
operntheaters untersagt ist, Hervorrufen bei offener Scene Folge zu 
geben, was bei Vermeidung von empfindlichen Ordnungsstrafen nur 
in den Zwischenacten erlaubt ist. Nur wenn ein engagirtes Mit- 
glied zugleich mit einem Gaste bei offener Scene gerufeu wird, 
darf es, aber auch nur einmal während der Vorstellung erscheinen. 

Augsburg, 3. Aug. Gestern feierten die hiesigen Männergesang- 
vereine „Amicitia," „Cäcilia," „Concordia," „Liederkranz" und „Lie- 
dertafel" ' ein Waldfest auf der sogenanuten „Insel," einer von Lech- 
canälen umflossenen Waldpartie, welche zu Volksfesten vorzüglich 
geeignet ist. Wenigstens 5000 Stadtbewohner folgten den Sängern 
dahin, welche das Fest mit Ubland's „Dir möcht' ich diese Lieder 
weihen" eröffneten. Acht grosse Chöre wurden unter allgemeinem 
Beifall vorgetragen, und dazwischen spielte die Musik des k. 4. 
Artillerieregiraents unter Leitung des Stabstrompeters Carl. Von 
den durch ihn arrangirten und meisterhaft geleiteten Tonstücken 
fanden besondes die „Sturmesmythe" von Fr. Lachner und das 
Lenzlied aus den „Meistersingern von Nürnberg" stürmischen Bei- 
fall. Die Einnahme .,zum Besten des in Nürnberg zu errichtenden 
Hans-Sachs-Denkmals" beträgt nach Abzug der Auslagen 242 fl. 55 kr. 

PaHs. Es scheint nun sicher zu s»in, dass Hr. Pasdeloup 
die Direction des The'dtre lyrique übernehmen wird. 

— Die Gesellschaft dramatischer Dichter und Componisten hat 
ihre Fehde mit der Verwaltung der komischen Oper durch folgenden 
Vertrag beendet: 1. Die Gesellschaft erhält 12 Procente von der 
Bruttoeinnahme unbeschadet des Abzuges für die Armencommission. 
2. Die komische Oper verpflichtet sich, jährlich wenigstens 12 neue 
Acte aufzuführen , worunter 3 einactige Opern sind. 3. und — 
hauptsächlich : Auch für die alten, verjährten Werke wird, wie bei 
den neueren, 12 Procent Tantieme au die Gesellschaft gezahlt. — 
Dieser neue Vertrag tritt mit dem 1. August d. J. in Kraft und 
erlischt mit diesem Tage der alte Contract, welcher eigentlich noch 
18 Monate lang bindend war. 

*** R. Wagner's „Meistersinger" werden wie in Dresden, 
so auch iu Dessau zur Aufführung definitiv in Angriff genommen, 
nachdem der Componist sich zu zweckmässigen Kürzungen herbei- 
gelassen hat. 

"V* Zum zweiten Male hat die k. Akademie der Künste in 
Berlin Concurrenz für angehende Componisten um das von Meyer- 
beer gestiftete Reisestipendium ausgeschrieben. Der Sieger bei 
dieser Concurrenz erhält 1000 Thlr. zu einer 18monatIichen Studien- 
reise durch Italien, Frankreich und Deutschland und ist verpflichtet 
sechs Monate in Italien, sechs Monate in Paris und sechs Monate 
abwechselnd in Wien, München, Berlin und Dresden zum Studium 
der musikalischen Zustände der genannten Orte zuzubringen. 

*** Hr. Hollmann, ein verdienstvolles Mitglied des k.- Hof- 
theaters in Dresden, feierte am 16. Juli eine Art von Jubiläum, 
indem er an diesem Abende die Partie des Kilian im „Freischütz" 
zum 100. Male sang. 

*** Das Journal »VArt musical," dem R. Wagner's Versuche, 
steh in Paris geltend zu machen, schon so viele Unruhe verur- 
sacht hatte, sieht sich nun neuerdings veranlasst, gegen eine beab- 
sichtigte Invasion des Tanzcomponisten Johann Strauss von 
Wien, welcher im nächsten Winter in Paris Concerte zu geben 
oder gar Bälle zu veranstalten gesonnen sein soll, zu protestiren, 
da die Pariser ja auch ihren Strauss, Arban und Musard besässen. 
„Französisches Volk," heisst es ungefähr in jenem Journal, „willst 
Du ewig in der Ferne schweifen, und das Gute liegt so nah*!' 1 

'\ ' *** Müncbener Blättern wird aus Dresden vom 3. Aug. 
geschrieben : ÜV1. Mallinger Vom Müuchener Hoftheater , deren 



erstes Auftreten auf hiesiger kgl. Bühne durch Unwohlsein um. 
eine ganze Woche sich verzögert hatte, eröffnete ihren Gastrollen- 
Cyklus gestern im „Luhengrin" als Elsa und erregte einen Beifalls- 
sturm des übervollen Hauses, wie er hier wohl nur selten gehört 
worden. Das Publikum war von der in allen Theilen schönen 
Leistung förmlich hingerissen und es wird hiernach das Gastspiel 
ein Epoche machendes werden. 

*** Der Herzog von Altenburg hat dem Musikdirector Carl 
Riedel und dem Musikalienhändler C. F. K a h n t in Leipzig' 
den Sachs. Ernestiuischen Hausorden verliehen. 

*** Der bisherige Director des Mozarteu m's in Salzburg» 
Hans S ch 1 ä g e r, hat sich in Stuttgart niedergelassen. 

*** Bei dem im vorigen Monate inSolothurn stattgefundenen» 
schweizerischen Sängerfeste erhielt die „Baseler Liedertafel" den 
ersten Preis im Kunstgesange mit dem Liede „Maienzeit" von J. 
Rietz. Bemerkenswerth ist, dass genannte Liedertafel nun bereita 
zum drittenmale mit Compositionen von Rietz den ersten Preis auf 
schweizerischen Sängerfesteu davongetragen hat. 

*** Abbe* L i s z t hat sich in das Seebad Grottamare in der 
Delegation F e r m o begeben und soll später nach Deutschland, 
kommen. 

*** Der Bassist S c a r i a vom Hoftheater in D r e s d e n gastirfc 
mit günstigem Erfolg in Prag. 

*** Die Opernvorstellungen des Stuttgarter Hoftheatera 
sollen nach beendigten Ferien mit „Lohengrin" und „Mignon'* von 
A. Thomas eröffnet werden. 

*** Mlle. N i 1 8 s o n von der grossen Oper in Paris ist für 
die nächste Saison am Berliner Operntheater auf zwei Monate* 
mit 30,000 Frcs. engagirt. 

*** Dem Sänger Niemann ist die Hälfte seiner Convention 
nalstrafe, die er an die Dresdener Intendanz zu bezahlen hatte 
von dem Könige von Sachsen auf Verwendung des Hrn. v. Hülsen 
erlassen worden. Die ganze Strafsumme betrug bekanntlich 400O 
Thaler. 

*„* In Essen au der Ruhr ist die Capellmeisterstelle vacant. 
Der Gehalt beträgt 6—700 Thlr. und ausserdem ist viel Gelegenheit 
zu Privatunterricht geboten. Darauf reflectirende tüchtige Dirigen- 
ten, welche zugleich gute Geiger und Theoretiker sein müssen,, 
haben sich an die dortige Buchhandlung von G. D. Bade ck er 
zu wenden. 

%* Hofcapellmeister Dr. Stade hat vom Herzog von Alten- 
burg das Ritterkreuz und der Kammermusikus Grützmacber in 
Dresden das Verdienstkreuz des Sachs. Ernestinischen Hausordens, 
erhalten. 

\* In Neapel sind wieder zwei junge Tänzerinnen des Thea- 
ters „Partenope," Amalia Tromba und Emilia Alsaniello ver- 
unglückt, iudem sie, nach einem Tanze hervorgerufen, der Rampe 
zu nahe kamen, so dass ihre Kleider Feuer fingen und beide ihren 
Brandwunden erlagen. 

*** Unlängst wurde in Wien das Modell des S ch u b e r t- 
Denkmals im Stadtpark nächst dem, dem Palais des Erzherzog» 
Wilhelm gegenüberliegenden Bosquet aufgestellt und es fand die 
Wahl dieses Platzes die ungetheilte Billigung aller Zeugen dieser 
Probeaufstellung. 

*** In Wien starb am 17. Juli in einer Irrenanstalt Joseph» 
Bacher, eine durch ihre Beziehungen zu Meyerbeer in der musi- 
kalischen Welt bekannte Persönlichkeit. Bacher unterhielt einen 
lebhaften Briefwechsel mitLiszt, Berlioz, Rachel, Rossini etc., aber 
alle diese mitunter sehr werthvollen Künstlerbriefe sind leider in 
Verlust gerathen. Vor mehreren Jahren schrieb Bacher eine Ge- 
schichte der Musik in Oesterreich, welche er der Wiener Univer- 
sität widmete, allein das Werk ist wegen der vollständigen Unles- 
barkeit des Manuscripts unbrauchbar. Die letzten Jahre seine» 
Lebens in einer Irrenanstalt untergebracht, machte der Tod den 
Leiden des 65jährigen Mannes ein Ende. Er wurde am 19. Juli 
auf dem jüdischen Friedhofe beerdigt. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



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17. August 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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Diese Zeitung erscheint jeden j 

MONTAG. 
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lungen. 



V © ff II a g 



von 



B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ, 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



^ PREIS: 

fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

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INHALT: Kometen. — Literatur. — Corresp.: Bamberg. — Nachrichten. 



H o m c t c ii. 

Von W. Lackowitz. 



(Schluss.) 

IV. 

In einem ähnlichen Verbältnisse, wie die beiden genannten 
Sängerinnen in der grossen Oper zu einander standen, gesellten sich 
eigenthümlicher Weise auch die beiden folgenden, Caroline Seidler 
und Jobanna Eunike, in der heiteren Oper und Operette zu einander. 

Caroline Seidler, Tochter des Concertmeisters Ant. Wra- 
nitzki in Wien, wurde dort um 1790 geboren. Der Vater Hess ihre 
ungemein Hebliche Stimme schon frühe ausbilden und dem Betreten 
der Bühne stand Nichts im Wege. Im Jahre 1812 verheirathete sie 
sich mit dem Berliner Violinisten Seidler, welcher in Folge der 
1806 eingetretenen Reduction der kgl. Capelle nach Wien gekom- 
men war, wo er sich niederliess, nachdem er noch mit dem russi- 
schen Grafen Yermoloff, einem eifrigen Kunstenthusiasten, eine 
Kunstreise durch die russischen Hauptstädte unternommen hatte. Im 
Jahre 1816 aber erhielt er einen neuen Ruf als erster Violinist und 
Concertmeister an der kgl. Capelle nach Berlin und seine Gemah- 
lin folgte ihm dahin. Ihre Gastdarstellungen führten zu einem 
festen Engagement, welches sie am 3. Juni 1817 antrat. 1838 Hess 
sie sich pensioniren. 

Ihre Begabung für die Bühne war eine ausserordentliche. Sie 
war eine der anmuthigsten, reizendsten Erscheinungen und für ihren 
Gesang gibt es gleichfalls keine passendere Bezeichnung, als reizend. 
Ihre Stimme war nicht von jener Mächtigkeit, wie die einer Anna 
Milder, aber immerhin stark genug, um das Opernhaus zu füllen; 
dabei besass sie eine Geläufigkeit, die mehr angeboren, als anstu- 
dirt war. Darin lag auch wohl eiu Haupthebel für den Enthusias- 
mus, mit welchem sie als schöne Müllerin, Zerline u. s. w. gehört 
wurde. Sie verschonte das Publikum mit jenen sichtbaren Kehl- 
und Gesichtsmuskelanstrengungen, welche heut zu Tage fast unzer- 
trennlich zu sein scheinen von Gesangsvirtuosität; es ist, als ob un- 
sere Sängerinnen die Hörer wollten empfinden lassen, unter welchen 
Muhen und Anstrengungen ihre Fertigkeit erlernt sei. Die Geläu- 
figkeit war Caroline Seidler angeboren, und wenn auch Kunst und 
eifriges Studium nicht unwesentlich nachgeholfen hatten, so machte 
ihre Kehlfertigkeit einen wahrhaft wohlthuenden, einen erquicken- 
den Eindruck, was man von unsern Sängerinnen leider so selten 
sagen kann. Es ist aber nicht zu leugnen, dass sie ihre Erfolge 
vorzugsweise dem Zauber ihrer ganzen Persönlichkeit verdankte. 
Sie war der gefeierte Liebling, die von allen Seiten umflatterte Rose, 
und wir haben als zweites Beispiel von solcher durch die Persön- 
lichkeit fesselnden und eine wahre Macht im Publikum ausübenden 
Erscheinung nur noch die spätere Henriette S o n t a g zu nennen, bei 
welcher dies in noch bedeutend höherem Grade der Fall war. Bei 
der allbezwingenden Macht einer Nanette S ch e ch n e r und Jenny Lind 
steht die Persönlichkeit erst in zweiter Reihe, hier war es die zau- 
berische Gewalt der Kunst, welche hinriss bis zum enthusiastisch- 



sten Jubel. Welcher Erfolg aber der künstlerisch höhere ist, unter- 
liegt natürlich keinem Zweifel. 

Dessen ungeachtet war Caroline Seidler eine Sängerin ersten 
Ranges. Ihre Passagen waren durch die vollen zwei Octaven ihres 
Stimmumfanges hindurch flüssig wie der sprudelnde Quell, die Töne 
reihten sich leicht und ungezwungen, in reinster Gleichmässigkeit 
an einander und behielten dabei stets den wunderbar schönen Sil- 
berklang, der ihr eigentümlich war. Dieser prachtvolle Klang 
verlor sich auch nicht mit den Jahren, wenn er auch schwächer 
und weniger voll wurde, und noch in ihrer letzten Rolle war der 
Ton so rein und klar wie jemals. Wenn man unsere Sängerinnen 
dagegen hält, so kommt man doch schliesslich zu der Ueberzeugung, 
dass die Gesangsunter Weisung von ehemals eine durchaus andere 
gewesen ist, dass sie es verstand, von vornherein, in den elemen- 
tarsten Grundlagen dergleichen Auswüchse und Muskelverrenkungen 
zu ertödten, welche heut zu Tage leider so an der Tagesordnung 
sind. Diese gewaltsame Einübung der Muskeln im unnatürlichen 
Gebrauche muss eben eine baldige Erschlaffung und den schnellen 
Ruin der Stimme herbeiführen; daher auch diese angezwungenen, 
gequälten Töne unserer abwärtssteigenden Sängerinnen, welche selbst 
das ungeübte Ohr stutzig machen, das künstlerische aber zur Ver- 
zweiflung bringen können. Was Caroline Seidler gänzlich fehlte, 
das war das geistige Element, und in dieser Beziehung ist sie in 
Parallele zu stellen mit Anna Milder, nur war das Resultat ein ge- 
rade umgekehrtes. Bei der letzteren war jede Bewegung plastisch, 
classisch, es lag aber in ihrer Natur, sie konnte gar nicht anders, 
und Rollen, welche dies nicht ausdrücklich verlangten, schob sie 
sicher in eine falsche Richtung, sie passten nicht für sie. Caroline 
Seidler dagegen vermochte sich niemals zu einem Bewusstsein hö- 
heren Kunstausdrucks im Gesänge, zu einem Adel oder auch nur zu 
einer eleganten Feinheit ihrer äusseren Erscheinung aufzuschwingen, 
es lag nicht in ihrer Natur; sie blieb immer die reizende Wienerin, 
auf der Bühne wie im Leben. 

Johanna Eunike ist unter den vier Sängerinnen, welche 
hier zum Gegenstande der kleinen kunstgeschichtlichen Excursion 
in die Vergangenheit gewählt worden sind, die jüngste und hat der 
Bühne die kürzeste Zeit angehört. Sie wurde geboren ausgangs der 
neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und erregte schon als 
elfjähriges Mädchen in der Rolle des Hannchens (Deserteur) Sen- 
sation. Ihr Vater war der ausgezeichnete Tenorist an der königl. 
Bühne zu Berlin, Friedrich Eunike und ihre Mutter Therese die 
unübertroffene Soubrette (zugleich auch Schauspielerin) an derselben 
Bühne. Es lässt sich denken, dass Eltern, welche selbst eine so 
hervorragende Stellung in der Kunstwelt einnahmen, dem reichbe- 
gabten Mädchen und ihrer Ausbildung alle mögliche Sorgfalt an- 
gedeihen Hessen, und Johanna brachte deshalb unter allen vier ge- 
nannten Sängerinnen unstreitig das höchste Maass des geistigen 
Künstlerbewusstseins mit. Wenn sie ihnen auch an Naturgaben 
nachstand, so ersetzte sie diesen Mangel durch die feinere, geistige, 
künstlerische Organisation, und ihr durchdachtes, geistvolles Spiel 
rief stets enthusiastischen Beifall hervor, ja man kann sagen, dass 



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sie uuter den vieren die einzige war, welche auch durch ihr Spiel 
etwas 8el bstständiges leistete. Ihre zierliche Gestalt und die aus- 
drucksvollen Gesichtszüge bestimmten sie für das Soubrettenfach, 
doch war es ihr vermöge ihrer ausgezeichneten musikalischen Bil- 
dung möglich, ffir einzelue Fälle auch in die grosse Oper hinüber 
zu greifen. Unvergesslich bleibt gewiss einem jeden, der Bie als 
Zerline hörte, welche wunderbar feinen Nuancen von Schmeichelei, 
Schalkhaftigkeit, Spott sie in die Arie'* Schmäle, tobe, lieber Junge! 
zu legen wusste, niemals nach ihr ist so etwas wieder gehört wor- 
den, und Caroline Seidler, ihre Nachfolgerin in dieser Rolle, hatte 
gerade darin anfänglich eiuen schwierigen Stand. Johanna Eunike 
nahm auch den ganzen zauberhaften Eindruck mit von der Bühne 
hinweg, denn noch in der Blüthe der Jugend, im Vollbesitze aller 
Kunstmittel, sagte sie schon im Jahre 1825 den Brettern, die die 
Welt bedeuten, Lebewohl, indem sie den berühmten Maler, Prof. 
Franz Kruger, beirathete. Sie starb am 26. August 1856 zu Berlin 
und ruht mit ihrem Gatten und ihren beiden Eltern in ein und dem- 
selben Erbbegräbnisse. — — — 

Wenn im Eingange gesagt wurde, dass diese Zeit der Berliner 
Oper eine ihrer glänzendsten Perioden gewesen ist, so wird dies 
nach dem Angeführten Niemand gut anzweifeln können. Der unge- 
heure Yortheil, dass eine Bühne über solche Kräfte gleichzeitig ver- 
fügen kann, möchte sich nicht gerade oft bieten. Bei alledem ist 
aber nicht zu leugnen, dass dieser Glanz doch eigentlich nur ein 
einseitiger war, gerechtfertigt in vollstem Maasse für den musikali- 
schen, gesanglichen Theil, nicht gerechtfertigt aber für den darstel- 
lenden. Musikalische Ensembles sind weder vor- noch nachher in 
solcher Vollkommenheit gehört worden, wie damals, für die Darstel- 
lung würde aber nur Johanna Eunike unsern heutigen Anforderungen 
an eine Opernsängerin ersten Ranges genügt haben. Was Anna 
Milder durch ihr plastisches Naturell leistete, kann nicht im Ent- 
ferntesten verglichen werden mit dem, was schon eine Jenny Lind 
geleistet hat. Die so viel höhere Stufe, welche die Kunst heute 
einnimmt, fordert von dem dramatischen Sänger aber beides, und 
wenn dieser Anforderung in Bezug auf die Darstellung nicht nur in 
einzelnen hervorragenden Erscheinungen, sondern auch im Allgemei- 
nen heute sehr, sehr viel besser genügt wird, namentlich von den 
Sängerinnen, so steht unsere Zeit in Bezug auf die musikalischen 
Leistungen jener entschieden nach. Möchte es bald besser werden, 
möchte nicht nur von den Sängern, sondern namentlich von den 
Gesanglehrern mehr und mehr erkannt werden, dass die Kunst des 
Gesanges eine der schwersten Künste ist, die Jahre, lange Jahre 
gebraucht, um einen jenen alten Meistern des Gesanges nach allen 
Seiten ebenbürtigen Künstler zu erziehen. Dann erst, wenn bei aus- 
gezeichneten Naturmitteln der Gesangunterricht keine Parforcejagd 
mehr ist, die den Schüler nur so schnell als möglich in Stellung 
und Brod bringen, sein Licht vor den Leuten leuchten lassen will, 
dann erst ist ein Heil für die Kunst zu erwarten, ist dem Verfall 
der Gesangskunst, uher den ja so vielfach geklagt wird, ein wirk- 
samer Damm entgegen gesetzt. 



Literatur, 



Die Auffin düng der Voix mixte der Sopran- 
stimme von Friedrich Schmitt, Verfasser der 
grossen Gesangschule für Deutschland. München, 
1868. Verlag von E. H. Gummi. 

Der Verfasser dieses Schriftchens (22 S, in 8°) hat durch seine 
im Jahre 1854 zn München im Selbstverlage erschienene, insbeson- 
dere auf den deutschen Gesang berechnete grosse Gesangschule, 
sowie als practischer Gesanglehrer nach einer von der italienischen 
Schule in Vielem abweichenden Methode sich eiuen gewissen Na- 
men gemacht, einerseits Anerkennung seiner Prinzipien gefunden (so 
ist z. B. seine Gesangsmethode an der neuen kgl. Musikschule in 
München, welche unter der Direction des Herrn Hans v. B ü 1 o w 
steht, eingeführt und auch von einzelnen Gesanglehrern angenom- 
men worden), aber auch andererseits schon mancherlei Anfechtungen 
zu erdulden gehabt. Der Verfasser, der viele neue Entdeckungen 
im Bereiche der Gesangskunst, resp. der darauf bezüglichen Didak- 
tik gemacht und in der Praxis bewährt gefunden zu haben behaup- 



tet, hatte vor mehreren Monaten eine Einladung an die Gesangs- 
kundigen erlassen, um über den Tonansatz der hohen Lage der 
Sopranstimme zu berathen und einen der deutschen dramatischen 
Gesangskunst förderlichen Austausch der gegenseitigen Erfahrungen 
und Kenntnisse herbeizuführen. 

„Die Gesanglehrer in Deutschland haben das Zutrauen verloren 
und es war Ehrensache, meinem Rufe zu folgen, — aher es kam 
Niemand. Für dieses gewissenlose Fernbleiben von gemeinschaft- 
lichen Berathungen sind blos zwei Gründe denkbar: Man will sein 
vermeintliches Wissen geheim halten und damit Wucher treiben 
oder man will seine Unwissenheit nicht zur Schau tragen ; jeder 
Eingeweihte wird errathen, welcher von beiden der wahre Grund 
ist. 1 * So schreibt der Verfasser in der in Rade stehenden Schrift 
und will also durch die zuletzt angeführte Phrase gewiss nichts 
Anderes andeuten, als dass eben in Deutschland effectiv Niemand 
Gesang zu lehren versteht, weil Niemand der von ihm ausgegange- 
nen Einladung Folge gegeben hat. In Anbetracht, dass die Gesang- 
schule des Verfassers, wie er selbst klagt, „mit ihren methodischen 
Neuerungen, mit ihren reformatorischen Prinzipien des organischen 
Theils der Gesangskunst sich bis auf den heutigen Tag so geringer 
Anerkennung und Benutzung von Seiten der Fachmänner 
erfreut, u #,durfte sich der Verfasser eigentlich nicht wundern, wenn 
dieselben Fachmänner nicht begierig waren, sich über weitere Ent- 
deckungen desselben auf dem fraglichen Gebiete belehren zu lassen 
und so sehr wir auch mit Schmitt darin übereinstimmen, dass die 
gesanglich technische Ausbildung unserer dramatischen Sänger und 
Sängerinnen heut zu Tage gar Vieles zu wünschen übrig lässt, so 
sind wir doch der Meinung, dass dies nicht blos den Lehrern, son- 
dern hauptsächlich den Zöglingen selbst zur Last fallt, welche durch 
die geringen künstlerischen Ansprüche des Publikums, das mehr auf 
Stimme als auf Gesaugskunst sieht, ermuthigt, der Schule vor der 
Zeit entspringen, um nur recht bald ihr natürliches Material mög- 
lichst zu verwerthen. 

Früher war das freilich anders, als das Publikum nicht nur 
die Stimme, sondern auch den Sänger zu beurtheilen wusste, allein 
da die Kunstgrössen jener Zeit zu ihrer unbestrittenen Meisterschaft 
ohne die Kenntniss der Schmitt'schen Entdeckungen in ihrem Fache 
gelangt waren, so lässt sich doch nicht wohl annehmen, dass sämrat- 
liche Lehrer, welche nach den früheren, namentlich nach den Prin- 
cipien der italienischen Schule Gesanguntericht ertheilen, geradezu 
unverbesserliche Ignoranten sind. Es lässt sich dies um so weniger 
annehmen, als die Resultate der Schmitt'schen Methode uuseres 
Wissens bisher noch nicht als epochemachend aufgetreten sind. 
Uebrigens geben wir gerne zu, dass eine Besprechung, resp. Ver- 
ständigung der bedeutendsten deutschen Gesanglehrer über die zweck- 
mässigste Unterrichtsmethode der Sache selbst wohl nützlich sein 
könnte. 

Was nun das von Hrn. Schmitt entdeckte neue Stimmregister 
der Voix mixte für die hohe Sopranlage betrifft, so sind wir nicht 
in der Lage, ein bestimmtes Urtheil über den Werth dieser Ent- 
deckung abzugeben, da uns die nöthige practische Erfahrung dafür 
fehlt. Es ist dies neue Register nach Angabe des Verfassers eine 
Mischung der Kopfstimme mit der Bruststimme und wird hervor- 
gebracht, indem die Sängerin von beiden Naturorganen Etwas 
entlehnt und dieselben in näher angegebener Weise verschmilzt. 
Der Beschreibung nach ist die Anwendung, resp. Aneignung dieses 
neuen Registers nicht ohne Schwierigkeit für die angehende oder 
auch schon routinirte Sängerin, allein es soll durch dasselbe vielen 
Talenten die bisher ihnen verschlossene dramatische Kunst zugäng- 
lich gemacht und die sogenannten Mezzo-Soprane, „Bastarde in der 
Musik" ganz abgeschafft werden, da ihnen ja durch die Aneignung 
der Voix mixte auch die hohe Sopranlage dienstbar wird. Jeden- 
falls dürfte die Scbmitt'sche Entdeckung, wenn sie wirklich neu ist, 
geeignet sein, die Aufmerksamkeit der betreffenden Fachleute auf 
sich zu ziehen und sie zu den entsprechenden Versuchen verarf- 
lassen, wesshalb wir das fragliche Schriftchen denselben, wie Allen 
die sich für die Gesangskunst interessiren, zur Beachtung empfehlen 
möchten. 

Gymnastik der Stimme. Anweisung zum 
Selbstunterricht in der Uebung und dem 
richtigen Gebrauche der Sprach- und Ge- 



~ 131 



sangsorgane, von Oskar Guttmann. Zweite, 
verbesserte Auflage. Leipzig, 1868. Verlags- 
handlung von J. J.Weber. (XXX u. 169 S. in 8°). 

Ein vortreffliches Werk, welches Jedem, der seine Stimmor- 
gane kunstgerecht ausbilden will, also nicht nur dem Sänger, son- 
dern Allen, deren Beruf ein öffentliches Sprechen mit sich bringt, 
also dem Schauspieler, dem Prediger wie dem Advokaten etc. in ausführ- 
licher und anschaulicher Weise die Regeln über den richtigen Ge- 
brauch der Stimmorgane, über Athem, Aussprache etc. klar macht, 
und ihm einerseits zur Schonung, andererseits zur wirksamsten, den 
Regeln der Natur und Kunst entsprechenden Verwendung seiner 
Stimme die geeigneten Mittel an die Hand gibt. Die in verhält- 
nissmässig kurzer Zeit riöthig gewordene und bedeutend verbesserte 
«weite Auflage spricht für den practischen Werth des Buches. 

E. F. 



CORRESPONDENZEK. 



Aus Bamberg;* 

Am 9. August fand hier das IL fränkische Bundes- 
»äängerfest statt. Der Festplatz war auf dem Michaelsberg, 
-einem der Hügel , auf welche die Stadt gebaut ist. Von hier hat 
man eine reizende Aussicht auf die Stadt, auf das Regnitz- und 
Mainthal bis zu den Fichtelbergen hinauf. Der Festplatz war mit 
Laubwerk, bayrischen und fränkischen Fahnen geschmückt. Die 
Freitreppe vor der Michaelskirche war zu einem Sänger-Podium 
umgewandelt. Am Abend vorher waren die Sänger von Nürnberg 
Fürth, Erlangen, Bayreuth, Schweinfurt, Würzburg und den klei- 
neren Orten Frankens, zusammen an 50 Vereine angekommen, und 
mit Musik nach dem Festplatz geleitet worden. Dann ward das 
Fest durch einen Chor-Gesang und eine Begrüssungsrede eröffnet. 
Landrichter Schneider aus Bamberg sprach die UVberzeugung 
aus, dass die im Jahr 1866 am Main gezogene blutige Linie keine 
bleibende Scheidewand zwischen den deutschen Stämmen bilden 
-werde. Arndts Vaterlandsli«d veranlasste dann Dr. Gerster zu 
einem Hoch auf das einzige ungetheilte Vaterland. 

Am Morgen des 9. August war die Hauptprobe; am Mittag 
■das Concert. Das Programm umfasste folgende Compositionen : I. Ab- 
theilung: 1) Festspruch: „Eintracht hält Macht!" componirt von 
Gg. Emmerling. 2) „Mit dem Herrn faug Alles an," componirt 
von Jul. Grobe, und in dessen Verhinderung dirigirt von G. Em- 
merling. (Solo : Liederkranz und Singverein Nürnberg). 3) „Sonn- 
tagsmorgen," Chor von L. Seh äffer in Nürnberg, in dessen Ver- 
hinderung dirigirt von S ch r ü f e r, Director des Bamberger 
Liedeikranzes. 4) „Das deutsche Herz," von J. V. Becker, diri- 
girt vom Componisten. (Solo: Liederkranz B ay reu th). 5) „Wald- 
kirche," Chor von Sigmund von H a 1 1 e r, dirigirt vom Componis- 
ten. (Solo: Singvereine F ü r t h und Nürnberg). XI. Abtheilung: 
6) „Siegesgesang der Deutschen nach der Hermanusschlacht," compo- 
nirt von Fr. Abt, dirigirt von Höchstetter aus Fürth. (Sulo: 3 
Vereine von Fürth). 7) „Im Walde" von H e r b e ck in Wien, 
in Vertretung des leider erkrankten Musikdirectors Geisser aus Bay- 
reuth dirigirt von Schrüfer. 8) „Römischer Triumphgesang" von 
Max Bruch, dirigirt von Preiss aus Erlangen. (Halbchor: Män- 
nergesangverein Würzburg und die 4 Vereine von Erlangen). 
3). „Normannssang" von Fr. Kücken, dirigirt von Schrüfer. 10) 
»Der 150. Psalm" von Bern er, dirigirt von G. Emmerling aus 
Nürnberg. (Solo: Liederkranz von Bamberg). 

Nach dem Festspruch begrüsste der Bürgermeister von Bam- 
berg die Sänger. An den Chor „Mit dem Herrn fang Alles an" 
knüpfte der Fest-Vorstand ein Hoch auf den König Ludwig. Nach 
-dem dritten Chor sprach Dr. Gerster die Fest-Rede. Die Mission 
<ier Sänger sei nicht, religiöse oder politische Sonder-Interessen zu 
verfolgen, sondern die Idee der Zusammengehörigkeit, der Einheit 
und Freiheit im Volk wach zu erhalten. In ähnlicher Weise sprach 
in einer späteren Pause auch der Vorstand des Turnvereins sich 
aus, indem er auf den innigen Zusammenhang von Turn- und 
Säogerthum hinwies. Nach dem Programme folgte noch eine ganze 
Seihe von Vorträgen der einzelnen Vereine ; dazwischen wurden 



Reden gehalten und Musikstucke vom Orchester gespielt. Um dte 
Einigkeit, wenn auch nicht Zusammengehörigkeit zu demonstriren r 
trafen dabei nicht selten Sänger, Musiker und Redner mit ihren 
verschiedenen Weisen zusammen. Die künstlerische Differenz löste 
sich indess in der Consonanz des Humors. Am Abend war der 
Festplatz beleuchtet; das Portal der Michaelskirche erglänzte in 
buntem Farbenspiel, ein zauberisches Bild in der schönen Sommer - 
Nacht. 



Nachrichten. 



Mainz. Das sechste Mittelrheinische Musikf est fin- 
det in Darmstadt am 27. und 28. September d. J. statt und ist für 
dasselbe folgendes Programm festgestellt: I. Tag: „Samson," Ora- 
torium von Händel. II. Tag: Sinfonie in A-dur von Beethoven; 
Gesangvorträge der Solisten; „Dank, Preis und Ehr, 8 Motette von 
J. S. Bach und der 2. Theil von „Frithjof" von C. Mangold. Die 
artistische Leitung des ganzen Festes ist Herrn Hofmusik-Director 
C« Mangold in Darmstadt übertragen. 

Paris. Der Director der italienischen Oper, Hr. B agier, hat 
für die nächste Saison folgende Gesangskräfte eugagirt: die Damen 
Adelina Patti, Ilma von Murska, Kraus s, Gross i, Ricci, 
Rosel lo und die HH. Tamberlik, Nicolini, Fraschini, 
Palermi, Ubaldi (Tenore) ; Delle Sedie, Agnes i, Ver- 
ger, Steller (Baritone); C i a m p i, Zimelli, W alle n reite r, 
Mercuriali, Fallar (Bässe). 

— Vorige Woche kam hier der Prozess zur Verhandlung, wel- 
chen Herr Blaze de Bury gegen die Erben Meyerbeer's 
wegen der Auslieferung der Meyerbeerschen Compositionen zu dem 
von dem Kläger verfassten Texte „Göthe's Jugend" angestrengt hat. 
Das Urtheil ist auf die nächste Woche vertagt worden. 

— Marschall Vaillant hat als Minister des kaiserl. Hauses 
und der schönen Künste wiederum der Preisverteilung für die 
Schüler und Schülerinnen des Conservatoriums beigewohnt, die üb- 
liche Festrede gehalten und dem Componisten Ambroise Thomas. 
Professor des Conservatoriums, das Commandeurkreuz der Ehren- 
legion überreicht. Thomas war 1845 zum Ritter und 1858 zum 
Offizier der Ehrenlegion ernannt worden. 

— Der ehemals berühmte Hornist Dauprat, früher Solist der 
königl. Capelle und einer der Gründer der grossen Concertgesell- 
schaft des Conservatoriums, ist im Alter von 87 Jahren gestorben. 
Er war seit einigen Jahren erblindet. 

BrÜSSel, 10. Aug. Die Herren Preisrichter für das von dem Hause 
Schott freres in Brüssel, unter Betheiligung des Belgischen 
Ministeriums , publicirte Preisausschreiben einer Messe für 3 Stim- 
men mit Orgelbegteitung, versammeln sich im Laufe nächster Woche, 
um ihr Urtheil über die eingelaufenen Compositionen (101 an der 
Zahl) zu fällen. Es sind die Herren: Franz Lach n er aus Mün- 
chen; C. Kammerlander aus Augsburg; Lefe bore- Nieder- 
meyer, Vervoitze und G e v a e r t aus Paris ; B e n o i t und 
de Burbure aus Antwerpen; Ferd. Kufferath in Brüssel an- 
sässig ; de V r o y e (le Chanoine) und S o u b r e aus Lüttich. Hr. 
F6tis (Vater) wird der Versammlung präsidireu und Hr. Chevalier 
Van Elewyck hat die Functionen des Secretärs übernommen. 

*#* Das Alter der Musikfeste. (W. F.-Bl.) Musikfeste 
im grossen Massstabe gab es bereits vor Jahrhunderten. Kurfürst 
Johann Georg von Sachsen veranstaltete am 13. Juni 1615 ein 
Monstreconcert in Dresden, bei dem eine Art von Oratorium „Ho- 
lofernes" zur Aufführung kam. Der Text dieses grossen Werkes 
war vom Dichter Pflaumen kern, die Musik von Grund- 
mauer. Es kamen zu diesem Feste nicht weniger als 1495 
deutsche, italienische, polnische und schweizer Musiker — oder wie 
man damals sagte, Spielleute — nach Dresden. Aus Krackau kam 
der Contrabassist Rakotzky mit einer über 7 Fuss hohen BabS- 
geige. Die Hauptpartie sang ein Wittenberger Student, Namens 
R u u d e r. Anstatt der Pauken bediente man sich eines grossen 
Mörsers, der rechtzeitig an den betreffenden Stellen von den kur- 
fürstlichen Constablers abgefeuert w^rde. 

%* Von dem vor Kurzem in Rom verstorbenen Maestro Gio- 
vanni Pacini hat sich eine der vollkommensten, aus seiner Blüthe- 



- 132 — 



seit herstammenden Compositionen wiedergefunden. Es ist das Origi- 
nal-Manuscript einer achtstiromigen Messe, die Pacini im Jahre 1831 
dem Pabste Gregor XVI. aur Huldigung überreichte. Dieser war 
ein gelehrter Theolog, der aber für die Kirchenmusik weniger Sinn 
hatte als mancher ander« Pabst; er verehrte das Werk dem Mon- 
signor Alfieri, nach dessen Tod es in den Besitz seiner Schwester 
tiberging. Alfieri selber, einer der bewährtesten Kenner der alten 
Kirchenmusik, hinterliess ein Antiphonarium, Graduale und Hym- 
narium nebst den Litaneien der in der Neuzeit hinzugekommenen 
canooisirten Heiligen im Gregorianischen Gesänge. Es war die 
Arbeit eines Lebens. Pabst Pius IX. Hess sie durch eine Comission 
revidiren und die Congregation der heiligen Riten empfahl ihre 
Veröffentlichung. Allein es fanden sich nicht die Mittel zur Be- 
strettung der allerdings nicht geringen Kosten, und so hat man, 
was sicherlich zu bedauern ist, darauf verzichtet. 

*** Varnhagen von Eose über Beethoven. Das fol- 
gende in doppelter Beziehung durch seinen Verfasser, sowie durch 
den Umstand, dass derselbe nicht musikalisch war, merkwürdige 
Schriftstück, welches bis jetzt in Varnhagen's Werken noch 
nicht abgedruckt worden ist, wurde uns durch die Güte des Herrn 
R. Zeune, Inhaber eines Antiquariums für Autographen und Por- 
träts in Berlin, zu Theil. Wir unterlassen bei dieser Gelegenheit 
nicht, auf dieses überaus reichhaltige und interessante Etablisse- 
ment aufmerksam zu machen, indem wir noch besonders anerken- 
nend des vortrefflichen Materials gedenken, welches uns Hr. Zeune 
einst bei Abfassung unserer Biographie Otto Nicola Ts geboten 
hat. 

Varnhagen's Brief*) lautet an den betreffenden Stellen folgen- 
dermassen: „. . . . Die letzten Tage im Ausgang des Sommers 
lernte ich in Tölpitz Beethoven kennen, und fand in dem als 
wild und ungesellig verrufenen Manne den herrlichsten Küntler von 
goldenem Gemüth, grossartigem Geist und gutmüthiger Freundlich* 
keit. Was er Fürsten abgeschlagen hatte, gewährte er uns beim 
ersten Sehen, er spielte auf dem Pianoforte. Ich war bald mit ihm 
vertraut, und sein edler Character, das ununterbrochene Ausströmen 
eines göttlichen Hauchs, das ich in seiner übrigens sehr stillen 
Nähe immer mit heiliger Ehrfurcht zu empfinden glaubte, zogen 
mich so innig an ihn, dass ich tagelang der Unbequemlichkeit sei- 
nes Umgangs, der durch sein schweres Gehör bald ermüdend ward, 
nicht achtete, und besonders die letzten nur mit ihm und seinem 
Freunde Oliva, einem der besten Menschen, den Körner auch ge- 
kannt hat, zubrachte. Wosste ich es nicht durch unverwerfliche 
Zeugnisse, dass Beethoven der grösste, tiefsinnigste und reichste 
der deutschen Tonkünstler ist, so hätte der Anblick seines Wesens 
es mir, sonst in Musik ganz Unkundigen, unwiederspsrechlich dar- 
gethan. Er lebte nur für seine Kunst, und keine irdische Leiden- 
schaft entstellt ihre Ausübung bei ihm, unglaublich fleissig und 
fruchtbar ist er. Er suchte das Weite auf seinen Spaziergängen, 
und auf einsamen Wegen zwischen Bergen und im Wald, beruhigt 
in die grossen Züge der Natur blickend, denkt er Töne, freut er 
sich seines eigenen Herzens. Ich erwähne solcherlei, damit Du ja 
nicht versuchen mögest, ihn mit einem anderen Musiker zu ver- 
gleichen, sondern ihn bestimmt absondern mögest. Könnte ich Dir 
sagen, wie schön, wie rührend, fromm und ernst, als küsse ihn ein 
Gott, der Mann aussah, als er uns auf dem Fortepiano himmlische 
Variationen vorspielte, die so reines Erzeugniss eines waltenden 
Gottes waren, dass der Künstler sie dem Verhallen überlassen musste, 
und, wie gern er auch gewollt, sie nicht auf dem Papier festhalten 
konntet Diesem nun, mein theurer Freund, habe ich alle Deine 
Gedichte, die abzuschreiben leider nicht Zeit war, auf sein Begehren 
geschenkt, und Du kannst hoffen, bald einen Theil davon compo- 
nirt zu sehen. Ich freue mich dabei, als wären sie von mir. a 

Den beredten, begeisterten Worten Varnhagen's ist nichts hin- 
zuzufügen; sie sprechen für sich und werden jeden Musiker mit 
Freude erfüllen. Wir finden in ihnen den Extract alles dessen, 
was .über Beethoven zu sagen ist, niedergeschrieben von einem 
Manne, der also auch in dieser Beziehung sich als Autorität zeigt. 
Mag Beethoven auch bei Lebzeiten vielfach verkannt und verketzert 
worden sein, ein Schicksal, welches er mit allen Grossen der Erde 
theilt: das Urtheil aus solchem Munde, so innig durchdrungen, 



*) An L. Unland vom Jahre 1811. 



warm und wahr ausgesprochen, wiegt alle absprechenden Wort» 
jener Zeit auf. Es sollte in Zukunft in keiner Beethoven-Biographie» 
fehlen, denn es ehrt ebensowohl den Schreiber und den Adressaten» 
wie unseren Meister, drei Männer, welche das deutsche Vaterland 
in die erste Reihe der Seinigen stellt. 

H. M. (Musica Sacra v. Fr. Witt.) 

*** Der italienische Tanzcomponist Gungl gibt mit seinem treff- 
lich geschulten Orchester sogenannteTromenade-Concerte in Genf, 
welche dort eine ausserordentlich beifällige Aufnahme finden. 

*** Der bekannte Orchesterdirigent und Componist A r d i t i 
ist vom Sultan zum Offizier des Medjidieh-Ordens, dessen Ritter- 
kreuz er schon früher erhalten hatte, befördert worden. 

*** Die Aufführungen der „Meistersinger," deren 8 e ch s t fr 
am 16. Juli in München stattgefunden hat, sollen im nächsten- 
Winter wieder aufgenommen und die Rollen des Hans Sachs und 
Beckmesser von Mitgliedern der dortigen Hofbühne ausgeführt 
werden. 

%• Ferdinand Hill er hat von der Universität Bonn da» 
Ehrendiplom als Doctor philos. erhalten. 

*** Hr. U 1 1 m a n n hat in W i e n eine hübsche, junge Ungarin 
mit einer prächtigen Stimme und ungewöhnlichem Talente entdeckt 
und dieselbe der Frau M a r ch e s i in Cöln zur Ausbildung anver- 
traut. Der unermüdliche Impresario wird im November eine Concert- 
tour in Belgien mit folgenden Künstlern unternehmen : Gesang: Mllo. 
Carlotta P a 1 1 i, die HH. G e r a 1 d y und Leon; Piano : A.Jaell; 
Harfe: Felix Godefroid; Flöte: De Vroye; Violine: H. Vi- 
euxtemps; Violoncell: L. J a q u a r d; Harmonium : F r 6 n k a 
aus Wien. 

*** In C o nsta nt in op el ist der Gründer des dortigen. 
Operntheaters und Vater des jetzigen Dirigenten desselben , Hr* 
Michel Naum gestorben. 

*** Am 27. Juli fand in Nürnberg ein Concert aller dor- 
tigen Gesangskräfte für das Hans Sachs-Denkmal statt. Man führt» 
auf: Ouvertüre zu „Rienzi" von R. Wagner; „Römischer Triumpb- 
gesang" von Max Bruch; „Es muss doch Frühliug werden" voa 
Ferd. Hiller; H-moll-Sinfonie von Schubert; „Siegesgesang der Deut- 
schen nach der Hermannsschlacht" von Fr. Abt; „Normannssang* 
von Kücken; „Das Dichtergrab am Rhein" von Möhring; Trom- 
petenouvertüre von Mendelssohn u. A. 

*** Iu Bielefeld ist die Sängerin Frl. Marie Crüwell (Schwe- 
ster der berühmteu Cruvelli) plötzlich gestorben. 

*** Dem technischen Dirigenten der musikalischen Akademie 
in Königsberg, Heinrich Lau dien, ist das Prädikat Mu»ikdi- 
rector verliehen worden. 



ANZEIGEN. 



AMSTERDAM: Th. J. ROOTHAAN * Gie. 



& 



Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst 
dankenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer 
der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam 
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) 

MBr. «7. J>. MMEMJTJE, 

GRJMENLAMS WORSTELSTRIJD 

(Griechenlands Kampf und Erlösung.) 
BEETHOVENS 

Ruinen von Athen. 

Clavierauszup fl. J. 60. (netto) Stimmen fl. 1. 60. 
Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend, 
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich 
der BEETHOVEN'scben Musik an. Möchten die deut- 
schen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch 
machen. (AHg. Musik-Ztg.) 

Leipzig: FR. HOFMEISTER. 



K 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



17. Jahrgang. 



M* Sd. 



24. August 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



tr 



-1 



* 



Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAGk 
Manabonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
lungen. 



Ton 

B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co. 






Art 

PREIS: 

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-trfc 



INHALT: Simon Sechter. — Aus Paris über die „Meistersinger." — Literatur. — Nachrichten. 



Simon Seeliter.«) 

(Biographische Skizze.) 



Sechter' s Name wird in der Kunst des Tonsatzes für alle 
Zeiten neben den grössten Meistern in diesem Fache genannt wer- 
den. Wer von seiuen Schülern die nöthige Ausdauer hatte, an sei- 
ner Hand die Fundamentallebre, die Lehre der chromatischen Har- 
monik, Enharmonik, den einfachen und doppelten Contrapunkt, 
Canon und Fuge durchzumachen, wird zwar die unerbittliche Strenge, 
mit der der Meister jeden einzelnen Gegenstand erschöpfte, im 
Augenblicke mitunter wohl schwer empfunden , sich aber überzeugt 
haben, dass sein System von einer Einfachheit, Klarheit und Con- 
sequenz ohne Gleichen dasteht und auch dem kühnsten Aufbau zum 
mauerfesten Fundamente dient. 

Dem Wunsche eines ehemaligen Schülers nachkommend, hat 
Sechter ein halbes Jahr vor seinem Tode in flüchtigen Zügen eine 
Skizze seines Lebenslaufes entworfen, die bereits in den „Signalen" 
(Jahrgang 1867 N° 40) benutzt, auch den nachfolgenden Zeilen, mit 
wesentlichen Zusätzen ergänzt, zu Grunde gelegt sei. 

Simon Sechter wurde am 11. October 1788 in dem kleinen 
Städtchen Fridberg im Budweiser Kreise in Böhmen geboren. 

Seine Eltern waren nicht musikalisch; Lesen und Schreiben 
lernte Sechter von seinem Bruder Bartholomäus; ging dann auch 
zur Schnle bis zu seinem eilften Jahre, wo er anfing Musik zu ler- 
nen, anfangs mit Widerwillen, später mit Lust, so dass er schon im 
zweiten Jahre aus eigenem Antrieb Versuche zu componiren machte 
und im dritten Jahre sogar einige Messen schrieb. Sein Lehrer war 
der Regens chori Johannes M a x a n d t , der ausser Sechter noch 
viele Musikschüler hatte und auf den einzelnen nicht viel Zeit ver- 
wenden konute Eine ordentliche Anleitung gab es da nicht, weder 
im Violin- noch Ciavier- uud Orgelspiel, die Hauptsache blieb dem 
Privatfleiss des Einzelnen überlassen. Im 14. Lebensjahre wurde 
Sechter Schulgehülfe zu Pfarrkirchen in Oberösterreich, ohne im 
mindesten für die Stelle vorbereitet zu sein. „Zum Glücke" war 
im Winter nicht viel zu thun, da Pfarrkirchen hoch gelegen, von 
Kälte und Schnee viel zu dulden hatte, und die zur Pfarre gehöri- 
gen Ortschaften ihre Kinder im Winter gar nicht zur Schule schick- 
ten. So blieb Sechter auf den Organistendienst beschränkt und 
studirte fleissig die vorfindlichen Musikwerke bewährter Meister. 
Nach abermaligem Aufenthalt zu Hause, wo Sechter ohne jede An- 
leitung sich auch auf dem Contrabass einübte, kam er nach Linz, 
wo er die Normalschule besuchte, nm sich der Präparandenprüfung 
zu unterziehen, jede freie Zeit aber zum componiren benutzte. Im 
Jahre 1804 nahm ihn der Güterdirector des Fürsten Starhemberg 
als Correpetitor für seine Kinder mit nach Wien, das dann Sechter, 
einige kurze Ausflüge nach Linz und seiner Heimath abgerechnet, 
nicht mehr verliess. Er hatte gleich Anfangs ein Engagement bei 



*) Von C F. Pohl für den Jahresbericht des „Wiener Musik- 
Conservatoriums" geschrieben und mit des Verfassers Bewilligung 
hier reproducirt. (Anm. d. Red.) 



einer Dame, die er, in gleicherweise wie Haydn in seiner Prüfungs- 
zeit, in der italienischen Singstunde am Piano begleitete, wobei er 
aber, mit mehr Vorkenntnissen ausgerüstet, selber mehr profitirte, 
als die Schülerin. Lectionengeben half ihm weiter, bis er im Jahre 
1809 beim Einzug der Franzosen sein bischen Habe verlor. In die- 
ser Zeit lernte er auch den berühmten Contrabassisten Dragonetti 
kennen, der sich damals in Wien aufhielt, zum öffentlichen Auftre- 
ten aber nicht zu bewegen war. Sechter setzte zu dessen Concerten 
die Ciavierbegleitung und blieb mit ihm auch später in schriftlichem 
Verkehr. Dragonetti, ein Original in jeder Beziehung, vergass sei- 
nen Wiener Frennd auch im Tode nicht und reihte ihn unter die 
Erben seines nicht unbeträchtlichen Vermögens. 

Durch Empfehlung eines Freundes kam Sechter im Jahre 1810 
als Ciavier- und Gesanglehrer ins Blindeninstitut. Da er keinen 
Anspruch auf Bezahlung machte, bescheiden sich äussernd t er müsse 
erst etwas geleistet haben, wurde er wenigstens regelmässig zu 
Tische geladen. Nun gab es wieder neue Aufgaben, wie den Blin- 
den das Ciavierspielen am sichersten beizubringen sei. Zugleich 
componirte Sechter für seine Zöglinge Lieder, ein- und mehrstimmige 
und sogar zwei Messen, und war die Singstunde immer ein Fest, 
worauf sich alle freuten. Bald durfte es Sechter wagen, sich mit 
seinen Zöglingen des Blindeninstitutes auch öffentlich hören zu las- 
sen. So gab er u. A. im Mai 1813 im landständischen Saale ein 
Concert, dessen Programm ein Septett für drei Harfen, zwei Violi- 
nen, zwei Clarinett und Fagott; ferner „die Glocke" von Schiller, 
von sämmtlichen Zöglingen gesungen, nennt; beides von Sechter 
componirt. Ein ähnliches Concert fand im November 1815 statt, 
und die adelige Damengesellschaft übergab nun dem Lehrer 100 
Gulden als Geschenk und wies ihm einen monatlichen Gehalt an. 
In demselben Institute lernte Sechter Catharina H eckmann kennen, 
die er im Jahre 1816 heirathete. 

Nach und nach mehrte sich die Zahl einträglicher Lectionen, 
was aber Sechter nicht abhielt, seine theoretischen Studien fortzu- 
setzen und fleissig zu componiren. Namentlich waren es die Werke 
Bach's und Mozart's, die er gründlich studirte und wer Sechter 
kannte, weiss, mit welch 1 unbegrenzter Verehrung er diesen beiden 
Tonheroen bis an sein Ende huldigte. An Abbe" Stadler fand 
Sechter einen thätigen Freund. Auf dessen Anregung schrieb er 
eine Messe für die kais. Hofcapelle, die auch aufgeführt wurde. 
Da sie aber mit zu vielen Fugen „gespickt" war, musste er eine 
zweite schreiben ohne diesen Schmuck, die auch Kaiser Franz so 
wohl gefiel, dass er eine Wiederholung verlangte , aber — Partitur 
und Auflagestimmen waren nicht zu finden. „Wie dies geschehen 
(schreibt Sechter) ist mir noch heute ein Räthael." Es folgte noch 
eine dritte Messe und für jede erhielt der Componist 60 fl. Auch 
anderwärts wurden damals Arbeiten von Sechter aufgeführt, so in 
den Concerts spirituels im Stadtsaal zur Mehlgrube unter Ge- 
baue r's Leitung ein Requiem (Mai 1821) und ein Chor aus Schil- 
lert „Braut von Messina" (April 1822), beide Werke eines „tüch- 
tigen Contrapunctisten" in ehrenvollster Weise in den Zeitungen 
besprochen. 



4U4 



- 134 



Im Jahre 1824 ward« die Stelle eines zweiten Hoforganisten 
an Secbter vergeben und ein Jahr später rückte er nach Worzi- 
scheek's Tode als erster Hoforganist vor. Sein Ruf als Lehrer 
der Harmonielehre und des Contrapunktes muss schon damals be- 
deutend gewesen sein. Selbst Franz Schubert, nachdem er 
bereits seine unvergänglichen Werke geschaffen, hielt es nicht für 
überflüssig, die Methode Sechter's durch eigene Erfahrung kennen 
au lernen. Schon hatte er sich mit einem zweiten Schüler (Ciavier- 
lehrer L a n z) verabredet, gemeinschaftlich bei Sechter zu studiren ; 
zur ersten Lection aber kam nur Lanz und entschuldigte den Mit- 
schüler wegen Unwohlseins. Bald darauf war Schubert verschieden. 

Kaiser Ferdinand hatte ein Requiem von Sechter's Composition 
gehört, das ihm sehr wohl gefiel. Dies war die Veranlassung, dass 
der Componist ihm eine grosse Messe widmete, wofür er durch die 
grosse goldene Medaille ausgezeichnet wurde. Bald darauf erhielt 
er auch den herzoglichen Lucca'schen Ludwig-Orden „ae? onorevole 
attestato dei distinti meriti, che adornano la persona del Pro- 
fessore Simone Sechter pel suo profondo sapere nell arte della 
musica. n (Fortsetzung folgt.) 



Aus Paris über die ««Meistersinger".*) 

Wie die Wagner'sche Musik immer mehr aufhört, eine rein 
deutsche Angelegenheit zu sein, davon habe ich hier in Paris seit 
Jahren, und auch während meines letzten Aufenthaltes in London 
zahlreiche Beweise gehabt. Dort feierte man das Händel-Fest, und 
zwar mit einer Grossartigkeit, dass die musikalischen Gemüther 
wohl ausschliesslich davon erfüllt sein konnten; dennoch drehte 
sich das Gespräch bald um die „Meistersinger", sobald zwei Musi- 
kantenköpfe beisammen waren. Hier, wo man der Gegenwart einen 
ungleich wichtigern Platz einräumt, auf dem revolutionären Boden, 
welcher die Tannhäuser-Schreckenstage und später die Lohengrin- 
Volkserhebungen im Circus möglich machte, war die Theilnahme 
für die Münchener Ereignisse noch weit lebhafter, und unser Aller- 
weltsblatt, der „Figaro," hielt sich seinen fünfzigtausend Abonnen- 
ten gegenüber für verpflichtet, seinen musikalischen Berichterstatter, 
Herrn Leroy, kaum von der Aufführung des Schumann'schen 
„Faust" aus Basel zurückgekehrt, wiederum auf Reisen, und zwar 
direct nach München zu schicken. Da in dem mächtigen? Chorus 
von kritischen Stimmen, die sich bei dieser Gelegenheit erheben) 
auch ein Urtheil aus Frankreich Gehör verdient, so theile ich Eini- 
ges aus Leroy's Bericht mit, umsomehr, da dieser Kritiker als war- 
mer Freund des Fortschritts und gründlicher Musiker weit über 
seine Collegen hervorragt. Mit dem zu früh verstorbenentG a s p e- 
rini aufs Innigste verbunden, hat er dessen geistige Erbschaft an- 
getreten und sich muthig auf einen Posteu gestellt, der hierorts 
ohne einen starken Vorrath von Hingebung und Selbstverleugnung 
kaum zu behaupten ist. „Wollte ich hier Alles sagen," so beginnt 
»»<.<. der Bericht, „was ich über den musikalischen Werth der „Meister- 
singer" denke, so würde sicherlich mehr als einer meiner Leser 
über mich lächeln, besonder*» von denen, welche den „Tannhäuser" 
auszischten — ohne ihn recht anzuhören. Diesen™ und manchen 
Anderen möchte ich beiläufig bemerken, dass wohl niemals eine 
unglücklichere Wahl getroffen ist, als die, welche dem Helden des 
Venusbergs die Thore der französischen Oper öffnete. Es gehörte 
wahrlich eine vollständige Unkenntniss unseres Geschmacks und 
unserer Sitten dazu, um gerade auf dieser Bühne das urdeutscheste 
Werk Wagner's zu riskiren, dasjenige, welches am sichersten unsere 
nationalen Neigungen in Bezug auf Musik und Drama verletzen 
musste. 

Glücklicherweise fehlt es den Parisern seit jenem denkwürdigen 
Falle nicht an Gelegenheit, die Wagner'sche Musik genauer zu 
prüfen. Sie haben in den Volksconcerten Stücke aus „Rienzi," dem 
„fliegenden Holländer," „Lohengrin" und selbst „Tannhäuser" gehört 
und nicht wenig applaudirt. Es ist also heute möglich, laut seine 

*) Wir entuehmen der „Neuen Zeitschrift für Musik" folgenden 
Artikel, welcher einerseits einen Auszug aus der Kritik eines Pari- 
ser Referenten über die neueste Oper Wagner's, andererseits eine 
berechtigte Zurückweisung der von demselben Kritiker in herkömm- 
licher Weise betonten Suprematie des Pariser Urtheils über jedes 
andere enthält. 



Bewunderung für den Autor des „Tristan" auszusprechen, ohne sich 
einer ernstlichen Gehirnzerrüttung verdächtig zu machen. 

Darauf hin behaupte ich getrost, dass die gestern in Mün- 
chen dargestellte Oper ein Meisterwerk ist, sowohl wegen der hohen 
Schönheiten,, welche sie enthält, als auch wegen der glücklichen 
Modifikationen in der Schaffensweise des deutschen Meisters. Sein 
Styl hat sich in merklichem Grade abgeklärt, seine Phrase ist 
schärfer begrenzt, die Tonarten treten entschiedener auf, als in frü- 
heren Werken, und ungeachtet der Mannichfaltigkeit der melodi- 
schen und harmonischen Elemente, deren gleichzeitige Anwendung 
noch immer den Hauptcharacter der Wagnerischen Musik bildet, 
strahlt das Licht klarer hervor aus der symphonischen Masse, welche 
er mit so überraschender Sicherheit und Macht haudhabt. Uebrigens 
füge ich hinzu, dass Wagner trotz aller Bewegung und jugendlichen 
Frische, trotz aller Wahrheit des Ausdrucks, welche in den kleinsten 
Details hervorleuchtet, sich auch in den „Meistersingern" noch nicht 
hat frei machen können von jener, seinen früheren Werken nach- 
theiligen Tendeuz der Weitschweifigkeit. Dieser Mann, welcher an 
Alles denkt und Alles überwacht, scheiut gewissen Gesetzen des 
Gleichgewichts, welche der dramatische Autor nie ungestraft über- 
schreitet, keinerlei Rechnung zu tragen. So dauerte die gestrige 
Vorstellung, ungeachtet kurzer Entreacte, vier und eine halbe Stunde, 
während sie ohne jeden Nachtheil auf drei und eine halbe Stunde 
hätte reducirt werden können." 

In diesem speciellen Falle möchte ich protestiren und Hrn. 
Leroy bemerken, dass vielleicht ein mangelhaftes Verständniss der 
deutschen Sprache seinen freien Blick über die Proportionen des 
neuen Werkes beschränkte. In abstracto jedoch und auf diesen 
deutschen Character überhaupt angewendet, muss ich seinen Tadel 
nur zu sehr beherzigen, und jeder deutsche Landsmann, der in in- 
timen Verkehr mit dem Auslande die Nachtheile der deutschen 
Weitschweifigkeit in Redeweise und Ideengang empfunden hat, wird 
auf meiner Seite sein. 

Leroy schliesst mit folgender Bemerkung: „In seiner Zurück- 
gezogenheit, am Ufer des Luzerner Sees, denkt Wagner noch immer 
an Frankreich, an Paris. Er weiss genau, wie es Meyerbeer, Ros- 
sini und Verdi wussten , dass der Hauptsadt Frankreichs allein die 
endgültige Entscheidung über den Werth einer neuen Kunstrichtung 
zusteht. Wie auch seine Freunde und er selbst sich darüber äussern, 
Paris ist es, wohin er mit allen Kräften strebt." Noch einmal muss 
ich mir einen Einwurf erlauben. Ich kenne Paris zu genau, um 
die Wirkung einer, mit hiesigen grandiosen Mitteln unternommenen 
Aufführung zu unterschätzen, sowie ich auch der leidenschaftlichen 
Theilnahme des Publikums pro und contra (diesmal besonders pro) 
gewiss bin. Ferner ist nicht zu leugnen, dass eine starke Majorität 
des deutschen Publikums noch immer mit Spannung den Orakel- 
sprüchen der Pariser Presse horcht, — trotzdem steht fest, dass 
Deutschland seit 1866 nicht allein in politischer Beziehung selbst- 
ständiger geworden und dass es weit entfernt ist, die „endgültige 
Entscheidung" in irgend welcher Angelegenheit einem Nachbar zu 
Überlassen. Das oben besprochene Interesse der Nachbarn an den 
Münchener Aufführungen dürfte allein schon als Beweis meiner Be- 
hauptung gelten. W. Langhans. 



Literatur, 



Der Ciavierunterricht. Studien, Erfahrungen 
und Rathschläge von Louis Köhler, Verfas- 
ser der „Systematischen Lehrmethode für Clavierspiel 
und Musik.'* Dritte, verbesserte und vermehrte 
Auflage. Leipzig, 1868, bei J. J. Weber. 

Die erste Auflage dieses Werkes erschien im Jahre 1860, die 
zweite 1861 und wie des Verfassers instructive Ciavierstücke und 
Etüden sich durch ihren practischen Werth immer mehr Bahn ge- 
brochen haben und heute keinem intelligenten Lehrer mehr unbe- 
kannt sind, so haben auch .die in dem uns vorliegenden Buche ent- 
haltenen und begründeten Ansichten und Belehrungen, welche das 
Ergebniss der gewissenhaften Beobachtungen eines geistvollen Prac- 
tikers sind, immer mehr Anerkennung und das Buch selbst immer 
weitere Verbreitung gefunden, in Folge deren diese dritte, aber- 



- 135 



in als in vieler Hinsicht geläuterte und verbesserte Auflage nöthig 
geworden ist. Dies ist an und für sich Empfehlung genug für die 
in jeder Beziehung wertbvolle Arbeit des Verfassers. Für jene 
Fachleute, denen das in Bede stehende Buch noch unbekannt sein 
sollte, theilen wir über den Inhalt desselben Folgendes mit. Der 
1. Theil enthält auf 252 Seiten folgende Abschnitte: Allgemeine 
Grundzüge. 1. Die Wahl der Musikstücke. 2. Zur Unterrichtsweise. 
3 Zur musikalischen Erziehung. 4. Das Vorspielen. 5. Das Aus- 
wendigspielen. 6. Das Vomblattspielen. 7. Das Vierhändigspielen. 
8. Musikalisches Talent und Behandlung desselben. 9. Vom Ueben. 
10, Die Unterrichtsstunde 11. Der Pedalgebrauch. 12. Ciavier* 
iehrarten und Clavierlebrerwnhl. Der II. Theil bringt von Seite 
253 bis 334 „Besondere Beobachtungen, '* in denen nichts vergessen 
ist, was auf das Ciavierspielen, dessen Erlernung und den Unter- 
•riebt darin abgesehen von dem Inhalt des I. Theils irgendwie Bezug 
hat, so dass es für Lehrer wie für Lernende in diesem Fache kaum 
einen ausführlicheren , verlässigeren Führer geben dürfte , als das 
hiermit empfohlene Buch. 

Katechismus der Musik von J. L. Lobe. Zehnte 
Auflage. Leipzig, Verlag von J. J. "Weber. 

Dieser „Katechismus der Musik," der wegen seines practischen 
Zweckes, den er durch die zweckmässige Anordnung seines Inhal- 
tes und durch die fassliche Darstellungsweise desselben in vollstem 
Maasse erfüllt und vollkommen geeignet ist, insbesondere der so 
krassen Unwissenheit vieler Dilettanten in Bezug auf die unentbehr- 
lichsten Elemente der musikalischen Theorie abzuhelfen, hat sich 
bereits einer seltenen Verbreitung zu erfreuen, und wenn das Werk- 
chen eines so tüchtigen alten Practikers, wie der Verfasser dieses 
Büchleins, noch einer besonderen Empfehlung bedürfte , so möchte 
-dieselbe schon in der Thatsache enthalten sein, dass überhaupt das 
Erscheinen der vorliegenden zebuteu Auflage nöthig geworden 
ist. Das Büchlein wird sich auch jedem Lehrer als Leitfaden beim 
Unterricht als vollkommen practisch bewähren. 



Nachrichten. 



Darmstadt. Die in unserem Opernpersonal entstandenen em- 
pfindlichen Lücken sind durch das Engagement der Damen : Frl. 
Asmine Üb rieh, Fr. Mayr-Olbrich und Frl. Perl, sowie 
der Herren Lederer von Hamburg (Heldentenor) und Mayr 
von Riga (lyrischer Tenor) in erfreulicher Weise ausgefüllt worden. 

München. Am 2., 4. und 5. d. M fanden die Prüfungsconcerte 
der kgl. Musikschule unter Mitwirkung eines Theiles des kgl. Hof- 
orchesters und unter der Leitung der HH. Hofcapellmeister von 
Bülow und W tillner statt. Das reichhaltige und mannigfaltige 
Programm dieser Concerte gab den Zöglingen der jungen Kunst- 
anstalt, welche dieselbe natürlich grossentheils mit schon vorge- 
schrittener technischer Ausbildung betreten haben, Gelegenheit, ihre 
verschiedenen Talente und ihre künstlerischen Fortschritte zu er- 
proben. Es kamen in den 3 Concerten folgende Werke zur Auf- 
führung: Chöre a capella von Palestrina und Roselli; die Cantate 
^Gottes Zeit" von Seb. Bach ; Doppelconcert für zwei Violinen von 
Seb. Bach; Orgelpräludium; Violinconcerte von Viotti, Rode, Vieux- 
temps, Beriot und Hermann; Ciavierwerke von Liszt, Haydn, Beet- 
hoven, Mozart, Hummel, Moscheies, Mendelssohn, Schumann, Chopin 
Weber ; Stücke für Fagott von Romberg und Cramer, für Clarinette 
von Bärmann, für Violoncell von Mendelssohn; Trio von Haydn; 
Orgelsonate von Mendelssohn ; Sologesänge von Weber, Schubert, 
Schumann etc ; Chorlieder von Julius Mayer, Schumann, Hauptmann 
und verschiedenen Schülern der Compositionsclasse, sowie auch De- 
clamations-Vorträge. 

Cassel. Herr Hofcapellmeister Reis hatte das Unglück beim 
Kachhausegehen aus dem Theater in der Nähe seiner Wohnung von 
'einer Droschke überfahren zu werden und den rechten Oberarm zu 
brechen, so dass er wohl mehrere Wochen lang dem Directions- 
-pulte wird fern bleiben müssen. Die Theilnahme an dem Unfall 
-des mit Recht beliebten und geachteten Meisters ist eine allgemeine. 
— Frau S o 1 t a n s trat nach den Ferien zum ersten Male wieder 
als Jessonda auf. Es ist dies eine der besten Partien der vor- 
trefflichen Künstlerin und sagt ihrer Stimme und ihrem ganzen 



Wesen ganz besonders zu. Reichlicher Beifall wurde ihrer schönen 
Leistung zu Theil. Auch Hr. Müller (Nadozi), Hr. Lindemann 
(Dandau) und Frl. S 1 e v o g t (Amazili) füllten ihre Rollen zur Zu- 
friedenheit aus und Chor nnd Orchester wirkten zu einem tüchtigen 
Ensemble bestens mit. 

Chemnitz. Der durch seine Reisen in Süddeutschland und den 
Rheingegenden rühmlich bekannte Pianist und Organist Julius 
Buckel, gegenwärtig hier als Organist an der St. Jakobi-Kircbe 
angestellt, hat in der kurzen Zeit seines Hierseins es sich eifrig 1 
angelegen sein lassen , zur Verfeinerung des hiesigen Musikge- 
schmackes und namentlich zur grösseren Würdigung der hier ver- 
hältnissmässig wenig gekannten Kammermusik, nach seinen besten 
Kräften beizutragen. So wird derselbe u. A» in der Jacobi-Kirche 
eine Reihe von musikalischen Productionen veranstalten, in welchen 
Orgelvorträge mit der Aufführung von Gesangs- und Instrumental- 
werken gediegener älterer und neuerer Meister abwechseln sollen. 
Dass es dem hiesigen Publicum im Ganzen nicht an dem Sinne für 
solche Productionen fehlt, das beweisst die Thatsache , dass die 
erste derselben, welche am 30. Juli stattfand, von nahezu 900 Per- 
sonen besucht war und dass man die in gediegener Auswahl und in 
zweckmässiger Abwechslung vorgeführten Meisterwerke mit grossem 
und allgemeinem Wohlgefallen aufnahm. Möge Hr. Buckel fort- 
fahren, auf dem von ihm betretenen Wege den Geschmack für die 
ächte Kunst zu beleben und es wird ihm der Beifall und die Unter- 
stützung der wahren Musikfreunde gewiss niemals fehlen. 

Paris. In Folge der Preisausschreibung für die beste Compo- 
situm zu der komischen Oper „le Florentin" von Saint- Georges 
sind nicht weniger als 63 Concurrenz - Arbeiten eingelaufen. Von 
den 63 Bewerbern haben sich 43 persönlich gestellt, um nach der 
Anordnuug des Ministers des Innern selbst die Mitglieder des Preis- 
gerichts zu erwählen und diese haben nun in Folge getroffener 
Uebereinkunft 18 Sachverständige bestimmt, aus deren Zahl nach 
erhaltener Zusage der Annahme von Seiten der betreffenden Per- 
sönlichkeiten das eigentliche, aus 9 Personen bestehende Preis- 
gericht gewählt werden soll. 

— Man sagt, dass Herr Pasdeloup in dem Falle, dass er 
sich mit dem Eigenthümer des Cirque de V Imperatrice in Betreff 
seiner diesjährigen populären Concerte nicht verständigen sollte, 
gesonnen sei, dieselben in das Tke'ätre lyrique zu transferiren. 

— Am 15. August fanden wie gewöhnlich Gratisvorstellungen 
auf den bedeutenderen Bühnen von Paris statt. Man gab in der 
grossen Oper „Hamlet" von A. Thomas und die Hymne von Ros- 
sini; in der komischen Oper „les Dragons de Villars" und „le 
Docteur Mirobolan" nebst einer Cantate ,7a Bonne Moisson" von 
Charlot. Die übrigen Theater gaben die gerade im Zuge befind- 
lichen Vorstellungen. 

— • In der komischen Oper ist „Zampa" mit A c h a r d in der 
Titelrolle mit grossem Erfolge wieder auf die Bühne gebracht worden. 

— Die Einnahmen der Theater etc. in Paris betrugen im Mo- 
nat Juli nicht mehr als 643,806 Frcs. 

%* Der Tenorist Wachtel hat in Wiesbaden eine schöne 
Villa um den Preis von 50,000 fl. angekauft. 

*** Der junge Banquier Hermann Cohn, Bräutigam der 
Violinvirtuosin Charlotte Deckner, wird , da man bei ihm 
eine prächtige Tenorstimme entdeckt hat , nach hinreichenden 
Vorstudien im nächsten Winter in Königsberg auftreten. 

*** Die Coloratursängerin Frl. M a r e k ist mit bedeutendem 
Gehalt für die Oper in Mailand engagirt worden. 

*** In dem Privatbesitze eines Berliner Musikers, Hr. Mendel, 
befindet sich ein sehr interessantes Original-Manuscript von Felix 
Mendelssohn-Bartholdy, bestehend aus drei Liedern von 
hohem Kunstwerthe, von denen zwei noch nicht gedruckt, überhaupt 
noch unbekannt sind. Der Titel dieses Werkes, wie alles Andere 
vom Componisten selbst geschrieben, heisst: „Drei Lieder für eine 
Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, von Felix Mendelssohn- 
Bartholdy. Dem Maler Schramm zu freundlichem Andenken und 
bestem Danke. F. M. B. Leipzig, den 4. November 1840," Diese 
Lieder sind also genau 7 Jahre vor seinem Todestage und in seiner 
besten Zeit geschrieben. Die Ueberschriften sind: 1. Im Kahn („Mein 
Liebchen, wir sassen beisammen.") 2. „O könnt' ich zu dir fliegen.' 1 
3. Des Hirten Winterlied. („O Winter, schlimmer Winter.") 

(Zellner's Bl. f. M.) 



— 136 — 



*«* Mao schreibt der „ A, A. Ztg." aus Dresden: In den 
Kreieeu der hiesigen Bühnenkünstler macht gegenwärtig, die mehr- 
malige Iaeognito * Anwesenheit des Hrm v. Hülsen viel too sich 
reden, da er dnreh unterderhand gestellte Engagementsanträge die 
besten Kräfte von hier abzuziehen sucht. Gibt doch die Vereini- 
gung von fünf Hoftheatern in seiner Hand Hrn. v. Hälsen gaut 
enorme pecuniäre Hülfsmittel, so dass er Gagen an bieten vermag, 
gegen welche kein Theater aufkommen kann. Dresden allein, wo 
jetat übrigens, beiläufig erwähnt, die Bewohner der Neu- und Anton- 
stadt die Concession zur Errichtung eines aweiten Stadttheaters an 
erlangen suchen, macht Hrn v. Hülsen noch einige Sorgen, man 
kann hier allenfalls noch hervorragende Kräfte fesseln, ist in 
Geschmack, Mode etc. unabhängig von Berlin, ja in mancher Be- 
siehung diesem Centralisationspunkte sogar überlegen. Daher glaubt 
man denn eben auch, dass es darauf abgesehen ist , das hiesige 
Hoftheater in eine abhängige Stellung zu Berlin zu bringen, was 
freilich nicht gelingen dürfte. So viel ich höre, soll auch Fränlein 
Mallinge r, welche jetzt durch vier Gastrollen das hiesige Publi- 
kum ganz enthusiasmirt hat, keine Lust verspürt haben, sich für 
Berlin engagiren zu lassen, vielmehr soll sie für unsere Hofbühne 
gewonnen worden sein. 

*** Das Münchener Blatt „Neueste Nachrichten" schreibt: Wie 
weit es der Mensch durch die Kraft seines Willens bringen kann, 
davon hat man sich vorgestern in dem Concerte, welches der ohne 
Arme geborne Violinist Hermann Unthan im Cafe Holzinger 
gegeben, wieder überzeugen können. Es ist staunsnerregend , was 
dieser junge Künstler leistet] Er ersetzt die ihm von der Natur 
versagten Arme derart durch die Füsse, dass man die natürlichen 
Hindernisse kaum mehr bemerkt. Die Violine ist auf einem Piede- 
stale wagrecht festgeschraubt, der linke Fuss führt den an die grosse 
Zehe befestigten Bogen sicher, leicht und kräftig, während die wie 
Finger ausgebildeten Zehen des rechten Fnsses das Griffbrett so 
gewandt und genau behandeln, dass schnelle Passagen, Flageolet- 
töne und selbst Doppelgriffe dem Gehör in meist reiner Intonation 
vermittelt werden. 

%* Im Hoftheater zu Weimar werden während der gegen- 
wärtigen Ferien zweckmässige bauliche Veränderungen im Zuschauer- 
raum vorgenommen. 

*** Der Niederländische Verein zur Beförderung 
der Tonkunst" hat Ende Juni in Amsterdam seine 39. or- 
dentliche Generalversammlung unter dem Vorsitze des Hrn. Profes- 
sors Schueevoogt abgehalten Es wurden die HH. G. A. H e i n- 
ze in Amsterdam und W. F. G. Nicolai in Gravenhage zu 
Ehren-Mitgliedern und die HH. W. A. A m b r o s (Prag), Hans von 
Biilow (München) und Anton Rubinstein (Petersburg) zu 
correspondirenden Mitgliedern ernannt. Der Verein zählt in 13 Ab- 
theilungen 2082 contribnirende Mitglieder, darunter 115 Künstler; 
ausserdem 34 Ehren- und 40 correspondirende Mitglieder. Die Fi- 
nanzen des Vereins, befinden sich in sehr erfreulichem Zustande und 
insbesondere hat die von dem Vereine begründete und unterhaltene 
Künstler-Stiftung schon ziemlich ansehnliche Unterstützungen und 
Pensionen an Künstler oder deren Wittwen vergeben können. Die 
Vereinsbibliothek enthält 2000 grössere und kleinere Werke. Die 
Musikschulen des Vereins zählten im Jahre 1867/68 706 Zöglinge, 
— die Gesangvereine 772 Mitglieder. In demselben Jahre wurden 
von den Abtheilungen des Vereins 32 grössere Tonwerke zur Auf- 
führung gebracht. Als Preisaufgabe wurde für das laufende Jahr 
aufgestellt — für Bewerber aller Länder — eine Monographie über 
den niederländischen Organisten und Gründer der deutschen Orgel- 
schule, J. P. S w e 1 i n k (geboren in Deventer 1540) mit beigefüg- 
ter Sammlung 111 ) seiner in Druck oder als Manuscript vorhandenen 
Compositionen. Prämie nach Umständen 100 bis 350 fl. Die zweite 
Preisanfgabe, für niederländische Componisten, besteht in 
einem Concertwerk für gemischten Chor, Soli und Orchester, 
mit holländischem, deutschem oder französischem Texte, in den letztge- 
nannten Fällen mit beigefügter holländisch-metrischer Uebersetzung. 
1. Prämie 200 fl ; 2, Prämie 100 fl. Einsendung Dezember 1868. 
Die Concurrenzarbeiten sind längstens bis zum 30. September 1869 
deutlich geschrieben (die deutsohen mit lateinischer Schrift) porto* 
frei zu senden an Dr. J. P. Hei je in Amsterdam. 



*) Soll wohl beissen „Verzeicbniss" ? 



(Anm. d. Red.) 



*** Der Capellmeister des österreichischen Infanterie-Regiment» 
„Herzog von Würtemberg", Hr. Zimmermann, der sich durch 
die Preisleistungen seiner Capelle in Paris einen weitbekannten 
Namen erworben, hat sich in die Stellung eines Stadtcapellmeistera 
in Kronstadt (Siebenbürgen) zurückgezogen. 

*«* Der Gesanglehrer Friedrich Schmitt ist von München« 
nach Wien übergesiedelt. 

*** Das „Conservatorium für Musik" in Wien zählte laut 
Jahresbericht in dem abgelaufenen Schuljahre 1867/68 204 weib- 
liche und 230 männliche, im Ganzen 434 Zöglinge. Es waren an 
der Anstalt unter der artistischen Leitung des Hrn. Concertmeister» 
Jos. Hellmesberger 24 Professoren thätig ; die dem Conser- 
vatorium vorgesetzte Direction der „Gesellschaft der Musikfreunde" 
besteht aus einem Präses (Hr. Dr. Franz Egg er, k. k. Hof- und 
Gerichtsadvokat), einem Präses - Stellvertreter (Hr. Nik. Dumba, 
Gutsbesitzer) und zwölf Directions-Mitgliedern. 

*** Herr Capellmeister Reinecke in Leipzig hat seine Gat- 
tin, geb. Scharnke, unter welchem Namen dieselbe als vortreff- 
liche Coloratursängerin bekannt war, durch den Tod verloren. 

*** Die Leipziger Bühne wird wohl die erste in Deutsch- 
land sein, welche A üb er 's Oper „Der erste Glückstag tt zur Auf- 
führung bringt, indem dieselbe dort bereits am 15. September in 
Scene gehen soll. 

*** Die Brendel'sche „Neue Zeitschrift für Musik" enthält in 
ihrer letzten Nummer folgende Correspondenz aus Paris: „Herr 
Pasdeloup, welcher Carvalho's Erbschaft als Director des 
Thedtre lyrique angetreten hat und mit R. Wagner's „Rienzi" den 
Anfang seiner Verwaltung einweihen will, hat Hrn. Hof capellmeister 
Dr. Hans v. Bülow zur Uebernahme der Stellung eines ersten 
Capellmeisters an diesem Operntheater unter den glänzendsten Be- 
dingungen und mehrjährigem Contract aufgefordert. Wie wir ver- 
nehmen, ist Hr. v. Bülow nicht abgeneigt, nach Paris überzusiedeln, 
wo gegenwärtig der Boden für deutsche Musik — vornehmlich durch 
Hrn. Pasdeloup — so günstig vorbereitet ist. 

*** Der Professor des Pianofortespiels am Conservatorium in 
Leipzig, Herr E. F. Wenzel, hat bei Gelegenheit seines 
25jährigen Jubiläums „in Anerkennung seiner vorzüglichen und ver- 
dienstlichen Wirksamkeit" vom König von Sachsen das Ehrenkreuz 
des Albrechtordens erhalten. 

*** Der Pianist und Componist Gottschalk hat eine Kunstreise 
nach Buenos- Ayres unternommen und ist dort in einem Concerte 
zum Besten einer neugegründeten Waisenanstalt mit ungeheuerem 
Erfolge aufgetreten. Beiuahe wäre ihm jedoch die Reise dahin ver- 
hängnissvoll geworden, indem der Dampfer, auf den er sich einge- 
schifft hatte, unterwegs mit eiuem Dreimaster zusammenstiess , wo- 
durch beide Schiffe bedeutend beschädigt wurden ; es wurden jedoch 
sämmtliche Passagiere glücklich ans Land gebracht. 

*** Der ehemalige Director des Conservatoriums in Prag, 
J. F. Kittl, ist unlängst in Polnisch- Lissa gestorben. 

ANZEIGEN. 



Verlag von B. SelioU'a Salinen in Mainz. 



Sinfonien für grosses Orchester, Partitnr. 

Neue billige Ausgabe in 8° auf das Sorgfältigste von anerkann- 
ten Künstlern revidirt. 

N° 1. Op. 21 .... Preis n. fl. 1. 48 kr. Thlr. 1. — Sgr. 
» 2. fl 36 ... . w „ , 2. 42 „ „ 1. 15 
55 heVoique . „ „ „ 3. 36 „ » 2. — 
60 , • 2. 42 „ „ 1. 16 



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68 pastorale . 



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1. 15 

1. 15 

2. — 
1. 15 

3. — 



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Die lte, 2te, 8tc, 4te, 8te und 9te Sinfonie sind bereits ans* 
gegeben, die übrigen werden nach und nach im Laufe des Som- 
mers folgen. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



i7. Jahrgang. 



m- &s. 



31. Augast 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

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B. SCHOT T'S SÖHNEN lll MAINZ. Durch die Post bezogen: 

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Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



INHALT: Simon Sechter. — Preissiogen in Amsterdam. — Nachrichten. 



Simon Sechter« 

(Biographische Skizze.) 



(Fortsetzung und Schluss.) 

In die von Dr. Aug. Schmidt herausgegebene „Allg. Wiener 
Musik-Zeitung" lieferte Sechter sehr schätzenswertbe Beiträge, Apho« 
rismen, Rhapsodien, die in gedrängter Kürze manch 1 lehrreichen 
Wink für Musiker enthalten. Wir finden darin auch einer Ange- 
legenheit erwähnt, die ihn in den 40er Jahren als Lehrer lebhaft 
anregte. Sechter, der es tief verabscheute, ein Kind durch Abquälen 
zum „Wunder" abrichten zu wollen, befand sieb plötzlich selbst 
einem Wunderkinde gegenüber, bei dem aber von einer sogenannten 
Dressur gar keine Bede sein konnte. Wie mag dem in Lectionen 
vergrabenen Manne zu Muth gewesen sein, als er unter der Legion 
seiner Tagsschüler plötzlich einen Knaben findet, in dessen zarter 
Brust, ihm selbst unbewusst, die gotterfüllten Keime der edelsten 
Frucht schlummerten und nur der kundigen Hand bedurften, um 
zum höchsten Lichte entgegen geführt zu werden. „Der Lehrer 
(schreibt Sechter), der ein solches Kind findet, das aus freier Nei- 
gung und mit ganzem Eifer, ja mit ganzer Seele sich einer Kunst 
hingibt, fühlt sich sehr oft überrascht, wie im Kinde eine Menge 
Ideen schon bereit liegen, die er nur zu entwickeln und zu ordnen 
braucht. Und wenn nun das Kind zugleich gutwillig ist und sein 
ganzes Vertrauen in (»einen Lehrer setzt, so kanu er wohl gegrün- 
det auf etwas Ausserordentliches hoffen und er wird dasselbe wie 
ein geheiligtes Kleinod ansehen, welches seiner heiligsten Menschen- 
pflicht anvertraut ist." 

Diese Zeilen und mehr noch die folgenden gewähren uns einen 
tiefen Einblick in das innerste Wesen des Meisters, der sein Lehrer- 
amt nicht für schnöden Tageslohn sondern als echter Priester der 
Kunst vertritt. Sechter schreibt einige Monate später (22 Mai 1843): 
„Lieber Freund! Ich habe über den kleinen Julius B e noni einige 
Zeit nichts berichtet, weil ich mich von seinem Fortgange in der 
Harmonie genau überzeugen wollte; nun aber kann ich Sie versichern, 
dass er mir immer lieber wird, und dass ich fest überzeugt bin, 
dass dieser Unterricht ihm nicht allein keine Anstrengung macht, 
sondern dass er allein durch ihn befriedigt wird, weil Musik das 
Element ist, worin er sich ganz frei bewegt. Weder von mir, noch 
von seiner hohen Gönnerin wird ihm der geringste Zwang angethan, 
denn Alles geht ganz frei und freudig von ihm selbst aus. Ich 
habe eine zu grosse Achtung für seinen ihm von Gott gegebenen 
Genius, als dass ich ihm irgend einen Zwang auflegen wollte, den 
er nicht selbst aus freiem Antriebe sich auflegen will* Um zu wis- 
sen; dass er sich sehr wohl befinde, darf mau nur sein heiteres Ge- 
sicht, seinen freudigen Blick sehen, seine freundlichen Scherze hören. 
Mir ist durch diesen Knaben ein neues Leben aufgegangen, dessen 
ich mich wahrhaft freue." 

Kurze Zeit darauf wurde von dem damals 8jährigen Knaben 
«ine Messe an der St. Peterskirche aufgeführt, die bei Kennern und 
Laien Staunen erregte ; dann folgte (wenn ich nicht irre) eine Oper. 



Und doch! Heute wird Jeder fragen: Wer ist Benoni? ! — Zugleich 
mit ihm hatte auch der jugendliche Pianist Carl F i 1 1 s ch Unter- 
richt bei Sechter genommen, auf denjjdie Kunst mit Recht grosse 
Hoffnungen baute, die aber die rauhe Hand des Todes gar bald zu 
nichte machte. 

Im Jahre 1850 erhielt Sechter die Stelle eines Professors der 
Compositionslehre am Wiener Conservatorium, die er bis zu seinem 
Tode inne hatte. Die Zahl seiner Schüler aus aller Herren Länder 
war nun so bedeutend, dass es monatlanger Vormerkung bedurfte 
um in eine freigewordene Stunde einrücken zu können. Kaum, 
dass sich der rastlos thätige Mann an Abenden Erholung gönnte, 
indem er bewährte Freundeskreise aufsuchte. Zu diesen zählten 
vor allen derk. RathHölzel und die Capellmitglieder Staudigl 
und Lutz. Staudigl als Bassist, Lutz als Tenor sangen mit ihm 
alle Compositionen durch und Sechter suchte von ihren Erfahrungen 
zu profitiren. Für einen geschlossenen Familienkreis bearbeitete 
er auch eine Anzahl deutscher Volkslieder eontrapun-ctisch, denen 
dann bald komische Situationen, Operetten, folgten, die meist auf 
einen Scherz ausliefen. Eine derselben fand ohne Sechter's Zuthun 
ihren Weg in die Oeffentlichkeit und machte seinerzeit viel reden. 

Im Privatleben war Sechter die Anspruchslosigkeit selbst ; aus 
seinen treuherzigen Augen sprach die vollste Gutmüthigkeit. Was 
„practisch Leben* heisst, kannte er nicht; er Hess sich leiten wie 
ein Kind, zufrieden wenn er ausser seinen Lectionen dem Tag sein 
musikalisches Opfer bringen konnte an Canons, Präludien und na* 
mentlich Fugen, deren er eine erstaunliche Menge lieferte und wo- 
zu er sich die Thema's auf die wunderlichste Art erfand. Sein mu- 
sikalischer Nachlass in Autographen zeigt, dass er seit dem Jahre 
1850 es sich zur technischen Aufgabe stellte, täglich und unbeirrt 
durch was immer für eine augenblickliche Gemüthsstimmung, wenig- 
stens eine Fuge zu schreiben. Die bare Unmöglichkeit, in den 
Thema's, deren Zahl auf viele Tausende hinauslief, immer Neues 
bringen zu können, zwang ihn, sich selbst Fesseln anzulegen. Die 
erste beste Zeitungsnotiz diente als Folie, durch entsprechende He- 
bung und Senkung, Länge und Kürze, nach allen Gesetzen der 
musikalischen Declamation, die unerwartetsten Notengruppen her- 
beizuzaubern. 

Es bildete sich daraus von selbst eine Art musikalisches Tage- 
buch, in dem Scherz und Ernst sich wunderlich kreuzen. Die bei- 
gefügten Daten zeigen auch, dass der Meister öfter eine wichtige 
Tagsbegebenheit, einen Erinnerungstag zum Grunde des Thema 
legte. Eine Fuge aber musste daraus werden, denn „Nie ohne 
dieses! 11 , wie eine der Ueberschriften sagt. Gleich jenem gefeierten 
Tondichter, der selbst eine Speisekarte für componirbar erklärte, 
schrieb Sechter „Auch ein Wäschzettel kann zu einer neuen Com- 
positum dienen/' Nichts was er sah und hörte, war sicher vor 
ihm. Rollte der Donner, so hiess es : „beute steht ein Gewitter 
am Himmel." Spielereien mit Wörtern nnd ihre Wiedergabe in 
Noten z. B. Cassa, Hass, Abgabe, Es geschehe, Ade, Bagdad, Affe, 
Baggesen, Bach, Fesca etc. dienten nur als bescheidene Ahwechs* 
lung; und als ein Herr erklärte „Er (sein Name) laste sich nicht 



138 — 



in Musik setzen," half sich Sechter mit „Singet darum seine Worte, 
dann ist er doch in Musik gesetzt!" Ueberall witterte er eine Ge- 
genstimme, denn der Contrapunct besteht nicht allein in der Musik) 
sondern zwischen Lehrer ued Schüler, zwischen Herr und Diener, 
zwischen Mann und Frau; überall heisst es: verträglich sein." 
Seinen Nachstellungen war selbst das eigene Ich nicht sicher ; so 
brachte er dem Schöpfer an seinem Geburtstag (11. October 1865) 
sein musikalisches Opfer: „Gott hat mich behütet mein ganzes 
Leben hindurch, dafür sei ihm unendlicher Dank!" Und am 24. 
Dezember mitten unter dem Fugenfeld gedenkt ein frommes Lied 
der Eltern: „Liebe Mutter! Die du mir schon in meiner Jugend 
entrissen worden, noch lebt Dein mildes Gemüth in meinen Ge- 
danken und deinem Beispiele sowie jenem meines Vaters verdanke 
ich es, dass ich die Lehren des Christentbums noch in meinem 
Herzen trage." — Selbst am Sarge* der Gattin sucht sein Herz 
Trost in einer Fuge: „Ausgelitten hat sie, die sanfte und geduldige 
Frau, nun wird ihre Geduld belohnt." 

Bezeichnend sind namentlich nachfolgende Ausrufungen, die 
ein düsteres Bild entrollen und auf jeue Zeit (1865) deuten, in der 
der würdige Greis, ein missbrauchtes Opfer seiner Gutmüthigkeit, 
eine harte Prüfungszeit durchzukämpfen hatte. „Entsagen heisst 
es, entsagen und wieder entsagen." — „Die Hoffnung auf Gott 
läset nicht zu Schanden werden." — „Die Zeit rückt heran, jetzt 
heisst es: stehe fest!" — „Wenn es draussen stürmt, ist es am 
nöthigsten, sich mit seinem Innern zu beschäftigen." — »Wir stehen 
alle in Gottes Hand." — „Wenn man Schulden fordert, wird man 
ausgelacht." — „Das Leben ist ein' verteufelt schwere Kunst." — 
— — — „Herr! hilf uns, wir gehen zu Grunde!" — — 

Wir stehen am Jahre 1867, Sechters Sterbejahr. Der Meister 
fing bedenklich zu kränkeln an, er musste sogar mit seiner ihm so 
lieb gewordenen Beschäftigung aussetzen. Doch siegte diesmal noch 
die Lebenskraft. Und gleich dem Hirsch, der nach frischen Quellen 
schmachtet, trieb es den Meister zu seinem lieben Contrapuncte. 
In schlichten innigen Worten feierte er den 13. Januar : „Wie der- 
jenige , der lange nicht bei seiner Geliebten war , sich nach ihr 
sehnt, so sehnen wir uns nach der Fuge." 

Aber die Freude war von kurzer Dauer; diesmal gewann die 
Krankheit die Oberhand. Der Meister fühlte, dass es zu Ende gehe- 
Noch einmal, am 20. April, führt die welke Hand die Feder und 
dient zum Ausdruck frommer Ergebenheit: »Wie Christus von dem 
Tode erstanden ist, so hoffeu auch wir vom Tode zum Leben über- 
zugehen !" 

Es war die letzte, die Schlussfuge ! Noch eine kurze Spanne 
Zeit und der grösste Theoretiker, den Oesterreich seit F u x be- 
sessen, hauchte am 12. September seinen müden Geist aus. 

Sechter, der als Wittwer starb, hinterliess einen Sohn und eine 
verheirathete Tochter. Dem feierlichen Leichenbegängnisse im St, 
Stephansdome wohnten zahlreiche ehemalige Collegen, Schüler und 
Freunde des Verblichenen bei, Ebenso seiner Gedäcbtnissfeier am 
16. September, wobei unter Gottfried Preyer's Leitung des Ver- 
blichenen Requiem in würdiger Weise aufgeführt wurde. — Sechter 
starb arm wie eine Kirchenmaus. Der Mann, dessen ganzes Leben 
eine ununterbrochene Kette von Arbeit gewesen, sah sich am Ende 
seiner Tage in hohem Stockwerk wieder zum „Zimmerherrn" degra- 
dirt. Wem mochte es nicht eisig kalt anwehen, wenn er den fast 
80jährigen Greis — ein sprechendes Beispiel vom Wandel der Ge- 
schicke — getrennt von seinen nächsten Angehörigen, im schmuck- 
losen Zimmer, beim matten Licht einer einzigen Kerze seine Augen 
mit rastlosem Schreiben sich abmüden sah. Vermögen; Effecten, 
Orden, goldene Medaillen, ja selbst Uniform und Degen (womit zum 
Schmuck der Leichenfeier eine treue Freundeshand aushelfen musste!) 
hatte längst jenes Jahr verschlungen, in dem Sechter ausrief: „Herr 
hilf uns, wir gehen zu Grunde!" — 

Ein Verzeichniss seiner Schüler hat sich unter Sechter's Papieren 
nicht vorgefunden, es hätte nach Tausenden zählen müssen. Wohl 
macht der schon erwähnte handschriftliche Entwurf am Schlüsse 
damit einen Versuch, bringt es aber kaum über die Zahl zwanzig. 
So seien wenigstens diese hier namhaft gemacht : Gottfried P r e y e r, 
Hof- und Domcapellmeister, die Fürsten Georg und Constantin 
Czartoryski, Gustav Nottebohm, Anton Brückner, Engel- 
bert Aigner, Carl und Franz Frisach, Baron Gudenus, Otto 
Bach, Th. Dirzka, Job. Ruf inatscha, Thomas Löwe, Th. 



Derffl, Th. Döhler, Oscar M o n tl o n g, C. F. P o h 1, Frl. 
Rosa Kastner, v. Perisutti, Frl. Stametz-Maier.Stan- 
z i e r i, Carl F i 1 1 s ch, H o v e u (Vesque v. PÜttlingen), Selmar 
B a g ge, Leopold und Rudolf B i b 1, Julius ßenoni, S t a n k o- 
vitz, Eugenio Galli, Henri Vieuxtemps, Ernst Pauer und 
Sigismund T h a 1 b e r g. 

Trotz der zahlreichen Lectionen, die Sechter täglich in dem 
Zeitraum von über 60 Jahren ertheilte, entwickelte er auch im 
Componiren einen fabelhaften Fleiss. Nur der allerkleinste Theil 
seiner Werke erschien im Stich. Alles Uebrige, darunter nament- 
lich Orgelwerke, Messen und verschiedene Kircheucompositionen 
ist zerstreut im Privatbesitz Einzelner. Die grösseren Werke schenkte 
Sechter noch bei Lebzeiten der k. Hofbibliothek und dem Archiv 
der „Gesellschaft der Musikfreunde." Dort ist auch sein musika- 
lischer Nachlass hinterlegt. Zu seinen veröffentlichten weitaus be- 
deutungsvolleren theoritischen Schriften ist auch die von ihm neu 
bearbeitete „Abhandlung von der Fuge" von Friedr. Wilh. 
Marpurg (Wien, bei Spiua) zu zählen, die im zweiten Theil von 
Sechter eine ausgezeichnete Analyse der grossen Fuge in Mozart's 
„Jupitersinfouie" enthält. 

Sein bedeutendstes Werk aber, „die Grundzüge der 
musikalischen Compositio n," in drei Bänden bei Breit- 
kopf und Härtel erschienen, sichert ihm für alle Zeiten einen Ehren 
platz neben den grössten Contrapunctisteu 



Preissingen in Amsterdam. 

In Amsterdam fand am 8. und 9. August ein nationa- 
les und internationales Preissingen statt, veranstaltet 
von der seit 1848 dort bestehenden Liedertafel „Euterpe," woran 
sich etwa 800 Sänger (darunter 250 aus Amsterdam) betheiligteo. 
Es waren im Ganzen 16 Männergesangvereine vertreten, welche 
mehr oder minder stark an Zahl in Einzelvorträgen um die aus- 
gesetzten Preise rangen. Das Preissingen fand am 8. August in 
den Räumen des Park's statt. Als Preisrichter fungirten die HH. 
J. H. V e r h u 1 s t, J. G. Bastiaans, W. F. G. Nicolai aus 
Holland, Fr, Weber (Director des „Cölner Männergesangvereins") 
und Chazotte aus Paris, welche in folgender Weise entschieden: 
In der niederländischen Abtheilung: I. Preis, eine goldene 
Medaille und 100 fl., „Rotte's Männerchor" aus Amsterdam (Di- 
rigent Herr C A. de Vliegh); II. Preis, eine gekrönte silberne 
Medaille, der „Utrechter Männergesangverein" (Dirigent Herr 
A. J. van Schaik); III. Preis, eine silberne Medaille, der Männer- 
gesangverein „Amphion" aus Rotterdam (Dirigent Herr Alex. 
W. A. Heyblom. In der internationalen Abtheilung erhielt 
den I. Preis, eine goldene Medaille und 300 fl., die „Socie'te des 
Orphäomstes' 1 von Ar ras iu Belgien (Dirigent Herr Albert Du- 
haupas); den II. Preis, eine gekrönte silberne Medaille und 100 
fl., »Amstels Mannenkoor H (Amsterdamer Männerchor, Dirigent 
Herr Richard Hol); der Ifl. Preis, eine silberne Medaille und 50 
fl., die Liedertafel „Oefening haart Kunst" (Uebung führt zur 
Kunst) aus Amsterdam (Dirigent Herr Robert C o 1 1 i n. Ausser- 
dem erhielt Arras auch noch, als die am weitesten hergekommene 
Liedertafel, eine silberne Denkmünze. Es wurden am selben Tag« 
auch die Männergesänge, welche unter den, iu Folge einer früher 
von der „Euterpe" ausgeschriebenen Preisbewerbung, eingelaufenen 
100 Concurrenzarbeiten als preiswürdig nach dem Ausspruch der 
biezu bestellten Jury (Ferd. H i 1 1 e r stand an deren Spitze) erkannt 
worden waren, vorgetragen und sodann die Namenzettel geöffnet 
und die Namen der Preisträger ausgerufen. Es sind dies die Her- 
ren: Ludwig Stark von Stuttgart, Eugen Drobisch von Minden 
G. Hamm von Venlo, als Componisten, von : „Volker's Nacht- 
gesang ,• „Ergo bibamus" und »Goeden Nacht 11 (Gute Nacht). 
Jeder der drei Sieger erhielt eine goldene Medaille und 100 fl. 

Die Theilnahme des Publikums war bei dem Preissingen, sowie 
bei den öffentlichen Unterhaltungen und musikalischen Productionen 
des zweiten Tags im sogenannten Paleis voor Volksvlijt eine 
ausserordentlich zahlreiche und lebhafte und die allgemeine Stim- 
mung war eine freudig gehobene und durch keinen Missklang ge« 
störte. Rühmlichste Erwähnung verdienen auch noch die an beiden 



- 139 — 



Festtagen zwischen den Gesängen eingeschalt eten Orchestervorträge 
unter der Leitung der Herren W. Stumpf und J. M. Coenen. 



lachrichten. 



Darmstadt. Das Groash. Hoftheater ist am 20. d M. mit Mo* 
zart's „Zauberflöte" wieder eröffnet worden und die Aufführung war 
eine sehr gelungene. Die neuengagirten Mitglieder, Frau Mayr- 
Olbrich (Königin der Nacht) und Herr Leder er (Tamino) fan- 
den eine recht günstige Aufnahme, sowie auch die Träger der 
Übrigen Partien, Chor und Orchester zur Abrundung des Ganzen 
recht wacker zusammenwirkten ; nur die drei Damen Hessen in Be- 
zug auf reine Intonation sehr zu wünschen übrig. 

— Die Vorbereitungen zu dem 6. mittel rheinischen Musikfeste 
werden mit allem Eifer betrieben. Die Concerte werden, wie bei 
dem ersten dieser Feste im Jahre 1856, im Zeughause stattfinden 
und an denselben sich über 700 Sänger und ungefähr 130 Instru« 
meutalisten betheiligen. Mannheim hat nun entschieden seine Nicht- 
betheiligung an dem Feste, hauptsächlich wegen der zu kurz anbe- 
raumten Zeit, ausgesprochen. 

Melbourne (Australien). Hr. Musikdirector Schott, einer der 
besten hier lebenden deutschen Künstler, wurde von einem bekla- 
genswerthen Unfall betroffen, indem, als er in der Nacht des 13. 
Juni, nach einem von ihm veranstalteten Concerte, zu Wagen mit 
anderen Kunstgenossen nach Hause zurückkehrte, in der durch kein 
einziges Licht erhellten Dunkelheit der Strassen der Vorstadt sein 
Cab mit einem Holzkarren zusammenstiess, so dass der Kutscher 
vorwärts fiel. Herr Schott sprang heraus, um die Zügel zu er- 
haschen, fiel und die Kader des Wagens gingen ihm über den Leib 
-und beide Beine. Glücklicherweise wurde ihm kein Knochen zer- 
brochen, allein er erlitt bedeutende Quetschungen und seine Nerven 
sind in Folge des ausgestandenen Schreckens sehr angegriffen. Das 
Coucert des Hrn. Schott hatte sich in Bezug auf das Programm 
wie auf die treffliche Ausführung desselben des ungetheilten Beifalls 
aller Zuhörer zu erfreuen gehabt. 

Brüssel. Bei dem in voriger Woche stattgefundenen, von dem 
Hause Schott und dem „Congress für Kirchenmusik in Belgien" 
unter dem Patronat der belgischen Regierung stattgefundenen Con- 
curse für eine für drei Männerstimmen mit Orgelbegleitung in ein- 
fachem, leicht ausführbaren Style geschriebenen lateinischen Messe 
wurdeu die von den HH, Edmund Kretzschmer, Hoforganist in 
Dresden, Jos. L ö b m a n n, Chordirigent in Ostritz bei Zittau in Sach- 
sen und S. Summers aus Paris eingesendeten Arbeiten unter 
100 Concurrenten mit Preisen gekrönt. Bei der nur für belgische 
Componisten zugänglichen Preisbewerbung, für vier Kirchengesänge 
für drei Männerstimmen mit Orgelbegleitung, siegte unter 18 Con- 
currenten Hr. Cäsar Lust, Organist an der Jesuskirche in Brüssel. 
Die Namen der Preisrichter sind bereits in Nr. 33 dieses Blattes 
aufgeführt worden und bitten wir dort Lefebure, statt Lefebore 
und Vervoitte, statt Vervoitze zu lesen. 

*** Devrient — Laube — Wagner — drei voraussicht- 
lich interessante Werke. Devrient: „Meine Erinnerungen an Felix 
Mendelssohn • Bartholdy und seine Briefe an mich ;" Laube : „Das 
Bnrgtheater, ein Beitrag zur deutschen Theater - Geschichte," und 
die zweite vermehrte Auflage von Richard Wagner's „Oper und 
Drama" werden von der Verlagsbuchhandlung von J. J.Weber in 
Leipzig, als in Kürze erscheinend, angekündigt. 

*** Herr Friedrich Grützmacher, erster Violoncellist der 
kgl. Hofcapelle zu Dresden, erhielt vom Herzoge von Altenburg 
das Verdienstkreuz des Sachsen - Ernestinischen Hausordens. Der- 
selbe Künstler wird Mitte September eine grössere Concertreise 
-durch Dänemark, Schweden und Norwegen (im Vereine 
mit Carlotta Patti, Vieuxtomps und J a e 1 1) antreten. 

*** Der frühere Hofcapellmeister in Sondershausen, Hr. 
Friedrich M a r p u r g, hat eine Anstellung als Capellmeister in 
D a r m s t a d t erhalten. 

*** Mlle. N i 1 s s o n wird im Monat September ein Concert in 
"Wiesbaden geben. Es ist dies ihr erstes Auftreten in Deutsch- 
land. 



*** In Prag wird im September eine neue Oper von F 1 o t- 
t o w, „Die beiden Componisten/ zur Aufführung kommen. 

*** Capellmeister Heine fetter aus Mainz, der Dirigent der 
Curcapelle in Kissingen, hat vom Kaiser von Russland in An- 
erkennung der vortrefflichen Leistungen seines Orchesters einen 
kostbaren Brillantring zum Geschenk erhalten. 

*** Das k. Hoftheater in München wurde am 25. August zur 
Feier des Geburts- und Namensfestes des Königs mit der Oper 
„Teil" wieder eröffnet. Am 27. soll Zenger's „Ruy Blas'* und am 
30. die „Hugenotten" folgen. 

*** Für die in Hamburg neu zu gründende musikalische 
Bibliothek ist die in London verkäuflich gewesene Sammlung von 
H ä n d e l's Partituren in den von Schmidt aus Ansbach, dem 
vierzigjährigen treuen Gefährten und Amanuensis des Meisters in 
London, angefertigten Abschriften und mit den eigenhändigen 
Abänderungen und Zusätzen Händel's, wie diese Manuscripte dem 
Componisteu selbst als Directionsexemplar bei seinen Aufführungen 
gedient haben, erworben worden. Der eigentliche Werth dieser 
kostbaren Sammlung, welche 127 Bände umfasst, übertrifft weit den 
dafür bezahlten Kaufpreis von 11,200 Mark Bco. und es ist höchst 
ertreulich, dass dieser Schatz für Deutschland bleibend gewonnen wurde. 

*** Suppe hat für das Wiener Carlthealer zwei Oppperetten 
betitelt: „Tantalus-Qualen" und ,, Schwindel" vollendet. 

*#* Am 4. October wird der Wiener Männergesang- 
verein sein 25jähriges Jubiläum feiern und bei diesem Anlass 
ein Monstreconcert veranstalten. 

*** Frau W i 1 1 vom Wiener Operntheater hat in Mannheim 
mit glänzendem Erfolge gastirt. 

%* Die zwei Monate umfassende italienische Opernsaison in 
Homburg fordert von der Verwaltung des Kurhauses grosse Opfer. 
So erhält z. B. Adelina Patti für 10 Vorstellungen 50,000 Frcs., 
N a u d i n 1500 Frcs., V e r g e r 1000 Frcs., die G r o s s i 800 Frcs. 
und A g n e s i 1000 Frcs. für jede Vorstellung. 

*#* Musikdirector Voretzsch in Glogau ist zum Director der 
Singakademie in Halle erwählt worden und wird schon im September 
dorthin übersiedeln. 

*** Ueber ein sehr talentvolles Kind, welches von Herrn Alvin 
Wieck in Dresden unentgeltlich unterrichtet wird und dessen 
fernere Ausbildung wohlwollenden Kunstfreunden ans Herz zu legen 
ist, berichtet der musikalische Pädagog Herr Friedrich Wieck, 
Vater der Frau Clara Schumann, folgendermassen: „Die kleine 
achtjährige Paula Swab möchte ich das Wunderkind unter den 
musikalischen Wunderkindern nennen. Dem Psychologen bietet sie 
seltene Data, namentlich durch ihre harmonische, wohlthuende, nie- 
mals anstössige Erscheinung, soweit als möglich als Künstlerin und 
als Kind zugleich. Ihren Leistungen als Ciavierspielerin (alles aus- 
wendig : Stücke von Mozart, Schumann, Franz Schubert u. A.) sieht 
man nichts An* und Eingelerntes, Erzwungenes, Schülerhaftes mehr 
an, sie bewegt sich in ihren Vorträgen frei und sicher, ich möchte 
sagen mit künstlerischem Vertrauen zu sich und mit Bewusstsein, 
so dass man an ihrem innern musikalischen Verständniss kaum 
zweifeln sollte. Sie betont und accentuirt mit solcher Leichtigkeit 
und Natürlichkeit, als wenn Alles aus ihrer innern Ueberzeugung 
hervorginge, was bei jugendlichen Talenten so selten (weil auch, 
zu oft Kampf mit den Schwierigkeiten) der Fall ist, sie hat unschul- 
dige Freude an ihren Leistungen, strebt nicht möglichst bald fertig 
zu werden, zu eilen und sich zu überstürzen, sondern bewahrt dabei 
eine künstlerische Ruhe, die ja äusserst wohlthuend auf den unbe« 
fangenen Zuhörer wirken muss. — Man denkt, als wenn es gar 
nicht anders sein könnte. Für den Psychologen scheint die Musik 
ihre zweite Musiksprache mit allen Ergebnissen zu sein : nichts Ge- 
machtes, Voreiliges, Altkluges, Eitles, Kokettes, Unnatürliches ist 
dabei zu tadeln; wie gesagt, es ist eine erfreuliche, durch nichts 
Unschönes gestörte „künstlerisch harmonische Erschei- 
n u n g," deren glückliche Entfaltung freilich in einer von den Gra- 
zien bewachten und von Lehrern mit ästhetischem Gewissen gelei- 
teten Zukunft Hegt. 

Dass eine vorsichtige, sorgsame und geschickte musikalische 
Erziehung über diese zarte, anmuthige, kindliche Erscheinung die 
Hand hält, ist nicht zu bezweifeln; — mögen störende Elemente» 
die der Neid, die Vielwisserei und allerhand gute Freunde in Ueber* 
floss zu bereiten wissen, immer fern von ihr bleiben. (Tonhalle.) 



140 - 



%* Der Pianist R. Willmers gab in Carlsbad ein brillan- 
tes Concert, welchem die anwesenden hohen nnd höchsten Herr- 
schaften, Oberhaupt die ganze Elite des dortigen Badepublikums 
beiwohnten nnd den eleganten und geschmackvollen Vorträgen den 
lebhaftesten Beifall bezeigten. 

*** Adelina Patti's Abschiedsbenefiz in London ergab eine 
Einnahme von 30,000 Frcs. 

*** DerComponist Flotto w, der sich vor etwa einem Jahre 
von seiner Frau scheiden Hess, hat sich nun mit der Schwester der- 
selben verheirathet. 

\* Frl. Pauli, welche unlängst am Hofoperntheater in Wien 
mit günstigem Erfolg gastirte, ist für das städtische Theater in 
B r ü n n engagirt. 

*** Herr Sontheim hat am 15. August sein Gastspiel in 
Wien als Eleazar in glänzender Weise beschlossen. 

*** An die Stelle des Hrn. Dr. Damrosch ist Hr. Dumont 
vom Cölner Stadttheater als Capellmeister der Oper in Breslau 
engagirt worden. 

*** Amalie Strakosch, die Oattin des bekannten Impresario 
und die dritte der Schwestern Patti, wird diesen Winter als 
Contraaltistin in der italienischen Oper in Paris auftreten. 

*** Der Tenorist Ferenczy ist am Stadttheater in Ham- 
burg engagirt worden. 

*** Für die nächste Saison der italienischen Oper in Madrid 
ist folgendes Personal engagirt: Die Damen Gueymard, Kraus s, 
C. Marchisio, Tiberini, Sonieri (Sopran); B. Marchisio, 
Maren si (Alt); die HH. Tamberlik, Naudin, Tiberini, 
B a r a g 1 i (Tenor) ; Boccolini, Everardi (Bariton); S e 1 v a, 
Medini (Bass); Scalese (Buffo); Velasco (Director). 

*** Die Direction des Hofoperntheaters in Wien machte einen 
Versuch, die schwedische Nachtigall Frl. Nilsson für ein Gastspiel 
zu gewinnen; da diese aber für sechs Abende 50,000 Frcs. ver- 
langt, so lässt man den kostbaren Vogel vor der Hand noch fliegen. 

*** Vor Kurzem wurde in Abbäville die Bronzestatute 
L e s u e u r's, des Capellmeisters Napoleons I. enthüllt. Seine Schüler 
Berlioz, Thomas, Gounod, Boisselot und Pr6vost 
wohnten der Feierlichkeit bei. 

*** Dr. Ludwig N o h 1 hielt am 18. August inBadenw eiler 
eine Vorlesung über R. Wagners „Meistersinger von Nürnberg." 

*** Der Baritonist B e t z aus Berlin, der gegenwärtig in 
Mannheim und Carlsruhe vor überfüllten Häusern singt, er- 
hielt von Pasdeloup, Director des Tke'dtre lyrique in Paris, 
glänzende Engagementsanträge zur Uebernahme der Baritonpartien 
der in nächstem Winter beabsichtigten Wagner-Vorstellungen. Pas- 
deloop soll auch mit R. Wagner einen Contract abgeschlossen 
haben, nach welchem ihm dieser binnen Jahresfrist eine neue Oper 
zu liefern und Pasdeloup dieselbe sogleich zur Aufführung zu brin- 
gen verpflichtet wäre. 

*** Der Violinist Leopold A u e r ist auf drei Jahre am Con- 
servatorium der Musik in Petersburg und als Concertmeister der 
russischen Musikgesellschaft engagirt worden. 

*„* Die überseeische wissenschaftliche und Handelsexpedition, 
welche Oesterreich absendet, wird unter anderen Geschenken aueh 
einen von der Wiener Handelskammer eigens beim Hofclaviermacher 
Hrn. Bösendorfer bestellten kostbaren Flügel, der für den Kai- 
ser von China bestimmt ist, mitnehmen. 

*** Die Wiener Pianistin Frl. S k i w a hat sich bleibend in 
London niedergelassen und wird dort Unterriebt geben. 

*„• Für die kommende Saison der italienischen Oper in Paris 
ist folgendes Personal engagirt: Die Damen Adelina Patti, Irma 
von Murska, Grossi, Krauss, Fricci, Rosella und Ernestina 
Urban; die Tenore: Tamberlik, Nicolini, Fraschini, Pa- 
lermi, Ubaldi; die Baritonisten : Della Sedie, Verger, Stel- 
ler, Agnesi; die Bassisten: Ciampi, Zimelli, Wall an- 
reite r, Mercuriali und F o 1 1 a r. 

*** Der musikalische Kritiker der Londoner Zeitschrift „Athe- 
näum," Hr. C h o r 1 e y, ein eifriger Gegner Schumann's und Wag- 
ner's, hat sich zurückgezogen und Hr. Francis Barnett wird 
nun seine Stelle einnehmen. 

%* Dr. Heinrich Laube erklärt im Wiener „Fremdenblatt' 1 
dass er auf dem Punkte stehe, die Direction des Leipziger 
Stadttheaters definitiv zu übernehmen, und zwar für sich 



allein und nicht im Vereine mit dem bisherigen Director Herrn 
von Witte. 

\* Der Sänger Roger wird nächstens in Paris in einem» 
neuen Stücke von George Sand, betitelt „Cadio," als Schau- 
spieler auftreten. Bekanntlich hat auch Carl Formes in jüngster 
Zeit sich dem Schauspiel zugewendet, aber bis jetzt als Mime wenig 
Glück gemacht. 

*** Der Componist Robert von Hornstein hat unlängst io> 
Baden-Baden im Saale der Frau Viardot-Garcia mehrere sei» 
ner Lieder durch den Hofopernsänger Lang aus München vortra- 
gen lassen und selbst auf dem Ciavier begleitet. Die Lieder selbst 
sowie der ausgezeichnete Vortrag derselben hatten sieb von Seit» 
der auserlesenen Zuhörerschaft des lebhaftesten Beifalls zu erfreuen« 

*** Das Operntheater in Berlin ist am 17. d. M. mit „Fi- 
delio" wieder eröffnet worden. 

London. Am 10. August fand hier zum ersten Male ein d e u t- 
sches Sängerfest zum Besten des deutschen Hospitals statt,. 
an welchem etwa 2000 Personen, meistens deutsche Handwerker 
mit ihren Familien Theil nahmen. Das Fest wurde in der Nähe 
von Loughton im Freien abgehalten und es wurden nach einer 
Ansprache des Festpräsidenten, Hrn. J. V. Weber, Gesammtchöre 
von Becker, Kreutzer, Schaff er und Ast holz recht wacker 
vorgetragen und theil weise von einer italienischen Musikbande be- 
gleitet. 

MavMBBBVBJMnjaaaflaaBiBneMa^BHMaMMBiBMBVBiBHBvaSBvMeMBaaMSieanavBiBneuBVH 

ANZEIGEN. 



Verlag von R0B. F0RBERB in LEIPZIG. 

Kova !• 5. 1868. 

Baumfelder , F. Op. 170. Variationen über ein Ori- 
ginalthema (A-moll) für das Pianoforte . . . , lfr 

— Op. 171. Glöckchenspiel. Ciavierstück . . . .1fr 

— Op. 172. Songe du bonheur. (Glückstraura.) Melodie 

pour Piano 12'/» 

— Op. 173. Les Hirondelles. (Die Schwalben.) Morceau 
brillant pour Piano .1fr 

Jensen, A. Op. 30. Dolorosa. Sechs Gesänge nach Dich- 
tungen von A. v. Chamisso für eine Singstimme mit Be- 
gleitung des Pianoforte 

N° 1. Was ist's, o Vater etc 10 

„ 2. Ich habe bevor der Morgen 7 1 /* 

„ 3. Nicht "der Thau und nicht der Regen . . .10 
„ 4. Denke, denke, mein Geliebter . . . .10 
„ 5. Ich hab' ihn im Schlafe zu sehen gemeint . 10 

„ 6. Wie so bleich ich geworden bin . . . 7 7* 

Oertel» CJ« A# Motetten für gemischten Chor und Solo. 
N° 2. Ps. 62. „Meine Seele ist stille zu Gott." Partitur 

und Stimmen 127» 

RftflT 9 J« Op. 114. Zwölf zweistimmige Gesänge mit Be- 
gleitung des Pianoforte. 
N° 1. Die Kapelle, von Uhland 77» 

2. Frühlingsmorgen von Justinus Kerner . . 127» 

3. „Glücklich, wer auf Gott vertraut" v. Huffmann 
v. Fallersleben 10 

4. Gate Nacht! von Bob. Reinick . . . .10 

5. „Ich bindein, du bist mein" — Alter Liebesspruch fr 

6. „Nach diesen trüben Tagen" von Hoffmann V. 
Fallersleben 10 

7. Rosenlied von Clemens Brentano * • .10 

8. „Vergissmeinnicht" von Hoffmann v. Fallersleben 10 

9. Vögleins Frage von Hoffmann v. Fallersleben . 10 

10. Wallfahrtslied von Hoffmann v. Fallersleben . 77» 

11. Wie singt die Lerche so schön! von Hoffmann 
v. Fallersleben 77, 

12. Zum neuen Jahr von Ed. Möricke . . .77s 
Robertl, S» H. Soirees musicales. Duos faciles pour 

Violon et Piano. 

N° 14. Neumann, Lied: „Wenn du noch eine Mutter hast" 77» 

Verantw. Red* Ed. Föckerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz* 



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17. Jahrgang. 



m- ae. 



7. September 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. von 

Ämtern, Musik- & Buchhand- ! B. SCHOTlS SÖHNEN \ LI MAINZ. 



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für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 

50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: Literatur. — Händel in Dresden. — Corresp. : Mainz. Stttttgait. — Nachrichten. 



Literatur, 



Handbuch der Musik. Für Musiker und Musik- 
freunde, Musiklehrende und Lernende, von Hermann 
Franke. Glogau bei Carl Flemming, 1867. 
394 Seiten in 8°. 

Es gibt der musikalischen Nachschlagebücher eine nicht kleine 
Anzahl, gleichwohl hält der Verfasser des genannten Buches seine 
Mühe für keine überflüssige, indem die Werke dieser Art theils 
veraltet, theils zu umfangreich und darum des hohen Preises wegen 
nicht für Jedermann zugängig seien. Er hat auch sein Möglichstes 
gethan, um namentlich Dilettanten und Musikbeflissenen über vieles 
Nothige in Kürze Aufklärung zu geben. Wir können in dieser 
Beziehung insbesondere den ersten Theil seines Buches empfehlen, 
welcher die musikalischen Formen in zwar gedrängter, aber klarer 
und fasslicher Weise behandelt und dem Neuling in solchen Dingen 
jeden wünschenswerten Aufschluss zu geben geeignet ist. Auch 
die Erklärung der technischen Kunstausdrücke und Benennungen, 
welche das II. Capitel des Buches ausmachen, ist recht vollständig 
und in leicht übersichtlicher Weise angeordnet. Dass das III. Ca- 
pitel, „Biographische Skizzen," keinen Anspruch auf Vollständigkeit 
machen kann, ist leicht zu begreifen, da dies auch bei grösseren 
Werken dieser Art mehr oder minder der Fall ist; doch wird man 
wenige bedeutende Namen vermissen, eher einige minder bedeu- 
tende zu viel finden uud kann also im Ganzen mit dem Gebotenen 
zufrieden sein (Zweck und Umfang des Buches im Ange behaltend^, 
wenn man auch mit der näheren Characterisirung der einzelnen 
Musiker nicht immer einverstanden sein sollte. 

Grundzüge der musikalischen Klanglehre. Für 
Musiklehrer, Schüler und jeden gebildeten Musik- 
freund leicht fasslich dargestellt, von Benedict Wid- 
mann. Mit 20 Holzschnitten im Texte. Leipzig, 
1868, bei C. Merseburger. 168 S. in 8°. 

Ueber Akustik und was sich darauf bezieht ist ein grosser 
Theil der Mnsiktreibenden noch viel zu wenig unterrichtet und es 
mag ein Grund dafür wohl darin liegen, dass die über solche Ge- 
genstände geschriebenen Werke im Allgemeinen zu trocken und zu 
wenig fasslich uud anziehend geschrieben, zum Theil auch zu um- 
fangreich sind, als dass ein Neuling sich mit Lust und Ausdauer 
damit beschäftigen sollte. Der Verfasser des vorbezeichneten Buches 
hat es verstanden, Seinen Gegenstand in angemessener Kürze und 
doch ohne Oberflächlichkeit, klar und für Jedermann verständlich, 
das Interesse des Lesers weckend und wachhaltend, zu behandeln. 
Staues zu geben lag nicht in der Absicht des Verfassers, aber das 
Vorhandene ist nach den besten Quellen verständig und zweck- 
gemäss ausgewählt und zusammengestellt Im ersten, physiologischen 
Theile «s. B. werden die Geh'ör- und Stimmorgane in sehr gelun- 
genen, naturgetreuen Abbildungen dargestellt und ihre Thätigkeit 
«uf das Anschaulichste erklärt, sowie denn auch die ganze Einthei- 



> 



hing des Stoffes und die Erläuterungen nach physiologischen, phy- 
sikalischen, mathematischen und ästhetischen Grundlagen als durch- 
aus sachgemäss und logisch entwickelt zu bezeichnen sind. Wir 
wünschen daher dem Buche recht viele Leser, besonders unter der 
Zahl der jüngeren Musiker und der Dilettanten, deneu es wirklich 
um Belehrung zu thuu ist. 

DieElementartheorie derMusik und dieLehre 
von den Accorden. Ein Lehrbuch für Musiker 
und Musikfreunde, von Richard Wüerst Verlag 
von Ed. Bote & G. Bock in Berlin. 39 Seiten 
gr. 8° 

An Lehrbüchern für musikalische Theorie, grossen und kleinen 
Umfanges, ist wahrlich kein Mangel und ein dringendes Bedürfuiss 
die Zahl derselben durch ein neues zu vermehren kann daher den 
Verfasser des vorliegenden Büchleins nicht zu dessen Herausgabe 
veranlasst haben, wohl aber der Wunsch, die einfachsten Elemente 
der musikalischen Theorie und Accordenlehre in der Form, wie er 
als Lehrer in denselben zu unterrichten seit Jahren gewohnt ist, 
seinen Schülern in die Hand zu geben uud sich damit den Unter- 
richt zu erleichtern und so ist das Werkchen denn auch andern 
Lehrern zum Gebrauche als practisch und leicht verständlich zu 
empfehlen. Zum Selbstunterricht ohne Lehrer ist es jedoch nicht 
ausführlich und descriptiv genug, aber für Musikschulen und Privat- 
unterricht ganz empfehlenswerth, wie es denn auch in den höheren 
musikalischen Unterrichtsanstalten Berlin's bereits eingeführt ist. 



Händel in Dresden. 



Ueber einen Besuch, den Händel in geschäftlicher Absicht der 
Stadt Dresden abstattete, gibt Fürstenau in seiner „Geschieh .: 
der Musik uud des Theaters am Hofe der Kurfürsten von Sachsen 
und Könige von Polen" (Dresden, bei Rudolf Kuntze, 1862) folgend» 
Details : 

— — — Selbst nach England war der Ruf der damaligen Dres- 
dner Oper gedrungen, denn von ihren Mitgliedern holte sich Hän- 
del die Besten für die von ihm gestiftete sogenannte königliche 
Academie nach London. Er kam desshalb im Herbst 1719 selbst 
nach Dresden, um die Opernvorstellungen zu hören und trat bei 
dieser Gelegenheit t.uch bei Hofe als Klavierspieler auf, wofür er 
100 Ducaten erhielt. Wahrscheinlich eröffnete er schon damals mit 
der Durastanti und Salvay, mit Senesio, Berselli 
und B o s ch i wegen des Londoner Engagements Unterhandlungen. 
Ein Abschlnss kann jedoch kaum erfolgt sein, da die Sänger ihre 
Contracte vom 1. October 1719 ab noch auf ein Jahr verlängert er- 
hielten und erst am 1. October 1721 bei der Händerschen Oper ein- 
traten. 

Die Verordnung, die Auszahlung von 100 Ducaten an „de'n K3o# 
Engl. Capellmeister Händel, welcher vor Sr. KÖnigl. Majestät Und 



- 142 - 



Sr. Hoheit dem Königl. Prinzen sich hören lassen," betreffend, da- 
tirt erst vom Februar 1720. Daraus geht jedoch nicht hervor, dass 
Händel damals noch in Dresden gewesen sei. Das Bescript euthält 
die summarische Erledigung einer Menge Theater- und Capellange- 
legeuheiten, welche meist in den vorhergehenden Monaten vorge- 
kommen waren, — verfügt also wahrscheinlich nur die nachträgliche 
geschäftliche Bewilligung des Präseutes. Das interessanteste Docu- 
inent über Handelns Aufenthalt in der sächsischen Hauptstadt ist 
ein Brief des damals so mächtigen und einflussreichen Generalfeld- 
marachalls Grafen Jacob Heiurich von Flemming an ein Fräulein 
v. Schuleuburg, welcher Bemerkungen über Händel's zurückhaltendes 
Benehmen in Dresden enthält, das freilich wohl aus seiner damals 
schwierigen Mission mit hervorgehen mochte, welche ihn zu Vor- 
sicht uöthigte. Der Brief lautete: 

„A Mademmaelle de Srhulenburg. 

Dresden, le 6 e Octbr. 1719. 
Mademoisellel 
Je vous envoye cy Joint Vope'rette de Vienne dont fax eu 
l'honneur de vous parier. Je rCai pas pu avoir encore les ope'ras 
d'icy, car on est si rare avec, qu'on neu laisse pas meme les 
röles aux chanteurs et chanteuses, dont ceux cy enragent. J'ai 
souhaitte ä Mr. Händelf et lui ai voulu faire quelque honet tete's 
ä votre egard, mais il n'y a pas eu moyens; je me suis servi 
de votre nom pour le faire venir chez moi, mais tantöt il »V toit 
pas au logis tantöt il e'toit malade; il est uh peu fol ä ce qu'il 
me semble , ce que cependant il ne devoit pas etre ä mon egard, 
vu que je suis musicien c. a, d. (c'est ä dire) par inclination, 
et que je fait gloire d'etre un des plus fideles servileurs de vous, 
Mademoiselle, qui etesla plus aimable de ses ecolier es ; fai voulu 
vous dire tout ceci pour qu'ä votre tour vous puissez donner 
des lerons ä votre maitre. Jai l'honneur ctetre etc." 

Graf Flemming war übrigens einsichtsvoll genug, Händel diese 
damals ungewöhnliche Art nicht nachzutragen. Als der Kammerherr 
A. de Fabrice ihm d. d. Londres le 21 d* April 1721 schrieb, dass 
in dem neuen Pasticcio ,Mutius Scaevola" von welchem der 
erste Act von Pipo, der zweite von Bononcini nnd der dritte von 
Händel war, Letzterer den Preis davongetragen habe, — antwortete 
Flemming: , Je suis bien aiseaussi de ce queVAllmand V empörte 
dans la composition sur tous les autres musiciens." Vergleiche 
Chrysander's G. F. Händel. Leipzig 1860. II. 



• M i 



COKRESPOXDEXZBX. 



Aus Mainz» 



Am 17. September findet die Wiedereröffnung unserer städti- 
sehen Bühne unter der Leituug des bisherigen Directors, Herrn 
B e h r statt und ist bereits die Abonnementsliste für die 120 abo* 
nirten Vorstellungen der diesjährigen Saison in Umlauf gesetzt, 
welcher das Verzeichniss des für Schauspiel und Oper engagirten 
Persouals beigegeben ist. Für die Oper sind demnach engagirt 
die Damen: Frau Bertram-Mayer (dramatisches Fach), Frl. 
Holland, (Coloratur und jugendliches Fach) , Frl. H a s s e 1 1- 
Barth (Soubrette und jugendlich - dramatische Sängerin), Frau 
Hagen (komische Alte), Frl. Weyher (kleine Partien); die HH. 
R u 1 f (Heldentenor), B r u n n e r (lyrischer Tenor), Schweigbofer 
(Tenor-Buffo) , Scheidweiler (für kleine Tenorpartien), Fray 
(I. Baritonist), Swirceny (II. Baritonist), C a r n o r (I. Bassist), 
O e s e r (II. Bassist), Baumaun (III. Bassist), B e h r (Bass-Buffo 
und Opernregisseur). Herr Wendelin Weissheim er ist als erster, 
Hr. Victor Hempel als zweiter Capellmeister und Cbordirector 
engagirt. Ausserdem figurirt auf der Personalliste auch ein Solo- 
tänzer-Paar, Hr. K 1 a s s und Frl. O s t r a d t. 

Die Leistungen der Damen Bertram-Mayer und Hagen, sowie 
der HH. Carnor uud Behr sind hier vou voriger Saison her in vor- 
teilhafter Erinnerung auch Hr. Oeser hat sich schon früher als 
ein brauchbares Mitglied unserer Oper bewährt, uud auch den 
neuengagirten Mitgliedern geht zum grössten Theile schon ein ehren- 
voller Ruf voraus, so dass man sowohl tüchtiger Einzelleistungen 
als auch eiues befriedigenden Ensemble's gewärtig sein darf, voraus* 



gesetzt, dass Hr. Behr auch dem Chor jene Aufbesserung hat ange- 
deihen lassen, welche sich in voriger Saison als so dringend noth- 
wendig erwies. Da heuer nur 120 Abonnemementsvorstellungen 
gegen 150 im vorigen Jahre stattfinden werden, so kann wohl auch 
das unverhältnissmässige Aufeinanderdrängen von Opernaufführungen 
▼ermieden uud dem Einstudiren um so grössere Sorgfalt zugewen- 
det werden. Kurz, wir wollen das Beste hoffen von der Einsicht 
und der practischeu Gewandtheit des Hru. Director Behr einerseits 
und andererseits von der Leistungsfähigkeit und dem guten Willen 
des gesammten Gesang- und Orchesterpersonals, wogegen aber auch 
daa Publikum seine Ansprüche in billiger Weise auf das Maass des 
unter den hiesigen Verhältnissen Möglichen einschränken möge. 

Was im Opernfach während der letzten Saisou in Bezug auf 
Novitäten versäumt wurde will die Direction in diesem Jahre reich- 
lich nachholen, indem sie, wie wir aus verlässiger Quelle erfahren, 
folgende hier noch neue Opern vorzuführen beabsichtigt: „Der erste 
Glückstag" von Auber, „Dou Pasquale" von Donizetti, „Die 
Opernprobe" von L o r t z i n g, .,Gott und Bajadere" von Auber 
und um dem unvermeidlichen Offenbach sein Recht wiederfahren 
zu lassen, sollen „Die schöne Helene" und „Der Blaubart" auch 
an unserem Publikum ihre vielbewährte Anziehungskraft versuchen. 
Noch interessanter sind jedoch für einen soliden Geschmack die 
Werke, deren Neueinstudirung vou der Direction ins Auge gefasst 
wird; es sind dies die Opern: „Euryanthe" von Weber, „Lohen- 
grin" von Wagner, „Der Blitz" von Halevy, ,.Lestocq" von 
Auber, „Die Weibertreue" (Cosi fan tutte) von Mozart nnd 
„Othello" von Rossini. 



>oo»< 



Aus Stuttgart. 



Prof. L. Stark hat von der „Euterpe" zu Amsterdam für 
die Composition des Geibel'schen Gedichtes „Volkers Nachtgesang" 
den ersten Preis mit der goldenen Medaille erhalten. Aber dieser 
erfreulichen Nachricht folgt die weniger angenehme, dass derselbe 
die Direction des von ihm gegründeten Singvereins, der in 
einer Reihe interessanter Concerte die Perlen der weltlichen Vocal- 
musik vorgeführt und sich bei allen unbefangenen Kunstfreunden 
die dankbarste Anerkennung erworben hat, zunächst aus Gesund» 
heitsrncksichten und wegen Ueberhäufung mit Berufs?eschäften de- 
finitiv niedergelegt hat; vermuthlich wird die musikalische Leitung 
auf Hrn. Speidel übergehen, von dessen Routine am ehesten ein 
günstiger Fortgang dieses schönen Unternehmens zu hoffen steht. 
Am Conservatorium hat Prof Stark diesen Sommer einen ständigen 
Freiplatz für einen unbemittelten talentvollen Gesangzögling gestif- 
tet; bereits ist eine vielversprechende Sängerin im Genüsse dieses 
s. g. Statischen Freiplatzes. Unsere Oper beginnt am 1. Septbr. 
wieder mit „Tannhäuser;" die Titelrolle singt Hr. Braun, ein 
stimmbegabter routinirter Repertoirsänger, durch dessen Acquisition 
nun endlich auch „Lohen gl in" und manches Audere in die Sphäre 
des Erreichbaren gerückt ist. Von etwaigen Personalveränderungen 
ist noch nichts bekannt; wünschenswerth wäre die Reactivirung 
einiger, unter Eckert 1 « Regime bedauerlicher Weise brach gele- 
gener Opernkräfte ersten Ranges; hoffen wir auf die Einsicht und 
das Billigkeitsgefühl unseres Intendanten, sowie unserer vortreffli- 
chen Hofcapellmeister Ab ert und Doppler, die gewiss Alles recht 
machen werden. 



Mach richten. 



Frankfurt a. M., 27. August. Heute Vormittags verschied 
in dem hohen Alter vou 82 Jahren und 4 Monaten der ausge- 
zeichnete Componist und Tonkünstler Schnyderv. Warten- 
see. Der Verstorbene, in der Schweiz geboren, lebte seit 1817 
ununterbrochen in unserer Stadt, und widmete seine anerkannten 
Talente sowohl dem musikalischen Unterricht als dem Erziehungs- 
wesen nach Pestalozzi'schen Grundsätzen. Er war es, der den Pä- 
dagogen Fröbel veranlasste, eine weit berühmte Erziehungsanstalt 
auf seinem Stammschlosse Wartensee am Sempacher See zu gründen. 
Sein Aufenthalt in Frankfurt und seine Reisen in Deutschland 



- 143 — 



brachten ihn in engere Verbindungen mit Göthe, Jean Paul, Lud- 
wig Spohr, Döbereiner und Ludwig Börne. Auch als Dichter (hu- 
moristische Lieder) und als kenntnissreicher Musikkritiker hat der 
Veistorbene seinen Namen in den weitesten Kreisen bekannt ge- 
macht, und seine zahlreichen Compositionen, namentlich seine vier- 
«timmigen Männergesänge, sein Oratorium „Zeit und Ewigkeit" und 
seine Schweizeroper („Heimweh und Heimkehr 4 ') sichern ihm in 
•der Geschichte der Musik eine anerkannte Stellung. Als Contra- 
pur ctist gilt er selbst den neueren Schulen als Autorität. 

— Der rühmlichst bekannte ConcertsUnger Herr Carl Hill 
bat dieser Tage unsere Stadt verlassen, um seine neue Stel- 
lung als grossh. mecklenburgischer Hofkammersänger in Schwerin 
Anzutreten. Der „Liederkranz" veranstaltete ihm ein Abschiedsfest, 
bestehend in einer Nacheufahrt nach dem Sandhofe und einem im 
'Saale des Forsthauses arraugirten Souper, woran auch die Directo- 
ren des Theaterorchesters, des Museums und Cäcilienvereins , des 
Rühl'schen und philharmonischen Vereins und 'der Vorsitzende der 
Mozartstiftuug theilnahmen. Hill daukte für die ihm in reichem 
Masse gewordenen Huldigungen in einfachen, aus warmen Herzen 
kommenden Worten, denen er im Laufe des wirklich schönen, stim- 
mungsvollen Abends noch eine Reihe seiner besten Lieder folgen 
liess. Hoffen wir, dass die Musen, die ihn bisher so treulich beglei- 
teten, ihn auch auf der neuen Laufbahn nicht verlassen , und dass 
«r, wie einer der Redner mit Recht hervorhob, stets das bleiben 
möge, was er ist — ein echter Künstler, dessen ganzes Streben 
-dahin geht, das Höchste in der Kunst uur um der Kunst selbst 
willen zu erreichen! Der Cäcilienvereiu hat Hrn. Hill in Anerken- 
nung seiner Verdienste um den Verein zu seinem Ehrenmitgliede 
ernannt. 

Darmstadt. Am 30. August kam die „Afrikanerin" von Meyer- 
leer zur Aufführung. Frau Fabbri-Mulder von Frankfurt und 
Hr. Becker wurden für ihre schönen Leistungen mit reichlichstem 
Beifall belohnt. Auch Frau Mayr-Olbrich und Hr. Leder er 
fanden gebührende Anerkennung, sowie Hr. Dr. P o c k h als „Don 
Pedro" recht Anerkennenswerthes leistete. Das Ensemble blieb 
«licht hinter dem der früheren Aufführungen dieser Oper zurück, 
indem auch Chor und Orchester in vortrefflicher Weise wirkten. 
Die Ausstattung war eben so glänzend wie immer und riss das 
Publikum zur lauten Bewunderung hin. 

Carlsrahe. Am 9. d. M. kommt am hiesigen Hoftheater zur 
Feier des Geburtsfestes des Grossherzogs die 3actige Oper „Die 
Braut von Azola" von Louis Liebe, (ehemals Musikdirector in 
•Strassburg, jetzt in Paris domizilirend) zur erstmaligen Aufführung. 
Dies neue Werk ist von Hrn. Capellmeister Levi mit grosser 
■Sorgfalt einstudirt und wird auch von ihm dirigirt werden. 

Berlin. Im Friedrich- Wilhelmstädter Theater wurde am 16. Aug. 
«um ersten Male die komische Operette „Coscoletto, der Lazarone", 
von Offenbach aufgeführt und fand ziemlich günstige Aufnahme. 

Hauchen. Die Mitglieder der Hofmusik, welche bei dem Con- 
-certe mitwirkten, das der König kürzlich für sich allein auf- 
führen liess, erhielten von S. Majestät ein Geschenk von 1000 fl. 
Hr. Nachbaur, welcher einige Stücke aus den „Meistersingern" 
vorgetragen hatte , wurde mit einem lebensgrosseu Oelbilde des 
Monarchen überrascht. 

— Unsere gefeierte Sängerin, Frl. M a 1 1 i ug e r, hat wie zuerst 
in Dresden, nun auch in Leipzig grosse Triumphe gefeiert. 

London. Die königliche Musikakademie, welcher von 
Seiten der Staatsregierung der jährliche Zuschuss von 5000 Pfd. St. 
entzogen wurde, florirt nach dem Appell dss Directors Sterndale 
Bennet au das kunstsinnige Publikum der englischen Metropole. 
Von allen Seiten her flössen dem Kunstinstitut ansehnliche Beiträge 
zu. Mehrfach wurde die Befähigung des Instituts als eine Musik- 
schule angezweifelt, jedoch hat das am 29. August in Hannover- 
Square-Rooms unter Leitung des Vicedirectors Otto Goldschmidt, 
Gatten von Jenny Lind, stattgefundene Concert der Zöglinge der 
Akademie genügend bewiesen, dass die Leistungsfähigkeit der An- 
stalt gegenwärtig eine sehr bedeutende ist. Dieselbe hat seit 1822, 
ihrem Gründungsjahre, an 1500 Zöglinge ausgebildet, darunter 400 
gratis, oder zu reducirten Honoraren. 

Paris. Hr. P e r r i n hat einen Vertrag abgeschlossen, welcher 
ihm das Recht gibt, Gounod's „Faust" in der grossen Oper auf- 
zuführen. Ausser einer dieses Instituts würdigen Inscenirung wird 



die Oper Gounod's sich auch einer grösseren Ausdehnung der Wal* 
purgisnachtsscene, in welcher der Componist ein Ballet einschalten 
will, zu erfreuen haben und natürlich wird der Dialog durch Reci- 
tative ersetzt werden. MUe. Nilsson ist die Rolle Margarethena 
Hrn. Faure die des Mephistopheles, die er in London mit ao 
grossem Erfolge gegeben hat, zugedacht. 

— Die gerichtliche Ehescheidung des Herrn und der Frau 
Gueymard ist soeben bekannt gemacht worden. 

— Zwei preisgekrönte Zöglinge des Conservatoriums, Herr 
Aubery (Bariton) und Hr. Bacqui6 (Bass) sind für das Theätre 
lyrique engagirt worden. 

— Bei Gelegenheit des 15. August wurdeu u. A. zu Rittern 
der Ehrenlegion ernannt: George Hai nl, Capellmeister der grossen 
Oper und Dirigent der Conservatorium-Concerte, der Pianist und 
Componist Saint-Saens und die Professoren am Conservatorium : 
Gautier und Dauverue. 

— - Das Civil-Tribunal der Seine bat in seiner Sitzung vom 
28. August in der Klagsache des Hrn. Blaze de Bury gegen 
die Erben Meyerbeer's, wegen Herausgabe der von Letzterem zu 
dem Stücke de Bury's, „Göthe's Jugendzeit' geschriebenen Musik, 
den Kläger abschlägig beschieden und zur Tragung der Kosten 
verurtheilt. 

— Hr. Pasdeloup hat als Orchester-Dirigenten am Thedtre 
lyrique Hrn. Capellmeister Carl Eckert engagirt. 

Wien. Der Violinist Grün aus Pest und der Violincellist Popper, 
bisher Mitglied der fürstl. Hechingen'schen Capelle in Löwenberg 
wurden für unser Opernorchester gewonnen und zwar ersterer als 
Concertmeister, in welcher Eigenschaft derselbe mit dem Director 
Hellmesberger alterniren wird. 

%* Die „Leipziger Allgemeine Musik-Ztg." bringt folgende An-, 
zeige: »Wir können unseren Lesern die Nachricht mittheilen, dass 
endlich nach vielen Mühen der Plan, eine Gesellschaft für 
Musikforschung iu's Leben zu rufen , seiner Verwirklichung 
entgegen geht. Es haben sich zum Behufe dessen eine Anzahl mu- 
sikalischer Schriftsteller , darunter die ersten Notabilitäten , Musik- 
freunde, die grössten Antiquar- und Musik-Handlungen Deutschlands 
vereinigt , in Gemeinschaft ein Monatsheft herauszugeben , welches 
sich ganz allein den Quellenforschungen der alten und neueren Musik 
widmen soll. Alle diejenigen, welche mit ihrer Anmeldung noch 
rückständig sind, werden ersucht dieselbe binnen 14 Tagen nach 
Berlin an die Buch- und Antiquar-Handlung von A. Asher&Comp. 
(Unter den Linden Nr 11) zu senden. Ebenso sind alle diejenigen, 
welche etwa bei der persönlichen Aufforderung übergangen sein 
sollten oder sich für das Unternehmen interessiren, ohne gerade sich 
ausübend zu betheiligen, freundlichst eingeladen sich demselben au- 
zuschliessen. Der Jahresbeitrag beträgt 2 Thlr. und schliesst zu« 
gleich das Abonnement für das Monatsheft ein. In der obengenannten 
Buchhau dlung liegt das Programm zur Einsicht aus, welches seiner 
Zeit gedruckt und der Oeffentlichkeit übergeben werden soll." 

*** Hofcapellmeister Proch in Wien feierte dieser Tage sei- 
ne silberne Hochzeit. 

* m * Die diesjährigen Prüfungen des unter der Direction dea 
Hrn. P r a n z stehenden Conservatoriums in Coburg haben ein 
sehr günstiges Resultat ergeben ; besonders sind einzelne Gesang- 
Schülerinnen schon so weit vorgeschritten, dass sie nächstens auf 
der Bühne debütiren werden. 

*** Der bekannte Liedercomponist Graben-Hoffmann iu 
Dresden hat einen Ruf als Professor des Gesanges am Conser- 
vatoriums iu Boston erhalten, wird aber demselben nicht nachkom- 
men, da er von einem grösseren Werke über die Gesangskunst, 
welches er soeben veröffentlicht hat, sich grossen Erfolg, und zwar 
in pecuniärer Hinsicht verspricht und daher auf heimischem Boden 
auf ein sorgenloses Alter rechnen zu dürfen glaubt. 

*** Die Direction des Co In er Stadttheaters, welches am 1. 
September wieder eröffnet wurde, stellt folgende Opern-Novitäten in 
Aussicht: „Mignon" und „Hamlet" von T homas, „die Gans von 
Cairo" von Mozart, „Der erste Glückstag" von Auber, „Die 
Katakomben" von Ferd. H i 1 1 e r, „Das schönste Mädchen im Städt- 
chen" von Conradi, „Urlaub nach dem Zapfenstreich" von O f- 
f e n b a ch und endlich auch das Trauerspiel „Phädra" von G. Con- 
rad mit Musik von Taubert. 

*** Zum Schluss der Ausstellung in H a v r e findet am 80; Aug. 



- 144 



«in grosses Musikfest statt, an welchem sich 143 Gesang- und Har- 
monie-Vereine betheiligen, 

*** Der Violinist Henry Schradieck ist in die durch Leo- 
pold Au er 's Uebersiedeluog nach Petersburg erledigte Stelle eines 
Concertmeisters bei den philharmonischen Concerten in Hamburg 
eingetreten« 

*** Der Harfen-Virtuos Thomas hat in L o n d o n ein grosses 
Concert gegeben, in welchem u. A. von circa 26 — 30 Harfenisten 
ein Chor aus Bellini's „Pirat" und eine Fantasie „Blewelin" von 
Thomas ausgeführt wurden. Die Klangwirkungen dieses Orche- 
sters sollen einen fremdartigen, jedoch keineswegs angenehmen Ein- 
druck hervorbringen. 

%* Herr Musikdirector Rebling in Magdeburg wird im 
Monat November eine Aufführuug zum Besten des Denkmals für 
Felix Mendelssohn -Barthol dy, welches in Leipzig er- 
richtet werden soll, mit den Kräften des dortigen Kirchengesang- 
vereins veranstalten. Möchten alle Städte ein Gleiches thun. 

*** Der 82jährige Compouist Albert Methfessel ist in 
Heckenbeck bei Gandersheim, wo er bei seinem Schwiegersohne 
lebt, von einem Nervenschlage betroffen worden und liegt in Folge 
dessen hoffnungslos darnieder. • 

*** Der Tenorist Z Ott mayr, bisher am Operntheater in Wien, 
ist in C a 8 s e 1 engagirt worden. 

*** Im Verlag von L. Heimann in Berlin ist soeben eine 
Biographie Meyerbeer's vou Hermann Mendel im Druck 
erschienen. 

*** Die Direction des Theaters F e n i c e in Venedig ist 
dem dortigen Pianofortefabrikanten Herrn M a 1 i p i e r o übertragen 
worden. 

*** Frau L u c c a eröffnete am 1. September einen Cyclus 
von sechs Gastrollen am Leipziger Stadttheater. 

*** Der Pianist Klindworth, ein Schüler Liszt's, ist als 
Professor des Ciavierspiels an das Conservatorium in Moskau 
berufen worden. 

4 

*** Auch in Carlsruhe hat man nuu das Hervorrufen der 
Sänger und Schauspieler bei offener Scene abgeschafft und, 
nebst dem betreffenden Verbote an die Darsteller auf einen solchen 
Buf zu erscheinen, auch in öffentlicher Bekanntmachung an den 
Kunstsinn des Publikums folgendermassen appellirt: „Um eine 
empfindliche Störung der künstlerischen Täuschung und des Fort- 
ganges der dramatischen Handlung zu vermeiden,, ist es den Mit- 
gliedern des grossh. Hoftheaters nicht mehr gestattet, einem Her- 
vorruf bei offener Scene Folge zu leisten. Das hochverehrte Publi- 
kum wird daher ersucht, die Ehre des Hervorrufens den Mitgliedern 
nur angedeiben zu lassen, sobald der Haupt- oder Zwischenvorhang 
gefallen ist. Carlsruhe, den 20. August 1868. Die Direction/ 

*** Die Mitglieder der Bouffes Parisiens geben gegen- 
wärtig Vorstellungen in Ems. 

*** Ueber das erste Auftreten des Frl. Anna Reiss vom Hof- 
theater in Schwerin im kaiserl. Operntheater in Wien als Maria 
in der „ Regiments tochter" sprechen sich die dortigen Journalkritiker 
wenig günstig aus. Auch mit ihrer zweiten Gastrolle , der fsabella 
im „ Robert" konnte es Frl. Reiss zu keinem durchgreifenden Erfolge 
bringen. Als ihre letzte Gastrolle war die Donna Anna in „Don 
Juan" angekündigt. 

*** Die vortreffliche Umarbeitung des Textbuches zu Beetho- 
ven's „Ruinen von Athen" durch Hrn. J. P. Hei je (in niederlän- 
discher Sprache, ins Deutsche übersetzt von Frau Heinze-Berg) ist 
nun wohl einem grossen Theil unserer Leser durch den mit den 
neuen Texten bei Th. J. Roothaan & Co. in Amsterdam erschie- 
nenen Clavieranszug des ganzen Werkes bekannt geworden. Herr 
Heije wird indessen nicht müde, seine internationalen Kunstbestre- 
bungen fortzusetzen, die er übrigens schon früher auch auf das 
nichtmusikalische Gebiet erstreckt hat, indem er meisterhafte nieder- 
ländische Uebersetzungen der Mährcheu „Aschenbrödel" und „Der 
gestiefelte Kater'* in Prachtausgaben erscheinen Hess. Seine neue- 
sten Leistungen, nicht minder anerkennenswerth als seine früheren, 
bestehen in den niederländischen Uebersetzungen der Texte zu 
Mendelssohn^ „Paulus" und Haydn's „Jahreszeiten/ 1 welche den 
gegenüberstehenden Originaltexten bei J. H. & G. v. H e t e r e n 
in Amsterdam erschienen sind. 

*** Der Compouist Westmeyer befindet sich in Leipzig, 



wo unter der Leitung des Capellmeisters Mühldorfer seine Oper 
„Die Brandschatzung" einstudirt wird. 

%* Der Violinvirtuose Leonard aus Paris hat sich in Wies- 
baden mit ausserordentlichem Erfolg hören lassen. 

%* Die Berliner Oper hat im Jahre 1867 im Ganzen 16& 
Opernvorstellungen gegeben, welche 48 Opern umfassten. Neu war 
nur die komische Oper „Don Bucefalo" von Cagnoni; neu ein- 
studirt waren: „Othello," „Teufels Antheil," „Iphigenie in Aulis" 
und „Johann von Paris.' Die classische Oper war durch 66 Auf- 
führungen vertreten; davon fallen 7 auf Gluck, 23 auf Mozart,. 
11 auf B e e t b o v e n , 13 auf Weber, 4 auf Mebul, 5 auf 
Cherubini und 2 auf Spontini. 

*** Das „Florentiner Streichquartett" gibt am 4. September 
ein Concert in Wiesbaden. 

*** Die reiche städtische Bibliothek in Brauns chweig* 
besitzt unter ihren Schätzen eine höchst bemerkenswertheCuriosität. 
Es sind dies 40,000 Theaterzettel, welche zugleich mit einer Samm- 
lung von Portäts von Componisten, Sängern und Schauspielern au» 
dem Nachlasse des am 26. December 1865 verstorbenen Major» 
Häusler hierher vererbt sind. Dieser seltsame Mann hatte die 
Manie, von allenthalben her diese scheinbar werthlosen Papiere zu 
sammeln, zu ordnen und sich zum Vergnügen aufzustellen, und hat 
damit der Chronik des Theaters sicherlich wesentliche Dienste er- 
wiesen. Man findet demzufolge in dieser Sammlung deutsche, ital- 
ienische, französische, englische, russische, amerikanische u. s. w- 
Theaterzettel. Vollständig und lückenlos sind die braunschweigischen 
Zettel, nach Jahrgängen geordnet und von dem Jahre 1638 begin- 
nend. Diesen reihen sich die Concertzettel an, welche als Ankün- 
digungen aller musikalischen Veranstaltungen Braunschweigs in die- 
sem Jahrhunderte sicherlich ein werthvolles statistisches Material 
zu liefern im Stande sind. 

*** Der Tenorist F i s ch e r - A ch t e n hat in Leipzig ein. 
Gastspiel als Nadori in „Jessouda" begonnen. 

*** Ein Pfarrer Zacbariä bei Giessen hat ein neues „Kunst- 
pedal," wie er es nenut, für Flügel erfunden. Es lässt sich jede- 
Octave dadurch selbständig an- und abdämpfen; der Erfolg, ais- 
akustische und orchestrirende Wirkung ist überraschend. 

*** Das Engagement der Frl. Malliuger am Hoftheater in. 
Dresden soll an den übertriebenen Anforderungen der mit so- 
grossem Enthusiasmus aufgenommenen Künstlerin gescheitert sein. 

*#* Zur Vervollständigung unserer vor Kurzem gebrachten No- 
tiz über die Subventionen der kaiserl. Theater iu Paris tragen 
wir Folgendes nach: Die grosse Oper erhält 1,200,000 Pres., das 
Thtätre francais 254,000 Frcs., die komische Oper 240,000 Frcs.» 
Ode'on und Thtötre lyrique je 100,000 Frcs. und das Conserva- 
torium 220,000 Frcs. 

*** Das Centralcomitä des nordamerikanischen Sängerbunde» 
in dessen Händen ein Ueberschuss vom Ertrage des Festes ver- 
blieben, hat goldene Sterne für die Dichter Emil Ritter haus, 
Müller von der Werra, sowie für den Componisten Kai- 
c h a r d t anfertigen lassen, als Anerkennung der Verdienste, welche- 
dieselben sich um das Fest durch Gedicht und Compositionen er- 
worben haben. 

*** In P a r i s ist der berühmte Hornist Dauprat im Alter 
von 87 Jahren gestorben. 

%* Capellmeister Zi ehrer in Wien hat eine Operette: „Mar- 
quis Vergissmeinnicht" von Poly Henrion in Musik gesetzt und ist 
dieselbe von der Direction des Carltheaters zur Aufführung 
angenommen worden. 

*** Der König von Italien hat den Componisten P etrella und 1 
den Violinvirtuosen B a z z i n i zu Offizieren des Ordens der ita- 
lienischen Krone ernannt. 

V Die Oper „Mignon" von Thomas soll am 18. October 
im Wiener Operntheater zur erstmaligen Aufführung gelangen. 

*** Der Wittwe des unlängst verstorbeneu Komikers Räder 
in Dresden wurde vom König von Sachsen auf Antrag des Inten- 
danten Graf Platen eine ansehnliche Pension aus der königlichen» 

Civilkasse gewährt. 

*** in Neapel ist der Operncompouist und Conservatoriums- 
Professor Carlo Conti gestorben. ^^ 

Verantw. Red. Ed, Föckerer. Druck v. Carl Walletu, Mainz- 



17. Jahrgang. 



it* S9. 



14. September 1863. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 
Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
lungen. 



Verlig 



von 






•v-4 



B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



? PREIS: ^ 

>fl.2.42kr. od. Th. 1.18 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 

50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: Die Kinderjahre Gretry's. — Corresp.: Paria. Wien. — Nachrichten. 



Hie Kinder jalire Gretry's.*) 

Einem Kinde, welches bestimmt ist ein grosser Musiker zu 
werden, ist die Musik so zu sagen angeboren. Es begreift, es geniesst 
sie, ohne sich über seinen Genuas Rechenschaft geben zu können. 
Alles fällt ihm auf an einer Sprache, die, obschon der seinigen 
fremd, ihm dennoch vertraut erscheint. Häufig hat ein solches 
Kind eine schöne, weiche Stimme und singt so rein und richtig, 
dass Alle, welche es singen hören, darüber erstaunen. Wenn es 
seinen Gesang zu verzieren sucht , so sind seine improvisirten Ver- 
änderungen immer richtig und seinem Stimmregister angemessen, 
ohne dass es selbst dies wusste. Es begreift die Harmonie aus 
Instinkt ; kaum sitzt es vor einem Claviere , so finden seine Finger 
rasch auf demselben die Accorde, welche zu seiner Melodie passen. 
Später sind dann die Lectionen seiner Lehrer nur ein Spiel für 
dasselbe und in einem Alter, in welchem andere Musiker noch 
Schüler sind, verdunkelt es durch seine Erfolge jene, die lange vor 
ihm die musikalische Laufbahn betreten haben. 

Woher kömmt nuu aber diese Frühreife? Warum ist die 
Musik, welche doch als die coniplicirteste unter den Künsten er- 
scheint, dennoch diejenige, iu welcher ein ganz junger Mensch , ja 
selbst ein Kind sich besonders bervorthun kann? 

Diese Besonderheit hängt ebenso von der Natur der Kunst selbst, 
wie von der des Künstlers ab. Einerseits ist ein zum Musiker ge- 
borenes Menschenkind immer mit einer ausserordentlichen Empfind- 
samkeit begabt, welche sich bei ihm sehr rasch entwickelt. An- 
dererseits ist die Musik eine Kunst voller Gemüthsbewegungen, bei 
welchem die überlegende Beobachtung nur eine untergeordnete 
Stellung einnimmt. Die Unbestimmtheit der Sprache der Töne ge- 
stattet dem Musiker Ideen auszudrücken, deren Entwurf weder 
langwierige Naturstudien, wie bei der Malerei, noch tiefe moralische 
Forschungen, wie bei der dramatischen Kunst,' erfordert. Die Eigen- 
schaften mit denen er ausgestattet ist, sind fast schon hinreichend, 
um Meisterwerke hervorzubringen. 

Gleichwohl haben jedoch von allen jenen Kindern, welche zu 
den grössten Hoffnungen berechtigten, nur sehr wenige dieselben 
erfüllt. Um ein tüchtiger Musiker zu sein, genügt es nämlich nicht, 
durch forcirtes Ueben und unablässiges Studiren sich die Gewandt- 
heit des schuellen Ablösens der Noten oder die unentbehrliche Fer- 
tigkeit und Sicherheit der Finger angeeignet zu haben, um die 
halsbrechendsten Passagen auf dem Instrumente auszuführen. Auch 
die Unkenntniss des Publikums ist mit eine Hauptursache jener 
Erfolge von sogenannten Wunderkindern. ' Sowie nur so ein un- 
glückseliger Pianist seiue Finger mit der Geschwindigkeit von 70 
Sechzehntelsnoten in der Secunde über die Tasten laufen lässt, ohne 
einmal in diesem rasenden Dahinrennen über eine Note zu stolpern, 
so schreit gleich die ganze Welt Mirakel! Hat er auch die Nuan- 
cen beobachtet, wenn es überhaupt in der Absicht des Componisten 
lag, deren iu seinen gymnastischen Stücken anzubringen? Hat er 
auch verstanden den harmonischen Styl und die Verschlingung der 



*) Aus der „France musicah." 



Accorde, welche er vor Augen hat, zu würdigen? Wer fragt dar- 
nach? Das Thema wurde zwar recht schlecht vorgetragen, aber 
die Variationen waren gar so prächtig ! Wenn nun das Alter kommt, 
in welchem das Genie mannbar uud selbstschöpferisch wird, welche 
Enttäuschungen gibt es denn dal Von dem glänzenden Musiker, 
bisher so voller Hoffnungen und Erfolge, bleibt nichts übrig, als 
ein eibärmlicher Notenfresser, der froh sein kann, wenn seine Eltern 
ihm noch für ein anderes Auskommen gesorgt haben, als das Ver- 
gängliche, welches ihm sein Talent gewähren kann. Ganz anders 
verhält es sich mit dem wirklich musikalischen Kinde. Schlecht 
geleitete Studien, üble Behandlung können vielleicht für einen 
Augenblick die Fortschritte seines erwachenden Genie's aufhalten, 
aber der kleinste Funke entzündet wieder das Feuer, welches schon 
erloschen schien. 

Andrä Ernest Modeste Gretry wurde am 8. Februar 1741 
in Lütt ich geboren! Sein Vater, ein guter Musiker, war erster 
Violinist an der Kirche zu Saint-Denis in Lüttich. Seine Kindheit 
ist vollständig beschrieben in seinen Essais, auf welche wir uns 
häufig bezieben werden. Diese Memoiren, ein Meisterstück voll 
Feinheit, Gutmüthigkeit und geistiger Naivität, sollen nach den 
Ideen Gretry's von einem dem Componisten befreundeten Professor 
abgefasst sein , wenn man Herrn Fetis glauben wollte ; wenn man 
sich aber das Vergnügen machen will, dieselben durchzulesen, so 
wird man sehen, dass möglicherweise Alles, was nach dem Urtheil 
jener Epoche riecht, von einem pedantischen Zeitgenossen hinzuge- 
fügt wurde, Alles hingegen, was den Stempel der richtigen Beob- 
achtung, des wahren und gefühlsten Ausdrucks trägt, ganz sicher 
dem Autor von „Zemire und Azor" angehört, wie es sich denn auch 
bereits durch die Forschungen eines Hrn. Emil Regnard, dessen 
Vater ein Freund Gretry's war, evident herausgestellt hat, dass der 
ehemalige Advocat L e g r a r d (nicht Professor , wie Hr. Fetis an- 
gibt) niemals eine Hand an die Essais sur la musique von Gretry 
gelegt hat. Ausserdem sagt Gretry, der nicht gewohnt war sich 
anzueignen was ihm nicht gehörte, in seinem Vorworte kein Wort 
von irgend einer Hülfe, die ihm zu Theil geworden sei. 

In seinem vierten Jahre wäre Gretry beinahe das Opfer seiner 
musikalischen Neugierde geworden. Er befand sich allein in einem 
durch ein Stei nkoblenfeuer geheizten Zimmer. An diesem Feuer 
stand ein mit Wasser gefüllter Topf. Nach und nach zog nun das 
brodelnde Geräusch des kochenden Wassers die Aufmerksamkeit des 
Knaben auf sich. Er fing an zu dem Geräusche dieses improvisir- 
ten Instrumentes zu tanzen; doch blieb es dabei nicht, sondern er 
wollte auch die Ursache jenes Geräusches kennen, und als er des- 
halb den Deckel des Topfes abnahm, ergoss er den ganzen Inhalt 
desselben in das Feuer. Es erfolgte natürlich eine Explosion, 
welche den kleinen Neugierigen arg verbrannte. Einige Jahre nach 
diesem Zufalle bemerkte Gretry's Vater, dass sein Sohn eine sehr 
Bchöiie und umfangreiche Stimme besass und wollte ihn deshalb in 
der Musik unterrichten lassen, zu welchem Zwecke er ihn der Lei- 
tung des Musikdirectors an der Collegialschule von Saint-Denis 
übergab. — 



146 



War« Gretry nicht mit einer jener echten Musikernaturen 
begabt geweseu, welche nichts zerstören kann, so würde ihn die 
Behandlung, welche er während Ö bis 6 Jahren in jener Schule 
zubrachte, veranlasst haben, die Musik auf ewig zu verwünschen, 
Die Mittel, welche man damals in den Schulen anwandte, um die 
Kinder zum Lernen anzutreiben, waren nicht gerade die zartesten. 
Man hat den Stock aufbewahrt, mit welchem der Papst Gregor der 
Grosse seine Zöglinge schlug. Carl der Grosse verfuhr nicht mil- 
der gegen die jungen Musiker seiner Zeit; Prügel war ein Lehr* 
mittel. Wir finden einen Beweis dafür bei einem alten Autor des 
10. Jahrhunderts, Namens Odon von Cluny. Der Lehrer erklärt 
seinem Schüler- die Anwendung eines Instruments, mit Hülfe dessen 
man ganz allein solfeggiren lernen kann. „Wie!" rief der Schüler 
höchst uaiv aus, „ich soll einen Lehrer haben der mir gehorcht 
und der mich nicht prügelt, wenn mein Gedächtniss mich im Stiche 
lässt?" Man sieht daraus, welche Gewohnheiten bei dem unter- 
richte in den Schulen herrschten; allein Gretry's Lehrer übertrieb 
noch die in den Singschulen herkömmliche Grausamkeit. Die Zeit, 
welche Gretry als Chorknabe zubrachte, war die unglücklichste sei- 
nes Lebens. Eines Tages war die Standuhr seines Vaters stehen 
geblieben ; er kam zu spät und wurde empfindlich gestraft. Seit 
dieser Zeit hatte er keine ruhige Nacht mehr. Um die Stunde 
nicht zu verfehlen, ging er im Winter um 3 Uhr Morgens trotz 
Schnee und Sturm von Hause weg. „Ich setzte mich," so erzählt 
er selbst, „vor die Kirchthüre, und hielt meine kleine Laterne vor 
mir auf den Knieen, um meine Finger daran zu erwärmen. Dann 
schlief ich beruhigt ein, denn ich war sicher, dass Niemand die 
Tbüre öffnen konnte, ohne mich zu wecken." Ein Beispiel genüge, 
um einen Begriff von der Strenge des Musikmeisters zu geben. 
Gretry schreibt: „Ich sah, wie er einem Knaben von 10 Jahren 
den Kopf in eine grosse alte Perrücke einhüllte, ihn in diesem Zu- 
stande mehrere Fuss hoch über dem Boden an die Wand befestigte 
und ihn da mit Ruthenstrichen zwang, seine Musik zu singen, das 
Notenblatt in der einen Hand haltend und mit der andern den 
Tact st;hlagend. tt (Schluss folgt.) 



<<o»« > 



COBBESPONDENZEN. 



Aus Wien. 



Für das hiesige Operntheater fielen diesmal die sonst so ge- 
fürchteten Sommermonate glücklich aus. Monat Juli und Hälfte 
August belebte das Repertoir Sontheim, der im Ganzen etwa 15 
mal auftrat. Nebst dem „Eleazar" hatte sein „Vasco de Gama" 
den meisten Erfolg. Während seinem nächsten Gastspiel soll end- 
lich auch die Oper „Astorga" aufgeführt werden, wenigstens wird 
dies oft genug versichert. Zunächst wird nun der Tenor Wachtel 
hier gastiren und in den Wintermonaten mit N i e m a n n auch der 
Wagner'schen Opern gedacht werden. Man hatte dieser Tage den 
„fliegenden Holländer" gegeben, der ein eiuzigesmal zu Weihnachten 
aufgeführt wurde — dies war seit Jahresfrist das einzige, was man 
von Wagner zu hören bekam. Und doch binderte nichts die Wie- 
derholung der Oper, da dasselbe Personul zur Hand war und oben- 
drein Beck die Titelrolle zu seineu besten Partien zählt. Dieser 
vielgeschätzte Sänger trat nach seinem Unwohlsein als Rigoletto, 
Teil, Don Juan und dem erwähnten Holländer auf, wie immer 
mit Beifall ausgezeichnet. Der Tenor Adams, Bassist Roki- 
tanski und FrauWilt sind nach ihrer Ferienzeit wiederholt auf- 
getreten ; Dr. S ch m i d wird zu Anfang September erwartet. Dagegen 
erhielt Frl. von Rabatinsky einen Urlaub und werden ihreRollen 
so gut wie möglich besetzt. Die fleisstge Sängerin hatte sich in 
letzterer Zeit in mehreren Hauptrollen der Frau Murska mit Glück 
versucht, so z. B. als Page Oskar (Maskenball), Gilda (Rigoletto). 
Nachträglich wurde in der Schützenfest -Vorstellung „Freischütz" 
doch noch in den Hauptrollen der gewünschte Wechsel vorge- 
nommen; Agathe und Max mit Frl. Ehnn und Walter zierten 
die Oper mehr de der ganze Aufwand an Deeorationen und neuem 
Costume. -— Die Kette verunglückter Gastspiele wurde nach dem 
Abtreten der Frl. Pauli durch Frl. Anna Beiss weitergeführt; 
sie überfiel (mau kann dies mit Recht sagen) das geduldige Publi- 



kum als Regimeutstochter, Isabella und Amina. Sie zeigte sich 
als eine Soubrette mit einem guten Theil Keckheit ausgestattet; 
die Stimme nicht mehr frisch, die Mittellage stumpf, die Höhe 
scharf; der ganze Gesang, Spiel, kurz Alles durchaus ungenügend; 
ein beabsichtigtes viertes Auftreten als Zerline im Don Juan unter* 
blieb glücklicherweise. Einen vortheilhaften Eindruck im Ballet 
machte das Auftreten der Frl. S a 1 v i o n i aus Paris. Sie tritt an 
die Stelle der Frl. Couqui, welche nach mehrjährigem Engagement 
von der hiesigen Bühne Abschied nahm. — Im Orchester dieses 
Theaters wurde Grün aus Pest als zweiter Concertmeister ange- 
stellt. Auch der Cellist Popper tritt in den Verband dieses Or- 
chesters, das schon jetzt im Hinblick auf das neue grössere Opern- 
haus entsprechend vervollständigt wird. 



Aus Paris. 

7 September. 

Ich bin mit ihrer Zeitung sehr im Rückstand. Eine mehr- 
wöchentliche Abwesenheit von Paris hat mich genöthigt, meine Be- 
richte zu unterbrechen; es hat sich indessen während dieser Zeit 
nichts Bedeutendes auf dem hiesigen musikaliscken Gebiete ereignet. 
Selbst in diesem Augenblick werden unsere lyrischen Bühnen nur 
spärlich und grösstentheils blos von Ausländern besucht. Die grosse 
Oper, die seit der Rückkehr der Nilsson von London den Hamlet 
wieder aufs Repertoire gesetzt hat, bereitet die Reprise der Huge- 
notten vor und zwar mit sehr glänzender Mise en Scene. Dieselbe 
Bühne geht auch damit um, Verdi's „Don Carlos" im Laufe des 
bevorstehenden Herbstes wieder zur Darstellung zu bringen. Nun, 
das Publikum wird bei dieser Nachricht just nicht vor Entzücken 
ausser sich gerathen. Von der Aufführung der „Armide" ist vor- 
läufig nicht mehr die Rede. 

Die Ope'ra comique lebt gegenwärtig ebenfalls von ihrem alten 
Repertoire. Es wurde in der That auch zu viel von ihr verlangt, 
bei der hier herrschenden tropischen Hitze mit neuen Werken 
aufzutreten. Sie hat indessen eiue Reihe neuer Hervorbringungen 
in petto, unter anderen eine Oper von dem unerschöpflichen Offen- 
bach, Vert- Vert. Das ist das dritte Werk, mit welchem Offenbach 
einen glänzenden Erfolg in der Opera comique zu erreichen hofft. 
Die ersten zwei Versuche, „Roi Barkouf ,i und „Robinson Crusoe," 
sind eben nicht günstig für ihn ausgefallen. Offenbach hat auch 
noch eine zweiactige Opera buffa, „la Perichole" geschrieben, die 
bereits im VarieteV Theater einstudirt wird. Der Text ist dem 
The'ätre de Clara Gazul, von Prosper Merime'e, entnommen. 

Das kleine Boulevard-Theater Fantaisies-Parisiennes hat mit 
dem italienischen Componisten Fr. Ricci einen Vertrag abgeschlossen, 
demzufolge sich diese Bühne alle Erzeugnisse der Gebtüder Ricci 
erwirbt. Dieselbe wird nächstens ein neues Werk von Fr. Ricci, 
Monsieur de la Calisse in Scene setzen. Auch eine dreiactige 
Oper von Flotow soll dort in der kommenden Wintersaison dem 
Publikum vorgeführt werden. 

Pasdeloup, den die Bedingung, das Material des The'dtre lyrique 
anzukaufen, vor der Uebernahme der Direction dieser Bühne nicht 
ohne Grund zurückschreckte, wird sich nun doch dazu verstehen, 
da ihm, wie es heisst, bedeutende Erleichterungen zugestanden 
werden. Desto besser! 

Henri Blaze de Bury, der mit seiner Klage gegen die Wittwe 
und Erben Meyerbeei's wegen der Auslieferung der Composition zu 
der Jeunesse de Göthe abgewiesen wurde, hat bereits appellirt. Es 
ist jedoch sehr zweifelhaft, ob er in der zweiten Instanz glücklicher 
sein wird, als in der ersten. 



i » ee» 



!¥ a e li r I e li t e n. 



BrfiSSel. Das königliche Theater de la Monnaie ist am 1. 
September mit zwei kleinen Opern „/e Maitre de Chapelle" und 
„CrUpiuo" wieder eröffnet worden. Das Opernpersonal für die dies- 
jährige &*ieon 1868/69 ist folgendes: DieTenore: Massy, Jour- 
dau, Bajrfeet, Lapissida; Bnffo-Tenore Tournade und 
Lallemand; Bässe und Baritone: Giraudet, Jamet, Du- 



- 147 — 



uestre, Lopera, Chapuy, E. Terrain, Ferraad, Blon- 
de au, Vermatte, Thomas; Sängerinnen, die Damen: Mari- 
m o n , S a 1 1 a r d , M a r t y, Lambia, Dumestre, Fanline 
K i 1 1 i a n, N e u 1 a t, A u r e 1 i e ; Orchestercbef Ch. L. H a n s s e n s, 
«weite Dirigenten Bosselet und B u z i o. Die diesjährige Saison 
wird um einen Monat abgekürzt und schliesst mit dem 30. April 1869* 

— Vor einigen Tagen befand sich der Pianist Leopol d von 
Meyer in Brüssel, welcher nach einer in Ostende gebrauchten Bade- 
kur sich nach Deutschland begibt. 

Baden -Baden. Am 5. d, M. fand die mit so grosser Spannung 
«rwartete Aufführung von Wagner's „Lohengrin" statt und das ge- 
nilae Werk fand bei dem zum grossen Theile aus Franzosen beste- 
henden Publikum eine wahrhaft enthusiastische Aufnahme. Die Be- 
setzung war aber auch eine ganz auserlesene, denn es wirkten dabei 
mit: Nachbaur aus München (Lohengrin), Frl. Mailing er aus 
München (Elsa), F. Betz aus Berlin (Telraraund), Fr. Bertram- 
Mayer aus Mainz (Ortrud), Frick aus Cassel (König Heinrich). 
State des in Folge seines erlittenen Unfalles krank darniederliegen- 
den Hofcapellmeisters Carl E e i s s in Cassel dirigirte Hofcapell- 
meister Carl Eckert, welcher bei dieser und den ferneren deut- 
schen Opernvorstellungen von dem tüchtigen Capellmeister Schön- 
■eck von Freiburg i. Br. unterstützt wird. — In dem am 11. d. M. 
stattfindenden Concerte werden Frl. Nilsson, Fr. von Murska 
und Hr. F a u r e mitwirken. 

Dresden. Hr. Hoforganist E. Kretschmer gedenkt demnächst 
nach Brüssel zu reisen, um der Aufführung seiner dort vor Kur- 
-zem mit dem ersten Preise gekrönten Messe beizuwohnen. 

— Von L. Meinardus, Professor des hiesigen Conservato- 
riums, erscheint demnächst ein Oratorium „Gideon" und ein Werk 
für Soli, Chor und Orchester, „Schön Ellen." Von demselben ist 
bereits früher ein Oratorium „Salomon" bei Leukardt in Breslau 
•erschienen, welches die besondere Berücksichtigung der Concert- 
nud Oratorienvereine verdient. 

Salzburg. Am 18. August fand in der Aula zur Feier des 
<j»eburts festes des Kaisers von Seite des Mozarteums ein grosses 
Festconcert unter der Leituug des neuen Directors Dr. Otto Bach 
etatt. Das Programrii enthielt: I. Abthlg. 1. Ouvertüre zu „Eury- 
antbe'' von Weber. 2. Recitativ und Arie aus „Titus" von Mo- 
zart, gesungen von Frl. Kitt er, köuigl. baier. Hofopernsängerin. 
4J. Gesangsscene für die Violine mit Orchesterbegleitung von Spobr 
vorgetragen von Hrn. Concertmeister Blau. 4. Grosse Scene für 
AHsolo, Chor und Orchester aus „Orpheus" von G 1 u ck, vorgetragen 
von Frl. Ritter, der Singakademie und dem Orchester. II. Abthlg. 
B moll-Sinfonie von Beethoven. 

München. Am 3. Sept. kamBoieldieu's liebliche Oper „Das 
Rothkäppchen" wieder einmal zur Aufführung und wurde von dem 
■sehr zahlreichen Publikum wie immer mit grossem Beifall aufge- 
nommen. Vor einigen Jahren von der hiesigen Intendanz der langen 
Vergessenheit entrissen, verdankt dieses Werk seineu grossen und 
bisher stets sich gleichbleibenden Erfolg vorzugsweise der unver- 
gleichlich vollendeten und poesievollen Durchführung der Titelrolle 
•durch Frl. Stehle, welche denn auch gestern bei ihrem Auftreten 
vom Publikum mit lebhaftem Applause empfangen wurde, der sich 
während der Vorstellung bestäudig steigerte. Auch die Herren 
V o g 1 und Kindermann leistetet) Vortreffliches und fanden ent- 
sprechenden Beifall. Der junge Dirigent Hr. Rieh t e r leitete die 
Aufführung mit Sicherheit und Verständnis», so dass das Ensemble 
in keiner Beziehung etwas zu wünschen übrig Hess. 

Paris. Die Säugerin Mme. Gueymard von der grossen Oper 
welche kürzlich von ihrem Gemahl, der als Tenorist an demselben 
Institut engagirt ist, gerichtlich geschieden wurde, war in erster 
Ehe mit dem belgischen Baritonisten Delibert verbeirathet, von 
<dem sie ebenfalls durch gerichtliche Scheidung getrennt wurde. Mit 
'Gueymard war sie acht Jahre verheiraihet, als sie anf einmal, ohne 
einen andern Grund als ihren grossen Hang zur Unabhängigkeit, 
«ein Haus verliess, was denn sofort Veranlassung zur Scheidung 
gab. Da das getrennte Paar nicht in Gütergemeinschaft gelebt 
liatte, bo wurden Mme. Gueymard vorläufig nur die zu ihrem Ge- 
brauche bestimmten Möbel, ihr Piano und ihre Gesangrollen aus- 
geliefert. 

— In der grossen Oper haben in voriger Woche „Hamlet,*- 
«Troubadour und „Jüdin" abgewechselt. Brillante Aufführungen 



der „Hugenotten" und des „Don Carlos" werden vorbereitet* Die? 
komische Oper bereitet die Wiederaufnahme der Auber'schea 
Oper „Der erste Glückstag". Das Theatre lyrique wird, wie be- 
reits gemeldet, mit Wagner's „Rienzi" unter der Direction von 
Carl Eckert eröffnet werden. 

— Unser berühmtester Decorationsmaler, Cicäri Vater, ist in 
Saint-Cheron, 86 Jahre alt, gestorben. Ciceri hatte seine Laufbahn 
als Geiger im Orchester des Theater SSraphin begonnen und wurde 
dann auf Empfehlung seiner Verwandten, Martin und Ellevion, 
in das Conservatorium aufgenommen, wo seine hübsche Stimm« 
einen bedeutenden Tenoristen erwarten Hess. Allein ein Sture aus 
einem Wagen, in Folge dessen er hinkend blieb, schnitt ihm diese 
Laufbahn ab und er widmete sich deshalb der Decorations-Malerei. 
400 Decorationen gingen aus seiner kunstreichen Hand hervor. Er 
lässt zur Fortpflanzung seines Ruhmes und seiner Geschicklichkeit 
vier Schüler, Meister in ihrem Fache, zurück, nämlich : seinen Sohn 
Cambon, Desplechin und S Seh an. 

*** Von der Persönlichkeit des bekannten Componisten G o u- 
n o d's gibt Professor Hanslik in Wien , der den Meister unlängst 
in Paris besucht, folgende anziehende Schilderung. Gounod ist ein 
sehr ernsthafter, etwas zur Schwärmerei geneigter Mensch, der die 
Mission der Kunst vom höchsten Standpunkte auffasst und ihr mit 
einem fast religiösen Eifer dient. An der Composition des „Romeo," 
die er unmittelbar nach dem „Faust" begann, hat Gounod (mit 
wenigen für kleinere Werke nöthigen Unterbrechungen) acht Jahre 
gearbeitet, und gewiss mit dem reinsteu Streben, sein Bestes zu 
leisten. Wir dürfen darüber allerdings nicht vergessen, dass Gou- 
nod Franzose ist und sich von der Anschauungs- und Empfindungs- 
weise seiner Nation unmöglich ganz emanzipiren kann. Gounod — 
ein begeisterter Verehrer und Kenner deutscher Meister -— hat sich 
übrigens dem deutschen Opern -Ideal und dem gemüthvoll sin- 
genden Charakter unserer Musik mehr als irgend ein zweiter 
Franzose genähert. Dass es endlich in einer französicheu Oper 
ohne einige Concessioneu an den Theaterdirector und die Sänger 
nicht abgeht , ist sattsam bekannt. Welch 1 innere und äussere 
Kämpfe Gounod bei solchen Anlässen zu bestehen hat, davon konnte 
iöh mich eines Tages selbst überzeugen. Gounod war von einer 
der letzten Proben zum „Romeo" eben nach Hause gekommen und 
begann, durch die Aufregung noch belebter und gesprächiger als 
gewöhnlich, über die Hindernisse zu klagen, welche die leidige 
Theaterwirklichkeit den besten Intentionen des Componisten bereite. 
Der Director hatte eine Ensemble -Nummer, als die Handlung auf- 
haltend, streichen wollen, und die Primadonna bestärkte ihn durch 
ihre Unlust, darin mitzusingen. Gounod setzt sich also erzählend 
rasch au's Ciavier und spielt und singt uns das betreffende Musik* 
stück — es war das „Epithalame" im 3. Act („0 Juliette, sois 
heureuse/ 1 '), ein edler, breit ausströmender Chorsatz, in der That 
der besten Nummern eine — vor. „Verleugnung," ruft Gounod, 
»Verleugnung heisst die erste Tugend des Sängers, wie sie die erste 
Pflicht des Componisten ist! Den achte ich nicht als Künstler, der 
sich nicht mit dem Kunstwerk identifizirt, der, statt in seiner Rolle 
gänzlich aufzugehen, immer daneben die eigene Persönlichkeit im 
Auge hat. Wenn ein Sänger die Composition anders vorträgt, als 
der Tondichter sie geschrieben, so ist dies nichts Anderes als eine 
Verleumdung; im Privatleben gibt es Rechtsmittel gegen die Ver- 
leumdung, in der Kunst nicht. Der Componist hat keine Appella- 
tion und ist doch schon geschädigt, wenn eine Sängerin ihre Arie 
auch nur mit Uulust vorträgt. — „Wahr Bein und sich verleugnen," 
fuhr er dann mit gesteigerter Wärme fort, „das ist die erste und 
höchste Pflicht des dramatischen Componisten. Wehe ihm, wenn 
er den höchsten Lohn nicht im eigenen Schaffen fiudetl Die Com- 
position des „Romeo" bat jahrelang Tag und Nacht meine ganze 
Seele erfüllt, wonnevoll, schmerzvoll; ihr verdanke ich die selig- 
sten Stunden meines Lebens und habe meinen Lohn dahin. Waa 
nach Vollendung des Werkes folgt, die Proben, die Aufführung, der 
Erfolg — das ist nur Mühsal und Enttäuschung. Gäbe mir ein 
Gott die Kraft, ein Meisterwerk zu schaffen, vollendet und unsterb- 
lich wie Shakespeare's unter der Bedingung, dass niemals ein Sterb- 
licher den Namen des Autors erfahre oder vermuthe, ich war« 
tausendmal glücklicher, als mit den höchsten Erfolgen meiner Werk* 
und der Ueberseugung von ihrer Mangelhaftigkeit." Diese und 
ähnliche in lebhaftester Erregung ausgeführten , Reden zeugten vo» 



- 148 - 



€em idealen Feuer, das Gounod durchlodert, and Hessen den Schwär- 
mer wiedererkennen, der als Jüngling sieb ganz der religiösen Kunst 
hingab, die ersten Weihen nahm und noch tot 12 oder 15 Jahren 
in geistlichen* Kleide einherging. Letztere Schwärmerei hat er 
überwunden und lebt seit zehn Jahren als glücklicher Qatte und 
Vater in der erfreulichsten Unabhängigkeit. Fein und weltmännisch 
in seinen Formen, von offener, intelligenter Gesichtsbildung, gehört 
Gounod nacht zu der Klasse der Schweigsamen, erst am Ciavier 
aufthauende Tondichtern, sondern zu den lebhaften, mittheilsamen, 
denen eine fliessende Beredsamkeit und vielseitige Bildung erlauben, 
über ihr Streben und Schaffen Rechenschaft zu geben. 

*** Von der Direction des Wiener Operntheaters ist Hr. Pro- 
fessor L e w y, der Lehrer des Frl. Mallinge r, nach München 
geschickt worden, um mit seiner ehemaligen Schülerin bezüglich 
eines Engagements derselben für die Wiener Oper zu unterhandeln. 
Das Resultat seiner Bemühungen besteht darin, dass Frl. Mallinger, 
nach Ablauf ihres Contracts in München, im Herbst 1869, kein an-, 
derweitiges Engagement annimmt, bevor sie in Wien 6 Gastrollen 
gegeben haben wird, von dessen Ausfall das auf vorläufig bespro- 
chene Bedingungen basirte Engagement daselbst abhängig sein soll. 

*** Der Opernsänger Jos. Reichmann in Brunn ist von 
dort heimlich entwichen und einen von der Theatercasse erhaltenen 
Baarvorschuss schuldig geblieben. 

*** Der Impresario Grau hat für seine französischen Operet- 
ten in N e w - Y o r k die Damen Rose Bell, Desclausaz, 
Goby-Fontanel, Alard-Gueretti, Victoria Maurice 
und die HH. Carrier, Beckers und G o b y, sowie den Musik- 
director Robert S t r e p e 1 engagirt. 

*** Die Sängerin Frl. Löwe vom Leipziger Stadttheater hat 
ihr Engagement in Nürnberg am 1. Sept. angetreten. 

%* Dr. Robert Pappe ritz ist an die Stelle des nunmehrigen 
Cantors an der Thomasschule, Prof. Richter, als Organist an der 
Nicolaikiiche in Leipzig angestellt worden. 

%* Der bekannte Componist und Capellmeister Rieh. Gen6e, 
bisher am deutschen Theater in Prag, ist vom 1. d. M. an als Ca- 
pellmeister am Theater au der Wien engagirt. 



*** 



Die neue Oper „Am Runenstein" von Flotow und Geuee 



»> 



ist soeben im Verlag von Bartholf Senff in Leipzig erschienen. 

•** Frl. Lina F r i e b hat mit der Rolle der Marie in „Czaar 
und Zimmermann" ihr Engagement in Leipzig angetreten. 

%* Am 3. Oct beginnen in London wieder die Samstags- 
concerte im Crystallpalast. 

V Bei der im Octbr. stattfindenden 25jährigen Jubelfeier der 
„musikalischen Academie" in Königsberg sollen die Oratorien 

Jsrael in Egypten" von Händel und „Das verlorene Paradies" von 
A. Rubinstein zur Aufführung kommen. Rubinstein wird sein Werk 
persönlich leiten. 

\* Fr. L u c c a hat ihr Gastspiel in Leipzig am 1. Sept. 
als Gretchen in Gounod's „Faust" eröffnet und die hinreissende Ge- 
walt ihrer Gesangs- und Darstellungskunst hat sich auch dort wie- 
der glänzend bewährt. 

*** In Wien concertirt gegenwärtig ein Damen-Orchester 
unter der Leitung des Frl. Josephine W e i n 1 i eh. 

*** Beethoven'« Geburtshaus in B o n n , an welchem eine 
Gedenktafel angebracht ist, wird zum Verkaufe ausgeboten. 

V Im Theater-Orchester zu F r a n k f u r t a. M. ist die Stelle 
eineB ersten Violoncellisten erledigt. 

%* Mme. M a r c b e s i hat von ihren Schülerinnen in C ö I n 
bei ihrem Abgang nach Wien als Gesanglehrerin am dortigen Con- 
servatorium ein schweres silbernes Tafelservice als Zeichen der 
Dankbarkeit und Verehrung erhalten. 

*** Die New - Torker Zeitung „Albion' 4 versichert, Hr. Map- 
leson, der Director vom Her Majesty's -Theater in London habe 
die Academy of Music inNew-York gemiethet, um dort Anfangs 
Winter eine italienische Opernsaison zu eröffnen. Das Personal 
soll aus den Damen Titjens, Kellogg und der Elite seiner 
Truppe bestehen. Frl. Titjens erhält für drei Monate 75,000 Free. 

%* Von Albert MethfesseH — Der alte ehrwürdige Ton- 
und Liederdichter, von dessen plötzlicher schwerer Erkrankung all* 
Seitungen berichteten, sendet der „Gartenlaube" folgende Zuschrift 
rar Veröffentlichung und bittet zugleich die übrige gesammte Presse 

Weiterverbreitung derselben: 



„An alle meine Freunde in der Nähe und Ferne! Endlich 
habe ich so viel Ruhe wieder gewonnen, Euch durch einen mir 
nahestehenden Freund die authentische Mittbeilung machen zu müssen,, 
dass mich in der Nacht vom 3. zum 4. Augnst ein Nervenschlag 
getroffen, der in seinen Anfängen meinen linken Arm leicht und 
meinen linken Fuss schwer lähmte, in seinen Folgen aber aueb 
mein linkes Auge so entzündlich gemacht hat, dass ich nun fast 
ganz erblindet bin. Auch sind meine Sprachorgane so sehr gelähmt,, 
dass ich kaum sechs Worte zusammenhängend dictiren kann. 

Drei Dinge, die zum Fortkommen in der Welt gehören, habe 
ich verloren: das Gehen, das Sehen, das Sprechen (Dictiren). Ein 
Trost ist mir jedoch geblieben : ich kann mein Clavierspiel noch 
hören, ich kann meinen treulichen Vorleser noch verstehen, so das» 
ich durch Mittheilungen und Zusendungen von Freunden vor Ver- 
einsamung bewahrt bleibe. Tief empfundenen Gruss an Alle ! Geist 
und Muth ist mir geblieben. 

Heckenbeck, am 24. August 1868. Dr. A. Methfessel." 

Für solche Verehrer unseres vielgeprüften und der ehrendste» 
Theilnahme würdigen alten Meister, welche ihn durch Zusendungen 
erfreuen wollen, setzen wir die vollständige Adresse her: Herrn 
Hofcapellmeister Dr. Albert Methfessel, dermalen in Heckenbeck 
bei Gandersheim im Herzogthum Braunschweig. Tausenden hat er 
in ihren schönsten Stunden des Liedes Freuden bereitet: möchte» 
wenigstens Hunderte dafür dankbar sein! 

*** Die Componisten Jremonger und G a 1 1 i e r i haben die- 
Direction des Teatro JRe in Mailand übernommen und beabsich- 
tigen, dort u.A. auch ihre Buffo- Opern : „Una notte de novembre^ 
und „Ser Matteo" aufzuführen. 

*** Die Opernsaison in Moskau wird am 6. September be- 
ginnen und 32 Vorstellungen umfassen. Zu den Eugagirten gehören 
die Damen A r t o t, G e nat i und Fr erucci und die HH. Stau io,. 
Padilla und Possi. An der Spitze des Orchesters steht Herr 
Jos. D u p o n t. 

*** Im Her Majesty^s- Theater hat ein neuer Tenorist, Herr 
Bulterini, grosses Aufsehen gemacht. 

*** Die Wiederaufnahme der Aufführungen der „Meistersinger" 
in München dürfte in nicht ferner Zeit stattfinden, da Hr. Siegt 
den Beckmesser bereits vollständig eiastndirt hat und Hr. Kinder- 
mann nun ebenfalls bereit ist, die Rolle des Hans Sachs zu 
übernehmen. 

*** Herr Jäger vom Hoftheater in Cassel hat als Max im 
„Freischütz" ein Gastspiel an der Berliner Oper mit sehr güns- 
tigem Erfolge eröffnet. 

*#* In Paris starb der einst berühmte Tenorist Perouet. 
im Alter von 78 Jahren. 

ANZEIGEN. 



AMSTERDAM: Th. J. ROOTHAAN * Cie. 



d* 



Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst 
dankenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer 
der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam 
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) 

MBr. Jf. M». MM EM JT JE, 

GRIEKEEANDS WORSTELSTRÜD 

(Griechenlands Kampf und Erlösung.) 
BEETHOVENS 

Ruinen von Athen. 

Clavierauszup fl. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50. 
Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend, 
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich 
der BEETHOVEN'sehen Musik an. Möchten die deut- 
schen Concert-Institnte recht bald mit ihr einen Versuch 
machen. (AUg. Musik-Ztg.) 






OB 

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CG 
50. 

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CO 



Leipzig: FB. HOFMEISTER: 



Verantw. Red. Ed. Föckere*. Druck v. Carl Wallau, Mainz- 



17. Jahrgang. 



Afc SS. 



21. September 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



? Diese Zeitung erscheint jeden T 
| MONTAG. 1 

5 Man abonnirt bei allen Post- 
| ämtern, Musik- & Buchhand- 
> lungen. 

r 



Verlas 



* 






von 






B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co. 



PEEIS: 

fl.2.42kr. od. Th.l.l8Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 

50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 



INHALT: Die Kinderjahre Gretry's. — Corresp.; Mainz. — Nachrichten. 



Die Kinderjahre Gretry's. 

(Schluss.) 

Der junge Gretry wendete alles Mögliche an, um seinen fürch- 
terlichen Lehrer zu besänftigen: unermüdlichen Eifer, Genauigkeit, 
fiebriges Ueben ; wenn der Meister ihn beauftragte Tabak zu holen, 
legte der arme Junge Geld darauf, damit die Dose mehr gefüllt 
wurde, aber Alles vergebens. Mit 11 oder 12 Jahren verliess er 
die Schule. Als er auf dem Chor singen sollte, versagte ihm aus 
Angst und Schüchternheit die Stimme und er sang schlecht. Nach 
einem zweiten ebenso verunglückten Versuche ersuchten die Cano- 
niker den Vater, sein Kind zurückzunehmen. Um diese Zeit begeg- 
nete dem jungen Andre ein Zufall, der, wie er in seinen Essais 
erzählt, einen grossen Einfluss auf sein Schicksal hatte. 

Am Tage seiner ersten Commuiiiou bat er Gott, er möge ihn 
öterbeu lasseu, „wenn nicht ein ehrenhafter und in seinem Berufe 
ausgezeichneter Mann aus ihm werden soll. 44 Einige Stunden dar- 
auf fiel ihm eine grosse schwere Bütte auf den Kopf Man hielt 
ihn für todt, allein er war nur betäubt und der Unfall hatte keine 
weiteren Folgen. Gretry aber blieb von da an stets überzeugt, dasi 
ihn Gott am Tage seiner ersten Commuuion würde haben sterben 
lassen, wenn er nicht bestimmt wäre, ein braver Mann und tüchti- 
ger Musiker zu werden. Nachdem der Vater Gretry's seinen Sohn 
aus der Schule genommen hatte, vertraute er ihn einem Lehrer 
Namens L e c 1 e r c an, unter dessen sanfter uud liebevoller Leitung 
der Schüler reissende Fortschritte machte. 

Ein zufälliger Umstand zeigte unserem jungen Musiker die 
Bahn, welche er später beständig verfolgen sollte. Es war unge- 
fähr um jene Zeit, dass die italienische Buffo - Oper in Frankreich 
eingeführt wurde. Dauvergne hatte mit seinen Troqueurs die 
komische Oper geschaffen. La Servante Maitresse von Per« 
golese gab mit ihren frischen Melodien und ihrer Wahrheit des 
Aasdrucks der französischen Oper einen neuen Impuls. Der Gesang, 
bisher schwerfällig und ohne Anmuth , hatte sich durch die Berüh- 
rung mit jener italienischen Schule , deren Sänger in der ganzen 
Welt berühmt waren, gereinigt. Die französische Musik nahm 
jenen Character des Ausdrucksvollen und der Feinheit an, welcher 
st« vor Allem auszeichnet und wovon la Fetusse Magie von Gretry 
noch immer "ein Muster ist. 

Im Jahre 1755 Hess sich iu Lüttich eine italienische Truppe 
nieder, welche die Opern von Pergolese und Buranello spielte. 
Ihr Dirigent war ein gewisser Besta, der sich mit Gretry's Vater 
verband und dem Knaben den Eintritt in das Orchester gestattete, 
welcher denn auch während eines Jahres keine einzige Vorstellung 
versäumte. Hier schöpfte er die Bewunderung, welche er stets für 
die italienische Musik und insbesondere für Pergolese hegte. Die* 
8en Studien verdankte er auch jene ausgesuchte Richtigkeit der 
Declamation, die er mitunter bis ins Kleinliche trieb, und welche 
den unterscheidenden Character der Musik Gretry's bildet. 

Nach Verlauf eines Jahres hielt ihn sein Vater für reif genüg, 
um in der Kirche von Saint -Denis wieder aufzutreten, ßr begab 
«ich zu jenem gefürchteten Musikmeister, um ihn zu bitten, dass er 



seinen Sohn während der Messe singen lassen möchte. Nach eini- 
gen Schwierigkeiten willigte der Meister endlich ein. Der Erfolg 
war ein vollständiger. „Ich hatte kaum vier Tacte gesungen," 
schreibt Gretry, „als das Orchester bis zum Pianissimo erlosch, 
nur um mich besser hören zu können. Ich warf zu diesem Augen- 
blicke meinem Vater einen Blick zu und er antwortete mir mit 
einem Lächeln. Die Chorknaben zogen sich respectvoll zurück ; die 
Canoniker traten fast alle ans ihren Stühlen heraus und überhörten 
das GlÖckchen, welches das Zeichen zur Wandlung gab." Zur Be- 
lohnung für den, welchen er als seinen Schüler betrachtete, gab 
Resta allen Chorknaben der Stadt freien Eintritt zu seinen Vorstel- 
lungen. „So sah man denn jeden Tag eine Schaar kleiner Abbes, 
welche um Gott zu preisen in des Theater kamen." Als die 
Zeit des Mntirens schou herankam, wollte Gretry eine sehr hoch 
liegende Arie von Galuppi singen, allein diese Anstrengung zog 
ihm einen Blutsturz zu, dessen Folgen er sein ganzes Leben 
lang verspürte und welcher seinem Singen ein Ende machte und 
ihn ausschliesslich auf das Componiren verwies. 

Andre" hatte in der Schule die musikalischen Elemente gelernt; 
sein musikalisches Gedächtuiss und seine glücklichen Anlagen thaten 
das Uebrige. Er fing mit ein paar glücklichen Nachahmungen an, 
welche ihn in seiner Heimath berühmt machten. Er nahm nämlich 
eine vierstimmige Fuge , welche er besass, zum Muster und schrieb 
dieselbe ab, indem er nur das Stück transponirte und die Folge der 
einzelnen Stimmen umkehrte. Sodann setzte er ein Mottet wie Mo- 
saik zusammen, indem er einige Tacte aus diesem, einige ans einem 
anderen und wieder einige aus einem dritten Stücke entnahm. Nach- 
dem Gretry's Vater seinem Sohne Harmonieunterricht von dem Lüt- 
ticher Organisten R e n e k i n hatte geben lassen, Hess er ihn auch 
Contrapunct und Compositionslehre unter einem gewissen Moreau 
studiren. Kanm hatte unser junger Mann , „dessen Kopf schon mit 
tausend musikalischen Gedanken angefüllt war," die ersten Prin* 
cipien inne, als er auch schon sechs Sinfonien schrieb, welche Bti. 
fall fanden. Dieser Erfolg, den er in seinem 15. Jahre erzielte, 
brachte ihn anf die Idee nach Rom zn gehen. Es bestand dort ein 
von einem Lütticher gegründetes Collegium, in welchem jeder 
Landsmann des Stifters die Aufnahme beanspruchen konnte, sobald ' 
ein Platz frei war. Um das nöthige Reibegeld zu erhalten, präsen- 
tirte Gretry dem Lütticher Capitel eine Messe von seiner Compo« ' 
sition. Die Messe wurde angenommen, aufgeführt, belohnt und un- ' 
ser Componist schickte sich an , seine Vaterstadt zu verlassen. Er 
war damals 18 Jahre alt. Der Abschied von seiner Familie war 
ein äusserst zärtlicher, aber besonders interessant waren die Ermah* 
nungen, welche ihm der zweite Mann seiner Grossmutter mit auf 
den Weg gab. „Er führte mich in seinen Garten, und nachdem «r 
mir seinen Hut auf meinen Kopf gedrückt hatte, sagte er zu mir:" 
Nun! Rodrigo, hast du Courage? — Ja freilieb, mein Grossvater.— 
Schau, sagte er, indem er in seinen Taschen suchte, hier ist Am 
Geschenk, das ich dir geben, will, und damit zog er ein paar Pisto- * 
len aus der Tasche und hielt sie mir bin. — Gieb Acht, sagte er, 
sie sind geladen, treibe keinen Unfug damit, mein Sohn, - ich bitte 
dich darum; aber wenn dich Jemand angreift ... — Ja, ja, mein 



150 



Grossvater, ich werde mich schon tu vertheidigen wissen. — Also, 
lass sehen; ich nehme an, dieser Baum sei ein Dieb, der dein 
Geld oder dein Blut fordert. Was wirst da tbun? — Ich werde 
ihm sagen : Mein Herr, wenn Sie in Verlegenheit sind, so will ich 
Sie gerne unterstützen; aber meine ganze Börse, in der Lage in 
der ich mich befinde, das wäre soviel wie mein Leben selbst. — 
Neiu, antwortete mein Grossvater anstatt des Baumes, ich will Alles 
haben, was du besitzest. — Paff! feure ich eine Pistole gegen den 
Baum ab. — Er zieht den Säbel, ruft mein Grossvater . . . und ich 
feure einen zweiten Schuss ab. Meine Grossmutter eilt erschrocken 
ans Fensler und ruft: Um Gottes willen, was macht ihr denn da? — 
Ich bringe die Diebe um, meiue Grossmutter, antwortete ich ihr. — 
Ihr Gatte steckte mir die zwei Pistolen in die Tasche nnd wir gin- 
gen in das Haus zurück/ 1 

Zu Ende MSrz 1759 reiste endlich Gretry ab unter der Füh- 
rung einer Art von Schmuggler, Namens Remacle nnd mit zwei 
jungen Leuten, welche nach Rom gingen, der eine um Medizin, der 
andere um Theologie zu studiren. Der junge Theologe kam kaum 
25 Meilen weit, als er auch schon ganz erschöpft von Müdigkeit 
wieder nach Lüttich zurückkehrte. Nun kann man sich nichts Un- 
terhaltenderes denken, als die Reise der beiden anderen jungen 
Leute, so reich an Hoffnungen und so arm an Geld. 

Eines Tages kehrten sie in einem Wirthshause in der Nähe 
von Trier ein; kaum waren sie angekommen, als die Wirthin sich 
auch schou mit besonderer Sorgfalt Gretry's annahm und ihm und 
seinen Reisegefährten zu essen gab, ohne Geld dafür zu nehmen, 
und als der junge Reisende, erstaunt über diesen Empfang, den 
Grund dafür wissen will, erfährt er, dass die gute Frau die Mutter 
eines jungen Menschen ist, der ihm ausserordentlich ähnlich sieht 
und der nach Trier gegangen ist, um dort seine Studien zu machen. 
Ein andermal übernimmt es der junge Chirurg, für ein Abendessen 
zu sorgen. Remacle, welcher das Essen bestellt hatte, sieht da 
Gerichte und Weiue auftragen, die er nicht bestellt hatte ; neugierig 
auf die Lösung dieses Räthsels, stellt er mit Gretry Nachforschun- 
gen an. »Wir fanden die Wirthin mit ihrem 80jährigen Manne, 
welchem der Chirurg zwei Zähne ausgezogen hatte, dann hatte er 
der Frau, die auch nicht mehr jung war, und einem jungen Mäd- 
chen, welches an Gelbsucht litt, zur Ader gelassen." Der Spass 
war ein Bischen stark, aber er hatte keine anderen Folgen, als dass 
er unser n Reisenden ein gutes Nachtessen verschaffte. 

Als sie nach Tyrol kamen, wurden sie durch die Geistesgegen- 
wart Gretry's aus einer sehr kitzlichen Lage gezogen, ja selbst vor 
dem Gefängnisse bewahrt. Sie waren in einem Wirthshause einge- 
kehrt, in welchem sich schon mehrere Reisende befanden. Später 
traten noch weitere vier Personen ein , welche ganz das Aussehen 
von Zollwächtern hatten. Dur eine ging gerade auf den Pack des 
Remacle los , welcher darüber sehr beunruhigt schien. Nachdem 
der Zollwächter einige Frageu an Remacle gestellt hatte, wandte er 
sich an Gretry und Hess sich in eine Unterhaltung mit ihm ein. 
Dieser weiss den Zöllner so gut zu unterhalten , dass Remacle sich 
beruhigt, seinen Sack vor Aller Augeu Öffnet, Wäsche, Kleider und 
endlich auch einen halbvollendeten Strickstrumpf herausnimmt und 
zu stricken anfängt. Anf einmal fällt ihm der Wollkuäuel und rollt 
uuter die Beine des Wächters. „Remacle schnitt ein fürchterliches 
Gesiebt. Ich erhebe mich ganz langsam und sende ihm mit einem 
Fussstosse seinen Knäuel zurück, während ich zugleich den Zoll- 
wächtern eine Flasche Wein zuschob und sie einlud, ihn zn kosten, 
was diese auch ohne Weiteres annahmen. Nachdem die Flasche 
geleert war, gingen sie fort ohne irgend Jemand zu belästigen, in- 
dem sie in ihrem halb wälschen, halb deutschen Jargon wiederhol- 
ten, wir seien ganz prächtige junge Leute." Am Abend fragten 
die beiden jungen Leute Remacle, warum er wegen seines Woll- 
knäuels so ängstlich gewesen sei. „Ihr sollt es wissen," sagte er, 
„vor Euch habe ich kein Geheimniss mehr." Und er zeigte uns, 
dass die Wolle dazu diente, um prächtige Spitzen zu verbergen, 
welche er als Contrebande mit sich führte. — Einige Tage später 
befanden sich unsere Reisende in Italien. Hier endet Gretry's Ju- 
gendzeit. Seine Seele öffnet sich neuen Eindrücken, das Studium 
reift nach und nach sein erwachendes Genie, er ist kein Kind mehr, 
er ist ein Mann. 



CORBESPOKDENZEN. 



IL ii g Mainz. 



Am 16. d* M. wurde das hiesige Stadttheater mit einer Extra- 
vorstellung eröffnet, für welche man das Vorspiel zu R. Wagner's 
„Meistersinger von Nürnberg 1 und das Schauspiel „Der Zunftmeister 
von Nürnberg" von R e d w i t z gewählt hatte. Wir beschäftigen 
uns nur mit den musikalischen Leistungen unserer Bühne, und so 
möge denn gesagt sein, dass die Aufführuug des so schwierigen Or- 
chesterwerkes von Wagner unter der Leitung des Hrn. Weissheimer, sei- 
nes begeisterten Jüngers und nunmehrigen Capellmeisters der Mainzer 
Oper, eine ungeachtet der wenigen Proben im Ganzen nicht übel gelun- 
gene war, obwohl nicht zu läugnen ist, dass das Streichquartett den 
Masseneffecten des Bläserchors gegenüber häufig viel zu schwach 
erschien und dass die von Wagner so gerne angewendeten polypho- 
nen und contrapunetischen Verwickelungen nicht zu jeuer klaren 
Ausführung gediehen waren, die hier allein dem Zuhörer das Ver- 
ständniss wenigstens bis zu einem gewissen Grade möglich machen 
kann. Ob dieses Verständniss selbst bei einer raffinirt vollendeten 
Aufführung des in Rede stehenden Musikwerkes bis zur vollen Klar- 
heit möglich wird, müssen wir dahingestellt sein lassen, bis wir so 
glücklich sein werden, einer derartig vollkommenen Aufführung 
beizuwohnen. 

Am darauffolgenden Tage begannen die Abonnements Vorstel- 
lungen mit Verdi's „Troubadour," in welchem die Damen Frau 
Bertram-Mayer (Azucena), Frl. Holland (Leonore) und die 
HH. Brunn er (Manrico) und Frey (Luna) auftraten. Ueber die 
Leistung der Frau Bertram, welche schon in voriger Saison eine 
Hauptstütze unserer Oper war, können wir heute, einfach anerken- 
nend, hinweggehen, um uns das .von den neuengagirten Mitgliedern 
Gebotene ein wenig näher zu besehen. Fräulein Holland macht 
es uns schwer, etwas über sie zu sagen, indem sie eigentlich gar 
nicht sang, sondern wie auf einer Probe nur markirte und auch ihrem 
Spiele die dem entsprechenden Fesseln anlegte, welche sie nie- 
mals aus ihrem Gleichmuth gerathen Hessen. Man sagte uns, die 
Dame sei nicht disponirt gewesen und daher wollen wir unser de- 
finitives Urtheil über dieselbe vorderhand noch suspendiren, wenn- 
gleich wir nicht umhin können zu bemerken, dass Frl. Holland von 
dem den Coloratursän gerinnen in einem gewissen Grade zugestan- 
denen Vorrechte der philosophischen Beherrschung aller leiden- 
schaftlichen Erregungen einen fast zu ausgedehnten Gebrauch zu 
machen scheint. Hr. Brunner ist hier kein Fremder mehr, da er 
früher, an benachbarten Bühnen engagirt, schon öfters auf unserer 
Bühne gastirt hat. Seine Stimme hat eine gewisse Scharfe, die 
besonders im Anfange nicht gerade augenehm berührt, allein er 
besitzt viel jRoutine, hat eine noch immer leicht ansprechende Höhe 
und singt mit Ausdruck und Verständniss. Eine sehr gute Acqui- 
sition scheint die Direction an dem Baritonisten Hrn. Frey gemacht 
zu haben, der mit einer metallreichen, sympathischen, kräftigen und 
wohlgeschulten Stimme eine sehr hübsche, von den herkömmlichen 
Sängerunarten fast ganz freie Vortragsweise, deutliche Aussprache 
und natürliche Gefüblswärme zu verbinden scheint, so dass ihm das 
Publikum sofort die lebhaftesten Sympathien entgegentrug. Was 
den Chor betrifft, so ist derselbe in Bezug auf Stimmen viel besser, 
der Anzahl naeh aber, wie es scheint, leider noch schwächer bestellt 
als im vorigen Jahre, so dass grössere Opern wohl kaum mit dem 
im „Troubadour" vorgeführten Personalbestand desselben genügend 
durchzuführen sein möchten. Doch lässt sich von der Umsicht und 
dem guten Willen des Hrn. Director Behr erwarten, dass er allen- 
falls wirklich noch bestehenden Mängeln in dieser Branche gewiss 
baldigst abzuhelfen suchen wird. & F. 



N a c Ii r I c li t e n. 

Darmstadt. Die Vorbereitungen für unser bevorstehendes Mu- 
sikfest werden auf das Eifrigste betrieben. Dasselbe wird, wie das 
im Jahre 1856 hier stattgefundene erste Mittelrheinische Musik- 
fest, im Grossh. Zeughause stattfinden, welches zu diesem Zwecke 
grösstenteils geräumt wurde, so dass nun für etwa 3000 Personen 



151 



Platz vorhanden ist. Die Gesangsoli werden vorgetragen von Frau 
Peschka-Leutner vom Stadttbeater in Leipzig, Frl. Helene 
Haussen vom Hoftheater in Mannheim, Herrn A. Ruff, Concert- 
aänger aus Maine und Herrn G r e g e r vom Grossh. Hoftheater in 
Darmstadt. Die beiden Festconcerte finden am 27. und 28. Sept., 
die betreffenden Generalproben am 26. Sept. Nachmittags und am 
27. Sept. Vormittags statt. 

München. Die Gebrüder Säuret, welche zuerst im Actien- 
volkstheater und sodann im Museumssaale mit Erfolg concertirt hat- 
ten, hatten für Sonntag den 13. d. Mts. eine Matinee im Museum 
unter Mitwirkung der Frau Adelina Patti angekündigt, wobei 
das Entree auf 2 Thlr. und 2 fl. festgestellt war. Kurz vor Beginn 
des Concertes hörte man, die Patti singe nicht, sie habe von Stutt- 
gart aus abtelegraphirt. Selbstverständlich wollte sich das getäuschte 
Publikum das Geld wieder herausgeben lassen, aber — Cassirer und 
Casse waren nach einigen Auszahlungen sehr bald verschwunden. 
Wie man hört, ist wegen dieses argen Schwindels Seitens der 
Staatsanwaltschaft Untersuchung eingeleitet. 

Leipzig. Nach der „D. Allg. Ztg." will Laube das Theater 
«Hein und für eigene Rechnung vom 29. Jan. 1869 an übernehmen, 
— hat auch für diesen Fall sich schon bereit erklärt, der jetzigen 
Direction das gesammte Inventar für 30,000 Thlr. abzukaufen — 
unter der Bedingung, dass die Stadt ihm beide Theater pachtfrei 
überlässt und die Contractzeit vom 29. Januar 1869 bis 30. Juni 
1876 ausdehnt. Die freie Verfügung auch über das alte Theater 
ist von ihm als eine conditio sine qua non aufgestellt. Der Rath 
hat beschlossen, diese Bedingungen zu genehmigen; die Sache 
geht nun an die Stadtverordneten. 

Baden -Baden. Herr Betz aus Berlin erhielt in besonderer 
Anerkennung seiner mustergiltigen Leistungen als Telramund, Don 
Juan und Plumket in den Mustervorstellungen vom Director der 
Administration , Herrn Dupressoir, eine kostbare Brillantnadel. 
Herr N i e m a n n blieb ohue Entschuldigung aus und soll nun 
10,000 Frcs. Schadenersatz zahleu. 

Paris. Unter dem Patronate des Kaisers Napoleon und des 
Königs von Italien hat sich in Paris eine Commission gebildet zu 
dem Zwecke der Errichtung eines Denkmals zum Gedächtniss des 
Guido d'A r e z z o, des gelehrten Mönchs, welcher vor mehr als 
800 Jahren die diatonische Tonleiter erfand. Das Monument wird 
von einer Art von Nischen umgeben sein , welchen die Wap- 
pen der Nationen und Souveraine, die dem Unternehmen ihren be- 
sonderen Schutz werden angedeihen lassen, sowie die Namen der 
wichtigsten Mitarbeiter an demselben angebracht werden sollen. 
Man subscribirt bei dem Vicepräsidenten der Commission, Herrn 
Costa, Componist, rue Cler f 43. 

— Die Einnahmen der Theater, Cafes chantants und Schau- 
stellungen aller Art in Paris betrugen im Monat August 849,655 Frcs. 

— Eine musikalische Gesellschaft, bestehend aus ausgezeich- 
neten Virtuosen, deren Repertoir ausschliesslich aus den hervor- 
ragendsten Tonwerken ältorer und neuerer Zeit bestehen soll, bildet 
sich soeben in Paris unter der Leitung des Hrn. Thibaut, Musik* 
meieter der Nationalgarde von Paris. Diese Gesellschaft beabsich- 
tigt Concertreisen in den Provinzen zu unternehmen und auf diese 
Weise für Ensemblemusik dasselbe zu thun, was Ulimann so ge- 
lungen für einige Gesangs- und Instrumental - Berühmtheiten durch- 
geführt hat. 

— Der Pianist Gottschalk, der in fremden Welttbeilen so 
grosse Triumphe gefeiert hat, wird im November nach Paris zurück- 
kehren und daselbst mehrere Concerte veranstalten. 

— In der Opera comique ist man soeben mit Einstudiren einer 
neuen dreiactigen Oper der HH. Labich e, Delacour und Poise, 
'betitelt; „Le Corricolo" beschäftigt. 

— ■ Pasdeloup hat sich nach längerem S träuben entschlos- 
sen, das ganze Inventar des Theatre lyrique um den Preis von 
336,000 Frcs. abzulösen. Es wird diese Bühne kaum vor Mitte 
Oct. eröffnet werden können und der „Barbier von Sevilla" von 
Kossiai, sowie das „Thal von Andora" von Halevy sind als erste 
Vorstellungen bestimmt. 

— Das Debüt der Mlle. Minnie Hauck, des neuen Strakosch'* 
sehen Wundervogels in der italienischen Oper, soll in einer neuen 
dreiactigen Oper des Fürsten Poniatowski stattfinden. 



*** Gestorben sind: in Arnstadt der ehemalige Opernregis- 
seur des Leipziger Theaters, Jos. Sickert; in Et r etat der Com- 
poaist Rene" Favarger. 

*** Der Componist Joachim Raff hat vom Fürst von Hohen- 
zollern-Hechingen das Ehrenkreuz III. Classe des Hohenzollern'schen 
Hausordens erbalten. 

*** Mercadante, der greise Director des Conservatoriums 
in Neapel, hat vom König von Italien den Civilverdienstorden 
erhalten, mit dem der persönliche Adel verknüpft ist 

*** Von dem als tüchtige künstlerische wie* journalistische Kraft 
wohlbekannten Dr. K. Zop ff erscheint binnen Kurzem im Verlage 
der Amol d'schen Verlagshandlung in Leipzig der erste (der 
Production gewidmete) Band einer „Theorie der Oper," ein prac- 
tisches Handbuch für Alle, welche als Künstler oder Kunstfreunde, 
als Dichter, Componisten, Sänger, Capellmeister, Regisseure oder 
Directoren mit der Oper zu thun haben, basirt auf die Anforderun- 
gen der Gegenwart und auf zahlreiche, in den Text verwebte Aus- 
sprüche hervorragender Geister. 

*** Die Dresdener „Const. Ztg." schreibt: Wir können den in 
der Presse mannigfach verbreiteten Gerüchten, die Aufführung der 
„Meistersinger" sei in Dresden durch die unglaublichen Forderun- 
gen Richard Wagner's gefährdet gewesen, mit der authentischen* 
Versicherung entgegentreten, dass hier jedenfalls eine Uebertreibung 
vorliegt. Bei dem Stande des Werthes und Schutzes geistigen 
Eigenthums in Deutschland ist, wie vielfache Versammlungen von 
Dichtern und Componisten laut bezeugen, eine Besserstellung der 
letzteren gewiss dringend zu wünschen. Es wäre mithin nicht ver- 
wunderlich gewesen, wenn R. Wagner die Ueberlassung der „Mei- 
stersinger," eines mit ungemeiner Hingebung gearbeiteten Werkes 
echt deutschen Kunstfleisses , an hohe Forderungen geknüpft hätte. 
Aber 1500 Thlr. einmaliger Zahlung sind an sich eine verschwin- 
dend kleine Forderung. Hat doch Gounod für seinen „Romeo" 
hierselbst 1200 Thlr. empfangen. Die nunmehr mit Wagner 'ver- 
einbarte Tantieme von 7% der Einnahme, nach den Berliner Tau- 
ti&megesetzen bemessen, berechnet sich auf ziemlich ähnliche Höhe. 
Dass" Wagner die Kürzungen an einem mit fast beispielloser Sub- 
tilität gearbeiteten Werke nicht eben leicht wurden — er bat sie 
auf Vorstellung seines Freundes Tichatscheck sofort unternommen, — 
dass ferner zur Unterstützung der musikalischen Leitung (nicht zu 
ihrem Entsatz, wie geschrieben wird) ein Mann anhier empfohlen 
ward, dem die Partitur und die Intentionen Wagner's aufs Genaueste 
vertraut waren (Herr Correpetitor Richter aus München) — darin 
kann doch unmöglich eine anroassliuhe Forderung des Componisten 
erblickt werden, um so weniger, da keiner der Dresdner Capellmei- 
ster der Münchener Aufführung des in seiner Art völlig neuen Wer- 
kes beigewohnt hat, „Intentionen" aber häufig für den Erfolg aus- 
schlaggebend zu sein pflegen, 

*** Ein junger italienischer Maestro aus Bologna, Namens 
Dall'^ Argine, hatte die naiv kühne Idee, den durch Rossini 
bereits ziemlich bekannten und beliebten „Barbiere di Seviglia" 
aufs Neue in Musik zu setzen und so den genialen Pesareser ge- 
wissermassen zu 'einem musikalischen Zweikampfe herauszufordern. 
Was thut nun der junge, pfiffige Maestro, der, nebenbei gesagt, bis- 
her nur durch seine musikalische Farce „Die beiden Bären" 
(Idue orsi) einen noch dazu äusserst bescheidenen Erfolg errungen 
hatte? Angesichts der Gefahr, in die er sich muthwillig gestürzt, 
appellirt er an Rossini selbst, indem er ihm seinen neuen „Barbier" 
dedicirt, um auf diese Weise seine Kühnheit möglichst zu bemän- 
teln. Papa Rossini empfängt das an ihm gerichtete Schreiben des 
Maestro Dali 1 Argine (vom 2. August) mit gewohnter Bonhommie 
und beantwortet dasselbe in nachfolgender geistreich - sarkastischer 
Weise: „Herr Maestro Dali' Argine! Ich bestätige Ihnen den 
Empfang Ihres sehr geschätzten Schreibens vom 2. d. M. Obwohl 
Ihr Name mir nicht ganz unbekannt ist, da der glänzende Erfolg 
Ihrer Oper „Die beiden Bären" auch bereits bis zu mir gedrungen 
ist, gewährt es mir eine wahre Befriedigung, zu sehen, dass 8ie, 
„kühner junger Mann" (wie Sie sich selbst nennen!!), mir durah 
die beabsichtigte Widmung Ihrer eben vollendeten Oper einiger- 
massen Ihre Achtung bezeigen wollen. In Ihrem liebenswürdigen 
Schreiben finde ich nur das Wörtchen »kühn" überflüssig; ich hielt 
mich wahrlich nicht für „kühn," als ich nach dem Vater Paitiello 
das reisende Sujet von Beaumarchais (binnen zwölf Tagen) in Musik 



152 - 



seist«. Warum sollen Sie sieh dafür halten, da Sie nach einem 
halben Jahrhundert und noch dazu mit neuen musikalischen For- 
men einen „Barbier" schaffen wollen? Jener Paisiello*s wurde erst 
unlängst in einem der Pariser Theater aufgeführt, und swar mit 
einem Erfolge, wie ihn dieses geist- und melodienreiche musikalische 
Kleinod vollkommen verdient. Viel wurde bereits und wird noch 
zur Stunde «wischen den Kunstfreunden über den Vorzug der Site» 
reu und neueren Tonkunst polemisirt. Sie, mein Herr, sollten sich, 
ich rathe es Ihnen , an das alte Sprüchwort halten , dass zwischen 
zwei Streitenden der Dritte am besten fährt. Euer Wohlgeboren 
sind, Sie dürfen davon überzeugt sein, und ich wünsche es auch 
von ganzem Herzen, jener glückliche Dritte. Möge denn Ihr neuer 
„Barbiere," als ein grosser Bär, im Vereine mit Ihren bereits com- 
ponirten »Die beiden Bären" ein musikalisches Triumphirat bilden 
und Ihnen, sowie unserem gemeinsamen Vaterlande einen unver- 
gänglichen Ruhm sichern. Diese innigen Wünsche hegt für Sie der 
greise PeBarese, der sich nennt Rossini. — P. S. Die Widmung 
Ihres neuen Werkes nehme ich recht gerne an. Empfangen Sie in- 
dessen meinen verbindlichsten Dank. Passy, 8. August 1868." 

V* Der Tonkünstlervereiu in Dresden bat den als vor- 
züglicher Pianist bekannten und als College allgemein beliebten 
Musikdirector Adolf Blassmann zu seinem Vorstandspräsidenten 
erwählt. 

%* Die neueste Oper A u b e r's, „Der erste Gftickstag," welche 
in Prag die erste Aufführung ausserhalb Frankreich erlebte, hat 
dort nach der Brendel'schen Musikzeitung einen vollständigen Erfolg 
gehabt, nach einer Notiz der „Signale" dagegen Fiasco gemacht 
Eine Correspondenz in Zelluer's „Blättern für Th., M. und bildende 
Kunst" bestätigt das Letztere in ausführlichem Berichte, wogegen 
die „Neue Berliner Mus.-Ztg." wieder einen Bericht aus der „Prager 
Zeitung" bringt, der für das Werk förmlich schwärmt. „Wem soll 
man glauben hier?" sagt Don Ottavio. 

V Die renommirte Fabrik der HH. Seh äffer & Buden- 
berg in Buehau bei Magdeburg hat die Anfertigung des vom 
Lehrer Sehmeil daselbst erfundenen und patentirten Notographen, 
welcher Alles auf dem Ciavier Gespielte in Linieuschrift mit gross- 
ter Genauigkeit notirt, übernommen und das erste Exemplar bereits 
an den Prinzen Albert (Sohn) von Preussen abgeliefert. Das nächste 
Exemplar ist für den Grafen d'Asmont in Paris bestimmt. 

*** Bei Gelegenheit der Jubelfeier seines 50jährigen Bestehens 
wird der Cäcilienverein in Frankfurt a. M. die H-moll- 
Messe von Bach zur Aufführung bringen. 

*** Von C. A. Bitter, dem Biographen Seb. Bach's, wird 
demnächst eine Biographie der beiden bedeutendsten Söhne dessel- 
ben, E manu et und Friedemann, erscheinen. 

*** Das erste Heft der „Lieder ohne Worte" sandte Mendels- 
so h n nach London an Moscheies, damit derselbe einen Ver- 
leger für England ausfindig mache. Aber man war wenig geneigt, 
es für 30 Pfd. St., welche Moscheies forderte, zu edireo; Cramer, 
Beale & Co. lehnten ab, auch Novello. Da liess Moscheies das 
Heft im Einverstäudniss mit dem Componisten auf eigene Rechnuug 
drucken, und schon im ersten Jahre hatte man einen Gewinn von 
40 Pfd. St., im zweiten den doppelten — dann kaufte Novello das 
Eigentumsrecht nachträglich um hoben Preis au sich. 

*** In der Pianofortefabrik von Ernst Rosenkranz in Dres- 
den, welche bereits im Jahre 1797 gegründet wurde, ist dieser 
Tage das siebentausendste Instrument , ein Pianino , fertig- 
geworden. 

%• Vom 20. bis 22. Sept. wird in Schwerin das fünfte 
Mecklenburgische Musikfest gefeiert werden. Am ersten 
Tage wird Häodel's Oratorium „Israel in Egypteo" zur Auffüh- 
rung kommen. Der zweite Tag bringt : Ouvertüre und Scenen aus 
Olnek's „Iphigenie in Aulis," die Sinfonie in A-dur und Kyrie, 
Sanetus • Benedict™ und Gloria aus der Missa solennis von 
Beethoven. Das Programm für das dritte, sogenannte Künstler- 
conoert ist noch nicht festgestellt. Als Solisten wirken mit, die 
Damen : Frau Harriers-Wippern und Frau Joachim; 
die Herren : Schild, Hill und Krause und der Geigerkönig 
J o-a c b i m. Die Direction sämmtlicber Aufführungen ist in die 
Hände des Hofcapellmeisters AI. Schmidt gelegt. 

%* Die Orchestermitglieder der grossen Oper haben ihrem Di- 
rigenten Hrn. O. H a i n 1 ans Anlass ssiner Decorirung ein Bankefc 



veranstaltet, bei welchem swar nicht musicirt aber viel gesprochen 
und getoastet wurde. Es herrschten Heiterkeit und Gemüthlichkeit 
bei dem Feste, welches die Gäste bis zur späten Stunde versam- 
melt hielt. 

*** Auch in Prag ist das Hervorrufen der Darsteller bei offe- 
ner Scene abgeschafft worden. Möchte diese vernünftige Neuerung; 
doch recht bald bei allen Bühnen eingeführt werden. 

*«* Musikdirektor B i 1 s e wird mit seinem Orchester am> 
17. d. M. sein letztes Concert in Warschau geben und sodann 
nach Berlin zurückkehren , wo am 1. October seine Concerte- 
wieder beginnen werden. 

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ders „Admetus' Haus" für Männerchor, Soli und Orchester» 
Partitur 6 Thlr. 

— Op. 14. Orchesterstimmen. 6 Thlr. 16 Sgr. 
Qrafeen-HoiYman. Op. 80. Das Studium des Gesanges nach 

seinen musikalischen Elementen. 

Theil I. Heft 1. 2 Thlr. 5 Sgr., Singstimme 12 Vi Sgr. 
Theil 1. Heft 2, 2 Thlr. 5 Sgr., Singstimme 20 Sgr. 
Theil II. 2 Thlr. 10 Sgr., Singstimme 15 Sgr. 
Theil III. 2 Thlr. 10 Sgr., Singstimme 17 1 /* Sgr. 
Hiller» Ferdinand. Op. 126. Drei Phantasiestücke. (1. An» 
Meeresstrande. 2. Lamentation. 3. Waffentanz) für das Pianoforte« 
Complet 1 Thlr. 5 Sgr. N # 1. 15 Sgr., N # 2. lOSgY., N* 3. 15 8gr. 
Harn, A«S* Op. 23. Frühlingslied für das Fianoforte. 7 Vi Sgr. 

— Op. 28. „Sinke hinab, ambrosische Nacht." Lied für eine Sing- 
stimme (mittlere Stimmlage) mit Begl. des Pianoforte. 10 Sgr.. 

Jtodaasonn, S. Op. 38. Sechs Lieder für zwei hohe Stimmea 
(Canons) mit Begleitung des Pianoforte. 25 Sgr. 

Kücken, Fr. Op. 87. Neue Puette. N # 1. „Schöner Stern.* 
«• 2. „Im Mai." N* 3. „Es fuhr ein Fischer." — Dichtungen 
von Julius Sturm, — für Singstimmen, (Sopran oder Tenor und 
Alt), (Sopran oder Tenor u. Bass) m. Begl. des Pianoforte. 1 Thlr.. 

Ro«en. Walther von. Op. 12. Zwei Lieder: 1. Ich trag* 
eine Liebe im Herzen. 2. Stille Liebe, — für Sopran o3es- 
Tenor mit Begleitung des Pianoforte. 15 Sgr. 
Leipzig, im September 1868. 

JFr. Kistner* 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl. Wallau, Main*. 



17. Jahrgang. 



il* &9. 



28. September 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



> Diese Zeitung erscheint jeden 



V © B 8 I t g 






PREIS: 



-/»,^ 
* 



von 

■■ 



MONTAG. 
ämtern, Musik- & Buchhand- B. SCHOTTS SÖHNEN III MAINZ. 

UUgen * v Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 






-v4 



fl. 2. 42 kr. od. Th.l.l8Sg. 
| für den Jahrgang. 
| Durch die Post bezogen: 
' 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 






INHALT : Zur Geschichte des deutschen Männergesanges. Die Braut von Azola. — Corresp.: Paris. — Nachrichten. 



Zur Geschichte des deutschen Männer- 

Gesanges* 

Von W. lackowitz. 



I. 

Der deutsche Männergesang ist heut zu Tage eine 
Macht geworden, fast konnte man sagen eine weltbewegende Macht. 
Tausende und aber Tausende von Menschen schaaren sich um sein 
Banner, vergessen alles Grolles, aller Parteibestrebungen, und singen 
ein Lied, das gemeinsam aus Aller Mnnde frisch und fröhlich gen 
Himmel schallt. Wohl gab es eine Zeit, in welcher das Wort aus- 
gesprochen werden durfte : „Deutschland hat keine Zeit zum Sin- 
gen" — und doch hat gerade jene Zeit selbst nur zu deutlich den 
Irrthum dieses Ausspruches gezeigt. Nimmer hat der Deutsche sich 
so zum deutschen Stammesbruder hingezogen gefühlt, als wenn er 
mit ihm gemeinsam singen konnte. Nirgends zeigt sich das Band, 
das die grosse, leider so sehr verzweigte Familie einigend um- 
schlingt, so deutlich, als wenn irgend eines der urdeutschen Xiieder 
angestimmt wird, das mit „urkräftigem Behagen die Herzen aller 
Hörer zwingt," sie mögen aus Nord und Süd, Ost und West, dies- 
seits oder jenseits des Oceans versammelt sein. Der Deutsche hat 
immer Zeit zum Singen gehabt, und er hat auch immer gesun- 
gen. Freilich ist sein Singen ein anderes geworden, weil die Zeit 
eine andere geworden ist. Ihr Zug hat ihn zur Vereinigung, zum 
Sichanlehnen an den Nachbar gedrängt, wie in allen Sachen, so 
auch im Gesänge, uud es ist gar keine Frage, dass der deutsche 
Männergesang eine mächtige, ergreifende Wirkung hat, wenn die 
ihm von der Natur scharf gezogene Grenzlinie nicht überschritten 
und seine Eigentümlichkeit richtig erkannt wird. Er ist daher dem 
Volke gegenüber eine Macht geworden, der Kun&t gegenüber aber 
eine besondere Kunstgattung, deren Berechtigung nicht mehr bestrit- 
ten werden kann. Mögen sich auch noch ab und zu Stimmen da- 
gegen erheben! Was sie wollen, trifft nicht den Kern der Sache. 
Ein Weizenfeld ohne Unkraut ist eben ein Unding; das Unkraut 
hat nicht Mark noch Dauer, es wächst, blüht und verdorrt, der Wei- 
zen aber trägt köstliche Früchte und wird eingeerntet. 

Das Volk hat immer gesungen, wenn auch nicht in vierstim- 
migem Männerchor. Was es sang, waren Weisen, die in rührender 
Einfachheit der Liebe Leid und Lust, in sprudelnder Laune des 
Lebens Freuden zum Ausdrucke brachten, und was dem Volke in 
dieser Einfachheit entgegen gebracht wird, das nimmt es zweifels- 
ohne heut noch mit derselben Freude auf. Die verzwickte Raffi- 
nirtheit und Blasirtheit der heutigen Zeit lässt es nur leider selten 
noch zu so einfachem Herzensergüsse kommen ; es ist aber jeden- 
falls gänzlich uubegründet, zu behaupten, dass heut 1 keine Volks- 
lieder mehr entstehen könnten. Sie entstehen, behaupte ich, heut' 
noch eben so gut, wie jemals, denn das Volk dürfte in seiner Ge- 
sammtheit wohl kaum jemals anders gewesen sein. Nur — andere 
Zeiten, andere Verhältnisse, daher auch andere Lieder. „Das Volks- 
lied," sagt A. ß. Marx irgendwo, „ist die Unsterblichkeit der Mn- 
»ifc. Es ist ewig dasselbe, wenngleich es in seiner Ausprägung 



nach Zeit und Ort wechselt. Es gehört der grauesten Vergangen- 
heit an, wie der blühenden oder bestaubten Gegenwart, und zugleich 
ist es die eigentliche Zukunftsmusik. Es ist die unantastbare Musik 
von Gottes Gnaden. Denn sein Schöpfer und sein Inhalt ist überall 
uud alle Zeit derselbe: das Volk selber und der in das Lied über- 
gehende Inhalt des Volkslebens. Was das Volk mit regem Gemüths- 
antheil an Ereignissen erlebt oder an Stimmungen durchlebt, oder 
in sinniger Betrachtung sich zum Schatz seiner Seele zurücklegt: 
das ist der unversiegbare Inhalt seines Liedes und seines Lebens. 
Die Volksstimmung — die Stimmung jedes Volkes für sich und in 
jedem seiner Lebensmomente, in jeder Richtung seines Gemüths — 
das ist der Grundgehalt des Volksliedes . . . Aus dieser seiner Natur 
ist auch zu begreifen, wesshalb die tiefem Componisten es wohl 
lieben, selten aber hervorbringen ; der Inhalt ihres Geistes ist eben 
nicht der allgemeine, sondern ein ihnen eigentümlicher, eigenster 
Gesang. Der alte H il 1 e r, Schulz, der alte Reichard t, viele 
achtbare neuere Sänger haben Volksliedern Entstehung gegeben, 
andere Lieder sind von Nichtmusikern, andere von ungenannten 
Aelplern , Jägern , Kriegsgenossen ausgegangen. Bach dagegen, 
Gluck, Beethoven haben das Volkslied geliebt, denn sie haben 
es in ihren Werken vielfach benutzt ; aber dagegen gaben sie ihm 
nichts, eben so wenig wie Mozart; nur Haydn bat ein Lied und 
Weber einige Melodien (die er zum Theil wieder dem Volke 
dankt) beigesteuert. Das ist das Volkslied. Unberechenbar ist seine 
Wichtigkeit." 

Gewiss ist seine Wichtigkeit unberechenbar. Das Volkslied ist 
der nie versiegende Born, aus welchem das Volk seinen Bedarf an 
Poesie und Musik schöpft; nur was einfach und schön ist, dem Ge- 
müthsleben, den Stimmungen des Volkes entspricht, wird von ihm 
aufgenommen, in treuer Liebe bewahrt, gehegt und gepflegt und 
sorgsam fortgepflanzt. So ist es gewiss immer gewesen, und der 
Ausdruck, wie ihn auch Marx in Vorstehendeftr^gebraucht, das Volk 
sei der Selbstschöpfer seiner Lieder, ist zum mindesten unklar. Wie, 
wenn ich so sagen darf, das Volk in Masse sich befruchten und ein 
Lied componiren soll, ist mehr oder minder schwer zu begreifen. 
Es kann nur aufnehmen, ihm Zusagendes zusammentragen, je nach 
Umständen variiren, und was so recht frisch und frei der jeweiligen 
Stimmung entspricht, ist ihm das Liebste. Es ist aber sicherlich 
immer nur ein Einzelner, von welchem der Impuls ausgeht, und 
bedenken wir das Wesen der musikalischen Kunst, so kann es im- 
mer nur ein Musiker oder doch ein musikalisch sehr begabter Mensch 
gewesen sein. Diese Zweifel näher zu beleuchten, würde indessen 
hier zn weit führen und mich in Gefahr bringen, von meinem eigent- 
lichen Thema allzuweit abzuschweifen. Ich behalte mir eine solch« 
nähere Betrachtung für eine besondere Gelegenheit vor, stimme aber 
in obigen Ruf: „Unberechenbar ist der Volkslieder Wichtigkeit," aus 
vollem Herzen ein. 

Unberechenbar ist aber auch der Schatz, den das Volk an seinen 
Liedern besitzt. Jahrhunderte haben daran gesammelt und aufge- 
speichert, und den Forschern bietet sich hier ein geradezu unerschöpf- 
liches Feld. Aber nur den Forschern? Was bat das Volk davon? 



— 154 — 



Vom Forsche u freilich nichts, wohl aber vom Mittheilen des 
Erforschten. Dam bedarf es aber wieder eines Mediums , und ich 
glaube, dass der Mänuergesang ein nicht hoch genug anzuschlagen- 
des Medium ist. Ich weiss sehr wohl, dass ich damit anf Wider- 
sprach stossen werde, denn die Zahl derer ist nicht klein, welche 
•ine mehr« timmige Bearbeitung der Volkslieder durchaas verwerfen* 
Ich meine, das thun sie mit Unrecht. Der Männergesang hat nun 
einmal in einer ungeheuren Uebermächtigkeit Platz gegriffen und 
stellenweis das ehemalige einmüthige Zusammensingen unter der 
Dorflinde fast, ganz verdrängt. Der eigentliche Volksgesang ver- 
stummt mehr und mehr, und was der Männergesang dafür bietet, 
ist leider — leider nur zu häufig ein Ersatz der allererbärm- 
lichsten Art. Ueber die Bemühungen einiger eifriger Sammler, un- 
ter welchen der uorddeutsche Ludwig Erk in erster Reihe zu 
nennen ist, durch mehrstimmige, dem Bedürfnisse entsprechende 
Bearbeitungen die Volkslieder in die Männergesangvereine einzu- 
führen und durch diese dem Volke erhalten zu lassen , ist des- 
halb keineswegs so leichtfertig der Stab zu brechen, wie es wohl 
geschehen ist. Es kennzeichnet sich darin eine tiefernste Auffassung 
des Volksgesanges, ein inniges Eingehen anf die Bedürfnisse des 
Volkes, und das edle Bestreben, den köstlichen Born fortwährend 
frisch sprudelnd zu erhalten und das stagnirende Sumpfgewässer 
einer überwiegenden Sorte von Männergesang mit seinen Geist und 
Qemüth ertödtenden Miasmen fortzuschwemmen. — Es kann Einem 
— um mich eines hierorts üblichen Volksausdrucks zu bedienen — 
ganz „himmelblau zu Muthe" werden , wenn man diese thränen- 
drüsenquetscherlichen Baritonsolis mit Brumm- oder Flüsterstim- 
menbegleitung, oder G angliche Walzer u. dergl. hören muss, und 
es ist auch dem schärfsten Verstände unerklärbar, wie sonst ganz 
verständige Männer und Familienväter diesem „höheren Blödsinn" 
stundenlang die ernsteste Aufmerksamkeit widmen und dabei noch 
obenein ihr gutes Geld für bairisch Bier hingeben können. Man ist 
"versucht, mit E. T. A. Hoff mann auszurufen: „O schreie, quicke, 
miaue, gurgle, stöhne, tremulire, quinckelire; — o Satan! Satan! 
welche deiner höllischen Geister sind in diese Kehlen gefahren!" 

Die Männergesangvereine sind ein Erzeugniss der Neuzeit, sie 
haben kaum ihr 50jähriges Jubiläum gefeiert. Ausgegangen von 
dem geselligen Kreise einiger geistvollen Männer zeigen sie noch 
heut den Stempel ihrer Entstehung, nämlich den vorwiegend gesel- 
ligen Character. Ihre beispiellos schnelle Ausbreitung verdanken 
sie aber wohl ohne Zweifel dem Umstände, dass die musikalische 
Bildung sich in unendlich erweiterten Kreisen verbreitet hatte. Denn 
noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts war es oft unmöglich, selbst 
in grösseren Städten nur einen Chor überhaupt zusammen zu brin- 
gen; nun gar einen Männer chor zu organisiren, lag gänzlich aus- 
ser der Möglichkeit der Verhältnisse. Wir sind bei unserm 
Ueberreichthum an dergleichen Veranstaltungen kaum im Stande, 
uns in diese Lage unserer Väter hinein zu denken und möchten 
ihre Klagen fast lächerlich finden. Setzt doch J. C. F Bell st ab, 
der Vater des bekannten Musikkritikers Ludwig Rellstab, in einer 
eigenen Broschüre weitläuftig die Gesichtspunkte fest und gibt die 
Wege an, auf welchen es möglich sein dürfte, in Berlin einen stän- 
digen Chor von wenigstens 30 Personen zusammen zu stellen. Das 
geschah in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, und 
jetzt? — 

Bach, Händel, Gluck, Haydn, Mozart kennen den 
Männergesang nicht, er ist ihnen wenigstens als Gattung unbekannt, 
wenn *uch einzelne Beispiele der Anwendung vorkommen. Schon 
Michael Haydn hat 1788 in Salzburg 14 selbstständige Man- 
nerqiartette drucken lassen , es existirten ausserdem italienische 
Kirchenstücke für Männerstimmen , und Mozart hat auch in der 
Zauberflöte (Priesterchöre) davon Gebrauch gemacht. Beethoven 
war zwar noch Zeitgenosse der ersten selbstständigen Entwickelung 
des Männerchors, sein Biesengeist aber musste sich in anderen, 
grösseren, viel bedeutenderen Formen und Elementen bewegen, und 
er schenkte deshalb dem Aufkeimenden keine Aufmerksamkeit. Die 
Männer also, welche sich des jungen Kindes annahmen, konnten 
auf keine Vergangenheit zurückblicken, sie fanden nichts vor, uud 
waren daher gänzlich auf ihre eigene Schaffenskraft angewiesen. 



öle Braut von Jazola« 

Oper in 3 Acten. 
Text von Adrian Linden und Adolph Ratsch, 

Musik von Ludwig Liebe. 

Zum erstes Male aufgeführt zu Carlsruhe am 9. September 186t. 



Das Geburtsfest des Grossherzogs von Baden, vom ganzen Lande 
mit so grosser Begeisterung gefeiert, fand wie immer auch in diesem 
Jahre seinen Abschluss in der Festvorstellung des grossherz. Hof- 
theaters zu Carlsruhe. Wie gewöhnlich bei derartigen Veranlassungen, 
war auch diesmal ein bedeutendes neues Werk zur Aufführung vor- 
bereitet worden. Die Wahl eines solchen wird immer eine schwie- 
rige sein, aber sie darf im vorliegenden Falle als eine glückliche 
bezeichnet werden, denn sie fiel auf eine solcher Auszeichnung wür- 
dige dramatische musikalische Schöpfung. Wir kennen Liebe (geb. 
1819 iu Magdeburg, seit einigen Jahren in Paris lebend) längst als 
einen fruchtbaren und talentvollen Componisten. Seine zahlreichen 
Lieder, seine vielen Chorsachen haben ihm viele Freunde und einen 
bedeutenden Namen erworben. Nun hat es der strebsame Tonsetzer 
versucht einen Schritt weiter zu thun und zum ersten Male mit 
einem grösseren und umfangreicheren Werke vor das Publikum zu 
treten. Es ist kein Nachtheil, wenn ein Tonsetzer zuerst in kleine- 
ren Formen sich versucht und es darin zu einer gewissen Meister- 
schaft bringt. Schönheit der Melodie, Klarheit der Harmonie, feste 
Begranzung der Form, Dinge die man zunächst an weniger umfang- 
reichen Toosätzen üben und anwenden lernen muss, werden auch 
stets die Grundlagen grösserer Compositionen bilden. Besonders 
aber braucht ein dramatisches Werk mehr als jedes andere 
schöne Melodien, klare Harmonien und straffe Formen. Allerdings 
wird damit allein noch immer nichts erreicht sein. Die Melodien 
müssen warm, zu Herzeu gehend und weithinaustragend, die Har- 
monien tief, characteristisch uud der Situation angemessen sein, die 
Musik soll der Handlung von der weichsten lyrischen Stimmung bis 
zu tosender Leideuschaft und zu bezauberndem Humor folgen. Es 
ist daher ein weiter Abstand von einem Lieder- bis zu einem 0- 
perncomponisten und nicht jeder der gute und ansprechende Lieder 
zu schreiben vermochte, hat sich mit gleichem Erfolge auf die Bühne 
wagen dürfen. Wir sind in der Lage in dem von uns zu bespre- 
chenden Falle bestätigen zu können, dass L i e b e mit seiner neuen 
Oper sich weit über seine bisherigen Leistungen hinausgeschwuugen 
und ein Werk geliefert hat, welches des allgemeinen Beifalls, den 
es fand, vollständig würdig war. 

Die Handlung der Oper ist eine sehr einfache. Ein braves 
liebeswürdiges Landmädchen liebt einen armen aber hübschen Gärt- 
nerburschen. Die beiden Leutchen, eben im Begriffe zur Kirche zu 
gehen, um sich trauen zu lussen, werden plötzlich getrennt: Der 
Bräutigam (Henry), eines gemeinen Verbrechens beschuldigt, wird 
arretirt, die trostlose Braut (Joanne) bleibt allein zurück. Dies ist 
die Handlung des ersten Actes. Im zweiten Acte, der einige Jahre 
später spielt, sehen wir Jeanne vou einem zudringlichen alten Lieb- 
haber (Postmeister Benoit) belästigt uud fast mit Gewalt zu einer 
Verbindung mit ihm gedrängt. Die rechtzeitige Rückkehr Henry** 
vereitelt noch im letzten Augenblicke die Intrigue, in welche Benoit 
die noch immer trauernde Jeanne verwickelt hat. Der dritte Act 
versetzt uns in das Schloss des Marquis von Azola. Es ist Fa- 
schingszeit; nach langjähriger Abwesenheit ist wieder ein Besitzer 
Azola's auf dem alten Familiengut eingekehrt; eine fröhliche Gesell- 
schaft ist vers mmelt, um dies Ereigniss zu feiern; besang und Tanz 
füllen die Räume des Schlosses. Jeaune sieht sich jetzt aber nicht 
nur vom alteu Benoit, sondern auch vom jungen Gutsherrn verfolgt. 
Ihre Liebe zu Henry lägst sie jedoch alle Prüfungen bestehen, alle 
Anträge zurückweisen und als ihre Noth am Höchsten gestiegen ist, 
verwandelt sich der Marquis in ihren so treu geliebten Henry und 
ihre Ausdauer uud Anhänglichkeit wird durch den Besitz desselben 
schliesslich belohnt. Das Sujet hat zwar noch einige Längen, aber 
es ist unläugbar mit grosser Geschicklichkeit und Bühnenkenntniss 
bearbeitet, durch zahlreiche hübsche Episoden bereichert und fort- 
während interessant gebalten. Die Handlung entwickelt sich mit 
eiuer gewissen Würde und Noblesse, die Verse sind gut und sowohl 
die lyrischen, wie die dramatischen und komischen Momente bilden 
angenehme Gegensätze. Die Herren Linden uud Katsch haben also» 



155 - 



dem Tousetzer glücklich vorgearbeitet. Die Musik ist durchweg 
melodisch, ohne oberflächlich, leicht, ohne flüchtig zu werden. Die 
lyrischen Stellen erscheinen besonders gelungen, doch sind auch die 
•drainatiscbeu von hinreissender Leidenschaftlichkeit und namentlich 
ist die Steigerung in den Finalen des ersten und des dritten Actes 
eine meisterhafte. Zu den schönsten Partien der Oper sind die fri- 
schen Chöre, die tiefempfundenen Lieder und Cavatinen, die sehr 
gut ausgeführten Arien su zählen. Die Gesangpartien sind sämmt- 
lich äusserst sangbar gehalten, ohne an die Darsteller besondere 
Ansprüche zu machen oder haitibrechende Schwierigkeiten ihnen zu- 
zumuthen. Man erkennt aus der Stimmführung sofort den Kenner 
■der Stimme und den practischen Gesangscomponisten. Die Instru- 
mentation ist durchweg fein und mit grossem Geschicke ausgeführt. 
Nirgends findet sich eine Ueberladung oder eine Leere. Die Ge- 
sangspartien vertheilen sich auf zwei Soprane, zwei Tenöre und 
«inen Bass. Nachdem wir vorstehend die der Oper günstigen Mo- 
mente zusammengefasst haben, bemerken wir, dass der erste Act 
einige Laugen, namentlich im grossen Duett (Nr. 2) hat und dass 
■die Wirkung gerade dieses Actes durch zahlreiche getragene Melo- 
dien etwas beeinträchtigt wird. Die in der Oper angebrachten Par- 
lando's bewegen sich noch n ; cht mit völliger Freiheit und in den 
komischen Partien, mit Ausnahme eines ganz reizenden Duettinos 
(Nr. 16), vermissen wir Neuheit und einen gewissen zündenden 
Humor. 

Ehe wir nun zur Aufzählung der vorzüglichsten Nummern der 
Oper schreiten, sei noch bemerkt, dass durch das ganze Werk eine 
glückliche Steigerung gehe. Je weiter die Musik vorschreitet, um 
so mehr Interesse gewinnt sie ; die Melodien werden immer leben- 
diger und ausdrucksvoller und im letzten Act, eigentlich nur einem 
grossen Ensemble, findet sich mit Erfolg Alles vereinigt, was den 
Hörer befriedigen und erfreuen, ja entzücken kann. Es ist daher 
begreiflich, das»- der Beifall bis zum Schlüsse mehr und mehr sich 
•steigerte und dass nicht nur die Laien einen höchst genussreichen 
Abend der Aufführung zu dauken hatten, sondern dass auch die Mu- 
sikkenner, die ja stets durch die erstmalige Darstellung eines neuen 
Werkes angelockt werden und ihm in der Regel mit einigem Miss- 
trauen entgegentreten, volle Befriedigung fanden. Das Stück bot in 
-seiner Ausstattung nichts Anspruchsvolles und Ueberladenes, aber es 
war mit grossem Verstäudniss und feiuem Geschmacke in Scene ge- 
setzt, wie das denn auch von einer Bühne, die unter E. De vrient's 
Leitung steht, nicht anders zu erwarten steht Herr Hofcapellmeister 
Levi hatte sich der Einstudirung der Oper mit grösstem Fleisse und 
rühmenswerther Sorgfalt hingegeben, so dass eine bis in die klein- 
sten Details fein ausgearbeitete Vorstellung ermöglicht wurde. Die 
Vertreter der Gesangspartien Frl. Formanek und Hr. Stolzen- 
berg, Frau Haus er und die Herren Kürner und Oberhofer, 
wenn auch nicht aus den besten Kräften der Carlsruher Hofbühne 
ausgewählt, hatten ihre Partien fleissig studirt und sangen mit Lust 
und Begeisterung. Der Chor, in Carlsruhe zahlreicher und vortreff- 
licher als anderswo, war tadellos; das Orchester entzückte nament- 
lich durch die grosse Discretion, mit der es accompagnirte. 

Die Oper beginnt mit einem sehr schönen „Chor" (Nr. 1), dem 
ein lebendiges „Trinklied" eingewebt ist. Von grosser Wirkung ist 
die darauf folgende „Arie" der Jeanne (Nr. 3) und in ihr besonders 
wieder das „Lied der Mutter." Zu den besonders gelungenen Num- 
mern des ersten Actes dürfte noch zu zählen sein : „Recitativ und 
Chor" (Nr. 10) und das „Finale" (Nr. 11), letzteres ein prachtvolles 
Tonstück von der packendsten Gewalt. Die erste Nummer des zwei- 
ten Actes bringt einen sehr lieblichen „Frauenchor" (Nr 12), dann 
die grosse „Arie" Henry's (Nr. 13), welche durch Mannigfaltigkeit 
der Stimmungen und glücklichen Ausdruck hervorragt. Nicht min- 
der gelungen ist die folgende tiefempfundene „Cavatiue" der Jeanne 
(Nr. 14). Des ganz vortrefflichen „Duettino's (Nr. 16) haben wir 
bereits gedacht. Die sehr hübsche „Walzerarie" (Nr. 17) wird bald 
■eine Lieblingspiece unserer Sängerinnen sein; sie eignet sich vor- 
trefflich als Einlagsarie. Ein „Trio" (Nr. 17) und der „Chor der 
Postülone" (Nr. 19), mit dem der Act schliesst, reihen sich den vor- 
ausgegangenen Nummern vollkommen ebenbürtig an. Alle diese 
Piecen faudeu reichen, sich steigernden Beifall. Der dritte Act 
zeichnet sich besonders durch schöne Chöre und Tänze aus ; vor 
Allem aber erhält er grossen Reiz durch eine „Romanesca" aus der 
2. Hälfte des 16. Jahrb., die dem „Finale** (Nr. 25) zu Grunde liegt. 



Dieses Finale ist wieder ganz entzückend und von grösster Wir- 
kung. Der Componist wird nach den Erfahrungen der ersten Auf- 
führung einige Kürzungen sich gefallen lassen müssen, aber alsdann 
wird sein Werk auch ein durchaus bühnengerechtes genannt werden 
können und jede Bühne, die zu dessen Aufführung sich entschliesst 
— und eine solche ist ohne Kosten und hervorragende Kräfte zu 
ermöglichen — wird ein dankbares Repertoirestück in ihm gewin- 
nen. Wünschen wir dem Tonsetzer auch anderswo allen den Er- 
folg, den sein schönes Werk so sehr verdient. 

H. M. Schletterer. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Paris. 

21. September. 

Die Wintersaison ist vor der Thüre ; die lyrischen Scenen sind 
daher in voller Thätigkeit. Was die grosse Oper betrifft, so hat 
sie gestern bereits die erste Supplementsvorstellung gegeben. Diese 
Vorstellungen werden während des Winters abwechselnd Sonnabends 
und Sonntags stattfinden. 

Vorgestern hat die Opera romique Auber's jüngstes Musen- 
kind, Le Premier jour de bonheur, wieder dem Publikum vorge- 
führt. Die Rolle der Djelma, die bisher von der schönen Marie 
Boze gegeben wurde, gab diesmal eine Debütantin, Frl. Moisset, 
ein erster Preis des Conservatoriuras. Die Debütantin kann mit 
ihrem Erfolg vollkommen zufrieden sein. 

Pasdeloup hat bereits die Direction des The'dlre lyrique 
angetreten und wird wahrscheinlich am 15. October mit „Le Val 
d Alidorre" das Haus eröffnen. Die armen Compositeure, die der 
frühem Direction ihre Werke zur Aufführung eingesendet, sind auf- 
gefordert worden, dieselben wieder abzuholen. Man kann sich 
denken, welche Bestürzung diese Aufforderung erregt, wie viel Hoff- 
nungen sie gestört. Pasdeloup wäre, beiläufig gesagt, vor einigen 
Tagen durch den Sturz einer Decoration beinahe erschlagen wor- 
den; er kam glücklicherweise mit einigen leichten Contusionen am 
Kopfe davon. 

Adelina Patti trifft nächsten Donnerstag von Hamburg 
hier ein und wird im Italienischen Theater als Lucia von 
Lamermoor den Cyclus ihrer Gastrollen eröffnen. Sie bleibt nur 
bis Mitte November hier und geht dann nach Petersburg. 

Offenbach, der, wie ich Ihnen berichtet, schon wieder ein 
Viertel Dutzend Operetten aus dem Aermel geschüttet, studirt in 
diesem Augenblick eines dieser Werke in den Bouffes Parisiens 
ein, mit denen er sich vollständig wieder ausgesöhnt. Der Saal 
dieses kleinen Theaters ist neu decorirt worden. — Auf der ge- 
nannten Bühne soll im Laufe des bevorstehenden Winters eine Ope- 
rette von H a 1 £ v y, „Le Dilettante cPAvignon," zur Darstellung 
kommen. Dieselbe wurde 1827 zum ersten Male in der Opera 
comique aufgeführt. 

In dem Athe'nee erlebt dieser Tage die Opera buffa „Fleur 
de The" die hundertste Vorstellung. 

Tamberlick ist seit voriger Woche in Paris ; seine Gast- 
rollen wird er hier erst im Januar eröffnen. 



*OOtl 



I H c h r i c h t e n. 



Mainz. Am 17. d. M. brachte der Nachmittags von Ludwigs- 
hafen hier eintreffende Eisenbahnzug die Leiche des Herrn Eduard 
Frech, Mitglied der Hofcapelle in Mannheim mit, welcher an- 
scheinend im besten Wohlsein von Mannheim abgereist, sich unter- 
wegs lebhaft mit seinen Reisegefährten unterhalten hatte und erst 
kurz vor der Ankunft in Mainz mit der Bemerkung, er fühle sich 
plötzlich unwohl, seine Cigarre weglegte und in demselben Mome nte, 
ohne das geringste Zeichen eines Todeskampfes, verscheidend zu- 
rücksank. Der so unerwartet Geschiedene war erst 49 Jahre alt 
und in Mannheim als tüchtiger Künstler uud liebenswürdiger Mensch 
allgemein gekannt und geachtet. 

Wiesbaden. Hr. Capellmeister Keler-Bela gab kürzlich ein 
Coucert im Kursaale unter Mitwirkung der HH. Pallat (Ciavier), 



- 156 — 



Stein bar dt (Violine) und Borehers (Tenor) sowie der Damen 
Frl. Clara Perl, der trefflichen Altistin des Darmstädter Hofthea- 
ters, nnd Frl. Johanna Buska, welche ein paar recht ansprechende 
Gedichte mit Anmnth nnd Geschmack vortrug. Sammtliche Vor- 
träge, insbesondere die neuen Walser von dem Concertgeber cqm- 
ponirt nnd von seinem Orchester mit bekanntem Schwünge ausge- 
führt, fanden den lebhaftesten Beifall. 

Berlin. Am ll. gastirte in Meyerbeer's „Robert der Teufel" 
Frl. Kropp vom Wiener Operntbeater als Isabella. Die Sängerin, 
die wir schon vor einigen Jahren auf der hiesigen Bühne gehört 
haben, überwand die Schwierigkeiten der Bravourarie im zweiten 
Act ohne Anstrengung, doch gelang es ihr nicht, den poetischen 
Passus durch leidenschaftlicheren Vortrag su beseelen. Frau von 
Voggenhuber als Alice hatte mit der hohen Lage der Partie 
su kämpfen und brachte nur in den Kraftstelren ihre Stimme zur 
Geltung. Die glänzende Leistung des Herrn Woworsky als 
Robert wurde, wie der Bertram des Herrn F r i c k e, mit Beifall 
überhäuft. 

München. Die dritte Aufführung der Oper „Ruy Blas" von 
Max Z enger, unter der Leitung des Componisten, hatte wieder 
ein zahlreiches Publikum angezogen, welches oftmals den lebhaf- 
testen Beifall spendete, obwohl die Executirung an auffallenden 
Mängeln, besonders im Orchester, litt. Es ist wohl nicht zu zwei- 
feln, dass das vielfach interessante Werk sich auf dem Repertoire 
erhalten wird. 

— Am 27. September kommt im königl. Hoftheater A u b e r's 
neueste Oper «Der erste Glückstag" zum ersten Male zur Auf- 
führung. 

CftSSel. Bis zur Wiederherstellung des Hrn. Hofcapellmeisters 
C. Reiss ist die Direction der grösseren Opern Hrn. Capellmeister 
L a m p e r t von Gotha übertragen worden. 

Wien. Hr. Director Hellmesberger wird in kommender 
Saison seine so sehr beliebten Quartettunterbaltungen wieder geben 
und zwar im Verein mit den Herren Bachrich, Brodsky und 
Popper. 

P&ris. Vom 1. Jannar bis zum 3l. Juli wurden in Paris 618 
Concerte gegeben; davon kommen 144 auf den Monat März und 
128 anf den Monat April. 

— Auf Grund des neuen Gesetzes über das literarische Eigen- 
thum hat der „Vereiu der dramatischen Schriftsteller uud Compo- 
nisten" 4000 Frcs. an die Erben C. M. von Weber's ausbezahlt, 
als die ihnen gebührende Tantieme für die Aufführung Weber'- 
scher Opern im The'dtre lyrique, 

— Pasdeloup beabsichtigt im Monat Februar des kommen- 
den Jahres im The'dtre lyrique deutsche Aufführungen der Opern 
„ Tannhäuser," „Lohengrin" und „Der fliegende Holländer" zu ver- 
anstalten. Frl. Stehle vom Hoftheater in München hat eine Eiu- 
ladung erhalten, die Partien der Elisabeth, Elsa und Senta zu über- 
nehmen. 

Brüssel. In Folge des von der Musik Verlagshandlung der 
„Gebrüder Schott" und dem „Congres de musique religieuse du 
Belgique" veranstalteten Concurs für Kirchenmusik hat der Ritter 
X. van Elewyck, als Secretair des Comites die Mitglieder des 
Preisgerichts in seiner Wohnung in Lüttich zu einem wahrhaft 
fürstlichen Bankett versammelt, bei welchem u. A. von Herrn 
Vervoitte ein Toast auf Hrn. van Elewyck, den ausgezeichneten 
Künstler, Schriftsteller und Amphitryon ausgebracht wurde. Es gibt 
wohl wenig Männer, die wie van Elewyck ihre Zeit und ihr Ver- 
mögen in so edler Weise der Kunst zum Opfer bringen. 

Pest. Am 12. d. Mts. eröffnete Herr Niemann einen Gast- 
rollencyclns anf hiesiger Bühne mit der Rolle des Masaniello. Das 
zahlreiche und von den höchsten Erwartungen erfüllte Publicum 
fand jedoch diese durch die Leistung des Gastes bei weitem nicht 
befriedigt und es bleibt zu wünschen, dass der berühmte Gast seinen 
grossen Ruf im weiteren Verlaufe seines Gastspiels besser geltend 
machen werde, als ihm dies bei dem ersten Auftreten gelungen ist. 

*** Frau Passy-Cornet, Gesanglehrerin am Conservatorium 
in Wien, hat sich mit einem dortigen Kaufmann, Hrn. Köhler, 
verheirathet. 

*** Die Hofopernsängerin Frl. Mallinge r in München hat 
sich mit dem baierischen Hofschauspieler O. F. Schimmelpfen- 
nig, genannt von Düringsfeld, verlobt. 



V* Die älteren Opern Rieh. Wagner'e werden bei Lucca 
in Mailand, der das Verlagsrecht derselben für Italien erworben, 
hat, mit italienischem Text erscheinen. 

*** In Aachen kam Meyerbeer's „Afrikanerin" zum ersten 
Male zur Aufführung und wurde mit grossem Beifall aufgenommen» 
Als ganz besonders verdienstvoll muss die Leistung der Fräul. von 
Edelsberg als Selica bezeichnet werden. 

*** Am Hoftheater in S ch w e r i n wird in kommender Saison» 
Mozart's „Don Juan" mit neuem Texte und völlig neuer Insceni- 
rung zur Aufführung kommen. 

%* Der Componist und Professor am Conservatorium in Pariser 
Hr. El wart, hat ein von Hogarth im Jahre 1743 gemaltes Portrait 
Handelns entdeckt. Es war in sehr schlechtem Zustande und 
Hr. Elwart hat dasselbe restauriren lassen. 

* m * In Frankfurt a. M. gastirt gegenwärtig der berühmte 
Tenorist N a u d i n aus Paris mit ausserordentlichem Erfolg. Der- 
selbe ist bereits in der „Favoritin" von Donizetti, in „Rigoletto" 
von Verdi und in Gounod's „Faust" aufgetreten. 

*** Baron von Perfall, Intendant des Hoftheaters und der 
Hofmusik in München, hat den preussischen Kronenorden 2. CL 
erhalten. 

*** In Prag ist man auf das Eifrigste mit den Proben zum 
„fliegenden Holländer" beschäftigt. Auch im Berliner Opern- 
hause wird diese Oper demnächst neueinstudirt zur Aufführung 
kommen. 

*** Der preussische General-Militärmusik-Director Wi ep recht 
gibt in Hamburg fünf Militärmusik - Concerte, deren Programm, 
mehrere der 1867 beim internationalen Concours in Paris aufge- 
führten Stücke enthält. 

*** Liszt wird im kommenden Januar in Weimar zu einem 
längeren Besuche erwartet. 

Berichtigung. In Nr. 37 dieses Blattes, Seite 147, lese man in, 
den Nachrichten aus Baden-Baden statt : Frick aus C a s s e 1 — 
F r i c k e aus Berlin. 

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I Verantw, Red. Ed. Föckefwr, Druck v. Carl Wallau, Mainz*. 



17. Jahrgang. 



jf* so. 



5. October 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



j Diese Zeitung erscheint jeden 

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INHALT; Zar Geschichte des deutschen Männergesanges. — Das VI. Mittelrheinische Musikfest in Darmstadt. — Eine Anecdote ausWeber's 
Leben. — Nachrichten. 



Zur Cresehielite des deutseben Männer« 

Gesanges. 

Von W. Lackowitz. 



II. 

Der Ausgangspunkt der Männergesangvereine (wenigstens der 
norddeutschen) ist die Zelter'sche Liedertafel in Berlin. 
Carl Friedrich Zelter, geboren am 11. December 1758 zu 
Berlin, war der Sohn eines Maurermeisters und von seinem Vater 
selbst zu einem solchen bestimmt. Er musste auch trotz seiner 
ausgesprochenen Neigung zur Musik alle Stadien des Handwerks 
bis zum Meister durchmachen, und der Vater durfte kaum ahnen, 
dass der Sohn nebenbei sich mehr und mehr auch in den musika- 
lischen Disciplinen ausbildete. Erst nachdem er selbstständig ge- 
worden und sein Vater gestorben war, durfte er daran denken, die 
Musik mehr in den Vordergrund treten zu lassen, und vom Jahre 
1800 ab, in welchem Carl Fasch, der Stifter der „Berliner Sing- 
Academie," starb und die Direction derselben in Zelter's, seines 
bisherigen treuen Assistenten, Hände niederlegte, widmete er sich 
ausschliesslich der geliebten Kunst. Es ist hier nicht der Ort, die 
näheren Umstände des merkwürdigen Mannes anzuführen, es sei 
nur erwähnt, dass sein Einfluss auf die Entwickelung der Musik 
in den preussischen Staaten sehr bedeutend gewesen ist, dass er bei 
allen Fragen, die sich auf dieselbe bezogen , zu Bathe gezogen 
wurde. Er stand in Briefwechsel mit fast allen bedeutenden Män- 
nern seiner Zeit, mit Jos. Haydn, Beethoven, Qoethe, Schiller, Fichte, 
Hegel, Schleiermacher, Theodor Körner nnd dessen Vater u. s. w., 
und starb am 15. Mai 1832 als Professor bei der konigl. Academie 
der Künste, . Doctor der Musik bei der Universität , Director der 
Singacademie, Bitter etc. Hier geht uns des Näheren nur die Stif- 
tung der Liedertafel an. 

Die Stiftung fällt in das Jahr 1809. Der äussere Hergang der- 
selben war (nach Ledebour) ungefähr folgender. Unter den 
Freunden Zelter's befand sich auch der treffliche Sänger Otto 
Grell, welcher im Jahre 1808 einen Ruf nach Wien erhielt und 
demselben auch Folge leistete. Die Freunde vereinigten sich ihm 
zu Ehren zu einem Abschiedsmahle, bei welchem unter andern auch 
von Zelter, Wollank und L. Hellwig componirte Männer- 
gesänge ausgeführt wurden. Das fröhliche, durch Gesang verschönte 
Mahl fand allgemeinen Anklang und ' es wurde der Wunsch rege, 
sich allmonatlich in gleicher Weise zu versammeln. Jene Festtheil- 
uehmer vereinigten sich daher am 21. December 1808 zu einer Be- 
rathung unter Vorsitz Zelter's, besprachen den Vorschlag und fass- 
ten den Entschluss, in der angegebenen Weise monatlich einmal 
beim Vollmonde an einem Dienstage zu einer heitern Abendmahlzeit 
nach der Weise von „König Arthur's Tafelrunde" zusammen zu 
kommen. Es wurden Statuten entworfen, die in einer Versammlung 
am 24. Januar 1809 bestätigt wurden, worauf Zelter zum Meister 
der Liedertafel erwählt ward. Die erste wirkliche Liedertafel er- 
folgte aber erst am 2. Mai 1809. Die Mitglieder hatten sich näm- 



lich auch einen patriotischen Zweck gesetzt ; Berlin war damals 
noch, ungeachtet der Friede lange abgeschlossen war, von den Fran- 
zosen besetzt, jetzt endlich sollte die langersehnte Bückkehr des 
Königs nach seiner Hauptstadt erfolgen, und die erste Versammlung 
der Liedertafel sollte nach dem Eintreffen des Königs stattfinden 
und dies Ereigniss feiern. Ein Paragraph der von den Mitgliedern 
entworfenen Statuten lautete ausdrücklich: „Die Liedertafel sieht 
sich als eine Stiftung an, welche die ersehnte Zurückkunft des Kö- 
niglichen Hauses feiert und verewigt, wie überhaupt das Lob des 
Königs zu den ersten Geschäften der Tafel gehört." Nun verzögerte 
sich aber die Bückkehr des Königlichen Hauses in Folge einer Reise 
des Königs nach Petersburg, und so konnte die erste Versammlung 
der Liedertafel erst am 2. Mai (im Lokale des Englischen Hauses) 
stattfinden. 

Dies die äussere Constituirung. Es würde aber jedenfalls ein 
Irrthum sein, wollte man annehmen, dass das^lles durch einen blos- 
sen Zufall so ohne weiteres sich wie von selbst gemacht hätte. Wir 
haben es in der ersten Liedertafel keineswegs mit einer Minerva zu 
thuu, die, als ihre Zeit gekommen, fix und fertig aus dem Haupte 
Jupiter's entsprungen. Es sind auch ihr Gedanken, Ueberlegung, 
Versuche mancherlei Art vorangegangen, und darüber möge hier zu- 
nächst noch Einiges folgen. 

In der Vorrede zur Sammlung der von ihm für die in Rede 
stehende Liedertafel gedichteten Gesänge erzählt der rühmlichst be- 
kannte Dichter Wilhelm Bornemann (General-Lotterie-Director zu 
Berlin) den Hergang etwa folgendermassen : Er (Bornemann) habe im 
Jahre 1807 zu Tilsit russische Militärsänger in solcher Art von 
Gesängen zu hören Gelegenheit gehabt, und diese noch nie gehörte 
Weise habe einen eigenthümlichen Eindruck auf ihn gemacht. Er 
habe darauf die Sache Zelter mitgetheilt, dieser aber die Möglich- 
keit eines solchen begleitungslosen Männergesanges zunächst bezwei- 
felt. Indessen habe der Gedanke ihn doch lebhaft ergriffen, er sei 
sofort an's Werk geschritten, habe einen Versuch gemacht, zunächst 
aber doch noch mit Begleitung und zwar, da kein Pianoforte zur 
Hand war, mit Begleitung einer Guitarre. Und siehe da, es ging. 
Darauf nun habe Zelter erst den reinen Männergesang beim Fest- 
mahle angewendet. — * Es ist sehr denkbar, dass hier mancher un- 
befangene Leser ein leises Lächeln nicht unterdrücken kann, wenn 
er sich diese mühsam ängstlichen Versuche vergegenwärtigt. Und 
doch gibt es so Vieles, was wir spielend bandhaben, was uns unsre 
Väter als reiche Ernte hinterlassen haben, und wir können uns kei- 
nen Begriff machen von der Mühseligkeit der Aussaat, von der ängst- 
lichen Ueberwachung des allmählichen Heranwachsens der Keimlinge. 

Ohne Zweifel ist die von Bornemann mitgetheilte Tbatsache 
vollkommen richtig ; die äussere Veranlassung zu einem Versuche 
mit unbegleiteten Männerquartetten hat wohl diese Beobachtung an 
russischen Militärsängern gegeben. Nach vielen literarischen No- 
tizen, namentlich wenn man die Beziehungen Zelter's mit Goethe 
schärfer in's Auge fasst, war der Gedanke zur Herstellung solcher 
Gesänge (wenn auch nicht ohne Begleitung) für Zelter schon damals 
nicht mehr neu. Als er, lange vor der Stiftung der Liedertafel, 



- 158 



seinen Dichterfreund in Jena und Weimar besuchte, war er natür- 
lich steter Gast in den Versammlungen, deren Mittelpunkt die bei- 
den grossen Dichterfürsten bildeten. Die Zusammenkünfte der geist- 
vollen Männer wurden auch durch Musik verschönt, und hierin gab 
Zelter selbstverständlich den Hauptführer ab. Die Gesänge sind 
wohl von Gesangeskundigen, die man desshalb mit in den heiteren 
Kreis einlud, ausgeführt worden, aber es möchte auch wohl kaum 
zu bezweifeln sein, dass sich ihnen der Chor der Versammelten in 
freudiger Rückeriunerung an die studentische Zeit angeschlossen 
hat Das hat unzweifelhaft Zelter den Hauptimpuls gegeben, dieses 
ganz neue Element der Geselligkeit künstlerisch zu organisiren. Aus 
diesen Anregungen entsprang der Gedanke au einen Männergesang 
zur Verschönerung geselliger Zusammenkünfte, und es bedurfte da 
eben nur jenes von Bornemann erwähnten thatsächlichen äusseren 
Anstosses, um den Gedanken in voller Klarheit zur That werden zu 
lassen. Der absolute Männerchor erstand , die erste Liedertafel 
wurde gegründet und damit das Stämincheu gepflanzt, das jetzt zu 
einem mächtigen Baume erwachsen ist, der seine Aeste weithin über 
alle deutschen Gauen und noch darüber hinaus erstreckt. Der gei- 
stige Schwung, den Goetbe's Persönlichkeit dem geselligen Leben 
verlieh, die sprühenden Funken, die sein Geist namentlich beim 
Becher schleuderte, waren es, die den herzensfrischen, geistesver- 
wandten musikalischen Freund entzündeten. Die unsterblichen Dich- 
tungen, welche solchen Stimmungen entsprangen, waren es, die die 
Zelter'sche Muse erfasste, und Goethe'sche Lieder sind es vorzugs- 
weise gewesen, die Zelter componirte, Goethe'sche Lieder haben das 
erste Repertoir der ersten Liedertafel gebildet. 

Das gepflanzte Stämmchen war aber so vollständig eingehegt, 
dass es sehr schwer, fast unmöglich war, ihm beizukommen. Die 
Statuten hatten die Grenzen des Vereins so eng gezogen, dass zu- 
nächst nur Mitglieder der Sing - Akademie, und deren ausser dem 
Meister auch nicht mehr als 24, zur Liedertafel gehören konnten. 
Zelter, der das Jt Odi profanum vulgus et arceo u in der Kunst 
gern und streng übte, hatte eine grosse Neigung zum künstlerischen 
Absolutismus und hielt seine Liedertafel in möglichster Abgeschlos- 
senheit. Das lag aber auch zum grossen Theile in seinem frischen, 
lebendigen Geiste. Bin geistloses Beisammensein wäre ihm ein 
Gräuel gewesen ; es musste ausser dem Gesänge ein frisches, gei- 
stiges Leben in der kleinen Gesellschaft walten, so dass sie sich 
ihrer erhöhten Stellung über die Kreise gewöhnlicher Geselligkeit 
bewusst wurde. Das Statut schrieb desshalb genau vor, dass der 
Aspirant entweder Sänger oder Dichter oder Componist sein müsse, 
und es wurde lange, lange gewählt, ehe aus der Zahl der Meldun- 
gen zur Aufnahme eine Persönlichkeit herausgegriffen wurde, um 
der Ehre theilhaftig zu werden, Mitglied heissen und sein zu dür- 
fen ; dabei wurde eine Anciennität in der Meldung durchaus nicht 
berücksichtigt. Der Mann allein, der geistige Fonds gab den Aus- 
schlag. Kein Wunder, dass unter solchen Umständen die Lieder- 
tafel bald eines ausgezeichneten Rufes genoss. Eine Einladung zu 
ihren Versammlungen zu erhalten, war eine Ehre, nach der man 
geizte ; sie ward von den höchsten Personen besucht. Sie wurde 
sogar eingeladen, in dem Palais des kunstsinnigen Fürsten Anton 
Badziwill, der auch zu ihren Ehrenmitgliedern gehörte, vor dem 
Könige Friedrich Wil hei m III. ihre Gesänge vorzutragen. Keine 
Persönlichkeit von irgend welcher künstlerischen oder geistigen Be- 
deutung berührte Berlin, ohne sich als Gast in die Liedertafel ein- 
führen zu lassen, und auch Goethe blieb in fortwährendem regem, 
geistigem Zusammenbange mit ihr. Er war gewissermassen ein un- 
sichtbares Mitglied und fand durch Zelter's Vermittlung darin viel- 
fache Anregung zu poetischen Productionen, die wiederum in der 
Liedertafel zuerst ihre göttlichen Funken leuchten Hessen Diese 
Wechselwirkung war dem herrlichen Geiste gewiss der schöuste 
Lohn für die durch seiuen belebenden Eiufluss indirect in's Leben 
gerufene Schöpfung. Zelter aber sorgte unermüdlich dafür, dass 
dieses geistige, frische Leben erhalten bliebe, stets hatte er Gäste 
von Bedeutung, von hervorragender Geistes- oder Lebensstellung. 
Ebenso unermüdlich schuf er für den kleinen Kreis; er hat allein 
für die Liedertafel 95 Lieder für Männerstimmen compouirt, die 
alle, frei von jeder Sentimentalität, die schönste Laune athmen, zum 
Theil höchst originelle, echt deutsche Kernlieder sind. 



I>as Tl. Mittclrlieiiiisclte Miigikfest in 

Darmstadt 

am Sonntag den 27. und Montag den 28. Sept. 1868. 



Seit dem Jahre 1861, in welchem das V. Mittelrheinische Mu- 
sikfest nach dem zwischen den betheiligten Städteu Darmstadt, 
Mainz, Mannheim und Wiesbaden getroffenen Ueberein- 
kommen in Darmstadt stattfinden sollte, war unsere Haupt- und 
Residenzstadt dasselbe schuldig geblieben unter dem allerdings be- 
gründeten Vorwande, dass das früher zu gleichem Zwecke benützte 
Grossh. Zeughans nicht geräumt, also auch nicht zur Abhaltung des 
Musikfestes überlassen werden könne, so dass endlich die Stadt 
Mainz, welche 1860 mit dem daselbst stattgefundenen IV. Mittel- 
rheinischen Musikfeste den ersten Cyclus dieser Feste abschloss, sich 
1864 entschloss, den zweiten Cyclus derselben zu beginnen, nach- 
dem die verbündeten Städte durch ihre üelegirten beschlossen hat- 
ten, dass die in Rede stehenden Musikfeste fortan nur mehr jedes 
zweite Jahr in einer der betreffenden Städte stattfinden sollten. Wenn 
nun auch die Ereignisse des Jahres 1866 die Abhaltung eines Mu- 
sikfestes in Darmstadt ausser Frage stellteu, so haben dieselben 
doch einer spätem Räumung des Grossh. Zeughauses bedeutend vor- 
gearbeitet und nachdem man im Laufe des Jahres 1867 die Kriegs- 
kosten verschmerzt und sich an die Aussicht auf neue Steuern ge- 
wöhnt hatte, hörte man schon im Frühling des laufenden Jahres 
1868, dass man in Darmstadt nun wirklich ernstlich an Abhaltung 
eines Musikfestes denke, und nach erlangter Bewilligung zur Be- 
nützung des mehrerwähnten Lokals, rüstig an die Ausführung dieses 
Planes gehen wolle. Allein diese Bewilligung wurde so lange ver- 
zögert, dass erst im Monat Juli die Delegirten der verbündeten 
Städte zusammengerufen und die nöthigen Verabredungen für das 
VI. Mittelrh. Musikfest, welches auf die letzten Tage des Monats 
September anberaumt wurde, stattfinden konnten. Mainz und Wies- 
baden gingen eifrig auf den Vorschlag Darmstadt's ein, nur die 
Mannheimer Vereine erklärten, sich nicht an dem Feste betheiligen 
zu wollen, weil sie bei der herrschenden grosseu Hitze keine Pro- 
ben halten könnten. Zum Ersatz für den Entgang so treulicher 
Kräfte erklärten sich zur Mitwirkung bereit: Der „Akademische 
Gesangverein" inGiessen (Director Mick le r), der „Musikverein" 
in Worms (Director Stein war z) uud der „Casino-Gesangverein" 
in Alzey (Director Felchner). Für die Gesang-Soli wurden en- 
gagirt: Frau Peschka-Leutner, Opernsängerin aus Leipzig, 
Frl. Helene Hausen, Hoftheatersängerin aus Mannheim, Hr. A. 
Ruff, Coucertsänger aus Mainz und Hr. Greger, Hofopernsänger 
in Darmstadt. Der Chor bestand aus 609 Stimmen, das Orchester 
aus den Mitgliedern der Hofcapellen von Darmstadt und Mannheim, 
des Stadtorchesters von Heidelberg und vielen anderen tüchtigen 
Künstlern und Dilettanten, in der Gesammtzahl von 128 Instrumen- 
talisten. Die Leitung der beiden Festconcerte war dem Grossh. 
Hofmusikdirector Hrn. C. Mangold übertragen worden. Das Pro- 
gramm bestand für den ersten Tag aus dem Oratorium „Samson" 
von Händel, für den zweiten Tag aus: Sinfonie in A-dur von Beet- 
hoven ; Recitativ und Sopranarie aus der „Schöpfung" von Jos. 
Haydn ; Motette : „Lob und Ehre und Weisheit" für 8stimraigen 
Chor und 4 Soli mit Orchesterbegleitung von Seb. Bach und in der 
2 Abtheilung : Ouvertüre und Sceuen aus ,,Frithjof" für Soli, Chor 
und Orchester, compouirt von C. A. Mangold. 

Wir bestiegen am Sonntag den 27. Morgens in Mainz den nach 
Darmstadt abgehenden, ausserordentlich stark besetzten Eisenbahn- 
zug, aufrichtig gesagt, mit nicht allzuhoch gespannten Erwartungen 
i6. Bezug auf die bevorstehenden musikalischen Genüsse, da wir die 
zum Eiustudiren der angeführten Werke so kurz zugemessene Zeit 
und die sonstigen Störungen, an welchen überdies die Proben in 
der heissen Jahreszeit wohl zu leiden haben mochten, billigerweise 
mit in Rechnung brachten. Der herabströmende Regen drohte frei- 
lich der festlichen Stimmung einigen Eintrag zu thun, doch 
wurde dieselbe bald wieder gehoben, als wir an jeder Station, die 
wir passirteu, eine Menge von Passagieren, grösstenteils dem Laud- 
volke augehörend, sich mit grösster Eile auf unsern Zug stürzen 
und die noch freien Plätze wie im Sturme erobern sahen. Mit heim- 
lichem Stolz erfreuten wir uns au dem selbst die weniger gebilde- 
ten Classen der Bevölkerung uuseres engeren Vaterlandes erfüllen- 



159 — 



den Sinne für das Höhere und an der regen Theilnahme, mit wel- 
cher unser intelligentes Landvolk den Genüssen entgegeneilte, welche 
die Werke unserer grossen Tonmeister zu gewähren versprachen; 
aber ich sah mich .gewaltig enttäuscht, als ein mitreisender Freund 
mich belehrte, dass in Darmstadt eben eine grosse Ausstellung von 
lebendigem Vieh aller Art, von Landesproducten und landwirth- 
schaftlichen Maschinen stattfinde, und dass diese es sei, welcher das 
biedere Landvolk und wohl auch der grösste Theil der in Mainz 
«ingestiegenen Passagiere mit solchem Eifer zubtröme. Aber es fiel 
mir zugleich ein, dass die Darmstädter es waren, welche dem am 
31. Aug. und 1. Sept. in ihrer Stadt abgehaltenen ersten Mittel- 
rbein. Musikfeste am dritten Tage ein grosses Volksfest anhängten, 
mit welchem sie zwar viele Tausende von Schaulustigen aus Stadt 
und Land herbeizogen und einem für die Verhältnisse ihrer sonst 
so ruhigen und nüchternen Stadt schier ungeheuerlichen Consura 
von Lebensmitteln aller Art, aber auch ein recht anständiges Defi- 
zit für die Festeasse erzielten, die verbündeten Städte mit ihren 
nachfolgenden Festen auf gleiche Irrwege führten, in gleiche finan- 
zielle Bedrängnisse brachten und damit dem ganzen jungen Insti- 
tute unserer Musikfeste von vorneherein einen höchst empfindlichen 
und in seinen Folgen nachhaltigen Stoss versetzten. Und darum, 
dachten wir fast grimmig, geschiebt es euch schon recht, ihr Darm- 
städter, wenn jetzt das liebe Landvolk von euch ungerufen kommt, 
und eurem Feste mit der Ausstellung von allerlei nützlichem Ge- 
thier, Früchten und Maschinen Concurrenz macht. Bei dieser Con- 
currenz hat auch wirklich das Musikfest den Kürzern gezogen; denn 
während der Ausstellung in ihrer ganzen achttägigen Dauer die Be- 
sucher massenhaft zuströmten, so dass dieselbe noch um zwei Tage 
verlängert wurde, waren die Zuschauerräume im Zeughaus in bei- 
den Coucerten nur mittelmässig besetzt, was sicherlich dem zu ho- 
hen Eintrittspreise grossentheils zuzuschreiben ist. Doch nun wollen 
wir zu den Aufführungen selbst kommen. (Schluss folgt.) 



ISine Anekdote aus Weher'« lieben. 



Der grosse Componist verfiel eines Tages auf den sonderbaren 
Einfall, sich für todt auszugeben. Die Sache hing so zusammen: 
Obgleich noch jung, stand Weber doch bereits hoch unter den 
Künstlern seines Vaterlandes und seiner Zeit. Sein Name war 
ausserordentlich populär und seine mit dem Stempel des Genies 
bezeichneten Werke hatten ihm die Bewunderung aller ausgezeich- 
neten Musikkenner iu Europa erworben. Wie es aber immer zu 
geschehen pflegt, so war er auch desto mehr dem Neide derMittel- 
mässigkeit ausgesetzt, je weiter sich der Ruf seines Talentes ver- 
breitete. Weber war ausserordentlich empfindlich gegen die Angriffe 
der Kritik, und wiewohl er sich das Ansehen gab, seine Neider zu 
verlachen, so sah er seine Ueberlegenheit doch nicht ohne eiu ge- 
heimes Missbehageu und tiefen Unwillen in Zweifel gezogen. Die 
Diatriben des erbärmlichsten Feuilletonisten waren für ihn eine Mar- 
ter", und die Stiche der gemeinsten literarischen Wespe raubten ihm 
die nächtliche Buhe. So reizbar er indess war, so war es ihm doch 
endlich gelungen, die Myriaden obscurer Kritiker, deren Unfähigkeit 
in der Beurtheilung musikalischer Leistungen anerkannt war, zu 
verachten, und nur einer noch war Gegenstand seiner Schrecknisse ; 
dies war ein gewisser Müller, der die Theaterkritiken in der 
„Leipziger Zeitung" schrieb. Die Urtheile dieses Müller hatten be- 
deutende Autorität, nicht nur unter den Kunstkennern, sondern auch 
in der Küustlerwelt selbst. In mehrfacher Hinsicht verdienten sie 
diesen Erfolg, denn der Kritiker unterschied sich, wenn auch nicht 
in Urbanität der Formen, so doch durch sein ausgezeichnetes Schrift- 
stellertalent und die Tendenz seiner Bemerkungen über musikalische 
Gegenstände sehr vortheilhaft von der Mehrzahl seiner Collegen; 
aber neben diesen Vorzügen fand sich ein sehr arger Mangel, der 
den Glanz jener verdunkelte. Müller trieb seine Strenge mitunter 
bis zur Ungerechtigkeit; beissend, kaustisch, fand. er ein Vergnü- 
gen daran, die glänzendsten Reuomme's unter seinen Zeitgenossen 
mit den Zähnen zu zerfleischen, und Weber empfand insbesondere 
schmerzhaft die Wunden der Giftpfeile, welche jener auf ihn abge- 
schossen hatte, um der Eifersucht irgend eines obskuren Coroponi- 
sten zu dienen, dem der Ruhm des ausgezeichneten Maestro im 
Wege stand. Ohue Unterlass gequält durch diesen unermüdlichen 



Bekämpfer seiner Berühmtheit, wusste Weber kein Mittel, sich vor 
ihm zu schützen. Mittelst der Presse mit gleichen Waffen gegen 
ihn kämpfen, hiess ein Gefecht zu provociren, welches zu keinem 
Resultate führen konnte, überdies würde daraus das Eingeständnis» 
hervorgegangen sein, dass er sich verletzt fühle. Zu Mitteln grei- 
fen, welche bei Andern unwiderstehlich gewesen wären, dem Cerberus 
Etwas in den Rachen werfen, war ebenfalls unausführbar, denn 
Müller galt für einen unbestechlichen Kritiker. Aus seiner Ver- 
legenheit half sich Weber daher folgendermassen : Während seiner 
einige Tage währenden Anwesenheit in einem in der Nähe Münchens 
gelegenen Dorfe, schickte er an die hauptsächlichsten deutschen 
Zeitungen einen detaillirten Bericht über seinen Tod. Niemand 
zweifelte an der Wahrheit der Nachricht, die Tagesblätter nahmen 
die Notiz auf und fügten ihr eine pomphafte Lebensbeschreibung; 
Weber's hinzu; unter allen Blättern aber zeichnete sich keines durch 
seinen Enthusiasmus so sehr aus, wie die Leipziger Zeitung. Der 
in derselben enthaltene Artikel war von Müller selbst geschrieben 
und unterzeichnet, der, durch das frühe Hinsterben des Maestro ent- 
waffnet, endlich dem ausgezeichneten Künstler, den er den „Fürsten 
der deutschen Componisten" nannte, Gerechtigkeit widerfahren Hess. 
Wenige Tage darauf liess Weber dem Gerüchte von seinem Tode 
widersprechen und kam selbst nach Leipzig, um allen Zweifel ein 
Ende zu machen. Wie sehr sich Müller durch die Nachricht von 
dieser Auferstehung iu Verlegenheit gebracht sah, lässt sich begrei- 
fen. Er fand sich nun durch das von ihm gezollte Lob gefesselt, 
und an einer Zurücknahme des in so überaus bestimmten Aus- 
drücken ausgesprochenen Urtheils war nicht zu denken. Uebrigens 
zog er sich sehr gut aus der Sache. Er legte fortan seiner bissigen 
Kritik Zügel an , und bei der ersten Aufführung des „Freischütz" 
befand er sich unter den eifrigsten Bewunderern dieses Meisterwer- 
kes von Weber. 



Nachrichten. 



Mainz. Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass der 
mit H. M. unterzeichnende Rundschauer der im Verlag der Schle- 
singer'schen Musikhandlung in Berlin erscheinenden musikalischen 
Zeitschrift „Echo" sich das Vergnügen gemacht hat, den Verfasser 
der in Nr. 36 unseres Blattes enthaltenen Rezension über ein kleines 
theoretisches Werkchen von R. Wüerst abzukanzefn, weil er die 
betreffende Schrift nicht in den Schmutz gezogen hat, wie es H. M. 
gewünscht hätte, dessen eigenes neuestes Opusculum Hr. Wüerst in einem 
anderen Berliner Blatt, wie es scheint, mit Recht, gar arg mitgenom- 
men hat, so dass nun der racheschnaubende Zeitungsschauer vor In- 
grimm gar nicht weiss, was er seinem unliebenswürdigen Kritiker 
nur anthun soll. Wer die so objeetiv und ruhig gehaltene Kritik 
über die Schrift von Wüerst in unserm Blatte nachlesen will, wird 
nur mit Hülfe der eben gegebenen Aufklärung begreifen können, 
wie H. M. über jene paar Zeilen in solche Woth gerathen konnte. 
Wir haben schon einen in der ersten diesjährigen Nummer des „Echo" 
enthaltenen, ebenso büttelhaften Ausfall des H. M. auf unser Blatt, 
als der gegenwärtige, stillschweigend hingenommen und überlassen 
es auch jetzt Hrn. Wüerst, auf den ja doch eigentlich die ganze 
Expectoration gemaust ist, sich gegen seinen feinen Gegner zu 
wehren — d. h. wenn er es überhaupt der Mühe werth findet. 

Die Red. der Südd, Mus.-Ztg. 

Ems, im Sept. Am 27. Juli concertirten dahier : Frl. Mari- 
m o n (Gesang), Hr. Vieuxtemps (Violine), A B a 1 1 a (Cello), 
Hr. Geraldy (Gesang) und Hr. de Vroye (Flöte); am 18. Aug.: 
Mad. Leonard (Gesang), Frl. M. Deschamps (Harmonium), Hr. 
Ch. de B 6 r i o t (Piauo) und Hr. Leonard (Violine) ; an eben- 
demselben Tage: Frl. Elise Hoffmann (Gesang), Mad. Zirpel 
(Piauo) und Hr. A. Zirpel (Violine); am 27. Aug.: Frl. Simoni 
(Gesang), Hr. Sivori (Violine), Hr. Piatti (Cello) und Hr. Arban 
(Piston). Am 12. Sept. erhielt unsere eigentliche musikalische Sai- 
son einen höchst würdigen Schluss durch ein Concert des „Floren- 
tiner Quartetts" unter der Leitung des Hrn. Jean Becker. Noch 
erwähnen wir die trefflichen Gartenconcerte der Musikcapelle des 
Garde-Reg. „Königin Augusta" unter dem Musikdirector K e i p e r, 
der Musikcapelle des 19. Inf. - Reg. unter dein Musikdirector Phi- 
lipp und der Musikcapelle des 34. Füsilier-Reg. unter dem Musik- 



- 160 - 



tUrector Pailew. Die friff hiesig» Cursftalbühne engagirte französi- 
sche „Soc&ttfi d*$ Artiites" verlies* aus, nachdem sie« wie ge- 
wöhnlich* cirea 16 Vorstellungen gegeben hatte. Unsere Curcapelle 
wird noeb bis zum 15. Oct. ectiv bleiben. 

Weimer. Musikdirector Ed. Lassen ist zun Hofcapellmeister 
ernannt worden, welcher Titel seit Liszt's Abgang nicht mehr 
verlieben worden war. 

Leipzig. Die Gewandfcauscooeerte werden am 8. Oct. wieder 
beginnen. Frau Lucca hat sieb in der Rolle der Zerline in „Fra 
Diavoio" von dem hiesigen Publikum, welches das Haus wieder in 
allen Bäumen überfüllt und die gefeierte Künstlerin mit Beifalls- 
bezeugungen nnd Ovationen aller Art überschüttet hatte, verabschie- 
det und rief dem enthusiasmirten Auditorium ein tröstendes „Auf 
Wiedersehen/ zu. 

Bonn. Schon Anfangs Juli wurde von dem hiesigen Orgelbauer 
Herrn Ad. Ibacb eine Orgel verladen, welche bestimmt ist, den 
weiten Weg um die Erde zu unsern Antipoden zu machen. Der 
Bestimmungsort dieses von unserm Mitbürger erbauten Instruments 
ist nämlich die Stadt Wellington auf Neu - Seeland ; ein neuer Be- 
weis, dass die genannte Fabrik bedeutenden Ruf und Zutrauen im 
fernen Auslande geniesst. 

Wien» Bas vorläufig festgestellte Programm für das bevor- 
stehende Jubelfest des „Männergesangvereins" ist folgendes: 
Samstag den 10 October um 7 Uhr Abends ist feierlicher Empfang 
der beim Jubelfest erscheinenden Vereine, von denen sich bisher 
nahe an achtzig gemeldet haben — in der Oartenbaugesellscbaft. 
Bach Beendigung dieser Ceremonie wird der Wahlspruch gesungen, 
dann folgt die Begrüasung durch den Vorstand und das Bundeslied 
von Lenz. An diese schliessen sich komische Vorträge und Lieder 
an, und mit dem „deutschen Lied" findet der erste Abend seinen 
Abschluss. — Sonntag den 11. October ist um 11 Uhr Vormittag 
die FeBtmesse in der Augustinerkircbe mit Einlagen von Stegmayer 
und einem „Asperges" vou Storch. Abends um 7 Uhr ist das Fest- 
concert im grossen Redoutensaale mit einem anziehenden und höchst 
interessanten Programme. Als Prolog wird ein, Gedicht von Rick von 
Lewinsky vorgetragen, hierauf folgen t Der „Psalm" von Fr Liszt, 
das „Ritornell" von Schumann, „Naturgenuss" von Schubert, „Abend- 
feiex" von Lachner, das Quintett aus der Oper „Graf von Gleichen" 
von Schubert und 9 Mohamed*s Gesang" von Esser. Ende der ersten 
Abtbeilung. Panse von 20 Minuten. Diu zweite Abtheilung beginnt 
mit: „Waldscene" von Herbeck, dann folgen: „Träumende See" von 
Schumann, „Altrussisches Ständchen mit kleinem Orchester' von 
Weinwurm (wahrscheinlich eine Tenorpartie), „Nachtgesang" von 
Schubert, „ Winzerlied" aus der unvollendeten Oper „Loreley" von 
Mendelssohn. Schluss. — Montag den 12. Oct. um 11 Uhr Vormit- 
tags erfolgt die feierliche Grundsteinlegung zu dem Schubert -Mo- 
nument auf der bereits bezeichneten Stelle im Stadtparke. Es wird 
der Wahlspruch gesungen, vom Vorstand eine Ansprache gehalten 
und ein Gedicht von Silberstein vorgetragen. In den Stein werden 
in üblicher Weise die Widmungsurkunde mit den Unterschriften, die 
gangbaren Münzen u. s. w., die in einem Glascylinder verwahrt sind, 
versenkt. Am Schlüsse dieser Festlichkeit wird der „Festgesang" 
von Herbeck gesungen. Abends um 7 Uhr (am 12. Oct.) ist Lieder- 
tafel im Sophienbadsaale. Diese beginnt mit dem Chor „Stiftungs- 
feier" von Mendelssohn; darauf folgt: „Hochländers Abschied" von 
Warth, „Einst, jetzt und künftig," komischer Chor von Genee, „Am 
Königsee" von Engelsberg, „Eine Polka" (Gesang) von Job. Strauss 
mit Ciavier-, Harmonium- und Orchesterbegleitung, „Walzer" (Ge- 
sang) von Abt und zum Schlüsse das „deutsche Lied." Zwischen den 
einzelnen Gesangsnummern werden die geladenen Gäste und die ko- 
mischen Kräfte des Vereins verschiedene Vorträge halten. 

(Zellner's Bl. f. Th. etc.) 
Paris. Hrn. Pasdeloup'f» populäre Concerte für classische 
Musik werden unter seiner Leitung am Sonntag den 18. Oct. wieder 
beginnen. 

— Die deutsche Sängerin Frl. Orgeny ist in Paris angekom- 
men. Sie ist eine Lieblingsschülerin der Frau Viardot-Garcia, 
welche sie dem Componisten des „Hamlet" als eine vortreffliche 
Ophelia empfohlen hat. 

*** In den kgl. Theatern in Berlin ist eine Bekanntmachung 
angeschlagen, deren Inhalt besagt : „Es sei die Bemerkung gemacht, 
dass die Inhaber von Freibillets bei den Vorstellungen sich durch 



Beifallsbezeugungen besonders laut hervorthäten. Dies sei störend 
und gebe ausserdem dem Argwohn Raum, dass diese Beifallsbezeu» 
gungen unlauterer Natur seien. Die Inhaber von Freibillets würden 
deshalb ersucht, sich ruhig zu verhalten und laute Beifallsäusseruu- 
gen denen zu überlassen, welche ihre Billete bezahlt haben " Ei» 
unbekannter Schalk machte sich den Spass, diesen Anschlag vom 
Corridor des zweiten Ranges wegzunehmen und im ersten Rang» 
vor der Loge des Polizei - Präsidenten aufzuhängen, zum grossen. 
Aerger des Herrn von Hülsen und noch grösserem Gaudium der 
Berliner. 

*** Ullmann hat mit seiner Künstlergesellschaft in Copen* 
bagen bereits drei Concerte mit enormem Erfolge gegeben. Dia- 
Einnahmen beliefen sich auf 18,000 Frcs. 

*** Am 3. Oct. wird das in seinem Innern glänzend restaurirte 
Hoftheater in Weimar mit Göthe's „Ipbigenia" eröffnet werden. 

*** Der Kaiser von Russland bat bei seinem letzten Aufenthalte- 
in Kissingen dem Capellmeister der dortigen Curcapelle, M. Heine- 
fetter, sowie dem Musikdirector V« Hamm von Würzburg, letz« 
terem für die Dedication von drei Märschen, werthvolle Brillantringe« 
zustellen lassen. Hamm's Märsche sollen bei der russischen Armee- 
eingeführt werden. 

*** In Paris starb am 3. d. M. der Gesanglehrer und musi- 
kalische Schriftsteller Stephen de la Madeleine im Alter von 
67 Jahren; desgleichen Mlle. Blanchard, ehemalige Sängerin der 
Optra comique, 72 Jahre alt. 

*** Auch in Deutschland tönender Sand. Die Naturerscheinung 

des tönenden Sandes, welche man zuerst am Dschebel Nakus und 
Beg-Banvan in Arabien wahrnahm und die vor einigen Jahren auf 
der schottischen Insel Eigg beobachtet worden, ist neuerdings auch 
im Strandsande bei Kolberg bemerkt worden. Das Phänomen 
tritt dort nicht immer und nur unter der Vorbedingung ein, dass der 
Sand von den brandenden Wellen zuerst durchfeuchtet und dann von 
der darauf scheinenden Sonne bis zur Tiefe von etwa einem Fuss 
wieder ausgetrocknst worden ist. Das tönende Klingen wird dann 
beim blossen Darübergehen wahrnehmbar; stösst man aber mit dem 
Fuss in schiefer Richtung auf den Sand, dann werden die Töne so 
laut, dass sie weithin hörbar sind. 

*** Ullmann hat den Pianisten Theodor Bitter auf drei 
Monate und den Contrabassvirtuosen Bottesini auf zwei Monate 
engagirt. 

*** Die Dresdener Naturforscherversammlung wurde bei ihrem 
Ausfluge nach M e i s s e n daselbst mit einem vortrefflich durchge- 
führten Domconcert überrascht. Das Programm enthielt: Choral 
von Graun; Adoramus von Palestrina; Ave verum von Mo- 
zart; Frauenterzett aus „Elias;" „Es ist ein Eos' entsprungen" von 
Prätorius und „Halleluja" aus dem „Messias." 

*** In Mannheim wurde Mozart's ,sCosi fan tutte" in 
vorzüglich gelungener Weise aufgeführt und von dem zahlreichen 
Publikum in einer Weise aufgenommen , welche das fernere Ver- 
bleiben dieses an Schönheiten so überreichen Werkes auf dem dor- 
tigen Repertoir mit Zuversicht erwarten lässt. 

*** Auch im Berliner Opernhause wird „Cosi fan tuttef* 
und ausserdem „Templer und Jüdin," „Jessonda," „Johann von 
Paris" und „Der fliegende Holländer" in dieser Saison neu ein- 
studirt in Scene gehen. 

*** In Bonn fand zu Ehren der dort tagenden Versammlung 
der Alterthumsforscher ein Concert unter Mitwirkung der Sängerin 
Frl. Bad ecke von Cöln und des Violinvirtuosen Ludwig Strauss 
aus London statt. 

*** Der Tenorist Theodor F o r m e s, früher Mitglied der kgL 
Oper in Berlin, ist jetzt in C a s s e 1 engagirt. 

*** Professor J. M o s c h e 1 e s ist von seiner Belse nach Eng- 
land, wo er als Pianist und Orgelspieler grosse Triumphe feierte, 
wieder nach Leipzig zurückgekehrt. 

*** Frau Pauline Lucca hat eine Einladung erhalten, bei 
der Eröffnung des neuen Opernhauses in Paris die Bolle der 
Selica in der „Afrikanerin" zu singen. 

*i* Frau Bürde-Ney hat nun der Bühne für immer entsagt, 
wir aber in Dresden wohnhaft bleiben und sich dem Gesangs- 
unterrichte widmen. 

Verantw. Red, Ed, Föckerer. Druck i>. Carl Wallau, Mainz» 



17. Jahrgang. 



i§* di. 



12. Od ober 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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^ ™^h. 

Diese Zeitung erscheint jecfön j 

MONTAG-. I von 

i&mtern, Musik- ÄBuchband- B. SCHOTTS SÖHNEN III MAINZ. 

msea ' ? Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 

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PREIS: 

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INHALT: Zur Geschichte des deutschen Männergesanges. — Das VI. Mittelrheinische Musikfest in Darmstadt. — Corresp.: Wien. Paris. 
Nachrichten. 



Zur Geschickte des deutschen Männer« 

f»es«nges« 

Von W. Lackowiti. 



in. 



Die bedeutsame Stellung der Liedertafel in der Musikwelt Ber- 
lins hatte den Wunsch, Mitglied des Vereins zu werden, in gar vie* 
len Musikern und Musikfreunden erregt. Zelter's Abschliessungs- 
system machte ihnen den Eintritt wenn auch nicht unmöglich, so 
doch so ausserordentlich schwer, dass ein Expectant jahrelang warten 
konnte, ehe an seine Aufnahme' nur gedacht wurde. Das erregte 
ganz naturgemäss den Wunsch, aus diesen wartenden, zum Theil 
ausgezeichneten Kräften eine zweite Vereinigung ähnlicher Art zu 
stiften, es bedurfte nur eines Mittelpunktes, um den sich die Wün- 
schenden schaaren konnten. Die ganze Eigentümlichkeit Zelter's, 
diese Mischung von Kunst und Geselligkeit, von dichterischer und 
musikalischer Kraft, von derbem Humor und leutseligster Heiterkeit, 
war freilich nicht zum zweiten Male vorhanden. 

Ludwig Berger, der in der Mitte der Wünschenden stand, 
War nicht der Mann, ihn zu ersetzen. Berger lebte seit 1815 als 
Musiklehrer in Berlin und hatte sich lange vergeblich bemüht, Mit- 
glied der Liedertafel zu werden. Er war ein Künstler von grosser 
Bedeutung, der aber alles, was das Leben anbetraf, aus einem höhe- 
ren Gesichtspunkte betrachtete. Er schwärmte daher auch in be- 
geistertster Weise für die Gründung einer zweiten Liedertafel, ent- 
warf Pläne über Pläne , von denen aber keiner zur Ausführung 
kam, weil er nie die Energie zur That finden konnte. Da trat ein 
zweiter Mann in diesen Kreis, und mit seinem Erscheinen gewann 
die Sache sofort Gestalt. Das war Bernhard Klein. 

Berg er und Klein lebten in Berlin als zwei sich gegenseitig 
ergänzende Gegensätze in innigster Freundschaft neben einander. 
Ludwig Berger, geboren am 18. April 1777 zu Berlin, ver- 
lebte seine Jugendjahre in Provinzialstädten, wohin seinen Vater, 
einen Architecten, Amtsgeschäfte gerufen hatten. Im Jahre 1799 
kam er wieder nach Berlin , um sich ganz der Musik zu widmeu. 
1801 vertauschte er diesen Aufenthalt mit Dresden, kehrte aber bald 
nach Berlin zurück, wo er sich als Musiklehrer uiederliess. Nach- 
dem er 1804 noch Cleraenti 1 s Unterricht genossen, ging er auf lange 
Jahre nach Petersburg, Stockholm und Loudon, wo er überall als 
tüchtiger Lehrer viel Beschäftigung fand. 1815 kam er abermals 
nach Berlin zurück und wirkte nun hier als sehr gesuchter Clavier- 
lehrer bis au seinen Tod, welcher am 16. Februar 1839 ganz plötz- 
lich während einer Unterrichtsstunde erfolgte. — Bernhard Klein, 
geboren am 6. März 1793 zu Co In, kam 1812 nach Paris, wo er 
Cherubini's Unterricht genoss, und bekleidete dann die Stelle eines 
Domcapellmeisters in seiner Vaterstadt. Von dort ßiedelte er (1819) 
als Lehrer an dem neugegründeten Institute für Kirchenmusik nach 
Berlin über und wurde zugleich zum Musikdirector und Gesaugleh- 
xer bei der Köoigl. Universität ernannt. Er wurde als Lehrer für 



Berlin von grosser Wichtigkeit, starb aber schon am 9. September 
1832 an einer Brustkrankheit. 

Bernhard Klein war in gewissem Sinne das gerade Gegentheil 
von Ludwig Berger. Begabt mit dem Feuer der Rede, fortreissen- 
der, brausender, sprühender Darstellung, mit feinem Witz, noch fei« 
nerer Ironie und mit zündendem Humor, riss er Alles hin. Es ist 
unmöglich, diesen eigentümlichen, wunderbar begabten Menschen 
und seine Stellung in Berlin, welcher er dieser seiner Eigentüm- 
lichkeit einzig und allein zu danken hatte, und welche auch die 
Grüudung einer zweiten Liedertafel zur That werden Hess, besser 
zu characterisiren, als es sein Freund und Genosse Ludwig Rell- 
stab gethan hat: „— — Bei seinem Erscheinen in Berlin trat 
eine durchgreifende Umbildung der musikalischen Zustände zunächst 
in den geselligen Kreisen der Kunst ein, indem er sich gewisser- 
xnassen der Privat-Singvereine bemächtigte; nicht nur, dass er sie 
am Instrumente beherrschte, sie mit Sicherheit, Leichtigkeit, mit 
Freude und entflammtem Feuer dahin führte, wohin sie sonst nur 
schwankend, mühselig, ohne entschiedene Farbe in der Auffassung 
gelangt waren: sondern sein überlegener Geist führte auch in an- 
deren Beziehungen die Herrschaft. Man hatte bis dahin wohl Män- 
ner als Führer derselben gekannt, welche gute musikalische Kennt- 
nisse mit einer schicklichen Bildung für das Leben, für die Gesel- 
ligkeit vereinten: allein jetzt erschien plötzlich ein Musiker vom 
höchsteu Wissen und Können, zugleich ein Künstler und eine gei- 
stige Organisation, die hoch über alle gewöhnlichen Verhältnisse 
des Lebens hicausgriff. Zuerst verwehte sein mächtiger Athemzug 
wie ein Sturm alle Spreu aus dem musikalischen Treiben. Man 
hatte bis dahin noch viel Mittelmässiges, Productionen des Tages, 
Compositionen der Mode abwechselnd mit denen der Unvergäng- 
lichkeit ausgeführt Durch die feine Ironie, mit der Klein diese 
geringeren Erzeugnisse behandelte, theils durch persiflirenden Vor- 
trag, wenn es Gesangstücke waren, in denen er mitwirkte, theils 
durch die mit Witz und Humor enthüllten Schwächen derselbe i., 

verscheuchte er sie sehr schnell." „Oft hatte er sich anf solche 

Weise in wenigen Augenblicken als junger, unbekannter Küustler, 
der zum ersten Male in einen ihm ganz fremden Kreis ei u geführt 
war, zum geistigen Gebieter desselben gemacht. Die durch ihn ver- 
drängten älteren Autoritäten sahen dazu freilich zuweileu etwas 
missmuthig, allein da sie der Kunst warm angehörten , überwog 
die Freude an dem Schatz, den sie für diese in dem jungen Frem- 
deu so unvermuthet entdeckten, meist schnell jede Empfindlichkeit, 
und sie wetteiferten in freudiger Anerkennung seiner Uebermachr. 
Die musikalische Befähigung allein hätte indessen ein solches 
Resultat nicht erzeugen können, wiewohl sie nothwendig dazu war. 
Freilich musste man ein solcher Meister des Pianofortes und Ge- 
sanges sein wie er, um mit solchem Absolutismus des musikalischen 
Führers aufzutreten. Allein diese Eigenschaften roussten zugleich 
von den grösser 'entfalteten Schwingen des Geistes Oberhaupt ge- 
tragen werden ; ja in der Weise , wie Klein sie besass und geltend 
machte, konnten sie gar nicht vorhanden sein ohne jene. Das 
empfand sich dann, wenn die Musik vorüber war, und das gedan- 



162 — 



kenströmende Wort, dar ewig blitzend« and leuchtende Humor des 
wunderbar Begabten sieh entfaltete and er in dieser Unmittelbar» 
keit geistiger Entwickelungen den Männern von höchster Bedeutung 
die Waage hielt, wenn nicht sie überflügelte. Klein bewegte sich 
hauptsächlich in Kreisen, wo ein Schleiermacher, Wolf, Buttmann, 
Hegel, kurz die bedeutendsten geistigen Notabilitäten verkehrten; 
es lag in seiner Natur, diese vor Allen aufzusuchen und zu finden, 
und er fühlte sich ihnen gegenüber keineswegs gedruckt, sondern 
in dem ihm zusagenden Elemente. Er war allerdings schaffen* 
der Künstler nur im Gebiete der Musik, allein von dem allge- 
meinen künstlerischen Elemente und namentlich von demjenigen, 
welches die innerste Seele der Kunst überhaupt in sich trägt, von 
dem dichterischen — die Dichtkunst, so stellt sie die Allegorie 
dar, ertheilt den andern Künsten ihre Aufgabe — so erfüllt, geläu- 
tert, gehoben, dass seine Auffassung , stets unter der Anschauung 
des Höchsten (sub specie aeterni), oft die der erzeugenden Kunst- 
ler hob und adelte. Solchen Geistern wohnt die Gewalt der Un- 
mittelbarkeit inne; — Bernhard Klein war zugleich der Herrscher 
des Augenblicks. Sein phantastisch - electrisches Feuer loderte in 
blendenden Witzfunken oder wunderbar romantisch - phantastischem 
Flammenschimmer bei jeder verwandten Berührung. — — " 

Das war Bernhard Klein! Die Pläne, welche Berger lange 
mit sich herumgetragen, erfasste er mit jugendlichem Ungestüm, 
als er sab, ein wie fruchtbarer Boden für dieselben vorhanden war, 
und die Sache selbst bedurfte ja nicht mehr der bedächtigen Er- 
wägung, es waren ja nicht mehr die herben Schmerzen des Erfin- 
ders, nicht mehr die bangen Zweifel, ob das Kind auch lebensfähig 
sei, zu überwinden : Es war ja eine Liedertafel vorhanden , ein 
Männergesangverein, der sich eines immensen Rufes erfreute. Ein 
kleiner Kreis musikalischer Freunde, in welchem von Berger die 
Idee von neuem angeregt wurde, gab die Grundlage, Klein's Feuer- 
eifer riss Alle hin, und so wurde die Stiftung einer zweiten Lieder- 
tafel definitiv beschlossen. Ludwig Berger, Bernhard Klein, 
Gustav Reichardt (der Componist des Liedes : Was ist des 
Deutschen Vaterland ?) (Ist von J. F. R e i c h a r d componirt. 
Anmerk. d. Red.), Ludwig Rellstab (der bekannte Berliner 
Musikkritiker, t 1860) und August Wilhelm Bach (jetzt 
Professor, Königl, Musik director, Director des Instituts für Kirchen- 
musik etc.) waren die Stifter, welche schon zu der ersten Vorver- 
sammlung sich in ihren specielleren Bekanntenkreisen nach geeig- 
neten, tüchtigen Kräften umsehen wollten. Auch für entsprechenden 
Stoff sollte schon dazu gesorgt werden, Rellstab sollte Gedichte, 
Berger und Klein Compositionen liefern, und als die erste wirkliche 
Tafelsitzung in dem wundervollen Frühlinge des Jahres 1819, am 
24. April, abgehalten wurde , war schon eine Anzahl von sieben 
Liedern vorhanden, die sich mit grosser Schnelligkeit von Monat 
zu Monat vermehrte. Viele Lieder, die sich nachmals eines grossen 
Rufes zu ei freuen gehabt haben, sind innerhalb dieser Liedertafel 
entstanden und hier zuerst und oft lange schon gesungen worden, 
ehe sie ihren Weg hinaus nahmen in die Weite. So z, B. lebten 
Andreas Hofer, Neue Pfingsten (Berger), Blücherlied (Klein), Mar* 
schall Vorwärts (Rungeuhageu), Was ist des Deutschen Vaterland? 
(Reichardt) lange schon dort, bevor sie in die Herzen des Volkes 
eindrangen. (Schluss folgt.) 



Das VI. Mittclrheinisclie Musikfest In 

Harmstadt 

am Sonntag den 27. und Montag den 28. Sept. 1868. 



(Fortsetzung.) 
Am Sonntag den 27. um ll'/s Uhr Morgens begann die Auf- 
führung des Oratoriums „Samson" von G. F. Händel mit den 
bereits angegebenen Vocal- und Tnstrumentalkräften und nach der 
Mosel'scheu Bearbeitung, welcher, da leider die Orgel fehlte, noch 
hie und da durch Hrn. Maugold ergänzend nachgeholfen worden 
sein mochte. Wir haben bereits hervorgehoben, dass das ganze 
Muaikfest in unverhältnissmässig kurzer Zeit in Scene gesetzt und 
zur Aufführung gebracht wurde und wenn wir dann noch beifügen, 
dass auch für die eigentlich entscheidenden Proben mit vereintem 
Chor und Orchester gar wenig Zeit eingeräumt war, so mag es 
wohl erklärlich und entschuldbar sein, wenn im Anfange nicht Alles 



so sicher und präcis ineinandergriff, als man dies wohl "von der 
Leistungsfähigkeit der vortrefflichen disponiblen [Kräfte, welche 
wirklich durch das prekäre Resultat der Generalprobe etwas ein- 
geschüchtert sein mochten, hätte erwarten dürfen. Allein nachdem 
das erste Zagen überwunden war, erhob sich dennoch die Auffüh- 
rung im grossen Ganzen zu einer nicht nur im Allgemeinen befrie- 
digenden, sondern besonders durch die prachtvollen Chöre mitunter 
wahrhaft hinreissenden Wirkung. Das Publikum, welches sich lei- 
der auffallend spärlich eingefunden hatto, schien unsere Ansicht 
au theilen, indem es nur allmählig sich an den gebotenen Leistun- 
gen erwärmte und seinen Beifall mit der zunehmenden Sicherheit 
und Schwunghaftigkeit derselben bis zum donnernden Applause nach 
und nach anwachsen Hess. Der Schlusschor der ersten Abtheilung, 
„Zum glanzerfüllten Sternenzelt" war es, der, nach einigen den So- 
listen wohlverdienterweise gespendeten Ovationen, die Schleussen des 
allgemeinen Beifalls öffnete und denselben zum stürmischen Durch- 
bruch kommen Hess. Fräulein Hausen (Micah) und Herr 
Ruff (Samson), dieser besonders mit der Arie „Nacht ist's umher," 
bewiesen von vornherein, dass sie ihrer Aufgabe gewachsen seien, 
und dass der Geist Häudel's über ihren Leistungen schwebe. 

In der zweiten Abtheilung waren vorzugsweise die Arie der 
Dalila (Frau Peschka-Leutner) mit Frauenchor „Vertraue, Theu- 
rer, meinem Wort," das Duett zwischen Dalila und Samson und der 
Doppelchor „Ehret auf seinem ew'gen Thron* diejenigen Nummern, 
welche durch ihren eigenen Gehalt sowie durch die treuliche Auf- 
führung den lebhaftesten Beifall hervorriefen. 

In der dritten Abtheilung beben wir vor Allem dem mit so 
schöner Beherrschung seiner sympathischen Stimme und mit ergrei- 
fender Gefühlstiefe ausgeführten Vortrag der Arie Samson's „Herr- 
lich erscheint im Morgenduft" mit vorausgehendem Recitativ durch 
Hrn. Ruff hervor. Die Wirkung war aber auch eine tiefgehende 
uud stürmischer Beifall ward dem jungen, strebsamen Künstler zu 
Theil. Mächtig auch ergriff Fr. Peschka-Leutner die Zuhörer durch 
den Vortrag der Arie mit Chor „GottDagon hat den Feind besiegt." 
Auch Hr. G r e g e r gab die Partie des Manoah mit recht anerkennens- 
werthem Eifer und wirksamen dramatischen Feuer, wenn anch seine 
Stimmmittel, besonders in den tieferen Lagen in dem grossen Räume 
nicht immer ausreichend erschienen. Auch der Chor der Philister: 
„Hör mich, o Gott!" wurde sehr wirksam ausgeführt und fand leb- 
haften Beifall. Eine wahre Perle aber war der Vortrag der Arie: 
„Ihr Söhne Israels klagt nun," durch Fräulein Hausen, in wel- 
chem sie den Schmelz ihrer Stimme, sowie die ihr eigene Tiefe 
der Empfindung zur vollsten Geltung brachte. Der Chor leistete 
noch Vortreffliches in dem Chor der Israeliten : „Ihr Thränen fliesst 
in Strömen hin!« und namentlich im Schlusschor: „Laut schalle 
unsrer Stimmen voller Chor." Auch der Trauermarsch wurde sehr 
beifällig aufgenommen, obwohl die Präcision des Vortrages bie und 
da zu wünscheu übrig liess. Der Totaleindruck des ersten Con- 
certes war also ein im Ganzen genommen günstiger und wenn auch 
nicht das Höchste erreicht wurde, so war die Gesammtleistung doch 
eine sehr gelungene, den Mitwirkenden wie dem Dirigenten zur 
Ehre gereichende. (Schluss folgt.) 



COfiRESPONDENZEN. 



Aus Wien. 

Im Monat September waren der Oper 21 Abende eingeräumt; 
die übrigen gehörten dem Ballet. Fünfzehn Opern waren durch 
acht Componisten vertreten, nämlich: Mozart, Wagner, Flo- 
tow, Gounod, Meyerbeer, Donizetti, Verdi uud Rossini. 
Die „Afrikanerin" und „Romeo" wurden je 3 mal, „Lucrezia" und 
„Faust" je 2 mal, alle Uebrigen je einmal gegeben. Unter Letztere 
gehören „Don Juan," „Zauberflöte," „Figaros Hochzeit," „Teil," 
„Hugenotten ," „Rigoletto" und einige weiter unten bezeichnete 
Opern. Die endliche Aufführung des „Fliegenden Holländer" und 
namentlich „Lohengrin" waren das einzige Hervorragende ; im übri- 
gen schleppte sich das Repertoir mühsam weiter, was auch von 
allen Hauptjournalen gerügt wurde. Es verlohnte sich mitunter 
eher von jenen Opern zu reden, die nicht gegeben, aber ahwech* 
selnd als in Aussicht stehend in Erinnerung gebracht werden. AU 



— 163 — 



vor Jahresfrist mit Gluck's „Iphigenie in Aulis" ein Lichtstrahl in 
das Einerlei der Repertoire fiel, träumte man auch schon von „Orfeo" 
und „Armida, tt beide der jetzigen Generation Wiens nur aus den 
Büchern bekannt. Keine von Beiden erlebte eine Wiedergeburt 
und obendrein kehrte „Iphigenie" seit Januar wieder zu ihrer Ruhe 
aurück. Opern, die ein leichtgeschürztes Spiel verlangen, sind dem 
Publikum vollends zur Mythe geworden ; der Sängernachwuchs strebt 
nur immer den dickfarbigen sogenannten heroischen Rollen zu. 
Frl. v. Rabatinsky, die einzige, die das Coloraturfach vertritt, 
versuchte sich nicht ohne Glück in den besten Rollen der geschie- 
denen Frau Murska, so als Gilda (Rigoletto), Lucia und auch als 
Königin der Nacht wusste sie ihr Feld zu behaupten. Frl. E h n n 
wechselt mit den Opern „Faust," „Romeo" und „Afrikanerin;" ein- 
mal sang sie auch den Pagen in „Figaros Hochzeit." Sie strebt 
sichtbar vorwärts; nun soll ihr auch die Mignon zufallen, die 
erste Novität nach so vielen Monaten. Frau W i 1 t zeigt in allen 
Rollen, Lucrezia, Gräfin, Donna Anna, Leonore (Troubadour) die 
stimmbegabte, musikalisch durchgebildete Sängerin. Dass sie nun 
«uch die Ortrude in „Lohengrin" sang, war mehr ein Opfer von 
ihrer Seite, da diese Partie ihrer Stimme zu tief liegt. Leidenschaft 
ist ihr nicht gegeben, aber anerkennenswerth ist der Fleiss, den sie 
auch auf diese ihr nicht zusagende Partie verwandt hatte. Diese 
Aufführung des lange vermissten „Lohengrin" wurde mit grosser 
Theilnahme begrüsst, dies bezeugte das volle Haus und der warme 
Beifall. Elsa wurde von Frau Dustmann vorzüglich gegeben, 
wenn auch ihr Organ seit ihrem ersten Auftreten in dieser Rolle 
etwas gelitten hat. Telramund, früher durch Beck besetzt, war 
diesmal v. B i g n i o zugefallen , der für diese Partie das richtige 
Yerständniss mitbrachte. Doch übertraf ihn sein Vorgänger an 
Wucht und Stimme, über welchen Besitzt sich die HH. Schmid 
und Hrabanek (König und Heerrufer) noch immer nicht beklagen 
.können. Am schlechsten war Lohengrin selbst besetzt. Herrn 
Walter fehlt dazu der nöthige Adel, doch sang er vieles mit 
Wärme und Zartheit. Der Chor, durch Zuwachs aufgefrischt, griff 
iebendig in die Handlung ein. Der Preis des Abends aber gebührt 
«dem Orchester unter Esser's Leitung. Als Ganzes vorzüglicher 
wurde der „Fliegende Holländer" gegeben, indem die Rollenbe- 
setzung mehr zu einander harmonirte. Beck in der Titelrolle, 
Dustmann (Seuta), Walter (Erik), Mayerhofer (Dolond) 
bildeten ein vortreffliche* Ensemble. Wagner's „Rienzi" scheint 
■dem neuen Haus vorbehalten, denn „Mignon" wird als letzte neue 
Oper im alten Theater geuannt. Die nächste Anwartschaft zur Auf- 
führung hat bis jetzt noch immer „Astorga." — 

Den Beschluss der vielen hiesigen Festlichkeiten in diesem 
Jahre bildet die Feier des 25jährigen Bestehens des Männer- 
gesang-Vereins. Kirchliche Aufführung (Messe von Schubert), 
Concert und Liedertafel bilden die Hauptmomente, denen sich die 
Grundsteinlegung eines Monuments für Schubert im freundlichen 
Stadtparke anschliesst. Zahlreiche Vereine haben Deputationen an- 
gesagt und soll der Verein auch durch Ehrengaben aller Art aus- 
gezeichnet werden, Liszt, Herbeck, Lachner, Esser haben 
«igens Chöre für das Festconcert geliefert; die beiden Letzteren 
-werden ihre Compositionen auch selbst dirigiren. Der eigentliche 
Gründer des Vereins, Dr. Aug. S ch m i d t bereitet eine Denkschrift 
vor, die auch für weitere Kreise von Interesse zu werden verspricht. 

Als die ersten Zeichen der Winter - Saison geben die „Philhar- 
moniker" eine vorläufige Anzeige ihres Programms: Nebst Mozart, 
Beethoven, Mendelssohn werden genannt: Clavierconcert 
von Schumann, „Fee Mab" von Berlioz, Ouvertüre (Sakun* 
tala) von Goldmark, tes Priludes von Liszt, Entreact aus 
-„Medea" von Cherubini. Unter den Sinfonien sind neu eine 
von Esser und die jetzt häufig genannte Oxford-Sinfonie von 
Raydn. — Hell mesberger und Laub werden Beide Quartette 
veranstalten ; ob die Florentiner wiederkommen , ist noch Ge* 
■heimniss. — 



>• •< ■ 



Aus Paris. 

$ October. 
Wie es heisst, wird der Minister der schönen Künste auf höhere 
Veranlassung nächstens die hervorragendsten Dichter und Compo- 
«iteure zusammenberufen, um sich mit ihnen über die Ausschrei- 



bung eines auf eine Nationalhymue zu setzenden Preises zu berathenv 
Frankreich hat zwar die Marseillaise, die fast die Hymne aller 
Nationen geworden, und den Chant du depart, der auch nicht so 
übel ist; allein man hat diese beiden Gesänge aus leicht begreifli- 
ehen Gründen unterdrückt, und was des „Partant pour la Syrie* 
betrifft, so ist diese Compositum immer nur officiell geblieben und 
auch allzusehr abgeleiert worden. Es fragt sich nun, ob man durch 
die Preisausschreibung den Zweck erreichen werde. Es ist sogar 
anzunehmen, dass viele Poeten und Componisten viel Schweiss ver- 
giessen werden, ohne etwas Rechtschaffenes zu Stande zu bringen. 
Eine Regierung kann wohl Chassepotgewehre , Kugelspritzen und 
sonstige herrliche Dinge verfertigen lassen , aber Meisterwerke der 
freien Kunst kann sie doch nicht so leicht hervorrufen. Warten 
wir indessen den Erfolg ab. 

Die hiesigen lyrischen Scenen sind sämmtlich, bis auf das 
Thidtre lyrique, bereits eröffnet. Das neu verzierte Italienische 
Theater hat vorigen Dienstag die Winter Vorstellungen mit „Lucia 
von Lammermoor" eingeleitet. Adelina Patti und Fraschioi 
theilten die Lorbeeren, mit denen sie das Publikum verschwende- 
risch bedachte. 

Die Bouffes-Parisiens haben ebenfalls ihre Pforten dem Publi- 
kum erschlossen und demselben zwei Operetten von Offenbach, 
»Le Fifre enchante' und »Ulle de Tulipatan" vorgeführt und 
zwar mit glänzendem und wohlverdienten Beifall. 

Die FantaisiesParisienn.es haben die Saison mit dem „Barbier 
von Sevilla" begonnen, aber nicht mit dem R o ss i n i' sehen, son- 
dern mit dem von Paisiello. 

Das Theätre lyriquh wird am 15. oder spätestens am 20. Oc- 
tober mit dem „Thal von Andorra" eröffnet werden; hierauf sollen 
der „Barbier von Sevilla," „Iphigenia in Tauris" und „Don Juan* 
aufs Repertoir kommen. Einstweilen sucht Pasdeloup so viel 
Kunstkräfte als möglich für seine Anstalt zu gewinnen. Er will, 
dass sein Theater dem Volke zugänglich werde und deshalb hat er 
auch die Preise der Plätze bedeutend ermässigt. Die unermüdliche 
Thätigkeit, die er der Leitung dieser Bühne widmet, wird ihn 
jedoch nicht hindern, seine populären Concerte am 18. d. Mts. zu 
beginnen. 

Nachrichten. 



Mainz. Am 2. d. M. veranstaltete der „Philharmonische Ver- 
ein" ein grosses Concert im Saale des Frankfurter Hofes, welches 
durch die Mitwirkung der jugendlichen Violinvirtuosin Fräulein 
Therese Liebe aus Paris ein ganz besonderes Interesse ge- 
wann. Sie spielte ein „Pastorale" von Leonard, „Elegie" von Ernst, 
Kirchenscenen und Terzett aus Gounod's „Faust" für Violine, Har- 
monium und Piano arrangirt und „IS Aragonesa" von Alard, wel- 
cher sie nach stürmischem Dacaporuf noch ein kleines, mit grosser 
Feinheit vorgetragenes Cantabile folgen liess. Frl. Liebe hat, seit 
sie vor ein paar Jahren als Kind zum ersten Male hier auftrat und 
durch ihr frühreifes Talent allgemeine Bewunderung erregte, in 
Paris den Unterricht Alard's und Leonard's genossen und ganz 
ausserordentliche Fortschritte gemacht. Sie überwindet nicht nur 
spielend Schwierigkeiten aller Art, sondern es ist auch Seele in 
ihrem Spiel und sie singt mit einer Gefühlstiefe auf ihrer Violine» 
die man ihrer noch so zarten Jugend gar nicht zutrauen sollte. Der 
Beifall der Zuhörer steigerte sich demnach auch mit jedem ihrer 
Vorträge und wurde am Schluss ein so stürmischer, wie er hier in 
Concerten nnr äusserst selten vorkommt. 

Der concertgehende Verein bewies durch den wackeren Vortrag 
der Sinfonie in D-dur (ohne Menuett) von Mozart und der Beetho- 
ven'äcben „Prometheus"-Ouverture, dass er in seinem Streben nach 
Vervollkommnung nicht stille steht. — Eine weitere interessante Er- 
scheinung war das zweimalige Auftreten der schwedischen Quartett- 
sänger, HH. H. Lutteman, Z. Köster, E. Eiberg und G. 
R y b e r g im Stadttheater, welche durch die schöne Verschmelzung 
der Stimmen, durch die ausserordentliche Reinheit, Präzision und von 
feinem Verständniss zeugende Vortragsweise Kennern und Laien 
einen wahrhaften Genuss gewährten und sich mit ausserordentlichen 
Beifallsbezeugungen und häufigen Hervorrufen beehrt sahen. Noch 
grösser mttsste die Wirkung dieser schönen Gesangsleistangen in 



164 - 



einem geschlossenen Saalraume seid and 68 verlautet auch, das» die 
trefflichen Künstler gesonnen seien, ein eigenes Concert im'Casino- 
saale tu veranstalten 

Frankfurt a. M. Die Herren Hugo Herrmann, Ruppert 
B e k e r , Ernst Welker und der an der Stelle des von hier 
geschiedenen Louis Lübeck engagirte treffliebe Violoncellist Va- 
lentin Müller (früher Mitglied des Morin'schen Quartetts in Paris) 
werden die hiesigen Kunstfreunde mit einer Beibe von Quartett' 
Soireen erfreuen. 

Beflift. Marschner's Oper „Templer und Jüdin," seit dem 
Abgänge der Frau Scblegel-Köster von der Bühne hier 
nicht mehr gegeben, ist nun wieder, und zwar mit bestem Erfolge, 
in Seene gegangen. Hr. Betz als Templer und Frau v. Voggen* 
huber als Rebecca leisteten Vorzügliches. Hr. Wowonkj, 
obwohl als heiser gemeldet und B o st als Bruder Tuck erwarben 
Sich gleichfalls grossen Beifall und auch die kleinen Rollenjwaren 
recht gut vertreten. 

— ■ R. Wüerst's Opef „Der Stern von Turau" wird an der 
k. Oper neu einstudirt. Die Hauptrollen werden Frau Lucca nnd 
die HH. Niemann, Betz und Salomon singen. 

Wtoft'. In den Concerten der „Gesellschaft der Musikfreunde 8 
soll, ausser einigen grösseren Werken von alten Meistern, auch 
das Oratorium ,,Elisabefh* von L i s z t zur Aufführung kommen. 

Paris. Der letzte Samstags- Abend bei Rossini zählt zu den 
glänzendsten dieser Saison. Es sangen dort Mlle Nilsson, Mme. 
A 1 b o n i und F a u r e. Die Alboni sang, wenigstens zum 20. Male, 
eine wunderliche Melodie von Rossini, welche über eine aus 
lauter ganzen Tönen bestehende Tonleiter, von. dem Maestro „Chi- 
nesische Tonleiter" benannt, geschrieben ist und die sonderbarsten 
harmonischen Combinationen enthält. 

— Herr B a g i e r , Director der italienischen Oper, sieht die 
Sorgfalt, welche er auf die Organisation der diesjährigen Saison 
verwendet hat, schon jetzt ihre Früchte tragen, indem das Abonne- 
ment ein äusserst ergiebiges ist und die ganze feine Welt sich zu 
den Vorstellungen drängt. Adelina Fatti und der Tenorist 
Fraschini werden zusammen vor ihrem Abgang nach Petersburg 
in den verschiedensten Opern auftreten , um sodanu den Damen 
Miunie Uauck und Ilma von M urska mit dem alten , aber im- 
mer noch thatkräftigen Tamberlik Platz zu machen. 

— Paris besitat gegenwärtig 28 Cafe'- concerts, welche über 
den ganzen Umfang der Hauptstadt zerstreut liegen. 

*** Von Carlo Pedrotti, dem Capellmeister im Teatro 
regio in Turin, wird diesen Wiuter in Venedig eine neue vier- 
actige Oper, „Ulema la schiava" aufgeführt werden. 

*** Bei Gelegenheit der Anwesenheit des Königs von Preussen 
in Hamburg fand als Festvorstellung die 110. Aufführung der 
Oper „Faust" von Gounod statt. 

*** Die komische Oper „Am Runnenstein" von Flotow und 
R. Genee wird im Theater an der Wien znr Aufführung vorbereitet. 

*** Im Nachlass des kürzlich in Graz verstorbenen Compo- 
nisten Anselm Hüttenbrenner haben sich folgende als Andenken 
ihm verehrte und von ihm bewahrte Autographe vorgefunden und 
«war von Mozart: die „Bergknappenmusik" in acht Stücken; ein 
Lied mit italienischem Text ; von Beethoven ein Lied ; von Sehn« 
bert die Lieder „die Forelle," „die zürnende Diana," „Gretchen 
am Spinnrade," „dieses ist das Brod," Sympboniesätze in E-dur, 
Thema von Hüttenbrenner; „Ein Deutscher" mit der Nachschrift 
„Geschrieben für mein Kaffee-, Punsch- und Weinbrüderl Anselm 
Hüttenbrenner, weltberühmten Compositeur. Im Jahre ß.es Herrn 
1818 in der höchsteigenen Behausung 30 fl. Wiener Währung. 

%* Der ehemalige durch die Auflösung der österreichischen 
Blilitärcapellen ausser Dienst gekommene Capellmeister des k. k. 
ttadetzky-Husarenregimeuts, Stephan Schramm, ein Salzburgef, 
dessen Wirken für das Gebiet der classischen Musik in musikali- 
schen Fachblättern seinerzeit eine sehr anerkennende Würdigung 
fand, folgt einem ebenso ehrenvollen als materiell begünstigten 
Rufe nach England, wo er die Leitung der Militärcapelle des ersten 
fcgl. Dragoner Garderegiments zu Sheffield übernehmen wird. 

***• In E 1 b e r f e 1 d ist der als tüchtiger Orgelspieler und 
Componist auch in weiteren Kreisen bekannte Organist der dorti- 
gen reformirteu Kirche, Hr. J. A. van Eycken im Alter von 45 
Jahren am 24. September gestorben. 



***- Den Nachrichten verschiedener Blätter zurblge hat die» 
Aufführung der Oper „Der erste Glückstag ■ von A u b e r in Mün- 
chen keinen durchschlagenden Erfolg gehabt, trotzdem die Ausstat- 
tung eine sehr glänzende und die Durchführung der Hauptpartien 
(Frl; Stehle, Hr. Vogl und Hr. Kindermann) eine vorzügliche war. 

•** In Brüssel wird „Lohengrin" zur Aufführnng vorbereitet 
und in Mailand sollen „Rienzi" und „Freischütz" dem dortiger* 
Publikum vorgeführt werden. (Warum auch nicht, da man doch 
die Meyerbeer'schen Opern auf allen italienischen Bühnen gibt?) 

*** Frau Clara Schumann beabsichtigt sich in Wien» 
bleibend niederzulassen. 

\* Der Componist J. P. Gottharjl hat in Wien eine neue 
Musikalienhandlang etablirt und bereits eröffuet. 

V Die Berliner Singakademie kündet für die be- 
vorstehende Saison vorläufig drei Abonnementsconcerte an , in wel- 
chen sie folgende nicht mehr ganz unbekannte Werke zur Auffüh- 
rung bringen wird: „Weihnächte Ouvertüre" von Seb. Bach, „Die- 
Jahreszeiten" von Haydn und „Messias" von Händel. 

\* Es steht das baldige Erscheinen einer Biographie Josef 
Haydn's von C. F. Pohl, Archivar und Bibliothekar der Gesell- 
schaft der Musikfreunde in Wien, in Aussicht und von dem uner- 
müdlichen Sammlerfleisse und der seltenen Gewissenhaftigkeit des- 
Autors lässt sich nur Gediegenes erwarten, so dass man eine bedeu- 
tende Lücke in der musikalischen Kunst- und Cul turgeschichte durch 
das erwartete Werk ausgefüllt sehen dürfte. 

*** Die Coloratursängerin Sgra. Brunetti und der bekannte 
Flöten virtuose De V r o y e haben in Aachen mit ausserordent- 
lichem Erfolg concertirt. 

*** Die neuerbante grossartige Tonhalle in Zürich wurde 
durch ein Concert der dortigen Männergesangvereine mit Orchester 
eröffuet. 

%* Mme. S a s s von der grossen Oper in Paris ist für das 
Scala-Theater in Mailand ein zweimonatliches Engagement mit 
25,000 Frcs. als Honorar angeboten worden. 

*** Frl. Aglaja Orgeny ist von Hrn. Pasdeloup für da» 
The'dtre lyrique in Paris engagirt worden. 

*** Auch am IToftbeater in München ist nun Sängern und 
Schauspielern untersagt worden, den Hervorrufen bei offener Scene 
Folge zu leisten. 

*n* Im Pest er Nationaltheater wurde die Oper „Zriny" von. 
R. v. Adelberg zum ersten Male aufgeführt und fand beifällige 
Aufnahme. 

* m * Frl. H ä n i s c h vom Hoftheater iu Dresden hat am 
deutschen Landestheater in Prag ein Gastspiel als Martha 
mit sehr gutem Erfolge begonnen. 

ANZEIGEN. 



AMSTERDAM: Th. J, ROOTHAAN ir Cie. 



Es ist diese poetisch begeisterte Dichtung eine höchst 
daukenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer 
der BEETHO VEN'schen Muse dringend aufmerksam 
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) 

J»r. J. JP. MM EM JE, 

GMEIMLANDS WORSTELSTRIJD 

(Griechenlands Kampf und Erlösung.) 
BEETHOVEJVS 

Ruinen von Athen. 

Clavierauszup fi. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50. 
Jedenfalls passt sich die fiiessend und wohlklingend, 
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich 
der BEETHOVEN'schen Musik an. Möchten die deut- 
schen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch 
machen. (AUg. Musik-Ztg.) 

Leipzig: FR. HOFMEISTER. 



K 



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8 



Vertxntw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



17. Jahrgang. 



i¥* £9 



19. Ocfober 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



Y* ^t 

Diese Zeitung erscheint jeden \ 

MONTAG. 
\ Man abonnirt bei allen Post- \ 
J ämtern, Musik- & Buchhand- 
< lungen. 

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von 



B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 






PREIS: 

fl. 2. 42 kr. od. Th.l.l8Sg.| 

für den Jahrgang. j 

Durch die Post bezogen: j 

50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 1 



IHHALT: Zur Geschichte des deutschen Männergesauges. — Das VI. Mittelrheiuische Musikfest in Darmstadt. — Corresp.: Cöln. München. — 
Nachrichten. 



Zur Geschichte des deutschen Mämier- 

Gesanges« 

Von W. Lackowitz. 

(Schluss.) 

Mit ungeheurer Begeisterung wurde die neue Stiftung in Ber- 
lin überall begrüsst, von allen Seiten meldeten sich Theilnehmer, 
namentlich lieferten die Studentenkreise, in denen die Stifter viel 
▼erkehrten und grossen Auhang hatten, tüchtige und ausübende 
Kräfte. Es wurde aber auch nicht verabsäumt, dem jungen Unter- 
nehmen eine würdige Unterlage zu gaben, und altern Herren*, von 
literarischer und sonstiger Bedeutung, die mit freilich ewig jugend- 
lichem Geiste jedes frisch aufstrebende Geistesleben von vornher- 
ein sauctionirten und, unterstützten, wurden dem Vereine gewonnf». 
E. T. A. Hoffmann, Streck fuss sowie der Vater Theodor 
Körner's waren bald Mitglieder, und Zelter, der von allen Stif- 
tern so hoch gehaltene Zelter, wurde zum Ehrenmitgliede 
ernannt, womit zugleich der Schein vermieden wurde, als beabsich- 
tige die jüngere Liedertafel eine Concurrenzanstalt der älteren zu 
werden. 

Das war der erste Zweig, den der sorgsam gehütete Baum ge- 
trieben. Er entwickelte sich aber, vielleicht sogar zum geheimen 
Schrecken des Gärtners, in solcher Ueppigkeit, dass er in dem klei- 
nen Häuschen, welches dem Mutterstamme bisher zum Aufenthalts- 
orte gedient hatte, nicht mehr Platz fand. Gewaltsam bahnte er 
sich deu Ausgang iu's Freie, streckte seine üppig grünen Blätter 
in die frische Luft hinaus und dehnte sich hier mit immer sicht- 
barer werdendem Wohlbefinden mit staunenswürdiger Schnelligkeit 
aus. Jetzt sah mau erst die Kraft, welche in dem Baume gesteckt 
hatte, dieser Zweig erst zeigte die ausserordentliche Lebens- und 
Entwickelungsthätigkeit der neuen Kunstgattung. Die jüngere Lie- 
dertafel verwarf das strenge Abschliessungssystem und huldigte dem 
Satze: Leben uud leben lassen. Das gegebene Beispiel schlug wie 
ein Blitz in die geselligen Kunstverhältnisse, selbst in Berlin ent- 
standen in verhältnisfimässig kurzer Zeit ähnliche Vereinigungen, 
bald folgten die grösseren Provinzialstädte nach, und — nun, das 
Weitere ist ja aller Welt bekannt genug: die kleineren, kleinen 
und kleinsten uud selbst Dörfer blieben nicht zurück und gründeten 
ihre Liedertafel. Das war an und für sich eine gewiss gute Sache. 
Zwar hat eine Stimme auf Grund dieser Erscheinung von einem 
Männergesangvereinsfieber als von einer grassirenden epidemischen 
Krankheit gesprochen; allein ein unbefangener Beobachter kann 
, «ich wohl kaum diesem herben Ausspruche anschließen, nur Kurz- 
r sichtigkeit und Befangenheit können ihn veranlasst und den Ur- 
heber verhindert haben, in dieser rapiden Entwickelung viel mehr 
;*den in ungeheuren Kreisen erweiterten Musiksinn und das drän- 
: gende Musikbedürfuiss des Volkes zu erkennen. 
? i, Ueberall machte sich der Einfluss der jüngeren Liedertafel gel- 
tend. Namentlich waren es die Compositionen Bernhard Klein'*, 



welche fast in allen norddeutschen Gesangvereinen gewissermassen 
als das canonische Recht, von welchem ausgegangen werden müsse, 
angesehen und den Uebnngen zu Grunde gelegt wurden. Das war 
der erste Feuereifer, die Pietät gegen den jungen Stammvater. 
Bernhard Klein verstand seine Zeit vollkommen, er konnte und 
wollte sich ihr nicht entziehen, und darauf gründet sich sein gros- 
ser Erfolg. Diese Zeit staud unter dem fast uneingeschränkten Ein- 
flüsse Carl Maria v. Weber'«. Von der Bühne herab hatte 
Weber zündend in alle Kreise eingegriffen , der berückende Zauber 
seiner Klänge hatte alle Ohren und Herzen bestochen, sein „Frei- 
schütz" beherrschte ganz Deutschland vom Palast bis zur Hütte, 
von der Oper bis zur Drehorgel. Der Männergesang, der bei aller 
Kraft das weiche Grundgepräge nicht verleugnen kann, eignete sich 
ganz besonder», dergleichen Klaugeffecte in sich aufzunehmen, den 
Zauber sinnlich berauschender Klänge auf Ohr . «od Herz wirken 
zu lassen, und Beruhard Klein verstand es, sich dieses Mittel ganz 
zu eigen zu machen. Er war aber ein Künstler von Gottes Gnaden, 
ein Künstler, dessen Kunstsinn nur dem Höchsten zustrebte, der 
mit aller Kraft darauf hinarbeitete, auch den Männergesang auf die 
möglichste künstlerische Höhe zu erhebeu. Seine Schöpfungen ver- 
rathen sämmtlich diesen tiefen Ernst, diesen Adel der Gesinnung, 
namentlich die acht Hefte religiöser Gesänge. Die Polyphonie gab 
ihm dazu die Mittel an die Hand, und er behandelte dieselbe in 
dem eng begrenzten Räume der Männerstimmen mit seltener Mei- 
sterschaft; allerdings standen ihm auch die zur Ausführung nöthigen 
Kräfte zu Gebote , denn bei der musikalischen Bildungsstufe, auf 
welcher sich Tausende von Gesangvereinlern dermalen befindeo, 
möchte eben bei ihnen eine Klein'sche Motette zur Unmöglichkeit 
gehören. 

Nur wenige Männer haben sich später dieser edlen, nach wah- 
rer Kunst strebenden Auffassung des Männergesanges angeschlossen, 
denken wir hier vor allen an Carl Löwe (geb. am 30. Novem- 
ber 1796 zu Löbejün bei Halle, lebt seit 1821 als Musikdirector in 
Stettin). Er hat sogar versucht, grössere Musikwerke, Oratorien, 
für Männerstimmen zu schreiben, um den Männergesang ganz in 
das Gebiet der Kunst überzuziehen. Mit welchem Erfolge? — Die 
meisten Componisten nach Bernhard Klein trugen kein solch Ideal 
in der Brust, begnügten sich mit dem blossen Wohlklange, wollten 
vor allen Dingen nur Gesang und fragten nicht darnach, ob dieser 
auf der Höhe der Kunst stehe oder nicht, fragten nicht einmal, ob 
er überhaupt kunstgemäss sei. Sie beruhigten sich mit dem aller- 
dings 'richtigen Urtheil, dass zur Ausführung von Gesängen in 
Klein'scher Anschauungsweise eine nicht unbedeutende musikalische 
Bildung gehöre, eine Bildung, die unte'r all den sangeslustigen Men- 
schen nur eine verschwindende Minderzahl haben kann. Sie tröste- 
ten sich mit dem Gedanken, dass es ja Leute des Volkes seien, die 
da sängen, die nicht nach kunstgemässem Gesänge, sondern nur 
nach Gesang überhaupt verlangen, und zwar je einfacher desto bes- 
ser. So Manche brauchten auch den Hinweis auf das einfache 
Volkslied nur als Deckmantel für ihre eigene Unfähigkeit, Besseres 
als gewöhnlichen Bäukelgesang zu liefern. So ist es gekommen, 



- 166 



dass in Wahrheit der Männergesang heut zu Tage nur noch verein- 
zelt als wahrhafter Kunstgesang auftritt, dass er in seiner Mehrheit 
nur dem Klange als solchem fröhnt, und es sind leider niedrig- 
deakende Geister genug «fa, welche dieser Lust immer neue Nah- 
rung zuführen, welche aus der Hinneigung des gemeinen Manne» 
zu elenden Kneipeawitzen und halben oder ganzen Zotea hmsum 
Münze zu schlagen suchen ; sie können wenigstens immer sicher 
sein, dass sie eine ganz erkleckliche Zahl von Abnehmern für ihre 
Sudeleien finden. 

Das hat aber leider so manchen tüchtigen Musiker abgeschreckt ; 
Mancher hat sich vom Männergesange zurückgezogen , Mancher hat 
sich ihm als einer ganz unwürdigen Kunstgattung gar nicht zuge- 
wendet. Das ist nicht recht, in keiner Weise, denn da kann aus der 
Hebung des Männergesanges nie etwas werden ; und doch ist er 
einmal da, doeh ist der Männergesang ein Bedürfniss, ein wesent- 
liches Moment im Leben des Volkes geworden, und ich sollte mei- 
nen — abusus non tollit usum! Desshalb frisch an 1 s Werk. 



Es wäre jedenfalls ein Unrecht, wollte ich zum Schlüsse nicht 
wenigstens noch mit einigen Worten der Erscheinung gedenken, 
welche unabhängig von der Zelter'schen Liedertafel, bald nach ihrer 
Stiftung, unabhängig und ohne Verbindung mit Norddeutschland 
überhaupt, in der Schweiz die Gründung von Männergesangvereinen 
veranlasste. Während aber Zelter und auch die jungem Lieder- 
tafeln noch sich vorzugsweise dem Kunstgesange anschlössen, zur 
Ausführung ihrer Gesänge mehr oder weniger musikalisch gebildete 
Leute verlangten , wendete sich Hans Georg Nägeli in der 
Schweiz dem Volke selbst zu, dessen Bedürfniss und Verlangen ihn 
selbstständig auf die Entdeckung der Möglichkeit eines unbegleite- 
ten, mehrstimmigen Männergesanges führte. Er hatte daher auch 
nur das Bedürfniss des Volkes vor Augen, nur dafür wirkte, schaffte, 
'arbeitete er; wie und unter welchen Umständen? ' — das darzu- 
legen, muss ich mir für ein ander Mal vorbehalten. 



Das VI. UliUclrlieiiiiscIie Ifluslkfest in 

HaraistfMlt 

am Sonntag dea 27. und Montag den 28. Se.pt. 1868. 



(S c h 1 u s s.) 

Das zweite Festconcert begann am Montag den 28. September 
Mittags l 1 /» Uhr, nachdem die Generalprobe für dasselbe bis 12 
Uhr Mittags gedauert hatte, so dass den Mitwirkenden kaum Zeit 
blieb, sich einigermassen zu stärken und für das Concert umzuklei- 
den« Dennoch sah die obengenannte Stunde wieder die ganze 
Schaar der Säuger und Musiker versammelt und bereit, mit uner- 
müdlichem Eifer das Fest seinem Ende entgegen zu führen. Wer 
aber, wieder sich gar spärlich eingefunden hatte, das war das Publi- 
kum, welches uns fast noch weniger zahlreich erschien, als am ersten 
Tage. Und, es war wieder nicht etwa das biedere Landvolk allein, 
welches die landwirtschaftliche Ausstellung dem Concerte vorzog, 
was wir ihm, von seinem Standpunkte aus betrachtet, nicht einmal 
übel nehmen, kcmuen, sondern auch die Bewohner der so nahe lie- 
genden Städte hatten ein .nur gar zu schwaches Contingent gestellt. 
So sahen wir z. B. unsere kunstsinnigen Mainzer und Mainzerinnen, 
. welche doch sonst in rauher Winterszeit mit Extrabahuzügen nach 
Darmstadt eilen, um bei einer Vorstellung der „Sicilianiacben Ves- 
pe*," der „Afrikauerin" oder des »Romeo" von Gounod das Theater 
zu füllen , nur sporadisch auf den zahlreichen Bänken zerstreut 
sitzen und selbst die festgebenden Darmstädter schienen sich der 
Mehrzahl nach ihren bescheidenen Antbeil an den gebotenen Kunst- 
genüssen in den Generalproben geholt zu haben, obwohl auch diese 
nicht sonderlich stark besucht waren. Kurzum, das ganze Publikum 
hätte recht wohl in den Zuschauerräumen des Hoftheaters unterge- 
bracht und die trotz der sichtbaren Sparsamkeit doch sehr erheb- 
lichen Kosten für Einrichtung und Decorirung des Zeughauses hät- 
ten somit erspart werden können. Das ganze Fest brach eben zu 
plötzlich über das musikliebende Publikum herein v und diesem 
fehlte darum der rechte atlimus, es fehlte der Glauben daran, und 
— noch einmal sei es gesagt — die Eintrittspreise waren entschie- 
den, zu hoch gestellt. 

Das zweite Concert wurde mit der Sinfonie Nr. 7 in A-dur von 



Beethoven eröffnet, welche, abgesehen von dem wohl ein wenig zu 
langsamen Tempo im ersten und zu Anfang des letzten Satzes, in 
recht anerkennenswerther Weise executirt wurde, so dass jedem der 
einzelne« Ätz© stürmischer Beifall folgte. Hierauf sang Frau 
PescbJca-Leutner die Sopran- Arie „Auf starkem Fittich" mit 
vorangehendem Recitativ aus der „Schöpfung" von J. Haydn, 
welche ihr Gelegenheit bot, nicht nur ihre schönen Stimmmittel, 
sondern auch ihre Kunstfertigkeit gläuzeu zu lassen, so, dass ihr 
die wohlverdiente Anerkennung in reichlichem Maasse zu Theil 
wurde. Zu den gelungensten Produktionen des ganzen Festes ge- 
hörte unstreitig die nun folgende Motette: „Lob und Ehre und 
Weisheit" von J. S Bach. Die Soli wetteiferten mit dem pracht- 
vollen Doppelchor, um das wundervolle Werk in seiner ganzen er- 
greifenden Schönheit wiederzugeben. Die Wirkuug war eine wahr* 
haft grossartige und würde vielleicht noch intensiver gewesen sein, 
wenn man es gewagt hätte, das Werk der Intention des Compoui- 
sten gemäss 'ohne Orchesterbegleitung aufzuführen, was bei deu 
disponiblen trefflichen Gesangskräften sicherlich ausführbar gewe- 
sen wäre. 

Die zweite Abtheilung des Concerts wurde ausgefüllt durch 
Ouvertüre und Sceueu aus „Frithjof," für Soli, Chor und Orchester 
componirt von C. A. Mangold. Dieses Werk leidet von vorüber- 
ein au dem Fehler, dass die Dichtung zu weit ausgesponnen ist 
und darum das Ganze entschiedene Längen enthält, die um so 
mehr auffallen, als es der Componist an der hier so nahe liegenden 
und durchaus erforderlichen characteristischeo Gegensätzigkeit in 
seiner Musik hat fehlen lassen. Jedenfalls war mit dem, was davon 
in den Rahmen dieses Concertes gedrängt wurde, den ohnedies über 
Gebühr angestrengten Mitwirkenden sowie den Zuhörenden zu viel 
zugemuthet. Das Werk enthält übrigens viele unbestreitbare Schön- 
heiten und Mangold zeigt, dass er grosse Tonmassen wirksam zu 
behandeln weiss und mit den Künsten der Orchestrirung vollkom- 
men vertraut ist, auch über ein respectables Maass von Erfindungs- 
gabe verfügt. 

Zu den hervorragenden Nummern zählen wir ausser der schön 
gearbeiteten Ouvertüre den äusserst lieblichen Frauenchor: „Seid 
gegrüsst in sonnigen Höhen," Ingeborg's Recitativ und Arie Nr. 23 
und 24, Scenen mit Chor Nr. 25, Quintett mit Chor Nr. 27, Früh- 
lingschor Nr. 30, Ring's Tod Nr. 34, Duett zwischen Frithjof und 
Ingeborg Nr. 85 b und den sehr effectvollen Schlusschor. Die Soli- 
sten, dieselben wie im ersten Concerte, führten ihre Partien mit 
Eifer und Verständniss durch und sowohl die Damen Peschka- 
Leutner und Hausen als auch Hr. Ruff ernteten reichlichen 
Beifall für ihre trefflichen Leistungen. Selbst Hr. G r e g e r , ob- 
wohl durch Proben, Concerte und Oper auffällig ermüdet, hatte 
manche schöne und dankenswerthe Momente. Von dem was uns 
an Mangold's Werk weniger zusagte, heben wir vorzugsweise her- 
vor, dass in Nr. 20, „Wikingerbalk" betittelt, für Chor und Soli, 
der in punktirtem Rhythmus gehaltene und an und für sich nicht 
sonderlich interessante Gesang mit Refrain sich offenbar zu oft wie- 
derholt und dadurch zu unerquicklicher Länge ausgesponnen wird. 
Ferneres wäre das Tiiukiied mit Chor, Nr. 20, wie man uns sagte, 
einer norddeutschen Volksweise nachgebildet, besser weggeblieben, 
denn es bedurfte wirklich die anregende Frische des darauffolgen- 
den Frühlingschors, um- den tristen Eindruck jener geradezu lang- 
weiligen Nummer zu paralysireu. Soviel in Kürze über ein Werk, 
welches seinem Urheber unzweifelhaft zur Ehre gereicht, und wenn 
dieser sich zu deu nöthigen Kürzungen und Auslassungen verstehen 
will, au allgemeinem Interesse noch bedeutend gewinnen wird. Das 
ganze Musikivst hat, wenn es auch im Allgemeinen nicht ganz auf 
der Höhe seiner Vorgänger steht, dennoch recht schöne und erhe- 
bende Momente geboten und obgleich die mit Insceuirung und 
Durchführung desselben Betrauten mit Recht mancher Vorwurf tref- 
fen mag, so darf doch an ihrem guten Willen nicht gezweifelt wer- 
den und gerade die hier begangenen Fehler könneu den kunstsin- 
nigen Veranstaltern folgender Feste zur Lehre dienen im InteresSe 
des Instituts der Mittel* heiu. Mutikfeste selbst. Jedenfalls dörfte 
eine Kritik des in Rede stehenden Festes, wie wir sie in der „Zu- 
kunft" gelesen haben, und welche mehr persönlicher Gehässigkeit, 
als wirklichem Kunsteifer entsprungen scheint und in einem wo*l 
niemals zu billigendem Tone geschrieben ist, von unbefangenen 
Festtheilnehmeru in keiner Weise gebilligt werden könneu. E. F. 



- 167 — 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Cüln, 

October 1868. 

Nachdem uns nun auch die letzten Schwalben verlassen und die 
trüben Herbsttage sich eingefunden, rüsten sich Theater, Concerte 
und Bälle, um den heimgekehrten Städtern die langen Winterabende 
durch Kunstgenüsse aller Art in geschlossenen, prachtvoll decorirten 
Bäumen verkürzen zu helfen und für die Beize der heurigen wun- 
dervolIengSommer-Villegiatur zu entschädigen. 

Das hiesige Stadttheater, unter der Leitung seines tüchtigen 
Directors Ernst, hat seine Abonnement - Vorstellungen begonnen« 
Die uns bis jetzt vorgeführten Opern und Schauspiele haben das 
zahlreich sich wieder eingefundene Publikum befriedigt, und lassen 
die Leistungen des engagirten Personals für den bevorstehenden 
Winter manchen schönen Kunstgenuss erwarten. Der hiesige Ge- 
xneinderath hat endlich nach langen Debatten den Wegfall der hier 
noch nach altfranzösischem Gesetze zu erhebenden Armen-Abgaben 
für öffentliche Lustbarkeiten beschlossen und ist hierdurch den Büh- 
nen und Coucert - Gesellschaften eine wesentliche Erleichterung zu 
'Theil geworden. Dieser freisinnige Beschluss der Väter unserer 
Stadt ist allseitig freudig begrüsst worden, zumal es bei bewandten 
Umständen immerhin ein Bäthsel geblieben ist, wie die Directionen 
•solcher Kunstinstitute bei den zu zahleuden enormen Kosten und 
alles Maass übersteigenden Gagen für Sängerinnen, Sänger und re- 
nommirte Gäste, ohne bedeutende Subvention noch haben existiren 
köunen. Hoffen wir, dass bei dem in gleichem Schritte sich ent- 
wickelnden Luxus unserer Zeit die Theater uud Concerte durch desto 
grössere Betheiligung eines genusssüchtigen Publikums dennoch ihre 
Rechnung finden werden Der Tenorist Herr Theodor Wachtel 
gastirt gegen wärt ig hier mit grossem Erfolg. 

Im Thalia-Theater, unter Leitung des Directors Julius Witt, 
reihen sich Lustspiele, Operetten, Schwanke und Burlesken in bun- 
ter Reihe an einander; das lachlustige Publikum erfreut sich an den 
komischen Humoresken und zollt dem darstellenden Personale rei- 
chen Beifall. 

Herr Capellmeister Ferd. H i 1 1 e r, welcher gleich nach dem 
Bonner Universitäts-Jubiläum, wo ihm der Ehrentitel eines Dr. Phi- 
losophiae zu Theil geworden, ernstlich erkrankt war, hat sich wieder 
erholt und ist, vollständig wieder genesen, aus einer stärkenden See- 
bad-Cur zurückgekehrt. Derselbe kündigt durch die hiesige Cou- 
cert- Gesellschaft für den kommenden Winter wiederum 10 Abonne- 
ment - Concerte an, welche unter so bewährter Leitung bei den 
hiesigen vorzüglichen Kräften eines tüchtigen Orchesters und treff- 
lichen Chores und den vorhandenen Mitteln zur Vorführung nam- 
hafter Künstler und Solisten auch in diesem Winter ihre alte An- 
ziehungskraft aasüben werden. 

Der „Cölner Männer - Gesangverein," unter der bewährten Lei- 
tung des fcönigl. Musikdirektors Herrn Franz Weber, hat in Ver- 
bindung mit dem Orchester der „Philharmonischen Gesellschaft 
•ebenfalls wieder drei musikalische Abendunterhaltungen im Ger- 
trudenhofe arrangrrt, deien gesellig heiterer Ton neben einem ge- 
diegenen Concert-Programme im vorigen Jahre so grosse Theilnahme 
gefunden und welche auch zuversichtlich in diesem Winter wieder- 
um eine Fülle des Schönen bieten werden, so dass eine zahlreiche 
Betheiligung des Publikums zu erwarten steht« 

In dem ersten Concerte wird Herr Concertmeister Otto van 
Koenigslöw das Violiuconcect von Spohr und einige Salonstücke 
«um Vortrag bringen. 

Die von dem „Cölner Männer - Gesangverein" und der »Phil- 
harmonischen Ge# ellschaft" gemeinsam arrangirten Familien • Feste 
sind in kurzer Zeit sehr beliebt geworden und finden bei einem 
grossen Tbeile des Publikums freudige Theilnahme, weil dieselben, 
neben dem Ernste der classischen Kunstproduction, auch dem gesel- 
ligen Vergnügen durch veranstaltete gemeinschaftliche Souper's, den 
herrschenden hvitern Humor, eingelegte Liedervorträge und komische 
Scenen Rechnung tragen and den Zuhörern manchen schönen Ge- 
nuas bereiten. 

Ausser diesen bereits angekündigten Kunstgenüssen werden auch 
•och die* thtatrrösch-kamiachen Darstellungen der Gesellschaft „Fi- 
äelio," sowie eine Reihe von Künstler - Concerte n, öffentliche Vor- 



lesungen, zu wohlthätigen Zwecken veranstaltete Kc»i.vitäteu, -Baue, 
Carnevals - Coraite's, sowie sonstige Belustigungen aller Art dafür 
Sorge tragen, dem Publikum die langen Winterabende auf das An- 
genehmste ausfüllen zu helfen. 

Auf die einzelnen hervorragenden Erscheinungen im Gebiete 
der Kunst werde ich mir erlauben s. Z. zurückzukommen und werde 
ich nicht verfehlen, die Leistungen der betreffenden Künstler und 
Kunstiustitute einer nähern Besprechung zu unterziehen. 



Aus M ti n c li e n. 

i. October 1S68. 

Es ist bezeichnend, dass in der jetzigen Zeit jede bedeutendere 
Novität in der Musikiiteratur die Freunde der Musik in zwei Lager 
sondert, von denen das eine das neue Stück bis in den Himmel 
erhebt, das andere es mit Koth bewirft. Aehnlich ging es auch 
jüngst wieder mit dem „Ersten Glückstag" von Auber. Es wur- 
den Stimmen laut, welche die Oper als den Preis aller französi- 
schen Musik erklärten und sie als das Ideal einer komischen Oper 
hinstellten, während die Gegner von der Nüchternheit der Erfin- 
dung, von der Kraftlosigkeit der Gestaltung, von der Inhaltslosig- 
keit der ganzen Oper declamirten. Wie in der Regel das der Fall 
ist, findet der unbefangene Musikfreund, dass auch hier die goldeue 
Mittelstrasse der rechte Weg sei. Die Novität besitzt keineswegs 
die Frische und den Melodienreichthum wie „Teufel's Antheil," sie 
ist arm an phantastisch sich erhebenden, noblen Melodien, ja es 
finden sich Stellen, die entschieden an Offen bach und seine 
Demimondemusik gemahnen; der Humor in dieser komischen Oper 
gewinnt keinen rechten Ausdruck-* kommt nicht zur Erscheinung 
und wo einmal ein lustiger Ton angeschlagen werden will, hören 
wir keine Verwandschaft mit dem „Schwarzen Domino," sondern 
eher mit der „Herzogin von Gerolstein." In dieser Beziehung haben 
wir vorzüglich das Lied Helenen's im 2. Acte — „Susanne, last 
ein Wörtchen dir sagen" — im Auge. Aber Auber bleibt nicht 
in diesen Schichten musikalischer Gemeinheit haften, denn schon 
bringt uns der nächste Augenblick eine Harmonisirung, eine Modu- 
lotion, welche uns des Componisten hohe musikalische Begabung 
beweist, welche uns von der Genialität des Leichtsinns erzählt, 
nachdem sie uns kurz vorher von dem Leichtsinn des Genies eine 
Probe gegeben hat. Von einem eigentlichen dramatischen Leben 
ist keine Spur: die vorgeführten Nummern entbehren zuweilen so- 
gar eines eigentlichen Characters, und mit Verwnuderung hörten 
wir, dass Auber, der iu „Gott und Bajadere" den Localtou doch 
in so vorzüglicher Weise zu treffen verstand, im „Ersten Glückstag* 
fast gänzlich darauf verzichtet hat, das Publikum an das Land zu 
mahnen, in welchem die Handlung vorgeht. Nur die Dijelma singt 
im 2. Act eine Romanze: „Horch! durch die Schatten tönt ver- 
lockender Schall," welche durch ihr eigentümliches Colorit inter- 
essant und durch die Schöuheit ihrer Melodie entzückt, fm Uebri- 
gen jedoch lässt sich über diese Seite der Musik nicht viel Rühm- 
liches sagen. 

Der Componist aber, der studiren will, wie der Effect zuwege 
gebracht wird, kann vom „Ersten Glückstag" viel lernen; wir 
möchten uns jedoch gleich von vornherein verwahren, als laden 
wir hierzu eiu. Denn die hier vorgeführten Effecte beruhen in 
der Regel nicht auf künstlerischen Principien sondern blos auf der 
langjährigen Erfahrung, welche dem Componisten des Glückstags 
die Art und Weise gelehrt hat, wie man das Publikum zum Applaus 
herauskitzelt. Da finden sich grosse, langweilige, inhaltslose For- 
men,, die nicht erwärmen, nicht gefallen können. Aber um den 
Sängern doch einen Beifall zu schaffen, hängt Auber der Melodie 
lange Coda's an, welche wie Stimmraketen steigen und fallen, sprü- 
hen und glänzen und schliesslich das Publikum ganz darauf ver- 
gessen lassen, dass es vorher gelang weilt worden. Stürmischer 
Applaus erhebt sich und der Componist verzeichnet wieder eine« 
Triumph mehr. Eigentümlicher Weise finden wir aber wieder — 
es ist das im 3. Acte — eine Nummer (18.-Stanzen) , welche unge- 
mein stimmungsvoll ist und sich den besten Nummern der Oper 
anreiht und dadurch auffällt, dass sie keinen Abschluss findet. Sonst 
zu viel Scbluss — hier gar keiner: in mcdio virtus. 



- 168 — 



Die grösste Genialität entwickelt der Componist in der musi- 
kalischen Illustration lyrischer Situationen. Die Nocturne im 3. 
Act ist eine wahre Perle französischer Musik und hier gibt Anber 
mit voller Hand Probe seiner grossartigen, ausdauernden und nach- 
baltigen Begabung. Helene (Sopran) und Dijelma (Alt), zwei Mäd- 
chen verliebt in den Colonel Gaston, der in einigen Stunden er- 
schossen werden soll, weinen darüber, dass der junge Tag bald 
heraufkommen werde, welcher den Geliebten dem Tode überliefert 
und flehen die Nacht an, sie möchte ihnen den Gefallen erweisen, 
diesen selben jungen Tag in ihren Armen zurückzuhalten. Gedämpft 
begleitet vom Streichquartett klingen die beiden Stimmen in so 
reizender Führung, in so wunderbar schöner Klangfarbe, dass wir 
schon dieser Stimmen wegen der Oper ein langes Leben im Reper- 
toire der deutschen Bühnen wünschen. Es ist ungemein interessant, 
wie Anber die zweite Stimme gehen lässt, wie er die Terz ver- 
meidet und immer wieder Mittel uud Ausweg findet, ihr auszuwei- 
chen; die beiden Stimmen treten ganz in den Character und das 
Verhältniss zu einander, wie das Violoncell zur Violine. Und neben 
dieser nur für das aufmerksamere Ohr zugänglichen Thatsache tritt 
die tiefpoetische, bezauberndschöne Stimmung so wirkungsvoll her- 
vor, dass der Athem des Zuhörers leiser weht, aus Furcht, dieselbe 
zu stören. Zweimal wurde bis jetzt die Oper bei uns aufgeführt 
und jedesmal musste diese Nummer da capo gesungen werden. 

(Schluss folgt.) 



I¥ a c H r I c li t e u. 



CftSStl. Zum Geburtstag der Königin wurde im k. Hoftheater 
die hier seit einer Reihe von Jahren nicht mehr gehörte Oper »Die 
Entführung aus dem Serail" von Mozart gegeben und fand eine 
so freudige, enthusiastische Aufnahme, dass dieselbe wohl nicht 
leicht mehr vom Repertoire verschwinden dürfte. An dem schönen 
Erfolge hat die Aufführung selbst, welche eine wirklich vortreffliche 
war, gewiss nicht den geringsten Antheil gehabt, denn die Besetzung 
war eine in allen Theilen vortreffliche. Hr. Müller (Belmonte), 
Hr. Lindemann (Osmin), Hr. Form es (Pedrillo) und Fräuiejn 
Winkler (Blonde) führten ihre betreffenden Partien in einer Weise 
durch, welche das Auditorium zu vielfäll tigern und lebhaftem Beifall 
hinriss und auch vor einer strengeren Kritik mit allen Ehren be- 
stehen konnte. Die glänzendste Leistung unter allen war aber die der 
Tr> Sol tans, welcher die Partie der Constanze in Bezug auf Stimme, 
Gefühlsinnigkeit und technische Gewandtheit ganz besonders zusagt 
und den besten Rollen dieser ausgezeichneten Künstlerin sich voll- 
kommen ebenbürtig anreiht. Die Oper war Oberhaupt vortrefflich 
einstudirt und ging wie am Schnürchen. Zum Schluss dieser kur- 
zen Notiz noch die Nachricht, dass Hr. Hofcapellmeister Reiss 
von seinem Unfälle bereits so weit hergestellt ist, dass er am 6. 
d. M. die Direction der Oper wieder selbst übernehmen konnte. 
Man gab die „Jüdin," und als Hr. Reiss an dem mit Blumen und 
Kränzen geschmückten Dirigenten pulte erschien, wurde er von dem 
äusserst zahlreichen Publikum mit lautem Jubel begrüsst. Da Hr. 
Reiss den rechten Arm noch in der Binde trägt, so muss er mit 
der linken Hand dirigiren, was indessen seiner gewohnten Energie 
nnd Sicherheit keinen Abbruch thut. Die Oper ging sehr präcis 
von statten. Die Träger der Hauptrollen, die Damen Frau Lisse 
(Recha) nnd Frl. Meissner (Eudopia) sowie die HH. Zottmayr 
(Eleazar), Müller (Leopold) und Lindemann (Cardinal) entledig- 
ten sich ihrer Aufgaben in befriedigendster Weise und Chor und 
Orchester lieferten ein vortreffliches Ensemble. 

Gttln. Die diesjährigen Abonnementsconcerte im Gttrzenichsaale 
werden unter der Leitung des städtischen Capellmeisters Ferd. 
H i 1 1 e r am 20. October beginnen. 

Leipzig. Das e r 8 t e diesjährige Gewandhausconcert 
brachte: Ouvertüre zu „Anacreon" von Cherubini; Yiolinconcert 
von Max Bruch und Concertstück für die Violine, Op. 20 von 
Camille Saint-Saens, vorgetragen von Herrn Conceitmetster 
David. Recitativ und Arie: „Die stille Nacht entweicht" aus 
der Oper „Faust" von S p o h r und Recitativ und Arie : „Er geht, 
er hört nicht mehr" ans der Oper „Sylvana" von CM. v. Weber, 
gesungen von Frau Peschka-Leutner und endlich die Sinfonie 
in A-dur von Beethoven. 



München. Dr. Ludwig Nohl wird im Anschluss an seine- 
letzten Vorlesungen am 19. Octbr. im chemischen Hörsaale einen 
Cyclus von 6 Vorlesungen über Richard Wagner eröffnen. — 
Capellmeister Gungl, der während des Sommers mit seiner Capelle- 
in Genf grossen und verdienten Beifall errang, ist nun hieher zu- 
rückgekehrt und hat seine beliebten Concerte bereits wieder be- 
gonnen. Am 18. Oct. werden die „Meistersinger" wieder gegeben* 

Coburg. Am 27. Sept. wurde im hiesigen Hoftheater die Oper 
„Mignon" von A. Thomas, deren Text nach Göthe's „Wilhelm 
Meister" herzlich schwach bearbeitet ist, zum zweiten Mal in Deutsch- 
land überhaupt aufgeführt; die erste Aufführung fand bekanntlich 
in Weimar und die allererste ausserhalb Frankreichs in Prag 
statt. Die sehr ansprechende Musik errang der Oper trotz der 
Mängel des Textes einen glänzenden Erfolg. 

Berlin. Man geht hier mit der Absicht um, ein neues Opern- 
haus zu bauen. Hr. v. Hülsen, der die Einrichtungen des neuen 
Operutheaters in Wien gesehen, soll es namentlich sein, der auf 
die Verwirklichung dieser Absicht dringt. 

Wien. Hofoperndirector H. Esser ist wegen Ueberhäufung mit 
Geschäften in seiner Stellung am Hofoperntheater aus der Direction 
der „Gesellschaft der Musikfreunde" ausgetreten und an seine Stell» 
Dr. Heinrich von Kreissie, der Biograph Schubert's, in den Vor- 
stand gewählt worden. 

Paris. Am Sonntag den 28. October findet im Cirque Napo- 
leon das erste populäre Concert für classiscbe Musik unter der Lei- 
tung des Unternehmers Hrn. Pasdeloup mit folgendem Programm 
statt: Ouvertüre zu „Ruy Blas" von Mendelssohn; Sinfouie in 
A-dur von Beeth oven; Andante und Menuett von H a y d n j 
Bruchstücke aus „Die Meistersinger von Nürnberg" von R. Wag- 
ner, (Entreact zum 3. Act, Walzer, Marsch und Einzug der Mei- 
stersinger.) 

*** Das V. Mecklenburgische Musikfest fand vom 20. bis 22. 
September in Schwerin statt unter Mitwirkung der Damen Frau 
Harriers-Wippern aus Berlin, Frau Joachim aus Hannover» 
der HH. Schild (Tenor) aus Dresden, Hill aus Schwerin und 
Krause aus Berlin, sowie des Hrn. Joachim für Violinsolo. 
Der Chor bestand aus 247 Stimmen, das Orchester aus 77 Instru- 
mentalisten, Dirigent war Hr. Hofcapellmeister A. »S c h m i 1 1 in 
Schwerin. Man gab am ersten Tage: „Israel in Egypten" von 
Händel; am zweiten Tage : Ouvertüre und Scene aus „Iphigenie 
in Aulia" von Gluck; Sinfonie in A-dur von Beethoven; 
Kyrie % Sancfus, Benedictus und Gloria aus der Missa solennis 
von Beethoven. Am dritten Tage spielte Joachim das Violin- 
concert von Beethoven und „Sarabande" von Seb. Bach; 
Frau Joachim sang eine Cantate von Marcello uad „An die Leier" 
von Schubert; Frau Harriers-Wippern die Brief-Arie aus „Don 
Juan" nnd ein Lied „Der Vogel im Walde" von T a u b e r t ; Hr. 
Schild trug eine Arie aus „Paulus," „Dein Angesicht" von Schu- 
mann und „Die böse Farbe" von Schubert vor und Hr. Hill 
sang eine Arie aus „Lazarus" von Schubert und „Gut 1 Nacht, 
fahr* wohl" von Kücken 

*** Frl. B a 1 b o, erste Solotänzerin in Wiesbaden, hat in 
Mannheim als Helene im „Robert der Teufel" ausserordentlichen 
Beifall erhalten. 

*** Im letzten Lob-Concert in Sondershausen kamen Schü- 
manns Manfred-Ouvertüre, Einleitung zu „Loreley" von M. Bruch, 
A-moll-Sinfonie von Mendelssohn, Ouvertüre zu „Otto der Schütz" 
von Rudorff, Concertstück für 4 Hörner von Schumann und Ouver- 
türe zur „Zauberflöte" zur Aufführung. 

*,* Den ältesten Organisten hat wohl jetzt die Allerheiligen- 
Kirche in Hertford. Es ist dies Mr. Charles Bridge man, der 
neulich seinen 90. Geburtstag feierte, aber trotzdem noch mit Rüstig- 
keit und Eifer seines Amtes wartet. 

*** Glinka's „Russlan und Lndmilla" ist kürzlich in Moskau 
in sehr glänzender Ausstattung und mit eben so glänzendem Erfolge- 
wieder aufgeführt worden. 

*** Der Orchesterverein in Fran kfurt a. M. hat den abge- 
tretenen Dirigenten, Concertraeister Max Woi ff, zum Ehrenmitglied 
ernannt und an seine Stelle den Tonkünstler Carl d'E ster zum 
Dirigenten gewählt. ' ■> 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz* 



17. Jahrgang. 



Jt* d&. 



26. October 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG. 



« Diese Zeitung erscheint jeden , 

j MONTAG. | 

{ Man abonnirt bei allen Post- j 

ämtern, Musik- & Buchhand- 1 

lungen. 



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von 









B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Sehott & Co. 



PREIS: 

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i für den Jahrgang. 
\ Durch die Post bezogen: 
< 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 

^-v -- ~- — — — — -~ — •. — - - -v4 



INHALT: Franz Xavier Schnyder von Wartensee. — Corresp.: Müuchen. Stuttgart. Paris. — Nachrichten. 



Franz Xavier Schnyder von Wartensee.*) 



(Nekrolo g.) 



Am 27. August, Morgens 7 l /s Uhr, riss der Tod diese Säule 
um. Ja, eine Säule war Schnyder von Wartensee, die ein 
halbes Jahrhundert hindurch den Stürmen des Lebens getrotzt, dem 
Anpralle falscher und verderbter Kunst kräftig Widerstand geleistet 
hat. Und gerade als grossen Theoretiker und vielseitigen Compo- 
nisten wollen wir ihn in diesen Blättern , die schon manche Kunst- 
notiz von ihm gebracht, zu zeichnen versuchen, indem wir die ver- 
ehrten Leser, welche eine eingehendere Characteristik seines reichen 
Lebens kennen zu lernen wünschen, auf den ausgezeichneten Ne- 
krolog, den die „Didaskalia" iu Nr. 246 u. ff. von diesem bedeu- 
lendeu Manne gebracht hat, verweisen. Einige Lineamente werden 
jedoch auch hier am Platze sein. 

Franz Xavier Jose p~h Peter Schnyder, von einem 
alten Luzernischen Patriciergeschlecbte aus Sursee abstammend, das 
von dem am Sempacher-See gelegenen Scbloss das Prädicat »von 
Warteusee" anzunehmen berechtigt war, wurde in Luzern am 18ten 
April 1786 geboren. Jn seinem neunten Jabre lernte er nach dem 
Willen seines Vaters, der „etwas Musik treiben zu können" zur 
guten Erziehung rechnete, Violiue spielen ; erst später erlaubte ihm 
der Vater, der das Pianoforte ein „Weiberinstrument" uaunte und 
eines Maunes unwürdig erklärte, Ciavier spielen zu lernen. Im 
Coutrabass, Violoncello und in der Clariuette war Schnyder sein 
eigener Lehrer; auch componirte er schon frühzeitig ohne alle An- 
leitung und bekundete dadurch sein entschiedenes Talent für Musik. 
Im Jahre 1810 kam er zu Vater N ä g e 1 i nach Zürich und ein 
Jahr später nach Wieu, wo er mit Beethoven, Hummel, 
Kreutzer uiid auderen Coriphäeu damaliger Zeit zusammentraf. 
In Baden bei Wien, wohin er sich im Jahre 1812 begab , um dort 
uugestört arbeiten zu können und zugleich die herrliche Natur zu 
geniessen, wurde er durch den furchtbaren Brand , der das ganze 
Städtchen und auch seine Wohnung in Schutt legte, bestimmt, in 
die Schweiz zurückzukehren, wo er sich dann am 1. August 1814 
mit Fräulein von Hartenstein verheirathete. Das glückliche Paar 
lebte nun, sich selbst überlassen, auf dem alten Schlosse Warten- 
see, aber durch widrige Umstände gezwungen, musste er diese Be- 
sitzung verlassen. Er trat im Jahre 1816 als Lehrer bei Pesta- 
lozzi ein; der Streit des letzteren mit Niederer, au dessen 
Mädcheninstitute Schnyder auch als Lehrer beschäftigt war, bestimmte 
auch ihn* wie die übrigen besser gesinnten Lehrer, das Iustitut in 
Ifferten zu verlassen. Er wandte sich im Herbste 1817 nach Frank- 
furt a. M., wo ihm erst ein rechtes Kunstleben im freundschaft- 
lichen Umgange mit Spohr, Guhr, Schelble, Meudelssohn 
und andern hervorragenden Tonkünstlern erwuchs. Von dieser Zeit 
an datiren seine meisten und grösseren Compositiontn, die wir spä- 
ter zusammenstellen werden. 



*) Auszug aus der „Euterpe.' 



Den grössten Theil des Tages widmete Schnyder übrigens dem 
Unterrichte im Gesang, Ciavierspiel und in der Theorie. Da er 
stets haushälterisch mit der Zeit war, so blieb ihm ausserdem noch 
Müsse zu mancherlei wissenschaftlichen Beschäftigungen, zu Spazier- 
gängen, für gesellige Unterhaltung, Theater- und Coucertbesuch. 
Im Jahre 1827 starb seiue liebe Frau, und es scheint, dass ihn die 
dadurch entstandene Einsamkeit veranlasst hat, Ausflüge in's Rhein- 
gau, nach der Schweiz, sowie selbst grössere Reisen, wie nach Prag, 
Holland, Italien und England zu unternehmen, die ihn stets mit be- 
rühmten Gelehrten und Künstlern iu Berührung brachten. In diesem 
Jahre gründete Schnyder auch unter Mitwirkung tüchtiger Künstler 
eine „Gesang-BildungS'Anstalt" und im Jahre 1831 mit Friedrich 
Fr ö bei eine Erziehungs-Anstalt auf seinem Schlösschen Warten- 
see. Schnyder kehrte wieder nach Frankfurt zurück und lebte, wie 
schon angedeutet, der Kunst und Wissenschaft. Da er besonders 
den Gesangvereinen eine grosse Aufmerksamkeit schenkte, so konnte 
es nicht fehlen, dass Schnyder bald zu diesem, bald zu jenem Sänger- 
feste eingeladen wurde, wo er dann entweder als Präsident, wie bei 
dem grossen Sängerfeste in Frankfurt im Jahre 1838, oder als Preis- 
richter, wie bei den Sängerfesten in der Schweiz, fungiren musste. 
Im Jahre 1844 nahm Schnyder wieder seinen längeren Aufenthalt 
in seinem schön gelegeneu Neuwartensee in der Nähe Luzerns, und 
verheirathete sich im Jahre 1847 mit Fräulein Josephine Jahn 
aus St. Gallen, einer ausgezeichneten Pianistin, die er in Zürich kennen 
gelernt hatte. Das Jahr 1849 führte Ihn wiederholt nach Frankfurt 
zurück, wo er von da an bis zu seinem Tode lebte ; die zwei 
letzten Lebensjahre war er durch Altersschwäche an das Bett 
gefesselt. Seine Gattin pflegte ihn in diesem liülflosen Zustande 
mit ausdauernder Hingebung. Aber selbst jetzt noch nahm der 
rührige Greis lebhaft Antheil an allem, was Kunst, Wissenschaft 
und Politik betraf. An das Bett liess sich der hinfällige Altmeister 
die Partituren der Classiker bringen; und so genoss er, während 
ein bedeutendes Werk im Theater oder in einem hiesigen Vereine 
zur Aufführung kam, beim Durchlesen im Geiste das, was unsere 
Ohren entzückte. Immer mehr kehrten sich seine äusseren Sinne 
von der Aussenwelt ab; immer mehr trat die Sehnsucht nach dem 
ewigen Leben in sein He'z. Schreiber dieses Nekrologes besuchte 
seinen alten Meister und Freund fast jeden Mittwoch Nachmittag, 
und als ich (der geehrte Leser gestatte mir, nur in der Einzahl zn 
schreiben) Anfang Juli vor dem Antritte einer Erholungsreise in die 
Schweiz, ihm noch einen Besuch abstattete , drückte er mir zum 
letzteu Male recht herzlich die Hand und gab mir noch freundliche 
Grüsse mit. Zurückgekehrt von der Reise, war einer meiner ersten 
Ausgänge zu meinem ehrwürdigen Lehrer; ich fand ihn sehr ver" 
ändert und sanft schlafend ; — er war für mich schon gestorben ; 
denn kein liebevolles Wort, kein freundlicher Blick wie sonst, wurde 
mir mehr zu Theil. Sein Geist schien sich in allerletzter Zeit 
einzig allein mit dem Ewigen zu beschäftigen. „Koramt denn bald 
die Ewigkeit? — Wie schön wird es im Himmel sein!** — das 
waren seine letzteu Worte. Und der Herr erhörte sein Gebet und 
stillte seine Sehnsucht. Zahlreiche Leidtragende, Deputationen der 



- 170 - 



Vereine, Freunde und Verehrer geleiteten seine Leiche zu Grabe, 
wo sein Wirken in begeisterten Reden anerkannt wurde. 

So ruht nun die irdische Hülle des Meisters im Grabe, seine 
Seele in Gott; sein Geist aber lebt fort in seinen Tonschöpfungen 
und in seinen Schälern. Und nach diesen beiden Seiten wollen 
wir nun seine Thätigkeit etwas näher beleuchten. 

Seine Compositionen zählen zwar nicht nach Hunderten; 
aber dafür sind sie meist originell, immer klar, melodisch und dabei 
ron seltener Correctheit. „Als Musiker" , schreibt von ihm das 
„Universal- Lexikon der Tonkunst von Dr. F. S. Gassner", möchten 
wir ihn unbedingt in die Reihe unserer ersten Contrapuuctisten stellen, 
der aber nicht einseitig an der todten Formel klebt, sondern auch 
hier in reinster Begeisterung für alles Erhabene und Schöne sich 
hoch emporschwingt über jeden Materialismus, und den Ton, auch 
in seinen wunderbarsten Combinationen, nie entrückt seiner eigent- 
lichen Natur als stumm - beredte Sprache der Seele. In diesem 
Sinne sind alle seine Compositionen abgefasst ; frisch gesungen die 
Lieder aus tiefem Gemüth , und der Chor der Instrumente innig 
belebt von einem klaren Geiste, der, schlicht und einfach, wie 
Scbnyder selbst, aber auch stets rege und neu, immer tief innig zum 
Herzen redet, wo nur der Sinn für die Kunst sich über alltäglichen 
Flitter hinaus zu ihm zu erheben vermag." 

Uüd so ist es auch; vom einfachsten, volkstümlichen Liede 
an bis zum grossen polyphonen Chore ist sein Schaffen das des 
ächten, tiefdenkenden Künsters. Leider ist ein vollständiges Ver- 
zeichniss seiner Compositionen nicht vorhanden , und wir können 
hier nur die hervorragendsten erwähnen, die auch seine treue Gattin 
verzeich uet und chronologisch geordnet hat. Im Jahre 1820 er- 
schienen Compositionen zu Uhland's Liedern, 1822 die C-dur-Sonate, 
und in demselben Jahre wurde seine A-dur-Siufonie im Museum zu 
Frankfuit a. M. mit grossem Beifalle aufgeführt; 1825 vollendete 
Scbnyder die Oper „Estella", eine Sonate für Ciavier und Violine 
und ein Rondo brillant; 1827 erschienen die wandervollen Com- 
positionen zu Novalis geistlichen Liedern, zum Besten der Griechen. 
E. Hentschel sagt in der „Euterpe", 17. Jahrgang, S. 6 in dem 
Artikel: „Alphabete über Gesaogleben und Gesanglehre" unter X — 
Xavier Scbnyder v. W. : „Wer kennt nicht seine schönen Compositio- 
nen geistlicher Lieder von Novalis für eine SingsUmme mit Piano- 
forte! Möchten sie in jeder Pfarrer- und Lehrerfamilie gesungen 
werden! — In demselben Jahre wurde auch seine Sinfonie in C-moll 
im Museum zu Frankfurt a. M. aufgeführt und wurde die Märchen- 
Oper „Fortunat" fertig. 1829 enstand die „zarteste und reinste 
Perle seiner Göthe'schen Musikdichtungen", Wandere rsNachtlied. 
Im Jahre 1838 componirte Schnyder für das Sängerfest in Frank- 
furt a. M. das Oratorium »Zeit und Ewigkeit". Die Frankfurter 
Jahrbücher, 12. Bd Nr. 7, fällen über diese Tonschöpfung folgendes 
Urtheil: „Gerade so wie dieser Mann ist seine Compositum Gross, 
markig, gemüthlich, freundlich, offen und Jedem zugänlich. Eiue 
Ueberraschung folgt der andern, Schlag auf Schlag lässt er dem 
Herzen zur Ader, das Blut der Freude strömt fluthend hervor, und 
nur in den Solis hat man Pausen, um ihm einen Verband anzulegen. 
Kaum aber ertönen die Chöre wieder, so springt auch dieser wieder 
ab, und Herzenslust schwimmt in einem Meere von Entzückungen. 
Wie Blitze durch den Donner schlägt die Instrumentation durch die 
Chöre und wetterleuchtet beständig. Hier bedarf es keiner Vor- 
bereitung. Ohr, Auge, Herz, Kopf, Hände und Beine, alles ist in 
Bewegung, und die Chore lassen sich mit den Händen greifen." — 
Eine seiner letzteren bedeuteten Compositionen ist die Operette 
„Heimweh und Heimkehr." Ausser diesen erwähuten Werken er- 
schienen noch manche Edelsteine in Sammlungen , Almanachen und 
Zeitschriften, viele sind noch ungedruckt , aber wohl werth , durch 
den Druck verbreitet zu werden. (Schluss folgt.) 



COBBESPONDENZEN. 



Aus M ü ii © li e ii. 

(Schluss.) 

Einen weiteren iu der Waagschale der Kritik schwer wiegen- 
den Vorzug bildet die Novität in ihrer Instrumentirung uud in dem 
Beichthum interessanter musikalischer Combinationen. Hier lässt 



der Franzose wieder io. vollen Strahlen sein Licht glänzen und da 
gibt es wohl nur ganz wenige Stellen, welche einen Tadel recht- 
fertigten. Im Gegentheile findet sich eine grosse Menge interessan- 
ter Hsrmonisirungen und die Instrumentation ist durchgehende ele- 
gant und graziös. Und darin unterscheidet sich Auber immer wieder 
aufs Entschiedenste von Offenbach, wenn er mit ihm auch hie und 
da Hand in Hand eine Strecke Weges zu waudeln liebt. 

Die Oper hat drei Acte ; der erste ist jedenfalls der schwächste, 
der inhaltsloseste und fiele hier der Vorhang für immer — die No- 
vität würde ohne Sang und Klang begraben. Die Chöre, die wir 
treffen, sind uubedeutend, eine Menge musikalischer Gemeinplätze 
tritt uns in den eingestreuten Melodien entgegen und nur die vor- 
erwähnten, überall auftauchenden Vorzüge bleiben lebendig. 

Bedeutend interessanter ist der zweite Act. Schon gleich das 
Vorspiel ist ein liebliches, graziös einherschreitendes Musikstück, 
au dem wir unsere Freude haben. Bald darauf hören wir die schon 
gerühmte Nummer 9, Lied der Dijelma, das sich durch seinen Cha* 
racter und seine reizende Melodie in gleicher Weise auszeichnet. 
Eine der beste u Nummern der Oper, wir möchten behaupten, die 
einzige, welche den Titel „komische Oper" rechtfertigt, ist das 
Terzett (Nr. 12), in welchem Gaston, der Pechvogel, sich über sein 
plötzliches ungewohntes Glück verwundert, während er doch schon 
zum Tod durch Erschiessen verurtheilt ist. Das darauffolgende 
Finale verletzt uns durch seinen ausgesprochenen Mazurkarhythmus, 
der durch den Mangel an graziöser Tournnre unserer Sänger noch 
offenbarer und unangenehmer wird. 

Der dritte Act beginnt mit der oben erwähnten Nocturne. Die 
Oper hat nichts mehr, was sich dieser Nummer ebenbürtig an die 
Seite stellen könnte. Das Duett zwischen Gaston und Helene ist 
ziemlich dürftig, wird aber vom grossen Publikum schliesslich doch 
applaudirt, da es durch die Coda in seinem Urtheil dupirt wird. 
Das Schlussfinale endlich zeichnet sich wieder durch mehrere schöne 
Details aus, welche einen wohlthuenden Eindruck gestalten und der 
Oper verdienten Beifall gewinnen. 

Aus dem Gesagten ersehen Sie, dass die Novität keine epoche- 
machende ist, aber in unserer an Productivität so überaus armen 
Zeit doch mit Freuden auf der Bühne begrüsst werden muss: sie 
ist die spätgereifte und darum doppeltinteressante Frucht eines an 
Lebenskraft noch überraschend reichen, an Schöpfungskraft ge- 
schwächten aber nicht schwachen musikalischen Spätsommers und 
da diese Musik immer an der Seite der Grazie einherschreitet, sei 
sie uns willkommen! 

Die Direction des neuen Werkes war dem Benjamin unter den 
deutschen Capellmeistern, Hrn. Richter, anvertraut: er löste seiue 
Aufgabe mit ausserordentlichem Glück und Geschick und er bewies 
bei dieser Gelegenheit, dass die Protection Bülow's , durch die er 
in so jungen Jahren schon zum kg!. Musikdirector ernannt wurde, 
keinem Uuwürdigen geschenkt ist. 

Unter den Mitwirkenden errang sich Frl. Stehle (Helene) die 
Palme des Abends. Sie verstand es, die Lücken in der Charcater- 
zeichnuug, die sich der Dichter zu Schulden kommen Hess, zu ver- 
decken und die Schauspielerin wie die Sängerin wurde mit gleichen 
Ehren überhäuft. — Auch Frl. Ritter, deren schöne Altstimme 
mit ihrem elegischen Zauber ganz wie für die Partie der Dijelma 
geschaffen ist, fand häufig Gelegenheit, den Wohllaut ihres Alts zu 
verwerthen und ins beste Licht zu setzen. Hr. N a c h b a u e r ist 
uns nicht das Musterbild für einen singenden französischen Cava» 
lier : die Leichtigkeit des Benehmens ist gesucht uud unecht und 
nicht fein genug. Doch mussteu wir vorlieb nehmen, denn wo diese 
gegeben ist, fehlt wahrscheinlich die schone Stimme, welche Herr 
Nachbauer producirt. — Die Ausstattung war so reich uud ge- 
schmackvoll, dass sie anderswo kaum wiederum in gleicher Vor- 
züglichkeit aufgewiesen werden kann. 



Aus Stuttgart« 

Anfangs October. 
T. Um eiu gewissenhaftes Bild unserer bisherigen Musikfreu- 
den zu liefern , muss ich diesmal in Cannstadt anfangen , wo die 
als tüchtige Violinistin geschätzte Therese Liebe ein Concert 
gab- Unter den von ihr gespielten Sachen machte eine neue Danse 
espagnole von Alard die meiste Wirkung; die junge Künstlerin, 



- 171 



Schülerin Leonard'«» zu Pari«, zeigte darin eine erstaunliche Kraft 
des Bogeng und Sicherheit im Passageuspiel; wir hoffen ihr auch 
liier im Concertsaale zu begegnen. Frl. Neher, eine jugendliche, 
bereits in Würzburg engagirte Sängerin, trug einige Lieder mit 
Geschmack vor; Hr. Liebe pere hatte sämmtliches Accompagnement 
übernommen. 

Dahier erklangen als Präludium für die kommende Saison die 
glänzenden Productionen der sogen. Johannisberger Capelle unter 
Langenbach's Leitung, welche in der Liederhalle mehrere äusserst 
zahlreich besuchte Concerte gab. Das Repertoir war zwar nicht be- 
sonders reichhaltig und abwechselnd, enthielt aber viele interessante 
und wirksame Piecen, freilich auch manche, deren Mache nicht 
gerade^ einen geschulten Tonsetzer verrieth. 

Die Hauptforce legt, wie so viele andere, auch diese Gesell- 
schaft in den scharf pointirten , mit allerlei Rubatos aufgeputzten 
Vortrag von Wiener Walzern, wobei freilich oft viele Theile ihren 
ursprünglichen, durch das eigentliche Ländlertempo bedingten Cha- 
racter in gemeinem Dahinjagen, das beim Concertvortrag von derlei 
Tanzmusik leider überall eingerissen ist, völlig einbüssen. Dass bei 
ernsten, classischen Werken die rechte Pietät zu vermissen war, 
liegt unstreitig, wie wir schon anlässlich der Bilse'schen Concerte 
erwähnten, in der Einförmigkeit des Repertoirs, dessen Parade- 
stücke den Musikern durch die oftmalige Wiederholung so sehr in 
den Fingern sitzen, dass ihr Geist daran kein Interesse mehr nimmt; 
aber zur Seele der Hörer wird immer nur das aus der Seele Kom- 
mende sprechen. 

Die Abende des Conservatoriums wurden eröffnet durch 
die vortrefflichen Vorträge zweier früheren Schülerinnen , der Pia- 
nistin Wilhelmiue Marstran d, von dereu tüchtigen Leistungen 
die Concertsäle fast aller bedeutenden Städte Deutschlands zu er- 
zählen wissen, und der Concertsängerin Anua Steffau, welche 
über eine wohlgescbulte, umfangreiche Sopranstimme, eine sehr sau- 
bere Technik und sympathische Vortragsweise verfügt, und dazu 
mit soliden Kenntnissen und Erfahrungen in Theorie, Methodik und 
Literatur ausgerüstet ist, dass sie ihren neuen Wirkungskreis in 
Weimar mit bester Zuversicht antreten darf. 

Das alljährliche Kirchenconcert des Conservatoriums, welches 
als Prüfung für das in den Frühjahrsprüfungen nicht vertretene Fach 
des Orgelspiels dient, brachte heuer neben den obligaten Orgel- 
sätzen von Bach, Hesse und Mendelssohn auch eine 
hübsche von C. Eichhorn componirte und selbst vorgetragene 
Sonate, dann V i 1 1 o r i a's Motette „duo Seraphimf' das Engelterzett 
aus „Elias," ein Duett von Marcello, zwei Arien von Händel 
und einige geistliche Lieder, worunter Fr. Schubert's „Himmels- 
funken." Die schon oben erwähnte Pianistin Frl. W. Marstrand 
gab ein sehr hübsches Concert im Museum, worin sie mit den HH. 
Wehrle und Krumbholz das grosse Beetho ven'sche B-dur- 
Trio, dann W e b e r's D-moll-Sonate, F i e 1 d's A-dur-Notturno, den 
S c b üb e rt' sehen As -dur- Walzer in Liszt's Bearbeitung und 
Chopin's G-moll-Ballade spielte und durch geistreiche Auffassung 
wie schönen Ton und correcte Technik den herzlichsten Beifall 
errang. Auch zu sonstiger Mitwirkung hatte die Concertgeberiu 
die besten Kräfte gewonnen : unser neuer Tenor ' Herr Braun 
sang Lieder von Schubert, Brandes, Curschmann und 
Marschner zwar mit vielen persönlichen Licenzen, aber mit 
warmem und effectreichem Ton; Frau Mar low verschwendete 
ihre Kräfte an werthlosere Objecte, worin sie bewies, dass vortreff- 
liche Aufführung auch Derartiges zu retten vermag. Frau Wen- 
zel, unsere herrliche Tragödin, deren einzige Schwäche in einer zu 
harten Aussprache der weichen Consonanteu b, d, g und besonders 
s liegt, sprach Schiller's „Hero und Leander" und noch ein zwei- 
tes ergreifendes Gedicht mit nachhaltigster Wirkung. — Das erste 
Abonnemeutsconcert brachte Lindpaintner's immer noch packende 
Faustouvertüre, die Introduction aus Spontini's „Cortez," der 
eich hier mit Sontheim und Bertram trefflich besetzen Hesse, 
das Mendelssohn'sche Violinconcert , von Singer mit gewohn- 
ter Meisterschaft vorgetragen, zwei Lieder, von Schubert („Halde- 
rösleiu") und von Mendelssohn (»Das erste Veilchen"), womit 
Frl. Klettner vielen Beifall erzielte. Die zweite Abtbeilung füllte 
-die neunte Sinfonie : die Chöre waren durch Mitglieder des 
Vereins für classische Kirchenmusik verstärkt; besonders loben 
«lochten wir die von A b e r t genommenen massigen Tempi, wodurch 



manches sonst stets weniger Verstandene diesmal zu besserer Klar- 
heit und Geltung kam. 



Aus Paris. 

lt Octtker. 

Trotz der Kriegsbefiirchtungen , trotz der allgemeinen Kla- 
gen über den darniederliegenden Handel, werden unsere Theater 
lebhafter als jemals besucht. Es scheint fast, dass man sich aus 
lauter Verzweiflung amüsiren will. Die grosse Oper macht mit 
„Hamlet" noch immer sehr gute Geschäfte. Der alte Fätis, der 
seit vierzehn Tagen hier weilt, um die Veröffentlichung des ersten 
Bandes seiner allgemeinen Geschichte der Musik vorzubereiten, hat 
vorige Woche einer Vorstellung der obengenannten Oper beigewohnt 
und seinen Beifall dem Compositeur aufs wärmste ausgedrückt. — 
Da Madame Sa ss damit umgeht, der französischen Oper den Rücken 
zu kehren und sich ausschliesslich dem italienischen Gesang zu 
widmen, so muste*h die Proben der „Armide* von Gluck einst" 
weilen eingestellt werden. Scheidet die Sass wirklich, so wird die 
für sie bestimmte Titelrolle des Gluck'schen Werkes einer anderen 
Sängerin anvertraut werden. — Was die „Hugenotten" betrifft, so 
kommen sie künftigen Monat und zwar, wie ich Ihnen bereits ge- 
meldet, mit einer prächtigeu Mise en Scene zur Aufführung. 

Die Opera comique wird nächstens wieder „Mignon" aufs 
Repertoire bringen. Auch sollen in diesem Theater noch vor Ab- 
lauf dieses Jahres zwei neue Werke vom Stapel laufen, eine Oper 
von Jacques Offenbach — die dritte, mit der er dort sein Glück 
versuchen will — und eine andere von P o i s e. 

Gestern hat im Cirque Napole'on der Cyclus der Pasde- 
loup' sehen populären Concerte begonnen. Auf dem Programm 
figurirten einige Fragmente aus Richard Wag ne r's „Meistersingern." 



Nachrichten. 



Essen. Eine in unserem Musikleben Epoche machende That 
war die am 11. October im städtischen Garten vortreffliche Auffüh- 
rung des Oratoriums „Elias" von F. Mendelssohn- Bar tholdy 
durch unsern „Musikalischen Verein" unter der Leitung des Herrn 
Musikdirectors Helfer. Man hatte Alles aufgeboten, um diese 
Aufführung zu einer des herrlichen Werkes würdigen zu gestalten ; 
Chöre und Orchester waren trefflich eingeübt und für die Solopar- 
tien waren die Damen Frl. Dane mann aus .Elberfeld (Sopran), 
Frl. Girzik aus Wien, eine Schülerin Stockhausen's (Alt) und die 
HH. A. R u f f aus Mainz (Tenor) und Julius Stockhausen 
(Bass) aus Hamburg gewonnen worden. Ueber Stockhausen's 
Elias noch etwas sagen zu wollen, das hiesse Eulen nach Athen 
tragen. Seine Leistung war eine durch und durch vollendete und 
ward mit enthusiastischem Beifall belohnt. Aber auch Herr Ruff, 
am Niederrhein und in Westphalen kein unbekannter, sondern ein 
Btets herzlich willkommener Gast, führte die Tenorparthie in allen 
Eitizeluheiten so glücklich durch und brachte seine schöne Stimme 
und vortreffliche Schule so glänzend zur Geltung, dass er schon bei 
seinem ersten Auftreten mit Applaus empfangen, durch wiederhol- 
ten btürmischen Beifall und mehrmaligen Hervorruf ausgezeichnet 
wurde. Noch mehr als dies mag ihn vielleicht die ihm von dem 
Meistersänger Stockhausen in ehrenvollster Weise ausgesprochene 
Anerkennung seiner schönen Leistung erfreut habeu. Frl. Daue- 
rn a n n führte ihren Part in recht anerkennenswertber Weise durch 
und fand wohlverdienten lebhaften Beifall, sowie auch die wunder- 
schöne und echt künstlerische Durchbildung des Frl. Girzik sich 
der vollsten Anerkennung zu erfreuen hatte. Auch die Altistin Frl. 
Zernial aus Cöln, eine Schülerin des vortrefflichen Gesanglehrers 
Koch (der bekanntlich auch Ruffs Lehrer war), muss lobend er- 
wähnt werden, da sie zu der schönen Wirkung der Solo-Ensembles 
wesentlich beitrug. Chor und Orchester waren, wie schon erwähnt, 
vortrefflich eingeübt und es klappte Alles, so dass es eine wahre 
Freude war. Der Zudrang der Zuhörer war eiu so bedeutender, 
dass der über 2000 Personen fassende Raum sie kaum alle zu fassen 
vermochte und nach beendigtem Concert vereinigte sich eine grosse 
Anzahl von Mitwirkenden und Kunstfreunden zu einer äusserst gs~ 



- 172 — 



nussreichen Abendunterhaltung im Hotel Sauer. Der musikalische 
Verein bat mit dieser Aufführung eine glänzende Probe seiner Lei- 
stungsfähigkeit abgelegt. 

Stuttgart, 6. Octbr. In den Wiuterconcerten der hiesigen Hof* 
capelle wird eines von den Oratorien Michael Costa's zur Auf- 
führung kommen. Costa, vou Geburt ein Neapolitaner und aus dem 
Conaervatorium seiner Vaterstadt hervorgegangen, ist Capellmeister 
4er Königin Victoria von England, und leitet seit einer Reihe von 
Jahren neben der grossen italienischen Oper von Coventgarden die 
jährlichen geistlichen Concerte in Exeter-Hall und das berühmte 
Händel-Fest im Krystallpalast. Sein „Eli," zum ersten- und wieder- 
holtenmal bei Musikfesten in Birmingham aufgeführt, verbindet den 
'Wohllaut italienischer Kunstanlage mit einem tiefen Studium der 
grossen deutschen Meister, vor allen Händeis. Der englische Text 
ist neuestens von geübter Hand ins Deutsche übertragen worden. Man 
hofft, dass der jetzt auf der Insel Ischia verweilende Compositeur selbst 
hierherkommen und die Leitung seines Werks übernehmen werde. 
Auch hat der Verein für classische Kirchenmusik seine Mitwirkung 
zugesagt. Die „ Sarred Harmony Society" iu London hat mit 
freundlicher Bereitwilligkeit ihre zahlreichen Chor- und Orchester- 
Stimmen zur Verfügung gestellt, und bereits haben „Standard" und 
andere englische Blätter ihr Publicum von der Verpflanzung des Ton- 
werks auf deutschen Boden in Kenutniss gesetzt. (A. A. Z.) 

Stettin. Mit dem 1. October hat Hr. Carl Kunze, der sich, 
eeit einem Jahre hier als Musiklehrer etablirte, seine musikalische 
Ausbildung am Leipziger Conservatorium unter M. Hauptmann 
Moscheies und Rein ecke vollendet hat und bisher in Curland 
und russisch Polen als Musiklehrer und Dirigent thätig war unter 
Mitwirkung anderer ausgezeichneter Künstler, von denen wir vor- 
zugsweise die HH. Flügl, Dr. Krause und Capellmeister Koss- 
maly hervorheben, ein Conservatorium für Musik eröffnet, 
bei welchem Unternehmen derselbe von den königlichen und städti- 
schen Behörden in der wohlwollendsten Weise unterstützt wurde. 
Der Unterrichtsplan der jungen Anstalt enthält Clavierspiel in drei 
Klassen, Solo* und Chorgesang, Declamationi Violin- uud Cellospiel, 
Solospiel mit Begleitung und Ensembleübung, Theorie der Musik 
und Composition, Intrumentatiooslehre , endlich Vorlesungen über 
„Geschichte der Musik". Das Honorar für den Gesammtunterricht 
wie für einzelne Zweige deselben ist ausserordentlich billig gestellt, 
so dass auch minder bemittelten, talentvollen Schülern die Mög- 
lichkeit ihrer künstlerischen Ausbildung geboten ist. Die Eröffnung 
der Anstalt fand in Gegenwart der Behörden in feierlicher Weise 
statt und zählt bereits 100 Zöglinge. Möge dieselbe gedeihen im 
Interesse der Kunst überhaupt uud zur Hebung der allgemeinen 
musikalischen Bildung in unserer Stadt insbesondere! 

PftriS. Die Einnahmen sämmtlicher Theater, Concerte und son- 
stigen öffentlichen Productionen und Schaustellungen in Paris be- 
trugen im Monat September d. J. die Summe von 1,055,829 Frcs. 

— Die Eröffnung des Theatre lyrique findet nun bestimmt 
am 26. Oct. mit Halevy's „Thal von Andorra* unter der persön- 
lichen Direction des Hrn. Pasdeloup statt. 

— Hr. Fätis pere befindet sich im Augenblick in Paris, um 
mit seinen Verlegern, den Gebrüdern D i d o t das Nöthige für das 
Erscheinen des ersten Bandes seiner Histoire ge'nerale de la Mu- 
sique zu verabreden, deren 2. Band sich bereits unter der Presse 
befindet 

— Hr. v. F 1 o t o w befindet sich seit Kurzem hier und wird 
den Winter in Paris zubringen um seine neue Oper K VOmbre tt zu 
welcher ihm Saint-Gorges den Text geliefert hat, zu vollen- 
den. Sie soll im December d. J. in der komischen Oper zur Auf» 
führung kommen. 

— In der italienischen Oper wird nächster Tage eine 
neue Oper Ja Contessina 11 von Fürst Poniatowskv zur Auf- 
führung kommen. 

— Im Varietes- Tb eater macht O ff e nb ach 's neueste 
Oper „la Pe'richole* ausserordentliches Glück und füllt das Haus 
bei jeder Wiederholung. 

*** Der als Concertsänger rühmlichst bekannte grossh. meklen- 
burgische Kammersänger Karl Hill hat nun auch sein Glück 
auf der Bühne versucht, indem er an dem Schweriner Hoftheater 
als Jacob in Mebül's „Josef in Egypten" mit grossem Beifall 
auftrat. 



*„* Die erste Aufführung der Oper „Mignon" von Thomas- 
hat in Hannover sehr wenig Glück gemacht. 

%* Aus Anlass ihrer Leistungen bei dem jüngst stattgefundenen 
Musifest in S ch w e r i u hat der Grossherzog die Damen J o a ch i m 
und Harriers-Wippern mit kostbaren Armbändern , Hrn.. 
Joachim mit der goldenen Verdienstmedaille und den Dirigenten,. 
Hrn. Hofcapellm. Alois Schmitt mit einem werthvollen Brillant- 
ringe ausgezeichnet. 

*** A. Lang er t, der Componist der Opern „Des Sänger* 
Fluch" und „Die Fabier u ist als Capellmeister in Trier engagirt 
worden. 

*** Im Wiener Opernhause hat man ein altes Ballet von 
Taglioni »Die festigen Musketiere" neu einstudirt und mit 
grossem Beifall aufgeführt. Vorzugsweise glänzte darin die Solo- 
tänzerin Frl. Judith David. 

*** Das Theater in Treviso, ein geräumiges uud elegant 
eingerichtetes Gebäude, ist am 1. October abgebrannt. Es sollt* 
in einigen Tagen für die Herbstsaison eröffuet werden und die 
Proben hatten bereits begonuen. 

*** Hrn. Hofcapellmeister Nesvadba in Darmstadt ist 
vom Kaiser von Russland der Stanislaus-Orden 3. Ciasse verliehen 
worden. 

*#* Die für den 18. October angekündigte Wiederaufnahme der 
„Meistersinger" von E. Wagoer am Hoftheater in München 
scheint auf Hiudernisye gestossen zu sein, da an dem genannten 
Tage die „Jüdin 44 von Halevy aufgeführt wurde. 

*** Der Componist und Musikkritiker Leon Kreutzer ist in 
Vichy bei Paris im Alter von 51 Jahren gestorben, dessgleichen 
in Paris selbst der Gesanglehrer und musikalische Schriftsteller 
Stephan de la Madelei ue, 67 Jahre alt. 

*** Experimente über die Tragweite des Schalles iu aufstei- 
gender Richtung haben dargethan, dass man den Pfiff einer Loco- 
motive auf 3000 Metres, das Bellen eines Hundes auf 1800 M., den 
Trommelschlag auf 1400, den menschlichen Gesang auf 100 und die 
Sprache auf 500 Metres vernimmt, während die letztere in umge- 
kehrter Richtung, nämlich von der Höhe herab, uur auf 100 Metres 
Entfernung verständlich ist. 

*»* Das Pariser Journal „L'drt musical" berichtet: „Der 
erste Glückstag" von A u b e r ist in München mit Jubel auf- 
genommen worden. Seit laug»r Zeit hatte man dort keine so rei- 
zende Musik, kein so interessantes Gedicht applaudirt. Hans 
vou B ü 1 o w sollte die Aufführung dieser bedeutenden Nuvität 
dirigireu, aber er war durch andere Geschäfte abgebalten und so 
kam es, dass einer der enragirtesten Wagnerianer, Hans Richter, 
die Proben und die Aufführung leitete. Sicherlich wird er gefun- 
den haben, dass zwischen Waguer's und Auber's Musik ein 
kleiner Unterschied besteht. Wagner's Musik, das ist das N i ch t s ^ 
Auber's Musik, das ist das Licht!!! 

*** Joachim, der von Hannover nach Berlin übergesiedelt 
ist, hat von seinen Freunden und Verehrern in Hannover einen 
werthvollen silbernen Tafelaufsatz, die Harmonie, nach Thorwald- 
sens bekannter Gruppe ausgeführt, darstellend, als Andenken er- 
halten. 

*** In N o r w e g e n ist der dort und in Schweden sehr be- 
liebte Liedercomponist K j e r u 1 f gestorben. 

*** Der Director des „Mozarteum" in Salzburg, Dr. Otto- 
Bach, bat für die beginnende Saison auch die Leitung der Oper 
und Operette übernommen. 

*** In Stockholm ist ein neues Theater von den Unterneh- 
mern HH. Josephson und Ahlgrenson eröffnet worden, wel- 
ches mit italienischer Oper und französischer komischer Oper der 
königl. Bühne Concurrenz machen wird. 

\* Der Kaiser von Oesterreich hat aus Anlass des 25jährigen 
Jubiläums des „Wiener Männergesangvereins" dem Vorsteher diese». 
Vereins, Hrn. Nicolaus D u m b a, das Ritterkreuz des Franz-Joseph- 
Ordens verliehen. 

\* Im Theater Carignano in Turin werden einstudirt „Zam- 
pa, u fc Dinorah" und „Don Juan u 

**• Seit Anfang October erscheint in Stuttgart eine neuft- 
musikalische Zeitschrift „Der Freischütz." 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz ^ 



17. Jahrgang. 



Jf* dd. 



2. November 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



5 Diese Zeitung erscheint jeden s 
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INHALT: Das Kunstpedal. — Franz Xavier Schnyder von Wartensee. — Corresp.: Mainz. — Nachrichten. 



Das Kunst pedal. 



Unter diesem Titel tritt dermalen eine Erscheinung auf, welche 
auf dem Gebiete der Ciaviermusik eine besondere Bedeutung zu 
gewinnen verspricht. „Kunstpedal a ist die neue Ciaviereinrichtung 
wohl darum genannt, weil sie der Kunst in ganz anderer Weise, 
als das bisherige, höchst primitive Clavierpedal dient, und herrliche 
Dinge ermöglicht, an welche bisher auch nicht im Entferntesten 
gedacht werden konnte. Der Erfinder, Herr Eduard Zachariä, 
welcher eben die ersten Schritte thut, um seine wohlüberdachte und 
nach allen Seiten bis ins Einzelne ausgearbeitete Sache zur öffent- 
lichen Kenntniss zu bringen, hatte vor Kurzem hier in Mainz, im 
Saale des Kunstvereins, einen nach seinem neuen System eingerich- 
teten Flügel aufgestellt, und erläuterte dabei durch mündlichen und 
musikalischen Vortrag die Wirkungen seines Werkes. Unter den 
Zuhörern befand sich wohl Niemand, der nicht begriffen hätte, dass 
hier nicht nur ganz Neues und Eigentümliches geboten", sondern 
auch, sowohl für den Vortrag der bereits vorhandenen Musikwerke 
als auch für die weitere Composition ein grosses , fruchtbares Feld 
aufgethan ist. 

Denken wir uns unter dem „Kunstpedsl" einen complicirten 
Mechanismus, welcher keinen anderen Zweck hat, als die in acht 
Theile zerlegte Dämpfung so zu regieren, dass der Pianist in der 
That mit allen diesen einzelnen Theilen „spielen," das heisst 
dieselben einzeln, miteinander und nacheinander auf das Genaueste 
in Bewegung setzen kann. Die Dämpfung, welche bisher ein 
festes Ganze war, ist hier gewissermassen flüssig geworden, 
und geht wie in Wellenbewegungen bei dem raschen Spiele auf und 
ab. Die beiden Füsse, welche auf einem ihre Stellung genau 
aufliegenden Trittbrett stehen, theilen sich in die Regierung von 
nur vier Pedaltritten, welche letztere eigenthümlich geformt und so 
gestellt sind, dass jeder Fuss sowohl einen Pedaltritt für sich allein) 
als auch zwei solcher Tritte wie- ein Ganzes fassen und führen 
kann. Dabei ist das höchst Eigenthümliche, dass diese Pedaltritte 
ebensowohl mit der Fussspitze gehoben, als auch niedergedrückt 
werden können, und dass jede Bewegung des Trittes nach oben 
wie nach unten wieder in mehrere Abstufungen (Stationen) 
zerfällt; — - eine Einrichtung, durch welche eine ganz ausserordent- 
liche Mannigfaltigkeit in Bezug auf die Behandlung der einzelnen 
Dämpfergruppen erzielt wird, so dass man wohl sagen darf: der 
geschickte Spieler kann jetzt mit der Dämpfung alles machen, was 
er nur will. Dabei ist nach der zweckmässigen Einrichtung auch 
bei den verwickeisten Passagen die Bewegung der Füsse eine so 
ruhige und sanfte, dass der Zuschauer kaum darauf aufmerksam 
wird. Einen grossen Vortheil bietet die neue Einrichtung auch da- 
durch, dass sie dem noch nicht darauf eingeübten Spieler gestattet, 
ganz in der alten Weise das Pedal zu gebrauchen und die Dämpfung 
als ein festes Ganze zu regieren, so dass also das mit dem Kunst- 
pedal versehene Instrument durchaus nicht für diejenigen Spieler 
unzugänglich gemacht ist, welche das neue Werk noch nicht ken- 
nen. Ebenso günstig ge* taltot 8ich die 8achft * ucl1 dadurch » daas 



das Kunstpedalwerk au jedem fertigen Ciavierinstrument ohne 
die geringste Beeinträchtigung angebracht werden kann: ein Um- 
stand, welcher von der höchsten Wichtigkeit für die Verbreitung 
der Sache ist. 

Was nun die vortrefflichen Wirkungen des Kunstpedalspiels 
betrifft, so ist hier mit Worten wenig, mit Tönen aber unedlich viel 
zu sagen. Der Erfinder hat es auf drei Hauptpunkte 'abgesehen. 
Vor allem ermöglicht er eine vollständige freie Beherrschung aller 
Töne und Tonreihen, und somit eine tadellose Reinheit der 
musikalischen Ausführung. Alle bei dem bisherigen (auch bei dem 
besten) Spiel hervortretenden schweren Missstände in Bezug" auf 
das Fortklingen oder das Verlorengehen der Töne sind hier- 
mit gänzlich beseitigt. Der Pianist ist ein Dirigent geworden, wel- 
cher gebietet, und nicht mehr, wie bisher, dem äusserst dürftigen 
Mechanismus unterthanseinmuss. n 

Da von den acht Theilen, in welche die Dämpfung, getheilt ist« 
der eine die tiefste Tonlage bis zum grossen E, der andere die 
zweigestrichene Octave und was darüber hinaus noch mit Dämpfern 
versehen ist, umfasst, so bleiben für die mittleren Tonlagen lauter 
kleine Gruppen von je fünf Dämpfern, wodurch die grösste Beweg- 
lichkeit grade in dieser Region möglich gemacht ist. Der denkende 
Musiker wird sofort einsehen, welche unendlichen Vortheile für den 
Vortrag durch diese freie Herrschaft geboten sind. 

Ein weiterer Zweck des Kunstpedals ist die Verstärkung und 
Veredlung der mittleren und oberen Tonlagen des Instruments durch 
Beihilfe der tieferen. Der Erfinder stützt sich hierbei auf das aku- 
stische Gesetz der mitklingenden Saiten und benutzt dieses in einer 
solchen ausgedehnten Weise, dass er hiermit die herrlichsten Effecte 
erzielt. Hier gilt es vor allem zu hören, um sich zu überzeugen, 
welcher neue Zauber auf diesem Wege dem Instrumente abgewon- 
nen wird. 

Sagen wir endlich noch, das das Kunstpedal auch ganz neun 
und eigenthümliche Klangfarben des Instrumentes zur 
Geltung bringt, so dass man an orchestrale Effecte erinnert und 
unwillkürlich darauf hingewiesen wird, der musikalischen Phantasie 
den weitesten Spielraum zu gestatten. Dabei kann zugleich eine 
Klangfülle entwickelt werden, welche bisher in keiner Weise zu 
erreichen war. 

Mögen diese Andeutungen einstweilen dazu dienen, die Auf- 
merksamkeit des musikalischen Publikums auf eine Sache zu len- 
ken, die, wenn sie einmal da ist, ganz unwilkürlich zu dem Ausruf 
drängt: Warum ist das nicht schon längst dagewesen, und wie hat 
man bei der hohen Ausbildung der Ciavierspielkunst etwas Derar- 
tiges so lange entbehren können ? ! 

Der Erfinder wird seiner Sache, wohin er kommt, selbst weitere 
Bahn brechen, und allerwärts die Ueberzeugung erwecken, dass 
durch das Kunst pedal ein ganz aussergewöbnlicher Fortschritt 
für die Kunst gewonnen sei. 



- 174 



Franz Xavier Schnyder von Wartensee. 



(SchluSS.) 

Wäre der hingeschiedene Meister nun durch diese seine Werke 
nicht gross und unsterblich au nennen, so ist er es unzweifelhaft 
als Lehrer in der Theorie der Musik; denn eine bedeutende 
Anzahl tüchtiger Künstler verdankt ihm Wissen und Können, und 
verpflanzen es im Geiste ihres Meisters fort. Klar, wie seine Com- 
positionen, war auch sein Unterricht ; er war ein entschiedener Feind 
vom Halbwissen und ruhete daher auch nicht, bis der Schüler in 
seinem Wissen ebenfalls vollkoraen sicher und klar war. Er besass 
eine ungewöhnliche Gewandtheit, die schwierigste Sache anschaulich 
und begreiflich zu machen. 

Im Gesangunterrichte schloss er sich seinem Lehrer 
und Freund Hans Georg Nägel i an, jedoch ohne sich streng 
an dessen Methode zu halten. In diesem, wie bei jedem andern 
Unterrichte in der Musik arbeitete Schnyder auf dieS e lbständig- 
keit des Schülers hin. So sagt er in einem „Plane einer neu zu 
errichtenden Gesang-Bildungs'- Anstalt" selbst: „Das Ziel aller musi- 
kalischen Entwicklung in technischer Beziehung ist möglichste Selbst- 
Ständigkeit. Das Streben eines Lehrers sei, sich seinen Schülern 
entbehrlich zu machen, und je mehr ihm das beim Einzelnen ge- 
lingt, um so entbehrlicher wird er dem Publikum. Diese musi- 
kalische Selbständigkeit ist beim Singen, wo sie am nothwendigsten 
ist, gerade am schwersten zu geben und zu erhalten, und liegt 
ausser dem Kreise des gewöhnlichen Privat-Gesang-Unterrichts , wo 
man nur auf die Entwickelung der Kehle hinarbeitet, und so die 
betrübte Erscheinung alltäglich wird, dass solche , die mit grosser 
Virtuosität Bravoursachen vortragen können , nicht im Staude sind, 
ein einfaches Liedchen vom Blatte zu singen. Wie traurig ist es. 
wenn man sich an einem Toustücke erfreuen möchte, aber die 
Noten bleiben todt auf dem Papiere, und man muss vorher im 
langweiligen Kampfe mit der eigenen Unbehülflichkeit langsam die 
Composition einstudiren , und hat man sie in seiner Gewalt , so 
kat sie schon den grössten Beiz verloren , wie ein zu Tode gejagter 
Schmetterling seine Farbenpracht ! u — 

In der Harmonielehre legte er Abbe Voglers System 
zu Grunde, es weiter akustisch begründeud und vervollkommnend. 
Was sich nicht aus den Gesetzen der Akustik erklären Iiess , hatte 
für ihn keinen Werth, keinen Bestand. Gern acceptirte er desshalb 
Vogler's Ausspruch: „So viel ist gewiss, dass alle Modificationen 
der Musik ihren Grund in der Natur haben ; dass nichts Willkür- 
liches im Tonreiche sich vorfinde , und dass alle Schönheiten der 
Musik sich bestimmen, sich erklären lassen. 8 Auf etwa 20 Duodez- 
Notenblättchen , die er in einer Art Brieftasche bei sich trug , sind 
seine hauptsächlichsten harmonischen Uebungen verzeichnet. Diese 
schätzenswerthe Reliquie schenkte mir der verehrte Altmeister noch 
bei Lebzeiten nebst andern theoretischen Werken seiner reichen 
Bibliothek. 

Man hält Schnyder für einen der grössten Contrapunctisten 
seiner Zeit , und dies mit Grund. Wie oft kamen Musiker mit 
vielem Talente zu ihm, um bei ihm in zweifelhaften Fällen sich 
Bath und Belehrung- zu holen ! Und gewiss gingen sie nicht un- 
befriedigt von dannen. Wie viele Werke, Preisaufgaben etc. wurden 
ihm zur Durchsicht und Würdigung zugesandt! Dass Schnyder 
also gerade auf diesem Gebiete, nämlich in der Lehre des Contra- 
punctes und der strengen Formen, ein ausgezeichneter Lehrer 
gewesen sein muss, lässt sich aus dem Gesagten leicht erklären. 
Nicht weniger gross, ja noch bedeutender erscheint er uns als Meister 
auf dem Gebiete der freien Formen. „In der Lehre der strengen 
Formen", sagte er einmal zu mir, „ist man klar, und haben tüchtige 
Meister, wie Albrechtsberger, Marpurg und Fux einen 
guten Grund gelegt, auf dem man weiter bauen kann; allein in 
der Lehre der freien Instrumentalformen ist man zur Zeit noch sehr 
unklar, und bedarf es noch sehr einer Sicherstellung der ihnen zu 
Grunde liegenden Gesetze." Und ich betrachte es als ein grosses 
Glück, dass der Verblichene gerade in dieser Disciplin mein Lehrer 
gewesen ist. Das bei C. Merseburger in Leipzig im Jahre 
1862 erschiene Werkchen : „Formenlehre der Instrumentalmusik," 
nach dem Systeme Schnyder's von Wartensee zum Gebrauche für 
Lehrer und Schüler ausgearbeitet von Benedict Widmann, ist die 



Frucht jener Studien, von denen ich in dem Vorworte sagen konnte: 
„Was mir nun diesen Unterricht ganz intereressant und werthvoll 
machte, das ist jener positive Gehalt, jene Bestimmtheit und Sicher- 
heit, mit welchem letzteren der wohlberathene Meister sein System 
am liebsten an den schwierigsten Tonstücken unserer musikalischen 
Classiker zu erproben Gelegenheit nahm. Je mehr ich mich in 
der Folge mit diesem Systeme vertraut machte, desto mehr lernte 
ich dessen Werth uud Vorzüge schätzen." Zur nicht geringen 
Freude des alten Meisters erschienen bald von allen Seiten aner- 
kennende Becensionen. Es sei uns gestattet , nur aus einer der- 
selben Einiges zu erwähnen. L. B i s ch o ff schrieb darüber in der 
von ihm redigirten „Niederrheinischea Musik-Zeitung", X. Jahrgang 
Nr. 37 unter der Ueberschrift : „Das Wesen und die Notwendig- 
keit der musikalischen Form :" Wir haben nicht nur unsere bekann- 
ten Ansichten über dieses Thema von Neuem auseinander zu 
setzen, sondern die erfreuliche Beaction zu bekunden, welche sich 
in den neuesten Schriften gegen die Verächter der Form offenbart." 
Nun folgt der Titel. — „Der noch immer körperlich und geistig 
rüstige sechsundsiebenzigjährige Veteran unter den deutschen Musik- 
gelehrten, Xavier Schnyder v. W. in Frankfurt a. M. der in jeder 
Hinsicht tief durchgebildete Mann der Kunst und Wissenschaft, 
vorzugsweise aber einer der bedeutendsten Contrapunctisten und 
Theoretiker, zu welchem seit Jahrzehuten eine Menge von Jüngern 
der Tonkunst wanderte» um seinen gründlichen, anregenden und für 
das Edle in der Musik begeisternden Unterricht zu geniessen, hat, 
trotz seiner Gewandtheit im Schreiben, niemals die Grundsätze seiner 
Lehrweise in einem besonderen Werke veröffentlicht. B, Widmann 
in Frankfurt a. M. hat nun mit Bewilligung und Unterstützung 
Schnyder's, dessen Unterricht er vor zwei Jahren genoss, es unter- 
nommen, die Lehre von den Formen der Instrumentalmusik, als 
einen Theil der Compositionslehre nach Schnyder's System, zu be- 
arbeiten, und so ist das vorliegende Buch entstanden, das L. Etk, 
königlichem Musikdirector und Seminarlehrer in Berlin, gewidmet ist. 
Unserer Meinung nach hat er damit keineswegs eine überflüssige 
Arbeit unternommen, denn obschon in den vorhandenen Compositions- 
Theorien tüchtiger Musiker die Formenlehre eine Stelle einnimmt, 
so müssen wir doch gestehen , dass wir das Wesentliche derselben 
noch nirgends in so einfacher und leichtfasslicher Klarheit dargelegt 
gelesen haben, und da heutzutage eine ganze Partei von Musikern 
vorhanden ist, welche den Fortschritt in der Vernachlässigung der 
Form suchen, so ist es sehr zu wünschen, dass dieses Buch, welches 
ganz speciell dem Unterricht in den Kunstformen .der reinen Musik 
gewidmet ist, in recht viele Hände angehender Musiker komme." 

In beiden soeben betrachteten Thätigkeiten , im Selbst seh äf- 
fen, wie im Lehren, knüpfte der geniale Meister an die Natur 
und an göttliche Ideale an. Becht schön spricht er dies in einem 
binterlassenen Manuscripte aus, wenn er sagt : »Ich bin weit entfernt 
zu glauben, dass sich alles im Leben in mathematische Formeln bringen 
lasse. Ich kenne die wunderbare Stimme des unbekannten Jenseits, 
die mit süssen Ahnungen unser Herz erfüllet, und welche nur anzu- 
deuten schon die Sprache zur Poesie wird; ich kenne die Strahlen 
der geheimnissvollen Morgenröthe einer ewigen Ursonne, die uns 
nur dann aufgeht, wenn wir in dem Hügel, der sie uns noch ver- 
birgt, einsinken ; ich weiss, wie nur in der Kunst diese Stimmen 
tönen, diese Strahlen glühen; allein ich weiss auch, dass die Kunst- 
wissenschaft die Gesetze dieser Menschwerdung nachweisen kann 
und soll. Das Ewige der Kunst,die Idee, kann sich uns uur durch 
Vermählung mit dem Zeitlichen, Irdischen offenbaren, und dieses ge- 
schieht psychisch durch die notwendigen Formen der Anschauung 
etc. (in der Musik Rhythmus), und physisch durch die Bedingung 
der sinnlichen Wahrnehmung (Ton)." 

Deine Hülle ist nun, grosser Meister, in den Hügel eingesenkt; 
mögen Dir nun die Strahlen der ewigen Ursonne leuchten ! 

Frankfurt a. M. im September 1868. B. W i d m a n n. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Mainz. 

Am 23. October fand im Stadttheater ein grosses Concert zum 
Besten des Orchester-Pension-Fonds unter der Leitung des Hrn. 



- 176 



Capellmeister und Liedertafeldirigenten Fr. Lax und gefälliger 
Mitwirkung des Herrn Fray vom Stadttbeater und der hiesigen 
Männergesangvereine mit folgendem Programm statt: Ouvertüre 
an den „Abenceragen" von Cherubini; (Arie aus „Fidelio" fiel aus 
wegen Unpäßlichkeit der Frau Bertram-Mayer); „Sturmesmythe" 
Ton N. Lenau für Männerchor und Orchester componirt von Franz 
Lachner ; „Ave Maria" von Fr. Schubert, für Orchester bearbeitet 
von Fr. Lux; „Triumphgesang auf Alexander den Grossen" für 
Männerchor mit Harmoniebegleitung von Hermann Zopff; Arie für 
Bariton aus „Hans Heiling" von Marschner, gesungen von Hrn. 
Fray; zwei Männerchöre: „Ruhe in der Geliebten" von Lux und 
„Wie haV ich sie geliebt" von Möhring ; Ouvertüre zu „Euryanthe" 
von Weber. Was die beiden Ouvertüren betrifft , so waren die* 
selben mit Sorgfalt einstudirt, wurden mit aller wünschenswer- 
then Präzision und Feinheit executirt und verfehlten auch beide 
nicht, wenn auch in ganz verschiedener Weise, das Publikum zum 
lebhaftesten Beifall hinzureissen. Die beiden Männerchöre mit 
Instrumentalbegleitung büssten viel von ihrem Effect ein durch die 
uczweckmässige Aufstellung des Sängerchors und Orchesters, indem 
das letztere durch den ersteren völlig gedeckt und unterdrückt wurde. 
Einer viel unbeschränkteren Wirkung hatten sich die beiden Chöre 
ohne Begleitung zu erfreuen, wenn auch die Detailausführung durch 
die gemischten Kräfte nicht immer tadellos war. Ueber die äusserst 
effectvolle orchestrale Bearbeitung des „Ave Maria" von Lux haben 
wir schon früher einmal Gelegenheit gehabt, uns mit gebührender 
Anerkennung auszusprechen. Soweit war von Seiten der Concert- 
geber im Ganzen genommen Alles recht hübsch und gut und es 
fehlte nichts als eine zahlreiche Betheiligung des Publikums, damit 
auch der pecuniäre Zweck des Concertes in gehoffter Weise erfüllt 
worden wäre. Allein das Mainzer Publikum hat, wie wir schon 
öfter zu bemerken uns die Freiheit nahmen, seine gar absonderlichen 
Schrullen. So denkt es denn auch nicht daran, dass es eigentlich 
eine Art von Verpflichtung habe, den Orchestermitgliedern, die, ohne 
weitere Sicherung ihrer Existenz, während der Theatersaison im 
Dienste des jeweiligen , sehr häufig wechselnden Directors und zur 
Unterhaltung gedachten Publikums, ihre ganze Kraft und Zeit dem 
beschwerlichen Theaterdienste widmen, auch bei seinen Bestrebun- 
gen sich für die Zeiten der Dienstunfähigkeit einen Unterstützungs- 
fonds zu gründen behülflich zu sein, und so kam es denn auch, 
dass das Haus schmählich leer und die Einnahme eine lächerlich 
geringe war. Die Schaar der Abonnenten , die z. B. zwei Saisons 
hindurch mit Stücken wie „Zehn Mädchen und kein Mann" oder 
„Die schöne Galathee" in unverwüstlicher Begeisterung sich erhielt, 
hatte sich nur sehr spärlich eingefunden, als es sich um die För- 
derung des oben bezeichneten edlen Zweckes handelte. Gott besseres! 
Soviel ist aber gewiss, dass, so lange dem Orchester und Chor kein 
besserer Halt geboten wird als bisher, das Ensemble unserer Oper 
immer ein klägliches bleiben wird. 

„Liedertafel" und „Damengesangverein" stellen für diesen Win- 
ter recht schöne Genüsse in Aus&icht. Es sollen von den beiden 
Vereinen vier Concerte veranstaltet und in denselben folgende 
grössere Werke mit Gesang zur Aufführung kommen: Musik zu 
„Die Ruinen von Athen" von Beethoven, vollständig, mit dem 
von Dr, Heije in Amsterdam verfassten neuen Texte: „ Griechen- 
lands Kampf und Erlösung;" das Oratorium „Samson" von Händel; 
„Die erste Walpurgisnacht" von Mendelssohn ; „Mirjam's Sieges- 
gesang" von Fr. Schubert und als Novitäten „Die Kreuzfahrer" von 
N. W. Gade und der „67 Psalm" von Friedrich Lux. Ueber die 
in diesen Concerten ferners aufzuführenden Sinfonien, Ouvertüren 
etc. verlautet noch nichts Bestimmtes. 



*O QQ I 



Nachrichten. 



München» Das Comite für Etablirung „Fröbel'scher Kinder- 
gärten," deren hier bereits drei besteben, veranstaltet zum Besten 
seines Fonds ein Concert im grossen Odeonsaale, bei welchem die 
Damen Frau Diez und Frl. Stehle vom Hoftheater sowie die 
treffliche Pianistin Frl Emmy Heintz und die HH. Hans v. Bü- 
1 o w, Coucertmeister Jos. Walter (Violine) , S t r a u s s (Hörn), 
Tombo (Harfe) und Hofopernsänger Nachbauer mitwirken. Als 
Accompagnateurs werden ausserdem noch die HH. Hans Richter 



und Georg Menter thätig sein. Das Programm ist ein sehr reich- 
haltiges und abwechselndes und so lässt sich denn bei dem bevor- 
stehenden seltenen Kunstgenuss und dem edlen Zwecke ein recht 
zahlreicher Besuch mit Sicherheit erwarten. 

Stuttgart. Am 14. October brachten die Sänger des Sing- 
vereins dem zurückgetretenen Dirigenten desselben , Prof. L. 
Stark, eine musikalische Serenade, welche ein zahlreiches Publikum 
anzog, welches besonders das bereits volksthümlich gewordene 
Freiligrath-Stark'sche Lied: „O lieb* so lang du lieben kannst" mit 
warmer Sympathie aufnahm. Hr. W. Speidel, der neue Dirigent, 
leitete die vorgetragenen Chöre von Schubert und Mendelssohn» 
und überreichte seinem Vorgänger unter Assistenz zweier weiteren 
Ausschussmitglieder einen kostbaren mit Silber und Perlmutter ein- 
gelegten Tactstock sammt Lorbeerkranz als Ausdruck inniger Ver- 
ehrung und Dankbarkeit für dessen langjährige Verdienste um den 
von ihm anno 1861 gegründeten und seither geleiteten Verein. 

Leipzig. Das zweite Gewandhausconcert, welches in Ab- 
wesenheit Hrn. Rein ecke's von Hrn. Concertm. David dirigirt 
wurde, enthielt in seinem Programm von Orchesterwerken die He- 
briden - Ouvertüre von Mendelssohn und die B-dur-Sinfonie von 
Schumann; als Sängerin gastirte Frl. Wilhelmine Ritter vom 
Hoftheater in München mit zwei Arien von Mozart und Rossini 
und als Instrumental-Solist Hr. Saint-Saens aus Paris, welcher 
ein Clavierconcert in drei Sätzen von eigener Composition, sowie 
Barcarole von Chopin, Polonaise Op. 89 von Beethoven und 
Bourre'e von S. Bach vortrug. 

London. Die Samstags -Concerte im Crystallpalast, 
welche von Anfang October bis Ende April allwöchentlich unter der 
Leitung des Hrn. Manns stattfinden, haben am 3. Octbr. in glän- 
zender Weise begonnen. Das Programm enthielt: Ouvertüre zu 
„Oberon" von Weber; Scene und Arie „Ah perfido" von Beetho- 
ven und Cavatine „Bei raggio u von Rossini, gesungen von Frl. 
Sternberg; die G-dnr-Arie des Ottavio in „Don Juan" und Lie- 
der von Schubert und Schumann, gesungen von Hrn. Rigby; 
Sinfonie in A-dur von Mendelssohn; Andante Spianato und 
Grande Polonaise von Chopin, sowie Cascade und Galop de 
Concert eigener Composition , vorgetragen von Hrn. P a u e r und 
zum Schlüsse Fest-Ouvertüre von R. V o 1 k m a n n. Letztere Com- 
position, als Novität vorgeführt, vermochte keinen schlagenden Er- 
folg zu erringen. Frl. Sternberg, welche zum ersten Male vor dem 
englischen Publikum erschien, gefiel vorzugsweise mit der Rossini'- 
schen Cavatine. Hr. Pauer blieb seinem Rufe als 'gediegener und 
vielseitiger Ciaviervirtuose nichts schuldig und das Publikum Hess 
ihm volle Gerechtigkeit wiederfahren. Hr. Rigby sang mit vielem 
Geschmack und Verständniss uud wurde bei deu Liedern durch die 
Begleitung des Hrn. Pauer vortrefflich unterstützt. Die Executirung 
der Sinfonie sowie der beiden Ouvertüren war eine höchst lobens- 
wertbe und gereichte dem Dirigenten und seinem Orchester zu 
grosser Ehre. — Das zweite dieser Concerte brachte: Marsch aus 
den „Meistersingern" von R. Wagner, „Sinfonia eroica ii von 
Beethoven, Ouvertüre zu „Ruy Blas" von Mendelssohn 
und Vorspiel zum 5. Act der Oper „König Manfred" von Reinecke; 
ferner Othello- Fantasie für Violine von Ernst, vorgetragen von 
Hrn. Carrodus und einige Gesangsnummern , vorgetragen von 
Fräul. Enequist und Hrn. N i 1 s o n - Var 1 e y. Neu waren der 
Marsch von R. Wagner und eine Concert - Arie , „Des Seemanns 
Braut," welche aber keinen besonderen günstigen Erfolg hatte, — 
Das Programm des dritten Concertes enthielt von Orchester- 
werken : Coriolan- Ouvertüre von Beethoven; Sinfonie in H-moll 
von Schubert (unvollendet); Ouvertüre zur „Melusine" und Lorelei- 
Finale von Mendelsso hn. Die gebotenen Gesangsnummern 
waren mit Ausnahme des Loreley-Finale's und der von Frau R u - 
dersdorff gesungenen Arie „Deh vieni" aus „Figaro's Hochzeit" 
nicht von Erheblichkeit. — Die populären Montagsconcerte in 
St. James* s Hall beginnen ihre 11. Saison am 16. November. 
— Hr. Mapleson wird seine italienische Herbstsaison in Covent- 
Garden am 24. October mit „Lucrezia Borgia" beginnen; Fräulein 
Titjens singt die Titelrolle, Mongini den Gennaro, Santley 
den Herzog und Mme. T r e b e 1 1 i den Orsino. Am 24. October 
findet sodann in der „Sonnambula" das mit grosser Spannung er- 
wartete Debüt der Mlle. Minnie Hauck statt, welche am 99. 
October in „Lucia" zum «weiten Male auftreten wird. 



— 176 - 



Paris. Rossini hat diese Woche einen Krankheitsanfall er- 
litten, der seine sahireichen Freunde und Bewunderer in lebhafte 
Unruhe versetzte. Erfreulieberweise ist es der Sorgfalt und Um- 
sicht der Aerzte bereits gelungen, eine entschiedene Besserung in 
dem Znstande des greisen Patienten herbeizuführen. 

— Im 2. populären Concerte des Hrn. Pasdeloup kam zur 
Aufführung : Musik zum Trauerspiel „Struensee" , componirt von 
Meyerbeer; einzelne Sätze aus der Sinfonie „Wallenstein" von J. 
Rheinberger ; Sinfonie in G-moll von Mozart ; Entreact zum dritten 
„Act der „Meistersinger" von B. Wagner und Variationen, Scherzo 
,nnd Finale aus dem „Sextuor" von Beethoven. 

*** Der ausgezeichnete Pianist Gottschalk ist von seiner 
Kunstreise in der argentinischen Republik nach Montevideo zu- 
rückgekehrt und hat dort am 31. August einen neuen Cyclus von 
Concerten begonnen, bei welcher Gelegenheit er einige seiner be- 
liebtesten Compositionen mit ausserordentlichem Erfolg vortrug. 
Mehrere junge Leute der Stadt machten ihm eine schöne Garnitur 
von Boutons und einen Lorbeerkranz mit goldenen Blättern zum 
Geschenk. 

%* Der ehemalige Director des „Mozarteums" in Salzburg, 
Hr. Hans S chläger, erhielt bei seinem Scheiden von dort von 
der „Singakademie" einen reich verzierten Taktstock, von der Lie- 
dertafel einen kostbaren silbernen Becher und vom Orchester des 
Mozarteums ein von allen Mitgliedern desselben unterzeichnetes 
Memoire, welches in wärmster Weise die Verdienste des Scheiden- 
den um das musikalische Leben in Salzburg hervorhob, als Ab- 
schiedsgaben. 

%* Das neuerbaute Theater in Kaiserslautern wurde am 
11. October mit einem Concert und zwei kleinen dramatischen 
Stücken eröffnet. 

*#* Ein neuer italienischer Tenorist , Sgre. S t a g n o , ist in 
Petersburg aufgetreten und hat durch seine schöne und mäch- 
tige Stimme und seinen geschmackvollen Vortrag vielen Beifall 
geerntet. „Lohengrin" wird dort in den nächsten Tagen zur Auf- 
führung kommen* 

*** Ueber die Triumphe der mit der Map 1 es o naschen Opern- 
truppe in Dublin gastirenden Frl. Titjens wird der „A. A.Z." 
berichtet: „Frl. Titjens hat das ganze Land in eine so ungestüme 
Aufregung versetzt, dass die Eisenbahndirectionen genöthigt waren, 
Extrazüge aus allen Theilen des Landes nach Dublin zu veranstal- 
ten, um den irischen Enthusiasten Gelegenheit zu geben, die deutsche 
Prima - Donna zu bewundern. Ihre Abschiedsvorstellung erregte 
stürmischere Begeisterung, als je ein ähnliches Ereigniss in Dublin 
gethan zu haben scheint. Mehr als 200 Personen bezahlten hohe 
Preise — bis zu 10 Pf. St. — um hinter den Coulissen einen Platz 
zu finden, da das Haus schon seit zwei Wochen ausverkauft war. 
100 Constabler begleiteten Frl. Titjens zum Theater , um den zu- 
dringlichen Haufen zu verhindern, ihre Pferde auszuspannen. Bei 
ihrer Heimkehr war selbst die Polizei - Escorte zu schwach. Der 
Kutscher verlor seinen Sitz, und die Constabler wurden nach einem 
„fürchterlichen Zusamraenstoss" übermannt Auf beiden Seiten floss 
das Blut der Verwundeten. Die Aufregung nahm so bedenkliche 
Verhältnisse an, dass man befürchtete, sie könne politisch werden. 
Daher wurden Telegramme nach allen Casernen befördert. Die 
Militärmacht war jedoch nicht nöthig, da die Prima-Donna endlich 
im Triumph zu ihrer Wohnung gezogen worden war, und so der 
Anlass zu fernerem Enthusiasmus fehlte." 

*** Der Bartitonist Wallenreit er wird nicht zur italienischen 
Oper in Paris gehen, sondern einige Zeit in Deutschland reisen 
und dann sich wieder nach England begeben , wo er bereits ausge- 
zeichnet aecreditirt ist. 

*** Dem „Wiener Männergesangverein" wurde bei Gelegenheit 
seines 25jährigen Jubiläums von dem Gemeinderath der Stadt Wien 
die grosse goldene Salvatormedaille verliehen. 

%* Ul Im an n wird im November eine Concerttour in Belgien 
unternehmen und in folgenden Städten Aufführungen veranstalten, 
nämlich: in Verviers, Maestricht, Lüttich, Namur, Löwen, Gent, 
Antwerpen, Brüssel, Brügge, Mons, Tournay. Seine Gellschaft be- 
steht aus Carlotta Patti und den HH. Vieuxtemps, Leon 
Jaqnard, Bottesini, Godefroid, J a e 1 1 , de Vroye 
and Herrmann-Leon. 

V Die Oper „Mignon" ist in C ö 1 n am 82. Octbr. mit grossem 



Erfolg in Scene gegangen und Frl. Radecke, eine Schülerin der 
Frau Marchesi, feierte in der Titelrolle grosse Triumphe. Auch 
in Stuttgart wird diese Oper demnächst zur Feier des Geburts- 
tags des Königs aufgeführt werden. 

**• Im Theater de la Monnaie in Brüssel wird die Oper 
„Der Sommernachtstraum" von A. Thomas mit vielem Beifall und 
unter grossem Zudrang des Publikums gegeben. 

*** In M a n n h e i m ist die Aufführung der „Meistersinger" von 
R. Wagner auf dem dortigen Hoftheater beschlossene Sache und 
es haben die Vorbereitungen für dieselbe bereits begonnen. 

*** Der „Wiener Männergesangverein* hat bei Gelegenheit 
seines 25jährigen Jubiläums zu Ehrenmitgliedern ernannt die HH. : 
R. Wagner, Liszt, Rubinstein, Strauss, Engelsberg, Doppler, Lewy, 
Dr. Zelinka, Grillparzer, Seidl , Anastasius Grün, Halm, Lewinski, 
Gabillon und die früheren Chormeister des Vereins, Barth und Eckert. 

*** R. Wagner hielt sich in letzter Zeit in Oberitalien auf, 
und zwar theils in Mailand, theils am Lago maggiore. Die italie- 
nische Uebersetzung seiner Operntexte für den Musikverleger L u c c a 
in Mailand besorgt Prof. Marchesi in Cölo. 

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IM NACHRICHT. 

Im Verlage der Unterzeichneten erschienen : 
Tailliert, llf. 25 Variationen über ein Originalthema für gros- 
ses Orchester. Op. 161 

Partitur in 8* . . . fl. 5. 24 kr. 

In Stimmen . . . . . „ 9. 36 „ 
Für das Pianoforte zu 4 Händen „ 3. 36 „ 
Wagner, R. Die Meistersinger von Nürnberg. Oper in 3 Acten« 

Vollständige Orchester-Partitur n. fl. 60. 

Unter der Presse befinden sich: 
IiAClilier, Fr. Suite N° 5 in 5 Sätzen für grosses Orchester» 
(N° 1. Introduction und Allegro, N° 2. Menuetto, N°3. Andante» 
N° 4. Scherzo, N° 5. Finale). Op. 135. 

Partitur und Orehesterstimmen. 

Für das Pianoforte zu 4 Händen. 

Raff, J, Symphonie K° 2 in C-dur für grosses Orchester. Op 140. 

Partitur und Orshesterstimraen. 
Für das Pianoforte zu 4 Händen. 
Hiller, Ferci. Frühliugsnacht. Gedicht von Immergrün, für 
4 Solostimmen (Sopran, Alt, Tenor und Bass) mit Orchester- 
begleitung. Op. 139. 

Clavier-Auszug. Partitur und Orchesterstimmen. 
Mainz, October 1868. 

B. Schotts Söhne. 



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erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 

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1868. brosch. Preis: 2 Thlr. 15 Ngr. 



INHALT. 

I. Zur Aesthetik der Tonkunst. Aus der Geschichte. 
Einleitung. Die Ursprünge des Gesangs. Die Tonkunst der 
Griechen. Der polyphone Gesang des Mittelalters. Das Volks- 
lied. Die dramatischen Musikgattungen. Die Instrumentalbe- 
gleitung. Die reine fnstrumentalmusik. 
IL Zur Aesthetik der Tonkunst, Aus der Natur der mensch- 
lichen Seele. 

Bückblick auf die musikalische Aesthetik früherer Zeiten. Musik 
und Malerei. Die Tonkunst die Sprache der Gefühle. 
III. Händel und Shakespeare. Eine Parallele. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



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9. November 1868. 



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INHALT: Das fünfzigjährige Jubiläum. — Corresp.: Stuttgart. Mannheim. Frankfurt. Paris. — Nachrichten. 



Das fünfzigjährige Jubiläum des CScilien - Vereins 

in Frankfurt a. M. 



Am 28. October fand die Feier des 60jährigen Bestehens un- 
seres Cäcilien-Vereins in einer der Bedeutung des Festes ent- 
sprechenden, würdigen und erhebenden Weise statt. 

Wir wollen, nachdem wir uns der uns beherrschenden Eindrücke 
dieses schönen und in seiner Erscheinung seltenen Festes enthoben 
fühlen, in kurzen Umrissen eine Schilderung desselben' geben , vor- 
her jedoch einen Rückblick auf die Entstehung und Gründung des 
Vereins werfen, dessen lobeoswerthe Aufgabe es von Anbeginn war, 
vorzugsweise die Oratorienmusik mit Liebe zu pflegen. Der nach- 
malige Gründer des Cäctlien verein», Johann Nepomuk Schelble, 
ein Schüler des Abt Vogler, lebte einige Zeit als Hof- und Kam- 
mersänger in Stuttgart und erhielt daselbst einen Ruf an das Wie- 
ner Hoftheater, blieb jedoch nur zwei Jahre dort, welche er zur 
weitern Ausbildung seines Compositionstalents verwendete. Schelble 
ging hierauf nach Berlin, wo man zwar seinem Gesangstalente Ge- 
rechtigkeit wiederfahren liess, ohne ihn jedoch mit einer Anstellung 
zu betrauen. Ein kleiner Gastrollencyclus auf der Frankfurter 
Bühne führte endlich zu einem längeren Engagement und — da 
man hier bei mehreren von Schelble geleiteten musikalischen Auf- 
führungen seine besondere Befähigung zum Lehren und Dirigiren 
erkannte, so geschah es, dass sich nach und nach ein Kreis von 
Schülern um ihn schaarte, der wie Schelble von dem Wunsche be- 
seelt war, einen selbständigen Verein ins Leben zu rufen. Im Jahre 
1818 gründete denn auch Schelble einen gemischten Chorverein, der 
sich „Cäcilien-Verein" nannte und in dessen erster Aufführung 
Mozart's „Zauberflöte" gesungen wurde. Eine Reihe von Jahren 
blieb Schelble die Seele des Vereins, welcher sich unter ihm immer 
gedeihlicher entwickelte. Nach Schelbles am 6. August 1837 er- 
folgtem Ableben blieb der Cäcilien-Verein unter den folgenden, 
tbeils provisorisch, theils definitiv angestellten Directoren — F. 
Mendelssohn-Bartholdy, Carl Voigt, Ferd. Hlller, Ferd. 
Ries, Fr. Jos. Messer, Fr. Friedrich — seinem Programme 
treu und — seit 1860 unter C Müller's Direction — steht unser 
Cäcilie'nvereiu, nach 50jährigem Bestehen und Wirken, heut in der 
frischesten Blüthe. 

Wir gehen nun zu dem im Saalbau gegebenen Fest - Concert 
über, dem am Vormittag desselben Tages eine academische Feier 
vorherging, welcher ausser dem Verein alle fremden und einheimi- 
schen Ehrengäste beiwohnten. Die Feierlichkeit wnrde eingeleitet 
durch den meisterhaften Vortrag des n Ji>e Verum corpus" von 
Mozart durch den Vereinschor, worauf Hr. Apellationsrath Eckardti 
der Präsidenfdes Vereins, in einem sehr gediegenen, bis zum Schlüsse 
fesselnden, Vortrage einen Abriss der Entstehung»- und Entwicke- 
Itttogsge&chichte des Jubel Vereins gab und die Verdienste der Leiter 
desselben Von Schelble an bis zu Müller, dem gegenwärtigen Diri- 
genten 'in entsprechender Weise hervorhob. Sodann folgte noch der 



Vortrag zweier Gesangscompositionen von Schelble und Messer und 
eines Chorals von J. S. Bach, und wurden die Ehrengaben der hie- 
sigen musikalischen Vereine überreicht, sowie die von auswärts ein- 
gelaufenen Beglückwünschungen mitgetheilt. Ein wahrhaft pracht- 
volles Geschenk war der von der Museumsgesellschaft gespendete 
ausgezeichnete Flügel aus der Fabrik von Bechstein aus Berlin. 
Die Zahl der zum Feste eingetroffenen Ehrengäste war eine bedeutende 
und es befanden sich unter derselben die Brüder L a ch n e r, Ferd* 
H i 1 1 e r, Max Bruch, Tb. Kirchner aus Zürich, Franz We- 
ber aus Cölu und noch viele Andere, deren Namen einen guten 
Klang in der musikalischen Welt hat. — Das Concertprogramm 
enthielt Seb. Bach's „Hohe Messe in H-moll," deren ursprüngliche 
Instrumentirung Hr. Director Müller in die jetzt allgemein gebräuch- 
liche umgearbeitet hat, und die, wenn wir sie nach dem Totalein- 
druck und den hie und da angebrachten überaus wirksamen Blas- 
Instrumentaleffecten beurtheileu, uns das Geständniss abnothigt, dass 
Hr. Möller durch diese Umarbeitung sich ein unverkennbares Ver- 
dienst erworben hat. 

Die hohe Messe beginnt mit dem „Kyrie" einem mächtig wir- 
kenden östimmigen Chor, dem ein Duett (Sopran und Alt) „Christe 
eleison" folgt und mit einem 4stimmigen Chor schliesst. Erhabe- 
ner tritt hierauf das Gloria ein, welches nach mehrern Chören, 
zwei Arien und einem Duett mit dem herrlichen östimmigen' Chdr 
»cum sancto spiritu" schliesst. Am Bedeutendsten ist aber un- 
zweifelhaft das nun folgende „Credo;" zwei Chöre, ein Duett (So- 
pran und Alt), der 5stimmige sanfte Chor „et incarnatus" und 
hierauf das „Crudfixus" das vollendetste Meisterwerk der hohen 
Messe, ein 4stimmiger Chor in E-moll in •/■ Tact: auf einem sich 
etwa 12 mal unverändert wiederholenden Bass von vier T Acten, 
dessen erster Tact einen Sprung von der Tonike E in die Octave 
macht und in den drei folgenden Tacten chromatisch abwärts in 
die Dominante h gleitet, ist das ganze harmonische Gebäude d*< 
Crucifixus aufgeführt, durch welches nns in klagenden Melodien 
und rührenden Schmerzenstöuen die Leiden des Gekreuzigten vor 
die Seele geführt werden. Nach dem Sanctus, dem Osanna, dem 
Benedictus folgt das Agnus der — und schliesst die hohe Messe 
mit dem istimmigen Chor „dona nobis" 

Dass die Aufführung der hohen Messe eine in jeder Hinsicht 
vollendete war, darüber herrscht nur eine Stimme. Die vom Cäci- 
lienverein gesungenen, zum Theil polyphonen und gewaltigen Chöre 
durchflutheten in einem Tonmeere den Concertsaal. Die Leistun- 
gen der Solisten, obenan die der Frau Joachim (Alt) und Frau 
Bellingrath-Wagner (Sopran) aus Dresden , verdienen un- 
sere vollste Anerkennung — und wenn auch die HH. Schulze 
(Bass) aus Hamburg und Otto (Tenor) ans Berlin nicht durch 
Stimmenwucht iroponirten, so sangen doch fyifo mit nicht gewöhn- 
lichem Verständnis». Die Violin-Soli spielte Jo a ch i m , — mehr 
braucht nicht gesagt zu werden. Die Soli fu*r die Blasinstrumente 
Flöte, Oboe und Hörn wurden von Orchestermitgliedern meisterhaft 
executirt und das Orchester selbst wirkte' seinem alten Ruhme und 
der Bedeutung des Tages entsprechend; — Da*» Hr. Director Mttl- 



-• 178 - 



ler diesen Tag als einen der schönsten seines Lebens in seinem 
Tagebuch verzeichnen wird, ist ausser allem Zweifel. 

Der zweite Festtag, an dessen Morgen sich die noch anwesen- 
de* flbrvnf aste in der Wohnung des Hrn. Director Möller zu einem 
gemütkllcben Dejeuner zusammengefunden hatten, fand seinen hei- 
tern Absehluss durch ein gemeinsames Bankett, bei welchem man- 
cher sinnreiche Toast ausgebracht wurde und dem sich selbstver- 
ständlich eiu Tänzchen anreihte, dessen Wirbel die junge Welt 
sich erst zu entwinden vermochte, als des Tages Herold bereits das 
mahnende Frühroth zu verkünden begann. 



CORBESPONDSNZEH. 



Ans Stuttgart« 

Bude October. 

T Am 17. d. trafen zwei Concerte zusammen, welche beide von 
einer dichtgedrängten Zuhörerschaft besucht waren, ein Beweis für 
den empfänglichen Musikboden unserer schwäbischen Hauptstadt. 
Die grössere dieser Massen fasste die Liederhalle, wo unser allbe- 
liebter Sänger auf dem Home, Hofmusikus F oh mann, unter Mit- 
wirkung der namhaftesten Kunstgrössen concertirte; wir erwähnen 
darunter die Damen Mario w und Wahlmann, die Herren Ber- 
tram, Braun, C.M.Singer, Wehrle, Meyer u. s. w.:Glanz- 
punkte waren das siebenstimmige Divertimento inD-dur von Mozart, 
der Preisgesang aus den „Meistersingern" und Fohmann's Solovor- 
träge unter denen eine neue Idylle unseres G. Linder mit dem 
sinnigen Motto „Waldestraum" für Kenner besonderes harmonisches 
Interesse bot, und auch vom Gesammtauditorium mit grossem Bei* 
fall aufgenommen wurde. — Die gleichzeitige erste Aufführung des 
Or ehest erver eins im Museum unter Pruckner's Leitung 
brachte Händeis Concert für Streichinstrumente in G-moll, wobei 
ein wohlthätiger Fortschritt in Reinheit der Stimmung bemerkbar 
war, dann die neu ausgegrabene s. g. Oxford-Sinfonie in G-dur 
von J. Haydn, dazwischen Beetboven's Cellosonate in F , von den 
HH. Pruckner und Cabisius meisterhaft vorgetragen. Frl. A. 
Steffan, die wir schon im letzten Bericht anlässlich eines Abendes 
im Conservatoriura erwähnten, sang die B-dur-Arie aus den „Jahres- 
zeiten", deren Allegro durch das , vermuthlich der noch ziemlich 
schüchternen Solo - Oboe zu liebe, allzusehr gemässigte Tempo 
etwas beeinträchtigt wurde , dann ein wunderschönes Lied von 
Josephine Lang: „auf dem See", in Fis-dur, und Beetboven's 
„neue Liebe, neues Leben" so schulgerecht und sympathisch, dass 
sie allgemeinen Beifall und Hervorruf erntete, und unserm Con- 
servatorium, wo sie ihre Gesangsstudien gemacht hatte , verdiente 
Ehre eintrug. Diesen Herbst überstieg die Anzahl der in genanntes 
Institut neueingetretenen Zöglinge, worunter meistens auswärtige, 
alles bisher Dagewesene, so dass es kaum möglich war, Alle unter- 
zubringen. Für das neugeschaffene Lehrfach der Poetik, Kunst- 
lehre und Literaturgeschichte ist Dr. G. Scberer gewonnen worden, 
der sich durch seine Volkslieder-Sammlung und ähnliche Arbeiten, 
sowie durch eigene Gedichte einen geachteten Namen erworben hat. 

Bereits haben auch die Kammermusiksoiräen begonnen, eigentich 
unsere Frühlingsboten, da die letzten derselben regelmässig schon 
im Geleite milder Lenzwinde erscheinen ; wohl wird bis dahin noch 
mancher Wintersgraus vorbeiziehen, aber schon aus der ersten klang 
hoffnungduftig die Ahnung neuer Maienlust. Da zog wie ein sonn- 
beglänzter Aprilsturro Schnmann's A-moll-Sonate , wie eine laue, 
blütbenreifende FruhlingsnacbtSpobr's E-moll-Trio vorüber ;* während 
in letzterem aber die drei Künstler sich in Einmüthigkeit zu einer 
Musterleistung vereinigt hatten , erwies auch Jeder derselben in 
Einzelvorträgen seine besondere Meisterschaft , so Hr. Singer in 
der Ballade und Polonaise von Vieuxterops, Hr. Krumbholz, in 
einer Baob'schen Sarabande und den von uns in diesen Blättern 
bereits rühmlich erwähnten Cellostücken von J. Huber, wovon 
namentlich das erste mächtig durchgriff, endlich Hr. Speidel in 
dem Henselt'schen „Wiegenlied" und Chopin's Cis-moll- Scherzo, 
welches geniale, ob seiner Schwierigkeit aber selten gehörte Werk 
den nachaltigsten Eindruck binterliess. 



Aus Mannheim. 



Seit der Wiedereröffnung unserer Bühne hat sich zwar voll- 
ständig Neues im Gebiete der Oper nicht ereignet, doch nahm die 
Vorführung der neueinstndirten Oper „Cosi fan tutttP von Mozart 
nach der neuen Bearbeitung von Ed. Devrient das Interesse der 
Theaterbesucher und ganz speciell der wahren Musikfreunde in hohem 
Grade in Anspruch. Nachdem in früheren Jahren an hiesiger Bühne 
einige Versuche durch neu unterlegten Text oder vielmehr durch 
eine ganz neue Handlung dieser Oper einen erhöhten Reiz zu ver- 
schaffen, keinen nachhaltigen Erfolg gehabt, ruhte dieselbe während 
mehr als zwanzig Jahren, bis vor Kurzem die zunächst für das Hof- 
theater in Carlsruhe von Ed. Devrient geschaffene neue Bearbeitung 
der ursprünglichen Handlung Veranlassung gab, sie auch hier wie- 
der auf die Bühne zu bringen. Es muss Jedem, der diese Oper 
genau kennt, vollständig einleuchtend sein, dass der Musik Mozart's 
kein heterogener Text, wie z. B. in früherer Zeit hier unter dem 
Titel „Die GuerillaV geschah, unterlegt werden kann, und wir fin- 
den darin, dass Devrient die ursprüngliche Handlung im Wesent- 
lichen beibehalten, nnd nur für den späteren Verlauf derselben eine 
früher nicht darin befindliche Intrigne des Kammermädchens zum 
Vortheil der Oper eingeflochten hat, einen Beweis von dessen rich- 
tiger Ansicht des Characters derselben. Während sie nun ursprüng- 
lich nur in zwei Acte eingetheilt war, deren lange Dauer die Zu- 
hörer bei der wenig spannenden Handlung ermüden musste, theilte 
sie Devrient in drei Acte ein, wodurch zwei Ruhepuncte entstanden, 
und namentlich die beiden ersten Acte eine angemessene Kürze er- 
hielten, da der erste mit dem Terzett in E-dur „Weht sanfter, o 
Winde!" und der zweite mit dem grossen Finale inD-dur schliesst. 
Der dritte allerdings längere Act erhält einen neuen Reiz durch 
obenerwähnte Intrigue, welche darauf hinzielt, die beiden Liebhaber 
für ihre mit Alfouso eingegangene Wette zu beschämen. Statt des 
früher im Gebrauche gewesenen Dialogs wurden die ursprünglichen 
Recitative nebst einigen durch die veränderte Handlung im dritten 
Act noth wendig gewordenen Zusätzen von W. Kalliwoda eingerich- 
tet. Der Erfolg dieser Oper, deren Einstudirung V. Lachner sich 
mit grösster Mühe und Sorgfalt unterzogen hatte, und die bis jetzt 
zweimal zur Aufführung kam, war ein so allgemein günstiger, dass 
wir einer mehrfachen Wiederholung derselben entgegensehen kön- 
nen. — Zu R. Wagner*s Oper „Die Meistersinger" haben die Pro- 
ben bereits begonnen. Auch soll die Oper von Auber, „Der erste 
Glückstag," an hiesiger Bühne gegeben werden. — Die Winter- 
Concerte des Hoftheaterorchesters, des Musikvereins und verschie- 
dener Männergesangvereine, sowie die Quartettauffübrungen werden 
dieser Tage ihren Anfang nehmen. — Die schwedischen Quar- 
tettsänger gaben im Laufe des October ein leider nur massig 
besuchtes Concert, ihre Leistungen jedoch, die sich durch sehr reine 
Intonation, treffliches, präcises Ensemble und gegenseitiges Unter- 
ordnen aufs Vortheil hafteste auszeichnen, fanden allseitige Aner- 
kennung. 



Aus Frankfurt a, M. 



Unsere Winterconcerte , uuter welchen die „Museumsconcerta" 
wie immer obenan stehen, sind bereits in voller Blüthe. Das Mu- 
seumsorchester ist bekanntlich zusammengesetzt aus den Mitgliedern 
des Theaterorshesters , mehreren hiesigen und auswärtigen Künst- 
lern und einigen Militärmusikern. Diese verschiedenen Elemente 
zu einem wirksamen Ganzen zu verschmelzen, ist die Aufgabe des 
Directors Hrn. Müller, welcher derselben auch vollkommen ge- 
wachsen ist. 

Das erste dieser Concerte fand am 9. October statt mit folgen- 
dem Programm: 1) Sinfonie in C-dur von Fr. Schubert; 2) Arie 
aus dem Oratorium „Die Schöpfung" von J. Haydn, gesungen von 
Frl. Aglaja Orgeni; 3) Concert in G-moll für Pianoforte von F. 
Mendelssohn, vorgetragen von Frau Clara Schumann; 4) Lieder- 
vortrag von Frl. Orgeni: a. „Ich wandere nicht," b. „Mondnaeht" 
von R. Schumann, c. „Frühltngslied" von Mendelssohn ; 5) a. „Ara- 
beske" Op. 18 von R. Schumann, b. „Scherzo" in B-moll von F. 
Chopin, vorgetragen von Frau 8 ch um an n; 6) Concert-Ouvertüre 
in A-dur von Julius Riete. 



- 179 — 



Die Sinfonie von Schubert, in Anlage und Durchführung sehr 
breit gehalten, erfordert ein durch häufiges Hören ähnlicher Werke 
snm Verständnis« derselben herangebildetes Publikum, wenn sie nicht 
durch ihre ungewöhnliche Länge trotz aller Schönheit der Erfindung 
und Ausarbeitung ermüden soll ; dem Publikum der Museumsconcerte 
kann mau zum grossen Theile jenes Verständnis* nachrühmen und 
so konnte denn auch dem prachtrollen Werke, in vorzüglicher Weise 
«xecutirt, der lebhafteste Beifall nicht fehlen. 

Fräulein Orgeni dürfen wir in unserer Zeit, wo Singen und 
Schreien fast identisch ist, als eine recht tüchtige Concertsängerin 
bezeichnen, wenn wir uns mit etwas zu viel Sentimentalität und 
einer bisweilen zu hohen Intonation befreunden können. — Das 
jugendfrische , musterhafte Pianofortespiel der Frau Schumann 
lieferte das vollgültigste Zeugniss, dass sie zu den wenigen auser- 
wählten Lieblingen der Musen gehört, an denen die Jahre spurlos 
vorüber geben. — Die heut den Schluss des Concerts bildende Ou- 
vertüre von Rietz wurde früher unter Messer's Leitung in jeder 
Coocertsaison ein Mal vorgeführt. Der Componist derselben scheint 
«ich, den bekannten Anklängen nach zu urtheilen, Mendelssohn zum 
Vorbild genommen zu haben. Die Ouvertüre ist übrigens muster- 
haft gearbeitet und wurde vortrefflich aufgeführt 

Das Programm des zweiten Museumsconcerts enthielt: 1) Sin- 
fonie in D-dur von J. Haydn (zum ersten Male); 2) „An die ferne 
Geliebte," Liederkreis von AI. Jeitteles, componirt von Beethoven, 
gesungen von Hrn. Carl Wallenreiter aus Stuttgart; 3) Ouver- 
türe „Die Fingalshöhle " von Mendelssohn; 4) „Liederkreis" von 
Jos. v. Eichen dorff, componirt von R. Schumann, gesungen von Hrn. 
Wallenreiter, 5) Sinfonie in B-dur Nr. 4 von Beethoven. 

Die Gegenüberstellung mehrerer Kunstwerke verschiedener 
Meister führt stets zu vergleichenden Betrachtungen. Obgleich die 
heut zum ersten Male vorgeführte Sinfonie von J. Haydn weder 
von grosser Ausdehnung noch von grosser Wirkung ist, so lächelt 
uns dennoch aus ihr Haydn's kindlich reiner Genius entgegen, wel- 
■cher uns uubewusst eine ganze Idylle vorzaubert, weun anders un- 
ser Sinn offen und dafür empfänglich ist. Dem gegenüber entrückt 
Beethoven's gigantische Phantasie unsern Geist dem irdischen Da- 
sein, fuhrt uns in ungeahnte Regionen, so dass wir entzückt lau- 
schend Sphärenharmonien zu vernehmen wähnen. Beide Sinfonien 
wurden präcis executirt, ebenso Mendelssohn'» „Fingalshöhle." — 
In Betreff des Gesangs Vortrags können wir Hrn. Wallenreiter's reine 
Intonation und deutlicher Aussprache lobend erwähnen ; doch schien 
eine gewisse Befangenheit im ersten Liederkreis dessen poetischen 
Aufschwung zu hemmen, welcher dagegen in der zweiten Serie, 
namentlich vom „Waldesgespräch" an , etwas mehr in Fluss kam. 
Immerhin aber war es ein verdienstliches Unternehmen, in einem 
Concerte beide Liederkreise zu Gehör zu bringen. 

Wenn es gilt, Tbränen zu trocknen und Trost und Hülfe zu 
spenden, da zeigt Bich die Mildthätigkeit als eine Cardinaltngend 
der Frankfurter in ihrem schönsten Lichte. Den neuesten Beleg 
dafür bietet das vom Frankfurter „Liederkranz" am 20. October in 
der St. Catharinenkirche zum Besten der Wasserbeschädigten in der 
Schweiz gegebene Goncert. Unter Leitung seines Directors Herrn 
Geliert» eines tüchtigen und geschätzten Pianisten, welcher das 
Concert mit einer Fantasie für die Orgel eröffnete, sang der Lieder- 
kranz mit bekannter Präcision und Correctheit 1) die Hymne „Herr 
unser Gott" mit Doppelchor und Instrumentalbegleitung von Franz 
Schubert, 2) den Chor „Morgengebet" von Carl Zöllner, 6) Golter- 
mann's herrlichen Chor „Sei du mir" und 4) den Choral „Was mein 
Gott will" mit Orget- und Instrumentalbegleitung, dessen letzte 
Strophe vom ganzen zahlreichen Auditorium mitgesungen wurde, 
was einen wahrhaft erhebenden Eindruck machte. Unsere mit Recht 
beliebte Sängerin Frl. Labitzky trug durch den Vortrag des Lie- 
des „Bitten" und des „Bussliedes," beide mit Quartettbegleitung, 
Ton Beethoven , sehr wesentlich zur Verherrlichung des Concertes 
bei. Das von unserm ausgezeichneten Streichquartett, den Herren 
Heermann, Becker, Welker und Müller, meisterhaft vorge- 
tragene Andante aus Haydn's F-dur-Quartett war leider nicht ge- 
eignet, den grossen Raum der Kirche auszufüllen und ging für viele 
Zuhörer ganz verloren. Der Ertrag des Concerts war ein sehr er- 
freulicher und berechtigt zu der Hoffnung, dass unser Liederkranz 
"wie bisher so auch ferner seine schönen Kräfte solch edlen Zwecken 
freudig opfern werde; 



JL u 8 P n r 1 s. 

3. Morember. 

Rossini 's Gesundheitszustand, der seit 14 Tagen die Auf- 
merksamkeit des Publikums in ängstlicher Spannung erhält, ver- 
schlimmert sich leider immer mehr. Die Brustentzündung ist zwar 
vollständig geheilt; allein ein anderes Uebel, das man bei der 
Schwäche und dem hohen Alter des Patienten nicht energisch zu 
behandeln wagt, trägt dazu bei, die Besorgniss zu vermehren. Einer 
seiner Freunde, der ihn heute gesehen, theilte mir mit, dass Rossini 
langsam hinsterbe» Rossini selbst, der stets so fest am Leben hing, 
dass man sich in seiner Gegenwart von keinem Todesfalle zu spre- 
chen getraute, scheint seinen Zustand zu erkennen und sich in den- 
selben nichts weniger als ergebungsvoll zu fügen. 

Während nun der greise Maestro so hart darniederliegt, werden 
seine Werke fast von allen unsern lyrischen Scenen aufs Repertoir 
gesetzt. Die grosse Oper gibt den „Wilhelm Teil ;" das italienische 
Theater bringt „Othello" und „Moses" zur Aufführung und das 
Thtätre lyrique wird im Laufe dieser Woche den „Barbier von 
Sevilla" zur Darstellung bringen. 

Im italienischen Theater wird künftigen Monat ein Stern erster 
Grösse aufgehen. Dieser glänzende Stern heisst Minnie Hauck 
und ist, wie Adelina Patti, eine Schülerin Strakosch's. Sie gibt in 
diesem Augenblick eine Reihe von Gastrollen in London und zwar 
mit sehr bedeutendem Erfolge. Unmittelbar nach der Abreise der 
Patti wird sie im Salle Ventadour debütiren und auch in der eigends 
für sie geschriebenen Rolle der neuen Oper des Fürsten Ponia- 
t o w s k i auftreten. Die Opern freunde sind in der gespanntesten 
Erwartung. 

Die Direction des eben genannten Theaters studirt jetzt „Picco- 
lini," eine Oper der Madame de Grandval, ein. Der Text ist von 
dem fruchtbaren Victorien Sardou. 

Pasdeloup, der, wie ich Ihnen schon berichtet, nächstens 
„Iphigenie in Aulis" und „Don Juan" zur Darstellung bringt, will 
auch noch in dieser Saison seinem Publikum „Idomeneus" vorfuhren. 



ü a c h r i c li t e n, 



Leipzig. Die Stadtverordneten haben beschlossen, Herrn G. 
Laube das alte und neue Theater gegen einen jährlichen Pacht 
von 6000 Thlrn. und mit Ermässigung des Gaspreises zu überlas- 
sen, und derselbe wird demnach am 1. Februar 1869 die beiden 
Bühnen unter persönlicher Leitung übernehmen. Hr. Laube hat 
bereits nicht nur den gegenwärtigen Director des Mainzer Stadt- 
theaters, Hrn. Behr, als Opernregissenr und ökonomischen Ver- 
walter engagirt, sondern auch sonst für Gewinnung tüchtiger künst- 
lerischer Kräfte umfassende Schritte gethan. 

— Das dritte Gewandhausconcert fand am 22. October mit 
folgendem Programm statt : I. Abtheilung: Leonoren - Ouvertüre 
Nr. 3. von Beethoven ; Arie von Mozart , (zu „Figaro's Hochzeit" 
naehcomponirt) und zwei Lieder mit Pianoforte, a) „Mainacht" von 
Joh. Brabms, b) „Die Hütte" von R. Schumann, gesungen von Fr. 
Amalie 'Joachim; Recitativ, Adagio und Allegro aus dem 6. Vio- 
lin concerte von L. Spohr, dann Adagio und Fuge (C-dur) für die 
Violine von S. Bach, vorgetragen von Hrn. Joachim. II. Ab- 
theilung: Sinfonie in Es-dur, Op. 28, von Max Bruch zum ersten 
Male und unter des Componisten persönlicher Leitung. 

München. Die königliche Vocalcapelle , welche in den letzten 
Jahren bedeutend verstärkt und durch Aufnahme frischerer Kräfte 
verbessert worden ist, sowie ihr denn auch viele unserer vorzüg- 
lichsten Gesangssolisten angehören, wird im Laufe des Wintert 
unter der Leitung des Hofcapell meisten Wüllner vier Soireen, 
nach Art der Soireen des Berliner Domchors veranstalten, in wel- 
chen Meisterwerke der altitalienischen und altdeutschen Gesangs- 
musik, sowie auch eine Reihe der besten modernen Gesangswerke 
ohne Begleitung zur Aufführung kommen sollen. Es ist die« gewhsj 
ein freudig zu begrüssendes Unternehmen. 

— Am Allerheiligentage fand das erste Abonnemeotsconoert 
der musikalischen Akademie unter v. Bülow's Leitung statt. Das 
Programm enthielt nur Beethove n'sche Compositioueo, lad zwar s 



— 180 - 



Die A-dur-Sinfonie, «ine» Militärmarseb, die Leonoren- Ouvertüre in 
Cdnr Nr. 1, des Ciavier concert in Ea-dur and die F-dur-Variatio- 
nen Op. 34, Torgetragen von Hrn. v. B ü 1 o w , die Romanze in 
F-dur für Violine, vorgetragen von Hrn. Hofmusikus Venal 
und das Gesangterzett »Tremate, empi tremate" Op. 116. 

Barmen. Am 25. October fand unter Leitung des Hrn. Musik* 
directors A. Krause in der Concordia das erste Abonnementsconcert 
statt, in welchem das Oratorium „Paulus" von Mendelssohn in sehr 
würdiger Weise zur Aufführung kam. Der stark besetzte Chor und 
das Orchester gaben ein rühmliches Zeugnis» für die Sorgfalt und 
Umsicht, mit welcher das Einstudiren des schwierigen Werkes be- 
trieben wurde. Die Gesangssoli befanden sich in den Händen der 
Damen Frl. Scheuerlein und Frl. Rocholl und der HH. Ruff 
aus Mainz (Tenor) und Stägemann aus Hannover (Bass). Frl. 
Scheuerlein fand durch ihr schönes Organ sowie durch die Wärme 
des Vortrags entschiedenen Beifall; ebenso hatte sich die Leistung 
des Frl. Rocholl verdienter Anerkennung au erfreuen. Den grössten 
Antheil an dem allgemeinen Beifall trug aber Hr. Ruff davon, der 
nicht nur die bedeutenden Recitative , sondern anch die Cavatine 
„Sei getreu bis in den Tod" in declamatorischer wie in gesang- 
licher Beziehung in einer Weise vortrug, welche von seinem echt 
künstlerischem Streben den schönsten Beweis lieferte. Hr. Stäge- 
mann erwies sich als geschulter Sänger, war aber im Ganzen ge- 
nommen etwas zu berechnend , und darum auch etwas kalt in sei- 
ner Vortragsweise. Die Totalwirkung der Aufführung war eine sehr 
günstige und gereichte den Executirendeu wie dem Dirigenten au 
grosser Ehre. 

Coblenz. Am 22. October fand ein Concert des „Cäcilienver- 
eins," unter Mitwirkung des Hrn. Concertmeisters v. Königslöw 
aus Coln, zum Vortheil des Vereinsdirigenten Hrn. Kugler. Man 
führte eine Sinfonie von Haydn in G-dur und die Ouvertüre zur 
Operette »Die Heimkehr aus der Fremde" von Mendelssohn auf; 
Hr. v. Königslöw spielte die „Gesangscene" für Violine von Spohr 
und mit Hrn. Kugler die Sonate in A-dur (Kreutzer - Sonate) von 
Beethoven. Der Gesang war durch eine Sopranarie aus Haydn's 
„Schöpfung" und die grosse Fidelio-Arie vertreteu. 

Schwerin. Carl Hill's zweites Auftreten auf der Bühne fand 
im „Nachtlager" von Kreutzer statt und der Debütant setzte Jeder- 
mann in Erstaunen durch die Sicherheit, mit welcher er seine ge- 
sangliche Aufgabe beherrschte, sowie durch seinen trefflichen Dialog 
Und die Noblesse und Ungezwungenheit seines Spiels. 

Brüssel. Hr. Samuel beginnt seine diesjährigen populären 
Concerte am 8. November. Die erste Abtheilung des Concertes 
wird durch die A-dur-Sinfonie von Beethoven ausgefüllt. In der 
zweiten Abtheilung folgen dann: Die schottische Ouvertüre von N. 
Gade, und als Novitäten das Andante des ersten Quartetts von 
Mendelssohn, ausgeführt von sämmtlichen Streichinstrumenten, die 
„Variationen für grosses Orchester" von W. Taubert (geschrieben 
zur Jubelfeier der Sinfonie-Concerte der königl. Capelle in Berlin), 
der „Trauermarsch" von Chopin, für das Orchester bearbeitet von 
Prosper Pascal und das Vorspiel zu den „Meistersingern" von 
R. Wagner. 

*** Die österreichische ostasiatische Expedition hat U.A. auch 
zwei prachtvolle Flügel von dem Hofclavierfabrikantea Bösen- 
dorf er mitgenommen, welche die kaiserl. Regierung als Geschenke 
für den Kaiser von Japan und den König von Siam bestimmt hat 

*** Der Componist und Musikdirektor Theodor Kirchner 
in Zürich hat sich mit der Sängerin am dortigen Theater, Fräul. 
Marie Schmidt, vermählt. 

*** Wagner's „Lohengrin" wurde am 16. October zum ersten 
Male in Petersburg in russischer Sprache aufgeführt und von 
dem äusserst zahlreichen Publikum mit lebhaftem Beifall aufge- 
nommen. Die Aufführung war eine im Ganzen lobenswerthe , die 
Ausstattung äusserst glänzend. Die Hauptrollen waren in folgen- 
der Weise besetzt: Lohengrin, Hr. Nicolsky; Elsa, Frau P la- 
to now; König Heinrich, Hr. Wassiljeff I; Ortrud, Frau Leo- 
now; Telramund, Hr. Kondratjäff; Herold, Hr. Sabotaw. 
Die russische Uebersetzung lieferte Hr. Swanzow und Dirigent 
war Hr. Capell meist er Ljadeff. 

*** In der Notre-Dame-Kirche zu P a r i s hat der renommirte 
französische Orgelbauer Cavaille-Col eine neue Orgel erbaut, 
»welche als das Vollkommenste gerühmt wird, was bis jetzt auf die- 



sem Gebiete erreicht worden ist. Die Orgel enthält ungefähr 6000 
Pfeifen, 86 klingende Stimmen, 110 Register, 6 Manualclaviere zu 
5 Octaven und ein Pedalclavier von 28 Tasten. An einem der 
Manuale sind alle scharfen Zungenwerke vereinigt, an zwei Ciavia- 
ren Schwellen angebracht und das Hauptmanual mit einer, das Pedal 
aber mit zwei 32-FuBsstimmen versehen. Ferner ist die Orgel mit 
einer die Spielbarkeit des vollen Werkes erleichternden pneumati- 
schen Maschine versehen. Sodann gestatten 22 Combinationstritt* 
einen noch kaum zu übersehenden Reichthum von Klangwirkungen. 
Endlich ist den Obertönen noch die kleine Septime hinzugefügt,, 
welche im Manual wie im Pedal mehrfach disponirt, dem Ton» 
selbst im halbvollen Spiele eine ungeahnte Würde und Fülle ver- 
leiht, ohne seinen Glanz zu beeinträchtigen. 

*** £>n amerikanisches Urtheil über die 9. Sinfo- 
nie von Beethoven. Das Journal „Orchestria" bringt das Ur- 
theil eines angesehenen amerikanischen Kritikers, der in seinem» 
Berichte über das Musikfest in Boston, bei welchem die 9. Sin- 
fonie von Beethoven zur Aufführung kam, sich über dieses Werk 
des grossen Meisters in folgender Weise ausspricht: „Keiner de* 
Instrumentalsätze enthält auffallende Schönheiten, obgleich man 
darin eine geübte Hand erkennt; das Scherzo mit seinem munte- 
ren aufgeweckten Thema erregt im Anfange unsere Aufmerksamkeit,, 
aber es ist so sehr in die Länge gezogen und bietet so wenig Ab- 
wechslung, dass es auf die Länge einförmig wird und man sich freut,, 
wenn es zu Ende ist. Im Ganzen habe ich den instrumentalen 
Theil sehr langweilig gefunden und manchmal hatte ich Mühe mich- 
wachend zu erhalten. Endlich kam der Chor, auf den ich meine 
ganze Hoffnung gebaut hatte. Derselbe beginnt mit einer ziemlich- 
gewöhnlichen Phrase von ungefähr acht Tacten, welche viel Aehn- 
lichkeit mit dem „Yankee doodle" bat. Dieselbe Phrase wirft 
Andante von den 13 Cootrabässen im unisono, dann von den 10 
Violoncello's, hierauf von den 42 Violinen, immer unisono, wieder- 
holt, bis endlich das ganze Orchester mit der Harmonie hinzutritt. 
Bis dabin war ich ziemlich befriedigt, ich fand sogar, dass die- 
Massenwirkung aller dieser Leute, welche da im unisono spielten, 
das Thema ziemlich angenehm machten; allein sobald die Stimmen» 
hinzutraten, mit einer Art von Variation in Sechszehntelsnoten, ver- 
schwand jede Spur von Melodie im Chor, der überdies sehr lang 
war. Dieser Theil der berühmten Sinfonie machte mir den Eindruck 
eines Gemisches von Lächerlichem, Sonderbarem, Abgerissenem, 
Kreischendem, in seltenen Zwischenräumen vermengt mit den Fetzen 
einer unverständlichen Melodie. Dem auf dem Programme abge- 
druckten Texte zu folgen war ein Diug der Unmöglichkeit, und» 
man fragte sich vergeblich, was all dieser Lärmen für einen Zweck 
habe. Es war dies ein beständiger Streit zwischen den Sopranen 
und Tenören, wer von beiden sich am meisten die Kehle verrenken 
und am höchsten hinaufsteigen könne; ich muss sagen, dass sieb 
die Tenöre von den Sopranen schlagen Hessen. Kurz der Total- 
eindruck, den das Ganze auf mich hervorbrachte, war der einea 
Concertes von wilden Katzen, begleitet von dem Kriegsgebeul der 
Indianer!" 

V* Die bisher in „Westermann's Monatheften" veröffentlichten 
Studien über Liszt, Schumann und Chopin von La Mara (wahr- 
scheinlich Pseudonym) werden jetzt mit vier neuen Studien über 
Wagner, Weber, Schubert und Mendelssohn vermehrt und mit den 
betreffenden Portraits ausgestattet, unter dem Titel „Musikalische 
Studienköpfe" in Leipzig herauskommen. 

*»* Die Oper „Am Runenstein" von Flotow und Genee wird* 
diesen Winter auch in Stuttgart aufgeführt werden. 

*** Die Opernsoubrette Frau Huttary, welche in Prag auf» 
neue engagirt wurde, gab als Antrittsrolle die Angioletta in Abert's 
Oper „Astorga," ward mit grossem Jubel empfangen und durch 
vielfältigen Beifall ausgezeichnet. 

V Am 22. October ist in Dresden die Oper „Die Haide- 
schlacht" von Holstein mit entschiedenem Erfolg zum ersten Male 
aufgeführt worden.. 

%* Die Coloratursängerin Fräul. Stella wird nächstens am 
Operntheater in Wien gastiren. 

V Hofcapellm. Max Seyfri» in Löwenberg hat die würtem» 
bergische goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft erhalten. . 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz^ 



17. Jahrgang. 



i\t- SG. 



16. November 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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j ämtern, Musik- & Buchhand- 

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i B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 



Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



f PREIS: 

: fl. 2. 42 kr. od. Th. 1. 18 Sg. 
) für den Jahrgang. 
\ Durch die Post bezogen: 
50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 



1 






J, 



INHALT: Stephen Heller. — Corresp. : München. Cöln. Wien. — Nachrichten. 



Stephen Heller. 

Es ist oft gesagt worden, die Werke eines Künstlers müssten 
lange Zeit sich der Bewunderung der Menschen erfreuen, sie müss- 
ten ihn selbst überleben , damit sein Ruhm endlich geheiligt sei ; 
nur auf die Zeitprobe hin ist es erlaubt, von dem Vermessenen, der 
das Urtheil der Nachwelt herausfordert, mit Gewissheit zu behaup- 
ten: „Das ist ein Meister." Agnosco procerem .... und das 
Axiom lautet also : „Niemand ist ein grosser Mann bevor seinem 
Tode.* Wie jedes Axiom so hat auch dieses schon seine Ausnah- 
men erlitten; sie stehen im Gedächtoiss und vor den Augen aller 
Welt und wir brauchen sie daher nicht anzuführen. Allein ist es 
nicht die Pflicht derjenigen, welche einen jener Ueberlegenen, 
welche so mnthig an der Spitze ihrer Generation einherziehen im 
Bereiche ihrer Hand haben, denselben zur Erweiterung der erwähn- 
ten Ausnahmen auszurufen und seinen Zeitgenossen zu sagen : „Ihr 
sucht einen Mann, da habt ihr einen ! Die Huldigungen der Menge 
suchen ihn nicht auf, dazu ist er zu bescheiden oder zu wenig ge- 
kannt; geht zu ihm, eure Bewunderung wird nicht fehlgehen!" 

Stephen Heller lebt noch, er lebt noch sehr, und das ist 
sehr Unrecht von ihm , nach dem oben aufgestellten Axiom. Aber 
er hat eben soviel Anspruch als irgend einer auf die Ausnahme, 
die ihn berechtigt noch da zu sein, um meisterhafte Compositionen 
zu schaffen und weil wir davon überzeugt sind, möchten wir auch 
ein paar Steine zum Gebäude seines Ruhmes beitragen. Er selbst 
kümmert sich sicherlich sehr wenig darum und wohl kein Compo- 
nist hat noch weniger nach Popularität gegeizt — ein Grund mehr 
anstatt seiner zu sprechen, und zwar so laut als möglich. — Es 
bleibt immer eine sehr schwierige Sache, das Talent eines Künst- 
lers genau zu characterisiren und einem so flüchtigen Dinge Gestalt 
zu geben, wie dies ein Eindruck ist, desseu ästhetischer Sinn 
sich nicht analysiren und deduciren lässt , über den man sich manch- 
mal kaum Rechenschaft zu geben weiss. Man erlasse uns daher eine 
Erklärung der Musik Heller's, welche vor Allem gehört sein will* 
Höchstens könnten wir auf dem Wege der Analogie sagen, auf wel- 
ches andere Gefühl sich jenes bezieht, welches wir manchmal unter 
der Einwirkung dieser Musik empfunden haben. 

Bei dem Scheideu des Sommers, wenn die ersten " Herbstnebel 
erscheinen, kommt eiue Poesie voll Melancholie über uns und durch- 
dringt uns mit ihrem mächtigen Reize. Es ist dies noch uicht jene 
Traurigkeit und Entmuthigung , welche der Anblick der fallenden 
Blätter und des absterbenden Jahres erzeugt, es liegt im Gegen- 
theil etwas Anziehendes, Stärkendes in jener Melancholie; befreit 
von entnervenden Einflüssen, fühlt man das Leben auf einige Zeit 
mit erhöhter Kraft zurückkehren ; es kommt über uns wie ein Echo 
jener so röhrenden, mitunter so seltsamen und energischen Gesänge 
der nordischen Barden, deren männliche Accente den Gegensatz zu 
dem sinnlichen Wesen des Südens bilden. Gerade diese Art von 
Poesie, diesen Reiz finden wir ausgeprägt in den „Nuits Manches,* 
in den „Promenade* tfun Solitaire," in vielen andern Werken, 
in denen Heller seine ganze Eigenartigkeit, seine ganze reiche 



Fantasie, oftmals seioe Traurigkeit und eben so viel von jenem 
etwas wilden Schwünge dargelegt hat, welcher hin und wieder eine 
düstere Gereiztheit zu verbergen scheint und welchen die Kritiker, 
verführt von der graciösen und sentimentalen Seite seines Talentes, 
noch nicht haben bemerken wollen. 

Unter den Künstlern werden sich wenige darüber erstaunen, 
wenn wir sagen, dass die etwelchen Stücke, welche Stephen Heller 
seinen Ruf bei dem Publikum gemacht haben , wie ,,/a Chasse," 
Ja Taranteile" (in As), sein „Chanson de Mai" etc. nicht die- 
jenigen sind, auf die er selbst das Meiste hält. Es ist fast immer 
so; jeder Autor bewahrt seine Zärtlichkeit für eine kleine Anzahl 
von Werken, die er mit Liebe erdacht, deren Entstehen ihm beson- 
dere Sorgfalt gekostet hat, oder die ihm irgend welche theure Er- 
innerungen zurückrufen, allein gerade diesen Werken pflegt die 
Menge gewöhnlich nicht ihre Huldigungen zuzuwenden. So befin- 
den sich z. B. in den beiden obenerwähnten Heften „Nuits blanches* 
und „Promenades aVun Solitaire" sowie in den „Pre'ludes" etwa 
zwanzig kleine Dichtungen, welche Heller in seinem Künstler- und 
Vaterherzen sicherlich jenen vorzieht, welche am meisten Aufseben 
gemacht haben. Fügen wir dazu, unter einer hübschen Anzahl an- 
derer einzelner Stücke, eine sanfte und seraphische Priere (in C-dur f 
Th. G o u v y gewidmet), welche sich zu einer seltenen Höhe des 
Gedankens und der Form erhebt. Man muss sie von ihm selbst 
spielen hören, diese Kinder seiner besonderen Vorliebe! Wie lässt 
er die Feinheiten, die Intentionen derselben hervortreten mit Hülfe 
seines Talentes als Pianist ersten Ranges, das er nicht zugestehen 
will und dem Publikum beständig vorenthalten hat! Wie erschei- 
nen da die Kühnheiteu, ja selbst die Härten der Harmonie, vor 
denen er nicht zurückschrickt, in ihrer vollen Berechtigung und 
wie ist dies Alles für das Ciavier geschrieben ! Alle Vervollkomm- 
nungen, welche vier Virtuosengenerationen dem Mechanismus des 
Instrumentes zugetragen haben, findet mau dort angewendet, aber 
keine Schwierigkeiten, die nur geschickt erfunden sind, um da« 
Publikum zu verblenden; immer nur die Idee in ihrer Entwicke- 
lung, nichts weiter. Um so schlimmer für euch Dilettanten , wenu 
der Componist seinen Gedanken in eine capriciöse oder complicirte 
Form gekleidet hat, gegen welche der Grad eurer technischen Fer- 
tigkeit sich sträubt! Heller liebt die Decimen, also mögt ihr eure 
Hände strecken; er verwickelt gerne die Finger, indem er einen 
oder zwei der einen Hand zwischen die der anderen Hand hinein- 
greifen lässt — übt sie also in diesem brüderlichen Verkehr, wel- 
cher nur zum Vortheile des freien Fingersatzes und der Klangbar- 
keit dient. Kurz, lernt ordentlich Ciavier spielen, denn ihr werdet 
nirgends auch nur ein Jota an seinem Texte ändern können, er 
wird euch nie den Gefallen thun, ein ossia oder ossia piü facile 
zu schreiben, wovon die Saloncomponisten so häufig Gebrauch 
machen, welche auch, beiläufig gesagt, von Heller lernen können, 
wie man fremde Gedanken bearbeitet, iudem man von den eigenen 
so viel hinzufügt, um doppelt zu interessiren , und denen in dieser 
Beziehung seine Caprice über Felicien David's „ Wüste, u in welcher 
sich überall die Meisterhand verräth, zum Studium zu empfehlen ist. 



- 182 — 



Htller hat sich dem Claviere gewidmet. Dieses Instrument, 
welches jene, die es nur von Ferne kennen, eiu undankbares schel- 
ten, hat er zu seinem immerwährenden Freund, zu seinem Vertrau- 
ten gemacht; ihm gehört ausschliesslich seine Zuueigung, mehr noch 
als» dies bei Chopin der Fall war, denn er hat unseres Wissens 
keine Note geschrieben, ausser für das Ciavier, und da sie sich im- 
xner gut mit einander vertragen haben , so wird er dem Claviere 
auch niemals untreu, vielleicht aus Furcht vor Wiedervergeltung. 

In seinem Privatleben ist Heller wohl der sympathischste, trotz 
seiner Vorliebe für die Einsamkeit der freundlichste und wirklich 
der bescheidenste unter seinen Genossen. Was seine übrigen Ge- 
fühle anbetrifft, die er nicht im Umgange zeigt, so vertraut er sie 
seiner Musik an, dort möge man sie suchen. Keineswegs originell 
in seinen Manieren, welche gewählt und einfach sind, verachtet er 
gleichwohl nicht das Malerische. Eines Tages verstieg sich seine 
Fantasie bis zum Italienischen in den Titeln seiner Stücke und er 
characterisirte eines derselben mit dem Beiworte »plintivof 1 ein 
Wort, welches, wie wir befürchten, schwerlich von der Akademie 
in Florenz anerkannt werden wird. Als der Zweifel und der Selbst- 
tadel über ihn kamen, da war es zu spät, das Wort war bereits 
gestochen! Leicht hätte er sich nach ungarischer Mode (er ist in 
Pest geboren) Heller Istvan nennen können; allein wenn er 
auch das Malerische Hebt, so hasst er dagegen alles was nach 
Affectirtbeit aussieht, und so ist er denn Stephen Heller ge- 
blieben 

Stephen Heller wird einst seinen Biographen finden; seine 
Werke werden im Ganzen wie im Einzelnen gewürdigt werden; 
man wird den richtigen Massstab geben für die Beurtheilung des 
thatsächlicben Einflusses, den er auf die Kunst für das Ciavier zu 
schreiben ausgeübt hat. Bis die Meister der Kritik diese Aufgabe 
erfülleu, haben wir uns einen kleinen Eingriff in ihr Fach erlaubt, 
in der Hoffuung, sie werden dadurch aufgestachelt, recht bald den 
Schaden, den wir ihnen zugefügt haben, auf die der Kunst am mei- 
sten zum Nutzen gereichende Art zu repariren sich herbeilassen. 

Charles Banne Her. 



►♦**< 



CORRESPONDENZEN. 



JL ii s München. 

5. November. 

Der Cyelus der Münchener Concerte begann mit einem Coucert, 
dessen Ertrag den neugegrüudeten hiesigen Kindergärten zu Gut 
kommen sollte. Es galt also nur ein möglichst grosses Auditorium 
in den Odeonsaal zu bringen und desswegen wandte sich der Aus- 
echuss des Vereins zur Gründung von Kindergärten nur an solche 
Mitglieder der Künstlergesellschaft Münchens, von denen er wusste, 
dass bie als Magnet gelten und als Lieblinge des Publikums ver- 
ehrt werden. Es war den Einzelnen, welche ihre Mitwirkung zu- 
sagten, vollständig freigestellt, womit sie vor das Auditorium treten 
wollten, und darum verwunderten wir uns nicht darüber, dass eiu 
echtes Syrup- Programm zu Stande kam, dessen Ausführung jedoch 
bei dem ausserordentlich zahlreichen Publikum ungewöhnlichen Bei- 
fall gewann. Mehrere Nocturnes, ein halbes Dutzend Lieder von 
Schubert, dann solche von Lachner, Weber und Kiel, Salonvirtuo- 
senkunststücke auf dem Ciavier u.dgl. reihten sich aneinander und 
brachten vieles Vergnügen und allgemeines Genügen — und damit 
war der Zweck erreicht, der ja eigentlich ohnehin in erster Reihe 
kein künstlerischer gewesen war. 

Auch die musikalische Akademie hat ihr erstes Concert hinter 
sich. Es führte nur Compositionen von Beethoven vor, unter ihnen 
einen hier bisher vollständig uubekaunten Militärmarsch D-dur 
(componirt 1816), eine für den Concertsaal fast zu lärmende, sonst 
aber durch die Originalität ihrer Klangeffecte auffallende Composi- 
tum. Hr. Jos. Venzl spielte die Romanze für Violine F-dur Op 50 
(comp. 1802), jedoch nicht mit dem Erfolg, den wir dem fleissigen 
Künstler gewünscht hätten. Dieses feine Tonstück verlangt aber 
Tor Allem grossen Ton und schwungvollen Vortrag und gerade das 
-sind die beiden Vorzüge eines Violinspielers, auf welche Hr. Venzl 
nicht in vollem Masse Anspruch machen darf. Das bekannte Terzett 



„Tremate, empi tremate" für Sopran, Tenor und Bass, Op. 116 
(comp. 1801) wurde sehr matt gesungen, zumal Hessen die Einsätze 
des Tenor viel zu wünschen übrig: diese Nummer war in jeder 
Beziehung unbedingt die schwächste des Concerts. Hr. v. Bülow 
legte in den Vortrag des fünften Clavierconcertes Es-dur Op. 73 
(comp. 1809) Allegro, Adagio und Rondo und den Variationen in 
F Op. #4 (comp. 1802) seine volle Meisterschaft im Clavierspiel 
dar. Ist schon seine Technik von ganz ausserordentlicher Tüchtig- 
keit und Solidität, so wird der Werth derselben durch den Ernst 
der geistigen Arbeit noch erhöht, mit welchem der Künstler an seine 
Aufgaben herantritt. — An orchestralen Compositionen hörten wir 
diesen Abend unter ßülow's Direction die Ouvertüre zu „Leonore" 
C-dur Nr. 1 (comp. 1805) und die siebente Sonfonie A-dur Op. 92 
(comp. 1812). 

R. Wagner's „Meistersinger " gingen am letzten Dienstag bei 
eiuer Besetzung mit lauter Mitgliedern der Münchener Oper in 
Scene. Hauptsächlich waren es die Partien des Beckmesser und 
des Hans Sachs, auf deren Durchführung mau gespannt war (erstere 
war in den Händen des Herrn S i g 1 , letztere in denen des Herrn 
Kinder manu!) Was die früheren Träger dieser Partien (die HH. 
Holze 1 von Wien und Betz von Berlin) in denselben an Spiel 
und Vortrag gezeigt hatten, wurde benutzt, theils wenn es empfeh- 
lenswerth war, um es nachzuahmen, theils wenn es den Massstab 
der Kritik nicht vertrug, um es zu beseitigen. Und wir müssen 
gestehen, dass wir zumal durch die Leistung des Hrn. Sigl als 
Beckmesser bei weitem mehr befriedigt wurden als früher der Fall 
war, wo Hr. Hölzel die Partie übertrieb und aus dem Merker der 
Nürnberger Meisterzunft eiuen Cretin zu machen sich bemühte. 
An dem Abend störte es nur, dass Frl. Mailing er, die sich in 
schwierigen Contractunterhandlungeu mit der Intendanz befand, sich 
veranlasst fühlte, indisponirt zu sein, weswegen sie ihre ganze Par- 
tie nur markirte. 

Zum Schlüsse meines heutigen Berichtes lassen sie mich etliche 
sinnstörende Druckfehler berichtigen, welche in meinem Bericht über 
den „Ersten Tag des Glücks" zu finden sind: Seite 167 Spalte 2 
Zeile 45 v. u. steht „phantastisch sich erhebenden;" das muss beis- 
sen „plastisch sich erhebenden." Seite 168 Spalte 1 Zeile 13 
steht „schon dieser Stimme wegen," ich bitte zu lesen „schon die- 
ser Nummer wegen." In derselben Spalte Zeile 4 muss es heis- 
sen statt „Probe" — „Proben." Ue-brigens quittire ich schon im 
Voraus den wegen meiner schlechten Schrift richtig empfangenen 
Tadel der Redaction. 



Aus € 5 1 n. 



Am 20. October wurde unsere musikalische Saison mit dem 
ersten Gesellsubafts- Concert im Gürzenich unter Ferd. Hiller's 
Leitung eröffnet. Dasselbe begann mit Mendelssohn^ Ouvertüre 
„Meeresstille und glückliche Fahrt," welche in vorzüglicher Weise 
executirt wurde. Hierauf sang Hr. Carl Wallenreiter aus Lon- 
don eine Arie des Lucifer aus Händers „Resurrezione" vor. Diese 
Arie wurde hier wohl zum ersten Male gehört und zählt zwar nicht 
zu dem Grössten, was HändeJ in dieser Art geschaffen , lässt aber 
doch die „Löwenklaue" unfehlbar erkennen und fordert einen tüch- 
tigen Sänger. Hr. Wallenreiter zeigte sich der Aufgabe im ganzen 
gewachsen, seine schöne und gut geschulte Stimme unterstützte ihn 
bei seinem Unternehmen vortrefflich, obwohl er nicht ganz disponirt 
zu sein schien und auch die schwierigen Coloraturen bewältigte er in 
anerkeunenswerther Weise. Hr. Besekirsky, Violinvirtuose aus 
Moskau, trug ein Concert mit Orchesterbegleitung von eigener Com- 
positiou vor. Die Composition selbst ist eiu recht schätzenswerther 
Beitrag zur einschlägigen musikalischen Literatur und beweist, 
wenn auch nicht gerade grosse Originalität der Erfindung, so doch 
eine gewaudte Factur und wird, wie hier, so auch anderwärts ge- 
fallen, wenn sie von einem tüchtigen Virtuosen vorgetragen wird. 
Als ein solcher hat sich denn auch der Componist bewährt, wenn er 
auch vielleicht nicht gerade in die allererste Reihe unserer heutigen 
Meister auf der Violine zu stellen sein dürfte. Das Publikum nahm 
sein Werk uud sein Spiel mit entschiedenem Beifall auf. Hierauf 
folgte eine neue Composition vou Ferd. H i 1 1 e r : „Eine Prophezeiung 



- 183 



des Jesaja," für Bariton-Soli, Chor und Orchester (Manusoript). Die- 
ses Werk war für das diesjährige Musikfest bestimmt gewesen, kam 
aber dair&ls nicht zur Aufführung. Es enthält des Schönen gar 
Vieles, insbesondere sind die Chöre von vortrefflicher Wirkung, die 
noch grösser sein würde, wenn nicht unbestreitbar gewisse Längen 
dieselbe etwas abschwächten. Die Aufführung war eine nach jeder 
Seite hin vollkommen gelungene. 

Den Schluss des Concertes machte die herrliche A-dur-Sinfonie 
von Beethoven, welche sich einer äusserst schwungvollen Aufführung 
und daher auch des lebhaftesten Beifalls zu erfreuen hatte. Man- 
chem erschien das Tempo im D-dur-Trio des Scherzo etwas zu lang- 
sam genommen, doch darüber lässt sich streiten und die Gesammt- 
Wirkung war, wie gesagt, eine vollkommen günstige und erfreuliche. 



Aus W i e ii. 



Die Opernzustände, die sich hier monatelang ziemlich gleich- 
förmig fortschleppten, wurden endlich durch die Novität „Mignon" 
förmlich aufgeschreckt Derselben soll weiter unten noch gedacht 
werden ; hier folgt vorher die Uebersicht über deu Monat October, 
in dem sich 9 Componisten in 22 Opernabende theilten. Meyer- 
beer, Gounod und Thomas hatten je 4 Abende, Douizetti 3, Verdi 
und Bossini je 2, Mozart, Beethoven und Wagner je 1 Abend So 
karg die Letzteren bedacht waren, standen sie doch noch im Vor- 
theil gegen Gluck, der seit Anfang des Jahres gänzlich zur Ruhe 
verwiesen ist. Es ist nun gerade ein Jahr, dass die „Iphigenie in 
Aulis" aus ihrem 50jährigen Schlummer geweckt wurde. Es geschah 
viel Aufhebens damit; man sprach auch schon von „Orfeo" und von 
„ Armida," die folgen sollten. Wahrscheinlich sind sie für das neue 
Haus aufbewahrt, die jetzige bequeme Ausrede für jede Lücke im 
Eepertoir. Mozart's „Figaro's Hochzeit" war die einzige Oper, diö 
von ihm gegeben wurde ; das Theater war so voll , als handle es 
«ich um eine Novität. Seit dem 1. Juli waren 5 Abende mit Mo- 
zart besetzt, das ist bescheiden genug. Seine „Entführung aus dem 
-Serail" war im Mai zugesichert, fand aber nicht den Weg auf die 
Bühne. „Idomeneus!" wer von der jetzigen Generation Wiens kennt 
4äie ? Waguer war nicht glücklicher; nach vielen Hiudernissen fand 
noch eine Wiederholung seines „Lohengriu" statt. Jetzt ist wieder 
Alles still. Und doch zeigte das Publikum Theilnabme genug, ob- 
wohl die Rollen Lohengrin und Ortrud nicht vortheilhaft besetzt 
waren. Frau Wilt liegt der Part zu tief und Hr. Walter erhielt 
nicht genug Beifall. So glaubte die Directton wohl bessere Tage 
abwarten zu müssen. Natürlich war da auch nicht an „Rienzi" zu 
denken, den Wien nur aus Berichten von auswärts kennt. Nun 
werden uns noch die Mailänder darin den Rang ablaufen. — Die 
in diesem Monat ihren Rundgang haltenden Opern „Faust," „Romeo* 
und „ Afrikaner! n tf wurden schon unerträglich, für das Publikum so- 
wohl als auch für die Sänger. Es war höchste Zeit, eine Abwechs- 
lung zu bringen, die denn auch mit der Oper „Mignon" von Thomas 
<lem Repertoir eine neue Wendung gab. Eine grössere Spieloper 
war obendrein dem Publikum völlig fremd geworden und es staunte 
um so mehr, als darin die Darsteller sich so vortheilhaft bewegten 
■und sogar den Dialog mit anscheinender Leichtigkeit überwältigten. 
Nach dem Ableiern der müde gehetzten grossen Opern darf man es 
dem Publikum auch verzeihen, wenn es sich den Tanzrhythmen, 
mit denen „Mignon" ganz gehörig ausgestattet ist, nur zu willig 
hingab. Auch die abermalige Versündigung an einem Werke un- 
serer grossen Dichter scheint man leichter hinzunehmen, mürbe ge- 
macht durch ähnliche Versuche. Der günstigen Aufnahme nach 
wird sich „Mignon" eine gute Weile halten; hoffentlich wird mit 
ihr der komischen Oper überhaupt die lange verschlossene Pforte 
geöffnet bleiben. Volles Lob verdient die Darstellung dieser Novität. 
Fräul. E h u n als Mignon gab abermals den Beweis, dass sie mit 
jeder neuen Rolle vorwärts zu streben trachte; namentlich auch im 
Spiel zeigte sie die denkende Künstlerin. Herr Walter als Wil- 
helm Meister fand sich in seiner neuen Sphäre vortrefflich zurecht 
und auch die übrigen Betheiligten : die HH. Mayerhofer (Laertes), 
Beck (Lothario) und Frl. v. Rabatinsky (Philine) sind mit An- 
erkennung zu nennen.. Der erste Act, in kecken Zügen hingewor- 
fen, gefiel auch hier am meisten; dem zweiten und mehr noch dem 
•dritten Act hätte der Rothstift vou vornherein nur wohlthätig sein 



können. — Die ärgerliche Geschichte mit dem Contractbruch de* 
Frl. Benza zeigt wieder die Schäden unsere Theatersystems. Bei 
solch ehrlosem Beginnen ist jeder Contract eine Illusion. Mass ein 
Publikum dem sich eine, ihre Verpflichtungen vergessende Sänge- 
rin an den Hals wirft, nur weil es mehr zahlt, nicht jeden Augen- 
blick gewärtig sein, dass ihm mit gleicher Münze gedient wird? Man 
ist dieser Sängerin hier mit Theilnabme in ihrem Vorwärtsstreben 
gefolgt, man hat ihr Gelegenheit gegeben , ihr Talent zu entfalten, 
man hatte ihr freiwillig Gehaltszulage gegeben; überdies stand der 
Ablauf ihres Contracts in nicht weiter Ferne. Und nun Verschwin- 
det das Fräulein plötzlich; lässt es darauf ankommen, dass man 
ihrer Entfernung „interessante" Gründe unterlegt; begehrt aus ihrem 
Versteck ganz naiv ihren Gehalt an eine dritte Person ausbezahlt 
und erscheint dann unerwartet am Mailänder Theaterhimmel als 
engagirt, während sie der hiesige Theaterzettel bis zur Stunde noch 
unter den Beurlaubten nennt. Die Schadenersatzklage gegen Frl. 
Benza ist nun im Wege des Ministeriums des Aeussern an ihren 
Bestimmungsort abgegangen. Was aber frommt ein solcher Ersatz. 
Muss die Direction nicht in steter Besorgniss sein, Hrn. X. oder 
Frl. Y., wenn ihnen der Beifall die Köpfe verdreht, nach Nord oder 
Süd entführt zu sehen? Uebrigens ist die Lücke, die FrL Benza 
zurückgelassen, nicht so bedenklich, dass sie nicht auszufüllen wäre, 
und für unersetzlich wird sich wohl auch dies Fräulein nicht ge- 
halten haben. 

Den zahlreichen Festen aller Art, mit denen Wien in diesem 
Jahr so reich bedacht war, schloss sich im verflossenen Monat die 
25jährige Jubelfeier des Männergesan g- Vereins an. Die 
Feier theilte sich in einen Begrüssungsabend der verschiedenen De- 
putationen zahlreicher Gesangvereine, Uebernahme der Ehrenge- 
schenke und Auszeichnungen , unter denen die von der Stadt Wien 
verliehene grosse goldene Salvator - Medaille obenan steht; in Auf- 
führung einer Messe in der Kirche ; einem Festconcert im grossen 
Redoutensaal, Grundsteinlegung des Schubert -Monuments im Stadt- 
park und einer grossen Liedertafel. In dem Festconcert hatten, 
dazu eingeladen, Lachner, Liszt, Esser, wie auch die beiden Chor- 
meister des Vereins, eigens neue Compositionen geliefert; zwei 
Nummern aus einer unvollendeten Oper von Schubert, von Herbeck 
ausgearbeitet, gehörten ebenfalls zu den Neuigkeiten. Die meisten 
dieser Compositionen zeigten das Bestreben, etwas zu liefern, das 
über die Alltagsliteratur des Männergesangs hinausragt. Obgleich 
für sich werthvoll und interessant, kennzeichnete sich in den ein- 
zelnen Nummern der Standpunkt, den die Natur dem Männergesang 
angewiesen und über welchen ßich nicht leicht schreiten lässt. 
Herbeck 1 * „Waldscene," voll geistreicher Details, war mehr durch 
die orchestrale Färbung von Bedeutung; „Muhameds Gesang" von 
Esser, eine breit angelegte Composition , lehnt sich an die besten 
ähulichen Sachen Mendelssohns. Chor und Orchester sind gleich 
reich bedacht und eben nicht leicht in der Ausführung; auch will 
das Werk öfter gehört sein. Lachner's „Abendempfindung" ist in 
entsprechend sentimentaler Stimmung gehalten. Der 18. Psalm von 
Liszt ist kräftig aber wenig erwärmend ; „Ukrainisches Ständchen* 
von Weinwurm, anspruchslos und gefällig, hat den richtigen Ton 
angeschlagen, den die grössere Menge vom Männergesang bean- 
sprucht; obwohl von weniger innerlichem Gehalt, schlug es gleich 
ein. Die ganze Feier wurde genau nach dem Programm ohne Stö- 
ruug abgebalten und zeigte von umsichtiger Leitung. 

(Schluss folgt.) 



Nachrichten. 



Mainz. Am 6. November gab der „Verein für Kunst und Lite" 
ratur" sein erstes Concert in dieser Saison im Saale des Frankfur- 
ter Hofes uuter Mitwirkung der Violinistin Frl. Therese Liebe aus 
Paris, der Harfenistin Frl. Helene Heermann aus Baden -Baden, 
der Frau Capellmeister Weissheim er, des Violoncellisten Hrn. 
Louis Lübeck aus Frankfurt und unter der Leitung des Herrn 
Nicolaus Soltans. Das Programm lautete: Trio (B-dur, Op. 97) 
für Pianoforte, Violine und Violoncell von Beethoven, (die HH. Sol- 
tans und Lübeck und Frl. Liebe); Fantasie für Harfe von Parish- 
Alvars, (Frl. Heermann); der 23. Psalm für eine Singstimme mit 



— 184 



Begleitung von Harfe und Melodium von Fr. Liest, (Frau Weiss- 
heimer, Frl. Heermann und Hr. Soltans); 1. Satz ans dem Violin- 
Concert von Mendelssohn, (Frl. Liebe); Sarabande von S. Bach 
und Etüde von Dnport, (Hr. Lübeck); zwei Lieder von Schubert, 
(Fr. Weissheimer) ; zwei Salonstücke für die Harfe, (Frl. Heermann) ; 
Fantasie für Violoncell von Servals, (Hr. Lübeck) und Fantasie 
über »Die Stumme* für Violine von Alard, (Frl. Liebe). Leider 
waren wir durch Unwohlsein verhindert, dem Concerte beizuwohnen, 
können aber nach Mittheilungen von competenter Seite constatiren, 
dass nicht nur das vortrefflich aasgeführte Trio mit grossem Beifall 
aufgenommen wurde, sondern auch die nachfolgenden verschiedenen 
Sololeistungen sich der wärmsten Aufnahme von Seite der zahlrei- 
chen Zuhörerschaft zu erfreuen hatten. Frl. Liebe befestigte die 
bei ihrem frühern Auftreten errungene allgemeine günstige Ansicht 
über ihre vorzügliche Begabung und hohe technische Ausbildung; 
in Frl. Heermann begrüsste das Publikum zum ersten Male ein sel- 
tenes Talent und ihre vollendete Virtuosität gewährte einen in seiner 
Art einzigen Qenuss. Hr. Lübeck wird hier schon länger als Mei- 
ster auf seinem Instrumente verehrt und auch das, wie man uns 
meldet, etwas schüchterne Auftreten der Frau Weissheimer fand 
die freundlichste Aufmunterung. Hoffentlich wird Hr. Soltans, der 
selbst am Ciavier und Melodium in ausgezeichneter Weise wirkte, 
auch die künftigen Programme in gleich interessanter Weise zu- 
sammenzusetzen bemüht sein. 

Die „Liedertafel" beging am 7. November wieder einen ihrer ge- 
selligen Abende, die, durch gastronomische und musikalische Genüsse 
gewürzt, dem Humor uud der allgemeinen Heiterkeit ein so weites 
und ergiebiges Feld einräumen, in der gelungensten Weise. Nicht 
unerwähnt bleibe, dass dem seit 25 Jahren bei der Liedertafel an- 
gestellten Vereinsdiener Daniel Werner bei dieser Gelegenheit 
in Anerkennung seines stets unverdrossenen, redlichen Diensteifers 
nach einer humoristischen Anrede des Vereinspräsidenten Herrn 
Wallau ein Geschenk im Werthe von 300 fl. überreicht wurde. 

Berlin. Frau Harriers-Wippern hat wegen Kränklichkeit 
einen vierteljährlichen Urlaub erhalten, den sie zu einer Reise nach 
dem Süden benutzen will. 

Cassel. Der „Casseler Gesang-Verein," unter der Leitung des 
Hm Richard Hempel, hat sich durch die Aufführung der »Jahres- 
zeiten" von J. Haydn ein um so grösseres Verdienst erworben, als 
dieses ewig jugendliche Werk des grossen Meisters seit fast drei 
Decennien hier nicht mehr vollständig gehört wurde, und die Auf- 
fuhrung selbst eine in jeder Beziehung lobenswerthe war. Nicht 
nur die Chöre und das Orchester zeichneten sich durch Sicherheit, 
Kraft und Frische rühmlichst ans, sondern auch die Soli, welche 
sich in den Händen des Frl. Wlczeck (Sopran) und der Herren 
Denn er (Tenor) und Blaue (Bass) befanden, wurde in trefflicher 
Weise durchgeführt, so dass der Gesammteindruck ein überaus gün- 
stiger war, wie auch die zahlreichen und überaus lebhaften Beifalls- 
spenden von Seite des zahlreichen „Auditoriums bewiesen. 

Wien. Auf dem prachtvollen neuen Hause der „Gesellschaft 
der Musikfreunde" wird soeben der Dachstuhl aufgesetzt. Das nach 
dem Plane von Hausen erbaute Gebäude enthält ausser den zahl- 
reichen Administrations-Localitäten einen kleinen und einen grossen 
Concertsaal, welch letzterer 3000 Zuhörer fasst, sich durch drei 
Stockwerke erhebt und durch 40 Fenster von vier Seiten Tages- 
beleuchtung erhält. 

Paris. Das am 1 Nov. stattgehabte dritte populäre Concert 
des Hrn. Pasdeloup hatte folgendes Programm : Loreley-Ouvertüre 
von Wallace; Suite für grosses Orchester (Op. 101) von Joachim 
Raff; Allegro un poco agitato von Mendelssohn; „Hymne" von 
Haydn, für sämmtliche Streichinstrumente; C-moll - Sinfonie von 
Beethoven. 

— Vieuxtemps ist einige Tage hier gewesen und hat sich 
sodann wieder mit der Ullmann'scben Concertgesellschaft auf die 
Reise begeben, welche diesmal die bedeutenderen Städte Belgiens 
.umfassen soll. 

— Das Debüt des Sängers Roger als Schauspieler ist nicht 
sonderlich glücklich ausgefallen, so dass der geschätzte Künstler 
kaum auf dieser neuen Laufbahn beharren dürfte. 

— Achtzehn Vorstellungen mit Mine. Patti in der italienischen 
Oper haben der Direction 148,942 Frcs. eingetragen, was eine Durch- 
schnittseinnahme von 13,449 Frcs. für jede Vorstellung ergibt. 



London. Im vierten Samstagsconcert im Crystallpalast kam 
folgendes Programm zur Aufführung: Ouvertüre zu „Fi gar o's Hoch- 
zeit" von Mozart; Sinfonie Nr. 5 in Es-dur, Op. 97, von R. Schu- 
mann; Variationen aus dem Streichquartett in D-dur von Haydn; 
Ouvertüre zur „Stummen von Portici" von Auber; Arie »In diesen 
heiligen Hallen" von Mozart und Lied „Die beiden Grenadiere" von 
R. Schumann, gesungen von Hrn. A n g y a 1 f i vom Hoftheater in- 
Hannover; Romanze von Benedict, gesungen von Hrn. Vernon 
Riguy; Arie der Isabella aus „Robert der Teufel," gesungen von 
Mme. Lemmens-S her rin gto n. Das fünfte dieser Concert» 
brachte: Freischütz- Ouvertüre von Weber; Sinfonie in G-dur von 
Haydn (mit dem Paukenschlag) ; Concert- Ouvertüre Nr. 2 in A-dur 
von Ferd. Hiller ; Adagio uud Allegro für Violine von Spohr, vor- 
getragen von Hrn. Sternberg; Concertarie von Mendelssohn und 
Arie mit Violinsolo aus der Oper „Der Zweikampf" von Herold, 
vorgetragen von Frl. und Hrn. Sternberg; Arie aus „Orpheus" 
von Gluck und Lied von Benedict, gesungen von Mine. Willi ams- 

*#* Abbe 1 Liszt's Geburtsfest wurde am 22. October in Rom 
sehr hoch gefeiert. Nach einer Morgenandacht in der Kirche San 
Andrea delle Fratte fand um 11 Uhr Vormittags im Doria- Palaste 
von demCavaliere Roccotti veranstaltet eine glänzende Akademie 
unter Mitwirkung der ausgezeichnetsten Künstler zu Ehren Liszt's 
statt, bei welcher dieser selbst den Ciavierpart übernommen hatte. 
Gegen Abend versammelte Liszt eine Anzahl seiner Freunde und 
Verehrer bei sich, bei welcher Gelegenheit verschiedene Compost- 
tionen von Liszt und Chopin vorgetragen wurden. 

*** Der Violinvirtuose Camillo S i v o r i hat vom Könige von 
Italien den Orden der italienischen Krone erhalten. 

*** A. Rubinstein concertirt mit ausserordentlichem Beifall 
in Berlin. 

4 

*** Das Central-Comite des Nordamerikanischen Sängerbünde» 
hat anlässlich des grossen Sängerfestes in Chicago die Dichter 
Müller von der Werra, Emil Ritterhaus und den 
Componisten S. Reichardt „wegen ihrer Verdienste um den 
deutschen Männergesang durch Dichtung und Compositionen" mit 
goldenen Sängerorden, in kunstvoller und sinnreicher Weise ausge- 
führt, decorirt. 

*** Zum Dirigenten des im nächsten Jahre in Düsseldorf 
stattfindenden 46. niederrheinischen Musikfestes ist Hr. Hofcape 11- 
meister Julius R i e t z in Dresden gewählt worden. 

*** Der Director des Theaters an der Wien, Hr. Friedrich* 
Stampfer, hat vom Sultan den Medschidje-Orden erhalten. 

ANZEIGEN. 



ZUR NACHRICHT. 

Im Verlage der Unterzeichneten erschienen: 
Tailliert, W. 25 Variationen über ein Originalthema für gros- 
ses Orchester. Op. 161 

Partitur in 8* . . . fl. 5. 24 kr. 

In Stimmen • . • . „ 9. 36 ,, 

Für das Pianoforte zu 4 Händen „ 3. 36 „ 
Wagner, K. Die Meistersinger von Nürnberg. Oper in 3 Acten-. 

Vollständige Orchester-Partitur n. fl. 60. 

Unter der Presse befinden sich: 
ljaelllter, Fr. Suite N* 5 in 5 Sätzen für grosses Orchester* 
(N* 1. Introduction und Allegro, N* 2. Menuetto, N* 3. Andante,. 
N # 4. Scherzo, N° 5. Finale). Op. 136. 

Partitur und Orcbesterstimmer*.. 

Für das Pianoforte zu 4 Händen. 

Raff, J. Symphonie N°2 in C-dur für grosses Orchester. Op 14(K 

Partitur und Orshesterstimraen.. 
För das Pianoforte zn 4 Händen. 
Hlller, Ferd. Frühlingsnacht. Gedicht von Immergrün, für 
4 Solostimmen (Sopran, Alt, Tenor und Bass) mit Orchester- 
begleitung. Op. 139. 

Ciavier- Auszug. Partitur und Orcbesterstimme».. 

Mainz, October 1868. 

B. Schotts Söhne. 



Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



i\°~ 49. 



23. November 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Sehott. London bei Schott & Co. 



* PREIS: ? 

Jfl.2.42kr.od.Th.l.l8Sg. 
i für den Jahrgang. 
j Durch die Post bezogen: 
l 50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. = 



INHALT: Frankfurter Briefe. — Corresp.: Wien. Stuttgart. Berlin, Paria. — Joachim Rossini, f — Nachrichten. 



Frankfurter Briefe. 

(Vom 10. November.) 



Herr Musikdirector Eliason, welcher es trefflich versteht, 
pikante Concerte zu arrangiren, gab am 31. October im Saale des 
Hotel de Vunion sein erstes sehr besuchtes Winterconcert, in wel- 
chem die talentvolle Sängerin Frl. Sessi vor ihrer Abreise nach 
Berlin die letzten Triumphe feierte. 

Drittes Museumsconcert, den 6. (November : Duo (Op. 140 in 
C-dur) von Fr. Schubert, für Orchester eingerichtet von Joseph 
Joachim; nachcomponirte Arie zu „Figaro's Hochzeit" von Mozart, 
gesungen von Frau Araalie Joachim; Concert für die Violine von 
Beethoven, vorgetragen von Hrn. Concertdirector J. Joachim; 
„An die Leyer" von Fr. Schubert und „Dunkel, wie dunkel" von 
J. Brabins; Lieder, gesungeu von Frau A. Joachim; Solovortrag 
des Hrn. J. Joachim: „Barcarole" von Spohr und „Sarabande* 
und „Bourre'e" von Seb. Bach. Zum Schluss: Ouvertüre zu der 
Oper „Euryanthe" von Weber. 

Die Aufführung des schon vom Componisten orchestral an- 
gelegten und von Joachim vortrefflich instrumentiiten Schumann' - 
schen Duos wird immer einen gewissen Erfolg erzielen; allein im 
Princip sind derartige Umaibeituugcn nicht sehr zu rechtfertigen, 
am allerwenigsten aber sind sie geeignet, eine Sinfonie zu ersetzen, 
wie es heut geschah. Zudem war auch die heutige Aufführung 
keine sehr gelungene. Die Unterabteilungen »1er Celli und der 
»weiten Violine brachten einige Notonfigureu nicht zur vollen Gel- 
tung; die Posauneu und Pauken traten zu dominirend auf und die 
Körner intonirten im Andante zu tief. Die von Frau Joachim 
vorgetragenen Gesaugspigcen waren eiu neuer Triumph ihres herr- 
lichen Talents. Hr. Joachim spielte das Beethoven'sche Violincou- 
cert, sowie die Barcaroh und Sarabande mit unübertrefflicher 
Meisterschaft. Leider setzte der Fagott im Violincoucert sehr stö- 
rend unrichtig eiu. In der Ouvertüre wurden die Tempi vergriffen. 
Das erste Attegro con fuoco trat als eiu gewöhnliches Allegro 
auf, dessen schwerfälliger Aplomb die beabsichtigte Wirkung sehr 
fühlbar beeinträchtigte. Das mysteriös -säuselnde Largo mit den 
gedämpften Violinen ging beinahe im Andante-Tempo zu rasch vor- 
über und das annähernd richtige Tempo des zweiten Allegro trat 
erst gegen das Eude der Ouvertüre mit dem vollen Es-dur ein. 

Am 9. November gab unser Theaterorchester mit gütiger Un- 
terstützung von Frau und Hrn. Concertdirector Joachim , Hrn. 
Generalrausikdirector Franz Lacbuer aus München und mehrerer 
hiesigen Künstlern zum Besten seines Wittwen- und Waisenfonds 
im Saalbau ein grosses Vocal- und Instrumental- Concert, welches ein 
Muster - Concert geuannt zu werden verdient. Herr Capellmeister 
Iguaz L a c h n e r eröffnete dasselbe mit Cherubiui's herrlicher 
Ouvertüre zu „Auacreou." Hierauf sang Frau A. Joachim mit 
sympathischer Stimme und mit all dem Zauber, welchen uns die 
Macht des Gesanges offenbart, „Weltliche Cantate B von Marcello 
uud Arie aus der Oper „Orpheus" von Gluck. Hr. Joachim spielte 
(zum ersten Male) das äusserst schwierige Violincoucert von M. 



Bruch mit staunenerregender Bravour. Hr. Capellmeister Go Her- 
mann dirigirtc dasselbe mit der ihm eigenen Präciaion und dem 
feinfühligen Eingehen in die zartesten Nuancen Ferner spielte — 
oder richtiger gesagt — sang Hr. Joachim auf seiner Violine „Ro- 
manze" in F-dur von Beethoven und „Abendlied" von Schumann. 
Das Auditorium belohnte das glänzende Doppelgestirn Joachim mit 
dem enthusiastischsten Beifalle. 

Als zweiter Theil des Concerts kam die neueste aus 5 Sätzen 
bestehende Suite (Manuscript) Nr. 5. für grosses Orchester von 
Franz Lach n er, unter des Compouiäten persönlicher Leitung, zur 
Aufführung. Dieses geniale Werk, bei dessen Vorführung Dirigent 
und Orchester in der innigsten Wechselwirkung standen , machte 
auf das überaus zahlreiche Auditorium einen so begeisternden Ein- 
druck, dass Hr. Lachner, schon bei seinem Erscheinen am Direetious- 
pulte vom Publikum und Orchester freudigst begrüsst, sowohl nach 
jedem einzelnen Satze, als namentlich nach dem Finale mit einem 
nicht endend wollenden Beifallssturm überschüttet wurde. Ein fri- 
scher I.orbeerkrauz, den ihm das Orchester widmete, möge ihm den 
Triumph, den sein Genius an jenem Abend feierte, noch oft. ins 
Gedächtnis^ rufen. 

Lachner arbeitet in seiuer Domäne, die er sich durch die Cre- 
irung der modernen Orchester Suite geschaffen hat, rüstig und unge- 
schwächt fort, wie sein fünftes Werk dieser Gattung zur Genüge 
beweist; ja es scheint, dass die reichliche Müsse, welche ihm durch 
die Enthebung von allen Dienstgescbäften zu Theil geworden ist, 
sein Schaffens-Vermögen noch gesteigert , seine geistige Elasticität 
und seine Eifinduugsgabe noch erhöht hat. Wenigstens ist seiue 
5. Suite ein so durchaus frisches , trotz des überaus kunstreichen 
Baues überall so klares und verständliches, Geist und Gern ütb gleich- 
^mässig anziehendes und befriedigendes Werk , dass man demselben 
seine vier vorgebornen Geschwister gar nicht anmerkt und dem 
Componisten im Voraus ermuntern möchte, das halbe Dutzend nor'- 
vollends zu completiren. Das Werk besteht, wie schon erwähnt, 
aus 5 Sätzen. 1) Introduciion und Allegro, 2) Menuetto, 3> An 
dantino con moto (Canon), 4) Scherzo, 5) Finale. Eine ausführ- 
liche Analyse des ganzen Werkes würde den uns gestatteten Raum 
in Ihrem Blatte überschreiten, darum nur einige kurze Bemerkungen. 
Die einzeiueu Sätze, von verschiedenartigem Character, haben zwar 
nicht wie in der Sinfonie einen logischen inneren Zusammenhang, 
aber sie stehen in einer wahrhaft reizenden Wechselwirkung neben- 
einander und gerade in dieser Vielseitigkeit des musikalischen Aus- 
drucks, sowie der rhythmischen- uud Klangwirkungen liegt die 
Stärke unseres Meisters, der mit einer äusserst natürlichen und von 
aller Gesuchtheit freien Erfindungsgabe eine Beherrschung des Or- 
chestralen und eine Leichtigkeit und Gewandtheit in der Handha- 
bung aller Künste des Contrapunctes verbindet, wie sich deren 
wohl heutzutage kaum ein anderer Componist dürfte rühmen kön- 
nen. Einen Beweis dafür hat Lachner wieder im 3. Satz seiner 
Suite mit dem wundervoll gearbeiteten Canon ä Votlava für Violine- 
und Viola-Solo, (Es-dur) (von Hrn. Joachim und dem Orchestermit- 
gliede Hrn. E. Welcker meisterhaft gespielt), und durch die in» 



— 186 - 



finale mit unwiderstehlicher Gewalt dabiobrausende prächtige Fuge 
geliefert. Aus diesen beiden Sätzen allein könnte schon mancher 
unserer modernen Himmelsstürmer sich etwelche solide Stufen für 
seiue Jacobsleiter holen. Der erste Satz (C-moll) beginnt mit einer 
kurzen, spannenden Einleitung, welchem ein durch energischen 
Schwung und kräftigen Rhythmus packendes Jlllegro, mit einem 
gar hübschen, gegensätzigen Mittelsatze folgt. Das Menuetto in 
Odur mit seinem einschmeichelnden Motive ist von reizender Wir- 
kung, welche durch das originelle Trio (F-dur), von den Blasinstru- 
menten allein eingeführt, noch gesteigert wird. Vielstimmiger 
da capo- Ruf erscholl nach diesem Satze, dem leider keine Folge 
gegeben wurde. Folgt nun der oben schon erwähnten Canon für 
Violine und Viola, voll melodischen Reizes und von dem Orchester 
iu zartester Weise begleitet. Auch das Scherzo (G-moll) fesselt 
durch die äusserst kunstreiche und doch so fliessende Verarbeitung 
der au und für sich sehr einfachen Motive und erhielt ebenfalls 
rauschenden Beifall. Für den Kenner bildet nächst dem Canon des 
3. Satzes die Fuge des letzten Satzes die würdigste Krone des gan- 
zen Werkes. Die Aufführung war eine in allen Theilen und in 
jeder Beziehung vollendete und zeugte nicht nur für die hohe Lei- 
stungsfähigkeit unseres Orchesters, sondern auch für den liebevol- 
len Eifer, mit dem es für seine schöne als schwierige Aufgabe 
durchdrungen war, wofür demselben die vollste Anerkennung gebührt. 
Meister Lachner aber wünschen wir noch viele Lebensjahre in un- 
geschwächter geistiger und körperlicher Kraft, der edlen Kunst zum 
Nutzen, seiuen vielen Freunden und Verehrern zur aufrichtigen 
Fronde! 



CORRESPON0LNZEN. 
Aus W i c 11. 

(S eh 1 u s s.) 

Seit seinem Bestehen ist der Verein 234 mal bei verschiedenen 
Gelegenheiten aufgetreten. Die Einnahmen in der Zeit seines Be- 
stehens betrugen 100,271 , die Ausgaben 96,947 Gulden. Der vom 
Verein gegründete Schubert - Denkmal - Fonds hat eine Höhe von 
30,600 Gulden erreicht; grössere Beiträge zu wohlthätigen und künst- 
lerischen Zwecken betrugen 27,594 Gulden. Zahlreich sind die Aus* 
Zeichnungen: Medaillen, Ehrcnpokale, silberne Kränze, Banner, 
Fahnenbänder, Adressen, Diplome und Anerkennungsschreiben aller 
Art, mit denen der Verein ausgezeichnet wurde. An seinem Banner 
prangt die vom Kaiser verliehene grosse goldene Medaille mit der 
Inschrift u Literis et arlibus. a Seine Chormoister waren der Reihe 
nach: Ferd. Fuchs, Gust. Barth, Ant. Storch, Ferd. Steg- 
mayer, Job. Schläger, Job. Herb eck, Fr. Mayer, Rud. Wein- 
wurm. Die gegenwärtigen Dirigenten sind Joh. Herb e ck (Ehren* 
Chormeister) und Wein wurm. Herbeck gehört dem Verein seit 
dem Jahre 1856 au. Sowie der ehemalige Redacteur der Wiener 
Musikzeitung, Dr. A. Schmidt die Ehre, den Verein gegründet zu 
haben, für sich in Anspruch nehmen kann, so gebührt Herbeck das 
Verdienst, den Vereiu auf seine jetzige Höhe gebracht zu haben. 
Der Verein war aber auch daukbar; er diente Herbeck als Stufen- 
leiter, auf der er seine jetzige Stellung erklomm — es war ein 
gegenseitiges Geben und Empfangen. Die mit Aufgebot reicher 
Mittel in Scene gesetzten Festtage der Jubiläumsfeier waren der 
Glanzpunkt in dem thätigen Wirken des Vereins. Möge der Eifer 
desselben nicht erkalten und er nicht dem Loose ähnlicher Vereine 
verfallen, die sieh auf /ihrer Höhe nicht zu erhalten wussten, denn: 
„Sich hinaufzuschwingen ist schwer — schweivr aber sich zu be- 
haupten." 

Die musikalische Saison eröffnen diesmal die „Philharmoniker" 
mit ihrem ersten Coucert am 8. d. Mts. Das Programm nennt: 
Ouvertüre zu „Meeresstille und glückliche Fahrt," Entreact aus 
„Medea," „Fee Mab - von Berlioz, vierte Sinfonie von Beethoven. 
Neu (für das heutige Wien wenigstens) ist davon nur die herrliche 
Einleitung zum 3. Act der „Medea," die vielleicht doch die Direc- 
tiou bei dieser Gelegenheit an eine Aufführung der Oper erinnern 
wird, au der sie im Personal (obenan Frl. Ehnn) nur zuzugreifen 
hätte. — Die „Gesellschaft der Musikfreunde," deron neuer Bau 
bereits unter Dach gebracht ist, hat noch nicht ihr Concrfprogramm 



veröffentlicht; Bach 's H-moll-Messe, Schümanns „Faust" und „Para~ 
dies und Peri," einer der grösseren Psalmen von Mendelssohn etc. 
werden bereits vorbereitet.— Hellraesberger und Laub haben 
ihre Quartette angezeigt; Frau Schumann wird Mitte November 
erwartet. — Mozari's Denkmal auf dem St. Marxer Friedhof, 
wiederholt von ruchloser Hand geiner Bronceverzierungen beraubt, 
soll nun in Stein restuurirt werden. Die Fahrlässigkeit in Bewa- 
chung der Friedhöfe bildet schon lange einen stehenden Hilfruf in 
den Tagesblättern, ohne dass Abhilfe geschieht. Das entstellte Mo- 
nument, eben jetzt am Allerseelentag, au dem der Friedhof von 
Besuchern wimmelt, erweckte den Unwillen jedes Beschauers. Hun- 
derte vou Kränzen vermögen diese, aus roher Gewinnsucht dem 
Denkmal angethanene Schande nicht zu decken. 



Aus Stuttgart. 

Anfangs November. 

T Das zweite Abouuemeuts-Concert unter Dopple r's Leitung 
begann mit Weber'» auch im Concertsaale gar wirksamer Preziosa- 
Ouvertüre. Hr. Bertram sang Spohr*s nachcompouirte F-dur-Arie 
au „Faust," deren Erfolg durch das matte Tempo etwas beeinträch- 
tigt wurde, Frl. Klettner zwei Lieder von Schumanu und Men- 
delssohn, das letztere („Es weiss und räth es doch Keiner") mit 
einer Innigkeit und Begeisterung, die auch kalte Fachmänner zu 
herzlichem Beifall hinriss. Ein liebenswürdiger Pariser Gast, der 
Pianist Saint-Saens, erfreute uns mit zwei eigenen Werken, 
einem grossen melodiereichen und hübsch instrnmentirten Concert 
in G-moll, wovon besonders der Scherzo und die Mittelpartie des 
Finale allgemein ansprach, und einer sehr hübschen Fantasie über 
Motive aus Gluck' 8 „Alceste," worin der Spieler all seine brillante 
Technik entwickelte; auf die lebhaften Acclamationeu gab er noch, 
wie in Leipzig, die Bach'bche Bourree in H-moll dazu. Wenig 
behagte uns der Toa des von ihm mitgeführten Pleyd'bchen Flü- 
gels; da klang denn doch das Schiedmayer'sche Instrument in der 
orsten Kammermusikeoiree weit mächtiger und voller. Den zweiten 
Theil füllte Mendelssohn's unvergleichliche Musik zum „Sommer - 
iiaobtstraurn ;" das verbindende Gedicht, ein gar dilettantisches Mach- 
werk, vermochte auch in eines Grunert's Munde nicht zu erwär- 
men; dagegen zündeten wieder die Orcli esterstücke, wie Ouvertüre, 
Scherzo, Noeturuo und Marsch, von der Capelle mit sichtbarer*Liebe 
vorgetragen; uach dem sinnigen Schlüsse, wo der „Epigone" iu 
einer fein gegriffenen Reminiscenz an „Oberon" seinem grossen Vor- 
gänger Weber noch eine liebevolle Huldigung darbringt, löste sich 
das allgemeine Wohlbehagen in lauten Beifallsrufen. - Im dritten 
Abonnements-Concert hörten wir — eine Novität auf dem Continent 
überhaupt — Costa'« Oratorium „Eli," zu desseu Direction der 
Tondichter selbst vou London gekommen war. Wem es heutzutage 
noch geliugt, zu einem Texte, der aus den gewöhnlichen, höchst 
gleichgültigen Wechselroden biblischer Personen und den offic lösen 
Preishymueu nicht hinauskommt, eine Musik au schaffen, die den 
Hörer dennoch anzieht und befriedigt, so muss er ein tüchtiger Mei- 
ster sein, und ah* solcher zeigt unser Componist sich bald durch 
treffende Characteiistik, bald durch ungekünstelte Wahrheit und 
Natürlichkeit; wenn aucii die Erfindung selten den Grad des in 
England Gebräuchlichen und Beliebten übersteigt, ja nicht einmal 
au das bei uns „interessant" Genannte streift, wenn auch nament- 
lich die Fugen sich in abgenutzton Organistenphrasen ergehen , so 
ist doch Factur und Ins'.rumentirung durchweg correct und wohl- 
klingend; da« Publikum äusserte blonder» bei den sympathischen 
Stellen des zweiten Theiles seine Achtung durch lebhaften Beifall. 

Das Concert von Herrn und Frau B u s o n i (Clarinetto uud 
Ciavier) iu der Liederhalle war sehr spärlich besucht, und hat das 
Publikum in der That eine tüchtige Pianistin zu hören versäumt, 
welche durch Kraft wie Fertigkeit ihrem Mailänder Lehrer Galli 
alle Ehre macht. Bei der Clarinette war jener volle noble Tou zu 
vermissen, welcher diesem Inatrumeute im Solovortrag unerlässlicb 
ist. Frl. Bär manu sang einige Lieder, aecompagnirt von Herru 
Pruckner, und Hess uns abermals bedauern, dass ein so bildsames 
Stimmraaterial unserer Bühne entzogen werden soll. 

Iu Cannstadt gab der „Schubert verein" unter Leitung von 
Hrn. S tot z seiu fünftes Concert, wobei Chöre aus Gluck's „Orpheus" 



- 187 



und aus der schon erwähnten, weit verbreiteten Volksliedersamm- 
lung „Stimmen der Heimath," dann verschiedene Gesangsoli zu ge- 
lungenster Aufführung kamen. 

Kritik „über Kritik" ist heutzutage um so mehr angezeigt, als 
-das Abfassen einer guten Kritik ebenfalls eine Art von Kunst ist, 
und darum halten wir es für Pflicht, die Recensionen unseres neueu 
Kunstblattes „Freischütz" ihrer Unparteilichkeit, Sachkenntniss und 
würdigen Haltung wegen lobend hervorzuheben. Auch Publicationen 
jedes Musikverlegers findeu in diesem Journale eine vorurteilslose 
Berücksichtigung und die anfängliche Befürchtung, es möchte das 
neue Unternehmen alsbald ins Schlepptau einer Theaterclique ge- 
rathen und zum Localblatt herabsinken, scheint bis jetzt durch Nichts 
ffeiecbt fertigt. 



A 11 s 



erliu. 



Das Berliner Musikleben hat sich im verwichenen October 
seinem überwiegend grösseren Theile nach aus den Aufführungen 
zusammengesetzt, welche in täglicher Wiederholung den Consutn 
des Publikums an Musik hierselbst ausmachen ; ihre Anzahl ist seit 
Bilse's Wiuderorscheinen im Concerthause, wo er als Sieger am 
1. October einzog, wieder vollständig gewordeu. Es kann nicht 
mehr bestritten werden , dass des Letzteren Concerte iu Bezug auf 
die Vorzüglichkeit der orchestralen Leistung unter allen die bedeu- 
tendsten sind. Die Lieb ig' scheu Concerte pflanzen sich noch 
fort, gestützt auf die Tradition, die sie für sich haben, ihr Einfluss 
ist gesunken, seitdem sie mit den anderen in den Mitteln der Aus- 
führung nicht mehr rivulisiren können; Prof. Stern veranstaltete 
vor October schon eine Anzahl grösserer Concerte ä la Bilse, mit 
-einer bis auf 100 Mann verstärkten Capelle , die unter Anderem 
-verdienstliche Aufführungen der C-moll-Stnfonie und von Schümann'« 
Manfred-Ouvertüre aufzuweisen hatteu ; seine perennirendou Concerte 
sind, was sie von vornherein waren, nicht weniger und nicht mehr 
als ein Unternehmen von anständiger local-berlinischer Bedeutung; 
nach der Inteutiou des Veranstalters soll auf sio ein höherer Glanz 
von den periodischen Concerten zurückfallen, welche seinerseits alle 
14 Tage in der Singacademie unter Mitwirkung virtuosischer 
Solokräfte stattfinden, und in der Tbat können letztere ein künst- 
lerisches Verdienst beanspruchen, die ersteren jedoch werden ebenso 
wie die Liebig- Concertu an Bedeutung weit überstrahlt von dem 
energischen Lichte, welches Meister Bilse den Berlinern und der 
musikalischen Welt allabendlich im Concerthause anzündet. Frei- 
lich ist auch diese Flamme nicht ohne Rauch, die Programme sind 
nicht frei von weitgehenden Coucessionen an den Ungeschmack des 
grossen Publikums; weun solche iu der That nöthig sind, um etwa 
den Bestand des Unternehmens sicher zu stellen, so ist es anderer- 
seits schwer, mit dem Coucerfcgeber darüber zu rechten, da er sonst 
des Hochbedeutenden und Neuen so Vieles bringt, während die an- 
deren Unternehmungen selten über das herkömmlich Beliebte hin- 
ausgehen. Uud die Capelle ist womöglich noch vollendeter zurück- 
gekehrt, als sie im vorigen Winter von uns gegangen war; man 
hört, wie der enormen Sicherheit des Dirigenten nicht nur blinde 
Gefügigkeit von Seiten des Spielers, sondern persönliches Talent 
entgegenkommt. Wie vielen Dank die Berliuer Künstlerwelt dem 
verdienten Manne schuldig sei, geht schon aus den Bereicherungen 
des Repertoire hervor, von denen wir bisher Zeuge waren: die „Ni- 
belungen" von Dorn, die Ouvertüre zu „Maria Stuart" von Vierling, 
„Loreley- Paraphrase" von Naumaun, „König Lear- Ouvertüre" von 
Bevlioz, Entreact und Vorspiel aus „Mignou" von Thomas, „Hymne 
an die heilige Cäcilie" von Gounod, Beethoven's 9. Sinfonie und — 
das Vorspiel zu Wagner's „Meistersingern." Prof. Stern hat es 
gleichfalls aufgeführt, mit demselben Erfolge, nämlich — keinem. 
Eine Besprechung des wichtigen Werkes liegt nicht im Bereiche 
meiner Correspondenz, ich bin aber ohnehin der Meinung, dass die 
Ursache der Erfolglosigkeit, abgesehen von dem herrschenden Vor- 
urtbeil und der vorherrschenden Incompctenz der Hörer, die es hör- 
ten, weder im Werke noch in der Ausführung liegt, sondern in dem 
Umstände selbst, dass es zur Aufführung gewählt wurde. Es gehört 
in keiueu Coucertsaal, in kein Programm. Ich erinnere mich eines 
Aufsatzes in den „Grenzboten," welcher mit vielem Geschick die 



Abhängigkeit des Hörers von der Grösse des Raumes deducirte; dt« 
dyuamisulieu Wirkungen des Vorspiels erfordern einen noch grösse- 
ren Raum als selbst das Concerthaus ihn bietet, geschweige denn 
die Singakademie, uud ebenso stört das Folgen und Voraufgehen 
stylverschiedener Stücke die Betrachtung, die Aufnahme von Seiteo 
des Hörers. Man lächelt, auf dem Programme, zur Beruhigung 
derer , euphotiici^ nach dem Vorspiel die Serenade von Haydn zn- 
erblichen. Die Annahme, dass bei allen Vorzügen des Werkes die 
grotesken Züge desselben wegen ihrer unentbehrlichen Beziehung 
auf das folgende Drama noth wendig zur Unverständlichkeit führen, 
halte ich nicht für stichhaltig; au und für sich mindestens ist es 
nicht unmöglich, grotesk und musikalisch zu wirken, das Groteske 
in tonkünstlerischer Form hervorzubringen, d. h. ohne den Schwer-- 
punkt der Bedeutung des Kunstwerks ausserhalb seiner selbst zu 
verlegen — und dass es nöthig sei, eben so grotesk zu wirken, 
rousste einem Componisten, der die Reflexion, auf deutsch die Ueber- 
legung nicht spart, der erste Schritt in derselben zeigen. Zugege- 
ben, dass das eigentlich Komische in der Musik unmöglich sei, weil 
seine Wirkung auf einem Vergleich zwischen dem Object und einem 
anderweitigen Begriffe beruht, — warum sollte das Groteske, wel- 
ches gänzlich im Gebiet der Anschaulichkeit liegt, aus dem Bereich 
der Tonkunst ausgeschlossen sein ? Wegen ihrer Würde ? Welches 
ist diese besondere Würde? Haben nicht Malerei, und selbst die 
Plastik, der man die Würde nicht absprechen wird, das Groteske 
längst in ihre Grenzen aufgenommen? Ffaec hactenus. — 

Carl Fuchs. 



Aus Paris. 

IS. November. 

Der Tod R o s s i n i's erregt hier eine allgemeine tiefe Bestür- 
zung und drängt alle Ereignisse der musikalischen Welt in de» 
Hintergrund. Mit Rossini verschwindet nicht nur ein Künstler er- 
ster Grösse, sondern auch ein in jeder Beziehung wunderbar begab- 
ter Genius. Er läset eine weit klaffende, nicht sobald auszufüllende 
Lücke zurück. Das Schicksal hatte ihm die reichste Fülle irdi- 
schen Glückes verliehen. Schon in den Jahren mit dem Lorbeer- 
kranz geschmückt, iu welchem andere Künstler mühsam nach einem 
Lorbeerreis streben, erreichte er ein hohes Alter und erfreute sieh 
ein halbes Jahrhundert hindurch eines Ruhmes, der in alle Länder 
der civilisirten Welt gedrungen war, ohne zu erbleichen. Die 
Höchsten dieser Erde suchten seine Freundschaft und fühlten sich 
geehrt, einige Worte mit ihm wechseln zu können. Rossini hat iu 
den jüngsten zwei Lustren den Musen fleissig gedient und lässt 
eine grosse Zahl unveröffentlichter Werke zurück. Dieselben be- 
stehen ausser der vor einigen Jahren in einem hiesigen Privathanse 
aufgeführten Messe, die nun vollständig orchestrirt ist, aus Sonaten, 
Quartetten, Ciavierstücken und vieleu andern Schöpfungen, welche 
sich, wie seine Frennde versichern, den besten Hervorbringungen 
des Meisters anreiben. Sio sind jetzt das Eigenthum der Madame 
Rossini, die sie wohl bald dem Publikum überliefern wird. 

Rossini, der ein bedeutendes Vermögeu hinterlässt, hat dem 
französischen Institut 6000 Frcs. jährlicher Rente vermacht, von 
denen die Hälfte als Preis für den besten Operntext, die andere 
Hälfte für die beste Composition desselben bestimmt werden soll. 
Der Compositeor muss aber, wie es ausdrücklich im Testament 
heisst, Melodist sein. Er soll auch eine erkleckliche Summe zur 
Erbauung eines Conservatoriums in seiner Vaterstadt P e s & r o ver- 
macht haben. 

Die erste Wiederaufführung der „Hugenotten" ist nichts weni- 
ger als gut ausgefallen. Faure als Graf de Nevers und Madame 
Sa ss als Valentine waren wie immer vorsüglich. Durch plötzli- 
ches Unwohlsein V i 1 1 a r e t's musste die Rolle des Raoul eintm 
jungen Sänger, C o 1 1 i u, anvertraut werden, der sich unerwarteten, 
aber wohlverdienten Beifall erwarb. Die übrigen Rollen wareu 
jedoch mehr als mittelmäßig besetzt, und was die Chöre betrifft, 
so unter aller Kritik, dass sie besonders im dritten Acte den ge-. 
rechten Unwillen des Publikums erregten. Hoffentlich werden die 
folgenden Vorstellungen des Meyerbeer'schen Meisterwerkes den 
Kunstfreunden weniger Stoff zum Tadel bieten. 



188 



Joachim Rossini. *J- 



Rossini ist iu der Nacht vom 13. auf den 14. Novbr. oach 
kurzem Krankenlager an deu Folgen einer Lungenentzündung, und 
»war wie die Pariser Blätter melden, nach einem langen und schwe- 
ren Todeskampfe in seinem Landhause zu Passy bei Paris ge- 
storben. Da eine ganze Woche zwischen dem Hinscheiden des 
genialen Tonmeisters und dem Erscheinen dieser Nummer unseres 
Blattes liegt, während welcher Zeit wohl jedes in Deutschland er- 
scheinende politische, belletristische etc. Journal seine Leser mit 
einer mehr oder minder ausführlichen Biographie Rossini's bedacht 
bat, so glauben wir von einer solchen umsomehr Umgang nehmen 
su dürfen, als wir in den Nummern 33 bis 46 des XIII. Jahrgangs 
der „Südd. Mus.-Ztg." eine umfassende Lebensbeschreibung dessel- 
ben gebracht haben, in welcher auch der Entwicklungsgang seiner 
schöpferischen Begabung und seine Verdienste um das italienische 
Opernwesen insbesondere dargelegt sind, und auf die wir unsere 
geneigten Leser hiermit verweisen Wollen. Auch in dem soeben er- 
schieneuen Buche (bei Adolph Gumprecht, Leipzig) „Musikalische 
Characterbilder" von Otto Gumprecht ist eine ausführliche, in 
anziehender Weise geschriebene biographishe Skizze Aber Rossini 
enthalten. In Kürze sei hier nur erwähnt, dass Rossini am 29. Fe- 
bruar 1792 in Pesaro geboren wurde, als der Sohn des dortigen 
Stadttrompeters , Orchesterhornisten und Schlachthausaufsehers Jo- 
seph R o s 8 i n i und der gebornen Anna Guidarini, welche 
später als Theatersängerin wirkte. Man ist sehr gespannt auf den 
musikalischen Nachlass des vielgefeierten und vielfach angefeindeten 
Maestro und die Pariser meinen, es müsse da noch irgend eine 
Ueberraschung für die Musikwelt zu Tage kommen, da Rossini be- 
kanntlich seit seiner im Jahre 1829 in Paris zum ersten Mate auf- 
geführten Oper „Wilhelm Teil" kein grösseres Werk mehr ver- 
öffentlicht hat. 



M a c li r i c fit t e ii. 

München. In Folge des dem Fil. Mailing er wegen Kränk- 
lichkeit ertheilten längeren Urlaubs bat Frl. Stehle die Partie der 
Eva in den „Meistersingern" übernommen und dieselbe bereits am 
Sonntag den 15. d. M. mit grossem Beifall durchgeführt. 

— Hr. Heinrich v. Sahr, bisher Capellmeister in Rotterdam, 
ist als Lehrer der Harmonie an der hiesigen kgl. Musikschule an- 
gestellt worden. 

Leipzig. Das vierte Gewandhausconcertam29. Oc- 
tober brachte: Ouvertüre (Op 124) von Beethoven; Scene und Arie 
aus der Oster-Cantate „Die Auferstehung des Lazarus" von Franz 
Schubert und Lieder von Scarlatti, Moscheies und Schumann, gesun- 
gen von Herrn Wallen reiter aus Stuttgart ; Clavierconcert in 
Es dar von C. M. v. Weber und Solostöcke von Moscheies, Chopin 
und Mendelssohn, vorgetragen von Frl. Gabriele J o 8 1 aus Wien ; 
Reformations-Sinfonie vou Mendelssohn. 

Dresden. Die Oper „DerHaideschacht 8 (nicht „Haidesch lacht," 
wie es in einer früheren Nummer d. BI. irrthümlich hiess), Text und 
Musik von Fr.'v- Holstein, welche in Dresden bei der ersten Auf- 
führung eines so günstigen Erfolges sich zu erfreuen hatte, bewährte 
sich auch bei der ersten Wiederholung als ein tüchtiges, bühnen- 
gerechtes und von der entschiedenen Begabung des Componisten 
zeugendes Werk und es kamen demselben auch einige wohlange- 
brachte Kürzungen gar gut zu statten. Auch die Aufführung hatte 
noch an Sicherheit und freier Bewegung gewonnen und es bandelt 
sich hier nicht um einen blossen Sucres d'e'stime, sondern diese 
Oper hat wirklich durchgeschlagen und wird ohne Zweifel auch 
ihren Weg auf andere deutsche Bühnen finden. Eine interessante 
Novität anderer Art war das im Concert für den Pensionsfond der 
kgl. Capelle unter der Leitung des Hrn. Hofcapellmeisters Julius 
R i e t z aufgerührte Oratorium „Gideon," nach den Worten der hei- 
ligen Schrift componirt von Lud. Meinardus, ein höchts beach- 
tenswertes und des Schönen und Wirksamen gar viel enthaltendes 
Werk. Chöre wie Soli sind von dem Componisten, der bereits früher 
«in Oratorium : „Salomon" geschrieben hat, und einerseits den clas- 



si sehen Vorbildern in diesem Fache erfolgreich nachstrebt, anderer- 
seits dem fortgeschrittenen Geschmacks der Neuzeit und den reicherem 
Ausdrucksmitteln, welche diese geschaffen hat, Rechnung trägt, mi 
gleicher Sorgfalt behandelt und seine Instrumentation zeugt von voll- 
kommener Vertrautheit mit den orchestralen Mitteln, sowie von ge- 
wandter, manchmal nur zu üppiger Benutzung derselben. Das Werk 
des Hrn. Meinardus darf jedem Gesangverein mit gutem Gewissen 
empfohlen werden. 

Paris. Die Einnahmen der Theater, Concerte und öffentlichen 
Schaustellungen jeder Art in Paris betrugen im Monat October die 
Summe von 1,776,029 Frcs. 

— Die Conservatoriums - Concerte werden am Sonntasr den 13. 
Dezember eröffnet werden. 

— Das vierte populäre Concert des Hrn. Pasdeloup fand 
am 8. d. Mts. mit folgendem Programm statt: Sinfonie in C-dur 
(Op. 34) von Mozart; Adagio aus der Ocean- Sinfonie von A. Ru- 
binstein; Concert- Ouvertüre (Op. 7) von J. Rietz (zum ersten Male) j 
Vorspiel zum 5. Act der „Afrikanerin" von Meyerbeer; Musik zum 
„Sommernachtstraum" von Mendelssohn. Das fünfte Coucert (15. 
Novbr.) brachte: Sinfonie in D dur (Nr. 51); von Haydn; Ouver- 
türe zu „Coriolan" von Beethoven ; Sinfonie iu B-dur von Schumann ; 
Larghetto aus dem Quintett Op. 108 von Mozart, für Clarinet-Solo 
und Streichinstrumente; Ouvertüre zu „Tannhäuser" von R. Wagner. 

— Carlotta Patti verlässt Uli mann und geht mit ihrem 
Schwager Strakosch, der ihr contraetlich 20,000 Frcs. per Monat 
zusichert, nach Amerika, um die Yankees zu enthusiasmiren. 

*** Am 11. Nov. feierte der treffliche Bassist Dettmer sein 
25jähriges Jubiläum als Mitglied des Stadttheaters in Frankfurt 
a. M. Der Jubilar trat an diesem Abend als Stadinger in Lortzing's 
„Waffenschmied" auf und sowohl das Publikum als auch seine Col- 
legen Hessen es nicht an den Beweisen ihrer herzlichsten Theilnahme 
an dem Ehrenfeste eines so verdienstvollen und hochgeachteten 
Künstlers fehlen. 

*** A über 's Oper „Der erste Glückstag" ging am 11. Novbr» 
in Leipzig mit günstigem Erfolg in Scene. 

*** Der frühere Hofcapellmeister in Stuttgart, Hr. Carl 
Eckert, ist zum Hofcapellmeister und Hofconcertdirector in Ber- 
lin ernannt worden und wird in ersterer Eigenschaft an der kgl. 
Oper beschäftigt st-in. Derselbe wird bereits Anfangs December 
nach Berlin übersiedeln. 

*** A. Rubinstein hat seine Concerttour wieder begonnen 
und ist bereits in Berlin, Breslau, Posen etc. mit gewohntem Er- 
folge aufgetreten. 

*** In Paris ist der Musikverleger Chaillot im Alter von 
62 Jahreu gestorben. 

*sjs* Die komische Oper ,,Hero und Leander," Musik von W. VV. 
Steinhart, über deren Erfolg gelegentlich ihrer ersten Aufführung in 
Magdeburg berichtet wurde, ist von dem Componisten wesentlich 
umgearbeitet und soll von der Hamburger Stadttheaterdirection an* 
genommen sein. Der Text hat eine sehr vorteilhafte Aenderung 
erhalten, zumal durch Einfügung von sehr wirksamen Prosa-Scenen- 
Dieser Arbeit hat sich Hr. W. Anthony, der in der Theaterwelt 
wie in literarischen Kreisen vortheilbaft bekannte Oberregisseur des 
Stadttheaters zu Magdeburg, unterzogen. 

*** Hans v Bülow wird am 28. November in Augsburg 
ein grosses Concert zum Besten einer dort neuerrichteten Kinder- 
bewahranstalt geben. Ein von genanntem Künstler unlängst in 
Nürnberg zum Besten des Hans Sachs - Denkmals gegebenes 
Concert fand eine so ausserordentliche Theilnahme von Seite des 
Publikums, dass der Concertsaal die herbeiströmenden Zuhörer bei 
weitem nicht alle zu fassen vermochte. 

V Fräul. v. Edelsberg gastirt mit schönstem Erfolge in 
Augsburg. Sie ist bisher als Rosine im „Barbier" und als 
Azucena im „Troubadour" mit grossem Beifall aufgetreten. 

*** Auf das bekannte Preisausschreiben der Berliner Musik- 
verlagshandlung „Bote & Bock" für den Text zu einer komischen 
Oper sind bis zum 31. October (Schluss des Termins) 55 Concur- 
renzarbeiten eingelaufen. 

*** Hr. v. Hülsen hat Fräul. Leonore Hahn vom Stadt- 
theater in Hamburg für die Berliner Oper engagirt. 

Verantw. Red. Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



Jf* 48* 



30. November 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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Diese Zeitung erscheint jeden s 

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ämtern, Musik- & Buchband- 
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von 



B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



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INHALT: Literatur. — Rossini's letzte Momente und Begräbniss. — Corresp.: Leipzig. — Nachrichten. 



Literatur, 



Musikalische Characterbilder von Otto Garn* 
brecht Leipzig, Verlag von Adolf Gumprecht. 
1869. 

In sogenannten „Characterbildern," „Studienköpfen" und son- 
stigen Formen biographischer und kritischer Schilderungen berühm- 
ter Musiker ist in letzterer Zeit viel gemacht und manches Aner- 
kennenswerte, ja Verdienstvolle geleistet worden ; wenn auch nicht 
alle derartigen Arbeiten ihrem vorgeblichen Zwecke getreu mit der 
erwünschten Unbefangenheit und Unparteilichkeit die betreffenden 1 
Tonmeister, sowohl Componisten wie Virtuosen, in ihrem Wesen' 
als Menschen und in ihren Leistungen als Künstler beurtheilt, son- 
dern mitunter entweder sich zur überschwänglichen Verhimmelang 
der von ihnen Bevorzugten, oder auch zur einseitigen und gehässi- 
gen Beurtheilung ihnen weniger sympathischer Künstlernaturen ver- 
leiten Hessen. Gerade in diesem Sinne sind die „Musikalischen 
Characterbilder" von O. Gumbrecht von jedem Vorwurfe der 
einen oder andern Art vollständig freizusprechen und geben von 
den sechs Meistern, mit denen sie sich beschäftigen, eine unbefangene 
Schilderung, keinen ihrer Vorzüge übersehend , keine ihrer Schwä* 
chen ignorirend, dass Lichter und Schatten in ihrem natürlichen 
Gegensatze und in ihrem notwendigen Nebeneinanderstehen uns 
jedesmal ein wirkliches, ein getreues Bild des betreffenden Men- 
schen und Künstlers zur Anschauung bringen. Fr. Schubert, 
Mendelssohn, Weber, Eossini, Auber und Mey e r b e er 
sind die sechs Meister, welche uns der Verfasser in lebensvollen 
Bildern vorführt, so wie sie waren und wie sie schufen. 

A. Gumprecht, als geistreicher, geschmackvoller und unpar- 
teiischer Kritiker schon längst geachtet und anerkannt, hat mit die- 
sem Werke sich den Dank der ganzen gebildeten Welt verdient 
und wenn wir daher dasselbe jedem Freunde der Kunst auf das 
Wärmste empfehlen, sprechen wir zugleich die Hoffnung aus , dass 
der Verfasser sich veranlasst finden möge, die interessante Gallerie 
seiner „Characterbilder" noch nicht für geschlossen zu erklären, 
sondern das gewiss dankbare Publikum recht bald mit einer Fort- 
setzung derselben zu erfreuen. 

Die kaiserliche Hof-MuBikcapelle in Wien von 
1543 bis 1867. Nach urkundlichen Forschungen von 
Dr. Ludwig Ritter von Köchel. Wien 1869. 
Beck'sche Universitäts-Buchhandlung. (Alfred Holder.) 
160 S. gr. 8° 

Der Name des Verfassers dieses Buches ist kein fremder mehr 
in der musikalischen Welt, seit dessen in seiner Art unübertreffli- 
cher Catalog von Mozart's Werken erschienen ist. Was diesem in 
Bezng auf unermüdliches und gewissenhaftes Forschen und Sam- 
meln, auf sachverständiges Sichten und Ordnen sowie auf klare und 
systematische Uebersicbtlichkeit mit allem Rechte nachgerühmt 
wurde, das läset sich auf die vorliegende neue Arbeit des Bittet 



von Köchel nicht minder richtig anwenden, und wir sehen ein so 
interessantes Bild, eine so bedeutende Anzahl berühmter Namen 
deutscher, italienischer und niederländischer Capellmeister und Com- 
ponisten, Organisten, Sänger und Instrumentalsten aus einer mehr 
als 300 Jahre umfassenden Periode vor unserm Blicke vorüber- 
ziehen, gewinnen einen so sicheren Einblick in das Musikleben am 
Wiener Hofe während der genannten Zeit, und nicht nur in die 
künstlerischen, sondern auch in die ökonomischen Verhältnisse der 
Hofcapelle in alter Zeit, dass man sich dem Verfasser für seine nach 
grossentheils bis jetzt noch nicht benutzten Quellen gegebene Dar- 
stellung zum lebhaftesten Danke verpflichtet fühlt. 

Der Verfasser gibt zuerst einen geschichtlichen Ueberblick der 
kais. Hofmusikcapelle von 1543 — 1867 und diesem folgen dann vier 
erläuternde Beilagen. Die erste derselben, überschrieben: „Stände) 
der k. k. Hofmusik - Capelle von 1543 bis 1867" gibt das ganze 
Namen- und Personenverzeichniss aller obersten Hofmusik-Directoren Y 
kais. Hofcapellmeister , Vicecapellmeister , Organisten, Instrumenta- 
listen und Capellsänger, vielfach mit Angabe der Gehalts Verhält- 
nisse, wie sie während der vorgenannten Zeitperiode und unter 15 
Kaisern, von Ferdinand I. bis zu Franz Josef I. den Status der k. 
Capelle gebildet haben. Die zweite Beilage enthält kurze biogra- 
phische Notizen der in der ersten Beilage aufgeführten Capellmei- 
ster, Vicecapellmeister, Compositoren und Organisten. Die dritte 
Beilage bringt „Aeltere Schrift- und Druckdenkmale ausser den 
Rechnungsbüchern," welche interessante Aufschlüsse über die öko- 
nomischen Verhältnisse der Capelle in früheren Zeiten gewähren. 
Die vierte Beilage endlich enthält einen Auszug aus dem von dem 
Capellmeister Kiliaa Reinhardt im Jahre 1727 dem Kaiser 
Carl VI. überreichten „Vormerkbuch für die musikalischen Kirchen- 
functionen der k. k. Hofcapelle,* aus welchem ersichtlich ist, dass 
damals die Capelimitglieder für verhältnissmässig wenig Geld ganz 
erstaunlich viel zu leisten hatten. Den Schluss des Ganzen macht 
ein alphabetisches Namensregister der Stände der Hofmusikcapelle, 
welches für die Uebersicht des Ganzen sehr förderlich ist. Mögo 
das interessante Buch die verdiente Theilnahme finden bei Musikern 
und Musikfreunden, die sich auch für das Geschichtliche ihrer 
Kunst interessiren. E. F. 



Rossini'* letzte Momente und Begräbniss. 

Ueber die letzten Stunden Rossinfs vernimmt man Folgendes i 
Am 13. Novbr. hatte der Abbe Gallay eine lange Unterredung mit 
dem Sterbenden. Der Abbe fragte ihn, ob er an die katholisch» 
Religion glaube und an das, was sie lehre. Rossini antwortetet 
„Celui qui a tcrit le Stabat a la foi.* Nach diesem ersten Besuch 
(um 5 Vi Uhr) erhielt er die Absolution; er ward hierauf ruhig« 
Dann ergriff Ihn unauslöschlicher Durst, welcher ihn schon seit zwet 
Tagen plagte, und sein Angitgertön begann von Neuem. De« 
Abends erthente ihm der Pfarrer von Pas*/ dl* totste Ochluag. ?«• 



- 190 ^ 



de an beganu eiu langer und schmeralicher Todeskampf; er liebste 
und röchelte und konnte kaum athmeo. £• war ein peinlieher An- 
blick. Um 10 Uhr 10 Minuten verabreichte man dem Sterbenden 
Eiswasser, das er gierig trank ; ein inneres Feuer schien ihn au ver- 
mehren und ihm unerträgliche Schmerzen zu verursachen. Er warf 
eich auf dem Schmersenslager hin und her, wobei er unverständ- 
liche Phrasen ausstiess. Der letste Name, welcher von seinen Lip- 
pen kam, war der seiuer Frau, deren Hand er mit Zärtlichkeit 
küsste. Einen Augenblick später verlor er das Bewusstsein. Ros- 
sini starb in seinem Landhause in Passy, das dicht an der Barriere 
von Festungswerken liegt. 

Die kirchliche Feier für den geschiedenen Meister fand in Paris 
am 21. Novbr. in der Dreifaltigkeitskirche (Chaussee d Antin) un- 
ter der Führung des päpstlichen Nuntius in höchst einfacher Weise 
statt. Der schmucklose, nur mit einem schwarzen, sammtneu, mit 
silbergestickten Sternen und zwei Lorbeerkränzen geschmückte Sarg 
wurde auf einem Katafalk im Mittelschiffe der Kirche niedergesetzt, 
deren Bäume etwa von 4000 Personen, welche sämmtlich der feinen 
Welt von Paris angehörten, vollständig gefüllt waren. Auf dem 
Chore hatten sich unter der Leitung des Hrn. Jules Cohen die 
mitwirkenden Künstler versammelt; es waren dies die Chöre der 
grossen und italienischen Oper, 300 Zöglinge des Conservatoriums, 
die meisten der Opernsänger von Paris, Contrebassisten, Harfenisten 
und der Organist Hr. Saloml. Das aufgeführte Todtenamt war 
aus mehreren Nummern aus R o s s i n i's „Stabat," dem „Lacrimosa* 
aus Mozart's „Requiem* uud einem Offertorium aus dem „Stabat* 
von Pergolese zusammengesetzt, die Soli wurden von den ersten 
Künstlern 4er italienischen und französischen Oper gesungen. Die 
Probe biezu hatte am vorhergehenden Tage unter Auber's Lei- 
tung stattgefunden. Nach beendigtem Gottesdienst bewegte sich der 
Leichenzug unter den Klängen des Beethoven'schen Trauermarsches 
nach dem Kirchhofe von Pere-La-chaise, wo der hochgeehrte Mei- 
ster nun in der Nähe von Bellini, Chopin, Herold, Boieldieu und 
Chernbini ruht. Ganz Paris war auf den Beinen und der Leichen- 
zug hatte Mühe, sich durch die gedrängte Menschenmasse fortzube- 
wegen. Am Grabe sprachen A. Thomas und der Generaladmini- 
strator der Theater und des Conservatoriums, Camille Doucet 
u. A. Das kaiserliche Haus war durch den Minister Marschall 
V a i 1 1 a n t und den Oberstkämmerer Vicomte Laferriere 
vertreten. 



— eoe< 



COaRESPOKDENZfiN. 



Aus Leipzig. 

November 1868. 

Es war am 8. October, als zum Beginn dieser Saison die Pfor- 
ten des Gewandhauses sich aufthaten und ein Hessen Alle, die da 
wollten hören, und Alle, die da wollten kritisiren. Kritiker sind sie 
ja zuletzt Alle, ob sie, wie bei weitem die Meisten, ihr Urtheil blos 
aussprechen oder, wie sehr Wenige, es drucken lassen , damit es 
beute gelesen und morgen vergessen wird. Freilich gibt es hier in 
Leipzig Leute, die eine Kritik der Gewandhausconcerte, selbst wenn 
sie mit den weichsten Sammetbandschuhen angetban auftritt, nicht 
für zulässig erachten, denen Alles, was dort vorgeht, ein noü nie 
tätigere ist, die nicht bedenken, dass sie selbst damit eine aller- 
höchstsouveräne Kritik ausüben, und dass ein gerechtfertigter Tadel 
ein Agens zum Bessern ist, ein ungerechtfertigtes Lob aber die 
Wirkung des Opium nach, sieh zieht. Wenn wir uns daher zu er- 
■terem veranlasst finden, so geschieht dies nur im Interesse der 
Kunst und der Sache selbst; zum Lobe aber wünschen wir noch 
recht oft so reiche Gelegenheit zu finden, als sie uns durch dies 
erste Coacert geboten wurde. Der Löwenantbeil davon gebührt 
unbedingt den orchestralen Aufführungen ; sie bestanden in Che ru- 
fe i n i*s Ouvertüre zu N Anakreon" zum Beginn und Beethovens A-dur- 
Sinfonie als zweiten Theil des Concertes. Beide Werke, gehoben 
durch präcises, feines Zusammenspiel — wobei wir namentlich der 
eisten Violine besonders rühmend gedenken — wie durch Feuer 
und Schwung, ohne dass dadurch die Deutlichkeit beeinträchtigt 
wurde, machten einen gewaltigen Eindruck auf die Zuhörerschaft, 



die sich dafür iu Beifallsspenden höchst daukbar bewies. Die Ge- 
sangsvorträge hatte Frau Peschka-Leutner, die Primadonna 
des hiesigen Theaters, übernommen, eine tüchtige, echte Sanges- 
Meisterin, die es mit ihrer Kunst ernst meint und darum stets nur 
Fertiges, ja meistens Vollendetes bringt. Wie sehr sie in allen 
Sätteln gerecht ist, das zeigte sie heute wieder im Vortrag der bei- 
den Arien aus „Faust" von Spohr und aus „Sylvana" von Weber, 
die, in ihren Stylen so sehr verschieden, in entsprechender Weise 
wiedergegeben wurden. Wie die Sängerin die heikligen Schwierig- 
keiten der ersteren mit Sicherheit wie spielend überwand, so wusste 
sie durch Adel und Fülle des Tones, durch Schwung uud Feuer, 
durch breiten, schönen Gesang uns über die Schwächen der etwas 
antiquirten Weber'schen Arie hinwegzuhelfen. Die ihr jedesmaliges 
Auftreten begleitenden Beifallsstürme blieben natürlich auch heute 
nicht aus. Diesen Werken aus der klassischen und roinautischen 
Zeit gegenüber brachte Hr. Concerttneister F. David zwei Novi- 
täten aus der Neuzeit zu Gehör: Concert für die Violine, Op. 26, 
von Max Bruch und Concertstück für die Violine, Op. 20, von 
Camille Saint- Säen s, und zwar sagen wir es gleich, mit wenig Glück. 
„Eines passt sich uicht für Alle" ist ein alter beherzigenswerter 
Spruch. Hrn. David'* ganzes künstlerisches Wesen und Treiben 
wurzelt in classischem Boden; hier hat er segensreich gewirkt und 
wird es hoffentlich noch recht lange ; die Verdienste , die er sich 
nach dieser Richtung erworben , werden wir stets in dankbarster 
Erinnerung tragen. Möge er die Vermittelung der Bekanntschaft 
eines Werkes, wie das Bruch'sche Concert, andern überlassen, die 
aus demselben Born geschöpft haben, deren Anschauungsweise uud 
Gebahren jenem näher liegt. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, 
dass uns die Bruch'sche Composition nicht < viel Freude gemacht 
hat, im Gegentheil, wir erkennen in ihr eine schöpferische Kraft, 
die ihre eigenen Wege waudelt, und zwar mit Bewusstsein und 
Ueberlegung, — denn es steht ihr ein reiches Wissen zur Seite — aber 
darum auch in nobler, stolzer Haltung. In wie weit der Vorwurf, 
dass bei einem Coucert ein schärferes, reicheres Hervortreten der 
Solostimmen wünschenswert!} gewesen wäre, Bruch mit Recht trifft, 
müssen wir für diesmal dahingestellt sein lassen. — Die Vermitte- 
lung der Bekauntschaft des Saiat-Saens'schen Concertstückes wollen 
wir unsererseits den Andern erlassen und nichts einwenden, wenn 
dies langweilige nichtssagende Product von jenseits des Rheins ruhig 
in seinem Vaterlande bleibt. 

Vom zweiten Abonnement-Concerte am 15. October wäre 
zunächst zu notiren , dass wegen Abwesenheit des Hrn. Capell- 
meister Reinecke Hr. Concertmeister David die Stelle desselben 
versah. Unter seiner Leitung mit Herrn Concertmeister Röntg en 
am ersten Pulte gelangten die beiden Orchesterstucke : Mendelssohn** 
„Hebriden tt -Ouvertüre und R, Schumann's B-dur- Sinfonie au einer 
recht tüchtigen, erfreulichen Wiedergabe; im Hinblick auf das 
Ganze wollen wir ein paar kleine Schwankungen im Scherzo der 
Sinfonie nicht weiter betonen. Als Sängerin machten wir eine 
neue Bekanntschaft in Frl. Wilhelmiue Ritter, kgl. .Hofopern- 
sängerin aus München. Wir hatten es nicht zu bereuen; Frl. Ritter 
bringt viel Schönes mit, eine metallreiche, klangvolle Mezzosopran- 
stimme, reine Intonation, ganz passable Manier zu singen und feines 
Verstand niss. Träte zu letzterem noch etwas mehr Wärme und 
Hesse Frl. Ritter von der unangenehmen Manier, die tiefen Töne 
ihrer Stimme iu geschmackloser Weise zu forciren und recht breit 
hinlegen zu wolleu , würde sie in der Achtung des gebildeten 
Publikums noch bedeutend steigen. Uebrigens fanden ihre Vor- 
träge allgemeinen grossen Beifall; sie bestanden in: Arie aus Mo- 
zart'« „Titüs" „Non piu di fiori* und einer Arie aus „Mitrane" 
von Rossi, auch eines von den in die Mode hineingezwängten 
Stücken. — Herr Saint-Saens, den wir im vorigen Concert als 
Verfasser eines Concertstückes für die Violine kennen gelernt hatten, 
präsentirte sich in diesem als Componist eines Concertes für das 
Pianoforte, das, aus drei Theilen bestehend : 1. Andante sostenuto 
2. AlUgro scherzanio 3. Presto, nur wenig geeignet war, una 
eine entschieden günstigere Meinung von seiuen Eigenschaften und 
Fähigkeiten als Componist beizubringen. Am annehmbarsten er- 
schien noch der zweite Satz,, der gedanklich geordnet und pikant 
in klaren Formen sich bewegt, während der erste in schwülstigen 
präteusiösen Phrasen, der letzte in sehr ungehobelter' Weise sieb 
J ergeht, beide aber eine' höchst bedenkliche Armuth der Erfindung 



- 191 - 



documentiren. Dagegen verdient Hr. Saint- Saena als ausübender 
Künstler unsere ganze Achtung; er gehört, was Abrundung in den 
Passagen, Feinheit des Anschlags, Grazie und Sicherheit anlangt, 
unbedingt su den Ersten seines Faches, als welcher er auch den 
Buf von Paris aus mitbringt. Dasa er auch mit Geschmack und 
Verständniss fremde Werke su interpretiren weiss, zeigte er im 
Vortrage einer „Barcarole" von Chopin und einer „Polonaise" von 
Beethoven. Auf allseitigen Beifall und Hervorruf gab er noch eine 
von ihm arraugirte „Bourre" aus einer Violinsonate von S. Bach 
su, die ihm nicht mindere Anerkennung einbrachte. Zu bedauern 
war, dass seine Leistung durch den von ihm benutzten Flügel nicht 
besser unterstützt wurde; wie wir hören, war dersolbe aus der 
Fabrik von Pleyel in Paris. Der magere, saudige Ton würde es 
uns nicht bedauern lassen, weun auch dieses Instrument jenseit des 
Rheines bliebe. (Fortsetzung folgt.) 



Nachrichten. 



München. Am 20. Novbr. fand das erste der angekündigten 
Concerte der kgl. Vocalcapelle unter Hofcapellmeister Wüllner's 
Leitung mit einem reichhaltigen und anziehenden Programme statt. 
(Näheres darüber wird wohl bald unsere regelmässige Correspondenz 
von dort bringen. Die Eed.) 

— Am 24. Novbr. veranstaltet Hr. Julius Stockhausen im 
kleinen Saale des Odeon unter gefälliger Mitwirkung des Herrn 
H. v. B ü 1 o w ein Concert. 

— Wie man sagt, soll Wagner's „Tristan und Isolde" mit Frl. 
Seehofer und Hrn. Bach mann in den Titelrollen wieder zur Auf- 
führung gebracht werden. 

Leipzig. Das fünfte Gewandhausconcert (5. Nov.) brachte in 
•dem ersten Theile seines Programms nur M e n d e ls 8 o hn'sche 
Compositionen zur Gedächtnissfeier für den am 4. Novbr. 1847 ge- 
schiedenen Meister, und zwar: „Hymne" für Sopransolo und Chor; 
Melusinen-Ouvertüre; „Winzerchor" für Männerchor (zum 1 Male); 
Ave Maria für Sopransolo mit Fraueuchor; Loreley- Finale, für 
Sopransolo und Chor — sämmtliche Sopransoli gesungen von Frau 
Peschka-Leutner; der zweite Theil des Concertes enthielt 
Beethovens Eroica. 

Coblem. Am 20. Novbr. fand in der Aula des kgl. Gymnasi- 
ums das zweite Abonnementscoucert unter Leitung des Musik- 
•directors Hrn. Dr. Hasenclever und unter der Mitwirkung des 
Hrn. Concertmeisters v. Königslöw aus Cölu statt. Man gab: 
Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber, Violinconcert von Beetho- 
ven; „Elegischer Gesaug" für Chor und Orchester von Beethoven; 
„Romauze" und „Nocturne" für Violine von W. Ernst und zum 
Schlüsse die C-dur-Sinfonie von Fr. Schubert. 

Breslau* Für den 17. Nov. ist die erste Aufführung eines neuen 
Oratoriums „Moses" von Rudolph Thoma, zu welcher Hr. Disco- 
nus Fr. Zahler von hier den Text nach Worten der heiligen 
Schrift bearbeitet hat, man sieht bestimmt der Aufführung dieses Werkes, 
welchem von den Eingeweihten viel Gutes nachgerühmt wird, mit 
Spannung entgegen. — Frau Clara Schumann hat hier einen 
dyclus von musikalischen Soireen gegeben, der von Seite des kunst- 
verständigen Publikums grosse Theilnahme fand, sowie die Concert- 
geberiu ihrerseits ihren unbestrittenen glänzenden Ruf wieder herr- 
lich bewährte. 

Wien. Am 21. Nov. erstes Concert der Frau Clara Schu- 
mann unter Mitwirkung von Fräul. Helene Magnus. Auch 
Hellmesberger und Laub haben ihre concurrirenden Quartett- 
productionen bereits begonnen. 

BrllSfel. -Das zweite populäre Concert des Hrn. Samuel 
fand; unter Mitwirkung des Pianisten Louis Brassin am 22. Nov. 
statt. Das Programm enthielt in der ersten Abtheilung: Sinfonie 
in Es-dur von Mozart; Clavierconcert in Es-dur von Beethoven, 
vorgetragen von L. Brassin. In der zweiten Abtfaeilung : Ouvertüre 
sur „Heimkehr aus der Fremde" von Mendelssohn; Fantasie für 
Ciavier und Orchester von Fr. Schubert (Brassin); Thema und Va- 
riationen aus dem Septuor von Beethoven; Ouvertüre sur Oper 
«König Manfred" von Carl Reineeke. 

— Der CercU artistique et litt&aire kündigte seinen Mit- 



gliedern mehrere musikalische Unterhaltungen für den Monat No- 
vember an. Die erste derselben wird am 19. Novbr. Hr. St<5ve- 
niers, Prof. des Conservatoriums, veranstalten. Die zweite, eine 
historische, gibt am 23. Nov. der Pianist Mortier de Fon- 
taine, welcher eine Auswahl von Claviercompositionen aus ver- 
schiedenen Jahrhunderten vortragen wird. Die dritte Unterhal- 
tung wird Ferd. Hiller am 28. Novbr. veranstalten und mehrere 
seiner zwei- und vierhändigen Clavier-Compositionen, nnter letzteren 
namentlich seine „Operette ohne Worte" mit L. Brassin zu Gehör 
bringen. Die deutschen Gesangsachen wird Professor Wernots 
vortragen. 

— Die hiesige Musikverlagshandlung von Gebrüder Schott 
kündigt die Manuscript- Partitur der vielbesprochenen Messe für 4 
Singstimmen und Orchester von Rossini an. Der Preis der Partitur 
ist auf 50 Frcs. festgesetzt. 

Paris. Das sechste Concert des Hrn. Pasdeloup brachte: 
Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber ; Sinfonia eroica von Beetho- 
ven ; Ouvertüre zu „Wilhelm Teil" von Rossini ; Andante religioso 
von Mendelssohn und „Ungarischer Marsch" von Berlioz. 

— Das The'ätre lyrique gab am 22. November eine Vorstel- 
lung zum Gedäcbtniss Rossinis. Man gab: 1. Ouvertüre zu 
„Semiramis;" 2. Gedicht von Rossini, gesprochen von Hrn. Mon- 
jauze; 3. „Inflammatus* aus dem „Stabatf gesungen von MUe. 
Schröder; 4 La Charite\ Chor mit Orchester. Hierauf „Der 
Barbier von Sevilla." 

London. Das 6. Samstagsconcert im Crystallpalast hatte fol- 
gendes Programm: Ouvertüre zur „Belagerung von Corinth" von 
Rossini; Arie aus Mendelssohn^ „Paulus" („Jerusalem" etc.) und 
Arie von Bishop, gesungen von Miss Blanche Re eves; Sonate 
für die Orgel (Nr. 4) von Mendelssohn, vorgetragen von Hrn. Dr. 
Stainer; „Der Mönch" von Meyerbeer und Arie aus „Jessonda" 
von Spohr, gesungen von Hrn. Angyalfi aus Hannover; Cavatine 
aus Rossinis n Stabat u und Lied von Benedict, vorgetragen von 
MUe. Drasdil; Sinfonie in B-dur (Nr. 4) von Beethoven und He- 
briden-Ouvertüre von Mendelssohn. Das 7. dieser Concerte brachte : 
Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber; Sinfonie von Mozart; der 
„Schattentanz" aus Meyerbeer's „Dioorah" und Arie von Händel, 
' gesungen von Mme. Lemmens-Sherington; Fantasie für Piano- 
forte, Chor und Orchester von Beethoven, Ciavierpart vorgetragen 
von Hrn. Ha US; Chor von Sullivan, vorgetragen von den Chor- 
sängern des Crystallpalastes ; Berceuse von Henselt und Caprice 
über Schuberts „Forelle" von St. Heller, vorgetragen von Hrn. 
Hall 6; „Miriam's Gesang" für Solo und Chor von Schubert, 
Solopart Mme. Lemmens-Sherington. 

— Am 16. November fand das erste der populären Montags- 
Concerte in St. James Hall unter der Leitung des Directors Arthur 
C h a p p e 1 1 statt. Das Programm derselben war folgendes : Streich- 
quartett in D-dur Op. 44 Nr. 1 von Mendelssohn, vorgetragen von 
den HH. S ai n to n, L. Ri es, H. Blagrove und Piatti; Lie- 
der von Benedict und Schubert, gesungen von Miss Wynne; So- 
nate in A-dur für Violoncell mit Clavierbegleitnng von Bocberini, 
vorgetragen von Hrn. Piatti; Sonate in Es-dur Op. 7 für Piano- 
forte, vorgetragen von Hrn. Pauer; Ouintett für Clarinette und 
Streichinstrumente in A-dur Op. 108 von Mozart, vorgetragen von 
Hrn. Lazarus und den obigen Quartettisten ; Sonate in B-dur 
für Pianoforte und Violine von Dussek, vorgetragen von den HH. 
Pauer und Sainton. Es werden von diesen populären Concerten 
in der gegenwärtigen 11. Saison derselben acht an Montags-Aben- 
den und sieben an Samstags-Morgen stattfinden. 

*«* Von dem Ciaviervirtuosen Gottschalk erfahren wir, dass 
er in Montevideo ein grossartiges Concert mit 800 Mitwirkenden 
vorbereitet, in welebem u. A. von seiner Composition eine grosse 
Ouvertüre, betitelt „Montevideo" und ein „Festmarscb," dem Kai- 
ser Don Pedro II. von Brasilien gewidmet, sur Aufführung kom- 
men sollen 

*** Der Tenscomponist Johann Strauss in Wien hat eine 
dreiactige Oper, betitelt: „Die schönen Weiber von Wien," vol- 
lendet, welehe im Carltbeater zur Aufführung kommen soll. 

*** Im Hoftheater au Wien wird eine neue Oper von Käss- 
»»7 er » »Da* Landbaus au Meudon," Text von Mosenthal, einstudJrt. 
Diese Oper ist bereits in Prag mit sehr glücklichem Erfolge «af* 
geführt worden.. 



— 192 - 



VI* London wird mit Beleibt «ehr lebhaft für die Herab* 
Setzung der enorm hohen Orebesterstimmung agitirt. So hatu. A. 
der sehr beliebte Tenorist Sims Reeves dem Directorium der 
n 8mcred Harinonte Society* mit Bestimmtheit erklärt, dass «t 
nicht eher wieder in ihren Concerten singen werde, als bis sie die 
Pariser Stimmung angenommen habe. 

%* Die Oper „Mignon" von A. Thomas wurde am 11. Novhr. 
in Hamburg mit günstigem Erfolge aufgeführt. Die Hauptrollen 
sangen: Frl. Hahn (Mignon), Frl. Langlois (Philine), Hr. Vary 
(Wilhelm Meister), Hr. Freny (Lothario) und Hr. Kaps (Laertes.) 
*** Der ausgezeichnete Violoncellist Piatti in London ist 
zum Professor an der dortigen kgl. Academie der Musik ernannt 
worden. 

*** In München ist die früher Darmstädtische, sodann 
baierisehe Hofopernsängerin Augaste Htöger, seit nicht langer 
Zeit mit dem Stallmeister des Prinzen Carl von Baiern, Hrn. L e h - 
feld, vermählt, an einem Halsleiden im Alter von 30 Jahren ge- 
storben. 

*** Aus Shanghai in China schreibt der todtgeglaubte fran- 
zösische FIStist R e* m u s a t , dass er dort eine Musikgesellschaft 
gebildet habe, mit der er Orchester- und Chorwerke zur Aufführung 
bringt. So hatte er bei Abgang seines Briefes u. A. die Absicht, 
Roestni's Stahat Aufzuführen. 

*** Der berühmte Pianist Ernst Pauer in London hat in 
Jugenheim an der Bergstrasse nicht nur für sich eine prächtige 
Villa, sondern auch für die Jugenheim er eine Kleinkinderschule 
gebaut, zu welch letzterer er die Erträgnisse der Beit mehreren Jah- 
ren zu diesem Zwecke gegebenen Concerte verwendete. 

*** Der Tenorist Roger hat eine Gesangsprofessur am Pa- 
riser Conservatorium erhalten. 

*** Der hochbejahrte Liedercomponist Dr. A. Methfessel 
Will von Braunschweig nach Leipzig übersiedeln, um seinen Lebens- 
abend in der Familie selbes Freundes, des Dichters Müller von 
der Werra, zu bescbliessen» 

*** Der Vieekönig von Egypten läset in C a i r o ein colossales 
Theater bauen, an dessen Bau 6600 Arbeiter Tag und Nacht be- 
schäftigt sind. 

*** Hr. Laube ist am 14; Nov. , nachdem ihm einige Tage 
vorher von einem engeren Freundscfaaftskreise ein Absohiedsbankett 
gegeben worden, von Wien nach Leipzig abgereist. 

*** Frau Jenny-Lind hat sich mit ihrem Gatten G o 1 d - 
Schmidt in Hamburg niedergelassen ; auoh Job. Brahma will 
dort bleibend wohnen. 

*** In Stuttgart wird in nächster Zeit eine neue Oper 
„Elsa," oder „Das Lied der Mutter, " gedichtet von E. Pasque, com- 
ponirt von Felix Hochstätter, einem begabten Dilettanten, zur Auf- 
führung kommen. 

*** Frau L n c c a ist mit zweimonatlichem Urlaub nach Peters- 
burg abgereist 

*** R. Wagner wird in Mailand erwartet, wo er der Auf- 
führung seiner Oper „Bienzi" beiwohnen will. 

*** Der Componist Alex. Dorn in Crefeld ist zum königl. 
Musikdirectpr ernannt worden. 

*** Der Tenorist Müller von Cassel ist auf drei Jahre für 
die Wiener Oper engagirt worden. 

*** Der Componist Jules Cohen iBt {zum Professor des En- 
semblegesanges am Pariser Conservatorium ernannt worden. 

%* Johannes Brahma und Julius Stockhausen werden in 
Wien gemeinschaftlich Concerte geben. 

*»* Concertmeister Eduard Singer ans Stuttgart, ein gebor- 
ner Ungar, bat in Pest swei Concerte mit glänzendem Erfolg 
gegeben. 

V Tim- Alblim für 1869 von A. Wallerstein. Dieser 
32. Jabrhaog des stets gern gesehenen Werkchens bringt eine Fülle 
reizender Melodien, die sich durch Noblesse und eine nicht zu ver- 
kennende Wärme der Empfindung vor anderen Compositionea die- 
ser Gattung auszeichnen. Auch muss anerkannt werden, dass Wal- 
lerstein es verschmäht, zu seinen Tänzen Opern- oder Liedermelodiea 
an benutzen, sondern stets bemüht ist, sich den Stempel der Origi- 
nalität »u wahren Die Vetlagshandlung von B. Seh Ott' s 8äh- 
nVfi la Main» bat auch «lesen Jahrgang in- gewohnter eleganter 
Weise ausgestattet. (Dresdener Naenr.) 



ZEIGEN. 



AMSTERDAM: Th. J. ROOTHAAN <t Gie. 



«8 



Es ist diese poetisch begeisterte Diohtung eine höchst 
dankenswerthe Gabe, auf welche wir jeden Verehrer 
der BEETHOVEN 1 sehen Muse dringend aufmerksam 
machen. (Süddeutsche Musik-Ztg.) 

GRIEKEEANDS WORSTELSTRIJD 

(Griechenlands Kampf und Erlösung.) 
BEETHOVEI'S 

Ruinen von Athen. 

Clavierauszup fl. 1. 50. (netto) Stimmen fl. 1. 50. 

Jedenfalls passt sich die fliessend und wohlklingend, 
warm und lebendig geschriebene Dichtung vortrefflich 
der BEETHOVEN'schen Musik an. Möchten die deut- 
schen Concert-Institute recht bald mit ihr einen Versuch 
machen. (Allg. Musik-Ztg.) 

Leipzig: FB. HOFMEISTER. 



3 



3 



Verlag von ROB. FORBERG in Leipzig. 

Nova-Sendung N° 6. 1868. 

Arnold * P« Op. 10. La belle Tyrolienne. Morceau pour 

Piano. 10 Ngr. 
Sieiiee, Rieh* Op. 179. Zündnadel und Chassepot. Komi- 
sches Duett für zwei Hinterlader. (Tenor und Bass) mit Beglei- 
tung des Pianoforte. 20 Ngr. 
Gotthard, J. P. Op. 54. Vier Charactersthcke für das Piano- 
forte. — Kr. 1. Notturno, 5 Ngr. Nr. 2. Humoreske, 10 Ngr. 
Nr. 3. Scherzo, 10 Ngr. Nr. 4. Albaroblatt, 5 Ngr. 
Rrugf Ä. Op. 196. Bosenknospen. Leichte Tonstücke ober 
beliebte Themas ohne Octavenspanuungen und mit Fingersatz* 
bezeichnung für das Pianoforte. 

Nr. 37. H&lzel. Mein Liebster ist im Dorf der Schmid. 10 Ngr, 
„ 38. Neuiiiailil. Wenn du noch eine Mutter hast. 10 Ngr. 
„ 39. Prodi. Das Alpenhorn. „Von der Alpe tönt das 

Horn. B 10 Ngr. 
„ 40. UTIeoIal. Duett aus den lustigen Weibern von Wind- 

sor. »Wie freu* ich mich/ 10 Ngr. 
„ 41. Gumbert Die TbrSne. „Macht man in's Leben 

kanm den ersten Schritt. 4 10 Ngr* 
„ 42. Eilelse» Anf Wiedersehen! „Sonnenlicht, Sonnen- 
schein." 10 Ngr. 
UTeilinAnil, SS* Zwei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung 
des Pianoforte. 

Nr. 2. „Wenn Gott dir liebe Kinder gab," Gedicht von W. 
Kaulisch. 5 Ngr. 

— Für Alt (Bariton) oder Bass. 5 Ngr. 

Oefttem» Th» Op. 406. Italienische Serenade für das Piano- 
forte. 15 Ngr. 

— Op. 407. Jägers Lust. Clavierstfick. 15 Ngr. 

— Op. 408. Schlesische Lieder. Fantasie über schlesische Volks- 
weisen für das Pianoforte. 15 Ngr. 

Sehtmal&y Fred. Op. 29. Impromptu-Polka ponr Piano. 15 Ngr. 

— Op. 32. Sonette pour Piano. Nr. 1. und 2. i 5 Ngr. 
Zedtler, A« Op. 42. Emma. Nocturna pour Piano. 12 Vt Ngr. 

Neuer Verlag von Breitkopf 6 Hftrtel in Leipzig. 

SäozarVs Opern in Partitur. 

Kritische Ausgabe von Juliufi Biets. 
Gleichwichtig für Musiker, Sammler, Operndireetionen. 

Erschienen : 
Idom«B60. Preis 10 Thaler. 
E&tftbrung aas dem ImlL Preis 9 Thaler. 
Die Übrigen Opern sollen in angemessenen ÄeltrUumen nachfolgen. 

___ , ^_£x-> — ^ ^—j ^ , — : _ 

Vtrcmt*. RhL Ed. FScttrer. Druck ?. Carl WaUau, Mainz. 



17. Jahrgang. 



fr* 49. 



7. December 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 
Man abonnirt bei allen Post- 
ämtern, Musik- & Buchhand- 
lungen. 



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B. SCHOTTS SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 






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fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg. 

für den Jahrgang. 

Durch die Post bezogen: 

50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. 



1 



■vi 



IRHALT: Literatur. — Neue Vocalmusik. — Corresp.: Leipzig. Cöln. Frankfurt a. M. Paris. — Nachrichten. 



Literatur« 



Meine Erinnerungen an Felix Mendelssohn- 
Bartholdy und seine Briefe an mich. Von 
Eduard Devrient. Leipzig. J. J. Weber. 1869. 
In 8° VI. und 290 S. Mit dem Portrait Mendels- 
sohn's in Stalstich. 

Eduard Devrient, der treue Freund und Kuostgenosse 
Mendelssohns, hat durch die Veröffentlichung seiner Erinnerungen 
an ihn nicht blos dem Verlangen seines Herzens Genüge gethan, 
und dem heimgegangenen Freunde seine Pietät bewiesen, sondern 
allen Verehrern des grossen Meisters einen wesentlichen Dienst 
erzeugt und in unserer musikalischen Literatur eine fühlbare Lücke 
ausgefüllt, da wir bis jetzt eigentlich noch gar keine Biographie 
Mendelssohn' s besitzen, denn die kritische Darstellung seiner Com- 
Positionen von Beissmann kann als solche nicht gelten. Zwar 
soll D e v r i e n tfs Arbeit, was schon ihr Titel sagt, die Stelle einer 
Biographie gleichfalls nicht vertreten; sie enthält aber dessen un- 
geachtet so interessante biographische Mittheilungen, dass wir durch 
sie in den Lebensgang des Verblichenen eingeweiht werden und die 
Geistes- und Gemüthseigenthümlichkeiten des Meisters kennen ler- 
nen. Die Kunstschöpfungen eines Künstlerlebens stellen uns seine 
höchsten Geistesblüthen dar. Sie, sowie überhaupt jede unmittel- 
bare Kundgabe des künstlerischen Geistes, wozu wir auch dessen 
Briefe über seine Kunst rechnen, erregen unser lebhaftes Interesse 
nicht nur, weil sie uns einen Einblick in die Thätigkeit seines Gei- 
stes gestatten, sondern insbesondere auch, weil sie uns seinen Le- 
bensschicksalen näher bringen und uns mit dessen Charactereigen- 
thümlichkeiten vertraut machen. Von doppeltem Werthe jedoch 
erscheint uns Devrient's Gabe, weil er Mendelssohn von sei- 
nem Knabenalter an bis zu seinem frühen Tode nahe stand und 
auf dessen Kunstschöpfungen, man vergleiche nur die Bemühungen 
Devrient's für den Meister einen Operntext zu gewinnen und be- 
lausche die Unterredungen beider hierüber, nicht ohne Eiofluss war. 
Die „Erinnerungen" Devrient's an den unvergleichlichen Freund 
bilden überdies eine Ergänzung dessen, was bis jetzt über Mendels- 
sohn-Bartholdy veröffentlicht wurde, und sind um desswillen für 
jeden Verehrer seiner Muse eine höchst schätzenswertbe Gabe. Wir 
enthalten uns jeder speciellen Mittheilung aus dem Buche und 
schliessen mit der Versicherung, dass jeder Leser dasselbe wegen 
seines formellen und materiellen Werthes vollkommen befriedigt 
aus der Hand legen wird. Der Liebe und hohen Verehrung des 
Kunstgenossen für den Hingeschiedenen gebührt unser herzlichste 
Dank. — H. 



Heue Vocalmusik. 



Unter den jüngsten Publicationen des Schottischen Verlages 
kamen uns einige zu, deren wir nicht umhin können besonders 



lobende Erwähnung zu thun. Da sind zunächst C. Kammer lan- 
de r's zwei Terzetten für zwei Sopran und Alt oder Tenor, Bariton 
und Bass, wobei uns nur dieses „oder" nicht recht einleuchten will ; 
der Satz für Frauenterzett ist nämlich sehr verschieden von jenem 
für Männerterzett; dort vertritt die dritte Stimme den Tenor, hier 
den wirklichen Bass: was also z. B. für Alt ganz gut klingt, wird 
nicht zugleich auch dem Bass anstehen, und so umgekehrt. Sonst 
aber sind die Motive gut erfunden, die Stimmen sauber geführt und 
das Ganze zeigt von gesunder Begabung und natürlichem Geschmack ; 
einige Schwächen und Gedankenlosigkeiten in der Declamation ge- 
mahnen noch an die Provinzialstadt, wo der junge Autor seine er- 
sten Flüge versuchte und die er im Verkehr mit tüchtigen stylrei- 
nen Mustern am sichersten abstreifen wird. 

Der Sprung von erfreulichen Erstlingen zu den Leistungen vol- 
lendeter Meister ist etwas weit: wir begegnen nämlich sogleich 
zwei Brüdern Lachner, deren einer Franz uns mit seinem „Zi- 
geunerlied" (für Solobass, Männerchor und Pianoforte) eine gar 
freundliche Gabe bietet« Mit der schlagendsten Characteristik in 
Melodie und ßhythmus vereinigt sich hier als weiterer Vorzug noch 
eine besondere Leichtigkeit der Ausführung, so dass ohne Zweifel 
unsere Männergesangvereine eifrig nach einem Stücke greifen wer- 
den, an dem sie sich ohne grosse Mühe eine höchst dankbare Pro- 
grammnummer gewinnen. — Der andere Bruder, Vinco nz, ist zwar 
ziemlich karg mit seinen Veröffentlichungen: bringt er aber etwas, 
so darf man sicher sein, dass es vortrefflich ist Diese „zweistim- 
migen Kinderlieder" sind zwar wie S c h u m a n n's „Kinderscenen* 
und Aehnliches nicht so fast für Kinder als für Erwachsene be- 
stimmt, wie denn der reife reflectirende Geist aus der absichtlichen 
humoristischen Naivität und Ungeschicklichkeit sogar mehr Freude 
zu ziehen weiss, als die Jugend selbst. Hier beschenkt uns nun 
der Tondichter mit den anmuthigsten Duettinos so recht für junge 
Frauen geschaffen, die für die scheinbar unbedeutendsten Aeusse- 
rungen kindlicher Leiden oder Freuden Interesse fühlen. Daneben 
aber fesselt er den Kenner fast in jedem Tacte durch einen jener 
feinen Züge, wodurch sich der Meister von den dilettantischen 
und ungeschulten Parasiten des glücklichen Zufalls unterscheidet; 
bald ist es eine verborgene Nachahmung, bald eine characteristische 
Stimmführung, bald wieder ein sinniges Ritornell, wo die Löwen- 
klaue des scherzenden Contrapunktisten hindurchblickt ; „der Reiter- 
mann," die „Engelküche" und das „Schlaf liedchen" zeichnen sich 
in dieser Beziehung ganz besonders aus. Dass fast alle Nummern 
im V*"Tact stehen, könnte bedenklich scheinen; doch ist der Un- 
terschied immer lebhaft genug; mehr anzufechten wäre die Text« 
spräche, welche weder rein hochdeutsch bleibt, noch irgend einem 
bestimmten Dialecte angehört, sondern allerlei sonderliche und un- 
erhörte Wortbildungen durcheinander wirft; doch stört das nicht 
zu sehr. 

Schliesslich sei es gestattet, auch die besten Gesangsnovitäten 
anderer Verlagshandlungen in Kürze zu erwähnen ; es sind zunächst 
H ille r's „Ostermorgen" für Sopransolo, Männerchor und Orchester, 
Brambach'SffAlcestis" (Kistner), E. F. Eichter's Op. 86. 



- 194 — 



Jür Frauenstimmen (Craoz) and J. A. Josephsobn's Duetten 
für Sopran und Baas (Breitkopf & Härte 1), lauter Werke, 
die mit Frische der Erfindung auch Correctheit der Factur und 
leichte Ausführbarkeit verbinden. L. Stark. 



CORRESPONDENZEK. 



Aus Leipzig. 

(Fortsetzung.) 

Zum dritten Abonnements - Concerte , das am 22. October 
stattfand, hatten sich drei Gäste eingefunden, die dasselbe zu einem 
höchst interessanten machten: Hr. Joseph Joachim mit seiner 
Gattin und Hr. Capellmeister Max Bruch. Letzterer brachte eine 
Sinfonie in Es-dur, Op. 28, zur erstmaligen Aufführung und appel- 
lirte, indem er sich auf den heissen Boden des Gewandhauses stellte, 
gleich damit an eine in solchen Dingen nur schwer zu befriedigende 
Instanz. Dass der Urtheilsspruch für ihn höchst günstig ausfiel, 
bewies der von allen Seiten nach jedem Satze gespendete reiche 
Beifall und schliesslicher Hervorruf. Bruch ist von den jungem 
Componisten der fruchtbarste, weil der begabteste; seine Oper 
„Loreley," seine Scenen aus der Fritbjofssage etc. hatten ihm bereits 
einen grossen Kreis von Verehrern und Freunden erworben und 
einen freundlichen Empfang gesichert; die Achtung, die man seinem 
künstlerischen Schaffen zollte, ist durch dies neue Werk nur ver- 
mehrt worden, welches von entschiedener Bedeutung ist. Dass man 
hie und da Anklänge au Mendelssohn und Schumann heraushört, 
daraus machen wir ihm keinen Vorwurf; welchem Meister wäre es 
in der ersten Periode seines Schaffens nicht ähnlich ergangen? Es 
beweist nur, dass die Richtung, die er verfolgt, nichts mit dem 
Treiben der sogenannten neueren Schule sit venia verbo zu thun 
hat, dass er auf einen gesunden Boden weiter baut* Und gesund 
ist Brach's Musik. Einzelne Auswüchse, wozu wir eine zuweilen 
schwülstige Ausdrucksweise , ein nicht hinlänglich klares, durch 
allerlei Nebenwerke verdunkeltes Hervortreten des Hauptgedankens 
rechnen, werden mit der Zeit vergehen. Frisch und warm kommen 
die Gedanken aus seinem eigensten Innern, Erfindungs- und Gestal- 
tungsgabe ergänzen sich harmonisch, und lebendig ziehen die musi- 
kalischen Bilder, oft in echt dramatischer Färbung, nie ermüdend 
and abspannend an uns vorüber. Alle die reichen Hülfsmittel der 
Technik bandhabt er mit Leichtigkeit, ohne damit aufdringlich zu 
werden, und frei von Manier und Affeetation spricht er sich iu kräf- 
tiger und entschiedener Weise aus. Von den drei — oder wenn 
wir das kurze Orave vor dem Finale als einen eigenen rechnen — 
von den vier Sätzen der Sinfonie haben uns besonders das Scherzo 
und das Finale angemuthet, während die oben gerügten Mängel 
sich in dem ersten am meisten geltend machten. Die Ausführung 
unter des Componisten eigener Direction war eine fast durchweg 
treffliche. Den Erfolg, den Bruch mit seiner Sinfonie errang, die 
den zweiten Theil des Concertes ausfüllte , darf er übrigens um so 
höher anschlagen, als der erste in glänzender Weise an uns vor- 
übergegangen und die Stimmung und Erwartung des Auditoriums 
dadurch bedeutend in die Höhe geschraubt war Man hatte jenen 
mit einer glänzenden Wiedergabe der grossen „Leonoren"- Ouvertüre 
Nr. 3 von Beethoven eröffnet; nach dieser sang Frau Joachim 
eine von Mozart zu „Figaro's Hochzeit" nachcomponirte Arie : 
T Al desto di chi fadora, vieni* die allerdings nicht zu den bedeu- 
tendem Werken des unsterblichen Meisters gehört. Die Sängerin 
entledigte sich ihrer Aufgabe in der sie characterisirenden noblen 
aristoeratischen Manier, die nie verfehlen wird, ihr reichen Beifall 
namentlich von Seiten des feineren Publikums einzubringen. Wär- 
mer noch war der Beifall, weil auch die Vortragsweise, nach dem 
zweiten der beiden Lieder : „Mainacht" von Johannes B r a h m s 
und „Die Hütte" von Bob. Schumann. Während Brahms müh- 
selig sucht, da hat Schumann schon den rechten Ton getroffen ; die- 
sem ist die Natur ein offenes Buch , jener möchte sie sich erst zu- 
rechtlegen, wie's ihm passt. Dass Frau Joachim trotz wiederholten 
Hervorrufes der Mode des Zugebens nicht fröhnte, können wir ihr 
nicht verargen. Zwischen den beiden Gesangsvorträgen spielte Hr. 
Joachim Recitativ, Adagio und Allegro (erster Satz) aus dem 



sechsten Concerte für die Violine von L. Spohr mit jener Meister- 
Iicbkeit, die ihn vor allen kennzeichnet. Ihm gegenüber ist es wohl 
überflüssig, der enthusiastischen Beifallsbezeugungen zu gedenken, 
die seinem Vortrage nach jedem Satze folgten. Den Schluss des 
ersten Tbeiles machte Adagio und Fuge (C-dur) für die Violine 
von J. S. Bach. Unsere Ansicht, dass diese Solostücke für die 
Violine sich nicht zum Vortrag in den Concertsaal eignen, wäre 
auch nicht alterirt worden, selbst wenn uns nicht, wie es an diesem 
Abende geschah, der Beweis geliefert worden wäre, dass auch ein 
Meister, wie Joachim, seine schwachen oder wenigstens nicht glück- 
lichen Stunden haben könne. Sie sind bestimm* für's Studium, 
gehören ins Arbeitszimmer des Künstlers. Mögen sie noch so voll- 
endet gespielt werden, so gewähren sie nicht den Genuss, den ein 
wahres Kunstwerk uns geben soll, und wenn das Publikum schliess- 
lich der Mode oder einem kleinen Autoritätsglauben huldigend nach 
Herzenskräften applaudirt, so ist dieser Applaus weniger ein Dank 
für das, was es gehört, als eine Anerkennung dessen, was es ge- 
sehen, der Lohn für körperliche Anstrengung, für mühseliges Ab- 
arbeiten. Von Hunderten wird kaum Einer rufen : „ach, wie schön l" 
alle übrigen aber mit mitleidigem Ton: „wie schwer!" 

(Fortsetzung folgt.) 



Aus C ti 1 



Das zweite Gesellschaflsconcert fand am 3. Novbr. mit fol- 
gendem Programm statt: I. Abtheilung: Sinfonie in G-moll von 
Mozart; Arie aus „Alcina" von Händel, gesungen von Fräul. 
Valesca v. F.acius aus Berlin; Clavierconcert, componirt und vor- 
getragen von Hrn. Camille Saint-Saens aus Paris; Chöre und 
Soli aus „Der Sieg der Zeit und der Wahrheit" von Händel (zum 
1. Male), die Soli vorgetragen von Frl. Anna Weise aus Neuss, 
Schülerin des Conservatoriums. II. Abthlg.: Ouvertüre zu „Medea" 
von Cherubini; Lieder von Schubert, Hiller und Schumann, 
gesungen von Frl. Facius; „Barcarole" von Chopin und »Polo- 
naise" von Beethoven für Pianoforte (Hr. Saint - Saeens) und 
Ouvertüre „Im Hochland" von N. W. G a d e. 

Die Executirung der Mozart'schen Sinfonie Hess nichts zu wün- 
schen übrig; leider wurde der gebotene Genuss durch die von den 
später kommenden Zuhörern verursachte Unruhe erheblich beein- 
trächtigt. Vielleicht hätte überhaupt dieses reizende Werk am 
Schlüsse des Concertes eine passeudere Stelle gefunden, als am An- 
fange desselben. Frl. Facius vermochte mit der aus ihrem Zu- 
sammenhange in dem betreffenden Werke herausgerissenen Arie von 
Händel umsoweniger einen Erfolg zu erzielen, als sie auch nicht 
durch hervorragende Qualitäten der Stimme oder Vortragsweise ein 
über das Gewöhnliche hinausgehendes Interesse zu erwecken vermag. 
Erst mit ihren Liedervorträgen gelang es ihr, das Publikum zu leb- 
haften Beifallsäusserungen zu bewegen. Hr. Saint-Saens be- 
währte sich als ein ganz vorzüglicher Pianist, hinter welchem 
jedoch der Componist weit zurückbleibt. Am hübschesten hörte 
sich noch das Scherzo seines Concertes an. Der erste Satz ist 
formlos und unstät im höchsten Grade und das Schlussstück besteht 
zumeist aus Tanzmelodien. Grossen und verdienten Beifall erntete 
der Virtuose mit dem Vortrag der beiden Stücke von Chopin und 
Beethoven, so dass er noch eine „Bourr6" von Bach zugab. Die 
Händel'schen Chöre gingen, mit Ausnahme eines Jagdchors, obwohl 
sehr gut aufgeführt, dennoch spurlos vorüber. Die beiden Ouver- 
türen wurden vortrefflich gespielt. 

Das dritte Gebellschaftsconcert , am 17. November, brachte : 
Ouvertüre zu „Iphigenie in Aulis" von Gluck; die fünfte Suite 
für grosses Orchester von Fr. L aebner (vom Componisten selbst 
dirigirt) und „Orpheus und Euridice," Oper in 3 Acten von Gluck; 
Orpheus, Frau Joachim; Euridice, Frl. Scheuerlein aus Cöln; 
Amor, Frl. Beckmann aus Düsseldorf. — Die Gluck'sche Ouver- 
türe fand eine höchst gediegene Wiedergabe und dieser entsprechende 
Aufnahme von Seite des Publikums. Vielleicht würde jedoch ein 
etwas beschleunigteres Tempo des Allegro die Wirkung noch 
erhöht haben. Ausserordentlich günstigen Erfolg hatte die neu- 
este Suite von Franz Lachner, welche von dem Orchester 
unter der meisterhaften Leitung des Componisten mit sichtlicher 



— 195 - 



Freude und grosser Vollendung vorgetragen wurde. Da Ihr Blatt 
bei Gelegenheit der ersten Aufführung dieses Werkes in Frankfurt 
a. M. schon Ausführlicheres über dasselbe gebracht hat, so können 
wir uns kurz dahin fassen, dass dem Triumphe, welchen der vor- 
treffliche Meister im Jahre 1869 bei der ebenfalls unter seiner Lei- 
tung stattgefundenen Aufführung seiner ersten Suite dahier gefeiert 
hat, die höchst günstige Aufnahme, deren sich sein neuestes Werk 
bei dem hiesigen Publikum sowie be.i der gesammten Kritik zu er- 
freuen hatte, ebenbürtig zur Seite steht. Lachner wurde nach dem 
Schlüsse der Aufführung jubelnd hervorgerufen und ein schmettern- 
•der Orchestertusch erklang, als H i 1 1 e r dem hochverdienten Künst- 
ler einen Lorbeerkranz überreichte. — Eine wahrhaft herzerquickende 
"Gabe war die Aufführung des „Opheus" von Gluck, und es war 
nur zu beklagen, dass die Auslassung verschiedener, zum Totalver- 
ständniss nöthiger Nummern durch die Rücksicht auf die sonst über- 
grosse zeitliche Ausdehnung des Concortes geboten war. Frau Joa- 
chim fand hier Gelegenheit, ihren ganzen reichen Stimmfond, ihre 
ganze Gefühlstiefe und Innigkeit zu entfalten, was besonders im 
zweiten Theile der Fall war. Aber auch die anderen beiden Soli- 
stimmen und namentlich Chor und Orchester leisteten Vortreffliches 
und so trug denn das zahlreiche Publikum einen so tiefen und 
nachhaltigen Eindruck von dem vielen Schönen und Erhabenen, 
das dieser Abend geboten hatte, mit nach Hause, wie man ihn gerne 
unter seine liebsten derartigen Erinnerungen einreiht. 

Am 23. Novbr. fand die erste der Soireen für Kammermusik 
statt, welche die HH. v. Königslöw, Japha, Derkum und 
Bensburg zur Freude der wahren Musikfreunde wieder angekün- 
digt hatten, doch trat diesmal an die Stelle des erkrankten Hrn. 
Derkum als wackerer Stellvertreter bei der zweiten Violine Herr 
Leonhard Wolff ein. Streichquartett, Op. 41 Nr. 3 in A-dnr, von 
R. Schumann; Ciavierquartett von Ferd. Hill er (neu); Streich- 
quartett, Op. 59 Nr. 8 in C-dur, von Beethoven und Fantasie 
für Pianoforte, Op. 110, von F. Hiller — so lautete das Pro- 
gramm. Das Schumann'sche Quartett, in gediegenster Weise exe- 
•cutirt, erfreute sich sehr beifälliger Aufnahme. Bei all den vielen 
■Schönheiten dieses Werkes machte uns jedoch dasselbe dennoch hie 
und da den Eindruck des Gesuchten. Hiller's neues Clavierquar- 
tett ist ein gar schön gearbeitetes Werk, dem natürlich auch die 
bekannte Virtuosität und der feine Vortrag des Componisten gar sehr 
-zu statten kam. So wie das Schumann'sche wurde auch das Beetho- 
ven'scbe Quartett meisterhaft interpretirt und der hinreissende Vor- 
trag der geistvollen Ciavierfantasie von Hiller durch den Compo- 
nisten schloss den genussreichen Abend in befriedigendster Weise. 

Noch eine kurze Bemerkung möchten wir uns erlauben. Die 
Soireen finden jetzt im grossen Casinosaale statt, dessen Akustik 
keine günstige ist. Dieser Missstand wird noch verstärkt durch die 
gegenwärtige Aufstellung des Podiums und wir geben den betreffen- 
den Herren zu bedenken, dass die Klangwirkung bedeutend erhöht 
werden dürfte, wenn sie ihren Platz gerade gegenüber ihrem jetzi- 
gen Standpunkt einnehmen würden. Ein Versuch in diesem Sinne 
dürfte wohl anzurathen sein. 



Aus Frankfurt a. M« 



Am 17. Novbr. gab unser „Philharmonischer Verein" unter Mit- 
wirkung von Frl. Daum und Frl. Deiner, sowie eines grossen 
Theils des Museumsorchesters, im Saalbau sein erstes Concert. Zur 
Eröffnung desselben hörten wir die Ouvertüre zu Web er's „Oberon," 
die für einen Verein wie der philharmonische, welcher grossentheils 
«us Dilettanten besteht, schwungvoll genug executirt wurde. Frl. 
Daum spielte das Capriccio brillant in H-moll für Pianoforte von 
Mendelssohn nebst zwei andern Solostücken mit grosser tech- 
nischer Fertigkeit und so richtigem Verständniss , dass man ihr bei 
fernerem Fleiss ein sehr günstiges Prognosticon stellen kann. Frl. 
Deiner versuchte sich in einer Arie aus „Idomeneus" und zwei Lie- 
dern als Concertsängerin und gefiel. Es giebt keine herrlichere 
Musik als die, welche sich durch die menschliche Stimme offenbart, 
wenn dieselbe, von äussern Einflüssen unbeeinträchtigt, gesund 
•und frei der Brust entströmt — und die Natur hat Frl. Deiner mit 
einer so reichen und volltönenden Stimme begabt, dass man im In- 



teresse der Kunst wünschen muss, sie möge nicht, wie so viele an- 
dere schöne Stimmen, dem modernen krankhaften Tremoliren ver- 
fallen und dadurch einem frühen Ruin entgegengefahrt werden. Die 
Aufführung der Sinfonie in C-moll von Beethoven, welche den 
zweiten Theil des Concerts bildete , Hess deutlich erkennen , wie 
energisch und mit welch zäher Ausdauer Hr. Director Friedrich 
den philharmonischen Verein leitet und einer steten Vervollkomm- 
nung entgegenführt. 

Das Programm des vierten Museumsconcerts brachte als 
ersten Theil : 1) Ouvertüre zur Oper „Genoveva" von R. Schu- 
mann, 2) Arie aus der Oper »Die Vestalin" von Spontini, ge- 
sungen von Frl. A. Strauss aus Basel, 3) Concert für Pianoforte 
in E-moll von Chopin, vorgetragen von der kgl. württemb. Hof- 
pianistin Frl. A. Mehlig, 4) Liedervortrag von Fr. Strauss: 
a. „Mit Myrthen und Rosen," b. „Der Hidalgo" von R. Schu- 
mann, 5) Solovortrag von Frl. Mehlig: a. Präludium und Fuge 
in E-moll von Mendelssohn, b. Soirdes de Vienne (A-moll) 
nach Fr. Schubert, von Fr. Liszt, — und als zweiten Theil des 
Concerts die Sinfonie in A-dur von Beethoven. 

Man kann es nur gut heissen, dass das Concert mit der Ouver- 
türe eröffnet wurde, und nicht, wie es häufig zu geschehen pflegt, 
der Schwerpunkt des Concerts, die Sinfonie, an die Spitze gestellt 
ward, die Ouvertüre dagegen, ganz ihrem Character zuwider, den 
Schluss bilden muss. Ouvertüre und Sinfonie wurden exaet und in 
kühn beschwingtem Tempo ausgeführt. Frl. Mehlig hat durch ihr 
erstes Pianosolo unserm Museumspublikum schon vor Jahren ihr 
Künstler- Creditiv fiberreicht und ist uns stets ein hochwillkommener 
Gast. Sie beherrschte auch heut das Concert von Chopin und die 
übrigen Solostücke mit gewohuter Virtuosität. Den vocalen Theil 
des Concerts repräsentirte Frl. Strauss, eine Kunstnovizin — wie 
es schien — mit jugendlicher Stimme von ziemlichem Umfang und 
lieblichem Timbre« Unterstützt von einer guten Gesangsmethode 
erntete dieselbe in den im Programm verzeichneten zwei Liedern 
und in einem dritten, das sie selbst accompagnirte , vielen Beifall. 
In der vorhergehenden Arie aus der „Vestalin" wäre jedoch, um 
die Schmerzen eines von Liebe und Verzweiflung erfüllten weib- 
lichen Herzens zum vollen Ausdruck zu bringen, eine charakteri- 
stischere Auffassung und mehr Tonfülle der Stimme zu wünschen 
gewesen. (Schluss folgt.) 



Aus Paris. 

SO. November. 

Rossini ist noch immer der Gegenstand vieler Ovationen. 
Die grosse Oper hat seinem Angedenken zu Ehren vorgestern „Wil- 
helm Teil" aufgeführt und wie es sich von selbst versteht, vor 
einem überfüllten Hause. Nach dem zweiten Acte wurde die Büste 
des verewigten Compositeurs unter dem rauschenden Beifall des 
Publikums bekränzt, das eine Menge Immortellenkränze auf die 
Bühne warf. Während dieser Bekränzungsscene wurde das Finale 
des letzten Actes von „Wilhelm Teil" unter Mitwirkung der Herren 
Fau r e und Villaret und der Damen Bloch und B a t tu ge- 
sungen. Die Deputation von Pesaro wohnte der Darstellung bei. 

Die „Hugenotten," von deren erster misslungener Wiederauf- 
führung ich Ihnen berichtete, werden jetzt weit besser und daher 
mit glänzendem Erfolge dargestellt. Madame C a r v a 1 h o, die von 
der Direction auf drei Jahre engagirt worden , trägt in der Rolle 
der Marguerite nicht wenig zu diesem Erfolge bei. 

Die neue Oper von Ferdinand Poise, „£« Corriroh," findet 
in der Optra comique viel Beifall. In demselben Theater wird 
„ Vert - Vert* von Offenbach einstudirt. 

Das Italienische Theater hat am Tage der Beerdi- 
gung Rossini's dessen Stabat aufgeführt und bringt jetzt ausschliess- 
lich Rossiui'sche Opern zur Darstellung. Vorige Woche sind dort 
„Semiramis" und „Barbier von Sevilla" abwechselnd gegeben worden. 

Das Tkeatre lyrique hat es gewagt, dem Publikum Gluck's 
„Iphigenie auf Tauris" vorzuführen. Das Publikum, an eine solche 
classische Kost noch nicht gewohnt, ist ein wenig verblüfft; es 
wird sich aber nach und nach gewiss daran gewöhnen. 

G o u n o d , der sehr leidend ist, geht nach Rom, um dort Er* 
holung zu suchen. 



- 196 - 



Nachrichten* 



Maini. Die Liedertafel und der Damengesangverein 
feierten am 28. Novbr/ ihr alljährliches Cäcilienfest mit einem don- 
nerte, in welchem unter Leitung des Vereinsdirigenten Hrn. Fr. 
Lux die Ouvertüre zur Oper »Der Schauspieldirector" von Mozart, 
das Clavierconcert mit Orchesterbegleitnng in G-moll von Mendels- 
sohn, vorgetragen von Frau Betty Schott, drei „Ausländische 
Volkslieder", für gemischten Chor bearbeitet von Jul. Mai er und 
Beethoven's vollständige Musik zu dem Festspiel „Die Ruinen 
von Athen" mit Text und verbindender Declamation von Heller 
zur Aufführung kamen. Die liebliche Mozart'sche Ouvertüre wurde 
in recht gelungener Weise wiedergegeben* Frau Schott bewährte 
mit dem in jeder Beziehung vortrefflichen Vortrage des Mendels* 
sohn'schen Concertes sich aufs Neue als eine Virtuosin von feinem 
Geschack und vollendeter Technik. Bauschender Beifall zeugte von 
der freudigen Anerkennung so gediegener Leistung von Seite des 
ausserordentlich zahlreichen Publikums, welches auch bei dem bril- 
lanten Vortrage der beiden Solostücke : „Zur Guitarre" von Hiller 
und „Walzer" von Lysberg sich nicht minder dankbar zeigte. 
Eine recht interessante Gabe waren die drei originellen Volks- 
lieder — ein schottisches, ein b'ömisches und ein irisches, — auch 
war die Wiedergabe derselben im Ganzen eine recht anerkennens- 
werte, obwohl die schwache Besetzung des Damenchors zu be- 
klagen war, umsomehr, als sie ein merkliches Herabdrücken der 
Intonation zur Folge hatte. Das Beethoven'sche Werk hätten wir 
gar gerne mit dem neuen, von Dr. Hei je in Amsterdam verfassten 
Text: „Griechenlands Kampf und Befreiung" gehört, da auch die 
Heller'sche Bearbeitung die Albernheit des ursprünglichen Textes 
von Eotzebue nicht ganz zu maskiren im Stande ist , doch müssen 
wir dem Vorstande für die im Ganzen recht gelungene Vorführung 
des interessanten und lange nicht mehr gehörten Werkes dankbar 
sein. Der Saal und die Nebenzimmer waren mit Zuhörern gefüllt) 
welche zum grössten Theile auch an der nach beendigtem Concerte 
stattfindenden Tanzunterhaltung tbeilnahmen und in grösster Heiter- 
keit bis zum nahenden Morgen versammelt blieben. E. F. 

Leipzig. Das sechste Gewandhausconcert fand am 12. Nvbr. 
mit folgendem Programm statt: Suite in canonischer Weise für 
Streichinstrumente von J. O. Grimm; Arie aus der „Vestalin" von 
S p o n t i n i und zwei Lieder von G 1 u ck und S ch u m a n n, gesungen 
von Frau Sophie Förster aus München; Violinconcert von Pa- 
ganini und Polonaise, componirt und vorgetragen von Hrn. Bese- 
kirski aus Moskau; Sinfonie Nr. 2 von B. Schumann. 

— Dr. Franz Brendel, Lehrer für Geschichte der Musik und 
Declamation am hiesigen Conservatorium , Bedacteur der „Neuen 
Zeitschrift für Musik" , Bitter mehrerer Orden etc. etc., ist am 25. 
November Mittags 12 Uhr in Folge eines Lungenschlags gestorben. 
Der Verblichene hat viel über Musik geschrieben, darunter auch 
eine Geschichte der Musik, die freilich sehr das Gepräge seiner 
Parteistellung trägt. Dr. Brendel war bekanntlich einer der eifrig- 
sten und begabtesten Vorkämpfer für die sogenannte „neudeutsche 
Schule", doch ist ihm auch seine stets bewährte, lebhafte Theil- 
nahme für die Interessen der Tonkunst im Allgemeinen nach- 
zurühmen. 

München. Franz Lachner, mit reichlichen Lorbeern von 
seiner Beise nacbFr a n kf urt a.M.,Cöln und Aachen wieder 
hierher zurückgekehrt, wurde mit einem neuen Beweise der Aner- 
kennung seines langjährigen verdienstvollen Wirkens in unserer 
Stadt überrascht. Es wurde ihm nämlich von etwa 300 seiner hie- 
eigen Verehrer am 30. Novbr. ein Ehrengeschenk bestehend in einem 
kostbaren und kunstreich gearbeiteten silbernen Tafelaufsatze , der 
nach dem Entwürfe des Director Dyck von dem Silberarbeiter 
Harr ach in gelungenster Weise ausgeführt ist, überreicht. Das 
ebenso sinnige als gemackvolle Geschenk ist reich an Beziehungen 
zu Lacbner's Werken. In einer beigelegten Adresse wird dem Ge- 
feierten der Dank für seine langjährige Thätigkeit im Gebiete der 
Tonkunst und die Hoffnung ausgesprochen, dass seine schaffende 
Kraft auoh forthin stets kühner und freier die Schwingen heben 
möge, jugendfrisch und verjüngend bis ins höchste Alter. Es war 
ein Act der Pietät, der einem verdienten Manne gebracht wurde. 
Am Vorabende dieser Ueberraschung wurde zufällig Lachner's Oper 
»Catharina Coruaro" gegeben und mit grossem Beifall aufgenommen. 



— Frl. M a 1 1 i n g e r hat bei S. M. dem Könige um sofortige 
Entlassung aus dem Verbände des hiesigen Hoftheaters nachgesucht» 
nachdem man ihr 7000 fl. Gage, 85 fl. Spielhonorar, 1000 fl. Pension 
nach sieben Dienstjahren, 3 l / a Mooate Urlaub, zwei Theaterplätze, 
freie Garderobe und Heirathsconsens , sowie das Mitengagement 
ihres Verlobten, des Schauspielers vonDüringsfeld angeboten hatte, 
wodurch die der Donna capricciosa von Berlin aus zugesicherten 
Bedingungen bedeutend übertroffen werden. 

Aachen. Das am 19. Novbr. stattgefundene zweite Abonne- 
mentconcert wird wohl lange Zeit in der Erinnerung unseres freund- 
lichen Publikums als ein besonderer Glanzpunkt lebendig bleiben. 
In diesem Concerte trat nämlich Frau J o a ch i m hier zum ersten 
Male auf und kam die 5. Suite von Fr. Lachner unter dessen per- 
sönlicher Leitung zur Aufführung. Ueber die Leistungen der Frau 
Joachim ist nichts Neues mehr vorzubringen, es genüge daher an- 
zuführen, dass dieselbe eine Arie in einer Cantate von S. Bach,, 
eine Arie von Mozart und Lieder von B. S ch u m a n n und 
S ch u b e r t .vortrug und zur allgemeinen Bewunderung und jubeln- 
dem Beifall hinriss. Altmeister Lachner, der hier bei dem Musik- 
feste im Jahre 1861 zuerst die Indroduction und Fuge seiner ersten 
Suite zur Aufführung brachte und dessen 3. Suite wir ebenfalls 
beim Musikfeste im Jahre 1864 unter der Leitung von Jul. B i e t a 
hörten, ist uns als kein fremder, sondern als ein längst hochver- 
ehrter Gast erschienen, doppelt willkommen, da er wieder eine so 
erfreuliche und hochinteressante Gabe, wie seine neueste/ fünfte 
Suite mitbrachte, welche unter seiner Leitung von unserm trefflichen 
Orchester in wahrhaft mustergültiger Weise vorgetragen, mit jedem 
einzelnem Satze enthusiastischen Beifall hervorrief, so dass der ge- 
feierte Componist wohl erkennen konnte, wie lieb er uns geworden 
und wie freudig wir darauf zählen, ihn recht bald mit neuen Spen- 
den seines Genie's wieder in unserer Mitte zu begrüssen. — Der 
Chor war ausser der Bach'schen Cantate „Ewiges Feuer" mit einem 
Chore a capella von A 1 1 e g r i ( n Alla trinita beata") und dem 
Hände Fachen „ AUeluja" bedacht und leistete unter B r e u n u n g's 
Führung Vorzügliches« Nicht minder lobenswerth war die Durch- 
führung der Leonoren-Ouvertüre Nro. 1 von Beethoven. 

*** Denkmal für Ch. W. v. Gluck. Die „Augsb. A. Zgt." 

bringt einen Aufruf an alle Theaterdirectionen, Gesangvereine sowie 
an die Verehrer G 1 u c k's, sich durch Beiträge an der beabsichtig- 
ten Errichtung eines Denkmals für den erhabenen Meister zu be- 
theiligen, welches demselben in seinem Geburtsorte W e i d e n w a n g, 
k. Bezirkamts Beilngries in dem baierischen Begierungsbezirke 
Oberpfalz errichtet werden soll. Die Beiträge sind an den k. Be- 
zirks* Amtmann Fischer in Beilngries einzusenden. 

ANZEIGEN, 
Musifcatien-JVova. 

Im Verlage von Friedrieh Histner in Leipzig er- 
schien so eben mit Eigentumsrecht: 
Aftantaehewsky, JH. w, Op. 12. Fest - Polonaise für zwei 

Pianoforte. 1 Thlr. 
Brunner, C F* Op. 482. Trifolium. Drei leichte Bondo'a 

über Motive von J. Haydn, Mozart und Beethoven für das 

Pianoforte zu 4 Händen. 25 Sgr, 
Hartmann, Emil* Op. 10. Trio für Pianoforte, Violine und 

Violoncell. 2 Thlr. 25 Sgr. 
H5lzel* Gustav. Polka für Pianoforte über das beliebte Lied: 

„Mein Liebster ist im Dorf der Schmidt." 10 Sgr. 
Slarcltegl, Salvatore, C. Op. 17. Secha kleine Lieder 

für eine Singstimme (Sopran oder Tenor) mit Begleitung des 

Pianoforte. 25 Sgr. 
lEendelssohn-Bartholdy, Felix* Op. 110. Sextett für 

Pianoforte, Violine, zwei Bratschen, Violoncell und Contrabass» 

Partitur 2 Thlr. 15 Sgr. 
— Dasselbe im Arrangement für das Pianoforte zu 4 Händen von 

Aug. Hörn. 2 Thlr. 20 Sgr. 
Schumann, Robert* Op. 66. Bilder aus Osten. Sechs 

Impromptus für das Pianoforte zu 4 Händen. Für Pianoforte, 

Violine und Violoncell, bearbeitet von Rudolph Palme. Heft 

I. und II. a 1 Thlr. 

Verantw, Red» Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz, 



17. Jahrgang. 



it* so. 



14. December 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNC 



Diese Zeitung erscheint j eden > 

MONTAG. 
Man abonnirt bei allen Post- \ 
ämtern, Musik- & Buchhand- ] 
luugen. 



von 



r 



PREIS: 






B. 



fl.2.42kr. od. Th. 1. 18 Sg. 
für den Jahrgang. 



SCHOT TS SÖHNEN in MAINZ. j Durch die Post bezogen: 









Brüssel bei Gebr. Schott. London bei Schott & Co. 



50 kr. od.15 Sgr. per Quartal. , 



INHALT: Literatur. — Corresp.: Frankfurt a. M, München. Wien. — Kachrichten. 



Literatur, 



50 ausgewählte Clavier-Etüden von J. B. Cramer, 
herausgegeben für den Gebrauch in den Clavierclassen 
der königl. Musikschule in München von Dr. Hans 
v. Bülow. München, Jos. Aibl. 

Ueber den Werth der Cramer'scheu Etüden an und für sich ist 
nichts Neues zu sagen, da sie sich in der nun schon zwei Men- 
schenalter andauernden beständigen Verwendung beim Unterricht 
-wohl trefflich genug bewährt haben. Dass H. v. Bülow eine Aus- 
wahl derselben getroffen und diese mit Fingersatz und mit höchst 
schätzbaren Anmerkungen, das zweckmässige Studium einer jeden 
einzelnen betreffend, versehen bat, ist ein neuer Beweis für die 
classische Gediegenheit dieser Etüden , welche andererseits wie- 
der durch die Anweisungen des weltberühmten Ciaviervirtuosen an 
practischem Werthe bedeutend gewonnen haben. In einer ausführ- 
lichen Vorrede erläutert der Herausgeber die Gründe, die ihn zur 
Eevidirung der Cramer'schen Etüden bewogen und rechtfertigt die 
Art und Weise, in der er dieselbe durchgeführt hat. Der Stich 
zeichnet sich durch aussergewöhnliche Deutlichkeit und Schönheit 
aus, sowie überhaupt die ganze Ausstattung nichts zu wünschen 
übrig lässt. Möge Cramer's Werk in dieser Gestalt recht grosse 
Verbreitung finden. 

Etüden für den Ciavierunterricht, zur glei- 
chen Ausbildung beider Hände, von Louis 
Köhler. Op. 115. (Obiger Verlag). 

Diese Etüden (12 an der Zahl) aus der Feder eines ausgezeich- 
neten Practikers, der für den Ciavierunterricht schon so viel Vor- 
treffliches geschrieben hat, sind jedem Lehrer zur Anwendung bei 
Schülern, die noch in den ersten Stadien ihres Studiums sich befin- 
den, bestens zu empfehlen, da sie zur Erreichung des ausgespro- 
chenen Zweckes ohne allen Zweifel vieles beizutragen geeignet 
sind. Die Ausstattung entspricht allen Anforderungen an Schön- 
heit, Deutlichkeit und Eleganz. 

Deutsche Gesänge, geistlich und weltlich, zum prac- 
tischen Gebrauch für die Chorclassen der Gymnasien, 
Real- und höheren Bürgerschulen, sowie für alle ge- 
mischten deutschen Gesangvereine, von Ferdinand 
Möhring. Op. 66. Neu-Ruppin, bei Alfred 
Oehmigke. Ausgaben in Partitur und Stimmen. 
V Hefte. 

Diese Sammlung von geistlichen und weltlichen Gesängen für 
gemischten Chor, sämmtlich von dem auch als Componist sehr be- 
liebter Männerquartette in ganz Deutschland rühmlichst bekannten F. 
Möhring geschrieben, halten getreulich, was der Titel verspricht. 
Sie sind tbeils in strengem contrapunctischen Style geschrieben, 
insbesondere die meisten der geistlichen Gesänge, (die Choräle nach 
bekannten Melodien harmonisirt und zum Theil figurirt), theils in 



modernem aber durchaus gediegenem Geschmack, wie namentlich 
die im letzten Hefte enthaltenen 12 profanen Lieder nach auserle- 
senen Gedichten. Es finden sich ausser den eigentlichen Chorälen 
passende Gesänge für die verschiedensten Anlässe, sodann bibli- 
sche Sprüche, Motetten und Psalmen, welche sich meistens nicht 
nur zum Studium in Gesangsclassen , sondern auch zu öffent- 
lichen Productionen von Gesangvereinen trefflich eignen und in die« 
ser Beziehung eine grosse Mannigfaltigkeit darbieten. Die Aus- 
stattung ist äusserst elegant, der Preis sehr billig gestellt, so dass 
man dieser Sammlung eine recht allgemeine Theilnahme in Aus- 
sicht stellen darf. 

Leitfaden für den theoretischen und ersten 
Gesang-Unterricht auf Gymnasien, Real- 
und sonstigen Schulen, von Theodor Rode. 
Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin, 
bei J. Guttentag. 

Eine Anleitung zum Gesangunterricht in Schulen, welche in 
den städtischen Gewerbeschulen in Berlin mit bestem Erfolge ein- 
geführt ist, und allen Lehranstalten als Grundlage und Vorläuferia 
der vorherbesprochenen Sammlung deutscher Chorgesänge von Möh- 
ring bestens empfohlen werden kann. Sie besteht in fünf Heften in 
klein 8°, ist gründlich und practisch und enthält ausser dem Ele- 
mentarunterricht und vielen sehr zweckmässigen Vorübungen in 
Dur und Moll eine grosse Anzahl von ein- und mehrstimmigen 
Chorälen, von geistlichen Gesängen aus alter und neuer Zeit für 
vierstimmigen gemischten Chor, und von ebenfalls vierstimmigen 
Gesängen verschiedenen Inhaltes für gemischten und Männerchor, 
wobei in dieser zweiten Auflage noch besondere Bücksicht auf die 
Turnvereine genommen wurde, durch Einschaltung von 16 für die- 
selben besonders passenden neuen Gesängen, sowie auch viele Volks- 
und Kernlieder, dreistimmig tür 1 Sopran- und 2 Altstimmen bear- 
beitet. Der Preis ist äusserst billig gestellt. 

Katechismus der Musik, von J. C. Lobe. Zehnte 
Auflage. Leipzig, J. J. Weber. 

Bei dem Erscheinen der 10. Auflage dieses trefflichen Büch- 
leins von dem alten Practikus Lobe, welches längst allgemein 
anerkannt ist, lässt sich nichts weiter sagen, als: Geht hin, ihr 
Dilettanten Alle , die ihr wirklich musikalisch werden wollt , und 
legt mit dem Inhalte dieses Buches vor Allem einen soliden Grund 
zu eurer weiteren Ausbildung. 



C0RRESP05DENZEN. 



Aus Frankfurt a. 9f • 

(Fortsetzung.) 

Am 24. November gab Hr. Prof. Mnlder-Fabbri im Saal- 
bau ein sehr besuchtes Concert. Dass Hr. Mulder, ein gediegener 



198 - 



Musiker und Kenner der älteren und neueren Musik, im Arrangement 
von interessanten Concerten ein unabstreitbares savoir faire besitzt, 
bewies derselbe wieder aufs Glänzendste. Mit Zuziehung von be- 
deutenden Stimmkräften, wie Frl. Wey ring er von der deutschen 
Oper in Rotterdam, Frl. Otto vom Hoftheater in Wiesbaden, Hrn. 
L e d e r e r vom Hoftheater in Darmstadt, Frau F a b b r i vom Frank- 
furter Theater, Frau Reger und Frau Lübenau von hier, — 
ferner für Declamatiou Frl. Frohn vom Hoftheater in Darmstadti 
für Piano-Solo Hrn. J. Sachs, für Violine Hrn. M. Wolff, sowie 
einen gemischten Chor vom Gesangverein „Euterpe" von hier, hatte 
Hr. Mulder, welcher zugleich als Accompagnateur und Leiter fun- 
girte, ein Programm von 14 Nummern aufgestellt, von denen wieder 
mehrere 2 bis 3 Nummern enthielten. Diesem Programm waren 
einige hier noch nicht öffentlich aufgeführte Musikstücke eingereiht, 
wie z. B. der effect volle Chor mit Soli „ Voix myste'rieuses" von 
Choron, nachcomponirte Arie zu „Faust" von Gounod, „Herz, 
hab' Acht," fünfstimmiges Lied von Mulder, Hymne ä St. Cdcile^ 
Meditation für Violine, Piano und Orgel von Gounod, „Margue- 
rite" und „Die Glocke," Lieder von Mulder, Ave Maria aus 
„Loreley" von Mendelssohn mit Damenchor, und Schifflied aus 
„Haydee" von Auber mit Männerchor. — Die Leistungen der 
Künstler im Einzelnen als in den verschiedenen Ensembles waren 
überraschend. Frl. Weyringer zeigte namentlich in einer Arie aus 
„Somnambula" ein ausgebildetes mezza voce, eine Volubilität der 
Stimme bei immenser Tonhöhe und einen fast an Ueberladung strei- 
fenden Fiorituren-Reichthum, welcher jedoch durch die Grazie der 
Ausführung zur Bewunderung hinriss. Gegenüber dieser hochlie- 
genden Stimme wirkte Frau Reger in einer Arie von Rossini, 
bei grosser Kunstfertigkeit und Stimmschönheit mit seltenem Um- 
fange nach der Tiefe zu, so dass man von diesen zwei Stimmen 
behaupten konnte: „Les extremes se touchent* In der nachcom- 
ponirten Arie zu „Faust" von Gounod liess uns Frl. Otto die volle 
Wirkung ihrer herrlichen Mezzo- Sopranstimme vernehmen, und un- 
sere Prima donna assoluta Frau Fabbri glänzte in „ Voix myste- 
rieuses u in den fünfstimmigen Liedern von Mulder, im Walzer-Duo 
von Rubini, in Ave Maria, im Schifflied und im Terzett von 
Cimarosa. Hr. Lederer, welcher eine Romance aus „Euryanthe" 
und zwei Lieder von Mulder sang, ist im Besitz einer ebenso kräf- 
tigen als sonoren, weichen Tenorstimme und weiss namentlich Brust* 
und Kopfstimme sehr wirkungsvoll zu verbinden. In den fünf- 
stimmigen Liedern von Mulder wirkte zugleich sehr eingreifend 
Frau Lübenau. Frl. Frohn sprach mit tiefem Gefühlsausdruck „Des 
Kindes Zuversicht" von Saphir und „Das Orakel" von Stobbe. 
Hr. Pianist J. Sachs liess uns sowohl in der Meditation für Violiue, 
Piano und Orgel, sowie in seinen drei Piano-Soli seine Virtuosität 
bewundern und zugleich bedauern, dass er sie so selten verwerthet, 
und Hr. M. Wolff, obwohl nur in der „Meditation" beschäftigt, trat 
doch als ausgezeichneter Violinist merklich hervor. Auch die 
Frauen- und Männerchöre trugen zur Abruudnng des Ganzen sehr 
wesentlich bei. Das Ende, Nr. 14 des Prpgramms, bildete ein Damen- 
Terzett — Frl. Weyrioger, Frau Fabbri und Frl. Otto — aus Cima- 
rosa's „// matrimonio segretto* 

Es darf als ein ebenso erfreuliches als ehrenvolles Zeichen ge- 
diegener Kunstrichtung betrachtet werden , dass sich diesen Winter 
in unsern grossen Singvereineu Betreffs der Vorführung Bach' scher 
Werke ein so edler Wetteifer kundgibt. Kaum waren die letzten 
Accorde der hohen Messe von S. Bach verklungen, welche un- 
ser „Cäcilienverein" in so schöner Vollendung aufführte, als auch 
schon der Rühl'sche Verein die Vorführung der „Johannis-Passion" 
vorbereitete — und es soll, wie man vernimmt, Seitens des Cäci- 
lienvereins in dieser Saison auch noch die „Matthäus- Passion" zu 
erwarten sein. 

Es gab eine Zeit — und sie liegt nicht sehr fern — in welcher 
man den nur seltenen Aufführungen Bach'scher Oratorien möglichst 
fern blieb, indem man diese Meisterwerke kurzweg veraltet 
nannte — und leider Gottes hört man dieses auf Unkenntniss basirte 
Vorurtheil noch heutigen Tages häufig genug von sogenannten guten, 
ausübenden Musikern gedankenlos nachsprechen. Freilich bekundet 
das einestheils nur eine höchst einseitige musikalische Bildung, 
welche dem Geiste gleicht, den sie begreift, nicht aber dem im 
Reich der Töne gewaltigen Geiste Bach's — und anderntheils tru- 
gen damals wohl selbst die Aufführungen mit hiezu nicht hinläng- 



lich qnalificirten Sängern (Solisten) einen grossen Theil zum Nicht- 
verstehen dieser Werke bei. In neuerer Zeit jedoch, wo man sich 
mehr als früher mit Bach beschäftigt und mit nach höchster Voll- 
kommenheit strebenden Vorführungen seiner Meisterwerke auf mög- 
lichstes Verständniss hinarbeitet, was namentlich durch dazu heran- 
gebildete Sänger ermöglicht wird, findet man dafür auch eine grössere* 
Theilnahme und Empfänglichkeit im Publikum, so dass sich in die- 
ser Richtung für die Zukunft das Erfreulichste hoffen lässt 

(Schluss folgt.) 



Aus München. 

Anfangs Dezember 1868. 

Die Concertsaison in unserer Stadt ist im besten Zuge. Ich 
hatte zwar vor, der „Süddeutschen Musik-Zeitung" erst am Schlüsse 
des Advents, wo auch die Concerte eine Pause machen und die 
Referenten etwas zu Athem kommen lassen, weiteren Bericht zu er- 
statten, doch die in der letzten Nummer der Musikzeitung Seitens 
der verehrlichen Redaction leise angebrachte Herausforderung mei- 
ner baldigen Thätigkeit veranlasst mich jetzt schon, über das vor- 
liegende Bruchstück der Saison zu referiren. Und so komme ich 
in erster Reihe auf die Soireen der k. Vocalcapelle zusprechen, 
die ich gleich von vornherein als ein glückliches Unternehmen be- 
zeichnen will, da sie den Musikfreunden ein bislang verschlossenes 
reiches Genre von Compositioneu erschliessen und zugängig machen. 
Die Vocalcapelle hatte sich vorgenommen , Tondichtungen vorzu- 
führen, welche in der Allerheiligenkirche, wo sie fungirt, als profan 
nicht executirt werden können, oder wenn sie auch zur Aufführung 
gelangen, doch nur von einem mehr gottesfürchtigen als musiklie- 
benden Publikum angehört werden. Das Programm der ersten 
Soir6e war äusserst reichhaltig und wir hörten an Compositionen : 
„Tu es Petrus," sechsstimmige Motette von Palestrina, ein vier- 
stimmiges „Adoramus" von Ausinger (geb. 1560), ein vierstim- 
miges „Jesu dulcis memoria" von T. L. de Vittoria, „Wach' auf, 
du werthe Christenheit," sechsstimmiges Adventslied von Johann 
Eckard (geb. 1553), der 11. Psalm für zwei Altsolostimmen und 
Frauenchor von Benedetto Marcello (geb. 1680), ein vier- und 
ein fünfstimmiges englisches Madrigal von John B e n n e t (1599) 
und Thomas Morley (1595) nach der Ausgabe von Julius Mai er, 
Mendelssohn^ „Ave Maria" für Soli, achtstimmigen Chor und 
Orgel (Tenorsolo Herr Vogl — Orgel Herr Blumschein), drei 
vierstimmige Lieder von M. Hauptmann („Hell in's Fenster," 
„Im Sommer" und „An der Kirche wohnt der Priester"), Ständchen 
für Mezzosopran und Frauenchor von F. Seh über t („Zögernd leise") 
und endlich Motette für zwei Chöre von J. S. Bach (Soli Fräul. 
Ritter, Frau Seyler und die HH. Vogl und B a u s e w e i n). 
Aus dem reichhaltigen Programm, das unter der Leituug des Hof- 
capellmeisters Wüllner mit den besten Kräften unserer Haupt- 
stadt durchgeführt wurde , können Sie schon ersehen , dass diese 
Soir&e ausserordentlich interessant und genussreich gewesen sein 
mag. Das Publikum, welches Zeuge davon war, in welch vorzüg- 
licher Weise jede Nummer des Programms gesungen wurde, erman- 
gelte nicht, bei jeder Gelegenheit seinen lebhaftesten Beifall aus- 
zusprechen uud die Unternehmer zu veranlassen, baldmöglichst eine 
zweite Soir£e zu arrangiren. 

Auch die Quartettsoire*en der HH. Walter, Closner, 
Thoms und Müller haben bereits begonnen. Sie wurden diesmal 
um so freundlicher begrüsst, als eine Zeit lang Gefahr bestand, Hrn. 
Walter, Münchens besten Geiger, an Wien zu verlieren. Die Sache 
hatte sich jedoch durch das persönliche Dazwischentreten des Königs 
so glücklich gestaltet, dass derselbe unserer Stadt erhalten bleibt. 
In diesen Soireen — es haben deren bereits zwei stattgefunden — 
kamen zur Aufführung: das Quartett in D-moll von Jos. Haydn 
(Pariser Ausgabe) Op. 9 Nr. 22, Quartett in B-dur von Mozart 
Op. 18, Quartett in G-dur von Mozart Op. 10 Nr. 1, dann von 
Beethoven Quartett in Esdur Op. 74 und Grosse Fuge in 
B-dur Op. 133 und endlich Quartett iu A-moll von Mendelssohn 
Op. 13. Zuerst berichten wir, dass diese Herren seit Jahren die 
einzige Gelegenheit geben , wo die edelsten Perlen der Kammer- 
musik in meist untadelhafter Weise zur Aufführung kommen, und 
mit Vergnügen constatiren wir, dass sich alljährlich ein grösserer 



- 199 



Kreis von andächtigen Zuhörern bei diesen kleinen musikalischen 
Festen einfindet. Die Concertanten wenden aber auch den grössten 
Fleiss daran, das Renommee, dessen sie sich bereits erfreuen, zu 
•erweitern, und erst nach langen sorgfältigen Proben, von denen 
auch die leichtesten Sätze nicht ausgeschlossen sind, treten sie vor 
ihr Auditorium. Dieser Ernst, mit welchem sie ihre Kunst betrei- 
ben, erhält sie frisch und gewissenhaft und bewahrt sie vor jenem 
saloppen Wesen, welches wir bei Quartettpielern zu finden gewohnt 
sind. (Schluss folgt.) 



Aus W i e 



n. 



Den Concerten gebührt diesmal der Vorrang vor der Oper. 
"Wir haben vor uns zwei „philharmonische" und das erste der »Ge- 
sellschafts - Concerte ;" drei Quartettabende von Laub, zwei von 
Helmesberger und zwei Concerte von Frau Clara Schumann. 
Die philh. Concerte litten an Mangel an Neuigkeiten. Dass sie sich 
Mendelssohn'« „Reformations-Sinfonie" entgehen liessen, ist un- 
begreiflich. Die Engländer haben es uns darin diesmal zuvorgethan. 
Mendelssohn's Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt" leitete 
den ersten Cyclus dieser Concerte ein; das fantastische Paradestück 
von B e r I i o z, „Fee Maab," zeigte das Orchester von seiner virtuo- 
sen Seite. Der Entreact zur Oper „Medea" von Cherubini konnte 
vom Publikum nicht genügend gewürdigt werden, da ihm der 
Schlüssel zu dieser hochpathetischen Musik fehlte ; die Oper ist dem 
jetzigen Wien fremd und der Concertsaal macht andere Ansprüche 
als die Oper. Die Aufführung von Beethoven's 4. Sinfonie 
genügte. Man ist hierin so verwöhnt, dass man an jede Aufführung 
dieser grossen Werke den höchsten Massstab anlegt. Die Ouver- 
türe „Sakuntala" von Gold mark hatte schon früher hier gefallen, 
doch war es kein Bedürfniss, sie schon jetzt zu wiederholen. 
Schubert 's geniale C-dur-Sinfonie fanden die Wiener auch dies- 
mal zu lang. Ein Lichtpunkt war das Auftreten von Frau Schu- 
mann, die statt des erkrankten Laub mit Mendelssohn's G-moll- 
Concert aus der Verlegenheit half; die Aufführung dieser Nummer, 
obwohl ohne Probe abgehalten, war ausgezeichnet. Erst das dritte 
philh. Concert bringt Neues : eine Sinfonie in H-moll von Esser; sie 
zeigte in der heutigen Probe alle Vorzüge dieses liebenswürdigen 
Komponisten, Der Zudrang zu diesen Concerten ist ausserordent- 
lich ; das ganze Haus bildet gleichsam Eine grosse Familie. — Das 
erste „Gesellschafts-Concerb" kam diesmal etwas spät (am 29. Nov.), 
fiel aber glänzend aus. Hofcapeilmeister Herbeck zeigte sich 
dabei wieder als tiefdenkender energischer Dirigent. Mendels- 
s o h n's 42. Psalm, so vollendet gegeben , war eine Freude anzu- 
hören. Carl Reiuecke, Director der Gewandhaus-Concerte zu 
Leipzig, trat mit Ouvertüre und Vorspiel zu seiner Oper „König 
Manfred" zum erstenmal vor das hiesige Publikum. Beide Num- 
mern sprachen durch ihre massvolle Haltung an. Die Krone des 
Concertes bildete der 3. Theil von Schumann'» „Faust," den 
man hier vor Jahren unter Mitwirkung von Stockhausen in 
höchster Vollendung gehört hatte. Wenn auch die Soli diesmal 
nicht gleichen Anforderungen entsprachen, waren doch die Leistun- 
gen von Chor und Orchester ausgezeichnet zu nennen. Die näch- 
sten Concerte bringen mehrere Neuigkeiten, u. A. Liszt's Orato- 
rium „Die heilige Elisabeth." Auch zu diesen Concerten ist der 
Andrang so stark, dass der grosse Redoutensaal längst schon für 
die Zahl der Zuhörer nicht mehr genügte. — Der kais. Kammer- 
virtuose Ferdinand Laub veranstaltete drei Quartettsoiröen unter 
Mitwirkung der HH. Kässmayer, Hubert und Rover. Unter 
den Nummern sind hervorzuheben die in echt classischem Sinne 
gebildeten Quartette vonHaydu und Mozart, Schubert'sEs-dur- 
Trio (das Ciavier von Epstein vorzüglich vorgetragen), Schu- 
m an n's mächtig aufregende Sonate D-moll (am Piano Brüll) und 
die Quartette von Beethoven C-dur Op. 59 und von Mendels- 
sohn D-dur. Letzteres namentlich wurde wahrhaft glänzend ge- 
spielt und beschloss diese sehr zahlreich besuchten Abende, um dem 
Quartett-Cyclus von Hellmesberger Platz zu machen. Dieses 
seit 18 Jahren bestehende Quartett hat sich nach mehrfachen Wand- 
lungen diesmal ganz neu gebildet. Nur Hellmesberger ist geblieben ; 
«eine jetzigen Mitspieler sind die HH. Brodsky, Bachrich und 



Popper. Das Programm der acht Abende nennt an Neuigkeiten f 
Piano-Quartett von Rein ecke, Octett von Gr ädener jun., Trios 
von Speidel, Raff und Ruf inatscha. Das erstgenannte wurde 
bereits aufgeführt ; der Componist selbst zeigte sich damit als gedie- 
gener Clavierspieler , doch vermochte das an innerem Gehalt wenig 
bedeutende Werk nicht anzusprechen. Ausser Reinecke treten zum 
erstenmal hier auf: W. Speidel aus Stuttgart und Frl. Menter 
aus München; Dionys Pruckner aus Stuttgart hatte sich schon 
vor etwa zehn Jahren hier als tüchtiger Pianist bewährt. Von ein- 
heimischen Kräften wirken noch mit: die HH. Dachs, Epstein, 
Schenner, Riedel und Frl. Geissler. Auffallend sind dies- 
mal unter den 24 Nummern des ganzen Cyclus Schubert, Mozart, 
Mendelssohn und Schumann mit nur je einer Nummer bedacht. 

(Schluss folgt.) 



lachrichte 



MttncheD, Ein lange vorauszusehendes Ereigniss ist nnn leider 
eingetreten, indem der Ver waltun gsrath des „Actien- Volkstheaters" 
die Einstellung der Zahlungen erklärt hat. Die Vorstellungen wer- 
den vorderhand noch fortgesesetzt werden können. 

G&rlsruhe. Der „Cäcilienverein" hatte am 9. November seine 
Öffentliche Thätigkeit mit einem Concerte wieder begonnen, dessen 
reichhaltiges und abwechslungvolles Programm, in durchaus gelun- 
gener Weise durchgeführt, dem zahlreichen Publikum vielen Genuss 
gewährte. Man gab in der ersten Abtheilung: „Zwei französische 
Volkslieder" aus dem 17. Jahrhundert, für gemischten Chor ; Ciavier- 
Quartett von R. Schumann, vorgetragen von Frl. v. Pfeils chift er 
aus Darmstadt und den HH. Spiess, Hartnagel, Glück und 
Mohr; „Ave Maria* für Sopransolo und Frauenchor aus „Loreley" 
von Mendelssohn; „Hornist und Musketier)" Lied für Bassstimme 
mit Hornbegleitung von Fr. Abt, gesungen von Hrn. Hofopernsän- 
ger B r u 1 1 i o t ; „Gebet" für Soli und Chor von Fr. Schubert. 
Zweite Abtheilung : „Serenade" für Streichquartett von Jos. Haydn, 
vorgetragen von den obengenannten Hofmusikern } Lieder für Tenor : 
a) „Gute Nacht" von Schubert und „Die Schildwache" von Esser, 
gesungen von Hrn. Hofopernsänger Kürner; „O weint um sie," 
für Sopransolo und Chor componirt von Ferd. Hiller; zwei Solo- 
stücke für Ciavier von Steph. Heller und Sidney Smith (Frl. von 
Pfeilschifter), und endlich „Lauda, anima mea, Dominum" Offer- 
torium für gemischten Chor von M. Hauptmann. Die verschiedenen 
Sopransoli wurden von Frl. Behrens und einem Vereinsmitgliede 
gesungen. 

Leipzig. Das Programm des siebenten Gewandhausconcertes 
(26. Nov.) war folgendes: Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber; 
Concert für Violoncell von R. Schumann, vorgetr. von Herrn 
Friedrich Grützmacher (zum 1. Male) ; Solostücke für Piano- 
forte, a) „Wiegenlied" von Henselt, b) „Polonaise" (As-dur) 
von Chopin, vorgetr. von Hrn. Friedrich C o w e n aus London ; 
zwei Entreacte aus der Oper „Rosamunde" von Fr. Schubert; 
drei Stücke aus den Suiten für Violoncellsolo von 8. Bach (Hr. 
Grützmacher). Zum Schluss: Sinfonie in D-dur (Nr. 2) von Beet- 
hoven. Im Theater kam Cherubini's „Wasserträger" neu- 
einstudirt in sehr gelungener Weise zur Aufführung. 

Salzbarg. Der Wunsch, Paul Hofheimer's vierstimmige 
Gesänge allgemein zugänglich gemacht zu sehen , ist in Erfüllung 
gegangen, und dieselben sind am hiesigen Platze (bei Pustet) in 
sauberem modernen Notendruck edirt worden. Das nett ausgestat- 
tete Werk führt den Titel: „Pauli Hofheimeri (Nat. U59 — 
obiit 1537), Harmonias Poeticas, sive Carmino nonnulla Horatii 
aliorumque Poetarum Romanorum vocum cantu accommodato 
denuo edidit, atque ExceUentissimo D.\D. Carolo Comiti Coro' 
nini Cronberg gubernatori ducatus Salisburgensis, 8. Maj. consi- 
liario intimo actuali, Med. Doctori etc. dedicavit Innocentius 
Achieitner, chori Director IL Metr. eccl. Salisburgensis. — Ein 
interessanter Original-Mozarti>rief ist von den Erben 
einer jüngst verstorbenen auswärtigen musikalischen Notabilität dem 
hiesigen Mozarteum zum Ankauf angeboten worden. Leider kann 
das gedachte Institut den geforderten Preis nicht leisten , obgleich 
das durch Vergleich mit den hierortigen Handschriften Mozart's als 



— 200 - 



•cht befundene Schriftstück einen schätzbaren Zuwachs der bezüg- 
lichen Sammlung des hiesigen Morzartenms abgeben würde. Das 
verkäufliche Handschreiben ist jedoch vorläufig im hiesigen Mozar- 
teum-Archiv deponirt. 

Wien. Frau Clara Schumann hat bereits ein zweites 
Concert mit höchst interessantem Programm und unter Mitwirkung 
▼on Hrn. Joh. Brahma gegeben. 

— Im „philharmonischen Concerte* kam eine neue Sinfonie 
von Heinrich Esser mit äusserst glücklichem Erfolge zur Auf* 
fährung. Der Componist, welcher selbst dirigirte, wurde mehrmals 
hervorgerufen. 

Paris. Das siebente der Pasdeloup' sehen Concerte 
brachte : Reformations-Sinfonie von Mendelssohn; Adagio aus 
dem Septuor von Beethoven; Sinfonie in Es-dur von Mozart; 
Andante mit Variationen von H a y d n (für Streichinstrumente) ; 
Ouvertüre zur Oper: „Der fliegende Holländer" von R. Wagner. 

London. Der neue Stern, welcher am Himmel der italienischen 
Oper in Coventgarden aufgegangen ist, wir meinen nämlich Miss 
Minnie Hauck, hat seinen Glanz bisher ungetrübt erhalten. 
Die liebliche Sängerin ist bereits als Gretchen und Zerline (Don 
Juan) mit ungeteiltem, lebhaftesten Beifall aufgetreten und lässt 
im Verlaufe ihrer weiteren Rollen noch manchen seltenen Genuss 
erwarten. Auch Fr. v. M u r s k a ist endlich nach längerem Un- 
wohlsein als Lucia, Donna Elvira und Königin der Nacht mit gros- 
sem Erfolge aufgetreten. 

— - Das zweite populäre Montagsconcert brachte : Grosses 
Septett inD-moll für Pianoforte, Flöte, Oboe, Hörn, Viola, Violon- 
cell und Contrebass von J. N. Hummel, mit Hrn. P a u e r am 
Ciavier, welcher auch mit den HH. S a i n t o n und P i a 1 1 i das 
Trio in D-dur, Op. 70 (Nr. 1) von Beethoven und allein die Sonate 
in F-dur von Mozart vortrug; Violinsonate mit Ciavierbegleitung 
in G-dur von P o r p o r a , vorgetr. von Hrn. Sainton ; Andante in 
E-moll nnd Scherzo in A-moll für Streichquartett von Mendellssohn 
(posthume), vorget. von den bekannten Quartettisten dieser Concerte ; 
ferner für Gesang: Ave Maria von Schubert und ein Lied von Bene- 
dict, ges. von Miss Edith W y n n e. — Das dritte dieser 
Concerte hatte folgendes Programm: Octett für Streich- und Blas- 
instrumente in F-dnr, Op. 116, von Fr. Schubert; Gesang, 
„Dalla sua pace a von Mozart (Mr. Vernon R i g b y) ; Sonate in 
As-dur, Op. 39 für Pianoforte von Weber (Hr. Paner); Andante 
und Rondo für Violoncell mit Ciavierbegleitung von Molique 
(Hr. P i a t tf); Lieder von Schubert und Schumann (Vernon 
Rigby); Streichquartett in C-dur, Op. 64 Nr. 1 von J. Haydn. 

Brüssel. Unsere treffliche Sängerin ,~ Mlle. M a r i m o n , war 
nahe daran, sich selbst zu vergiften. Sie sollte vor einigen Tagen 
in einem Concerte singen und da sie sich nicht ganz gut disponirt 
fühlte, so wollte sie mit ein paar Tropfen Belladonna ihrer Stimme 
die erforderliche Glätte geben, scheint aber von diesem Gifte eine 
zu starke Dosis genommen zu haben, so dass sich einige bedenk- 
liche Anfälle von Delirium einstellten, welche jedoch nun glück- 
licherweise gehoben sind, und weiteren schlimmen Folgen für 
die beliebte Künstlerin zu befürchten sind. Das Opernreper- 
toir hat einigermassen durch das Unwohlsein derselben Störung 
erlitten. 

— Am 28. Novbr. gab Hr. Ferd. H i 1 1 e r eine Unterhaltung 
im artistisch-literarischen Cirkel , in welchem er als Componist und 
als Ciaviervirtuose gleichmässig brillirte. Der ausgezeichnete Ton- 
meister gab ein Thema mit Variationen , eine Sonate, ferner eine 
Gavotte, Sarabande und Courante', ein Capricciettoj eine Ber- 
ceuse, ein Allegro appassionato und einige reizende Lieder, sämmt- 
liche Sachen von seiner Composition, zum Besten und spielte im 
zweiten Theile des Concertes seine vierhändige „Operette ohne 
Worte" mit Hrn. L. B r a s s i n. Jede dieser Productionen wurde 
mit dem lebhaftesten Beifall aufgenommen und Hiller mag wohl 
erkannt haben, welche lebhaften Sympathien er sich hier als Com- 
ponist und Virtuose erworben hat. 

— Das dritte populäre Concert des Hrn. Samuel fand am 
6. December unter Mitwirkung der ausgezeichneten Sängerin Frl. 
Philippine v. Edelsberg statt. Das Programm war folgendes : 
I. Tbeil: Sinfonie in C-dur von Fr. Schubert; II. Theil: Ouver- 
türe zu „König Stephan" von Beethoven; Arie von Händel 
(Frl. v. Edelsberg) ; Suite für Orchester von Saint-Saens (zum 



ersten Male); Arie aus „Titus M von Mozart (Frl. v. Edelsberg); 
Ouvertüre in Es-dur von Fr. L a c h n e r. 

*** Die junge Violinvirtuosin Frl. Therese Liebe concertirte 
mit vielem Beifall in Augsburg und München. 

*** Die beiden grossen Lorbeerzweige, welche den Sarg R o s- 
s i n i's schmückten, waren aus seinem eigenen Garten in Passy 
von zwei Bäumen, Absenkern von den Gräbern Virgil's in Neapel 
und Tasso's in Saint-Onuphre. 

*** In T o r g a u kam am 22. November unter der Leitung 
des Hrn. Dr. T a u b e r t das Oratorium „Die Auferweckung des 
Lazarus 8 von Löwe zur Aufführung. 

%* G. H. Bitter, Verfasser der höchst werthvollen Biogra- 
phie S. Bach's, hat neuerdings ein Werk in zwei Bänden ver- 
öffentlicht, mit dem Titel: „Carl Philipp Emanuel Bach und Wil- 
helm Friedemann Bach und deren Brüder, mit Portrait und Facsi- 
mile von Emanuel und Friedemann Bach, sowie zahlreichen Musik- 
beilagen." Das interessante Werk ist bei Wilhelm Müller 
in Berlin erschienen. 

*** Es starben in jüngster Zeit: Carl Maukell, Director 
der musikalischen Akademie zu Stockholm, 66 Jahre alt, und 
in London der beliebte Tenorist Harrison, 55 Jahr alt. 
Letzterem gebührt das Verdienst, die lyrische Oper auf die eng- 
lische Bühne verpflanzt zu haben. 

*** In Dresden kam von der „Singakademie" unter der Lei- 
tung des Musikdirectors Pfretzschner das Oratorium „Paulus" 
von Mendelssohn, mit den Frl. H ä n i s c h und S t a n i t z , 
Hrn. Schild vom Dresdener und Hrn. Stägemann vom han- 
noverschen Hoftheater als Solisten, in recht befriedigender Weise 
zur Aufführung. Das Auditorium war ein sehr zahlreiches und 
die Einnahme für das beabsichtigte Mendelssohn-Denkmal in Leipzig 
bestimmt. 

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7nnff llr» 14 ^randzüge einer Theorie der Oper. Ein theo- 

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und Kunstfreunde, Dichter und Componisten, Sänger, Capellmeister,. 
Regisseure und Directoren , basirt auf die Anforderungen der 
Gegenwart und auf zahlreiche in den Text verwebte Aussprüche 
hervorragender Geister. Erster Theil: Die Production. 8. 
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Gegenüber dem stets wachsenden Interesse für das umfassende 
Gebiet der dramatischen Musik, gegenüber den immer brennender 
entbrannten Streitfragen über endgültige Gestaltung und Bestimmung 
der Oper fehlte es bisher noch immer gänzlich an einem 
Werke, welches diese Fragen energisch zusammenfasst und auf 
ihre begriffliche Urspünglichkeit zurückführt, welches dem fortwährend 
wachsenden Verlangen nach gründlicher practischer wie theoretischer 
Belehrung über dieses Kunstgebiet befriedigend Rechnung trägt. 

Diese bedeutende Lücke auszufüllen, ist die Auf- 
gabe des vorliegenden Werkes. Jedem der sich irgendwie- 
für die Oper interessirt, sei es als Künstler oder Kunstfreund,, 
als Dichter, Componist, Darsteller oder Leiter, soll es möglichst 
klar und practisch belehrenden Aufschluss geben über das ihn 
Angehende, ausserdem aber zugleich in anregender Weise hinleiten 
zu ihrer höheren sittlichen und socialen Bestimmung. 

Nach letzterer Seite hin hat der Verf. für die Bestimmung der 
Oper einen neuen aus den Anforderungen der Gegenwart herge- 
leiteten Gesichtspunkt aufgestellt. 

Verantw. Red, Ed. Föckerer. Druck v. Carl Wallau, Mainz, 



17. Jahrgang. 



it* SM. 



21. December 1868. 



SÜDDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNG 



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INHALT: Literatur. — Corresp.: Frankfurt a. M. München* Wien. Leipzig, Stuttgart. Paria. — Nachrichten. 



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Mit dem 1. Januar 1869 beginnt der 18. Jahr- 
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Ihrer bisherigen Haltung getreu, wird sie auch künftig ein 
unparteiischer Berichterstatter aller bedeutenden Vorkomm- 
nisse im musikalischen Leben sein, wichtige Fragen in 
eigenen Artikeln erörtern und den Lesern durch biogra- 
phische und musikgeschichtliche Aufsätze eine ebenso 
angenehme wie belehrende Unterhaltung bieten. 

Wir bitten um rechtzeitige Bestellung; alle Post- 
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lich eine Nummer. 

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Literatur. 



Katechismus der Orgel. Erklärung ihrer 
Structur, besonders in Bezug auf technische Be- 
handlung beim Spiel, von C. F. Richter. Mit 25 in 
den Text gedruckten Abbildungen. Leipzig, J. J. 

- Weber. 1868. 

Der Verfasser dieses Orgelkatechismus ist der gegenwärtige 
Cantor an der berühmten Thomasschule und Professor am Conser- 
vatorium der Musik in Leipzig, als ausgezeichneter Theoretiker und 
meisterhafter Orgelspieler in der musikalischen Welt längst bekannt. 
Das Werkchen enthält auf 148 Druckseiten in klein 8 ft so viel 
Belehrendes, für jeden Orgelspieler zu wissen durchaus Nöthiges 
über den Bau, die innere Einrichtung und Behandlungsweise der 
Orgel, über Manuale und Register, über das Spiel der Orgel, über 
Stimmung, Regierung derselben etc etc., dass kein angehender 
Orgelspieler von Fach oder Dilettant dasselbe entbehren kann, ja 
vielleicht Mancher, der schon länger auf der Orgel amtirt, ohne 
sich gerade jemals viel Rechenschaft über seine Kunst oder sein 
Instrument gegeben zu haben, gar Vieles darin zu seiner notwen- 
digen Belehrung finden wird. Die Ausstattung ist der des Musik- 
Katechismus von Lobe ganz conform. 

Der Ciavierunterricht. Studien, Erfahrungen 
und Rathschläge von Louis Köhler, Verfasser 
der „Systematischen Lehrmethode für Clavierspiel und 
Musik." Dritte, verbesserte und vermehrte Auflage. 
XH. B. 334 S. in 8°. Leipzig, J. J. Weber. 1868. 

Wer sich in der neueren Zeit irgendwie, als Lehrer oder Ler- 
nender, mit dem Clavierspiel ernstlich beschäftigt hat, dem kann 
der Name Louis Köhler nicht unbekannt geblieben sein, denn 



schon seine instructiven Werke für das Ciavier haben demselben 
einen gewiss wohlverdienten Ruf als einer der ersten Ciavier- 
Pädagogen (wenn wir uns so ausdrücken dürfen) unserer Zeit er- 
worben. Allein nicht nur seine Etüden und sonstigen practischen 
Werke sind es, die dem Verfasser eiuen so bedeutenden und geach- 
teten Namen verschafft haben, sondern auch als Kritiker und Musik- 
schriftsteller nimmt derselbe eine hervorragende Stellung in der 
Musikwelt ein und unter dem vielen Gediegenen, Nützlichen und 
Lobenswerthen, was er bis jetzt geliefert bat, ist sein „Ciavierunter- 
richt," der uns nun in dritter, verbesserter Auflage vorliegt, gewiss 
nicht das am wenigsten Bedeutende. Im Gegentheile enthält dieses 
Buch des Belehrenden, aus langer Praxis, gewissenhafter Forschung 
und klarer Beobachtung Hervorgegangenen so Vieles und Mannig- 
faltiges, dass dasselbe in den Händen eines jeden , für das Clavier- 
spiel sich in was immer für einer Weise rnteressireuden befinden 
soll. Da der Verfasser in dieser neuen Auflage nicht nur die Re- 
sultate seiner wieder weiter errungenen Erfahrungen und Beobach- 
tungen niedergelegt, sondern anderntheils auch manches ihm als 
überflüssig Erscheinende aus den früheren Ausgaben gestrichen hat, 
so dürfte wohl das treffliche Buch, wie es jetzt beschaffen ist, über 
gar nichts, was irgendwie zum Clavierspielen nöthig ist, oder auf 
dasselbe in Betreff des Lernens und Ausübens Bezug hat, den Leser 
ohne Rath und Belehrung lassen und die Voraussetzung einer noch 
viel grösseren Verbreitung desselben als bisher sich als eine rich- 
tige bewähren. 



CORRESPONDEN21EN. 



Aus Frankfurt a* Uff« 

(S c h 1 u s s.) 

Die uns am 27. Novbr. vom R ü h 1' sehen Verein im Saalbau 
gebrachte Aufführung der „Johannis- Passion 8 von S. Bach war 
eine ebenso gediegene als zahlreich besuchte. Mag übrigens die 
„Johannis-Passion," im Vergleich mit andern Werken Bach's, viel- 
leicht nicht auf gleicher Höhe stehen, so ist sie doch ein von echt 
evangelischem Geiste beseeltes Werk, das man nur mit hoher Be- 
wunderung und Pietät anhören kann , und fühlen wir uns dem Di- 
rector Hrn. Friedrich, sowie allen, welche bei der weihevollen 
Aufführung mitwirkten, zu innigem Danke verpflichtet. 

Die mit Ciavier begleiteten , zum Theil sehr schwer zu intoni- 
renden Recitative, sowie die Arien für Bass und Tenor wurden von 
den HH. Schulze aus Hamburg und Otto aus Berlin mit bewun- 
derungswürdiger Reinheit und mit tiefem Verständniss gesangen. 
Ein Ungenannter (Bariton) sang mit sonorer Stimme die kleineren 
Recitative. Frl. Thomae von hier sang mit schöner klangvoller 
Stimme die Sopranpartie und Frl. Burhenne aus Cola die des 
Alt mit lobenswerthem Bestreben und verdienter Anerkennung. — 
In der grossen, wunderbar schönen, den tiefsten Seelenschmerz aua- 



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hauchen sollenden F-moIl-Arie: „Zerfliesse mein Herz in Fluthen 
der Zähren" etc. schien jedoch neben Reinheit der Intonation keine 
andere Intention vorzuherrschen, als die: Eine schöne Stimme 
zur möglichsten Geltung zu bringen. Die grossentheils aphoristisch 
behandelten Chöre, sowie die harmoniereichen Choräle wurden vom 
Verein herrlich executirt; namentlich waren die einzelnen Einsätze 
in der G-moll-Arie (Bass): »Eilt, ihr angefocht'nen Seelen" etc. — 
„Wohin? — Wohin?" — ferner der Chor: „Lasset uns den nicht 
zertheilen" und schliesslich der Ergebung und Gottvertrauen athmende 
C-moll-Chor: „Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine" etc. von über- 
raschender Präcision und Wirkung. Unser Orchester bewährte sich 
wie immer. 

Fünftes Museums-Concert am 4, Decbr. I. Tbeil: 
1) Ouvertüre zur Oper „Leonore" N° 1 in C-dur von Beetho- 
ven; 2) Arie von Mozart, gesungen von Hrn. Otto; 3) Sinfonie 
in G-moll von Mozart. — Die Ouvertüre N* 1 zu Beethoven's 
„Leonore ,* wenn auch nicht von höchster Bedeutung, trägt 
dennoch für das musikalisch geübtere Obr unverkennbar das ent- 
wickelungafähige Embryo zu der grossen Leonoren-Ouvertüre N° 3 
in sieb, und der Umstand) dass der grosse Tondichter dieselbe in 
der uns heut reproducirteu Fassung der Kunstwelt nicht nur nicht 
i vorenthielt, sondern sie sogar einer mehrmaligen Umarbeitung wür- 
digte, dürfte genügend darthun, dass Beethoven in ihr wohl noch 
etwas mehr als den blossen Keim zu seiner „Ouvertürenkönigin" 
erblickte. Wir würden uns demnach mit manchem kühnen Laien 
noch eine Stufe über den Standpunkt des genialen Beethoven er- 
heben müssen, um die hier in Rede stehende Ouvertüre cavaliere- 
ment als ein „schwaches Werk" bezeichnen zu dürfen. Sie wurde 
übrigens sehr anerkennenswerth aufgeführt. Mit dem Vortrage der 
Arie aus „Don Juan:" „Ja, ihre Ruhe ist auch die meine" würden 
wir, obgleich Hr. Otto kein Opernsänger ist, ganz einverstanden 
gewesen sein, wenn er in den wenigen oberen Tönen statt des 
Falset durchweg Bruststimme angewendet hätte. Die Aufführung 
der G-moll-Sinfonie von Mozart war eine sehr correcte. 

Als IL Tbeil des Concerts wurden unter Mitwirkung vieler 
Mitglieder des „Cäcilienvereius" sowie der Frl. Thomae von hier, 
des Hrn. R. Otto von Berlin und des Hrn. Philipp i von Wies- 
baden „Die Kreuzfahrer," dramatisches Gedicht von C Andersen, 
nach Motiven aus Tasso's „befreitem Jerusalem," für Soli, Chor und 
Orchester componirt von Niels W. Gade zum ersten Male auf- 
geführt. 

Die Einleitung, „Tn der Wüste" betitelt, führt uus in einem 
Wüstenzug das von Hitze und Durst gequälte und ermattete, von 
Feter dem Eremiten aber ermuthigte Kreuzfahrerheer vor. Eine 
Hauptepisode der Dichtung bildet hierauf das Zusammentreffen des 
ritterlichen R i n a 1 d o mit der von Geistern der Finsterniss und 
Sirenen unterstützten Armida, welche den Ritter durch sinnliche 
Lust berücken will, welcher bereits wankend, doch noch rechtzeitig 
den Mahnruf der anderen Ritter hörend, der Armida widersteht, die 
sich nun der Finsterniss weiht. Der Anfangs von Reue gequälte, 
doch bald auch beruhigte Rinaldo und die durch Peter dem Ere- 
miten von Hoffnung neu belebten Ritter ziehen „Gen Jerusalem." 

Auffallend genug ist der im Allgemeinen ziemlich poetisch ge- 
haltene Text doch hin und wieder von einer Unbeholfenheit, dass 
man nicht weiss, ob es dem Dichter mit seiner versificirten Logik 
Scherz oder Ernst ist. So Iässt er unter Anderm Peter den Ere- 
miten sagen : 

„Ob auch mächt'ger Nebel falle, 
Betet zu dem Herrn jetzt Alle." 

Ferner: 

„Hier ist nun Erdennoth und Harm, 
Der Himmel öffnet seine Arm'." etc. 

Was nun die Composition Gade's betrifft, so hat sie zwar bei 
wenig Neuheit der Erfindung an Melodie einige recht wirkungs- 
reiche Chor- und Orchestereffecte; hierher gehören namentlich das 
Gebet: „Vater aus der Ferne," Solo mit Chor, der Sirenenchor: 
„Ich tauch 1 meine Brust," mit der gedämpften Violinbegleitung und 
die Einleitung zu dem Chor der „Geister der Finsterniss" mit der 
dominireuden Cello- Figur. Doch kann man ihr insofern einen An- 
spruch auf Originalität nicht vindiciren, als ein Anlehnen des Com- 
ponisteu an R. Wagner und Mendelssohn sich unabweisbar auf- 
drängt. Ebenso kann von einer Characteristik im Allgemeinen nur 



sehr bedingungsweis die Rede sein, da uns statt Bildern des Orients 
häufig nordische Nebelbilder entgegentreten. Auch ist bei der ziem- 
lich grossen Ausdehnung des Werkes der unstäte Harmonie- und 
Tempowechsel nicht vermögend, unser Iuteresse für dasselbe zu er- 
höhen und eine hie und da sich einschleichende Monotonie zurück- 
zuhalten. Und dennoch sind wir überzeugt, dass die „Kreuzfahrer," 
wo sie mit so viel Eifer und künstlerischer Hingebung zu Gehör 
gebracht werden, wie von unserin Cäcilienverein, den Solisten und 
dem Orchester, überall — wie bei uns — einer freundlichen Auf- 
nahme gewärtig sein dürfen. 



Aus M ii fi c li e 11. 

(Schluss.) 

Der philharmonische Verein veranstaltete als Todten- 
feier zu Ehreu des vor einem Jahre verstorbenen Grafen S t a i n - 
lein, eines begabten Musikfreundes und Dilettanten, eine musika- 
lische Matinäe, in welcher nur Compositionen des Verstorbenen zur 
Aufführung gebracht wurden. Nur ein Trio für Pianoforte, Violine 
und Violoncell war im Stand, den Grafen als respectablen Tondich- 
ter zu characterisiren, die weitereu Nummern des Programms (Lie- 
der: „O lieb so lang du lieben kannst" und „Treue Liebe," ferner 
Romance varie'e für Violine mit Streichquartettbegleitung und schliess- 
lich zwei Duetten „Frühlingsgesänge") bewiesen mehr Eifer und 
guten Willen, als Begabung und Tiefe. 

Das Hoftheater brachte am letzten Sonntag „Catharina Cor- 
naro" von L a c h n e r (mit Frl. Stehle in der Titelrolle) unter 
Bülow's Direction zur Aufführung. Bei den Proben hatte Bülow 
gebeten, ihn in der Direction zu unterstützen und ihm die Tempi 
zu bezeichnen,! wie sie Lachner, der leider von München ab- 
wesend sei, zu nehmen pflegte. Diese Pietät, welche er für seinen 
Vorgänger im Amt an den Tag legte, vermehrte nicht wenig die 
Sympathien, welche das Orchester ihm entgegenträgt. Auch das 
./Publikum, unter welchem sich verschiedene alte Herren befanden, 
die seit Lachner' s Rücktritt das Hoftheater ängstlich gemieden hat- 
ten, nahm die Oper, welche ausserordentlich sorgfältig vorbereitet 
war und von Bülow mit hingebenstem Eifer dirigirt wurde, mit 
seltenem Beifall auf und applaudirte fast jede Nummer. Von der 
Ueberreichung eines Ehrengeschenkes an Lachner, der sich mit 
grosser Befriedigung über seine jüngsten Erlebnisse in Frankfurt 
und Cöln ausspricht, haben Sie wohl schon aus den Zeitungen ver- 
nommen, und ich komme mit meinen Bericht hierüber zu spät. — 
Lachner geht dieser Tage nach Wien, wo er sich bis zum nächsten 
Frühjahr aufzuhalten gedenkt. 



Aus W i e n. 

(Schluss.) 

Frau Schumann gab in der zweiten Hälfte November zwei 
Concerte. Die edle Kunstrichtung ihrer Programme bedarf keiner 
Bestätigung ; dieselben scheinen diesmal vorwiegend die romautischo 
Schule zu vertreten; Beethoven und Bach waren bis jetzt nur ein- 
mal erschienen. Am hervorragendsten waren die mit äusserster 
Klarheit und Energie gespielten „Etudes en forme de Variations u 
Op. 13 von Schumann. Von besonderem Interesse waren ferner 
Schumann's Op 46, Andante mit Variationen für zwei Claviere, 
diesmal nach der ursprünglichen ungedruckten Lesart (mit Beglei- 
tung von 2 Cellos und Waldhorn). Die reizende Compositiou schien 
in dieser neuen Gestalt erst ins rechte Licht gestellt und sprach 
ungemein an. Die Ausführung an den beiden Ciavieren durch Frau 
Schumann und Joh, Brahma gestaltete sich unter solchen 
Händen zum edelsten Wettstreit. 

Die Oper bot im Monat November wenig Anhaltspunkte zu 
näherer Besprechung. Der neu engagirte Tenor Müller trat als 
Lyonel, Chapelou, Manrico und Vasco de Gama auf und verspricht 
bei seinem Eifer ein schätzbares Mitglied der Oper zu werden. 
Seine Stimme spricht leicht an, klingt sympathisch, obwohl ein un- 
angenehmer Gaumenansatz noch stört; im Spiel aber bleibt noch 
viel zu thun übrig» Hr. Müller studirt nun die Rolle des Robert 



**> 



203 — 



ein, die trotz Walter und Adams verwaist dasteht. Auch zwei 
Gastspiele brachte wieder dieser Monat (nulla dies sine limea). 
Ein Frl. Po Hak versnchte sich als Fides und Nancy. Ihre Stimm- 
rnittel sollen noch vor kurzem vielversprechend gewesen sein ; nun 
sind sie durch verfehltes Studium mit Dampfkraft dem Ruin zuge- » 
führt. Ein drittes Auftreten ersparte die Direction der Sängerin 
und dem Publikum. Nicht besser erging es einem Hrn. Rulf aus 
Hannover, der für dritte Tenorpartbien ausersehen war. Die beiden 
Bollen Feuton (lust. Weiber) und Tybald (Romeo) genügten, um 
auch ihn unmöglich zu machen. Unter den gegebenen w Opern ist 
eine Vorstellung von Nicolai's „Lustige Weiber von Windsor" her- 
vorzuheben, die recht animirt gegeben wurde. Die HH. Schmidt 
und Mayerhofer (Falstaff und Flutb), die Damen Dust mann 
und Gindele (Flutb und Reich) wirkten dabei sehr verdienstlich. 
Auf die Rolle des Profeten hatte der Tenorist Adams viel Stu- 
dium verwendet; Frau Wilt als Bertha zeigte wieder die ge- 
schulte, mit reichen Stimmmitteln begabte Sängerin. Das Reper- 
toir war in letzterer Zeit mehrfach durch Krankheitsfälle gestört, 
lässt aber doch in seiner Totalität die eingeschlagene Richtung 
durchblicken. „Mignon" wurde 5 mal gegeben, „Martha" 3 mal 
(2 mal als Aushälfe), „Hugenotten" uud „Romeo" hatten je zwei 
Abende. Alle übrigen Opern wurden je 1 mal gegeben: „Don 
Juan," „Figaro's Hochzeit," „Teil," „Postillon," „Troubadour," 
„Lustigen Weiber," „Maskenball," „Afrikanerin 4 und „Lucrezia." 
Von Deutschen waren also nur Mozart, Flotow und Nicolai mit 
vier Abenden vertreten. N i e m a n n ist bereits angekommen und 
wird zunächst als Tannbäuser auftreten. 



Aus Leipzig 

Im November 1868. 

(Fortsetzung.) 

Ein eigentümliches Fatum waltete über dem am 29. October 
abgehaltenen vier ten Qewandhauscoucert: gegen vier Meister der 
Tonkunst, sonst erklärte Lieblinge des Gewandhaus-Publikums, ver- 
hielt sich dieses, wenn auch nicht zurückweisend, doch auffallend, 
kühl und nicht in allen Fällen war die Interpretation schuld daran 
— Man begann mit Beethoven's Ouvertüre Op. 124, die bis 
auf einiges Distoniren in den Blasinstrumenten und einem etwas 
unbescheidenen Hervortreten des Bleches, namentlich der Trom- 
peten, sonst gauz gut zu Gehör gebracht wurde. Hierauf folgte: 
Sonate und Arie aus „Die Auferstehung des Lazarus," Oster-Cantate 
von Franz Schubert, und zwar zum ersten Male. Bei Durch- 
lesung des Textes kann man sich nur wuudern , wie Schubert sich 
für diese schauerlichen, alle Schrecken des Grabes und des Kirch- 
hofes aufdeckenden, dabei aber der Poesie baareu Worte hat be- 
geistern können. Es ist ihm freilich auch nicht recht gelungen. 
Die Composition, wenn sie auch im Einzelnen der Schubert eigen- 
tümlichen genialen Züge nicht entbehrt, macht doch im Ganzen 
einen monotonen Eindruck, der durch die motivirten und nichtmoti- 
virten Abschweifungen nach allen Tonarten hin nicht gemildert 
wird; namentlich aber ist der letzte Satz in Erfindung und Durch- 
führung unbedeutend. Dazu kommt eine Orchestration , welche, so 
interessant und geistreich sie an einzelnen Stellen auch ist, doch 
ein ganz anderes Volumen von Stimme verlangt, als worüber Herr 
Wallenreiter aus Stuttgart zu gebieten hat. Aber selbst mit 
diesem Quantum von Stimme würde besagter Herr mehr ausrichten, 
wenn er verstände, es besser technisch wie geistig zu handhaben. 
In erster Beziehung erscheint vor allem eine correctere und deut- 
lichere Aussprache des Textes, namentlich der Vocale wünschens- 
werth, in letzterer wirkt eine Monotonie des Vortrages geradezu 
lähmend und langweilend. Ueberhaupt schien es an diesem Abend 
Hr. Wallenreiter darauf abgesehen zu haben , die Rolle eines sin- 
genden Hölleubreugsel zu spielen; er malte schwarz auf schwarz» 
Die von ihm vorgetragenen Lieder mit Pianoforte: „Canzonetta" 
von Alessandro Scarlatti „0 cessate di piagarmi," „Der Ab- 
schied" von Moscheies, und „Belsazar" von R. Schumann 
trugen mehr oder minder einen düsteren Character, dem die dunkele 
Klangfarbe der Stimme sowie die eintönige Vortragsweise des Sän- 
gers kein freundlicheres Colorit zu verleihen vermochten. Kein Wun- 



der, da ss sich da die Zuhörerschaft zu lebhaftem Beifall nicht an- 
geregt fühlte. Einen weit günstigeren Eindruck machten dagegen 
die Ciavier- Productionen der Frl. Gabriele Joel aus Wien: Concert 
(Es-dur) für das Pianoforte von Weber, Concert-Etude (Op. 126) 
von J. Moschelea, Andante spianato von F. Chopin und 
Presto (aus der Fantasie Op. 28) von F. Mendelssohn. Frl. 
Joel steht auf einer ganz respectabeln Stufe des neueren Virtuosen- 
thums; -Fertigkeit, Sicherheit und ein markiger, kräftiger Anschlug 
vereinigen sich bei ihr mit gutem Geschmack, und wenn bei Wie- 
dergabe des Chopin'schen Andante, sowie des Meudelssohn'schen 
Fantasiestütskes etwas mehr günstige Durchdringung zu wünschen 
übrig blieb, so gelang ihr dagegen die des Weber'schen anmuthigen 
und frischen Concertes vortrefflich Nach diesem wäre nach unserer 
Ansicht ein wärmerer Beifall, wie er den Solostücken folgte, besser 
am Platze gewesen. — Den zweiten Theil des Concertes füllte 
M e n d e ls s o h n's „Reformations-Sinfonie aus. Anfangs der dreissiger 
Jahre componirt, hat der Meister doch stets mit einer Reproduc- 
tion derselben zurückgehalten. Wir glauben , dass er damit eine 
Selbstkritik ausgeübt hat, der wir nichts weiter hinzuzufügen haben ; 
auch das Publikum schien, den Zeichen des äusseren Beifalls nach, 
ähnliche Ansicht zu hegen. (Fortsetzung folgt.) 



Aus Stuttgart. 

Im November. 

T. Das vierte Abonnementsconcert überraschte uns mit zwei 
Novitäten; wenigstens in Stuttgart war die eine derselben, Schü- 
manns zweite Sinfonie (C-dur) noch nicht gegeben worden. Hof- 
capellmeister A b e r t hat mit derselben einen glücklichen Wurf 
gethan: besonders das geistsprühende Scherzo und das an wunder- 
sam sublimen Tongebilden fast überreiche Adagio wurden mit wah- 
rem Jubel aufgenommen; (im Finale stört eine Reminiscenz an den 
G-moll-Satz der Mendelssohu'schen Lobgesang-Sinfonie die reine 
Freude des Hörers); die Eiustudirung war eine überaus sorgfältige 
uud liebevolle. Als zweite eigentliche Novität hörten wir eine 
Orchesterfantasie unseres G. Lindner, wozu er zwei bei der kgl. 
Familie besonders beliebte russische Volksweisen gewählt hatte. 
Dieselben erschienen in geschmackvoller, stets wechselnder Harmo- 
nisirung und Durchführung ; der Hauptvorzug des Ganzen liegt aber 
in der glänzenden, geradezu an das Tristan Vorspiel gemahnenden 
Instrumentirung, welche sich eines ungetheilteu Beifalls erfreute. 
Nach Art von Liszt's ungarischen Rhapsodien wechselt darin ein 
langsamer Satz (A-moll) mit einem bewegten E- und A-dur, und 
treten auch einmal beide Themen zusammen. Von Mendels- 
sohn' 8 Ouvertüre: „Meeresstille und glückliche Fahrt" ging 
das Adagio unter dem Geräusche der zu spät Kommenden, denen 
man diesmal nicht, wie sonst löblicher Weise, den Eintritt bis zum 
Schlüsse der Nummer verwehrte, völlig verloren. Mozart's nach- 
componirte Arie zu „Figaro," eines der letzten Muster ächten ita- 
lienischen Kammerstyls, in der sich die beiden BassethÖrner mit 
den Fagotten und Waldhörnern zu einer eigenthümlich warmen 
Klangfarbe verschmelzen, trug diesmal deutliche Spuren der über- 
eilten Einlage an sich, und zwar nicht nur in der Begleitung, son- 
dern auch im Solopart, indem Frl. Bärmann ihre sonstigen Vor- 
züge fast gänzlich vermissen Hess; falsche Phrasirungen, wie z. B. 
Grabe |s Raub u. dgl. sollten im Concert nicht vorkommen. Unser 
neuer Violinvirtuose Hr. W e h r 1 e , der neben C. M. Singer am 
ersten Pulte sitzt, spielte Bpohr's Gesangscene mit grosser Sauber- 
keit; die Qualität des Tones kommt bei der bekannten schlechten 
Akustik unseres Königsbausaales nie geuügend zur Geltung. 

Das alljährliche „Mozart - Concert" des Orchestervereins 
waren wir diesmal abgehalten zu besuchen; unsere Ansicht über 
derartige Ausfüllungen eines Abends mit* verschiedenen Werken 
eines einzigen Meisters haben wir schon früher in diesem Blatte 
ausgesprochen. Das Programm enthielt die C-dur - Sinfonie N* 10, 
das B-dur-Quintett, ein Clavier-Concert in Es-dur, gespielt von dem 
jungen Conservatoristen C. H e r r m a n n , und aus der spärlichen 
Auswahl concertfähiger Lieder Mozart's das „Veilchen" und dia 
„Abendempfindung;" die Direction war in Händen des Hrn. Hof- 
pianisten Prackner. 



204 - 



>« Daionlte&sto Abdnnementsconcert (bereits N° 5) wird u. A. die 
Otrrtrtürefzu »Amakreon," das Tristanvorspiel, die C-moll- Sinfonie 
und' das G-*ur-Concert von Beethoven bringen , letzteres gespielt 
vofi'Frau 1 Bfe Ito er-Hörner. 



Aus Paris. 

' 14. December. 

- ! Gestern ist der Cyclus der Conservatoriums - Concerte eröffnet 
worden. Auf dem Programm figurirten u. A. eine Sinfonie von 
Gouvy und der Pilgerchor aus Wagner's „Tannhäuser." Gouvy's 
Werk erfreute sich einer beifälligen Aufnahme, und was den vor- 
trefflich ausgeführten Pilgerchor betrifft, so musste er auf stürmi- 
sches Verlangen wiederholt werden. Man hatte erwartet, auf dem 
Programm ein Werk Rossini's zu finden. Wie ich höre, hat die 
Concertgesellschaft beschlossen, vorläufig wenigstens, keine Rossi- 
ni'sche Composition auf ihre Programme zu setzen. Nicht so ganz 
Unrecht. Hat man doch sogar vergessen, die Mitglieder dieser 
Gesellschaft, die dem Maestro bei seinen Lebzeiten so häufig die 
wärmstei Beweise der Bewunderung gegeben, zu dessen Leichen- 
feier einzuladen! 

Von unsern lyrischen Bühnen ist wenig zu melden. Die grosse 
Oper studirt Gounod's „Faust" ein. Vor seiner Abreise nach 
Rom hat der Compositeur dem Director zwei neue Stücke, ein Di- 
vertissement für die Walpurgisnacht und wenn ich nicht irre, eine 
von Mephistopheles zu singende Arie zugestellt. 

' In der komischen Oper hat vor einigen Tagen die hun- 
dertste Vorstellung des „Premier jour de bonheur" von A u b e r 
stattgefunden. Hoffentlich wird der greise Tondichter noch die 
hundertste Vorstellung des Werkes erleben, an dem er in diesem 
Augenblick arbeitet. 

' Das eben genannte Theater wird nach der Auffuhrung des 
„ Vert- Vert* von Offenbach, H a 1 e v y's „Jaguarita* in Scene 
gehen lassen. 

Das Tkeätre lyrique studirt Wagner's „Rienzi" ein. 

Vorgestern ist die Patti nach mehrwöchentlichem Unwohlsein 
als Rosina im „Barbier von Sevilla" wieder aufgetreten. Stürmische 
Bravos, Kränze, Blumensträusse in Hülle und Fülle. 

Tamberlick ist bereits hier angelangt und beginnt noch im 
Laufe dieser Woche die Reihe seiner Gastrollen im Salle Venta- 
dour. Mina Hauck, von der ich bereits gesprochen, wird dort 
gegen Ende dieses Monats debütiren. 



Nachrichten* 



Mainz. Am 11. Decbr. fand das zweite Concert des „Kunst- 
und Literatur -Vereins" unter der Leitung des Hrn. N. Soltans 
statt, in welchem Frau Betty Schott von hier, Frau Jenny 
Soltans vom k. Hoftheater in Cassel, Hr. Concertmeister Hugo 
Heermann aus Frankfurt a. M. und die HH. Baritonist F r a y 
und Violoncellist Hörn vom hiesigen Stadttheater mitwirkten. 
Die Perle des Abends war das reizende Trio in G-dur (Op. 1) für 
Ciavier, Violine und Violoncell von Beethoven, welches von 
Frau Schott und den HH. Heermann und Hom in vortrefflicher 
Weise executirt und vom Publikum, welches Frau Schott mit leb- 
hafter Acclamation empfangen hatte, mit grossem Beifall aufgenom- 
men wurde. Frau Schott bewährte ihre bekannte Virtuosität aus- 
serdem in dem brillanten Vortrage einer Gavotte von Bach und 
des Rondo in Es-dur von Weber. Frau Soltans, ein stets will- 
kommner Gast, erfreute uns durch den seelenvollen Vortrag einer 
Arie aus „Jessonda" und einiger Lieder von Schumann und Sol- 
tans, womit sie, wie immer, stürmischen Beifall erntete. Dagegen 
wollte es Hrn. Fray mit seinen Liedervorträgen nicht recht gelin- 
gen, das Publikum zu erwärmen, trotz der tropischen Temperatur, 
die im dicbtgefüllten Saale herrschte. Diese schien dagegen auf 
das Instrument des Hrn. Heermann nicht ohne störenden Einfluss 
zu seid, wenn auch constatirt werden muss, dass dieser Künstler, 
den wir im vorigen Winter bereits als tüchtigen Quartettisten 
schätzen lernten, in dem Vortrag der Othello -Fantasie von Ernst 



und zweier Solostücke: Adagio von Spohr und »Am Springquell* 
von -David, eine sehr achtenswerthe Technik und gediegene Vor- 
tragsweise kundgab und auch von Seite des Publikums sich des 
lebhaftesten, wohlverdienten Beifalls zu erfreuen hatte. — Auch 
Kammermusik* Soireen bringt uns diese Saison, veranstaltet von den 
HH. Concertmeister Popper, F. Wolff, Busch und Frisch. 
Die erste derselben fand am 7. December statt und es wurden das 
Kaiserquartett von J. Haydn und das nachgelassene Sextett für 
Piano, 2 Violinen, Viola, Cello und Contrabass, unter Mitwirkung 
der HH. Rupp (Clavier) und Burkard (Contrabass) zu Gehör 
gebracht. Wir konnten der interessanten Unterhaltung nicht selbst 
beiwohnen, hörten aber aus verlässiger Quelle, dass die gebotenen 
Leistungen zu recht schönen Hoffnungen für das weitere Gedeihen 
des verdienstlichen Unternehmens berechtigen, welchem übrigens 
eine etwas aufmunterndere Theilnahme von Seite unseres musiklie- 
benden Publikums zu wünschen wäre. 

München. Am Sonntag den 20. d. M. wird im k. Hoftheater 
die Oper „Iphigenie in Aulis" von Gluck, nach der Bearbeitung 
von R. Wagner, zum ersten Male zur Aufführung kommen. 

Wien. Am 4. d.M. gab Frau Clara Schumann ihr drittes 
Concert im Musikvereinssaale unter Mitwirkung des Kammersängers 
Hm. Gustav Walter. 

— Der Hofopernsänger Dr. Schmidt ist vor einigen Tagen 
auf der Jagd von einem Schuss getroffen worden. Glücklicherweiso 
ist die Verwundung nicht gefährlich und wird dem geschätzten 
Künstler nicht lange in seinem Dienste hinderlich sein. 

— Im Theater an der Wien wurde zum Benefice des Fräulein 
G e i s t i n g e r ein neues, siebenactiges Volksstück, „Maria 
Theresia und ihr Kammerheizer 8 von G. Mirani gegeben, in wel- 
chem die Benefiziantin fünfmal die Roben wechselte uud in Bezie- 
hung auf ihre Garderobe einen wahrhaft fürstlichen Aufwand machte, 
indem die Kosten für dieselbe sich auf die enorme Summe von 
8000 fl. beliefen! 

Paris. Das achte populäre Concert des Hrn. Pasdeloup 
brachte: Ouvertüre zu „Athalia" von Mendelssohn; Sinfonie 
in F-dur (N° 8) von Beethoven; das 8. Concert für Violine von 
Rode, vorgetragen von Hrn. Hey mann (I. Preisträger des Con- 
servatoriums); Sinfonische Bruchstücke von Fr. Schubert; Vor- 
spiel zu „Lohengrin" von R. Wagner; „Einldduug zum Tanz" 
von Weber, instrumentirt von Berlioz. Im neunten dieser 
Concerte wurden aufgeführt: Sinfonie in A-moll von Mendelssohn; 
Adagio aus dem 36. Ouartett von Haydn (sämmtliche Streich- 
instrumente); Leonoren-Ouvertüre N° 3 von Beethoven; Clavier- 
Concert in G-moll , componirt und vorgetragen von Hrn. Saint- 
S a e n s; Ouvertüre zu „Oberon" von Weber. 

— Am 13. Decbr. fand das erste Conservatoriumsconcert mit 
folgendem Programm statt : Sinfonie in F-dur von Gouvy; der 
98. Psalm für Doppelchor von Mendelssohn; Adagio aus dem 
S e p t u o r von Beethoven; Pilgerchor aus „Tannhäuser" von 
R. Wagner; Sinfonie in C-dur (N° 1) von Beethoven. 

— Die Einnahmen der Theater, Concerte etc. in Paris betru- 
gen im Monat November die Summe von 1,783,151 Frcs. 

V Die Theateragenturen der HH. RÖder und Michaelson 
in Berlin haben sich vereinigt, um in Zukunft gemeinschaftlich 
und einträchtig ihre bekannte Wirksamkeit fortzusetzen. 

*** Herr Musikdirector Schornstein in Elberfeld bat 
die durch den Tod van Eycken's erledigte Organistenstelle an 
der dortigen reformirten Kirche übernommen. 

*** Friedrich Schneider, der Componist des Oratoriums 
„Das Weltgericht," hatte bekanntlich eine Musik zu Schiller's 
„Braut von Messina" componirt, deren Partitur beim Brande de» 
Dessauer Hoftheaters verloren gegangen und wovon ein zweites 
Exemplar nicht zu ermitteln war. Die Originalpartitur hat sieb 
nun im Besitz einer Dessauer Dame vorgefunden, welcher der Com- 
ponist das Werk als Geschenk verehrt bat, mit der Bezeichnung t 
„Am 30. Juli 1817 vollendet, Friedrich Schneider." 

*** Der neue „Barbier von Sevilla," von Dali* Arigine 
componirt (man wird sich des Billets erinnern, welches Rossini den» 
Componisten auf die Widmung seines Werkes zurückschrieb), ist 
nun in Bologna aufgeführt und — hat nicht gefallen. 

Verantw. Red. Ed, Föckerer. Druck t>. Carl Wallau, Mainz* 



17. Jahrgang. 



if* &&. 



28. December 1868. 



SODDEUTSCHE MUSIK-ZEITUNC. 



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Diese Zeitung erscheint jeden 

MONTAG. 
Man abonnirt bei allen Post- 
amtern, Musik- & Buchhand- 
lungen. 



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von 

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B. SCHOTT's SÖHNEN in MAINZ. 

Brüssel bei Gebr. Schott London bei Sehott & Co. 



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Durch die Post bezogen: 
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INHALT: Wie den Mecklenburger Bauern der „Freischütz" gefiel. — Corresp.: Leipzig. C'öln. — Nachrichten. 



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lich eine Nummer. 

c#*peKfion 5er § ubbeuffcfiett ^nßft-$etfmt$. 

Wie den Mecklenburger Bauern der „Freischütz" 
gefiel, und was ihnen dabei passirte. 

(Aus FritZ Reuter' S „Reise nach Belügen" (Berlin). 



Wer sieb noch besinnen kann, wie er das erste Mal im Thea- 
ter sass, wie der Vorhang aufging und die ganze Herrlichkeit der 
Comödie an ihm vorüberzog, Geschichten, wie er sie nur in Büchern 
gelesen, im Traume gesehen, aber nicht für menschenmöglich gehal- 
ten hätte, der kann sich ungefähr vorstellen, wie's „ollen Sevart," 
dem „Nah wer (Nachbar) Witt" und ihren Söhnen Fritz und Carl 
zu Muthe war, als sie nach Berlin kamen nnd von der Höhe des 
„Ärgel-Kur" (Orgelchor) herab den „Freischütz" sahen. 

Sie hatten bezahlt und die Gesellschaft, hübsch zusammen, 
steigt nach dem Paradies hinauf. Der alte Witt bleibt in der 
Thüre stehen, hält sich fest mit beiden Händen und starrt in den 
Kronleuchter, bis ihm die Augen flimmern; dann fängt er kläglich 
an zu bitten: „Ne, will'n man wedder rute gan. a Der alte Sevart 
redet ihm zu und er geht herein. Wie er über die Brüstung schaut» 
hinab in den Theaterraum, wie's da wühlt und wallt und dumpf 
wie ferner Donner grummelt, und wie's glitzert und blitzt, da wird 
ihm schwindlich und Nachbar Sevart muss nochmals hülfreich bei- 
springen. Endlich beruhigt er sich und die Gesellschaft wartet mit 
Spannung auf das Schauspiel. 

Auf einen Stoss geht die ganze Musik auf einmal los. Das 
war, als wollte der Erdboden bersten und finge der Himmel an zu 
wackeln, so rasselt's und knattert's und saust's und braust's und 
grummelt und rummelt und gindelt und Adelt und schreit dazwischen, 
als wenn der jüngste Tag angebt. Dann wieder klingt's voll Freud' 
und spielt und flötet und singt so süss, als wenn die Sonn' aufgeht 
und scheint auf die grüne Erde. Dann wieder klingt's wie Som- 
mernacht, wenn Mond und Sterne am Himmel wandern, und Eins 



so selig sucht den Andern, als wenn die Braut so still und traut 
am Herzeu liegt, „als hätt' der Himmel seine Seligkeit an dich ver- 
geben und bat Bich nun bei dir zu Gast," Fritz Sevart denkt an 
„sein läiw Dürten (seine liebe Dorothea); es war ihm, wie wenn' 
Glocken klingen und Blutfink und die Lerche sangen, wenn Som> 
merwind' durch Büsche zogen und Nachtigall und Wachtel schlu- 
gen, doch Alles zusammen zu gleicher Zeit, als sängen sie ein einzig 
Lied. In seinem jungen Herzen da wird's, als sollt' er nun mit 
einem Male sich freuen, und bangen, vergehen vor Lust und Qual 
und seligstem Verlangen. Ein Schauer übergiesst ihn, der Athem 
stockt, bald glüht er, bald zittert er vor Frost, ganz still und stumm 
hat er die Hände gefaltet und starrt in tiefer Andacht vor sich hin. 

Nun geht der Vorhang auf, „Victoria !" da springen nnd tanzen 
die Bauern, in Mitten steht der „Kerl mit den vielen Schildern;" 
dies ist der König von der Schützengilde, der den Preis gewonnen, 
und daneben wird Einer gehänselt, der fehl schoss. „Nu ward hei 
■•"'falsch; hei ward em doch nit stecken (stechen); „I Vadder Witt, 
wie kannst Du so wat sprecken? Sei dann man so; dit is man 
Ogenklemmen (Augenblende), jo." Und wie der Kerl das Maul 
aufreisst! „Wenn de so recht ut vulle Kehle outblare (herausblär- 
ren), doo kann sik jo en Minsch verfiren (erschrecken)/ Den alten 
Sevart jammert aber das junge Blnt. „Ob hei dat Frugens-Minsch 
(Frauenzimmer) woll kriggt, wonach hei ämmer luthals schriggt 
(aus vollem Halse schreit). 41 Endlich schlägt ihn der schwarze Kerl 
doch breit; der dumme Teufel lässt sich kriegen, und „Aliens vor 
dat beten Frigen" (für das bischen Freien). — 

Jetzt fällt der Vorhang und Fritz holt tiefen Athem. Das war 
Alles nicht wahr, das sah er ein, das konnte niemals passirt sein, 
und doch war's wieder so wahr, denn es stand vor ihm so klar 
wie am Himmel die Sonne. Der Vorhang hebt sich wieder und 
Carl Sevart meint, das ist wirklich das Stück, das wir zu Strelitz 
sahen, und „dort is de sülwige Mamsell." Fritz hört'z nur halb, 
denn es war ihm, als ob „sin Dürten vor em stünn un klagte em 
ihr Herzeleid." So traurig klang's und doch so süss, dass ihm die 
Thrän' vom Auge floss und doch sein Herz so selig flog. Es war 
nicht Dürt und doch war's Dürt; ihm war's, als sollte er für das 
fremde Mädchen sein Herzblut tropfen weis vergiessen. Den alten 
Sevart aber hat das Aennchen charmirt. „Ne kik dat Ding an, 
wo dat lewig ward," Dem Nachbar Witt könnt sie sogar als Schwie- 
gertochter gefallen. Sevart aber meint, das sei Alles nur Schein, 
sie thut sich nur verstellen. 

„Singt die Dirn und pfeift der Knecht, 
Da wird all mein Tag nichts recht.*- 

Nun kommt „die Sach zum Schwur." „De Anstalt is dann 
doch taum Grugenmachen (zum Grauenmachen), mit Dodenköpp so'n, 
oll Sacken;" den langen Reckel sollten sie doch an den Galgen 
hängen. Der will mit dem Bösen sich bemengen und das unschuldig - 
Gottesblut verführen. „Fritz," ruft Carl Witt, „dit is dat Stücky 
wo wir dünn hewwen Sprüngen müsst." Nun kommt Max, dann 
geht die Kugelgiesserei los. Wie das im Erdboden dröhnt, wie di« 
Eni' da sitzt und speit und wie das vom Himmel blitzt und wif 



206 • — 



das wettert und kracht. Jetzt kommt die wilde Jagd". Dem alten 
Witt dem graut, er will hinaas; jetet ruft's «Sieben! 8 Auf einmal 
aehreit Carl Witt ganz laut: „Nuhollt Jug wiss, nu möt wir sprin- 
gend ( Jetet halt euch fest , jetet müssen wir springen). Wutseh ! 
hat Jbn^ der Conetabler im Genick und bringt ihn gans sacht hin* 
aus,., Der Vorhang fallt. 

Sevart schilt Ober den dämlichen Junges und tröstet den alten 
Witt, dem'8 gruselt und graut. Das Stück fängt wieder an. Fritz 
hört sein Dürten beten, für ihn und sein ewig Glück. Old Sevart 
sieht aber wieder „dat Kräten Ding" (die kleine Kröte), die umher- 
springt „grad wie ne Mus uf Kindelbir (grad wie ne Maus beim 
Kindbett). Jetzt werden sie aber ganz verwirrt, denn jetzt singen 
eie da unten den „Jungfernkranz. „Wi kümmt de nach Berlin 
hie her?" „Ib, Nahwer Sevart, det kann ja sin, dat Ein bei uns 
det olle Ding hett hürt un dat sein't sik utwennig dünn hett lihrt* 
(jfass er's dann auswendig gelernt hat), doch meint er, „all tau 
schön bringen sei't nich rat." Jetzt kommt der König und der 
ganze Schwärm und Max muss den Probeschuss thun. Nun wird's 
Sevart angst, Max könnte schiessen, denn er hat „Düwelskugeln* 
drin. „De Düwel kann ja dat nit weiten (wissen), wo so'n Eretur 
hinfleigen kann." Und wie Max nun anlegt und losdrücken will 
und Alles ist vor Angst mäuschenstill, da ruft der alte Sevat vom 
„Ärgel-Kur" herab: „hei schütt! (schiesst) hei schütt! der Deuwel 
kiabl 1 Du dumme Deuwel, scheit (schiess) doch nich!" Wutsch! 
hat ihn der Constabler im Genick und führt ihn höflich vor die 
Thür. Und Witt geht sachte hinterdrein. „Herr! sagt der alte 
Sevart, dafür, dat ik nah'n Rechten seih, ward ik hier ante smeten?" 
(Herr, dafür, dass ich nach dem Rechten seh', werd hier heraus 
geschmissen). „Na, dit is wedder mal en Stück!" 

Fritz aber blieb aHein noch drin. Fr hatte die Welt um sich 
vergessen, er hörte und sah nichts Anderes mehr, als sein eigenes 
Leben, als wäre dies Alles ihm selbst passirt und seiner lieben 
Ij>ürt. Und als der Vorhang fiel, da war's ihm, als wäre er von 
^er ganzen Welt verlassen, als war der Himmel ihm verschlossen, 
als wäre Alles nun vorbei. Nur die schöne Melodie vom letzten 
Lied klang in ihm fort, so traurig und so süss, wie das letzte Wort, 
das seine Dort ihm sprach: „Adjül — Heinr. Becker. 



CORRESPONDENZEN. 



Aus Leipzig. 

(Fortsetzung und Schluss.) 

Auch der Musikverein „Euterpe" hat am 27. October seine 
winterliche Concertsaison eröffnet und zwar in richtiger Erkenntniss, 
nicht wie in den letzten Jahren in dem grossen Saale der Central- 
halle, sondern in dem bei weitern kleineren der Buchbändlerbörse. 
Ausführende wie Hörende befinden sich dabei jedenfalls besser und 
ist ihren Interessen in zweckmässigerer Weise damit gedient. Das 
Programm dieses ersten Concertes war, wie folgt, zusammengestellt : 
Ouvertüre zur Oper „Euryanthe von Weber, Recitativ und Arie 
aus „Robert der Teufel" von Meyerbeer, gesungen von Frl. 
Helene Gerl, herzogl. sächs. Hofopernsängeria aus Coburg ; Concert 
für Violine von Beethoven, vorgetragen von Hrn. Ludwig 
Strauss aus London; Vorspiel zu «Tristan und Isolde von Richard 
Wagner; Polacca aus der Oper „Mignon" von Thomas, ge- 
sungen von Frl. Helene Gerl ; Adagio von S p o h r , vorgetragen 
von Hrn. L. Strauss und Vorspiel zu „Die Meistersinger von R. 
Wagner. Von alle dem, was hiermit geboten wurde, vermochte 
doch nur allein das Spiel des Hrn. Strauss uns einen ungetrübten 
Genuss zu verschaffen und zwar trotz der mangelhaften Begleitung 
und trotz des Unfalls, der ihm im Adagio des Beethoven'schen 
Concertes durch das Springen einer Saite zustiess. Schöner, nobler 
7?on, eine nach allen Richtungen hin durchgebildete Technik, feines 
Verständniss und seelenvoller Vortrag weisen Hrn. Strauss seinen 
Iflatz unter den ersten der jetzt lebenden Geiger an. Wir gestehen, 
das Beetboven*sche Concert seit lange nicht so vollendet gehört zu 
haben; dem Beifall nach schien das Publikum unsere Ansicht zu 
theilen. Gleich stürmisch übrigens äusserte es sich auch nach dem 
t^pobr'schen Adagio. Weit unter diesen instrumentalen Solo -Vor« 



trägen standen die sanglichen. Frl. Gerl, die hier zum ersten Male 
auftrat, gebietet über eine nur schwache Stimme, der man hie und 
da einige Ermüdung und Erschlaffung anhört. Ob letzteres von all 
zu vielem Studinm herrührt, möchten wir bezweifeln; denn so ver- 
schwenderisch sich Frl. Gerl im Ausgeben von Passagen, Colora- 
turen und Trillern zeigte, so entsprach doch die Qualität keines- 
weges der Quantität, und es war nicht immer die letzte Feile, die 
daran fehlte. Geradezu geschmacklos aber waren die Cadenzen und 
Verzierungen, mit welchen die Sängerin die Meyerbeer'sche Arie ver- 
brämte, und seien ihr diese für alle Zukunft erlassen, wie gleich- 
falls der Vortrag des Polacca aus der Oper „Miguon von Thomas, 
eines höchst trivialen Machwerkes, welches uns durchaus nicht 
begierig auf die Bekanntschaft der ganzen Oper gemacht hat. — 
Was nun endlich die orchestralen Vorträge anlangt, so tragen wir 
recht gern den Verhältnissen Rechnung; die Schwierigkeiten, mit 
denen der Dirigent, Hr. S. Jadassohn, bei einem so verschieden- 
artig zusammengesetzten Orchester zu kämpfen hat, erfordern zu 
ihrer Ueberwindung von seiner Seite ungewöhnliche Energie, Muth 
und Ausdauer. Diese Eigenschaften bewährten sich im Vortrag der 
„Euryanthen-Ouvertüre" und war damit ein guter Anfang gemacht. 
Dass man aber gleich für das erste Concert einem Orchester gegen- 
über, das sich erst ein- und zusammenspielen soll, zwei Stücke von 
so eminenter Schwierigkeit, wie die Wagnerischen Vorspiele, wählte, 
war ein allzugrosses Wagniss. Wir gehören nicht zu den Ver- 
ehrern dieser Emanationen der Wagner'schen Muse; bei einer, 
namentlich in geistiger Beziehung, so unfertigen und mangelhaften 
Wiedergabe aber verbietet sich jedes Urtheil. 

Schliesslich hätten wir' aus dem Monat October noch einer 
geistlichen Musik-Aufführung zu gedenken, welche die Singakademie 
unter ihrem Dirigenten Hrn. Musikdirector Clauss Sonntag den 
25. October veranstaltete, und zwar in der Synagoge, welche ihr 
vom Vorstande der hiesigen israelitischen Gemeinde bereitwilligst 
überlassen worden war. Das aus 7 Nummern zusammengesetzte 
Programm war folgendes: 1) der 116. Psalm von Leonardo Leo; 
2) „Toccata" und „Fuge" von J. S. Bach, vorgetragen von Hro. 
Organist C. Stiller; 8) Motetten von Jos. Haydn „Herr, der du 
mir das Leben ; 4) Violin-Sonate (la Didone) mit Orgelbegleitung 
von G, Tartini, vorgetragen von Hrn. Concertmeister David; 
6) der 51. Psalm von Orlando di Lasso, für Männerchor, vor- 
getragen vom Männergesangverein „Hellas ;" 6) der 137. Psalm von 
Franz Liszt für eine Singstimme (Frl. Lehmann) und Frauen- 
chor mit Begleitung der Violine (Hr. David), der Harfe (Frau 
Rudolph) und der Orgel (Hr. Stiller), und 7) „Talismane 
von Rob. Schumann, für 2 Chöre. Im Allgemeinen lässt sich 
nur sagen, dass besser gespielt, als gesungen wurde und gilt dies 
vorzugsweise von der durch Hrn. Concertmeister David zu Gehör 
gebrachten Sonate. Auch Hr. Stiller bewies sich als einen Orga- 
nisten, der mit seinem Instrumente vertraut ist und wohl mit ihm 
umzugehen weiss. Die Wirkung der Chorwerke beeinträchtigte 
häufiges Detoniren und einige verfehlte Einsätze ; mehrere ganz gut 
angebrachte und ausgeführte Nüancirungen konnten zwar nicht ent- 
schädigen, verdienten jedoch volle Anerkennung und bewiesen, dass 
man die Mühe des Einstudirens sich in keiner Weise hatte ver- 
driessen lassen. Für die Dissonancen des Liszt'schen Psalm frei- 
lich machen wir Niemanden verantwortlich. Friedrich der Grosse 
hat gesagt: „In meinem Reiche kann Jeder nach seiner Facon selig 
werden.« Warum sollten wir im Reiche der Kunst intoleranter 
sein? Wem's schmeckt, wer Gefallen daran findet, der bete und 
singe in dieser neuen Manier; nur muthe man uns nicht zu, da 
miteinzustimroen und mit zu empfinden. 



Aus €Hln. 



Der „Cölner Männer - Gesangverein in Verbindung mit dem 
Orchester der „Philharmonischen Gesellschaft eröffnete seine Winter- 
Saison am 20. Octbr. im Gertruden-Hofe mit der ersten der arrangirten 
drei gesellig- musikalischen Abendunterhaltungen. In der Concert- 
Abtheilung derselben kamen unter der treulichen Leitung seines 
Dirigenten, Hro. Franz Weber, zur Aufführung : Sinfonie rmlitaire 
von J. Haydn, zwei Chöre a capella, „Ossian von J. Beschnitt 
und „Waldvöglein von Dürrner; der „Landsknecht , für Chor 



- 207 



und Orchester von J. Herbeck; „Geburtsmarsch" von W. 
Tanbert und „Sturmesmythe" für Chor und Orchester von * 
Frans Lachner. In der ersten Abjtheilnng spielte 
Herr Concertmeister Otto von Königslöw das Violinconcert Nro. 11 
von L. Spahr, und im zweiten Theile „Romanze" und „Nocturne,, 
von H. W. Ernst. Die Orchestersätze wurden vortrefflich und 
Bchwungyoll ausgeführt und mit dem lebhaftesten Beifalle begrüsst. 
Dieser Beifall steigerte sich wesentlich . bei dem von Herrn Concert- 
meister O. v. Koenigslöw mit vollendeter Meisterschaft vorgetragenen 
Violinconcerte von Spohr und den beiden Salonstücken von Ernst. 
Die von dem „Männer Gesangverein ohne Begleitung vorgetragenen 
beiden Lieder erndeten den reichsten Beifall, und fanden die künst- 
lerischen Leistungen des Chores in der prachtvollen und markigen 
Ausführung der „Sturmesmythe* von F. Lachner ihren würdigsten 
Abqchluss. Herr Jos. Wolff erhielt für den reizenden Vortrag des 
Tenor-Solo enthusiastischenBeifall. Der trefflich instrumentirte „Lands- 
knecht von J. Herbeck sowie der in seiner Instrumentation so 
originelle „Geburtstagsmarsch" von Taube'rt fanden eine so beifällig 
günstige Aufnahme, dass vielseitig eine recht baldige Wiederholung 
dieser beiden, hier zum erstenmal en zu Gehör gebrachten Musik- 
stöcke gewünscht wurde. Dem Concerte folgte wie gewöhnlich ein 
gemeinschaftliches Souper, welches mit Reden, Toasten und allgemeinen 
Tafelliedern ausgeschmückt war, denen sich später noch ein heiteres 
Tänzchen anschloss. Trotz der sehr stürmischen und regnerischen 
Witterung hatte sich ein zahlreiches Publikum eingefunden und 
zeigt diese lebhafte Theilnahme, wie sehr diese von beiden Gesell- 
schaften arrangirten Abendunterhaltungen in ihren ernsten und heitef en 
Zusammenstellungen dem Geschmacks des Publikums entsprechen. 

Am 22. November gab der Verein auf bem grossen Gürzenich- 
Saale zum Besten des Baufonds der St. Cnniberts Kirche ein zahl? 
reich besuohtes Wohlthätigkeits-Concert und brachte in demselben 
zur Aufführung: 

Den 23. Psalm mit Pianoforte-Begleitung ven Fr. Schubert; 
das „Kirchlein" von J. Becker; „Frühlingsglaube" für Chor von 
Fr. Lach n er; „Lied der Städte", Gedicht von Herrmann Lingg, 
Chor mit Begleitung von Blech-Instrumentrumenten von Max Bruch; 
„Nachthelle", Tenor-Solo und Chor mit Pianofortebegleitung von 
Fr. Schubert; „Das Mädchen von Gawrie", Schottisches Volks- 
lied von J. Dürrner, und „Das Brünnele von St. Cunibert", 
Volkslied von F. Sucher mit unterlegtem neuen Texte von Andr. 
Pütz; «Die jungen Musikanten", Solo - Quartett und Chor von F. 
Kücken ; und der „Siegesgesang aus der Herrmannsschlacht", Chor 
mit Begleitung von Blech- Instrumenten von Fr. Lachner. Herr 
Concertmeister George Jap ha spielte in der ersten Abtheilung mit 
vieler Bravour und grosser Gewandheit „Romance" für die Violine 
von Beethoven und „Bourre'e" von J. Seb. Bach, und im zweiten 
Theile die „Fantaisie caprice" von Vieuxtemps. 

Jede Nummer des Programms wurde mit gewohnter Virtuosität 
executirt und fand ein dankbares Publikum. Das ausdrucksvolle 
Spiel des Concertmeisters G. Japha, sowie das reizende Tenor-Solo 
des Hrn. Wolff in der Nachthalle von Schubert, ernteten den reich- 
sten Beifall. 

Die Anwesenheit des General-Musikdirectors Herrn Fr. L achn e r 
electrisirte die Mitglieder wie das Publikum und mit sichtbarer 
Freude und Begeisterung wurde gesungen. Der verehrte Altmeister 
gab wiederholt seine hohe Befriedigung über die in hohem Grade 
vollendeten Leistungen des Chores und der Soli in den belobensten 
Worten zu erkennen. Einen gewaltigen Effect riefen hervor : Bruch's 
„Städtelied" und ganz besonders F. Lacbner's „Siegesgesang aus 
der Hermannsschlacht", welches letztere Werk mit mächtigen Instru- 
mentation unter des Componisten persönlicher Leitung von dem 
Verein mit vieler Kraft und Begeisterung gesungen wurde. Der 
Verein zeigte in dem heutigen Concerte einmal wieder seine alte 
Kraft und Stärke. Die bewunderungswürdige Schattirung des piano 
und forte, das schmelzende Cres- und Decrescendo sowie die 
Fülle des Tones und das abgerundete Ensemble waren ptachtvoll und 
riefen einen Sturm des Beifalls hervor. 

Nach dem Concerte hatte der Verein zu Ehren der anwesenden 
hohen Gäste ein kleines Souper mit Liedertafel arrangirt, an welchem 
die Herren La chn er, Hiller, Japha, Weber und mehrere Damen 
Antheil nahmen. • Worte der Anerkennung, bezeichnende Reden und 
Toaste wechselten mit dem Vortrage Lachner'scber Quartette und 



humorisch heitere Intermezzos würzten das Mahl, lieber den schönen ! 
Verlauf des Concertes und der Abendunterhaltung herrscht nur eine 
Stimme der höchsten Befriedigung. 

Dab vierte Abonnements - Concert fand mit folgendem Pro- 
gramm statt: I. Theil: Ouvertüre zu „Manfred" yon Schumann; 
Clavierconcert in Es-dur von Beethoven, vorgetragen von Hrn. 
Carl T ausig aus Berlin; Sopran- Arie und Chor aus R o s s i n i's 
„Stabat mater, tl das Solo gesungen von Frl. Anna Strauss aus 
Basel; Sinfonie in A-dur von Mendelssohn. II. Theil: „Zigeu- 
nerleben," Chor von Schumann (instrumentirt von G r e d n e r ) ; 
„Der Erlkönig," Ballade von Göthe, declamirt vom Hrn. Friedr. 
H a a s e ; Arie der Königin der Nacht aus der „Zauberflöte" von 
Mozart (Frl. Strauss) ; „Don Juan-Fantasie" von L i s z t (Herr 
Tausig); Ouvertüre zu „Oberon" von Weber. Die Manfred- 
Ouvertüre, obwohl vortrefflich executirt, machte gleichwohl nicht 
den Eindruck, den man von diesem tiefgedachten und meisterhaft 
gearbeiteten Werke erwarten durfte. Das Publikum war nicht ruhig 
genug, um eine so ernste und ziemlich schwer zu verstehende Com- 
position in sich aufzunehmen* Um so mehr Theilnahme widmete 
dasselbe dem Vortrage des Beethoven'schen Clavierconcertes durch 
Hrn. Tausig. Allerdings war die eminente, nicht zu überbietende 
Technik und meisterhafte Hervorhebung der dynamischen und rhyth- 
mischen Gegensätze wohl geeignet, das Publikum im Allgemeinen 
zur höchsten Bewunderung, zum stürmischen Beifall hinzureissen, 
aber wer ein tieferes Verständniss des Beethoven'schen Meister- 
werkes mitbrachte, wer nicht blos staunen und bewundern wollte, 
der vermisste doch etwas recht Erhebliches, nämlich die erforder- 
liche Gefühlstiefe und das innige Anschmiegen an das Orchester, 
welches bei diesem Werke der Vortragende nicht als untergeordnet 
und blos begleitend betrachten und den Virtuosen zu grell in den 
Vordergrund drängen darf. Auch liesse sich wohl gegen den zu 
häufigen Gebrauch des Verschiebungspedals mit Grund so Manches 
einwenden. Etwas Anderes freilich war es mit der Don Juan- 
Fantasie von Liszt; das war ein geeignetes Feld für den Mann 
mit den eisernen Fingern, die gleichwohl den Saiten, welche 
sie soeben mit unbegreiflicher Kraft und Ausdauer erdröhnen Hes- 
sen, nicht minder auch den zartesten Hauch zu entlocken und mit 
ihrer fabelhaften Geläufigkeit und Sicherheit das Unglaubliche zu 
vollbringen im Stande sind. Der dieser Leistung folgende Beifalls- 
sturm war ein in jeder Hinsicht wohlverdienter. Frl. Strauss, im 
Besitz einer sehr schönen und wohlgebildeten Sopranstimme , sang 
das Solo aus dem „Stabat" von Rossini ausgezeichnet schön und 
erntete lebhaften Applaus. Anders verhielt es sich mit der Arie 
der Königin der Nacht, welcher die junge Künstlerin doch nicht 
ganz gewachsen zu sein schien, da ihr in den Staccatos die höch- 
sten Töne fast regelmässig misslangen. Als ein unglückliches Ex- 
periment müssen wir die eingeschaltete Declamation des „Erlkönigs" 
durch Hrn. Haase bezeichnen, einmal weil wir von vornherein nicht 
zu begreifen vermögen, wie Hr. Haase mit dem gesprochenen Erl- 
könig in das Programm eines derartigen Concertes seinen Weg 
finden konnte, sodann auch weil die Art und Weise, in welcher 
das Gedicht aufgefasst und vorgetragen wurde, uns durchaus nicht 
zusagen wollte. Freilich ist nicht zu läugnen, dass Hr. Haase recht 
gut weiss, „wie es gemacht wird" und bei zartbesaiteten Gemüthern 
mögen auch die Schauer, die er mit den Worten des gespenstischen 
Wesens zu erregen bemüht war, recht tief gegangen sein. Schü- 
mann^ „Zigeunerleben" wurde vom Chor und Orchester sehr lobens- 
werth ausgeführt und fand diese Leistung auch die verdiente An- 
erkennung. Befremdet hat es uns aber, dass die Tenor- und Bass- 
Soli von zwei Sopranen gesungen wurden, was gewiss den Inten- 
tionen des Componisten nicht entsprechend sein kann. Die Sinfonie 
von Mendelssohn wurde vortrefflich executirt, nur schien uns das 
Tempo hie und da zu schnell genommen. Auch das Allegro der 
Oberon-Ouvertüre war etwas überhetzt, doch ging im Ganzen auch. 
diese recht schwungvoll vom Stapel. 



Nach richte 



Leipzig. Das Programm des 8. Gewandhausconcertes war fol- 
gendes: Vorspiel zu „Lohengrin" von R. Wagner; „Salamis," 
griechischer Siegesgesang von Lingg) für Mäonerchor und Or-' 



- 208 - 



«bester componirt von F. Gerneheim (zum 1. Male); Coneert in 
C-moll ftyr Pianoforte von Beethoven und „Ungarische Rhap- 
sodie" N* 2 Ton L i s e t , vorgetragen ron Frl. Holunder tue 
Berlin j „StnrmeamythV von Leoan, für Mannerchor componirt 
von Fr. Lachner; Matik sam „Sommernachtstraum* von M en- 
de Iss oh n. Die Männerchöre worden vom akademischen Männer- 
Qesangvereiu „Paulus* gesungen. 

München. Im k. Hof- and Nationaltheater kam die Operette 
„Der Rothmantel, a Gedicht von P. Heyse, componirt von Krem* 
persetzer zur erstmaligen Aufführung; dieselbe warde vom Publi- 
kum mit grossem Wohlgefallen aufgenommen und dürfte wegen 
ihres gefälligen Sujets und ihrer melodiösen Musik auch anderwärts 
mit Erfolg gegeben werden. — Im dritten Abonnementsconcerte 
wurden hintereinander die Orchester-Suite in D-dur von S. Bach, 
die Sinfonie in B-dur („La Beine" genannt) von J. Haydn, die 
Sinfonie in Es-dur von Mozart uud die Sinfonie in F-dur N* 8 
von Beethoven zur Aufführung gebracht. 

Haestricht. Die Gesellschaft „Momus," welche hier als eine 
der ältesten in Holland besteht, thut alles Mögliche für die Förde- 
rung der musikalischen Kunst. Die Winterconcerte dieser Gesell- 
schaft sind mit solcher Sorgfalt arrangirt und die mitwirkenden 
Künstler werden mit so grosser Zuvorkommenheit aufgenommen, 
dass von {eher die hervorragendsten Künstler mit besonderem Ver- 
gnügen in jenen Concerten auftraten. Wenn bisher vorzugsweise 
die Belgier dort das Feld behaupteten, so war es in dem am 10. 
December stattgefundenen Concerte eine deutsche Künstlerin, die 
Sängerin Frl. Philippine v. Edelsberg, welche man für diesen 
Abend gewonnen hatte, nachdem dieselbe in dem populären Con- 
certe des Hrn. Samuel in Brüssel mit ausserordentlichem Erfolge 
aufgetreten war. Frl. v. Edelsberg feierte auch hier einen so voll- 
ständigen Triumph, wie er wohl nur wenigen ihrer Landsmänninen 
im Auslande zu Theil wurde. Der Versuch des Frl. v. Edelsberg, • 
sich dem Maestrichter Publikum, welches an die durch glänzende 
Technik und schwierige Coloraturen brillirenden Pariser Sängerin- 
nen gewohnt ist, im ernsten classischen Fache vorzuführen, war ein 
gewagter. Neben Arien aus „Nachtwandlerin," „Hochzeit der Jea- 
nette," „Krondiamanten ," welche von der jugendlichen Sängerin 
Frl. Gobbaerts (erste Preisträgerin des Brüsseler Conservatoriums) 
mit sympathischer Stimme und grosser Kunstfertigkeit vorgetragen 
wurden, trat Frl. v. Edelsberg mit der Arie des „Orpheus" von 
Gluck („Ach! erbarmt" etc.) auf und bewegte die Herzen der Zu- 
hörer in einem solchen Grade, dass das ganze Auditorium in wahr- 
haft fanatischen Beifallssturm ausbrach und manches Auge bei den 
Klagen des unglücklichen Orpheus sich mit Tbränen füllte. Die- 
ser ausserordentliche Erfolg blieb der gefeierten Künstlerin auch 
während des ganzen Abends treu und die Lieder von Fr. Lachner, 
Eckert, Naus etc , welche sie ausserdem noch vortrug, brachten ihr 
nicht enden wollende Hervorrufe ein. Die Gesellschaft „Momus," 
welche ihrem Danke und ihrer bewundernder Anerkennung gegen- 
über dem schönen Talente des Frl. v. Edelsberg Ausdruck verleihen 
wollte, liess derselben in Gegenwart und unter den enthusiastischen 
Acclamationen des Publikums durch ihren wackern Präsidenten 
Hrn. Polis das Diplom als „Ehrenmitglied der Gesellschaft" über- 
reichen. So wie dieser Abend zu den schönsten in den reichhal- 
tigen Annalen des „Momus" zählt, so wird ihn auch gewiss die ge- 
feierte Künstlerin, um welche sich jetzt die belgischen Musikvereine 
streiten, zu ihren freudigsten Erinnerungen zählen. Ausserdem hat- 
ten wir in diesem Concerte Gelegenheit, das ausserordentliche 
Talent der beiden Kinder des rühmlichst bekannten Brüsseler Violin- 
Professors Steveniers, Marguerite (11 Jahre alt, Pianistin) 
und Auguste (8 Jahre alt, Violinist), zu bewundern. Die beiden 
Hebenswürdigen kleinen Künstler trugen durch ihre erstaunliche 
Sicherheit und Keckheit sehr viel zu den reichlichen Genüssen des 
Abends bei. Auch der Vater Steveniers liess sich hören und wurde 
für den meisterhaften Vortrag einer Sonate von Tartini mit Bei- 
fallsbezeugungen überschüttet. 

*»* Dem Berichte des „Berliner Tonkünstler- Vereins' 1 über das 
abgelaufene Vereinsjahr (vom 1. October 1867 bis 30. September 
1868) entnehmen wir Folgendes: Es ist dies der erste gedruckte 
und veröffentlichte Bericht seit dem 25jährigen Bestehen dieses 
Vereins, aas welchem hervorgeht, dass das Wirken desselben ein 
eben so gediegenes als erfolgreiches, den vorgesetzten Zwecken des 



Vereins vollkommen entsprechendes war. Dieser ausgesprochene 
Zweck desselben besteht darin , „alles Gute und Schöne jeder 
Richtung und jeder Zeit zu pflegen und zu fördern und keiner 
Parteibestrebung Vorschub zu leisten." Diesem Programm ent- 
spricht vollkommen das Verzeichniss der in den öffentlichen und 
nicht öffentlichen Soiräen des Vereins zur Aufführung gebrachten 
Werke nicht nur von den anerkannten Meistern der älteren und 
neueren Zeit, sondern auch von Compositionen talentvoller und 
strebsamer Vereinsmitglieder. Der Verein zählte am 1. Oct. 1868 t 
8 Ehrenmitglieder, eine Dame, die Sängerin Frl. Faccius, als ausser- 
ordentliches Ehrenmitglied, 147' ordentliche Mitglieder. Die Zahl 
der ausserordentlichen Mitglieder war im Juli 52, und ist beständig 
im Zunehmen begriffen. Auch die Finanzen befinden sich in er- 
freulichem und wohlgeregeltem Zustande und Bibliothek und Archiv, 
welche jedem Mitgliede zur Benutzung offen stehen , haben wieder 
reichlichen Zuwachs erhalten. Der zeitige Vorstand besteht aus den 
HH. Dr. Alsleben , W. Tappert, C. Schulze I. , C. Martin, C. Lutz, 
und 0. Eichberg. Möge der Verein in seinem lobenswerthen Streben 
beharren und auch ferner wie bisher blühen und gedeihen. 

*** Die von Heinrich Pfeil seit sieben Jahren redigirte- 
Gesangvereinszeitung : „Die Sang erhalle" — das Haupt-Organ 
des allgemeinen deutschen Sängerbundes — wechselt mit Ende diese» 
Jahres Verlagsort und Verlagsfirma und wird von Neujahr ab in 
Halle a. S. (iu H. W. Sehmidt's Verlagshandlung) erscheinen. Die. 
Redaction bleibt unverändert. 

*** Meyerbeer's'„Dinorah u wird in nächster Zeit im Ber- 
liner Opernhause zum Erstenmale und zwar mit Frl. Sessi 
in der Titelrolle zur Aufführung kommen. 

*** Der Tenorist Hr. L e d e r er und die Sängerin Frl. Üb r ich» 
beide am Darmstädter Hoftheater engagirt, werden sich im Frühjahr 
vermählen. 

*** Die beiden Hofcapellmeister Taubert und Dorn in Ber- 
lin werden mit Anfang des kommenden Jahres in Pension treten 
und Carl Eckart seine Functionen als erster Capellmeistsr be- 
ginnen. Taubert erhält den Titel „Ober-Capellmeister" und wird) 
auch ferner noch die Hofconcerte und Sinfoniesoireen dirigiren. 

*** Verdi ist, wie französische Blätter melden, mit der Com- . 
position einer Oper „Romeo und Julia" beschäftigt, welche in der 
Saison 1869—70 in Petersburg mit der Patti zur Aufführung 
kommen soll. 

*** A. Rubinstein hat in Berlin vier Concerte bei über- 
füll tem Saale gegeben und ging von dort nach Mecklenburg und 
Königsberg. 

%*.In Italien herrscht grosser Unwillen gegen die Franzosen, 
welche die Auslieferung der irdischen Hülle Rossini's verweigern. 

*** In Rotterdam wurde die vollständige „Faustmusik" von 
R. S ch u m a n n unter der Leitung des Hrn. W. Bargiel in recht 
gelungener Weise aufgeführt. 

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Verantw. Red. Ed. Föckerer. Bruch v* Carl Wallau, Mainz.